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German Pages XXVI, 177 [194] Year 2020
Produktion und Logistik
Christoph Johannes
Energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung bei zeitabhängigen Energiepreisen Konzeption quantitativer Planungsmodelle zur Entscheidungsunterstützung
Produktion und Logistik Reihe herausgegeben von Bernhard Fleischmann, Lehrstuhl Produktion und Logistik, Universitat Augsburg, Augsburg, Deutschland Martin Grunow, TUM School of Management, Technische Universität München, München, Deutschland Stefan Helber, Institut für Produktionswirtschaft, Universität Hannover, Hannover, Deutschland Karl Inderfurth, Fak Wirtschaftswissenschaften, Otto-von-Guericke-Universität, Magdeburg, Deutschland Herbert Kopfer, Lehrstuhl für Logistik, Universität Bremen, Bremen, Deutschland Herbert Meyr, Universität Hohenheim, Stuttgart, Deutschland Thomas S. Spengler, Produktion und Logistik, TU Braunschweig, Braunschweig, Deutschland Hartmut Stadtler, Institut für Logistik und Transport, Universität Hamburg, Hamburg, Deutschland Horst Tempelmeier, FB Produktionswirtschaft, Universität Köln, Köln, Deutschland Gerhard Wäscher, BWL VIII: Management Science, Univ. Magdeburg, Magdeburg, Deutschland Christian Bierwirth, Wirtschaftswiss. Fakultät LS für BW, Universität Halle-Wittenberg, Halle, Deutschland Katja Schimmelpfeng, Fak. Wirtschafts-u. Sozialwissensch, Universität Hohenheim Fak. Wirtschafts-u. Sozialwissensch, Stuttgart, Deutschland Moritz Fleischmann, Lehrstuhl für Logistik und SCM, Universität Mannheim, Mannheim, Deutschland Hans-Otto Günther, Technische Universitat Berlin, Berlin, Deutschland
Diese Reihe dient der Veröffentlichung neuer Forschungsergebnisse auf den Gebieten der Produktion und Logistik. Aufgenommen werden vor allem herausragende quantitativ orientierte Dissertationen und Habilitationsschriften. Die Publikationen vermitteln innovative Beiträge zur Lösung praktischer Anwendungsprobleme der Produktion und Logistik unter Einsatz quantitativer Methoden und moderner Informationstechnologie.
Kontakt Professor Dr. Thomas S. Spengler Technische Universität Braunschweig Institut für Automobilwirtschaft und Industrielle Produktion Mühlenpfordtstraße 23 38106 Braunschweig
Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/12449
Christoph Johannes
Energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung bei zeitabhängigen Energiepreisen Konzeption quantitativer Planungsmodelle zur Entscheidungsunterstützung
Christoph Johannes Technische Universität Braunschweig Braunschweig, Deutschland
Produktion und Logistik ISBN 978-3-658-30917-6 ISBN 978-3-658-30918-3 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-30918-3 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany
Geleitwort
Das Energiesystem in Deutschland und auch in vielen anderen Ländern durchläuft derzeit eine massive Umgestaltung. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Ausweitung erneuerbarer Energieerzeugung. Im elektrischen Energiesektor werden dabei bislang bereits mehr als 38 Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen gewonnen. Mit der Verwendung erneuerbarer Energiequellen, insbesondere aus Sonnenlicht und Wind, geht jedoch eine wetterabhängige Volatilität in der Erzeugungsmenge einher. Aus wirtschaftlicher Sicht äußert sich diese Volatilität im Energiemarkt in dynamischen Energiepreisen, welche in kurzen Zeitintervallen angepasst werden. Für die industrielle Wertschöpfung ist der Einsatz elektrischer Energie unabdingbar. So wird elektrische Energie für den Betrieb von Motoren, zur Beleuchtung und teilweise auch zur Erwärmung von Wasser, Werkstoffen und Aggregaten benötigt. Elektrische Energie hat dabei einen Anteil von 32 Prozent am Gesamtenergieeinsatz in der Industrie. Offenkundig ist die verwendete Energiemenge direkt abhängig von Einsatzentscheidungen der verwendenden Aggregate. Der energieorientierten Planung kommt daher eine wirtschaftlich große Bedeutung zu. Eine betriebswirtschaftlich motivierte energieorientierte Produktionsplanung ist jedoch mit vielfältigen Herausforderungen verbunden. Diese stellen insbesondere auf die Berücksichtigung von Energieverbräuchen aller mithilfe einer Maschine oder Anlage durchgeführten Aktivitäten sowie deren Interdependenzen ab. Daneben sind im Rahmen der Produktionsplanung weitere organisatorische Rahmenbedingungen wie Rüst- und Lagerhaltungskosten zu berücksichtigen. Eine maßgebliche Herausforderung stellen hierbei jedoch dynamische Energiepreise dar. Diese werden in den in der Literatur vorliegenden Ansätzen bislang nur unzureichend berücksichtigt. Eine wesentliche Forschungslücke besteht daher
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Geleitwort
in der Ausgestaltung von Planungsansätzen in der Losgrößen- und Reihenfolgeplanung, welche kurzfristig variierende Energiepreise sowie weitere technologische und organisatorische Anforderungen geeignet berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund setzt sich Herr Johannes in seiner Dissertation das Ziel, eine Entscheidungsunterstützung für das skizzierte Umfeld zu entwickeln und Handlungsempfehlungen für Industrie und Politik abzuleiten. Die besonderen Herausforderungen der Zielsetzung bestehen in der Identifikation von Ansatzpunkten zur Berücksichtigung des Energiewertes in gängigen Planungsansätzen der Losgrößenplanung. Dabei erweisen sich sowohl die mathematische Formalisierung der vorliegenden Entscheidungsvariablen, Zielfunktionen und Restriktionen als auch die Entwicklung eines geeigneten Evaluationsrahmens als methodisch anspruchsvoll. Herr Johannes deckt mit seiner Dissertation eine sowohl unter theoretischen als auch praxisorientierten Gesichtspunkten aktuelle und anspruchsvolle Thematik ab, und dies auf durchgehend höchstem Niveau. Das Aufgreifen und gezielte Nutzen betriebswirtschaftlicher Chancen in neuen Energiemärkten ist eine wesentliche Herausforderung hin zu mehr Flexibilität und Effizienz in zukünftigen Energiesystemen. Die Problemstellung der vorliegenden Arbeit ist gekennzeichnet durch ein hohes Maß an technologischen, organisatorischen und informationsbezogenen Herausforderungen sowie einer herausragenden wirtschaftlichen und ökologischen Relevanz. Herrn Johannes ist es in beeindruckender Weise gelungen, einen überzeugenden Planungsrahmen aufzuspannen, mehrere Modellierungskonzepte sowohl formal als auch inhaltlich mit Leben zu füllen sowie komplexe dynamische Zusammenhänge in Zeitstrukturen und Rüstvorgängen abzubilden. Insgesamt ist die Arbeit geprägt von einer sehr hohen theoretischen Eindringtiefe in die mit der Bearbeitung der Thematik verbundenen Themengebiete der Betriebswirtschaftslehre, des Operations Research und des Ingenieurwesens. Sie leistet damit einen relevanten und methodisch stringenten Forschungsbeitrag. Interessierten Lesern aus Wirtschaft und industrieller Praxis ist sie unbedingt zu empfehlen. Univ.-Prof. Dr. Thomas Stefan Spengler
Vorwort
Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Produktion und Logistik des Instituts für Automobilwirtschaft und Industrielle Produktion an der Technischen Universität Braunschweig. Die Zeit am Lehrstuhl war gekennzeichnet durch viele berufliche und persönliche Höhepunkte, aber auch das Kennenlernen eigener Grenzen und deren Überwindung. Ich möchte an dieser Stelle allen Personen danken, die mich in dieser Zeit begleitet und unterstützt haben. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Thomas Spengler. Von Beginn an hat er mich gefördert und gefordert, mich durch fachliche Anregungen und kritische Diskussionen schrittweise weitergebracht und damit wesentlich zum Gelingen dieser Dissertation beigetragen. Außerdem möchte ich ihm für das entgegengebrachte Vertrauen und die mir übertragene Verantwortung in Forschung und Lehre sowie für die persönliche Unterstützung danken. Herrn Prof. Dr.-Ing. Christoph Herrmann danke ich für die Übernahme des Korreferats und die wertvollen Diskussionen. Herrn Prof. Dr. Dietrich von der Oelsnitz sei für die Übernahme des Vorsitzes der Prüfungskommission und der Schaffung einer guten Prüfungsatmosphäre gedankt. Die Zeit am Lehrstuhl wird mir vor allem meiner Kollegen wegen in Erinnerung bleiben. Herzlicher Dank gilt Matthias Wichmann, der mir in seiner Zeit als Habilitand jederzeit mit Rat und Tat zur Seite stand und mir somit half, diesen Weg zu gehen. Für die zahlreichen fachlichen Diskussionen auf dem Weg zur Promotion und für die gemeinsame Zeit am Lehrstuhl und im Privaten danke ich ganz besonders Martin Grunewald, Karsten Kieckhäfer, Maren Kreis, Christoph Schinner, Kerstin Schmidt, Christian Thies und Christian Weckenborg. Dank gebührt ebenfalls meinen weiteren ehemaligen Kollegen Alexander Barke, Anna Breitenstein, Amjed Essakly, Raphael Ginster, Katharina Hibbeln, Isa von
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Vorwort
Hoesslin, Claas Hoyer, Christoph Hüls, David Kik, Andreas Matzke, Christoph Meyer, Patrick Oetjegerdes, Karen Puttkammer, Sina Quidde, Carsten Ruhnke, Felix Saucke, Christian Scheller, Ina Schlei-Peters, Patrick Schumacher, Natalia Stepien und Sönke Wieczorrek. Meiner Familie und meinen Freunden danke ich für den Rückhalt und ihre Unterstützung, insbesondere in den letzten Jahren. Besonderer Dank gebührt meinen Eltern Gudrun und Ralf-Peter dafür, dass sie mich jederzeit unterstützt und mir im Leben alle Möglichkeiten und Freiheiten gegeben haben. Für die wohltuende Ablenkung vom Promovieren, unvergesslichen gemeinsamen Momente sowie die langjährige Freundschaft danke ich meiner Schwester Lena, meinem Kumpel Patrick sowie meinem Schulfreund Benno. Mein größter Dank geht an meine Frau Juliane – dafür, dass sie den nicht immer leichten Weg zur Promotion mit mir gegangen ist, dabei immer an mich geglaubt hat, keine Selbstzweifel zuließ und für ihre mir entgegengebrachte Liebe. Christoph Johannes
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 Ausgangslage und Problemstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2 Strommarkt 2.0 – Chance einer energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2.1 Relevanz von Energie für produzierende Unternehmen . . . . . . . . . . 9 2.2 Der Strommarkt 2.0 aus Sicht produzierender Unternehmen . . . . . . 15 2.2.1 Wandel der Energieträger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.2.2 Angebot und Nachfrage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2.2.3 Marktmechanismen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2.2.4 Handlungsbedarf für produzierende Unternehmen. . . . . . . . 26 2.3 Chance einer energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2.3.1 Status quo. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2.3.2 Grenzen mengenorientierter Planungskonzepte. . . . . . . . . . . 31 2.3.3 Bedarf wertorientierter Planungskonzepte. . . . . . . . . . . . . . . 33 2.4 Anforderungen an eine energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3 Stand der Forschung zur energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 3.1 Grundlagen der simultanen Losgrößen- und Reihenfolgeplanung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 3.1.1 Entscheidungssituation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 3.1.2 Zielkriterien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 3.1.3 Modellierungskonzepte zum Umgang mit Dynamiken. . . . . 46
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Inhaltsverzeichnis
3.2 Ansätze einer simultanen Losgrößen- und Reihenfolgeplanung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 3.2.1 Konventionelle Ansätze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 3.2.2 Energieorientierte Ansätze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 3.3 Alternative Ansätze für eine energieorientierte Produktionsplanung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 3.4 Ergebnis der Literaturanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 4 Maschinenzustandsbasierter Modellierungsansatz. . . . . . . . . . . . . . . . 65 4.1 Modellkonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 4.2 Annahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 4.3 Notation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 4.4 Modellierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 4.5 Klassifikation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 4.6 Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 5 Energiepreisbasierter Modellierungsansatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 5.1 Modellkonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 5.2 Annahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 5.3 Notation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 5.4 Modellierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 5.5 Klassifikation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 5.6 Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 6 Numerische Analyse zur Validierung und Ableitung von Handlungsempfehlungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 6.1 Einführung eines energieintensiven Produktionsprozesses im Elektrorecycling. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 6.2 Konzeption der numerischen Analyse und Datengrundlage . . . . . . . 111 6.3 Bewertung betriebswirtschaftlicher Potenziale einer energieorientierten Planung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 6.3.1 Vorgehen zur Bewertung betriebswirtschaftlicher Potenziale. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 6.3.2 Gegenüberstellung hinsichtlich Modellumfang, Lösbarkeit und Lösungszeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 6.3.3 Gegenüberstellung hinsichtlich Einsparpotenzialen . . . . . . . 126
Inhaltsverzeichnis
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6.4 Identifikation günstiger Rahmenbedingungen für eine energieorientierte Planung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 6.4.1 Strukturierte Parametervariation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 6.4.2 Gegenüberstellung der Einsparpotenziale hinsichtlich untersuchter Rahmenbedingungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 6.5 Ableitung von Handlungsempfehlungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 6.5.1 Handlungsempfehlungen für produzierende Unternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 6.5.2 Handlungsempfehlungen für politische Entscheidungsträger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 7 Kritische Würdigung und Ausblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 7.1 Würdigung der entwickelten Planungsansätze und erzielten Erkenntnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 7.2 Übertragbarkeit der entwickelten Modellierungsansätze. . . . . . . . . . 150 7.3 Ausblick auf weiteren Forschungsbedarf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 8 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 A Optimierungsmodell für konventionellen Planungsansatz. . . . . . . . . . . 159 B Boxplots der Ergebnisse der numerischen Analyse. . . . . . . . . . . . . . . . . 161 C Optimierungsmodell für energiemengenorientierten Planungsansatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
Symbolverzeichnis
Indizes und Mengen k,k′,k′′,k′′′ Index der Produkte k,k′,k′′,k′′′ = 0,1,…,K, wobei Produkt ‘0’ ein Dummy-Produkt darstellt Kall Menge aller Produkte k K1 Menge aller Produkte k abzüglich des Dummy-Produkts ‘0’ r, r′ Index der energiepreisorientierten (Mikro-)Perioden r, r′ = 0,1,…, R, wobei (Mikro-)Periode ‘0’ eine Dummy-Periode zur Initialisierung darstellt Rall Menge aller energiepreisorientierten (Mikro-)Perioden r Rt Menge aller energiepreisorientierten (Mikro-)Perioden r, welche der Makroperiode t zugeordnet sind R1 Menge aller energiepreisorientierten (Mikro-)Perioden r abzüglich der ersten (Mikro-)Periode ‘0’ s Index der maschinenzustandsorientierten Mikroperioden s = 0, 1, … , S, wobei Mikroperiode ‘0’ eine Dummy-Periode zur Initialisierung darstellt Sall Menge aller maschinenzustandsorientierten Mikroperioden s St Menge aller maschinenzustandsorientierten Mikroperioden s, welche der Makroperiode t zugeordnet sind St′ Menge aller maschinenzustandsorientierten Mikroperioden s, welche der Makroperiode t zugeordnet sind, abzüglich dem letzten Element von St S1 Menge aller maschinenzustandsorientierten Mikroperioden s abzüglich der ersten maschinenzustandsorientierten Mikroperiode ‘0’
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t Tall T1
Symbolverzeichnis
Index der Makroperioden t = 1,2,…, T Menge aller Makroperioden t Menge aller Makroperioden t abzüglich der ersten Makroperiode ‘0’
Parameter ak C t dk,r dk,t ε ecr hck hck,r Ik,0 lr M q pk
pqr¯ pzk ′ ,k pck sck′,k stk′,k
spstart r,k ′ ,k spend r,k ′ ,k stkb′ ,k ωk,0
Bearbeitungszeit pro Produkt k Länge der Makroperiode t Nachfrage nach Produkt k in Periode r Nachfrage nach Produkt k in Makroperiode t ∧ Ausreichend kleine Zahl = M1 Energiepreis in der energiepreisorientierten (Mikro-)Periode r Lagerkostensatz für Produkt k je Makroperiode t Lagerhaltungskostensatz für Produkt k in der Mikroperiode r Initialer Lagerbestand von Produkt k Länge der energiepreisorientierten (Mikro-)Periode r Ausreichend große Zahl, bekannt als ‘Big M’ Leistungsaufnahme der Maschine im Maschinenzustand Produktion von Produkt k bzw. im Maschinenzustand Abgeschaltet Leistungsaufnahme der Maschine im Maschinenzustand Standby von Produkt k Leistungsaufnahme der Maschine im Maschinenzustand Rüsten von Produkt k′ zu k Bereitschaftskostensatz für die Erhaltung des Rüstzustands von Produkt k Rüstkostensatz für eine Umrüstung von Produkt k′ zu k Rüstzeit für eine Umrüstung von Produkt k′ zu k Anzahl notwendiger Perioden r um eine Umrüstung von Produkt k′ zu k, startend in der Periode r, vollständig abzuschließen Anzahl notwendiger Perioden r um eine Umrüstung von Produkt k′ zu k, endend in der Periode r, vollständig abzuschließen Binärer Parameter zur Erkennung von Rüstzeiten länger null; nimmt den Wert eins an, wenn die Rüstzeit von Produkt k′ zu k größer als null ist Binärer Parameter zur Definition des initialen Maschinenzustands
Symbolverzeichnis
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Entscheidungs- und Hilfsvariablen es Ik,r Ik,t lr,s q
lk,r,s q¯
lk,r,s lkz ′ ,k,r lkz ′ ,k,r,s zk ′ ,k,r qk,r qk,s
q¯ k,r q¯ k,s υk,r υk,s υ¯ k,r υ¯ k,s
Länge der maschinenzustandsorientierten Mikroperiode s Lagerbestand des Produkts k am Ende der Periode r Lagerbestand des Produkts k am Ende der Makroperiode t Zugeordnete Länge von maschinenzustandsorientierten Mikroperioden s zu energiepreisorientierten Mikroperioden r Zugeordnete Länge von maschinenzustandsorientierten Mikroperioden s zu energiepreisorientierten Mikroperioden r im Maschinenzustand Produktion von Produkt k, bzw. im Maschinenzustand Abgeschaltet Zugeordnete Länge von maschinenzustandsorientierten Mikroperioden s zu energiepreisorientierten Mikroperioden r im Maschinenzustand Standby von Produkt k Länge des Maschinenzustands Rüsten von Produkt k′ zu k in der energiepreisorientierte Periode r Zugeordnete Länge von maschinenzustandsorientierten Mikroperioden s zu energiepreisorientierten Mikroperioden r im Maschinenzustand Rüsten von Produkt k′ zu k Binäre Hilfsvariable zur Erkennung eines Maschinenzustands Rüsten von Produkt k′ zu k in der energiepreisorientierten Mikroperiode r Produktionsmenge von Produkt k > 0 in Periode r, bzw. Zeit im Maschinenzustand Abgeschaltet Produktionsmenge von Produkt k > 0 in Mikroperiode s, bzw. Zeit im Maschinenzustand Abgeschaltet Länge des Maschinenzustands Standby in der Periode r zur Erhaltung des Rüstzustands von Produkt k Länge des Maschinenzustands Standby in der Mikroperiode s zur Erhaltung des Rüstzustands von Produkt k Binäre Hilfsvariable zur Erkennung des Maschinenzustands Produktion von Produkt k in Periode r Binäre Hilfsvariable zur Erkennung des Maschinenzustands Produktion von Produkt k in Mikroperiode s Binäre Hilfsvariable zur Erkennung des Maschinenzustands Standby von Produkt k in Periode r Binäre Hilfsvariable zur Erkennung des Maschinenzustands Standby von Produkt k in Mikroperiode s
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ur,s
Vk,r ωk,r ωk,s zk′,k,r zk′,k,s
Symbolverzeichnis
Binäre Hilfsvariable zur Erkennung, ob in der Mikroperiode r bereits alle Zeiteinheiten der maschinenzustandsorientierten Mikroperiode s den energiepreisorientierten Mikroperioden r′ (r′ = [0, r]) zugeordnet wurden Hilfsvariable zur Bestimmung einer Reihenfolge von Rüstzuständen innerhalb einer energiepreisorientierten Periode r; je größer Vk,r, desto später wird die Maschine für das Produkt k gerüstet Binäre Entscheidungsvariable zur Bestimmung des Rüstzustands von Produkt k zu Beginn der Periode r Binäre Entscheidungsvariable zur Bestimmung des Rüstzustands von Produkt k zu Beginn der Mikroperiode s Binäre Entscheidungsvariable als Indikator für eine abgeschlossene Umrüstung der Maschine von Produkt k′ zu k in der Periode r Binäre Entscheidungsvariable als Indikator für eine abgeschlossene Umrüstung der Maschine von Produkt k′ zu k in der Mikroperiode s
Abkürzungsverzeichnis
BTB Big-Time-Bucket CLSD Capacitated Lot-sizing Problem with sequence-dependent setups CLSP Capacitated Lot-sizing Problem CSLP Continuous Setup Lot-sizing Problem CO2 Kohlenstoffdioxid DLSP Discrete Lot-sizing and Scheduling Problem EOGLSP Energy-Oriented General Lot-sizing and Scheduling Problem EOLSP Energy-Oriented Lot-sizing and Scheduling Problem IKT Informations- und Kommunikationstechnik MILP Mixed-integer linear programming MIP Mixed-integer programming PLSP Proportional Lot-sizing and Scheduling Problem STB Small-Time-Bucket TSP Traveling Salesman Problem
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Einheitenverzeichnis
GW Gigawatt kW Kilowatt kWh Kilowattstunde MWh Megawattstunde t Tonne TWh Terawattstunde
XIX
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1.1
Abbildung 1.2 Abbildung 2.1
Abbildung 2.2
Abbildung 2.3
Abbildung 2.4
Weltweite, energiebedingte CO2-Emissionen nach Sektoren mit expliziter (links) und impliziter (rechts) Berücksichtigung der Energiewirtschaft im Jahr 2016. (Vgl. International Energy Agency (2018a), S. 98 und 101.). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Leistungsaufnahme eines Produktionssystems über die Zeit (Vgl. Posselt (2016), S. 32. Die dargestellte Leistungsaufnahme wurde an einer Schleifmaschine aufgenommen.). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Zuordnung von Betriebszuständen zur Leistungsaufnahme eines Produktionssystems über die Zeit. (Eigene Abbildung in Anlehnung an Posselt (2016), S. 32). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Bruttostromerzeugung in Deutschland nach Energieträgern (Vgl. Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen e. V. (2018b). Für die Jahre 1991–1994 sowie 1996–1999 sind keine Werte vorhanden. Diese wurden zur Veranschaulichung linear approximiert. Werte für das Jahr 2018 basieren auf vorläufigen Angaben.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Stromerzeugung aus Wind- und Sonnenenergie sowie Last in den Monaten Januar (a), Juli (b) und Oktober (c) 2018 (Vgl. Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (2019).). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
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Abbildung 2.5
Abbildung 2.6
Abbildung 2.7
Abbildung 3.1
Abbildung 3.2 Abbildung 3.3 Abbildung 4.1 Abbildung 4.2 Abbildung 4.3
Abbildung 4.4 Abbildung 5.1
Abbildung 5.2 Abbildung 6.1 Abbildung 6.2
Abbildung 6.3 Abbildung 6.4
Abbildungsverzeichnis
Preise am Day-Ahead-Markt sowie verstromte Wind- und Sonnenenergie in den ersten zwei Wochen der Monate Januar (a), Juli (b) und Oktober (c) 2018 (Vgl. FraunhoferInstitut für Solare Energiesysteme (2019).). . . . . . . . . . . . . . 25 Beispielhafte Minimierung des Energieverbrauchs von (a) nach (b) mithilfe eines mengenorientierten Planungskonzepts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Beispielhafte Minimierung der Energiekosten von (a) nach (b) mithilfe eines wertorientierten Planungskonzepts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Bezugsrahmen zur Darstellung der Problemcharakteristika in Planungsansätzen für die simultane Losgrößen- und Reihenfolgeplanung. . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Modellierungskonzepte für die simultane Losgrößen- und Reihenfolgeplanung. . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Grundlegende Modellierungsansätze für die simultane Losgrößen- und Reihenfolgeplanung. . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Prozess der Modellbildung (Vgl. Schneeweiß (2002), S. 111) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Konzeptionelles Realmodell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Zeitstruktur des maschinenzustandsbasierten Modellierungsansatzes(Vgl. Wichmann et al. (2019b). In Anlehnung an Seeanner und Meyr (2013)) . . . . . . . . . . 72 Auftretende Symmetrien in den maschinenzustandsorientierten Mikroperioden. . . . . . . . . 83 Zeitstruktur des energiepreisbasierten Modellierungsansatzes. (Vgl. Johannes et al. (2019a). In Anlehnung an Wichmann et al. (2019b) und Seeanner und Meyr (2013).). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Besonderheiten bei der Modellierung endogener Dynamiken auf exogenen Zeitstrukturen. . . . . . . . . . . . . . 94 Vereinfachtes Prozessschema für das Recycling von Elektro- und Elektronikgeräte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Modellumfang der Modellierungsansätze EOGLSP und EOLSP für eine Instanz mit K = 8, R = 44, S = 50 sowie T = 5. . . . . . . . . . . . . . 123 Kosteneinsparungen EOGLSP. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Kosteneinsparung EOLSP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
Abbildungsverzeichnis
XXIII
Abbildung 6.5 Energiemengen- sowie Energiekosteneinsparung EOGLSP. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Abbildung 6.6 Energiemengen- sowie Energiekosteneinsparung EOLSP. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Abbildung 6.7 Kosteneinsparungen gegenüber konventioneller Planung in verschiedenen Szenarien für Probleminstanzen mit fünf Produkttypen und langem Planungshorizont. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Abbildung B.1 Boxplot der Gesamtkosteneinsparungen durch das EOLSP gegenüber einer konventionellen Planung in Probleminstanzen zur Bewertung betriebswirtschaftlicher Potenziale . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Abbildung B.2 Boxplot der Energiekosteneinsparungen durch das EOLSP gegenüber einer konventionellen Planung in Probleminstanzen zur Bewertung betriebswirtschaftlicher Potenziale. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 Abbildung B.3 Boxplot der Energiemengeneinsparungen durch das EOLSP gegenüber einer konventionellen Planung in Probleminstanzen zur Bewertung betriebswirtschaftlicher Potenziale . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 Abbildung B.4 Boxplot der Gesamtkosteneinsparung durch das EOLSP gegenüber einer konventionellen Planung in Probleminstanzen zur Identifikation günstiger Rahmenbedingungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Abbildung B.5 Boxplot der Energiekosteneinsparung durch das EOLSP gegenüber einer konventionellen Planung in Probleminstanzen zur Identifikation günstiger Rahmenbedingungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Abbildung B.6 Boxplot der Energiemengeneinsparung durch das EOLSP gegenüber einer konventionellen Planung in Probleminstanzen zur Identifikation günstiger Rahmenbedingungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 Abbildung C.1 Vergleich des EOLSP mit einer energiemengenorientierten Planung in Bezug auf eingesetzte Energiemenge sowie anfallende Energie- und Gesamtkosten . . . . 167
Tabellenverzeichnis
Tabelle 2.1
Tabelle 3.1 Tabelle 3.2 Tabelle 3.3 Tabelle 4.1 Tabelle 4.2 Tabelle 5.1 Tabelle 6.1 Tabelle 6.2
Tabelle 6.3
Tabelle 6.4 Tabelle 6.5
Endenergieverbrauch des Sektors Industrie in Jahr 2010 (Vgl. Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (2016), S. 15). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Vergleich konventioneller Ansätze der Losgrößen- und Reihenfolgeplanung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Vergleich energieorientierter Ansätze der Losgrößen- und Reihenfolgeplanung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Vergleich alternativer energieorientierter Ansätze für die Produktionsplanung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Chronologisch korrekte (a) und inkorrekte (b) Zuordnung von Zeiten zwischen den Mikroperioden . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Charakteristika des Formalmodells EOGLSP. . . . . . . . . . . . . 86 Charakteristika des Formalmodells EOLSP. . . . . . . . . . . . . . 104 Systematisch variierte Parameter in der numerischen Analyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Anteil produktspezifischer Mengen an Gesamtproduktionsmengen bei K = 7 und maschinenbedingte Bearbeitungszeit für die Produkttypen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 Leistungsaufnahme der Maschinenzustände Produktion bzw. Abgeschaltet und Standby in Abhängigkeit des Rüstzustands. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Sequenzspezifische Rüstkosten, Leistungsaufnahme im Maschinenzustand Rüsten und Rüstzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Generischer Modellumfang der betrachteten Modellierungsansätze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
XXV
XXVI
Tabelle 6.6
Tabelle C.1
Tabellenverzeichnis
Anzahl gefundener (optimaler) Lösungen, durchschnittliche Lösungszeit und durchschnittlicher Gap für EOGLSP und EOLSP über alle Instanzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Gegenüberstellung von EOLSP und energiemengenorientiertem Planungsansatz in Bezug auf Anzahl gefundener (optimaler) Lösungen, durchschnittliche Lösungszeit und durchschnittlicher Gap über alle Instanzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166
1
Einleitung
1.1 Ausgangslage und Problemstellung Seit Jahren rückt die ökologische Dimension einer nachhaltigen Entwicklung durch die Zunahme von wahrnehmbaren, anthropogenen Umweltwirkungen, wie dem Klimawandel, vermehrt in das Bewusstsein der Gesellschaft. Hervorgerufen werden die zunehmenden Umweltwirkungen insbesondere durch die seit dem Beginn der Industrialisierung ansteigenden Treibhausgasemissionen1. So wird beispielsweise bei der Verstromung fossiler Energieträger das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid (CO2) emittiert, welches unter anderem für den weltweiten Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur seit der Industrialisierung verantwortlich ist.2 Um den Temperaturanstieg gegenüber vorindustriellen Werten auf maximal 2 °C zu begrenzen, hat sich die Weltgemeinschaft auf der Pariser Klimakonferenz3 im Jahr 2015 auf gemeinsame Strategien und Ziele geeinigt.4 In Anlehnung an die weltweiten Treibhausgasemissionsminderungsziele wurde
1Emissionen
stellen (Kuppel-)Produkte eines physikalischen Prozesses oder einer chemischen Reaktion dar, welche in die Umwelt abgegeben werden. Im Allgemeinen wird der relative Beitrag von Emissionen zum Klimawandel mit Kohlenstoffdioxidäquivalenten quantifiziert. 2Vgl. Schmitz und Paulini (1999) und United Nations (2019). 3Die UN-Klimakonferenzen finden seit dem Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen in Kyoto (1997) regelmäßig statt. 4Vgl. Europäische Kommission (2016). © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Johannes, Energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung bei zeitabhängigen Energiepreisen, Produktion und Logistik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30918-3_1
1
2
1 Einleitung
für Deutschland ein Klimaschutzplan zur vollständigen Dekarbonisierung5 aller CO2-emittierenden Sektoren bis zum Jahr 2050 entwickelt. Die im Klimaschutzplan vereinbarten Maßnahmen greifen vorwiegend auf eine Kombination von Konsistenz- und Effizienzstrategie6 zurück. Im Jahr 2016 wurden weltweit circa 32.314 Mio. Tonnen CO2 emittiert, was im Vergleich zum Basisjahr 1990 eine Steigerung von circa 57 Prozent darstellt. Den größten CO2-Emittenten stellt der Sektor Energiewirtschaft mit 13.412 Mio. Tonnen dar. Dahinter folgen die Sektoren Transport mit 7.866, Industrie mit 6.109, Gebäude mit 1.884 sowie Sonstiges mit 3.043 Mio. Tonnen.7 Für den hohen CO2-Ausstoß des Sektors Energiewirtschaft ist die Bereitstellung von Sekundärenergieträgern8 für die weiteren Sektoren, insbesondere für die Industrie, ausschlaggebend. Betrachtet man die gesamten CO2-Emissionen, welche durch die Nutzung von sowohl Primär- als auch Sekundärenergieträgern
Abbildung 1.1 Weltweite, energiebedingte CO2-Emissionen nach Sektoren mit expliziter (links) und impliziter (rechts) Berücksichtigung der Energiewirtschaft im Jahr 2016. (Vgl. International Energy Agency (2018a), S. 98 und 101.)
5Dekarbonisierung
bzw. Entkarbonisierung beschreibt die Umstellung der Wirtschaftsweise in Richtung eines (sehr) niedrigen Ausstoßes von Treibhausgasemissionen. 6Generell stehen drei Strategien für eine nachhaltige Entwicklung zur Verfügung: Suffizienz-, Effizienz- und Konsistenzstrategie. Die Suffizienzstrategie beschreibt eine Emissionsminderung durch eine Minderung des Konsums. Dahingegen beschreibt die Effizienzstrategie eine Emissionsminderung durch eine Verbesserung des Input-OutputVerhältnis von Prozessen. Die Konsistenzstrategie beschreibt eine Emissionsminderung durch einen Technologiewechsel. Vgl. Schmidt (2008). 7Vgl. International Energy Agency (2018a), S. 98. 8Der Begriff der Sekundärenergieträger umfasst beispielsweise Kohlebriketts, Kraftstoffe, Strom sowie Wärme. Sekundärenergieträger werden durch die Umwandlung von Primärenergieträgern gewonnen.
1.1 Ausgangslage und Problemstellung
3
entstehen9, zeigt sich, dass die Industrie mit circa 11.789 Mio. Tonnen bzw. mit circa 36,5 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen den größten Sektor darstellt (vgl. Abbildung 1.1).10 Vor dem Hintergrund der im Klimaschutzplan entwickelten Strategien stehen insbesondere die Energiewirtschaft als größter CO2-Emittent sowie die Industrie als Hauptabnehmer von Sekundärenergie vor wesentlichen Herausforderungen. So gilt für die Energiewirtschaft, die Nachfrage nach Sekundärenergie zukünftig regenerativ zu bedienen. Dabei ist zu beachten, dass die Nachfrage nach regenerativ erzeugter Sekundärenergie zukünftig steigen wird. Dies geht mit der Substitution eingesetzter fossiler Energieträger in den weiteren Sektoren durch regenerativ erzeugte Energieträger der Energiewirtschaft einher.11 Darüber hinaus gilt es, die Industrie, als Hauptabnehmer von Sekundärenergie, in die sogenannte Energiewende miteinzubeziehen. Dies ist notwendig, um sowohl deren Unterstützung bei der Energiewende zu erhalten als auch die Wirtschaftlichkeit der Industrie durch Preiserhöhungen nicht zu gefährden.12 Um entsprechend den genannten Herausforderungen langfristig eine verlässliche, günstige und umweltfreundliche Stromerzeugung sicherzustellen, wurde bereits im Jahr 2010 ein Energiekonzept13 vorgelegt sowie im Jahr 2016 das Strommarktgesetz für den Strommarkt 2.0 beschlossen14. Tragende Säule des Konzepts bildet demzufolge der Ausbau regenerativer Energien. Die Einspeisung regenerativer Energien konnte seit dem Jahr 2010 bis 2017 um circa 106 Prozent gesteigert werden und bedient damit bereits rund 36 Prozent des gesamten Bruttostromverbrauchs in Deutschland.15 Um den hohen Anteil regenerativer Energien möglichst effizient zu nutzen, konkurrieren seit der Einführung des Strommarkts 2.0 Erzeugung, Nachfrage und Speicherung von Strom mithilfe verschiedener Marktmechanismen miteinander. Ein wesentlicher Marktmechanismus besteht in der Nutzung von Preissignalen, welche Konsumenten einen Anreiz
9Die
Emissionen des Sektors Energiewirtschaft werden entsprechend der Nachfrage nach Sekundärenergieträgern auf die Sektoren Industrie, Transport, Gebäude sowie Sonstiges verteilt. 10Vgl. International Energy Agency (2018a), S. 101. 11Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (2019). 12Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2015). 13Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (2010); Strunz (2014). 14Vgl. Bundesgesetzblatt (2016). 15Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2018).
4
1 Einleitung
geben, ihren Konsum an das aktuelle Angebot anzupassen.16 So ist beispielsweise der Strompreis für Konsumenten in Zeiten eines Überangebots deutlich niedriger als in Zeiten einer Übernachfrage.17 Damit stehen insbesondere Großverbraucher, wie die Industrie, zukünftig vor der Herausforderung, mit den entwickelten Marktmechanismen betriebswirtschaftlich sinnvoll umzugehen. Im Sektor Industrie resultieren circa 88 Prozent des gesamten Stromverbrauchs aus dem Betrieb von Produktionssystemen.18 Dementsprechend wird der zeitliche Verlauf des Stromverbrauchs signifikant durch den Betrieb der Produktionssysteme bestimmt. Die Planung und Steuerung von Produktionssystemen und damit deren Betrieb erfolgt im Rahmen des operativen Produktionsmanagements. Für einen betriebswirtschaftlich sinnvollen Umgang mit den genannten Marktmechanismen bedarf es demnach einer gezielten Berücksichtigung dieser im operativen Produktionsmanagement. Im Rahmen des operativen Produktionsmanagements werden Planungsaufgaben der Losgrößenund der Reihenfolgeplanung adressiert.19 Die simultane Losgrößen- und Reihenfolgeplanung vereint beide Planungsaufgaben in einer übergreifenden Planungsaufgabe und ermöglicht durch die simultane Planung das Heben von Potenzialen gegenüber einer sequenziellen Planung. Demnach stellt die simultane Losgrößen- und Reihenfolgeplanung für die Praxis eine relevante Planungsaufgabe dar, bei welcher bislang eine geeignete Berücksichtigung zukünftiger Marktmechanismen vernachlässigt wird. Aus diesem Grund liegt der Fokus dieser Arbeit auf der energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung unter Einbezug zeitabhängiger Strompreise als operative Planungsaufgabe. Generell müssen bei der simultanen Losgrößenund Reihenfolgeplanung zeitliche Abhängigkeiten zwischen der Einplanung von Produktionslosen sowie den Abläufen im Produktionssystem selbst berücksichtigt werden. So ist beispielsweise die Fertigung eines Loses nicht ohne vorheriges Einrichten des Produktionssystems möglich. Ziel der Planung ist es, die
16In
Abhängigkeit des Markts können die Preissignale für einen vorgegebenen Zeitraum bekannt sein (beispielsweise in Anlehnung an den Day-Ahead-Markt an der Strombörse European Energy Exchange) oder diese werden mithilfe von Prognosemodellen abgeschätzt. Vgl. Gürtler und Paulsen (2018b); Windler et al. (2019). 17Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2015); Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2017). 18Vgl. Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (2016). Hierbei werden mechanische Energie, Prozesswärme sowie -kälte aus Strom berücksichtigt. 19Vgl. Fleischmann et al. (2015).
1.1 Ausgangslage und Problemstellung
5
produktionsrelevanten Kosten zu minimieren, wie beispielsweise Rüst- oder Lagerhaltungskosten.20 Vor dem Hintergrund einer energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung sind zusätzlich die aus dem Produktionssystem resultierende Leistungsaufnahme sowie der zeitabhängige Strompreis zu berücksichtigen. Zusammen bestimmen diese die Stromkosten. Die Besonderheit der Leistungsaufnahme liegt darin, dass deren zeitlicher Verlauf signifikant vom Produktionsplan abhängt.21 Demnach besteht im Rahmen der energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung die Herausforderung, mithilfe günstiger Energiepreise und einer darauf abgestimmten Leistungsaufnahme die anfallenden Energiekosten zu senken unter gleichzeitiger Betrachtung weiterer entscheidungsrelevanter Kosten. Die Ermittlung einer optimalen energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung kann aufgrund der zahlreichen Abhängigkeiten als komplexe Planungsaufgabe charakterisiert werden, die eine quantitative Entscheidungsunterstützung erfordert. Zusammengefasst besteht die Planungsaufgabe in der Entscheidung, wann unter Berücksichtigung der zeitabhängigen Strompreise und der Interdependenzen im Produktionssystem welche Produkte gefertigt werden, um die Nachfrage nach Produkten unter Entstehung minimaler produktionsrelevanter Gesamtkosten zu bedienen. Hierfür gilt es, simultan über die Losgröße der zu produzierenden Produkte, der Zeitpunkte für die Produktion sowie über Umrüstungen bzw. Wartezeiten zu entscheiden. Eine vielversprechende Möglichkeit zur Leistung einer Entscheidungsunterstützung bei derartigen Problemen liegt in der Nutzung mathematischer Optimierungsmodelle. In der Literatur wurden insbesondere in den letzten Jahren vielfältige Optimierungsmodelle für eine (energieorientierte) Produktionsplanung entwickelt. Den Anforderungen an eine energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung mit zeitabhängigen Strompreisen und der Berücksichtigung von Abhängigkeiten innerhalb des Produktionssystems werden diese jedoch aufgrund einer unzureichenden Betrachtung der genannten Aspekte nicht gerecht. Somit ist es bisher nicht möglich, Potenzialabschätzungen durchzuführen, günstige Rahmenbedingungen zu identifizieren sowie optimale Produktionsreihenfolgen zu bestimmen.
20Vgl.
Maes und van Wassenhove (1988); Meyr (1999); Dyckhoff (2006); Dyckhoff und Spengler (2010). 21Vgl. Shrouf et al. (2014); Mansouri et al. (2016).
6
1 Einleitung
1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise Vor diesem Hintergrund besteht die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit in der Entwicklung einer Entscheidungsunterstützung für die energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung und dessen exemplarischer Anwendung zur Ableitung von Handlungsempfehlungen für Industrie und Politik. Aufgrund der unterschiedlichen Eignung verschiedener Modellierungsansätze für eine Berücksichtigung der Energiepreise in der Planung, sollen im Rahmen dieser Arbeit vielversprechende Modellierungsansätze entwickelt und anschließend gegenübergestellt werden. Die zu entwickelnden Modelle sollen es erlauben, die optimale Auftragsreihenfolge einer energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung für Industrieunternehmen zu bestimmen sowie daraus in Abhängigkeit verschiedener Rahmenbedingungen Einsparpotenziale abzuleiten. Um abschließend einen relevanten Erkenntnisgewinn zur energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung zu erzielen, ist es notwendig, mithilfe einer geeigneten produktionstheoretischen Modellierung sowie einer anschließenden betriebswirtschaftlichen Bewertung alle Abhängigkeiten und Einflussfaktoren seitens des Produktionssystems sowie des Strommarkts entsprechend zu berücksichtigen. Um die dargelegte Zielsetzung zu erreichen, werden folgende Arbeitsziele adressiert: • Analyse der veränderten Rahmenbedingungen im Strommarkt 2.0 für die Produktionsplanung von losgrößenbasierten Produktionssystemen und anschließende Ableitung von Anforderungen bezüglich einer energieorientierten Produktionsplanung • Klassifikation und Würdigung bestehender Ansätze zur (energieorientierten) Losgrößen- und Reihenfolgeplanung und Ableitung des Handlungsbedarfs • Entwicklung von Modellen zur Formalisierung des Problems der energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung • Evaluation der entwickelten Formalmodelle und Identifikation vielversprechender Rahmenbedingungen im Rahmen einer numerischen Analyse zur Ableitung von Handlungsempfehlungen für Industrie und Politik Für die Bearbeitung der genannten Arbeitsziele folgt die vorliegende Arbeit der nachfolgenden Vorgehensweise. Eine Übersicht der Kapitel samt Arbeitszielen findet sich in Abbildung 1.2.
1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise
7
In Kapitel 2 wird zunächst die Relevanz von Energie für produzierende Unternehmen dargelegt. Daran anschließend werden die mit dem Strommarkt 2.0 einhergehenden Veränderungen in Bezug auf Energieträger, Angebot und Nachfrage sowie Marktmechanismen für produzierende Unternehmen beschrieben und der sich daraus ergebende Handlungsbedarf identifiziert. Entsprechend dem abgeleiteten Handlungsbedarf wird ein Konzept für eine wert- statt der bisher erfolgten mengenorientierten Produktionsplanung hinsichtlich Energieeinsatz diskutiert. Schließlich werden Anforderungen an eine energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung für das Konzept der wertorientierten Produktionsplanung abgeleitet. In Kapitel 3 wird zunächst die Planungsaufgabe der simultanen Losgrößenund Reihenfolgeplanung in Bezug auf Entscheidungssituation und Zielkriterien definiert. Anschließend werden im Rahmen einer umfangreichen Literaturanalyse relevante (energieorientierte) Ansätze für die Losgrößen- und Reihenfolgeplanung sowie energieorientierte Planungsansätze für ähnliche Probleme präsentiert und anhand der abgeleiteten Anforderungen bezüglich ihrer Eignung für die energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung gewürdigt. Auf dieser Würdigung aufbauend, wird der Forschungsbedarf für diese Arbeit abgeleitet. Die Entwicklung eines maschinenzustandsbasierten Optimierungsmodells ist Gegenstand von Kapitel 4. Hierfür wird zunächst ein eigener Planungsansatz konzipiert. Anschließend werden die getroffenen Annahmen erläutert, welche für die Überführung des Konzepts in ein mathematisches Optimierungsmodell notwendig sind. Im letzten Schritt dieses Kapitels wird das entwickelte mathematische Optimierungsmodell klassifiziert. Des Weiteren wird in Kapitel 5 ein energiepreisbasiertes Optimierungsmodell entwickelt. Demnach ist dieses Kapitel äquivalent zu Kapitel 4 aufgebaut. Zunächst wird ein Planungsansatz mit einer veränderten Modellierung konzipiert. Anschließend werden die getroffenen Annahmen erläutert, welche für die Überführung des Konzepts in ein mathematisches Optimierungsmodell notwendig sind. Im letzten Schritt wird, wie im Kapitel zuvor, das entwickelte mathematische Optimierungsmodell klassifiziert. In Kapitel 6 wird das entwickelte Planungskonzept anhand einer realitätsnahen numerischen Analyse validiert. Hierzu werden die Einsparpotenziale von Ansätzen einer energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung bezüglich Energiekosten und -mengen bewertet. In diesem Zuge erfolgt ebenfalls eine Gegenüberstellung der beiden entwickelten Modellierungsansätze in Bezug auf erreichte Einsparpotenziale, Lösbarkeit und Lösungszeiten. Darüber hinaus werden im Anschluss durch eine strukturierte Parametervariation günstige
8
1 Einleitung
Rahmenbedingungen für eine energieorientierte Produktionsplanung identifiziert. Zum Abschluss des Kapitels werden Handlungsempfehlungen für produzierende Unternehmen sowie politische Entscheidungsträger abgeleitet. In Kapitel 7 werden die entwickelten Planungsansätze samt erzielter Erkenntnisse kritisch gewürdigt sowie ein Ausblick für weitere Forschung gegeben. Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung in Kapitel 8.
Abbildung 1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit
2
Strommarkt 2.0 – Chance einer energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung
Bei der Entwicklung einer Entscheidungsunterstützung für eine energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung ist ein umfassendes Verständnis zum Energieeinsatz in der industriellen Produktion sowie den möglichen Marktmechanismen im Strommarkt 2.0 notwendig. Dementsprechend stellt dieses Kapitel den Zusammenhang zwischen dem Energieeinsatz in der industriellen Produktion, dem Wandel des Strommarkts sowie den vorhandenen Konzepten einer energieorientierten Produktionsplanung dar. Zunächst wird in Abschnitt 2.1 die hohe Relevanz von Energie für produzierende Unternehmen aufgezeigt. In Abschnitt 2.2 folgt die Betrachtung des Strommarkts 2.0 aus Sicht produzierender Unternehmen. Im Anschluss daran werden in Abschnitt 2.3 Konzepte einer energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung diskutiert. Abschließend werden in Abschnitt 2.4 Anforderungen an eine energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung unter dem Gesichtspunkt des Strommarkts 2.0 abgeleitet.
2.1 Relevanz von Energie für produzierende Unternehmen Im allgemeinen Sprachgebrauch gilt Energie unabhängig von einer genauen Definition als unverzichtbares Gut für produzierende Unternehmen. Um abseits dieser allgemeingültigen Aussage die Relevanz von Energie aufzuzeigen, werden im Folgenden die für Unternehmen relevanten Energieformen definiert sowie Besonderheiten des Energiekonsums in produzierenden Unternehmen dargelegt.
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Johannes, Energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung bei zeitabhängigen Energiepreisen, Produktion und Logistik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30918-3_2
9
10
2 Strommarkt 2.0 – Chance einer energieorientierten Losgrößen- …
Im Wesentlichen wird bei Energie zwischen Primär-, Sekundär-, Endund Nutzenergie unterschieden. Während die Betrachtung der Primär- und Sekundärenergie insbesondere für die Energiewirtschaft relevant ist, steht bei produzierenden Unternehmen die End- sowie Nutzenergie im Vordergrund.1 Die Endenergie beschreibt den Energieinhalt der Energieträger, welcher dem Nutzer zur Verfügung steht und für die Durchführung von Aktivitäten in dessen physischen Besitz übergeht.2 Als Endenergieträger kommen in Unternehmen Primärenergieträger, wie beispielsweise Kohle oder Mineralöl, sowie Sekundärenergieträger, wie beispielsweise Strom, Benzin oder Diesel, zum Einsatz. Die Summe der Endenergieträger, die dem Unternehmen zugeführt wird, bestimmt demzufolge auch die Energiekosten des Unternehmens. Unter Nutzenergie wird die Energie verstanden, welche unmittelbar durch den Einsatz von Endenergie für die angedachte Arbeit eingesetzt wird. So wird in Unternehmen unter Nutzenergie beispielsweise Wärme, Kälte oder mechanische Energie verstanden. Die Summe der Nutzenergie gibt damit an, wie viel Energie für die Durchführung der angedachten Arbeit verwendet wird.3 Insgesamt werden circa 89 Prozent aller eingesetzten Endenergieträger in Unternehmen für den Betrieb von Produktionssystemen und der damit zusammenhängenden Leistungserbringung benötigt.4 Eine beispielhafte, aufsummierte Leistungsaufnahme von Endenergie eines Produktionssystems über die Zeit ist in Abbildung 2.1 dargestellt. Entsprechend dem dargestellten Verlauf der Leistungsaufnahme lassen sich zwei Erkenntnisse ableiten. Erstens zeigt sich, dass die Leistungsaufnahme über
1Primärenergie
beschreibt den Energieinhalt in natürlich vorkommenden Energieträgern, welche noch nicht durch den Menschen bedingt umgewandelt wurden. Zu den primären Energieträgern gehören beispielsweise Sonneneinstrahlung, Wind, Kernkraft sowie fossile Energieträger, wie unter anderem Kohle und Mineralöl. Als Sekundärenergie wird der Energieinhalt der Energieträger bezeichnet, welche durch den Menschen aus Primärenergie umgewandelt wurden. Sekundäre Energieträger umfassen beispielsweise Strom, Benzin oder Diesel. Vgl. Müller et al. (2009), S. 67 f. 2Demzufolge besteht zwischen Sekundärenergieträgern und Endenergieträgern kein weiterer Unterschied in der Form der Energieträger. 3Vgl. Müller et al. (2009), S. 67 f. 4Vgl. Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (2016), S. 15. Unterstützende Tätigkeiten werden hierbei nicht betrachtet. Demzufolge werden ausschließlich mechanische Energie, Prozesswärme sowie -kälte aller Energieträger berücksichtigt.
2.1 Relevanz von Energie für produzierende Unternehmen
11
Abbildung 2.1 Leistungsaufnahme eines Produktionssystems über die Zeit (Vgl. Posselt (2016), S. 32. Die dargestellte Leistungsaufnahme wurde an einer Schleifmaschine aufgenommen.)
die Zeit sehr volatil ist. Dies liegt insbesondere daran, welche Aggregate des Produktionssystems aktiv sind bzw. welche in den einzelnen Zeiten abgeschaltet sind oder in einem Teillastbetrieb arbeiten. Zweitens können trotz der hohen Volatilität verschiedene, relativ konstante Energiebedarfsniveaus identifiziert werden. Diese relativ konstanten Energiebedarfsniveaus werden durch einen anhaltenden Maschinenzustand erreicht. Der Maschinenzustand entspricht den Rüst- und Betriebszustand der Maschine. Unter dem Begriff des Rüstzustands wird ein spezifisches Set-up einer Fertigungsmaschine verstanden. Hingegen werden mögliche Zustandsalternativen der Maschine als Betriebszustände bezeichnet. Mithilfe der Information über eingeschaltete Aggregate im Produktionssystem können dem Verlauf der resultierenden Leistungsaufnahme eindeutige Rüst- und Betriebszustände zugeordnet werden.5 Dabei zeigt sich, dass die Leistungsaufnahme deutlich von diesen abhängig ist. Eine beispielhafte Zuordnung von Betriebszuständen zur gezeigten Leistungsaufnahme ist in Abbildung 2.2 dargestellt. Darüber hinaus zeigt sich, dass auch nicht wertschöpfende Betriebszustände einen signifikanten Einfluss auf den Energieverbrauch haben, wie
5Die
Leistungsaufnahme der einzelnen Aggregate ist aus Gründen der Vereinfachung hier nicht separat dargestellt. Diese kann jedoch in Posselt (2016), S. 32 nachgeschlagen werden.
12
2 Strommarkt 2.0 – Chance einer energieorientierten Losgrößen- …
Abbildung 2.2 Zuordnung von Betriebszuständen zur Leistungsaufnahme eines Produktionssystems über die Zeit. (Eigene Abbildung in Anlehnung an Posselt (2016), S. 32)
beispielsweise Umrüstungen oder Leerlaufzeiten.6 Demzufolge ist es für die Abschätzung der Energiekosten entscheidend, nicht nur den Energieverbrauch wertschöpfender Betriebszustände, beispielsweise den Betriebszustand Produktion, sondern auch weitere Betriebszustände miteinzubeziehen. Insgesamt zeigt sich, dass der zeitliche Verlauf der Leistungsaufnahme eines Produktionssystems signifikant vom Verlauf der Rüst- und Betriebszustände abhängig ist. Der zeitliche Verlauf der Rüst- und Betriebszustände wird im Wesentlichen innerhalb der Produktionsplanung festgelegt. Hierbei gilt es, einen Produktionsplan zu bestimmen, welcher die Anforderungen und Rahmenbedingungen des Produktionssystems berücksichtigt. Insbesondere wird im Rahmen der operativen Produktionsplanung eine detaillierte Ablaufplanung auf Maschinenbasis durchgeführt. Demzufolge ist die im Rahmen der Ablaufplanung bestimmte Abfolge von Rüst- und Betriebszuständen für den resultierenden Verlauf der Leistungsaufnahme der Maschine verantwortlich. Hinsichtlich der eingesetzten Endenergie lassen sich verschiedene Energieformen unterscheiden. Klassischerweise werden in produzierenden Unternehmen vorwiegend elektrische, mechanische sowie thermische Energie betrachtet.7 Unter elektrischer Energie wird die potenzielle Energie von elektrischen Ladungen 6Vgl.
Liu et al. (2014); Shrouf et al. (2014). Energieformen sind magnetische und chemische Energie sowie Kern- und Strahlungsenergie. Magnetische Energie beschreibt die Energie in einem magnetischen Feld. Die Energie, welche in der Bindung von Atomen oder Molekülen vorhanden ist, wird chemische Energie genannt. Als Kernenergie wird die Energie zur Bindung von Protonen und Neutronen im Atomkern bezeichnet. Schließlich beschreibt die Strahlungsenergie die Energie im elektromagnetischen Feld. Vgl. Müller et al. (2009), S. 67 f.
7Weitere
2.1 Relevanz von Energie für produzierende Unternehmen
13
Tabelle 2.1 Endenergieverbrauch des Sektors Industrie in Jahr 2010 (Vgl. FraunhoferInstitut für System- und Innovationsforschung (2016), S. 15)
beschrieben, welche beispielsweise bei Strom vorliegt. Elektrische Energie wird in Unternehmen insbesondere zum Betrieb von Fertigungsmaschinen, zum Kühlen oder Heizen im Produktionssystem, zum Betrieb der Informationsund Kommunikationstechnik sowie der Beleuchtung benötigt. Mechanische Energie kann sowohl als kinetische als auch als potenzielle Energie vorliegen. Kinetische Energie beschreibt die enthaltene Energie in einer bewegten Masse. Beispielsweise wird im Unternehmen die Bewegung eines Schneidwerkzeugs zur Bearbeitung eines Werkstücks als kinetische Energie bezeichnet. Potenzielle Energie beschreibt dagegen die enthaltene Energie in einem Körper durch seine Position in einem Kraftfeld, wie beispielsweise im Gravitationsfeld der Erde. Die potenzielle Energie von Werkstücken wird in Unternehmen beispielsweise für einen antriebslosen Materialfluss durch die Fertigung genutzt. Als thermische Energie wird die Energie bezeichnet, welche in der Bewegung von Atomen oder Molekülen eines Stoffes gespeichert ist. Aus diesem Grund wird thermische Energie auch als Wärmeenergie bezeichnet. Wärmeenergie wird in Unternehmen beispielsweise benötigt, um bestimmte Prozessschritte durchzuführen, welche eine vorherige Erwärmung des Werkstücks erfordern.8 In Deutschland wurden im Jahr 2016 unabhängig von der Energieform und des Energieträgers insgesamt circa 2.517 TWh Endenergie durch die Sektoren Industrie9, Transport, Gebäude und Sonstiges konsumiert. Dabei entfällt mit
8Vgl.
Müller et al. (2009), S. 67 f. Sektor Industrie und der Begriff produzierende Unternehmen werden im Folgenden synonym verwendet.
9Der
14
2 Strommarkt 2.0 – Chance einer energieorientierten Losgrößen- …
circa 28,2 Prozent des gesamten Endenergieverbrauchs ein beachtlicher Anteil auf den Sektor Industrie.10 Der hohe Endenergieverbrauch im Sektor Industrie resultiert vorwiegend aus den Anwendungsbereichen Prozesswärme, mechanische Energie sowie sonstige Wärme (vgl. hierzu Tabelle 2.1). Zum Einsatz kommen hierbei im Wesentlichen regenerative Energien, Fernwärme, fossile Gase, Kohle, Öl und Strom. Die fossilen Gase stellen mit einem Anteil von 37 Prozent den größten Energieträger in produzierenden Unternehmen dar. Diese werden nahezu ausschließlich für die Produktion von Wärme eingesetzt. Strom in Form von elektrischer Energie stellt mit einem Anteil von 32 Prozent den zweitgrößten Energieträger für produzierende Unternehmen dar. Dieser wird vorwiegend zum Antrieb elektrischer Maschinen verwendet.11 Bedingt durch zwei wesentliche Veränderungen wird zukünftig davon ausgegangen, dass der Bedarf nach Strom steigen wird. Erstens wird sich im Zuge einer zunehmenden Digitalisierung von Produktionssystemen die Nachfrage nach Strom für den Betrieb der notwendigen Infrastruktur erhöhen. Zweitens wird bedingt durch die erwartete Substitution fossiler Endenergieträger in der Industrie die Nachfrage nach regenerativ erzeugtem Strom, als CO2-neutraler Endenergieträger, durch die produzierenden Unternehmen zukünftig weiter ansteigen. In Anlehnung an eine Studie zur Ermittlung des Energiekostenindex für die deutsche Industrie aus dem Jahr 2017 betragen die mit dem Endenergieverbrauch einhergehenden monatlichen Energiekosten für die produzierenden Unternehmen in Deutschland circa 2,4 Mrd. Euro.12 Durch den Bezug von Strom fallen bereits heute die höchsten Energiekosten an, obwohl Strom im Sektor Industrie mengenmäßig bislang hinter den fossilen Gasen zurückliegt.13 So entfallen 52 Prozent der monatlichen Energiekosten auf die Bereitstellung von Strom (circa 1,2 Mrd. Euro). Daneben entfallen 33 Prozent auf den Bezug von Erdgas und Öl (circa 0,8 Mrd. Euro), 9 Prozent auf den Bezug von Kohle (circa 0,2 Mrd. Euro) sowie 6 Prozent auf sonstige Energieträger (circa 0,1 Mrd. Euro).14 Damit beträgt der Anteil der gesamten Energiekosten an der erbrachten Bruttowertschöpfung15
10Vgl. Arbeitsgemeinschaft
Energiebilanzen e. V. (2018a), S. 18–24. Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (2016), S. 15. 12Insbesondere durch den Preisverfall von Rohöl seit dem Jahr 2014 haben sich die monatlichen Energiekosten für die Industrie um circa 27 Prozent reduziert. 13Vgl. Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen e. V. (2018a), S. 18. 14Vgl. Matthes et al. (2017), S. 23 f. 15Unter Bruttowertschöpfung wird der Wert aller Produkte und Dienstleistungen abzüglich in Anspruch genommener Vorleistungen verstanden. 11Vgl.
2.2 Der Strommarkt 2.0 aus Sicht produzierender Unternehmen
15
im Durchschnitt für alle produzierende Unternehmen circa 5,9 Prozent. Für die hoch-energieintensive Industrie beträgt der Anteil sogar 14,6 Prozent, für die mittel-energieintensive Industrie 8,2 Prozent sowie für die wenig energieintensive Industrie 2,8 Prozent.16 Aufgrund der bereits sehr hohen und weiter ansteigenden Nachfrage nach elektrischer Energie und der damit einhergehenden sehr hohen Energiekosten wird Strom bereits heute als Endenergieträger in der Industrie eine besondere Beachtung geschenkt. Hinzu kommt, dass in Deutschland circa 43,8 Prozent17 der insgesamt erzeugten elektrischen Energie im Sektor Industrie konsumiert werden. Weltweit beträgt dieser Anteil circa 41,6 Prozent18. Demzufolge haben grundlegende Veränderungen in der Energiewirtschaft einen erheblichen Einfluss auf produzierende Unternehmen. Vor dem Hintergrund eines verstärkten Umweltschutzes und der weltweit vereinbarten Einsparung von CO2-Emissionen findet eine Transformation der Energiewirtschaft statt. So wird die bisher auf fossilen Energieträgern basierende Energiewirtschaft hin zu einer vorwiegend auf regenerativen Energien basierenden Energiewirtschaft entwickelt.19 Zur Einhaltung der auf den Klimakonferenzen vereinbarten Ziele stehen demnach der Energiewirtschaft sowie der Industrie weitreichende Veränderungen bevor. Den Erkenntnissen dieses Abschnitts folgend richtet sich damit die weitere Betrachtung von Energie ausschließlich auf den Endenergieträger Strom.20 Hierzu werden im nächsten Abschnitt die zur Erreichung der Klimaziele notwendigen Veränderungen in der deutschen Energiewirtschaft aufgezeigt und deren Auswirkungen auf die produzierenden Unternehmen analysiert.
2.2 Der Strommarkt 2.0 aus Sicht produzierender Unternehmen Weltweit stehen die Sektoren der Energiewirtschaft vor neuen Herausforderungen, um den steigenden Bedarf an regenerativ erzeugter, elektrischer Energie zur Erreichung der angesprochenen Klimaziele zukünftig zu bedienen.
16Vgl.
Matthes et al. (2017), S. 27 f. Energiebilanzen e. V. (2018a), S. 18–24. 18Vgl. International Energy Agency (2018b), S. 19. 19Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (2019). 20Der Eingrenzung folgend werden fortan die Begriffe „Energie“ und „Strom“ sowie „Energiepreis“ und „Strompreis“ synonym verwendet. 17Vgl. Arbeitsgemeinschaft
16
2 Strommarkt 2.0 – Chance einer energieorientierten Losgrößen- …
Für die Energiewirtschaft in Deutschland zeigen sich hierbei zwei wesentliche Herausforderungen. Erstens muss während der Transformation der Energiewirtschaft hin zu einer auf regenerativen Energien basierenden Energiewirtschaft dauerhaft eine ausreichende Energieversorgung der Kunden sichergestellt sein. Zweitens darf die Energiewirtschaft die Wettbewerbsfähigkeit des eigenen Wirtschaftsstandorts nicht gefährden und muss demnach zukünftig eine kostengünstige Energieversorgung ermöglichen.21 Für eine erfolgreiche Bewältigung dieser genannten Herausforderungen wurde in Deutschland der Strommarkt 2.0 entwickelt.22 Ziele des Strommarkts 2.0 sind Nachhaltigkeit und Innovation in der Stromerzeugung zu fördern, eine kostengünstige Versorgungssicherheit für Konsumenten zu ermöglichen sowie die Refinanzierung von Anlagen zur Energieerzeugung sicherzustellen.23 Ziel dieses Abschnitts ist es, die Veränderungen im Strommarkt aus der Sicht von produzierenden Unternehmen darzulegen und die Auswirkungen auf diese zu analysieren. Hierzu werden zunächst (Abschnitt 2.2.1) die Veränderungen im Bereich der Energieträger beschrieben, welche für die Energieerzeugung verwendet werden. Anschließend werden durch die veränderte Zusammensetzung der Energieträger die Veränderungen im Energieangebot und die Notwendigkeit zur Synchronisation des Angebots zur konsumentenseitigen Nachfrage (Abschnitt 2.2.2) diskutiert. Der Notwendigkeit zur Synchronisation folgend werden zukünftige Marktmechanismen, insbesondere für produzierende Unternehmen, zur Flexibilisierung der Nachfrage nach elektrischer Energie im Strommarkt 2.0 (Abschnitt 2.2.3) diskutiert. Abschließend soll basierend auf den beschriebenen Veränderungen in den vorherrschenden Rahmenbedingungen der Handlungsbedarf für produzierende Unternehmen zur Umsetzung einer energieorientierten Produktion (Abschnitt 2.2.4) konkretisiert werden. 21Vgl.
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2015), S. 28. Strommarkt 2.0 basiert dabei auf einem Energy-Only-Markt mit Kapazitätsreserven. Bei einem Energy-Only-Markt wird nur der an den Konsumenten gelieferte Strom mit dem Market-Clearing-Preis vergütet. Der Market-Clearing-Price wird mithilfe des Merit-Order Ansatzes bestimmt. Hingegen wird bei einem Kapazitätsmarkt die vorgehaltene Leistung vergütet. Somit wird das heutige Stromsystem, in dem regelbare Kraftwerke der Stromnachfrage folgen, in ein Stromsystem transformiert, in dem flexible Erzeuger, flexible Verbraucher und Speicher auf das fluktuierende Stromangebot aus Wind und Sonne reagieren. Vgl. hierzu Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2015); Keles et al. (2016); Panos (2017). Eine Gegenüberstellung verschiedener Strommarktdesigns findet man ebenfalls in Keles et al. (2016). Darüber hinaus findet man eine Diskussion von zentralen gegenüber dezentralen Marktdesigns in Rinck (2017). 23Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2015), S. 4 f. 22Der
2.2 Der Strommarkt 2.0 aus Sicht produzierender Unternehmen
17
2.2.1 Wandel der Energieträger Um die besondere Herausforderung der Transformation der Energiewirtschaft hin zu einer nachhaltigen Energiewirtschaft aufzuzeigen, ist es empfehlenswert, zunächst die Ausgangssituation der Energiewende darzulegen. Seit der Entdeckung der Elektrizität setzte weltweit der Großteil der Länder auf eine Energieerzeugung, welche vorwiegend auf der Verstromung fossiler Energieträger wie Öl, Kohle und Gas sowie der Kernenergie basiert. Dabei bilden bislang wenige Länder eine Ausnahme, wie beispielsweise Norwegen, dessen Energieerzeugung seit Jahren nahezu vollständig auf regenerativen Energien basiert.24 Erst durch ein Umdenken, angeregt durch den fortschreitenden Treibhauseffekt und der Verabschiedung zahlreicher Klimaziele zu Beginn der 2000er Jahre, setzt in vielen Ländern eine verstärkte Energieerzeugung auf Basis regenerativer Energien ein. Entsprechend dieser Veränderungen ist in Deutschland bislang ein deutlicher Wandel wahrnehmbar. Noch im Jahr 1990 besaßen die Energieträger Kohle, Kernenergie, Öl und Gas einen Anteil von 92,9 Prozent an der gesamten Bruttostromerzeugung. Durch den sukzessiven Ausbau regenerativer Energien, insbesondere seit Beginn der 2000er Jahre, hat sich der Anteil der konventionellen Energieträger (Kohle, Kernenergie, Öl und Gas) bis zum Jahr 2018 auf 60,6 Prozent reduziert. Demgegenüber stieg der Anteil regenerativer Energien seit 1990 von ursprünglich 3,6 Prozent auf 35,2 Prozent im Jahr 2018. Diese Veränderung der relativen Anteile liegt einerseits an einer Erhöhung der gesamten Bruttostromerzeugung seit 1990 um circa 20 Prozent. Andererseits erhöhte sich in dieser Zeit die Bruttostromerzeugung durch regenerative Energien um circa 1.000 Prozent und die durch Erdgas um circa 130 Prozent. Demgegenüber sank die Bruttostromerzeugung durch Braunkohle in dieser Zeit um circa 15 Prozent, durch Kernenergie um circa 50 Prozent sowie durch Steinkohle um circa 40 Prozent.25 Die genaue Entwicklung der einzelnen Energieträger über die Jahre kann Abbildung 2.3 entnommen werden. Zwar ist, wie oben dargestellt, in Deutschland ein deutlicher Wandel in der Stromerzeugung wahrnehmbar, jedoch bedarf es vor dem Hintergrund einer zukünftig vereinbarten, nahezu CO2-neutralen Stromerzeugung weiteren Veränderungen. Entsprechend dem Klimaschutzplan 2050 wurden für die Zukunft
24Vgl.
International Energy Agency (2017). Energiebilanzen e. V. (2018b).
25Vgl. Arbeitsgemeinschaft
18
2 Strommarkt 2.0 – Chance einer energieorientierten Losgrößen- …
Abbildung 2.3 Bruttostromerzeugung in Deutschland nach Energieträgern (Vgl. Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen e. V. (2018b). Für die Jahre 1991–1994 sowie 1996–1999 sind keine Werte vorhanden. Diese wurden zur Veranschaulichung linear approximiert. Werte für das Jahr 2018 basieren auf vorläufigen Angaben.)
nachfolgende Ziele vereinbart.26 Gegenüber dem Ausgangsjahr von 1990 ist eine Senkung der CO2-Emissionen in mehreren Schritten geplant. Zunächst sollen die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent und bis zum Jahr 2050 um 80–95 Prozent reduziert werden.27 Um diese Ziele zu erreichen, ist ein weiterer, schrittweiser Ausbau von regenerativen Energien für die Stromerzeugung geplant. Demnach soll der Anteil regenerativer Energien am Bruttostromverbrauch bis zum Jahr 2020 mindestens 35 Prozent, bis zum Jahr 2030 mindestens 50 Prozent, bis zum Jahr 2040 mindestens 65 Prozent sowie zum Jahr 2050 mindestens 80 Prozent betragen. Dementsprechend wird der Ausbau der Windenergie sowie teilweise der Sonnenenergie in Deutschland zukünftig eine entscheidende Rolle einnehmen.28 Darüber hinaus wurde beschlossen die restlichen Kernkraftwerke bis zum Jahr 2022 stillzulegen.29 Außerdem wurde zu Beginn des Jahres 2019 die Absicht eines Kohleausstiegs spätestens zum Jahr 2038 in mehreren Etappen kommuniziert.30 26Vgl.
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (2019). Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (2019); Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2017). 28Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (2019); Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (2010). 29Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2017). 30Vgl. Die Bundesregierung (2019). 27Vgl.
2.2 Der Strommarkt 2.0 aus Sicht produzierender Unternehmen
19
Mithilfe von Simulationen des Umweltbundesamts wurden unter anderem verschiedene Gestaltungsoptionen für eine vollständig auf regenerativen Energien aufbauende Stromversorgung im Jahr 2050 bewertet. Eine erfolgversprechende Gestaltungsoption stellt eine weitgehende Ausnutzung der gegebenen Potenziale regenerativer Energien in den verschiedenen Regionen Deutschlands dar. Der beschriebene Energiemix sieht eine Bruttostromerzeugung durch Photovoltaik (20 Prozent), Offshore-Windenergie (32 Prozent), Onshore-Windenergie (33 Prozent), Wasserkraft (4 Prozent), Geothermie (9 Prozent) sowie Abfallbiomasse (2 Prozent) vor.31
2.2.2 Angebot und Nachfrage Der Transformation der Energiewirtschaft sowie den Veränderungen in der Zusammensetzung der Energieträger folgend werden in diesem Abschnitt zunächst die Auswirkungen der Veränderungen auf das Angebot dargelegt sowie die Synchronisation mit der Nachfrage nach Strom diskutiert. Wie in Abschnitt 2.2.1 aufgezeigt, nehmen die Energieträger Wind- sowie Sonnenenergie zukünftig eine entscheidende Rolle in der Stromerzeugung ein. Den Vorteilen dieser beiden Energieträger – die Erzeugung von Strom erfolgt mit vergleichsweise geringen CO2-Emissionen über den vollständigen Lebenszyklus32 sowie mit Grenzkosten nahe null Euro33 – steht der große Nachteil eines fluktuierenden Angebots gegenüber. Die Erzeugung von Strom aus Wind- und Sonnenenergie schwankt zwischen null und der maximal installierten Kapazität in Abhängigkeit des vorherrschenden Winds und der Sonneneinstrahlung. Diesem fluktuierenden Angebot steht am Strommarkt die Nachfrage nach Strom gegenüber, welche deutlich durch den Tagesablauf von Gesellschaft, Handel und Dienstleistungen sowie der Industrie geprägt wird. Um einen beispielhaften Einblick in die Volatilität des Stromangebots sowie der Nachfrage nach Strom zu geben, wird im Folgenden die realisierte Stromerzeugung aus Wind- und Sonnenenergie sowie die sogenannte Last im Jahr
31Vgl.
Umweltbundesamt (2010), S. 60–117. In den Gestaltungsoptionen wird explizit auch die Substitution fossiler Energieträger in den anderen Sektoren mitberücksichtigt. 32Vgl. Öko-Institut (2011). 33Vgl. Panos (2017), S. 439; Next Kraftwerke (2019a).
20
2 Strommarkt 2.0 – Chance einer energieorientierten Losgrößen- …
2018 betrachtet.34 Eine beispielhafte Stromproduktion aus Wind- und Sonnenenergie sowie die zugehörige Last für die Monate Januar, Juli und Oktober aus dem Jahr 2018 sind in Abbildung 2.4 dargestellt. Dabei lassen sich für das Stromangebot insgesamt zwei Erkenntnisse ableiten. Erstens existieren bei Sonnenenergie deutliche, saisonale Unterschiede in Abhängigkeit der Jahreszeit sowie der Tageszeit. In den sonnenreichen Monaten wird deutlich mehr Strom aus Sonnenenergie produziert als in den weniger sonnenreichen Monaten. Darüber hinaus hängt die Produktion von Strom aus Sonnenenergie von der Sonneneinstrahlung und demzufolge vom Tagesverlauf ab. So wird beispielsweise in der Nacht kein Strom und zur Mittagszeit die höchste Menge an Strom produziert. Bei Windenergie kann hingegen ausschließlich ein saisonaler Einfluss durch die Jahreszeit identifiziert werden. So wird in den eher windreichen Wintermonaten deutlich mehr Strom aus Windenergie als in den windarmen Sommermonaten produziert. Über den Tagesverlauf hinweg, lassen sich bei der Verstromung von Windenergie jedoch keine ersichtlichen Einflüsse feststellen. Zweitens hängt die absolute Menge an produziertem Strom aus Windoder Sonnenenergie stark von der Wetterlage einzelner Tage ab. Demnach kann zusammenfassend eine Prognose der voraussichtlichen Stromproduktion auf Basis saisonaler Einflussfaktoren erfolgen, die absolute Menge jedoch langfristig nicht genau vorhergesagt werden. Für die Nachfrage nach Strom, die sogenannte Last, können ebenfalls gewisse saisonale Einflüsse festgestellt werden. So stellt der Tagesverlauf von Gesellschaft, Handel und Dienstleistungen sowie der Industrie einen saisonalen Einflussfaktor dar. Mit Beginn des Morgens steigt die Last täglich bis zum Mittag deutlich an, um dann anschließend zur Nacht wieder auf das ursprüngliche Niveau zu sinken. Die Amplituden sind dabei an den Werktagen, insbesondere
34Aufgrund
der Anwendung des Merit-Order Ansatzes bei der Festlegung der Reihenfolge von Kraftwerken für die Stromerzeugung erhalten Wind- und Sonnenenergie immer Vorrang gegenüber den anderen Kraftwerkstypen. Dies liegt daran, dass bei der Anwendung des Merit-Order Ansatzes die Grenzkosten der Stromproduktion als Entscheidungskriterium herangezogen werden und der Grenzkostensatz zur Herstellung von Strom aus Wind- und Sonnenenergie deutlich unter dem Satz von anderen Energieträgern liegt. Dementsprechend wird bis auf wenige Ausnahmesituationen, wie beispielsweise ein Stromüberangebot ausschließlich auf Basis von Wind- und Sonnenenergie, das Angebot an Wind- und Sonnenenergie vollständig für die Herstellung von Strom verwendet. Vgl. Next Kraftwerke (2019a).
2.2 Der Strommarkt 2.0 aus Sicht produzierender Unternehmen
21
Abbildung 2.4 Stromerzeugung aus Wind- und Sonnenenergie sowie Last in den Monaten Januar (a), Juli (b) und Oktober (c) 2018 (Vgl. Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (2019).)
durch produzierende Unternehmen, deutlich stärker ausgeprägt als an den Wochenenden. Saisonale Einflüsse in Abhängigkeit der Jahreszeit sind dagegen kaum erkennbar. Es sind lediglich kleine Unterschiede in den Lastspitzen vorzufinden. Damit zeigt sich, dass die Nachfrage nach Energie einem immer wiederkehrenden Muster folgt. Dies liegt unter anderem daran, dass bisher seitens der Nachfrage nach Strom keine Notwendigkeit bestand, sich am Angebot zu orientieren. Aufgrund der Einschränkung, dass Strom nicht ohne Speichermedium gelagert werden kann, muss am Strommarkt zu jedem Zeitpunkt das Stromangebot der
22
2 Strommarkt 2.0 – Chance einer energieorientierten Losgrößen- …
Stromnachfrage entsprechen.35 Darüber hinaus ist jeder Marktteilnehmer dazu verpflichtet, seinen gekauften Strom tatsächlich abzunehmen bzw. den verkauften Strom bereitzustellen.36 Dementsprechend stellt die zukünftige, fluktuierende Stromerzeugung aus Wind- und Sonnenenergie die Energiewirtschaft vor neue Herausforderungen. Um den Ausgleich von Stromangebot und -nachfrage sicherzustellen, können sich im besten Fall sowohl das Angebot der Nachfrage als auch die Nachfrage dem Angebot anpassen. Entsprechend der geplanten zukünftigen Entwicklung mit einer vorwiegenden Stromherstellung auf Basis von Wind- und Sonnenenergie kann das Angebot durch Abschalten von Kraftwerken teilweise reduziert werden. Eine zusätzliche Bereitstellung von Strom ist jedoch nur in begrenztem Umfang unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit möglich.37 Demzufolge ist die jederzeit notwendige Anpassung des Angebots an eine vorgegebene Nachfrage, wie sie bisher erfolgt, nur noch bedingt wirtschaftlich erfüllt.38 Eine neue, bisher jedoch kaum genutzte Möglichkeit zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage am Strommarkt stellt dabei die Anpassung der Nachfrage nach Strom an das Energieangebot dar. Daher soll sich zukünftig die Nachfrage nach Strom stärker als bisher am Angebot orientieren. Um zukünftig eine Koordination des Angebots und der Nachfrage zu ermöglichen, sind im Strommarkt 2.0 verschiedene Marktmechanismen hierfür auf Basis von Anreizen vorgesehen.
35Eine einfache Speicherung elektrischer Energie ohne entsprechendes Speichermedium, wie beispielsweise ein Pumpspeicherkraftwerk oder stationäre Akkumulatoren, kann nicht erfolgen. Dementsprechend ist für die Speicherung von Strom eine Installation entsprechender Speichermedien notwendig. Darüber hinaus wird in den Grundprinzipien des Strommarkts geregelt, dass der Strommarkt jederzeit einen Ausgleich von Angebot und Nachfrage ermöglichen muss. Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2015), S. 60; Rinck (2017). 36Wird dieser Bilanzkreis durch die Marktteilnehmer nicht geschlossen, kann dadurch die Netzstabilität gefährdet werden. Vgl. Röhrlich (2019). 37Eine Möglichkeit zur Sicherstellung eines flexiblen Stromangebots stellt der Ausbau von Speichermöglichkeiten dar. Aufgrund von hohen Investitionen in die Speichermedien sowie anfallender Auszahlungen für den Betrieb können diese bisher weitestgehend nicht wirtschaftlich betrieben werden. Demzufolge stellen Marktmechanismen auf absehbare Zeit die kostengünstigere Alternative dar. Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2014). 38Bisher orientiert sich durch den Merit-Order Ansatz das Angebot an der Nachfrage. Übertrifft die Nachfrage das Angebot werden weitere freie Kapazitäten dem Strommarkt hinzugefügt und der Preis für Strom steigt. Unter der Annahme einer vorwiegenden Stromherstellung auf Basis von Wind- und Sonnenenergie muss zusätzlich benötigter Strom durch weitere Kraftwerke oder Speichermedien bereitgestellt werden. Sowohl das Vorhalten zusätzlicher Kraftwerke als auch der Betrieb von Speichermedien gehen mit einer zusätzlichen wirtschaftlichen Belastung einher.
2.2 Der Strommarkt 2.0 aus Sicht produzierender Unternehmen
23
2.2.3 Marktmechanismen Um zukünftig die notwendige Koordination von Stromangebot und -nachfrage zu ermöglichen, ist das Ziel des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie die Verbraucher aktiv am Strommarkt 2.0 teilnehmen zu lassen. Dabei meinen sie weniger, dass Verbraucher Energie direkt über die Spot- oder Terminmärkte39 beziehen, sondern dass diese stärker mithilfe von Preissignalen an den Dynamiken des Strommarkts beteiligt werden.40 So können Verbraucher mit vorhandener Flexibilität aufkommende Marktchancen nutzen und damit auf das Angebot von Wind- und Sonnenenergie reagieren. Mit ansteigendem Anteil an Wind- und Sonnenenergie im Strommarkt nimmt der Bedarf an flexiblen Verbrauchern zu.41 Um eine Koordination von Stromangebot und -nachfrage zu ermöglichen, stehen zukünftig im Strommarkt 2.0 verschiedene Marktmechanismen zur Verfügung, welche auf verschiedenen Formen des Lastmanagements aufbauen.42 Insgesamt werden hierbei die Marktmechanismen der Lastreduktion, des Lastverzichts, der Lasterhöhung sowie der Lastverschiebung unterschieden. Die Lastreduktion beschreibt die Reduktion der Last in Zeiten eines hohen Energiepreises, verursacht durch eine hohe Nachfrage, um Kosten zu sparen. Zusätzlich kann der auf Basis längerfristiger Kontrakte erworbene Strom kurzfristig an der Strombörse (Stromgroßhandelsmarkt) gewinnbringend verkauft werden. Eine zweite Form beschreibt den Lastverzicht, durch welchen vollständig auf eine aufkommende Last verzichtet wird. Die Lasterhöhung stellt das entsprechende Gegenteil zu Lastreduktion und Lastverzicht dar. Hierbei wird auf Basis niedriger bzw. negativer Energiepreise entschieden die Last zu erhöhen, um dadurch die anfallenden Energiekosten zu reduzieren. Bei der Lastverschiebung
39Über
den Terminmarkt werden langfristige Versorgungsverträge, bis hin zu mehreren Jahren, von elektrischer Energie abgeschlossen. Diese Verträge sichern die Verbraucher gegen steigende Preise ab und sichern den Erzeugern Einnahmen für die Refinanzierung ihrer Kapazitäten zu. Um dagegen kurzfristige Schwankungen innerhalb eines Unternehmens bzw. als Energieversorger für die Verbraucher auszugleichen, können über den Spot-Markt kurzfristig weitere Produkte mit Energie geordert werden. Beim Spot-Markt wird zwischen DayAhead- und Intraday-Markt unterschieden. Vgl. Bundesnetzagentur (2019). 40Der direkte Bezug von Energie über die Strombörse ist weiterhin den Energieversorgern und der Großindustrie vorenthalten. 41Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2015), S. 70. 42Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2015), S. 46 f.
24
2 Strommarkt 2.0 – Chance einer energieorientierten Losgrößen- …
als vierte Form wird die eigene Last durch die Orientierung an den Energiepreisen verschoben, um einen wirtschaftlichen Vorteil zu generieren. Diese Form des Lastmanagements beschreibt eine Kombination der vorher genannten Formen.43 Vor dem Hintergrund der eingeführten Marktmechanismen stehen der Strommarkt selbst sowie die beteiligten Unternehmen in einem Spannungsfeld. Einerseits werden mit finanziellen Anreizen Verbraucher dazu angeregt, basierend auf den Marktmechanismen ihre Flexibilität einzubringen. Andererseits müssen die genannten Marktmechanismen jedoch weiterhin eine Refinanzierung der installierten Kapazitäten für die Stromproduzenten sicherstellen. Um dies zu ermöglichen, adressieren die Marktmechanismen des Strommarkts 2.0 vorwiegend die zu zahlenden Börsenpreise (Großhandelspreis) in den kurzfristigen Spot-Märkten. In den Spot-Märkten des Day-Ahead- sowie des Intraday-Markts werden auf Basis von Auktionen, in Abhängigkeit von Angebot und Nachfrage, die Energiepreise bestimmt. Diese Börsenpreise bilden damit die Grundlage für den zu entrichtenden Arbeitspreis von Unternehmen44, mit welchem der kurzfristig erworbene Strom vergütet wird.45 Da die Länge der Blöcke, in welchen der Strom am Spot-Markt gehandelt wird, zwischen 15 Minuten und mehreren Stunden umfassen sowie diese maximal einen Tag im Voraus bekannt sind, stellen die genannten Marktmechanismen allesamt kurzfristige Instrumente dar.46 Betrachtet man die Preise am Day-Ahead-Markt der Strombörse, so zeigt sich, dass der Preisverlauf an den Werktagen einem wiederkehrenden Muster folgt. Ein beispielhafter Verlauf der Strompreise am Day-Ahead-Markt sowie die Stromerzeugung aus Wind- und Sonnenenergie für die ersten zwei Wochen der Monate Januar, Juli und Oktober aus dem Jahr 2018 sind in Abbildung 2.5 dargestellt. Am
43Ebd. 44Zuzüglich
des Börsenstrompreises, welcher die Stromerzeugung beinhaltet, werden weitere Abgaben für Transport und Vertrieb sowie zusätzliche Entgelte in Form von Erneuerbare-Energien-Gesetz-Umlage, Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz-Umlage, Konzes sionsabgabe, Stromsteuer sowie Umsatzsteuer fällig. Vgl. Müller et al. (2009). 45Während private Verbraucher nur den in Anspruch genommenen Strom (zuzüglich einer Grundgebühr) entrichten müssen, splittet sich der Energiepreis bei Geschäftskunden in drei Teile. Dieser setzt sich aus den Kosten für die in Anspruch genommene Leistung (Arbeitspreis), den Kosten für die bereitgestellte Leistung (Leistungspreis) sowie den Kosten für anfallende Blindleistung (Blindleistungspreis) zusammen. Vgl. Müller et al. (2009). Ebenfalls sollen besondere Netzentgelte, wie der Leistungspreis, geöffnet bzw. in bestimmten Zeiten reduziert werden, wenn hierdurch neue Flexibilität bzw. eine Entlastung des Netzes ermöglicht wird. Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2015), S. 70 f. 46Dagegen können in den Terminmärkten Blöcke bis zu einer Länge von mehreren Wochen gehandelt werden.
2.2 Der Strommarkt 2.0 aus Sicht produzierender Unternehmen
25
Abbildung 2.5 Preise am Day-Ahead-Markt sowie verstromte Wind- und Sonnenenergie in den ersten zwei Wochen der Monate Januar (a), Juli (b) und Oktober (c) 2018 (Vgl. Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (2019).)
Morgen steigt der Preis mit dem Anstieg der Last deutlich an. Anschließend fällt der Preis mit Beginn einer Einspeisung von Sonnenenergie während des Mittags deutlich ab. Geht die Einspeisung von Sonnenenergie über den Tag zurück bzw. bleibt die Einspeisung von Sonnenenergie vollständig aus, steigt der Energiepreis wieder auf sein Ausgangsniveau an oder übersteigt diesen gar. Mit dem Abfallen der Last am Abend fällt der Energiepreis deutlich ab. Ein ähnlicher Verlauf ist an den Wochenenden zu beobachten. Hierbei ist jedoch die Amplitude für den Energiepreis insgesamt deutlich niedriger ausgeprägt. Während sich der Verlauf über alle Tage immer wieder ähnelt, unterscheidet sich die absolute Höhe der Strompreise im Day-Ahead-Markt dennoch stark über die einzelnen Tage.
26
2 Strommarkt 2.0 – Chance einer energieorientierten Losgrößen- …
Dies hängt mit den einzelnen Einflussfaktoren wie Stromerzeugung durch Windund Sonnenenergie, Lastspitzen sowie dem zusätzlichen Bedarf konventioneller Energieträger zur Erfüllung der Nachfrage nach Strom zusammen. Vor dem Hintergrund weltweiter Aktivitäten bezüglich Energiewende und Verringerung der Treibhausgasemissionen stellt Deutschland mit dem Strommarkt 2.0 keinen Einzelfall dar. Aufgrund ähnlicher Veränderungen existiert in Italien bereits ein sehr ähnliches Marktsystem. In diesem werden ebenfalls in einem Day-Ahead-Markt Großhandelspreise in Abhängigkeit von Erzeugung und Last für den kurzfristigen Ausgleich der Energiemengen bestimmt.47 Ein etwas einfacheres Konzept ist hingegen in Südkorea implementiert, welches auf Time of Use-Preisen48 basiert. Hierbei wird mithilfe von Preissignalen, wie beispielsweise peak-load-price, mid-load-price und off-peak-load-price, ein Anreiz zur Orientierung am Energieangebot gegeben.49 Folglich gibt es weltweit Versuche, mithilfe von Marktmechanismen des Lastmanagements sowie den damit einhergehenden Anreizen eine stärkere Orientierung am Energieangebot bzw. im besten Fall sogar eine Koordination zwischen Angebot und Nachfrage durch den Verbraucher zu erreichen. Diesem Weg folgend bieten in Deutschland bereits erste Energieversorger einen Stromtarif in Anlehnung an die Strombörsenpreise für Geschäftskunden an.50
2.2.4 Handlungsbedarf für produzierende Unternehmen Produzierende Unternehmen stehen bekanntermaßen als Produktionssystem im Spannungsfeld einer natürlichen Umwelt sowie eines wirtschaftlichen, sozio-kulturellen, politischen, rechtlichen und technischen Umfelds.51 Dement sprechend haben Veränderungen in diesen Bereichen auch einen Einfluss auf das Produktionssystem selbst. So zeigt sich, dass die Veränderungen in der Zusammensetzung von Energieträgern in der Energiewirtschaft sich über das zeitabhängige 47Vgl.
Gestore Mercati Energetici (2019). of Use-Preise können nur bedingt mit den zeitabhängigen Energiepreisen an der Börse verglichen werden. So ist einerseits die Höhe der zu erwerbenden Stromprodukte bei Time of Use-Preisen im Voraus fest definiert und wird nicht entsprechend Angebot und Nachfrage gebildet. Andererseits sind die zeitlichen Längen dieser Produkte deutlich länger als die kurzfristigen Produkte auf einem deutschen Spot-Markt. 49Vgl. KEPCO (2019). 50Vgl. Next Kraftwerke (2019b). 51Vgl. Dyckhoff (2006), S. 3 f. 48Time
2.2 Der Strommarkt 2.0 aus Sicht produzierender Unternehmen
27
Stromangebot und den damit einhergehenden Marktmechanismen als Koordinationsinstrumente auf das Produktionssystem auswirken. Diesen Veränderungen folgend wird der Handlungsbedarf für produzierende Unternehmen abgeleitet.52 Bislang gibt es für produzierende Unternehmen keinen Anlass sich am Arbeitspreis für Strom zu orientieren, da diese meist den Strom über einen Energieversorger beziehen. Dieser übernimmt die Nivellierung des Arbeitspreises gegen einen geringen Aufschlag, sodass Schwankungen des Energiepreises bislang nicht beim Konsumenten ankommen.53 Vor dem Hintergrund der geforderten Orientierung am Energieangebot und den damit einhergehenden zunehmenden Schwankungen im Börsenstrompreis stehen Unternehmen jedoch vor wesentlichen Veränderungen. Unter der Annahme, dass für die Nivellierung der Stromkosten ein Aufschlag von 1 Prozent anfällt, werden für die gesamte deutsche Industrie jährliche Mehrkosten in Höhe von 144 Mio. Euro fällig. Um diese signifikanten Mehrkosten für die Nivellierung des Arbeitspreises zu vermeiden, müssen Unternehmen zukünftig bewusst zeitabhängige Energiepreise in der Planung berücksichtigen. Wie bereits in 2.2.3 erläutert, bieten in Deutschland bereits erste Energieversorger zeitabhängige Arbeitspreise an, welche sich am Börsenstrompreis orientieren. Demzufolge ist es bereits heute für Unternehmen möglich, diese in der Planung zu berücksichtigen. Um eine Produktion mit minimalen entscheidungsrelevanten Energiekosten zu ermöglichen, bedarf es neben den bereits häufig betrachteten Stellhebeln, Spitzenlast und absolute Strommengen, zeitabhängige Energiepreise sowie den Verlauf der zustandsabhängigen Leistungsaufnahme in der Planung zu berücksichtigen. Insgesamt zeigt sich, dass die Entscheidung über die zeitabhängige Leistungsaufnahme in Abhängigkeit von Rüst- und Betriebszustand im Rahmen einer Ablaufplanung als eine eher kurzfristige Planungsaufgabe im Produktionsmanagement charakterisiert wird.54 Darüber hinaus werden konkrete Energiepreise bzw. verlässliche Prognosen nur kurzfristig bekannt und sind demnach von zeitlich kurzfristigem Charakter.55 Demnach kann eine erfolgversprechende
52Eine
ausführliche Diskussion von Energieflexibilitätspotenzialen findet man in Strob et al. (2018). 53Nur Energieversorger und die Großindustrie können Strom direkt über die Strombörse kaufen. Alle weiteren Verbraucher beziehen ihren Strom über einen Energieversorger. 54Vgl. Abschnitt 2.1. 55Vgl. Abschnitt 2.2.3.
28
2 Strommarkt 2.0 – Chance einer energieorientierten Losgrößen- …
Berücksichtigung zeitabhängiger Energiepreise sowie der zustandsabhängigen Leistungsaufnahme ausschließlich im Rahmen einer operativen Planung zielorientiert erfolgen. Zwar ist es ebenfalls möglich, innerhalb einer taktischen Produktionsplanung zeitabhängige Energiepreise und die zustandsabhängige Leistungsaufnahme zu antizipieren. Jedoch sind die Energiepreise von einer hohen Unsicherheit geprägt, bzw. wird über die genaue Abfolge von Maschinenzuständen noch nicht abschließend entschieden. Daher besteht der konkrete Handlungsbedarf in der Berücksichtigung des Verlaufs der Leistungsaufnahme sowie zeitabhängiger Energiepreise im Rahmen des operativen Produktionsmanagements. Die Planungsaufgaben des operativen Produktionsmanagements umfassen unter anderem die Losgrößen- und Reihenfolgeplanung von Produktionssystemen. Klassischerweise werden die beiden Planungsaufgaben sequenziell durchgeführt. Zunächst wird in der Losgrößenplanung über zu fertigende Produkttypen in den einzelnen Perioden und damit implizit über anfallende Rüstprozesse entschieden. Im Anschluss daran wird in der Reihenfolgeplanung über die Sequenz der in der Losgrößenplanung bestimmten Rüstprozesse in den jeweiligen Perioden entschieden. Sind die Umrüstkosten und -zeiten für die anfallenden Rüstprozesse sequenzunabhängig, treten keine Wechselwirkungen zwischen der Losgrößen- und Reihenfolgeplanung auf. Dies bedeutet, dass die nachgelagerte Reihenfolgeplanung keine Auswirkungen auf die Rüstkosten und -zeiten hat. Die sequenzielle Planung ermöglicht daher, eine optimale Planung. Liegen dagegen sequenzabhängige Umrüstkosten und -zeiten vor, werden die Wechselwirkungen zwischen der Losgrößen- und Reihenfolgeplanung im Rahmen einer sequenziellen Planung unzureichend adressiert. Daher ist es möglich, dass durch die nachgelagerte Reihenfolgeplanung die Rüstkosten und -zeiten beeinflusst werden, da in der Losgrößenplanung die Umrüstungen ohne Betrachtung der Rüstreihenfolge bestimmt werden. Dadurch können sich die in der Losgrößenplanung ermittelten Rüstkosten erhöhen oder die benötigte zeitliche Kapazität die tatsächlich vorhandene Kapazität überschreiten. Um die genannten Wechselwirkungen in der Entscheidung zu betrachten, werden im Rahmen der simultanen Losgrößen- und Reihenfolgeplanung die Produktionslose und deren Reihenfolge in einer kombinierten Planungsaufgabe bestimmt. Auf Basis der simultanen Betrachtung können Potenziale gegenüber einer sequenziellen Planung gehoben werden. Aus diesem Grund stellt die simultane Losgrößen- und Reihenfolgeplanung eine relevante Planungsaufgabe in der Praxis dar. Im Folgenden der Arbeit wird demnach der Fokus auf die simultane Losgrößen- und Reihenfolgeplanung unter Berücksichtigung zeitabhängiger Energiepreise als Planungsaufgabe des operativen Produktionsmanagements gelegt.
2.3 Chance einer energieorientierten Losgrößen- …
29
2.3 Chance einer energieorientierten Losgrößenund Reihenfolgeplanung Entsprechend dem abgeleiteten Handlungsbedarf für Unternehmen, welcher sich aus den zahlreichen Veränderungen in der Stromerzeugung als auch am Strommarkt selbst ergibt, werden im Folgenden geeignete Konzepte für eine energieorientierte Produktionsplanung bestimmt. Im Fokus dieser Planung steht dabei die energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung. Dem Prozess zur Bestimmung geeigneter Konzepte folgend wird zunächst der Status quo von Konzepten für eine energieorientierte Produktionsplanung (Abschnitt 2.3.1) dargestellt. Dabei wird auf eine explizite Betrachtung von Spitzenlasten verzichtet, da im Folgenden der Arbeit der Fokus ausschließlich auf einzelnen Verbrauchern liegt, wodurch eine Betrachtung von summierten Spitzenlasten hinfällig ist. Anschließend werden Grenzen der vorherrschenden mengenorientierten Konzepte entsprechend dem Handlungsbedarf für produzierende Unternehmen (Abschnitt 2.3.2) aufgezeigt. Im letzten Schritt wird der Bedarf wertorientierter Konzepte mit zeitabhängigen Kostensätzen für eine energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung (Abschnitt 2.3.3) dargestellt.
2.3.1 Status quo Aus umweltpolitischen Gesichtspunkten oder aufgrund von stark gestiegenen Energiepreisen kann heute in nahezu allen produzierenden Unternehmen eine besonders hohe Sensibilität gegenüber dem Thema Energie vorgefunden werden.56 Dabei liegt der Fokus insbesondere auf der Energieeffizienz in Produktionssystemen, welche in der Literatur als Verhältnis von Produktionsmenge zu insgesamt eingesetzter Energie verstanden wird.57 Für die Verbesserung der Energieeffizienz werden im Allgemeinen technische sowie organisatorische Maßnahmen unterschieden.58 Technische Maßnahmen umfassen beispielsweise die Veränderung des Produktionssystems, wie beispielsweise die Anpassung der Leistungsaufnahme von Maschinen. Dagegen beschreiben organisatorische Maßnahmen Veränderungen in Ablauf, Organisation, Personal sowie Planung, welche mit einer Reduktion
56Vgl.
Müller et al. (2009), S. 3 f. Thiede (2012), S. 30 f. 58Vgl. Dyckhoff und Spengler (2010), S. 6 f.; Wahren (2014), S. 29 f. 57Vgl.
30
2 Strommarkt 2.0 – Chance einer energieorientierten Losgrößen- …
des Energieverbrauchs einhergehen.59 Übergreifend kann zwar durch beide Maßnahmentypen die eingesetzte Menge an Energie beeinflusst und damit die Energieeffizienz verbessert werden. Dennoch werden seitens der produzierenden Unternehmen vorwiegend technische Maßnahmen mit einer Verbesserung der Energieeffizienz assoziiert. Entsprechend der gewählten Zielsetzung dieser Arbeit werden im Folgenden ausschließlich planungsbasierte und damit organisatorische Konzepte für eine energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung betrachtet. Der Vorteil planungsbasierter Konzepte liegt im Allgemeinen darin, dass diese meist ohne oder nur mit geringem zusätzlichen Aufwand einhergehen. So fallen vorwiegend nur geringe Investitionen und Auszahlungen zur Umsetzung einer aufwendigeren Planung an. Dementsprechend können diese Konzepte für viele Unternehmen einen ersten Ansatz darstellen, die Energiekosten zu reduzieren, ohne direkt in die Technik des Produktionssystems eingreifen zu müssen. Die planungsbasierten Konzepte des Status quo basieren dabei vorwiegend auf einer mengenorientierten Betrachtung des Energieverbrauchs.60 So zielen diese durch eine geschickte Planung auf die Reduktion des Energieverbrauchs und damit bei gleichbleibender Produktion auf eine Steigerung der Energieeffizienz ab. So schlagen beispielsweise Mouzon et al. (2007) in ihrem planungsbasierten Ansatz eine Abschaltregel von Nicht-Engpass-Maschinen vor. Hierdurch gelingt es ihnen, den resultierenden Energieverbrauch zu reduzieren und damit einhergehend bei gleichbleibendem Output die Energieeffizienz zu steigern (vgl. Abbildung 2.6).61 Eine ähnliche Idee stammt von Dehning et al. (2019). Ziel ist es, die Leistungsaufnahme eines Produktionssystems außerhalb der Produktionszeiten, wie beispielsweise in Freischichten oder an Wochenenden, zu minimieren. Um dies zu erreichen, soll basierend auf der Bestimmung von Kennzahlen hinsichtlich des Lastprofils und dem Vergleich zu anderen produktionsfreien Zeiten, eine vorteilhafte Abschaltung von Maschinen identifiziert werden.62
59Beispielhafte
organisatorische Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz in zwei verschiedenen Fallstudien werden in Herrmann et al. (2011) untersucht. 60Im Allgemeinen können zwei Typen von Konzepten unterschieden werden. Einerseits gibt es mengenorientierte Planungskonzepte, deren Ziel die Minimierung des Energieverbrauchs darstellt. Andererseits gibt es wertorientierte Planungskonzepte, welche das Ziel verfolgen, den mit einem Kostensatz bewerteten Energieverbrauch zu minimieren. 61Vgl. Mouzon et al. (2007). 62Vgl. Dehning et al. (2019).
2.3 Chance einer energieorientierten Losgrößen- …
31
Abbildung 2.6 Beispielhafte Minimierung des Energieverbrauchs von (a) nach (b) mithilfe eines mengenorientierten Planungskonzepts
Nach einer Umfrage des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung zur Energieeffizienz in der Produktion im Jahr 2009 nutzen bereits rund ein Viertel der beteiligten Unternehmen ein Konzept zur automatischen Abschaltung von Maschinen in Schwachlastzeiten. Je nach Nutzungsprofil der Maschinen wird das Energieeinsparpotenzial durch das Abschalten der Maschine bis auf die Hälfte des jährlich anfallenden Energiebedarfs der Maschinen geschätzt.63 Entsprechend dem Übersichtsartikel zu planungsbasierten Konzepten und Ansätzen von Biel und Glock (2016b) und Gahm et al. (2016) ist deutlich zu erkennen, dass energieorientierte Planungskonzepte seit Jahren einen erheblichen Beitrag – einen deutlichen Anstieg gab es seit dem Jahr 200764 – zur Erreichung einer energieorientierten Produktion leisten können.65 Einhergehend mit der steigenden wissenschaftlichen Beachtung dieser Konzepte wird auch eine zunehmende Beachtung dieser Konzepte in der Praxis beobachtet.66
2.3.2 Grenzen mengenorientierter Planungskonzepte Vor dem Hintergrund einer wachsenden Bedeutung von Nachhaltigkeit wird den mengenorientierten Konzepten eine hohe Bedeutung für eine energieorientierte Produktion beigemessen. Mit dem Ziel, in erster Linie den Energieverbrauch 63Vgl.
Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (2009). Biel und Glock (2016b). 65Vgl. Biel und Glock (2016b); Gahm et al. (2016). 66Vgl. unter anderem Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (2009); Schlei-Peters (2019); Siemens AG (2019). 64Vgl.
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2 Strommarkt 2.0 – Chance einer energieorientierten Losgrößen- …
zu minimieren und damit die Energieeffizienz zu maximieren, ermöglichen mengenorientierte Konzepte die Gestaltung einer energieeffizienten Produktion. Inwieweit sich diese Konzepte jedoch an dem abgeleiteten Handlungsbedarf durch den Strommarkt 2.0 orientieren, gilt es im Folgenden zu prüfen. Aufgrund der Veränderungen in der Energiewirtschaft sowie der Einführung von Marktmechanismen zur Koordination von Energieangebot und -nachfrage ergeben sich für produzierende Unternehmen zukünftig zwei Möglichkeiten. Einerseits können sie wie bisher, den Energieverbrauch mithilfe mengenorientierter Planungskonzepte minimieren. Dabei verfolgen sie das Ziel einer energieeffizienten Produktion. Andererseits haben produzierende Unternehmen durch die dargelegten Veränderungen die Möglichkeit mithilfe der Marktmechanismen ihre Nachfrage an die Energieerzeugung anzupassen. Hierdurch profitieren die Unternehmen durch günstige Energiepreise, mit deren Hilfe sie anfallende Energiekosten minimieren können. In diesem Fall verfolgen die Unternehmen das Ziel einer kosteneffizienten Produktion. Wie bereits in Abschnitt 2.3.1 gezeigt, ermöglichen mengenorientierte Konzepte eine Minimierung des Energieverbrauchs in produzierenden Unternehmen. Unter der Annahme von konstanten Energiepreisen über die Zeit stellt dies auch eine Minimierung der Energiekosten dar.67 Dagegen stoßen mengenorientierte Konzepte bei der Anpassung der Energienachfrage an die Energieerzeugung mithilfe von Preissignalen an ihre Grenzen. Durch die alleinige Betrachtung des Energieverbrauchs und der fehlenden Bewertung des über die Zeit verursachten Energieverbrauchs, sind die mengenorientierten Konzepte bei zeitabhängigen Energiepreisen nicht für eine Minimierung der Energiekosten in produzierenden Unternehmen geeignet. Dementsprechend bedarf es zukünftig für den Umgang mit zeitabhängigen Energiepreisen neuer wertorientierter Konzepte, welche eine Bewertung der eingesetzten Energie sicherstellen und damit eine Minimierung der Energiekosten ermöglichen.
67Dabei
wird davon ausgegangen, dass in einer kurzfristigen Planung der Zeitwert des Geldes konstant bleibt.
2.3 Chance einer energieorientierten Losgrößen- …
33
Abbildung 2.7 Beispielhafte Minimierung der Energiekosten von (a) nach (b) mithilfe eines wertorientierten Planungskonzepts
2.3.3 Bedarf wertorientierter Planungskonzepte Aufgrund der dargelegten Veränderungen im Strommarkt 2.0 sowie dem ökonomischen Kalkül wirtschaftlicher Unternehmen folgend bedarf es zukünftig sogenannter wertorientierter Planungskonzepte, um die zeitabhängigen Energiepreise in der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Ziel dieser wertorientierten Planungskonzepte stellt die Minimierung der anfallenden Energiekosten und damit die Gestaltung einer kosteneffizienten Planung dar. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es notwendig bei der Bestimmung der anfallenden Energiekosten den zeitabhängigen Energieverbrauch und die zugehörigen Energiepreise simultan zu betrachten. Die Anwendung wertorientierter Konzepte greift dabei auf zwei unterschiedliche Mechanismen zur Minimierung der Energiekosten zurück. Erstens wird versucht durch eine Verschiebung des Energieverbrauchs, beispielsweise durch die Anpassung der Reihenfolge von Produktionslosen, die anfallenden Energiekosten durch eine bessere Nutzung zeitabhängiger Energiepreise zu minimieren (vgl. Abbildung 2.7). Zweitens wird der allgemeine Energieverbrauch bei positiven Energiepreisen möglichst reduziert, um die anfallenden Gesamtkosten zu minimieren. Diesen Aspekt findet man ebenfalls bei den mengenorientierten Konzepten vor, wie beispielsweise durch das Abschalten von Nicht-Engpass-Maschinen.68 Trotz der Betrachtung des
68Vgl.
Mouzon et al. (2007).
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2 Strommarkt 2.0 – Chance einer energieorientierten Losgrößen- …
Energieverbrauchs in den wertorientierten Konzepten ermöglichen diese Konzepte nicht zwangsläufig die Bestimmung eines energieeffizienten Produktionsplans. Dies liegt daran, dass der zeitabhängige Energieverbrauch zusammen mit den Energiepreisen berücksichtigt wird. So ist es für produzierende Unternehmen beispielsweise in Zeiten eines negativen Energiepreises betriebswirtschaftlich vorteilhaft möglichst viel Energie zu konsumieren, statt Energie einzusparen. In Anlehnung an die Übersichtsartikel von Biel und Glock (2016b) und Gahm et al. (2016) zeigt sich, dass bislang der Fokus einer energieorientierten Produktionsplanung vorwiegend auf den mengenorientierten sowie wertorientierten Konzepten mit einem über die Zeit konstanten Energiepreis liegt.69 Dagegen werden in der Literatur bisher wertorientierte Planungskonzepte mit einem zeitabhängigen Energiepreis kaum berücksichtigt, obwohl diese gemäß den zahlreichen Veränderungen im Strommarkt 2.0 vielversprechende Möglichkeiten zur Minimierung der Energiekosten bieten.
2.4 Anforderungen an eine energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung Aufgrund weltweiter Veränderungen in der Energiewirtschaft stehen produzierende Unternehmen vor der Herausforderung, zukünftig mit zeitabhängigen Energiepreisen umzugehen. Um mit den zeitabhängigen Energiepreisen einen betriebswirtschaftlich sinnvollen Umgang sicherzustellen, ist eine Berücksichtigung dieser in der operativen Produktionsplanung notwendig. Das Ziel dieser Arbeit ist die Entwicklung einer Entscheidungsunterstützung für eine energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung.70 Die zu entwickelnde Entscheidungsunterstützung soll auf dem Konzept einer wertorientierten Planung aufbauen und die Veränderungen in der Energiewirtschaft unter dem Schlagwort Strommarkt 2.0 aufgreifen. Um dies zu erreichen, ist
69Wertorientierte
Ansätze mit einem über die Zeit konstanten Kostensatz bieten die Möglichkeit, die Energiekosten direkt ins Verhältnis zu anderen monetären Bewertungsgrößen zu setzen. 70Im Folgenden wird der Begriff der energieorientierten Planung ausschließlich als wertorientierte Planung verstanden.
2.4 Anforderungen an eine energieorientierte Losgrößen- …
35
es essenziell, die Energiekosten bzw. deren Bestandteile, bestehend aus zeitabhängigen Energiepreisen und Energieverbrauch, sowie weiteren technologisch und ablauforganisatorisch bedingten Restriktionen zu berücksichtigen. Dementsprechend werden in diesem Abschnitt drei wesentliche Anforderungen an eine Entscheidungsunterstützung für die energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung abgeleitet. Anforderung 1: Abbildung eines zulässigen, losgrößen- und reihenfolgebasierten Produktionsplans Wesentlicher Gegenstand der Losgrößen- und Reihenfolgeplanung ist die Bestimmung eines zulässigen Produktionsplans. Der Produktionsplan beinhaltet dabei die im Rahmen der Planung bestimmten Produktionslosgrößen sowie deren Reihenfolgen.71 Darüber hinaus stellt der Produktionsplan notwendige Umrüstungen sowie Leerlaufzeiten der Fertigungsmaschine72 dar. Der Produktionsplan wird unter Einbezug einer exogen gegebenen Nachfrage, technisch und zeitlich zugrundeliegender Kapazitäten, vorhandener Lagerplätze sowie weiteren technischen und ablauforganisatorischen Restriktionen bestimmt. So ist die Fertigung von Produkten nur erlaubt, wenn die Maschine für das entsprechende Produkt gerüstet ist. In der Praxis unterscheiden sich im Regelfall die Rüstzustände der Maschine für die einzelnen zu fertigenden Produkte. Um für die Produktion eines anderen Produktes den Rüstzustand der Fertigungsmaschine zu wechseln, ist ein Umrüstprozess notwendig. Für die Durchführung des notwendigen Umrüstprozesses fallen im Regelfall Rüstzeiten an, welche einen Anteil der maximal vorhandenen zeitlichen Kapazität in Anspruch nehmen. Diese Rüstvorgänge können entweder produktoder sequenzabhängig sein. Anforderung 2: Berücksichtigung zeitabhängiger Energiepreise Entsprechend der Notwendigkeit ebenfalls die anfallenden Energiekosten in der Zielfunktion der zu entwickelnden Entscheidungsunterstützung zu betrachten, ergibt sich
71Die
Bestimmung eines Produktionsplans stellt eine allgemeine Anforderung an simultane Losgrößen- und Reihenfolgeplanungsprobleme dar. 72Die Begriffe „Maschine“ und „Fertigungsmaschine“ werden im Folgenden synonym verwendet.
36
2 Strommarkt 2.0 – Chance einer energieorientierten Losgrößen- …
die zweite Anforderung. In Abhängigkeit des zugrundeliegenden Strommarkts, ob außerbörslichem Handel, Termin- oder Spot-Markt, wird Strom in kurz-, mittel- oder langfristigen Blöcken gehandelt. Die Länge der Blöcke variiert zwischen 15 Minuten und mehreren Wochen. Alle Blöcke weisen einen eigenen Energiepreis auf.73 Um den Besonderheiten der Berücksichtigung von Energiepreisen gerecht zu werden, werden im Rahmen dieser Anforderung zwei Aspekte betrachtet. Erstens müssen die zeitabhängigen Energiepreise entsprechend ihrer Datenverfügbarkeit im Rahmen der Entscheidungsunterstützung modelliert und mit dem Planungshorizont der Produktionsplanung abgestimmt werden. Dabei soll die Entscheidungsunterstützung sowohl die Modellierung von kurzen als auch langen Blöcken ermöglichen, ohne die Modellierung des eigentlichen Produktionsplans zu beeinträchtigen. Zweitens soll die Entscheidungsunterstützung universell nutzbar und unabhängig von dem zugrundeliegenden Strommarkt sein. Dementsprechend sollen zu handelnde Blöcke mit wechselnden Längen in die Planung einbezogen werden. Anforderung 3: Abbildung einer zeitlich vollständigen Maschinenbelegung mit zustandsabhängiger Leistungsaufnahme Um die anfallenden Energiekosten eines Produktionsplans zu bestimmen, ist neben der Betrachtung zeitabhängiger Energiepreise ebenfalls die Berücksichtigung der zeit- und zustandsabhängigen Leistungsaufnahme notwendig. Demzufolge ergibt sich ebenfalls die dritte Anforderung aus dem Bedarf, die anfallenden Energiekosten für die zu entwickelnde Entscheidungsunterstützung zu bestimmen. Die genaue Anforderung besteht darin, dass zu jedem Zeitpunkt im Planungshorizont die Leistungsaufnahme der Maschinen im Produktionssystem bekannt sein muss. Wie bereits in Abschnitt 2.1 dargestellt, ist die Leistungsaufnahme der Fertigungsmaschine signifikant vom Maschinenzustand abhängig. Der Begriff des Maschinenzustands umfasst dabei den Rüst- und Betriebszustand der Maschine, welche einen wesentlichen Einfluss auf die Leistungsaufnahme der Maschine haben.74 Unter dem Begriff des Rüstzustands wird ein spezifisches Set-up einer
73Vgl. Abschnitt 2.2.3. 74Unter
dem Begriff zustandsabhängig werden im Folgenden ausschließlich Rüst- sowie Betriebszustand verstanden. Weitere Zustandsmerkmale, wie unter anderem Verschleiß, werden nicht für die Leistungsaufnahme berücksichtigt.
2.4 Anforderungen an eine energieorientierte Losgrößen- …
37
Fertigungsmaschine verstanden. Klassischerweise werden in der Praxis für die Herstellung verschiedener Produkttypen produktspezifische Rüstzustände benötigt. Im Gegensatz dazu werden die möglichen Zustandsalternativen einer Maschine als Betriebszustände bezeichnet. Mögliche Betriebszustände sind beispielsweise Produktion, Rüsten, Standby oder Abgeschaltet. Da ebenfalls nicht-wertschöpfende Betriebszustände, wie beispielsweise Standby oder Rüsten, eine relevante Leistungsaufnahme haben, müssen demnach Leistungsaufnahmen aller möglichen Rüst- und Betriebszustände in der Entscheidungsunterstützung berücksichtigt werden.75 Darüber hinaus ist ein Maschinenzustandsplan inklusive Rüstzuständen zu identifizieren, welcher den gesamten Planungshorizont umfasst. Dabei dürfen im Maschinenzustandsplan zwischen zwei Rüst- bzw. Betriebszuständen keine zeitlichen Lücken ohne Rüstbzw. Betriebszustandsbeschreibung bestehen, da andernfalls die Leistungsaufnahme in diesen Zeiten nicht bestimmt werden kann.
75Vgl.
Liu et al. (2014); Shrouf et al. (2014).
3
Stand der Forschung zur energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung
Ziel dieses Kapitels ist es, in der Literatur bestehende, relevante Ansätze in Bezug auf eine energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung zu würdigen und den daraus resultierenden Forschungsbedarf abzuleiten. Hierzu wird im Abschnitt 3.1 zunächst die Planungsaufgabe der simultanen Losgrößenund Reihenfolgeplanung beschrieben. Anschließend werden im Abschnitt 3.2 relevante (energieorientierte) Ansätze für die Losgrößen- und Reihenfolgeplanung sowie im Abschnitt 3.3 energieorientierte Planungsansätze für ähnliche Probleme präsentiert und mit den abgeleiteten Anforderungen aus Abschnitt 2.4 abgeglichen. Abschließend wird in Abschnitt 3.4 das Ergebnis der Literaturanalyse zusammengefasst.
3.1 Grundlagen der simultanen Losgrößen- und Reihenfolgeplanung Die simultane Losgrößen- und Reihenfolgeplanung stellt eine integrierte Planungsaufgabe im Produktionsmanagement dar, welche zu den operativen Planungsaufgaben im Bereich der Produktion zählt.1 In Abhängigkeit des Anwendungsfalls werden operative Planungsaufgaben in der betrieblichen Praxis auf Tages-, Wochen- oder Monatsbasis durchgeführt. Anders als in einer hierarchischen Planung, sind die beiden Planungsaufgaben der Losgrößenplanung
1Einen
Überblick über Planungsaufgaben im Produktionsmanagement liefern Fleischmann et al. (2015), S. 77 und Rohde et al. (2000).
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Johannes, Energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung bei zeitabhängigen Energiepreisen, Produktion und Logistik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30918-3_3
39
40
3 Stand der Forschung zur energieorientierten …
sowie der Reihenfolgeplanung innerhalb einer Planungsaufgabe gebündelt und werden nicht sequenziell durchgeführt.2 Durch die simultane Betrachtung dieser beiden Planungsaufgaben können Wechselwirkungen zwischen der Reihenfolge der Produktionslose und den Rüstkosten sowie der Losgröße und den Lagerhaltungskosten integriert berücksichtigt werden.3 Dementsprechend können durch die simultane Betrachtung von Rüst- sowie Lagerhaltungskosten die Gesamtkosten in Abhängigkeit des Anwendungsfalls signifikant reduziert werden.4 Die simultane Losgrößen- und Reihenfolgeplanung wird bevorzugt in Fließproduktionssystemen mit nicht vernachlässigbar kurzen, sequenzabhängigen Umrüstzeiten angewendet.5 Um in den nachfolgenden Abschnitten die bestehenden Ansätze aus der Literatur zu würdigen, ist ein gemeinsames Verständnis über die Planungsaufgabe der simultanen Losgrößen- und Reihenfolgeplanung notwendig. Um dies zu schaffen, werden zunächst die Entscheidungssituation (Abschnitt 3.1.1) dargestellt sowie klassische Zielkriterien (Abschnitt 3.1.2) präsentiert. Daran anschließend werden unterschiedliche Modellierungskonzepte zum Umgang mit endogenen und exogenen Dynamiken (Abschnitt 3.1.3) vorgestellt.
3.1.1 Entscheidungssituation Im Zuge der Analyse der Entscheidungssituation soll zunächst auf die wesentlichen Entscheidungsgrößen und anschließend auf vorherrschende Problemcharakteristika eingegangen werden. Die wesentlichen Entscheidungsgrößen in der simultanen Losgrößen- und Reihenfolgeplanung sind die Bestimmung der
2Die
Sinnhaftigkeit einer hierarchischen oder simultanen (integrierten) Planung in Abhängigkeit von den Organisationstypen der Produktion wird in Drexl et al. (1994) diskutiert. In einer hierarchischen Planung wird zunächst die Losgrößenplanung und anschließend die Reihenfolgeplanung durchgeführt. 3Vgl. Abschnitt 2.2.4. 4Die simultane Betrachtung ist relevant, wenn die anfallenden Rüstkosten und -zeiten von der Reihenfolge der Lose aufgrund von sequenzabhängigen Rüstkosten und -zeiten abhängen. Vgl. Sikora et al. (1996). 5Vgl. Fleischmann et al. (2015). Bei der Fließproduktion werden die Betriebsmittel/ Maschinen entsprechend dem Materialfluss des zu fertigenden Produkts angeordnet. Die unterschiedlichen Organisationstypen der Produktion werden in Günther und Tempelmeier (2014), S. 11 diskutiert.
3.1 Grundlagen der simultanen Losgrößen- und Reihenfolgeplanung
41
Produktionslosgrößen sowie die Abfolge der Lose in der Produktion.6 Über die zeitliche Anordnung verschiedener Betriebszustände innerhalb einer Periode wird nicht zwingend entschieden. Für die Losgrößen können verschiedene Restriktionen, wie die Einhaltung einer Mindest- bzw. Maximallosgröße vorliegen, welche berücksichtigt werden müssen.7 Ebenso können für die Reihenfolge der Lose zusätzliche Restriktionen gelten, wie das Einhalten bzw. die Vermeidung einer vorgegebenen Sequenz von Produkttypen.8 Durch die Entscheidung über Produktionslosgrößen sowie deren Abfolge im Produktionssystem werden notwendige Umrüstungen im Produktionssystem sowie die Anzahl zu lagernder Produkte bestimmt. In Anlehnung an die Praxis lassen sich für die simultane Losgrößen- und Reihenfolgeplanung acht allgemein relevante Problemcharakteristika identifizieren. Die genannten Problemcharakteristika hängen insbesondere mit dem Produktionssystem, jedoch auch mit den herzustellenden Produkten sowie dem vorliegenden Absatzmarkt zusammen (siehe Abbildung 3.1). Im Folgenden wird auf die gewählten Problemcharakteristika eingegangen.9
6In
Abhängigkeit der Modellierung kann die Losgröße frei gewählt werden bzw. ist diese auf bestimmte Werte beschränkt. Ein Beispiel für Letzteres ist die Bedingung einer allor-nothing-production. Vgl. Fleischmann (1990). Hierbei wird innerhalb einer Periode maximal ein Produkttyp auf der Maschine produziert. Die dazugehörige Losgröße wird mithilfe einer binären Variable bestimmt und nimmt somit entweder den Wert null oder die maximale Losgröße für die betrachtete Periode an. Darüber hinaus kann entsprechend der technischen Restriktionen ebenso eine Einschränkung der Losgrößen erfolgen, wie beispielsweise die Berücksichtigung von Füllgraden in Reaktoren der Prozessindustrie oder der Betrachtung von Transportlosen in der Fertigungsindustrie von Stückgütern. 7Die Berücksichtigung einer Mindestlosgröße erfolgt dann, wenn die Qualität eines Produkts erst nach einer gewissen Zeit sichergestellt ist. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass diese Anlaufzeit nicht bereits in den Rüstkosten und -zeiten berücksichtigt wird. Darüber hinaus sind Maximallosgrößen dann relevant, wenn eine Reinigung oder eine Neueinrichtung der Maschine erforderlich ist. Vgl. Meyr (1999), S. 53–54. 8Das Einhalten bestimmter Sequenzen von Produkttypen erfolgt meist dann, wenn verschiedene Rüstfamilien vorliegen und zunächst alle Produkttypen einer Rüstfamilie produziert werden bevor eine Umrüstung erfolgt. Dagegen kennt man die Vermeidung von bestimmten Produktsequenzen insbesondere aus der Prozessindustrie, um eine Reaktion der hintereinander aufgelegten Produkttypen zu vermeiden. 9Die Präsentation der Charakteristika stellt eine Auswahl relevanter und häufig für Klassifikationszwecke genutzter Merkmale dar. Weitere Merkmale, wie beispielsweise die Losweitergabe oder der Einbezug von Stillstandszeiten sowie tiefer gehende Erläuterungen, findet man in Popp (1993), S. 41f., Kuik und Salomon (1994), Derstroff (1995), S. 20f., Domschke et al. (1997), S. 69f. und Meyr (1999), S. 45.
42
3 Stand der Forschung zur energieorientierten …
Abbildung 3.1 Bezugsrahmen zur Darstellung der Problemcharakteristika in Planungsansätzen für die simultane Losgrößen- und Reihenfolgeplanung
Ein wesentliches Merkmal stellt die Ausprägung der Nachfrage dar, welche von der mittel- bzw. kurzfristigen Absatzplanung an die Losgrößen- und Reihenfolgeplanung weitergegeben wird. In Bezug auf die Nachfrage wird zwischen einem stationären und einem dynamischen Nachfrageverhalten unterschieden. Liegt ein stationäres Verhalten vor, sind alle Parameter der Nachfrage über die Zeit konstant. Ein stationäres Verhalten wird gewöhnlich mithilfe eines unendlichen Planungshorizonts motiviert und ohne Betrachtung von Perioden modelliert. Dagegen existieren bei einem dynamischen Verhalten Schwankungen in der Nachfrage. Um die Schwankungen zu modellieren, wird in der Planung ein endlicher Planungshorizont betrachtet. Die Modellierung erfolgt anhand von Perioden.10 Im Normalfall ist die Erfüllung der übermittelten Nachfrage zu vorgegebenen Zeitpunkten vollständig zu bedienen. Ist eine nicht vollständige Lieferung zulässig, kann das Bedienen der Nachfrage auch mit Verzug erfolgen. Eine Entscheidung, ob die Nachfrage unabhängig vom Lieferzeitpunkt erfüllt wird, ist
10Vgl.
Popp (1993), S. 54f.; Kuik und Salomon (1994); Domschke et al. (1997), S. 70.
3.1 Grundlagen der simultanen Losgrößen- und Reihenfolgeplanung
43
klassischerweise nicht Gegenstand der simultanen Losgrößen- und Reihenfolgeplanung.11 Ein weiteres zentrales Merkmal für die simultane Losgrößen- und Reihenfolgeplanung stellt die Anzahl an Maschinen im Produktionssystem dar, welche für die Herstellung von Produkten genutzt werden können. Grundlegend wird zwischen Ein- und Mehrmaschinenproblemen unterschieden. Werden mehrere Maschinen betrachtet, wird zwischen einer parallelen und/oder seriellen Anordnung12 dieser unterschieden.13 Neben der Maschinenanzahl stellt die Erzeugnisstruktur der Produkte ein weiteres relevantes Merkmal dar. Bei der Erzeugnisstruktur, auch Produktstruktur genannt, wird einerseits zwischen einer ein- und mehrstufigen Struktur unterschieden. Andererseits wird in Abhängigkeit des Materialflusses zwischen einer durchgängigen, konvergierenden, divergierenden oder umgruppierenden Struktur unterschieden.14 Eine weitere Problemcharakteristik beschreibt die Anzahl unterschiedlicher Produkttypen, welche im Rahmen der Planung berücksichtigt werden müssen. Hierbei wird zwischen Ein- und Mehrproduktproblemen unterschieden.15 Darüber hinaus zählt in der Literatur die Art der Rüstvorgänge als weiteres Merkmal. Generell wird bei Rüstvorgängen zwischen einer produktunabhängigen, einer produktabhängigen und sequenzabhängigen Umrüstung unterschieden.16 Die sequenzabhängigen Umrüstungen können weiter in Umrüstungen unterschieden werden, deren Rüstkosten bzw. -zeiten die Dreiecksungleichung verletzen bzw. nicht verletzen.17 Wird die Dreiecksungleichung verletzt, ist es für das Produktionssystem vorteilhaft, zunächst auf ein Zwischenprodukt zu rüsten, bevor im Anschluss daran auf das tatsächlich geplante Produkt
11Vgl.
Meyr (1999), S. 55. serielle Anordnung erfolgt nur, wenn mehrere Produktionsstufen betrachtet werden. 13Vgl. Meyr (1999), S. 46. 14Eine Einführung in die Stufigkeit und Vergenztypen der Produktion findet man in Dyckhoff und Spengler (2010), S. 22. 15Vgl. Popp (1993), S. 57f.; Kuik und Salomon (1994); Domschke et al. (1997), S. 71. 16Der Begriff sequenzabhängig steht stellvertretend für den Begriff reihenfolgeabhängig. Außerdem wird der Begriff produktabhängig synonym für den Begriff reihenfolgeunabhängig verwendet. Vgl. Meyr (1999), S. 47f. 17Die Dreiecksungleichung wird wie folgt formalisiert: sc ik + sckj ≥ scij. scik beschreiben die Umrüstkosten vom Rüstzustand i auf den Rüstzustand k bzw. sckj von k auf j sowie scij von i auf j. 12Eine
44
3 Stand der Forschung zur energieorientierten …
gerüstet wird. Um eine Umrüstung über ein Zwischenprodukt zu verhindern, wird gewöhnlich eine Nebenbedingung zur Sicherstellung einer Mindestproduktionsmenge nach Abschluss der Umrüstung eingeführt.18 Ein weiteres relevantes Merkmal ist die Verfügbarkeit von Ressourcen. Dabei unterscheidet man zunächst zwischen einem Planungsproblem mit beschränkter oder unbeschränkter Kapazität. Im Fall einer beschränkten Kapazität kann die Möglichkeit zur Nutzung zusätzlicher Kapazitäten gegeben sein. Die beschränkte Kapazität kann sich sowohl auf Produktions-, Lager- und/oder Humanressourcen beziehen. Klassischerweise werden in Anlehnung an die Literatur in der simultanen Losgrößen- und Reihenfolgeplanung vorwiegend Ressourcen mit beschränkter Kapazität betrachtet.19 Das letzte Merkmal stellt die Datengrundlage dar. Grundlegend wird zwischen stochastischen und deterministischen Daten unterschieden. Vor dem Hintergrund, dass sich eine Planung ihrem Wesen nach mit der Zukunft beschäftigt, wird für eine realitätsnahe Betrachtung eine stochastische Datengrundlage zur Berücksichtigung von Unsicherheiten gewählt. Demgegenüber steht die Wahl einer deterministischen Datengrundlage, bei der vereinfachend angenommen wird, dass alle Daten zum Planungszeitpunkt bekannt sind.20
3.1.2 Zielkriterien Vor dem Hintergrund einer integrierten Planung von Losgrößen und deren Reihenfolge können sowohl mengen- oder zeitbezogene als auch monetäre Ziele gerechtfertigt werden. Dies resultiert daher, dass einerseits in der klassischen Reihenfolgeplanung aufgrund des kurzfristigen Charakters dieser Planungsaufgabe Ersatzziele in Form von Mengen- oder Zeitzielen verfolgt werden, wie beispielsweise die Minimierung von Lieferterminabweichungen.21 Andererseits wird in der Losgrößenplanung als weniger kurzfristige Planungsaufgabe eine Kostenminimierung angestrebt. Insgesamt hat sich für die simultane Losgrößen- und
18Vgl.
Copil et al. (2017). Die Dreiecksungleichung wird häufig dann verletzt, wenn ein Zwischenprodukt eine reinigende Wirkung auf das Produktionssystem hat. Dies kann insbesondere in der chemischen Industrie häufig auftreten. 19Vgl. Domschke et al. (1997), S. 71; Meyr (1999), S. 47. 20Vgl. Popp (1993), S. 52f.; Domschke et al. (1997), S. 71; Meyr (1999), S. 52f. 21Vgl. Dyckhoff und Spengler (2010), S. 84f.
3.1 Grundlagen der simultanen Losgrößen- und Reihenfolgeplanung
45
Reihenfolgeplanung die Verwendung von monetären Zielgrößen als weiter verbreitet herausgestellt, welche im Folgenden näher vorgestellt werden.22 Im Rahmen von klassischen, kostenorientierten Planungsmodellen werden bis zu vier Kostenkomponenten zur Ermittlung der relevanten Gesamtkosten miteinbezogen.23 Die erste Komponente umfasst die Rüstkosten, welche durch Umrüstungen des Produktionssystems entstehen. Hierbei kann zwischen produktabhängigen und sequenzabhängigen Rüstkostensätzen je Umrüstung unterschieden werden.24 Die zweite Komponente umfasst die Lagerhaltungskosten, welche durch die Lagerung von Zwischen- und Endprodukten entstehen. Der Lagerhaltungskostensatz kann gewöhnlich zwischen den Produkttypen variieren.25 Die dritte Komponente umfasst die Bereitschaftskosten, welche für die Aufrechterhaltung eines Rüstzustands der Maschine im Produktionssystem anfallen. In Abhängigkeit des Aufwands für die Erhaltung des Rüstzustands variiert der Bereitschaftskostensatz.26 Unter der vierten Komponente werden allgemein Strafkosten verstanden. Strafkosten können beispielsweise durch die Inanspruchnahme zusätzlicher Kapazität, durch die Verletzung von Ersatzzielen wie beispielsweise aufgrund verspäteter Liefertermine oder der Nichterfüllung einer Nachfrage entstehen.27 In der Literatur werden in Abhängigkeit der Planungsaufgabe weitere Kostenarten als Strafkosten berücksichtigt.28 Darüber hinaus ist es möglich, neben der ausschließlichen Betrachtung entscheidungs-
22Vgl.
Meyr (1999), S. 54–55. Eine Einführung zu Zielen in der Ablaufplanung wird in Domschke et al. (1997), S. 25f. gegeben. 23Vgl. Copil et al. (2017); Meyr (1999), S. 54–55. Die zu berücksichtigenden Zahlungen für einen zahlungsorientierten Planungsansatz werden in Helber (1994), S. 24f. diskutiert. 24Vgl. Meyr (1999), S. 55. 25Vgl. Popp (1993), S. 49. Günther (2014) zeigt, dass ein Lagerhaltungskostensatz, welcher ausschließlich auf Kapitalkosten beruht, in der operativen bzw. kurzfristigen Planung kaum einen Einfluss hat. Werden dagegen im Lagerhaltungskostensatz Kosten für den Warenumschlag im Lager sowie Kosten für das Betreiben des Lagers berücksichtigt, kann dieser Wert auch in der operativen Planung ein planungsrelevantes Ausmaß haben. 26Vgl. Karmarkar et al. (1987); Popp (1993), S. 45. 27Vgl. Popp (1993), S. 50; Meyr (1999), S. 55. 28Zum Beispiel betrachten Masmoudi et al. (2016) und Johannes et al. (2018) zusätzlich Energiekosten oder Amorim et al. (2012) Transportkosten als weitere Kostenarten in der Zielfunktion. Weitere denkbare Kostenarten stellen unter anderem Reparatur-, Instandhaltungs-, Produktions- oder Bestellkosten dar.
46
3 Stand der Forschung zur energieorientierten …
Abbildung 3.2 Modellierungskonzepte für die simultane Losgrößen- und Reihenfolgeplanung
relevanter Kosten, im Rahmen einer multikriteriellen Optimierung weitere Formal- oder Sachziele zu berücksichtigen.29
3.1.3 Modellierungskonzepte zum Umgang mit Dynamiken Aufbauend auf den ersten Ansätzen zur Lösung eines statischen Losgrößenplanungsproblems von Harris (1913), eines dynamischen Losgrößenplanungsproblems von Wagner und Whitin (1958) und eines ersten Losgrößen- und Reihenfolgeplanungsproblems von Rogers (1958), existieren in der Literatur zahlreiche Modellformulierungen für die simultane Losgrößenund Reihenfolgeplanung. Die zahlreichen Modellformulierungen lassen sich im Wesentlichen auf drei unterschiedliche Modellierungskonzepte für die simultane Losgrößen- und Reihenfolgeplanung zurückführen. Diese sind das Big-TimeBucket-Konzept (BTB-Konzept)30, Small-Time-Bucket-Konzept (STB-Konzept) und hybrides Konzept (vgl. Abbildung 3.2).
29Vgl.
beispielsweise Amorim et al. (2012). Die Einführung der Begriffe Formal- und Sachziel erfolgt in Domschke et al. (1997), S. 26f. Formalziele beschreiben dabei die Betrachtung von Kosten- und Zeitgrößen. Sachziele beschreiben dagegen qualitative Ziele, wie beispielsweise die Mitarbeiterzufriedenheit oder die Produktqualität. 30Modellierungsansätze, welche auf einem BTB-Konzept basieren, werden teilweise als Losgrößen- und Reihenfolgeplanungsprobleme in der Literatur geführt. Streng genommen gehören diese jedoch zur Gruppe der reinen Losgrößenplanungsprobleme, da keine Entscheidung über die Reihenfolge der Lose getroffen wird.
3.1 Grundlagen der simultanen Losgrößen- und Reihenfolgeplanung
47
Wesentliches Unterscheidungsmerkmal dieser drei Modellierungskonzepte stellt die genutzte Zeitstruktur dar. So basiert das BTB-Konzept ausschließlich auf Makroperioden, welche in der Regel lange Perioden darstellen. Gewöhnlich wird auf Basis von Makroperioden die Abfolge von Rüstzuständen nicht spezifiziert. Hierdurch kann es unter Umständen auch zu einer Überschätzung der vorhandenen Kapazität führen. Dagegen nutzt das STB-Konzept ausschließlich Mikroperioden. Mikroperioden stellen gewöhnlich kurze Perioden dar. Klassischerweise gibt es in Mikroperioden eine Obergrenze an zulässigen Rüstzuständen, sodass die Abfolge dieser nachvollziehbar ist. Das hybride Konzept wiederum nutzt eine Kombination dieser beiden Periodentypen. So basieren diese zunächst auf Makroperioden, können jedoch durch die Nutzung einer Hilfsstruktur31 die Abfolge der Rüstzustände wiedergeben. Durch die Berücksichtigung der Abfolge von Rüstzuständen kommt es bei STB- und hybriden Konzepten zu keiner Überschätzung der vorhandenen Kapazität, sodass diese immer eingehalten wird.32 Ausschlaggebend für die Entwicklung der unterschiedlichen Modellierungskonzepte sowie den dazugehörigen Zeitstrukturen ist die Berücksichtigung sowohl exogener als auch endogener Dynamiken in der Modellierung. Unter exogenen Dynamiken werden beispielsweise die extern vorgegebene Nachfrage oder die Bestimmung des Lagerbestands zu jeweils festen, diskreten Zeitpunkten verstanden. Für die Modellierung von exogenen Dynamiken ist ein Periodentyp mit einer vorab festgelegten Länge33 notwendig, um die vorgegebenen Zeitpunkte in der Modellierung zu berücksichtigen. Dies kann sowohl mithilfe von Makroals auch Mikroperioden geschehen. Nicht geeignet sind Hilfsstrukturen mit einer flexiblen Länge, welche im hybriden Konzept eingesetzt werden. Dagegen wird unter endogenen Dynamiken beispielsweise die Abfolge der Maschinenzustände verstanden, welche losgelöst von diskreten Zeitpunkten ist. Eine geeignete Betrachtung endogener Dynamiken kann entweder mithilfe sehr kurzer Mikroperioden oder den Hilfsstrukturen des hybriden Konzepts erfolgen. Dementsprechend können in Abhängigkeit der genutzten Zeitstruktur exogene und/oder endogene Dynamiken in der Modellierung berücksichtigt werden.
31Die
Hilfsstruktur kann entweder auf Mikroperioden mit einer flexiblen Länge oder anderen strukturgebenden Merkmalen aufbauen. 32Vgl. Meyr (2004); Seeanner und Meyr (2013); Copil et al. (2017). 33Unter der Länge einer Periode wird deren zeitliche Dauer verstanden. Demnach stellt die Länge einer Periode eine Zeitangabe und keine physikalische Länge im klassischen Sinne dar.
48
3 Stand der Forschung zur energieorientierten …
3.2 Ansätze einer simultanen Losgrößen- und Reihenfolgeplanung In der Literatur existieren zahlreiche Ansätze für die simultane Losgrößen- und Reihenfolgeplanung. Eine umfassende Übersicht wird hierzu von Copil et al. (2017) bereitgestellt.34 Um einen Überblick der verschiedene Arten von Modellformulierungen für Planungsansätze zu geben, werden zunächst konventionelle Ansätze für die simultane Losgrößen- und Reihenfolgeplanung (Abschnitt 3.2.1) vorgestellt und entsprechend der abgeleiteten Anforderungen aus Abschnitt 2.4 gewürdigt. Als konventionelle Ansätze werden Planungsansätze bezeichnet, welche eine Planung vorwiegend unter ausschließlicher Berücksichtigung von Rüst- und Lagerhaltungskosten, jedoch ohne Betrachtung anfallender Energiekosten durchführen. Im Anschluss daran werden relevante energieorientierte Ansätze (Abschnitt 3.2.2), welche bereits die Berücksichtigung anfallender Energiekosten in die Entscheidungsfindung einbeziehen, diskutiert und gewürdigt.
3.2.1 Konventionelle Ansätze Basierend auf den drei Modellierungskonzepten aus Abschnitt 3.1.3 werden im Folgenden sechs grundlegende Modellierungsansätze eingeführt, mithilfe derer eine konventionelle Planung ohne Betrachtung anfallender Energiekosten durchgeführt werden kann (vgl. Abbildung 3.3). Dabei werden zunächst die Ansätze des BTB-Konzepts und daran anschließend die des STB-Konzepts sowie des hybriden Konzepts beschrieben. Big-Time-Bucket-Ansätze beschreiben ein Standardproblem der Losgrößenplanung, wozu die Capacitated Lot-sizing Problems (CLSP) gehören.35 Diese bauen ausschließlich auf Makroperioden mit einer fest vorgegebenen Länge auf. Hierdurch gibt es in den zugehörigen Ansätzen in jeder einzelnen Makroperiode die Möglichkeit, auf mehrere Produkttypen umzurüsten sowie Produkte dieser zu produzieren. In Anlehnung an das Grundmodell von Maes 34Ein
weiterer Übersichtsartikel über den Literaturstand zur simultanen Losgrößen- und Reihenfolgeplanung stammt von Drexl und Kimms (1997). Darüber hinaus gibt es weitere Übersichtsartikel, welche die simultane Losgrößen- und Reihenfolgeplanung zumindest als einen Teilbereich adressieren, von Zhu und Wilhelm (2006), Jans und Degraeve (2008) oder Quadt und Kuhn (2008). 35Vgl. Maes und van Wassenhove (1988).
3.2 Ansätze einer simultanen Losgrößen- und Reihenfolgeplanung
49
Abbildung 3.3 Grundlegende Modellierungsansätze für die simultane Losgrößen- und Reihenfolgeplanung
und van Wassenhove (1988) wird zur Bestimmung maximaler Produktionsmengen in den einzelnen Perioden nur die benötigte Produktionszeit mit der zeitlich vorhandenen Kapazität abgeglichen. Ziel der simultanen Planung ist dabei die Minimierung von Rüst- sowie Lagerhaltungskosten.36 In später erfolgten Erweiterungen des Grundmodells werden neben der benötigten Produktionszeit ebenfalls die benötigten Rüstzeiten für einen Abgleich mit der vorhandenen zeitlichen Kapazität betrachtet. Darüber hinaus existieren zahlreiche Erweiterungen, welche weitere Kostenarten in der Zielfunktion betrachten sowie zusätzliche Restriktionen berücksichtigen.37 Aufgrund der ausschließlichen Nutzung von Makroperioden sowie der Möglichkeit mehrere Rüstzustände innerhalb einer Periode ohne Zuhilfenahme einer weiteren Hilfsstruktur einzuplanen, kann in BTB-Ansätzen keine Reihenfolge von ermittelten Produktionslosen bestimmt werden.38 Demzufolge werden in der Planung keine endogenen Dynamiken, wie die Abfolge der Maschinenzustände, betrachtet sowie kein zulässiger, losgrößen- und reihenfolgebasierter
36Vgl.
Maes und van Wassenhove (1988). Aufgrund der Vernachlässigung von Umrüstzeiten sowie weiteren Zeiten können auf Basis des Ansatzes unzulässige Lösungen ermittelt werden. 37Vgl. unter anderem Brahimi et al. (2006); Tempelmeier und Buschkühl (2008); Tempelmeier und Copil (2016). 38Vgl. Quadt und Kuhn (2008).
50
3 Stand der Forschung zur energieorientierten …
Produktionsplan bestimmt.39 Teilweise beheben später erfolgte Erweiterungen den Nachteil einer fehlenden Bestimmung einer Reihenfolge von Produktionslosen, jedoch sind diese Ansätze nicht als klassische Big-Time-Bucket-Ansätze zu klassifizieren.40 Durch die Nutzung von Makroperioden stellt die Modellierung längerer Prozesszeiten keine besondere Herausforderung für die BTB-Ansätze dar, wie dies beispielsweise bei Umrüstvorgängen auftritt. Dagegen scheint die Betrachtung von kurzen Perioden zur Modellierung von börsenorientierten Energiepreisen auf Basis der aktuell genutzten Zeitstruktur mit langen Makroperioden nicht möglich. Dies liegt insbesondere an der Modellformulierung, die eine Modellierung von periodenübergreifenden Prozessvorgängen auf Mikroperioden nicht unterstützt. Hingegen können Energiepreise auf Basis von Time of Use-Tarifen mit einer längeren Zeitspanne problemlos betrachtet werden, solange keine periodenübergreifenden Prozesse modelliert werden müssen. In Bezug auf die Bestimmung der maschinenbedingten Leistungsaufnahme über den Planungshorizont zeigt sich, dass BTB-Ansätze diese nicht zeitlich vollständig über den Planungshorizont bestimmen können. Gründe hierfür sind die fehlende Betrachtung endogener Dynamiken sowie weiterer Betriebszustände, wie Standby oder Abgeschaltet. Insgesamt zeigt sich, dass BTB-Ansätze ohne entsprechende Erweiterung für die simultane Planung von Produktionslosgrößen und deren Reihenfolgen nicht geeignet sind. Aus diesem Grund werden diese im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter als Ansatz für die simultane Losgrößen- und Reihenfolgeplanung betrachtet. Small-Time-Bucket-Ansätze stellen das Gegenteil von BTB-Ansätzen dar. Im Gegensatz zur Nutzung langer Makroperioden basieren STB-Ansätze auf eher kurzen Mikroperioden mit einer ebenfalls fest vorgegebenen Länge. Innerhalb dieser Mikroperioden ist maximal eine Änderung des Rüstzustands erlaubt. Generell wird zwischen drei unterschiedlichen Typen von STB-Ansätzen unterschieden. Beim Discrete Lot-sizing and Scheduling Problem (DLSP) von Fleischmann (1990) findet entweder zu Beginn der Periode eine Umrüstung des Rüstzustands mit anschließender Produktion bis zum Ende der Periode oder
39Aufgrund
der fehlenden Bestimmung einer Produktionsreihenfolge besteht bei sequenzabhängigen Rüstvorgängen die Möglichkeit, dass die ermittelten Losgrößen nicht in jeder beliebigen Reihenfolge aufgrund der einzuhaltenden technischen Kapazität abzuarbeiten sind. 40Vgl. Tempelmeier und Copil (2016).
3.2 Ansätze einer simultanen Losgrößen- und Reihenfolgeplanung
51
keine Aktivität der Maschine statt.41 Dagegen kann beim Continuous Setup Lotsizing Problem (CSLP) von Karmarkar und Schrage (1985) nach der Umrüstung zu Beginn der Periode die Produktionsmenge innerhalb der Periode frei gewählt werden. Hierdurch hat das CSLP deutlich mehr Freiheitsgrade als das DLSP.42 Der dritte Ansatz basiert auf dem Proportional Lot-sizing and Scheduling Problem (PLSP) von Drexl und Haase (1995). Hierbei kann neben der frei skalierbaren Produktionsmenge der Rüstvorgang innerhalb der Periode beliebig verschoben werden. Darüber hinaus kann der Rüstzustand aus der Vorperiode in die nachfolgende Periode übernommen werden, sodass die Produktion eines Produkts über zwei Perioden möglich ist.43 Alle drei genannten Modellierungsansätze basieren auf einer Minimierung entscheidungsabhängiger Kosten, wie Rüst- und Lagerhaltungskosten sowie teilweise auch Bereitschaftskosten. Darüber hinaus existieren für alle drei Modelltypen der STB-Ansätze zahlreiche Erweiterungen, wie beispielsweise die Betrachtung mehrerer Maschinen oder Produktionsstufen sowie der Einbezug weiterer Formal- oder Sachziele, welche die dargestellten Eigenschaften der unterschiedlichen Modelltypen weiterhin repräsentieren.44 Durch die Restriktion, dass nur ein Rüstvorgang pro Mikroperiode erlaubt ist, können endogene Dynamiken weitestgehend berücksichtigt werden. So wird im Planungsprozess ein Produktionsplan mit einer definierten Reihenfolge von Produktionslosen bestimmt. Demgegenüber können Umrüstungen, deren Umrüstdauer die Länge der Mikroperioden überschreitet, aufgrund der sehr einfachen Modellierung nicht im Planungsprozess betrachtet werden. Dementsprechend eignen sich STB-Ansätze nur bedingt für die Erstellung eines zulässigen, losgrößen- und reihenfolgebasierten Produktionsplans. Durch die Nutzung der eher kurzen Mikroperioden können problemlos Energiepreise, welche entsprechend dem Spot-Markt vorwiegend in kurzen Perioden gehandelt werden, modelliert werden. Für die Bestimmung der maschinenbedingten Leistungsaufnahme über den Planungshorizont, welche sich in Abhängigkeit der Rüst- und Betriebszustände ergibt, fehlt eine explizite Betrachtung weiterer
41In
der Literatur wird dies als All-or-Nothing-Bedingung bezeichnet. Vgl. Fleischmann (1990). 42Vgl. Karmarkar und Schrage (1985). 43Vgl. Drexl und Haase (1995). 44Vgl. unter anderem Kimms (1999); Suerie (2006); Stadtler und Sahling (2013).
52
3 Stand der Forschung zur energieorientierten …
Betriebszustände wie Standby oder Abgeschaltet.45 Darüber hinaus wird in den bisherigen Modellformulierungen lediglich die Einhaltung der zeitlich maximalen Kapazität betrachtet. Dabei wird vernachlässigt, dass die Maschinenbelegung in jeder Periode exakt der zur Verfügung stehenden Kapazität entsprechen muss. Dementsprechend ist es mit den bisherigen Modellformulierungen nicht möglich, innerhalb einer Periode die Leistungsaufnahme der Maschine zeitlich vollständig in Abhängigkeit der Rüst- und Betriebszustände zu berücksichtigen. Hybride Ansätze, als dritte und letzte Gruppe, kombinieren die Vorteile von BTB- und STB-Ansätzen. Ursprünglich bauen die hybriden Ansätze auf den BTB-Ansätzen auf und nutzen Makroperioden für die Modellierung übergreifender exogener Dynamiken, wie beispielsweise von Nachfrage oder Lagerhaltung zu jeweils festen, diskreten Zeitpunkten. Um zusätzlich endogene Dynamiken im Produktionssystem, wie beispielsweise anfallende Umrüstungen oder die Produktionsreihenfolge, zu modellieren, wird eine zusätzliche Hilfsstruktur eingeführt. Insgesamt haben sich zwei unterschiedliche Typen von hybriden Ansätzen entwickelt. Der erste Modelltyp basiert auf dem General Lot-sizing and Scheduling Problem (GLSP) von Fleischmann und Meyr (1997). Dieser Modelltyp adressiert eine hybride Zeitstruktur, in der sowohl Makroals auch Mikroperioden parallel verwendet werden. Während die mit einer fest vorgegebenen Länge verwendeten Makroperioden für die Modellierung exogener Dynamiken verwendet werden, finden mehrere Mikroperioden pro Makroperiode mit einer flexiblen Länge für die Modellierung endogener Dynamiken Verwendung. Um aufgrund der gestiegenen Komplexität ein lineares Optimierungsproblem zu formulieren, kann die maximale Anzahl an Mikroperioden pro Makroperiode vor der eigentlichen Planung begrenzt werden.46 Der zweite Modelltyp baut auf dem Capacitated L ot-sizing Problem with sequence-dependent setups (CLSD) von Haase (1996) auf. Das CLSD stellt eine Erweiterung des CLSP dar und basiert dementsprechend ebenfalls auf längeren Makroperioden. Durch die Vorgabe von Restriktionen, wie beispielsweise, dass auf jedes Produkt pro Periode nur einmal gerüstet werden darf, kann eine eindeutige Abfolge von Rüstzuständen innerhalb einer Periode auch ohne Zuhilfenahme einer weiteren Zeitstruktur bestimmt werden. Das CLSD weist jedoch aus
45Die
Bestimmung einer zeitlichen Abfolge der Betriebszustände eines gemeinsamen Rüstzustands innerhalb einer Periode ist nicht notwendig, da Verschiebungen innerhalb der Periode keinen Einfluss auf die Energiekosten haben. 46Vgl. Fleischmann und Meyr (1997).
3.2 Ansätze einer simultanen Losgrößen- und Reihenfolgeplanung
53
diesem Grund gegenüber dem GLSP einen höheren Modellierungsaufwand auf.47 Wie bereits in den BTB- und STB-Ansätzen wird in den hybriden Ansätzen eine Minimierung der entscheidungsrelevanten Kosten in ihrer Zielfunktion betrachtet. Für die hybriden Ansätze existieren ebenfalls zahlreiche Erweiterungen in der Literatur.48 Basierend auf der Nutzung von Makroperioden für die Modellierung exogener Dynamiken sowie von Hilfsstrukturen für die Modellierung endogener Dynamiken stellt die Bestimmung eines zulässigen, losgrößen- und reihenfolgebasierten Produktionsplans für hybride Ansätze keine Herausforderung dar. Mithilfe der Makroperioden können ausschließlich längerfristige, zeitabhängige Energiepreise in Form von Time of Use-Preisen, jedoch keine Energiepreise mit einer kurzen Zeitspanne, modelliert werden. Die Hilfsstrukturen in Form von Mikroperioden mit flexibler Länge beim GLSP oder von zusätzlichen Restriktionen beim CLSD lassen ebenfalls keine Modellierung zeitabhängiger Energiepreise mit einer kurzen Zeitspanne zu. Dennoch bieten beide Modelltypen durch ihre flexible Modellformulierung Ansatzpunkte, zeitabhängige Energiepreise mithilfe von kurzen Perioden zu berücksichtigen. In Bezug auf die Bestimmung der maschinenbedingten Leistungsaufnahme über den Planungshorizont zeigen sich ähnliche Defizite wie bei den anderen Modellierungsansätzen. So fehlt den hybriden Modelltypen bisher eine Berücksichtigung weiterer notwendiger Betriebszustände und deren zeitliche Abfolge im Produktionsplan. Demgegenüber ermöglicht die Modellierung die Bestimmung eines Produktionsplans, welcher die zeitliche Kapazität exakt ausfüllt. Dadurch kann die Leistungsaufnahme in Abhängigkeit des Rüst- und Betriebszustands in hybriden Ansätzen bisher nur bedingt im Planungsprozess berücksichtigt werden. Eine Zusammenfassung der Ansätze und der Anforderungserfüllung befindet sich in Tabelle 3.1. Basierend auf dieser geht hervor, dass keiner der konventionellen Ansätze zur simultanen Losgrößen- und Reihenfolgeplanung alle
47Vgl.
Haase (1996). Unter der Annahme von Rüstkosten bzw. -zeiten, welche die Dreiecksungleichung nicht verletzten, stellt diese Annahme keine tatsächliche Einschränkung dar. Da sich innerhalb der Periode keine Kostensätze ändern, ist eine zweimalige Umrüstung auf dasselbe Produkt nicht sinnvoll. Treten dagegen Rüstvorgänge auf, welche die Dreiecksungleichung verletzen, sei an dieser Stelle auf Menezes et al. (2011) verwiesen. Diese stellen einen Ansatz vor, welcher mehrmalige Umrüstungen auf dasselbe Produkt ermöglicht. 48Vgl. unter anderem Fandel und S tammen-Hegene (2006); Toledo et al. (2009); Seeanner und Meyr (2013); Baldo et al. (2014).
54
3 Stand der Forschung zur energieorientierten …
Tabelle 3.1 Vergleich konventioneller Ansätze der Losgrößen- und Reihenfolgeplanung
Anforderungen erfüllt. Die Abbildung eines zulässigen, losgrößen- und reihenfolgebasierten Produktionsplans wird in den STB-Ansätzen teilweise und in den hybriden Ansätzen vollständig erfüllt. Die Forderung nach einer modellseitigen Berücksichtigung von zeitabhängigen Energiepreisen wird vollständig lediglich von den STB-Ansätzen sowie teilweise von den BTB- und hybriden Ansätzen erfüllt. Die Bestimmung einer zeitlich vollständigen, zustandsabhängigen Leistungsaufnahme über den gesamten Planungshorizont wird bisher von keinem Ansatz gänzlich und nur teilweise durch die hybriden Ansätze erfüllt. Damit zeigt sich, dass insbesondere energetische Aspekte in den bisherigen Ansätzen unzulänglich betrachtet werden.
3.2.2 Energieorientierte Ansätze Aufbauend auf den verschiedenen grundlegenden Ansätzen in Abschnitt 3.2.1 wurden in der Literatur erste Ansätze für eine energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung veröffentlicht. Insgesamt werden aus dem Bereich der STBund hybriden Konzepte zwei relevante Ansätze identifiziert. Der erste Planungsansatz für die energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung einer Fließfertigung49 mit mehreren Maschinen stammt von Masmoudi et al. (2016). Dieser baut auf dem CLSD-Ansatz mit sequenzabhängigen
49Eine
Fließfertigung (engl. flow shop) beschreibt eine Produktion, bei welcher die Arbeitssysteme sukzessiv gemäß ihrer Position im Arbeitsplan der zu produzierenden Produkte angeordnet sind. Demzufolge haben alle zu produzierenden Produkte eine identische Abfolge von Arbeitssystemen. Hierbei spricht man vom Fließen des Produkts durch das
3.2 Ansätze einer simultanen Losgrößen- und Reihenfolgeplanung
55
Umrüstungen auf. Ziel des Ansatzes ist die Minimierung von Rüst-, Lager- und Energiekosten. Letztere beinhalten sowohl die Kosten für die maximal abgerufene Leistung als auch die Kosten für die abgerufene Menge an Energie. Zur Bestimmung der Energiekosten für die abgerufene Menge werden in dem Modell Makroperioden mit einer Länge von sechs bzw. 18 Stunden und Time of Use-Preisen berücksichtigt. Aufgrund der Nutzung eines hybriden Modells stellt die Reihenfolgeplanung der zu produzierenden Produkte innerhalb der Perioden und die Bestimmung eines zulässigen Produktionsplans keine Herausforderung dar. Für die Modellierung der längerfristigen Time of Use-Preise eignen sich die langen Makroperioden gut. Werden dahingegen kürzere Perioden zur Berücksichtigung der Energiepreise benötigt, weist der Ansatz Probleme bei der Modellierung von Prozesszeiten auf, welche die Länge einer Periode überschreiten. Dieses Problem ist bereits von STBAnsätzen und deren Umgang mit periodenüberdauernden Prozesszeiten bekannt. In Bezug auf die Leistungsaufnahme des Produktionssystems zeigt sich, dass bisher nur der Betriebszustand Produktion für die Bestimmung des Energieverbrauchs berücksichtigt wird. Hingegen werden für die Bestimmung der Leistungsaufnahme teilweise energieintensive Zustände wie Rüsten, Standby und Abgeschaltet bisher vernachlässigt. Darüber hinaus erfolgt keine Abbildung einer zeitlich vollständigen Maschinenbelegung, sodass die Leistungsaufnahme nicht unterbrechungsfrei über den gesamten Planungshorizont berücksichtigt wird.50 Einen weiteren Ansatz für die simultane, energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung für eine Maschine mit zeitabhängigen Energiepreisen zeigen Johannes et al. (2018) auf. Die dabei verwendete Modellierung basiert auf einem DLSP. Ziel des Ansatzes ist die Minimierung der Gesamtkosten, welche aus Rüst-, Lager- und Energiekosten bestehen. Der präsentierte Ansatz weist bei der Bestimmung eines zulässigen Produktionsplans DLSP-spezifische Schwächen auf. So können Prozesszeiten, welche die Periodenlänge überdauern, nicht betrachtet werden. Darüber hinaus können Produktionslosgrößen aufgrund der vorherrschenden All-or-Nothing-Bedingung nicht frei gewählt werden. In Anlehnung an das DLSP können die zeitabhängigen Energiepreise mithilfe der Mikroperioden problemlos modelliert werden, welche für die Bestimmung der anfallenden Energiekosten benötigt werden. Darüber hinaus wird durch die
Produktionssystem. Beispielhafte Organisationstypen sind die Reihenproduktion, Transferstraße und Fließproduktionslinie. Vgl. Zäpfel (2001), S. 203; Günther und Tempelmeier (2014), S. 11; Kellner et al. (2018), S. 72. 50Vgl. Masmoudi et al. (2016).
56
3 Stand der Forschung zur energieorientierten …
Tabelle 3.2 Vergleich energieorientierter Ansätze der Losgrößen- und Reihenfolgeplanung
Berücksichtigung von sowohl wertschöpfenden als auch nicht wertschöpfenden Betriebszuständen die Leistungsaufnahme über den kompletten Planungshorizont im Entscheidungsprozess berücksichtigt. Jedoch wird bisher für die Bestimmung der Leistungsaufnahme nur der Betriebszustand Produktion in Abhängigkeit des Rüstzustands unterschieden. Die Leistungsaufnahme der weiteren Betriebszustände erfolgt bisher produktunabhängig und damit unabhängig von dem Rüstzustand bzw. der genauen Sequenz bei Umrüstvorgängen.51 Eine Übersicht der beiden Ansätze und deren Anforderungserfüllung ist in Tabelle 3.2 gegeben. Dabei zeigt sich, dass bereits beide Ansätze alle Anforderungen bedingt bis vollständig erfüllen. Zudem fällt auf, dass die beiden Anforderungen Festlegung eines zulässigen, losgrößen- und reihenfolgebasierten Produktionsplans und Berücksichtigung zeitabhängiger Energiepreise mit den betrachteten Ansätzen und zugrundeliegenden Zeitstrukturen bisher nicht gemeinsam erfüllt werden. Darüber hinaus können die beiden energieorientierten Ansätze die Forderung nach einer zeitlich vollständigen Bestimmung der zustandsabhängigen Leistungsaufnahme über den gesamten Planungshorizont aufgrund einer nur unzureichenden Betrachtung der Leistungsaufnahme weiterer Maschinenzustände nur bedingt erfüllen.
51Vgl.
Johannes et al. (2018).
3.3 Alternative Ansätze für eine energieorientierte Produktionsplanung
57
3.3 Alternative Ansätze für eine energieorientierte Produktionsplanung Im Anschluss an die Würdigung der Ansätze für die (energieorientierte) simultane Losgrößen- und Reihenfolgeplanung, wird im Folgenden eine Auswahl weiterer operativer Ansätze für eine energieorientierte Produktionsplanung dargestellt und gewürdigt. Insbesondere die Arbeit von Mouzon et al. (2007) gilt für die Entwicklung energieorientierter Planungskonzepte in der jüngeren Vergangenheit als wegweisend. Ziel dieser Arbeit ist es, mithilfe von einfachen, operativen Maßnahmen in der Produktion den Energiebedarf zu senken. So werden in dem genannten Ansatz verschiedene Abschaltregeln für Maschinen vorgeschlagen, welche nicht den Engpass in der Produktion darstellen. Somit ist es möglich, ohne Verluste von Produktionskapazitäten Energie zu sparen.52 Der Idee von Mouzon et al. (2007) folgend existieren zahlreiche Konzepte für eine energieorientierte Produktionsplanung. Eine Übersicht der in der Literatur existierenden Planungsansätze zum Thema der energieorientierten Produktionsplanung findet man in Biel und Glock (2016b) und Gahm et al. (2016). Die Würdigung einer Auswahl nachfolgend dargestellter Ansätze erfolgt in zwei Schritten. Zunächst werden Ansätze für eine energieorientierte Losgrößenplanung gewürdigt. Anschließend werden Ansätze einer energieorientierten Reihenfolgeplanung betrachtet, welche klassische Probleme der Ablaufplanung bzw. Maschinenbelegung53 umfassen. Energieorientierte Losgrößenplanung Der Ansatz von Collier und Ornek (1983) stellt ein Losgrößenplanungsproblem über mehrere Stufen mit einem Produkt dar. Ziel dieses Ansatzes ist es, die entscheidungsrelevanten, produktionsbezogenen Kosten, bestehend aus Rüst- und Lagerhaltungskosten, zu minimieren. Die Besonderheit des Ansatzes liegt darin, dass für die Losgrößenplanung neben den Lagerhaltungskosten für vollständig sowie bisher unvollständig produzierte Produkte ebenfalls die Energiekosten für das Starten der Fertigungsmaschinen in den Rüstkosten berücksichtigt werden.
52Vgl.
Mouzon et al. (2007). den klassischen Problemen der Maschinenbelegung gehören Job-Shop, Flow-Shop und Open-Shop Probleme und deren Spezialfälle. Die Maschinenbelegungsplanung wird in der Literatur auch Ablauf- oder Reihenfolgeplanung genannt.
53Zu
58
3 Stand der Forschung zur energieorientierten …
Demzufolge gilt der Ansatz als eine der ersten Arbeiten im Bereich der energieorientierten Produktionsplanung, wenn auch unbeabsichtigt.54 Ein zweiter Ansatz für die energieorientierte Losgrößen- und Ladungsplanung energieintensiver Produktionsanlagen stammt von Özdamar und Birbil (1999). Ziel des Ansatzes ist die Minimierung von Energiekosten, welche aus dem Betrieb von Öfen anfallen. Der vorgestellte Ansatz ist zweistufig. Dabei wird zunächst auf der ersten Planungsstufe über die Produktionslosgrößen im Ofen auf Basis einer aggregierten Planung unter Berücksichtigung einer schwankenden Nachfrage und begrenzter Kapazitäten entschieden. In der zweiten Stufe wird dann über eine Zuordnung der bestimmten Lose zu den Öfen entschieden, um die daraus anfallenden Energiekosten zu minimieren.55 Ein weiterer Planungsansatz für die energieorientierte Losgrößenplanung für eine Maschine stammt von Yildirim und Nezami (2014) und basiert auf einem BTB-Ansatz. Ziel des Ansatzes ist die Minimierung der Produktions-, Lagerhaltungs-, Instandhaltungs-, Reparatur- und Energiekosten. Die Besonderheit des Planungsansatzes liegt in der erstmaligen Berücksichtigung von Auswirkungen präventiver Instandhaltungsstrategien auf den Energieverbrauch. Dabei wird davon ausgegangen, dass das Alter der Maschine den Energieverbrauch dieser beeinflusst, die durchgeführten Instandhaltungsaufträge wiederum einen Einfluss auf das Alter der Maschine haben. Neben dem Betriebszustand Produktion werden keine weiteren Betriebszustände und deren Leistungsaufnahme für die Bestimmung der Energiekosten im Ansatz berücksichtigt.56 Zanoni et al. (2014) untersuchen erstmalig in einem Losgrößen planungsproblem über zwei Produktionsstufen den Zusammenhang zwischen verschiedenen Bearbeitungsmodi sowie den daraus resultierenden Energieverbräuchen und -kosten. Ziel des Ansatzes ist es, die Lagerhaltungs-, Rüst-, Transport- sowie Energiekosten zu minimieren. Dabei basieren die Energiekosten auf den Energieverbräuchen der Betriebszustände Produktion, Rüsten sowie Standby und werden in Abhängigkeit des Bearbeitungsmodus beeinflusst.57 Ein ähnliches Losgrößenplanungsproblem adressieren Bazan et al. (2015) in einer zweistufigen Supply Chain mit einem Produzenten und einem Händler. Ziel
54Vgl.
Collier und Ornek (1983). Özdamar und Birbil (1999). 56Vgl. Yildirim und Nezami (2014). 57Vgl. Zanoni et al. (2014). 55Vgl.
3.3 Alternative Ansätze für eine energieorientierte Produktionsplanung
59
des Ansatzes ist es, die Lagerhaltungskosten beider Akteure, die Rüstkosten des Produzenten, die fixen Bestellkosten des Händlers, Transportkosten, Strafkosten durch CO2-Emissionen sowie Energiekosten zu minimieren. Die Energiekosten sind dabei teilweise von der Produktionsrate des Produzenten abhängig.58 Ein weiterer Planungsansatz für eine zweistufige, losbasierte Fertigung mit der Möglichkeit zur Energierückgewinnung von überschüssiger Prozesswärme in Strom stammt von Biel und Glock (2016a). Ziel des Ansatzes ist es, die Produktions-, Lagerhaltungs- und Energiekosten zu minimieren. Die Besonderheit des Ansatzes liegt darin, dass durch die Entscheidung über Produktionsraten die Energiekosten sowie die Energierückgewinnung beeinflusst werden können.59 Masmoudi et al. (2017) entwickeln einen Planungsansatz für die Losgrößenplanung eines einzelnen Produktes über mehrere Produktionsstufen unter Berücksichtigung von Time of Use-Energiepreisen. Ziel des Ansatzes ist die Minimierung der entscheidungsrelevanten, produktionsbezogenen Rüst-, Lagerhaltungs- sowie Energiekosten, bestehend aus Kosten sowohl für die maximal abgerufene Leistung als auch für die abgerufene Menge an Energie. Für die Bestimmung der Energiekosten wird dabei lediglich der Betriebszustand Produktion betrachtet.60 Beck et al. (2019) adressieren in ihrem Planungsansatz eine energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung mit einem statischen Umweltzustand. Ziel des Ansatzes ist es, die Rüst-, Lagerhaltung- und Energiekosten zu minimieren. Für die Bestimmung der Energiekosten werden verschiedene Betriebszustände wie Produktion, Rüsten sowie Standby betrachtet.61 Energieorientierte Reihenfolgeplanung Eine Erweiterung des Planungskonzepts von Mouzon et al. (2007) stellt die Arbeit von Mouzon und Yildirim (2008) dar. In dem multikriteriellen Ablaufplanungsproblem wird das Ziel einer Minimierung des Energieverbrauchs sowie der Minimierung von Verspätungszeiten von Aufträgen für eine einzelne Maschine verfolgt. Für die Betrachtung der Energiekosten im Planungsprozess
58Vgl.
Bazan et al. (2015). Biel und Glock (2016a). 60Vgl. Masmoudi et al. (2017). 61Vgl. Beck et al. (2019). 59Vgl.
60
3 Stand der Forschung zur energieorientierten …
wird der Energieverbrauch der Maschine in den Betriebszuständen Standby und Ein- bzw. Ausschalten berücksichtigt.62 Ein weiterer Ansatz für die energieorientierte Reihenfolgeplanung einer Fließfertigung mit parallelen Maschinen stammt von Luo et al. (2013).63 Ziel der Ablaufplanung ist die Minimierung von Zykluszeit und Energiekosten. Für die Berücksichtigung der Energiekosten in der Planung werden zeitabhängige Time of Use-Preise und die Betriebszustände Produktion sowie Standby berücksichtigt.64 Ein ähnlicher Planungsansatz wird von Liu et al. (2014) für die energieorientierte Reihenfolgeplanung in einer Werkstattfertigung entwickelt.65 Ziel des Ansatzes ist es, den Energieverbrauch der Maschinen sowie die gewichtete Verspätung der Aufträge gegenüber einem vorgegebenen Fertigstellungszeitpunkt zu minimieren. Die Betrachtung des Energieverbrauchs erfolgt hier ebenfalls über die Betriebszustände Produktion, Standby und Abgeschaltet.66 Shrouf et al. (2014) entwickeln einen weiteren Ansatz für die Ablaufplanung einer Maschine für die Produktion von homogenen Produkten bei zeitabhängigen Energiepreisen. Ziel des Ansatzes ist es, die Energiekosten zu minimieren. Für die Bestimmung der Energiekosten wird die Leistungsaufnahme der drei Betriebszustände Produktion, Standby und Abgeschaltet sowie verschiedene Transitionen betrachtet, um zwischen den Betriebszuständen zu wechseln.67 Ein weiterer Planungsansatz für die Ablaufplanung von parallelen Maschinen stammt von Rager et al. (2015). Ziel des Ansatzes ist es, den Verbrauch eingesetzter Energieträger, wie beispielsweise Dampf oder Druckluft, zu nivellieren. Durch die Nivellierung der eingesetzten Energieträger werden häufige Lastwechsel bei der Erzeugung dieser vermieden. Hierdurch können die Energieeffizienz gesteigert und die Energiekosten und CO2-Emissionen gesenkt werden.68 Mansouri et al. (2016) entwickeln einen Planungsansatz für die Ablaufplanung einer Fließfertigung für zwei Maschinen unter Berücksichtigung variabler 62Vgl.
Mouzon und Yildirim (2008). Reihenfolgeplanung in einer Fließfertigung mit parallelen Maschinen wird als Hybrid Flow-Shop Problem bezeichnet. 64Vgl. Luo et al. (2013). 65Die Reihenfolgeplanung in einer Werkstattfertigung wird als Job-Shop Problem bezeichnet. 66Vgl. Liu et al. (2014). 67Vgl. Shrouf et al. (2014). 68Vgl. Rager et al. (2015). 63Die
3.3 Alternative Ansätze für eine energieorientierte Produktionsplanung
61
Bearbeitungszeiten. Die Besonderheit des Ansatzes besteht darin, dass für die Bearbeitung der einzelnen Aufträge unterschiedliche Bearbeitungsgeschwindigkeiten zur Verfügung stehen. In Abhängigkeit der gewählten Bearbeitungsgeschwindigkeit verändert sich die resultierende Leistungsaufnahme. Ziel des Ansatzes ist es, die konfliktären Ziele zwischen Energieverbrauch und Durchlaufzeit, betrachtet als Servicelevel, zu untersuchen.69 Che et al. (2016) erweitern den Ansatz von Shrouf et al. (2014) um die Berücksichtigung mehrerer Produkte für das Reihenfolgeplanungsproblem einer Maschine. Das Ziel des Ansatzes ist es weiterhin, die Energiekosten zu minimieren. Die Energiekosten werden mithilfe von Time of Use-Preisen und des aus der Produktion resultierenden Energieverbrauchs bestimmt.70 Che et al. (2017) erweitern ihren eigenen Ansatz (vgl. Che et al. (2016)) um die Berücksichtigung mehrerer paralleler Maschinen.71 Schuh et al. (2017) entwickeln einen Ansatz für die energieorientierte Ablaufplanung in einer flexiblen Werkstattfertigung. Ziel des Ansatzes ist es, die anfallenden Energiekosten für die Fertigung von Produkten unter Berücksichtigung von vorgegebenen Fertigungszeitfenstern zu minimieren. Für den Energieverbrauch werden die Betriebszustände Produktion und Standby betrachtet.72 Ein weiterer Planungsansatz für die energieorientierte Ablaufplanung einer Werkstattfertigung mit mehreren Maschinen stammt von Masmoudi et al. (2019). Ziel des Ansatzes ist es, die auftretenden Energiekosten zu minimieren, unter Berücksichtigung einer vorgegebenen maximalen Leistungsaufnahme für das gesamte Produktionssystem sowie zeitabhängiger Energiepreise. Der Energieverbrauch des Produktionssystems ergibt sich basierend auf einer maschinenzustandsunabhängigen Leistungsaufnahme sowie der Produktionszeit.73 Eine Zusammenfassung der beiden Gruppen von Ansätzen und deren Anforderungserfüllung findet man in Tabelle 3.3. Die Ansätze der energieorientierten Losgrößenplanung ermöglichen zwar die Bestimmung von Losen, eine Bestimmung der Reihenfolge dieser fehlt aber bisher. Demzufolge wird die
69Vgl.
Mansouri et al. (2016). Che et al. (2016). 71Vgl. Che et al. (2017). 72Vgl. Schuh et al. (2017). 73Vgl. Masmoudi et al. (2019). 70Vgl.
62
3 Stand der Forschung zur energieorientierten …
Tabelle 3.3 Vergleich alternativer energieorientierter Ansätze für die Produktionsplanung
Bestimmung eines zulässigen, losgrößen- und reihenfolgebasierten Produktionsplans nur teilweise erfüllt. Darüber hinaus zeigt sich, dass die bisherigen Ansätze aufgrund der Betrachtung von längeren (Makro-) Perioden nur bedingt für eine Abbildung zeitabhängiger Energiepreise mit einer kurzen Zeitspanne geeignet sind. Dazu gelingt es in den bisherigen Ansätzen der energieorientierten Losgrößenplanung nicht, die zustandsabhängige Leistungsaufnahme zu bestimmen. Bei den Ansätzen der energieorientierten Reihenfolgeplanung zeigt sich, dass bereits verschiedene Ansätze, wie beispielsweise der von Shrouf et al. (2014), existieren, in denen eine Berücksichtigung zeitabhängiger Energiepreise mit einer flexiblen Länge erfolgt und die zustandsabhängige Leistungsaufnahme der Maschine zeitlich vollständig über den gesamten Planungshorizont bestimmt werden. Aufgrund einer unzureichenden Abbildung der Entscheidungssituation in Bezug auf die Bestimmung eines losgrößen- und reihenfolgebasierten Produktionsplans eignen sich diese Ansätze nicht für eine energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung.
3.4 Ergebnis der Literaturanalyse Zusammenfassend ist festzustellen, dass keiner der vorgestellten Planungsansätze sämtliche der in Abschnitt 2.4 definierten Anforderungen erfüllt und als Entscheidungsunterstützung für die energieorientierte Losgrößen- und
3.4 Ergebnis der Literaturanalyse
63
eihenfolgeplanung ohne Einschränkungen eingesetzt werden kann. Jedoch zeigt R sich, dass die einzelnen Anforderungen durch bestimmte Ansätze bereits erfüllt werden. So erlauben hybride Ansätze durch die Nutzung von Makroperioden und einer weiteren Hilfsstruktur die Festlegung eines zulässigen, losgrößenund reihenfolgebasierten Produktionsplans. Hingegen erlauben diese bisher nicht die Modellierung von Energiepreisen mit kurzen Zeitspannen sowie eine Bestimmung der Leistungsaufnahme. Demgegenüber ermöglichen STB-Ansätze durch die Nutzung von Mikroperioden die Berücksichtigung von Energiepreisen mit vergleichsweise kurzen Zeitspannen. Jedoch wird bei deren Nutzung kein zulässiger, losgrößen- und reihenfolgebasierter Produktionsplan sowie die zeitlich vollständige Leistungsaufnahme über den Planungshorizont bestimmt. Für die Bestimmung der zustandsabhängigen Leistungsaufnahme bieten sich Ansätze der reinen Reihenfolgeplanung als Vorbild an, da die bisherigen simultanen Losgrößen- und Reihenfolgeplanungsansätze hier noch deutliche Lücken aufweisen. Um sämtlichen Anforderungen Rechnung zu tragen und eine energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung zu unterstützen, gilt es, die Vorteile der unterschiedlichen Modelltypen miteinander zu vereinen. Als Grundlage erscheinen dabei die hybriden Ansätze, sowohl GLSP- als auch CLSD-basierte Ansätze, als erfolgversprechend. Diese bieten, wie in Abschnitt 3.2.1 gezeigt, die Möglichkeit zur Bestimmung eines zulässigen Produktionsplans. Darüber hinaus ermöglichen hybride Ansätze eine hinreichend genaue Abbildung endogener Dynamiken, welche ebenfalls für die Bestimmung der Leistungsaufnahme vorausgesetzt wird. Mithilfe einer geeigneten Modellierung zur Bestimmung einer zeitlich vollständigen, zustandsabhängigen Leistungsaufnahme über den Planungshorizont, in Anlehnung an die Ansätze für Reihenfolgeplanungsprobleme, kann ebenfalls die zweite Anforderung erfüllt werden. Lediglich die Modellierung von Energiepreisen mit kurzen Zeitspannen stellt aufgrund der gewählten hybriden Zeitstruktur mit Makroperioden sowie Hilfsstrukturen eine bisher nicht erfüllte Anforderung dar. Vor dem Hintergrund zweier möglicher Modellierungskonzepte für die energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung wird in den nachfolgenden Kapiteln zuerst eine GLSP-basierte (Kapitel 4) und anschließend eine CLSD-basierte Modellierung (Kapitel 5) entwickelt, um diese anschließend einander gegenüberzustellen. Die beiden geplanten Modellerweiterungen stellen jeweils stringente Erweiterungen der vorgestellten Grundmodelle mit ihren charakteristischen Zeitstrukturen dar. Im Fall eines GLSP-basierten Ansatzes stellt die Berücksichtigung einer weiteren Mikroperiodenstruktur mit fest vorgegebenen Längen parallel zu den
64
3 Stand der Forschung zur energieorientierten …
bisher weiteren Periodentypen eine Möglichkeit dar. Hierdurch können auf den bisher betrachteten Mikroperioden mit flexibler Länge die Maschinenzustände, mithilfe neu betrachteter Mikroperioden mit fester Länge die Energiepreise modelliert werden. Für die Bestimmung der Energiekosten bedarf es demnach einer Zuordnung des Energieverbrauchs von den maschinenzustandsorientierten Mikroperioden zum Energiepreis von den energiepreisorientierten Perioden. Aufgrund der Wahl eines eigenen Periodentyps für die Modellierung der Maschinenzustände, wird dieser Ansatz als maschinenzustandsbasierter Modellierungsansatz für die energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung bezeichnet. Im Fall eines CLSD-basierten Ansatzes besteht eine Möglichkeit darin, die Restriktion einer bisher ausschließlichen Modellierung der Maschinenzustände auf Makroperioden aufzuheben. Dagegen soll die Modellierung der Maschinenzustände auf den Perioden der Energiepreise erfolgen. Um unabhängig von der Periodenlänge einen zulässigen, losgrößen- und reihenfolgebasierten Produktionsplan bestimmen zu können, wird eine geeignete Modellierung benötigt. Die wesentliche Herausforderung der Modellierung besteht darin, Prozesse und deren Dauern, welche die Länge von Perioden unter- bzw. überschreiten, korrekt abzubilden. Hierzu kann bereits auf wenige Arbeiten in der Literatur zurückgegriffen werden.74 Eine Orientierung der Modellierung an den klassischen STB-Ansätzen ist dabei aufgrund der geschilderten Probleme mit Prozesszeiten, welche die Periodenlänge überschreiten, nicht zu empfehlen. Da die Modellierung der Maschinenzustände hier auf den energiepreisorientierten Perioden erfolgt, wird dieser Ansatz als energiepreisbasierter Modellierungsansatz für die energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung bezeichnet.
74Vgl.
Suerie (2006); Menezes et al. (2011); Wörbelauer et al. (2019).
4
Maschinenzustandsbasierter Modellierungsansatz
Der Eignung der aus der Literatur bekannter Planungsansätze folgend wird in diesem Kapitel ein Formalmodell für die energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung mit einem maschinenzustandsbasierten Modellierungsansatz entwickelt. Hierzu wird zunächst im Abschnitt 4.1 aus dem realen Problem ein Realmodell abgeleitet. Anschließend werden in Abschnitt 4.2 der Modellierung zugrundeliegende Annahmen vorgestellt. Auf Basis der in Abschnitt 4.3 eingeführten Notation wird in Abschnitt 4.4 das mathematische Optimierungsmodell vorgestellt. In Abschnitt 4.5 wird das entwickelte Optimierungsmodell klassifiziert. Das Kapitel wird mit einem Fazit in Abschnitt 4.6 zusammengefasst.
4.1 Modellkonzeption Für die Entwicklung eines geeigneten Planungskonzepts, welches den Anforderungen aus Abschnitt 2.4 gerecht wird, werden die Schritte des Prozesses zur Modellbildung von Schneeweiß (2002) durchlaufen. Der Prozess nach Schneeweiß ist in Abbildung 4.1 dargestellt. Ziel des Prozesses ist es, einen zu planenden Sachverhalt, welcher ein Realproblem beschreibt, in ein mathematisch beschreibbares Formalmodell zu überführen und dieses in einer computergestützten Planung einzusetzen. Hierfür wird zunächst das Realproblem durch Abstraktion in ein Realmodell, im Anschluss daran das Realmodell durch Relaxation in ein mathematisch beschreibbares Formalmodell überführt. Entlang
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Johannes, Energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung bei zeitabhängigen Energiepreisen, Produktion und Logistik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30918-3_4
65
66
4 Maschinenzustandsbasierter Modellierungsansatz
Abbildung 4.1 Prozess der Modellbildung (Vgl. Schneeweiß (2002), S. 111)
dieses Prozesses werden verschiedene Schritte zur Validierung der getroffenen Annahmen durchlaufen.1 Die Konzeption des Realmodells erfolgt in drei Schritten. Zunächst wird im ersten Schritt der Planungsumfang definiert. Anschließend werden im zweiten Schritt die strukturgebenden Merkmale des Planungsansatzes festgelegt. Die Festlegung der Merkmalsausprägungen ist ausschließlich auf Basis sachlicher Erwägungen vorzunehmen. Hierdurch kann es passieren, dass die Anforderungen an ein bisheriges, modellbasiertes Planungssystem nicht vollständig erfüllt werden. In diesem Fall wird im dritten Schritt entschieden, wie die bisher unerfüllten Anforderungen im Realmodell berücksichtigt werden können.2 Definition des Planungsumfangs In Bezug auf den Planungsumfang kann grundsätzlich zwischen einer sukzessiven und einer simultanen Losgrößen- und Reihenfolgeplanung unterschieden werden. In der sukzessiven Planung werden zunächst die Losgrößen und daran anschließend deren Reihenfolge bestimmt. Diese Art der Planung stellt dabei eine traditionelle Planung dar.3 Jedoch weist diese erhebliche Probleme bei der Betrachtung von Wechselwirkungen zwischen Losgrößen
1Vgl.
Schneeweiß (2002), S. 109 f. Puttkammer (2017), S. 45. 3Vgl. Meyr (1999); Fleischmann et al. (2015). 2Vgl.
4.1 Modellkonzeption
67
und deren Reihenfolge auf.4 Dagegen werden bei der simultanen Planung die Losgrößen und die Reihenfolge der Produktionslose in einem integrierten Ansatz bestimmt. Hierbei werden Wechselwirkungen zwischen der Reihenfolge der Lose und den Rüstkosten und -zeiten sowie zwischen der Losgröße und den Lagerhaltungskosten simultan berücksichtigt. Aufgrund der simultanen Betrachtung weist dieser Ansatz jedoch eine höhere Komplexität auf. Da im Rahmen der energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung Energiekosten als weiteres Zielkriterium betrachtet werden, bedarf es ebenfalls der Betrachtung von Wechselwirkungen zwischen Energiekosten und den weiteren Kostentypen. So kann es möglich sein, durch eine frühere Produktion die Energiekosten zu senken, wodurch sich jedoch die Lagerhaltungskosten erhöhen. Des Weiteren ist es möglich, dass durch eine Lossplittung die Energiekosten reduziert werden, jedoch hierdurch höhere Rüstkosten in Kauf genommen werden. Um zu den bisherigen Wechselwirkungen auch die Wechselwirkungen zwischen Energiekosten und den weiteren Kostentypen zu betrachten, ist die Wahl eines simultanen Ansatzes für die Losgrößen- und Reihenfolgeplanung notwendig. Wie in Abschnitt 3.2 gezeigt, existieren verschiedene Modellierungsansätze für eine simultane Losgrößen- und Reihenfolgeplanung. Entsprechend der Vorteilhaftigkeit hybrider Ansätze gegenüber den weiteren Ansätzen setzt in diesem Kapitel der Planungsansatz auf dem Modellierungsansatz des General Lot-sizing and Scheduling Problem5 auf. Damit bildet das GLSP die Basis für das Realmodell. Die Planungsaufgabe stellt demnach die Bestimmung eines Ablaufplans mit den Produktionslosgrößen und deren Reihenfolge sowie die Bestimmung weiterer Rüst- und Betriebszustände im Planungshorizont dar. Definition strukturgebender Merkmale Bezüglich der strukturgebenden Merkmale wird zwischen Planungsobjekten, technisch und organisatorisch bedingten Restriktionen der Entscheidungssituation sowie den Zielkriterien unterschieden.6 Die Planungsobjekte stellen Produkte
4Im
klassischen Sinne ist das Ziel der Losgrößen- und Reihenfolgeplanung, die Rüst- und Lagerhaltungskosten zu minimieren. Hängen jedoch die Rüstkosten und -zeiten von der Reihenfolge der Lose aufgrund von sequenzabhängigen Rüstkosten und -zeiten ab, stellen sukzessive Ansätze keine geeignete Möglichkeit zur Lösung derartiger Probleme dar. Vgl. Sikora et al. (1996) und Abschnitt 2.2.4. 5Vgl. Fleischmann und Meyr (1997). 6Die strukturgebenden Merkmale des Planungsansatzes orientieren sich an den Abschnitten 3.1.1 und 3.1.2.
68
4 Maschinenzustandsbasierter Modellierungsansatz
dar, welche in Losen auf den Fertigungsmaschinen produziert werden. Für die Produkte existiert eine vorgegebene Nachfrage mit Lieferzeitpunkten, welche bedient werden muss. In Bezug auf die technisch und organisatorisch bedingten Restriktionen ergeben sich zahlreiche Optionen. Um die Auswirkungen der energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung frei von weiteren Einflüssen technischer und organisatorischer Art bestimmen zu können, werden diese weitestgehend einfach gehalten. Demzufolge basiert das Realmodell auf einer einzelnen Maschine. Für diese Maschine existieren zur Fertigung der Produkte produktspezifische Rüstzustände. Darüber hinaus kann mithilfe von sequenzabhängigen Rüstvorgängen der Rüstzustand der Fertigungsmaschine verändert werden. Die Rüstkosten bzw. -zeiten halten dabei die Dreiecksungleichung ein. Außerdem soll die Möglichkeit bestehen, die Rüstzustände über die Zeit durch einen weiteren Betriebszustand zu erhalten sowie die Maschine abzuschalten. In Bezug auf die Erzeugnisstruktur werden die Produkte als einstufig definiert. Eine Lagerhaltung der Produkte über die Perioden ist möglich. Die Berücksichtigung von zusätzlichen Ressourcen zur Erfüllung der Nachfrage wird ausgeschlossen.7 Die Bewertung des Ablaufplans basiert auf der Betrachtung der entscheidungsrelevanten, produktionsbezogenen Gesamtkosten. Dies stellt in der simultanen Losgrößen- und Reihenfolgeplanung ein weitverbreitetes Zielkriterium dar.8 Als entscheidungsrelevant werden Kosten betrachtet, wenn diese im Rahmen der Planung durch das Entscheidungsmodell beeinflusst werden. Entsprechend dieser Definition entfallen auf die entscheidungsrelevanten, produktionsbezogenen Gesamtkosten die Rüst-, Lagerhaltungs-, Bereitschaftsund Energiekosten. Die Rüstkosten werden basierend auf der Anzahl der Umrüstungen mit den sequenzabhängigen Rüstkostensätzen bestimmt. Die Lagerhaltungskosten ergeben sich aus den Produkten auf Lager, bewertet mit einem produktspezifischen Lagerhaltungskostensatz. Die Bereitschaftskosten ergeben sich aus der Dauer für die Erhaltung eines bestimmten Rüstzustands, welcher mit einem rüstzustandsspezifischen Bereitschaftskostensatz bewertet wird. Die Energiekosten werden aus dem zeitabhängigen Energieverbrauch und dem zeitabhängigen Energiepreis ermittelt. Wesentliche Vorteile der Formulierung eines kostenbasierten Zielkriteriums liegen darin, dass einerseits die verschiedenen
7Vgl.
hierzu verschiedene Standardwerke, welche ebenfalls einen einfachen Planungsfall betrachten, um das Potenzial ihrer Ansätze zu bestimmen: Karmarkar und Schrage (1985); Fleischmann (1990); Drexl und Haase (1995); Fleischmann und Meyr (1997). 8Ebd.
4.1 Modellkonzeption
69
Kostenarten objektiv bewertet und andererseits hinsichtlich einer betriebswirtschaftlichen Bewertung ohne Berücksichtigung von Ersatzzielen gegenübergestellt werden können. Berücksichtigung bisher nicht erfüllter Anforderungen Bereits erfüllt wird die Forderung nach einer Festlegung eines zulässigen, losgrößen- und reihenfolgebasierten Produktionsplans.9 Demgegenüber werden die Anforderungen zur Berücksichtigung von zeitabhängigen Energiepreisen, welche in einer fest vorgegebenen Zeitstruktur gegeben sind, sowie die Abbildung einer zeitlich vollständigen Maschinenbelegung mit einer zustandsabhängigen Leistungsaufnahme bisher nicht erfüllt. Für die Berücksichtigung der Energiepreise ist eine vorab definierte Zeitstruktur notwendig, welche der Länge der Perioden mit einem konstanten Energiepreis entspricht. Dabei ist darauf zu achten, dass je nach gewähltem Handelsort unterschiedliche Zeitspannen für konstante Energiepreise gelten können. Entsprechend der Erkenntnisse aus Abschnitt 3.2.1 ist im GLSP eine Betrachtung der Energiepreise auf Basis von Makroperioden nicht sinnvoll bzw. bei Energiepreisen mit sehr kurzen Zeitspannen nicht möglich. Eine Betrachtung der Energiepreise auf Basis der Mikroperioden mit flexibler Länge ist ebenfalls nicht möglich. Aufbauend auf dem GLSP besteht daher eine Möglichkeit zur Berücksichtigung der exogen gegebenen Energiepreise darin, eine zusätzliche, parallele Zeitstruktur in der Modellierung zu betrachten, ohne die vorhandene Zeitstruktur aufzulösen. Des Weiteren bedarf es im zu entwickelnden Planungsansatz der Abbildung einer zeitlich vollständigen Maschinenbelegung mit einer zustandsabhängigen Leistungsaufnahme. Um dies zu garantieren, muss in dem Planungsansatz sichergestellt werden, dass zu jedem Zeitpunkt innerhalb des Planungshorizonts eindeutig jeweils Rüst- und Betriebszustand bestimmt werden. Dies wird einerseits dadurch erreicht, dass weitere, auch nicht wertschöpfende Betriebszustände betrachtet werden sowie andererseits die zeitliche Kapazität in jeder Periode vollständig ausgeschöpft wird. Ausgehend vom Rüst- und Betriebszustand kann anschließend eine zustandsabhängige Leistungsaufnahme bestimmt werden. Aufgrund der Betrachtung zweier paralleler Zeitstrukturen zur Modellierung von Energieverbrauch sowie Energiepreis bedarf es für die Bestimmung der Energiekosten einer Zuordnung des zeitabhängigen Energieverbrauchs zu den zeitabhängigen
9Vgl. Abschnitt 3.2.1.
70
4 Maschinenzustandsbasierter Modellierungsansatz
Abbildung 4.2 Konzeptionelles Realmodell
Energiepreisen. Eine Übersicht über das vollständige konzeptionelle Realmodell ist in Abbildung 4.2 gegeben. Zur Validierung des beschriebenen Realmodells wurde dieses im Zuge verschiedener Konferenzbesuche mit ausgewiesenen Wissenschaftlern aus dem Bereich des Operations Managements diskutiert sowie in einschlägigen, begutachteten Zeitschriften veröffentlicht. Im Rahmen dieser Diskussionen und Veröffentlichungen wurde bestätigt, dass das Realmodell die wesentlichen Eigenschaften und Zusammenhänge des Realproblems widerspiegelt. Das Realmodell kann somit als valide betrachtet werden.
4.2 Annahmen Um das vorgestellte Realmodell in ein mathematisch beschreibbares Formalmodell zu überführen, werden vereinfachende Annahmen berücksichtigt. Insgesamt werden zu diesem Zweck sechs Annahmen getroffen, welche nachfolgend beschrieben werden. Annahme 1: Betrachtung eines endlichen Planungshorizonts Klassischerweise wird bei simultanen Losgrößen- und Reihenfolgeplanungsproblemen von einem endlichen Planungshorizont ausgegangen.10 Dies wird 10Siehe
3.1.1 für die Unterscheidung eines un- und endlichen Planungshorizonts und dem Zusammenhang zum stationären und dynamischen Nachfrageverhalten.
4.2 Annahmen
71
damit gerechtfertigt, dass kein stabiler Umweltzustand vorhanden ist, wie das Einstellen einer sich regelmäßig wiederholenden Nachfrage von Produkten. Um diesen dynamischen Umweltzustand zu berücksichtigen, wird im betrachteten Formalmodell ein endlicher Planungshorizont betrachtet. Annahme 2: Berücksichtigung einer dynamischen und deterministischen Nachfrage Es wird angenommen, dass die Nachfrage von Produkten über den Planungshorizont dynamisch ist und keiner stochastischen Komponente unterliegt. Dies wird damit begründet, dass durch die kurz- und mittelfristige Absatzplanung für die im Planungshorizont befindlichen Perioden im Voraus valide Bedarfe ermittelt werden, welche an die Losgrößen- und Reihenfolgeplanung weitergegeben werden. Außerdem gilt, dass die produktspezifische Nachfrage ohne Nacherfüllung bedient werden muss. Annahme 3: Modellierung basiert auf drei Typen von Perioden In Bezug auf die Zeitstruktur werden drei Typen von Perioden berücksichtigt, um die verschiedenen exogenen Dynamiken, wie Nachfrage, Energiepreise und Lagerbestände zu fest vorgegebenen Zeitpunkten, sowie die endogenen Dynamiken, wie Reihenfolge der Maschinenzustände, zu modellieren. Während exogene Dynamiken auf den beiden fest vorgegebenen, diskreten Zeitstrukturen modelliert werden, nutzen endogene Dynamiken eine stetige Zeitstruktur mit nicht vorab definierten Periodenlängen. Aufgrund der separaten Modellierung von Dynamiken können endogene Dynamiken nahezu losgelöst von exogenen Dynamiken betrachtet werden. Die verwendete Zeitstruktur ist in Abbildung 4.3 dargestellt.11 Erstens besteht der Planungshorizont aus einer fest vorgegebenen Anzahl an Makroperioden t. Mithilfe dieser wird die produktspezifische Nachfrage berücksichtigt sowie die Lagerbestände bestimmt. Darüber hinaus existieren in jeder Makroperiode t zwei unterschiedliche Typen von Mikroperioden, welche für die Modellierung von einerseits Maschinenzuständen und andererseits Energiepreisen genutzt werden.
11Die
hybride Zeitstruktur findet man unter anderem auch in Fleischmann und Meyr (1997), Toledo et al. (2009), Ferreira et al. (2009) und Seeanner und Meyr (2013).
72
4 Maschinenzustandsbasierter Modellierungsansatz
Abbildung 4.3 Zeitstruktur des maschinenzustandsbasierten Modellierungsansatzes (Vgl. Wichmann et al. (2019b). In Anlehnung an Seeanner und Meyr (2013))
Zweitens werden mithilfe der maschinenzustandsorientierten Mikroperioden s Maschinenzustände und deren Reihenfolge modelliert. Jede Makroperiode t besteht aus einer festgelegten Anzahl an Mikroperioden s, welche jedoch keine vorab definierte Länge aufweisen.12 Durch die nicht vorab definierte Länge ist es möglich, die Maschinenzustände mit einer beliebigen Länge zu modellieren, solange die Summe dieser die Länge der zugehörigen Makroperiode t nicht überschreitet. Darüber hinaus ist in jeder Mikroperiode s nur ein Maschinenzustand zulässig.13 Diese Einschränkung wird vorgenommen, um eindeutig sicherzustellen, welche Reihenfolge von Maschinenzuständen vorliegt. Drittens werden energiepreisorientierte Mikroperioden r definiert. Diese werden zur Modellierung der Energiepreise genutzt. Dabei fällt in jeder Periode ein individueller Energiepreis an, welcher sich an den realen Marktpreisen orientiert. Jede Makroperiode t besteht aus einer vorab definierten Anzahl an Mikroperioden r mit einer individuellen Länge. Aufgrund der parallelen Struktur von Mikroperioden mit voneinander getrennten Energiepreisen und Stromverbräuchen bedarf es einer Zuordnung beider Perioden zueinander. 12Begründet
wird die vorab definierte Anzahl möglicher Mikroperioden s pro Makroperiode t damit, dass die Berücksichtigung einer weiteren Entscheidungsvariable für die Anzahl an Mikroperioden s in Makroperioden t neben der Entscheidung über die Länge der Mikroperioden s eine nichtlineare Formulierung des Optimierungsmodells verursachen würde. Vgl. Fleischmann und Meyr (1997). 13Bei der ursprünglichen GLSP-Formulierung ist es möglich, innerhalb einer Mikroperiode s auf das Produkt zu rüsten, dieses zu produzieren und den Rüstzustand zu erhalten. Hierbei wird jedoch keine Entscheidung über die Reihenfolge dieser Zustände getroffen. Vgl. Fleischmann und Meyr (1997).
4.2 Annahmen
73
Annahme 4: Berücksichtigung von vier deterministischen Betriebszuständen Insgesamt werden im Planungsansatz die vier folgenden Betriebszustände berücksichtigt: Produktion, Rüsten, Standby und Abgeschaltet. Während die Betriebszustände Produktion und Standby produktspezifisch sind, ist der Betriebszustand Rüsten sequenzabhängig. Der Betriebszustand Abgeschaltet beschreibt dagegen einen neutralen und damit produktunabhängigen Zustand. Mithilfe des Betriebszustands Produktion wird die Herstellung von Produkten ermöglicht. Der Wechsel in diesen produktspezifischen Betriebszustand ist nur möglich, wenn die Maschine entsprechend gerüstet ist. Darüber hinaus stellt dieser Betriebszustand im Vergleich zu den anderen Betriebszuständen einen sehr energieintensiven Zustand dar. Der Betriebszustand Standby bietet die Möglichkeit, einen Rüstzustand der Maschine aufrechtzuerhalten. Je nach aufrechtzuerhaltendem Rüstzustand kann dies mehr oder weniger aufwendig sein, was sich in der Leistungsaufnahme sowie im Bereitschaftskostensatz widerspiegelt. Durch den Betriebszustand Rüsten wird der Wechsel des Rüstzustands einer Maschine ermöglicht. Für die Umrüstung der Maschine bedarf es einer sequenzabhängigen Umrüstzeit. Darüber hinaus entstehen bei der Umrüstung Rüstkosten, welche mithilfe eines sequenzabhängigen Rüstkostensatzes ermittelt werden, sowie Energiekosten durch die Leistungsaufnahme während der Umrüstung. Mithilfe des Betriebszustands Abgeschaltet ist es möglich, die Maschine abzuschalten, sodass anfallende Kosten für Energie und Bereitschaft reduziert werden können.14 Die genannten Betriebszustände werden als rein deterministische Betriebszustände betrachtet. Demzufolge werden keine stochastischen Komponenten, wie beispielsweise Störungen der Maschine im Betriebszustand Produktion, berücksichtigt. Annahme 5: Betrachtung einer nivellierten Leistungsaufnahme innerhalb eines Maschinenzustands Es wird vereinfachend davon ausgegangen, dass die zustandsabhängige Leistungsaufnahme der Maschine deterministisch und im Voraus bekannt ist. Diese Vereinfachung lässt sich damit begründen, dass im Zuge einer zunehmenden Digitalisierung von Produktionssystemen weitreichende Daten aufgenommen werden, wie die Leistungsaufnahme in Abhängigkeit verschiedener
14Die
Berücksichtigung sowie Charakterisierung dieser vier Betriebszustände basiert auf Shrouf et al. (2014) und Copil et al. (2017). Die den Betriebszuständen zugewiesenen Energiezustände orientieren sich an der VDA 34179.
74
4 Maschinenzustandsbasierter Modellierungsansatz
Einflussfaktoren.15 Darüber hinaus wird angenommen, dass die Leistungsaufnahme eines Maschinenzustands über die Zeit konstant ist und einem nivellierten Wert entspricht. Diese zweite Vereinfachung wird damit begründet, dass innerhalb des Planungsansatzes Lastspitzen nicht näher betrachtet werden. Des Weiteren wird davon ausgegangen, dass sich die Schwankungen der Leistungsaufnahme über die Zeit ausgleichen und keinen signifikanten Einfluss auf die Energiekosten haben.16 Annahme 6: Umgang mit betriebswirtschaftlichen Bewertungsgrößen Für die betriebswirtschaftliche Bewertung wird angenommen, dass alle notwendigen Kostensätze, wie Rüst-, Lagerhaltungs- und Bereitschaftskostensatz sowie Energiepreise, dem Entscheider in ausreichender Form bekannt sind. Darüber hinaus wird für die Ermittlung von Lagerhaltungskosten nur der Bestand am Ende von Perioden miteinbezogen.17
4.3 Notation Gegenstand dieses Abschnitts ist die Einführung einer Notation, welche im nachfolgenden Abschnitt für die Formulierung eines mathematischen Optimierungsmodells verwendet wird. Zunächst wird dabei auf die verwendeten Mengen und Indizes, darauf aufbauend auf die genutzten Parameter und abschließend auf die eingeführten Entscheidungs- und Hilfsvariablen eingegangen. Die verwendeten Mengen und Indizes umfassen die betrachteten Produkte, die exogen vorgegebenen Makroperioden, die energiepreisorientierten sowie die maschinenzustandsorientierten Mikroperioden. Die Menge K all (Index k, k ′) umfasst
15Das
Monitoring der Leistungsaufnahme kann beispielsweise mithilfe von Sensoren erfolgen. Mithilfe einer Energiedatenerfassung, welche mit einem Manufacturing Execution System gekoppelt ist, können anschließend für alle Maschinenzustände empirische Energieverbrauchsdaten ermittelt werden. 16Diese Annahme stellt eine weitverbreitete Annahme in der energieorientierten Produktionsplanung dar. So wird unter anderem in Shrouf et al. (2014), Masmoudi et al. (2016) oder Mansouri et al. (2016) von einer konstanten Leistungsaufnahme ausgegangen. 17Dies stellt ein klassisches Vorgehen bei Planungsproblemen der simultanen Losgrößenund Reihenfolgeplanung dar. Vgl. Fleischmann (1990); Drexl und Haase (1995); Fleischmann und Meyr (1997).
4.3 Notation
75
alle zu berücksichtigenden Produkttypen (k ∈ K all = {0, . . . K})18. Die zu berücksichtigenden Produkttypen stellen zugleich auch Rüstzustände der Fertigungsmaschine dar. Der Spezialfall mit Produkt k = 0 beschreibt ein sogenanntes Dummy-Produkt, welches im Nachfolgenden für die Modellierung des Betriebszustands Abgeschaltet verwendet wird.19 Die Teilmenge K 1 ⊆ K all umfasst alle Elemente aus der Teilmenge K all abzüglich dem ersten Element k = 0. Die Menge T all (Index t) enthält alle Makroperioden, welche im Planungshorizont betrachtet werden (t ∈ T all = {0, . . . , T }). So umfasst die Teilmenge T 1 ⊆ T all alle Elemente aus der Teilmenge T all abzüglich des ersten Elements t = 0. Die Menge Rall (Index r) umfasst alle energiepreisorientierten Mikroperioden über den kompletten Planungshorizont (r ∈ Rall = {0, . . . , R}). Dagegen umfasst die Teilmenge Rr ⊆ Rall alle energiepreisorientierten Mikroperioden, welche bereits im Vorfeld der Makroperiode t zugeordnet sind. Die Menge S all (Index s) enthält alle maschinenzustandsorientierten Mikroperioden über den kompletten Planungshorizont (s ∈ S all = {0, . . . , S}). Die Teilmenge S 1 ⊆ S all umfasst alle Elemente aus der Teilmenge S all abzüglich des ersten Elements s = 0. Dagegen enthält die Teilmenge St ⊆ S all alle maschinenzustandsorientierten Mikroperioden, welche bereits im Vorfeld der Makroperiode t zugeordnet sind. Die Teilmenge St′ ⊆ S all umfasst alle Elemente aus der Teilmenge St abzüglich dem letzten Element. Die Mikroperioden r = 0 und s = 0 werden für die Initialisierung benötigt. Die genutzten Parameter werden vorwiegend zur Abbildung von zeitlichen, energetischen und betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen verwendet. Hierzu lassen sich diese in vier Gruppen einteilen: organisatorische Parameter, technische Parameter der Fertigungsmaschine, Parameter zur betriebswirtschaftlichen Bewertung sowie modellierungstechnische Parameter. Erstens gilt es, die organisatorischen Parameter zu beschreiben. Der Parameter Ct gibt die Länge der Makroperiode t an. Dieser wird unter anderem zur Beschreibung der zeitlich maximalen Kapazität der Maschine genutzt. Der Parameter lr gibt die Länge einer energiepreisorientierten Mikroperiode r an. Die Nachfrage nach Produkt k in Makroperiode t wird durch den Parameter dk,t angegeben.
18Die
Begriffe „Produkte“ und „Produkttypen“ werden im Folgenden synonym verwendet. diese Art von Modellierung ist es möglich, einen vierten, separaten Betriebszustand zu vernachlässigen. Der Betriebszustand Abgeschaltet wird durch den Maschinenzustand Produktion von Produkt k = 0 abgebildet. Vgl. Copil et al. (2017).
19Durch
76
4 Maschinenzustandsbasierter Modellierungsansatz
Zweitens fallen in die Gruppe der technischen Parameter die Rüst- und Bearbeitungszeiten sowie die zustandsabhängige Leistungsaufnahme der Maschine. Der Parameter ak beschreibt die Zeit, welche für die Produktion eines Produkts k erforderlich ist. Die Umrüstzeit der Maschine von Produkt k ′ auf k wird durch den Parameter stk ′ ,k festgelegt. Die Leistungsaufnahme im Maschinenzustand Produktion von Produkt k sowie die Leistungsaufnahme im Maschinenzustand Abgeschaltet (wenngleich k = 0) wird durch den Parameter q q¯ pk definiert.20 Der Parameter pk definiert die Leistungsaufnahme im Maschinenzustand Standby von Produkt k. Schließlich definiert der Parameter pzk ′ ,k die Leistungsaufnahme im Maschinenzustand Rüsten von Produkt k ′ zu k. Drittens gilt es, die Parameter zur betriebswirtschaftlichen Bewertung zu definieren. Die Höhe der Rüstkosten für eine Umrüstung der Maschine von Produkt k ′ auf k wird durch den Parameter sck ′ ,k beschrieben. Der Parameter hck definiert den Lagerhaltungskostensatz je Produkt k, welche am Ende einer Makroperiode gelagert werden. Die Höhe des Bereitschaftskostensatzes der Maschine für Produkt k, welcher im Maschinenzustand Standby anfällt, wird durch den Parameter pck definiert. Die Höhe des Energiepreises in der energiepreisorientierten Mikroperiode r wird durch den Parameter ecr beschrieben. Viertens werden die modellierungstechnischen Parameter beschrieben. Zur Initialisierung des Modells geben der Parameter Ik,0 den Lageranfangsbestand für die einzelnen Produkttypen k sowie der Parameter ωk,0 den Rüstzustand der Fertigungsmaschine an. Abschließend wird der Parameter M, eine ausreichend große Zahl, zur Formulierung von Big-M-Nebenbedingungen definiert. Abschließend gilt es, die eingeführten binären und kontinuierlichen Entscheidungs- und Hilfsvariablen zu beschreiben. Hierzu lassen sich diese in drei Gruppen einteilen: organisatorische Entscheidungsvariablen, maschinenzustandsbezogene Entscheidungsvariablen und maschinenzustandsbezogene Hilfsvariablen. Erstens fallen in die Gruppe der organisatorischen Entscheidungsvariablen die Lagerbestandsvariablen sowie die Variablen für die Periodenlänge der maschinenzustandsorientierten Mikroperioden s. Die kontinuierliche Variable Ik,t beschreibt die Höhe des Lagerbestands des Produkts k am Ende der Makroperiode t. Die ebenfalls kontinuierliche Variable es gibt die Länge der maschinenzustandsorientierten Mikroperiode s an.
20Im
Folgenden wird der Betriebszustand Abgeschaltet nicht mehr separat benannt. Dieser wird wie oben eingeführt unter dem Betriebszustand Produktion mit Produkt k = 0 geführt.
4.4 Modellierung
77
Zweitens werden die maschinenzustandsbezogenen Entscheidungsvariablen beschrieben. Die binäre Variable ωk,s erfasst den Rüstzustand der Maschine. Diese nimmt den Wert eins an, wenn die Maschine in der maschinenzustandsorientierten Mikroperiode s für Produkt k gerüstet ist. Die kontinuierliche Variable qk,s beschreibt die Menge produzierter Produkte k in Mikroperiode s. Die Länge des Maschinenzustands Standby von Produkt k in Mikroperiode s gibt die kontinuierliche Variable q¯ k,s an. Die binäre Variable zk ′ ,k,s beschreibt eine Umrüstung von Produkt k ′ zu k in Mikroperiode s. Drittens gilt es, die maschinenzustandsbezogenen Hilfsvariablen zu beschreiben. Die kontinuierliche Variable lr,s gibt die zeitliche Überschneidung der parallelen Mikroperiodentypen r und s an. Diese Überschneidung kann auch als Zuordnung von maschinenzustandsorientierten Mikroperioden s zu energiepreisorientierten Mikroperioden r verstanden werden. Die kontinuierq q¯ lichen Variablen lk,r,s , lk,r,s und lkz ′ ,k,r,s beschreiben die zeitliche Überschneidung der beiden parallelen Mikroperioden r und s in den Maschinenzuständen Produktion von Produkt k, Standby von Produkt k und Rüsten von Produkt k ′ zu k. Die binären Variablen υk,s bzw. υ¯ k,s erfassen die Maschinenzustände Produktion von Produkt k bzw. Standby von Produkt k. Diese nehmen den Wert eins an, wenn die Maschine in der maschinenzustandsorientierten Mikroperiode s im Maschinenzustand Produktion von Produkt k bzw. Standby von Produkt k ist. Abschließend gibt die binäre Hilfsvariable urs mit dem Wert eins an, ob in der energiepreisorientierten Mikroperiode r bereits alle Zeiteinheiten der maschinenzustandsorientierten Mikroperiode s den energiepreisorientierten Mikroperioden r ′ r ′ = [0, r] zugeordnet wurden.
4.4 Modellierung Unter Verwendung der in Abschnitt 4.3 eingeführten Notation wird im Folgenden das Formalmodell für das Energy-Oriented General Lot-sizing and Scheduling Problem (EOGLSP) aufgestellt.21 Neben der Zielfunktion umfasst dieses Modell 31 Typen von Nebenbedingungen. Das Formalmodell baut auf dem General Lotsizing and Scheduling Problem auf.22
21Das 22Vgl.
Modell ist zu großen Teilen in Wichmann et al. (2019b) veröffentlicht. Meyr (1999); Copil et al. (2017).
78
Minimize
4 Maschinenzustandsbasierter Modellierungsansatz S K K
zk ′ ,k,s · sck ′ ,k +
s=1 k ′ =0 k=0
+
K R S
K T
Ik,t · hck +
k=1 t=1
q lk,r,s
·
q pk
+
q¯ lk,r,s
K S
q¯ k,s · pck
k=0 s=1
·
q¯ pk
+
K
lkz ′ ,k,r,s
·
pzk ′ ,k
(4.1)
· ecr
k ′ =0
s=1 r=1 k=0
Die Zielfunktion in Formel (4.1) minimiert die entscheidungsrelevanten, produktionsbezogenen Gesamtkosten, welche mit dem Produktionsplan einhergehen. Die Gesamtkosten ergeben sich aus Rüst-, Lagerhaltungs-, B ereitschaftsund Energiekosten. Die Rüstkosten ergeben sich aus der Anzahl sequenzspezifischer Umrüstungen über den kompletten Planungshorizont, multipliziert mit den sequenzspezifischen Umrüstkostensätzen. Die Lagerhaltungskosten ergeben sich aus den produktspezifischen Lagermengen am Ende der einzelnen Makroperioden, multipliziert mit den produktspezifischen Lagerhaltungskostensätzen. Die Bereitschaftskosten ergeben sich durch die Dauer des produktspezifischen Maschinenzustands Standby über den kompletten Planungshorizont und den produktspezifischen Bereitschaftskostensätzen. Die Energiekosten ergeben sich aus den zustandsabhängigen Energieverbräuchen der einzelnen energiepreisorientierten Mikroperioden, multipliziert mit den dazugehörigen mikroperiodenspezifischen Energiepreisen. Der hierfür benötigte zustandsabhängige Energieverbrauch ergibt sich aus der Dauer eines aktiven Maschinenzustands, multipliziert mit der zustandsabhängigen Leistungsaufnahme der Maschine. Der zustandsabhängige Energieverbrauch ergibt sich aus den vier definierten Betriebszuständen Produktion, Rüsten, Standby und Abgeschaltet sowie den Rüstzuständen in Abhängigkeit der Produkttypen k und k ′. Ik,t = Ik,t−1 + qk,s − dk,t ∀t ∈ T 1 , k ∈ K 1 (4.2) s∈St
Die Nebenbedingungen (4.2) beschreiben den Zusammenhang von Lagerbestand, Nachfrage und neuproduzierten Produkten. Der produktspezifische Lagerbestand aus der aktuellen Makroperiode ergibt sich aus dem produktspezifischen Lagerbestand der Vorperiode, zuzüglich der neu produzierten Produkte in den maschinenzustandsorientierten Mikroperioden, welche der Makroperiode zugeordnet sind, abzüglich der produktspezifischen Nachfrage aus der aktuellen Makroperiode. K K K ak · qk,s + q¯ k,s + stk ′ ,k · zk ′ ,k,s = es ∀s ∈ S all (4.3) k=0
k=0 k ′ =0
4.4 Modellierung
79
es = Ct
∀t ∈ T all
(4.4)
s∈St
Mithilfe der Nebenbedingungen (4.3) und (4.4) werden die Abhängigkeiten zwischen den maschinenzustandsorientierten Mikroperioden sowie den Makroperioden beschrieben. Hierzu bestimmen die Nebenbedingungen (4.3) die Länge der maschinenzustandsorientierten Mikroperioden. Die Länge einer einzelnen maschinenzustandsbasierten Mikroperiode ergibt sich aus den Zeiten, welche innerhalb der Periode für die einzelnen Maschinenzustände Produktion bzw. Abgeschaltet sowie Standby und Rüsten aufgewendet werden. Dadurch ergibt sich die Länge der Mikroperiode aus der Summe erzeugter Produkte multipliziert mit ihren Bearbeitungszeiten bzw. im Fall von k = 0 aus den Abschaltzeiten zuzüglich den Zeiten für den Standby-Betrieb der Maschine sowie den Zeiten für eine Umrüstung der Maschine. Gemäß der Nebenbedingungen (4.4) muss die Summe der Längen der maschinenzustandsorientierten Mikroperioden, welche einer Makroperiode zugeordnet sind, exakt der Länge dieser entsprechen. Diese exakte Erfüllung ist notwendig, damit einerseits die zeitlich maximale Kapazität einer Makroperiode nicht überschritten wird. Andererseits wird hierdurch sichergestellt, dass über die gesamte Makroperiode hinweg eine zustandsabhängige Leistungsaufnahme der Fertigungsmaschine bestimmt werden kann.
qk,s ≤ υk,s · M
∀k ∈ K all , s ∈ S all
(4.5)
q¯ k,s ≤ υ¯ k,s · M
∀k ∈ K all , s ∈ S all
(4.6)
K K k=0
υk,s + υ¯ k,s + zk ′ ,k,s = 1
∀s ∈ S all
(4.7)
k ′ =0
Die Nebenbedingungen (4.5)–(4.7) beschränken die Anzahl möglicher Maschinenzustände innerhalb einer maschinenzustandsorientierten Mikroperiode auf eins. Hierzu wird zunächst in den Nebenbedingungen (4.5) mithilfe einer Big-M-Formulierung die binäre Hilfsvariable υk,s bestimmt. υk,s zeigt an, ob in der maschinenzustandsorientierten Mikroperiode s das Produkt k produziert wird bzw. die Maschine abgeschaltet ist (wenngleich qk,s > 0). Auf die gleiche Art und Weise wird in den Nebenbedingungen (4.6) die binäre Hilfsvariable υ¯ k,s bestimmt, welche anzeigt, ob in der maschinenzustandsorientierten Mikroperiode s die Fertigungsmaschine den Rüstzustand für das Produkt k aufrechterhält (wenngleich q¯ k,s > 0). Mithilfe der definierten binären Hilfsvariablen und
80
4 Maschinenzustandsbasierter Modellierungsansatz
der binären Entscheidungsvariable zk ′ ,k,s wird durch die Nebenbedingungen (4.7) die Anzahl aktiver Maschinenzustände auf eins festgesetzt. Diese Festsetzung ist notwendig, da innerhalb einer maschinenzustandsorientierten Mikroperiode keine feste Reihenfolge von Maschinenzuständen vorgegeben ist. Bei Vernachlässigung dieser Festsetzung kann eine korrekte zeitliche Abfolge der Leistungsaufnahme des Produktionssystems nicht zwangsläufig bestimmt werden. K
ωk,s = 1
∀s ∈ S all
(4.8)
k=0
ak · qk,s + q¯ k,s ≤ Ct · ωk,s zk ′ ,k,s ≥ ωk ′ ,s−1 + ωk,s − 1
∀k ∈ K all , t ∈ T all , s ∈ St
(4.9)
∀k ′ , k ∈ K all , s ∈ S 1
(4.10)
Die Einhaltung der Zusammenhänge zwischen den Rüstzuständen der Maschine bzw. innerhalb des Produktionsplans werden mithilfe der Nebenbedingungen (4.8)–(4.10) sichergestellt. Die Nebenbedingungen (4.8) stellen sicher, dass die Fertigungsmaschine in jeder maschinenzustandsorientierten Mikroperiode genau für ein Produkt gerüstet ist. Die Nebenbedingungen (4.9) erlauben die produkt spezifischen Maschinenzustände Produktion bzw. Abgeschaltet qk,s > 0 und Standby q¯ k,s > 0 nur, wenn die Maschine für das entsprechende Produkt gerüstet ist. Ist die Maschine hierfür gerüstet, wird die maximale Dauer dieser Maschinenzustände durch die Länge der Makroperiode begrenzt. Ist die Maschine nicht für diese produktspezifischen Maschinenzustände gerüstet, ist die maximale Dauer dieser Maschinenzustände auf null begrenzt. Mithilfe der Nebenbedingungen (4.10) werden notwendige Umrüstungen bestimmt. Unterscheidet sich der Rüstzustand der vorherigen Periode zu dem der aktuellen Periode, ist eine Umrüstung vom ursprünglichen Rüstzustand zum aktuellen Rüstzustand notwendig. S
lr,s = lr
∀r ∈ K 1
lr,s = es
∀s ∈ S all
s=0
R
(4.11)
(4.12)
r=0 r r ′ =0
lr ′ ,s − es ≥ −1 + ur,s · M
∀r ∈ Rall , s ∈ S all
(4.13)
4.4 Modellierung
81
Tabelle 4.1 Chronologisch korrekte (a) und inkorrekte (b) Zuordnung von Zeiten zwischen den Mikroperioden
ur,s−1 ≥ ur,s lr,s ≤ ur,s−1 · lr
∀r ∈ Rall , s ∈ S 1 ∀r ∈ Rall , s ∈ S 1
(4.14) (4.15)
Die Nebenbedingungen (4.11)–(4.15) stellen eine zeitlich korrekte Zuordnung von maschinenzustandsorientierten Mikroperioden zu energiepreisorientierten Mikroperioden sicher. Hierzu wird durch die Nebenbedingungen (4.11) garantiert, dass die Summe aller zugeordneten Zeiten zwischen diesen beiden parallelen Mikroperiodentypen über alle maschinenzustandsorientierten Mikroperioden der Länge der betrachteten energiepreisorientierten Mikroperiode entspricht. Ergänzend hierzu garantieren die Nebenbedingungen (4.12), dass die Summe aller zugeordneten Zeiten zwischen diesen beiden parallelen Mikroperiodentypen über alle energiepreisorientierten Mikroperioden der Länge der betrachteten maschinenzustandsorientierten Mikroperiode entspricht. Während die Nebenbedingungen (4.11) und (4.12) dafür sorgen, dass die Höhe der zugeordneten Zeiten entsprechend der Periodenlängen erfolgt, stellen die Nebenbedingen (4.13)–(4.15) sicher, dass die Zuordnung dieser Zeiten zwischen den beiden Mikroperiodentypen in chronologisch korrekter Reihenfolge erfolgt. Dies soll an zwei Beispielen veranschaulicht werden (vgl. hierzu Tabelle 4.1). Hierzu sind im oberen Teil der Tabelle die Längen der einzelnen
82
4 Maschinenzustandsbasierter Modellierungsansatz
Mikroperioden sowie die Zuordnung der Mikroperioden zueinander gegeben. Im unteren Teil zeigen die binären Hilfsvariablen ur,s mit dem Wert eins an, dass zum Zeitpunkt von r die Mikroperiode s bereits vollständig zugeordnet wurde. In den Beispielen beträgt die Länge jeder energiepreisorientierten Mikroperiode lr 60 Minuten. Die maschinenzustandsorientierten Mikroperioden haben folgende Längen: e1 = 60, e2 = 30, e3 = 0 und e4 = 150 Minuten. Unter ausschließlicher Berücksichtigung der Nebenbedingungen (4.11) und (4.12) sind beide Zuordnungen möglich. Jedoch stellt sich nur Zuordnung (a) als chronologisch korrekt und Zuordnung (b) als chronologisch inkorrekt heraus. Dies ist dadurch begründet, dass im Beispiel (b) Zeiten aus der letzten maschinenzustandsorientierten Mikroperiode s = 4 bereits der ersten energiepreisorientierten Mikroperiode r = 1 zugeordnet werden, obwohl vorherige maschinenzustandsorientierte Mikroperioden in der Mikroperiode r = 1 noch nicht vollständig zugeordnet wurden. Um diesen Missstand zu beheben, wird eine Zuordnung von Zeiten durch die Nebenbedingungen (4.13)–(4.15) erst ermöglicht, sobald die vorherigen maschinenzustandsorientierten Mikroperioden vollständig zugeordnet sind. Hierzu wird in den Nebenbedingungen (4.13) und (4.14) die binäre Hilfsvariable ur,s bestimmt. Entsprechend den Nebenbedingungen (4.13) nimmt die Hilfsvariable ur,s−1 den Wert eins nur dann an, wenn die Summe der zugeordneten Zeiten zwischen den beiden Mikroperioden bis zur Mikroperiode r der Periodenlänge der maschinenzustandsorientierten Mikroperiode s entspricht. Mithilfe der Nebenbedingungen (4.14) wird sichergestellt, dass der Wert der Hilfsvariable ur,s maximal dem Wert von ur,s−1 entsprechen darf. Dies ist notwendig, da im Fall einer Periodenlänge von es = 0 die Hilfsvariable ur,s direkt in der ersten energiepreisorientierten Mikroperiode den Wert eins annehmen würde und damit eine Zuordnung von Zeiten ermöglicht wird. Nach der vollständigen Definition der Hilfsvariable ur,s wird mithilfe der Nebenbedingungen (4.15) die Zuordnung von Zeiten zwischen den Mikroperioden ermöglicht, wenn die Hilfsvariable ur,s−1 einem Wert von eins entspricht. q lk,r,s ≥ υk,s − 1 · lr + lr,s ∀k ∈ K all , r ∈ Rt , s ∈ St , t ∈ T all (4.16)
q¯ lk,r,s ≥ υ¯ k,s − 1 · lr + lr,s lkz ′ ,k,r,s ≥ zk ′ ,k,s − 1 · lr + lr,s K k=0
q lk,r,s
+
q¯ lk,r,s
+
K k ′ =0
∀k ∈ K all , r ∈ Rt , s ∈ St , t ∈ T all (4.17) ∀k ′ , k ∈ K all , r ∈ Rt , s ∈ St , t ∈ T all (4.18)
lkz ′ ,k,r,s
≤ lr,s
∀r ∈ Rall , s ∈ S all
(4.19)
4.4 Modellierung
83
In den Nebenbedingungen (4.16)–(4.19) wird die bisher allgemeine Zuordnung von Zeiten um eine Zuordnung von Maschinenzuständen erweitert. Die Nebenbedingungen (4.16) stellen sicher, dass allgemeine Zuordnungen auf die maschinenzustandsspezifische Zuordnung Produktion von Produkt k übertragen werden, wenn sich die Maschine in der maschinenzustandsorientierten Mikroperiode im Maschinenzustand Produktion von Produkt k befindet. Auf die gleiche Art und Weise berücksichtigen die Nebenbedingungen (4.17) den Maschinenzustand Standby sowie die Nebenbedingungen (4.18) den Maschinenzustand Rüsten. Die Nebenbedingungen (4.19) beschränken die Höhe der möglichen zeitlichen Zuordnungen. Dies ist notwendig, da im Fall von negativen Energiepreisen die Zielfunktion keine obere Schranke mehr aufweist. es · M ≥ es+1 ∀s ∈ St′ t ∈ T all (4.20)
υk,s + υk,s+1 ≤ 1
∀k ∈ K all , s ∈ St′ t ∈ T all
(4.21)
υ¯ k,s + υ¯ k,s+1 ≤ 1
∀k ∈ K all , s ∈ St′ t ∈ T all
(4.22)
Mithilfe der Nebenbedingungen (4.20)–(4.22) sollen auftretende Symmetrien im Lösungsraum aufgehoben werden. So stellen die Nebenbedingungen (4.20) sicher, dass maschinenzustandsorientierte Mikroperioden mit einer Länge von null an das Ende der maschinenzustandsorientierten Mikroperioden, welche einer gemeinsamen Makroperiode zugeordnet sind, geschoben werden. Hierdurch werden Änderungen im Produktionsplan ohne Auswirkung auf die Zielfunktion vermieden (Fall (a) in Abbildung 4.4). Durch die Nebenbedingungen (4.21) wird eine Wiederholung desselben Maschinenzustands Produktion bzw. Abgeschaltet in
Abbildung 4.4 Auftretende Symmetrien in den maschinenzustandsorientierten Mikroperioden
84
4 Maschinenzustandsbasierter Modellierungsansatz
der direkt nachfolgenden maschinenzustandsorientierten Mikroperiode vermieden (Fall (b) in Abbildung 4.4). Diese Nebenbedingung gilt nicht, wenn die beiden betrachteten maschinenzustandsorientierten Mikroperioden unterschiedlichen Makroperioden zugeordnet sind. Auf die gleiche Art und Weise wird eine Wiederholung des Maschinenzustands Standby durch die Nebenbedingungen (4.22) vermieden (Fall (c) in Abbildung 4.4).
∀r ∈ Rall
ur,0 = 1 ωk,s , υk,s , υ¯ k,s ∈ {0, 1}
∀r ∈ Rall , s ∈ S all
ur,s ∈ {0, 1}
∀k ′ , k ∈ K all , s ∈ S all
zk ′ ,k,s ∈ {0, 1}
(4.24) (4.25) (4.26)
∀s ∈ S all
(4.27)
Ik,t ≥ 0
∀k ∈ K all , t ∈ T all
(4.28)
lr,s ≥ 0
∀r ∈ Rall , s ∈ S all
(4.29)
es ≥ 0
q
∀k ∈ K all , s ∈ S all
(4.23)
q¯
lk,r,s , lk,r,s ≥ 0 lkz ′ ,k,r,s ≥ 0 qk,s , q¯ k,s ≥ 0
∀k ∈ K all , r ∈ Rall , s ∈ S all
(4.30)
∀k ′ , k ∈ K all , r ∈ Rall , s ∈ S all
(4.31)
∀k ∈ K all , s ∈ S all
(4.32)
Die Nebenbedingungen (4.23)–(4.32) dienen abschließend der Modellinitialisierung und Definition des Wertebereichs der Entscheidungs- und Hilfsvariablen. So werden in den Nebenbedingungen (4.23) die binären Hilfsvariablen ur,s für s = 0 mit dem Wert eins initialisiert, um weitere Zuordnungen zwischen den Mikroperioden zu ermöglichen. In den Nebenbedingungen (4.24)–(4.26) werden die Variablen ωk,s , υk,s , υ¯ k,s , ur,s und zk ′ ,k,s als binär definiert. Abschließend werden mithilfe der Nebenbedingungen (4.27)–(4.32) die Variablen q q¯ es, Ik,t , lr,s , lk,r,s , lk,r,s , lkz ′ ,k,r,s , qk,s und q¯ k,s als nichtnegativ definiert. Damit ist das Formalmodell zum Energy-Oriented General Lot-sizing and Scheduling Problem vollständig definiert.
4.5 Klassifikation
85
4.5 Klassifikation In diesem Abschnitt erfolgt eine Klassifikation des in Abschnitt 4.4 vorgestellten Formalmodells. Die Klassifikation basiert auf den von Domschke et al. (2015) definierten Kriterien für Optimierungsmodelle. Die Kriterien umfassen dabei den Informationsgrad, die Anzahl der Zielfunktionen, den Typ der Zielfunktionen und Nebenbedingungen sowie die Lösbarkeit bzw. Komplexität des Optimierungsmodells. Auf Basis der Klassifikation ist es möglich unter anderem die Schwere von Optimierungsproblemen zu beschreiben und Empfehlungen zu Lösungsverfahren zu geben.23 Entsprechend dem verwendeten Klassifikationsschema lässt sich das eingeführte Formalmodell zum Energy-Oriented General Lot-sizing and Scheduling Problem wie folgt charakterisieren: In Bezug auf den Informationsgrad handelt es sich bei dem eingeführten Formalmodell um ein deterministisches Problem. Alle Parameter sind im Voraus bekannt und frei von Zufallseinflüssen. Darüber hinaus handelt es sich bei dem Formalmodell um ein einkriterielles Problem. Ziel des Optimierungsproblems ist die alleinige Minimierung der entscheidungsrelevanten Kosten. In Bezug auf den Typ der Zielfunktionen und Nebenbedingungen ist festzuhalten, dass sowohl in der Zielfunktion als auch in den Nebenbedingungen In dem Modell keine Nichtlinearitäten existieren. q q¯ kommen sowohl reelle es , Ik,t , lr,s , lk,r,s , lk,r,s , lkz ′ ,k,r,s , qk,s , q¯ k,s als auch binäre ωk,s , υk,s , υ¯ k,s , ur,s , zk ′ ,k,s Entscheidungs- und Hilfsvariablen vor. Somit handelt es sich bei dem vorgestellten Formalmodell um ein lineares, gemischt-binäres Modell (mixed-integer linear programming (MILP) problem24). In Bezug auf die Komplexität 25 werden zugrundeliegende Planungsprobleme wie das CLSP, DLSP
23Vgl.
Domschke et al. (2015), S. 7. werden Modelle, welche als mixed-integer linear programming problem gelten, auch als mixed-integer programming (MIP) problem abgekürzt. 25Zum Vergleich der Komplexität eines Entscheidungsproblems wird auf die Theorie der NP-Vollständigkeit zurückgegriffen, mit deren Hilfe Entscheidungsprobleme in verschiedene Komplexitätsklassen eingeteilt werden. Die Theorie der NP-Vollständigkeit kann ausschließlich auf Entscheidungsprobleme und nicht auf Optimierungsprobleme angewandt werden. Jedoch ist es möglich, ein Optimierungsproblem, mit dem Ziel der Minimierung bzw. Maximierung eines bzw. mehrerer Ziele, in ein Entscheidungsproblem zu überführen. Entscheidungsprobleme werden ausschließlich mit ja oder nein beantwortet. Auf Basis des Entscheidungsproblems kann beispielsweise die Frage beantwortet werden, ob das Optimierungsmodell überhaupt lösbar ist. Vgl. Garey und Johnson (1979), S. 18f. 24Häufig
86
4 Maschinenzustandsbasierter Modellierungsansatz
Tabelle 4.2 Charakteristika des Formalmodells EOGLSP
und GLSP betrachtet. Für die zugrundeliegenden Planungsprobleme ist es möglich, mithilfe eines nicht-deterministischen Algorithmus die Zulässigkeit einer geratenen Lösung mit einem polynomiell beschränkten Aufwand zu prüfen. Demnach liegen die hier betrachteten Planungsprobleme innerhalb von NP.26 Des Weiteren können die zugrundeliegenden Planungsprobleme auf ein Partitionsproblem reduziert werden27, welches als NP-vollständig nachgewiesen wurde.28 Demzufolge stellen das CLSP, DLSP und GLSP NP-vollständige Probleme dar. Das entwickelte EOGLSP kann wiederum auf das GLSP reduziert werden, weshalb das GLSP einen Spezialfall des EOGLSP darstellt. Aus diesem Grund handelt es sich beim Formalmodell des EOGLSP ebenfalls um ein N Pvollständiges Problem. In Tabelle 4.2 werden die Charakteristika des Formalmodells zusammengefasst.
4.6 Fazit In diesem Kapitel wird ein maschinenzustandsbasierter Modellierungsansatz zur energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung entwickelt, welcher den in Abschnitt 2.4 gestellten Anforderungen an ein operatives Produktionsplanungsmodell unter Einbezug zeitabhängiger Energiepreise gerecht wird. Mithilfe des entwickelten Modells kann einerseits über die Größe von Produktionslosen und deren Reihenfolge sowie andererseits über weitere Rüst- und Betriebszustände über den gesamten Planungshorizont entschieden werden. Ziel des 26Vgl.
Maes et al. (1991); Fleischmann und Meyr (1997). Maes und van Wassenhove (1988); Fleischmann (1990); Fleischmann und Meyr (1997). 28Vgl. Garey und Johnson (1979). 27Vgl.
4.6 Fazit
87
Modellierungsansatzes ist es, die entscheidungsrelevanten, produktionsbezogenen Gesamtkosten zu minimieren. Das Modell ermöglicht die Berücksichtigung verschiedener Produkttypen sowie sequenzabhängiger Umrüstprozesse. Darüber hinaus werden zur Bestimmung der Energiekosten die verschiedenen Rüst- und Betriebszustände einbezogen. Die Energiepreise können mit unterschiedlich langen Zeitspannen vorliegen. Eine Besonderheit des Planungsansatzes ist die Verwendung dreier paralleler Zeitstrukturen zur Abbildung aller endogener und exogener Dynamiken. Entsprechend der konzeptionellen und formalen Darlegung des Modells eignet sich dieses für die energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung und wird im Kapitel 6 im Rahmen einer numerischen Analyse angewandt.
5
Energiepreisbasierter Modellierungsansatz
Entsprechend der Entwicklung eines maschinenzustandsbasierten Modellierungsansatzes wird in diesem Kapitel ein Formalmodell für die energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung mit einem energiepreisbasierten Modellierungsansatz entwickelt. Hierzu wird zunächst im Abschnitt 5.1 aus dem realen Problem ein Realmodell abgeleitet. Anschließend werden in Abschnitt 5.2 der Modellierung zugrundeliegende Annahmen vorgestellt. Auf Basis der in Abschnitt 5.3 eingeführten Notation wird in Abschnitt 5.4 das mathematische Optimierungsmodell vorgestellt. In Abschnitt 5.5 wird das entwickelte Optimierungsmodell klassifiziert. Das Kapitel wird mit einem Fazit in Abschnitt 5.6 zusammengefasst.
5.1 Modellkonzeption Zur Entwicklung eines Formalmodells für die energieorientierte Losgrößenund Reihenfolgeplanung mit einer energiepreisbasierten Modellformulierung wird zunächst ein geeignetes Realmodell benötigt. Dessen Entwicklung folgt den drei Schritten aus Abschnitt 4.1 zur Abstraktion eines Realmodells aus einem Realproblem. Definition des Planungsumfangs In Bezug auf den Planungsumfang lassen sich keine Unterschiede zum Realmodell in Abschnitt 4.1 feststellen. Demnach stellt die Planungsaufgabe weiterhin die simultane Bestimmung eines Ablaufplans mit den Produktionslosgrößen und © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Johannes, Energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung bei zeitabhängigen Energiepreisen, Produktion und Logistik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30918-3_5
89
90
5 Energiepreisbasierter Modellierungsansatz
deren Reihenfolge sowie die Bestimmung weiterer Rüst- und Betriebszustände über den Planungshorizont dar. Der einzige Unterschied besteht darin, dass für die Entwicklung des energiepreisbasierten Modellierungsansatzes nicht der hybride Ansatz des General Lot-sizing and Scheduling Problem (GLSP), sondern der hybride Ansatz des Capacitated Lot-sizing Problem with sequence-dependent setups (CLSD) die Ausgangsbasis für das Realmodell darstellt. Definition strukturgebender Merkmale In Bezug auf die strukturgebenden Merkmale des Planungsansatzes lassen sich ebenfalls kaum Unterschiede feststellen.1 So stellen die Planungsobjekte Produkte dar, welche einzeln oder in Losen auf den Fertigungsmaschinen produziert werden. Für die Produkte existiert weiterhin eine vorgegebene Nachfrage mit Lieferzeitpunkten, welche bedient werden muss. Die technisch und organisatorisch bedingten Restriktionen werden ebenfalls weitestgehend einfach gehalten. Dementsprechend basiert das Realmodell auf einer einzelnen Maschine mit verschiedenen produktspezifischen Rüstzuständen zur Fertigung von Produkten. Mithilfe von sequenzabhängigen Rüstvorgängen kann ein Wechsel des Rüstzustands von Fertigungsmaschinen erfolgen. Die Rüstkosten bzw. -zeiten halten dabei die Dreiecksungleichung ein. Dazu besteht die Möglichkeit, einen Rüstzustand mithilfe eines Betriebszustands über die Zeit zu erhalten oder die Maschine abzuschalten. In Bezug auf die Erzeugnisstruktur werden zunächst ausschließlich einstufige Produkte berücksichtigt. Eine Lagerhaltung der Produkte ist über die Perioden hinweg möglich. Eine Berücksichtigung von zusätzlichen Ressourcen zur Erfüllung der Nachfrage wird nicht berücksichtigt.2 Wie bereits bei der Entwicklung des Realmodells für den maschinenzustandsbasierten Modellierungsansatz in Abschnitt 4.1, stellt das Zielkriterium in diesem Abschnitt die Minimierung der entscheidungsrelevanten, produktionsbezogenen Gesamtkosten dar. Die entscheidungsrelevanten, produktionsbezogenen Gesamtkosten umfassen die Rüst-, Lagerhaltungs-, Bereitschafts- und Energiekosten.
1Die
strukturgebenden Merkmale des Planungsansatzes orientieren sich an den Abschnitten 3.1.1 und 3.1.2. 2Vgl. Definition strukturgebender Merkmale in Abschnitt 4.1 sowie verschiedene Standardwerke, welche ebenfalls einen einfachen Planungsfall betrachten, um das Potenzial ihrer Ansätze zu bestimmen: Karmarkar und Schrage (1985); Fleischmann (1990); Drexl und Haase (1995); Fleischmann und Meyr (1997).
5.1 Modellkonzeption
91
Berücksichtigung bisher nicht erfüllter Anforderungen Durch die erneute Nutzung eines hybriden Modells wird die Forderung nach einer Festlegung eines zulässigen, losgrößen- und reihenfolgebasierten Produktionsplans bereits erfüllt. Demgegenüber werden die Anforderungen zur Berücksichtigung von zeitabhängigen Energiepreisen, welche in einer fest vorgegebenen Zeitstruktur gegeben sind, sowie die Abbildung einer zeitlich vollständigen Maschinenbelegung mit einer zustandsabhängigen Leistungsaufnahme wiederum nicht erfüllt.3 Demzufolge lassen sich bezüglich der erfüllten Anforderungen keine Unterschiede feststellen. Jedoch besteht ein wesentlicher Unterschied im Umgang mit den bisher nicht erfüllten Anforderungen. Im Gegenteil zum GLSP wird im CLSD nur ein Periodentyp in Form von längeren Makroperioden berücksichtigt. Wie in Abschnitt 3.2.1 gezeigt, können auf den betrachteten Makroperioden keine Energiepreise mit einer fest vorgegebenen, häufig kurzen Zeitspanne modelliert werden. Um dennoch im CLSD zukünftig Energiepreise ohne Nutzung einer parallelen Zeitstruktur zu berücksichtigen, ist eine Transformation der bisher genutzten Makroperioden in kürzere Perioden notwendig. Im Zuge dieser Transformation ist es essenziell, dass die Modellierung die Vorteile hybrider Ansätze aufrechterhält sowie die Nachteile von STB-Ansätzen nicht übernimmt. Um dies entsprechend zu ermöglichen, muss die Modellierung mit periodenübergreifenden Prozessen ohne Einschränkungen umgehen können. Dazu soll die Modellierung die Flexibilität besitzen, innerhalb einer Periode mehrere unterschiedliche Produkttypen zu produzieren. Im Gegensatz zum maschinenzustandsbasierten Modellierungsansatz in Kapitel 4 wird aufgrund der Nutzung nur eines Periodentyps und keiner parallelen Zeitstruktur in diesem Ansatz keine Zuordnung von Perioden zueinander benötigt. Zusätzlich zur Modellierung von Energiepreisen wird im Folgenden der Umgang mit der Forderung nach einer Abbildung einer zeitlich vollständigen Maschinenbelegung mit einer zustandsabhängigen Leistungsaufnahme im Planungsansatz definiert. Um dies zu ermöglichen, muss der Planungsansatz zu jedem Zeitpunkt innerhalb des Planungshorizonts eindeutig einen Rüst- und Betriebszustand bestimmen, wie dies auch im Modell in Kapitel 4 erfolgt. Dementsprechend müssen einerseits nicht wertschöpfende Betriebszustände im Produktionsplan betrachtet sowie andererseits die zeitliche Kapazität in jeder
3Vgl. Abschnitt 3.2.1.
92
5 Energiepreisbasierter Modellierungsansatz
Periode vollständig ausgeschöpft werden. Darauf aufbauend kann eine zeitabhängige Leistungsaufnahme in Abhängigkeit vom Rüst- und Betriebszustand bestimmt werden. Aufgrund der Ähnlichkeit beider Modellierungsansätze entspricht das sich hier ergebende konzeptionelle Realmodell dem konzeptionellen Realmodell in Kapitel 4 (siehe Abbildung 4.2). Zur Validierung des beschriebenen Realmodells wurde dieses ebenfalls im Zuge verschiedener Konferenzbesuche mit ausgewiesenen Wissenschaftlern aus dem Bereich des Operations Managements diskutiert sowie zur Begutachtung in einer einschlägigen, begutachteten Zeitschrift eingereicht. Vor diesem Hintergrund wird davon ausgegangen, dass das Realmodell die wesentlichen Eigenschaften und Zusammenhänge des Realproblems widerspiegelt. Das Realmodell wird somit als valide betrachtet.
5.2 Annahmen Um das in Abschnitt 5.1 entwickelte Realmodell in ein mathematisch beschreibbares Formalmodell zu überführen, werden vereinfachende Annahmen getroffen. Zu diesem Zweck werden fünf der sechs Annahmen vom maschinenzustandsbasierten Modellierungsansatz aus Abschnitt 4.2 übernommen. Die nicht übernommene Annahme 3 wird durch die nachfolgend beschriebene Annahme 3* ersetzt. Annahme 3*: Modellierung basiert auf einem Periodentyp In Bezug auf die Zeitstruktur wird in diesem energiepreisbasierten Modellierungsansatz ausschließlich ein Periodentyp berücksichtigt. Mithilfe des einen Periodentyps sollen sowohl die verschiedenen exogenen Dynamiken wie Nachfrage, Energiepreise und Lagerbestände zu fest vorgegebenen Zeitpunkten als auch die endogenen Dynamiken wie Reihenfolge der Maschinenzustände modelliert werden. Demzufolge besteht die besondere Herausforderung darin, alle endogenen und exogenen Dynamiken frei von Einschränkungen auf einem gemeinsamen Periodentyp zu modellieren. Die verwendete Zeitstruktur ist in Abbildung 5.1 dargestellt.4
4Eine ähnliche Zeitstruktur findet man unter anderem auch in Haase (1996), Menezes et al. (2011) und James und Almada-Lobo (2011).
5.2 Annahmen
93
Abbildung 5.1 Zeitstruktur des energiepreisbasierten Modellierungsansatzes. (Vgl. Johannes et al. (2019a). In Anlehnung an Wichmann et al. (2019b) und Seeanner und Meyr (2013).)
Die Basis des energiepreisbasierten Modellierungsansatzes bilden die Perioden r, welche auf den zeitabhängigen Energiepreisen und deren jeweiliger Zeitspanne basieren. Jede einzelne Periode r wird durch einen eigenen Energiepreis charakterisiert. Durch die Modellierung der Energiepreise mit zu Beginn der Planung fest vorgegebenen Periodenlängen ist es darüber hinaus möglich, exogene Dynamiken, wie die Nachfrage sowie die Lagerbestände zu fest vorgegebenen Zeitpunkten, zu modellieren. Bedingt durch die vorwiegend kurzen Perioden ist auf eine geeignete Definition der Nachfrage und Lagerhaltungskostensätze zu achten.5 Wie im Falle exogener Dynamiken, werden ebenfalls endogene Dynamiken, wie die zeitliche Reihenfolge von Maschinenzuständen, mittels energiepreisorientierter Perioden r modelliert. Im Gegensatz zum maschinenzustandsbasierten Modellierungsansatz EOGLSP werden die Maschinenzustände in diesem Ansatz ohne Zuhilfenahme eines separaten Periodentyps und dessen Periodengrenzen modelliert. Hierdurch ergeben sich zwei Besonderheiten. In Abhängigkeit des Startzeitpunkts eines Maschinenzustands benötigt die Durchführung des Prozesses eine bestimmte Anzahl an Perioden. Diese Anzahl an Perioden wird durch eine untere sowie obere Schranke definiert (Fall (a) und (b) in Abbildung 5.2). Zusätzlich wird die untere sowie obere Schranke für die
5Insbesondere
unter der Annahme sehr kurzer Perioden mit konstanten Energiepreisen kann sich eine geeignete Wahl von Nachfrage und Lagerkostensatz für alle Perioden schwierig gestalten. Eine Möglichkeit stellt die Aggregation der auftretenden Nachfrage und anfallender Lagerhaltungskostensätze auf wenige Perioden dar. Dementsprechend weisen nur wenige Perioden eine positive Nachfrage bzw. positive Lagerhaltungskostensätze auf. Die weiteren Perioden haben eine Nachfrage bzw. einen Lagerhaltungskostensatz von null.
94
5 Energiepreisbasierter Modellierungsansatz
Abbildung 5.2 Besonderheiten bei der Modellierung endogener Dynamiken auf exogenen Zeitstrukturen
Anzahl an benötigten Perioden für die Durchführung des Prozesses in Abhängigkeit der Länge der zugrundeliegenden Perioden beeinflusst (Fall (b) und (c) in Abbildung 5.2).6 Um in der Modellierung die Einhaltung der Rüstzeiten sicherend zustellen, werden hierzu im folgenden Abschnitt die Parameter spstart r,k ′ ,k und spr,k ′ ,k eingeführt. Diese Parameter geben im Sinne einer oberen Schranke die Anzahl notwendiger Perioden in Abhängigkeit vom Start- oder Endzeitpunkt für sequenzabhängige Umrüstungen an. Um trotz der vorhandenen Freiheitsgrade eine eindeutige Reihenfolge bestimmen zu können, wird die Restriktion einer maximal einmaligen Umrüstung auf jeden Produkttyp pro Periode aufrechterhalten.7 Aufbauend auf der dargelegten Zeitstruktur kann ein Formalmodell aufgestellt werden, welches die Modellierung aller zu betrachtenden Dynamiken ermöglicht.
5.3 Notation Gegenstand dieses Abschnitts ist, wie bereits in Abschnitt 4.3, die Einführung einer Notation, welche im nachfolgenden Abschnitt für die Formulierung eines mathematischen Optimierungsmodells verwendet wird.8 Zunächst wird dabei auf 6Vgl.
Suerie (2006) für Perioden mit konstanter Länge. für diesen Modellierungsansatz ausschließlich Rüstkosten bzw. -zeiten betrachtet werden, welche die Dreiecksungleichung nicht verletzten, stellt diese Annahme keine tatsächliche Einschränkung dar. So ist aufgrund der gleichbleibenden Kostensätze innerhalb einer Periode eine zweimalige Umrüstung auf dasselbe Produkt nicht sinnvoll. 8Die Notation orientiert sich an der Notation des eingeführten Optimierungsmodells in Abschnitt 4.4. Diese wird jedoch aufgrund zahlreicher Änderungen im Folgenden vollständig aufgeführt. 7Da
5.3 Notation
95
die verwendeten Mengen und Indizes, darauf aufbauend auf die genutzten Parameter und abschließend auf die eingeführten Entscheidungs- und Hilfsvariablen eingegangen. Die verwendeten Mengen und Indizes umfassen die betrachteten Produkte sowie die exogen vorgegebenen energiepreisorientierten Perioden. Die Menge K all (Index k, k ′ , k ′′ , k ′′′) umfasst alle zu berücksichtigenden Produkttypen, welche zugleich auch Rüstzustände der Fertigungsmaschine darstellen (k ∈ K all = {0, . . . , K}). Der Spezialfall mit Produkt k = 0 beschreibt erneut ein sogenanntes Dummy-Produkt, welches im Nachfolgenden für die Modellierung des Betriebszustands Abgeschaltet verwendet wird.9 So umfasst die Teilmenge K 1 ⊆ K all alle Elemente aus der Teilmenge K all abzüglich des ersten Elements k = 0. Die Menge Rall (Index r, r ′) umfasst alle energiepreisorientierten Perioden über den kompletten Planungshorizont (r ∈ Rall = {0, . . . , R}). Hingegen umfasst die Teilmenge R1 ⊆ Rall alle Elemente aus der Teilmenge Rall abzüglich des ersten Elements r = 0. Die Periode r = 0 wird für die Initialisierung benötigt. Die genutzten Parameter werden vorwiegend zur Abbildung von zeitlichen, energetischen und betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen verwendet. Hierzu lassen sich diese in vier Gruppen einteilen: organisatorische Parameter, technische Parameter der Fertigungsmaschine, Parameter zur betriebswirtschaftlichen Bewertung sowie modellierungstechnische Parameter. Erstens gilt es, die organisatorischen Parameter zu beschreiben. Der Parameter lr gibt die zeitliche Länge einer energiepreisorientierten Periode r an. Dieser Parameter wird unter anderem zur Beschreibung der zeitlich maximalen Kapazität der Maschine in den einzelnen Perioden genutzt. Die Nachfrage nach Produkt k in Periode r wird durch den Parameter dk,r angegeben. Zweitens fallen in die Gruppe der technischen Parameter die Bearbeitungsund Rüstzeiten sowie die zustandsabhängige Leistungsaufnahme der Maschine. Der Parameter ak beschreibt die Zeit, welche für die Produktion eines Produkts k erforderlich ist. Die Umrüstzeit der Maschine von Produkt k ′ auf k wird durch den Parameter stk ′ ,k beschrieben. Der binäre Parameter stkb′ ,k gibt mit einem Wert von eins an, dass die Umrüstzeit der Maschine für die Umrüstung von Produkt k ′ auf k größer als null ist. Bei einer Umrüstzeit gleich null hat der Parameter entsprechend einen Wert von null. Die Anzahl der maximal zu betrachtenden Perioden für eine Umrüstung von Produkt k ′ auf k, welche in der Periode r startet,
9Im
Folgenden wird der Betriebszustand Abgeschaltet nur in wenigen Fällen separat benannt und eingeführt.
96
5 Energiepreisbasierter Modellierungsansatz
wird durch den Parameter spstart r,k ′ ,k gegeben. Äquivalent hierzu gibt der Parameter spend die Anzahl der maximal zu betrachtenden Perioden für eine Umrüstung ′ r,k ,k von Produkt k ′ auf k an, welche in der Periode r endet.10 Die Leistungsaufnahme q im Maschinenzustand Produktion von Produkt k wird durch den Parameter pk q definiert. Der Parameter pk definiert die Leistungsaufnahme im Maschinenzustand Standby von Produkt k. Der Parameter pzk ′ ,k definiert schließlich die Leistungsaufnahme im Maschinenzustand Rüsten von Produkt k ′ zu k. Drittens gilt es, die Parameter zur betriebswirtschaftlichen Bewertung zu definieren. Die Höhe der Rüstkosten für eine Umrüstung der Maschine von Produkt k ′ auf k wird durch den Parameter sck ′ ,k beschrieben. Der Parameter hck,r definiert den Lagerhaltungskostensatz je Produkt k am Ende einer Periode r. Die Höhe des Bereitschaftskostensatzes der Maschine zur Erhaltung des Rüstzustands von Produkt k, wird durch den Parameter pck festgelegt, was dem Maschinenzustand Standby entspricht. Die Höhe des Energiepreises in der energiepreisorientierten Periode r wird durch den Parameter ecr beschrieben. Viertens werden die modellierungstechnischen Parameter beschrieben. Zur Initialisierung des Modells geben der Parameter Ik,0 den Lageranfangsbestand für die einzelnen Produkttypen k sowie der Parameter ωk,0 den Rüstzustand der Fertigungsmaschine an. Abschließend werden der Parameter M , eine ausreichend große Zahl, zur Formulierung von Big-M-Nebenbedingungen sowie der gegenteilige Parameter ε, eine ausreichend kleine Zahl, für die Formulierung von Small-ε-Nebenbedingungen11 definiert. Abschließend gilt es, die eingeführten binären und kontinuierlichen Entscheidungs- und Hilfsvariablen zu beschreiben. Hierzu lassen sich diese in drei Gruppen einteilen: organisatorische Entscheidungsvariablen, maschinenzustandsbezogene Entscheidungsvariablen und maschinenzustandsbezogene Hilfsvariablen. Erstens fallen in die Gruppe der organisatorischen Entscheidungsvariablen nur die Lagerbestandsvariablen. Die kontinuierliche Variable Ik,r beschreibt die Höhe des Lagerbestands des Produkts k am Ende der Periode r. Zweitens werden die maschinenzustandsbezogenen Entscheidungsvariablen beschrieben. Die binäre Variable ωk,r erfasst den Rüstzustand der Maschine. Diese nimmt den Wert eins an, wenn die Maschine zu Beginn der Periode r für Produkt
10Die beiden Parameter spstart und spend werden in einem dem Lösungsprozess vorr,k ′ ,k r,k ′ ,k gelagerten Prozess mithilfe eines Algorithmus bestimmt. 11Small-ε-Nebenbedingungen werden in diesem Optimierungsmodell genutzt, um das Erreichen von Schwellenwerten zu bestrafen.
97
5.4 Modellierung
k gerüstet ist. Die kontinuierliche Variable qk,r beschreibt die Menge produzierter Produkte k in Periode r. Die Länge des Maschinenzustands Standby von Produkt k in Periode r gibt die kontinuierliche Variable qk,r an. Die Länge eines Umrüstzustands von Produkt k ′ zu k in Periode r wird durch die kontinuierliche Variable lkz ′ ,k,r angegeben. Die binäre Variable zk ′ ,k,r beschreibt die Fertigstellung eines Umrüstvorgangs von Produkt k ′ zu k in Periode r. Drittens gilt es, die maschinenzustandsbezogenen Hilfsvariablen zu beschreiben. Die binären Variablen υk,r, υ k,r bzw. zk ′ ,k,r erfassen die Maschinenzustände Produktion von Produkt k, Standby von Produkt k bzw. Rüsten von Produkt k ′ zu k in der Periode r. Diese nehmen den Wert eins an, wenn sich die Maschine in der Periode r im Maschinenzustand Produktion von Produkt k, Standby von Produkt k bzw. Rüsten von Produkt k ′ zu k befindet. Die Hilfsvariable Vk,r erfasst Rangwerte für die Reihenfolge von Rüstabfolgen in Abhängigkeit von Produkt k in Periode r. Mithilfe dieser Rangwerte kann eine eindeutige Abfolge von Rüstzuständen der Maschine innerhalb einer Periode definiert werden.
5.4 Modellierung Unter Verwendung der in Abschnitt 5.3 eingeführten Notation wird im Folgenden das Formalmodell für das Energy-Oriented Lot-sizing and Scheduling Problem (EOLSP) aufgestellt.12 Neben der Zielfunktion umfasst dieses Modell 20 Typen von Nebenbedingungen. Das Formalmodell orientiert sich an dem Capacitated Lot-sizing Problem mit sequenzabhängigen Rüstkosten (CLSD).13 R K K K K R R Minimize qk,r · pck zk ′ ,k,r · sck ′ ,k + Ik,r · hck,r + r=1 k ′ =0 k=0
+
K R r=1 k=0
12Die
k=1 r=1
ak · qk,r ·
q pk
+ qk,r ·
k=0 r=1 q pk
+
K k ′ =0
lkz ′ ,k,r
·
pzk ′ ,k
· ecr (5.1)
Zielfunktion in mathematischer Form sowie eine verbale Formulierung der wesentlichen Nebenbedingungen ist in Johannes et al. (2019b) veröffentlicht. Eine vollständige mathematische Formulierung findet man in Johannes et al. (2019a). 13Vgl. Haase (1996); Menezes et al. (2011); James und Almada-Lobo (2011).
98
5 Energiepreisbasierter Modellierungsansatz
Die Zielfunktion in Formel (5.1) minimiert die entscheidungsrelevanten, produktionsbezogenen Gesamtkosten, welche mit einem bestimmten Produktionsplan einhergehen. Die Gesamtkosten ergeben sich aus Rüst-, Lagerhaltungs-, Bereitschafts- und Energiekosten. Die Rüstkosten ergeben sich aus der Anzahl sequenzspezifischer Umrüstungen über den kompletten Planungshorizont, multipliziert mit den sequenzspezifischen Umrüstkostensätzen. Die Lagerhaltungskosten ergeben sich aus den produktspezifischen Lagermengen am Ende der einzelnen Perioden, multipliziert mit den produkt- und periodenspezifischen Lagerhaltungskostensätzen. Die Bereitschaftskosten ergeben sich durch die Dauer des produktspezifischen Maschinenzustands Standby über den kompletten Planungshorizont und den produktspezifischen Bereitschaftskostensätzen. Die Energiekosten ergeben sich aus den maschinenzustandsbezogenen Energieverbräuchen der einzelnen energiepreisorientierten Perioden, multipliziert mit den dazugehörigen periodenspezifischen Energiepreisen. Der hierzu notwendige zustandsabhängige Energieverbrauch ergibt sich aus der Dauer eines aktiven Maschinenzustands, multipliziert mit der zustandsabhängigen Leistungsaufnahme der Maschine. Der zustandsabhängige Energieverbrauch ergibt sich aus den vier definierten Betriebszuständen Produktion, Rüsten, Standby und Abgeschaltet sowie den Rüstzuständen in Abhängigkeit der Produkttypen k. Während die Dauer eines Maschinenzustands für die Maschinenzustände Rüsten und Standby direkt in Entscheidungsvariablen gegeben ist, muss im Fall des Maschinenzustands Produktion das Produkt aus produzierter Menge von Produkten und deren Bearbeitungszeit gebildet werden.14
Ik,r = Ik,r−1 + qk,r − dk,r
∀r ∈ R1 , k ∈ K 1
(5.2)
Die Nebenbedingungen (5.2) beschreiben den Zusammenhang von Lagerbestand, Nachfrage und neuproduzierten Produkten. Der produktspezifische Lagerbestand aus der aktuellen Periode ergibt sich aus dem produktspezifischen Lagerbestand der Vorperiode, zuzüglich der produzierten Produkten und abzüglich der produktspezifischen Nachfrage in der Periode. K k=0
14Im
K K ak · qk,r + qk,r + lkz ′ ,k,r = lr k=0
∀r ∈ Rall
(5.3)
k ′ =0
Fall des Betriebszustands Abgeschaltet wird zwar auch die Anzahl theoretisch produzierter Produkte mit der Bearbeitungszeit multipliziert. Hierbei ist jedoch die Dauer des Betriebszustands bereits direkt in der Entscheidungsvariable qk,r enthalten. Die gegebene „Bearbeitungszeit“ für das Dummy-Produkt (a0) beträgt daher eins.
5.4 Modellierung
99
Mithilfe der Nebenbedingungen (5.3) wird garantiert, dass die Summe der Dauern von Maschinenzuständen exakt der Länge der Periode entspricht. Dies ist einerseits notwendig, damit die zeitlich maximale Kapazität einer Periode nicht überschritten wird, andererseits damit über die komplette Periode hinweg eine zustandsabhängige Leistungsaufnahme der Fertigungsmaschine bestimmt werden kann. Die aufsummierte Dauer der Maschinenzustände ergibt sich aus der Summe erzeugter Produkte multipliziert mit ihren Bearbeitungszeiten bzw. im Fall von k = 0 aus den Abschaltzeiten, zuzüglich der Zeiten für Standby-Betrieb und Umrüstungen der Maschine.
ωk,r−1 −
K
zk,k ′ ,r−1 +
k ′ =0
K
∀k ∈ K all , r ∈ R1
zk ′ ,k,r−1 = ωk,r
(5.4)
k ′ =0
K
ωk,r = 1
∀r ∈ Rall
(5.5)
k=0
lkz ′ ,k,r ≤ zk ′ ,k,r · M K k=0
zk ′ ,k,r ≤ ωk ′ ,r +
K
∀k ′ , k ∈ K all , r ∈ Rall
zk,k ′ ,r
∀k ′ ∈ K all , r ∈ Rall
(5.6)
(5.7)
k=0
Die Einhaltung der Zusammenhänge zwischen den Rüstzuständen der Maschine selbst sowie anfallender Umrüstungen wird mithilfe der Nebenbedingungen (5.4)–(5.7) sichergestellt. Mithilfe der Nebenbedingungen (5.4) werden notwendige Umrüstungen bestimmt. Unterscheidet sich der Anfangsrüstzustand der vorherigen Periode von dem der aktuellen Periode, ist eine Umrüstung vom ursprünglichen Rüstzustand zum aktuellen Rüstzustand notwendig. Die Nebenbedingungen (5.5) stellen sicher, dass die Fertigungsmaschine zu Beginn jeder Periode genau für ein Produkt gerüstet ist. In den Nebenbedingungen (5.6) wird mithilfe einer Big-M-Formulierung die binäre Hilfsvariable für den Maschinen zustand Rüsten zk ′ ,k,r bestimmt, welche mitschreibt, ob in der Periode r eine Umrüstung vom Produkt k zu k ′ erfolgt (wenngleich lkz ′ ,k,r > 0). Darauf aufbauend erlauben die Nebenbedingungen (5.7) den Maschinenzustand Rüsten nur, wenn die Maschine zu Beginn der Periode auf das Produkt, dessen Rüstzustand aufgegeben werden soll, gerüstet war bzw. innerhalb der Periode auf dieses gerüstet wurde.
100
5 Energiepreisbasierter Modellierungsansatz r
r−1
lkz ′ ,k,r ′ ≥ zk ′ ,k,r · stk ′ ,k +
r ′ =r−spend +1 r,k ′ ,k
zk ′ ,k,r ′ · stk ′ ,k · ε
∀k ′ , k ∈ K all , r ∈ Rall
r ′ =r−spend +1 r,k ′ ,k
(5.8) r � r ′ =r−spend +1 r,k ′ ,k
lkz ′ ,k,r ′ − stk ′ ,k ≤
r � r ′ =r−spend +1 r,k ′ ,k
zk ′ ,k,r ′ − stkb′ ,k · ε
∀k ′ , k ∈ K all , r ∈ Rall
(5.9) r+spstart −1 r,k ′ ,k
lkz ′ ,k,r
≤
zk ′ ,k,r ′ · stk ′ ,k
∀k ′ , k ∈ K all , r ∈ Rall
(5.10)
r ′ =r
Die Nebenbedingungen (5.8)–(5.10) stellen die exakte Einhaltung der Umrüstzeiten sicher. So sorgen die Nebenbedingungen (5.8) dafür, dass im Fall einer Umrüstung, die Fertigstellung des Rüstvorgangs erst indiziert werden darf zk ′ ,k,r = 1 , nachdem die vorgegebene Dauer einer Umrüstung mindestens eingeplant wurde. Hierzu werden die Dauern der Umrüstzustände über eine bestimmte Anzahl von Perioden aufsummiert. Dieser Bereich ergibt sich aus der vorab ermittelten Anzahl notwendiger Perioden, welche maximal für die Fertigstellung einer Umrüstung von Produkt k ′ zu k, die in Periode r endet, benötigt r−1 ′ ′ ′ werden. Durch die Berücksichtigung des Terms r ′ =r−spend′ +1 zk ,k,r · stk ,k · ε r,k ,k
wird eine erneute Berücksichtigung von Dauern gleicher Umrüstungen vernachlässigt, falls diese bereits für die Fertigstellung einer zeitlich vorgelagerten Umrüstung benötigt werden. Die Nebenbedingungen (5.9) stellen sicher, dass sobald die eingeplante Umrüstzeit der vorgegebenen Rüstzeit entspricht, die Fertigstellung des Rüstvorgangs indiziert wird. Um die eingeplante Umrüstzeit zu bestimmen, wird eine Summe über einen Bereich von Perioden gebildet, wie bereits in den Nebenbedingungen (5.8), welche die maximale Anzahl an Perioden für die Fertigstellung einer Umrüstung von Produkt k ′ zu k, die in Periode r endet, berücksichtigt. Eine Übererfüllung der Rüstzeiten ist durch die Nebenbedingungen ausgeschlossen. Zusätzlich garantieren die Nebenbedingungen (5.10), dass Dauern von Umrüstzuständen nur eine Länge größer null haben dürfen, falls eine Fertigstellung des Rüstvorgangs in einem Bereich zukünftiger Perioden realisiert wird. Dieser Bereich ergibt sich aus der vorab ermittelten Anzahl an notwendigen Perioden, welche maximal für die Fertigstellung einer Umrüstung von Produkt k ′ zu k, die in Periode r startet, benötigt werden.
5.4 Modellierung
101
zk ′ ,k,r + zk ′′′ ,k ′′ ,r−1 ≤ 1 + zk ′′′ ,k ′′ ,r + zk ′′′ ,k ′′ ,r−1 ′
′′
′′′
∀k, k , k , k ∈ K all
|
′′
′
′′′
k k ∨ k k , r ∈ R1
Vk ′ ,r + K · zk ′ ,k,r − (K − 1) − K · ωk ′ ,r ≤ Vk,r
∀k, k ′ ∈ K all , r ∈ Rall
(5.11) (5.12)
Die Nebenbedingungen (5.11) und (5.12) sorgen für eine chronologisch korrekte Reihenfolge von periodeninternen und -übergreifenden Rüstzuständen. So stellen die Nebenbedingungen (5.11) sicher, dass nach dem Starten eines Umrüstvorgangs z k ′′′ ,k ′′ ,r−1 = 1 ein weiterer Rüstvorgang erst fertiggestellt werden kann zk ′ ,k,r = 1 , sobald der zuerst gestartete Rüstvorgang zk ′′′ ,k ′′ ,r = 1 zk ′′′ ,k ′′ ,r−1 = 1 fertiggestellt wurde. Darüber hinaus werden mithilfe der Nebenbedingungen (5.12) mögliche unerreichbare, isolierte Abfolgen von Rüstzuständen (Subtouren) innerhalb einer Periode vermieden.15 Die Formulierung der Nebenbedingungen (5.12) entstammt aus einem Planungsansatz für das Traveling Salesman Problem von Laporte (1992). K ak · qk,r + qk,r ≤ lr · ωk,r + zk ′ ,k,r ∀k ∈ K all , r ∈ Rall (5.13) k ′ =0
qk,r ≤ υk,r · M zk ′ ,k,r−1 + υk ′ ,r −
K
∀k ∈ K all , r ∈ Rall
zk ′′ ,k ′ ,r ≤ 1
∀k, k ′ ∈ K all , r ∈ R1
(5.14) (5.15)
k ′′ =0
15Eine
Abfolge von Rüstzuständen kann mit einer Tour aus dem Traveling Salesman Problem (TSP) verglichen werden. Dabei stellen die einzelnen Rüstzustände die anzufahrenden Standorte dar. Eine Subtour stellt einen Ausschnitt aus der gesamten Tour dar. In der TSP-Literatur werden im Allgemeinen zwei Arten von Subtouren unterschieden. Erstens gibt es Subtouren, welche aus der Gesamttour erreicht und wieder verlassen werden können. Zweitens gibt es jedoch auch Subtouren, welche nicht aus der Gesamttour erreicht und wieder verlassen werden können. Diese stellen eine eigene Tour dar, welche losgelöst von der Gesamttour ist. Aufgrund dieser Besonderheit werden diese als isolierte Subtouren bezeichnet. Isolierte Subtouren werden gewöhnlich durch Nebenbedingungen ausgeschlossen, da diese in den meisten Fällen keine zulässige Lösung darstellen. Entsprechend dieser Unterscheidung können in dem hier angeführten Beispiel der Rüstzustände Abfolgen von Rüstzuständen (Subtouren) ebenfalls unterschieden werden. So existieren Subtouren, welche vom eigentlichen Produktionsplan (Gesamttour) erreicht und wieder verlassen bzw. nicht erreicht und nicht wieder verlassen werden können. Vor diesem Hintergrund schließen die Nebenbedingungen (5.12), isolierte Abfolgen von Maschinenzuständen im Produktionsplan aus. Vgl. Menezes et al. (2011).
102
5 Energiepreisbasierter Modellierungsansatz
∀k ∈ K all , r ∈ Rall
qk,r ≤ υ k,r · M zk ′ ,k,r−1 + υ k ′ ,r −
K
zk ′′ ,k ′ ,r ≤ 1
∀k, k ′ ∈ K all , r ∈ R1
(5.16) (5.17)
k ′′ =0
Mithilfe der Nebenbedingungen (5.13)–(5.17) wird das Auftreten der Maschinenzustände Produktion, Abgeschaltet und Standby beschränkt. So erlauben die Nebenbedingungen (5.13) die produktspezifischen Maschinenzustände Produktion bzw. Abgeschaltet qk,r > 0 und Standby qk,r > 0 nur, wenn die Maschine für das entsprechende Produkt zu Beginn bzw. innerhalb der Periode gerüstet ist. In diesem Fall wird die maximale Dauer dieser Maschinenzustände durch die Länge der Periode begrenzt. Ist die Maschine nicht für diese produktspezifischen Maschinenzustände gerüstet, ist die maximale Dauer dieser Maschinenzustände auf null begrenzt. Die Nebenbedingungen (5.14) bestimmen mithilfe einer Big-M-Formulierung die binäre Hilfsvariable υk,r, welche anzeigt, ob in der Periode r das Produkt k produziert wird bzw. die Maschine abgeschaltet ist (wenngleich qk,r > 0). Darauf aufbauend schließen die Nebenbedingungen (5.15) den Maschinenzustand Produktion bzw. Abgeschaltet aus, falls in der Vorperiode eine Umrüstung zu einem anderen Maschinenzustand begonnen oder in der aktuellen Periode nicht auf den entsprechenden Maschinenzustand gerüstet wurde. Äquivalent zu den Nebenbedingungen (5.14) und (5.15), wird in den Nebenbedingungen (5.16) und (5.17) der Maschinenzustand Standby beschränkt.
ωk,r , υk,r , υ k,r ∈ {0, 1} zk ′ ,k,r , zk ′ ,k,r ∈ {0, 1} Ik,r , qk,r , qk,r , Vk,r ≥ 0 lkz ′ ,k,r ≥ 0
∀k ∈ K all , r ∈ Rall
(5.18)
∀k ′ , k ∈ K all , r ∈ Rall
(5.19)
∀k ∈ K all , r ∈ Rall
(5.20)
∀k ′ , k ∈ K all , r ∈ Rall
(5.21)
Die Nebenbedingungen (5.18)–(5.21) dienen abschließend der Definition des Wertebereichs von Entscheidungs- und Hilfsvariablen. Hierzu werden in den Nebenbedingungen (5.18) und (5.19) die Variablen ωk,r , υk,r , υ k,r , zk ′ ,k,r und zk ′ ,k,r als binär definiert. Abschließend werden mithilfe der Nebenbedingungen (5.20) und (5.21) die Variablen Ik,r , qk,r , qk,r , Vk,r und lkz ′ ,k,r als nichtnegativ definiert. Damit ist das Formalmodell zum Energy-Oriented Lot-sizing and Scheduling Problem vollständig definiert.
5.5 Klassifikation
103
5.5 Klassifikation In diesem Abschnitt erfolgt, wie bereits in Abschnitt 4.5, eine Klassifikation des in Abschnitt 5.4 vorgestellten Formalmodells. Die Klassifikation basiert auf den von Domschke et al. (2015) definierten Kriterien für Optimierungsmodelle.16 Das eingeführte Formalmodell zum Energy-Oriented Lot-sizing and Scheduling Problem lässt sich wie folgt charakterisieren: In Bezug auf den Informationsgrad handelt es sich bei dem eingeführten Formalmodell um ein deterministisches Problem. Alle Parameter sind bekannt und frei von Zufallseinflüssen. Darüber hinaus handelt es sich bei dem Formalmodell um ein einkriterielles Problem. Ziel des Optimierungsproblems ist die alleinige Minimierung der entscheidungsrelevanten Kosten. In Bezug auf den Typ der Zielfunktionen und Nebenbedingungen ist festzuhalten, dass sowohl in der Zielfunktion als auch in den Nebenbedingungen keine Nichtlinearitäten existieren. z In dem Modell kommen sowohl reelle I , q , q , V , l als auch binäre ′ k,r k,r k,r k,r k ,k,r ωk,r , υk,r , υ k,r , zk ′ ,k,r , zk ′ ,k,r Entscheidungs- und Hilfsvariablen vor. Somit handelt es sich bei dem vorgestellten Formalmodell ebenfalls um ein lineares, gemischt-binäres Modell (mixed-integer linear programming (MILP) problem). In Bezug auf die Komplexität 17 werden zugrundeliegende Planungsprobleme wie das CLSP und DLSP betrachtet. Für die zugrundeliegenden Planungsprobleme ist es möglich, mithilfe eines nicht-deterministischen Algorithmus ebenfalls die Zulässigkeit einer geratenen Lösung mit einem polynomiell beschränkten Aufwand zu prüfen. Demnach liegen die hier betrachteten Planungsprobleme innerhalb von NP.18 Des Weiteren können die zugrundeliegenden Planungsprobleme auf ein Partitionsproblem reduziert werden19,
16Eine Vorstellung
der Kriterien findet man in Domschke et al. (2015). Vergleich der Komplexität eines Entscheidungsproblems wird auf die Theorie der NP-Vollständigkeit zurückgegriffen, mit deren Hilfe Entscheidungsprobleme in verschiedene Komplexitätsklassen eingeteilt werden. Die Theorie der NP-Vollständigkeit kann ausschließlich auf Entscheidungsprobleme und nicht auf Optimierungsprobleme angewandt werden. Jedoch ist es möglich, ein Optimierungsproblem, mit dem Ziel der Minimierung bzw. Maximierung eines bzw. mehrerer Ziele, in ein Entscheidungsproblem zu überführen. Entscheidungsprobleme werden ausschließlich mit ja oder nein beantwortet. Auf Basis des Entscheidungsproblems kann beispielsweise die Frage beantwortet werden, ob das Optimierungsmodell überhaupt lösbar ist. Vgl. Garey und Johnson (1979), S. 18 f. 18Vgl. Fleischmann (1990); Maes et al. (1991). 19Vgl. Maes und van Wassenhove (1988); Fleischmann und Meyr (1997). 17Zum
104
5 Energiepreisbasierter Modellierungsansatz
Tabelle 5.1 Charakteristika des Formalmodells EOLSP
welches als NP-vollständig nachgewiesen wurde.20 Demzufolge stellen das CLSP und DLSP NP-vollständige Probleme dar. Das entwickelte EOLSP kann wiederum auf das CLSP reduziert werden, weshalb das CLSP einen Spezialfall des EOLSP darstellt. Aus diesem Grund handelt es sich beim Formalmodell des EOGLSP ebenfalls um ein NP-vollständiges Problem. In Tabelle 5.1 werden die Charakteristika des Formalmodells zusammengefasst.
5.6 Fazit In diesem Kapitel wird ein energiepreisbasierter Modellierungsansatz zur energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung entwickelt, welcher den in Abschnitt 2.4 gestellten Anforderungen an ein operatives Produktionsplanungsmodell unter Einbezug zeitabhängiger Energiepreise gerecht wird. Wie das in Kapitel 4 entwickelte EOGLSP, kann mithilfe des EOLSP einerseits über die Größe von Produktionslosen und deren Reihenfolge sowie andererseits über weitere Rüst- und Betriebszustände über den gesamten Planungshorizont entschieden werden. Ziel des Ansatzes ist dabei die entscheidungsrelevanten, produktionsbezogenen Kosten zu minimieren. Aufgrund der Berücksichtigung gleicher Rahmenbedingungen, ermöglicht auch dieser Planungsansatz die Betrachtung verschiedener Produkttypen, sequenzabhängiger Umrüstprozesse sowie die Modellierung von Energiepreisen mit unterschiedlichen Zeitspannen. Zur Bestimmung der Energiekosten werden die verschiedenen Rüst- und Betriebszustände miteinbezogen. Gegenüber des maschinenzustandsbasierten Modellierungsansatzes aus Kapitel 4 basiert der energiepreisbasierte
20Vgl.
Garey und Johnson (1979).
5.6 Fazit
105
Modellierungsansatz auf nur einem Periodentyp, weswegen dieser eine deutlich komplexere Modellierung erfordert. Wie das in Kapitel 4 vorgestellte EOGLSP, eignet sich das hier eingeführte EOLSP entsprechend der konzeptionellen und formalen Darlegung für die energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung. Dieser Modellierungsansatz wird ebenfalls im Rahmen einer numerischen Analyse im Kapitel 6 angewandt und dem EOGLSP aus Kapitel 4 gegenübergestellt.
6
Numerische Analyse zur Validierung und Ableitung von Handlungsempfehlungen
Ziel dieses Kapitels ist es, die in den Kapiteln 4 und 5 entwickelten Modellierungsansätze in Bezug auf Lösbarkeit und Lösungszeiten sowie der erzielten Kosteneinsparpotenzialen konventionellen Ansätzen gegenüberzustellen. Darüber hinaus werden mithilfe einer betriebswirtschaftlichen Bewertung günstige Einsatzszenarien einer energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung identifiziert. Zunächst wird in Abschnitt 6.1 der Prozess der Vorzerkleinerung im Recycling von Elektro- und Elektronikgeräten eingeführt, welcher den Ausgangspunkt für die numerische Analyse darstellt. Darauf aufbauend werden in Abschnitt 6.2 die Erzeugung von Probleminstanzen und deren Datengrundlage erläutert. Anschließend werden in Abschnitt 6.3 betriebswirtschaftliche Potenziale dargelegt und Fragen zum Modellumfang, zur Lösungszeit, zu den Einsparpotenzialen und zur Validierung des Planungskonzepts und der Modellierungsansätze beantwortet. In Abschnitt 6.4 werden im Rahmen einer strukturierten Parametervariation vorteilhafte Einsatzszenarien und erwartete Einsparpotenziale abgeleitet. Das Kapitel schließt mit einem Fazit und der Ableitung von Handlungsempfehlungen in Abschnitt 6.5.
6.1 Einführung eines energieintensiven Produktionsprozesses im Elektrorecycling Das Recycling von Elektro- und Elektronikgeräten hat in den letzten Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen. Hierfür sind im Wesentlichen drei Entwicklungen verantwortlich. Erstens wird ein massiver Anstieg der in Verkehr gebrachten elektrischen und elektronischen Geräte, insbesondere aus dem Informations- und © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Johannes, Energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung bei zeitabhängigen Energiepreisen, Produktion und Logistik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30918-3_6
107
108
6 Numerische Analyse zur Validierung …
Kommunikationssektor, beobachtet. Durch diesen Anstieg bedingt steigen in einem ähnlichen Maß, jedoch mit einer Verzögerung, die zu beseitigenden Elektro- und Elektronikgeräte.1 Zweitens sind die Hersteller im Rahmen des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes dazu verpflichtet, vorgegebene Verwertungs- und Recyclingquoten einzuhalten. Um die vorgegebenen, über die Zeit sukzessive ansteigenden Recyclingquoten zu erfüllen, kommt dem Recycling zukünftig eine immer stärkere Rolle zu.2 Drittens kann durch die Gewinnung von Sekundärrohstoffen im Rahmen des Recyclings von Altgeräten, der wirtschaftliche Bedarf an natürlichen Ressourcen reduziert werden. Hierdurch können ein zeit- und kostenintensiver Abbau natürlicher Ressourcen sowie die dadurch einhergehenden Emissionen vermieden werden. Vor diesem Hintergrund gibt es deutschlandweit mehrere Unternehmen, welche ein Recycling von Elektro- und Elektronikgeräten anbieten. Diese Unternehmen übernehmen gegen eine Gebühr für die Hersteller das fachgerechte Recycling und die Verwertung anfallender Elektro- und Elektronikgeräte. Des Weiteren können die Unternehmen gewonnene Sekundärrohstoffe auf dem freien Markt verkaufen, sodass diese selbst einen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit ihres Recyclingprozesses haben. Es wird davon ausgegangen, dass sich der Ablauf des Elektrorecyclings bei allen Unternehmen ähnelt. Ein vereinfachtes Prozessschema für das Recycling von Altgeräten wird im Folgenden vorgestellt. Dieses orientiert sich an der Electrocycling GmbH. Das Prozessschema umfasst fünf Schritte, welche jedoch nicht alle zwangsläufig durchlaufen werden (vgl. Abbildung 6.1).3 Ausgangspunkt stellen jeweils von Privatpersonen und Unternehmen zu entsorgende Elektro- und Elektronikgeräte dar. Im ersten Schritt erfolgt eine sortenreine Anlieferung von Altgeräten in verschiedenen Gerätegruppen mithilfe von Lastkraftwagen. Die Gerätegruppen sind
1Vgl.
Martens und Goldmann (2016), S. 439. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2015). Ziel des Gesetzes ist die Spezifizierung von Anforderungen der Produktverantwortung aus dem übergeordneten Kreislaufwirtschaftsgesetz für Elektro- und Elektronikgeräte. Damit zielt es zunächst darauf ab, Abfälle aus Elektro- und Elektronikgeräten zu vermeiden und die Wiederverwendung, das Recycling sowie weitere Formen der Verwertung zu unterstützen. 3Eine ausführliche Einführung zum Recycling von Elektro- und Elektronikgeräten sowie der Darlegung von Prozessbeschreibungen zum Umgang mit verschiedenen Gerätegruppen findet man in Martens und Goldmann (2016). 2Vgl.
6.1 Einführung eines energieintensiven Produktionsprozesses …
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Abbildung 6.1 Vereinfachtes Prozessschema für das Recycling von Elektro- und Elektronikgeräte
im Elektro- und Elektronikgerätegesetz definiert. Nach der Anlieferung werden die Altgeräte sortenrein und vorwiegend auf Flächen im Freien gelagert, bis diese recycelt oder verwertet werden. Darüber hinaus gibt es zwischen allen Schritten der Aufbereitung ausreichend Lagermöglichkeiten, sodass die einzelnen Prozesse voneinander entkoppelt sind.
110
6 Numerische Analyse zur Validierung …
In Abhängigkeit der Gerätegruppe erfolgt im zweiten Schritt eine manuelle Demontage der Altgeräte. Ziel der manuellen Demontage ist es, wiederverwendbare Teile zerstörungsfrei auszubauen oder gesundheitsgefährdende Stoffe zu entfernen. Eine manuelle Demontage findet beispielsweise bei Bildschirmen mit quecksilberhaltigen Bildschirmröhren statt. Im Anschluss an die Demontage können die Produkte an die Vorzerkleinerung oder an die mechanische Aufbereitung weitergegeben werden bzw. als Sekundärrohstoff oder Abfall das Unternehmen verlassen. Im dritten Schritt werden in Abhängigkeit der Gerätegruppe die Altgeräte in einem Vorzerkleinerungsprozess geshreddert. Ziel des Vorzerkleinerungsprozesses ist es insbesondere Großgeräte vor der mechanischen Aufbereitung zu zerkleinern und größere Eisen-Fraktionen von den weiteren Fraktionen zu trennen. Im Anschluss an die Vorzerkleinerung können bereits größere Fraktionen an Eisenmetallen als Sekundärrohstoffe verkauft oder abgeschiedene StaubFraktionen als Abfälle entsorgt werden. Entstandene gemischte Fraktionen werden für eine weitere Aufbereitung in die mechanische Aufbereitung gegeben. Da zwischen der Zerkleinerung verschiedener Gerätegruppen eine Umrüstung der Anlage mit sequenzabhängigen Umrüstzeiten erfolgt, handelt es sich bei der Vorzerkleinerung um eine losbasierte Fertigung, bei der die Reihenfolge der Lose einen Einfluss auf die Rüstzeiten und -kosten hat. Der vierte Schritt stellt die mechanische Aufbereitung von teilweise bereits demontierten und/oder vorzerkleinerten Geräten dar. Ziel der mechanischen Aufbereitung ist es, noch vorhandene Werkstoffverbindungen in den Geräten aufzutrennen, um daran anschließend die Werkstoffe zu sortieren. In der mechanischen Aufbereitung werden unter anderem Hammermühlen zur weiteren Zerkleinerung und weitere Abscheideeinrichtungen zur Sortierung der bisher gemischten Fraktionen eingesetzt. Wie bereits im Anschluss an die Vorzerkleinerung werden sortenreine Fraktionen als Sekundärrohstoffe verkauft oder Staub-Fraktionen als Abfälle entsorgt. Hingegen werden gemischte Fraktionen für eine finale Sortierung im Anschluss in die Hydrometallurgie gegeben. Im fünften Schritt des Recyclings von Elektro- und Elektronikgeräten werden die gemischten Fraktionen in der hydrometallurgischen Aufbereitung mithilfe verschiedener Verfahren sortiert. Ziel der Sortierung ist es, die letzten gemischten Fraktionen in wiederverwendbare, sortenreine Sekundärrohstoffe zu überführen, um diese im Anschluss zu verkaufen. Übrige, nicht verkäufliche Fraktionen werden als Abfälle entsorgt. Zusammenfassend handelt es sich beim Recyclingprozess von Elektro- und Elektronikgeräten um einen mehrstufigen, entkoppelten Produktionsprozess, da keine Verkettung der einzelnen Prozesse vorliegt und diese durch Zwischenlager
6.2 Konzeption der numerischen Analyse und Datengrundlage
111
getrennt werden. Wesentlicher Inputfaktor im dargestellten Recyclingprozess stellt elektrische Energie dar. Diese wird zum Betrieb der Anlagen benötigt. Insbesondere der Prozess der Vorzerkleinerung gilt mit einem Energiebedarf von circa 25 Prozent des gesamten Recyclingprozesses als besonders energieintensiv. Aufgrund der hohen Energieintensität des Prozesses und der Entscheidung über Losgrößen für die verschiedenen Gerätegruppen und deren Reihenfolge beim Betrieb der Anlage, eignet sich der Vorzerkleinerungsprozess sehr gut für eine Validierung des Planungskonzepts im Rahmen einer numerischen Analyse. Hierbei ist zu beachten, dass für den Betrieb sowie für die Umrüstungen der Anlage Mitarbeiter benötigt werden. Für die Mitarbeiter existieren feste Pausenzeiten, für die Instandhaltung werden freie Zeiten vorgehalten und die Anlage des Vorzerkleinerungsprozesses4 wird täglich nach Betrieb gereinigt.
6.2 Konzeption der numerischen Analyse und Datengrundlage Klassischerweise wird im Rahmen einer numerischen Analyse eine große Zahl von Probleminstanzen5 gelöst. Durch eine systematische Variation von Parametern in den Probleminstanzen ist es möglich, Aussagen zu Lösbarkeit, Lösungszeiten und Kosteneinsparpotenzialen für Probleme mit ähnlichen Charakteristika zu treffen. Da für das betrachtete Problem der energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung keine Probleminstanzen in der Literatur existieren, wird im Folgenden die Erzeugung der Probleminstanzen und deren Datengrundlage beschrieben. Die zu erzeugenden Probleminstanzen sollen sich an dem Vorzerkleinerungsprozess für die stoffliche Verwertung von Elektro- und Elektronikgeräten aus Abschnitt 6.1 orientieren. Eine vollständig spezifizierte Probleminstanz weist bezüglich eines externen Markts, der Charakteristika des Produktionssystems sowie einer betriebswirtschaftlichen Bewertung definierte Parameter auf. Notwendiger Parameter für die Darstellung des externen Markts ist der mengenmäßige Bedarf von Produkttypen mit
4Im
Folgenden wird die Anlage des Vorzerkleinerungsprozesses als Maschine bezeichnet. einer Probleminstanz sind allen Parametern konkrete Werte zugeordnet. Vgl. Domschke et al. (2015), S. 6.
5In
112
6 Numerische Analyse zur Validierung …
vorgegebenen Lieferzeitpunkten6. Bezüglich der Charakteristika des Produktionssystems sind Parameter in Bezug auf die Leistungsaufnahme in Abhängigkeit von Rüst- und Betriebszustand, Bearbeitungszeiten für die unterschiedlichen Produkttypen, Umrüstzeiten für die unterschiedlichen Rüstsequenzen und der maximalen Kapazität der Ressource im Produktionssystem erforderlich. Für eine betriebswirtschaftliche Bewertung bedarf es verschiedener Kostensätze, wie den Rüst-, Lagerhaltungs- und Bereitschaftskostensätzen sowie den zeitabhängigen Energiepreisen. Wesentliche Unterschiede zu klassischen Instanzen einer konventionellen Losgrößen- und Reihenfolgeplanung bestehen insbesondere in der Berücksichtigung der zustandsabhängigen Leistungsaufnahme des Produktionssystems sowie der Berücksichtigung zeitabhängiger Energiepreise. Zur Erzeugung unterschiedlich strukturierter Probleminstanzen werden in Abhängigkeit von der Größe der Probleminstanz zwei Parameter, die Anzahl zu berücksichtigender Produkttypen sowie die Länge des Planungshorizonts, systematisch variiert. Erstens bestimmt die Anzahl zu berücksichtigender Produkttypen, wie viele unterschiedliche Produkttypen innerhalb einer einzelnen Instanz betrachtet werden. In Anlehnung an den Vorzerkleinerungsprozess in der Praxis werden je Instanz zwischen drei und sieben verschiedene Gerätegruppen betrachtet. Dies erlaubt es, zu analysieren, wie sich eine zunehmende Anzahl an Produkten einerseits auf die Lösungszeit und andererseits auf das Kosteneinsparpotenzial auswirkt. Zweitens wird die Länge des Planungshorizonts variiert und es werden Instanzen mit einem kurzen (3 Tage) und einem langen Planungshorizont (5 Tage) betrachtet. Ziel der Variation ist ebenfalls zu untersuchen, wie sich ein zunehmender Planungshorizont auf die Lösungszeit und auf das Kosteneinsparpotenzial auswirkt. Die technischen und die für eine betriebswirtschaftliche Bewertung genutzten Parameter werden hingegen innerhalb der Instanzen nicht verändert. Dies wird damit begründet, dass die numerische Analyse eine definierte Planungssituation abbildet, welcher jeweils das gleiche technische System und dieselben betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen zugrundeliegen.
6Ein
Produkttyp stellt eine Klasse von Produkten dar, welche dem Vorzerkleinerungsprozess zugeführt werden. In der numerischen Studie stellen die Produkttypen in Anlehnung an den Vorzerkleinerungsprozess verschiedene Gerätegruppen von Elektro- und Elektronikgeräten dar.
6.2 Konzeption der numerischen Analyse und Datengrundlage
113
Tabelle 6.1 Systematisch variierte Parameter in der numerischen Analyse
Die im Rahmen der numerischen Analyse variierten Parameter sind in Tabelle 6.1 zusammengefasst. Für jede Kombination der systematisch variierten Parameterausprägungen aus Anzahl zu berücksichtigender Produkttypen und Länge des Planungshorizonts werden 20 zufällig erzeugte Nachfrageportfolios generiert. Insgesamt entstehen hierdurch 200 Probleminstanzen für die numerische Analyse, deren Parameter teilweise systematisch und teilweise zufällig variiert werden. Als Datengrundlage für die Erzeugung von Probleminstanzen wird in der Literatur zwischen realen Daten, zufällig variierenden realen Daten, veröffentlichten Testdaten und zufällig erzeugten Daten unterschieden. Um eine möglichst genaue Abbildung realer Zusammenhänge sicherzustellen, werden vorzugsweise reale Daten als Datengrundlage verwendet.7 Aus diesem Grund soll im Rahmen dieser numerischen Analyse ebenfalls vorzugsweise auf reale Daten zurückgegriffen werden. Diesem Vorgehen folgend ergeben sich zwei Herausforderungen. Erstens sind nicht alle benötigten Parameter zur vollständigen Beschreibung des Planungsproblems in den realen Daten enthalten, wie beispielsweise die Nachfrageportfolios für einzelne Instanzen. Aus diesem Grund werden die fehlenden Parameter in Anlehnung an reale Daten zufällig erzeugt. Zweitens werden zur Vermeidung von Rückschlüssen auf eine genaue Aufstellung von Produktionsmengen und den betriebswirtschaftlichen Konditionen teilweise Parameter in Anlehnung an existierende Werte in der Literatur und an Expertengespräche realitätsnah festgelegt. Dies betrifft insbesondere die Anteile an produktspezifischen Produktionsmengen sowie die genaue Aufschlüsselung der Energiepreise. Im Folgenden wird die genutzte Datengrundlage in Bezug auf Produkttypen, Maschinenparameter, Kostensätze sowie organisatorische Rahmenbedingungen dargestellt. Erstens orientieren sich die zur Erzeugung eines Nachfrageportfolios verwendeten Produkttypen an den realen Gerätegruppen. Insgesamt werden
7Vgl.
Rardin und Uzsoy (2001), S. 268–273.
114
6 Numerische Analyse zur Validierung …
Tabelle 6.2 Anteil produktspezifischer Mengen an Gesamtproduktionsmengen bei K = 7 und maschinenbedingte Bearbeitungszeit für die Produkttypen
sieben Produkttypen identifiziert, welche der Vorzerkleinerung regelmäßig zugeführt werden.8 Der Unterschied zwischen den einzelnen Produkttypen liegt insbesondere in deren Materialzusammensetzung. Um eine geeignete Zerkleinerung der unterschiedlichen Produkttypen und eine Sortierung der Materialfraktionen sicherzustellen, müssen produktspezifische Rüstzustände sowie die Wechsel zwischen diesen in der Planung betrachtet werden. Darüber hinaus unterscheidet sich, in Abhängigkeit der genauen Materialzusammensetzung, der Bedarf an Energie, die benötigt wird, um die Produkte zu zerkleinern. So weisen unter anderem Produkttypen mit einem hohen Eisenanteil einen deutlich höheren Energiebedarf auf als Produkttypen mit einem hohen Kunststoffanteil. In Anlehnung an die Praxis wurde der Anteil der sieben Produkttypen an den Gesamtproduktionsmengen bestimmt. Die Anteile stellen die Basis für die Bestimmung verschiedener, zufallsbasierter Nachfrageportfolios dar (vgl. Tabelle 6.2). Zweitens lassen sich die Maschinenparameter direkt aus den realen Daten übernehmen. Die Bearbeitungszeit für die sieben Produkttypen ist entsprechend Tabelle 6.2 gegeben. Für die Definition weiterer Parameter, wie den Rüstkosten und -zeiten sowie der zustandsabhängigen Leistungsaufnahme, bedarf es zunächst der Definition möglicher Rüstzustände. Neben den sieben produktspezifischen Rüstzuständen9 wird zusätzlich ein neutraler Rüstzustand mithilfe des Dummy-Produkts (k = 0) betrachtet. Der Rüstzustand des Dummy-Produkts stellt einen produktneutralen Rüstzustand dar, welcher für die Modellierung des Betriebszustands Abgeschaltet verwendet wird. In Abhängigkeit des Rüstzustands wird die Leistungsaufnahme der Maschine in den Maschinenzuständen
8Die
einzelnen Produkte werden mit fortlaufenden Ziffern bezeichnet. werden in Anlehnung an die Produkttypen benannt.
9Diese
6.2 Konzeption der numerischen Analyse und Datengrundlage
115
Tabelle 6.3 Leistungsaufnahme der Maschinenzustände Produktion bzw. Abgeschaltet und Standby in Abhängigkeit des Rüstzustands
Tabelle 6.4 Sequenzspezifische Rüstkosten, Leistungsaufnahme im Maschinenzustand Rüsten und Rüstzeit
Produktion bzw. Abgeschaltet und Standby entsprechend Tabelle 6.3 spezifiziert. Während sich die Leistungsaufnahme in den Maschinenzuständen Produktion in Abhängigkeit der Produkttypen deutlich unterscheidet, liegt in den Maschinenzuständen Standby keine Abweichung der Leistungsaufnahme in Abhängigkeit der Produkttypen vor. Die Leistungsaufnahme für die sequenzabhängigen Umrüstvorgange ist entsprechend Tabelle 6.4 spezifiziert. Die Leistungsaufnahme für die verschiedenen Rüstvorgänge ist sequenz- und produktunabhängig. Dazu kann die sequenzabhängige Umrüstzeit aus realen Daten übernommen werden (vgl. Tabelle 6.4). Insgesamt können die existierenden Rüstzeiten wie folgt beschrieben werden. Für einen Wechsel des Produkttyps werden im Normalfall 30 Minuten benötigt. Eine Ausnahme bildet der Wechsel auf den Produkttyp 1, welcher eine Zeit von
116
6 Numerische Analyse zur Validierung …
180 Minuten benötigt.10 Befindet sich die Maschine ursprünglich im Betriebszustand Abgeschaltet (k = 0), verlängert sich die Umrüstzeit um 15 Minuten. Für das Abschalten der Maschine ist eine Reinigung erforderlich, weswegen die Rüstzeit unabhängig vom aktuellen Rüstzustands 120 Minuten beträgt. Die dritte Parameterausprägung umfasst Kostensätze für die betriebswirtschaftliche Bewertung. Die dabei betrachteten Kostensätze basieren ausschließlich auf pagatorischen Kosten. Die Entscheidungsunterstützung basiert somit auf einer zahlungsorientierten Bewertung. Kalkulatorische Kosten werden hingegen an dieser Stelle nicht betrachtet. Zur Bewertung der durchgeführten Rüstprozesse wird der Rüstkostensatz, wie in Tabelle 6.4 aufgeführt, verwendet. Für nahezu alle Rüstwechsel fallen im betrachteten Anwendungsbeispiel keine pagatorischen Rüstkosten an. Dies liegt daran, dass das eingesetzte Personal indirekt zugerechnet wird und anfallende Energiekosten für Umrüstungen, welche zahlungswirksam sind, in einem separaten Kostenterm betrachtet werden.11 Dadurch beträgt der Rüstkostensatz für viele Fälle null Euro. Der einzige Rüstvorgang mit expliziten variablen Rüstkosten ist der Rüstwechsel auf Produkttyp 1. Hier fallen durch den Tausch von Werkzeugen pagatorische und damit auch entscheidungsrelevante Rüstkosten an. Sowohl für die Lagerhaltung als auch für die Erhaltung des Rüstzustands fallen in Anlehnung an die reale Problemstellung keine entscheidungsrelevanten, pagatorischen Kosten an.12 Jedoch wird für die Erhaltung der Rüstzustände in den Betriebszuständen Standby Energie konsumiert. Die dadurch anfallenden Energiekosten werden in einem separaten Term in der Planung berücksichtigt.
10Beim
Wechsel auf Produkttyp 1 werden im Regelfall die Hämmer im Shredder erneuert, da Produkttyp 1 den härtesten Produkttyp darstellt und sich demnach nur schwer zerkleinern lässt. 11Da im Rahmen der Planung nicht über die Anwesenheit der Mitarbeiter entschieden wird und diese für den Betrieb der Anlage benötigt werden, stellen die anfallenden Personalkosten für Umrüstungen keine entscheidungsrelevanten Kosten dar. Um dennoch Personalkosten in der Planung zu berücksichtigen, können die für die Umrüstung eingesetzten Mitarbeiterstunden mit einem Kostensatz verrechnet werden. Die Personalkosten würden demnach kalkulatorische Kosten darstellen. 12Aufgrund der Besonderheit, dass aufgrund des sehr geringen Materialwerts der zu recycelnden Produkte die anfallenden Kapitalkosten vernachlässigt werden können, fallen im Gegensatz zu konventionellen Planungsszenarien keine Lagerhaltungskosten an. Des Weiteren wird über weitere Bestandteile von Lagerhaltungskosten nicht im Rahmen dieser Planung entschieden. Darüber hinaus wird im Rahmen der Planung nicht über die Annahme weiterer Aufträge entschieden, sodass keine kalkulatorischen Kosten für den Standby-Betrieb der Maschine anfallen.
6.2 Konzeption der numerischen Analyse und Datengrundlage
117
Für die Bestimmung der Energiekosten werden in Anlehnung an die Literatur ausschließlich entscheidungsrelevante und damit zeitabhängige Bestandteile des Energiepreises betrachtet. Demnach wird für die Bestimmung der Energiekosten ausschließlich der Börsenstrompreis verwendet, welcher die Stromerzeugung und den Vertrieb beinhaltet. Dagegen werden nicht zeitabhängige und damit über die Zeit konstante Bestandteile des Strompreises, wie beispielsweise Netzentgelt oder Umlagen für das Erneuerbare-Energien-Gesetz, nicht berücksichtigt. Die verwendeten Börsenstrompreise sind Preise des D ay-Ahead-Markts der deutschen Strombörse aus dem Jahr 2018.13 Während für den ersten Tag im Planungshorizont eine stündliche Auflösung der Energiepreise, entsprechend dem Day-Ahead-Markt, gewählt wird, werden für die weiteren zu planenden Tage aggregierte Energiepreise mit einer Länge zwischen 90 und 240 Minuten in Anlehnung an Prognosen verwendet.14 Dies wird damit begründet, dass die Preise im Day-Ahead-Markt nur für 24 Stunden bekannt sind, diese jedoch auf Basis von Wettervorhersagen und saisonalen Effekten mithilfe von Prognosemodellen in gewissem Maße längerfristig vorhergesagt werden können.15 Die vierte und letzte Parameterausprägung stellt die organisatorischen Rahmenbedingungen in Anlehnung an das reale Problem dar. Täglich werden zwei Schichten mit jeweils achteinhalb Stunden Arbeitszeit berücksichtigt.16 In jeder Schicht gibt es eine Pause mit einer Länge von einer halben Stunde, deren Zeitpunkt durch das Unternehmen fest vorgegeben ist.17 Darüber hinaus ist es erforderlich, dass die Maschine jeden Abend nach Nutzung gereinigt wird. Außerdem ist in den Instanzen mit einem langen Planungshorizont in der ersten Schicht des vierten Tages eine Instandhaltungsschicht einzuplanen. Darüber hinaus wird davon ausgegangen, dass sich die Maschine zu Beginn des Planungshorizonts im Betriebszustand Abgeschaltet (Rüstzustand k = 0) befindet (ω0,0 = 1), sich keine bereits zerkleinerten Produkte im Lager befinden (Ik,0 = 0) und ausreichend Ausgangsmaterial vorhanden ist.
13Es
wurde aus dem Day-Ahead-Markt ein Pool von 20 repräsentativen Wochen und deren Energiepreisen gebildet. Die Zuordnung einer Energiepreiswoche zu einer Probleminstanz erfolgt zufallsbasiert. 14Die Prognosen für die numerische Analyse werden mithilfe von Vergangenheitsdaten expost erstellt. 15Vgl. Gürtler und Paulsen (2018a); Gürtler und Paulsen (2018b); Windler et al. (2019). 16Arbeitszeit: 1. Schicht: 05:30–14:00 Uhr; 2. Schicht: 14:00–22:30 Uhr 17Pausenzeit: 1. Schicht: 09:30–10:00 Uhr; 2. Schicht: 18:00–18:30 Uhr
118
6 Numerische Analyse zur Validierung …
Im Anschluss an die Definition der Parameterausprägungen wird im Folgenden der Prozess der Generierung von 200 Probleminstanzen dargelegt. Der Prozess erfolgt in zwei Schritten. Im ersten Schritt werden zu betrachtende Produkttypen für die jeweiligen Probleminstanzen ausgewählt. In allen 200 Instanzen werden jeweils die Produkttypen 1 und 2 berücksichtigt. Über die Betrachtung weiterer Produkttypen wird zufallsbasiert entschieden. Dies erfolgt unter Zuhilfenahme einer Gleichverteilung. Es werden solange Produkttypen zur Probleminstanz hinzugefügt, bis die Anzahl zu berücksichtigender Produkttypen erreicht ist. Im zweiten Schritt wird über die Höhe der produktspezifischen Nachfrage nach ausgewählten Produkttypen entschieden. Hierfür orientiert sich die produktspezifische Nachfrage am Anteil der produktspezifischen Mengen an den Gesamtproduktionsmengen (vgl. Tabelle 6.2). Werden in der Probleminstanz weniger als die maximal sieben Produkttypen berücksichtigt, erfolgt eine lineare Skalierung der Anteile der produktspezifischen Mengen an den Gesamtproduktionsmengen der ausgewählten Produkttypen, sodass die Summe deren Anteile 100 Prozent entspricht. Um ausgehend vom Anteil der produktspezifischen Mengen an den Gesamtproduktionsmengen eine produktspezifische Nachfrage zu bestimmen, werden zunächst eine untere sowie eine obere Schranke für die produktspezifische Nachfrage entwickelt. Die obere Schranke ist dabei als die maximal mögliche produktspezifische Nachfrage definiert. Die maximal mögliche Nachfrage wird durch den Anteil der produktspezifischen Menge an der Gesamtproduktionsmenge sowie der maximalen Kapazität des Produktionssystems beschränkt. Dagegen ist die untere Schranke als die minimal mögliche produktspezifische Nachfrage definiert. Diese wird als die Hälfte der oberen Schranke festgelegt. Daran anschließend wird zwischen unterer und oberer Schranke zufallsbasiert eine produktspezifische Nachfrage bestimmt. Die zufallsbasierte Bestimmung der Nachfrage erfolgt ebenfalls unter Zuhilfenahme einer Gleichverteilung. Eine Ausnahme bildet der Produkttyp 2, da dieser ein Standardprodukt darstellt. Bei Produkttyp 2 wird zur Bestimmung der oberen Schranke statt des Anteils der produktspezifischen Menge an der Gesamtproduktionsmenge sowie der maximalen Kapazität des Produktionssystems ausschließlich die verbleibende Kapazität des Produktionssystems verwendet. Hierdurch werden Instanzen mit einer hohen Auslastung generiert, ohne jedoch die maximal gegebene Kapazität zu überschreiten. Liegen Instanzen mit einem kurzen Planungshorizont vor, wird angenommen, dass die Nachfrage zum Ende des dritten Tages fällig ist. Liegen dagegen Instanzen mit einem langen Planungshorizont vor, wird zufallsbasiert unter Zuhilfenahme einer Gleichverteilung über die Fälligkeit der Nachfrage, ob nach dem dritten oder nach dem fünften Tag, entschieden. Ausnahmen bilden die Produkttypen 1 und 2. Für Produkttyp 1 wird bei langen Instanzen, angelehnt an
6.3 Bewertung betriebswirtschaftlicher …
119
das reale Problem, eine externe Nachfrage mit Fälligkeit nach dem fünften Tag berücksichtigt. Für Produkttyp 2 wird zu beiden Zeitpunkten eine Nachfrage bestimmt, da hierfür eine regelmäßige Nachfrage vorliegt. Zusammenfassend werden zehn Gruppen von Probleminstanzen definiert, deren Parameter sich bezüglich der Anzahl berücksichtigter Produkttypen sowie der Länge des betrachteten Planungshorizonts systematisch unterscheiden. Für jede Gruppe von Probleminstanzen werden zufallsbasiert 20 Nachfrageportfolios gezogen. Insgesamt werden entsprechend des Vorgehens 200 Probleminstanzen für das hier vorgestellte Praxisbeispiel generiert. Die Entscheidungssituation kann dabei wie folgt definiert werden. Es handelt sich um ein einstufiges, kapazitiertes Einmaschinen-Mehrproduktproblem mit deterministischen Daten. Hierbei werden sequenzabhängige Umrüstungen, Möglichkeiten zur Lagerung von Produkten und eine dynamische Nachfrage, welche ohne Nacherfüllung bedient wird, betrachtet. Darüber hinaus zeichnet sich das Planungsproblem durch eine zustandsabhängige Leistungsaufnahme aus.
6.3 Bewertung betriebswirtschaftlicher Potenziale einer energieorientierten Planung Ziel dieses Abschnitts ist es, die in den Kapiteln 4 und 5 entwickelten Modellformulierungen gegenüberzustellen und die betriebswirtschaftlichen Potenziale einer energieorientierten Planung zu analysieren. Hierfür werden zunächst die Vorgehensweise zur Bewertung betriebswirtschaftlicher Potenziale, die verwendeten Modellformulierungen und die genutzte Rechenumgebung (Abschnitt 6.3.1) beschrieben. Anschließend werden Modellumfang, Lösbarkeit und Lösungszeit der beiden Modellformulierungen (Abschnitt 6.3.2) miteinander verglichen. Abschließend werden die Kosteneinsparpotenziale im Vergleich zu einer konventionellen Planung (Abschnitt 6.3.3) analysiert.
6.3.1 Vorgehen zur Bewertung betriebswirtschaftlicher Potenziale Die Bewertung der betriebswirtschaftlichen Potenziale erfolgt in zwei Schritten. Für den ersten Schritt, die Gegenüberstellung beider Modellformulierungen bezüglich Modellumfang, Lösbarkeit und Lösungszeit, werden ausschließlich die Formalmodelle und die computergestützten Modelle beider energieorientierten Modellierungsansätze sowie die 200 generierten Probleminstanzen (Abschnitt 6.2)
120
6 Numerische Analyse zur Validierung …
verwendet. Die Formalmodelle sind jeweils in den Abschnitten 4.4 sowie 5.4 gegeben. Die computergestützten Modelle werden auf Basis der Formalmodelle mithilfe der Gurobi Java API implementiert. Zur Lösung der mathematischen Modelle wird der Solver Gurobi 8.0 verwendet. Alle im Rahmen der numerischen Analyse durchgeführten Untersuchungen werden auf einem Standardrechner mit einem 2,50 GHz Intel Core i7-4710MQ Prozessor mit 8,00 GB Arbeitsspeicher durchgeführt. Für den zweiten Schritt, die Bewertung der erreichten Einsparpotenziale der energieorientierten Planungsmodelle gegenüber konventionellen Modellen, bedarf es neben den beiden computergestützten Modellen für die energieorientierte Planung ebenfalls eines computergestützten Modells für eine konventionelle Planung. Für die computergestützten Modelle der energieorientierten Planung wird auf die bereits verwendeten Modelle aus dem ersten Schritt zurückgegriffen. Für die Verwendung eines computergestützten Modells für eine konventionelle Losgrößen- und Reihenfolgeplanung bedarf es zunächst eines geeigneten Formalmodells. Das verwendete Formalmodell stellt ein, auf die Rahmenbedingungen des CLSD, reduziertes Formalmodell des EOLSP dar. Dabei werden die Energiekosten nicht in der Zielfunktion berücksichtigt. Alle weiteren Restriktionen bezüglich der Rüst- und Betriebszustände bleiben bestehen, um nachträglich die Energiekosten zu ermitteln. Dementsprechend betrachtet das Formalmodell, ausgenommen der Energiekosten in der Zielfunktion, die gleiche Entscheidungssituation wie die beiden Formalmodelle einer energieorientierten Planung.18 Das computergestützte Modell wird auf Basis des genannten Formalmodells mithilfe der CPLEX Java API implementiert. Zur Lösung des mathematischen Modells wird der Solver CPLEX 12.7.1 unter Zuhilfenahme der Zusatzfunktion Solution Pool verwendet.19 Die Nutzung der Zusatzfunktion Solution Pool wird damit begründet, dass bei der Lösung des computergestützten Modells mehrere Lösungen mit einer gleichwertigen Lösungsqualität – die Summe der betrachteten Gesamtkosten unterscheidet sich nicht – existieren können. Diese gleichwertigen Lösungen können sich jedoch in der Höhe der Energiekosten unterscheiden,
18Die
Wahl dieses Modells wird damit begründet, dass dieses bessere Lösungen als ein GLSP-basierter Ansatz liefert. Vgl. Johannes et al. (2019a). Eine Erklärung zum Modell findet man im Anhang A. 19Die Wahl eines abweichenden Solvers wird damit begründet, dass Gurobi für das Planungsproblem der energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung nach eigenen Benchmarks eine deutlich bessere Lösbarkeit aufweist – bessere Lösungsqualität nach gleicher Lösungszeit bzw. gleiche Lösungsqualität nach kürzerer Lösungszeit. Dagegen bietet unter den betrachteten Solvern nur der Solver CPLEX die Verwendung des Features Solution Pool an, welches bei der Lösung konventioneller Losgrößen- und Reihenfolgeplanungsproblemen genutzt wird.
6.3 Bewertung betriebswirtschaftlicher …
121
Tabelle 6.5 Generischer Modellumfang der betrachteten Modellierungsansätze
welche in Anlehnung an konventionelle Planungsmodelle nicht in der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden. Die Energiekosten werden jedoch zum Vergleich mit den energieorientierten Planungsmodellen benötigt. Mithilfe der Zusatzfunktion Solution Pool ist es möglich, verschiedene optimale, jedoch hinsichtlich der Energiekosten unterschiedliche Lösungen für eine konventionelle Planung zu bestimmen. Im Rahmen der numerischen Analyse werden bei der Lösung des konventionellen Planungsproblems bis zu 10 Lösungen berücksichtigt. Anschließend wird die Lösung mit den geringsten Gesamtkosten zum Vergleich mit den Lösungen der energieorientierten Planungsmodelle herangezogen.
6.3.2 Gegenüberstellung hinsichtlich Modellumfang, Lösbarkeit und Lösungszeit Die Gegenüberstellung der beiden Modellformulierungen hinsichtlich Umfang, Lösbarkeit und Lösungszeit ist zweigeteilt. Im ersten Schritt erfolgt zunächst eine Betrachtung des Modellumfangs in Bezug auf die Anzahl benötigter Nebenbedingungen sowie binärer und kontinuierlicher Variablen. Hierzu wird zunächst in einer ersten Betrachtung der generische Umfang des Modells auf Basis der beiden Formalmodelle bestimmt (vgl. Tabelle 6.5).20 So werden beispielsweise
20Einen Vergleich des generischen Modellumfangs der beiden hier gezeigten Modellierungsansätze mit den jeweiligen Ursprungsmodellen findet man in Johannes et al. (2019a).
122
6 Numerische Analyse zur Validierung …
für die Bestimmung der Gesamtanzahl binärer Variablen für das EOLSP über alle Typen von binären Variablen die ausmultiplizierten Mächtigkeiten der Indizes aufsummiert. Da im EOLSP drei binäre Variablen mit zwei Indizes, einmal über die Menge K all und einmal über die Menge Rall, sowie zwei binäre Variablen mit drei Indizes, zweimal über die Menge K all und einmal über die Menge Rall, existieren, wird die Gesamtanzahl binärer Variablen mithilfe der Summe von 3KR + 2KKR bestimmt. Basierend auf dieser Gegenüberstellung ist eine valide Aussage nur begrenzt möglich. Insbesondere bei der Anzahl an Nebenbedingungen hängt der tatsächliche Umfang durch die vielseitigen Abhängigkeiten der Nebenbedingungen stark von den gewählten Mengen ab, sodass keine direkte Aussage für einen größeren Umfang getätigt werden kann. Bezüglich der Anzahl der Variablen scheint dagegen eine Abschätzung möglich. Die Anzahl kontinuierlicher Variablen ist im Fall des EOLSP deutlich niedriger als beim EOGLSP, die Anzahl binärer Variablen hingegen relativ ähnlich zum EOGLSP. Der Analyse des generischen Modellumfangs folgend wird in einer zweiten Betrachtung der tatsächliche Modellumfang für reale Probleminstanzen untersucht (vgl. Abbildung 6.2). Hierzu wird eine Instanz mit sieben Produkttypen zuzüglich des Dummy-Produkts (K = 8) und einem langen Planungshorizont (R = 44, T = 5) gewählt. Zusätzlich wird für das EOGLSP angenommen, dass jede Makroperiode aus zehn maschinenzustandsbasierten Mikroperioden besteht.21 Dementsprechend ergeben sich die folgenden Mächtigkeiten der Indexmengen: K = 8, R = 44, S = 50 und T = 5. In Bezug auf die Anzahl an Nebenbedingungen zeigt sich, dass der Modellierungsansatz für das EOLSP (159.860) deutlich mehr Nebenbedingungen als der Modellierungsansatz für das EOGLSP (45.660) aufweist. Dies liegt insbesondere an den verschiedenen Nebenbedingungen im EOLSP zur Sicherstellung einer chronologisch korrekten Reihenfolge von Rüst- und Betriebszuständen, da deren Modellierung nicht auf einer separaten Zeitstruktur erfolgt. Maßgeblichen Einfluss auf die hohe Anzahl an Nebenbedingungen haben dabei die Nebenbedingungen (5.11). Demgegenüber ist die Anzahl benötigter kontinuierlicher Variablen beim EOGLSP (161.490) deutlich größer als beim EOLSP (4.224). Dieser deutliche Unterschied resultiert vorwiegend aus der notwendigen Zuordnung 21Die
Annahme der zehn maschinenzustandsbasierten Mikroperioden ist daran angelehnt, dass in jeder Makroperiode circa 3 Produkttypen produziert werden. Für die Produktion eines Produkttyps ist jeweils eine Mikroperiode für Umrüstung und Produktion notwendig. Demzufolge besteht seitens der Mikroperioden eine Flexibilität auf die Energiepreise zu reagieren und am Ende der Makroperiode das Produktionssystem zu reinigen.
6.3 Bewertung betriebswirtschaftlicher …
123
Abbildung 6.2 Modellumfang der Modellierungsansätze EOGLSP und EOLSP für eine Instanz mit K = 8, R = 44, S = 50 sowie T = 5
von Zeitanteilen zwischen den genutzten Mikroperioden im EOGLSP, welche im EOLSP nicht benötigt wird. Bezüglich des Umfangs binärer Variablen zeigt sich, dass dieser bei beiden Modellen sehr ähnlich ausgeprägt ist. So werden beim EOGLSP 6.600 und beim EOLSP 6.688 binäre Variablen benötigt. Diese Ähnlichkeit ergibt sich insbesondere dadurch, dass in beiden Modellierungsansätzen sehr ähnliche binäre Variablen zum Festlegen von Rüst- und Betriebszuständen verwendet werden, welche für beide Modellierungsansätze unerlässlich sind.22 Im zweiten Schritt erfolgt eine Betrachtung der Lösbarkeit und der resultierenden Lösungszeiten beider Modellierungsansätze bei der Lösung der 200 generierten Probleminstanzen unter Einsatz der computergestützten Modelle (vgl. Tabelle 6.6). Um sowohl für das EOGLSP als auch das EOLSP eine Aussage bezüglich der Lösbarkeit und der sich einstellenden Lösungszeiten zu treffen, wird die Anzahl der Instanzen mit gefundenen (optimalen) Lösungen, die durchschnittliche Lösungszeit und der nach 3.600 Sekunden Lösungszeit resultierende Gap analysiert.23 Zunächst werden die Lösbarkeit und die Lösungszeiten des EOGLSP betrachtet. Insgesamt können drei wesentliche Erkenntnisse abgeleitet werden. Erstens wird der Lösungsvorgang für alle Probleminstanzen nach 3.600 Sekunden abgebrochen. Demnach kann für keine der Probleminstanzen nachgewiesen werden, ob eine Lösung optimal ist, falls innerhalb der Zeit überhaupt eine 22Die
Analyse der Anzahl an Nebenbedingungen und Entscheidungsvariablen hilft den Modellumfang zu beschreiben und zu vergleichen. Um darüber hinaus weitere Aussagen zur Komplexität der Modellformulierungen zu treffen, kann zusätzlich die Schärfe der Modellformulierung einbezogen werden. 23In der Praxis wird eine maximale Lösungszeit von 3.600 Sekunden als vertretbare Dauer für die Entscheidungsfindung operativer Probleme angesehen. Operative Probleme werden im unternehmerischen Alltag häufig auf täglicher oder wöchentlicher Basis gelöst. Dabei stellt die hier betrachtete maximale Lösungszeit keine Beeinträchtigung in der Planung dar.
124
6 Numerische Analyse zur Validierung …
Tabelle 6.6 Anzahl gefundener (optimaler) Lösungen, durchschnittliche Lösungszeit und durchschnittlicher Gap für EOGLSP und EOLSP über alle Instanzen
zulässige Lösung gefunden wird. Zweitens werden zulässige Lösungen ausschließlich für Probleminstanzen mit wenigen Produkttypen gefunden. Für Probleminstanzen mit vielen Produkttypen wird innerhalb des Zeitlimits keine einzige zulässige Lösung gefunden. Drittens erfolgt die Bewertung der zulässigen Lösungen anhand des vom Solver ausgegebenen Gaps. Am Ende der Lösungszeit weisen die gefundenen, zulässigen Lösungen einen Gap von durchschnittlich 25 Prozent zur bis dahin gefundenen oberen Grenze des relaxierten linearen Programms auf. Für den relativ hohen durchschnittlichen Gap sind zwei Ursachen denkbar. Einerseits ist die gefundene Lösung weit vom tatsächlichen Optimum entfernt. Andererseits hat der Solver Schwierigkeiten in der Abschätzung einer oberen Grenze des relaxierten linearen Programms. In einer zweiten Betrachtung werden die Lösbarkeit und die Lösungszeiten des EOLSP untersucht. Hierbei werden vier wesentliche Erkenntnisse abgeleitet.
6.3 Bewertung betriebswirtschaftlicher …
125
Erstens werden für alle Probleminstanzen innerhalb des vorgegebenen Zeitlimits zulässige Lösungen gefunden. Zweitens stellen insbesondere bei den Probleminstanzen mit bis zu fünf Produkten die gefundenen Lösungen ausschließlich optimale Lösungen dar. Demgegenüber werden bei den Probleminstanzen mit sechs oder sieben Produkttypen deutlich weniger optimale Lösungen gefunden. Dennoch gibt es mehrere Probleminstanzen in denen innerhalb des Zeitlimits optimale Lösungen gefunden werden. Drittens zeigt sich, dass die Probleminstanzen mit bis zu fünf Produkttypen durchschnittlich innerhalb von wenigen Minuten optimal gelöst werden. In den Probleminstanzen mit sechs oder sieben Produkttypen steigt die durchschnittliche Lösungszeit deutlich an. Insbesondere bei Instanzen mit kurzem Planungshorizont und sieben Produkttypen nähert sich die durchschnittliche Lösungszeit deutlich dem vorgegebenen maximalen Zeitlimit an. Viertens weisen die gefundenen Lösungen durchschnittlich einen Gap von 0,08 Prozent zur bis dahin gefundenen oberen Grenze des relaxierten linearen Programms über alle Instanzen auf. Während bei den Probleminstanzen mit wenigen Produkttypen kein Gap vorhanden ist, liegt in den Instanzen mit deutlich mehr Produkttypen ein Gap von durchschnittlich bis zu 0,38 Prozent vor, wie beispielsweise in den Probleminstanzen mit sieben Produkttypen und kurzem Planungshorizont.24 Insgesamt zeigt sich, dass der energiepreisbasierte Modellierungsansatz (EOLSP) dem maschinenzustandsbasierten Modellierungsansatz (EOGLSP) in allen Bereichen deutlich überlegen ist. So weist der energiepreisbasierte Modellierungsansatz eine deutlich geringere Anzahl an Entscheidungsvariablen gegenüber dem maschinenzustandsbasierten Modellierungsansatz auf. Darüber hinaus gelingt es, mit dem energiepreisbasierten Modellierungsansatz für alle 200 Probleminstanzen innerhalb des Zeitlimits zulässige Lösungen zu finden. Ein Großteil der Lösungen ist darüber hinaus optimal. Demgegenüber werden beim maschinenzustandsbasierten Modellierungsansatz nur bei wenigen Instanzen überhaupt zulässige Lösungen innerhalb des vorgegebenen Zeitlimits gefunden.
24Die
gezeigte Vorteilhaftigkeit des CLSD-basierten Ansatzes bestätigt die Ergebnisse von Menezes et al. (2011) und Almeder und Almada-Lobo (2011), welche ebenfalls die Lösbarkeit von CLSD- und GLSP-Formulierungen mithilfe kommerzieller Solver in Studien gegenübergestellt haben.
126
6 Numerische Analyse zur Validierung …
6.3.3 Gegenüberstellung hinsichtlich Einsparpotenzialen Ziel dieses Abschnitts ist es, die Kosten- und Energieeinsparpotenziale einer energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung gegenüber einer konventionellen Planung zu untersuchen. Die Untersuchung erfolgt in zwei Schritten. Im ersten Schritt wird zunächst das Kosteneinsparpotenzial in Bezug auf Energiekosten und Gesamtkosten gegenüber einer konventionellen Planung analysiert. Demzufolge ist es zunächst notwendig, die resultierenden Energie- und Gesamtkosten für eine konventionelle Planung zu bestimmen.25 Im Anschluss an die Bestimmung der Energie- und Gesamtkosten, können die Einsparpotenziale einer energieorientierten Planung gegenüber einer konventionellen Planung bestimmt werden. Eine explizite Betrachtung der Rüstkosten bleibt im Folgenden aus, da sich diese in den einzelnen Instanzen nicht zwischen einer energieorientierten und einer konventionellen Planung unterscheiden. Zunächst wird das Energiekosten- und Gesamtkosteneinsparpotenzial des maschinenzustandsbasierten Modellierungsansatzes (EOGLSP) gegenüber einer konventionellen Planung analysiert (vgl. Abbildung 6.3). Aufgrund der deutlich eingeschränkten Lösbarkeit des EOGLSP werden die durchschnittlichen Kosteneinsparpotenziale nur für Probleminstanzen mit drei oder vier Produkttypen untersucht.26 Insgesamt zeigt sich, dass in 30 der 32 gelösten Probleminstanzen durch eine energieorientierte Planung die anfallenden Kosten gegenüber einer konventionellen Planung gesenkt werden können. Dagegen werden in zwei Fällen durch die Anwendung einer energieorientierten Planung die anfallenden Kosten gegenüber einer konventionellen Planung geringfügig erhöht.27 Insgesamt ergibt
25Die
anfallenden Energie- und Gesamtkosten für die 200 Probleminstanzen werden mithilfe des computergestützten Modells für die konventionelle Planung sowie des Solvers CPLEX 12.7.1 bestimmt. Die Lösungszeit beträgt für die jeweiligen Instanzen nur wenige Minuten und es werden ausschließlich optimale Lösungen gefunden. 26Hierbei ist zu beachten, dass ebenfalls aufgrund der eingeschränkten Lösbarkeit auch bei den Probleminstanzen mit drei oder vier Produkttypen nicht für alle Probleminstanzen einer Parameterkombination eine zulässige Lösung gefunden wurde. Demzufolge basiert die hier ausgewiesene, durchschnittliche Kosteneinsparung nur auf Instanzen, für welche eine zulässige Lösung gefunden wurde. Der Stichprobenumfang für die Bestimmung der Kosteneinsparungen ist in Abbildung 6.3 gegeben. 27Die geringfügige Erhöhung der Kosten in zwei Fällen resultiert daraus, dass die optimale Lösung des konventionellen Planungsansatzes niedrigere Kosten als die nicht-optimale, zulässige Lösung des energieorientierten Planungsansatzes aufweist.
6.3 Bewertung betriebswirtschaftlicher …
127
Abbildung 6.3 Kosteneinsparungen EOGLSP
sich durch eine energieorientierte Planung, basierend auf einem maschinenzustandsbasierten Modellierungsansatz, ein durchschnittliches Energiekosteneinsparpotenzial von 6,7 Prozent und ein Gesamtkosteneinsparpotenzial von 1,9 Prozent. Aufgrund der zum Teil sehr kleinen Stichprobengröße sind die abgeleiteten Aussagen nur begrenzt als valide anzusehen. Demzufolge werden, basierend auf den ermittelten Kosteneinsparpotenzialen, keine weiteren Analysen durchgeführt. Im Anschluss an die Untersuchung des Kosteneinsparpotenzials des EOGLSP gegenüber einer konventionellen Planung wird im Folgenden das Kosteneinsparpotenzial des energiepreisbasierten Modellierungsansatzes (EOLSP) analysiert (vgl. Abbildung 6.4). Durch die gute Lösbarkeit der Probleminstanzen mit dem EOLSP (vgl. Abschnitt 6.3.2) basiert die Bestimmung des Kosteneinsparpotenzials auf den jeweils 20 vorhandenen Probleminstanzen je Parameterkombination. Insgesamt zeigt sich, dass in allen Probleminstanzen durch eine energieorientierte Planung die anfallenden Energie- und Gesamtkosten gegenüber einer konventionellen Planung reduziert werden können. Dabei können die Energiekosten im Durchschnitt um 7,7 Prozent und die Gesamtkosten um 2,3 Prozent gesenkt werden. Zwischen den Probleminstanzen unterschiedlicher Parameterkombinationen lassen sich geringfügige Unterschiede in der Höhe der Kosteneinsparpotenziale feststellen. Eine signifikante Korrelation zwischen der Anzahl berücksichtigter Produkttypen und dem Kosteneinsparpotenzial besteht jedoch nicht. Dagegen zeigt sich, dass mit längeren Planungshorizonten höhere Energiekosten- und Gesamtkosteneinsparpotenziale gehoben werden können. So ergibt sich bei
128
6 Numerische Analyse zur Validierung …
Abbildung 6.4 Kosteneinsparung EOLSP
Probleminstanzen mit kurzem Planungshorizont durchschnittlich ein Energiekosteneinsparpotenzial von 7,3 Prozent und ein Gesamtkosteneinsparpotenzial von 1,9 Prozent. Dagegen wird bei Probleminstanzen mit langem Planungshorizont ein Energiekosteneinsparpotenzial von 8,0 Prozent und ein Gesamtkosteneinsparpotenzial von 2,8 Prozent gegenüber einer konventionellen Planung beobachtet. Die Steigerung der Kosteneinsparpotenziale mit längerem Planungszeitraum wird mit einer zunehmenden Flexibilität in Instanzen mit langem Planungszeitraum begründet.28 Im zweiten Schritt wird der Zusammenhang von verbrauchter Energiemenge und den anfallenden Energiekosten untersucht. Äquivalent zum ersten Schritt wird zunächst das Energiemengen- und Energiekosteneinsparpotenzial des maschinenzustandsbasierten Modellierungsansatzes (EOGLSP) gegenüber einer konventionellen Planung untersucht (vgl. Abbildung 6.5). Wie bereits gezeigt, ergibt sich durch die energieorientierte Planung ein Energiekosteneinsparpotenzial von durchschnittlich circa 6,7 Prozent. Die eingesetzte Energiemenge kann durch den Einsatz der energieorientierten Planung jedoch durchschnittlich nur um circa 4,5 Prozent reduziert werden. Somit zeigt sich, dass im Rahmen einer energieorientierten Planung die Energiekosten überproportional stark gegenüber der eingesetzten Energiemenge gesenkt werden.
28Die
Boxplots für die beobachteten Energiekosten- und Gesamtkosteneinsparungen durch den energiepreisbasierten Modellierungsansatz (EOLSP) können den Abbildungen B.1 und B.2 im Anhang B entnommen werden. Für die beobachteten Energiekosten- und Gesamtkosteneinsparungen durch den maschinenzustandsbasierten Modellierungsansatz (EOGLSP) werden aufgrund der schlechten Lösbarkeit keine Boxplots angehängt.
6.3 Bewertung betriebswirtschaftlicher …
129
Abbildung 6.5 Energiemengen- sowie Energiekosteneinsparung EOGLSP
Abbildung 6.6 Energiemengen- sowie Energiekosteneinsparung EOLSP
Im Anschluss an die Untersuchung des Zusammenhangs von Energiemengen- und Energiekosteneinsparpotenzialen des EOGLSP gegenüber einer konventionellen Planung wird im Folgenden der gleiche Zusammenhang unter Verwendung des EOLSP analysiert (vgl. Abbildung 6.6). Wie ebenfalls bereits gezeigt, ergibt sich durch die energieorientierte Planung ein Energiekosteneinsparpotenzial von durchschnittlich circa 7,7 Prozent. Die eingesetzte Energiemenge kann durch den Einsatz der energieorientierten Planung jedoch durchschnittlich nur um circa 5,0 Prozent reduziert werden. Dementsprechend erfolgt auch beim EOLSP eine überproportionale Reduktion der Energiekosten im Vergleich zur eingesetzten Energiemenge.29 29Der
Boxplot für die Energiemengeneinsparung durch den energiepreisbasierten Modellierungsansatz (EOLSP) kann der Abbildung B.3 im Anhang B entnommen werden.
130
6 Numerische Analyse zur Validierung …
Insgesamt zeigt sich, dass beide Modellierungsansätze unter der Voraussetzung, dass zulässige Lösungen gefunden werden, im Mittel eine signifikante Reduktion der Energie- und Gesamtkosten sowie der Energiemenge gegenüber einer konventionellen Planung ermöglichen. Aufgrund der geringen Anzahl an gefundenen, zulässigen Lösungen ist eine allgemeine Aussage zur Vorteilhaftigkeit des energieorientierten Planungsansatzes EOGLSP nur bedingt möglich. Dagegen können mit dem energieorientierten Planungsansatz EOLSP unabhängig von der Kombination von Parameterausprägungen signifikante Energiekostenund Gesamtkosteneinsparpotenziale gegenüber einer konventionellen Planung gehoben werden. Für die Senkung der Energiekosten einer energieorientierten Planung gegenüber einer konventionellen Planung können zwei wesentliche Treiber identifiziert werden. Erstens ermöglicht die Reduktion der eingesetzten Energiemenge eine Senkung des Energiekosteneinsparpotenzials. Zweitens zeigt sich aufgrund der überproportionalen Senkung der Energiekosten im Vergleich zur Reduktion der eingesetzten Energiemenge, dass die anfallenden Energiekosten durch eine gezielte Nutzung der zeitabhängigen Preise weiter gesenkt werden können.30 Im Anschluss an die Lösung der Probleminstanzen mithilfe der verschiedenen Modellierungsansätze und der Gegenüberstellung dieser, werden im Folgenden das Planungskonzept und die entwickelten Modellierungsansätze validiert. Die Validierung adressiert dabei drei Aspekte. Erstens zeigt sich, dass alle entwickelten Modellierungsansätze sehr ähnliche Lösungen identifizieren. Sowohl die Höhe der ermittelten Kosten als auch die Struktur der gefundenen Lösungen weichen nur geringfügig voneinander ab. Die geringfügigen Abweichungen resultieren aus der unterschiedlichen Lösungsqualität, welche vom gewählten Modellierungsansatz abhängig ist. Insbesondere in kleineren Instanzen kommt es vor, dass sowohl beide energieorientierte Modellierungsansätze als auch der konventionelle Ansatz identische Lösungen identifizieren. Dementsprechend wird davon ausgegangen, dass in den einzelnen Modellierungsansätzen kein struktureller Fehler vorliegt und diese korrekt implementiert sind. Zweitens stimmen der ermittelte Energieverbrauch und die anfallenden Energiekosten realitätsnaher Probleminstanzen mit den Praxisdaten hinsichtlich der
30Um diesen Zusammenhang deutlich darzustellen, befindet sich im Anhang C ein Vergleich eines energiemengenorientierten Planungskonzepts mit den hier entwickelten energiewertorientierten Planungskonzepten. Dabei zeigt sich, dass durch die Berücksichtigung der zeitabhängigen Energiepreise die Energiekosten in der Zielfunktion, auch bei einer Erhöhung der eingesetzten Energiemenge, signifikant reduziert werden können.
6.4 Identifikation günstiger Rahmenbedingungen …
131
Größenordnung überein. Daher wird angenommen, dass das Anwendungsbeispiel durch die verschiedenen Modellierungsansätze entsprechend abgebildet wird. Drittens entsprechen die identifizierten Energiekosteneinsparpotenziale einer energieorientierten Planung im Vergleich zu einer konventionellen Planung den erwarteten Einsparpotenzialen, welche durch eine Berücksichtigung zeitabhängiger Energiepreise gehoben werden. Demzufolge ist davon auszugehen, dass das Planungskonzept entsprechend der Modellkonzeption umgesetzt wurde. In Anlehnung an die adressierten Aspekte sind das Planungskonzept sowie die entwickelten Modellierungsansätze als valide zu betrachten.
6.4 Identifikation günstiger Rahmenbedingungen für eine energieorientierte Planung Im Rahmen dieses Abschnitts werden günstige Rahmenbedingungen für die energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung identifiziert und sich daraus ergebende Einsparpotenziale abgeleitet. Der Fokus liegt dabei auf der Betrachtung und Bewertung von externen, wirtschaftlichen und rechtlichen Gegebenheiten und deren Wirkung auf die zu erzielenden Einsparpotenziale, welche nicht durch das Unternehmen selbst beeinflusst werden können. Demnach sind die Unternehmen diesen Gegebenheiten vollständig ausgesetzt, sodass eine separate Analyse sinnvoll ist. Demgegenüber werden unternehmensspezifische Einflussfaktoren und deren Auswirkungen auf die Einsparpotenziale in diesem Abschnitt nicht weiter betrachtet. Äquivalent zur Bewertung der betriebswirtschaftlichen Potenziale baut die Identifikation günstiger Rahmenbedingungen ebenfalls auf einer numerischen Analyse auf. Zunächst werden mithilfe einer strukturierten Parametervariation neue Probleminstanzen generiert, mithilfe derer die Abbildung verschiedener Szenarien ermöglicht wird (Abschnitt 6.4.1). Anschließend werden, basierend auf dem energiepreisbasierten Modellierungsansatzes (EOLSP)31, die in Abschnitt 6.4.1 generierten Probleminstanzen gelöst und die ermittelten Einsparpotenziale in den jeweiligen Szenarien einer konventionellen Planung gegenüberstellt (Abschnitt 6.4.2).
31Da
bei der Identifikation vorteilhafter Rahmenbedingungen keine Gegenüberstellung der entwickelten Modellierungsansätze notwendig ist, werden die Instanzen ausschließlich mit dem leistungsfähigeren Modellierungsansatz gelöst. Basierend auf der Gegenüberstellung in Abschnitt 6.3 wird der energiepreisbasierte Modellierungsansatz (EOLSP) für die Lösung der Probleminstanzen gewählt.
132
6 Numerische Analyse zur Validierung …
6.4.1 Strukturierte Parametervariation Ziel dieses Abschnitts ist es, mithilfe einer strukturierten Parametervariation mögliche, realitätsnahe Szenarien entsprechend der zu untersuchenden Rahmenbedingungen abzubilden, um damit einhergehende Kosteneinsparpotenziale zu bewerten. Vor dem Hintergrund aktueller Diskussionen über die Höhe des Energiepreises und Schwankungen am Strommarkt wird der Fokus auf die Parameter Volatilität des Energiepreises sowie Höhe der entscheidungsrelevanten Energiepreise als zu variierende Einflussfaktoren gelegt.32 Die technischen Rahmenbedingungen sowie die zufällig erzeugte, vorgegebene Nachfrage bleiben dabei unverändert. Unter der Volatilität des Energiepreises wird die durch saisonale Schwankungen, insbesondere durch den Wechsel von Tag und Nacht, verursachte Abweichung einzelner Energiepreise von einem über die Zeit betrachteten Mittelwert verstanden. Vor dem Hintergrund einer weiteren Zunahme volatiler Energieträger für die Energieerzeugung wird davon ausgegangen, dass sich die Volatilität des Angebots und damit einhergehend die Volatilität der Preise weiter erhöht. Um diese zu erwartenden Veränderungen abzubilden, werden im Folgenden drei Szenarien in Bezug auf die Volatilität des Energiepreises betrachtet. Im Szenario V1 wird die bereits in der Praxis zu beobachtende Volatilität am Strommarkt betrachtet und bildet damit den Status Quo. Für die Szenarien V2 bzw. V3 wird die Volatilität entsprechend den erwarteten Veränderungen verdoppelt bzw. vervierfacht.33 Dementsprechend unterscheiden sich die drei Szenarien in Bezug auf die Höhe der gewählten Energiepreise. Der Verlauf der Energiepreise sowie der Mittelwert der Energiepreise über die Zeit wird durch die genannten Anpassungen innerhalb der Szenarien nicht verändert. Unter der Höhe entscheidungsrelevanter Energiepreise wird die Summe der Energiepreiskomponenten verstanden, welche zeitabhängigen Schwankungen
32Ein
weiterer möglicher Parameter stellt die Länge der Perioden mit festem Energiepreis dar, welcher von der Art des Strommarkts und dem Handelsmarkt abhängt. Da der Einfluss dieses Parameters bereits ausgiebig in Wichmann et al. (2019b) untersucht wurde, wird an dieser Stelle auf eine erneute Betrachtung verzichtet. 33Die Verdopplung der Volatilität erfolgt mithilfe folgender Formel: R
ec
R
ec
R
ec
ecrneu = 2 · ecr − r=1R r + r=1R r . Dabei gibt r=1R r den Mittelwert des Energiepreises über die betrachteten Perioden an.Die genannte Formel kann wie folgt vereinfacht darR ec der Volatilität wird äquigestellt werden: ecrneu = 2 · ecr − r=1R r . Die Vervierfachung R ec valent mit folgender Formel bestimmt: ecrneu = 4 · ecr − 3 · r=1R r .
6.4 Identifikation günstiger Rahmenbedingungen …
133
unterliegen und damit für die Planung entscheidungsrelevant sind. Wie bereits in Abschnitt 2.2.3 aufgezeigt, setzt sich der Energiepreis aus verschiedenen Komponenten zusammen. Ein Großteil, circa 75 Prozent, dieser Komponenten ist bisher nicht zeitabhängig und damit nicht entscheidungsrelevant. Lediglich die Preiskomponenten für Strombeschaffung und Transaktionskosten, circa 25 Prozent des gesamten Energiepreises, unterliegen einer zeitlichen Dynamik und müssen demzufolge in der Planung berücksichtigt werden. Vor dem Hintergrund, dass zukünftig den Konsumenten stärkere Anreize zum Konsum von Energie gegeben werden sollen, stellt die Ausweitung der zeitlichen Dynamik auf weitere Preisbestandteile des Energiepreises eine geeignete Möglichkeit dar. Dementsprechend werden höhere Energiepreise in die Planung einbezogen und wird sich vermutlich stärker am Energiepreis orientiert. Um diese möglichen Veränderungen abzubilden, werden im Folgenden drei Szenarien in Bezug auf die Höhe entscheidungsrelevanter Energiepreise betrachtet. Im Szenario niedrig wird davon ausgegangen, dass allein die Strombeschaffung und Transaktionskosten in Anlehnung an die Strombörse zeitabhängig sind. Dieses Szenario bildet damit den Status Quo. Für die Szenarien mittel bzw. hoch wird die Höhe der entscheidungsrelevanten Energiepreise ausgehend vom Szenario niedrig verdoppelt bzw. vervierfacht.34 Demzufolge unterscheiden sich die Szenarien bezüglich der Mittelwerte der Energiepreise deutlich. So wird im Szenario niedrig angenommen, dass 25 Prozent der Energiekosten zeitabhängig sind, im Szenario mittel 50 Prozent sowie im Szenario hoch 100 Prozent. Die Volatilität der Energiepreise sowie der zeitliche Verlauf werden in den einzelnen Szenarien nicht verändert. Die Basis für die strukturierte Parametervariation bilden die Probleminstanzen mit fünf Produkten und einem langen Planungshorizont.35 Ausgehend von diesen 20 Probleminstanzen werden die genannten Parameter vollfaktoriell (3 ∙ 3) variiert. Hierdurch ergeben sich aus den ursprünglich 20 Probleminstanzen 180 Probleminstanzen, welche sich in der Volatilität sowie in der Höhe entscheidungsrelevanter Energiepreise systematisch unterscheiden. 34Die
Verdopplung derentscheidungsrelevanten Energiepreise erfolgt mithilfe folgender R R ec ec Formel: ecrneu = ecr + r=1R r . Dabei gibt r=1R r den Mittelwert des Energiepreises über die betrachteten Perioden an. Die Vervierfachung der entscheidungsrelevantenEnergieR ec preise kann äquivalent mit folgender Formel bestimmt werden: ecrneu = ecr + 3 · r=1R r . 35Für die Identifikation vorteilhafter Rahmenbedingungen ist es ausreichend, eine Kombination der systematisch variierten Parameterausprägungen aus der numerischen Analyse zu verwenden. Dies wird damit begründet, dass zwischen diesen Kombinationen keine Unterschiede hinsichtlich der Vorteilhaftigkeit von Rahmenbedingungen erwartet werden. Dementsprechend bildet die Parameterkombination mit fünf Produkten und einem langen Planungshorizont die Basis für die numerische Analyse.
134
6 Numerische Analyse zur Validierung …
6.4.2 Gegenüberstellung der Einsparpotenziale hinsichtlich untersuchter Rahmenbedingungen Im Anschluss an die Erzeugung szenariobasierter Probleminstanzen werden in diesem Abschnitt die Kosteneinsparpotenziale gegenüber einer konventionellen Planung bestimmt sowie günstige Rahmenbedingungen abgeleitet. Hierzu wird, wie bereits in Abschnitt 6.3, das EOLSP mithilfe der Gurobi Java API sowie das Formalmodell für die konventionelle Planung mithilfe der CPLEX Java API unter Zuhilfenahme der Zusatzfunktion Solution Pool gelöst. In Bezug auf die Lösbarkeit sowie Lösungszeit zeigt sich, dass das EOLSP 177 der 180 Probleminstanzen innerhalb des Zeitlimits von 3.600 Sekunden optimal löst. Aufgrund der nicht optimalen Lösung von 3 der 180 Probleminstanzen ergibt sich für wenige Szenarien36 ein durchschnittlicher Gap von bis zu 0,02 Prozent zur bis dahin gefundenen oberen Grenze des relaxierten linearen Programms. Die durchschnittliche Lösungszeit liegt bei circa 595 Sekunden. Das computergestützte Modell für die konventionelle Planung löst alle 180 Probleminstanzen optimal. Die durchschnittliche Lösungszeit liegt bei circa 85 Sekunden.37 Insgesamt liegt für die 180 Probleminstanzen sowohl bei der energieorientierten als auch bei der konventionellen Planung eine gute Lösbarkeit mit niedrigen Lösungszeiten vor. Im Anschluss an die Beschreibung der Lösbarkeit gilt es, die Energiekostenund Gesamtkosteneinsparpotenziale einer energieorientierten Planung gegenüber einer konventionellen Planung in den einzelnen Szenarien zu bewerten (vgl. Abbildung 6.7). Insgesamt können folgende zwei Erkenntnisse in Bezug auf die Energiekosten- und Gesamtkosteneinsparpotenziale abgleitet werden. Erstens kann durch die Zunahme der Volatilität das Energiekosteneinsparpotenzial und damit auch das Gesamtkosteneinsparpotenzial deutlich gesteigert werden. Beispielsweise kann bei den Szenarien mit niedrigen entscheidungsrelevanten Energiepreisen durch die Zunahme der Volatilität das Energiekosteneinsparpotenzial von 6,9 auf bis zu 12,9 Prozent sowie das Gesamtkosteneinsparpotenzial von 2,4 auf bis zu 4,6 Prozent gesteigert werden. Dies wird damit begründet, dass sich der Energiepreis in Perioden mit einem bereits niedrigen Energiepreis durch die zunehmende Volatilität weiter
36Ein
Szenario umfasst 20 Probleminstanzen. der Wahl unterschiedlicher Solver sowie verschiedener Lösungsverfahren (mit bzw. ohne Solution Pool) kann an dieser Stelle kein Vergleich der Lösungszeit erfolgen.
37Aufgrund
6.4 Identifikation günstiger Rahmenbedingungen …
135
Abbildung 6.7 Kosteneinsparungen gegenüber konventioneller Planung in verschiedenen Szenarien für Probleminstanzen mit fünf Produkttypen und langem Planungshorizont
reduziert. Äquivalent dazu erhöht sich der Energiepreis in Perioden mit einem bereits höheren Energiepreis. Durch die stärkeren Schwankungen im Energiepreis ergeben sich größere Potenziale zum Senken der Energiekosten, welche mithilfe einer energieorientierten Planung gehoben werden. Zweitens zeigt sich, dass durch die Erhöhung der entscheidungsrelevanten Energiepreise das Gesamtkosteneinsparpotenzial deutlich gesteigert werden kann. So wird beispielsweise bei den Szenarien mit niedriger Volatilität das Gesamtkosteneinsparpotenzial von 2,4 auf bis zu 3,7 Prozent durch die Erhöhung der entscheidungsrelevanten Energiepreise erhöht. Diese Erhöhung resultiert insbesondere daher, dass sich der relative Anteil der anfallenden Energiekosten an den Gesamtkosten durch die Steigerung der Energiepreise erhöht. Betrachtet man im Gegensatz dazu die Veränderungen bezüglich der Energiekosteneinsparpotenziale, dann zeigt sich, dass diese mit der Erhöhung der entscheidungsrelevanten Energiepreise abnehmen. Hierfür gibt es zwei Erklärungen. Die erste Erklärung adressiert negative Energiepreise. Negative Energiepreise treten insbesondere in den Szenarien mit einem niedrigen entscheidungsrelevanten Energiepreis auf. Durch die Nutzung der negativen Energiepreise und der damit einhergehenden Erlöse kann das Energiekosteneinsparpotenzial signifikant gesteigert werden. Dagegen entfallen negative Energiepreise weitestgehend bei den Probleminstanzen mit einem hohen entscheidungsrelevanten Energiepreis, wodurch das Energiekosteneinsparpotenzial deutlich reduziert wird. Die zweite Erklärung adressiert die wirklich beeinflussbaren Energiekosten. Insbesondere in den Szenarien mit einem hohen entscheidungsrelevanten Energiepreis hat sich ein sogenannter Basispreis gebildet, welcher über alle Perioden anfällt.
136
6 Numerische Analyse zur Validierung …
Da dieser aufkommende Basispreis nicht entscheidungsrelevant ist und hierdurch die dadurch anfallenden Energiekosten innerhalb der Planung nicht beeinflusst werden können, sinkt das relative Potenzial zur Senkung der Energiekosten gegenüber den anderen Szenarien.38 Insgesamt zeigt sich, dass die hier skizzierten möglichen Veränderungen einen signifikanten Einfluss auf das Energiekosten- und Gesamtkosteneinsparpotenzial einer energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung haben. So lässt sich festhalten, dass durch die zukünftige Erhöhung der Volatilität am Strommarkt sowohl das Energie- als auch Gesamtkosteneinsparpotenzial gesteigert werden kann. Dadurch haben Konsumenten bei einer stärkeren Volatilität einen höheren Anreiz energieorientiert zu handeln. Darüber hinaus zeigt sich, dass mit einem erhöhten entscheidungsrelevanten Energiepreis das Gesamtkosteneinsparpotenzial zwar ansteigt, das relative Energiekosteneinsparpotenzial jedoch sinkt. Demzufolge resultiert aus der Erhöhung der entscheidungsrelevanten Energiepreise ein höheres absolutes Kosteneinsparpotenzial, einen zusätzlichen Anreiz für energieorientiertes Handeln stellt dies jedoch nicht dar.
6.5 Ableitung von Handlungsempfehlungen Basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen in den numerischen Analysen zur Bewertung betriebswirtschaftlicher Potenziale (Abschnitt 6.3) sowie der Identifikation günstiger Rahmenbedingungen (Abschnitt 6.4), sollen in diesem Abschnitt wesentliche Handlungsempfehlungen für Industrie und Politik abgeleitet werden. Hierzu werden zunächst Handlungsempfehlungen für produzierende Unternehmen (Abschnitt 6.5.1) und anschließend Handlungsempfehlungen für politische Entscheidungsträger (Abschnitt 6.5.2) abgeleitet.
6.5.1 Handlungsempfehlungen für produzierende Unternehmen Die Ergebnisse der numerischen Analyse zeigen, dass die energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung ein effektives Konzept für Unternehmen
38Die
Boxplots für die beobachteten Energiekosten-, Gesamtkosten- und Energiemengeneinsparungen durch den energiepreisbasierten Modellierungsansatz (EOLSP) können den Abbildungen B.4, B.5 und B.6 im Anhang B entnommen werden.
6.5 Ableitung von Handlungsempfehlungen
137
zur Reduktion der Energiekosten bei zeitabhängigen Energiepreisen darstellt. Demzufolge ist die Einführung der energieorientierten Produktionsplanung allen Unternehmen zu empfehlen, welche im Rahmen des Produktionsmanagements eine Entscheidung über die Losgröße und deren Auflagereihenfolge treffen und damit Einfluss auf die zeitabhängige elektrische Leistungsaufnahme nehmen. Im Folgenden werden erfolgversprechende Faktoren, Vorteile und Herausforderungen einer energieorientierten Planung sowie zu erwartende Kosteneinsparpotenziale dargelegt. Im Wesentlichen bestimmen drei Faktoren das erfolgreiche Erreichen eines hohen Kosteneinsparpotenzials in den Unternehmen. Erstens hängt das unternehmensseitige Kosteneinsparpotenzial stark von der Volatilität der Energiepreise ab. Je höher die Volatilität ist, desto höher sind die Potenziale zum Einsparen von Kosten.39 Zweitens eignet sich die energieorientierte Produktionsplanung insbesondere für Unternehmen mit einer zeitabhängigen Leistungsaufnahme, wie beispielsweise die Herstellung heterogener Produkte. Durch die Berücksichtigung heterogener Produkttypen mit einem unterschiedlichen Energiebedarf entstehen zusätzliche Freiheitsgrade in der Produktionsplanung, welche das Potenzial erhöhen.40 Drittens können Unternehmen das Einsparpotenzial durch die Berücksichtigung von längeren Planungszeiträumen deutlich steigern. Dies liegt insbesondere daran, dass durch die Betrachtung von längeren Planungszeiträumen, unter der Annahme von vorhandener Flexibilität, die Produktion von der Nachfrage entkoppelt werden kann. Somit können bereits in Vorperioden Produkte mit einem vergleichsweise günstigen Energiepreis produziert und gelagert werden.41 Ein wesentlicher Vorteil der energieorientierten Produktionsplanung liegt darin, dass nur ein geringer zusätzlicher Aufwand bei der Implementierung besteht. Unter der Annahme, dass bislang die Losgrößen- und Reihenfolgeplanung modellbasiert durchgeführt wurde, muss einzig der zugrundeliegende Planungsansatz angepasst sowie eine Schnittstelle zur Übermittlung zeitabhängiger Energiepreise bereitgestellt werden. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass der Bezug von zeitabhängigen Energiepreisen nur ein geringes Risiko darstellt. Energieversorger mit zeitabhängigen Preisen legen im Normalfall eine Preisobergrenze fest, sodass in Summe keine Mehrkosten gegenüber eines konventionellen Tarifs mit konstantem Energiepreis anfallen.42
39Siehe Abschnitt 6.3.3. 40Die
Wirkung des Einflussfaktors wurde bereits in Wichmann et al. (2019b) gezeigt.
41Siehe Abschnitt 6.3.3. 42Vgl.
Next Kraftwerke (2019b).
138
6 Numerische Analyse zur Validierung …
Den oben genannten Vorteilen stehen jedoch vier wesentliche Herausforderungen gegenüber, welche den Einsatz einer energieorientierten Losgrößenund Reihenfolgeplanung in der Praxis erschweren. Erstens wird für die vielversprechende Anwendung einer energieorientierten Planung Flexibilität im Produktionssystem benötigt. Nur mithilfe dieser Flexibilität, wie beispielsweise Verschiebungen in der Produktion, Vorproduktion mit zusätzlicher Lagerhaltung oder zusätzliche Umrüstungen des Produktionssystems, kann im Rahmen der energieorientierten Planung auf die zeitabhängigen Energiepreise reagiert und ein betriebswirtschaftlich relevantes Potenzial gehoben werden. Zweitens besteht in Bezug auf die zu berücksichtigenden zeitabhängigen Energiepreise Unsicherheit, wenn der Planungszeitraum über die Länge des Day-Ahead-Markts hinausgeht und eine Planung auf Prognosen basiert. Mithilfe einer rollierenden Planung auf Tagesbasis kann die Unsicherheit zwar reduziert werden, jedoch stellt diese einen zusätzlichen Aufwand dar. Drittens werden für die energieorientierte Planung zusätzliche Daten, wie die Leistungsaufnahme der Maschinen im Produktionssystem in Abhängigkeit des Rüst- und Betriebszustands benötigt. Vor dem Hintergrund einer fortschreitenden Digitalisierung sowie einer zunehmenden Einführung von Energiemanagementsystemen ist der Großteil der benötigten Daten jedoch bereits bei zahlreichen Unternehmen vorhanden. Viertens werden im Rahmen der hier vorgestellten energieorientierten Planungsansätze zwar die Energiekosten, jedoch nicht die konsumierten Energiemengen minimiert. Dadurch kann sich gegenüber einer energiemengenorientierten Planung ein signifikanter Mehrverbrauch von Energie ergeben. Damit steht dieser Mehrverbrauch häufig im Konflikt zu den unternehmensseitig kommunizierten ökologischen Nachhaltigkeitszielen. Auf Basis der Ergebnisse aus der numerischen Analyse lässt sich folgendes Potenzial bezüglich der zu erwartenden Kosteneinsparungen ableiten. Mit einer konservativen Rechnung wird ein Energiekosteneinsparpotenzial von 7,3 Prozent ermittelt, welches bei der Gegenüberstellung des EOLSP mit einer konventionellen Planung im Durchschnitt für Probleminstanzen mit kurzem Planungshorizont erzielt wird. Ausgehend von einem jährlichen Energiebedarf von 1.750.000 kWh Strom für die Anlage des Vorzerkleinerungsprozesses und einem entscheidungsrelevanten Energiepreis von 0,05 Euro/kWh, können jährlich knapp 6.400 Euro gespart werden.43 Unter der Annahme, dass sich zukünftig
43Eine
Berücksichtigung weiterer Kostenfaktoren erfolgt an dieser Stelle nicht, da diese im Zuge der Planung nicht beeinflusst werden.
6.5 Ableitung von Handlungsempfehlungen
139
die Volatilität vervierfacht, können jährlich bis zu circa 11.300 Euro eingespart werden.44 Betrachtet man hingegen das Szenario mit einem hohen entscheidungsrelevanten Energiepreis sowie einer hohen Volatilität, können jährlich knapp 24.150 Euro eingespart werden.45 Damit zeigt sich, dass sich für den hier betrachteten Prozess über alle Szenarien hinweg, erhebliche Kostenvorteile durch die Implementierung einer energieorientierten Planung ergeben. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass sich die Ergebnisse nicht grundsätzlich verallgemeinern lassen. Das Energieeinsparpotenzial hängt stark mit dem Einkauf von Energie sowie mit der Flexibilität im Produktionssystem zusammen, weswegen an dieser Stelle auf eine Abschätzung des Energiekosteneinsparpotenzials für alle deutschen Unternehmen verzichtet wird.46
6.5.2 Handlungsempfehlungen für politische Entscheidungsträger Die Ergebnisse aus den numerischen Analysen (Abschnitte 6.3.3 und 6.4.2) sowie die Abschätzungen zum Kosteneinsparpotenzial (Abschnitt 6.5.1) zeigen, dass für Unternehmen ein erheblicher Anreiz besteht, sich im Rahmen einer energieorientierten Planung an zeitabhängigen Energiepreisen zu orientieren. Entsprechend der hier gewonnenen Erkenntnisse ist es für politische Entscheidungsträger zu empfehlen, weiterhin eine Teilkoordination von Stromangebot und Nachfrage mithilfe zeitabhängiger Preise anzubieten bzw. diese stärker auszubauen.47 Im Folgenden werden daher Vor- und Nachteile des Konzepts und der damit angestrebten Koordination am Strommarkt genannt. Einen wesentlichen Vorteil des hier beschriebenen Konzepts zur Teilkoordination von Angebot und Nachfrage am Strommarkt stellt die einfache
44Hierbei
wird ein Energiekosteneinsparpotenzial von 12,9 Prozent betrachtet. wird ein entscheidungsrelevanter Energiepreis von 0,20 Euro/kWh sowie ein Energiekosteneinsparpotenzial von 6,7 Prozent betrachtet. 46Insbesondere größere Unternehmen kaufen Energie direkt an der Strombörse oder haben mit ihren Energieversorgern individuelle Lieferverträge verhandelt, weswegen die tatsächlich gezahlten Energiepreise nicht bekannt sind. Für kleinere und mittelständische Unternehmen kann dagegen von einem Preis bis zu 0,20 Euro/kWh ausgegangen werden. 47Es wird hier von einer Teilkoordination gesprochen, da zusätzlich ein Ausgleich von Angebot und Nachfrage mithilfe von Speichertechnologien, insbesondere Pumpspeicherkraftwerken, erfolgt. 45Hierbei
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6 Numerische Analyse zur Validierung …
Gestaltung des hier verwendeten ökonomischen Instruments dar. Basis hierfür bilden zeitabhängige Energiepreise, welche in Abhängigkeit von Angebot und Nachfrage bestimmt werden. Diese zeitabhängigen Energiepreise geben Unternehmen einen Anreiz, sich am Markt zu orientieren, wodurch eine Koordination erfolgt. Darüber hinaus fördert das hier angewandte ökonomische Instrument die Integration regenerativer Energien. Da regenerative Energien Strom mit einem Grenzkostensatz nahe null Euro produzieren48, sinkt der Energiepreis am Strommarkt bei einer vergleichsweise hohen Einspeisung dieser Energieträger deutlich. Demzufolge findet bei einer unternehmensseitigen Orientierung am Energiepreis ebenfalls eine Orientierung am Angebot regenerativer Energien statt. Ein weiterer Vorteil einer Koordination von Angebot und Nachfrage mithilfe zeitabhängiger Energiepreise liegt darin, dass insgesamt weniger Speichertechnologien zur Entkopplung von Angebot und Nachfrage benötigt werden. Im Gegensatz zur Nutzung zeitabhängiger Energiepreise werden für den Aufbau neuer Speichertechnologien erhebliche Investitionen in Speicherinfrastruktur benötigt, welche bei einer Koordination von Angebot und Nachfrage größtenteils entfallen. Den oben genannten Vorteilen stehen jedoch zwei wesentliche Nachteile gegenüber. Erstens werden durch die Berücksichtigung einer energieorientierten Produktionsplanung im Unternehmen nicht die konsumierten Energiemengen, sondern die Energiekosten reduziert, wie dies bereits bei den Herausforderungen für Unternehmen (Abschnitt 6.5.1) dargestellt wurden. Demzufolge steht das Instrument der zeitabhängigen Energiepreise, wodurch teilweise ein Mehrverbrauch an Energie resultiert, im Konflikt mit dem Ziel einer weltweiten Reduktion des Energiekonsums. Zweitens ist eine Koordination mithilfe zeitabhängiger Energiepreise nur in begrenztem Umfang möglich. Wie bereits bei den Handlungsempfehlungen für produzierende Unternehmen (Abschnitt 6.5.2) diskutiert, wird seitens der Konsumenten Flexibilität benötigt, um eine Orientierung am Energieangebot sicherzustellen. Da diese Flexibilität nur in begrenztem Maße vorhanden ist, eignet sich das Konzept der zeitabhängigen Energiepreise als Koordinationsinstrument ebenfalls nur in begrenztem Umfang. So wird auch zukünftig die Entkopplung von Angebot und Nachfrage mithilfe von Speichertechnologien notwendig sein, um in Zeiten eines niedrigen Angebots regenerativer Energien vorsorglich ausreichend Energie für den Strommarkt zu speichern bzw. um in Zeiten eines starken Überangebots entsprechend Energie aus dem Strommarkt zu leiten.
48Dies
gilt insbesondere für Strom aus Photovoltaik und Windenergie.
7
Kritische Würdigung und Ausblick
Das vorliegende Kapitel hat zum Ziel, den erreichten Stand zu würdigen und zukünftige Forschungsaktivitäten abzuleiten. Hierfür gliedert sich das Kapitel in drei Abschnitte. In Abschnitt 7.1 werden zunächst das Konzept einer Berücksichtigung zeitabhängiger Energiepreise in der simultanen Losgrößen- und Reihenfolgeplanung, die hierzu entwickelten Planungsansätze und die damit erzielten Erkenntnisse gewürdigt sowie damit verbundene Grenzen evaluiert. Daran anschließend wird in Abschnitt 7.2 die Übertragbarkeit der entwickelten Modellierungsansätze auf weitere Planungsprobleme diskutiert. Das Kapitel schließt in Abschnitt 7.3 mit einem Ausblick auf offene Forschungsfragen.
7.1 Würdigung der entwickelten Planungsansätze und erzielten Erkenntnisse Vor dem Hintergrund eines fortschreitenden Klimawandels und einer weltweit steigenden Durchschnittstemperatur steht die Energiewirtschaft als größter CO2-Emittent vor einem herausfordernden Transformationsprozess. Die zukünftige Stromerzeugung soll vorrangig auf regenerativen Energien, wie Wind- und Sonnenenergie, basieren. Um dabei den hohen Anteil regenerativer Energien mit einer wetterabhängig fluktuierenden Einspeisung möglichst effizient zu nutzen, wurde der Strommarkt 2.0 entwickelt. Im Rahmen des Strommarkts 2.0 soll mithilfe von Marktmechanismen eine Koordination zwischen der zeitabhängigen Nachfrage und dem zeitabhängigen Angebot ermöglicht werden. Einen wesentlichen Bestandteil dieser Marktmechanismen stellen Preissignale dar. In Abhängigkeit von Energieangebot und -nachfrage werden zeitabhängige © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Johannes, Energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung bei zeitabhängigen Energiepreisen, Produktion und Logistik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30918-3_7
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7 Kritische Würdigung und Ausblick
Energiepreise gebildet, welche dem Verbraucher einen Anreiz zur Orientierung am verfügbaren Angebot geben. Damit stehen Stromkonsumenten zukünftig vor der Herausforderung, dass Energie in Abhängigkeit der Zeit ein unterschiedlicher Wert beigemessen wird. Insbesondere die Industrie als Großverbraucher von Strom steht demzufolge vor einer Anpassung ihrer bisherigen Planung. In den produzierenden Unternehmen wird die Leistungsaufnahme eines Produktionssystems signifikant durch die operative Planung beeinflusst. So ist die in der operativen Planung festgelegte Abfolge einzelner Maschinenzustände für den Verlauf und teilweise für die Höhe der Leistungsaufnahme verantwortlich. Basierend auf dem abgeschätzten Verlauf der Leistungsaufnahme sowie den exogen gegebenen, zeitabhängigen Energiepreisen können in der operativen Planung die anfallenden Energiekosten abgeschätzt werden. Durch die Abschätzung von Energiekosten kann ein betriebswirtschaftlich sinnvoller Umgang mit den zeitabhängigen Energiepreisen sichergestellt werden. Eine wesentliche und praxisrelevante Planungsaufgabe im operativen Produktionsmanagement stellt die simultane Losgrößen- und Reihenfolgeplanung dar. Den Anforderungen an eine energieorientierte Losgrößenund Reihenfolgeplanung mit zeitabhängigen Energiepreisen werden jedoch die bestehenden Planungsansätze aufgrund einer unzureichenden Betrachtung der genannten Aspekte nicht gerecht. Konzeptioneller Beitrag dieser Arbeit Vor diesem Hintergrund liegt der konzeptionelle Beitrag der vorliegenden Arbeit in der Einführung und Diskussion der energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung als geeignetes Konzept zum Umgang mit zeitabhängigen Energiepreisen. Das entwickelte Konzept zur energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung erweitert bestehende Ansätze der simultanen Losgrößen- und Reihenfolgeplanung, indem in der Planung, zusätzlich zu zeitlich konstanten Kostensätzen, zeitlich variable Kostensätze für Energie berücksichtigt werden und eine Berücksichtigung anfallender Energiekosten in der Zielfunktion erfolgt. Die Abschätzung der anfallenden Energiekosten wird durch die Berücksichtigung der zeitabhängigen Energiepreise sowie der Bestimmung des zeitlichen Ablaufs von Rüst- und Betriebszuständen des Produktionssystems ermöglicht. Demnach bedarf es in den Konzepten der energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung einer Entscheidung über die Abfolge aller Maschinenzustände zur Bestimmung der zustandsabhängigen Leistungsaufnahme über den gesamten Planungshorizont. Demgegenüber werden in konventionellen Konzepten bislang weitestgehend Entscheidungen über Produktionsmengen und Umrüstungen getroffen.
7.1 Würdigung der entwickelten Planungsansätze …
143
Durch die Berücksichtigung von Energiekosten erlauben Ablaufpläne einer energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung die Gesamtkosten im Vergleich zu einer konventionellen Planung zu reduzieren. Die Kosteneinsparung wird weitestgehend durch eine Abstimmung von Energiepreisen und Energieverbrauch ermöglicht. Demzufolge basiert das Konzept auf einer rein planerischen Maßnahme, die keine größere Investition bedarf. Auf Basis des entwickelten Konzepts sollen zukünftig energieintensive Produktionsprozesse in Zeiten niedriger Energiepreise bzw. weniger energieintensive Prozesse in Zeiten hoher Energiepreise durchgeführt werden. Die erreichte Kosteneinsparung basiert dabei ausschließlich auf einer Senkung der anfallenden Energiekosten, da die weiteren Kostenarten äquivalent zu den bisherigen Ansätzen minimiert werden. In Einzelfällen ist es möglich, dass durch eine energieorientierte Planung Rüst-, Lagerhaltungs- oder Bereitschaftskosten erhöht werden, um die Energiekosten in einem überproportionalen Maß zu senken. Ein bedeutender Nebeneffekt der Betrachtung von Energiekosten in der Planung ist die Möglichkeit, Entscheidungen auf Basis einer zahlungsorientierten Bewertung ohne Rückgriff auf kalkulatorische Hilfsgrößen zu unterstützen. Bislang können konventionelle Planungsansätze der simultanen Losgrößen- und Reihenfolgeplanung bei der Betrachtung ausschließlich pagatorischer Kosten an ihre Grenzen stoßen. Der Grund hierfür ist, dass Rüst-, Lagerhaltungs- und Bereitschaftskosten häufig ausschließlich auf kalkulatorischer Basis existieren und nicht zahlungswirksam sind. Demnach liegen bei einer rein zahlungsorientierten Betrachtung keine Kostensätze vor, deren Kostenstruktur eine Entscheidungsunterstützung zulässt. Dagegen können bei einem energieorientierten Planungsansatz den einzelnen Aktivitäten im Produktionssystem, beispielsweise der Umrüstung der Fertigungsmaschine oder der Lagerhaltung von Produkten, Energiebedarfe zugewiesen werden. Auf Basis der zugewiesenen Energiebedarfe ist es möglich, die daraus anfallenden pagatorischen Energiekosten für die benötigten Aktivitäten zu bestimmen. Demzufolge ist in der energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung auf Basis pagatorischer Energiekosten kein Rückgriff auf kalkulatorischen Hilfsgrößen notwendig. Die Entwicklung der nachfolgenden Modellierungsansätze sind mit verschiedenen Annahmen verbunden. So wird im Konzept für die energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung das betrachtete Produktionssystem als ein einzelnes System verstanden, weswegen die Betrachtung von Lastspitzen vernachlässigt wird. Darüber hinaus wird davon ausgegangen, dass für die Durchführung einer energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung relevante Informationen zu Energiepreisen in ausreichender Form von Marktdaten oder Prognosen vorhanden sind.
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7 Kritische Würdigung und Ausblick
Maschinenzustandsbasierter Modellierungsansatz Ausgehend vom Konzept der energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung wird ein maschinenzustandsbasierter Modellierungsansatz entwickelt. Das dazugehörige Formalmodell basiert auf dem General Lot-sizing and Scheduling Problem als hybrider Ansatz für die simultane Losgrößen- und Reihenfolgeplanung. Im Folgenden wird der Ansatz in Bezug auf die wissenschaftliche Leistung, die getroffenen Annahmen, die gewählte Modellierung und das eingesetzte Lösungsverfahren gewürdigt. Aus wissenschaftlicher Sicht gelingt es hierbei, das bestehende Modell um die Berücksichtigung einer weiteren Zeitstruktur zu erweitern, um damit die Modellierung von endogenen Maschinenzuständen und exogen gegebenen, zeitabhängigen Energiepreisen losgelöst voneinander zu ermöglichen. Kern des Planungsansatzes stellt eine Zuordnung der beiden unabhängigen Perioden dar, um Energieverbrauch und Energiepreis chronologisch korrekt einander zuzuordnen. Mithilfe der sowohl hybriden als auch parallelen Zeitstruktur des Modellierungsansatzes gelingt es, zusätzlich zur klassischen Losgrößen- und Reihenfolgeplanung die zeitabhängigen Energiepreise in die Planung mit aufzunehmen und anfallende Energiekosten abzuschätzen. Für die Entwicklung des Formalmodells werden zur Vereinfachung des Entscheidungsproblems und dessen Modellierung sechs Annahmen getroffen. Diese werden im Folgenden diskutiert. Die erste Annahme beschreibt die Betrachtung eines endlichen Planungshorizonts. Damit dient diese Annahme der Abgrenzung des Untersuchungsgegenstands. Grundsätzlich wird zwischen einem unendlichen und einem endlichen Planungshorizont unterschieden, mithilfe derer ein statischer bzw. ein dynamischer Umweltzustand betrachtet werden kann. Da die Produktionssysteme in der betrieblichen Praxis in einer dynamischen Umwelt eingebettet sind, wird klassischerweise in der simultanen Losgrößen- und Reihenfolgeplanung von einem dynamischen Umweltzustand ausgegangen, welcher mithilfe eines endlichen Planungshorizonts modelliert wird. Die zweite Annahme adressiert die Berücksichtigung einer dynamischen und deterministischen Nachfrage. Grundsätzlich ist sowohl die Berücksichtigung einer dynamischen als auch einer stochastischen Nachfrage möglich. Eine stochastische Nachfrage kann auftreten, wenn beispielsweise spontan ein erhöhter Bedarf nach Produkten im Markt besteht bzw. wenn die Nachfrage nach Produkten zeitlich verschoben wird. In Anlehnung an bekannte Ansätze in der Literatur sowie vor dem Hintergrund einer erstmaligen Modellierung zeitabhängiger Energiepreise in der Losgrößen- und Reihenfolgeplanung wird mithilfe der zweiten Annahme das Planungsproblem zumindest hinsichtlich der Nachfrage auf ein deterministisches Problem reduziert.
7.1 Würdigung der entwickelten Planungsansätze …
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Die dritte Annahme stellt mit der Definition der drei Typen von Perioden für die Modellierung eine wesentliche Rahmenbedingung dar. Aufbauend auf der hybriden Zeitstruktur im General Lot-sizing and Scheduling Problem werden im maschinenzustandsbasierten Modellierungsansatz zwei parallele statt einem einzelnen Typ von Mikroperioden verwendet. Mit den insgesamt drei Periodentypen ist es möglich, alle endogenen und exogenen Dynamiken ohne Einschränkung auf einem eigenen Periodentyp zu modellieren. Der einschränkungsfreien Modellierung steht jedoch die Herausforderung der Zuordnung von energiepreisorientierten Perioden zu den maschinenzustandsorientierten Perioden gegenüber. Diese Zuordnung erhöht damit die ohnehin schon hohe Komplexität des Planungsproblems. So werden fünf Typen an Nebenbedingungen im Formalmodell ergänzt, um eine chronologisch korrekte Zuordnung von Maschinenzuständen bzw. deren Leistungsaufnahme zu Energiepreisen sicherzustellen. Darüber hinaus besteht eine weitere Grenze des Modellierungsansatzes darin, dass für die maximale Anzahl an Maschinenzuständen je Makroperiode eine Obergrenze im Voraus festgelegt wird. Zwar kann durch die feste Vorgabe einer Obergrenze eine lineare Modellformulierung entwickelt werden, jedoch kann diese den Lösungsraum unnötig einschränken und die Identifikation optimaler Lösungen beeinträchtigen. Die vierte Annahme beschreibt die Berücksichtigung von vier deterministischen Betriebszuständen. Grundsätzlich werden im maschinenzustandsbasierten Modellierungsansatz vier Betriebszustände berücksichtigt, welche in der Regel ausreichen, um die wesentlichen Betriebszustände in der Praxis zu beschreiben. Für den Sonderfall, dass die vier vorgesehenen Betriebszustände nicht ausreichen, kann die Modellformulierung für die Berücksichtigung weiterer Betriebszustände aufwandsarm erweitert werden. Durch die Berücksichtigung weiterer Betriebszustände kann bei Bedarf die betriebliche Praxis genauer abgebildet werden. Zugleich geht dies jedoch mit einer Steigerung der Komplexität bei der Lösung des Planungsproblems einher. In Anlehnung an bekannte Ansätze der Losgrößen- und Reihenfolgeplanung wird mithilfe der vierten Annahme das Planungsproblem hinsichtlich der Betriebszustände auf ein deterministisches Problem reduziert. Demzufolge werden keine stochastischen Ereignisse, wie Störungen von Maschinen, berücksichtigt. Die fünfte Annahme beschäftigt sich mit der ausschließlichen Betrachtung einer nivellierten Leistungsaufnahme innerhalb eines Maschinenzustands. Dies stellt eine wesentliche Abweichung von der betrieblichen Praxis dar. Gewöhnlich treten in der Praxis, beispielsweise beim Anfahren eines Produktionssystems, Lastspitzen auf. Ebenso können sich Schwankungen in der Leistungsaufnahme innerhalb eines Maschinenzustands über die Zeit ergeben. Dennoch wird davon ausgegangen, dass die Berücksichtigung der Leistungsaufnahme eines
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7 Kritische Würdigung und Ausblick
Maschinenzustands mithilfe eines nivellierten Mittelwerts keine wesentlichen Auswirkungen auf die Abschätzung der Energiekosten für die tatsächlich abgerufene Energiemenge hat.1 Die sechste Annahme beschreibt den Umgang mit betriebswirtschaftlichen Bewertungsgrößen. Dabei wird davon ausgegangen, dass diese in der betrieblichen Praxis in ausreichender Qualität zur Verfügung stehen, um eine entsprechende Planung durchzuführen. Wie bereits mit Hinblick auf die Grenzen des Konzepts diskutiert, wird ebenfalls davon ausgegangen, dass die Energiepreise in ausreichender Form auf Basis von Marktdaten oder Prognosen vorhanden sind. Entsprechend der gewählten Modellierung lehnt sich der maschinenzustandsbasierte Modellierungsansatz für die energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung an den Strukturen bestehender Modelle der simultanen Losgrößen- und Reihenfolgeplanung an. Die Modellierung basiert ebenfalls auf einem gemischt-ganzzahligen Optimierungsmodell. Bereits in den bestehenden Modellen finden sich Entscheidungen über die Losgröße und deren Reihenfolge sowie über die Abfolge der Umrüstungen wieder. Eine zeitlich vollständige Ablaufplanung auf Basis von Maschinenzuständen über den Planungshorizont zur Bestimmung der Leistungsaufnahme wird bislang jedoch weitestgehend vernachlässigt. Darüber hinaus können mithilfe der Ansätze des General Lot-sizing and Scheduling Problem keine exogen gegebenen Energiepreise in kurzen Perioden berücksichtigt werden. Der in dieser Arbeit entwickelte Modellierungsansatz ermöglicht erstmals die Berücksichtigung der genannten Aspekte und damit die Abschätzung von Energiekosten mit zeitabhängigen Energiepreisen. In der allgemein gehaltenen, ökonomischen Zielfunktion können Energiekosten zusätzlich zu weiteren Kostenarten berücksichtigt werden. Eine Erweiterung um die Berücksichtigung weiterer Kostenarten sowie zusätzlicher Restriktionen ist durch die generische Modellierung sichergestellt. Die Lösung von realitätsnahen Planungsproblemen auf Basis einer maschinenzustandsbasierten Modellierung ist aufgrund der umfassenden Anforderungen an die Modellierung sowie den existierenden Abhängigkeiten durch eine hohe Komplexität gekennzeichnet. Dies zeigt sich darin, dass beim Einsatz kommerzieller Solver bereits eine hohe Rechenzeit zur Identifikation zulässiger Lösungen für realitätsnahe Probleminstanzen benötigt wird. Eine Anwendung des Planungsansatzes in der betrieblichen Praxis erscheint damit unmöglich. Dennoch ist es mithilfe kleiner Instanzen möglich, Kosteneinsparpotenziale 1Wird
an dieser Stelle auch eine Berücksichtigung der Kosten für die maximal abgerufene Leistung betrachtet, erscheint die Betrachtung einer nivellierten Leistungsaufnahme nicht sinnvoll.
7.1 Würdigung der entwickelten Planungsansätze …
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einer energieorientierten Planung gegenüber einer konventionellen Planung abzuschätzen und die Vorteilhaftigkeit einer energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung aufzuzeigen. Energiepreisbasierter Modellierungsansatz Ebenfalls ausgehend vom Konzept der energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung wird ein energiepreisbasierter Modellierungsansatz entwickelt. Das dazugehörige Formalmodell basiert auf dem Capacitated Lot-sizing Problem with sequence-dependent setups als hybriden Ansatz für die simultane Losgrößen- und Reihenfolgeplanung. Im Folgenden wird der Ansatz in Bezug auf die wissenschaftliche Leistung, die getroffenen Annahmen, die gewählte Modellierung und das eingesetzte Lösungsverfahren gewürdigt. Aus wissenschaftlicher Sicht gelingt es hierbei, das bestehende Modell so anzupassen, dass auf der gegebenen Zeitstruktur eine voneinander gelöste Modellierung von endogenen Maschinenzuständen und zeitabhängigen Energiepreisen ermöglicht wird. Kern des Planungsansatzes stellt damit eine einzelne Zeitstruktur dar, welche alle endogenen sowie exogenen Dynamiken abbildet. Die wesentliche Herausforderung des energiepreisbasierten Modellierungsansatzes liegt in der chronologisch korrekten Abbildung der Maschinenzustände, insbesondere mit Hinblick auf Umrüstungen. Auf Basis einer geeigneten Modellierung gelingt es zusätzlich zur klassischen Losgrößen- und Reihenfolgeplanung, die zeitabhängigen Energiepreise in die Planung mit aufzunehmen sowie anfallende Energiekosten abzuschätzen. Für die Entwicklung des Formalmodells werden zur Vereinfachung des Entscheidungsproblems und der Modellierung sechs Annahmen formuliert. Da fünf Annahmen des energiepreisbasierten und des maschinenzustandsbasierten Modellierungsansatzes identisch sind, wird eine erneute Diskussion der übernommenen Annahmen an dieser Stelle vernachlässigt. Im Folgenden wird daher ausschließlich die neue Annahme diskutiert, welche die bisherige dritte Annahme des maschinenzustandsbasierten Modellierungsansatzes ersetzt. Die dritte Annahme stellt mit der Definition des Periodentyps für die Modellierung eine wesentliche Rahmenbedingung dar. Entgegen der Nutzung von Makroperioden im Capacitated Lot-sizing Problem with sequence-dependent setups orientiert sich im energiepreisbasierten Modellierungsansatz die Periodenlänge an den Längen der energiepreisorientierten Perioden. So ist es zwar möglich, alle endogenen sowie exogenen Dynamiken ohne Einschränkungen auf einem einzelnen Periodentyp zu modellieren, die Herausforderung besteht jedoch in der Entwicklung einer geeigneten Modellierung. In der Modellierung liegt der Fokus beim Umgang mit sowohl sehr kurzen als auch sehr langen Periodenlängen.
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7 Kritische Würdigung und Ausblick
So werden im Wesentlichen sieben Typen an Nebenbedingungen im Formalmodell ergänzt, um eine chronologisch korrekte Abfolge von Rüst- und Betriebszuständen sicherzustellen. Der Aufwand für die Sicherstellung einer chronologisch korrekten Abfolge von Rüst- und Betriebszuständen erhöht damit die ohnehin schon hohe Komplexität des Planungsproblems. Entsprechend der gewählten Modellierung lehnt sich der energiepreisbasierte Modellierungsansatz für die energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung an den Strukturen bestehender Modelle der simultanen Losgrößen- und Reihenfolgeplanung an. Die Modellierung basiert ebenfalls auf einem gemischt-ganzzahligen Optimierungsmodell. Bereits in den bestehenden Modellen finden sich Entscheidungen über die Losgröße und deren Reihenfolge sowie über die Abfolge der Umrüstungen wieder. Eine zeitlich vollständige Ablaufplanung auf Basis von Maschinenzuständen über den Planungshorizont zur Bestimmung der Leistungsaufnahme wird bislang jedoch weitestgehend vernachlässigt. Ebenfalls können mithilfe der Ansätze des Capacitated Lot-sizing Problem with sequence-dependent setups keine exogen gegebenen Energiepreise in kurzen Perioden berücksichtigt werden bzw. ist eine Modellierung der Rüstund Betriebszustände auf kurzen Perioden zur Erfassung der Leistungsaufnahme über den Planungshorizont bislang nicht möglich. Der in dieser Arbeit entwickelte Modellierungsansatz ermöglicht erstmals die Berücksichtigung der genannten Aspekte und damit die Abschätzung von Energiekosten mit zeitabhängigen Energiepreisen. In der allgemein gehaltenen, ökonomischen Zielfunktion können Energiekosten zusätzlich zu weiteren Kostenarten berücksichtigt werden, wie dies bereits beim maschinenzustandsbasierten Modellierungsansatz möglich ist. Eine Erweiterung um die Berücksichtigung weiterer Kostenarten sowie zusätzlicher Restriktionen ist ebenfalls durch die generische Modellierung sichergestellt. Die Lösung von realitätsnahen Planungsproblemen auf Basis einer energiepreisbasierten Modellierung ist aufgrund der umfassenden Anforderungen an die Modellierung sowie den existierenden Abhängigkeiten durch eine hohe Komplexität gekennzeichnet. Dennoch können mithilfe kommerzieller Solver bereits innerhalb vertretbarer Rechenzeiten optimale Lösungen für realitätsnahe Probleminstanzen gefunden werden. Dementsprechend ist eine Anwendung des energiepreisbasierten Planungsansatzes als Entscheidungsunterstützung in der betrieblichen Praxis möglich. Mithilfe dessen können Kosteneinsparpotenziale gegenüber einer konventionellen Planung in der betrieblichen Praxis abgeschätzt und identifizierte Potenziale gehoben werden.
7.1 Würdigung der entwickelten Planungsansätze …
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Praxisrelevanter Beitrag Für die betriebliche Praxis sind insbesondere die erzielten Einsparpotenziale und die Identifikation günstiger Rahmenbedingungen für eine energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung entscheidend. Um den für die betriebliche Praxis relevanten Beitrag einer energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung abzuschätzen, wird im Rahmen dieser Arbeit auf Basis eines Vorzerkleinerungsprozesses für die stoffliche Verwertung von Elektrogeräten eine numerische Analyse durchgeführt. Der Vorzerkleinerungsprozess eignet sich als praktisches Beispiel im Rahmen der numerischen Analyse besonders, da dieser einen energieintensiven Produktionsprozess darstellt, für dessen Betrieb in der Planung Entscheidungen über die Losgrößen der verschiedenen, zu verwertenden Gerätegruppen und deren Reihenfolge zu treffen sind. Ziel der numerischen Analyse ist es, realisierbare Potenziale abzuschätzen sowie geeignete Rahmenbedingungen zu identifizieren. Zur Bestimmung der Einsparpotenziale wird die energieorientierte Planung einer konventionellen simultanen Losgrößen- und Reihenfolgeplanung gegenübergestellt. Aus der Gegenüberstellung geht hervor, dass durch die energieorientierte Planung signifikante Energiekosteneinsparpotenziale und damit auch betriebswirtschaftlich relevante Gesamtkosteneinsparpotenziale für die Probleminstanzen des Vorzerkleinerungsprozesses erzielt werden können. Außerdem zeigt sich, dass durch eine energieorientierte Planung vielversprechende Energie- und Gesamtkosteneinsparpotenziale in Produktionssystemen erzielt werden können, deren Energiepreise eine hohe Volatilität aufweisen und in denen heterogene Produkttypen mit unterschiedlichen Energiebedarfen produziert werden. Darüber hinaus eignet sich die hier entwickelte energieorientierte Losgrößenund Reihenfolgeplanung für alle Produktionssysteme mit einem hohen Energieverbrauch, in welchen eine Entscheidung über Losgrößen und deren Reihenfolge getroffen wird. Trotz der vielversprechenden Erkenntnisse wird im Folgenden auf zwei wesentliche Grenzen der numerischen Analyse hingewiesen. Die energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung betrachtet zwar die Energiekosten in ihrer Zielfunktion, sie minimiert jedoch nicht die konsumierte Energiemenge. So eignet sich das Konzept nicht für die betriebliche Praxis, wenn der Energieverbrauch minimiert werden soll. Darüber hinaus können in Anlehnung an die numerische Analyse keine Aussagen zu Wechselwirkungen zwischen Energiekosten und weiteren Kostenarten getroffen werden.2 2Für
eine Diskussion zu Wechselwirkungen zwischen Energiekosten und weiteren Kostenarten in einem theoretischen Beispiel wird auf Wichmann et al. (2019b) verwiesen.
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7 Kritische Würdigung und Ausblick
7.2 Übertragbarkeit der entwickelten Modellierungsansätze In diesem Abschnitt wird die Übertragbarkeit der entwickelten Modellierungsansätze mit der Besonderheit von über die Zeit schwankender Kostensätze auf ähnliche Planungsprobleme geprüft. Die in der Arbeit entwickelten Modellierungsansätze zur energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung basieren auf einer generischen Modellierung und sind unabhängig eines genauen Anwendungsfalls. Demnach wird im Folgenden diskutiert, ob die entwickelten Modellierungsansätze in weiteren praktischen Anwendungen eingesetzt sowie zeitabhängige Kostensätze auf weitere Kostenarten übertragen werden können. Das den Modellierungsansätzen zugrundeliegende Realproblem stellt ein theoretisches, generisches Problem in Anlehnung an die Literatur dar. Bei den hier entwickelten Modellierungsansätzen für die Losgrößen- und Reihenfolgeplanung handelt es sich ebenfalls um generische Modellformulierungen. Aufgrund der problemunabhängigen Formulierung der Optimierungsmodelle können die Modellierungsansätze aufwandsarm für weitere praktische Anwendungen adaptiert werden. So kann durch eine Erweiterung der hier dargelegten Ansätze um die Berücksichtigung von prozesstechnischen und organisatorischen Rahmenbedingungen eine Entscheidungsunterstützung in unterschiedlichen Anwendungsbereichen erfolgen. Darüber hinaus ist eine Übertragung der zeitabhängigen Kostensätze auf weitere Kostenarten möglich. So können statt der zeitabhängigen Energiepreise für Strom auch zeitabhängige Preise für Wärmeenergie mithilfe des Planungsansatzes berücksichtigt werden. Darüber hinaus kann der zeitabhängige Kostensatz ebenfalls auf klassische Kostenarten, wie Rüstkosten- oder Lagerhaltungskostensätze, übertragen werden. Beispielsweise können mithilfe der hier entwickelten Planungsansätze in Abhängigkeit der Mitarbeiterverfügbarkeit unterschiedliche Stundensätze für verschiedene Mitarbeitertypen betrachtet werden. Insgesamt besteht mithilfe der hier vorgestellten Modellierungsansätze eine Basis, in Abhängigkeit der Zeit eine unterschiedliche Bepreisung von Aktivitäten zu betrachten.
7.3 Ausblick auf weiteren Forschungsbedarf
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7.3 Ausblick auf weiteren Forschungsbedarf Für die Zukunft ergibt sich Forschungsbedarf in drei Bereichen. Diese umfassen das Anwendungsgebiet, die Erweiterung des Bezugsrahmens um ein Energiesystem und die Lösung des Planungsproblems. In Bezug auf das Anwendungsgebiet und das Realproblem zeigt sich, dass in der vorliegenden Arbeit ein Planungskonzept für einen generischen Anwendungsfall der simultanen Losgrößen- und Reihenfolgeplanung entwickelt wird. Aufgrund der generischen Modellierung ist eine einfache Anpassung der Modellierung auf verschiedene Anwendungsfälle möglich. So kann durch eine Erweiterung der Ansätze um die Berücksichtigung prozesstechnischer und organisatorischer Restriktionen eine Entscheidungsunterstützung für unterschiedliche Anwendungsfälle ermöglicht werden. Entsprechend wird in der numerischen Analyse durch die Berücksichtigung weiterer Restriktionen ein Vorzerkleinerungsprozess einer Recyclinganlage betrachtet. Um abseits der hier erzielten Erkenntnisse das Kosteneinsparpotenzial für weitere Anwendungsfälle abzuschätzen, ist eine Anwendung der energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung in verschiedenen Anwendungsfällen notwendig. So sind zukünftig weitere vielversprechende Produktionsschritte, wie beispielsweise die Warmumformung im Karosseriebau der Automobilindustrie, bezüglich ihres Kosteneinsparpotenzials zu untersuchen. Ebenfalls kann das Realproblem auf mehrere, parallel arbeitende Maschinen erweitert werden. Ein weiterer wesentlicher Forschungsbedarf ergibt sich durch die Erweiterung des Bezugsrahmens um ein Energiesystem. Dabei wird unter dem Energiesystem die Berücksichtigung von Energiespeichern sowie Systemen für eine eigene Energieerzeugung zusätzlich zur Beschaffung von Energie mit zeitabhängigen Preisen verstanden. Durch die Erweiterung des Bezugsrahmens ergeben sich weitreichende Veränderungen im Realmodell und im Formalmodell sowie in der numerischen Analyse in Bezug auf Energiebilanz, technische Rahmenbedingungen von Batteriespeichern und Energieerzeugung. Ein wesentlicher Forschungsbedarf besteht hierbei darin, herauszufinden inwieweit eine energieorientierte Losgrößenund Reihenfolgeplanung unter veränderten Rahmenbedingungen weiterhin vorteilhaft ist.3 Hinzu können durch die Modellierung des Energiesystems im Rahmen
3Eine
erste Betrachtung einer energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung mit Energiesystem findet man in Wichmann et al. (2019a). Hierbei werden unter anderem Batteriespeicher mit unterschiedlichen Kapazitäten und eigene Energieerzeugungssysteme mit unterschiedlichen Leistungen betrachtet.
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7 Kritische Würdigung und Ausblick
der Produktionsplanung Fragen bezüglich einer betriebswirtschaftlich vorteilhaften Dimensionierung von Energiespeichern sowie Systemen zur Energieerzeugung beantwortet werden. Darüber hinaus gewinnt die Betrachtung von EchtzeitSteuerungen zur Entscheidung über die Verwendung eigenerzeigter Energie für derartige Systeme an Bedeutung, um auf stochastische Einflüsse zu reagieren.4 In Bezug auf die Lösung des Planungsproblems ergeben sich für den zukünftigen Forschungsbedarf zwei unterschiedliche Richtungen. Erstens kann weiterhin an der Identifikation der optimalen Lösung mithilfe kommerzieller Solver festgehalten werden. Um dies ebenfalls für große Instanzen sicherzustellen, sollte die Modellformulierung für eine schnelle Lösung dieser Instanzen weiterentwickelt werden. Hierzu wird zwischen zwei unterschiedlichen Vorgehensweisen unterschieden. Einerseits besteht die Möglichkeit, die entwickelten Ansätze in Anlehnung an die Literatur zu reformulieren und dadurch deren Lösbarkeit zu verbessern.5 Andererseits können durch die Einführung zusätzlicher Nebenbedingungen existierende Symmetrien aufgehoben oder unzulässige Lösungen schnell im Lösungsprozess ausgeschlossen werden, sodass ebenfalls die Lösbarkeit des Planungsproblems gesteigert werden kann. Zweitens können zur Lösung von größeren Probleminstanzen heuristische Verfahren Anwendung finden. In Anlehnung an die Literatur erscheinen hierbei insbesondere MIP-basierte Verfahren, wie Fixierungs- und Relaxierungs-Heuristiken, sowie populationsbasierte Metaheuristiken, wie Genetische Algorithmen, erfolgversprechend.6 Insgesamt liegt damit das Ziel in der Entwicklung einer lösungszeitorientierten Modellformulierung bzw. eines effizienten und möglichst exakten Lösungsverfahrens für die energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung.
4Vgl.
Beier et al. (2015); Beier et al. (2017). die Arbeiten von Seeanner (2013) und Wörbelauer et al. (2019) zeigen weitere Möglichkeiten auf, periodenübergreifende Rüstprozesse (in einem GLSP) zu modellieren. So ist es möglich, statt der bisher gewählten Makroperioden im EOGLSP, Mikroperioden für die Modellierung exogener Dynamiken zu verwenden, sodass nur noch zwei Zeitstrukturen verwendet werden. Die Vorteilhaftigkeit dieser Idee ist zukünftig noch zu bewerten. Ebenfalls gilt es, zukünftig die unterschiedlichen Möglichkeiten zur Modellierung periodenübergreifender Rüstprozesse gegenüberzustellen. 6Vgl. hierzu die Anzahl, wie häufig diese zur Lösung von Optimierungsmodellen eingesetzt werden, in Copil et al. (2017). Ein ausführliches Klassifikationsschema für Lösungsverfahren im Rahmen von kapazitierten Losgrößenplanungsproblemen findet man unter anderem in Buschkühl et al. (2010). 5Insbesondere
8
Zusammenfassung
Gemäß den Vereinbarungen der Weltgemeinschaft zur Begrenzung des klimawandelbedingten, weltweiten Temperaturanstiegs auf maximal 2 °C strebt die deutsche Bundesregierung eine vollständige Dekarbonisierung aller CO2-emittierenden Sektoren in Anlehnung an den Klimaschutzplan 2050 an. Demnach wird der Energiewende mit der Transformation der Energiewirtschaft als größten CO2-Emittenten in Deutschland eine wesentliche Bedeutung zur Reduktion der Treibhausgasemissionen und zur Eindämmung des Klimawandels beigemessen. Um eine emissionsfreie Energiewirtschaft zu erreichen, ist es geplant, fossile durch regenerative Energieträger zu substituieren. Demzufolge soll zukünftig der Großteil des Strombedarfs durch Wind- und Sonnenenergie bedient werden. Eine entscheidende Herausforderung im Rahmen dieser Transformation stellt der Umgang mit der wetterabhängig fluktuierenden Einspeisung regenerativer Energien dar. Um deren effiziente Nutzung sicherzustellen, werden im neu gestalteten Strommarkt 2.0 verschiedene Marktmechanismen zur Koordination von Nachfrage und Angebot angeboten. Einen wesentlichen Bestandteil dieser Marktmechanismen stellen Preissignale dar, welche in Abhängigkeit von Angebot und Nachfrage gebildet werden. Hierdurch wird Energie zukünftig in Abhängigkeit der Zeit ein unterschiedlicher Wert beigemessen, sodass Verbraucher einen Anreiz haben, ihren Konsum am verfügbaren Angebot zu orientieren. Bedingt durch die laufende Energiewende steht ebenfalls die Industrie, als größter Abnehmer von Strom, vor wesentlichen Veränderungen. Die Leistungsaufnahme eines produzierenden Unternehmens über die Zeit hängt nahezu ausschließlich von der Abfolge der Rüst- und Betriebszustände des Produktionssystems ab. Demzufolge wird die Leistungsaufnahme signifikant durch die operative Planung und damit die Ablaufplanung des Produktionssystems © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Johannes, Energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung bei zeitabhängigen Energiepreisen, Produktion und Logistik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30918-3_8
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8 Zusammenfassung
beeinflusst. Liegen exogen gegebene, zeitabhängige Energiepreise vor, beeinflusst demnach die Ablaufplanung maßgeblich die anfallenden Energiekosten. Damit stellen diese entscheidungsrelevante Kosten dar. Um einen betriebswirtschaftlich sinnvollen Umgang mit zeitabhängigen Energiepreisen sicherzustellen, müssen zeitabhängige Energiepreise und die zustandsabhängige Leistungsaufnahme gezielt im Rahmen der operativen Planung berücksichtigt werden. Eine für die Praxis bedeutsame Planungsaufgabe im operativen Produktionsmanagement stellt die simultane Losgrößen- und Reihenfolgeplanung dar. Bislang liegen jedoch keine geeigneten quantitativen Ansätze vor, um im Rahmen einer energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung zeitabhängige Energiepreise zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund besteht die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit aus der Entwicklung und Anwendung eines quantitativen Planungsansatzes zur energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung. Mithilfe des entwickelten Ansatzes sollen durch die Berücksichtigung zeitabhängiger Energiepreise in der Losgrößen- und Reihenfolgeplanung realisierbare Einsparpotenziale quantifiziert werden. Darüber hinaus sollen für die betriebliche Praxis vorteilhafte Rahmenbedingungen einer energieorientierten Planung bestimmt und Handlungsempfehlungen für einen erfolgreichen Einsatz abgeleitet werden. Zum Erreichen der Zielsetzung werden, basierend auf der Darstellung von Grundlagen zu den Veränderungen im Strommarkt 2.0 im ersten Schritt (vgl. Kapitel 2), einhergehende Herausforderungen sowie Handlungsbedarfe für produzierende Unternehmen und Anforderungen an einen Ansatz der energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung abgeleitet. Ausgangspunkte stellen sowohl die hohe Relevanz von Strom für den Betrieb der Produktionssysteme in produzierenden Unternehmen als auch die Veränderungen am Strommarkt 2.0 dar. Bedingt durch die Neugestaltung des Strommarkts für einen effizienten Umgang mit regenerativen Energieträgern, zeigt sich, dass energieverbrauchende Unternehmen zukünftig mit zeitabhängigen Energiepreisen einen Anreiz haben, ihren Konsum stärker am Energieangebot zu orientieren. Im Status quo der simultanen Losgrößen- und Reihenfolgeplanung werden bisher zeitabhängige Energiepreise jedoch nur unzureichend betrachtet. Der Fokus der Planung liegt dabei im Wesentlichen auf einer energieeffizienten Planung, da die energieeffiziente Planung bei konstanten Energiepreisen ebenfalls eine kosteneffiziente Planung sicherstellt. Da zukünftig der Energie in Abhängigkeit der Zeit ein unterschiedlicher Stellenwert beigemessen wird, stellt die bisher auf Energieeffizienz ausgerichtete Planung keine kosteneffiziente Planung sicher. Dementsprechend stehen produzierende Unternehmen vor der Herausforderung, neue Ansätze zu entwickeln, um weiterhin eine kosteneffiziente
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Planung zu ermöglichen. Für die Entwicklung eines kosteneffizienten Planungsansatzes für die energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung werden drei Anforderungen abgeleitet: Bestimmung eines gültigen, losgrößen- und reihenfolgebasierten Produktionsplans, Berücksichtigung von zeitabhängigen Energiepreisen (exogene Dynamiken) und Bestimmung der zustandsabhängigen Leistungsaufnahme über die Zeit (endogene Dynamiken). Die abgeleiteten Anforderungen werden anschließend den bestehenden Planungsansätzen zur (energieorientierten) Losgrößen- und Reihenfolgeplanung sowie zur energieorientierten Ablaufplanung gegenübergestellt (vgl. Kapitel 3). Zu diesem Zweck werden zunächst die Grundlagen einer simultanen Losgrößen- und Reihenfolgeplanung in Bezug auf Entscheidungsgrößen und Problemcharakteristika, möglicher Zielkriterien sowie Modellierungskonzepten für die Betrachtung von exogenen sowie endogenen Dynamiken eingeführt. Beim Abgleich der in der Literatur existierenden Ansätze mit den abgeleiteten Anforderungen zeigt sich, dass die wesentliche Herausforderung einer simultanen Berücksichtigung exogener und endogener Dynamiken sowohl von konventionellen als auch von energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanungsansätzen sowie von weiteren Ansätzen einer energieorientierten Ablaufplanung nicht vollständig erfüllt werden. Trotz der dargestellten Schwächen stellen die Modellierungskonzepte des GLSP und des CLSD mit hybriden Zeitstrukturen eine vielversprechende Basis zur Entwicklung geeigneter Formalmodelle für die energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung dar. Für die energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung bei zeitabhängigen Energiepreisen werden ein Formalmodell mit einer maschinenzustandsbasierten Modellierung auf Basis des GLSP (vgl. Kapitel 4) sowie ein Formalmodell mit einer energiepreisbasierten Modellierung auf Basis des CLSD (vgl. Kapitel 5) entwickelt. Für die Entwicklung der beiden Formalmodelle werden zunächst jeweils Realmodelle konzipiert und anschließend geeignete Annahmen formuliert, welche eine Überführung der Real- in Formalmodelle ermöglichen. In den jeweiligen Formalmodellen gelingt es dabei, die besonderen Charakteristika einer energieorientierten Losgrößen- und Reihenfolgeplanung zu operationalisieren. Beide Formalmodelle stellen lineare, gemischt-ganzzahlige Modelle dar. Die zugrundeliegenden Optimierungsmodelle werden als NP-vollständig eingestuft. Auf Basis der beiden entwickelten Modellierungsansätze werden numerische Analysen zur Validierung des Planungskonzepts und der Modellierungsansätze, zur Gegenüberstellung beider energieorientierten Modellierungsansätze, zur Bewertung betriebswirtschaftlicher Einsparpotenziale sowie zur Identifikation
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günstiger Rahmenbedingungen (vgl. Kapitel 6) durchgeführt. Für die Durchführung der numerischen Analyse wird eine Datenbasis für das Anwendungsbeispiel eines Vorzerkleinerungsprozesses zur stofflichen Verwertung von Elektrogeräten entwickelt. Um verschiedene Anwendungsfälle abzubilden, werden zehn Gruppen von Probleminstanzen definiert, deren Parameter sich bezüglich der Anzahl berücksichtigter Produkttypen sowie der Länge des betrachteten Planungshorizonts systematisch unterscheiden. Für jede Gruppe von Probleminstanzen werden zufallsbasiert 20 Nachfrageportfolios herangezogen. Insgesamt werden entsprechend dieser Vorgehensweise 200 Probleminstanzen betrachtet. Mithilfe kommerzieller Solver können auf Basis einer maschinenzustandsbasierten Modellierung für 33 der 200 Instanzen zulässige Lösungen innerhalb des vorgegebenen Zeitlimits gefunden werden. Auf Basis einer energiepreisbasierten Modellierung werden für alle 200 Instanzen zulässige und für 155 Instanzen optimale Lösungen gefunden. Der wesentliche Grund für die unterschiedliche Lösbarkeit der beiden Modellierungsansätze ist die jeweils gewählte Zeitstruktur. Gegenüber einer konventionellen, nicht-energieorientierten Planung können mithilfe des energiepreisbasierten Modellierungsansatzes die Gesamtkosten durchschnittlich um circa 2,3 Prozent und die Energiekosten durchschnittlich um circa 7,7 Prozent reduziert werden. Für die Identifikation günstiger Rahmenbedingungen werden weitere 180 Probleminstanzen betrachtet, welche sich in der Volatilität der Energiepreise sowie der Höhe entscheidungsrelevanter Energiepreise unterscheiden. Insbesondere in Probleminstanzen mit einer hohen Volatilität können die Gesamtkosten durchschnittlich um circa 4,6 Prozent und die Energiekosten durchschnittlich um circa 12,9 Prozent gegenüber einer konventionellen Planung reduziert werden. Demzufolge stellt die energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung ein geeignetes Konzept dar, um in der Industrie mit zeitabhängigen Energiepreisen betriebswirtschaftlich sinnvoll umzugehen. Abschließend werden Handlungsempfehlungen für produzierende Unternehmen sowie politische Entscheidungsträger abgeleitet. Zusammengefasst wird mit dieser Arbeit ein Weg aufgezeigt, wie eine Entscheidungsunterstützung für die simultane Losgrößen- und Reihenfolgeplanung unter Berücksichtigung zeitabhängiger Energiepreise für die industrielle Produktion geleistet werden kann. So eignen sich beide Modellierungsansätze für die Bestimmung eines zulässigen, losgrößen- und reihenfolgebasierten Produktionsplans sowie für die Berücksichtigung exogen gegebener Energiepreise und der auf den endogenen Maschinenzuständen basierenden Leistungsaufnahme. Insbesondere der energiepreisbasierte Modellierungsansatz ermöglicht die Identifikation zulässiger bis optimaler Lösungen für realitätsnahe Probleminstanzen mithilfe kommerzieller Solver innerhalb eines für operative
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Planungsaufgaben vertretbaren Zeitlimits. Mithilfe dieser Ansätze ist es erstmalig möglich, die Einsparpotenziale in der simultanen Losgrößen- und Reihenfolgeplanung durch die Berücksichtigung zeitabhängiger Energiepreise gegenüber einer konventionellen Planung zu quantifizieren. Darüber hinaus können durch den Einsatz der entwickelten Ansätze im Rahmen praktischer Anwendungen zukünftig bisher ungenutzte betriebswirtschaftliche Potenziale gehoben werden. Auf Basis einer ausführlichen Diskussion der gewählten Methodik, getroffenen Annahmen sowie deren Anwendung in den Probleminstanzen sind beide Modellierungsansätze sowie die erzielten Erkenntnisse als hinreichend valide für eine Abschätzung der Einsparpotenziale einzuschätzen. Somit stellt die Arbeit zur energieorientierte Losgrößen- und Reihenfolgeplanung unter Berücksichtigung zeitabhängiger Energiepreise einen wesentlichen Beitrag für Wissenschaft und Praxis dar (vgl. Kapitel 7).
A Optimierungsmodell für konventionellen Planungsansatz
Der eingesetzte konventionelle Planungsansatz basiert auf der Modellformulierung aus Abschnitt 5.4. Lediglich die Zielfunktion (5.1) wird durch die Zielfunktion (A.1) ersetzt. Die Zielfunktion (A.1) minimiert dabei die Gesamtkosten, bestehend aus Rüst-, Lagerhaltungs- und Bereitschaftskosten.
Minimize
K K R r=1 k ′ =0 k=0
zk ′ ,k,r · sck ′ ,k +
R K k=1 r=1
Ik,r · hck,r +
R K
qk,r · pck
k=0 r=1
(A.1) Die weiteren Nebenbedingungen (5.2)–(5.21) werden unverändert übernommen.
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B Boxplots der Ergebnisse der numerischen Analyse
Abbildung B.1 Boxplot der Gesamtkosteneinsparungen durch das EOLSP gegenüber einer konventionellen Planung in Probleminstanzen zur Bewertung betriebswirtschaftlicher Potenziale
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B Boxplots der Ergebnisse der numerischen Analyse
Abbildung B.2 Boxplot der Energiekosteneinsparungen durch das EOLSP gegenüber einer konventionellen Planung in Probleminstanzen zur Bewertung betriebswirtschaftlicher Potenziale
Abbildung B.3 Boxplot der Energiemengeneinsparungen durch das EOLSP gegenüber einer konventionellen Planung in Probleminstanzen zur Bewertung betriebswirtschaftlicher Potenziale
B Boxplots der Ergebnisse der numerischen Analyse
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Abbildung B.4 Boxplot der Gesamtkosteneinsparung durch das EOLSP gegenüber einer konventionellen Planung in Probleminstanzen zur Identifikation günstiger Rahmenbedingungen
Abbildung B.5 Boxplot der Energiekosteneinsparung durch das EOLSP gegenüber einer konventionellen Planung in Probleminstanzen zur Identifikation günstiger Rahmenbedingungen
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B Boxplots der Ergebnisse der numerischen Analyse
Abbildung B.6 Boxplot der Energiemengeneinsparung durch das EOLSP gegenüber einer konventionellen Planung in Probleminstanzen zur Identifikation günstiger Rahmenbedingungen
C Optimierungsmodell für energiemengenorientierten Planungsansatz
Der eingesetzte energiemengenorientierte Planungsansatz basiert auf der Modellformulierung aus Abschnitt 5.4. Lediglich die Zielfunktion (5.1) wird durch die Zielfunktion (C.1) ersetzt. Die Zielfunktion (C.1) minimiert dabei die eingesetzte Energiemenge, welche in den betrachteten Maschinenzuständen über alle Perioden konsumiert wird. Die weiteren Nebenbedingungen (5.2)–(5.21) werden unverändert übernommen.
Minimize
K R r=1 k=0
ak · qk,r ·
q pk
+ qk,r ·
q pk
+
K
lkz ′ ,k,r
·
pzk ′ ,k
(C.1)
k ′ =0
Das computergestützte Modell wird auf Basis des veränderten Formalmodells in der Modellierungsumgebung CPLEX Java API implementiert. Zur Lösung des mathematischen Modells wird der Solver CPLEX 12.7.1 verwendet. Wie bereits bei der Bestimmung der Lösungen für konventionelle Planungsansätze wird hier ebenfalls die Zusatzfunktion Solution Pool verwendet. Für den Vergleich der Lösungen mit dem entwickelten energiepreisbasierten Modellierungsansatz wird aus den maximal 10 betrachteten Lösungen die beste Lösung ausgewählt.1
1Siehe Abschnitt
6.3.1.
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C Optimierungsmodell für energiemengenorientierten Planungsansatz
Tabelle C.1 Gegenüberstellung von EOLSP und energiemengenorientiertem Planungsansatz in Bezug auf Anzahl gefundener (optimaler) Lösungen, durchschnittliche Lösungszeit und durchschnittlicher Gap über alle Instanzen
Um die eingesetzte Energiemenge sowie die anfallenden Energie- und Gesamtkosten mit denen des energiepreisbasierten Modellierungsansatzes zu vergleichen, werden die 100 Probleminstanzen mit einem langen Planungshorizont durch den energiemengenorientierten Ansatz gelöst. In Bezug auf die Lösbarkeit und die resultierenden Lösungszeiten des energiemengenorientierten Planungsansatzes können die folgenden drei Erkenntnisse abgleitet werden (vgl. Tabelle C.1). Erstens werden für alle Instanzen innerhalb des Zeitlimits von 3600 Sekunden zulässige Lösungen gefunden. Zweitens stellen insbesondere bei den Probleminstanzen mit wenigen Produkten die gefundenen Lösungen optimale Lösungen dar. Aufgrund der mit wachsender Produktanzahl ansteigenden Lösungszeit stellt die gefundene Lösung bei den Probleminstanzen mit mehreren Produkten häufig nicht die optimale Lösung dar. Drittens weisen die gefundenen, aber nicht optimalen Lösungen am Ende der Lösungszeit einen Gap zur bis dahin gefundenen oberen Grenze des relaxierten linearen Programms auf. Der Gap beträgt in den Probleminstanzen mit sieben Produkttypen nach 3600 Sekunden durchschnittlich 2 Prozent. Damit zeigt sich, dass der energiemengenorientierte Planungsansatz gegenüber dem energiepreisbasierten Modellierungsansatz aufgrund der anderen Bewertungsstruktur – ausschließlich Energiemengen statt Gesamtkosten – eine deutlich höhere Komplexität aufweist.
C Optimierungsmodell für energiemengenorientierten Planungsansatz
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Abbildung C.1 Vergleich des EOLSP mit einer energiemengenorientierten Planung in Bezug auf eingesetzte Energiemenge sowie anfallende Energie- und Gesamtkosten
Ziel der Betrachtung des mengenorientierten Planungsansatzes ist die Gegenüberstellung der eingesetzten Energiemenge sowie der anfallenden Energie- und Gesamtkosten im Vergleich zum energiepreisbasierten Modellierungsansatz (EOLSP) (vgl. Abbildung C.1). Insgesamt zeigt sich, dass der energiemengenorientierte Planungsansatz hinsichtlich der Minimierung der eingesetzten Energiemenge deutlich besser abschneidet als der energiepreisbasierte Modellierungsansatz. Trotz des erhöhten Energieverbrauchs gelingt es dem energiepreisbasierten Modellierungsansatz gegenüber dem energiemengenorientierten Planungsansatz die Energie- sowie die Gesamtkosten signifikant zu reduzieren. Die Energiekosten können dabei durchschnittlich um circa 2,2 Prozent sowie die Gesamtkosten durchschnittlich um circa 0,7 Prozent gesenkt werden. In den Probleminstanzen mit sieben Produkttypen erscheint eine höhere Kosteneinsparung durch das EOLSP möglich. Jedoch resultiert der Anstieg der Energiekostenersparnis auf circa 3,36 Prozent sowie der Gesamtkostenersparnis auf 1,11 Prozent teilweise dadurch, dass der energiemengenorientierte Planungsansatz einen deutlich größeren Gap der gefundenen Lösungen zum relaxierten linearen Programm als in den weiteren Probleminstanzen aufweist. Insgesamt kann mithilfe der Gegenüberstellung gezeigt werden, dass unter Berücksichtigung von zeitabhängigen Energiepreisen der gezielte Mehrverbrauch von Energie wirtschaftlich vorteilhaft sein kann. Dieser wirtschaftliche Vorteil ergibt sich unter anderem durch die Nutzung von negativen Energiepreisen, einer zusätzlichen Umrüstung oder dem Aufrechterhalten eines Rüstzustands, um die Produktion in Zeiten eines niedrigen Energiepreises zu verschieben.
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