Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit [1 ed.] 9783428497393, 9783428097395

Gegenstand der Arbeit ist eine Analyse der Konflikte zwischen kommunaler Planungshoheit und eisenbahnrechtlicher Planfes

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Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit [1 ed.]
 9783428497393, 9783428097395

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Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht

Band 62

Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit Von

Reimar Buchner

Duncker & Humblot · Berlin

REIMAR BUCHNER

Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht Herausgegeben von Wolfgang Graf Vitzthum in Gemeinschaft mit Martin Heckei, Karl-Hermann Kästner Ferdinand Kirchhof, Hans von Mangoldt Martin Nettesheim, Thomas Oppermann Günter Püttner, Michael Ronellenfitsch sämtlich in Tübingen

Band 62

Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

Von Reimar Buchner

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Buchner, Reimar: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit I von Reimar Buchner. - Berlin : Duncker und Humblot, 2001 (Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht ; Bd. 62) Zug!.: Tübingen, Univ., Diss., 1998 ISBN 3-428-09739-4

D 21 Alle Rechte vorbehalten Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany

© 2001

ISSN 0935-6061 ISBN 3-428-09739-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 9

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Untersuchung lag im Sommersemester 1998 der Juristischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen als Dissertation vor. Infolge der Neufassung des Baugesetzbuches während des Promotionsverfahrens mußte die Arbeit aktualisiert werden. Dies hat wegen der gleichzeitig zu berücksichtigenden Fülle von Literatur und Rechtsprechung und der zeitlichen Belastung durch meine Tätigkeit als Rechtsanwalt einige Zeit in Anspruch genommen; die Arbeit ist nun auf dem Stand Spätherbst 2000. Besonderer Dank gebührt Herrn Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch. Er hat die Anregung zur Behandlung des Themas gegeben, sie von Anfang an persönlich betreut und sich der Mühe der Korrektur unterzogen. Herrn Prof. Dr. Günter Püttner danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens. Für die Aufnahme der Dissertation in die "Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht" bedanke ich mich bei Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Wo((gang Graf Vitzthum. Vor allem aber danke ich meinen Eltern, ohne deren Unterstützung diese Arbeit nicht möglich gewesen wäre und denen sie gewidmet ist. Stuttgart, im November 2000

Reimar Buchner

Inhaltsverzeichnis Einleitung A. ProblemstelIung

....................................

B. Gang der Untersuchung

...............................

21 21 24

1. Kapitel

Überblick über die Planfeststellung nach dem AEG

26

A. Die Funktion der eisenbahnrechtlichen PlanfeststelIung . . . . . . . . . . . .

26

I. Die PlanfeststelIung als fachplanerische Raumnutzungsentscheidung . . . .

27

H. Die PlanfeststelIung als Genehmigungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . .

27

B. Anwendungsbereich und Gegenstand der PlanfeststelIung nach § 18 Abs. I S. 1 AEG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

I. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

11. Der Gegenstand der PlanfeststelIung

.......................

29

I. Betriebsanlagen der Eisenbahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

a) Legaldefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

b) Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

2. Bau und Änderung

................................

33

3. Notwendige Folgernaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

4. Erweiterung durch das anzuwendende materielIe Recht . . . . . . . . . .

34

5. Negative Abgrenzung zu sonstigen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . .

34

C. Rechtswirkungen und Rechtsnatur des PlanfeststelIungsbeschlusses

35

10

Inhaltsverzeichnis

I. Rechtswirkungen

35

1. Genehmigungswirkung

35

2. Konzentrationswirkung

36

a) Umfang der Konzentrationswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

b) Abgrenzung zum Problem der Verdrängung materiellen Rechts durch spezielle Regelungen des Eisenbahnrechts . . . . . . . . . . . . . . . .

37

aa) Verhältnis des AEG zum Landesrecht . . . . . . . . . . . . . . . .

37

bb) Verhältnis des AEG zu sonstigem Bundesrecht, insbesondere zum BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

3. Gestaltungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

4. Ausschlußwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

5. Enteignungsrechtliche Vorwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

11. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

D. Planerische Gestaltungsfreiheit und ihre Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . .

42

I. Planerische Gestaltungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

I. § 18 Abs. 1 AEG als gesetzliche Ermächtigung der Planfeststellungsbe-

hörde zur Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2. Einwände

42

......................................

43

a) Fehlende planerische Tätigkeit der Planfeststellungsbehörde .....

43

b) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Einräumung planerischer Gestaltungsfreiheit bei Projekten privater Vorhabenträger . . . . . . .

44

aa) Unvereinbarkeit planerischer Gestaltungsfreiheit mit dem Grundrechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

bb) Grundrechtsberechtigung der Eisenbahnunternehmen . . . . . . .

44

aaa) Private Eisenbahnunternehmen

44

bbb) Eisenbahnen des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

H. Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

l. Planfeststellungsverfahren

............................

51

a) Planaufstellung und Antrag durch den Träger des Vorhabens ....

52

b) Anhörungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

aa) Behördenbeteiligung und Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

bb) Einwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

11

Inhaltsverzeichnis cc) Erörterungstermin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

dd) Stellungnahme der Anhörungsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . .

55

c) Feststellungsverfahren und PIanfeststellungsbeschluß . . . . . . . . . .

55

2. Materielle Rechtmäßigkeitsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

a) Planrechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

aa) Grundlage und Anforderungen des Gebots der PIanrechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

..............

57

cc) Planrechtfertigung flir Vorhaben privater Eisenbahnunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

b) Bindung an zwingende Rechtsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . .

59

c) Abwägungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

bb) Planrechtfertigung flir den Eisenbahnbau

E. Ausnahmen vom Erfordernis der Planfeststellung

...............

61

I. Die Plangenehmigung nach § 18 Abs. 2 AEG . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

..........................

62

2. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

Das Entfallen von Planfeststellung und Plangenehmigung gern. § 18 Abs. 3 AEG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

I. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

2. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

I. Anwendungsvoraussetzungen

n.

2. Kapitel

Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit bei der Neuplanung von Eisenbahnbetriebsanlagen

67

A. Die Kollisionsproblematik zwischen eisenbahnrechtlicher Fachplanung und kommunaler Bauleitplanung bei der Neuplanung von Bahnanlagen ....

67

B. Die gesetzliche Regelung des Zusammentreffens der eisenbahnrechtlichen Fachplanung mit der kommunalen Bauleitplanung in den §§ 7, 38 BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

I. Die konstitutive Bedeutung der §§ 7, 38 BauGB flir das Verhältnis der Fachplanung zur vorhandenen Bauleitplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

Inhaltsverzeichnis

12

I. Kein allgemeiner Vorrang der überörtlichen vor der örtlichen Planung

70

2. Kein Vorrang aufgrund der Spezialität der eisenbahnrechtlichen PIanfeststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

3. Kein Vorrang der Planfeststellung aufgrund der Konzentrationswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

...............

72

.................................

72

11. Die Regelung des Verhältnisses der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung zum vorhandenen Flächennutzungsplan in § 7 BauGB . . . . . . . . . . . .

72

I. Anpassungspflicht für öffentliche Planungsträger an den Flächennutzungsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

4. Kein Rangverhältnis aufgrund der Rechtsform

5. Zwischenergebnis

2. Vorrang der Fachplanung nach Widerspruch des öffentlichen Planungs-

trägers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

...........................

74

a) Private Eisenbahninfrastrukturuntemehmen - insbesondere die DB AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

b) Planfeststellungsbehörde

...........................

76

4. Vorrangige ..Planungen" LS.d. § 7 BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

III. § 38 BauGB als Kollisionsregel im Verhältnis zum vorhandenen Bebauungsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

I. Der Vorrang der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung vor dem Bebauungsplan .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

2. ,,Planfeststellungen und sonstige Verfahren ... für Vorhaben von überörtlicher Bedeutung" als privilegierte Planungen . . . . . . . . . . . . . . ..

80

3. Öffentlicher Planungsträger

a) Planfeststellung und Plangenehmigung

..................

80

b) Sachlicher Umfang der Privilegierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

aa) Der Gegenstand der Planfeststellung als Grenze der Privilegierung der Fachplanungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

bb) ..Überörtliche Bedeutung" der Planungen . . . . . . . . . . . . . .

81

3. Einschränkung des Vorrangs der Eisenbahnplanung durch § 7 BauGB

82

4. Beteiligung der Gemeinde und Berücksichtigung städtebaulicher Belange als Voraussetzung der Privilegierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

82

IV. Umsetzung des Vorrangs der Eisenbahnplanung vor der Bauleitplanung.

83

I. Gegenüber dem Bebauungsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

2. Gegenüber dem Flächennutzungsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

13

Inhaltsverzeichnis C. Vorgaben durch die verfassungsrechtliche Gewährleistung der kommunalen Planungshoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I. Vorüberlegung

85 85

II. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

.................................... .

89

a) Die Funktion der kommunalen Selbstverwaltung im Staatsaufbau ..

89

b) Ausschluß eines grundrechtlichen Gehalts

............... .

90

2. Die herrschende Auslegung des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG . . . . . ... .

92

I. Grundlagen

a) Institutionelle Garantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

b) Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

aa) Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft . . . . . . . . . . . .

95

bb) Eigenverantwortliche Regelung

97

c) Gesetzesvorbehalt

98

............ ...... .

99

d) Schranken der gesetzlichen Eingriffe

99

aa) Generelle gesetzliche Regelungen aaa) Hinsichtlich der gemeindlichen Selbstverwaltungsangelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

(I) Kembereich ...

100

(2) Randbereich . . .

101

bbb) Hinsichtlich der Eigenverantwortlichkeit

....

103

bb) Schranken für individuell-konkrete Eingriffe zu Lasten einzelner Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

104

3. Die Kritik an der Auslegung des Art. 28 Abs. 2 S. I GG als institutionelle Garantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

107

4. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

108

a) Art. 28 Abs. 2 S. I GG als subjektives Recht

108

b) Folgen der subjektiv-rechtlichen Sicht für die Auslegung des Art. 28 Abs. 2 S. I GG . . . . . . . . . . . .

110

5. Zwischenergebnis

112

III. Konsequenzen für den verfassungsrechtlichen Schutz der kommunalen Planungshoheit und die Auslegung der §§ 7 und 38 BauGB . . . . . . . . . .

113

I. Die Bauleitplanung als Teil der kommunalen Planungshoheit - zugleich zur Bedeutung der §§ 7 und 38 BauGB und ihrer Vereinbarkeit mit Art. 28 Abs. 2 S. I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

114

a) Die Bauleitplanung als Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft.

114

14

Inhaltsverzeichnis b) Die §§ 7, 38 BauGB als Grundlage eines Eingriffs in die Planungshoheit der einzelnen Gemeinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

115

c) Die Vereinbarkeit der §§ 7, 38 BauGB mit Art. 28 Abs. 2 S. I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

117

2. Elemente der Planungshoheit neben der Bauleitplanung . . . . . . . . ..

119

a) Informelle Planungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

120

b) Ausdehnung der Planungshoheit auf den Schutz vor Situationsänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

121

c) Bestehende gemeindliche Einrichtungen als Teil der Planungshoheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

123

d) Weitere begriffliche Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

124

3. Voraussetzungen der Wehrfähigkeit der kommunalen Planungshoheit

.

125

a) Beeinträchtigung einer vorhandenen, konkreten Planung oder Entzug wesentlicher Teile des Gemeindegebietes . . . . . . . . . . . . . . . ..

125

b) Rechtmäßigkeit der Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

126

c) Intensität des Eingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

127

aa) Bundesverwaltungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

127

bb) Die Auffassung Lerches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

129

cc) Die von Steinberg begründete Auffassung . . . . . . . . . . . . ..

129

dd) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

130

D. Die Berücksichtigung der kommunalen Planungshoheit bei der Eisenbahnplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

134

I. Kommunale Planungshoheit und Planfeststellung . . . . . . . . . . . . . . ..

134

1. Die Beteiligung der Gemeinde im Planfeststellungsverfahren . . . . . .

134

a) Behördenbeteiligung gern. § 73 Abs. 2 VwVfG

............

134

.................

135

aa) Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts . . . . . . . . . .

135

bb) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

135

2. Kommunale Planungshoheit und materielle Rechtmäßigkeit . . . . . . .

137

a) Planrechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

137

b) Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

138

b) Beteiligung gern. § 73 Abs. 4 VwVfG?

11. Kommunale Planungshoheit und Plangenehmigung

..............

140

rnhaltsverzeichnis E. Rechtsschutz

15

......................................

I. Hauptsacheverfahren

142

.................................

142

1. Anfechtungsklage gegen den PIanfeststellungsbeschluß . . . . . . . . . .

142

a) Ausschluß des Widerspruchsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . .

142

b) Klagebefugnis gern. § 42 Abs. 2 VwGO . . . . . . . . . . . . . . . ..

142

c) Kontrollumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ,

144

aa) Objektive Rechtmäßigkeitskontrolle? . . . . . . . . . . . . . . . . .

144

bb) Erweiterung des Kontrollumfangs durch das Abwägungsgebot.

145

d) Beschränkungen durch § 20 Abs. 7 AEG . . . . . . . . . . . . . . . .

147

2. Verpflichtungsklage auf Planergänzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

148

11. Vorläufiger Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

149

1. Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

149

2. Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO.

150

3. Kapitel Die kommunale Planungshoheit während der Geltung der eisenbahnrechtlichen Fachplanung

151

.......................................

151

B. Die Beschränkung der gemeindlichen Planungshoheit . . . . . . . . . . . ..

152

I. Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

152

I. Analoge Anwendung des § 38 BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

152

2. Grundsatz der zeitlichen Priorität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

153

11. Voraussetzungen der Beschränkung der Planungshoheit . . . . . . . . . . ..

154

A. Einführung

1. Wirksamer PIanfeststellungsbeschluß bzw. wirksame Plangenehmigung

154

2. Widmung der Bahnanlage als Grundlage der Beschränkung der gemeindlichen Planungshoheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

156

a) Selbständige Widmung und AEG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

156

aa) Das Fehlen der notwendigen gesetzlichen Grundlage für eine selbständige Widmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

156

bb) Die fehlende planungsrechtIiche Relevanz der Widmung

159

....

16

Inhaltsverzeichnis b) Sonderstellung der Altanlagen . . . . . . . .

162

aa) Isoliert gewidmete Altanlagen . . . . . . . . . . . . .

162

bb) Altanlagen, die nach vorheriger Planfeststellung eigenständig gewidmet wurden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

164

III. Zwischenergebnis

.................................. .

165

C. Die Bauleitplanung während der Geltung der eisenbahnrechtlichen Fachplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

165

I. Erforderlichkeit der Bauleitplanung gern. § 1 Abs. 3 BauGB

166

H. Der zwingend zu beachtende Vorrang der Fachplanung . . . . . . . . . . ..

167

IH. Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

169

D. Zulassung eisenbahnbetriebsfremder Vorhaben auf planfestgestelltem Bahngelände und kommunale Planungshoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

170

I. Erteilung einer Baugenehmigung nach der Landesbauordnung . . . . . . .

170

..........................

170

I. Baugenehmigungsverfahren

a) Voraussetzungen der Baugenehmigungspflichtigkeit nach der Landesbauordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

170

b) Keine Ausnahme für eisenbahnbetriebsfremde Vorhaben der DB AG.

171

c) Einvernehmen der Gemeinde

...........

172

...............

173

2. Materielle Anforderungen

H. Planfeststellung zur Errichtung bautechnisch einheitlicher, gemischt genutzter Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

174

I. Notwendigkeit eines Planfeststellungs- bzw. Plangenehmigungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

174

2. Verhältnis zur Bauleitplanung der Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . ..

175

a) Alleinige Planungskompetenz der Planfeststellungsbehörde? . . . . aa) § 18 Abs. I S. I AEG

.. .

176 176

bb) § 75 Abs. I VwVfG .. . .

176

cc) § 78 VwVfG

177

b) Kooperative Planung der Planfeststellungsbehörde und der Ge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. meinde . . . . . . . . .

179

Inhaltsverzeichnis

17

III. Rechtsschutz der Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

180

1. Baugenehmigungspflichtige Vorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

180

2. Planfeststellungspflichtiger Umbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

181

4. Kapitel Die Beseitigung der rechtlichen Zweckbestimmung der Anlagen für den Bahnbetrieb und die kommunale Planungshoheit A. EinfUhrung

182

.......................................

182

I. Aufgabe von Eisenbahnbetriebsanlagen und Voraussetzungen der anderweitigen Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

182

II. Beseitigung der rechtlichen Zweckbestimmung und kommunale Planungshoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

183

B. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts . . . . . . . . . . . . ..

184

I. Gründe des Wegfalls des Rechtscharakters als Eisenbahnbetriebsanlage ..

185

1. Funktionslosigkeit der Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

185

2. Planfeststellungsverfahren oder "Entwidmung" . . . . . . . . . . . . . . .

185

11. Anspruch der Standortgemeinde auf Offenlegung der in bezug auf die Bahnanlage beabsichtigten Dispositionen in einer hoheitlichen Erklärung der Bahn. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

187

III. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

188

I. Die Notwendigkeit einer eindeutigen Bestimmung der Rechtsgrundlage .

188

a) Veränderte Rechtsstellung der Eisenbahnunternehmen . . . . . . . . .

189

b) Funktion und Konzentrationswirkung des PIanfeststellungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

190

2. Zum Anspruch der Gemeinde auf eine hoheitliche Erklärung . . . . . .

191

C. Zur Rechtsgrundlage der Beseitigung der Zweckbestimmung fUr den Eisenbahnbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

192

I. Wegfall der Zweckbestimmung durch Beendigung der Wirksamkeit des Planfeststellungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

192

I. Unmittelbarer Wegfall der Wirksamkeit des PIanfeststellungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

193

2 Buchner

18

Inhaltsverzeichnis a) § 20 Abs. 4 S. I AEG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

193

b) Erledigung "auf andere Weise" i.S des § 43 Abs. 2 VwVfG

....

194

................

195

bb) Funktionslosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

196

2. Wegfall der Wirksamkeit durch hoheitliches Handeln . . . . . . . . . . .

196

a) Entwidmung der Eisenbahnbetriebsanlage? . . . . . . . . . . . . . . ..

196

b) Aufhebung im Planfeststellungsverfahren? . . . . . . . . . . . . . . . .

198

c) Erledigung mit Erteilung der Stillegungsgenehmigung gern. § 11 AEG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

201

d) Aufhebung gern. § 77 VwVfG?

aa) Verzicht des Eisenbahnunternehmers?

......................

203

e) Aufhebung gern. §§ 48, 49 VwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

204

aa) Überblick über den Streitstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

204

aaa) Ausschluß der Anwendbarkeit der §§ 48, 49 VwVfG? ..

205

bbb) Uneingeschränkte Anwendbarkeit der §§ 48, 49 VwVfG.

206

ccc) Differenzierte Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

206

bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

207

aaa) Anwendbarkeit der §§ 48, 49 VwVfG

............

207

bbb) Anspruch Betroffener auf ennessensfehlerfreie Entscheidung über die Aufhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

209

H. Wegfall der rechtlichen Zweckbestimmung bei gewidmeten Altanlagen ..

212

III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

212

D. Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses gern. §§ 48, 49 VwVfG nach Aufgabe der Nutzung rur den Eisenbahnbetrieb und kommunale Planungshoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

213

I. Die Abgrenzung von Rücknahme und Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . .

213

H. Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Absätze 1 und 2 des § 49 VwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

215

1. Grundsätzliche Anwendbarkeit des § 49 Abs. 2 VwVfG . . . . . . . ..

215

a) Der PIanfeststellungsbeschluß als Verwaltungsakt mit Mischwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

215

b) Der PIanfeststellungsbeschluß als Verwaltungsakt mit Doppelwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

216

2. Anwendbarkeit des § 49 Abs. 1 VwVfG im Falle des Antrags des Vorhabenträgers auf Planaufhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

216

Inhaltsverzeichnis III. Der Widerruf auf Antrag des Vorhaben trägers gern. § 49 Abs. I VwVfG

19 217

1. Überblick über die Rechtmäßigkeitsanforderungen . . . . . . . . . . . . .

217

a) Formelle Rechmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

217

b) Materielle Rechtmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

218

2. Folgen des Widerrufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

220

IV. Der Widerruf gern. § 49 Abs. 2 VwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

221

V. Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses und kommunale Planungshoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

223

I. Widerruf gern. § 49 Abs. 1 VwVfG und kommunale Planungshoheit .

223

a) Anspruch der Gemeinde auf ermessensfehlerfreie Entscheidung . ..

224

b) Anspruch der Gemeinde auf vorherige Mitteilung . . . . . . . . . . .

225

c) Rechtsschutz der Gemeinde

225

2. Widerruf gern. § 49 Abs. 2 S. I Nr. 3 VwVfG und kommunale Planungshoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

226

a) Anspruch der Gemeinde auf Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

226

b) Rechtsschutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

228

Zusammenfassung

230

Literaturverzeichnis

238

Stichwortverzeichnis

250

Einleitung A. Problemstellung Das steigende Verkehrsaufkommen hat zu einer Renaissance der Eisenbahn als Transportmittel geführt. Um den wachsenden Verkehrsbedürfnissen gerecht zu werden, sind Streckenneu- und -ausbauten sowie Erweiterungen und Umbauten bestehender Abfertigungsanlagen in bedeutendem Umfang erforderlich. Die rechtlichen Grundlagen, nach denen die Eisenbahnbauvorhaben zu realisieren sind, wurden im Zuge der Bahnreform verändert. Neben der Neuregelung des Eisenbahnplanfeststellungsrechts in den §§ 17 ff. des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG)I, bei der bereits im Jahre 1993 durch das Planungsvereinfachungsgeseu in das Bundesbahngesetz eingeführte Beschleunigungsvorschriften übernommen wurden, ist insbesondere die Rechtsstellung der Vorhabenträger für den Bau öffentlicher Eisenbahnen grundlegend neugeregelt worden: Das frühere Eisenbahnrnonopol des Bundes nach § 4 Abs. 2 AEG a.F. 3 wurde beseitigt, so daß nunmehr jede Privatperson bzw. jedes Privatunternehmen den Bau öffentlicher Eisenbahnen betreiben und damit Träger des Vorhabens im Sinne des Planfeststellungsrechts sein kann, ohne daß eine vorherige staatliche Verleihung des Eisenbahnbaurechts 4 erforderlich wäre. Auch die im Eigentum des Bundes stehenden Eisenbahnen sind nicht mehr Staatseisenbahnen im herkömmlichen Sinne, sondern gern. Art. 87e Abs. 3 S. I GG notwendig privatrechtlich organisierte und nach wirtschaftlichen Grundsätzen zu führende Eisenbahnunternehmen. Mit dem damit vollzogenen Übergang vom Staatsbahn- zu einem - modifizierten - Privatbahn system kehrt das Eisenbahnrecht zu seinen historischen Wurzeln zurück, da der Eisenbahnbau in Deutschland auch ursprünglich von privaten Eisenbahnunternehmen betrieben wurde 5• I An. 5 des Gesetzes zur Neuordnung des Eisenbahnwesens vom 27.12.1993, BGB\. I S. 2378, 2396 ff. ~ Gesetz vom 17.12.1993, BGB\. I S. 2123; dazu Stein er, NVwZ 1994,313 ff. ) Zum früheren Eisenbahnmonopol Schulz, S. 144 ff.; Kruchen, in: Haustein, S. 87 f. 4 Die Verleihung wurde bisher als rechtsgestaltender Verwaltungsakt angesehen, durch den das Eisenbahnuntemehmungsrecht erst begründet wurde, vg\. Kruchen, in: Haustein, S. 77 f.; Schulz, S. 149 f. 5 Zur historischen Entwicklung Kruchen, in: Haustein, S. 34 ff.; Ronellenfitsch. DÖV 1996, 1028, 1030 ff.

22

Einleitung

Gegenstand der Arbeit ist eine Analyse der Konflikte zwischen kommunaler Planungshoheit und eisenbahnrechtlicher Planfeststellung unter Berücksichtigung der soeben beschriebenen Neuerungen. Konflikte zwischen Eisenbahnplanung und kommunaler Planung entstehen zunächst einmal bei der Planung neuer Betriebsanlagen, für die notwendigerweise auch Gemeindegebiet in Anspruch genommen werden muß. Häufig entspricht die Nutzung für Eisenbahnzwecke jedoch nicht den vorhandenen oder in Aussicht genommenen Planungen der Gemeinde für die betroffenen oder für benachbarte Flächen. Das dadurch entstehende Kollisionsproblem ist durch die §§ 7 und 38 BauGB im Sinne eines grundsätzlichen Vorrangs der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung geregelt6 • Ganz überwiegend wird angenommen, daß sich in diesen Fällen aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der gemeindlichen Planungshoheit formelle und materielle Rechte der Gemeinde ergeben, die bei der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung zu berücksichtigen sind? Ob dies zutrifft und welche konkreten verfassungsrechtlichen Anforderungen sich gegebenenfalls aus Art. 28 Abs. 2 S. I GG ergeben, soll im folgenden näher betrachtet werden. Der weder verfassungsrechtlich noch einfachgesetzlich definierte Begriff der Planungshoheit, der lediglich eine Sammelbezeichnung für ein ganzes Bündel gemeindlicher Befugnisse aus Art. 28 Abs. 2 S. I GG bildet8 , wird dabei im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht als "allgemeine Planungshoheit", d.h. im Sinne des Rechts, im Gesamtbereich der örtlichen Angelegenheiten, also etwa hinsichtlich Organisation, Personal, Finanzen, öffentlicher Einrichtungen zu planen, verstanden 9 • Der Begriff der Planungshoheit wird vielmehr rur die Erörterung der Abgrenzungs- und Kollisionsprobleme der verschiedenen Planungen funktional begrenzt, indem die Planung als Methode mit ganz bestimmten Aufgaben, nämlich denjenigen, die unmittelbar die Bodennutzung betreffen, verknüpft wird. Entsprechend der Rspr. des BVerwG wird im folgenden der Begriff der Planungshoheit als das der Gemeinde " ... als Selbstverwaltungskörperschaft zustehende Recht auf Planung und Regelung der Bodennutzung in ihrem Gebiet"lO, , Vgl. dazu im einzelnen 2. Kapitel, B. 7 Siehe nur BVerwG, Urt. v. 27.3.1992 -7 C 18.91 -, BVerwGE 90, 96,100 (abfallrechtl. Planfeststellung); Gaentzsch, in: Schlichter/Stich, § 7 BauGB Rn. 2 m.w.N.; Gierke, in: Brügelmann, § 7 BauGB Rn. 18 mit Rn. 136 u. 163; Johlen, DÖV 1989, 204, 206 ff.

Schmidt-Aßmann, BesVerwR, I. Abschn. Rn. 23; vgl. Stober, S. 85; Widera, S. 80 f. Die allgemeine Planungshoheit umschreibt letztlich eine Methode der Aufgabenbewältigung, Schmidt-Aßmann, BesVerwR, I. Abschn. Rn. 23; ähnlich Waechter, Kommunalrecht, Rn. 97; Stober, S. 85; vgl. dazu auch Löwer, in: v. Münch / Kunig, Art. 28 Rn. 74. 10 BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 40.86 -, E 81, 95, 106; BVerwG, Urt. v. 4.5. 1988 - 4 C 22.87 -, E 79, 318, 325; BVerwG, Urt. v. 11.4.1986 - 4 C 51.83 -, E 74, R

q

A. Problemstellung

23

definiert. Diese rein begriffliche Eingrenzung erübrigt es freilich nicht, anhand der Kriterien zur Auslegung des Schutzbereichs des Art. 28 Abs. 2 S. I GG zu klären, welche gemeindlichen Befugnisse·im Bereich der Planung der Bodennutzung konkret verfassungsrechtlich verankert sind und welche Bedeutung dabei den gesetzlichen Regelungen des BauGB zukommt. Während es sich bei dem Konflikt der gemeindlichen Planung mit der eisenbahnrechtlichen Fachplanung bei der Neuplanung von Anlagen um ein auch bei anderen Projekten, wie etwa dem Straßen-· oder Flugplatzbau etc. geläufiges und vieldiskutiertes Problem handelt I I , treten gerade bei Eisenbahnanlagen auch während der weiteren "Lebensdauer" einer Bahnanlage - bis hin zur Aufgabe entgegengesetzte Interessenlagen von Eisenbahnunternehmen und betroffener Gemeinde mit planungsrechtlicher Relevanz auf: Schon vor der Bahnreform wurde von der Bundesbahn der Versuch unternommen, kommerzielle Zusatznutzungen auf Bahnflächen zu verwirklichen '2 • Neuerdings sollen insbesondere Bahnhöfe unter Beibehaltung der Nutzung als Verkehrsanlage zu komplexen Einkaufs- und Dienstleistungszentren weiterentwickelt werden\3. Derartige Zusatznutzungen und Umgestaltungen der häufig im Stadtkern gelegenen Bahnanlagen sind oft mit der gemeindlichen Planung rur das Umfeld nicht verträglich oder auch von den Gemeinden gänzlich unerwünscht. Damit wird die Frage aufgeworfen, in welchem Umfang die kommunale Planungshoheit auf Bahngelände besteht und wie sie gegenüber nicht dem Eisenbahnbetrieb dienenden Vorhaben gegebenenfalls zur Geltung gebracht werden kann '4 . Schließlich ergeben sich Konfliktsituationen auch dann, wenn der Betrieb der Bahnanlagen eingestellt und die Nutzung rur Eisenbahnzwecke von dem Eisenbahnunternehmen aufgegeben wird. Um die frei werdenden Bahnflächen vollständig anderweitigen Nutzungen zuruhren zu können, ist nach der Rspr. des BVerwG die Beseitigung der rechtlichen Zweckbestimmung der Eisenbahn124, 132; Löwer, in: v. Münch/Kunig, Art. 28 Rn. 74. In der Literatur werden teilweise auch andere Begriffsbildungen vorgeschlagen, so z.B. der Begriff der Raumplanungshoheit, vgl. Schmidt-Aßmann, BesVerwR, I. Absch. Rn. 23. 11

Vgl. z.B. Paetow, UPR 1990,320 ff. m.w.N.; Kühling Fachplanungsrecht, Rn. 97 ff.

12 Diese Problematik wurde bereits im Gesetzgebungsverfahren rur das BauGB erörtert, vgl. Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses rur Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, BT-Drs. 10/6166, S. 147.

13 H.-J. Koch. FS rur Schlichter, S. 461,469; Korth Pereira Ferraz. in: Blümell Kühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts, 1996, S. 231-233; Korth Pereira Ferraz. in: Blümel 1Kühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts, 1997, S. 175 ff.; Gruber, BauR 2000, 499 ff. 14 Grundlegend zu diesen Fragen: BVerwG, Urt. v. 16. 12.1988 - 4 C 48.86 -, E 81, 111 ff.

24

Einleitung

betriebsanlage durch eine sog. "Entwidmung" erforderlich, mit der zugleich die uneingeschränkte Planungshoheit über das Gelände wieder auf die Gemeinde übergehen soll. Rechtsgrundlage, Voraussetzungen und Verfahren der Beseitigung der rechtlichen Zweckbestimmung der Bahnanlage und die Rechtsstellung der Gemeinde sind noch nicht eindeutig geklärt. Die noch unter der Geltung des BbG entwickelte Rspr. des BVerwG basiert auf der Doppelstellung der Deutschen Bundesbahn als Vorhabenträger und Planfeststellungsbehörde l5 ; sie ist schon deshalb überprüfungs bedürftig, weil sie die seit der Bahnreform gegebene rechtliche Trennung von staatlicher Planungsbehörde und Eisenbahnuntemehmen nicht berücksichtigen konnte.

B. Gang der Untersuchung Die Untersuchung des Verhältnisses von eisenbahnrechtlicher Fachplanung und kommunaler Planungshoheit setzt einen Überblick über das Planfeststellungsrecht des AEG voraus (1. KapitelY6. Im weiteren Verlauf der Untersuchung werden in chronologischer Reihenfolge von der Neuplanung bis zur Einstellung der Nutzung der Bahnanlage die einzelnen Konfliktfelder zwischen eisenbahnrechtlicher Fachplanung und kommunaler Planungshoheit behandelt: Das 2. Kapitel widmet sich dem Kollisionsfall des Aufeinandertreffens der eisenbahnrechtlichen Fachplanung mit einer vorhandenen gemeindlichen Bauleitplanung bei der Neuplanung von Eisenbahnbetriebsanlagen. Zu Beginn wird die gesetzliche Regelung des Verhältnisses der eisenbahnrechtlichen Fachplanung zur Bauleitplanung in den §§ 7, 38 BauGB dargestellt. Anschließend werden unter Berücksichtigung der aktuellen Diskussion um die Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung l7 die verfassungsrechtlichen Kriterien zur Auslegung des Schutzbereichs des Art. 28 Abs. 2 S. I GG sowie die Anforderungen an die Rechtfertigung von Eingriffen in das Selbstverwaltungsrecht bestimmt. Auf dieser Basis soll geklärt werden, ob der Vorrang der eisenbahnrechtlichen Fachplanung einen Eingriff in die kommunale Planungshoheit darstellt und welche verfassungsrechtlichen Vorgaben sich daraus für die Auslegung der IS Vgl. BVerwG, Urt. v. 16. 12.1988 - 4 C 48.86 -, E 81, 111 ff.; Birk, FS für Gelzer, S. 1, 8 ff. 16 Ausgespart bleiben die räumlich begrenzt und zeitlich befristet geltenden Sonderregelungen des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes; vgl. dazu im einzelnen Ronellenfitsch, DVBI. 1991,920 ff., und LKV 1992, 115 ff. 17 Vgl. dazu einstweilen nur die entsprechenden Abschnitte in den Berichten zur Entwicklung des Kommunalrechts von Erlenkämper, NVwZ 1996, 534 ff.; NVwZ 1995, 649 ff.

B. Gang der Untersuchung

25

gesetzlichen Regelung des Verhältnisses von Bauleitplanung und eisenbahnrechtlicher Fachplanung ergeben. Im 3. Kapitel werden Grundlage und Grenzen der Beschränkung der kommunalen Planungshoheit während der Nutzung einer Anlage für den Eisenbahnbetrieb erörtert und das Genehmigungsrecht für mögliche Zusatznutzungen von Bahnanlagen sowie die rechtliche Stellung der Gemeinde im Genehmigungsverfahren betrachtet. Schließlich werden im 4. Kapitel Rechtsgrundlage, Verfahren und Voraussetzungen der Beseitigung des Rechtscharakters der Flächen als Eisenbahnbetriebsanlage untersucht. Insbesondere wird dabei der Frage nachgegangen, welche Rechte die Gemeinden nach der Einstellung der Nutzung der Anlage für den Eisenbahnbetrieb aus der kommunalen Planungshoheit ableiten können.

1. Kapitel

Überblick über die Planfeststellung nach dem AEG Im folgenden wird als Grundlage der weiteren Untersuchung ein Überblick über Funktion (A), Gegenstand (B), Rechtswirkungen (C) und Rechtmäßigkeitsanforderungen der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung (D) unter Berücksichtigung der Rechtsstellung der Eisenbahnuntemehmen gegeben. Eingegangen wird zudem auf die Ausnahmen von der Planfeststellungspflicht (E).

A. Die Funktion der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung Bei Eisenbahnprojekten handelt es sich typischerweise um trassenförmige Vorhaben, die zur Herstellung großräumiger Verkehrsverbindungen für die Güter- und Personenbeförderung dienen. Ihre Verwirklichung setzt notwendigerweise die Inanspruchnahme von Grund und Boden voraus und berührt eine Vielzahl öffentlicher und privater Interessen. Der Bau von Eisenbahnanlagen bedarf aus diesem Grund der staatlichen Kontrolle und Planung; dies wurde schon bald nach dem Einsetzen des Eisenbahnbaus zu Beginn des 19. Jahrhunderts l erkannt und ruhrte erstmalig in § 4 des Preußischen Eisenbahngesetzes zur Einführung eines Genehmigungsverfahrens rur Bahnlinien, neben dem nach der damals allgemein akzeptierten Praxis weitere Behördenentscheidungen nicht erforderlich waren 2 • Entsprechend diesem Vorbild dürfen gern. § 18 Abs. I S. I AEG Eisenbahnbetriebsanlagen nur gebaut oder geändert werden, wenn der Plan zuvor festgestellt worden ist. § 18 Abs. I S. I AEG folgt damit dem Prinzip des präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt3 . Die Aufgabe der eisenbahnrechtlichen 1 Zur Geschichte des Eisenbahnwesens ausfiihrlich Blümel, Die Bauplanfeststellung, S. 84 ff., 158 ff.; Ronelle'!fitsch, Wiederinbetriebnahme, VerwArch. 1993, 537, 539 rn.w.N. 2 Blümel, Die Bauplanfeststellung, S. 90 ff.

3 Vgl. zur straßenrechtlichen Planfeststellung gern. § 17 Abs. 1 S. 1 FStrG a.F. ausdrücklich BVerwG, Urt. v. 22.12. 1980 - 4 C 24.77 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 33, S. 98, \00 f. = NuR 1980, 118, 119 (nur auszugsweise); Heinze, S. 28; Bonk, in: Stelkens / Bonk/ Sachs, § 75 Rn. 6 rn.w.N.

A. Die Funktion der eisenbahnrechtlichen PlanfeststelJung

27

Planfeststellung besteht darin, die Zu lässigkeit der raumbedeutsamen Eisenbahnbauvorhaben unter Abwägung und Ausgleichung der Interessen des Trägers des Vorhabens und der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange in einem Verfahren zu prüfen und einer rechtsverbindlichen Entscheidung zuzuführen4 •

I. Die Planfeststellung als fachplanerische Raumnutzungsentscheidung Mit der Planfeststellung wird zum einen über die räumliche Lage der Eisenbahnbetriebsanlagen entschieden. Die Planfeststellungnimmt dabei i.S.d. § 3 Abs. I ROG Grund und Boden in Anspruch und beeinftußt regelmäßig auch die Entwicklung des Gebiets, in dem die Anlagen errichtet werden; sie ist deshalb raumbedeutsame Planung. Nach der im System der raumbedeutsamen Planung üblichen Unterscheidung zwischen Gesamtplanung und Fachplanung ist die eisenbahnrechtliche Planfeststellung eine Fachplanungsentscheidung, da sie nicht die überfachliche Gestaltung der strukturellen Gesamtverhältnisse des Raumes zum Gegenstand hat S, sondern sektoral auf die Verwirklichung konkreter Projekte ausgerichtet ist6 •

11. Die Planfeststellung als Genehmigungsentscheidung Durch den Planfeststellungsbeschluß wird zudem die Zulässigkeit des Vorhabens im Hinblick auf alle von ihm berührten öffentlichen Belange festgestellt; andere behördliche Entscheidungen sind nicht erforderlich (§ 75 Abs. I S. I VwVfG)7. Im Rahmen der Plan feststellung wird mithin nicht nur über die Lage und Linienfiihrung, sondern auch über die konkrete Gestalt der Betriebsanlagen unter bautechnischen und allen sonstigen Aspekten entschieden. Die Planfeststellung verknüpft damit die bei der Zulassung von baulichen Anlagen nach dem allgemeinen Baurecht getrennten Ebenen der (Raum-)Planung, die ansonsten der Bauleitplanung vorbehalten ist, und der (gebundenen) Genehmigungsentscheidung nach den Landesbauordnungen und sonstigen Gesetzen in einer einzigen VerwaltungsentscheidungH• 4 Vgl. die entsprechende Definition der Aufgabe der PlanfeststelJung bei Kügel, S. 29; Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 305; dem folgend für die PlanfeststelJung nach ~ 36 BbG Hoppe / Schulte, S. 11. 5 So die Definition der Gesamtplanung bei Rone/lenfitsch, Einführung, S. 5. h Vgl. Paetow, UPR 1990,321; Erbguth, NVwZ 1989,608; Erhguth/Wagner, Rn. 69. 7 Siehe dazu im einzelnen I. Kapitel, c.I. H Vgl. schon Blümel. Die PlanfeststelJung, Zweiter Teil, S. 39 f. m.w.N., der die Plan-

28

I. Kap.: Überblick über die Planfeststellung nach dem AEG

B. Anwendungsbereich und Gegenstand der Planfeststellung nach § 18 Abs. 1 S. 1 AEG I. Anwendungsbereich § 18 Abs. 1 S. 1 AEG ist anwendbar auf die Errichtung und die Änderung von Betriebsanlagen der Eisenbahn. Der Begriff der Eisenbahn i.S.d. AEG entspricht dem verfassungsrechtlichen Begriff der Eisenbahn in Art. 73 Nr. 6a GG, dessen entscheidendes Kriterium die Zugehörigkeit zum technischen Rad I Schiene-System ist9 • Vom Anwendungsbereich des AEG und damit des Eisenbahnplanfeststellungsrechts ausgenommen sind aber gern. § 1 Abs. 1 S. 2 AEG neben den Magnetschwebebahnen, die ohnehin nicht zu den Radi Schiene-Systemen gehören, auch Straßenbahnen und ähnliche Bahnen, Bergbahnen und sonstige Bahnen besonderer Bauart.

Im Gegensatz zu § 36 BbG, der lediglich die Planfeststellung für die Deutsche Bundesbahn regelte, erfaßt § 18 AEG sämtliche Eisenbahnen lO • Zu dieser umfassenden Regelung war der Bundesgesetzgeber aufgrund der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz gern. Art. 73 Nr. 6a GG für die Eisenbahnen des Bundes - d.h. der ganz oder mehrheitlich im Eigentum des Bundes stehenden Eisenbahnenil -und der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz gern. Art.74 Nr. 23 GG für die Schienenbahnen berechtigt. Die Art. 73 Nr. 6a und 74 Nr. 23 GG beinhalten nämlich - ebenso wie schon Art. 73 Nr. 6 a.F. und Art. 74 Nr. 23 a.F. - die Kompetenz zur Regelung des materiellen Planfeststellungsrechts l2 . Die landesrechtlichen Regelungen der Planfeststellung für Eisenbahnen sind nunmehr durch die Ausübung der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes derogiert. feststellung zugleich dem Bauplanungsrecht und dem Bauordnungsrecht zuordnet; im Anschluß daran Hoppe / Schlarmann, Rn. 9; Steinberg, Fachplanung, § 4 Rn. 9 (S. 172). 9 Regierungsbegrundung, BT-Drs. 12/5015, S. 5; erschöpfend zum Begriff der Eisenbahn i.S.d. Art. 73 Nr. 6a: v. Mangoldt/Klein/Pestalozza, Art. 73 Nr. 6a, Rn. 379 ff. 10 BT-Drs. 12/4609, S. 100. Dem Anliegen der Länder, die Regelung der PIanfeststellung im AEG abweichend vom Entwurf auf die Eisenbahnen des Bundes zu beschränken, wurde nicht entsprochen; vgl. ablehnende Stellungnahme des Bundesrates BTDrs. 12/5014, S. 21; Gegenäußerung der Bundesregierung BT-Drs. 12/5014, S. 47, wo als Argument zusätzlich auf die fehlenden Eisenbahngesetze in den neuen Ländern hingewiesen wird. 11 Zu dieser Definition Heinze, BayVBI. 1994, 266, mit kritischen Ausführungen zum daraus resultierenden Wechsel der Gesetzgebungskompetenz bei Eigentumsübergang; vgl. schon die im Gesetzgebungsverfahren vom Bundesrat geäußerte Kritik an dieser Regelung, Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf, BT-Drs. 12/5015, S. 9 f. 12 Zu Art. 73 Nr. 6 a.F.: BVerfG, B. v. 15.7.1969 - 2 BvF 1/64 -, E 26, 338, 375, zu Art. 74 Nr. 23 a.F.: BVerfGE 26, 338, 383; zu Art. 73 Nr. 6a n.F.: v. Münch / Kunig, Art. 73 Rn. 29; zu Art. 74 Nr. 23 n.F.: Jarass / Pieroth, Art. 74 Rn. 57.

B. Anwendungsbereich und Gegenstand der Planfeststellung

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11. Der Gegenstand der Planfeststellung 1. Betriebsanlagen der Eisenbahn a) Legaldefinition

Im Gegensatz zu § 36 BbG, der den Begriff der Anlagen der Bundesbahn voraussetzte 13 , enthält § 18 Abs. 1 S. 1 AEG nunmehr eine Legaldefinition der Betriebsanlagen der Eisenbahn. Betriebsanlagen sind danach "die Schienenwege einschließlich der für den Betrieb der Schienenwege notwendigen Anlagen und der Bahnstromfemleitungen".

Der Wortlaut der Norm spricht zunächst für ein enge Auslegung des Begriffes der Betriebsanlage der Eisenbahn in dem Sinne, daß neben den Schienenwegen, d.h. der eigentlichen Bahntrasse mit den Gleisen, lediglich die für die unmittelbare Abwicklung des Schienenverkehrs unverzichtbaren Anlagen, ohne die der Schienenweg technisch nicht betrieben werden könnte, planfeststellungsfähig sind. Einer solchen engen Auslegung steht jedoch die Entstehungsgeschichte der Norm entgegen. Nach der Begründung zu § 15 des Entwurfs des AEG, der dem jetzigen § 18 AEG entspricht, sollte trotz des gegenüber § 36 BbG veränderten Wortlautes inhaltlich an dem bisherigen Umfang der Planfeststellungspfticht festgehalten werden l\ der durch eine, durch die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte gebilligte, großzügige Interpretation des Begriffs der Bahnanlage gekennzeichnet war l5 . Eine weite Auslegung des Begriffs der Betriebsanlage entspricht auch dem Zweck der Einführung eines Planfeststellungsverfahrens, das gerade eine umfassende Beurteilung eines Eisenbahnprojektes in einem einheitlichen Verfahren ermöglichen solll6. Diese Zielsetzung würde durch eine restriktive Handhabung der Planfeststellungspfticht konterkariert, da dadurch für eine Vielzahl von dem Bahnbetrieb dienenden Anlagen gesonderte Genehmigungsverfahren durchgeführt werden müßten. Entsprechend der Entstehungsgeschichte sowie dem Sinn und Zweck der Planfeststellung ist deshalb der Begriff der Betriebsanlagen der Eisenbahn i.S.d. § 18 Abs. I S. I AEG inhaltsgleich mit dem traditionellen Begriff der Bahn-

JJ

Finger, § 36 BbG Anm. 2a, S. 217.

14 BT-Drs. 12/4609, S. 100; vgl. dazu Ronellenfitsch, Eisenbahnplanfeststellungsrecht, S. 43; Heinze, S. 32 f. 15 Vgl. dazu die Übersicht bei Finger, § 36 BbG Anm. 2, S. 217 ff.; Wegener, DÖV 1996, 305, 308 ff. 16 Vgl. auch Wegener, DÖV 1996,305,310.

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I. Kap.: Überblick über die Planfeststellung nach dem AEG

anlage i.S.d. § 36 Abs. I BbG a.F. zu interpretieren 17 , der wiederum mit dem Begriff der Bahnanlage i.S.d. § 4 Abs. I EBO identisch ist l8 • Nach diesem herkömmlichen Begriff der Bahnanlage sind als Betriebsanlage i.S.d. § 18 Abs. I S. I AEG alle Grundstücke, Bauwerke und sonstigen Einrichtungen einer Eisenbahn zu verstehen, die unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse funktional der Abwicklung und Sicherung des Güter- und I oder Personenverkehrs durch das Radi Schiene-System dienen l9 . Für die dem Eisenbahnbetrieb dienende Funktion und damit den Charakter als Betriebsanlage der Eisenbahn unerheblich sind dabei die Eigentumsverhältnisse an der Anlage 20 • Um der Verkehrsabwicklung dienen zu können, müssen die Anlagen grundsätzlich einen räumlichen Bezug zu den Schienenwegen aufweisen. Daß eine räumliche Nähe zu den Schienenwegen im allgemeinen erforderlich ist, ergibt auch ein Umkehrschluß aus der ausdrücklichen Aufführung der Bahnstromfernleitungen, die eine solche räumliche Beziehung zu den Schienenwegen häufig nur an den Anschlußpunkten an die Oberleitungen aufweisen21 , und die zur KlarsteIlung ihres Charakters als Betriebsanlage in § 18 Abs. I S. I AEG gesondert aufgeführt sind22 • Abzugrenzen ist der Begriff der Betriebsanlagen der Eisenbahn weiterhin gegenüber demjenigen der Eisenbahninfrastruktur i.S.d. § 2 Abs. 3 AEG. Der Begriff der Eisenbahnbetriebsanlage wurde nämlich eigens fur die Zwecke der Planfeststellung eingeführt, um zum Ausdruck zu bringen, daß nicht die gesamte 17 So jetzt ausdrücklich BVerwG, Urt. v. 27.11.1996 - 11 A 2.96 -, UPR 1997, 150, 151; Thoma I Pätzold I Wittenberg, § 4 EBO Rn. 3, S. 44; ebenso schon Heinze, S. 32 f.; zustimmend Heldwein, BayVBI. 2000, 66; Gruber, BauR 2000, 499, 501; v. Heyll Steill/ort, DVBI. 1999, 1311. 18 Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung vom 8.5.1967, BGBI. I S. 1563, zuletzt geändert durch Artikel 6 des Eisenbahnneuordnungsgesetzes v. 27.12.1993, BGBI. I S. 2378, 2422. 19 FreiselWittenberg, GewArch. 1996,353,357; Finger, § 36 BbG Anm. 2, S. 217 f.; Ronellenfitsch, Einführung, S. 118; so jetzt auch BVerwG. Urt. v. 27.11.1996 - 11 A 2.96 -. UPR 1997, 150, 151; Steenhoff, DVBI. 1996, 1236, 1237. 20 Zu § 36 BbG: Finger, § 36 BbG Anm. 2a, S. 218; Bender, VerwArch. 1992.576, 586; zu § 18 AEG: Freise I Wittenberg, Gew Arch. 1996, 353, 357; Wegener. DÖV 1996, 305, 309. Schwierigkeiten entstehen aber hinsichtlich der Zuständigkeit der PIanfeststellungsbehörde, da die Zuständigkeitsregeln des EVerkVerwG an den Begriff der Eisenbahnen des Bundes und damit ihrem Wortlaut nach an die Eigentumsverhältnisses anknüpfen; dazu Wegener, a.a.O., S. 310 ff.; Korth Pereira Ferraz, in: BlümellKühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts, 1996. S. 231. 237. 21 Vgl. zu den Problemen der von den Schienenwegen gesonderten Führung der Bahnstromfernleitungen: BVerwG. B. v. 15.9.1995 - 11 VR 16/95 -. NVwZ 1996,396 ff. 22 Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr, BT-Drs. 12/6269, S. 140.

B. Anwendungsbereich und Gegenstand der Planfeststellung

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Eisenbahninfrastruktur im Sinne des § 2 Abs. 3 AEG der Planfeststellungspflicht gemäß § 18 AEG unterliege): Zur Eisenbahninfrastruktur gehören gern. § 2 Abs. 3 S. 3 AEG unter anderem auch die Verwaltungsgebäude der Eisenbahn. Verwaltungsgebäude weisen aber keine Besonderheiten gegenüber sonstigen baulichen Anlagen auf. Insbesondere müssen sie nicht in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang mit den Schienenwegen errichtet werden. Daher besteht kein Anlaß, derartige Gebäude der Fachplanung nach dem AEG zu unterstellen. Die Verwaltungsgebäude waren deshalb auch nach dem BbG nicht Gegenstand der Planfeststellung24 . In der Rspr. zu § 36 BbG wurde insoweit die Unterscheidung zwischen dem sog. inneren und dem äußeren Bahnbetrieb entwickelt. Der äußere Bahnbetrieb beinhaltet den Güter- und Reiseverkehr, während der innere Bahnbetrieb die Verwaltung des Eisenbahnunternehmens betriffi25• Der Gesetzgeber des AEG knüpft mit der Differenzierung zwischen Eisenbahninfrastruktur und Betriebsanlagen der Eisenbahn der Sache nach an diese Unterscheidung an. Die lediglich dem inneren Bahnbetrieb dienenden Anlagen sind deshalb auch weiterhin nicht planfeststellungspflichtig 26 • b) Einzelfragen

Betriebsanlagen sind entsprechend der obigen Definition auch nicht bebaute Grundflächen, soweit sie zur Abwicklung des Bahnbetriebes benötigt werden und deshalb den erforderlichen funktionalen Bezug zum Eisenbahnverkehr aufweisen 27 • So ist etwa ein Lagerplatz, der zur Erleichterung des Verladeverkehrs und des Güterumschlags führt und dadurch eine schnellere Ausnutzung freiwerdender Transportkapazitäten ermöglicht, eine Betriebsanlage28 • Betriebsanlagen der Eisenbahn sind auch Parkplatzanlagen, wenn sie als sog. Park-andRide Anlagen im räumlichen Zusammenhang mit einem Bahnhof stehen und 2) Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfes, BT-Ors. 12/4609, S. 100; dazu auch OVG Lüneburg, Urt. v. 31.5.1996 - 6 L 3564/93 -, NVwZ 1997,602,603; abweichend wohl Thoma / Pätzold / Wittenberg, § 4 EBO Rn. 3, die den Begriff der Bahnanlage i.S.d. § 4 EBO "weitgehend übereinstimmend" mit dem Begriff der Eisenbahninfrastruktur gern. § 2 Abs. 3 AEG interpretieren wollen. 24 Bender, VerwArch. 1992,576. 2S Vgl. OVG Münster, B. v. 15.3.1974 - X B 32/74, OÖV 1974,564,565; Bender, VerwArch. 1992,576,581. 26 Zu weitgehend Heinze, S. 35 der eine Planfeststellung von dem inneren Bahnbetrieb dienenden Anlagen - z.B. von Verwaltungsgebäuden - für notwendig hält, wenn sie zusammen mit Eisenbahnbetriebsanlagen errichtet werden.

27 BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, E 81, 111, 114; Heldwein, BayVBI. 2000,65 f. 2R OVG Münster, B. v. 15.3.1974 - X B 32/74 -, OÖV 1974, 564; ebenso BVerwG, Urt. v. 7.6.1977 - I C 21.75 -, OÖV 1978,49,50; Bender, VerwArch. 1992,576,583.

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1. Kap.: Überblick über die Planfeststellung nach dem AEG

zum Abstellen der Fahrzeuge von Reisenden bestimmt sind, die ihre Fahrt mit der Bahn fortsetzen 29 • Andererseits sind Gewerbebetriebe nicht allein deshalb Betriebsanlagen i.S.d. § 18 AEG, weil sie auf Eisenbahngelände angesiedelt sind und die dort hergestellten und bearbeiteten Güter anschließend verladen und mit der Eisenbahn transportieren lassen. Denn allein der Umstand, daß Güter mit der Bahn befördert werden, begründet nicht die dem Eisenbahnbetrieb dienende Funktion des Gewerbetriebs, da kein relevanter Unterschied zu nicht unmittelbar an einem Bahngleis liegenden Betrieben besteht. Die oben beschriebene eisenbahnbetriebsbezogene Lagerung und Verladung der Güter auf Bahnflächen muß aus diesem Grund von deren Herstellung und Bearbeitung unterschieden werden30 • Eine dem Eisenbahnbetrieb dienende Funktion ist auch nicht allein deshalb gegeben, weil der Betrieb einer Einrichtung an den Schienenwegen wirtschaftlich vorteilhaft ist. Daher sind Werbeeinrichtungen keine Eisenbahnanlagen 31 , auch wenn die durch Vermietung von Werbeflächen erzielten Einnahmen mittelbar die Wirtschaftlichkeit eines Eisenbahnunternehmens fördern. Gleiches gilt für Spiel hallen und ähnliche Einrichtungen in Bahnhofsgebäuden32 • Ausnahmsweise sind jedoch Gewerbebetriebe auch weiterhin entsprechend dem traditionellen Begriff der Bahnanlage Eisenbahnbetriebsanlagen, wenn sie - wie die bisherigen Nebenbetriebe i.S.d. § 41 BbG - räumlich in unmittelbarem Zusammenhang mit Betriebsanlagen stehen und der Abwicklung des Reiseverkehrs dienen. Betriebsanlagen der Eisenbahn sind deshalb Bahnhofswirtschaften, Verkaufsstellen für Reisebedarfsartikel im Bahnhof und ähnliche Gewerbebetriebe33 ; der Betrieb darf aber seiner Größe und seinem Angebot nach den verkehrsspezifischen Bedarf nicht wesentlich überschreiten 34 • 29 VGH Mannheim, Urt. v. 24.2.1989 - 5 S 958/88 -, NVwZ 1990, 585; Schirmer, S. 47, 53-55; Heinze, S. 34; Finger, § 36 BbG Anm. 2b, S. 218. 30

BVerwG, Urt. v. 7.6.1977 - I C 21.75 -, DÖV 1978,49,50.

BVerwG, Urt. v. 29.8.1961 - I C 167.59 -, DVBI. 1962, 178, 180, im Anschluß an PrOVG, Urt. v. 6.10.1932 - IV C 78/32 -, PrOVGE 90, 400, 403; ebenso OVG Lüneburg, Urt. v. 7.6.1977 - VI A 163/75 -, BRS 32, Nr. 126, S. 228,229; zustimmend Gruber, BauR 2000, 499, 502. 31

32 OVG Münster, Urt. v. 6.10.1988 - 4 A 2966/86 -, NVwZ 1989,576,577 m.w.N.; zu weit insofern Heinze, S. 35, der derartige Nutzungen "wegen ihres untrennbaren Zusammenhangs mir einem Bahnhofsgebäude" für planfeststellungsfähig hält. 33 Ronellenfitsch, Einführung, S. 118; Bender, Verw Arch. 1992, 576, 581; Finger, § 36 BbG Anm. 2a, S. 218; Korth Pereira Ferraz, in: Blümel/Kühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts, 1996, S. 231, 234 f.

34 So zu Recht OVG Lüneburg, Urt. v. 31.5.1996 - 6 L 3564 I 93 -, NVwZ 1997, 602, 603, dazu Gruber, BauR 2000, 499, 502; s.a. Kraft, DVBI. 2000, 1326, 1328; zu weitgehend Heldwein, BayVBI. 2000, 66, der generell Mischnutzungen zulassen will, soweit sie nicht "derart in den Vordergrund treten und derart verselbständigt sind, dass sie sich

B. Anwendungsbereich und Gegenstand der Planfeststellung

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c) Zwischenergebnis

Betriebsanlagen i.S.d. § 18 Abs. I sind damit neben den Schienenwegen unabhängig von den Eigentumsverhältnissen alle Anlagen, die funktional der Abwicklung des äußeren Bahnbetriebes, d.h. des Güter- und Personenverkehrs durch das Rad / Schiene-System dienen, wobei die Anlagen - mit Ausnahme der Bahnstromfernleitungen - einen hinreichend engen räumlichen Zusammenhang mit den Schienenwegen aufweisen müssen.

2. Bau und Änderung Die Planfeststellungspflicht betrifft den Bau, d.h. die Neuerrichtung, und die Änderung von Betriebsanlagen der Eisenbahnen 35 • Nicht pIanfeststellungsbedürftig sind dagegen reine Unterhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten bestehender Anlagen 36 sowie die Wiederinbetriebnahme nicht aufgegebener Eisenbahnstrekken 37 .

3. Notwendige Folgemaßnahmen Durch § 75 Abs. I S. I 1. Hs. VwVfG wird der Gegenstand der Planfeststellung zur Errnöglichung einer umfassenden Bewältigung der durch das Vorhaben aufgeworfenen Konflikte auf die Regelung der notwendigen Folgemaßnahmen an anderen Anlagen erweitert; die Regelung ist Ausdruck des planungsrechtlichen Grundsatzes der Problembewältigung38 . Nach der Rspr. des BVerwG sind notwendige Folgemaßnahmen alle Regelungen außerhalb der eigentlichen Zulassung des eisenbahnrechtlichen Vorhabens, "die rur eine angemessene Entscheidung über die durch die Baumaßnahme an Betriebsanlagen der Eisenbahn aufgeworfenen Konflikte erforderlich sind,,39. von den bahnspezifischen Anlageteilen trennen lassen und als gesonderte Einheit erscheinen". Damit wird verkannt, daß der funktionale Bezug zum Eisenbahnbetrieb nicht verzichtbarer Bestandteil des Begriffs der Betriebsanlage ist. ]; Siehe zur Frage, ob die Aufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses des Planfeststellung bedarf, im einzelnen 4. Kapitel. )" Zum BbG: Finger, § 36 BbG Anm. 12a, S. 227; Hoppe/Schulte, S. 21; zum AEG: Heinze, S. 36. )7 Ausführlich dazu Ronellenfitsch, VerwArch. 1993, 537, 547 ff. m.w.N; ebenso nunmehr BVerwG, Urt. v. 31.8.1995 - 7 A 19.94 -, E 99, 166 ff.; Steenhoff, DVBI. 1996, 1236, 1237 .

.1R BVerwG, Urt. v. 9.3.1979 - 4 C 41.75 -, E 57, 297, 299 f. (zu § 17 Abs. 1 FStrG a.F.); Stein berg, § 4 Rn. 76 ff. (S. 203 f.); Dürr, in: Kodal / Krämer, Kap. 34 Rn. 9.1. (S. 1003) . .10 BVerwG, B. v. 3.8.1995 - 1I VR 22/95 -, NVwZ 1996,266,267.

3 Buchner

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1. Kap.: Überblick über die Planfeststellung nach dem AEG

Da § 75 Abs. I S. I I. Hs. VwVfG kompetenzerweitemde Wirkung zukommt, die für andere Anlagen bestehende Planungskompetenz aber beachtet werden muß, dürfen die Maßnahmen über den Anschluß bzw. die Anpassung nicht wesentlich hinausgehen. Insbesondere dürfen als notwendige Folgemaßnahme deshalb nicht andere Planungen miterledigt werden, die ein eigenes umfassendes Planungskonzept erfordem40 •

4. Erweiterung durch das anzuwendende materielle Recht Eine zusätzliche Erweiterung des Gegenstands der Plan feststellung ergibt sich nach der Rspr. des BVerwG gegebenenfalls aus den Anforderungen, die das anzuwendende materielle Recht zur Voraussetzung der Durchführung des Vorhabens erklärt: So hat das BVerwG im Zusammenhang mit der Enteignung zum Zweck des Baus und des Ausbaus von Betriebsanlagen der Eisenbahn gern. § 22 AEG ausgeführt, daß Gegenstand der Planfeststellung nicht nur die in § 18 Abs. I S. I AEG genannten Eisenbahnbetriebsanlagen seien. Gern. § 18 Abs. 1 S. 2 AEG seien vielmehr in der Abwägung auch UmweItbelange zu berücksichtigen; nach § 8 Abs. 2 BNatSchG sowie den Vorschriften der Landesnaturschutzgesetze seien unvermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft auszugleichen. Gegenstand der Planfeststellung gern. § 18 AEG seien deshalb auch die zur Verwirklichung des Vorhabens notwendigen Ausgleichsund Ersatzrnaßnahmen nach dem Naturschutzrecht, so daß für die Durchführung dieser Maßnahmen gegebenenfalls nach § 22 AEG die Enteignung zulässig sei41 • Der Gegenstand der Planfeststellung kann also durch das Abwägungsgebot und das anzuwendende materielle Recht erweitert werden, indem auch diejenigen Maßnahmen, die zur Erfüllung der sich dadurch ergebenden Anforderungen erforderlich sind, einbezogen werden.

5. Negative Abgrenzung zu sonstigen Regelungen Nicht Gegenstand der Planfeststellung sind Regelungen über den Betrieb der Anlagen der Eisenbahn42 • Dies folgt daraus, daß § 18 AEG im Gegensatz zu einigen anderen, ein Planfeststellungsverfahren anordnenden Fachgesetzen - wie 40 BVerwG, B. v. 3.8.1995 - 11 VR 22/95 -, NVwZ 1996,266,267; BVerwG, Urt. v. 26.5.1994 -7 A 21.93 -, UPR 1994, 342, 343; BVerwG, Urt. v. 12.2.1989 - 4 C 54/ 84 -, NVwZ 1989, 153, 154; zustimmend Heinze, S. 39.

41 BVerwG. B. v. 21.12.1995 - 11 VR 6.95 -, Buchholz 442.09 § 18 AEG NT. 8, S. 32 f. = DVBI. 1996, 676; vgl. ebenso zu § 19 Abs. 1 FStrG, BVerwG, Urt. v. 23.8. 1996 - 4 A 29.95 -, DVBI. 1997, 68, 69; VGH Mannheim, Urt. v. 20.2.1992 - 5 S 2064/91 -, NVwZ 1993,595; ablehnend dazu de Witt/Burmeister, NVwZ 1994,38 f. 42 Heinze, S. 37.

C. Rechtswirkungen und Rechtsnatur des Planfeststellungsbeschlusses

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z.B. § 31 Abs. 2 S. I KrW- / AbfG und § 9b Abs. I S. I AtG - den Betrieb nicht in die Planfeststellung einbezieht43 • Der Betrieb der Eisenbahn unterliegt vielmehr den Vorschriften der Eisenbahnbetriebsordnung. Inhaltlich abzugrenzen ist die Planfeststellung schließlich auch von der in § 6 Abs. I S. I 2. Fall AEG vorgesehenen Genehmigung rur das Betreiben einer öffentlichen Eisenbahninfrastruktur i.S.d. § 3 Abs. I Nr. 2 AEG. Dieser Genehmigungsvorbehalt soll eine sichere Betriebsruhrung gewährleisten und knüpft deshalb tatbestandlieh an die persönliche Zuverlässigkeit, die finanzielle Leistungsfähigkeit und die Fachkunde an (§ 6 Abs. 2 Nr. 1-3 AEG). Der Umstand, daß die Genehmigung gern. § 6 Abs. 3 Nr. 2 AEG nur rur eine bestimmte Infrastruktur erteilt wird, verdeutlicht lediglich, daß die persönlichen Voraussetzungen des Absatzes 2 nur im Hinblick auf ein konkretes Vorhaben beurteilt werden können und dürfen44 • Eine inhaltliche Überschneidung bzw. eine Vorwirkung dieser Genehmigung rur die Planfeststellung als Raumplanungsentscheidung und Anlagenzulassung besteht - im Gegensatz etwa zur luftrechtlichen Genehmigung gern. § 6 LuftVG 45 - nicht.

C. Rechtswirkungen und Rechtsnatur des Planfeststellungsbeschlusses I. Rechtswirkungen Die Rechtswirkungen des Planfeststellungsbeschlusses sind im wesentlichen in § 75 VwVfG geregelt: 1. Genehmigungswirkung

Die sog. Genehmigungswirkung (§ 75 Abs. I S. I I. Hs. VwVfG) besteht darin, daß die Zulässigkeit der Errichtung und Nutzung der für das Vorhaben erforderlichen Anlagen einschließlich der Folgernaßnahmen festgestellt und das in dem Planfeststellungsvorbehalt nach § 18 Abs. I S. I AEG liegende präventive Verbot für Bau und Änderung von Eisenbahnanlagen aufgehoben wird46 • 43 Dazu im einzelnen Blümel, VerwArch. 1992, 146 ff.; Betriebsregelungen können jedoch U.U. Gegenstand von Schutzauflagen gern. § 74 Abs. 2 S. 2 VwVfG sein, wenn das Vorhaben in der geplanten Form ohne Auflagen für den Betrieb nicht feststellungsfähig ist und der Vorhabenträger erkennbar an dem Plan festhalten will. 44 Vgl. insoweit die Forderung des Bundesrats im Gesetzgebungsverfahren nach einer sog. "qualifizierten" Genehmigung, BT-Drs. 12/4609, Anlage 2, S. 16; Beschlußernpfehlung des Ausschusses für Verkehr, BT-Drs. 12/6269, S. 138. 45 Dazu Ronellenfitsch, Einführung, S. 155 f.

3'

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1. Kap.: Überblick über die Planfeststellung nach dem AEG

2. Konzentrationswirkung

Die Planfeststellung ersetzt nach § 75 Abs. I S. I 2. Hs. VwVfG sämtliche sonst für die Verwirklichung des Vorhabens erforderlichen Entscheidungen. a) Umfang der Konzentradonswirkung

Die sog. Konzentrationswirkung bezieht sich nur auf den Gegenstand der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung, also auf die für den Bau und die Änderung von Betriebsanlagen der Eisenbahn erforderlichen Entscheidungen, nicht aber auf Betriebsgenehmigungen, Personalkonzessionen etc. Die Konzentrationswirkung erweitert also den Gegenstand der Planfeststellung nicht, sondern ist in ihrem Umfang von ihm abhängig47 • Abgesehen von der sich unmittelbar aus § 75 Abs. I S. I 2. Hs. ergebenden Verlagerung der Behördenzuständigkeit auf die Planfeststellungsbehörde (sog. Zuständigkeitskonzentration) ersetzt das Planfeststellungsverfahren auch die Verfahrensvorschriften der konzentrierten Entscheidungen, d.h., das jeweilige fachgesetzliche Verwaltungsverfahren wird durch das Planfeststellungsverfahren ersetzt48 • Der darüber hinausgehende Streit, ob bzw. in welchem Umfang das materielle Recht der konzentrierten Entscheidungen durch die fachgesetzliche PIanfeststellung verdrängt wird49 , ist durch die neuere Rspr. des BVerwG im Sinne einer lediglich fonnellen Konzentrationswirkung entschieden 50 • Die Pianfeststellungsbehörde hat das sog. "sekundäre" materielle Recht bei ihrer Entscheidung in gleicher Weise anzuwenden wie die sonst, d.h. außerhalb des Pianfeststellungsverfahrens für den Vollzug zuständige Behörde. Dies gilt sowohl für Bundesais auch für Landesrecht. Denn der Bund ist auch bei hoheitlichem Handeln nicht von der materiellen Bindung an das Landesrecht freigestellt, soweit dieses anwendbar ist 51 • Gilt das sekundäre materielle Recht fur die Eisenbahnen, führt Bonk, in: Stelkens / Bonk / Sachs, § 75 Rn. 6. Blümel, VerwArch. 1992, 146, 154. 4R Vgl. nur BVerwG, Urt. v. 14.4.1989 - 4 C 31.88 -, E 82, 17,22 f. (zum BbG); Beschl. v. 26.6.1992 - 4 B 1-11.92 -, NVwZ 1993, 572, 575 m.w.N. (FStrG). 4' Zum Streitstand Knack/Dürr, § 75 Rn. 12; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 75 Rn. 10 ff.; Laubinger, VerwArch. 1986, 77 ff.; Ronelle'!fitsch, VerwArch. 1989,92,94 f. ~o BVerwG, Urt. v. 22.3.1985 - 4 C 73.82 -, E 71, 163, 164; BVerwG, B. v. 26.6. 1992 - 4 B 1-11.92 -, NVwZ 1993, 572, 575 f. (FStrG); BVerwG, Urt. v. 18.5.1990 -7 C 3.90 -, E 85,155, 156 (WHG); BVerwG, Urt. v. 9.11.1984 -7 C 15.83 -, E 70, 242, 244 (Abtu); dazu Paetow, FS für Send1er, 425, 431; Wahl! Dreier, NVwZ 1999, 606,609; Heldwein, BayVBI. 2000,65,67. II BVerwG, Urt. v. 14.4.1989 - 4 C 31.88 -, E 82, 17,21 (zum BbG); B. v. 26.6.1992 46

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C. Rechtswirkungen und Rechtsnatur des Planfeststellungsbeschlusses

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auch die Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses nicht zu einer Veränderung des Geltungsanspruchs der Regelungen in dem Sinne, daß sie lediglich Abwägungsmaterial wären. Zwingende Rechtsvorschriften können auch im Planfeststellungsverfahren nicht überwunden werden; deutlich wird dies besonders bei denjenigen konzentrierten Vorschriften, die der Gefahrenabwehr dienen. Denn offensichtlich können strikte Regelungen des Rechts der Gefahrenabwehr auch in der Planfeststellung nicht Gegenstand einer planerischen Abwägungsentscheidung sein52 • Sehen die anzuwendenden Normen Befreiungs- oder Ausnahmemöglichkeiten vor, kann die Planfeststellungsbehörde bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen in dem vorgesehenen Umfang von der Norm abweichen 53 • Soweit das anzuwendende Recht lediglich Berücksichtigungs- und Optimierungsgebote enthält, sind diese im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen54 • b) Abgrenzung zum Problem der Verdrängung materiellen Rechts durch spezielle Regelungen des Eisenbahnrechts

Kein Problem der Konzentrationswirkung des Planfeststellungsverfahrens, sondern eine vorgelagerte und deshalb vorrangig zu klärende Frage ist es, ob spezielle materielle Regelungen des AEG rur die Errichtung von Betriebsanlagen der Eisenbahn die in anderen Gesetzen enthaltenen materiellen Anforderungen verdrängen, so daß diese auf die Errichtung und Änderung von Betriebsanlagen keine Anwendung finden. Für die einleitend dargestellten Konfliktfelder ist insbesondere das Verhältnis des Eisenbahnplanfeststellungsrechts zum Baurecht von Bedeutung, auf das deshalb im folgenden einzugehen ist: aa) Verhältnis des AEG zum Landesrecht

Ob und inwieweit eine Verdrängung des Landesrechts überhaupt in Betracht kommt, ist vorrangig eine Frage der Reichweite der Gesetzgebungskompetenz zur Regelung materiell-rechtlicher Fragen im Zusammenhang mit dem Bau von Eisenbahnanlagen gern. Art. 73 Nr. 6a, 74 Nr. 23 GG, die von der Kompetenz zur Regelung des PlanfeststellungsverJahrens mit einer ausschließlichen Ent- 4 B 1-11.92 -, NVwZ 1993, 572, 575 m.w.N. (FStrG); grundlegend Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung. S. 7 fT.; ders., NVwZ 1985. 1,5 m.w.N. 52 Ronellenfitsch, DÖV 1991,771,779 f. 53 BVerwG, B. v. 21.12.1995 - 11 VR 6.95 -, Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 8. S.34. 54 BVerwG, B. v. 26.6.1992 -4 B 1-11.92 -, NVwZ 1993,572,576 m.w.N. (FStrG).

1. Kap.: Überblick über die Planfeststellung nach dem AEG

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scheidungszuständigkeit der Planfeststellungsbehörde unterschieden werden muß 55 • Im Verhältnis zum Landesrecht muß die einfachgesetzliche Regelung deshalb gegebenenfalls verfassungskonform interpretiert werden; denn die einfachgesetzliche Regelung des materiellen Planfeststellungsrechts kann nicht weiter gehen, als die dem Gesetzgeber in Art. 70 ff. GG verliehene Gesetzgebungszuständigkeit. Entgegen einer in der Literatur verbreiteten Auffassung, die echte Überschneidungen der Gesetzgebungskompetenzen in weitem Umfang für möglich hälf 6 , muß die Abgrenzung des inhaltlichen Umfangs der Gesetzgebungskompetenz mit der Prämisse einer grundsätzlich eindeutigen Zuordnung der Materien zu einem Kompetenzbereich erfolgen. Nur so wird der Abgrenzungsfunktion des Kompetenzkataloges effektiv Rechnung getragen57 • Ob eine Verdrängung des sekundären materiellen Rechts in Betracht kommt, hängt also davon ab, ob eine materielle (Mit-)Regelung der jeweiligen Materie für die Eisenbahn aufgrund der Gesetzgebungskompetenzen des Bundes für das Eisenbahnrecht gern. Art. 73 Nr. 6a, 74 Nr. 23 GG zulässig ist. Dies wird man in dem Umfang annehmen können, in dem eine solche Regelung aufgrund der sachlich-technischen Besonderheiten der Eisenbahn zur Herstellung der Eisenbahnanlage sowie zur Aufrechterhaltung und Durchführung des Eisenbahnbetriebs geboten ist58 • Besitzt der Bund keine Gesetzgebungskompetenz für ergänzende materiellrechtliche Regelungen, kommt eine Verdrängung des sekundären materiellen Landesrechts durch spezielle bundesgesetzliche Regelungen von vornherein nicht in Betracht. Deshalb kann beispielsweise das Denkmalschutzrecht, das ausschließlich den Ländern vorbehalten ist, nicht durch Bundesrecht verdrängt werden. Als nicht eisenbahnspezifische Materie dürfen denkmalschutzrechtliche Fragen aufgrund der Gesetzgebungskompetenzen für die bundeseigenen und die sonstigen Eisenbahnen gern. Art. 73 Nr. 6a, 74 Nr. 23 GG als spezielles "Eisenbahndenkmalrecht" nicht mitgeregelt werden 59 • Klein, DÖV 1977, 194, 196; s.a. Bonk, in: Stelkens / Bonk / Sachs, § 72 Rn. 21 f Sb Pestalozza, DÖV 1972, 181 f; Breuer, DVBI. 1981,971,973; ders., Die hoheitliche raumgestaltende Planung, S. 199. S7 BVerfG, Urt. v. 19.10.1982 - 2 BvF 1/81 -, E 61, 149,204; Urt. v. 10.3.1981 1 BvR 92, 96/71 -, E 56, 249, 263; B. v. 28.11.1973 - 2 BvL 42/71 -, E 36, 193,202 f.; Maunz, in: Maunz / Dürig, Art. 74 Rn. 9; Pietzcker, Zuständigkeitsordnung und Kollisionsrecht im Bundesstaat, in: HStR IV, § 99 Rn. 29 (S. 706 f); Bonk, in: Stelkens / Bonk/Sachs, § 72 Rn. 53. SS

SR Maunz, in: Maunz/ Dürig, Art. 73 Rn. 111 (zu Art. 73 Nr. 6 a.F.); Breuer, S. 122 ff. m.w.N. S9 SO zu Recht zur Plan feststellung nach BbG: Hoppe/Schulte, S. 34 ff. m.w.N.; offen Klein, Bundesbahn und Denkmalschutz, DÖV 1977, 194, 195 f.; wie hier zum Verhältnis

C. Rechtswirkungen und Rechtsnatur des Planfeststellungsbeschlusses

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Besteht dagegen die sachliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes, muß weiter unterschieden werden: Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes ist gern. Art. 72 Abs. 1 GG zu klären, ob und in welchem Umfang von der Gesetzgebungskompetenz tatsächlich Gebrauch gemacht wurde. Ist der Bund dagegen ausschließlich tUr die Gesetzgebung zuständig, kann Landesrecht überhaupt nur dann zur Anwendung kommen, wenn ein Bundesgesetz ausdrücklich darauf verweist (Art. 71 GG). Für das Verhältnis des AEG zum Landesbauordnungsrecht ergibt sich aus diesen Grundsätzen folgendes: Die Landesbauordnung kann nicht zur Anwendung kommen, soweit der Bundesgesetzgeber im AEG und der EBO Regelungen der bauordnungsrechtlichen Fragen getroffen hat. Denn die Kompetenz zur Regelung eines eigenständigen Bauplanungs- und Bauordnungsrechts tUr Eisenbahnbetriebsanlagen ist aufgrund der vorhandenen technischen Besonderheiten in Art. 73 Nr. 6a, 74 Nr. 23 GG enthalten60 • Fehlen solche Regelungen, muß differenziert werden: Im Bereich der bundeseigenen Eisenbahnen darf wegen der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes gern. Art. 73 Nr. 6a i.Y.rn. Art. 71 GG das Land an sich von vornherein keine bauordnungsrechtlichen Regelungen fiir Betriebsanlagen treffen; eine (ergänzende) Anwendung der jeweiligen Landesbauordnung kommt daher nur aufgrund einer ausdrücklichen Verweisung des Bundesrechts auf das Landesrecht in Betracht61 • Im Bereich der lediglich konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes tUr die sonstigen Eisenbahnen kann dagegen die Landesbauordnung gern. Art. 72 Abs. I GG ergänzend herangezogen werden62 •

der Planfeststellung nach FStrG zum Denkmalschutz Maunz, in: Maunz / Dürig, Art. 74 Rn. 242; a.A. anscheinend BVerwG, B. v. 7.1.1992-7 B 153.91-, NWVBI. 1992,202; Finger, § 36 BbG Anm. 9, S. 225. M) OVG Münster, B. v. 15.3.1974 - X B 32/74 -, DÖV 1974, 564, 565; Finger, § 36 BbG Anm. 6, S. 223; BVerfG, B. v. 15.7.1969 - 2 BvF 1/64 -, E 26, 338, 374 mit 371 f., jeweils zur a.F. 61 So rur die Anwendbarkeit der Landesbauordnungen auf die Betriebsanlagen der Deutschen Bundesbahn, Küchler, DÖV 1977, 187, 189 f.; ebd., S. 190 ff. auch zu der umstrittenen Frage, ob eine ausdrückliche Verweisung auf das materielle Landesbauordnungsrecht in § 38 BbG gesehen werden konnte. 62 Besondere Schwierigkeiten bereitet diese Differenzierung erst neuerdings, weil das AEG die Planfeststellung rur sämtliche Eisenbahnen erfaßt.

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1. Kap.: Überblick über die Planfeststellung nach dem AEG

bb) Verhältnis des AEG zu sonstigem Bundesrecht, insbesondere zum BauGB Im Verhältnis zu sekundärem Bundesrecht ist dagegen aufgrund der doppelten Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes die jeweilige einfachgesetzliche Regelung maßgeblich. Dies ist beispielsweise im Verhältnis des Eisenbahnplanfeststellungsrechts zum Bauplanungsrecht der Fall. Aufgrund der Gesetzgebungskompetenz des Bundes auch tUr diese Materie gern. Art. 74 Nr. 18 GG ergeben sich aus den Kompetenzvorschriften der Art. 70 ff. GG keine verfassungsrechtlichen Vorgaben, so daß insoweit allein die Auslegung der einfachgesetzlichen Regelungen entscheidend ist.

3. Gestaltungswirkung Der PIanfeststellungsbeschluß gestaltet gern. § 75 Abs. I S. 2 VwVfG alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger des Vorhabens und den durch den Plan Betroffenen6J • Damit wird der durch das raumbeanspruchende Vorhaben ausgelöste Interessenkonflikt mit tUr die Allgemeinheit bindender Wirkung gelöst64 : Der Träger des Vorhabens ist zur DurchtUhrung des Vorhabens berechtigt und dabei an den Inhalt des festgestellten Plans bzw. der Genehmigung und die vorgesehenen Schutzauflagen gebunden 65 • Er ist aber, wie aus den §§ 75 Abs. 4, 77 VwVfG zu schließen ist, nicht zur DurchtUhrung des Vorhabens verpflichtet. Die objektiv vom Plan Betroffen sind verpflichtet, das Vorhaben hinzunehmen. Da der Plan insbesondere das Verhältnis der privaten Grundstücke zu dem Verkehrsvorhaben hinsichtlich der von ihm ausgehenden und sich auf die Privatgrundstücke auswirkenden Immissionen regelt, ist er zugleich Inhaltsbestimmung des Grundeigentums 66 . 4. Ausschlußwirkung Schließlich wird durch die in § 75 Abs. 2 S. I VwVfG geregelte Ausschlußwirkung sichergestellt, daß nach Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlus63 Heinze, S. 183 f.; Finger, § 36 BbG Anm. 17e, S. 238; Kopp/ Ramsauer, § 75 Rn. 9; Dürr, in: Kodall Krämer, Kap. 34 Rn. 20 (S. 1025). 64

Ronellenfitsch, VerwArch. 1989, 92, 96.

6S "Negative Gestaltungswirkung", Bonk, in: Stelkens / Bonk/ Sachs, § 75 Rn. 27; die positive Gestaltungswirkung zugunsten des Tägers des Vorhabens ist mit der Genehmigungswirkung identisch. 66 BVerwG, Urt. v. 26.8.1993 - 4 C 24.91 -, E 94, 100, 104-107 m.w.N. (für die Straßenplanung durch Bebauungsplan, insoweit aber voll übertragbar).

C. Rechtswirkungen und Rechtsnatur des Planfeststellungsbeschlusses

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ses keine öffentlich- oder privatrechtlichen Ansprüche auf Unterlassung, Beseitigung oder Änderung der Anlagen oder Unterlassung der Benutzung der Anlagen geltend gemacht werden können 67 • Gemildert wird diese Rechtswirkung durch die in S. 2 vorgesehene Möglichkeit, nachträglich Schutzauflagen vorzusehen bzw. Geldersatz gern. S. 3 zu gewähren, falls nachträgliche Schutzauflagen nicht möglich oder nicht zumutbar sind.

5. Enteignungsrechtliche Vorwirkung Die Planfeststellung bewirkt nicht den Eigentumsübergang an den fiir das Vorhaben benötigten Grundstücken68 • Die Enteignung erfolgt vielmehr gemäß § 22 Abs. 4 AEG im Enteignungsverfahren nach den Enteignungsgesetzen der Länder. Der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung kommt aber gem. § 22 Abs. 1 und 2 AEG sog. enteignungsrechtliche Vorwirkung ZU69 . Diese besteht darin, daß nach Erlaß des Planfeststellungsbeschlusses bzw. der Plangenehmigung die Zulässigkeit der Enteignung feststeht und die Enteignungsbehörde an den festgestellten Plan gebunden ist. Der Betroffene kann im Enteignungsverfahren nicht mehr geltend machen, daß sein Grundstück nicht in Anspruch genommen werden dürfe oder daß das Vorhaben ganz unterbleiben müsse. Die Enteignungsbehörde entscheidet lediglich noch darüber, ob fiir die Verwirklichung des Vorhabens die Enteignung notwendig ist, oder ob eine minder schwere Form des Eingriffs ausreicheo.

11. Rechtsnatur Die Feststellung des Planes i.S.d. § 18 Abs. 1 S. 1 AEG erfolgt durch den Planfeststellungsbeschluß. Der Beschluß ist wegen der geschilderten Rechtswirkungen als Verwaltungsakt i.S.d. § 35 Abs. 1 VwVfG zu qualifizieren 7 ). Bestätigt wird die Rechtsform dadurch, daß § 20 Abs. 5 S. 1 AEG die nur gegen Verwaltungsakte statthafte Anfechtungsklage als Klageart gegen den Planfeststellungsbeschluß vorsieht.

67

Ronellenfitsch, VerwArch. 1989, 92, 97.

68

Dürr, in: Kodal I Krämer, Kap. 34, Rn. 22.41 (S. 1027).

69 Knacki Dürr, § 75 Rn. 18; zum Junktim zwischen Planfeststellung und Enteignung im Fall der personenbeförderungsrechtlichen Planfeststellung BVerfG, B. v. 10.5.1977 - 1 BvR 514/68 u. 323/69 -, E 45, 297, 319 f. 70

Hoppe I Schlarmann, Rn. 42 f.

WolfJl BachoJl Stober, VerwR I, § 56 Rn. 14; Knack I Dürr, § 74 Rn. 10; Achterberg, AlIgVerwR, § 22 Rn. 164; Finger, § 36 BbG Anm. 16a, S. 236. 1)

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1. Kap.: Überblick über die Planfeststellung nach dem AEG

D. Planerische Gestaltungsfreiheit und ihre Grenzen I. Planerische Gestaltungsfreiheit 1. § 18 Abs. 1 AEG als gesetzliche Ermächtigung

der Planfeststellungsbehörde zur Planung

Das BVerwG hat unter Übertragung seiner Rspr. zum Bauplanungsrecht die Einräumung planerischer Gestaltungsfreiheit daraus abgeleitet, daß mit der gesetzlichen Anordnung eines Planfeststellungsverfahrens zugleich materiell die Planungsbefugnis auf die Planfeststellungsbehörde übertragen worden sei und dies einen Spielraum an Gestaltungsfreiheit enthalten müsse, da Planung ohne Gestaltungsfreiheit ein Widerspruch an sich wäre 72 • Inzwischen ist allerdings geklärt, daß die Einräumung planerischer Gestaltungsfreiheit für die Planfeststellungsbehörde nicht allein aus der gesetzlichen Anordnung der Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens gefolgert werden kann73 ; dies zeigt die Planfeststellung bergrechtlicher Rahmenbetriebspläne, die nach dem Willen des Gesetzgebers der planfeststellenden Behörde gerade keine planerische Gestaltungsfreiheit einräumen solf4 • Ob eine, nach der sog. normativen Ermächtigungslehre75 wegen der verminderten Kontrolldichte bei Planungsentscheidungen erforderliche gesetzliche Ermächtigung zu einer planerischen Entscheidung vorliegt, muß deshalb durch Auslegung der Norm ermittelt werden, die die Planfeststellung anordnet. Für die Übertragung der Planungsbefugnis auf die Planfeststellungsbehörde durch § 18 AEG spricht, daß die Norm keine Tatbestandsmerkmale nennt, an die die Befugnis zur Feststellung des Plans nach Art eines Wenn-Dann-Schemas anknüpft, obwohl der PIanfeststellungsbeschluß ein (auch) belastender Verwaltungsakt ist. Diese inhaltlich unbestimmte Formulierung ist kennzeichnend für gesetzliche Ermächtigungsgrundlagen des Planungsrechts. Denn es ist typisch für Planungsentscheidungen, daß ein bestimmtes Ziel - beispielsweise der Bau einer Eisenbahnstrecke zur Befriedigung des bestehenden Verkehrsbedürf72 Zur Planfeststellung nach § 36 BbG, BVerwG, Urt. 14.12.1979 - 4 C 10.77 -, E 59, 253,256; grundlegend BVerwG, Urt. v. 14.2.1975 - E 48, 56, 59 (FStrG).

73 Vgl. Gaentzsch, FS für Sendler, S. 403, 412; ders., FS für Schlichter, S. 517, 520 f.; Paetow, FS für Schlichter, S. 499, 505; differenzierend Wahl! Dreier, NVwZ 1999, 606, 608, die die Einstufung als Planungsentscheidung nur dann ablehnen, wenn der Gesetzgeber das Normprogramm eindeutig als gebundene Entscheidung gebildet hat. 74 BT-Drs. 11/4015, S. 12; vgl. Gaentzsch, FS für Send1er, S. 403, 412; Paetow, FS für Schlichter, S. 499, 505; Fouquet,VerwArch. 1996, 212, 226 f. m.w.N. 75 BVerfG, B v. 8.7.1982 - 2 BvR 1187/80 -, E 61. 82, 111; Schmidt-Aßmann! Groß, NVwZ 1993,617,621 tf.

D. Planerische Gestaltungsfreiheit und ihre Grenzen

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nisses - nicht nur auf einem einzigen Weg, also beispielsweise mit einer einzigen Trassenfiihrung erreicht werden kann. Um in dieser Situation eine sachgerechte Entscheidung zu ermöglichen, sind Normen des Planungsrechts offen strukturiert und formulieren lediglich Ziele (sog. finale Normstruktur)76. Bestätigt wird das Ergebnis, daß der Planfeststellungsbehörde durch § 18 AEG planerische Gestaltungsfreiheit eingeräumt wird, durch die ausdrückliche gesetzliche Anordnung der Abwägung aller öffentlicher und privater Belange in § 18 Abs. I S. 2 AEG 77 . § 18 Abs. 1 AEG enthält also die gesetzliche Ermächtigung zur Fachplanung. Infolge der planerischen Gestaltungsfreiheit der Planfeststellungsbehörde ist ein gebundener Genehmigungsanspruch des privaten Vorhabenträgers in aller Regel ausgeschlossen 78 . Dem Vorhabenträger steht lediglich ein Anspruch auf abwägungsfehlerfreie Entscheidung der Planfeststellungsbehörde über seinen Antrag auf Planfeststellung ZU 79 . 2. Einwände a) Fehlende planerische Tätigkeit der Planfeststellungsbehörde

Ein Teil der Literatur bestreitet, daß in Planfeststellungsverfahren eine planerische Entscheidung getroffen werde. Das BVerwG habe die fur die Bauleitplanung entwickelten Grundsätze zu Unrecht auf das Planfeststellungsverfahren übertragen; denn während die Gemeinde ihre Bauleitpläne selbst aufstelle, mithin selbst plane, habe die Planfeststellungsbehörde lediglich auf Antrag des Vorhabenträgers über dessen Planung zu entscheiden, ohne selbst zu Planänderungen befugt zu sein80 • Wegen des Schwerpunktes der Planungstätigkeit beim Vorhabenträger, der rechtlichen Bindungen, denen die Planfeststellungsbehörde bei der Überprüfung des Plans unterliege und der Genehmigungswirkung der Planfeststellung, die Korrekturen der Planung erschwere, sei die Entscheidung über den Erlaß des Planfeststellungsbeschlusses keine planerische Entscheidung H' •

7h Brohm, Öffentliches Baurecht, § 11 Rn. 2 f.; Hoppe, in: Hoppe/Grotejets, § 5 Rn. 6 m.w.N. 77 Vgl. zur Normierung des Abwägungsgebots als Argument flir die Einräumung planerischer Gestaltungsfreiheit Gaentzsch, FS für Schlichter, S. 517, 519 f. 73 79

Kühling, FS für Sendler, S. 391, 394; Steinherg, § I Rn. 26 u. 28, S. 28 f. BVerwG, Urt. v. 24.11.1994 - 7 C 25.93 -, E 97, 143, 149 f. (AbfG).

Rn. 8, § 41 Rn. 10 m.w.N.; Erhguth, NVwZ 1995,243 f. Erbguth, DVBI. 1992, 398, 402 f.

~o Ule/Laubinger, § 39 ~I

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I. Kap.: Überblick über die Planfeststellung nach dem AEG

b) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Einräumung planerischer Gestaltungsfreiheit bei Projekten privater Vorhabenträger

aa) Unvereinbarkeit planerischer Gestaltungsfreiheit mit dem Grundrechtsschutz

Vennehrt wird zudem vorgetragen, daß ein planerischer Gestaltungsfreiraum überall dort abzulehnen sei, wo ein Handeln Privater auf grundrechtlicher Basis unter Planfeststellungsvorbehalt gestellt werde, weil in der Möglichkeit der Überwindung der Belange des Vorhabenträgers durch planerische Abwägung ein Verstoß gegen den Gesetzmäßigkeitsgrundsatz liegeR2 • Der Planungsvorbehalt sei unzulässig, da es keine Gestaltungsfreiheit bezüglich der Schaffung von Versagungsgründen geben dürfe 83 • bb) Grundrechtsberechtigung der Eisenbahnunternehmen

Die verfassungsrechtlichen Bedenken sind für die eisenbahnrechtliche Planfeststellung nur dann erörterungbedürftig, wenn der jeweilige Vorhabenträger sich beim Bau von Eisenbahnbetriebsanlagen überhaupt auf Grundrechte stützen kann. Deshalb ist ein Blick auf die Grundrechtsfähigkeit der Eisenbahnunternehmen zu werfen: aaa) Private Eisenbahnunternehmen Private Eisenbahnunternehmer sowie im Eigentum von Privatpersonen stehende juristische Personen des Privatrechts sind grundrechtsfähig. Sie können sich beim Bau von Eisenbahnbetriebsanlagen auf die Berufsfreiheit und - wenn die Betriebsanlagen auf Grundstücken errichtet werden sollen, die bereits im Eigentum des Unternehmens stehen - auf Art. 14 Abs. 1 GG berufen. bbb) Eisenbahnen des Bundes Zweifelhaft ist dagegen, ob die Eisenbahnen des Bundes grundrechtsfähig sind: Nach der Rspr. des BVerfG ist eine juristische Person des Privatrechts dann nicht grundrechtsfähig i.S.d. Art. 19 Abs. 3 GG, wenn sie (mehrheitlich) R2 Burgi. JZ 1994, 654, 659; Bärger, S. ISO ff., 158 f. und Zusammenfassung S. 179 ff.; s.a. die Bemerkung von Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 15, daß ein Planungsvorbehalt gegenüber Privaten nur zulässig sei, wenn kein verfassungsrechtlich geschützter Anspruch auf Verwirklichung des Vorhabens bestehe. R3 Achenbach. S. 20 f., 95 ff.

D. Planerische Gestaltungsfreiheit und ihre Grenzen

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im Eigentum der öffentlichen Hand steht und eine gesetzlich geregelte Aufgabe der Daseinsvorsorge erfüllt84 • Maßgebend für die Grundrechtsträgerschaft ist nämlich nach der Rspr. des BVerfG die Art der wahrzunehmenden Aufgaben und die Funktion, die eine juristische Person ausübt, da der Grundrechtsschutz nicht von der Organisationsform abhängen könne 85 • Dem liegt die Annahme zugrunde, daß die Einbeziehung juristischer Personen in den Schutzbereich der Grundrechte nur dann gerechtfertigt sei, "wenn deren Bildung und Betätigung Ausdruck der freien Entfaltung der privaten natürlichen Personen ist, insbesondere wenn der ,Durchgriff auf die hinter ihnen stehenden Menschen es als sinnvol1 und erforderlich erscheinen läßt"R6.

Bei Anwendung dieser Kriterien scheint die Grundrechtsfahigkeit der DB AG sowie der in Zukunft gern. § 2 Abs. I i.V.m. § 25 DBGrG 87 aus der DB AG auszugliedernden Fahrwegs-AG ausgeschlossen zu sein. Eisenbahninfrastrukturunternehmen müssen nämlich gern. Art. 87e Abs. 3 GG zwingend mehrheitlich im Eigentum des Bundes verbleiben. Zudem schreibt Art. 87e Abs. 4 GG eine staatliche Verantwortung (auch) für die Eisenbahninfrastruktur fest 88 . Der Bau der Eisenbahninfrastruktur soll also weiterhin eine Aufgabe der Daseinsvorsorge bleiben 89 • Die Argumentation des BVerfG mit dem Durchgriff auf die hinter der Gesellschaft stehenden Gesellschafter und deren Grundrechtsberechtigung ist jedoch nicht unwidersprochen geblieben90 ; insbesondere wird ihr entgegengehalten, daß Art. 19 Abs. 3 GG die juristische Person selbst zum Grundrechtsträger mache und den Rückgriff auf die Gesellschafter gerade vermeiden wolle 91 • 1!4 BVerfG, 3. Kammer des Ersten Senats, 8. v. 16.5.1989 - I BvR 705/88, NJW 1990, 1783.

RS BVerfG, 8. v. 31.10.1984 - I BvR 35/82 u.a. -, E 68, 193,212 f; B. v. 7.6.1977 - I BvR 108/74 u.a. -, E 45, 63, 78 ff. R6 BVerfG, 3. Kammer des Ersten Senats, 8. v. 16.5.1989 - I BvR 705/88, NJW 1990, 1783 m.w.N.; ebenso Dürig, in: Maunz I Dürig, Art. 19 Abs. 3 Rn. 45; grundsätzlich zustimmend auch Wolffl BachoJl Stober, VerwR I, § 34 Rn. 10. R7 Gesetz über die Gründung einer Deutschen Bahn Aktiengesellschaft (Deutsche Bahn Gründungsgesetz - DBGrG), Art. 2 des Eisenbahnneuordnungsgesetzes vom 27.12.1993, BGB\. I S. 2386 ff xx Jarass I Pieroth. Art. 87e Rn. 4; Schulz, S. 97; Windthorst, in: Sachs, Art. 87e Rn. 50. Die Vorschrift ist ent~egen Fromm, DVB\. 1994, 187, 192 kein bloßer Programmsatz. Die dahingehende Außerung der Berichterstatter des Rechtsausschusses, BTDrs. 12/6280, S. 8, ist für die Auslegung angesichts des Kompromißcharakters der Regelung zwischen Bundesrat und Bundestag zur Sicherung der zur Verfassungsänderung erforderlichen Mehrheit irrelevant. R9

Ronellenfitsch, DÖV 1996, 1028, 1032.

Pieroth, NWVB\. 1992, 85 ff.; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 120 f; vg\. auch die Zusammenfassungen zum Meinungsstand bei Pieroth I Schlink, Rn. 152 ff.; Krebs, in: v. Münch I Kunig, Art. 19 Rn. 37 ff. 90

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1. Kap.: Überblick über die Planfeststellung nach dem AEG

Es ist hier nicht der Ort, allgemein die Kriterien für die Ermittlung der Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen zu diskutieren. Dargelegt werden kann aber immerhin, daß sich aus der speziellen Regelung der Rechtsstellung der Eisenbahnen des Bundes in Art. 87e GG Argumente für eine vom Durchgriff auf die Gesellschafter unabhängige Grundrechtsfähigkeit ergeben: Zu bedenken ist insoweit zunächst, daß die Eisenbahnen des Bundes nach Art. 87e Abs. 3 S. I GG zwingend privatrechtlich zu führen sind; aus dem Wortlaut des Art. 87e Abs. 3 S. 2 und 3 GG, wonach die Infrastrukturunternehmen "im Eigentum" des Bundes stehen und die Veräußerung von "Anteilen" des Bundes an den Unternehmen auf Grund eines Gesetzes erfolgt, ist zu schließen, daß nur Kapitalgesellschaften in Frage kommen92 • Da die Rechts- und Organisationsform verfassungsrechtlich vorgeschrieben ist, ist der Grundrechtsschutz also nicht durch die Formenwahl zu beeinflussen. Weiterhin ist zu berücksichtigten, daß die in Art. 87e Abs. 4 GG geregelte Infrastrukturverantwortung gerade nicht die Eisenbahnunternehmen des Bundes, sondern allein den Bund selbst trifft93 • Die Eisenbahnunternehmen sind - auch soweit es sich um Infrastrukturunternehmen (Art. 87e Abs. 3 S. 2 GG) handeltgern. Art. 87e Abs. 3 S. I GG als Wirtschaftsunternehmen zu führen. Die Führung als WirtschaJtsunternehmen beinhaltet die erwerbswirtschaftliche Ausrichtung der Eisenbahnen des Bundes und die Befreiung vom Gemeinwohlauftrag94 • Die Eisenbahnen des Bundes sollen als freie und eigenverantwortlich handelnde Unternehmen am Wettbewerb teilnehmen95 • Art. 87e Abs. 3 S. I GG will die Eisenbahnunternehmen gerade von staatlichem Einfluß befreien96 . Die Regelung beschränkt daher auch die Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes als (Mit-)Eigentümer der Eisenbahninfrastrukturunternehmen97 • Der Bund muß Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 120 f. Schulz, S. 94 f.; Uerpmann, in: v. Münch/Kunig, Art. 87e Rn. 9; Heinze, BayVBI. 1994, 266 (zu Art. 73 Nr. 6a GG); a.A. Windthorst, in: Sachs, Art. 87e Rn. 35. 93 Steiner, in: Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Besonderer Teil 2, § 10 Rn. 60 (S. 186); Uerpmann, in: v. Münch/Kunig, Art. 87e Rn. 16; Schutz, S. 97; Fehling, AöR 121 (1996),59, 78; a.A. - unter Vernachlässigung des eindeutigen Wortlauts des Art. 87e Abs. 4 GG - BVerwG, Urt. v. 27.11.1996 - 11 A 2.96 -, UPR 1997, 150. 94 Reg.-Begr. zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des GG, BT-Drs. 12/5015, S. 5; Steiner, in: Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Besonderer Teil 2, § 10 Rn. 60 (S. 186); Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994,577,580; Uerpmann, in: v. Münch/Kunig, Art. 87e Rn. 10; Roer, DVBI. 1996, 1293, 1295. 9S Reg.-Begr. zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des GG, BT-Drs. 12/5015, S. 7; s.a. die Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 12/5015, S. 14 zum Vorschlag des Bundesrates, das Eigentum an den Schienenwegen beim Bund zu belassen (BT-Drs. 12/5015, S. 11), der sich nicht durchgesetzt hat. Die Regelung des Art. 87e Abs. 3 GG wurde vom Bundesrat aber im übrigen nicht angegriffen. 96 Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994,577,581. 97 Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994,577, 585. 91

92

D. Planerische Gestaltungsfreiheit und ihre Grenzen

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mithin als Gesellschafter der DB AG nicht nur die einfachgesetzlichen Grenzen des Aktienrechts einhalten98 , sondern auch die verfassungsrechtliche Grundentscheidung des Art. 87e Abs. 3 S. I GG zugunsten einer eigenverantwortlichen Untemehmensführung nach wirtschaftlichen Grundsätzen beachten. Eine wesentliche Erweiterung der staatlichen Einwirkungsmöglichkeiten läßt sich auch nicht aus der Privatisierungsschranke für Eisenbahninfrastrukturunternehmen in Art. 87e Abs. 3 S. 3 2. Hs. GG herleiten. Denn die Grundentscheidung des Art 87e Abs. 3 S. I zugunsten einer Führung als Wirtschaftsunternehmen wird dadurch nicht aufgehoben. Die begrenzte Bedeutung des Eigentümereinflusses zeigt sich daran, daß bis zu 49% der Anteile veräußert werden dürfen99 • Angesichts der Regelung der Rechtsstellung der Eisenbahnen des Bundes in Art. 87e Abs. 3 GG und mit Rücksicht darauf, daß durch diese Regelung gerade die gleichberechtigte Teilnahme am Wettbewerb ermöglicht werden soll, sprechen gute Argumente dafür, den bundeseigenen Eisenbahnen grundsätzlich ebenso wie anderen privaten Eisenbahnunternehmen bei der Errichtung von Eisenbahninfrastrukturanlagen Grundrechtsschutz zuzubilligen 1oo • Etwas anderes dürfte nur bei denjenigen Vorhaben gelten, die vom Bund - in Erfüllung der Gewährleistungsverpflichtung gem. Art. 87e Abs. 4 GG - nach dem Bundesschienenwegeausbaugesetz (im folgenden: SchwAbG)IOI vollständig finanziert werden, da die Eisenbahnen des Bundes beim Bau dieser Anlagen kein unternehmerisches Risiko tragen und nicht im Wettbewerb stehen.

3. Stellungnahme Letztlich kommt es auf die Grundrechtsfähigkeit der Vorhabenträger aber nicht an. Trotz der in der Literatur geäußerten Kritik ist nämlich mit der Rspr. des BVerwG auch bei Vorhaben privater Träger daran festzuhalten, daß die planerische Gestaltungsfreiheit im rechtlichen Sinn nicht dem planaufstellenden Vorhabenträger, sondern der Planfeststellungsbehörde zukommt. Zwar kann die Planfeststellungsbehörde den Vorhabenträger nicht zu einer geänderten Planung zwingen. Die Planfeststellungsbehörde ist aber befugt, die Feststellung des vorgelegten Plans aufgrund einer planerischen Abwägungsentscheidung abzulehnen. Die verfassungsrechtlichen Bedenken sind nicht begründet:

9R Roer, DVBI. 1996, 1293, 1297; Studenroth, VerwArch. 1996,97, 108; allg. zu den Grenzen des Aktienrechts PüUner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 282 f. 99 Schmidt-Aßmann / Röhl, DÖV 1994, 577, 585. 100

Fehling, AöR 121 (1996),59,90 f.; Uerpmann, in: v. Münch/Kunig, Art. 87e

Rn. 10 (für Art. 12 GG); a.A. Windthorst, in: Sachs, Art. 87e Rn. 52.

101 Gesetz v. 15.11.1993, BGBI. 1 S. 1874, geändert durch Art. 6 Abs. 135 des ENeuOrdnG v. 27.12.1993, BGBI. 1 S. 2378, 2423.

48

1. Kap.: Überblick über die Planfeststellung nach dem AEG

Müssen für das Vorhaben des privaten Trägers Grundstücke enteignet werden, ist die Anerkennung der planerischen Gestaltungsfreiheit der Planfeststellungsbehörde bei der Entscheidung über den eingereichten Plan nicht nur zulässig, sondern wegen der gern. § 22 AEG der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung zukommenden enteignungsrechtlichen Vorwirkung unverzichtbar. Denn Enteignungen sind gern. Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Bei Administrativenteignungen muß deshalb die zuständige Behörde im Einzelfall prüfen, ob das Vorhaben konkret den abstrakt im Gesetz genannten Allgemeinwohlbelangen dient. Die Feststellung, daß das Allgemeinwohlinteresse im Einzelfall eine Enteignung rechtfertigt, setzt eine Gesamtabwägung aller öffentlichen und privaten Belange voraus. Die Bindungswirkung der Planfeststellung im folgenden Enteignungsverfahren, die eine Prüfung der Allgemeinwohldienlichkeit des Vorhabens im anschließenden Enteignungsverfahren gerade ausschließt, zwingt folglich dazu, die Allgemeinwohldienlichkeit des konkreten Vorhabens bereits im Planfeststellungsverfahren in einer solchen Gesamtabwägung zu prüfen ,02 • Dies bedingt die Einräumung eines planerischen Gestaltungsfreiraums zugunsten der Planfeststellungsbehörde ,03 • Gerade bei privaten Vorhabenträgern ist die Überprüfung der Allgemeinwohldienlichkeit des Vorhabens unverzichtbar lO4 • Wäre die Plan feststellung für Eisenbahnanlagen nämlich eine gebundene Genehmigungsentscheidung, bestünde letztlich wegen der enteignungsrechtlichen Vorwirkung nach § 22 AEG ein Anspruch des privaten Vorhabenträgers auf Enteignung der erforderlichen Grundstücke, ohne daß eine planerisch abwägende Prüfung der Allgemeinwohldienlichkeit des konkreten Vorhabens möglich wäre lO5 • Auch wenn die Planfeststellungsbehörde also lediglich abwägend die Vorstellungen des Vorhabenträgers nachvollzieht und nicht selbst zu einer Planänderung befugt ist, muß sie letztlich die rechtliche Verantwortung für die Planung übernehmen '06 •

102 BVerwG, Urt. v. 9.3.1990 - 7 C 21.89 -, E 85, 44, 50 f. (AbfG); vgl. auch die instruktive Darstellung in BVerwG, Urt. v. 14.12.1990 - 7 C 5.90 -, E 87, 241, 247 u. 251 - 53 zum bergrechtlichen Grundabtretungsverfahren; mangels umfassender Abwägung im vorangehenden Verfahren der Betriebsplanzulassung muß die Abwägung dort im Grundabtretungsverfahren erfolgen. 103 Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 24 f. und 380; Wahl, NVwZ 1990, 426, 427; Gaentzsch, FS für Schlichter, S. 517, 520, 531. 104

BVerwG, Urt. v. 14.12.1990 -7 C 5.90 -, E 87, 241, 247 (BBergG).

Demensprechend hat das BVerwG in seiner Rspr. zum Abfallrecht ausdrücklich Bedenken gegenüber der gesetzlichen Verleihung der enteignungsrechtlichen Vorwirkung für einen PIanfeststellungsbeschluß geäußert, der nach den materiellen Anforderungen des BlmSchG und damit als gebundene Genehmigungsentscheidung ergehen würde, BVerwG, Urt. v. 24.11.1994 -7 C 25.93 -, DVBI. 1995,238,240 = BVerwGE 97. 143. 147. lOS

lOh

BVerwG, Urt. v. 24.11.1994 - 7 C 25.93 -, E 97, 143, 148 f. (AbfG).

D. Planerische Gestaltungsfreiheit und ihre Grenzen

49

Die enteignungsrechtliche Vorwirkung der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung kann die planerische Gestaltungsfreiheit der Planfeststellungsbehörde jedoch nur dann rechtfertigen, wenn tatsächlich das Eigentum Dritter zur Verwirklichung des Vorhabens in Anspruch genommen werden muß. Dies wirft die Frage auf, ob die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Einräumung planerischer Gestaltungsfreiheit zumindest dann berechtigt sind, wenn das Vorhaben ausschließlich auf eigenen Grundstücken des Vorhabenträgers verwirklicht werden soll. Denn in diesem Fall entfallt das Bedürfnis für die Prüfung der Allgemeinwohldienlichkeit des beantragten Vorhabens wegen der Inanspruchnahme des Eigentums Dritter. Rechtfertigungsbedürftig ist in diesem Fall vielmehr der in dem Planungsvorbehalt liegende Eingriff in das Eigentumsrecht des Vorhabenträgers. Gleichwohl ist die gesetzliche Übertragung planerischer Gestaltungsfreiheit auf die Planfeststellungsbehörde auch dann verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden: Nach der Rspr. des BVerfG sind nämlich auch im Bereich grundrechtlich geschützter Tätigkeiten offene Normprogramme dann unbedenklich, wenn die sachgerechte Bewältigung der tatsächlichen Konfliktlage eine detaillierte gesetzliche Regelung ausschließt; denn der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes darf nach Auffassung des BVerfG nicht dazu führen, daß "der Gesetzgeber auf eine Regelung, die er zur Erreichung eines verfassungsrechtlich legitimen Ziels für geboten hält (und halten darf), verzichten müßte"I07. Geeignet und verfassungsrechtlich zulässig ist vielmehr unter diesen Umständen ein an Zielvorstellungen orientiertes Entscheidungsprogramm, das einen planerischen Gestaltungsfreiraum eröffnet und einen Interessenausgleich in einer umfassenden planerischen Abwägung anstrebt lO8 • Die dem Eisenbahnplanfeststellungsrecht zugrundeliegende tatsächliche Problemstellung erfüllt die Voraussetzungen, unter denen das BVerfG offene Normprogramme für zulässig erachtet. Ausschlaggebend für diese Bewertung ist, daß mit der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung zugleich eine verbindliche Entscheidung über die zulässige Bodennutzung getroffen wird lO9 • Dieser Umstand, der von der Gegenmeinung vernachlässigt wird, rechtfertigt es, der Planfeststellungsbehörde planerische Gestaltungsfreiheit einzuräumen: Es wurde bereits dargelegt, daß es sich bei Eisenbahnprojekten typischerweise um trassenförmige Vorhaben handelt, die zur Herstellung großräumiger Verkehrsverbindungen für 107

BVerfG, B. v. 6.6.1989 - 1 BvR 921/85 -, E 80, 137, 163 ("Reiten im Walde").

BVerfG, B. v. 6.6.1989 - 1 BvR 921/85 -, E 80, 137, 161-163 ("Reiten im Walde"); BVerfG, B. v. 30.11.1988 - 1 BvR 130 I /84 -, E 79, 174, 198 f. (Festsetzung von Straßen durch Bebauungsplan); instruktiv dazu Sautho.lJ, NVwZ 1995, 119, 120 m.w.N. 109 Siehe oben I. Kapitel, A.I.I. 10R

4 Buchncr

50

1. Kap.: Überblick über die Planfeststellung nach dem AEG

die Güter- und Personen beförderung dienen. Die Verkehrsverbindung als Ziel kann nicht nur auf einem einzigen Weg erreicht werden; in der Regel sind verschiedene Möglichkeiten denkbar. Die Verwirklichung des Eisenbahnbauvorhabens setzt - unabhängig von der Erforderlichkeit einer Enteignung - notwendigerweise die Inanspruchnahme von Grund und Boden voraus. Schon mit Rücksicht auf die erforderliche Schonung des Raumes und wegen der konkurrierenden Nutzungsanspruche, insbesondere der Auswirkungen auf benachbarte Grundstücke durch Immissionen, berührt ein solches Vorhaben regelmäßig eine Vielzahl öffentlicher und privater Interessen, die zum Ausgleich gebracht werden müssen. Es ist deshalb gerechtfertigt, die Bodennutzung für derartig bedeutsame und komplexe Vorhaben wie den Bau von Eisenbahnen einer koordinierenden Planung zuzuführen und zu diesem Zweck der Planfeststellungsbehörde planerische Gestaltungsfreiheit einzuräumen. In einer neueren Entscheidung zur abfallrechtlichen Planfeststellung, die die Planfeststellung für die Abfallentsorgungsanlage eines privaten Trägers betraf, hat auch das BVerwG - allerdings ohne sich explizit mit verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die gesetzliche Einräumung planerischer Gestaltungsfreiheit auseinanderzusetzen - ausdrücklich erklärt, daß die Besonderheit, die darin liege, daß mit der PlanfeststelJung eine verbindliche Raumnutzungsentscheidung getroffen werde, die gern. § 38 BauGB gegenüber der örtlichen Gesamtplanung grundsätzlich Vorrang habe, eine in planerischer Gestaltungsfreiheit ergehende Zweckentscheidung des öffentlichen Planungsträgers verlange 11 0. Der Preis der FreistelJung von der städtebaulichen Planung durch § 38 BauGB ist so gesehen der Fachplanungsvorbehalt für den Eisenbahnbau gern. § 18 Abs. I S. I AEG. Die Verfassungsmäßigkeit der Übertragung planerischer Gestaltungsfreiheit auf die PlanfeststelJungsbehörde bestätigt schließlich der Vergleich mit baugenehmigungspflichtigen Vorhaben: Zwar handelt es sich bei der Erteilung einer Baugenehmigung um eine rechtlich gebundene Entscheidung. Jedoch ist die Planungsentscheidung in diesem FalJ bereits in der Bauleitplanung, also in einer dem Genehmigungsverfahren vorgelagerten Stufe erfolgt. Insofern ist aber das Bauen als durch Art. 14 GG grundrechtlich geschützte Tätigkeit ebenfalls der Planung unterworfen und ein Rechtsanspruch letztlich ausgeschlossen JJ J; die Baufreiheit besteht wegen des Planvorbehalts lediglich potentielJ 112. Von der Bindung an die Bauleitplanung werden die Eisenbahnvorhaben nun aber durch § 38 S. I BauGB gerade freigestellt. Wenn aber für "normale" Bauvorhaben im Interesse einer sinnvollen BVerwG, Urt. v. 24.11.1994 -7 C 25.93 -, E 97,143, 148. Paetow, FS für Schlichter, S. 499, 504 f. 112 Erbguth I Wagner, Rn. 17; Krautzberger, in: Battis I Krautzberger I Löhr, § I Rn. 8; zum sog. Planvorbehalt nach dem BauGB auch Grate/eis, in: Hoppe I Grote/els, § 2 Rn. 55 f., S. 53 f.; Ronellenfitsch, Einfiihrung S. 70. 110 111

D. Planerische Gestaltungsfreiheit und ihre Grenzen

51

Bodenordnung die städtebauliche Planung allgemein als verfassungsgemäß erachtet wird ll3 , kann für die in ihren Auswirkungen wesentlich bedeutsameren Eisenbahnvorhaben das Erfordernis der Fachplanung nicht unzulässig sein. Es wäre im Gegenteil ein erheblicher, mit dem Gleichheitssatz kaum zu vereinbarender Wertungswiderspruch, wenn solche bodenbeanspruchenden Vorhaben nicht ebenfalls der staatlichen Planung unterliegen würden. Das BVerwG hat deshalb die Rspr. zur planerischen Gestaltungsfreiheit zu Recht auf das Fachplanungsrecht übertragen. Der Unterschied zwischen Bauleitplanung und Fachplanung liegt letztlich allein darin, daß bei der Planfeststellung die Planungsentscheidung jeweils erst auf Antrag des Vorhabenträgers auf das konkrete Vorhaben bezogen getroffen wird, während sie bei der Bauleitplanung regelmäßig unabhängig von einem konkreten Projekt erfolgt. Als unverhältnismäßiger Eingriff würde sich der Planungsvorbehalt allenfalls dann darstellen, wenn ein Bedürfnis für eine Planungsentscheidung schlechterdings nicht erkennbar ist, d.h., wenn weder öffentliche noch private Belange dem Vorhaben entgegenstehen können. In diesen, gerade bei den raumrelevanten Eisenbahnprojekten aber eher seltenen Fällen, muß dem Vorhabenträger ein Anspruch auf Feststellung des vorgelegten Plans zustehen. Im übrigen wird es sich bei Vorhaben, die keine Konflikte auslösen, häufig um Änderungen und Erweiterungen von unwesentlicher Bedeutung i.S.d. § 18 Abs. 3 AEG handeln. bei denen der Planungsvorbehalt entfällt l14 • Nach alledem besteht an der Planungsbefugnis der Planfeststellungsbehörde in der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung kein Zweifel.

11. Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit ergeben sich in formeller Hinsicht aus den Vorschriften über das Planfeststellungsverfahren, in materieller Hinsicht aus dem Erfordernis der Planrechtfertigung, der Bindung an das sekundäre materielle Recht sowie den Anforderungen des Abwägungsgebots (§ 18 Abs. I S. 2 AEG): 1. Planfeststellungsverfahren

Formelle Grenze der planerischen Gestaltungsfreiheit ist mit dem grundsätzlich durchzufiihrenden Planfeststellungsverfahren ein besonderes, formalisiertes Verwaltungsverfahren.

113

Gierke. in: Broge/mann. § I Rn. 150.

114

Siehe dazu noch näher unten I. Kapitel. E.II.2.

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1. Kap.: Überblick über die Planfeststellung nach dem AEG

Für Planfeststellungsverfahren bei Vorhaben der Eisenbahnen des Bundes, die nach Art. 87e Abs. I GG der Eisenbahnverkehrsverwaltung des Bundes unterliegen, gelten gern. § I Abs. I Nr. I a.E. VwVfG die §§ 72 ff. VwVfG, für die sonstigen Eisenbahnen gilt das jeweilige Landesverwaltungsverfahrensgesetz; die folgende Darstellung beschränkt sich auf das Planfeststellungsverfahrensrecht für Vorhaben der Eisenbahnen des Bundes, dessen Handhabung verwaltungsintern durch die sog. Planfeststellungsrichtlinien gesteuert wird 115. Das Planfeststellungsverfahren für Eisenbahnprojekte verläuft gern. § 72 Abs. I VwVfG entsprechend den §§ 73 ff. VwVfG, soweit das AEG keine abweichenden Regelungen enthält: a) Planaufstellung und Antrag durch den Träger des Vorhabens

Zeitlich vor Beginn des förmlichen Planfeststellungsverfahrens, das gemäß § 73 Abs. I S. I VwVfG damit eingeleitet wird, daß der Träger des Vorhabens den Plan der Anhörungsbehörde zur Durchführung des Anhörungsverfahrens einreicht l16, liegt die Aufstellung des Planes durch den Vorhabenträger. Die Anforderungen an die Planunterlagen bestimmt § 73 Abs. I S. 2 VwVfG. Der Vorhabenträger muß einen feststellungsfähigen Plan einschließlich aller zur Beurteilung des Vorhabens notwendigen Unterlagen einreichen; ebenso wirkt sich die Regelung des § 6 Abs. I S. I UVPG aus, der die Bereitstellung der Umweltverträglichkeitsprüfung durch den Vorhabenträger anordnee 17 • Vorhabenträger sind Eisenbahninfrastrukturunternehmen i.S.d. § 2 Abs. I AEG, d.h. öffentliche Einrichtungen oder privatrechtlich organisierte Unternehmen, die eine Betriebsanlage i. S. des § 18 Abs. I S. I AEG errichten wollen. Privatrechtlich organisierte Unternehmen in diesem Sinne sind auch die Eisenbahnen des Bundes, was durch die ausdrückliche Bezeichnung der Eisenbahnen des Bundes als private Einrichtungen in § 4 S. 3 des Eisenbahnverkehrsverwaltungsgesetz 118 (im folgenden: EVerkVerwG) bestätigt wird. 115 Richtlinien für die Planfeststellung und Plangenehmigung von Betriebsanlagen der Deutsche Bahn AG, vom Eisenbahnbundesamt mit Schreiben vom 7.2.1994 - 11.11 Rap 2/94 - den Außenstellen zur Anwendung übersandt; vg\. dazu Knack / Busch, 6. Auft., vor § 72 Anm. 8.1. 116 Bei Vorhaben der Eisenbahnen des Bundes ist der Plan immer beim EisenbahnBundesamt einzureichen, das zugleich Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde ist, wenn das Vorhaben ausschließlich den Bereich der Eisenbahnen des Bundes berührt; ansonsten leitet das Eisenbahnbundesamt den Plan der nach Landesrecht zuständigen Anhörungsbehörde zu, § 3 Abs. 3 S. I EVerkVerwG. 117 Steinherg, § 3 Rn. 38 ff. (S. 114 ff.). IIR Gesetz über die Eisenbahnverkehrsverwaltung des Bundes, Art. 3 des Eisenbahnneuordnungsgesetzes v. 27.12.1993, BGB\. I S. 2394 ff.

D. Planerische Gestaltungsfreiheit und ihre Grenzen

53

b) Anhörungsverfahren

Nach § 20 Abs. I AEG i.Y.m. § 73 VwVfG ist ein formalisiertes Anhörungsverfahren durchzuführen. Dieses Verfahren dient der Unterrichtung der Pianfeststellungsbehörde, der Information der Öffentlichkeit und damit durch die Gewährung rechtlichen Gehörs dem Rechtsschutz sowie dem Interessenausgleich und der Akzeptanzverbesserung für das Vorhaben 119. Anhörungsbehörde ist gemäß § 3 Abs. 3 S. I EVerkVerwG die nach Landesrecht zuständige Behörde, wenn die Pläne nicht nur den Bereich der Eisenbahnen des Bundes berühren l2O • Ansonsten ist das Eisenbahn-Bundesamt zuständig.

aa) Behördenbeteiligung und Auslegung Die Anhörungsbehörde hat die Stellungnahmen der Behörden, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird. einzuholen (§ 73 Abs. 2 VwVfG). Für die Abgabe der Stellungnahme setzt die Anhörungsbehörde gern. § 20 Abs. I Nr. I AEG (§ 73 Abs. 3a S. I VwVfG) eine Frist von maximal drei Monaten. Stellungnahmen, die erst nach dem Erörterungstermin eingehen, müssen gern § 20 Abs. 2 S. 3 AEG nicht mehr berücksichtigt werden, es sei denn, die vorgebrachten öffentlichen Belange sind bekannt oder hätten bekannt sein müssen 121. Gleichzeitig mit der Einholung der Stellungnahmen der Behörden veranlaßt die Anhörungsbehörde die öffentliche Auslegung des Planes in den Gemeinden, in denen sich das Vorhaben voraussichtlich auswirkt (§ 73 Abs. 3 S. 1 VwVfG), soweit nicht der Kreis der Betroffenen bekannt ist (§ 73 Abs. 3 S. 2 VwVfG). Die Gemeinden haben die Auslegung gern. § 20 Abs. I Nr. 2 AEG innerhalb von drei Wochen vorzunehmen und vorher ortsüblich bekannt zu machen; die Auslegung dauert einen Monat (§ 73 Abs. 3 S. I VwVfG).

119

Zusammenfassend zu den Aufgaben des Anhörungsverfahrens Knack I Dürr, § 73

Rn. 6 ff.; KopplRamsauer, § 73 Rn. 2; Wahl/Dreier, NVwZ 1999,606,611.

120 Welchen praktischen Anwendungsbereich diese, als Kompromiß zwischen Regierungsentwurfund Bundesrat (dazu § 3 Abs. 3 des Regierungsentwurfs BT-Drs. 12/4609, S. 91 und Stellungnahme des Bundesrates zu § 3 Abs. 3 RegE, BT-Drs. 12/5014, S. 10; ablehnende Erwiderung der BReg., BT-Drs. 12/5014, S. 40) aufgenommene Regelung hat, bleibt abzuwarten. Daß auschließlich die Belange der Eisenbahnen des Bundes berührt sind, dürfte wohl vorwiegend in solchen Konstellationen zutreffen, die ohnehin von § 18 Abs. 2 oder Abs. 3 AEG erfaßt werden. so daß von vornherein kein förmliches Anhörungsverfahren erforderlich ist. 121 Steiner, NVwZ 1994, 313, 314 f.

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I. Kap.: Überblick über die Planfeststellung nach dem AEG

bb) Einwendungen Gemäß § 73 Abs. 4 S. 1 VwVfG kann jeder, dessen Belange durch das Vorhaben berührt werden, bis zu zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist Einwendungen erheben. Die Nichteinhaltung d'er Einwendungsfrist führt zum Ausschluß der Einwendung im weiteren Verfahren einschließlich des Verwaltungsprozesses (sog. materielle Präklusion, § 20 Abs. 2 S. 1 AEG) 122. Die Einwendungsbefugnis setzt nicht die Verletzung eigener Rechte voraus. Denn die Einwendung ist kein Rechtsbehelrt 23 , sondern dient im Rahmen des Anhörungsverfahrens der Öffentlichkeitsbeteiligung und Infonnationsbeschaffung vor dem Erlaß einer mit Rechtsbehelfen angreifbaren Entscheidung. Ausreichend ist es daher, daß die berechtigten Interessen des Einwenders berührt werden können l24 • Es muß sich aber immer um eigene Belange, d.h. rechtliche, wirtschaftliche oder auch ideelle Interessen des Einwenders handeln 125. Schon begrifflich setzt eine Einwendung außerdem voraus, daß ein sachliches Gegenvorbringen erfolgt, das über die schlichte Ablehnung des Vorhabens hinausgeht l26 • Aufgrund der dem Betroffenen auferlegten Mitwirkungslast müssen die Einwendungen darüber hinaus zumindest erkennen lassen, welche seiner Rechtsgüter er als gefahrdet ansieht. Der Einwender muß diese Rechtsgüter bezeichnen und die befürchteten Beeinträchtigungen darlegen 127 ce) Erörterungstermin Nach Ablauf der Einwendungsfrist findet ein Erörterungstermin statt, in dem die Anhörungsbehörde die Stellungnahmen und Einwendungen mit dem Vorhabenträger, den Behörden, den Betroffenen und den Einwendern erörtert l28 ; die Erörterung ist innerhalb von drei Monaten abzuschließen (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 AEG i.V.m. § 73 Abs. 6 VwVfG).

122 Zur materiellen Präklusion gern. § 20 AEG: BVerwG, B. v. 18.9.1995 - 11 VR 7/ 95 -, NVwZ 1996,399,400; Heinze, S. 135 f.; allg. zur Präklusion Steinherg, Fachplanung § 3 Rn. 87 (S. 131); Wahl/Dreier, NVwZ 1999,606,611 f.; zur entsprechenden Regelung im FStrG, Dürr, in: Kodal/Krämer, Kap. 35 Rn. 8.3 (S. 1140), 12J Ule / Laubinger, § 40 Rn. 27; a.A. Hoppe / Schlarmann, Rn. 73. 124 Kopp/ Ramsauer, § 73 Rn. 53. 12' Steinherg, Fachplanung, § 3 Rn. 80 fT. (S. 129 fl). 126 Ronel/e'!fitsch, Einführung, S. 111 m.w.N.; Ule/Laubinger, § 40 Rn. 28. 127 BVerwGE 60, 297, 311; VGH Mannheim, Ur!. v. 9.5.1997 - 5 S 1585/95 -, NVwZ-RR 1998, 771, 772. 12M Dazu im einzelnen Heinze, S. 157 fT.

D. Planerische Gestaltungsfreiheit und ihre Grenzen

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dd) Stellungnahme der Anhörungsbehörde Die Anhörungsbehörde gibt zum Ergebnis des Anhörungsverfahrens eine Stellungnahme ab, die zusammen mit dem Plan, den BehördensteIlungnahmen und den nicht erledigten Einwendungen der Planfeststellungsbehörde als Grundlage ihrer Entscheidung zuzuleiten ist (§ 73 Abs. 9 VwVfD). c) Feststellungsverfahren und 'Planfeststellungsbeschluß

Die Planfeststellungsbehörde entscheidet über den Erlaß bzw. die Ablehnung des Planfeststellungsbeschlusses ohne Bindung an die Stellungnahme der Anhörungsbehörde. Planfeststellungsbehörde ist für Eisenbahnen des Bundes gemäß § 3 Abs. 2 Nr. I EVerkVerwG das Eisenbahn-Bundesamt; die nach der bisherigen Regelung in § 36 BbG bestehende Gefahr der Interessenkollision wegen der Identität von Vorhabenträger und Planfeststellungsbehörde in Form der ehemaligen Bundesbahn ist damit beseitigt l29 • Für die nicht im Eigentum des Bundes stehenden Eisenbahnen muß die Planfeststellungsbehörde landesgesetzlich bestimmt werden. Der Planfeststellungsbeschluß ist gern. § 74 Abs. 4 S. I VwVfD dem Vorhabenträger, den bekannten Betroffenen und denjenigen, über deren Einwendungen entschieden worden ist, zuzustellen. Zusätzlich sieht § 74 Abs. 4, Abs. 5 VwVfD die öffentliche Bekanntmachung vor.

2. Materielle Rechtmäßigkeitsanforderungen 130 Die Planfeststellung unterliegt den gesetzlich geregelten Anforderungen des

§ 18 AEG sowie weiteren, vom BVerwG aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleite-

ten, justiziablen Bindungen 131 ;

129 Fromm, DVBI. 1994, 187, 192; zur Verfassungsmäßigkeit der bisherigen Regelung BVerwG, Urt. v. 27.7.1990 - 4 C 26.87 -, NVwZ 1991, 781 ff. 130 Zu den materiellrechtlichen Anforderungen bei der eisenbahnrechtlichen PIanfeststellung umfassend Heinze, S. 49 ff. 131 Vgl. dazu im Überblick BVerwG, Urt. v. 14.12.1979 - 4 C 10.77 -, E 59, 253, 257; Steinberg, Fachplanung §§ 4, 5 (S. 169 ff.); Dürr, in: Kodall Krämer, Kap. 34 Rn. 24 ff. (S. 1033 ff.) m.w.N.; Wahl/Dreier, NVwZ 1999,606,613 ff.

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I. Kap.: Überblick über die Planfeststellung nach dem AEG

a) Planrechtfertigung

aa) Grundlage und Anforderungen des Gebots der Planrechtfertigung Das BVerwG hat das Bedürfnis nach einer besonderen Rechtfertigung der hoheitlichen Planung aus den von ihr ausgehenden Einwirkungen auf Rechte Dritter abgeleitet 132 • Eine solche Rechtfertigung ist insbesondere dann notwendig, wenn Privateigentum fur das Vorhaben enteignet werden muß. Die Planrechtfertigung dient dann der Überprüfung der Übereinstimmung des konkreten Vorhabens mit den Zielen eines Gesetzes, das die Enteignung zugunsten des Vorhabens vorsieht und insofern die nach dem Gesetz zulässigen Vorhaben generell als Verwirklichung einer Gemeinwohlaufgabe qualifiziert J33 • Eine Rechtfertigung des konkreten Vorhabens in diesem Sinne ist bereits dann gegeben, wenn es gemessen an den allgemein von dem jeweiligen Planungsgesetz verfolgten Allgemeinwohlzielen vernünftigerweise geboten ist. Bei der Prüfung der Planrechtfertigung besteht grundsätzlich kein planerischer Gestaltungsspielraum der Planfeststellungsbehörde l34 • Die Rechtfertigung des Vorhabens ist vielmehr objektiv zu ermitteln 135. Ist nach diesen Maßstäben das Vorhaben gerechtfertigt, steht damit nach der Rspr. des BVerwG jedoch noch nicht fest, daß die Enteignung fur das konkrete Vorhaben zulässig ist; dies kann erst nach ordnungsgemäßer Abwägung sämtlicher für und gegen das Vorhaben sprechender privater und öffentlicher Belange entschieden werden l36 • Da die fur die Planrechtfertigung zu prüfenden Gesichtspunkte also auch in der Abwägung zu berücksichtigen sind 137 , dient die Vorabprüfung der Planrechtfertigung in erster Linie der Arbeitsökonomie, indem Vorhaben ausgesondert werden, die in Rechte Dritter eingreifen und nicht dem Allgemeinwohl dienen 138 • 132

BVerwG, Urt. v. 7.7.1978 - 4 C 79.76 -, E 56, 110, 118 (LuftVG).

BVerwG, Urt. v. 22.3.1985 - 4 C 15.83 -, E 71, 167, 168; Niehues, WiVerw 1985, 250,254. 133

134 BVerwG, B. v. 30.10.1992 -4 A 4.92 -, UPR 1993,62,63 (FStrG); BVerwG, Urt. v. 20.10.1989 - 4 C 12.87 -, E 84, 31, 36 (FStrG); eine Ausnahme kann für einzelne Faktoren der Planrechtfertigung gelten, die prognostischen Charakter haben, BVerwG, Urt. v. 24.11.1989 - 4 C 41.88 -, E 84, 123, 131 (FStrG).

13S

BVerwG, Urt. v. 27.7.1990 - 4 C 26.87 -, NVwZ 1991, 781, 783.

136

BVerwG, Urt. v. 9.3.1990 - 7 C 21.89 -, E 85, 44, 51 (AbfG).

137 BVerwG, Urt. v. 9.3.1990 - 7 C 21.89 -, E 85, 44, 51 (AbfG); Wahl, NVwZ 1990, 426, 434; Wahl! Dreier, NVwZ 1999, 606, 613; Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 166, und Paetow, FS für Sendler, S. 425, 430 f. äußern insofern Zweifel an der Erforderlichkeit einer gesonderten Prüfung der Planrechtfertigung; ebenso Ule! Laubinger, § 41 Rn. 5; Fouquet, VerwArch. 1996,212,231 f. 13M Niehues, WiVerw. 1985, 250, 253 f.; insofern ist die Prüfungsstufe "Planrechtfertigung" nicht überflüssig.

D. Planerische Gestaltungsfreiheit und ihre Grenzen

57

bb) Planrechtfertigung for den Eisenbahnbau Für die in den Bedarfsplan 139 gern. § I Abs. I SchwAbG aufgenommenen Vorhaben der Eisenbahnen des Bundes ergibt sich die Planrechtfertigung daraus, daß gemäß § 1 Abs. 2 SchwAbG die gesetzliche Feststellung des Bedarfs für die Planfeststellung verbindlich ist '40 ; bestehen ernstliche Zweifel am gesetzlich festgelegten Bedarf, kann gegebenenfalls ein konkretes Normenkontrollverfahren nach Art. 100 GG eingeleitet werden '41 • Für sonstige Vorhaben muß die Übereinstimmung mit den Zielen des AEG gesondert festgestellt werden. Anknüpfend an § 4 Abs. 1 AEG a.F., der den Netzausbau entsprechend dem Allgemeinwohl und dem öffentlichen Verkehrsbedürfnis als Auftrag der öffentlichen Eisenbahnen vorsah, hat das BVerwG zur Planung nach dem BbG als Gemeinwohlbelange unter anderem die Attraktivitätssteigerung des Schienenverkehrs durch die Verkürzung der Transportzeiten und die Verbesserung des Beförderungskomforts, die umweltfreundliche und energiesparende Befriedigung des Verkehrsbedarfs und die Beseitigung von Engpässen genannt I42. Eine § 4 AEG a.F. entsprechende Vorschrift ist allerdings im AEG n.F. nicht mehr enthalten. Vergleichbare Zielsetzungen lassen sich aber zumindest für die öffentlichen Eisenbahninfrastrukturunternehmen, d.h. Unternehmen, deren Schienenwege nach ihrer Zweckbestimmung von jedem Eisenbahnverkehrsunternehmen benutzt werden können (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 AEG), den §§ lAbs. 2, 10 und 11 Abs. I AEG entnehmen: Das Ziel bester Verkehrsbedienung gern. § 1 Abs. 2 AEG beinhaltet das Gemeinwohlinteresse am Bau von Schienenwegen öffentlicher Eisenbahninfrastrukturunternehmen zur Befriedigung eines vorhandenen Verkehrsbedürfnisses. Auf ein solches öffentliches Interesse läßt sich auch aus der Beförderungspflicht der öffentlichen Eisenbahnverkehrsunternehmen gern. Anlage zu § 1 SchwAbG, v. 24.11.1993, BGBl. I S. 1875 f. Zum SchwAbG: BVerwG, B. v. 29.11.1995 - 11 VR 15.95 -, Buchholz 442.09 § 18 AEG NT. 7, S. 19; BVerwG, B. v. 26.4.1996 - 11 VR 47.95 -, NuR 1997,79,80 f.; Gaentzsch, FS tUr Schlichter, S. 517,533 f.; Heinze, S. 52 f.; Steenhoff, DVBl. 1996, 1236, 1238 f.; ebenso zum Femstraßenausbaugesetz: BVerwG, Urt. v. 4.6.1995 - 4 C 4.94 -, E 98, 339, 345 ff.; Steinberg, Fachplanung, § 8 Rn. 73 (S. 390); vgl. insgesamt zur gesetzlichen Bedarfsfeststellung Blümel, DVBl. 1997,205,212 ff. Für die Linienbestimmung und Trassierung sowie die Abwägung ist die gesetzliche Bedarfsfestlegung dagegen nicht verbindlich, BVerfG, I. Kammer des Zweiten Senats, B. v. 19.7.19952 BvR 2397/94 -, NVwZ 1996,261; verfassungsrechtlich bedenklich daher BVerwG, Urt. v. 21.3.1996 - 4 C 19.94 -, DVBl. 1996,907,912 f., demzufolge der Bedarfsplan auch tUr die Abwägung bindet, soweit er Einzelheiten bestimmt. 141 BVerwG, B. v. 26.4.1996 - 11 VR 47.95 -, NuR 1997,79,81 (zum SchwAbG); BVerwG, Urt. v. 4.6.1995 - 4 C 4.94 -, E 98, 339, 345 und 347 (zum FStrAbG). 142 BVerwG, Urt. v. 27.7.1990 - 4 C 26.87 -, NVwZ 1991,781, 783; dazu auch 139

140

Heinze, S. 51 f.

58

I. Kap.: Überblick über die Planfeststellung nach dem AEG

§ 10 AEG und der Genehmigungspflichtigkeit der Stillegung von Eisenbahninfrastruktureinrichtungen gern. § ll Abs. I AEG schließen l43 • Die für die Planung von Eisenbahnanlagen nach dem BbG angeführten Gemeinwohlbelange behalten deshalb auch für den Bau von dem öffentlichen Verkehr dienenden Eisenbahnanlagen nach dem AEG Gültigkeit l44 • ce) Planrech(fertigung für Vorhaben privater Eisenbahnunternehmen

Muß zur Verwirklichung des durch einen privaten Vorhabenträger beantragten Vorhabens in Rechte Dritter eingegriffen werden, bedarf auch ein solches Vorhaben der Planrechtfertigung. Notwendig ist deshalb, daß das konkrete Vorhaben mit den oben dargestellten Zielen des AEG übereinstimmt, was jedenfalls bei geplanten Anlagen öffentlicher Eisenbahninfrastrukturunternehmen i.S.d. § 3 Nr. 2 AEG, die von jedem Eisenbahnverkehrsunternehmen benutzt werden können, regelmäßig der Fall sein dürfte. Entspricht das konkrete Vorhaben den oben dargestellten Zielen des AEG, spielt es keine Rolle, daß das Vorhaben durch einen gewinnorientiert arbeitenden privaten Vorhabenträger geplant und verwirklicht werden soll. Denn durch die Gewinnerzielungsabsicht des privaten Vorhabenträgers wird nicht ausgeschlossen, daß das Vorhaben zugleich auch dem Gemeinwohl dient. Erforderlich ist in diesem Fall allerdings eine dauerhafte Sicherung der Allgemeinwohldienlichkeit des Vorhabens 145. Erreicht wird eine solche Sicherung durch den Inhalt des PIanfeststellungsbeschlusses sowie die Regelungen des AEG über die Genehmigungspflichtigkeit der Stillegung von Eisenbahninfrastruktureinrichtungen (§ ll AEG), die grundsätzliche Verpflichtung zur Gewährung des Zugangs zur Eisenbahninfrastruktur (§ 14 AEG)I46 und die Regelungen über den Betrieb l47 • Sind dagegen für die Verwirklichung des Vorhabens Eingriffe in Rechte Dritter erforderlich und dient das konkrete Vorhaben nicht zugleich den im AEG niedergelegten Allgemeinwohlinteressen - was bei nicht dem öffentlichen Ver143 Die gleichwohl dürftige Konkretisierung der Allgemeinwohlinteressen am Eisenbahnbau durch den Gesetzgeber ist allerdings nicht unbedenklich.

144 Sehr zweifelhaft ist dagegen, ob dies auch für nicht dem öffentlichen Verkehr dienende Anlagen gilt; gesetzlich festgelegte Allgemeinwohlinteressen am Bau solcher Eisenbahnanlagen sind dem AEG nicht zu entnehmen; eine Enteignung zur Ennöglichung der Errichtung von Betriebsanlagen der Eisenbahn, die ausschließlich im Privatinteresse betrieben werden, ist deshalb unzulässig. 145

BVerfG, Urt. v. 24.3.1987 - I BvR \046/85 -, E 74, 264, 285 ff. ("Boxberg").

Fehling, AöR 121 (1996),59,92 m.w.N. in Fn. 130. Vgl. entsprechend zur dauerhaften Sicherung der Allgemeinwohldienlichkeit des Vorhabens eines privaten Trägers einer planfeststellungspflichtigen Abfallentsorgungsanlage nach dem AbfG, BVerwG, Urt. v. 9.3.1990 - 7 C 21.89 -, E 85,44,47 ff., 50. 146

147

D. Planerische Gestaltungsfreiheit und ihre Grenzen

59

kehr dienenden Eisenbahnen denkbar ist - ist die Feststellung des Plans abzulehnen. Denn ein solches, ausschließlich privatnütziges Vorhaben kann Eingriffe in Rechte Dritter nicht rechtfertigen '48 . b) Bindung an zwingende Rechtsvorschriften '49

Die Planfeststellungsbehörde ist an zwingende materiell-rechtliche Rechtsvorschriften gebunden. Unerheblich ist dabei, ob diese Regelungen im Eisenbahnrecht - etwa der EBO - oder im sog. sekundären materiellen Recht '50 enthalten sind '51 , für dessen Anwendung die Planfeststellungsbehörde infolge der Konzentrationswirkung des Planfeststellungsverfahrens zuständig ist. Die zwingenden Vorschriften können sich sowohl auf die planerischen als auch auf die genehmigungsrechtlichen Elemente der Planfeststellung beziehen und gelten gleichermaßen für Vorhaben privater und öffentlicher Träger. c) Abwägungsgebot

Die Geltung des Abwägungsgebots ist für die eisenbahnrechtliche Planfeststellung in § 18 Abs. I S. 2 AEG ausdrücklich gesetzlich verankert; es ist im übrigen nach der Rspr. des BVerwG unmittelbar verfassungsrechtlich im Rechtsstaatsprinzip verwurzelt und trägt " ... in einer ftir planerische Entscheidungen spezifischen Weise dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung ... ".152 14R So ftir ausschließlich im Privatinteresse liegende Vorhaben: BVerwG, Urt. v. 10.2. 1978 - 4 C 25.75 -, E 55, 220, 226 ff. (WHG); BVerwG, Urt. v. 7.7.1978 - 4 C 79.76 u.a. -, E 56, 110, 119 (LuftVG); Wahl! Dreier, NVwZ 1999, 606, 610. Erfordert das Vorhaben eines privaten Eisenbahnuntemehmens dagegen keine Eingriffe in Rechte Dritter bedarf es auch keiner Prüfung der Planrechtfertigung, so BVerwG a.a.O.; offen gelassen in OVG Hamburg, B. v. 13.12.1994 - Bs III 376/93 -, DVBI. 1995, 1026 (nur Ls). 149 Der vom BVerwG in seiner älteren Rspr. verwendete Begriff der Planungsleitsätze i.S.v. strikt zu beachtenden, nicht in der Abwägung überwindbaren gesetzlichen Vorschriften - s. etwa BVerwG, Urt. v. 22.3.1985 - 4 C 73.82 -, E 71, 163, 165; kritisch dazu bereits Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 233 - taucht auch in der neuren Rspr. nicht mehr auf und wird daher im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht mehr verwendet; vgl. auch Paetow, FS ftir Sendler, S. 425, 431; ebenso jetzt auch Wahl/Dreier, NVwZ 1999, 606,615. ISO Siehe oben I. Kapitel, C.1.2.a). 151 [n seiner älteren Rspr. unterschied das BVerwG je nach der Herkunft der Regelungen begrifflich zwischen externen und internen Planungsleitsätzen, vgl. z.B. BVerwG, Urt. v. 22.3.[985 - 4 C 73.82 -, E 71, 163, 164. 152 BVerwG, Urt. v. 23.1.1981 - 4 C 4.78 -, E 61,295, 30 I (zur Planfeststellung nach dem Straßengesetz Baden-Württemberg).

60

1. Kap.: Überblick über die Planfeststellung nach dem AEG

Die Abwägung zerfallt in den Abwägungsvorgang und in das Abwägungsergebnis. Beim Abwägungsvorgang sind drei Phasen zu unterscheiden: Der Ermittlungs- und Feststellungsvorgang, in dem das Abwägungsmaterial zusammengestellt wird, der Bewertungsvorgang, in dem die einzelnen Belange zu gewichten sind, sowie die eigentliche Abwägung, in der über die Bevorzugung bzw. Zurückstellung der Belange entschieden wird. Die Anforderungen des Abwägungsgebotes gelten für beide Teile der Abwägung l53 • Sie bestehen nach st. Rspr. des BVerwG I54 darin, daß eine Abwägung überhaupt stattfindet, in die Abwägung sämtliche Belange eingestellt werden, die bei dem konkreten Vorhaben zu beachten sind, die Bedeutung der berührten Belange richtig erkannt und in einer Weise zum Ausgleich gebracht wird, die zu ihrem objektiven Gewicht nicht außer Verhältnis steht 155 • Eine Besonderheit hinsichtlich der abwägungserheblichen Belange gilt für die in den Bedarfsplan nach dem SchwAbG aufgenommenen Vorhaben: Die gern. § 1 Abs. 2 SchwAbG bindende gesetzliche Festlegung des Bedarfs ist auch im Rahmen der Abwägung zu beachten. Der Bedarf ist allerdings nur ein für den Bau der Eisenbahnanlage sprechender Belang und kann in der Abwägung durch andere Belange überwunden werden i56 • Die gesetzliche Bedarfsfeststellung für den Bau der Eisenbahnanlagen enthebt die Planfeststellungsbehörde daher auch nicht von der Verpflichtung, Alternativen zu prüfen i57 • Die prinzipielle Notwendigkeit, Alternativen zu dem geplanten Vorhaben zu berücksichtigen und sich ernsthaft anbietende Alternativlösungen in die Abwägung einzubeziehen, ergibt sich aus dem Abwägungsgebot. Die von den verschiedenen Alternativen berührten öffentlichen und privaten Belange müssen vergleichend geprüft werden. Das Abwägungsergebnis der Alternativenauswahl darf nicht zur objektiven Gewichtigkeit der von den Alternativen betroffenen Belange außer Verhältnis stehen I58. IS3 Z.B. BVerwG, Urt. v. 14.2.1975 - 4 C 21.74 -, E 48,56,63; BVerwG, Urt. v. 5.7. 1974 - 4 C 50.72 -, E 45, 309, 312 f.; Kühling, Fachplanungsrecht Rn. 177 ff.; Steinberg, Fachplanung, § 4 Rn. 58 f1 (S. 194 ff.); Ronellenfitsch, Einführung, S. 8; a.A. H.-J. Koch, DVBI. 1989, 399 ff, der die Unterscheidung von Vorgang und Ergebnis ablehnt, da ein fehlerfreier Abwägungsvorgang nie zu einem fehlerhaften Ergebnis führen könne. IS4 BVerwG, Urt. v. 29.1.1991 - 4 C 51.89 -, E 87, 332, 341 (zum LuftVG). ISS Negativ formuliert entsprechen diesen Geboten Abwägungsfehler, nämlich der Abwägungsausfall, das Abwägungsdefizit sowie die Abwägungsdisproportionalität; vgl. dazu WolfJ/ BachoJl Stober, VerwR I, § 31 Rn. 62. IS6 SO zum FStrAbG: BVerwG, Urt. v. 21.3.1996 - 4 C 19.94 -, DVBI. 1996,907, 912 f.; Gaentzsch, FS für Schlichter, S. 519, 533 f. IS7 Gaentzsch, FS für Schlichter, S. 519, 534.

E. Ausnahmen vom Erfordernis der Planfeststellung

61

Bei der Gewichtung der in die Abwägung einzustellenden Belange sind die sog. Optimierungsgebote zu beachten. Darunter werden gesetzlich normierte Zielvorgaben verstanden, die abweichend von der grundsätzlich bestehenden Gleichrangigkeit der berührten Belange einen Vorrang verleihen, ohne daß diese wie zwingende Vorschriften der Abwägung vorgelagert wären l59 ; als Optimierungsgebote anerkannt sind beispielsweise das sog. Trennungsgebot des § 50 BImSchG und das Gebot des § 41 BImSehG, keine nach dem Stand der Technik vermeidbaren schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche zuzulassen l6o • Eine gesetzliche Grenze der Abwägung l61 enthalten die Sätze 2 und 3 des

§ 74 Abs. 2 VwVfG. Dem Träger des Vorhabens sind die zum Wohl der All-

gemeinheit oder zur Vermeidung nachteiliger Wirkung auf Rechte anderer erforderlichen Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung der erforderlichen Anlagen aufzuerlegen. Davon kann nur dann - unter Festsetzung einer Entschädigung zugunsten des Betroffenen - abgesehen werden, wenn Schutzauflagen nicht möglich oder aber nicht zumutbar sind l62 • Dieses sog. Auflagengebot l63 verhindert, daß sich die Planfeststellungsbehörde über erhebliche Gefahren oder Nachteile schlicht dadurch hinwegsetzt, daß sie diese im Wege der Abwägung zurückstellt. Die gesetzlichen Voraussetzungen der Schutzauflagen bzw. der Entschädigung unterliegen der uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung; Gestaltungsfreiheit kommt der Planfeststellungsbehörde nur zu, wenn mehrere Möglichkeiten zur Vermeid~ng nachteiliger Auswirkungen bestehen l64 •

E. Ausnahmen vom Erfordernis der Planfeststellung Ausnahmen von der grundsätzlich gern. § 18 Abs. I S. I AEG für den Bau und die Änderung von Betriebsanlagen der Eisenbahn bestehenden PIanfeststellungspflicht enthalten § 18 Abs. 2 und 3 AEG: m BVerwG, B. v. 15.9.1995 - 11 VR 16/95 -, NVwZ 1996, 396, 398; allg. zur Alternativenprüfung Steinbefg, § 4 Rn. 101 ff. (S. 213 ff.); L. Schlarmann, DVBI. 1992, 871 ff.; Burgi, JZ 1994, 654, 659 ff. 1$9 Vgl. Steinberg, § 4 Rn. 67-69 (S. 199 ff.) m.w.N.; Hoppe, DVBI. 1992,853 ff.; Knack / Dürr, § 74 Rn. 126; vgl. auch Wahl/Dreier, NVwZ 1999,606,617. 11>0 Dürr, in: Kodal / Krämer, Kap. 34 Rn. 28.2 (S. 1045); Hoppe, DVBI. 1992, 853, 855. 161 Wahl/Dreier, NVwZ 1999,606,619 stufen die Ausgleichsregelungen als zwingen-

de Vorschriften ein.

162 Zusammenfassend BVerwG, Urt. v. 9.3.1990 -7 C 21.89 -, E 85, 44, 49 f. (zu § 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AbfG). 163

Dürr, in: Kodal / Krämer, Kap. 34 Rn. 30 (S. 1057).

1M

BVerwG, Urt. v. 29.1.1991 - 4 C 51.89 -, E 87, 332, 341 ff., 345 (zum LuftVG).

62

I. Kap.: Überblick über die Planfeststellung nach dem AEG

I. Die Plangenehmigung nach § 18 Abs. 2 AEG § 18 Abs. 2 S. 1 AEG eröffnet die Möglichkeit, statt des Planfeststellungsverfahrens nach pflichtgemäßem Ermessen ein Plangenehmigungsverfahren durchzuruhren, das die Rechtswirkungen der Planfeststellung herbeiruhrt (§ 18 Abs. I S. 2 I. HS AEG), auf das aber die verfahrensbezogenen Vorschriften der §§ 73 ff. VwVfG gern. § 18 Abs. 2 S. 22. Hs. AEG keine Anwendung finden. Für das Plangenehmigungsverfahren gelten die allgemeinen Vorschriften über das Verwaltungsverfahren der §§ 9 ff. VwVfG. Die Plangenehmigung soll damit der Vereinfachung und Beschleunigung des Planungsverfahrens rur Eisenbahnanlagen dienen '6s .

1. Anwendungsvoraussetzungen Der Anwendungsbereich der Plangenehmigung nach dem AEG ist nicht auf unbedeutende Anlagen beschränkt, wie dies etwa bei der Plangenehmigung gern. § 31 Abs. 3 Nr. I KrW- / AbfG der Fall ist. Der Wegfall der im Planfeststellungsverfahren vorgesehenen, formalisierten und umfassenden Öffentlichkeitsbeteiligung und Anhörung ist aber nur unter den in § 18 Abs. 2 S. 1 Nr. I und 2 AEG geregelten Voraussetzungen zulässig: Zum einen muß das Benehmen mit den Trägem öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich berührt wird, hergestellt worden sein. Benehmen bedeutet dabei lediglich, daß die Träger der öffentlichen Belange informiert werden und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde. Eine Abweichung von der Auffassung des jeweiligen Trägers öffentlicher Belange schließt dies nicht aus I66, da die Herstellung des Benehmens nicht mit einer Zustimmung bzw. dem Einvernehmen gleichzusetzen ist '67 • Zum anderen dürfen Rechte Dritter nicht beeinträchtigt werden bzw. betroffene Dritte müssen schriftlich ihr Einverständnis mit der Beeinträchtigung erklärt haben. Das Plangenehmigungsverfahren nach dem AEG ist damit bei jeder Beeinträchtigung der Rechte Dritter ausgeschlossen, während etwa § 17 Abs. la FStrG und 28 Abs. la Nr. 1 PBefG auch bei einer nur unwesentlichen Beeinträchtigung der Rechte anderer die Erteilung einer Plangenehmigung ermögli165 Ausführlich zu Einze1fragen der Plangenehmigung nach § 18 Abs. 2 AEG, auf die hier nicht eingegangen werden kann, Pfeil, S. 147 ff., insbesondere auch zur Unvereinbarkeit mit der UVP-Richtlinie S. 153 ff.; Gassner, NuR 1996, 492, 495 ff.; vgl. allg. zur Plangenehmigung auch Ringel, Die Plangenehmigung im Fachplanungsrecht, S. I ff., zur UVP insbesondere S. 27 ff.; Steiner, NVwZ 1994, 3 \3 ff. IM Kritisch zum bloßen Benehmen als Voraussetzung der Erteilung der PIangenehmigung deshalb Gassner, NuR 1996,492,495,497. 167 Vgl. zur Differenzierung der verschiedenen Beteiligungsformen BVerwG, Urt. v. 19.11.1965 - 4 C 184.65 -, E 22, 342, 344 f.

E. Ausnahmen vom Erfordernis der Planfeststellung

63

ehen. Eine Beeinträchtigung der Rechte Dritter i.S.d. § 18 Abs. 2 Nr. 2 AEG ist nach Auffassung des BVerwG nur der "direkte Zugriff auf fremde Rechte", nicht aber die bei jeder raumbeanspruchenden Planung gebotene wertende Einbeziehung der Belange Dritter in die Abwägungsentscheidung J68 • Die Erteilung einer Plangenehmigung ist also nicht schon dann ausgeschlossen, wenn allein das subjektive Recht auf gerechte Abwägung der eigenen Beiange J69 beeinträchtigt ist. In materiell-rechtlicher Hinsicht gelten für die Plangenehmigung dieselben Anforderungen wie für die Planfeststellung, da die Plangenehmigung wie die Planfeststellung eine Planungsentscheidung ist 170. 2. Rechtsnatur Die Plangenehmigung ist wegen der identischen Rechtswirkungen ebenso wie der Planfeststellungsbeschluß Verwaltungsakt i.S.d. § 35 VwVfG.

11. Das Entfallen von Planfeststellung und Plangenehrnigung gern. § 18 Abs. 3 AEG 1. Anwendungsbereich Bei inderungen und Erweiterungen von unwesentlicher Bedeutung können Planfeststellung und Plangenehmigung gern. § 18 Abs. 3 S. I AEG entfallen. Von vornherein ausgeschlossen ist das Entfallen von Planfeststellung und Plangenehmigung also beim Neubau von Eisenbahnanlagen. Fälle von unwesentlichen Änderungen und Erweiterungen sind gern. § 18 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 und 2 AEG nur gegeben, wenn kumulativ folgende Voraussetzungen erfüllt sind: Erstens dürfen andere öffentliche Belange nicht berührt werden oder die erforderlichen behördlichen Entscheidungen müssen vorliegen und dürfen dem Plan nicht entgegenstehen. Zweitens dürfen auch die Rechte anderer nicht beeinflußt werden, es sei denn, mit den vom Plan Betroffenen wurden entsprechende Vereinbarungen getroffen. Das Entfallen von Plangenehmigung und Planfeststellung ist im Unterschied zur Erteilung einer Plangenehmigung also bereits dann ausgeschlossen, wenn 168 BVeIWG, B. v. 29.12.1994 -7 VR 12.94 -, Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 3; a.A. Ringel, S. 139 ff. 169 Grundlegend dazu BVeIWG, Urt. v. 14.2.1975 - IV C 21.74 -, E 48, 56, 66 (FStrG). 170 Dürr, in: Kodal! Krämer, Kap. 35 Rn. 35.5 (S. 1190); Ringel, S. 32 f.; Wahl! Dreier, NVwZ 1999, 606, 608.

64

1. Kap.: Überblick über die Planfeststellung nach dem AEG

nur andere öffentliche Belange berührt werden. Strenger als bei der Plangenehmigung sind auch die Anforderungen hinsichtlich der Rechte anderer, die nicht beeinflußt werden dürfen. Das Entfallen von Plangenehmigung und Planfeststellung kommt deshalb schon dann nicht in Betracht, wenn abwägungserhebliche Belange betroffen werden. Zusammengenommen bedeutet dies, daß das Entfallen von Plan feststellung und Plangenehmigung nur möglich ist, wenn das Vorhaben hinsichtlich öffentlicher und privater Belange keine Interessenkonflikte auslöst oder diese Konflikte bereits im Vorfeld beseitigt sind 171. 2. Rechtsnatur Zu klären bleibt, ob über das Entfallen von Planfeststellung und Plangenehmigung i.S.d. § 18 Abs. 3 AEG durch Verwaltungsakt zu entscheiden ist. Darauf deutet zunächst die - allerdings nur fiir Vorhaben der Eisenbahnen des Bundes geltende - Zuständigkeitsregelung in § 3 Abs. 3 S. 2 EVerkVerwG hin, derzufolge fiir "die Entscheidung nach § 18 Abs. 3 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes" das Eisenbahn-Bundesamt zuständig ist 172 • Für die Auffassung, daß über das Entfallen von Planfeststellung und Plangenehmigung durch Verwaltungsakt entschieden werde, wird auch die Rspr. des BVerwG zum Unterbleiben der Planfeststellung nach § 17 Abs. 2 FStrG u. 28 Abs. 2 PBefG a.F. in Fällen von unwesentlicher Bedeutung in Anspruch genommen 173 • Dazu fiihrte das BVerwG aus, daß in diesen Vorschriften zwar die materiellen Voraussetzungen geregelt seien, bei deren Vorliegen die Durchfiihrung eines Planfeststellungsverfahrens entbehrlich sei; darin sei aber keine gesetzliche Ausnahme von dem im Planfeststellungsvorbehalt liegenden präventiven Verbot in dem Sinne zu sehen, daß eine öffentlich-rechtliche Zulassung ganz entbehrlich sei. Die Entscheidung, daß kein Planfeststellungsverfahren erforderlich sei, enthalte vielmehr zugleich die öffentlich-rechtliche Zulassung des Vorhabens i.S.e. Plangenehmigung, die als alternative planerische Entscheidungsform zur Planfeststellung in anderen Fachplanungsgesetzen, wie z.B. § 31 Abs. 1 S. 3 WHG sowie § 14 Abs. 1 S. 3 WaStrG a.F., ausdrücklich geregelt sei '74 . 171

Ringel, S. 233.

172 Auf die Paralellregelung in § 10 Abs. 1 S. 2 LuftVG verweist VGH Mannheim, Urt. v. 1.2.1996 - 8 S 1961 /95 -, UPR 1997, 110, 111, zur Begründung der Notwendigkeit einer Entscheidung durch Verwaltungsakt über das Entfallen von Planfeststellung und Plangenehmigung gern. § 8 Abs. 3 LuftVG ; flir einen Verwaltungsakt auch - ohne Begründung - Steenhoff, DVBI. 1996, 1236, 1238 (zu § 18 Abs. 3 AEG). 17)

VGH Mannheim, Urt. v. 1.2.1996 - 8 S 1961/95 -, UPR 1997, 110, 111.

So zum FStrG a.F.: BVerwG, Urt. v. 15.1.1982 - 4 C 26.78 -, E 64, 325, 328 ff.; zum PBefG a.F.: BVerwG, Urt. v. 8.10.1976 - 7 C 24.73 -, Buchholz 442.01 § 28 PBefG Nr. 3, S. I, 4; dazu Ronellenfitsch, Die Verwaltung 1990, 323, 342 ff., 354. 174

E. Ausnahmen vom Erfordernis der Planfeststellung

65

Auch § 18 Abs. I S. I AEG enthält rur die Errichtung und Änderung von Betriebsanlagen der Eisenbahn ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt 175 • Wesentlicher Gesichtspunkt rur die Auslegung des Unterbleibens der Planfeststellung als Verwaltungsakt in der bisherigen Rspr. des BVerwG war aber, daß die Fachplanungsgesetze neben der Planfeststellung alternativ entweder das Unterbleiben der Planfeststellung oder die Plangenehmigung vorsahen, so daß es nahelag, diese gleichzubehandeln. Anders als nach dem früheren § 36 BbG besteht nach § 18 AEG aber nicht mehr nur die Alternative zwischen der Planfeststellung und dem Entfallen der Planfeststellung, sondern eine drei stufige Differenzierung mit der Plangenehmigung als zweiter Stufe. Bereits der Wortlaut des § 18 Abs. 3 S. I AEG, demzufolge "Plan feststellung und PIangenehmigung" entfallen, spricht dagegen, das Entfallen als Plangenehmigung einzustufen. Mit der drei stufigen Differenzierung im AEG entfällt zudem das bei lediglich alternativer Verwendung dieser Institute in verschiedenen Fachplanungsgesetzen überzeugende systematische Argument, daß das Entfallen der PIanfeststellung die Plangenehmigung enthalten müsse l76 • Über das Entfallen von Planfeststellung und Plangenehmigung wäre deshalb nur dann notwendigerweise durch Verwaltungsakt zu entscheiden, wenn § 18 Abs. 3 AEG keine echte gesetzliche Ausnahme von dem präventiven Verbot des § 18 Abs. I S. I AEG, sondern lediglich die materiellen Voraussetzungen rur ein vereinfachtes Zulassungsverfahren enthalten würde. Neben dem Wortlaut des § 18 Abs. 3 AEG steht dem aber die Überlegung entgegen, daß eine Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens gegenüber dem bereits nicht-förmlichen Plangenehmigungsverfahren kaum denkbar erscheint. Schließlich ist die Möglichkeit des Entfallens von Planfeststellung und Plangenehmigung auch materiell auf Fälle beschränkt, in denen weder öffentliche noch private Belange berührt werden. Mithin ist im Anwendungsbereich des § 18 Abs. 3 AEG kein Bedürfnis rur eine präventive Kontrolle des Vorhabens durch eine staatliche Zulassungsentscheidung erkennbar. Ein präventives Verbot der Änderung und Erweiterung der Betriebsanlagen in diesem Fall wäre mangels eines Gemeinwohlinteresses an der präventiven Kontrolle auch mit Art. 14 Abs. 1 GG nicht vereinbar I77 • § 18 Abs. 3 AEG ist deshalb als gesetzliche Ausnahme von dem präventiven Verbot des § 18 Abs. 1 S. 1 AEG zu begreifen, die eine behördliche Zulassung des Vorhabens erübrigtI78. Dies schließt freilich den Erlaß eines lediglich fest 175

Siehe oben 1. Kapitel, A.

176

Ringel, S. 235.

177 Zur Rechtfertigungsbedürftigkeit des Planungsvorbehalts für die Vorhaben grundrechtsberechtigter Vorhabenträger siehe oben I. Kapitel, 0.1.3. 17R Ronellenfitsch, Eisenbahnplanfeststellung, S. 45; ders., in: Marschall/Schroeter/ Kastner, § 17 Rn. 200; Heinze, S. 43; Ringel, S. 236; zu § 74 Abs. 7 VwVfG auch Knack/Dürr, § 74 Rn. 173; Bonk; in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 74 Rn. 161; Wahl!

'5 Buchner

66

I. Kap.: Überblick über die Planfeststellung nach dem AEG

stellenden Verwaltungsaktes über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 AEG nicht aus 179 •

Dreier, NVwZ 1999,606,608; a.A. Steenhoff, DVBI. 1996, 1236, 1238 (zu § 18 Abs. 3 AEG); VGH Mannheim, Urt. v. 1.2.1996 - 8 S 1961/95 -, UPR 1997, 110, 111 (zu § 8 Abs. 3 LuftVG); zu § 17 Abs. 2 FStrG Dürr, in: Kodall Krämer, Kap. 34 Rn. 7.7. (S. 1000). 179 Knacki Dürr, § 74 Rn. 174; Heinze, S. 44.

2. Kapitel

Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit bei der Neuplanung von Eisenbahnbetriebsanlagen Im folgenden werden zunächst die tatsächlichen Grundlagen der Kollisionsproblematik zwischen kommunaler Planung und eisenbahnrechtlicher Planfeststellung bei der Neuplanung von Betriebsanlagen der Eisenbahn (A) und die einfachgesetzliche Regelung dieser Konflikte in den §§ 7 und 38 BauGB dargestellt (B). Anschließend soll anhand des Art. 28 Abs. 2 S. I GG überprüft werden, ob der Vorrang der eisenbahnrechtlichen Fachplanung gegenüber der Bauleitplanung einen Eingriff in die kommunale Planungshoheit beinhaltet und welche verfassungsrechtlichen Vorgaben sich daraus rur die gesetzliche Regelung und deren Anwendung ergeben (C). Auf dieser Grundlage kann sodann die Berücksichtigung der kommunalen Planungshoheit in der Eisenbahnplanung im einzelnen behandelt werden (D). Den Abschluß des Kapitels bildet eine Darstellung der Rechtsschutzmöglichkeiten der Gemeinden wegen möglicher Verletzungen der Planungshoheit (E).

A. Die Kollisionsproblematik zwischen eisenbahnrechtlicher Fachplanung und kommunaler Bauleitplanung bei der Neuplanung von Bahnanlagen Beim Zusammentreffen von Planungen entstehen Konkurrenzprobleme, wenn sich die Planungen auf denselben Sachverhalt oder Regelungsgegenstand beziehen'. Die Planfeststellung nach dem AEG und die gemeindliche Bauleitplanung unterscheiden sich dadurch, daß die Planfeststellung aufgrund ihres auf bestimmte Vorhaben beschränkten Regelungsgegenstandes der Fachplanung zuzuordnen ist2, während die Bauleitplanung die gesamte städtebauliche Entwicklung des Gemeindegebietes ordnen soll und deshalb Gesamtplanung isf. Jedoch , Gierke, in: Broge/mann, § 7 Rn. 2. ~ Ronellenfitsch, Einführung in das Planungsrecht, S. 6 und 115 ff. 3

s'

Löhr, in: Battis I Krautzberger I Löhr, § 38 Rn. 1; Paetow, UPR 1990, 321.

68

2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

überschneiden sich die eisenbahnrechtliche Planfeststellung und die gemeindliche Bauleitplanung insofern, als sie die verbindliche Regelung der Bodennutzung zum gemeinsamen Regelungsgegenstand haben. Die Konkurrenzproblematik von Bauleitplanung und Fachplanung wird deshalb primär durch das räumliche Zusammentreffen bestimmt4 • Die räumliche Überschneidung von Bauleitplanung und eisenbahnrechtlicher Planfeststellung kann dabei in zwei Fallgestaltungen auftreten: Die Planungen können entweder dieselbe Gemeindeftäche betreffen und sich unmittelbar überlagern oder aber benachbarte Flächen für Nutzungen vorsehen, die Auswirkungen auf die jeweils andere Fläche haben und miteinander unverträglich sinds. Die häufig beklagte Inanspruchnahme des Gemeindegebietes für die Zwecke der Fachplanung6 läßt sich aus tatsächlichen Gründen durch eine räumliche Trennung der Planungen kaum vermeiden, weil es nicht genügend gemeindefreie, d.h. im Sinne des § I Abs. I BauGB außerhalb einer Gemeinde liegende Gebiete gibt, die der Bauleitplanung nicht unterliegen'. Die Überplanung der Gemeinden mit Fachplanungen ist also letztlich notwendige Folge der Existenz raumbezogener Fachplanungen auf staatlicher Ebene. Speziell bei Eisenbahnbauvorhaben ist die Überplanung auch zentraler Bereiche des Gemeindegebiets im übrigen zur Befriedigung der Verkehrsbedürfnisse erforderlich, da - etwa bei Güter- und Personenbahnhöfen - nur so eine leistungsfähige Verknüpfung mit anderen Verkehrsträgern möglich ist und die günstige Erreichbarkeit der Eisenbahnanlagen gewährleistet wird. Enthalten verschiedene Planungen sich widersprechende Aussagen hinsichtlich desselben Regelungsgegenstandes, so führt die Planungskonkurrenz zur sog. Plankollision 8 • Sind - wie im Fall der Bauleitplanung und der Eisenbahnplanung - unterschiedliche Planungsträger zuständig, nämlich die Gemeinden für die Bauleitplanung und die staatliche Planfeststellungsbehörde für die Planung der Eisenbahnanlagen, ist die Plankonkurrenz zugleich ein KompetenzproblemQ • Die überschneidungs freie Interpretation der jeweiligen Planungskompetenz ist Gierke, in: Brügelmann, § 7 Rn. 2; Brohm, Straßenplanung, S. 365. Steinberg, DVBI. 1982, 13, Paetow, UPR 1990,321; Gierke, in: Brügelmann, § 7 Rn. 2. 6 Nach einer Untersuchung von SchäferISchmidt-Eichstaedt, S. 284 f. war im Zeitraum von 1977 bis 1982 die Zahl der die Gemeinden betreffenden Plan feststellungen nahezu so hoch wie die Zahl der Bebauungspläne selbst; vgl. dazu auch Gaentzsch, WiVerw. 1985, 235, 239; Paetow, UPR 1990, 321 f. , Vgl. zu den sog. gemeindefreien Gebieten BVerwG, B. v. 21.8.1995 - 4 N 1.95-, E 99, 127, 129 ff.; WolfflBachoflStober, VerwR 1I, § 86 Rn. 13 m.w.N. ~ Gierke, in: Brügelmann, § 7 Rn. 3. 4

5

9

Gierke, in: Brügelmann, § 7 Rn. 4.

B. Zusammentreffen von Fachplanung und Bauleitplanung (§§ 7,38 BauGB)

69

aber - anders als bei sonstigen Konkurrenzproblemen - wegen der räumlichen Konkurrenzsituation von Bauleitplanung und eisenbahnrechtlicher Fachplanung nicht dazu geeignet, Kollisionen zu verhindern lO• Die räumliche Konkurrenz der Planungen ruhrt vielmehr immer gerade dann notwendig zu Kollisionsproblemen, wenn die Pläne nicht bereits im Aufstellungsstadium koordiniert wurden und deshalb inhaltlich miteinander vereinbare Aussagen über die Bodennutzung treffen. Eine solche, die Kollisionsproblematik entschärfende inhaltliche Koordinierung der Planungen ist aber aufgrund der sich ständig wandelnden tatsächlichen Verhältnisse kaum mit dauerhaftem Erfolg möglich. Wegen des wachsenden Verkehrsaufkommens wird immer wieder die Planung von Eisenbahnbetriebsanlagen notwendig werden, die mit einer bereits vorhandenen Bauleitplanung nicht zu vereinbaren ist. Eine Ersetzung der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung nach § 18 AEG durch den Bebauungsplan, die eine räumliche Kollision unvereinbarer Planungen ausschließen würde, ist nicht zulässig. Dies ergibt ein Umkehrschluß aus den Regelungen anderer Fachplanungsgesetze, wie § 17 Abs. 3 S. I FStrG und § 28 Abs. 3 PBefG, die eine solche Ersetzung ausdrücklich vorsehenli. Zur tatsächlichen Vermeidung inhaltlicher Konflikte zwischen den Planungsvorstellungen der Kommunen und der Planfeststellungsbehörde würde im übrigen auch eine solche Ersetzungsregelung nicht ruhren. Denn die Ersetzungsregelung bedeutet nicht, daß die Gemeinde durch Bebauungsplan das fachliche Vorhaben entgegen dem Willen des Fachplanungsträgers gestalten kann l2 .

B. Die gesetzliche Regelung des Zusammentreffens der eisenbahnrechtlichen Fachplanung mit der kommunalen Bauleitplanung in den §§ 7, 38 BauGB Die KOllisionsregelung zwischen (eisenbahnrechtlicher) Fachplanung und kommunaler Bauleitplanung enthalten nach überwiegender Auffassung die §§ 7 und 38 BauGB. Allerdings werden rur das Verhältnis der Fachplanung zur Bauleitplanung noch verschiedene allgemeine Grundsätze diskutiert l3 , aus denen Vgl. Brohm, Straßenplanung, S. 365. Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 38 Rn. 14; Steenhoff, DVB11996, 1236; der Vorschlag des Bundesrats zur Aufnahme einer Ersetzungsregelung in § 18 AEG im 10 11

Gesetzgebungsverfahren für das Genehmigungsverfahrensbeschleunigungsgesetz wurde abgelehnt, vgl. BT-Drs. 13 /3995, S. 14 f., 17. 12

Expertenkommission, Rn. 367.

Vgl. den Überblick zu den allgemeinen Grundsätzen für die Auflösung von Plankollisionen bei Gierke, in: Brügelmann, § 7 Rn. 27 ff. Ein Vorrang aufgrund Art. 31 GG wird - soweit ersichtlich - nicht mehr vertreten und bleibt hier außer Betracht. 13

70

2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

sich der Vorrang der Fachplanung unabhängig von einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung ergeben sol1, so daß den §§ 7, 38 BauGB lediglich deklaratorische Wirkung zukäme. Bevor auf die in diesen Vorschriften getroffenen Regelungen näher eingegangen wird, muß deshalb zunächst die Relevanz allgemeiner Grundsätze für die Kollisionsproblematik überPrüft werden.

I. Die konstitutive Bedeutung der §§ 7, 38 BauGB für das Verhältnis der Fachplanung zur vorhandenen Bauleitplanung 1. Kein allgemeiner Vorrang der überörtlichen vor der örtlichen Planung Teilweise wird ein Vorrang der überörtlichen Fachplanung vor der Bauleitplanung mit der Begründung angenommen, daß die Bestimmung des § 16 Abs. 3 S. 3 FStrG, wonach Bundesplanungen grundsätzlich Vorrang vor Ortsplanungen haben, Ausdruck eines al1gemeinen Rechtsgrundsatzes sei bzw. ein sich aus der Natur der Sache ergebendes Verhältnis wiedergebe l4 • Die systematische Auslegung spricht jedoch angesichts der ausdrücklichen Anordnung eines Vorrangs der Bundesplanung lediglich in einzelnen Fachplanungsgesetzen - neben § 16 Abs. 3 S. 3 FStrG auch in § 13 Abs. 3 S. I Bundeswasserstraßengesetz - gegen einen ohnehin aufgrund eines entsprechenden al1gemeinen Rechtsgrundsatzes bestehenden Vorrang. Ebensowenig wäre ein entsprechender Rechtsgrundsatz mit der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung der Anpassungspflicht der Bauleitplanung als örtliche Planung an die Ziele der Raumordnung und Landesplanung als überörtlicher Planung in § lAbs. 4 BauGB vereinbar, da diese dann überflüssig wäre. Schließlich enthält das Planungsrecht auch Regelungen, die dem behaupteten Vorrang der überörtlichen Planung widersprechen, namentlich das sog. Gegenstromprinzip in § lAbs. 3 ROG, das für die Raumordnung den Grundsatz der Berücksichtigung auch der Ordnung der Teilräume aufstel1t und damit gerade nicht von einem al1gemeinen und generel1en Vorrang der überörtlichen vor der örtlichen Planung ausgeht l5 • Die Annahme eines al1gemeinen Rechtsgrundsatzes oder eines Vorranges aus der Natur der Sache zugunsten der Fachplanung ist demnach abzulehnen l6 • 14 Blümel, Recht der Bauleitplanung, S. 30 f.; Ronellenfitsch, Einflihrung S. 13,92 f.; Ronellenfitsch, VelWArch. 1999,467,478; ähnlich noch Gaentzsch, WiVelW. 1985,235, 241. 15 Erbguth, NVwZ 1989,608,614. Ih Gierke, in: Brügelmann, § 7 Rn. 52; Paetow, UPR 1990, 321, 322; Schlarmann, S. 49 fT.

B. Zusammentreffen von Fachplanung und Bauleitplanung (§§ 7,38 BauGB)

71

2. Kein Vorrang aufgrund der Spezialität der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung Die eisenbahnrechtliche Planfeststellung enthält ein eigenständiges Planungsrecht rur Eisenbahnbetriebsanlagen, das der Bundesgesetzgeber aufgrund der Gesetzgebungskompetenzen in Art. 73 Nr. 6a, 74 Nr. 23 GG schaffen durfte. Insofern kann mit Recht von einem "Sonderbaurecht"l7 rur Eisenbahnanlagen gesprochen werden, das die Anwendung des "allgemeinen" Baurechts ausschließt'8. Aus der unter diesem Blickwinkel in der Tat gegebenen Spezialität der Planungskompetenz rur Eisenbahnbetriebsanlagen läßt sich aber kein Rangverhältnis rur den Fall der zeitlich-räumlichen Kollision inhaltlich unvereinbarer Planungen mit unterschiedlichem Gegenstand ableiten'9. Die Spezialität der Planungskompetenz besagt nämlich nichts daIÜber, ob sich im Fall des räumlichen Aufeinandertreffens einer vorhandenen Bauleitplanung mit einer späteren eisenbahnrechtlichen Planfeststellung erstere oder letztere Planung durchsetzen soll. Mit Rücksicht darauf, daß die Bauleitplanung Gesamtplanung ist und gerade der überfachlichen Koordinierung von Einzelvorhaben dient, läge an sich ein Vorrang der Bauleitplanung vor der eisenbahnrechtlichen Fachplanung näher als der Vorrang der Fachplanung gegenüber der Bauleitplanung20 ; auch ein solcher Schluß ist jedoch nicht möglich.

3. Kein Vorrang der Planfeststellung aufgrund der Konzentrationswirkung Bereits im Überblick über die Planfeststellung im Eisenbahnrecht wurde dargelegt, daß der Planfeststellung keine sog. materielle Konzentrationswirkung zukornrnr'. Die in § 75 Abs. 1 S. 1 2. Hs VwVfG geregelte formelle Konzentrationswirkung der Planfeststellung hat rur sich genornrnen lediglich zur Folge, daß kein besonderes Verfahren rur eventuell nach den §§ 29 ff. BauGB erforderliche Entscheidungen durchzuruhren ist. Die verfahrensrechtlichen Erfordernisse der konzentrierten Rechtsvorschriften werden durch das Beteiligungsverfahren gemäß § 73 VwVfG ersetzt. Die Fachplanungsbehörde bliebe aber bei Fehlen einer abweichenden gesetzlichen Regelung materiell an die 17 Vgl. zum Begriff: Blümel, Die Planfeststellung, Zweiter Teil, S. 38, sowie ders., Recht der Bauleitplanung, S. 29f., der unter anderem aus diesem Gesichtspunkt einen Vorrang der Fachplanung ableitet. IR OVG Münster, B. v. 15.3.1974 - X B 32/74 -. DÖV 1974.564,565. 19 Runkel. in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg. § 38 Rn. 14.

20 21

Erbguth / Wagner. Rn. 69; zum Gesichtspunkt der Koordination auch Breuer. S. 200. Siehe oben 1. Kapitel. C.I.2.a).

72

2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

§§ 29 ff. BauGB gebunden, durch die die gemeindliche Bauleitplanung auf die Bauvorhaben umgesetzt wird. Die Konzentrationswirkung des eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsverfahrens begründet einen Vorrang vor der gemeindlichen Planung also ebenfal1s niche 2• 4. Kein Rangverhältnis aufgrund der Rechtsform Der Vorrang einer Planung kann sich grundsätzlich auch aus der Rechtsform ergeben; beispielsweise verdrängt eine durch Gesetz oder Rechtsverordnung erfolgende Planung nach der Normenhierarchie die rangniedrigere Planung in Satzungsform.. Zwischen dem Planfeststel1ungsbeschluß als Verwaltungsakt und dem Bebauungsplan als Satzung (§ 10 BauGB) bzw. dem Flächennutzungsplan als hoheitlicher Maßnahme eigener Are 3 besteht jedoch kein solches Rangverhältnis aufgrund der Rechtsform 24 •

5. Zwischenergebnis Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß sich ein Rangverhältnis zwischen eisenbahnrechtlicher Planfeststel1ung und Bauleitplanung im Kollisionsfal1 nicht bereits aus allgemeinen Grundsätzen ergibt. Ohne gesetzliche Regelungen mit konstitutiver Bedeutung fiir die Lösung der Kol1isionsprobleme würde deshalb der Grundsatz der zeitlichen Priorität als Kol1isionsregel mit der Folge gelten, daß die spätere Eisenbahnplanung an die vorhandene gemeindliche Bauleitplanung gebunden wäre.

11. Die Regelung des Verhältnisses der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung zum vorhandenen Flächennutzungsplan in § 7 BauGB Die Kollision zwischen einem vorhandenen Flächennutzungsplan und der Planfeststel1ung regelt § 7 BauGB:

22 Mißverständlich ist deshalb die Aussage, § 38 BauGB trage der Konzentrationswirkung der Planfeststel1ung gern. § 75 Abs. I VwVfG Rechnung, so aber Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 38 Rn. 6; Roeser, in: Schlichter/Stich, § 38 Rn. 3, 12. Ohne § 38 BauGB wären die §§ 29 ff. BauGB trotz Konzentrationswirkung auch im Planfeststel1ungsverfahren anzuwenden, so daß § 38 BauGB konstitutive Bedeutung für den Ausschluß der Anwendbarkeit hat, so zutreffend Uechtritz, NVwZ 1988, 316, 317. 23 Grauvogel, in: Brügelmann, § 5 Rn. 158 m.w.N. 24

Roeser, in: Schlichter/Stich, § 38 Rn. 6; Dürr, in: Brügelmann, § 38 Rn. 19.

B. Zusammentreffen von Fachplanung und Bauleitplanung (§§ 7, 38 BauGB)

73

1. Anpassungspfticht für öffentliche Planungsträger an den Flächennutzungsplan

Gegenüber einem vorhandenen Flächennutzungsplan besteht gern. § 7 S. 1 BauGB eine Anpassungspflicht für den Träger der Eisenbahnplanung, wenn er im Verfahren der Flächennutzungsplanung ordnungsgemäß nach § 4 oder 13 BauGB beteiligt worden ist und dem Plan nicht widersprochen hat. Inhaltlich entspricht die Verpflichtung zur Anpassung der Planung des öffentlichen Planungsträgers der Verpflichtung zur Entwicklung des Bebauungsplans aus dem Flächennutzungsplan gern. § 8 Abs. 2 BauGB25 , d.h., daß die Eisenbahnplanung den wesentlichen Grundentscheidungen des Flächennutzungsplans folgen muß. Planungen, die den Darstellungen des Flächennutzungsplans grundsätzlich widersprechen, sind unzulässig26 . In diesem Fall kommt also dem Flächennutzungsplan nach § 7 S. 1 BauGB der Vorrang gegenüber späteren Planungen zu. 2. Vorrang der Fachplanung nach Widerspruch des öffentlichen Planungsträgers

Die Anpassungspflicht besteht gern. § 7 S. 1 BauGB nicht, wenn der öffentliche Planungsträger im Verfahren zur Aufstellung des Flächennutzungsplans ordnungsgemäß, d.h. begründet und bis zum Beschluß der Gemeinde (§ 7 S. 2 BauGB) widersprochen hat. Weiterhin entfällt die Anpassungspflicht aber auch dann, wenn eine Veränderung der Sachlage eine abweichende Planung erforderlich macht und der öffentliche Planungsträger mangels Einvernehmen der Gemeinde nachträglich, d.h. nach dem Wirksamwerden des Flächennutzungplanes i.S.d. § 6 Abs. 5 S. 2 BauGB, widerspricht (§ 7 S. 3 u. 4 BauGB). Eine Veränderung der Sachlage i.S.d. § 7 S. 3 BauGB liegt bei einer nachträglichen Änderung der tatsächlichen Gegebenheiten vor 7; bei der Planung von Eisenbahnbetriebsanlagen kommt als Veränderung in diesem Sinne insbesondere ein gestiegenes Verkehrsaufkommen in Betracht. Der nachträgliche Widerspruch ist nur zulässig, wenn die für die abweichende Planung geltend gemachten Belange die städtebaulichen Belange nicht nur unwesentlich überwiegen (§ 7 S. 5 BauGB)28. Ein nicht nur unwesentliches Überwiegen in diesem Sinne setzt eine eindeutige Erkennbarkeit des Überwiegens voraus 29 . 25 Gaentzsch, in Schlichter/Stich, § 7 Rn. 4 m.w.N.; Erbguth, NWwZ 1989,608,611; a.A. Gierke, in: Brügelmann, § 7 Rn. 105. 26 VGH Mannheim, Urt. v. 18.11.1986 - 5 S 650/86 -, ZfBR 1987,212,213 zu § 7 BBauG für die Ausweisung eines Landschaftsschutzgebietes für Grundstücke, die im Flächennutzungsplan als gewerbliche Baufläche dargestellt waren. 27 28 29

Löhr, in: Battis / Krautzberger / Löhr, § 7 Rn. 17. Gaentzsch, in: Schlichter/Stich, § 7 Rn. 20. Löhr, in: Baltis / Krautzberger / Löhr, § 7 Rn. 18.

74

2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

Der Widerspruch berührt den Flächennutzungsplan als solchen nicht; der Gegensatz zwischen dem Flächennutzungsplan der Gemeinde und den Vorstellungen des widersprechenden Planungsträgers bleibt zunächst bestehen30 . Der (nachträgliche) Widerspruch entbindet aber gern. § 7 S. I BauGB den öffentlichen Planungsträger von der Anpassungspflicht. Daraus folgt, daß sich der öffentliche Planungsträger mit seiner späteren Planung grundsätzlich über den Flächennutzungsplan hinwegsetzen und seine Vorstellungen auch dann verwirklichen kann, wenn sie mit den Darstellungen des Flächennutzungsplans unvereinbar sind3 '. In diesem Fall hat also die Eisenbahnplanung Vorrang vor dem Flächennutzungsplan32 • Bestätigt wird dies durch § 7 S. 6 BauGB, der der Gemeinde durch den Verweis auf § 37 Abs. 3 BauGB einen Kostenerstattungsanspruch für die Änderung ihrer Planung gegen den Träger der Maßnahme zubilligt. Die in dieser Regelung vorausgesetzte Anpassungs- bzw. Aufhebungspflicht der Gemeinde zeigt, daß der Fachplanung nach dem Widerspruch der Vorrang gegenüber dem Flächennutzungsplan zukommt.

3. Öffentlicher Planungsträger Klärungsbedürftig ist, wem die Rolle des öffentlichen Planungsträgers i.S.d. § 7 BauGB zukommt. Als öffentlicher Planungsträger kommt bei den pIanfeststellungsbedürftigen Vorhaben einerseits der planaufstellende Träger des Vorhabens i.S.d. § 73 Abs. I S. I VwVfG33, andererseits die die rechtlich verbindliche Planungsentscheidung treffende Planfeststellungsbehörde in Frage34 • Besondere Bedeutung kommt der Beantwortung dieser Frage bei der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung deshalb zu, weil Vorhabenträger regelmäßig private Eisenbahnunternehmen sind. Der Widerspruch des öffentlichen Planungsträgers hat die Entbindung von der Anpassungspflicht an den Flächennutzungsplan zur Folge. Es erscheint problematisch, die Dispositionsbefugnis über die Wirkungen einer hoheitlichen Planung privaten Unternehmen anzuvertrauen.

30

Gierke, in: Brogelmann, § 7 Rn. 140, 58; Gaentzsch, in: Schlichter/Stich. § 7

Rn. 10 f. 31

32

Gierke, in: Brogelmann, § 7 Rn. 136, 163. Löhr, in: Battis / Krautzberger / Löhr. § 7 Rn. 2.

33 Dafür generell bei planfeststellungspflichtigen Vorhaben: Gaentzsch, in: Schlichter / Stich, § 7 Rn. 6; Bielenberg / Runkel. in: Ernst / Zinkahn / Bielenberg. § 7 Rn. 4; Schrödter. § 7 Rn. 7. 34 So Gierke, in: Brogelmann. § 7 Rn. 94.

B. Zusammentreffen von Fachplanung und Bauleitplanung (§§ 7, 38 BauGB)

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a) Private Eisenbahninfrastrukturunternehmen insbesondere die DB AG

Aus der systematischen Verknüpfung der Kollisionsregelung in § 7 S. I BauGB mit der vorherigen Beteiligung der Träger öffentlicher Belange bei der Aufstellung von Bauleitplänen gern. § 4 Abs. I BauGB ergibt sich, daß als öffentliche Planungsträger i.S.d. § 7 BauGB diejenigen Träger öffentlicher Belange zu betrachten sind, zu deren Aufgaben raumbedeutsame Planungen gehören 35 • Zu den Trägern öffentlicher Belange i.S.d. § 4 Abs. I S. 1 BauGB werden neben Behörden und sonstigen Stellen unmittelbarer und mittelbarer Staatsverwaltung auch solche Privatrechtssubjekte gerechnet, denen durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes die Wahrnehmung öffentlicher Belange als öffentliche Aufgabe übertragen worden ist36 • Verschiedentlich wird es aber schon für ausreichend zur Begründung der Eigenschaft als öffentlicher Planungsträger gehalten, daß die Aufgabe des Unternehmens die Verfolgung öffentlicher Belange bedingt37 ; demzufolge wären sämtliche dem öffentlichen Verkehr i.S.d. § 3 AEG dienenden Eisenbahnunternehmen einschließlich der DB AG wegen des öffentlichen Interesses an einer funktionierenden Eisenbahninfrastruktur, das mit der Gewährleistungsverpflichtung des Bundes für Ausbau und Erhalt des Schienennetzes in Art. 87e Abs. 4 GG verfassungsrechtlich verankert ist, i.S.d. § 7 BauGB widerspruchsberechtigte öffentliche Planungsträger R• Mit Rücksicht auf die in § 7 BauGB enthaltene Befugnis, sich von der Bindung an den Flächennutzungsplan durch Widerspruch zu befreien, kann es aber nicht ausreichend sein, daß die Tätigkeit eines Privatunternehmens auch im öffentlichen Interesse liegt. Notwendig ist vielmehr eine gesetzliche Regelung, die gewährleistet, daß von dem Privatunternehmen tatsächlich vorrangig öffentliche Belange wahrgenommen werden und nicht wirtschaftliche Gesichtspunkte im Vordergrund stehen 39 • Eine gesetzliche Regelung, die die gegenüber der Gewinnerzielung vorrangige Verfolgung von Gemeinwohlbelangen sichern würde, ist für die privaten Eisenbahnunternehmen nicht vorhanden. Sie fehlt insbesondere auch für die Eisenbahnen des Bundes: 35

Gaentzsch, in: Schlichter/Stich, § 7 Rn. 5.

3~ Bielenberg, in: Ernst / Zinkahn / Bielenberg, § 4 Rn. 5. 37 lR 39

Erbguth/Wagner, Rn. 155. Dafür Freise / Wittenherg, GewArch. 1996, 353, 358 m.w.N. So zu Recht Roer, DVBI. 1996, 1293, 1296.

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2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

Die DB AG muß - wie grundsätzlich alle öffentlichen Eisenbahnen - gern. § 8 Abs. I S. I AEG in ihrer "Leitung, Geschäftsführung und Verwaltung sowie hinsichtlich der verwaltungstechnischen und wirtschaftlichen Kontrolle sowie der internen Rechnungsführung" unabhängig von staatlichen und kommunalen Gebietskörperschaften sein. Ein gemeinwirtschaftlicher Auftrag, wie er früher in § 28 Abs. I S. 2 BbG für die Deutsche Bundesbahn enthalten war, besteht für die DB AG nicht mehr40 . Vielmehr ordnet Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG für sämtliche Eisenbahnunternehmen des Bundes ohne Rücksicht auf den Unternehmensgegenstand, also auch für sog. Eisenbahninfrastrukturunternehmen i.S.d. § 3 Abs. I Nr. 2 AEG, an, daß diese als Wirtschaftsunternehmen in privatrechtlicher Form geführt werden müssen. Durch diese Regelung sollten die Eisenbahnunternehmen gerade vom Gemeinwohlauftrag befreit werden41 . Da auch die DB AG ein primär nach ökonomischen Eigeninteressen handelndes Unternehmen ist, kann ihr ebensowenig wie sonstigen Eisenbahnunternehmen die Stellung eines öffentlichen Planungsträgers i.S.d. § 7 BauGB zukommen 42 • b) Plan feststellungs behörde

Da private Eisenbahnunternehmen aus den oben genannten Gründen nicht öffentliche Planungsträger sein können, kann diese Stellung nur der Planfeststellungsbehörde zukommen. Sie hat in Ausübung der ihr zukommenden planerischen Gestaltungsfreiheit über den vom Vorhabenträger vorgelegten Plan unter Abwägung aller für und gegen das Vorhaben sprechenden öffentlichen und privaten Belange zu entscheiden und übernimmt die rechtliche Verantwortung für den festgestellten Plan. Die Planfeststellungsbehörde ist daher öffentlicher Planungsträger i.S.d. § 7 BauGB 43 •

4. Vorrangige "Planungen" i.S.d. § 7 BauGB Die Anpassungspflicht gern. § 7 S. I BauGB betriffi "Planungen" öffentlicher Planungsträger. Diesen Planungen kommt nach dem Widerspruch auch der Vorrang gegenüber dem vorhandenen Flächennutzungsplan zu. Planungen i.S.d. § 7 BauGB sind Entscheidungen, die sich durch planerische Gestaltungsfreiheit Freise/Wittenberg, GewArch. 1996,353. 41 Siehe oben 1. Kapitel, D.1.2.b) bb) bbb). 42 Roer, DVBI. 1996, 1293, 1296 f., 1300; allg. ablehnend zur Stellung privater Vorhabenträger als öffentliche Planungsträger i.S.d. § 7 BauGB auch Gierke, in: Brüge/mann, § 7 Rn. 94; nach Schrödter, § 7 Rn. 7, soll die Norm auf Planfeststellungsverfahren, deren Antragsteller Private sind, nicht anwendbar sein. 43 Gierke, in: Brüge/mann, § 7 Rn. 94. 40

B. Zusammentreffen von Fachplanung und Bauleitplanung (§§ 7, 38 BauGB)

77

auszeichnen und bodenrechtlich relevant sind44 • Im AEG sind dies die Planfeststellung und die Plangenehmigung. Nicht in den Anwendungsbereich des § 7 BauGB gehört dagegen das Entfallen von Planfeststellung und Plangenehmigung gern. § 18 Abs. 3 AEG, da keine planerische Behördenentscheidung getroffen wird.

111. § 38 BauGB als Kollisionsregel im Verhältnis zum vorhandenen Bebauungsplan 1. Der Vorrang der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung vor dem Bebauungsplan

§ 38 S. I BauGB ordnet an, daß "aufPlanfeststellungsverfahren und sonstige Verfahren mit den Rechtswirkungen der Planfeststellung rur Vorhaben von überörtlicher Bedeutung sowie auf die auf Grund des Bundes-Immissionsschutzgesetzes rur die Errichtung und den Betrieb öffentlich zugänglicher Abfallbeseitigungsanlagen geltenden Verfahren" die §§ 29 bis 37 nicht anzwenden sind, "wenn die Gemeinde beteiligt wird". Gern. § 38 S. 2 2.Hs. BauGB sind städtebauliche Belange zu berücksichtigen. Diese Fassung des § 38 BauGB wurde mit dem BauROG 199845 eingeführt, wobei der Gesetzgeber keine grundlegende Umgestaltung der Regelung des § 38 BauGB a.F., sondern im wesentlichen eine klarstellende Vereinfachung beabsichtigte. § 38 BauGB a.F. galt nämlich nach einhelliger Auffassung als redaktionell mißlungen46 • Bereits zu § 38 BauGB a.F. hatte sich aber die Auffassung durchgesetzt, daß die Norm eine materielle Vorrangregelung zugunsten der nach den damals einzeln aufgezählten Fachgesetzen zuzulassenden Vorhaben enthielt, insbesondere auch zugunsten der Planfeststellung für Betriebsanlagen der Eisenbahn nach § 18 Abs. I AEG47 • Mit § 38 BauGB a.F. sollte danach zweierlei zum Ausdruck gebracht werden, nämlich, daß planfeststellungspflichtige Vorhaben, die den aufgeführten Fachgesetzen unterlagen, auch nach der bundesweiten Einruhrung der örtlichen Gesamtplanung durch das BBauG weiterhin ausschließlich nach den einschlägigen Fachplanungsgesetzen geplant werden sollten, und 44

Gierke, in: Brügelmann, § 7 Rn. 65 f.

4S

Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 - BauROG - v. 18.8.1997, BGB\. I S. 2081.

Vg\. z.B. Löhr, in: BattislKrautzbergerlLöhr, § 38 Rn. 6; Runkel, in: ErnstlZinkahn / Bielenberg, § 38 Rn. 3; Schlichter I Stich, Schwerpunkte-Kommentar, § 38 Rn. I. 47 Zu § 38 BauGB a.F. z.B. Dürr, in: Brügelmann, § 38 Rn. 2 ff.; Runkel, in: Ernstl Zinkahn I Bielenberg, § 38 Rn. 3. 46

78

2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

daß auf Vorhaben, für die ein Planfeststellungsverfahren nach einem Fachgesetz durchzufiihren ist, aufgrund der früheren Formulierung "bleiben ... unberührt" die §§ 29 ff. BauGB keine Anwendung finden sollten48 • Mit der Nichtanwendbarkeit der §§ 29 ff. BauGB auf die privilegierten Vorhaben brachte bereits § 38 BauGB a.F. nach herrschender Meinung zugleich den Vorrang der privilegierten Fachplanungen vor vorhandenen gemeindlichen Bebauungsplänen zum Ausdruck. Denn der Bebauungsplan als rechtsverbindliche Satzung entfaltet seine Rechtswirkung für Bauvorhaben erst über die Anwendung der §§ 29 ff. BauGB. Finden diese Vorschriften auf die nach den Fachgesetzen zu planenden Vorhaben entsprechend der Intention des Gesetzgebers keine Anwendung, so wird dadurch die Rechtswirkung des Bebauungsplans beschränkt; das planfeststellungspflichtige Vorhaben ist trotz des abweichenden Bebauungsplans zulässig. Folglich kam den in § 38 BauGB aufgezählten Planfeststellungen der Vorrang gegenüber dem gemeindlichen Bebauungsplan ZU49. An diesem Regelungsgehalt wollte auch der Gesetzgeber des Bau- und Raumordnungsgesetzes 1998 nichts ändern. Ausweislich der Begründung zum Entwurf der im wesentlichen unverändert Gesetz gewordenen Neufassung des § 38 BauGB sollte die Norm " ... anwenderfreundlicher gestaltet werden. Die Neufassung sieht eine Vereinheitlichung der Anwendungsvoraussetzungen, eine Straffung des Textes und eine Ausformulierung der maßgebenden Gründe rur die Privilegierung von Fachplanungen gegenüber der Bauleitplanung vor"so.

Im wesentlichen enthält § 38 BauGB nach dem Willen des Gesetzgebers nur zwei Neuerungen:

48 Die Begründung im Ausschußbericht zu BT-Drs. 3/1794, S. 12, rur § 31 f BBauG lautet: "Die Vorschrift ist im Ausschuß eingerugt worden, um klarzustellen, daß die Vorschriften des Dritten Teils auf solche Vorhaben keine Anwendung finden, über deren Zulässigkeit im Rahmen eines besonderen bundesrechtlichen Planfeststellungsverfahrens entschieden worden ist. Landesrechtliche Planfeststellungsverfahren genießen diesen Vorrang nur, wenn sie sich auf eine überörtliche Planung beziehen. Diese Einschränkung ergibt sich aus der Überlegung, daß die örtliche Planung im Bundesbaugesetz abschließend geregelt ist. Auch aus der Durchruhrung dieser Planfeststellungsverfahren können sich mit Aufwendungen verbundene Rückwirkungen auf die örtliche gemeindliche Planung ergeben. Der Ersatzanspruch der Gemeinden richtet sich in diesen Fällen nach § 31e Abs. 3"; zu § 38 BauGB a.F. als Regelung der Unanwendbarkeit der §§ 29 ff. BauGB vgl. Expertenkommission, Rn. 382. 49 Löhr, in: BattislKrautzbergerlLöhr, § 38 Rn. 7; Breuer, S. 202 f.; H.-J Koch, FS rur Schlichter, S. 461, 469. so So die Begründung zu § 38 BauGB, BT-Drs. 13 / 6392, S. 60; s.a. Runkel, in: Ernst I Zinkahn I Bielenberg, § 38 Rn. 6.

B. Zusammentreffen von Fachplanung und Bauleitplanung (§§ 7, 38 BauGB)

79

Dies ist zum einen die abstrakte Definition der von der Anwendung der §§ 29 bis 37 BauGB freigestellten Vorhaben im Vergleich zur bisherigen enumerativen Aufzählung in § 38 BauGB a.F. SI. Die Privilegierung erfaßt nunmehr sämtliche Vorhaben, die der PlanfeststelJung nach Bundes- oder Landesrecht unterliegen. Wird die PlanfeststelJung in einem Fachgesetz eingeführt oder erweitert, nimmt sie automatisch an der Privilegierung teil, ohne daß § 38 BauGB geändert werden müßte. Zum anderen wollte der Gesetzgeber klarstellend die sich nach h. M. nach aus Art. 28 Abs. 2 Satz I GG ergebenden verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Überwindung der in den §§ 29 ff. BauGB und den vorhandenen gemeindlichen Bebauungsplänen zum Ausdruck kommenden städtebaulichen, von den Gemeinden wahrgenommenen Interessen aufnehmen. Zu diesem Zweck ist die Beteiligung der Gemeinden im Zulassungsverfahren für die privilegierten Vorhaben sowie die abwiegende Berücksichtigung der städtebaulichen Belange in § 38 BauGB n.F. ausdrücklich angeordnet worden. Die KlarsteIlung war deshalb erforderlich, weil § 38 BauGB durch das Investitionserleichterungsgesetz systemfremd auf die Zulassung bestimmter Abfallentsorgungsanlagen im gebundenen Genehmigungsverfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz erweitert worden war, in dem eine abwägende Berücksichtigung der gemeindlichen Planungshoheit - anders als in den Planfeststellungsverfahren nach den Fachplanungsgesetzen - nicht vorgesehen war 2 • Unter Verweis auf die durch Art. 28 Abs. 2 GG geschützte kommunale Planungshoheit war deshalb in der Rechtsprechung eine verfassungskonfonne Interpretation entwickelt worden, um eine Abwägung im Einzelfall auch im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren zu ennöglichen53 • Mit der ausdrücklichen Anordnung der Beteiligung der Gemeinden und der Berücksichtigung der städtebaulichen Belange folgt der Gesetzgeber insofern der Rechtsprechung und den entsprechenden Vorschlägen der Expertenkommission zur Novellierung des Gesetzbuchs 54 • Darauf wird in der Begründung zu § 38 BauGB ausdrücklich verwiesen 55 • Ob tatsächlich entsprechende verfassungsrechtliche Vorgaben aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG abzuleiten sind und die gesetzliche Regelung diesen Vorgaben genügt, ist noch im einzelnen zu untersuchen 56 . 51

Siehe dazu BT-Drs. 13/6392, S. 60 f.

52

Dazu Engel, UPR 1993, 293; Kraft, BauR 1999, 229, 235.

So OVG Rheinland-Pfalz, Besch!. v. 13.9.1994 -7 B 11901194 -, DVB!. 1995,251 ff.; dazu Schrädter, § 38 Rn. 13; Runkel, in: Ernst / Zinkahn / Bielenberg, § 38 Rn. 4. 53

54

Expertenkommission, Rn. 377.

BT-Drs. 13/6392, S. 60 f.; siehe zur Entstehungsgeschichte auch Schlichter / Stich, Schwerpunkte-Kommentar, § 38 Rn. 8. 55

56

Siehe dazu ausfIihrIich 2. Kapitel, C.

80

2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

2. "Planfeststellungen und sonstige Verfahren ••• für Vorhaben von überörtlicher Bedeutung" als privilegierte Planungen a) Planfeststellung und Plangenehmigung

Privilegiert i.S.d. § 38 Abs. 1, 1. Hs. sind Planfeststellungsverfahren und Verfahren mit den Rechtswirkungen einer Planfeststellung. Im Eisenbahnrecht sind dies die Planfeststellung gemäß § 18 Abs. 1 AEG und die Plangenehmigung, der die Rechtswirkungen der Planfeststellung kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung des § 18 Abs. 2 Satz 2 AEG zukommen. Nicht von § 38 BauGB erfaßt wird dagegen das Entfallen von Planfeststellung und Plangenehmigung gemäß § 18 Abs. 3 AEG. Denn § 38 S. I BauGB liegt ersichtlich der Gedanke zugrunde, daß die nach Fachgesetzen zu treffenden planerischen Entscheidungen nicht an die städtebaulichen Vorschriften gebunden sein sollen, da rur die genannten Vorhaben die Fachplanungsentscheidung an die Stelle der kommunalen Bauleitplanung tritt; statt der örtlichen Planung der Bodennutzung durch den Bebauungsplan erfolgt rur bestimmte Vorhaben die Planung nach dem jeweiligen Fachgesetz. Diese Erwägung trifft fur das Entfallen von Planfeststellung und Plangenehmigung gern. § 18 Abs. 3 AEG nicht zu, weil es keine Planungsentscheidung darstellt S7 • Außerdem ist beim Entfallen von Planfeststellung und Plangenehmigung keine Beteiligung der Gemeinde und keine Berücksichtigung städtebaulicher Belange möglich, weil gerade kein Verwaltungsverfahren stattfindet. Ausnahmevorschriften des jeweiligen Fachplanungsgesetzes, die eine Planungsentscheidung erübrigen, nehmen daher nicht an der Privilegierung teil und haben keinen Vorrang vor dem Bebauungsplan. Eine Eisenbahnbetriebsanlage kann daher nicht nach § 18 Abs. 3 AEG geändert werden, wenn die Änderung der kommunalen Bauleitplanung widerspricht. b) Sachlicher Umfang der Privilegierung

aa) Der Gegenstand der Planfeststellung als Grenze der Privilegierung der Fachplanungen Die Privilegierung gemäß § 38 S. 1 BauGB beschränkt sich auf den Gegenstand der Planfeststellung. Privilegiert ist also nur die Planung von Eisenbahnbetriebsanlagen i.S.d. § 18 Abs. I AEG SR • Vorhaben, die nicht Betriebsanlagen i.S.d. § 18 Abs. I AEG sind, werden nicht von der Anwendung der §§ 29 ff.

'7 Siehe oben 'R

1. Kapitel, E.II.

Löhr, in: Battis / Krautzberger / Löhr, § 38 Rn. 14; Runkel, in: Ernst / Zinkahn / Bielenberg, § 38 Rn. 25 f.

B. Zusammentreffen von Fachplanung und Bauleitplanung (§§ 7,38 BauGB)

81

BauGB freigestellt. Für die Errichtung von Anlagen, die nicht oder nicht ausschließlich Betriebsanlagen der Eisenbahn sind, besteht also eine Bindung an den Bebauungsplan.

bb) .. Überörtliche Bedeutung" der Planungen Die §§ 29 ff. sind nur dann nicht anwendbar, wenn es um Vorhaben von überörtlicher Bedeutung geht. Wann eine derartige überörtliche Bedeutung gegeben ist, ist nicht abschließend geklärt. Die Begründung der Neufassung des § 38 BauGB schweigt zu diesem Punkt. Das Bundesverwaltungsgericht hat zu § 38 Satz 2 a.F., demzufolge Planungen von überörtlicher Bedeutung nach Landesrecht privilegiert waren, eine überörtliche Bedeutung zunächst aus der überörtlichen Zuständigkeit des jeweiligen Planungsträger abgeleitet59 • Diese Auffassung hat das Bundesverwaltungsgericht dann aber aufgegeben und eine überörtliche Bedeutung angenommen, wenn das Vorhaben das Gebiet von zumindest zwei Gemeinden berührt60 • Der Grund für diese Rechtsprechung ist, daß ein Vorhaben, das das Gebiet mehrerer Gemeinden berührt, zwangsläufig einen überörtlichen Koordinierungsbedarf auslöst. In diesem Sinne wird man die bisherige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht als abschließende Definition des Begriffs der Überörtlichkeit verstehen können, sondern der Berührung des Gebiets mehrerer Gemeinden durch das Vorhaben allenfalls indizielle Bedeutung für die Überörtlichkeit zumessen dürfen. Auch ein Vorhaben, das lediglich auf dem Gebiet einer einzigen Gemeinde verwirklicht werden soll, kann nämlich einen überörtlichen Koordinierungsbedarf auslösen 61 • Dies galt schon rur die "überörtlichen Planungen" nach § 38 BauGB a.F. und gilt nunmehr erst recht rur Vorhaben von "überörtlicher Bedeutung" i.S.d. § 38 Satz I BauGB n.F. Denn mit dem Begriff der Vorhaben von überörtlicher Bedeutung kommt zum Ausdruck, daß keine rein ftächenbezogene Betrachtungsweise anzustellen ist62 • Nach dem Kriterium des überörtlichen Koordinierungsbedarfs kommt der Planung von Eisenbahnbetriebsanlagen i.S.d. § 18 AEG stets überörtliche Bedeutung i.S.d. § 38 Satz I BauGB zu, weil sie der Errichtung überörtlicher Verkehrsverbindungen dienen63 • Das in der Literatur infolge der Neufassung des 59

BVerwG, Urt. v. 3.4.1981 - 4 C 11.79 -, DVBI. 1981, 930.

BVerwG, Urt. v. 4.5.1988 - 4 C 22.87 -, E 79, 318 mit Anmerkung Schulte, DVBI. 1988,963. 60

61 Schlichter/Stich. Schwerpunkte-Kommentar, § 38 Rn. 7; Schrödter, § 38 Rn. 7; Heldwein, BayVBI. 2000,65, 67 f.; Runkel, in: Ernst / Zinkahn / Bielenberg, § 38 Rn. 32. ~2 So zutreffend Dippel, NVwZ 1999,926. 63 Im Ergebnis ebenso Heldwein, BayVBI. 2000, 65, 68.

6 Buchner

82

2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

§ 38 BauGB diskutierte Problem, ob bei den in Zukunft nicht mehr privilegierten Vorhaben von lediglich örtlicher Bedeutung das gemeindliche Einvernehmen i.S.d. § 36 BauGB erforderlich ist64 , spielt für Eisenbahnbetriebsanlagen daher keine Rolle.

3. Einschränkung des Vorrangs der Eisenbahnplanung durch § 7 BauGB Ist der Bebauungsplan aus einem Flächennutzungsplan entwickelt worden, gegen den die Planfeststellungsbehörde als zuständiger öffentlicher Planungsträger i.S.d. § 7 BauGB keinen Widerspruch erhoben hat, ist wegen der dann gern. § 7 S. 1 BauGB bestehenden Anpassungspflicht der Eisenbahnplanung an den Flächennutzungsplan auch der Vorrang der Eisenbahnplanung vor dem Bebauungsplan eingeschränkt (§ 38 S. 2 BauGB); die Abweichung vom Bebauungsplan muß sich dann innerhalb der Grenzen, die durch die Anpassungspflicht der Fachplanung an den Flächennutzungsplan gesetzt werden, bewegen 65 • Diese Einschränkung des Vorrangs der Fachplanung nach § 38 BauGB durch die Bindungswirkung des § 7 S. I BauGB entfällt aber dann, wenn gegen den Flächennutzungsplan nachträglich gern. § 7 S. 3 BauGB Widerspruch eingelegt wird. Die praktische Bedeutung der Bindungswirkung des Flächennutzungsplans ist deshalb insgesamt gering66 •

4. Beteiligung der Gemeinde und Berücksichtigung städtebaulicher Belange als Voraussetzung der Privilegierung Gemäß § 38 S. 1 BauGBB greift die Privilegierung zum einen nur dann ein, wenn die Gemeinde beteiligt wird. Für die Planfeststellung gemäß § 18 AEG ist die Beteiligung der Gemeinde als Träger öffentlicher Belange sowie gegebenenfalls als Betroffene in § 73 VwVfG ohnehin vorgeschrieben, so daß es sich insoweit bei der Neufassung des § 38 BauGB lediglich um eine KlarsteIlung dessen handelt, was bereits bisher gegolten hat67 ; eine Erweiterung ist insoweit mit der Neufassung des § 38 BauGB nur für das gebundene Genehmigungsverfahren nach den §§ 4 ff. BImschG verbunden68 • 64 Siehe dazu Sandner, DÖV 1998, 586 ff; Dippel, NVwZ 1999, 921 ff.; Lasotta, DVBI. 1998, 255 f1

M Schink, Bauleitplanung S. 120; Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 104; Paetow, UPR 1990,321,326; Runkei, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, § 38 Rn. 105; Koch/Hendler, S. 152; Schlarmann, S. 308 f. 66 So schon zur Bindungswirkung nach § 7 BauGB a.F.: Brohm, DÖV 1989,429,433; H.-J. Koch, FS für Schlichter, S. 461, 476. 67 Schlichter/Stich, Schwerpunkte-Kommentar, § 38 Rn. 9.

B. Zusammentreffen von Fachplanung und Bauleitplanung (§§ 7, 38 BauGB)

83

Beteiligung der Gemeinde bedeutet im wesentlichen Information und Anhörung. Die Art und Weise, wie die Beteiligung zu erfolgen hat, ist für das Planfeststellungsverfahren in § 73 VwVfG LV.m. § 20 AEG näher geregelt. Für das nicht förmliche Plangenehmigungsverfahren gilt, daß die Gemeinde einen Anspruch auf Unterrichtung über das geplante Vorhaben hat. Dem Anhörungsanspruch der Gemeinde genügt die Behörde grundsätzlich dadurch, daß sie deren Stellungnahme zur Kenntnis nimmt und sie in ihre Erwägungen einbezieht69 • Zum anderen sind nach § 38 Satz 1 BauGB die städtebaulichen Belange zu berücksichtigen. Mit dieser Formulierung wollte der Gesetzgeber den materiellen verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 28 Abs. 2 Satz I GG gerecht werden 70 • Ob diese verfassungsrechtlichen Vorgaben bestehen und die Neufassung des § 38 BauGB ihnen gerecht wird, wird noch näher untersuche'.

IV. Umsetzung des Vorrangs der Eisenbahnplanung vor der Bauleitplanung 1. Gegenüber dem Bebauungsplan § 38 BauGB läßt sich dem Wortlaut nach nicht eindeutig entnehmen, wie sich der Vorrang der Fachplanung auf die vorhandene Bauleitplanung auswirkt. Die Folgen des Vorrangs der Fachplanung für den Bebauungsplan werden denn auch in der LiteratUr unterschiedlich beurteilt: Zum Teil wird angenommen, daß die Fachplanung solange nicht in Kraft treten könne, wie ein wirksamer Bebauungsplan vorhanden sei. Der Vorrang der Fachplanung löse lediglich eine Anpassungspflicht aus, die gegebenenfalls im Wege der Kommunalaufsicht durchsetzbar sei. Denn der Vorrang der Fachplanung bedeute nicht, daß Bebauungspläne unwirksam würden. Zur Begründung wird auf den Grundsatz der Rechtssicherheit verwiesen; die Unwirksamkeit der Bauleitplanung sei für den Bürger nicht erkennbar. Im übrigen entstünden Probleme bei einer nur teilweisen Überlagerung der Bauleitplanung72 •

68 h9 70

71 72

Siehe dazu Wagner, UPR 1997.387,391 f. Stüer, UPR 1998,408,412. BT-Drs. 13/6392, S. 60 f. Siehe unten 2. Kapitel, C. Dürr, in: Brügelmann, § 38 Rn. 24; Dürr, in: Kodal! Krämer, Kap. 34 Rn. 35.24

(S. 1072). 6*

84

2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

Die Gegenposition geht davon aus, daß der Vorrang der Fachplanung zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans ruhre, soweit seine Festsetzungen mit der Planfeststellung unvereinbar seien 73. Nach einer vermittelnden Ansicht ist der Erlaß des PIanfeststellungsbeschlusses auch ohne vorherige Änderung des Bebauungsplans zulässig, hat aber zunächst nur zur Folge, daß der Bebauungsplan nicht mehr vollzogen werden darf74 • Der letztgenannten Auffassung ist zu folgen. Denn die Annahme, daß der Vorrang der Planfeststellung die Unwirksamkeit der Bauleitplanung zur Folge hat, ist nicht mit § 38 S. 3 BauGB vereinbar, der mit dem Verweis auf den Kostenerstattungsanspruch der Gemeinde gern. § 37 Abs. 3 S. 2 BauGB rur erforderliche Änderungen der Bauleitplanung eindeutig lediglich von einer Anpassungs- oder Aufhebungspflicht der Gemeinde ausgehes. Andererseits widerspricht die Annahme, daß die privilegierte Planung gegebenenfalls erst nach der Anpassung des Bebauungsplans im Wege in Kraft treten könne, der Intention des § 38 BauGB, diese Vorhaben von der Anwendung der §§ 29 ff. BauGB freizustellen und den so privilegierten Fachplanungen den Vorrang vor der Bauleitplanung einzuräumen76 • Die in § 38 S. 3 i.Y.m. § 37 Abs. 3 BauGB enthaltene Anpassungsverpflichtung der Gemeinde an die Fachplanung setzt zudem voraus, daß diese wirksam ist, da erst dann eindeutig feststeht, inwieweit der Bebauungsplan geändert werden muß. Die Annahme einer Anpassungspflicht und gleichzeitigen Vollzugshemmung des der Fachplanung widersprechenden Bebauungplans wird also sowohl dem Sinn und Zweck der Privilegierung als auch dem Wortlaut des § 38 S. 3 i.Y.m. § 37 Abs. 3 BauGB am besten gerecht. 2. Gegenüber dem Flächennutzungsplan Da der Flächennutzungsplan im Gegensatz zum Bebauungsplan nicht unmittelbar rechtsverbindlich ist, stellt sich das Problem der Durchsetzung des Vorrangs der Fachplanung nicht in gleicher Schärfe wie beim Bebauungsplan. Dennoch entfaltet auch der Flächennutzungsplan im Rahmen der Vorschriften des BauGB Wirkungen 77 • lnfolge des Verweises in § 7 S. 6 BauGB auf § 37 73

Brohm, NVwZ 1985, 1,7 m.w.N; H.-J. Koch, FS für Schlichter, S. 461, 474.

74 Schlarmann, S. 69 ff.; Gaentzsch, § 38 Rn. 3; nach Paetow, UPR 1990, 321, 325, wird der Bebauungsplan funktionslos und kann wieder aufleben; für Funktionslosigkeit auch RunkeI, in: Ernst IZinkahn I Bielenberg, § 38 Rn. 75. 75 Schlarmann, S. 70. 76 Schlarmann, S. 70. 77 Vgl. zu den Wirkungen des Flächennutzungsplan Schrödter, § 5 Rn. 52 ff.; Löhr, in: BattislKrautzbergerlLöhr, § 5 Rn. 47.

C. Verfassungsrechtliche Gewährleistung der kommunalen Planungshoheit

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Abs. 3 BauGB ist auch für den Flächennutzungsplan davon auszugehen, daß nach dem Wirksamwerden des vorrangigen Planfeststellungsbeschlusses von dem Plan keine Wirkungen mehr ausgehen können, im übrigen aber lediglich eine Anpassungspflicht besteht.

V. Zwischenergebnis Die §§ 7 und 38 BauGB enthalten für den Fall der Kollision einer nachfolgenden eisenbahnrechtlichen Planung mit einer vorhandenen Bauleitplanung konstitutive Vorrangregelungen zugunsten der Eisenbahnplanung. Gern. § 7 BauGB setzt der Vorrang gegenüber dem Flächennutzungsplan den - gegebenenfalls auch nachträglichen - Widerspruch des öffentlichen Planungsträgers voraus. Öffentlicher Planungsträger i.S.d. § 7 BauGB ist die Planfeststellungsbehörde. Private Eisenbahnunternehmen einschließlich der Eisenbahnen des Bundes sind dagegen keine öffentlichen Planungsträger in diesem Sinne. § 38 BauGB ordnet den Vorrang der überörtlichen Eisenbahnplanung vor vorhandenen Bebauungsplänen an, indem er die §§ 29 ff. BauGB für nicht anwendbar erklärt, wenn die Gemeinde beteiligt wird und die städtebaulichen Belange berücksichtigt werden. Vorrangig sind im Kollisionsfall gern. §§ 7, 38 BauGB die eisenbahnrechtliche Planfeststellung und die Plangenehmigung. Sachlich beschränkt sich der Vorrang auf den Gegenstand der Planfeststellung gern. § 18 AEG. Aufgrund der Vorrangregelung der §§ 7 und 38 BauGB kann eine mit der Bauleitplanung unvereinbare eisenbahnrechtliche Fachplanungsentscheidung wirksam werden, ohne daß die gemeindliche Bauleitplanung zuvor aufgehoben werden müßte. Die Bauleitplanung wird außer Vollzug gesetzt; sie muß an die eisenbahnrechtliche Fachplanung angepaßt oder aber aufgehoben werden.

c. Vorgaben durch die verfassungsrechtliche Gewährleistung der kommunalen Planungshoheit I. Vorüberlegung Im vorangegangenen Abschnitt wurde dargelegt, daß die §§ 7 und 38 BauGB die Unabhängigkeit und Eigenständigkeit der eisenbahnrechtlichen Planung gegenüber der kommunalen Bauleitplanung klarstellen und zugleich als Kollisionsregeln den Vorrang der Eisenbahnplanung vor der gemeindlichen Bauleitplanung anordnen. Seit der Neufassung der §§ 7 und 38 BauGB durch das BauROG 1998 ist eine Beteiligung der Gemeinden und eine Berücksichtigung städtebaulicher Belange ausdrücklich vorgesehen. DieseRegelung entspricht der schon vor der Neufassung h.M., daß die Gemeinde in der privilegierten Planung

86

2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

zu beteiligen ist und die ortsplanerischen Belange in die Abwägungsentscheidung einzustellen sind 78 • Nach der ständigen Rspr. des BVerwG vennittelt die kommunale Planungshoheit nämlich "eine wehrfähige, in die Abwägung einzubeziehende Rechtsposition gegen fremde Fachplanungen auf dem eigenen Gemeindegebiet, wenn das Vorhaben nachhaltig eine hinreichend bestimmte gemeindliche Planung der Gemeinde stört oder wegen seiner Großräumigkeit wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren gemeindlichen Planung entzieht oder gemeindliche Einrichtungen erheblich beeinträchtigt,,79.

Der Gesetzgeber des BauROG 1998 wollte mit der Neufassung des § 38 BauGB den in dieser Rechtsprechung zum Ausdruck kommenden verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG Rechnung tragen 80 • Die ausdrückliche Regelung der Beteiligung der Gemeinde und der Berücksichtigung der städtebaulichen Belange ist deshalb angeordnet worden, weil in Rechtsprechung und Literatur Kritik an der Aufnahme der nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz in einem gebundenen Genehmigungsverfahren zuzulassenden Abfallbeseitigungsanlagen geäußert worden war, weil in einem derartigen Verfahren die verfassungsrechtlich gebotene Beteiligung der Gemeinden und die Berücksichtigung ihrer Belange nicht möglich se 81 • Im folgenden soll untersucht werden, ob tatsächlich aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG Vorgaben für die gesetzliche Regelung des Vorrangs von Fachplanungen vor gemeindlichen Planungen abzuleiten sind und ob mit der Fonnel des Bundesverwaltlungsgerichts der Umfang der kommunalen Planungshoheit, die Voraussetzungen ihrer Wehrfähigkeit sowie die Anforderungen an die Berücksichtigung in der Planfeststellung zutreffend beschrieben werden. Dies bedingt eine nähere Betrachtung der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der kommunalen Planungshoheit, wobei insbesondere auf die herrschende Auslegung des Art. 28 Abs. 2 S. I GG als sog. institutionelle Garantie eingegangen werden muß: Anlaß für eine Auseinandersetzung mit dem institutionellen Verständnis gibt schon die Diskussion um den "Abschied vom Verhältnismäßigkeitsgrundsatz" als Kontrollrnaßstab für Eingriffe in das Selbstverwaltungsrecht 82 ; durch die 7M Gaentzsch, in: Schlichter/Stich, § 7 Rn. 2; Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 105; Hoppe, in: Hoppe / Grotefels, § 8 Rn. 112, S. 403; Koch / Hendler, S. 152 f. 79 BVerwG, Urt. v. 27.3.1992 - 7 C 18.91 -, E 90, 96, 100; Urt. v. 15.12.1989 - 4 C 36.86 -, E 84, 209, 215; Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 40.86 -, E 81, 95, 106; s.a. BVerwG, B. v. 15.4.1999 - 4 VR 18/98 - NVwZ-RR 1999,554,555; BVerwG, Urt. v. 27.10. 1998 - 11 A 10.98 - UPR 1999, 146, 147; BVerwG, Urt. v. 12.12.1996 - 4 C 14.95-, GewArch. 1997,301. RO Siehe oben 2. Kapitel, B.III.1. RI

Siehe dazu oben 2. Kapitel, B.lII.1. m.w.N.

R~ Ber/it. DVBI. 1995. 293, 295; C1emens, NVwZ 1990, 834, 835; Ossenbühl, FS für

C.

Verfassungsrechtliche Gewährleistung der kommunalen Planungshoheit

87

Anwendung spezifischer Prüfungsmaßstäbe sollen die Besonderheiten der Institutionsgarantien stärker zur Geltung gebracht werden s3 . Wäre der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht anwendbar, entfiele auch die Grundlage rur die abwägende Berücksichtigung der kommunalen Planungshoheit in der Planfeststellung. Überprüfungsbedürftig erscheint die Auslegung des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als institutionelle Garantie aber auch deshalb, weil auf dieser Basis streng genommen bereits die verfassungsrechtliche Gewährleistung der kommunalen Bauleitplanung als solche fragwürdig ist und damit erst recht Vorgaben rur ihre Berücksichtigung in vorrangigen Fachplanungen. Aus dem Verständnis des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als institutionelle Garantie ergibt sich nämlich, wie noch im einzelnen darzulegen sein wird, grundsätzlich eine Beschränkung des verfassungsrechtlichen Schutzes auf den "Kern detjenigen Normen und Grundsätze, die den historisch gewordenen Begriff der Selbstverwaltung ausmachen"R4. Eine historische Betrachtung ergibt aber, daß die gemeindlichen Bauleitplanung den Gemeinden durch das BBauG 1960 erstmalig als Selbstverwaltungsaufgabe übertragen wurde 8s • Denn zuvor gab es keine umfassende städtebauliche Planung als gemeindliche Selbstverwaltungsangelegenheit. Vielmehr wurde bis 1945 die Festsetzung von Fluchtlinien, die als Vorläufer der Bauleitplanung gilt, überwiegend als polizeiliche Aufgabe des Staates betrachtet86 • Erst nach Kriegsende wurde in den sog. Aufbaugesetzen einzelner Länder die Planung des Wiederaufbaus als Selbstverwaltungsaufgabe der Gemeinden gereLerche, S. 160 f.; Schmidt-Aßmann, FS für Sendler, S. 135; Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 2 Rn. 5; Frers, DVBI. 1989,449,451; Schach, VerwArch. 1990, 32 f. mit Fn. 95; Löwer, in: v. Münch / Kunig, Art. 28 Rn. 50; Waechter, Kommunalrecht, Rn. 153. R3 Vgl. insbesondere Ossenbühl, FS für Lerche, S. 161; Schmidt-Aßmann, FS für Sendler, S. 135; Frenz, Die Verwaltung 1995,58 ff.; kritisch zur Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes schon Losehelder, Befugnis, S. 26 ff. In diese Richtung

geht auch der Vorschlag, das Verhältnis von Staat und Gemeinden zur Betonung des kompetentiellen Charakters des Selbstverwaltungsrechts nach dem sog. kompetenzrechtlichen Gebot der wechselseitigen Rücksichtnahme zu bestimmen, vgl. Brohm, Öffentliches Baurecht, § 9 Rn. 7 ff., insb. Rn. 16 ff. m.w.N.; Bickel, FS v. Unruh, S. 1035, 1040 f.

R4 BVerfG, Urt. v. 1.3.1952 - I BvR 267/51-, EI, 167, 178. RS Vgl. Widera, S. 104 m.w.N.; so auch die ältere Rspr. des BVerwG, Urt. v. 22.4. 1966 - 4 C 17/65 -, NJW 1966, 1530; BVerwG, Urt. v. 19.11.1965 - 4 C 184.65-, E 22, 342, 346; vgl. auch Ronellenfitsch, Breitbandkabel und fernmelderechtliche Planfeststellung, VerwArch. 1988,211,223. R6 BVerfG, B. v. 7.10.1980 - 2 BvR 584176 u.a. -, E 56, 298, 312 m.w.N.; SchmidtAßmann, Grundfragen, S. 128 f.; ausführlich zur historischen Entwicklung der Bauleitplanung Widera, S. 90 ff., 98; Krautzberger; in: Ernst / Zinkahn / Bielenberg, Einl. Rn. 1 ff.; Schultze, S. 60 ff.

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2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

gelt87 . Wegen des vorläufigen Charakters der Aufbaugesetzgebung und mit Rücksicht darauf, daß mehrere Länder überhaupt keine Aufbaugesetze erließen und andere die Planung des Wiederaufbaus den Gemeinden nicht als Selbstverwaltungsangelegenheit zuwiesen, wurde die kommunale Planung bei historischer Betrachtung durch die Aufbaugesetze jedoch nicht in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verankert 88 • Bei historischer Auslegung würde demnach die erst durch das BBauG eingeführte Bauleitplanung schon nicht zum institutionell geschützten Normbestand gehören 89 • Gleichwohl wird die Bauleitplanung nach ganz überwiegender Auffassung als Teil der verfassungsrechtlich gewährleisteten Planungshoheit angesehen 90 ; diskutiert wird lediglich, ob Flächennutzungsplan und Bebauungsplan zum Kembereich zu zählen sind 91 • Begründet wird der verfassungsrechtliche Schutz wenn überhaupt - damit, daß die Bauleitplanung in den Bereich der Selbstverwaltungsangelegenheiten hineingewachsen sei 92 • Selbst wenn man dieser Konstruktion folgen würde, bestünde die Planungshoheit jedoch von Anfang an nur im Rahmen der Regelungen des BBauG, mit denen die Bauleitplanung den Gemeinden ursprünglich verliehen wurde 93 . Die Regelungen des BauGB könnten daher nicht anhand der verfassungsrechtlichen Widera, S. 99 ff.; Krautzberger, in: Ernst / Zinkahn / Bielenberg, Ein!. Rn. 45 ff. Widera, S. 102 f., 105; Meyer, S. 232; zweifelnd hinsichtlich des Schutzes des Aufbauplans nach dem Aufbaugesetz Schleswig-Holsteins durch Art. 28 GG aufgrund 87

88

einer historischen Betrachtung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft BVerwG, Urt. v. 20.5.1958 - 1 C 193/57 -, E 6, 342, 344 f; a.A. zur verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Bauleitplanung bei historischer Betrachtung Püttner / Schneider, S. 21. 89

So Ronellenfitsch, VerwArch. 1999,467,476 f.

BVerfG, B. v. 7.10.1980 - 2 BvR 584/76 u.a. -, E 56, 298, 312 f.; BVerfG, B. v. 23.6.87 - 2 BvR 826/83 -, E 76,107, 118 f; BVerfG, (2. Kammer), B. v. 7.1.19992 BvR 929/97 -, BayVB!. 1999,243,244; Widera, S. 83 fT.; Finkelnburg/Ortloff, Bd. I, S. 26 f; Battis, in: Battis / Krautzberger / Löhr, § 2 Rn. 4 f.; Schrödter, § I Rn. 15 ff.; Schlichter, in: Schlichter/Stich, Einf Rn. 81 f.; Ernst / Hoppe, Rn. 167; Steinberg, JuS 1982, 578, 579; Erbguth/Schoeneberg, Rn. 26; Erbguth/Wagner, Rn. 11; Koch/ Hendler, S. 131; Grote/els, in: Hoppe/Grote/els, § 2 Rn. 29 m.w.N; WoljJ/Bachoj/ Stober, VerwR 11, § 86 Rn. 55 ff. 91 Vg!. zum Streitstand den nach wie vor aktuellen Überblick bei Giegerich, JA 1988, 367,369 ff m.w.N.; offen gelassen wurde die Kembereichszugehörigkeit in BVerfG, B. v. 7.10.1980 - 2 BvR 584/76 u.a. -, E 56, 298, 312 f; BVerfG, B. v. 23.6.1987 - 2 BvR 826/83 -, E 76, 107, 118 f.; nach BVerfG, B. v. 23.11.1988 - 2 BvR 1619, 1628/ 83 -, E 79, 127, besitzt Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG dagegen neben dem Universalitätsprinzip 90

keinen gegenständlichen Aufgabenkern.

92 So Giegerich, JA 1988, 367, 369; Blümel, FS flir v. Unruh, S. 265, 274 ff; zu den sog. "Wanderungsprozessen" im Bereich der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft allgemein Stern, in: Dolzer/Vogel, BK, Art. 28 Rn. 87; Gern, Rn. 59. 93 Ronellenfitsch, Zum Rechtsschutz gegen die fturbereinigungsrechtliche PIanfeststellung, VerwArch. 1987,323,341; Ronellenfitsch, VerwArch. 1999,467,477.

C. Verfassungsrechtliche Gewährleistung der kommunalen Planungshoheit

89

Gewährleistung der kommunalen Planungshoheit ausgelegt werden; insbesondere könnten auch die Vorrangregelungen zugunsten der Fachplanungen, mit denen die gemeindlichen Planungsbefugnisse schon immer belastet waren94 , nicht als Eingriffe in die Planungshoheit angesehen werden. Freilich ist auch die Interpretation des BauGB anhand der kommunalen Planungshoheit im Schrifttum95 sowie in der Rspr. der BVerwG96 gängige Praxis. Angesichts dieses Widerspruchs ist die Auslegung des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als institutionelle Garantie zu überdenken.

11. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung 1. Grundlagen Über den Sinn und Zweck der verfassungsrechtlichen Verankerung der kommunalen Selbstverwaltung im Grundgesetz sowie darüber, daß die Selbstverwaltungsgarantie kein Grundrecht ist, besteht weitgehende Übereinstimmung: a) Die Funktion der kommunalen Selbstverwaltung im Staatsaufbau

Durch die Garantie der gemeindlichen Selbstverwaltung im Grundgesetz sollte die Entwicklung während der nationalsozialistischen Diktatur rückgängig gemacht werden, die mit § lAbs. 2 S. 3 der Deutschen Gemeindeordnung vom 30.01.1935 97 die Gemeinden faktisch als unterste Ebene in eine zentralistische Verwaltung eingegliedert hatte. Als Reaktion auf diese Tendenzen enthält Art. 28 GG die bewußte Entscheidung für eine dezentrale Selbstverwaltung unter 94 Vgl. die §§ 7, 38 BBauG 1960; bereits gegenüber der Fluchtlinienplanung als Vorläufer der Bauleitplanung wurde der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung der Vorrang zuerkannt, vgl. Blümel, Die Bauplanfeststellung, S. 93 f., 118 mit Fn. 41; auch gegenüber den Aufbau- und Durchführungsplänen nach den Aufbaugesetzen der Länder hatte die eisenbahnrechtliche Planfeststellung Vorrang, s. dazu Radecke / Rehling, in: Haustein, S. 339 m.w.N. in Fn. 9; vgl. auch Blümel., Recht der Bauleitplanung, S. 27. 95 Deutlich z.B. Hoppe, FS für v. Unruh, S. 555, 580; Grote/els, in: Hoppe / Grote/els, § 2 Rn. 31; Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 2 Rn. 5; Giegerich, JA 1988,367, 370 ff. 96 Seit BVerwG, Urt. v. 14.2.1969 - 4 C 82/66 -, DVBI. 1969,362,363; vgl. z.B. BVerwG, Urt. v. 14.2.1969 - 4 C 215.65 -, E 31, 263, 265 f.; Urt. v. 8.9.1972 - 4 C 17/71 -, E 40, 323, 329 f.; Urt. v. 15.12.1989 - 4 C 36.86 -, E 84, 209, 214 f. (zu § 2 Abs. 2 BauGB); B. v. 20.8.1992 - 4 NB 20.91 -, E 90, 329, 335 f. (zu § 1 Abs. 4 BauGB). 97 RGBI. S. 49, § lAbs. 2: "Die Gemeinden sind öffentliche Gebietskörperschaften. Sie verwalten sich unter eigener Verantwortung. Ihr Wirken muß im Einklang mit den Gesetzen und den Zielen der StaatsjUhrung stehen" (Herv. v. Verf.).

2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und konununale Planungshoheit

90

Inkaufnahme gewisser Einbußen bei der Verwaltungseffizienz98 • Zugleich dient die Selbstverwaltung auf örtlicher Ebene mit eigener demokratischer Legitimation der Verteilung staatlicher Aufgaben auf verschiedene Verwaltungsträger im Sinne der sog. vertikalen Gewaltenteilung99 • Unbestritten von zentraler Bedeutung ist schließlich die demokratische Funktion der gemeindlichen Selbstverwaltung: Während auf Bundesebene unmittelbar demokratische Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger im GG nicht vorgesehen sind, soll auf örtlicher Ebene eine wirksame Teilnahme der Bürger durch die Einrichtung der Selbstverwaltung ennöglicht werden 'oo . Die besondere Verbindung der Selbstverwaltungsgarantie zum Demokratieprinzip kommt auch in Art. 28 Abs. I S. 2 GG zum Ausdruck 'o, . Indem Art. 28 Abs. I S. 2 GG eine gewählte Vertretung der Bürger in den Gemeinden vorschreibt und rur die Wahl die Geltung der allgemeinen Wahlrechtsgrundsätze anordnet, wird die Einheitlichkeit der demokratischen Legitimationsgrundlage in der "gegliederten Demokratie" sichergestellt ,02 . b) Ausschluß eines grund rechtlichen Gehalts

Bereits aus der Sonderregelung der kommunalen Verfassungsbeschwerde in Art. 93 Abs. I Nr. 4b GG und § 90 BVerfGG ist im Umkehrschluß zu folgern, daß Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG kein Grundrecht der Gemeinden enthält. Denn andernfalls wäre die eigenständige Regelung der Kommunalverfassungsbeschwerde durch eine spezielle Vorschrift neben der allgemeinen Verfassungsbeschwerde gern. Art. 93 Nr. 4a GG überflüssig gewesen l03 • Bestätigt wird dieser Befund durch die systematische Stellung der Selbstverwaltungsgarantie im Organisationsteil des Grundgesetzes, die Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG von Art. 127 WRV, der im Grundrechtsteil enthalten war, unterscheidet. Hintergrund der veränderten Einschätzung ist der im demokratischen Staatswesen fehlende Gegensatz zwischen Staatsverwaltung und Selbstverwaltung. Die im 19. Jahrhundert entwickelte grundrechtliche Sicht der gemeindlichen Selbst9R

BVerfG, B. v. 23.11.1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 -, E 79, 127, 148 f.

Maurer, DVBI. 1995, 1037, 1040. 100 BVerfG, B. v. 23.11.1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 -, E 79, 127, 149 f., 143; Schmidt-Aßmann, FS für Sendler, S. 123 f.; instruktiv zu den im Verhältnis zum Staatswesen größeren Mitbestimmungsmöglichkeiten des Bürgers in der Gemeinde v. Arnim, AöR 113 (1988), I, 15 tf. 101 Brohm, DÖV 1989,429,430 m.w.N. 99

102 BVerfG, Urt. v. 31.10.1990 - 2 BvF 2, 6/89 -, E 83, 37, 53 ff.; zur Verbindung von Art. 28 Abs. 2 S. I und Art. 28 Abs. I S. 2 GG ausflihrIich v. Arnim, AöR 113 (1988), I, 7 ff. 103 Maunz, in: Maunz / Dürig, Art. 28 Rn. 56.

c. Verfassungsrechtliche Gewährleistung der konununalen Planungshoheit

91

verwaltung basiert auf der dualistischen Sicht von Staat und Gesellschaft, d.h. der Gegenüberstellung der monarchischen Staatsgewalt und der bürgerlichen Gesellschaft, der eine wirksame Beteiligung an der Staatsregierung versagt blieb. Unter diesen Bedingungen wurde die Selbstverwaltung, obwohl sie insbesondere in Preußen in der Städteordnung v.Steins an sich mit der Zielsetzung der Integration des Bürgertums in den monarchischen Staat durch Beteiligung an der Verwaltung auf Ortsebene gestärkt worden war U14 , als Ersatz für die versagte effektive parlamentarische Mitwirkung an der Staatsregierung betrachtet '05 und gegen den Staat als Instrument zur Durchsetzung gesellschaftlicher Freiheit benutzt '06 . Die Gemeinde wurde deshalb als vom Staat unabhängige, gewachsene Gemeinschaft der Bürger mit eigenen Freiheitsrechten betrachtet '07 und dem gesellschaftlichen Bereich zugeordnet lO8 • Auf dieser Sichtweise beruhte auch noch die Aufnahme des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden durch Art. 127 WRV in den Grundrechtsteil der Weimarer Reichsverfassung. Das grundrechtliehe Verständnis der kommunalen Selbstverwaltung war aber bereits in der Weimarer Republik überholt, da die ihr zugrundeliegende Frontstellung von Staat und Gesellschaft mit der demokratischen Legitimation der Staatsgewalt entfallen war lO9 • Schon Hugo Preuß hatte dies im Grundsatz erkannt und in seinem ursprünglichen Entwurf der Reichsverfassung die Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung im Organisationsteil geregelt llo. Während sich die Erkenntnis, daß die kommunale Selbstverwaltung in einem demokratischen Staat nicht grundrechtlich geschützt sein kann, bei der Beratung der Weimarer Reichsverfassung noch nicht durchgesetzt hatte, wurde der veränderten Situation durch die systematische Stellung des Art. 28 Abs. 2 S. I GG im Organisationsteil des Grundgesetzes Rechnung getragen ill • Die Gemeinden sind in der parlamentarischen Demokratie des Grundgesetzes in den Staatsaufbau eingegliedert; sie sind der vollziehenden Gewalt zuzurechnen und üben bei ihrer Selbstverwaltungstätigkeit Staatsgewalt aus 112. 104 v. Unruh, in: Püttner, HKWP, Bd. I, S. 62 f.; Waechter, Konununalrecht, Rn. 51; dazu auch BVerfG, B. v. 12.7.1960 - 2 BvR 373, 442/60 -, E 11,266,274.

lOS Hofmann, in: Püttner, HKWP, Bd. I, S. 73; v. Unruh, in: Püttner, HKWP, Bd. I, S.63.

Waechter, Konununalrecht, Rn. 51; v. Unruh, in: Püttner, HKWP, Bd. I, S. 63 f. 107 Schmidt-Jortzig, Konununalrecht, Rn. 509; v. Unruh, in: Püttner, HKWP, Bd. I, S. 63 f. 10M Vgl. BVerfG, Urt. v. 31.10.1990 - 2 BvF 2, 6/89 -, E 83, 37, 53 f. IM

109 Köttgen, S. 14 f.; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 509; Stern, in: Dolzerl Vogel, BK, Art. 28 Rn. 70. 110 § 12 des ersten Verfassungsentwurfs von Hugo Preuß vom 3.1.1919, abgedruckt bei Triepel, S. 7 i.Y.m. S. 11. 111 Bethge, FS für v. Unruh, S. 149, 158; Losehelder, Kommunale Selbstverwaitungsgarantie und gemeindliche Gebietsgestaltung, S. 93.

92

2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

2. Die herrschende Auslegung des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG a) Institutionelle Garantie

Nach h.M. enthält Art. 28 Abs. 2 GG eine sog. institutionelle Garantie 113. Begrifflich bildet die institutionelle Garantie einen Unterfall der sog. Einrichtungsgarantien und bezeichnet die Verbürgung einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung, während die Gewährleistungen privatrechtlicher Einrichtungen als Institutsgarantien bezeichnet werden 114. Zugunsten der Interpretation des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als institutionelle Garantie wird auf den Wortlaut verwiesen. Die Formulierung "muß ... gewährleistet sein" soll auf eine Verstärkung des Schutzes der Verfassungsnorm hindeuten ll5 • Primär stützt sich die h.M. jedoch auf eine historische Auslegung; das BVerfG hat dazu ausgeführt, daß sich Art. 28 Abs. 2. S. 1 GG zwar wegen der Umschreibung des Begriffs der Selbstverwaltung von Art. 127 WRV unterscheide, daß die Entstehungsgeschichte aber nicht ergebe, "daß der Grundgesetzgeber im übrigen hinter der Auslegung, die Art. 127 WRV gegen Ende der Weimarer Republik gefunden hatte, zurückbleiben oder darüber hinausgehen wollte,,116.

Zu Art. 127 WRV hatte sich gerade die Auffassung durchgesetzt, daß die Selbstverwaltung institutionell garantiert werde ll7 . Die Lehre von den institutionellen Garantien und die entsprechende Auslegung des Art. 127 WRV ist dabei maßgeblich von earl Schmitt" 8 begründet worden. Sie beruht zunächst auf der Erkenntnis, daß Art. 127 WRV trotz der systematischen Stellung im Grundrechtsteil der WRV kein Grundrecht enthält, sondern lediglich eine innerhalb des 112 BVerfG, Urt. v. 31.10.1990 - 2 BvF 2, 6/89 -, E 83, 37, 54; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 4 m.w.N. 113 BVerfG, Urt. v. 1.3.1952 - 1 BvR 267/51 -, E 1, 167, 174 f.; Maunz, in: Maunz I Dürig, Art. 28 Rn. 45; Jarass I Pieroth, Art. 28 Rn. 11; Löwer, in: v. Münch I Kunig, Art. 28 Rn. 39; Nierhaus, in: Sachs, Art. 28 Rn. 33 ff.; Stober, S. 63 ff.; Gönnenwein, S. 28 f.; WolfJI Bachofl Stober, VerwR 11, § 86 Rn. 156; Ronellenfitsch, VerwArch. 1999, 467, 475. 114 Dürig, in: Maunz I Dürig, Art. 1 Abs. 3 Rn. 97; v. Mangoldt I Klein, Bd. 1, Vorb. A VI 3a, S. 83. 115 Schmidt-Jortzig, Einrichtungsgarantien, S. 25; v. Mangoldt I Klein, Bd. I, Art. 28 Anm. IV la), S. 704.

116 BVerfG, Urt. v. 1.3.1952 - 1 BvR 267/51 -, EI, 167, 175. 117 BVerfG, Urt. v. 1.3.1952 - 1 BvR 267/51 -, E I, 167, 174 f. mit Verweis auf Anschütz, Art. 127 WRV, Anm. 1 mit Fn. 1 und den Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich, Entscheidung v. 10. /11.12.1929, RGZ 126, Anh. 3, S. 14, 22 ff. 118 Schmitt, Verfassungslehre, S. 170 ff., 173; ders., Verfassungsrechtliche Aufsätze. S. 143, 149.

C. Verfassungsrechtliche Gewährleistung der kommunalen Planungshoheit

93

Staates stehende Einrichtung gewährleistet "9 , die im Gegensatz zu einem - im Schmittschen Sinne sog. echten - Grundrecht nicht auf einer dem Staat vorgegebenen unbegrenzten Freiheitssphäre beruht l2O • Die Auslegung des Art. 127 WRV als institutionelle Garantie zog damit die Konsequenzen aus der in einem demokratischen Staatswesen gewandelten Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung '21 • Eigentlicher Anlaß für die Entwicklung der Rechtsfigur der institutionellen Garantie war aber die unzureichende Sicherung der unter Gesetzesvorbehalt stehenden Bestimmungen der WRV. Da eine materielle Sonderstellung der Verfassung von der vorherrschenden positivistischen Auffassung nicht anerkannt wurde, waren die unter Gesetzesvorbehalt stehenden Bestimmungen "leerlaufend" und letztlich überflüssig, weil sie nur das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung konkretisierten 122 • Zu den leerlaufenden Bestimmungen gehörte insbesondere auch das nur innerhalb der Schranken der Gesetze bestehende Recht der Selbstverwaltung der Gemeinden und Gemeindeverbände 123 • Schmitt nahm an, daß der Verfassungsgeber durch verfassungsgesetzliche Regelung auch einer innerhalb des Staates bestehenden Institution einen besonderen Schutz in dem Sinne zu Teil werden lassen könne, daß eine Beseitigung der Einrichtung im Wege der einfachen Gesetzgebung ausgeschlossen sei '24 • Die Annahme einer solchen institutionellen Garantie setzte voraus, daß durch eine verfassungsgesetzliche Bestimmung eine bereits bei der Verfassungsgebung real existente Institution, d.h. "etwas Gegenwärtiges, formiert und organisiert Bestehendes und Vorhandenes" l2S 119

Schmitt, Verfassungslehre, S. 171, 173.

Schmitt, Verfassungslehre S. 170 f., trennt scharf zwischen Grundrechten einerseits und innerhalb des Staates bestehenden Einrichtungen andererseits; dazu auch Seibert, S. \03 f. mit Fn. 12; Abel, S. 48 f. 121 Siehe dazu oben 2. Kapitel, C.lLl.b). 120

122 Anschütz, Vorb. zum 2. Hauptteil, S. 518; vgl. dazu Geis, JuS 1989, 91, 92 f., Kronisch, S. 80 ff. 12) Anschütz, Art. 127, S. 582. 124 Schmitt, Verfassungslehre S. 170. Die vollständige Beseitigung eines "echten" liberalen Grundrechts selbst durch den verfassungsändernden Gesetzgeber verletzt nach Schmitt dagegen ohne weiteres die Verfassung. Dies folgt nach seiner Auffassung aus der notwendigen Unterscheidung zwischen Verfassung als Grundentscheidung, für die die verfassungsgebende Versammlung zuständig ist und den Verfassungsgesetzen, die erst aufgrund der Verfassung gelten und die durch den Gesetzgeber geändert werden können, wobei der Gesetzgeber aber keine neue Grundentscheidung treffen darf (Schmitt, Verfassungslehre S. 26). Infolge der Grundentscheidung der Weimarer Reichsverfassung für den bürgerlichen Rechtsstaat, die die liberalen Grundrechte beinhaltete (ebd. S. 23), konnte daher ein solches Grundrecht auch durch verfassungsänderndes Gesetz nicht beseitigt werden (ebd. S. 27, 177). Für den Schutz der Grundrechte haben Einrichtungsgarantien nach der Auffassung Schmitts (Freiheitsrechte S. 169) deshalb nur eine Funktion als sog. Komplementär- und Konnexitätsgarantien. 121 Schmitt, Freiheitsrechte, S. 155.

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2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

vom Verfassungsgeber aufgenommen wurde. Als Beispiel für eine solche institutionelle Garantie stellte er das Recht der kommunalen Selbstverwaltung heraus l26 • Art. 127 WRV sicherte nach dieser Konstruktion also lediglich die Selbstverwaltung als überkommene Institution vor Abschaffung und Aushöhlung 127 . Schutz vor Eingriffen außerhalb des Kernbereichs der Einrichtung gewährte Art. 127 WRV nicht. Auch ein subjektives Recht der Gemeinden war nach Auffassung Schmitts mit Art. 127 WRV nicht verbunden 128. Die für die WRV konzipierte Rechtsfigur der institutionellen Garantie des Selbstverwaltungsrechts wurde nach h.M. mit Art. 28 Abs. 2 S. I GG ins Grundgesetz übernommen. Als institutionelle Garantie hat Art. 28 Abs. 2 S. I GG nach vorherrschender Auffassung deshalb auch im GG die Funktion, den Kernbestand der Institution vor dem Gesetzgeber zu schützen 129• Aus der theoretischen Grundkonzeption der Rechtsfigur, derzufolge eine institutionelle Garantie die Rezeption einer bereits vor der Verfassungsgebung vorhandenen, vorgefundenen Einrichtung in die Verfassung darstellt 130, ergibt sich die bereits angesprochene besondere Bedeutung des historischen Erscheinungsbildes für die Bestimmung des Inhalts der Selbstverwaltungsgarantie im GG 131. In der weiteren Entwicklung wurde der Schutz des Art. 28 Abs. 2 S. I GG von der h.M. jedoch weit über den zu Art. 127 WRV anerkannten Bestand hinaus ausgedehnt: So soll Art. 28 Abs. 2 S. I GG nicht mehr nur den Kernbereich der Selbstverwaltung als Institution gewährleisten, sondern auch den sog. Randbereich der Selbstverwaltungsgarantie schützen. Weiterhin enthält Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG nach h.M. neben der objektiven Rechtsinstitutionsgarantie i.S.d. Gewährleistung der Einrichtung der Selbstverwaltung und der sog. Rechtssubjektsgarantie, die die Existenz kommunaler Körperschaften sichert, auch eine sog. subjektive Rechtsstellungsgarantie, die die einzelne Gemeinde zur Abwehr von Eingriffen in die institutionelle Rechtssubjektsgarantie und die objektive

126 Schmitt, Freiheitsrechte, S. 143 f.; ders., Verfassungslehre, S. 171; vgl. v. Mangoldt / Klein, Bd. I, Vorb. A. VI 3c, S. 85 - Art. 28 als institutionelle Garantie eines gesellschaftlichen Sachverhalts i. Y.m. Rechtseinrichtungen. 127 StGH, Entscheidung v. 10./11.12.1929, RGZ 126, Anh. 3., S. 22. 128 Schmitt, Verfassungslehre, S. 173; vgl. v. Mangoldt / Klein, Bd. I, Vorb. A VI 3a), S.83. 129 Schmidt-Jortzig, Einrichtungsgarantien, S. 62 f.; Stern, Staatsrecht III / 1, S. 861 f.; v. Mangoldt/Klein, Bd. I, Art. 28 Anm. IV 1 b), S. 706. 130 Schmitt, Freiheitsrechte, S. 149; Schmidt-Jortzig, Einrichtungsgarantien, S. 29; Abel, S. 56 f. 131 BVerfG, Urt. v. 1.3.1952 - 1 BvR 267/51 -, E 1, 167, 178; B. v. 29.4.1958 - 2 BvL 25/56 -, E 7, 358, 364; Urt. v. 18.7.1967 - 2 BvF 3/62 u.a. -, E 22, 180,205; Löwer, in: v. Münch/Kunig, Art. 28 Rn. 45; Schmidt-Jortzig, Einrichtungsgarantien, S. 42 ff.; kritisch zur historischen Betrachtungsweise Stober, S. 68 ff.

C. Verfassungsrechtliche Gewährleistung der kommunalen Planungshoheit

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Rechtsinstitutionsgarantie berechtigt 132 ; ihre Schutzwirkung entfaltet die Selbstverwaltungsgarantie dabei gegenüber allen Trägern öffentlicher Gewalt, insbesondere auch gegenüber dem Bund 133. Im einzelnen gilt nach der neueren Rspr. des BVerfG zu Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG folgendes: b) Schutzbereich

aa) Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft Funktion des Begriffs der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft ist es nach der Rspr. des BVerfG, den Zuständigkeitsbereich der Gemeinden positiv festzulegen und zugleich negativ vom Zuständigkeitsbereich der allgemeinen Politik abzugrenzen '34 • Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sind deshalb nach Auffassung des BVerfG "diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben ... , die also den Gemeindebewohnem gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der (politischen) Gemeinde betreffen; auf die Verwaltungskraft der Gemeinde kommt es hierfür nicht an. Es liegt auf der Hand, daß diese Angelegenheiten keinen ein für allemal feststehenden Aufgabenkreis bilden; ebenso ist deutlich, daß dieser auch nicht für alle Gemeinden unerachtet etwa ihrer Einwohnerzahl, flächenmäßigen Ausdehnung und Struktur gleich sein kann"l3S.

Das BVerfG geht damit von einem gegenständlich bestimmten bzw. bestimmbaren Aufgabenbereich der Gemeinden aus, der durch den Begriff der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG selbst niedergelegt ist. Wegen der Definition der Selbstverwaltungsangelegenheiten unmittelbar im Grundgesetz ist der Gesetzgeber nicht befugt, eine Aufgabe mit konstitutiver Wirkung zur Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft zu erklären l36 • Bestätigt wird dies durch einen Vergleich mit Art. 28 Abs. 2. S. 2 GG, der den Gemeindeverbänden das Recht der Selbstverwaltung nur im Rahmen ihres "gesetzlichen Aufgabenbereichs" zubilligt. Mangels einer gegenständlichen Umschreibung des Aufgabengebietes erfolgt die Aufgabenzuweisung für die Gemeindeverbände konstitutiv durch Gesetz 137 • 132 Stern, in: Dolzer / Vogel, BK, Art. 28 Rn. 66, 174 ff.; Stern, Staatsrecht I, S. 409; Bethge, FS für v. Unruh, S. 149, 164. 133 BVerfG, B. v. 7.10.1980 - 2 BvR 584176 u.a. -, E 56, 298, 313 f. 134 BVerfG, B. v. 23.11.1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 -, E 79, 127, 151, 147; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 14.12.1990 - 7 C 37/89 -, E 87, 228, 231; Nierhaus, in: Sachs, Art. 28 Rn. 40. l3S BVerfG, B. v. 23.11.1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 -, E 79,127,151 f.; Urt. v. 27.5.1992 - 2 BvF I, 2/88 u.a. -, E 86, 148, 220 f. (zum Finanzausgleich). 136 So schon Karte, VerwArch. 1970,3,29 ff.; Schultze, S. 59 f.

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2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

Angesichts der verfassungsunmittelbaren Definition der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft beschränkt sich der Schutz des Art. 28 Abs. 2 S. I GG auch nicht lediglich auf einen historisch vorhandenen Aufgabenbestand im Sinne eines Status quo 138 • Das historische Erscheinungsbild der Selbstverwaltung ist nach der neueren Rspr. des BVerfG al1ein tUr die Bestimmung des Kernbereichs der Selbstverwaltungsgarantie entscheidend\39; im übrigen betont das BVerfG gerade, daß der Verfassungsgeber die "Institution gemeindliche Selbstverwaltung nicht nur in ihrer überkommenen Gestalt aufgegriffen, sondern mit eigenen Aufgaben in den Aufbau des politischen Gemeinwesens" eingetUgt habe. Ob eine Selbstverwaltungsangelegenheit vorliegt oder nicht, ist nach der neueren Rspr. des BVerfG also nicht anhand einer historischen Betrachtung gemeindlicher Kompetenzen, sondern durch Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" zu ennitteln. Die Leistungsfahigkeit der Gemeinden spielt dabei nach der Rspr. des BVerfG keine Rol1e mehr l40 • Nach der Definition des BVerfG kann sich die Eigenschaft einer Aufgabe als Selbstverwaltungsangelegenheit vielmehr einerseits aus der Verwurzelung der Aufgabe, andererseits aber auch aus dem spezifischen Bezug zur örtlichen Gemeinschaft ergeben. Mit anderen Worten kann zur Qualifizierung einer Aufgabe als örtlich sowohl auf den Entstehungsort der Aufgabe als auch auf den Ort ihrer Auswirkungen abgestel1t werden l41 • Es muß freilich bezweifelt werden, ob die Auswirkungen auf die örtliche Gemeinschaft ein taugliches Kriterium tUr die Aufgabenqualifikation abgeben, da es kaum eine Aufgabe gibt, die nicht zumindest auch Auswirkungen auf die örtliche Gemeinschaft hat. Deutlich wird dies insbesondere am Beispiel der überörtlichen bodenbezogenen Planung. Aufgrund der notwendigen Inanspruchnahme von Gemeindegebiet l42 zeitigt die überörtliche Planung zwingend zugleich örtliche Auswirkungen. Auswirkungen auf die örtliche Gemeinschaft dürften deshalb allenfalls dazu geeignet sein ein - von einer Erledigungsbefugnis zu unterscheidendes - Befassungsrecht der Gemeinde mit einer Angelegenheit zu begründen. In diesem Sinne besteht nach der Rspr. des BVerwG ein Befassungsrecht der Gemeinden, soweit diese durch die staatliche AufgabenIJ7 BVerfG, B. v. 23.11.1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 -, E 79, 127, ISO; BVerfG, B. v. 7.2.1991 - 2 BvL 24/84 -, E 83, 363, 383.

13ft

A.A. wohl Ossenbühl, Rechtliche Aspekte, DÖV 1992, 1,9.

I}q BVerfG, B. v. 7.2.1991-2 BvL 24/84-, E 83, 363, 381; BVerfG, B. v. 23.11. 1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 -, E 79, 127, 147, ISS. 140 Zustimmend zur Aufgabe diesees Kriteriums Schmidt-Jortzig, Gemeinde- und Kreisaufgaben, DÖV 1993,973,974; a.A. v. Unruh, NVwZ 1991,1062; kritisch auch Schink, VerwArch. 1990,385,404 f.; Gern, Rn. 61. 141 C1emens, NVwZ 1990,834.840 f. m.w.N. in Fn. 98. 142 Siehe oben 2. Kapitel. A.

C. Verfassungsrechtliche Gewährleistung der kommunalen Planungshoheit

97

wahrnehmung in ihrem Selbstverwaltungsrecht betroffen werden. Das Befassungsrecht ist im Bereich staatlicher Aufgaben auf eine Stellungnahme aus spezifisch ortsbezogener Sicht beschränke 43 • bb) Eigenverantwortliche Regelung

Das Recht zur eigenverantwortlichen Regelung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft bedeutet nach der Umschreibung des BVerfG die "Befugnis zur eigenverantwortlichen Führung der Geschäfte,,'44. Als Regelung i.S.d. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG kommt jede nicht ausdrücklich gesetzlich untersagte Art der Aufgabenerledigung in Betracht; eine Beschränkung auf bestimmte Handlungsformen besteht nicht '45 • Im Rahmen der Eigenverantwortlichkeit differenziert das BVerfG weitergehend zwischen der sog. organisatorischen und der inhaltlichen Autonomie: Unter organisatorischer Autonomie versteht das BVerfG das Recht zur Organisation der Gemeindeverwaltung, insbesondere der Abläufe und Entscheidungszuständigkeiten. Dieses Recht ist nicht nur rur die Selbstverwaltungsangelegenheiten, sondern auch rur Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises, d.h. rur die den Gemeinden zur Erledigung anvertrauten, nicht örtlichen Aufgaben, gewährleistet '46 . Als inhaltliche Autonomie wird die Freiheit hinsichtlich der Art und Weise der Aufgabenerledigung nach Maßgabe der Gesetze bezeichnet; sie ist auf die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft beschränkt '47 • Eigenverantwortlichkeit i.S.d. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG bedeutet beispielsweise die Beschränkung der staatlichen Aufsicht im Bereich der Selbstverwaltungsangelegenheiten auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle '48 .

143 BVerwG, Urt. v. 14.12;I990 -7 C 37/89 -, E 87, 228, 230 f. ("Atomwaffenfreie Zone"); Gern, Rn. 65. 144 BVerfG, B. v. 7.2.1991 - 2 BvL 24/84 -, E 83, 363, 382; B. v. 23.11.1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 -, E 79, 127, 143. 145

Nierhaus, in: Sachs, Art. 28 Rn. 45 m.w.N; Löwer, in: v. Münch! Kunig, Art. 28

Rn. 82.

146 BVerfG, B. v. 7.2.1991 - 2 BvL 24/84 -, E 83,363,382 m.w.N.; BVerfG (2. Kammer), B. v. 7.1.1999 - 2 BvR 929/97 -, BayVBI. 1999, 243; zustimmend Waechter, Kommunalrecht, Rn. 92b.

147 BVerfG, B. v. 7.2.1991 - 2 BvL 24/84 -, E 83, 363, 382 mit Verweis auf BVerfG, Urt. v. 21.6.1988 - 2 BvR 602, 974/83 -, E 78, 331, 340 ff.; BVerfG (2. Kammer), B. v. 7.1.1999 - 2 BvR 929/97 -, BayVBI. 1999,243. 14~ Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 480.

7 Buchncr

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2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

Die inhaltliche Autonomie der Gemeinden ist für die Verwirklichung der demokratischen Funktion der Selbstverwaltung im Sinne einer aktiven Mitwirkung der Bürger an der Verwaltung von entscheidender Bedeutung. Eine demokratisch gewählte Volksvertretung in den Gemeinden i.S.d. Art. 28 Abs. I GG ist nämlich nur sinnvoll, wenn den Gemeinden auch ein ausreichendes Maß an Selbständigkeit verbleibt l49 . Eine echte demokratische Mitwirkung der Bürger an der Verwaltung auf örtlicher Ebene setzt deshalb voraus, daß Gestaltungsmöglichkeiten bestehenlso. Das BVerfG hat dementsprechend in seiner Entscheidung zur Krankenhausfinanzierungsumlage ausdrücklich ausgeführt, daß ein substantieller Spielraum zu eigenverantwortlicher Gestaltung bei der Art und Weise der Aufgabenerfüllung Voraussetzung dafür sei, daß überhaupt von einer Selbstverwaltungsaufgabe gesprochen werden könne lsl . Die inhaltliche Autonomie ist damit das zentrale Merkmal der Selbstverwaltung schlechthin l52 . c) Gesetzesvorbehalt

Das Recht zur Selbstverwaltung ist den Gemeinden nur "im Rahmen der Gesetze" gewährleistet. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG enthält mit dieser Formulierung einen Gesetzesvorbehalt ls3 , der sich sowohl auf die Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenerfüllung als auch auf den Aufgabenbereich bezieht ls4 . "Gesetze" i.S.d. Art. 28 Abs. 2 S. I GG sind nach der Rspr. des BVerfG auch untergesetzliche Rechtsnormen, die auf einer hinreichenden gesetzlichen Ermächtigung beruhen. Als Rechtsnorm i. S. des Art. 28 Abs. 2 S. I GG hat das BVerfG selbst ein durch Beschluß eines Landesministeriums festgestelltes und im Ministerialblatt veröffentlichtes Raumordnungsprogramrn betrachtetiss. Durch die Formulierung "im Rahmen der Gesetze" werden also wohl auch aufgrund eines Gesetzes erfolgende Eingriffe der Exekutive gedeckt ls6 .

149 W. Weber, S. 39. ISO

Korte, VerwArch. 1970,3, 149 m.w.N.

ISI

BVerfG, B. v. 7.2.1991 - 2 BvL 24/84 -, E 83, 363, 387.

IS2

Vgl. Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 481; Maurer, OVBI. 1995, 1037, 1043.

1S3 BVerfG, B. v. 23.11.1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 -, E 79, 127, 143; Jarass/ Pieroth, Art. 28 Rn. 20; Nierhaus, in: Sachs, Art. 28 Rn. 46; Clemens, NVwZ 1990, 834, 836; Petz, OÖV 1991,320,321. 154 BVerfG, B. v. 23.11.1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 -, E 79, 127, 146; Nierhaus, in: Sachs, Art. 28 Rn. 46; a.A. Waechter, Die Verwaltung 1996,65 f. m.w.N. ISS BVerfG, B. v. 23.6.1987 - 2 BvR 826/83 -, E 76,107,114, 117; dazu Blümel, Rechtsschutz, VerwArch. 1993, 123, 130 f. IS6 Gönnenwein, S. 31, mit treffendem Hinweis auf die Ausgestaltung der Staatsaufsicht; Reißig, S. 51 f.

C. Verfassungsrechtliche Gewährleistung der kommunalen Planungshoheit

99

d) Schranken der gesetzlichen Eingriffe

Das BVerfG unterscheidet in seiner Rspr. hinsichtlich der aus Art. 28 Abs. 2 S. I GG abzuleitenden Schranken zwischen Eingriffen durch allgemeine gesetzliche Regelungen und hoheitlichem Handeln, das lediglich einzelne Gemeinden betrifft: aa) Generelle gesetzliche Regelungen In seiner sog. Rastede-Entscheidung, bei der ebenso wie in der Entscheidung zur Krankenhausfinanzierungsumlage generell-abstrakte Regelungen zur Überprüfung standen, hat das BVerfG ausgeruhrt, daß die Einrichtung gemeindlicher Selbstverwaltung der "Ausgestaltung und Formung" bedürfe. Auch bei dieser Ausgestaltung der kommunalen Selbstverwaltung durch generell-abstrakte gesetzliche Regelungen unterliegt der Gesetzgeber jedoch verfassungsrechtlichen Bindungen: aaa) Hinsichtlich der gemeindlichen Selbstverwaltungsangelegenheiten Hat eine Angelegenheit einen relevanten örtlichen Charakter, so kann der Gesetzgeber aufgrund des gesetzlichen Rahmenvorbehaltes diese den Gemeinden dennoch entziehen. Den Schwierigkeiten der Aufgabenqualifikation trägt das BVerfG dadurch Rechnung, daß es dem aufgabenverteilenden Gesetzgeber ausdrücklich im Hinblick auf die nicht rur alle Gemeinden einheitlich zu beurteilende Örtlichkeit der Angelegenheit das Recht zu typisieren zuerkennt '57 , so daß nicht auf jede einzelne Gemeinde Rücksicht genommen werden muß. Zusätzlich nimmt das BVerfG einen Einschätzungsspielraum bei der Beurteilung der örtlichen Bezüge einer Aufgabe an, der nur auf seine Vertretbarkeit hin verfassungsgerichtlicher Kontrolle unterliegt I58. Die Intensität der Kontrolle durch das BVerfG steigt dabei nach der von der Rspr. zu Grundrechtseingriffen bekannten ,je-desto"-Formel mit der Bedeutung der Aufgabe l59 • Ist die Angelegenheit trotz der Typisierungsbefugnis und der Beurteilungsermächtigung als örtlich zu qualifizieren, sind dem Gesetzgeber bei der Übertragung auf einen anderen Verwaltungsträger Grenzen gesetzt: 157 BVerfG, B. v. 23.11.1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 -, E 79, 127, 153 f.; B. v. 7.2. 1991 - 2 BvL 24/84 -, E 83, 363, 384; die Typisierungsbefugnis ermöglicht sachlich wohl weiterhin zumindest die teilweise Einbeziehung der Leistungsfahigkeit als Kriterium, siehe dazu Waechter, Kommunalrecht, Rn. 66 mit Fn. 92. 158

BVerfG, B. v. 23.11.1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 -, E 79, 127, 154; Löwer, in:

15q

BVerfG, B. v. 23.11.1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 -, E 79, 127, 154.

v. Münch / Kunig, Art. 28 Rn. 52; zu den Maßstäben der Vertretbarkeitskontrolle näher Waechter, Kommunalrecht, Rn. 68.

7"

100 2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

(1) Kernbereich

Vom einfachen Gesetzgeber darf der Wesensgehalt der Selbstverwaltungsgarantie nicht verletzt werden. Unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte und der verschiedenen Erscheinungsformen der Selbstverwaltung, die nach st.Rspr. für die Ermittlung des Kernbereichs 160 entscheidend sind 161 , kommt das BVerfG nunmehr - ohne Auseinandersetzung mit der eigenen älteren Rspr., in der es beispielsweise die Trägerschaft öffentlicher Volksschulen zum gegenständlichen Kernbereich des Selbstverwaltungsgarantie gerechnet hatte 162 ausdrücklich zu dem Ergebnis, daß zum Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie kein "gegenständlicher bestimmter oder bestimmbarer Aufgabenkatalog" gehöre; den Kernbereich bilde ausschließlich die Universalität des gemeindlichen Wirkungskreises also solche, d.h. die "Befugnis, sich aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, die nicht durch Gesetz bereits anderen Trägern öffentlicher Verwaltung übertragen sind, ohne besonderen Kompetenztitel anzunehmen"163. Nicht ausgeschlossen wird durch diese allein den gegenständlichen Aufgabenkern betreffende Aussage der Kernbereichsschutz anderer Elemente der Selbstverwaltung l64 • Dies verdeutlichen die Ausführungen des BVerfG zum Schutz der Einrichtung vor Aushöhlung: Zum Wesensgehalt gehört wegen des Aushöhlungsverbotes zusätzlich ein nicht gegenständlich bestimmter, sondern lediglich in seiner Summe quantitativ und qualitativ hinreichender Bestand an Aufgaben. Überprüft wird die Verletzung des Aushöhlungsverbotes nach der sog. Subtraktionsmethode 165 , indem der nach dem Eingriff verbleibende Bestand an It>O Die Begriffe Kembereich und Wesensgehalt wurden vom BVerfG im Rahmen des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG bisher synonym verwendet, siehe z.B. BVerfG, B. v. 23.11.1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 -, E 79, 127, 143, 146; vgl. Blümel, FS ftir v. Unruh, S. 269 mit Fn. 15. 161 BVerfG, B. v. 7.2.1991 - 2 BvL 24/84 -, E 83, 363, 381; BVerfG, B. v. 23.11. 1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 -, E 79,127,147, 155; Urt. v. 18.7.1967 - 2 BvF 3/62 u.a. -, E 22, 180, 205. 162 BVerfG, B. v. 24.6.1969 - 2 BvR 446/64 -, E 26, 228, 238 ff., 240. 163 So BVerfG, B. v. 23.11.1988 -2 BvR 1619,1628/83 -, E 79,127 (2. Leitsatz), 146 f.; in diesem Sinne auch Schmidt-Aßmann, FS fiir Sendler, S. 134 f.; v. Mutius, Die Gemeinde 1989, 193, 197; Hien, BayVBI. 1993,33,35; Petz, DÖV 1991,320,322; Clemens, NVwZ 1990,834,838; Knemeyer, Der Staat 1990,406,410; Schach, VerwArch. 1990,29 ff.; mißverständlich Frers, DYBI. 1989,449,450, der Aushöhlungsverbot und gegenständliche Aufgaben vermengt; a.A. Gern, Rn. 79 f., der von einer nur beispeilhaften Erwähnung der Allzuständigkeit als Teil des gegenständlichen Kembereichs ausgeht. IM Vgl. BVerfG, B. v. 12.5.1992 - 2 BvR 470 u.a./90 -, E 86, 90,107; dort wird ftir Bestands- und Gebietsänderungen von Gemeinden die Gemeinwohlbindung des Gesetzgebers dem Kembereich der Selbstverwaltungsgarantie zugeordnet. IM Stern, Staatsrecht I, S. 416; Gern, Rn. 80; kritisch Schmidt-Jartzig, Kommunalrecht, Rn. 519.

C. Verfassungsrechtliche Gewährleistung der kommunalen Planungshoheit

I0 I

Aufgaben daraufhin untersucht wird, ob er zu einer wirkungsvollen Betätigung der Selbstverwaltung ausreicht '66 • (2) Randbereich

Eingriffe auf gesetzlicher Grundlage wurden vom BVerfG entsprechend der Annahme einer nur institutionellen Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung zunächst bis zur Grenze des Kernbereichs ohne weitergehende materielle Bindungen des Gesetzgebers für zulässig erachtet l67 • Später wurde der Schutz der Selbstverwaltungsgarantie auch auf den Randbereich ausgedehnt und gesetzliche Regelungen am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz überprüft. In der Rastede-Entscheidung entwickelte das BVerfG dann vor dem Hintergrund des laufenden "Entörtlichungsprozesses" von Aufgaben ein sog. materielles Aujgabenverteilungsprinzip, das der Gesetzgeber außerhalb des Kernbereichs der Selbstverwaltungsgarantie beachten muß 168 • Das Aufgabenverteilungsprinzip besteht in dem vom Gesetzgeber zu beachtenden Vorrang der kommunalen Aufgabenerfüllung i.S.e. Regel-AusnahmeVerhältnisses. Im Wortlaut des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG findet dieses Prinzip dadurch eine Stütze, daß grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft von den Gemeinden zu erledigen sind '69 • Verpflichtet zur Beachtung des Aufgabenverteilungsprinzips ist der die Zuständigkeiten regelnde Gesetzgeber 170. Entgegen dem Vorrangprinzip darf der Gesetzgeber eine Aufgabe nur aus Gründen des Allgemeinwohls entziehen 171 • 166 BVerfG, B. v. 23.11.1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 -, E 79, 127, 148; 38, 258, 279; I, 167, 174 f.; wie hier dem Kernbereichsschutz zugerechnet wird das Aushöhlungsverbot von Schmidt-Aßmann, FS fur Sendler, S. 134 f.; Gern, Rn. 80; a.A. insoweit Clemens, NVwZ 1990, 834, 837, der das Aushöhlungsverbot der Bestandsgarantie zuordnet, woraus sich sachlich aber kein Unterschied ergibt.

1~7 BVerfG, Urt. v. 1.3.1952 - I BvR 267/51 -, E 1, 167, 175; B. v. 29.4.1958 - 2 BvL 25/56 - E 7, 358, 364; Urt. v. 27.4.1959 - 2 BvF 2/58 -, E 9, 268, 289 f.; Urt. v. 18.7.1967 - 2 BvF 3/62 u.a. -, E 22, 180,205; Urt. v. 10.12.1974 - 2 BvK 1/73 u.a. -, E 38, 258, 278. I~~ BVerfG, B. v. 23.11.1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 -, E 79, 127, 148-150; dieses gilt auch gegenüber den Kreisen; s.a. BVerfG (2. Kammer), B. v. 7.1.1999 - 2 BvR 929/97 -, BayVBI. 1999,243. 1~9 BVerfG, B. v. 7.2.1991 - 2 BvL 24/84 -, E 83, 363, 382; B. v. 23.11.1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 -, E 79, 127, 150. 170 Der Bundesgesetzgeber darf allerdings wegen der Gesetzgebungskompetenz der Länder fiir das Kommunalrecht auch im Bereich seiner sachlichen Gesetzgebungszuständigkeit die gemeindliche Zuständigkeit nur bei punktuellen Annexregelungen zu materiellen Regelungen anordnen, soweit dies fiir den wirksamen Vollzug der materiellen Bestimmungen des Gesetzes notwendig ist, BVerfG, B. v. 9.12.1987 - 2 BvL 16/84-, E 77, 288, 299.

102 2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

Aus der Funktion der gemeindlichen Selbstverwaltung leitet das BVerfG ab, daß die Verwaltungsvereinfachung und die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit als vom Gesetzgeber verfolgbare Gemeinwohlinteressen grundsätzlich ausscheiden, da diesbezügliche Nachteile mit einer dezentralisierten Selbstverwaltung generell verbunden und daher wegen der Gnindentscheidung zugunsten der Selbstverwaltung in Kauf zu nehmen sind. Zulässig ist ein Aufgabenentzug vor allem dann, wenn anders die ordnungsgemäße Aufgabenerfiillung gefahrdet wäre 172. Die Gemeinwohlinteressen müssen gegenüber dem Aufgabenverteilungsprinzip überwiegen 173. Auch bei dieser Abwägung hat der Gesetzgeber einen Entscheidungsspielraum, wobei die Intensität der verfassungsgerichtlichen Kontrolle mit der Bedeutung der Aufgabe wächst. Das BVerfG will hier eine Vertretbarkeitsprüfung vornehmen, die ihrer Intensität nach über eine bloße Willkürprüfung hinausgehen soll 174 • Die Entwicklung des Aufgabenverteilungsprinzips wurde im Schrifttum als - zumindest partielle - Abkehr vom Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewertet 175 • Bei dieser Bewertung der Rspr. des BVerfG wird aber nicht hinreichend berücksichtigt, daß ein Aufgabenentzug nur dann zulässig ist, wenn er zur Bewältigung der Aufgabe, die im Interesse des Allgemeinwohles liegt, erforderlich ist. Die gebotene Feststellung eines Überwiegens des Gemeininteresses stellt nichts anderes als eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne dar. Der Sache nach nimmt also das BVerfG eine Prüfung des Übermaßverbots vor l76 . Dieser Bewertung entspricht, daß das BVerfG bei Eingriffen zu Lasten einzelner Gemeinden unverändert von der Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ausgeht 177. Das BVerfG hat also lediglich bei allgemeinen Eingriffen in die kommunale Selbstverwaltung entsprechend der höheren Eingriffsintensität, 171 BVerfG, B. v. 23.11.1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 -, E 79, 127, 153; B. v. 7.2. 1991 - 2 BvL 24/84 -, E 83, 363, 382.

BVerfG, B. v. 23.11.1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 -, E 79, 127, 153. BVerfG, B. v. 23.11.1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 -, E 79, 127, 154 f 174 BVerfG, B. v. 23.11.1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 -, E 79, 127, 154 f; dazu Gern, Rn. 86. 175 Siehe oben 2. Kapitel, c.1. m Schink, VerwArch. 1990,385,401 f.; Kronisch, S. 68-70 m.w.N.; Ipsen, ZG 1994, 194,205 f., 209 ff.; Maurer, DVBI. 1995, 1037, \044 f.; vgl. auch Nierhaus, in: Sachs, Art. 28 Rn. 55 f 177 Siehe dazu näher unten 2. Kapitel, C.I1.2.d) bb); eine Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ausschließlich bei gezielten Eingriffen zu Lasten einzelner Gemeinden halten Clemens, NVwZ 1990, 834, 835; Petz, DÖV 1991, 322; Schmidt-Aßmann, FS für Sendler, S. 136; Schwertfeger, Rn. 748, und Berlit, DVBI. 1995, 293, 295 für möglich. Dem wird von Ipsen, ZG 1994, 194, 209 zu Recht entgegengehalten, daß es für die Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht darauf ankommen kann, ob eine einzelne Gemeinde gezielt oder aber alle Gemeinden gleichmäßig betroffen sind. 172

173

C. Verfassungsrechtliche Gewährleistung der kommunalen Planungshoheit

103

die derartigen Eingriffen im Vergleich zu Eingriffen zu Lasten lediglich einzelner Gemeinden zukommt, die Anforderungen des Übermaßverbots modifiziert; es gelten insofern verschärfte Maßstäbe, als bestimmte Interessen - wie die Verbesserung der Verwaltungseffizienz und die Kosteneinsparung - als den Aufgabenentzug rechtfertigende Allgemeinwohlgründe ausgeschlossen sind 178. bbb) Hinsichtlich der Eigenverantwortlichkeit Die für den Schutz des Aufgabenbereichs der Gemeinden entwickelten Maßstäbe gelten - wie das BVerfG in seiner kaum beachteten Entscheidung zur Krankenhausfinanzierungsumlage klargestellt hat - auch für Eingriffe in die inhaltliche Autonomie t79 • Eine Gleichbehandlung ist insoweit geboten, da sich Aufgabengarantie und Garantie der eigenverantwortlichen Regelung im Bereich der inhaltlichen Autonomie kaum scharf trennen lassen und wechselseitig voneinander abhängen: So beeinflußt die Beschränkung der inhaltlichen Autonomie zugleich auch den Inhalt der Aufgabe '80 • Die inhaltliche Autonomie wird man dem Kernbereich insoweit zurechnen können, als sie sich auf eine dem Aufgabenkern zugehörige Aufgabe bezieht. Mangels eines gegenständlichen Aufgabenkerns dürfte sich aber auch der Kernbereichsschutz der inhaltlichen Autonomie im Aushöhlungsverbot erschöpfen. Im Randbereich hat der Gesetzgeber für die inhaltliche Autonomie den verfassungsrechtlich gewollten Vorrang der dezentral-eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung zu beachten. Demzufolge sind Beschränkungen der Eigenverantwortlichkeit nur aus überwiegenden Gründen des öffentlichen Wohls zulässig. Auch hinsichtlich der Typisierungsbefugnis, des Beurteilungsspielraums und der verfassungsgerichtlichen Kontrolldichte gelten die oben für die Aufgabengarantie geschilderten Maßstäbe l81 • Geringere Anforderungen gelten dagegen für Eingriffe in die organisatorische Autonomie der Gemeinden, die die inhaltliche Aufgabenerledigung nur mittelbar beeinflussen 182. Zur organisatorischen Autonomie hat das BVerfG ausgeführt, daß diese bei historischer Auslegung nicht zum Wesensgehalt der Selbstverlpsen, ZG 1994, 194, 205 f., 209 tf. 179 BVerfG, B. v. 7.2.1991 - 2 BvL 24/84 -, E 83, 363, 382 f.; so zuvor schon Schmidt-Aßmann, FS für Sendler, S. 137; zweifelnd dagegen Schoch, VerwArch. 1990, 18.49. \80 Vgl. z.B. BVerfG, B. v. 7.2.1991 - 2 BvL 24/84 -, E 83, 363, 384 zur Ausgestaltung als Pflichtaufgabe; von einem "Austauschverhältnis" von Allzuständigkeit und Eigenverantwortlichkeit als Grundlage für einen identischen Schutz spricht SchmidtAßmann, FS für Send1er, S. 137. \8\ BVerfG, B. v. 7.2.1991 - 2 BvL 24/84 -, E 83, 363, 382 f. \82 BVerfG, B. v. 26.10.1994 - 2 BvR 445/91 -, E 91, 228, 240. \78

104 2. Kap.: Eisenbalurrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

waltung gehöre; unzulässig sind aber Regelungen, die "die eigenständige organisatorische Gestaltungsfahigkeit der Kommunen im Ergebnis ersticken würden"183. Regelungen im Randbereich der organisatorischen Autonomie müssen den Gemeinden nach der Rspr. des BVerfG einen hinreichenden organisatorischen Spielraum bei der Wahrnehmung der jeweiligen Aufgabe belassen '84 . bb) Schranken für individuell-konkrete Eingriffe zu Lasten einzelner Gemeinden

In mehreren Entscheidungen hatte das BVerfG über Maßnahmen zu entscheiden, die sich lediglich zu Lasten einzelner Gemeinden auswirkten '85 : In der sog. Flugplatz-Memmingen Entscheidung '86 hatte das BVerfG über die Belastung einzelner Gemeinden durch die Festsetzung eines lärmschutzbereiches nach dem Fluglärmgesetz zu entscheiden. Die sog. Wilhelmshaven-Entscheidung '87 behandelte mit der Zulässigkeit der Ausweisung erheblicher Teile des Gebiets der Stadt Wilhelmshaven als Vorrangstandort für großindustrielle Anlagen in Teil II des niedersächsischen Raumordnungsprogrammes ebenfalls einen Eingriff zu Lasten einer einzelnen Gemeinde. Wiederum einen Einzeleingriff hatte die Entscheidung zum sog. Rück-Neugliederungsgesetz im Land Niedersachsen zum Gegenstand, durch das die im Zuge der Gemeindegebietsreform vorgenommene Auflösung bzw. Neubildung bestimmter Gemeinden rückgängig gemacht werden sollte I 88. Auch die jüngste Entscheidung des BVerfG betraf mit der Legalplanung für die Ortsumgehung Stendal eine solche Fallkonstellation 189. Vom Ausgangspunkt einer nur institutionellen Gewährleistung der Selbstverwaltung her bedarf der Schutz des Selbstverwaltungsrechts der einzelnen Gemeinde einer besonderen Rechtfertigung. Denn die Selbstverwaltung als Institution, die ursprünglich allein in ihrem Kern durch die Rechtsfigur der inIR)

BVerfG, B. v. 26.10.1994 - 2 BvR 445191 -, E 91, 228,238 f.

184

BVerfG, B. v. 26.10.1994-2 BvR445191-, E 91, 228, 241.

Zur Unterscheidung zwischen allgemeinen Regelungen und Eingriffen zu Lasten einzelner Gemeinden BVerfG (2. Kammer), B. v. 7. J.l 999 - 2 BvR 929/97 -, BayVBI. 1999,243,244; Schwerdtfeger, Rn. 745, 748. ISS

186 BVerfG, B. v. 7.10.1980 - 2 BvR 584/76 u.a. -, E 56, 298 ff.; ablehnend zur Fluglärm-Entscheidung Weyreuther, DÖV 1982, 173 ff., dessen Kritik jedoch konkret an dem seiner Ansicht nach nicht gegebenen planerischen Abwägungsspielraum in § 4 FluglärmG ansetzt, die für die hier interessierende Ermittlung der verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstäbe nicht relevant ist. 187 BVerfG, B. v. 23.6.1987 - 2 BvR 826/83 -, E 76, 107 ff. IRR

BVerfG, B. v. 12.5.1992 - 2 BvR 470 u.a./90 -, E 86, 90 ff.

189

BVerfG, B. v. 17.7.1996 - 2 BvF 2/93 -, DÖV 1997, 117 ff.

C. Verfassungsrechtliche Gewährleistung der kommunalen Planungshoheit

105

stitutionellen Garantie geschützt werden sollte, kann durch Eingriffe zum Nachteil lediglich einzelner Kommunen nicht beeinträchtigt werden l90 • Aus diesem Grund entfällt nach Auffassung des BVerfG bei Eingriffen in die Planungshoheit lediglich einzelner Gemeinden der Kembereichsschutz l91 ; allerdings hat das BVerfG im Widerspruch zu dieser Aussage bei Bestands- und Gebietsänderungen sowie bei Eingriffen in das Namensrecht einzelner Gemeinden die Gemeinwohlbindung des Gesetzgebers und die Anhörungspflicht explizit dem Kernbereich des Art. 28 Abs. 2 S. I GG zugeordnet l92 • Die Erweiterung des Schutzes der institutionellen Garantie begründet das BVerfG mit der Bedeutung des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG im Verfassungsganzen, die es ausschließe, einzelne Gemeinden gegenüber ihnen auferlegten Sonderopfern schutzlos zu lassen l93 • Der Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht der einzelnen Gemeinde ist nur durch oder aufgrund eines vom zuständigen Gesetzgeber erlassenen Gesetzes zulässig; auf den Verstoß gegen Gesetzgebungskompetenzen kann sich die Gemeinde im Rahmen der Kommunalverfassungsbeschwerde berufen l94 • Als formelle Anforderung entnimmt das BVerfG Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip die Verpflichtung, die potentiell von einem Eingriff betroffenen Gemeinden vor dem Eingriff anzuhören l9s • In materieller Hinsicht mißt das BVerfG den Einzeleingriff - ohne zwischen Eingriffen in den Aufgabenbestand und Eingriffen in die Eigenverantwortlichkeit zu differenzieren - am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, den das BVerfG unmittelbar aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ableitet l96 • Weitere Kontrollrnaßstäbe bilden das Willkürverbot sowie der Gleichheitssatz. Der Gleichheitssatz gilt nach der Rspr. des BVerfG - trotz der prinzipiellen Unanwendbarkeit des Art. 3 BVerfG, B. v. 7.10.1980 - 2 BvR 584/76 u.a. -, E 56, 298, 313. BVerfG, B. v. 7.10.1980 - 2 BvR 584176 u.a. -, E 56, 298, 313; BVerfG, B. v. 23.6.1987 - 2 BvR 826/83 -, E 76, 107, 119; Löwer, in: v. Münch/Kunig, Art. 28 Rn. 49. 192 BVerfG, B. v. 27.11.1978 - 2 BvR 165175 -, E 50, 50; B. v. 12.1.1982 - 2 BvR 113/81 -, E 59, 216, 227; B. v. 12.5.1992 - 2 BvR 470 u.a. / 90 -, E 86, 90, 107. 193 So ausdrücklich BVerfG, B. v. 7.10.1980 - 2 BvR 584176 u.a. -, E 56, 298, 313; BVerfG, B. v. 23.6.1987 - 2 BvR 826/83 -, E 76, 107, 119; vgl. dazu Blümel, FS ftir v. Unruh, S. 285; ders., VerwArch. 1982,329,336. 194 BVerfG, B. v. 7.10.1980 - 2 BvR 584176 u.a. -, E 56, 298, 310. 195 BVerfG, B. v. 23.6.1987 - 2 BvR 826/83 -, E 76,107,122; BVerfG, B. v. 7.10. 1980 - 2 BvR 584/76 u.a. -, E 56, 298, 320 ff.; E 50, 195, 202 f.; BVerfG (2. Kammer), B. v. 7.1.1999 - 2 BvR 929/97 -, BayVBI. 1999,243,244. 190 BVerfG, B. v. 23.6.1987 - 2 BvR 826/83 -, E 76, 107, 119f.; BVerfG, B. v. 7.10. 1980 - 2 BvR 584176 u.a. -, E 56, 298, 313; BVerfG, B. v. 24.6.1969 - 2 BvR 446/ 64 -, E 26, 228, 241. 190 191

106 2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

Abs. I GG auf die Gemeinden als öffentlich-rechtliche Körperschaften - auch im Verhältnis der Hoheitsträger untereinander, da er als "Element des objektiven Gerechtigkeitsprinzips" unmittelbar im Rechtsstaatsprinzip verankert ist '97 . Der Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht einer einzelnen Gemeinde ist demnach nur aus Gründen des Gemeinwohls l98 , insbesondere zur Verfolgung schutzwürdiger überörtlicher Interessen l99 , zulässig. Die Beeinträchtigung der Planungshoheit der einzelnen Gemeinde muß zur Verfolgung dieser Interessen geeignet, erforderlich und angemessen sein2°O. Soweit nicht ein Einzeleingriff unmittelbar durch Gesetz vorliegt, gelten diese Anforderungen sowohl rur die die Voraussetzungen des Eingriffs in die Planungshoheit regelnde formell-gesetzliche Ermächtigungsgrundlage als auch rur den Eingriff selbst. Das die Voraussetzungen des Eingriffs festlegende Gesetz muß insbesondere Raum rur eine Abwägung zwischen den überörtlichen Interessen und der gemeindlichen Selbstverwaltung im Einzelfall lassen 2o, . Für Einzeleingriffe in Art. 28 Abs. 2 S. I GG mit planerisehern Einschlag erkennt das BVerfG eine gerichtlich nur eingeschränkt überprütbare planerische Gestaltungsfreiheit an, wobei sich der planerische Einschlag einer Entscheidung nach der neueren Rspr. des BVerfG aus dem finalen Charakter der Regelung eines komplexen Sachverhalts ergibt202 • Da das Gericht nicht seine eigene Abwägung an die Stelle derjenigen des Plangebers setzen darf, überprüft es den im Interesse schutzwürdiger überörtlicher Interessen erfolgenden planerischen Einzeleingriff nur daraufhin, ob der Sachverhalt vollständig ermittelt wurde, ob sämtliche Belange und Interessen in die vorzunehmende Abwägung eingestellt wurden und ob notwendige Einschätzungen evident fehlerhaft oder verfassungswidrig waren. Das Abwägungsergebnis als solches wird daraufhin untersucht, ob das Willkürverbot und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet wurden203 • Mit diesem Prüfungsprogramm hat das BVerfG ersichtlich die vom BVerwG allgemein fiir die Kontrolle von Planungsentscheidungen entwickelten Maßstäbe, 197 BVerfD, B. v. 24.6.1969 - 2 BvR 446/64 -, E 26, 228, 244; BVerfD, B. v. 7.10. 1980 - 2 BvR 584176 u.a. -, E 56,298,313, und auch BVerfD, B. v. 7.2.1991 - 2 BvL 24/84 -, E 83, 363, 393; BVerfD, B. v. 23.6.1987 - 2 BvR 826/83 -, E 76, 107, 119. 198 BVerfD, B. v. 12.5.1992 - 2 BvR 470 u.a./90 -, E 86, 90. 199 BVerfD, B. v. 23.6.1987 - 2 BvR 826/83 -, E 76, 107, 120. 200 BVerfD, B. v. 17.7.1996 - 2 BvF 2/93 -, DÖV 1997, 117, 120. 201 BVerfD, B. v. 7.10.1980 - 2 BvR 584176 u.a. -, E 56, 298, 314 ff.; B. v. 23.6. 1987 - 2 BvR 826/83 -, E 76, 107, 120; BVerfD (I. Kammer des Zweiten Senats), NVwZ 1996, 261. 202 BVerfD, B. v. 12.5.1992 - 2 BvR 470 u.a./90 -, E 86, 90, 108. 203 BVerfD, B. v. 17.7.1996 - 2 BvF 2/93 -, DÖV 1997, 117, 120; B. v. 12.5.1992 - 2 BvR 470 u.a./90 -, E 86, 90, 108; B. v. 23.6.1987 - 2 BvR 826/83 -, E 76, 107, 121 f.; B. v. 7.10.1980 - 2 BvR 584176 u.a. -, E 56, 298, 319 ff.; E 50,195,202.

c.

Verfassungsrechtliche Gewährleistung der kommunalen Planungshoheit

107

die oben im Rahmen des Überblicks über die eisenbahnrechtliche PIanfeststellung dargestellt wurden204 , übernommen.

3. Die Kritik an der Auslegung des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als institutionelle Garantie Die dogmatische Einordnung des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden als institutionelle Garantie wird in der Literatur zunehmend kritisierro5 • Angegriffen wird sowohl die Auslegung speziell des Art. 28 Abs. 2 S. I GG als Einrichtungsgarantie als auch die Rechtsfigur der institutionellen Garantie als solche: Speziell gegen die Auslegung des Art. 28 Abs. 2 S. I GG als institutionelle Garantie spreche schon die verfassungsunmittelbare Definition der Selbstverwaltung der Gemeinden, die dieser im Gegensatz zu Art. 127 WRV aufzuweisen habe. Der Verfassungsgeber habe mithin nicht lediglich auf die vorhandene Institution der Selbstverwaltung begrifflich Bezug genommen und damit einen vorhandenen Normenkomplex rezipiert, sondern die kommunale Selbstverwaltung selbst mit ihren wesentlichen Merkmalen inhaltlich geregelt206 • Für eine Bestimmung des Inhalts des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts anhand außerhalb der Verfassung liegender Kriterien, wie sie für institutionelle Garantien typisch sei, bleibe demzufolge kein Raum 207 • Auch die von der h.M. zur Rechtfertigung des institutionellen Verständnisses der Norm herangezogene Formulierung "muß ... gewährleistet sein" vermöge die Auslegung als institutionelle Garantie nicht zu tragen. Nach der Entstehungsgeschichte sollte nämlich mit dieser Formulierung lediglich zum Ausdruck gebracht werden, daß wegen der Zuständigkeit des Landesgesetzgebers für die Regelung des Kommunalrechts nur Grundsätze fur die Landesverfassungen aufgestellt werden konnten 208 • Der Rechtsfigur der institutionellen Garantie als solcher wird schließlich die Daseinsberechtigung mit der Erwägung abgesprochen, daß sie ihre Funktion verloren habe. Der mit der Auslegung als institutionelle Garantie ursprünglich bezweckte Schutz der kommunalen Selbstverwaltung vor Abschaffung und 204

Siehe oben I. Kapitel, 0.11.2.

20S Seibert, S. 168 ff; Richter, S. 77 ff.; Knemeyer, FS für v. Unruh, S. 209 ff.; Schink, VerwArch. 1990,385,396 f. m.w.N.; Kronisch, S. 71 ff.; Maurer, OVBI. 1995, 1037 ff.; Waechter, Die Verwaltung 1996,47 ff.

206 Seibert, S. 173, 176 f.; Richter, S. 85 f.; Knemeyer, FS v. Unruh, S. 213, 219; Schink, VerwArch. 1990,385,396 f. 207 Richter, S. 84 f. 20K Maurer, OVBI. 1995, 1037, 1041, 1039 mit Verweis auf JöR n.F. 1 (1951),256 f.; Waechter, Die Verwaltung 1996, 59 f. weist zudem auf die recht beliebige Verwendung derartiger Formulierungen im Grundgesetz hin.

108 2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

Aushöhlung durch den einfachen Gesetzgeber ergebe sich im Grundgesetz bereits aus anderen ElWägungen209 • Ein solcher Schutz des SelbstvelWaltungsrechts wird teilweise aus der Bindung des Gesetzgebers an das Rechtsstaatsprinzip und dem darin verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abgeleitet21O , wobei auf die parallele Diskussion über den Schutz des Wesensgehaltes der Grundrechte durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz velWiesen wird. Zum Teil wird ein von der Rechtsfigur der institutionellen Garantie unabhängiger Schutz des Kernbereichs aber auch schlicht mit der Überlegung begründet, daß Existenz und Funktion einer von der Verfassung geforderten Einrichtung nicht zur Disposition des Gesetzgebers stehen könne 2ll • Anstatt einer Interpretation als institutionelle Garantie wird eine Auslegung des Art. 28 Abs. 2 S. I GG als subjektives Recht der Gemeinden befiilWortet. Der Charakter als subjektives Recht ergebe sich sowohl aus dem Wortlaut, da ausdrücklich ein "Recht" der Gemeinden vorgesehen sei, als auch aus der Existenz der Konununalverfassungsbeschwerde2I2 • Zum Nachweis der prinzipiellen Existenz subjektiver Rechte außerhalb des Grundrechtsteils velWeist Maurer darauf, daß auch subjektive Rechte der Parteien gern. Art. 21 GG anerkannt seien2l3 • 4. Bewertung a) Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als subjektives Recht

Der Kritik an der Auslegung des Art. 28 Abs. 2 S. I GG als institutionelle Garantie ist beizupflichten. Entgegen der älteren Rspr. des BVerfG214 ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des Art. 28 Abs. 2 S. I GG nicht, daß der Grundgesetzgeber die SelbstvelWaltung durch eine institutionelle Garantie sichern wollte. In den Beratungen des parlamentarischen Rates wurde in erster Linie die Umschreibung des gemeindlichen Aufgabenkreises diskutiert, die Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG von Art. 127 WRV gerade unterscheidet, während das dogmatische Verständnis des 209 Kronisch, S.97 ff.; s.a. Maurer, OVB1.1995, 1037, 1042; Waechter, Die Verwaltung 1996,47 ff.; vgl. zum Funktionsverlust der Einrichtungsgarantien im grundrechtlichen Bereich schon Dürig, in: Maunz / Dürig, Art.1 Abs. 3 Rn. 98, der auf Art. 19 Abs. 2 und 79 Abs. 3 GG verweist. Diese speziellen Sicherungen finden allerdings auf Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG keine Anwendung. 210 Kronisch, S. 103 f. 211

Waechter, Die Verwaltung 1996,47,53.

Maurer, OVBI. 1995, 1037, 1041; Waechter, Die Verwaltung 1996,47,70; Ipsen, ZG 1994, 194,212. 213 Maurer, OVBI. 1995, 1037, 1042. 212

214

BVerfG, Urt. v. 1.3.1952 - 1 BvR 267/51 -, E I, 167, 174 f.

C. Verfassungsrechtliche Gewährleistung der kommunalen Planungshoheit

109

Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden unerörtert blieb 215 • Die fehlende Festlegung auf einen bestimmten dogmatischen Gehalt rechtfertigt nicht die Annahme, daß Art. 28 Abs. 2 S. I GG die kommunale Selbstverwaltung in gleicher Weise wie Art. 127 WRV sichern soll. Gerade die in der älteren Rspr. des BVerfG als unerheblich betrachtete verfassungsunmmittelbare Definition des Selbstverwaltungsrechts wird vielmehr zu Recht als unvereinbar mit einer Auslegung der Norm als institutionelle Garantie angesehen 216 • Da das Grundgesetz das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden selbst definiert, liegt keine bloße Rezeption eines bereits außerhalb der Verfassung vorhandenen Normbestandes vor, wie sie rur Einrichtungsgarantien kennzeichnend ist und etwa bei Art. 33 Abs. 5 GG im Gegensatz zu Art. 28 Abs. 2 S. I GG auch im Wortlaut deutlich zu Tage tritt. Auf Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG trifft zudem auch der Einwand zu, daß die Rechtsfigur der institutionellen Garantie im Grundgesetz ihre Funktion verloren hat und daher überflüssig ist217 : Die Erkenntnis, daß die kommunale Selbstverwaltung kein Grundrecht ist, ist keine spezifische Leistung der Auslegung des Art. 28 Abs. 2 S. I GG als institutionelle Garantie. Die Ablehnung einer Auslegung des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als institutionelle Garantie bedingt nicht, daß die Norm als Grundrecht ausgelegt werden muß. Auch zur Rechtfertigung des ursprünglich bezweckten Schutzes der Einrichtung vor Abschaffung und Aushöhlung durch den einfachen Gesetzgeber bedarf es der institutionellen Garantie im GG nicht mehr. Zusätzlich zu den in der Literatur vorgetragenen Argumenten 218 begründet nämlich auch das Verbot der Verfassungsdurchbrechung, d.h. der Verfassungsänderung ohne Verfassungstextänderung (Art. 79 Abs. I GG), den Schutz der kommunalen Selbstverwaltung vor Abschaffung und Aushöhlung durch einfache Gesetze. Denn einfachgesetzliche Regelungen, die die Selbstverwaltung faktisch abschaffen würden, wären der Sache nach Verfassungsänderungen, die nur unter den Voraussetzungen des Art. 79 Abs. 1 GG zulässig sind und daher nicht durch den Gesetzesvorbehalt des Art. 28 Abs. 2 S. I GG gedeckt sein können. Schließlich sind weder die Annahme subjektiver Rechtspositionen einzelner Gemeinden noch die Ausdehnung des Schutzes der Selbstverwaltung auf den Randbereich mit dem institutionellen Verständnis der Selbstverwaltungsgarantie 215 Zur Entstehungsgeschichte siehe JöR n.F. I (1951), S. 253-257; v. Mangoldt, S. 174 ff. m Seibert, S. 173, 176; Richter, S. 85 f.; Knerneyer, FS v. Unruh, S. 213, 219; Schink, VerwArch. 1990,385,396 f. 217 Auf die möglicherweise vorhandene ergänzende Schutzfunktion der Einrichtungsgarantien im grundrechtlichen Bereich kommt es im hier untersuchten Zusammenhang nicht an. 21R Siehe oben 2. Kapitel, C.I1.3.

110 2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

verbunden. In beiden Fällen handelt es sich vielmehr um eine Abkehr vom institutionellen Verständnis, mit dem ein derartiger Schutz des Selbstverwaltungsrechts ursprunglich nicht verknüpft war2l9 • Auch die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als Kontrollrnaßstab für Eingriffe in die kommunale Selbstverwaltung widerspricht an sich dem institutionellen Verständnis der Norm. Letzte verbleibende Besonderheit der Auslegung als institutionelle Garantie ist, daß ein Eingriff zu Lasten lediglich einer einzelnen Gemeinde den Kembereich des Art. 28 Abs. 2 S. I GG nicht verletzen kann. Abgesehen davon, daß die Rspr. des BVerfG in diesem Punkt widerspruchlich ist220 , ergibt sich ein zumindest relativer Kernbereichsschutz auch bei Eingriffen zu Lasten einzelner Gemeinden aus der Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Daß andererseits nicht jede einzelne Gemeinde absolut in ihrer Existenz geschützt sein soll, entspricht dem Wortlaut, der "den Gemeinden" und nicht jeder einzelnen Gemeinde das Selbstverwaltungsrecht gewährleistet, und einer historischen Auslegung, da es Auflösungen einzelner Gemeinden seit jeher, insbesondere aber schon vor der Entwicklung der Rechtsfigur der institutionellen Garantie gegeben hat221 • Alles in allem ist deshalb festzustellen, daß Art. 28 Abs. 2 S. I GG keine institutionelle Garantie enthält, sondern eine Kompetenz- und Organisationsvorschrift ist, die zugunsten der Gemeinden als subjektives Recht ausgestaltet wurde. b) Folgen der subjektiv-rechtlichen Sicht für die Auslegung des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG

Die Auslegung des Art. 28 Abs. 2 S. I GG als subjektives Recht nötigt grundsätzlich nicht zu einer Neubestimmung des Schutzbereichs und der vom Gesetzgeber zu beachtenden Schranken. Art. 28 Abs. 2 S. I GG wird nämlich - trotz des institutionellen Verständnisses der Norm - von der h.M. technischkonstruktiv bereits weitgehend wie ein Grundrecht behandelt222 . Während diese konstruktive Gleichbehandlung des Art. 28 Abs. 2 S. I GG mit den Grundrechten, insbesondere auch die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, 219

Siehe oben 2. Kapitel, C.n.2.a).

220

Siehe oben 2. Kapitel, c.n.2.d) bb).

Darauf verweist bereits der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich bei der Auslegung des Art. 127 WRV, Entscheidung v. 10./11.12.1929, RGZ 126, Anh. 3., S. 14, 23. 222 Jarass I Pierath, Art. 28 GG Rn. 11 ("strukturell einem Grundrecht vergleichbar"); Ipsen, ZG 1994, 194, 198 ff.; vor der Rastede-Entscheidung war die konstruktive Gleichbehandlung mit den Grundrechten weitgehend anerkannt, vgl. Bethge, FS für v. Unruh, S. 164 ff.; Schach, Verw Arch. 1990, 18, 24 f. 221

C. Verfassungsrechtliche Gewährleistung der kommunalen Planungshoheit

lll

ohne weiteres mit der Auslegung als subjektives Recht vereinbar istm , widerspricht sie letztlich dem institutionellen Verständnis 224 • Ein grundlegender Unterschied in der Auslegung ist mit der subjektiv-rechtlichen Sicht im Vergleich zu einem institutionellen Verständnis jedoch insofern verbunden, als der Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 S. I GG nicht durch das historische Erscheinungsbild der Institution, sondern anhand des Wortlauts sowie des Sinn und Zwecks der Regelung unmittelbar aus der Verfassung selbst heraus zu bestirnmen ist. Die eigenständige Definition der gemeindlichen Selbstverwaltung im Grundgesetz läßt es nicht zu, bei der Auslegung des Art. 28 Abs. 2 S. I GG primär an den historisch gewachsenen Bestand der kommunalen Selbstverwaltung als Institution anzuknüpfen225 • Die historische Auslegung hat vielmehr nur die ihr auch sonst als Auslegungsmethode zukommende Bedeutung. Sie kann nicht Ergebnisse begründen, die mit dem Wortlaut des Art. 28 Abs. 2 S. I GG und der Funktion der Selbstverwaltung im GG nicht zu vereinbaren sind. Im Grundsatz ist die Bestimmung des Inhalts der Selbstverwaltungsgarantie unmittelbar aus der Verfassung heraus auch in der Rspr. des BVerfG bereits anerkannt. Denn das BVerfG hält eine konstitutive gesetzliche Bestimmung der Selbstverwaltungsangelegenheiten der Gemeinden für ausgeschlossen und stellt auch nur noch für die Bestimmung des Kernbereichs auf das historische Erscheinungsbild der Selbstverwaltung ab 226 . Für den Fortgang der Untersuchung wesentliche Konsequenz der verfassungsunmittelbaren Definition des Selbstverwaltungsrechts ist es, daß Angelegenheiten der örtliche Gemeinschaft nicht nur solche Aufgaben sind, derer sich die Gemeinden bereits tatsächlich angenommen haben und die den Gemeinden bei historischer Betrachtung schon immer zustanden. Auch wenn eine neue Aufgabe erstmalig gesetzlich geregelt wird, muß der Gesetzgeber daher Art. 28 Abs. 2 S. I GG beachten. Handelt es sich um eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft, muß der Gesetzgeber die Aufgabe grundsätzlich den Gemeinden übertragen. Eine abweichende Zuständigkeit darf der Gesetzgeber entgegen dem Aufgabenverteilungsprinzip nur dann anordnen, wenn überwiegende AllgemeinwohIgründe dies erfordern. Den Gemeinden müssen außerdem Gestaltungsspielräume verbleiben, die sie eigenverantwortlich ausfüllen können227 • 223 Maurer, DVBI. 1995, 1037, 1044 f.; Ipsen, ZG 1994, 194,207 ff.; zustimmend zur Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, wenn der Kompetenzträger zugleich subjektive Rechte besitzt, Jarass I Pieroth, Art. 20 Rn. 81 m.w.N.; generell ftir die Anwendung des Verhältnismäßigkeitgrundsatzes zwischen Hoheitsträgern spricht sich Bleckmann, JuS 1994, 177, 181 ff., aus. 224 Maurer, DVBI. 1995, 1037, 1045. 225 Seibert, S. 179 ff., 252 (Zusammenfassung). 226 Siehe oben 2. Kapitel, C.I1.2.b) aa).

112 2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

Allein diese Auslegung gewährleistet, daß die kommunale Selbstverwaltung auch bei sich wandelnden Verhältnissen wirksam bleibt. Das den Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie bildende Universalitätsprinzip reicht dazu nicht aus. Das Aufgabenfindungsrecht der Gemeinden läuft nämlich überall dort leer, wo bei der Erfüllung der neuen Selbstverwaltungsaufgabe grundrechtsrelevante Regelungen getroffen werden müßten. Wegen der grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte ist in diesen Fällen eine formell-gesetzliche Grundlage erforderlich; die Satzungsautonomie gewährt den Gemeinden die Befugnis zu Grundrechtseingriffen nicht228 • Art. 28 Abs. 2 S. I GG geWährleistet in dieser Situation zumindesr 29 , daß bei der erstmaligen gesetzlichen Regelung die Aufgabe den Gemeinden grundsätzlich als eigenverantwortlich zu regelnde Selbstverwaltungsaufgabe übertragen werden muß.

5. Zwischenergebnis Art. 28 Abs. 2 S. I GG ist kein Grundrecht oder grundrechtsähnliches Recht. Die Vorschrift enthält aber auch keine sog. institutionelle Garantie. Vielmehr ist Art. 28 Abs. 2 S. I GG eine Kompetenzvorschrift, die als subjektives Recht der Gemeinden ausgestaltet ist. Art. 28 Abs. 2 S. I GG weist einen unmittelbar in der Verfassung definierten einheitlichen Schutzbereich auf, der nach den allgemein anerkannten Auslegungsmethoden, insbesondere anhand der Funktion der kommunalen Selbstverwaltung im Staatsaufbau des Grundgesetzes zu bestimmen ist. Nicht entscheidend ist dagegen das historisch geprägte Bild der Selbstverwaltung. Eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft kann deshalb auch dann vorliegen, wenn ein Sachverhalt erstmalig gesetzlich geregelt wird, ohne daß sich die Gemeinden der Aufgabe bereits zuvor angenommen haben. Handelt es sich um eine Selbstverwaltungsangelegenheit, muß der Gesetzgeber auch bei der erstmaligen gesetzlichen Regelung die Schranken für Eingriffe in die Selbstverwaltungsgarantie beachten. Der durch die Gewährleistung "im Rahmen der Gesetze" angesprochene Gesetzesvorbehalt bezieht sich sowohl auf den gemeindlichen Aufgabenbereich als auch auf die Eigenverantwortlichkeit bei der Aufgabenerledigung. Zulässig sind Eingriffe durch oder aufgrund eines Gesetzes. Der Gesetzgeber kann das 227 Als Gebot kommunalspezifischer Gesetzesgestaltung bezeichnet dies SchmidtAßmann, FS für Sendler, S. 133; vgl. auch Stober, S. 73. 22R Vgl. für Eingriffe in die Berufsfreiheit BVetwG, Urt. v. 7.9.1992 - 7 NB 2.92 -, E 90, 359, 362 f. 229 Ob gegebenenfalls ein Anspruch der Gemeinden auf Schaffung gesetzlicher Ermächtigungsgrundlagen im Bereich der Selbstvetwaltungsangelegenheiten besteht, kann im hier untersuchten Zusammenhang offen bleiben.

C. Verfassungsrechtliche Gewährleistung der kommunalen Planungshoheit

113

Selbstverwaltungsrecht durch allgemeine gesetzliche Regelungen ausgestalten oder in des Selbstverwaltungsrechts lediglich einzelner Gemeinden eingreifen. Bei allgemeinen Regelungen der Aufgabenverteilung und der inhaltlichen Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenerledigung des Selbstverwaltungsrechts darf der Kernbereich des Selbstverwaltungsrechts, der in einem quantitativ und qualitativ zur Erfüllung der demokratischen Funktion der Selbstverwaltung ausreichenden Bestand an inhaltlich eigenverantwortlich zu regelnden Aufgaben besteht, nicht verletzt werden. Weitere Schranke für Eingriffe ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der wegen der gegenüber Eingriffen zu Lasten einzelner Gemeinden gesteigerten Eingriffsintensität in Form eines Vorrangprinzips gilt; das Vorrangprinzip zugunsten der gemeindlichen Selbstverwaltung darf nur aus überwiegenden Gemeinwohlgründen durchbrochen werden, die sich nicht aus einer möglichen Verbesserung der Verwaltungseffizienz oder der Kostenersparnis ergeben können. Nur wenn den Gemeinden hinreichende inhaltliche Gestaltungsmöglichkeiten bei der Aufgabenerledigung verbleiben, kann noch von einer Selbstverwaltungsangelegenheit gesprochen werden. Eingriffe zu Lasten einzelner Gemeinden bedürfen der gesetzlichen Grundlage und setzen in formeller Hinsicht die vorherige Anhörung der betroffenen Gemeinde voraus. Materiell ist ein Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht einzelner Gemeinden nur zur Verfolgung schutzwürdiger überörtlicher Interessen und unter Beachtung des WilIkürverbots sowie des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zulässig.

111. Konsequenzen für den verfassungsrechtlichen Schutz der kommunalen Planungshoheit und die Auslegung der §§ 7 und 38 8auGB Die Untersuchung hat ergeben, daß Art. 28 Abs. 2 Satz I GG einen unmittelbar in der Verfassung definierten Schutzbereich aufweist und keine institutionelle Garantie darstellt, deren Gegenstand primär nach einer historischen Auslegung zu bestimmen wäre. Der Gesetzgeber kann jedoch in den Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 Satz I GG sowohl durch allgemeine gesetzliche Regelungen als auch zu Lasten lediglich einzelner Gemeinden eingreifen. Der Gesetzgeber kann den Gemeinden Aufgaben oder Teile einer Aufgabe entziehen oder die Eigenverantwortlichkeit bei der Aufgabenerledigung einschränken. Als Gegenstand eines Eingriffs zu Lasten einzelner Gemeinden verbleiben dann nur diejenigen eigenverantwortlich zu erfüllenden Aufgaben, die den Gemeinden belassen wurden. Der Umfang der kommunalen Planungshoheit muß folglich in einem doppelten Untersuchungsschritt ermittelt werden:

8 Buchner

114 2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

Erstens müssen die jeweiligen Aufgaben abstrakt anband der oben geschilderten Kriterien zur Auslegung des Schutzbereichs des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG daraufhin überprüft werden, ob es sich um Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft handelt, die von den Gemeinden eigenverantwortlich zu regeln sind. Zweitens dürfen die grundsätzlich durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG geschützten Befugnisse nicht durch eine generelle gesetzliche Regelung den Gemeinden entzogen oder eingeschränkt worden sein. Umfang und Voraussetzungen der Wehrfähigkeit der Planungshoheit bedürfen also im Einzelfall der Bestimmung unter Berücksichtigung der einfachgesetzlichen Rechtslage. Daraus erschließt sich auch die Bedeutung der gesetzlichen Regelung des Verhältnisses der eisenbahnrechtlichen Fachplanung zur kommunalen Bauleitplanung in den §§ 7, 38 BauGB.

1. Die Bauleitplanung als Teil der kommunalen Planungshoheit zugleich zur Bedeutung der §§ 7 und 38 BauGB und ihrer Vereinbarkeit mit Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG a) Die Bauleitplanung als Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft

Die Bauleitplanung ist entsprechend ihrer Funktion, die in der Vorbereitung und Lenkung der Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde (§ I Abs. I BauGB) unter Ausrichtung auf die städtebauliche Entwicklung- und Ordnung (§ lAbs. 3 BauGB) besteht, eine Angelegenheit, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzelt. Sie ist Teil der durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG geschützten kommunalen Planungshoheir30 . Da Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG die kommunale Selbstverwaltung nicht institutionell gewährleistet, sondern selbst den gemeindlichen Aufgabenbereich definiert, ist unerheblich, daß die städtebauliche Planung mit dem BBauG erstmalig bundesweit eingeführt wurde und deshalb bei historischer Betrachtung nicht zu den Selbstverwaltungsaufgaben gehört. Die Bauleitplanung ist den Gemeinden nicht durch das BBauG mit konstitutiver Wirkung als Selbstverwaltungsaufgabe verliehen worden; ebensowenig ist sie erst später in die Selbstverwaltungsgarantie hineingewachsen. Vielmehr war der Gesetzgeber nach der hier vertretenen Auffassung nicht nur befugf31, sondern nach Art. 28 Abs. 2 S. I GG verpflichtet, den Gemeinden die Zuständigkeit für die städtebauliche Planung zu übertragen und ihnen inhaltliche Autonomie bei der Erfüllung dieser Aufgabe zu Dies entspricht der nahezu einhelligen Auffassung, siehe oben 2. Kapitel, c.1. Zur Befugnis des Bundesgesetzgebers, die gemeindliche Zuständigkeit für die Bauleitplanung ausnahmsweise trotz der grundsätzlichen Zuständigkeit der Länder für das Kommunalrecht selbst zu regeln: BVerfG, B. v. 9.12.1987 - 2 BvL 16/84 -, E 77, 288, 298 f.; Gern, Rn. 38. 230 231

C. Verfassungsrechtliche Gewährleistung der kommunalen Planungshoheit

115

belassen232 , weil es sich bei der beabsichtigten Regelung der städtebaulichen Planung um eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft handelte. Auch bei der erstmaligen gesetzliche!" Regelung der kommunalen Bauleitplanung mußte der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG an die gesetzliche Ausgestaltung von Selbstverwaltungsangelegenheiten beachten. Deshalb können die Vorschriften des BauGB ohne weiteres anhand der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der kommunalen Planungshoheit ausgelegt werden. Im Ergebnis wird damit die herrschende Auslegung des BauGB bestätigt. Im Gegensatz zum herrschenden institutionellen Verständnis der Selbstverwaltungsgarantie läßt sich die Auslegung der Regelungen des BauGB nach Maßgabe des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG aber mit der hier vertretenen Auffassung widerspruchs frei begründen. Angesichts der tatsächlichen Bedeutung des Rechts zur Regelung der Bodennutzung und insbesondere wegen der Abhängigkeit der Bewältigung zahlreicher anderer Aufgaben von der Befugnis zur Bauleitplanung, wie etwa die der Verbesserung der Wirtschaftsstruktur, der Schaffung von Arbeitsplätzen etc. m , kann außerdem festgestellt werden, daß der allgemeine und vollständige Entzug des Rechts zur Bauleitplanung die Selbstverwaltung aushöhlen würde 234 • Darauf, ob die Bauleitplanung gegenständlich zum unantastbaren Kembereich der Selbstverwaltung gehört kommt es deshalb nicht an. b) Die §§ 7,38 BauGB als Grundlage eines Eingriffs in die Planungshoheit der einzelnen Gemeinde

Die §§ 7,38 BauGB sehen als Kollisionsregelungen zwischen gemeindlicher Bauleitplanung und Eisenbahnplanung den Vorrang der letzteren vor, indem sie die gemeindliche Planung außer Vollzug setzen und eine Anpassungspflicht tUr die gemeindliche Planung auslösenm. Eine generelle gesetzliche Aufgabenverlagerung von den Gemeinden auf die Fachplanungsbehörden ist in diesen Vorschriften nicht enthalten. Die §§ 7 und 38 BauGB ermöglichen vielmehr einen Eingriff in die inhaltliche Eigenverant232 In diesem Sinne haben sich auch die kommunalen Spitzenverbände und die Bundesregierung vor dem BVerfG im Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des saarländischen Kommunalselbstverwaltungsgesetzes geäußert, vgl. BVerfG, B. v. 9.12. 1987 - 2 BvL 16/84 -, E 77, 288, 297; ob dies - im Unterschied zur hier vertretenen Auffassung - mit einer historischen Auslegung begründet wurde, wird allerdings nicht mitgeteilt. 233 Den Zusammenhang dieser Aufgaben mit der Bauleitplanung betont BVerwG, Urt. v. 15.12.1989 - 7 C 6.88 -, E 84, 236, 239 f.; vgl. auch Reißig, S. 57. 234 Stern / Burmeister, S. 29 f.; Brohm, Gemeindl. Selbstverwaltung und staatl. Raumplanung, DÖV 1989, 429, 431; Löwer, in: v. Münch / Kunig, Art. 28 Rn. 75. m Siehe oben 2. Kapitel, B.lV.

8"

116 2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

wortlichkeit der Aufgabenerledigung der einzelnen Gemeinde 236 • Dies ergibt sich aus der Zuordnung der Planungskompetenz für Eisenbahnen zu den überörtlichen Aufgaben und der konkreten Betrachtung der Folgen der Vorrangregelung für die Gemeinde. Denn die Planung von Eisenbahnbetriebsanlagen, die ausschließlicher Gegenstand der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung ist, ist keine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft, sondern eine überörtliche Aufgabe. Gelegentlich wird allerdings die Planfeststellung nach Fachgesetzen als örtliche Planung bezeichnet, weil in ihr parzellenbezogene Nutzungsregelungen getroffen werden237 . Schon das BVerfG hat in seinem Baurechtsgutachten die unmittelbar die rechtliche Beziehung des Menschen zum Grund und Boden regelnde Planung als örtliche bezeichnet238 . Diese Aussage besagt jedoch nichts für die Qualifikation der Planung als Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft i.S.d. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, da sie allein der Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Nr. 18 GG von derjenigen für die Raumordnung nach Art. 75 Nr. 4 GG als überörtliche Planung diente. Die gemeindliche Zuständigkeit für bodenbezogene Planungen war dagegen überhaupt nicht Gegenstand des Gutachtens des BVerfG 239 • Auch wenn in der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung unmittelbar die Nutzbarkeit des Bodens geregelt wird, bleibt sie eine überörtliche Aufgabe. Denn Eisenbahnen dienen typischerweise dem überörtlichen Verkehr. Die Planung von Eisenbahnbetriebsanlagen zur Herstellung überörtlicher Verkehrsverbindungen ist keine Angelegenheit, die in der örtlichen Gemeinschaft verwurzelt ist, sondern wird seit jeher von staatlichen Stellen erledigt. Die gemeindliche Planung wäre mit der Herstellung linienförmiger überörtlicher Verkehrsverbindungen, die eine genaue Koordinierung der Planungen der einzelnen Gemeinden voraussetzen würde, auch offensichtlich überfordert240 . Die Vorrangregelungen in den §§ 7 und 38 BauGB zugunsten der eisenbahnrechtlichen Fachplanung verpflichten die einzelne, konkret betroffene Gemeinde dazu, ihre eigenverantwortlich aufgestellte Bauleitplanung an die überörtliche Planung anzupassen bzw. ihre Planung aufzuheben. Für die Bauleitplanung auf ihrem Territorium, die eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft ist, bleibt die Gemeinde aber trotz der §§ 7, 38 BauGB weiter zuständig; die Kompetenz zur Bauleitplanung wird nicht etwa auf eine staatliche Planungsbehörde übertragen. In den §§ 7 und 38 BauGB ist folglich weder eine generelle Aufgabenverlagerung noch eine Aufgabenverlagerung zu Lasten der einzelnen Gemeinde 236

So zu Recht zu § 38 S. 1 BauGB: Koch / Hendler, Baurecht, S. 140.

231

Schink, Bauleitplanung, S. 106; vgl. auch Erbguth, NVwZ 1995, 243, 244.

m BVerfG, Rechtsgutachten v. 16.6.1954 - 1 PBvV 2/52 -, E 3, 407, 424 f. 23Q Ausdrücklich vennerkt in BVerfG, Rechtsgutachten v. 16.6.1954 - 1 PBvV 2/52 -, E 3, 407, 412. 240

Vgl. Gaentzsch. WiVerw. 1985. 235, 242.

C. Verfassungsrechtliche Gewährleistung der konununalen Planungshoheit

117

enthalten. Beim sog. Eingriff in die kommunale Planungshoheit handelt es sich vielmehr bei genauer Betrachtung um einen Eingriff in die inhaltliche Autonomie einzelner Gemeinden. c) Die Vereinbarkeit der §§ 7, 38 BauGB mit Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG

Die §§ 7,38 BauGB enthalten nicht selbst den Eingriff in die Planungshoheit der einzelnen Gemeinde, sondern ordnen lediglich abstrakt den Vorrang der Planung nach dem jeweiligen Fachgesetz an. Sie sind gesetzliche Grundlage fiir einen Eingriff in die inhaltliche Autonomie der einzelnen Gemeinde, der erst durch die konkrete Fachplanung erfolgt. Als gesetzliche Ermächtigung fiir einen Eingriff in die inhaltliche Autonomie der einzelnen Gemeinde müssen die §§ 7, 38 BauGB an Art. 28 Abs. 2 S. I GG gemessen werden: Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes fiir die Regelung der Kollision der gemeindlichen Bauleitplanung mit sonstigen Planungen ergibt sich aus Art. 75 Nr. 4 GG. Das BVerfG hat bereits 1954 in seinem Rechtsgutachten über die Zuständigkeit des Bundes zum Erlaß eines Baugesetzes ausgefiihrt, daß die Einpassung der Pläne ineinander zum allgemeinen Rahmen der Raumordnung gehöre, so daß die Fragen der Rechtswirkung der Pläne verschiedener Stufen oder verschiedenen Inhalts durchgehend von dem Bundesgesetzgeber geregelt werden könnten 241 . Speziell fiir den Fall der Kollision der Eisenbahnplanung mit der Bauleitplanung folgt die Befugnis zur Kollisionsregelung zudem daraus, daß der Bundesgesetzgeber aufgrund der Art. 74 Abs. I Nr. 18, Nr. 23 sowie Art. 73 Nr. 6a GG die Gesetzgebungskompetenz fiir beide Materien besitzt"42. Die gesetzliche Grundlage fiir einen Eingriff in die Planungshoheit einzelner Gemeinden muß materiell - ebenso wie der eigentliche Eingriffsakt - dem Willkürverbot gerecht werden und deshalb schutzwürdigen überörtlichen Interessen dienen. Zudem muß die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen, insbesondere eine Abwägung der gemeindlichen Belange im Einzelfall ermöglichen 243 . § 38 BauGB wird diesen Anforderungen seit der Neufassung durch das BauROG 1998 gerecht, weil ausdrücklich die Beteiligung der Gemeinde und die Berücksichtigung der städtebaulichen Belange vorgesehen ist. Auch § 7 BauGB genügt den verfassungsrechtlichen Vorgaben, indem er fiir den Fall des nachträglichen Widerspruchs öffentlicher Planungsträger die Herstellung des Be~41 BVerfG, Rechtsgutachten v. 16.6.1954 - 1 PBvV 2/52 -, E 3, 407, 428 (Herv. v. Verf.). 242 Brohm, NVwZ 1985, I, 5 f. 243 BVerfG, B. v. 7.10.1980 - 2 BvR 584176 u.a. -, E 56, 298, 314 ff.; BVerfG, B. v. 23.6.1987 - 2 BvR 826/83 -, E 76, 107, 120; vgl. auch BVerfG (2. Kanuner), B. v. 7.l.l999 - 2 BvR 929/97 -, BayVBI. 1999,243,244.

118 2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

nehmens - also eine Beteiligung - der Gemeinde vorsieht und die Zulässigkeit des Widerspruchs von einem nicht nur unwesentlichen Überwiegen der für die abweichende Planung geltend gemachten Belange gegenüber den städtebaulichen Belangen abhängig macht (§ 7 Satz 5 BauGB), t:nithin ebenfalls eine Abwägung der gemeindlichen Belange vorsieht. Insbesondere mit der Neufassung des § 38 BauGB hat sich aber hinsichtlich der Vereinbarkeit mit Art. 28 Abs. 2 Satz I GG gegenüber der alten Fassung der Norm keine abweichende rechtliche Beurteilung in dem Sinne ergeben, daß die Norm früher verfassungswidrig gewesen und erst seit der Neufassung verfassungsmäßig wäre. Denn § 38 BauGB a.F. verwies in Satz I ausdrücklich auf die "Vorschriften" anderer Gesetze bzw. in Satz 2 auf die Planfeststellungsverfahren für die überörtlichen Planungen nach landesrechtlichen Vorschriften. Aufgrund der Bezugnahme auf die fachgesetzlichen Regelungen wurden nach der alten Rechtslage die verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 28 Abs. 2 Satz I GG ebenfalls, wenn auch nur im Zusammenspiel der Regelungen im BauGB mit denjenigen der Fachplanungsgesetze erfüllt. Denn im jeweiligen fachgesetzlichen Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren war die Beteiligung der Gemeinde und die Abwägung der gemeindlichen Belange möglich. An der Form der Beteiligung und der Abwägung hat sich durch die Neufassung der §§ 37 und 38 BauGB für die privilegierten PlanfeststelIungs- und Genehmigungsverfahren mithin nichts geändert. Sowohl die Privilegierung der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung gemäß § 18 Abs. I AEG als auch die Privilegierung der eisenbahnrechtlichen PIangenehmigung gemäß § 18 Abs. 2 AEG ist verfassungsrechtlich zulässig. Denn die Vorrangregelung zugunsten der eisenbahnrechtlichen PIanfeststellung ermöglicht die Errichtung von Eisenbahnbetriebsanlagen, an der ein schutzwürdiges überörtliches Interesse besteht, weil die Eisenbahnbetriebsanlagen typischerweise der Herstellung überörtlicher Verkehrsverbindungen und damit überörtlichen Interessen dient. Die Anordnung des Vorrangs der eisenbahnrechtlichen Fachplanung ist zur Verfolgung des überörtlichen Interesses geeignet und auch erforderlich, da mildere, aber gleich effektive Mittel zur Durchsetzung der Planung von Eisenbahnbetriebsanlagen gegen den Willen der betroffenen Gemeinde nicht ersichtlich sind. Die Regelung ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne, da § 38 Satz I BauGB § 18 Abs. I S. 2 AEG eine materielle Berücksichtigung der kommunalen Planungshoheit im Rahmen der Abwägung ermöglicht. Damit kann im konkreten EinzelfalI überprüft werden, ob dem überörtlichen Interesse an der Errichtung der Eisenbahnbetriebsanlage der Vorrang vor der inhaltlichen Autonomie der Gemeinde bei der Beplanung ihres Ortsgebietes zukommt. Gleiches gilt für die Privilegierung eisenbahnrechtlicher Plangenehmigung gern. § 18 Abs. 2 AEG.

C. Verfassungsrechtliche Gewährleistung der kommunalen Planungshoheit

119

Bereits die einfachgesetzliche Auslegung hat ergeben, daß das Entfallen von Plan/eststellung und Plangenehmigung i.S.d. § 18 Abs. 3 AEG keinen Vorrang gegenüber der gemeindlichen Bauleitplanung genießt244 • Die verfassungsrechtliche Betrachtung bestätigt dieses Ergebnis, da beim Entfallen von Planfeststellung und Plangenehmigung keine Abwägung der gemeindlichen Belange möglich wäre. Planfeststellung und Plangenehmigung können deshalb nur entfallen, wenn die Änderung der Eisenbahnbetriebsanlage in Übereinstimmung mit der gemeindlichen Planung möglich ist. Verfassungsmäßig ist seit der Neufassung des § 38 BauGB auch die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung keine Rolle spielende Privilegierung der Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb öffentlich-rechtlich zugänglicher Abfallbeseitigungsanlagen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz. Anders als der Vorrang der Fachplanungen ist die Privilegierung der Genehmigung für Abfallentsorgungsanlagen in § 38 BauGB a.F zu Recht auf verfassungsrechtliche Bedenken gestoßen, da diese Genehmigung als gebundene Entscheidung ergeht und die Berücksichtigung städtebaulicher Belange an sich nicht zuläßt245 ; die Regelung war nur mit Art. 28 Abs. 2 S. I GG vereinbar, wenn durch verfassungskonforme Interpretation eine Abwägung im Einzelfall auch im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren ermöglicht wurde 246 • Dies ordnet § 38 BauGB n.F. nunmehr ausdrücklich an.

2. Elemente der Planungshoheit neben der Bauleitplanung Bisher wurde geklärt, daß die im BauGB geregelte gemeindliche Bauleitplanung Teil der verfassungsrechtlich gewährleisteten Planungshoheit ist. Der Schutz des Art. 28 Abs. 2 S. I GG beschränkt sich jedoch nicht auf wirksame Flächennutzungs- und Bebauungspläne247 • Im BauGB sind weder die möglichen Formen noch die der Planung zugänglichen Aufgaben mit Bodenbezug abschließend geregelt. In der privilegierten Fachplanung sind deshalb nicht nur die in § 38 Satz I BauGB ausdrücklich genannten städtebaulichen Belange, sondern sämtliche als Teil der Planungshoheit durch Art. 28 Abs. 2 Satz I GG geschütz244 Siehe oben 2. Kapitel, B.III.2.a). 245 Engel, UPR 1993, 209, 211 f., Paetow, FS für Schlichter, S. 499, 511 ff.; Hoppe, in: Hoppe/Grote/els, § 8 Rn. 113, S. 404; Waechter, Kommunalrecht, Rn. 99; Sandner, NuR 1996.497,498 f.; Brohm, Öffentliches Baurecht, § 12 Rn. 28 (S. 198 f.); Expertenkommission, Rn. 377. 2460VG Rh.-Pf., B. v. 13.9.1994 - 7 B 11901/94 -, DVBI. 1995,251 ff.; kritisch zur Zulässigkeit einer solchen verfassungskonformen Auslegung: Brohm, Öffentliches Baurecht, § 12 Rn. 28 (S. 198 f.). 247 Offen gelassen in BVerfG (2. Kammer), B. v. 7.1.1999 - 2 BvR 929/97 -, BayVBI. 1999, 243, 244.

120 2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

ten konununalen Belange. Zur Bestinunung des Umfangs der konununalen Planungshoheit ist unmittelbar auf Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG zurückzugreifen: a) Informelle Planungsformen

Da Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG mit dem Recht zur eigenverantwortlichen Regelung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft prinzipiell jede zur Bewältigung einer Aufgabe erforderliche Tätigkeit schützt, ist der verfassungsrechtliche Schutz nicht an bestinunte Rechtsformen der Planung gebunden. Deshalb hat das BVerwG konkrete Entwürfe einer Bauleitplanung bereits als durch Art. 28 Abs. 2 S. I GG geschützt betrachter 48 • Aufgrund des Rechts der Gemeinden, sich aller nicht gesetzlich anderweitig zugewiesenen Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft anzunehmen, sind im übrigen auch bodenbezogene Planungen der Gemeinden außerhalb der Bauleitplanung möglich. Beispielsweise kann eine Gemeinde die zukünftigen Standorte gemeindlicher Einrichtungen der Daseinsvorsorge planen oder örtliche Verkehrskonzepte aufstellen 249 oder eine Infrastrukturplanung entwickeln250 . Da das BauGB keine abschließende Regelung der möglichen Planungen enthält, ist die Bauleitplanung nicht die einzige zulässige Planung der Gemeinde. Verdeutlichen läßt sich dies am Beispiel der sog. gemeindlichen Entwicklungsplanung.Als gemeindliche Entwicklungsplanung wird gemeinhin eine die Zielvorstellungen rur den Gesamtbereich gemeindlicher Tätigkeiten aufzeigende und aufeinander abstinunende Planung bezeichnet, die neben der Bodennutzung die Bereiche der Kulturpolitik, Sozialpolitik und Daseinsvorsorge einbezieht251 . Im Bundesbaugesetz war die Entwicklungsplanung durch § lAbs. 5 zwar nicht näher geregelt, ihre Zulässigkeit wurde aber vorausgesetzt. Obwohl diese Norm nicht ins BauGB übernonunen wurde, ist die Entwicklungsplanung als Planungsmöglichkeit den Gemeinden nicht gesetzlich entzogen worden. Maßgeblicher Gesichtspunkt rur die Nichtübernahme ins BauGB war nämlich, daß eine ausdrückliche Regelung für nicht erforderlich erachtet wurde, sondern im Gegenteil im Interesse der Wahrung der Flexibilität dieser informellen Planungsform 248 BVerwG, B. v. 9.2.1996 - 11 VR 45.95 -, DÖV 1996,514,515; Urt. v. 11.5.1984 -4 C 83.80-, UPR 1990, 130, 131; Birk, NVwZ 1989,905,910; Schrädter, § I Rn. 28; Heinze, S. 111; Runkel, in: Ernst / Zinkahn / Bielenberg, § 38 Rn. 86.

249 Der 11. Senat des BVerwG zählt zur Planungshoheit auch Planungen, die " ... bereits hinreichend konkrete Konzepte der Gemeinde enthalten, mit denen sie in eigener Zuständigkeit die städtebauliche Entwicklung auch durch verkehrliche Maßnahmen verändern oder verbessern will", BVerwG, Urt. v. 20.4.1994 - 11 C 17/93 -, DVBI. 1994, 1194, 1195. 2S0 BVerwG, Urt. v. 27.10.1998 - 11 A 10.98 - UPR 1999, 146, 147; BVerwG, Gerichtsbescheid v. 27.7.1998 - 11 A 10.98 - UPR 1998, 459, 460. 2SI

Vgl. nur Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, § I Rn. 234 m.w.N.

C. Verfassungsrechtliche Gewährleistung der kommunalen Planungshoheit

121

unterbleiben sollte 252 • Soweit in der Entwicklungsplanung der Gemeinde verschiedene Selbstverwaltungsaufgaben mit Bodenbezug vorausschauend koordiniert werden, ist also auch sie Teil der kommunalen Planungshoheit253 • b) Ausdehnung der Planungshoheit auf den Schutz vor Situationsänderungen

Der Schutz vor Veränderungen der tatsächlichen Situation im Gemeindegebiet kann dagegen an sich nicht unmittelbar aus Art. 28 Abs. 2 S. I GG abgeleitet werden. Denn die bestehende Ausgangssituation ist schon begrifflich keine "Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft", sondern jeder Gemeinde als Grundlage ihrer Planung individuell vorgegeben. Das BVerwG betont deshalb mit Recht, daß die gemeindliche Planung nur im Rahmen der vorgefundenen Voraussetzungen gewährleistet ist und daß die bloße Veränderung der tatsächlichen Ausgangslage, wie sie durch Planungen und Maßnahmen überörtlicher Verwaltungsträger bewirkt werden kann, im Grundsatz nicht vom Schutz des Art. 28 Abs. 2 S. I GG gedeckt isf 54 • Ein Eingriff in die Planungshoheit kommt deshalb an sich nur in Betracht, wenn bereits konkrete Planungen der Gemeinde vorhanden sind255 • Nach der neueren Rspr. des BVerwG, derzufolge die verfassungsrechtlich geschützte Planungshoheit durch Fachplanungen dann beeinträchtigt werden kann, wenn das Vorhaben "... wegen seiner Großräumigkeit wesentliche Teile des Gemeindegebietes einer durchsetzbaren Planung entzieht .. ,"256, m Begründung des Regierungsentwurfes, BT-Drs. 10 / 4630, S. 60; Ausschußbericht BT-Drs. 10 / 6166, S. 146; ausführlich dazu Söfker, in: Ernst I Zinkahn I Bielenberg, § I Rn. 6, 228 ff.

m BVerfG, B. v. 7.10.1980 - 2 BvR 584/76 u.a. -, E 56, 298, 317; BVerwG, Urt. v. 4.5.1988 - 4 C 22.87 -, E 79, 318, 325; Würtenberger, BayVB!. 1982, 673, 674; Steinberg, JuS 1982, 578, 579. 254 BVerwG, Besch!. v. 23.3.1993 -7 B 126.92 -, DÖV 1993, 826 f. m.w.N. (zu § 28 BbG); Urt. v. 11.5.1984 - 4 C 83.80 -, UPR 1990, 130 (zu § 36 BbG); Lerche, FS BayVGH, S. 223, 224; Bickel, FS für v. Unruh, S. 1035, 1045; Johlen, DÖV 1989, 204, 206. m BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 40.86 -, E 81, 95, 106 (luftverkehrsrechtliche Genehmigungsverfahren für Militärflugplatz). 256 Rspr. des 4. Senats: BVerwG, Urt. v. 11.4.1986 - 4 C 51.83 -, E 74, 124, 132 (Bezeichnung eines Verteidigungsvorhabens nach dem Landbeschaffungsgesetz); Urt. v. 4.5.1988 - 4 C 22.87 -, E 79, 318, 325 (WHG); Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 40.86 -, E 81, 95, 106 (luftverkehrsrechtliches Genehmigungsverfahren für Militärflugplatz); Urt. v. 15.12.1989 - 4 C 36.86 -, E 84, 209, 214 f. (zu § 2 Abs.2 BauGB); ebenso der 7. Senat, Urt. v. 27.3.1992 -7 C 18.91 -, E 90, 96, 100 (AbfG); zur Rspr. auch Johlen, DÖV 1989,204,207.

122 2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

ist aber jedenfalls ausnahmsweise, nämlich beim Entzug wesentlicher Teile des Gemeindegebietes, ein Schutz vor Situationsänderungen anzuerkennen. Das BVerwG hat die Ausdehnung des Schutzbereichs der Selbstverwaltungsgarantie bisher allerdings nicht begründet, sondern in seinen einschlägigen Entscheidungen allein auf die Entscheidung des BVerfG zum Lärmschutzbereich des Flughafen Memmingen verwiesen257 • Das BVerfD hatte in diesem Fall über die Kommunalverfassungsbeschwerde gegen die Festsetzung eines Lärmschutzbereiches gern. § 1 FlugLG durch eine Verordnung des Bundesministers der Verteidigung zu entscheiden, die zur Folge hatte, daß gern. § 5 Abs. I FlugLG die Errichtung von Krankenhäusern, Altenheimen, Erholungsheimen, Schulen und ähnlichen in gleichem Maße schutzbedürftigen Einrichtungen unzulässig sowie in der sog. inneren Schutzzone gern. § 5 Abs. 2 FlugLG die Errichtung von Wohnungen verboten war, die nicht bereits zum Zeitpunkt der Festsetzung des Lärmschutzbereiches planungsrechtlich zulässig warenm. Das BVerfD stellte in der diese Verordnung aufhebenden Entscheidung zur Begründung eines schwerwiegenden Eingriffs in die Planungshoheit ausdrücklich darauf ab, daß den betroffenen Gemeinden wegen § 5 Abs. I FlugLG die "eigenverantwortliche Entscheidung über Errichtung und Standort wesentlicher Einrichtungen der örtlichen Infrastruktur weitgehend oder völlig versagt" und daß die den Gemeinden infolge des Verbotes der Errichtung von Wohnungen gern. § 5 Abs. 2 FlugLG allein verbleibende "theoretischen Möglichkeit, Gewerbe- oder Industriegebiete auszuweisen, ... praktisch ... außerordentlich erschwert" seim. Die damit zum Ausdruck gebrachte Erweiterung der Planungshoheit auch auf die Bewahrung zukünftiger Planungsmöglichkeiten und damit effektiver Gestaltungsmöglichkeiten ist mit Rücksicht auf die Funktion der Selbstverwaltung zu begrüßen. Denn Zweck der Selbstverwaltung ist es, als unmittelbar demokratische Einrichtung eine wirksame Teilnahme an der Verwaltung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu ermöglichen 260 • Eine echte Mitverantwortung der Selbstverwaltungsorgane bei der Bewältigung der örtlichen Aufgaben setzt aber voraus, daß effektive Gestaltungsmöglichkeiten vorhanden sind, die eigenverantwortlich ausgefüllt werden können. Im Interesse effektiver Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürger sind Gestaltungsspielräume deshalb nicht nur bei der gesetzlichen Regelung einer Aufgabe zu belassen261 , sondern auch in 257 BVerwG, Urt. v. 11.4.1986 - 4 C 51.83 -, E 74, 124, 132 ; Urt. v. 4.5.1988 - 4 C 22.87 -, E 79, 318, 325 mit Verweis auf BVerfG, B. v. 7.10.1980 - 2 BvR 584/76 u.a. -, E 56, 298, 317. 25K Zum Sachverhalt insoweit BVerfG, B. v. 7.10.1980 - 2 BvR 584/76 u.a. -, E 56, 298,299 f. 259

BVerfG, B. v. 7.10.1980 - 2 BvR 584/76 u.a. -, E 56, 298, 317.

BVerfG, B. v. 23.11.1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 -, E 79, 127, 149 f.; vgl. dazu auch oben 2. Kapitel, C.l1.1.a). 261 Siehe oben 2. Kapitel, C.l1.4.b). 260

C. Verfassungsrechtliche Gewährleistung der kommunalen Planungshoheit

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tatsächlicher Hinsicht zu wahren. Die gesetzlich geregelte planerische Gestaltungsfreiheit bei der Aufstellung der Bauleitpläne wäre faktisch wertlos, wenn tatsächlich kein Freiraum mehr für eine eigenständige Planung bestünde. Den notwendigen Schutz der tatsächlichen Voraussetzungen der Eigenverantwortlichkeit der Gemeinden bei ihrer Aufgabenerfüllung gewährleistet erst die Ausdehnung der Planungshoheit auf den Schutz vor Situationsänderungen262 • Für diese Erweiterung des Schutzbereiches besteht zudem ein praktisches Bedürfnis, da die Gemeinden andernfalls im Interesse des Schutzes zukünftiger Planungsmöglichkeiten zu vorgeschobenen Planungen gezwungen würden 263 • Allerdings kann nicht jede Inanspruchnahme des Gemeindegebiets den Schutz des Art. 28 Abs. 2 S. I GG auslösen, da für überörtliche Planungen notwendigerweise auch Gemeindegebiet in Anspruch genommen werden muß. Auf die konkreten Voraussetzungen der Wehrfähigkeit der kommunalen Planungshoheit in diesem Fall wird noch zurückzukommen sein 264 • c) Bestehende gemeindliche Einrichtungen als Teil der Planungshoheit ?

Das BVerwG sieht eine Beeinträchtigung der Planungshoheit auch dann als gegeben an, wenn durch das Vorhaben ,. ... gemeindliche Einrichtungen erheblich beeinträchtigt werden"265.

Das Betreiben von gemeindlichen Einrichtungen der Daseinsvorsorge ist zwar zweifelsohne eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft, so daß sich die betroffene Gemeinde gegen die Beeinträchtigung einer solchen Einrichtung durch ein staatliches Handeln unter Berufung auf Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG zur Wehr setzen kann 266 • Wenig überzeugend ist es aber, den verfassungsrechtlichen Schutz bereits bestehender gemeindlicher Einrichtungen als Teil der Planungshoheit der Gemeinde zu definieren 267 . Der Begriff der Planungshoheit sollte auf 262 Vgl. Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 463, der von einer Beeinträchtigung der Dispositionsfreiheit der Gemeinde spricht; Schenke, S. 77 f; im Erg. Funk-Draschka, S. 78 ff, mit Anleihen beim Grundrechtsschutz; zustimmend zur Rspr. des BVerwG auch H.-J. Koch, FS für Schlichter, S. 461, 473. 263 Blümel, FS für Ule, S. 31 f.; Würtenherger, BayVBI. 1982, 673, 676; Schenke, S.78.

2M Dazu im einzelnen unten 2. Kapitel, c.m.3.c) dd). 265 BVerwG, Urt. v. 27.3.1992 - 7 C 18.91 -, E 90, 96, 100; BVerwG, B. v. 30.8.1995 - 4 B 86/95 -, NVwZ-RR 1996, 67, 68; zustimmend Runkel, in: Ernst/Zinkahn/ Bielenherg, § 38 Rn. 90. 26(, Vgl. Stein berg, § 7 Rn. 74 (S. 342 f); Johlen, DÖV 1989,204,207; Schenke, S. 87 ff (zur kommunalen Wasserversorgung); Heinze, S. 112.

267 A.A. H.-J. Koch, FS für Schlichter, S. 461, 473 f

124 2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

die Vorstellungen der Gemeinde über die zukünftige Bodennutzung - zu denen die Planung zukünftiger Standorte kommunaler Einrichtungen gehören - beschränkt bleiben268 . d) Weitere begriffliche Abgrenzungen

Der 7. und der 11. Senat des BVerwG erkennen ausdrücklich neben der Planungs hoheit einen aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG folgenden Schutz der Gemeinde gegenüber Planungen und Maßnahmen überörtlicher Verwaltungsträger an, die das Gemeindegebiet insgesamt oder teilweise nachhaltig betreffen und die Entwicklung der Gemeinde beeinflussen, insbesondere auch ihre Infrastruktur bestimmen269 • In der Literatur wird mit vergleichbarer Zielrichtung der Selbstverwaltungsgarantie ein Recht der Gemeinden auf Selbstgestaltung entnommen, worunter das von besonderen Vorschriften oder Planungen unabhängige Recht jeder Gemeinde, das Gepräge und die Struktur ihres Ortes selbst zu bestimmen, verstanden wird270 • Zur Rechtfertigung des zusätzlichen Begriffs wird auf die begriffliche Einengung der Planungshoheit durch das BVerwG einerseits, die eine Beeinträchtigung der Planungshoheit nur bei nachhaltigen Störungen bereits konkret vorhandene Planungen der Bodennutzung annehme 271 und einzelne Entscheidungen des BVerwG und des BayVGH andererseits, die die Existenz eines Selbstgestaltungsrechts ausdrücklich offen lassen 272 , verwiesen. Mit dem hier vertretenen Begriff der gemeindlichen Planungshoheit, der auch den Schutz vor Situationsänderungen beinhaltet, wird dem mit der Formulierung eines Selbstgestaltungsrechts verfolgten Anliegen einer Verbesserung des Schutzes der Gemeinden jedoch bereits Rechnung getragen~ Auf einen zuätzlichen Begriff kann deshalb verzichtet werden273 • 268 BVerwG, B. v. 21.1.1993 - 4 B 206.92 -, NVwZ 1993, 884, 886, behandelt die Beeinträchtigung von Einrichtungen der Daseinsvorsorge separat neben der Planungshoheit. 269 BVerwG, 8. v. 23.3.1993 - 7 B 126/92 -, DÖV 1993, 826 f. (Bahnhofsbenennung); Urt. v. 18.3.1987 -7 C 28.85 -, E 77,128,133; Urt. v. 18.3.1987 -7 C 31.85-, E 77, 134, 138 (Planfeststellung nach Telegraphenwege-G.); BVerwG, Urt. v. 14.12. 1994 - 11 C 18.93 -, E 97, 203, 211 f. (Festlegung von Tieffluggebieten). 270 Blümel, FS für Ule, S. 19, in Anlehnung an BayVGH, Besch!. v. 19.11.1985, DÖV 1986, 208, 209; Schink, Bauleitplanung, S. \03; ähnlich Langer, VerwArch. 1989, 352 ff., der aber eine Ableitung aus Art. 28 GG ablehnt, a.a.O. S. 380. 271 Blümel, FS für Ule, S. 30 f.

m BVerwG, Urt. v. 19.3.1976 - 7 C 71.72 -, BayVB!. 1976, 692, 693; BayVGH, Urt. v. 6.6.1989 - 8 B 87.308 -, UPR 1990, 32, 33. m Schenke, S.79 f.; Wahl, NVwZ 1990, 923, 927; kritisch auch Steinberg, § 7 Rn. 79, S. 345 f., der allerdings bezweifelt, ob die mit dem Selbstgestaltungsrecht be-

C. Verfassungsrechtliche Gewährleistung der kommunalen Planungshoheit

125

3. Voraussetzungen der Wehrfähigkeit der kommunalen Planungshoheit Auch für die Ennittlung der Voraussetzungen der Wehrfahigkeit der kommunalen Planungshoheit gilt, daß wegen der Ausgestaltungsbefugnis des Gesetzgebers zunächst die gesetzliche Regelung maßgeblich ist. Soweit die gesetzliche Regelung der Planungshoheit im BauGB nicht abschließend ist, kann ergänzend unmittelbar auf Art. 28 Abs. 2 S. I GG zurückgegriffen werden:

a) Beeinträchtigung einer vorhandenen, konkreten Planung oder Entzug wesentlicher Teile des Gemeindegebietes Durch Art. 28 Abs. 2 S. I GG geschützt ist die eigenverantwortliche Planung im Bereich der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft; grundsätzlich nicht durch Art. 28 Abs. 2 S. I GG gewährleistet sind dagegen die jeweils tatsächlich vorhandenen Planungsmöglichkeiten274 . Ein Eingriff in die Planungshoheit liegt deshalb an sich nur vor, wenn die Gemeinde bereits eine konkrete eigene Planungskonzeption entwickelt hatm , von der sie wegen des Vorrangs der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung abweichen muß. Da der Schutz des Art. 28 Abs. 2 S. I GG nicht von einer bestimmten Rechtsfonn abhängig ist, kommt es aber nicht darauf an, ob die konkrete planerische Vorstellung in Fonn eines Flächennutzungsplans oder verbindlichen Bebauungsplans entwickelt wurde. Eine konkrete planerische Vorstellung kann auch der erklärte Wille der Gemeinde sein, an der vorhandenen Bodennutzung nichts zu ändern 276 • Die Planungshoheit muß aber in jedem Fall erkennbar ausgeübt worden sein. Ein Ausüben der Planungshoheit durch "Nichtplanen"m ist deshalb ausgeschlossen. Das Erfordernis einer konkreten, eigenen Planungskonzeption ist im übrigen auch Voraussetzung der Wehrfähigkeit der Bauleitpläne; aus diesem Grund ist beispielsweise ein Flächennutzungsplan, der im Außenbereich Flächen für Landzeichneten Gegenstände überhaupt von Art. 28 Abs. 2 S. I GG geschützt werden. Sinnvoll könnte eine tenninologische Differenzierung allerdings dann sein, wenn man den Gemeinden auch bei sonstigen, nicht mit der Raumnutzung zusammenhängenden staatlichen Entscheidungen, die die Entwicklung der Gemeinde beeinflußen, ein Mitspracherecht einräumen und dieses begrifflich von der Planungshoheit abgrenzen will, so wohl BVerwG, Urt. v. 19.3.1976 -7 C 71.72 -, BayVBI. 1976,692,693. Für den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist diese Unterscheidung jedoch nicht relevant und mag daher auf sich beruhen. 274 Siehe oben 2. Kapitel, C.II/.2.b). 275 BVerwG, Urt. v. 27.3.1992 - 7 C 18.91 -, E 90, 96, 100 (AbfG); BVerwG, Urt. v. 21.3.1996 - 4 C 26.94 -, E 100, 388, 394 ("hinreichend konkret und verfestigt"); Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 464; Johlen, DÖV 1989, 204, 207. 27" Muckei, NWVBI. 1992,233,236 m.w.N.; Schenke, S. 75. m Dafür Birk, NVwZ 1989,905,911.

126 2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

und Forstwirtschaft darstellt. nur dann wehrfähig. wenn diese Darstellung Ausdruck einer eigenständigen planerischen Vorstellung der Gemeinde ist. Die eigenständige Planungsentscheidung der Gemeinde kann dabei in der bewußten Bewahrung der bestehenden Nutzungssituation liegen oder sich auch aus dem Ziel der Offenhaltung fur eine zukünftige Entwicklung ergeben. Nicht ausreichend ist es dagegen. wenn die dem Außenbereich ohnehin nach der gesetzlichen Regelung des § 35 BauGB zukommende Funktion lediglich deklaratorisch wiederholt wird278 • Die konkrete Planung der Gemeinde muß zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses. der nach dem materiellen Recht fur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses maßgeblich ist. vorgelegen haben. Auf Planungen. die erst nach Erlaß des Planfeststellungsbeschlusses eingeleitet worden sind, kann sich die Gemeinde nicht berufen279 • Beeinträchtigt und damit wehrfähig sind die gemeindlichen Planungsvorstellungen des weiteren nur dann. wenn die vorrangige Fachplanung mit ihnen tatsächlich nicht zu vereinbaren isf80 ; nur dann muß die entgegenstehende kommunale Planung in der Abwägung überwunden werden. Wenn also beispielsweise die Errichtung einer Eisenbahnbetriebsanlage im Einzelfall bereits nach den §§ 29 ff. BauGB zulässig ist, kommt es auf den Vorrang der Eisenbahnplanung nach § 38 BauGB nicht an, so daß die Planungshoheit der Gemeinde nicht betroffen ist. Daneben ist ein Eingriff in die kommunale Planungshoheit ausnahmsweise unabhängig von der Existenz einer konkreten gemeindlichen Planung auch dann gegeben, wenn wesentliche Teile des Gemeindegebiets durch die eisenbahnrechtliche Fachplanung in Anspruch genommen werden, so daß die zukünftigen Planungsmöglichkeiten der Gemeinden entscheidend reduziert sind281 • b) Rechtmäßigkeit der Planung

Da der Gesetzgeber wegen des Gesetzesvorbehaltes zur Ausgestaltung des Art. 28 Abs. 2 S. I GG befugt ist und die Gemeinden aufgrund der Geltung des Gesetzesvorrangs an die gesetzlichen Regelungen gebunden sind282 , kann nur 27R Vgl. zu diesen Möglichkeiten BVerwG. B. v. 21.1.1993 - 4 B 206/92 -. NVwZ 1993.884,885 (zum FStrG). u. B. v. 18.12.1990-4 NB 8/90-. NVwZ 1991,875,876

(BauGB). 279 BVerwG. B. v. 9.5.1989 - 7 B 185/88 -, NVwZ 1989, 967 (abfallrechtl. PIanfeststellung). 280 Zutreffend insoweit Weidemann. DVBl. 1995, 253 f. 2HI Siehe oben 2. Kapitel, C.III.2.b). 2R2

Stober. S. 104.

C. Verfassungsrechtliche Gewährleistung der kommunalen Planungshoheit

127

eine rechtmäßige Bauleitplanung der Gemeinde, die den gesetzlichen Regelungen des BauGB entspricht, eine wehrfähige und in die Abwägung einzubeziehende Rechtsposition begründen283 • Dagegen sind unzulässige gemeindliche Planungen nicht schutzwürdig. Es ist hier nicht der Raum, allgemein die Gründe für die Rechtswidrigkeit gemeindlicher Planungen darzustellen. Relativ häufig scheint aber eine als sog. Abwehrplanung gegen die Fachplanung entwickelte Bauleitplanung wegen eines Verstoßes gegen § lAbs. 3 BauGB nicht wehrfahig zu sein284 • Gern. § lAbs. 3 BauGB haben die Gemeinden Bauleitpläne (erst) aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Damit enthält § lAbs. 3 nicht nur eine positive Planungspflicht der Gemeinden, sondern begrenzt zugleich negativ die Planungsbefugnis der Gemeinden28s • Gegen § lAbs. 3 BauGB kann insbesondere auch eine sog. Negativplanung der Gemeinde verstoßen, die nur vorgeschoben ist, um eine andere Nutzung zu verhindern286 • Die tatsächliche Bedeutung dieses Rechtswidrigkeitsgrundes hat das BVerwG in seiner neueren Rspr. allerdings reduziert. Eine unzulässige Negativplanung liegt nämlich selbst dann nicht mehr vor, wenn Hauptzweck der Planung die Verhinderung einer städtebaulich relevanten Nutzung ist, solange der Ausschluß baulicher Nutzungen nur nach dem planerischen Konzept der Gemeinde aus Gründen der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung - etwa zur Erhaltung von Freiflächen - notwendig ist287 • c) Intensität des Eingriffs

Unterschiedlich beurteilt wird, ob bzw. in welchen Konstellationen eine bestimmte Intensität der Beeinträchtigung Voraussetzung der Wehrfahigkeit der kommunalen Planungshoheit ist: aa) Bundesverwaltungsgericht

Nach der Rspr. des BVerwG ist Bedingung der Wehrfahigkeit bzw. der Berücksichtigungsfahigkeit der kommunalen Planungshoheit in der fachplaneri2R3

Waechter, Kommunalrecht, Rn. 100.

2M

Vgl. zu Abwehrplanungen gegenüber Bergbauvorhaben Schenke, S. 76.

285 Gierke, in: Brügelmann, § I Rn. 168; Brohm, Öffentliches Baurecht, § 12 Rn. 3 (S. 179). 2R6 BVerwG, B. v. 18.12.1990 - 4 NB 8/90 -, NVwZ 1991,875; VGH Mannheim, NK-B. v. 24.10.1996 - 8 S 3336/95 -, VBIBW 1997, 137, 138. 2R7 BVerwG, B. v. 18.12.1990 -4 NB 8/90 -. NVwZ 1991,875,876 f. m.w.N.; VGH Kassel, Beschl. v. 19.11.1992 - 3 N 2463/87 -, NVwZ 1993, 906, 907; Hoppe, in: Hoppe/Grote/els, § 5 Rn. 61, S. 125; Bielenberg, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg. § 9

Rn. 12a.

128 2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

schen Abwägung - unabhängig davon, ob auf dem Gemeindegebiet oder auf dem Gebiet einer benachbarten Gemeinde geplant wird288 - , daß eine "nachhaltige Störung" einer hinreichend bestimmten Planung i.S. unmittelbarer Auswirkungen gewichtiger Art vorliegt289 • Falls noch keine konkrete Planung vorhanden ist, ist die Planungshoheit dann abwägungserheblich, wenn "wesentliche Teile des Gemeindegebiets" einer durchsetzbaren Planung entzogen werden290 • Begründet wird diese Auffassung in den einschlägigen Entscheidungen allerdings nicht. Die - soweit ersichtlich - einzige Entscheidung, die eine Rechtfertigung für das Erfordernis intensiver Störungen der gemeindlichen Planung durch die Fachplanung als Voraussetzung der Wehrfähigkeit der kommunalen Planungshoheit enthält, betrifft nicht unmittelbar den Vorrang der Fachplanung, sondern die zwischengemeindliche Abwägungspflicht gern. § 2 Abs. 2 BauGB. Nach dieser Norm sind Bauleitpläne benachbarter Gemeinden aufeinander abzustimmen. Dazu führt das BVerwG aus, daß dieses Gebot eine gesetzliche Ausformung der gemeindlichen Planungshoheit sei. Das interkommunale Abwägungsgebot verleihe der betroffenen Gemeinde gegenüber den sich auf ihrem Gebiet auswirkenden Planungen der Nachbargemeinde aber eine stärkere Rechtsposition, als sie ihr gegenüber Fachplanungen auf Gemeindegebiet aufgrund einer Berufung auf ihre Planungshoheit zustehe. Anders als den gemäß § 38 BBauG / BauGB privilegierten Trägem der Fachplanung stehe die Gemeinde der Nachbargemeinde mit ihrer Planungsbefugnis "im Verhältnis der Gleichordnung" gegenüber. Dem trage das kommunale Abstimmungsgebot in spezieller Weise Rechnung. Aus § 2 Abs. 2 BauGB folge ein vom Bestehen von Bauleitplänen oder bestimmten planerischen Vorstellungen unabhängiger Anspruch auf Abstimmung, der auf Rücksichtnahme und Vermeidung unzumutbarer Auswirkungen auf die Nachbargemeinde gerichtet sei 291 • Grund für das Erfordernis einer gesteigerten Eingriffsintensität ist also nach Auffassung des BVerwG, daß die Fachplanungen durch § 38 BauGB der Bauleitplanung übergeordnet seien, während § 2 Abs. 2 BauGB als gesetzliche Ausgestaltung ausdrücklich die Abstimmung der gemeindlichen Bauleitplanung anordne.

2RR

So ausdrücklich BVerwG, Urt. v. 15.12.1989 - 4 C 36.86 -, E 84, 209, 215.

2R9

Siehe dazu auch Heinze, S. 112.

Siehe oben 2. Kapitel, C.I; BVerwG, B. v. 15.4.1999 - 4 VR 18/98 -, NVwZ-RR 1999, 554, 555; BVerwG, Urt. v. 12.12.1996 - 4 C 14.95 -, GewArch. 1997, 301; Küh/ing, Fachplanungsrecht, Rn. 463, 465. 291 BVerwG, Urt. v. 15.12.1989 - 4 C 36/86 -, E 84, 209, 215; bestätigt durch BVerwG, B. v. 9.1.1995 - 4 NB 42.94 -, DÖV 1995, 820; vgl. dazu Koch / Hendler, s. 135; Hoppe, in: Hoppe / Grotefels, § 7 Rn. 177 f., S. 311 f. 290

c. Verfassungsrechtliche Gewährleisrung der kommunalen Planungshoheit

129

bb) Die Auffassung Lerches

Ausgehend von der Überlegung, daß die gemeindliche Planungshoheit nicht schon bei jeder Einwirkung der überörtlichen Planung auf die Ausgangssituation der gemeindlichen Planung wehrfähig sein könne, wenn der Schutz der Selbstverwaltung nicht ausufern solle 292 , entwickelt Lerche eine restriktive Interpretation: Soweit nicht spezifisch drittschützende gesetzliche Konkretisierungen vorhanden seien, könne die kommunale Planungshoheit - wie auch das Grundrecht aus Art. 14 GG - nur bei schweren und unerträglichen Einwirkungen wehrfähig sein. Eine solche spezifisch gemeindeschützende einfachgesetzliche Regelung, die die Planungsgewalt verdichte und konkretisiere, könne aber nicht schon in der gesetzlichen Anordnung der Berücksichtigung auch gemeindlicher Belange in einer Abwägungsentscheidung gesehen werden. Schwere und unerträgliche Auswirkungen seien deshalb nur dann nicht Voraussetzung der Wehrfähigkeit der kommunalen Planungshoheit, wenn die Gemeinde durch einen staatlichen Eingriff unmittelbar zu einer bestimmten Planung verpflichtet sei 293 • cc) Die von Stein berg begründete Auffassung

Von Steinberg294 entwickelt wurde die Differenzierung zwischen der unmittelbaren Inanspruchnahme des Gemeindegebietes, unmittelbaren rechtlichen Auswirkungen der staatlichen Planung auf die Beplanung anderer Flächen der Gemeinden und lediglich faktischen, über das Abwägungsgebot vermittelten Auswirkungen auf die Beplanung anderer Flächen. Für die unmittelbare Überplanung einer Gemeindefläche durch eine privilegierte Fachplanung sowie rur den Fall sonstiger unmittelbarer rechtlicher Auswirkungen - als Beispiel genannt werden Anbauverbote an Fernstraßen - kommt Steinberg zu dem Ergebnis, daß eine Beeinträchtigung der Planungshoheit unabhängig von der Intensität der Auswirkungen und dem Vorhanden sein konkreter Planungen der Gemeinde gegeben sei, da in die Rechtsstellung der Gemeinde aus Art. 28 GG eingegriffen werde 295 • Eine nachhaltige Beeinträchtigung soll dagegen nur im Fall faktischer Betroffenheit, d.h. bei der Überplanung des Gebiets einer benachbarten Gemeinde, die lediglich über das Abwägungsgebot gern. § lAbs. 6 BauGB Folgen rur die Bauleitplanung habe, erforderlich sein 296 • Lerche, FS BayVGH, S. 223, 231. m Lerche, FS BayVGH, S. 223,233-236. 294 Steinberg, DVBI. 1982, 13 ff. 295 Steinberg, DVBI. 1982, 13, 15, 17. Da Steinberg - anders als das BVerwG - bei unmittelbarer staatlicher Überplanung einer Gemeindefläche eine Beeinträchtigung unabhängig von der Intensität der Auswirkungen annimmt, ist die Bezugnahme des BVerwG aufSteinberg in E 74,124,132 und E 79, 318, 325 mißverständlich. 292

9 Buchncr

130 2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

Steinberg hat diese Auffassung unter Hinweis darauf, daß die kommunale Planungshoheit weniger als die Eigentumsgarantie einen gegenüber staatlichen Eingriffen grundsätzlich unantastbaren Bereich darstelle, sondern von der Befugnis zu staatlichen Fachplanungen überlagert sei, aufgegebenen und hält nunmehr mit der Rspr. des BVerwG qualifizierte Auswirkungen zur Begründung eines subjektiven Rechts für erforderlich 297 • Im Schrifttum wird jedoch unverändert vertreten, daß bei der Überplanung von Gemeindegebiet mit einer Fachplanung die kommunale Planungshoheit unabhängig von der Schwere der Beeinträchtigungen wehrfahig sei 298 • dd) Stellungnahme

Aufgrund der Befugnis des Gesetzgebers, die kommunale Selbstverwaltung durch allgemeine gesetzliche Regelungen auszugestalten, bestimmt sich die Wehrfahigkeit der kommunalen Planungshoheit primär nach den gesetzlichen Vorschriften, soweit diese mit Art. 28 Abs. 2 S. I GG vereinbar sind. Von diesem Ausgangspunkt her legt das BVerwG § 2 Abs. 2 BauGB wegen der ausdrücklichen Anordnung einer Abstimmungspfticht für die Bauleitplanung benachbarter Gemeinden konsequent als spezifische Schutznorm zugunsten der gemeindlichen Planungshoheit aus, die ein subjektives Recht auch unabhängig vom Vorhandensein einer konkreten Planung der Gemeinde begründet. Im Gegensatz zu § 2 Abs. 2 BauGB enthielten sich die §§ 7 und 38 BauGB a.F. dagegen gerade einer materiellen Regelung der Berücksichtigung der kommunalen Planung in den Fachplanungsentscheidungen, so daß sie nicht als dem Schutz der gemeindlichen Planungshoheit dienende Normen ausgelegt werden konnten. Nach der Neufassung des § 38 BauGB ist nunmehr die Beteiligung der Gemeinde und die Berücksichtigung der städtebaulichen Belange ausdrücklich angeordnet. Es spricht daher vieles dafür, § 38 BauGB als Schutznorm für die gemeindliche Planungshoheit auszulegen. Dies bedeutet jedoch nicht, daß der durch § 38 BauGB eingeräumte Schutz weiter reicht als der aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG folgende Schutz der komunalen Planungshoheit299 • Denn der Gesetzgeber wollte mit der Neufassung des § 38 BauGB die Voraussetzungen, unter denen eine Fachplanung gegen widerstreitende gemeindliche Interessen durchgesetzt werden kann, nicht verändern. Die Neufassung des § 38 BauGB sollte 296 Stein berg, DVBI. 1982, 13, 15, 17 f.; ebenso für faktische Beeinträchtigungen der Planungshoheit durch bergrechtliche Betriebspläne Schenke, S. 71. 297

Steinberg, Fachplanung, § 7 Rn. 76 mit Fn. 167 (S. 343).

298

Würtenberger, BayVBI. 1982, 673, 674 f.; Funk-Draschka, S. 92 ff.

299 Vgl. zu § 54 Abs. 2 S. 1 BBergG als einer Schutznorm, deren Schutz zugunsten der Planungshoheit nicht weiter reicht als der Schutz der gemeindlichen Planungshoheit "allgemein und insbesondere im Fachplanungsrecht", BVerwG, B. v. 15.7.1994 - 4 B 102.94 -, DVBI. 1994, 1152, 1153.

C. Verfassungsrechtliche Gewährleistung der kommunalen Planungshoheit

13 1

vielmehr - wie bereits dargelegt300 - lediglich eine KlarsteIlung der Voraussetzungen der Privilegierung der Fachplanungen im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Bedenken erreichen, die wegen der Einbeziehung der Anlagengenehmigung für öffentlich zugängliche Abfallentsorgungsanlagen nach dem BlmSchG entstanden waren. Mit der ausdrücklichen Anordnung der Berücksichtigung städtebaulicher Belange sollte insbesondere nicht eine Regelung geschaffen werden, deren Schutz weiter reichen sollte als der aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG folgende Schutz der kommunalen Planungshoheit. Auch die gesetzliche Verankerung des Abwägungsgebots in den Fachplanungsgesetzen, die die Berücksichtigung gemeindlicher Belange ennöglicht, kann, wie Lerche zu Recht ausgeführt haeo l , nicht als spezifische Schutznonn zugunsten der kommunalen Planungshoheit angesehen werden. Zwar entnimmt das BVerwG dem Abwägungsgebot zugunsten von Bürgern, die in eigenen Belangen betroffen werden, ein subjektives Recht auf gerechte Abwägung der privaten Belange302 • Diese Rspr., die im Ergebnis die Klagebefugnis i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO auf die an sich nur nach § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO a.F. zulässige Geltendmachung von Nachteilen erweitert303 , wurde aber bisher nicht auf die kommunale Planungshoheit als öffentlicher Belang übertragen 304 • Dafür besteht auch keine Veranlassung. Denn es besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß der Gesetzgeber mit der gesetzlichen Verankerung des Abwägungsgebots den Schutz der Gemeinden über das unmittelbar verfassungsrechtlich durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gewährleistete Maß hinaus erweitern wollte. Andererseits ist den gesetzlichen Regelungen auch nicht zu entnehmen, daß die Gemeinden ihre Planungshoheit gegenüber Fachplanungen nicht oder nur unter qualifizierten Voraussetzungen gelten machen können. Hat der Gesetzgeber aber weder durch die gesetzlichen Verankerung des Abwägungsgebotes in § 18 AEG noch durch die Neufassung des § 38 BauGB eine eigenständige Regelung der Wehrfähigkeit der kommunalen Planungshoheit geschaffen, ist zur Bestimmung des Schutzes der gemeindlichen Planungshoheit unmittelbar auf die Selbstverwaltungsgarantie zurückzugreifen. Da Art. 28 300

Siehe oben 2. Kapitel, B.III.1.

301

Lerche, FS BayVGH, S. 223,234 f.

302

Grundlegend BVerwG, Urt. v. 14.2.1975 - IV C 21.74 -, E 48,56,66.

Johlen, DÖV 1989, 204, 205 f.; kritisch zur Ableitung eines subjektiven Rechts aus dem Abwägungsgebot Wahl/Schütz, in: Schach / Schmidt-Aßmann I Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 257 ff.; Gaentzsch, FS fiir Schlichter, S. 525 f.; Steinberg, FS rur Schlichter, S. 599,605 ff. Nachdem nunmehr auch die Normenkontrolle nach § 47 VwGO nur bei der möglichen Verletzung eigener Rechte i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO zulässig ist, ist eine Korrektur dieser Rspr. zu erwarten. 304 Dagegen auch Steinberg, § 7 Rn. 81 mit Fn. 195 (S. 347). Offen gelassen ist ein subjektives Recht auf Abwägung gemeindlicher Belange in BVerwG, Urt. v. 27.10.1999 - 11 A 10.98 -, UPR 1999, 146, 147. 30)

132 2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

Abs. 2 S. I GG ein subjektives Recht ist, bietet es sich - wie von Lerche und Steinberg vorgeschlagen - an, für die Bestimmung der notwendigen Eingriffsintensität zwischen unmittelbaren und mittelbaren Eingriffen in das Selbstverwaltungsrecht zu unterscheiden. Maßgeblich für die Abgrenzung mittelbarer und unmittelbarer Eingriffe sind nicht abstrakte Abrenzungstheorien, sondern die konkrete Bestimmung des Schutzbereichs i.S.d. Gefahrdungslage, vor der die verfassungsrechtliche Bestimmung schützen so1l305: Verfassungsrechtlich gewährleistet ist die eigenverantwortliche Planung der örtlichen Angelegenheiten mit Bodenbezug. Das Gemeindegebiet ist Gegenstand und Voraussetzung dieser Planung, aber nicht selbst Teil der Planungshoheit. Art. 28 Abs. 2 S. I GG schützt die Gemeinde daher - anders als Art. 14 Abs. I GG den Eigentümer eines Grundstückes - grundsätzlich gerade nicht vor der schlichten Inanspruchnahme ihres Gemeindegebietes für Zwecke der Fachplanung. Deshalb ist die Überplanung von Gemeindegebiet mit der eisenbahnrechtlichen Fachplanung als solche, d.h., ohne daß eine konkrete, vorhandene Planung der Gemeinde infolge des Vorrangs der Fachplanung angepaßt werden müßte, nicht als unmittelbarer, sondern lediglich als mittelbarer Eingriff in die kommunale Planungshoheit zu qualifizieren. Gegen die schlichte Überplanung von Gemeindegebiet als bloße Situationsänderung vermittelt die kommunale Planungshoheit daher nur ein Abwehrrecht, wenn sie schwere und unerträgliche Auswirkungen für die betroffene Gemeinde hat. Solche schwerwiegenden Auswirkungen hat wohl auch das BVerwG im Blick, wenn es die Wehrfahigkeit der Planungshoheit im Fall des Fehlens einer konkreten gemeindlichen Planung davon abhängig macht, daß ein großräumiges Vorhaben wesentliche Teile des Gemeindegebiets der kommunalen Planungshoheit entziehe06 • Die entgegengesetzte Auffassung, die die Inanspruchnahme von Gemeindegebiet für ein nach Fachgesetzen zu planendes Vorhaben unabhängig von der Existenz einer konkreten gemeindlichen Planung als unmittelbaren Eingriff in die Planungshoheit wertet307 , führt demgegenüber zu einer völligen Ausuferung des Schutzes der kommunalen Planungshoheit. Sie hätte nämlich zur Folge, daß die Gemeinde gegen jede Fachplanung auf ihrem Gemeindegebiet klagebefugt wäre. Diese Auffassung wird im übrigen der bei der rechtlichen Bewertung zu berücksichtigenden Tatsache nicht gerecht, daß die Inanspruchnahme des Gemeindegebiets für die Zwecke der eisenbahnrechtlichen Fachplanung mangels gemeindefreier Gebiete nahezu unumgänglich ise08 . Aus diesem Grund muß das 305 Vgl. zur Abgrenzungsproblematik bei mittelbaren Grundrechtseingriffen Jarass / Pieroth, Vorb. vor Art. 1 Rn. 27 m.w.N. 3% Siehe nur BVerwG, Urt. v. 12.12.1996 -4 C 14.95 -, GewArch. 1997,301 m.w.N.

307 Funk-Draschka, S. 96 f.; früher Stein berg, DVBI. 1982, 13, 15 u. 17 f.; Würtenberger, BayVBI. 1982, 673, 676 f., will ein Abwehrrecht bei der Überplanung von Gemeindegebiet dann gewähren, wenn die Fachplanung rechtswidrig ist (!). 30M Siehe oben 2. Kapitel, A.

C. Verfassungsrechtliche Gewährleistung der kommunalen Planungshoheit

133

Gemeindegebiet den verschiedenen Trägem bodenbezogener Planung grundsätzlich gleichermaßen zur Verfügung stehen. Deshalb kann nicht jede Überplanung von Gemeindegebiet, die die Ausgangsbedingungen für eine spätere gemeindliche Planung verändert, bereits einen Eingriff in die kommunale Planungshoheit darstellen. Ist aber eine Bauleitplanung oder sonstige hinreichend konkrete Planung der Gemeinde vorhanden und muß diese gern. §§ 7 S. 4, 38 S. 3 BauGB an die vorrangige Fachplanung angepaßt oder aufgehoben werden, so wird zielgerichtet in die inhaltliche Autonomie der betroffenen Gemeinde bei der Planung eigener Angelegenheiten eingegriffen. In diesem Fall liegt ein unmittelbarer Eingriff in die eigenverantwortliche AufgabenerIedigung vor, und zwar unabhängig davon, ob das Vorhaben, an das die gemeindliche Planung anzupassen ist, auf dem Gebiet der betroffenen Gemeinde oder einer Nachbargemeinde liegt. Ebensowenig wie für einen unmittelbaren Grundrechtseingriff kann bei einem solchen unmittelbaren Eingriff in die gemeindliche Planungshoheit eine besondere Intensität der Beeinträchtigung Voraussetzung der Wehrfähigkeit sein. Insbesondere vermag die Überlegung, daß die Träger der privilegierten Fachplanung der Gemeinde übergeordnet seien, dieses Erfordernis nicht zu rechtfertigen. Diese Überordnung ergibt sich erst aus der gesetzlichen Vorrangregelung zugunsten der sog. privilegierten Fachplanungen. Da die §§ 7 u. 38 BauGB hinsichtlich der Wehrfähigkeit der kommunalen Planungshoheit gerade keine Regelung treffen, kann nicht mit dem Argument der Überordnung eine Einschränkung der Wehrfähigkeit der kommunalen Planungshoheit begründet werden. Im übrigen erscheint es bei wertender Betrachtung verfehlt, im Fall der Beeinträchtigung einer konkreten Planung der Gemeinde gleichermaßen wie bei der schlichten Inanspruchnahme von Gemeindegebiet eine besondere Eingriffsintensität zur Voraussetzung der Wehrfähigkeit der Planungshoheit zu machen. Wie bedeutsam die erforderlichen Anpassungen etc. der gemeindlichen Planung sind, kann deshalb bei einem unmittelbaren Eingriff in die Planungshoheit nur für die Gewichtung der gemeindlichen Belange in der Abwägung eine Rolle spielen30'l. Besteht dagegen keine Anpassungsverpflichtung für eine gemeindliche Planung nach §§ 7 S. 4, 38 S. 3 BauGB, liegt kein unmittelbarer Eingriff in die Planungshoheit vor. Gegen bloße Situationsänderungen schützt Art. 28 Abs. 2 S. I GG die gemeindliche Planungshoheit - wie schon für den Fall der schlichten Überplanung von Gemeindeflächen durch eine Fachplanung dargelegt - nur dann, wenn besondere Umstände hinzutreten, etwa die Intensität der Umfeldänderungen der Gemeinde weitere eigene Planungen nahezu unmöglich macht. In diesem Sinne hat das BVerwG zu recht einen Eingriff in die Planungshoheit durch Änderungen des Schienennetzes abgelehnt, die sich auf das fahrplanmäßige Schienenverkehrsangebot in einer Gemeinde auswirken3Jo • Das BVerwG J()'j

Dazu näher 2. Kapitel, D.1.2.b).

JIO

BVerwG, Urt. v. 27.10.1998 - 11 A 10.98 -, UPR 1999, 146, 147.

134 2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit nimmt einen Eingriff in die Planungshoheit in diesem Fall mit Recht nur dann an, wenn das Gemeindegebiet oder Teile davon nachhaltig betroffen sind311 •

D. Die Berücksichtigung der kommunalen Planungshoheit bei der Eisenbahnplanung I. Kommunale Planungshoheit und Planfeststellung Für die Berücksichtigung der kommunalen Planungshoheit bei der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung ergibt sich unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 28 Abs. 2 S. I GG im einzelnen folgendes:

1. Die Beteiligung der Gemeinde im Planfeststellungsverfahren a) Behördenbeteiligung gern. § 73 Abs. 2 VwVfG

Art. 28 Abs. 2 S. I GG verlangt, daß die betroffene Gemeinde vor dem Eingriff angehört wird. Diese verfassungsrechtliche Vorgabe wird in der einfachgesetzlichen Regelung der Privilegierung in § 38 S. 2 BauGB klarstellend wiederholt. Im Planfesstellungsverfahren wird dem Anhörungserfordemis durch § 73 Abs. 2 VwVfG Rechnung getragen, wonach die Anhörungsbehörde die Stellungnahme der Behörden einzuholen hat, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird. Denn gemeindliche Planungen im Bereich der Selbstverwaltungsangelegenheiten, insbesondere die Bauleitplanung gern. § 2 Abs. I S. I BauGB, sind Teil des Aufgabenbereichs der Gemeinden als Träger öffentlicher Verwaltung, so daß die Gemeinden als Behörden zu beteiligen sind 312 • In ihrem Aufgabenbereich "berührt" i.S.d. § 73 Abs. 2 VwVfG ist eine Gemeinde nicht nur dann, wenn eine tatsächliche Beeinträchtigung der Planungshoheit feststeht. Denn Sinn und Zweck des Anhörungsverfahrens ist es gerade auch, der Planfeststellungsbehörde eine umfassende Informationsgrundlage für ihre Entscheidung zu verschaffen. Dementsprechend ist bei der Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals großzügig zu verfahren 313 . Für ein Berühren der kommunalen Planungshoheit reicht es deswegen aus, daß eine Gemeinde im Einwirkungsbereich des geplanten Vorhabens liegt. Als Behörden haben die Gemeinden eine Stellungnahme zu dem eingereichten Plan innerhalb der von der Anhörungsbehörde gern. § 20 Abs. I Nr. I AEG gesetzten Frist von längstenfalls drei Monaten abzugeben; Stellungnahmen, die 311

BVerwG, B. v. 18.9.1998 - 4 VR 11.98 -, NuR 1999,631.

m Knack I Busch, 6. Aufl., § 73 Anm. 5.1.1. -'l)

UlelLauhinger, § 40 Rn. 13; KopplRamsauer, § 73 Rn. 23.

D. Kommunale Planungshoheit bei der Eisenbahnplanung

l35

nach dem Erörterungstermin eingehen, müssen gern. § 20 Abs. 2 S. 2 AEG nicht mehr berücksichtigt werden. b) Beteiligung gern. § 73'Abs. 4 VwVfG?

aa) Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Nach der Rspr. des BVerwG sind die Gemeinden wegen möglicher Beeinträchtigungen ihrer Planungshoheit aber auch als Einwendungsberechtigte bzw. Betroffene nach § 73 Abs. 4 VwVfG zu beteiligenJl4 • Die Beteiligung der Gemeinden als Behörden und die Betroffenenbeteiligung soll dabei selbständig nebeneinander stehen, und zwar gerade auch dann, wenn sowohl die Behördenbeteiligung als auch die Betroffenenbeteiligung wegen einer möglichen Beeinträchtigung der Planungshoheit erfolgt. Nur im Rahmen der Betroffenenbeteiligung soll die Planungshoheit als eigener Belang geltend gemacht werden können. Daraus folgt nach der Rspr. des BVerwG, daß die Gemeinde bei Versäumung der Einwendungsfrist der Betroffenenbeteiligung gern. § 20 Abs. 2 S. 1 AEG mit ihrem aus der Beeinträchtigung der Planungshoheit folgenden eigenen Belang materiell präkludiert ist und diesen auch im Klagewege nicht mehr geltend machen kann. Die Stellungnahme der Gemeinde im Rahmen der Behördenbeteiligung reicht nach Auffassung des BVerwG jedenfalls dann nicht zur Fristwahrung aus, wenn sie nach Ablauf der Einwendungsfrist der Betroffenenbeteiligung erfolgt ist3l5 • bb) Kritik Die Auslegung der Beteiligungsvorschriften durch das BVerwG erscheint auf den ersten Blick als konsequent, weil das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden subjektiv-rechtlich gewährleistet ist. Da Art. 28 Abs. 2 S. I GG den Gemeinden die Klagebefugnis wegen der Verletzung eigener Rechte i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO verleiht, müßte die Planungshoheit erst recht ein Belang i.S.d. § 73 Abs. 4 S. I VwVfG sein. Denn der Begriff des Belangs i.S.d. § 73 Abs. 4 VwGO ist weiter als deIjenige des Rechts i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO JI6 • .114 BVerwG, Urt. v. 12.2.1997 - 11 A 62.95 -, DVBI. 1997, 725; BVerwG, B v. 9.2. 1996 - 11 VR 45.95 -, DÖV 1996, 514 f.; dem folgend VGH Mannheim, Urt. v. 9.5. 1997 - 5 S 1585/95 -, NVwZ-RR 1998, 771, 772; ebenso Kopp/Ramsauer, § 73 Rn. 63 f.; Wahl/Dreier, NVwZ 1999,606,612.

m BVerwG, Urt. v. 12.2.1997 -11 A 62.95 -, DVBI. 1997,725; BVerwG, B v. 9.2. 1996 - 11 VR 45.95 -, DÖV 1996, 514; Gerichtsbescheid v. 27.12.1995 - 11 A 24.95 -, Buchholz 442.09 § 20 AEG Nr. 4, S. 5 ff.; B. v. 13.3.1995 - 11 VR 2.95 -, UPR 1995, 268 f.; vgl. auch BVerwG, B. v. 18.9.1995 - 11 VR 7/95 -, NVwZ 1996,399,400; zustimmend Wahl/Dreier, NVwZ 1999,606,612. 316

Ule/Laubinger, § 40 Rn. 30; Kopp/Ramsauer, § 73 Rn. 57.

136 2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

Gleichwohl ist die Beteiligung der Gemeinden nach § 73 Abs. 4 VwVfG wegen einer möglichen Beeinträchtigung der Planungshoheit abzulehnen: Befremdlich muten bereits die praktischen Konsequenzen einer solchen Beteiligung als Einwender an. Denn gern. § 73 Abs. 4 S. I VwVfG können Einwendungen auch bei der Gemeinde erhoben werden, in der der Plan wegen seiner voraussichtlichen Auswirkungen (§ 73 Abs. 3 S. I VwVfG) ausgelegen hat. Nicht selten könnte die in ihrer Planungshoheit betroffene Gemeinde ihre Einwendungen also bei sich selbst als planauslegende Gemeinde erheben3l7 • Das BVerwG hält dies für unerheblich, da der Gesetzgeber nicht gehindert sei, Insichgeschäfte zu gestatten 3l8 • Die - unbestrittene - Befugnis des Gesetzgebers, derartige Insichgeschäfte zu gestatten, liefert jedoch noch kein Argument dafür, daß mit § 73 Abs. 4 S. I VwVfG tatsächlich eine solche Regelung getroffen worden ist und die Gemeinden deshalb wegen ihrer Planungshoheit Einwendungen erheben müßten. Einer Geltendmachung der kommunalen Planungshoheit im Wege der Einwendung steht vielmehr entgegen, daß das VwVfG systematisch zwischen Stellungnahmen der Behörden gern. § 73 Abs. 2 VwVfG und Einwendungen gern. § 73 Abs. 4 VwVfG unterscheidet. Während die Behörden ihre Stellungnahme als Teil der öffentlichen Verwaltung im Interesse der Allgemeinheit in das Verfahren einbringen, dienen Einwendungen der Wahrung eigener, nicht aber öffentlicher Interessen3l9 • Diese systematische Differenzierung liegt nicht nur § 73 VwVfG zugrunde, sondern wird auch in weiteren Vorschriften des Planfeststellungsrechts fortgesetzt: So sind gern. § 74 Abs. 2 S. 2 VwVfG Schutzanordnungen zum Wohl der Allgemeinheit von solchen zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer zu trennen und gern. § 18 Abs. I S. 2 AEG sind öffentliche und private Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Nun sind die Gemeinden zwar eigenständige juristische Personen des öffentlichen Rechts, deren Selbstverwaltungsaufgaben durch subjektive Rechte geschützt sind. Nichts desto trotz werden die Gemeinden bei der Ausübung ihrer Planungshoheit aber hoheitlich tätig, indem sie in ihrem Aufgabenbereich Kompetenzen wahrnehmen. Die Verwaltungstätigkeit im Bereich der Selbstverwaltungsangelegenheiten erfolgt im Interesse der örtlichen Gemeinschaft, mit anderen Worten zum Wohl der (örtlichen) Allgemeinheit. Der subjektiv-rechtliche Schutz der Selbstverwaltung ändert an dieser Qualifizierung der gemeindlichen Aufgabenwahrnehmung nichts. Im Rahmen der Abwägung ist die gemeindliche Planungshoheit nach der Rspr. des BVerwG denn auch als öffentlicher Belang zu berücksichtigen und Schutzanordnungen - auf die noch zurückzukommen sein wird - ergehen zum Wohl der Allgemeinheif 20 • )17 Zu einer solchen Konstellation kann es allerdings auch dann kommen, wenn die Gemeinde in ihrem Privateigentum betroffen ist. )IR BVerwG, Urt. v. 12.2.1997 - 11 A 62.95 -, DVBI. 1997,725. )19

Vle / Laubinger, § 40 Rn. 30; Kopp / Ramsauer, § 73 Rn. 23.

D. Kommunale Planungshoheit bei der Eisenbahnplanung

137

Die Doppelbeteiligung der Gemeinde wegen der Beeinträchtigung ihrer Planungshoheit sowohl nach § 73 Abs. 2 VwVfG als auch nach § 73 Abs. 4 VwVfG wäre vor diesem Hintergrund nur zu rechtfertigen, wenn im Anhörungsverfahren - im Gegensatz zu den oben geschilderten sonstigen gesetzlichen Regelungen - keine Trennung zwischen öffentlichen und privaten Interessen vorgesehen wäre. Darur besteht jedoch keinerlei Anhaltspunkt. Vielmehr sind die Frist rur die Behördenstellungnahme und die Folgen der Fristversäumung in § 20 Abs. 1 Nr. 1 AEG und § 20 Abs. 2 S. 3 AEG gerade eigenständig geregelt. Gern. § 20 Abs. 2 S. 3 AEG müssen nach dem Erörterungstennin eingehende Stellungnahmen der Behörden bei der Feststellung des Plans nicht berücksichtigt werden, es sei denn, die Belange sind der Planfeststellungsbehörde ohnehin bekannt oder hätten ihr bekannt sein müssen. § 20 Abs. 2 S. 3 AEG enthält also eine eigenständige Präklusionsregelung rur Behördenstellungnahmen 321 • Die eigenständige Frist- und Präklusionsregelung wäre rur alle Fälle, in denen öffentliche Belange zugleich klageHihige Rechte verleihen, überflüssig, wenn rur die spätere Klagemöglichkeit allein die Betroffenenbeteiligung gern. § 73 Abs. 4 VwVfG und die Präklusion nach § 20 Abs. 2 S. 1 AEG maßgeblich bliebe. Wegen einer möglichen Beeinträchtigung ihrer Planungshoheit ist die betroffene Gemeinde deshalb ausschließlich als Behörde gern. § 73 Abs. 2 VwVfG zu beteiligen. 2. Kommunale Planungshoheit und materielle Rechtmäßigkeit a) Planrecbtfertigung

Eingriffe in die Planungshoheit einzelner Gemeinden müssen schutzwürdigen überörtlichen Interessen dienen 322 Ein überörtliches Interesse wird bei der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung nach dem AEG in erster Linie das Bedürfnis rur überörtliche Verkehrsverbindungen öffentlicher Eisenbahnen darstellen. Ob ein solches Verkehrsbedürfnis tatsächlich besteht, muß wegen des Eingriffs in Art. 28 Abs. 2 S. I GG im Einzelfall festgestellt werden. Mithin muß auch mit 320 Zur Berücksichtigung der Planungshoheit als Allgemeinwohlbelang bei der abfallrechtlichen Planfeststellung: BVerwG, Urt. v. 27.3.1992 - 7 C 18.91 -, E 90, 96, 100 rn.w.N.; BVerwG, Urt. v. 24.11.1994-7 C 25.93-, E 97,143,153; zu Schutzanordnungen gern. § 17 Abs. 4 FStrG a.F.: BVerwG, Urt. v. 21.5.1976 -IV C 38.74 -, E 51, 6, 14 f. 321 Repkewitz, VerwArch. 1997, 137, 148 ff.; zur Vorläuferregelung in § 3 Abs.4 Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz, Sendler, S. 9 ff.

322 Diese verfassungsrechtliche Vorgabe aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG wird in § 38 S. 1 BauGB aufgenommen, indem die Privilegierung auf Vorhaben "von überörtlicher Bedeutung" beschränkt wird.

138 2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

Rücksicht auf Eingriffe in die kommunale Planungshoheit die Planrechtfertigung geprüft werden323 . Dient ein Eisenbahnvorhaben ausnahmsweise ausschließlich privaten Interessen und ist es mit der kommunalen Planung nicht vereinbar, scheitert die Planung deshalb an der gemeindlichen Planungshoheit als entgegenstehendem öffentlichen Belang. b) Abwägung

Die kommunale Planungshoheit ist als öffentlicher Belang in die Abwägung einzustellen324 • Art. 28 Abs. 2 S. I GG schützt die Selbstverwaltung zwar als subjektives Recht; gleichwohl nehmen die Gemeinden aber auch im Bereich ihrer eigenen Angelegenheiten öffentliche Aufgaben wahr, so daß die Planungshoheit als Ausschnitt des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinde kein privater Belang i. S. des § 18 Abs. I S. 2 AEG sein kann. Bei der Abwägung muß die Planfeststellungsbehörde von den vorhandenen Bauleitplänen bzw. sonstigen hinreichend konkretisierten Planungsabsichten ausgehen; eigene bauplanerische Vorstellungen darf die Fachplanungsbehörde mangels entsprechender Kompetenz nicht entwickeln32S • Die kommunale Planungshoheit ist lediglich einer der gemäß § 18 Abs. I S. 2 AEG in die Abwägung einzustellenden Belange. Sie kann als der Planung entgegenstehender öffentlicher Belang in der Abwägungsentscheidung überwunden werden. Da für Eingriffe in die Planungshoheit einzelner Gemeinden der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gilt und das Abwägungsgebot diesem nach der Rspr. des BVerwG in spezifischer Weise Rechnung trägt326, dürfen die gemeindlichen Belange in der Abwägung nur dann zurückgestellt werden, wenn die schutzwürdigen überörtlichen Interessen von höherem Gewicht dies erfordern. In der Abwägung müssen die als Teil der Planungshoheit geschützten Belange der Gemeinde deshalb richtig gewichtet, d.h. mit dem "ihnen zukommenden Gewicht"327 in die Abwägung eingestellt werden. Die Bedeutung der gemeindlichen Belange wächst dabei mit zunehmendem Konkretisierungsgrad und steigender Verbindlichkeit der Planungen; so hat ein normativ unverbindlicher Gemeinderatsbeschluß geringeres Gewicht als ein rechtsverbindlicher Bebauungsplan, der im Planungsverfahren mit den Trägem öffentlicher Belange abgem Offen gelassen in VGH Mannheim, Vrt. v. 26.10.1989 - lOS 2177/88 -, NVwZ 1990,487,489 (AbfG). 324 BVerwG, Vrt. v. 27.3.1992 -7 C 18.91 -. E 90, 96, 100 (AbfG). m BVerwG, Vrt. v. 18.5.1990 - 7 C 3.90 -, E 85, 155, 161. 326 BVerwG, Vrt. v. 23.1.1981 - 4 C 4.78 -. E 61, 295, 301. m BVerwG, B. v. 9.2.1996 - 11 VR 45.95 -, DÖV 1996,514,515; BVerwG, Vrt. v. 4.5.1988 - 4 C 22.87 -, E 79, 318, 325.

D. Kommunale Planungshoheit bei der Eisenbahnplanung

139

stimmt wurde 328 • Einfluß auf die Gewichtung der Planungshoheit hat zudem die Intensität der erwarteten Beeinträchtigung der kommunalen Planungen329 • Im Ergebnis wird (allein) das lokale öffentliche Interesse am völligen Unterbleiben der Überplanung von Gemeindegebiet das überörtliche öffentliche Interesse am Bau einer öffentlichen Eisenbahnanlage allerdings kaum überwiegen können. Bedeutsam ist deshalb die Möglichkeit der Gemeinde, bereits vor der Einleitung des Planfeststellungsverfahrens mit ihrer Planung eigene Vorstellungen hinsichtlich des Trassenverlaufs einer Eisenbahnlinie bzw. des Standorts eines Bahnhofs etc. im Gemeindegebiet zu entwickeln. Im Flächennutzungsplan kommt zu diesem Zweck die Darstellung von Versorgungseinrichtungen gern. § 5 Abs. 2 Nr. 2 BauGB, von Flächen für Schutzvorkehrungen gegen schädliche Umwelteinwirkungen gern. § 5 Abs. 2 Nr. 6 BauGB sowie insbesondere von Flächen für den überörtlichen Verkehr gern. § 5 Abs. 2 Nr. 3 BauGB, die auch Flächen für Trassen und Anlagen der Eisenbahn beinhaltet330 , in Betracht. Im Bebauungsplan können zur Planung von Eisenbahnbetriebsanlagen Festsetzungen gern. § 9 Abs. I Nr. 5, 11, 13 und 24 BauGB erfolgen. Da der Bebauungsplan die eisenbahnrechtliche Planfeststellung nicht ersetzt)) I , liegt die Funktion der Darstellung bzw. Festsetzung entsprechender Flächen in der Freihaltung entsprechender Flächen für die spätere eisenbahnrechtliche Planfeststellung i.S.e. Angebotsplanung332 • Liegt eine entsprechende, mit der Bauleitplanung für das übrige Gemeindegebiet abgestimmte Planung vor, kommt ihr in der Abwägung, insbesondere bei der gebotenen Alternativenprüfung, erhebliche Bedeutung zu.

]ZR Instruktiv VerfGH NW, Urt. v. 9.2.1993 - VerfGH 18/91,2/92 -, NWVBI. 1993, 170, 171 (zum Gewicht der gemeindlichen Planungen gegenüber Gebietsentwicklungsplänen); s. auch Ronellenfitsch, VerwArch. 1999, 467, 584.

329 Vgl. z.B. VGH Mannheim, Urt. v. 26.10.1989 - lOS 2177 / 88 -, UPR 1990, 308, 310 (abfallrechtliche Planfeststellung).

))() Bielenherg, in: Ernst / Zinkahn / Bielenherg, § 5 Rn. 30; Grauvogel, in: Brügelmann, § 5 Rn. 57 f.; Gaentzsch, in: Schlichter/Stich, § 5 Rn. 27. ))1 Siehe oben 2. Kapitel, A. JJ2 Gierke, in: Brügelmann, § 9 Rn. 458; Löhr, in: Battjs / Krautzherger / Löhr, § 9 Rn. 44; Schrödter, § 9 Rn. 52; Paetow, UPR 1990, 321, 325 f.; die Befugnis zu einer

solchen Flächenfreihaltung bestand bereits in den Aufbau- und Durchführungplänen nach den Aufbaugesetzen der Länder, Radecke / Rehling, in: Haustein, S. 339; offen gelassen wurde die Zulässigkeit der Flächenfreihaltung in BVerfG, Urt. v. 10.3.1981 - I BvR 92, 96/71 -, E 56, 249, 265 ("Dürkheimer Gondelbahn"), dazu Breuer, DVBI. 1981,971 ff.; Fromm, UPR 1983, 46 ff. Fraglich ist dagegen, ob auch eine sog. Alternativplanung zulässig ist, wenn bereits ein Planfeststellungsverfahren betrieben wird; in der sog. "B-42"-Entscheidung, BVerwG, Urt.v.18.1 0.1985 - 4 C 21.80 -, E 72, 172, 173 f., wird nämlich als Argument für Zulässigkeit einer solchen Planung auf die Ersetzung der Plan feststellung durch den Bebauungsplan gern. § 17 Abs. 3 FStrG hingewiesen, die im AEG gerade nicht vorgesehen ist.

140 2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

Teilweise wird sogar angenommen, daß den Gemeinden hinsichtlich des Trassenverlaufs im Gemeindegebiet eine sog. planungsrechtliche Ersetzungsbefugnis zukomme. Der überörtliche Planungsträger könne lediglich über das "Ob" der Planung entscheiden, während die Gemeinde das "Wie" der Planung im Ortsgebiet bestimme 333 . Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß Verhältnismäßigkeitserwägungen nicht zu einer Durchbrechung der Kompetenzordnung führen können. Für die Eisenbahnplanung als überörtliche Planung sind die Gemeinden aber auch dann nicht zuständig, wenn Gemeindegebiet in Anspruch genommen wird; Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verleiht der Gemeinde bei besonderen Auswirkungen staatlicher Aufgaben ausnahmsweise ein Befassungsrecht, nicht aber eine Erledigungskompetenz334 . Den Gemeinden kann daher nicht die Letztentscheidungsbefugnis über den Trassenverlauf im Gemeindegebiet zugebilligt werden. Wird eine Gemeinde (lediglich) mit ihren benachbarten Planungen betroffen, können Eingriffe in die Planungshoheit durch SchutzaujIagen gern. § 74 Abs. 2 s. I VwVfG vermieden oder gemildert werden; auch für Eingriffe in die Planungshoheit bildet diese Norm eine durch gerechte Abwägung nicht überwindbare Grenze. Die betroffene Gemeinde hat also gegebenenfalls Anspruch darauf, daß dem Träger des Vorhabens zum Schutz ihrer Planungshoheit, d.h. zum Wohl der Allgemeinheit i. S. des § 74 Abs. 2 S. 2 1. Fall VwVfG, Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen auferlegt wird335 • Ein solcher Anspruch kommt beispielsweise dann in Betracht, wenn die von dem Vorhaben ausgehenden Lärmimmissionen in geplanten Wohngebieten die Zumutbarkeitsgrenze überschreiten336 , so daß die Planung der Gemeinde ohne Vorkehrungen zum Lärmschutz nicht mehr verwirklicht werden könnten.

11. Kommunale Planungshoheit und Plangenehmigung Wird eine Gemeinde möglicherweise in ihrer Planungshoheit betroffen, ist sie im Plangenehmigungsverfahren anzuhören. Zwar ist kein förmliches Verwaltungsverfahren für die Erteilung der Plangenehmigung vorgesehen. Dies ist jedoch nach Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG auch nicht erforderlich. In materieller 333 Dafür Brohm, Straßenplanung, S. 343, 368 ff., 372; ders., DÖV 1989,429,441; ders., Öffentliches Baurecht, § 12 Rn. 27; Würtenberger, BayVBI. 1982,673,676. 334

Siehe oben 2. Kapitel, C.Il.2.b) aa).

BVerwG, Urt. v. 21.5.1976 - IV C 38.74 -, E 51, 6, 13 ff.; Urt. v. 1.7.1988 - 4 C 49.86 -, E 80, 7, 9 (zu § 17 Abs. 4 S. 1 FStrG a.F.); ; vgl. auch Urt. v. 30.5.19844 C 58.81 -, E 69, 256, 261 f. (zu § 9 Abs. 2 LuftVG); Heinze, S. 112; Kühling, Fachplanungsrecht Rn. 291; Hoppe/Schlarmann, Rn. 130a; Stein berg, § 7 Rn. 90 (S. 350); Johlen, DÖV 1989,204,208; Sieg, S. 103, 123. 336 BVerwG, Urt. v. 1.7.1988 - 4 C 49.86 -, E 80, 7, 9 (zu § 17 Abs. 4 S. 1 FStrG a.F.); Muckei, NWVBI. 1992,233,237. 335

D. Kommunale Planungshoheit bei der Eisenbahnplanung

141

Hinsicht können die Ausführungen zur Bedeutung der Planungshoheit in der Plan fests teilung übertragen werden. Umstritten ist allerdings, ob die Erteilung einer Plangenehmigung bereits tatbestandlieh ausgeschlossen ist, wenn in die kommunale Planungshoheit eingegriffen wird. Denn eine Plangenehmigung darf gern. § 18 Abs. 2 S. 1 Nr. I AEG unter anderem dann nicht erteilt werden, wenn Rechte anderer beeinträchtigt werden. Mit Rücksicht auf das Abwehrrecht der Gemeinden gegenüber rechtswidrigen Eingriffen in ihre Planungshoheit wird vertreten, daß eine Plangenehmigung nicht ergehen dürfe, wenn das Vorhaben mit Eingriffen in die kommunale Planungshoheit verbunden sei 337 • Indessen dürfte diese Betrachtungsweise zu kurz greifen. Innerhalb der Tatbestandsvoraussetzungen für die Erteilung einer Plangenehmigung ist zwischen der Beeinträchtigung von Individualrechten gern. § 18 Abs. 2 S. I Nr. I AEG und der Berührung des Aufgabenbereichs der Träger öffentlicher Belange gern. § 18 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AEG zu unterscheiden. Diese Differenzierung entspricht derjenigen zwischen Schutzauflagen im Interesse des Wohls der Allgemeinheit und solchen zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer in § 74 Abs. 4 S. 2 VwVfG und knüpft an die Abgrenzung zwischen privaten und öffentlichen Belangen im Rahmen des Abwägungsgebots gern. § 18 Abs. I S. 2 AEG an. Ebensowenig wie in diesen Fällen die Planungshoheit als privater Belang in die Abwägung eingeht und Schutzauflagen zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer erfolgen, kann deshalb die Beeinträchtigung der Planungshoheit als Beeinträchtigung der Rechte Dritter i.S.d. § 18 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AEG betrachtet werden 338 • Auch wenn in die kommunale Planungshoheit eingegriffen wird, ist die Erteilung einer Plangenehmigung also nicht ausgeschlossen.

ll7

So zum Anwendungsbereich der Plangenehmigung im Verkehrswegeplanungsrecht

Ringel, S. 135 ff., 244; zu § 14 Abs. la BWaStrG: Friesecke, § 14 BWassStrG Rn. 67 mit Verweis auf Rn. 47. Nicht angesprochen wird diese Frage in BVerwG, Urt. v. 16.12. 1998 - 11 A 14/98 -, NVwZ-RR 1999, 296 f., wobei sich die klagende Gemeinde

gegen eine Plangenehmigung auch mit dem Argument zur Wehr setzte, es sei die falsche Verfahrensart - Plangenehmigungsverfahren statt Planfeststellungsverfahren - gewählt worden, was aber mangels Ergebniskausalität des Verfahrensfehlers nicht entscheidungserheblich war. m Pfeil, S. 173 f.

142 2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

E. Rechtsschutz I. Hauptsacheverfahren 1. Anfechtungsklage gegen den PIanfeststellungsbeschluß Begehrt eine Gemeinde die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder der Plangenehmigung, ist statthafte Klageart die Anfechtungsklage gern. § 42 Abs. 1 VwGO. Sachlich zuständig ist gern. § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 VwGO grundsätzlich das Oberverwaltungsgericht, es sei denn es handelt sich um ein Vorhaben, für das gern. § 5 Abs. 1 des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes das BVerwG erstinstanzlich zuständig ist. a) Ausschluß des Widerspruchsverfahrens

Ein Widerspruchsverfahren ist vor der Klageerhebung aufgrund gesetzlicher Bestimmung i.S.d. § 68 Abs. 1 S. 2 1. Fall VwGO nicht durchzuführen; für die Planfeststellung ergibt sich dies aus § 74 Abs. 1 S. 2 i.Y.m. § 70 Abs. 1 VwVfG, für die Plangenehmigung aus § 18 Abs. 2 S. 4 AEG. b) Klagebefugnis gern. § 42 Abs. 2 VwGO

Ist nicht ausgeschlossen, daß die Gemeinde entsprechend der oben im Rahmen der Abwägungserheblichkeit erörterten Voraussetzungen materiell in ihrer Planungshoheit betroffen ist und der Planfeststellungsbeschluß bzw. die Plangenehmigung sie rechtswidrig in der Planungshoheit verletzt, ist die Gemeinde i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Zusätzlich zu den bereits erörterten Fällen liegt eine Beeinträchtigung der Planungshoheit auch dann vor, wenn über ein Vorhaben, das objektiv der Bauleitplanung unterliegt, zu Unrecht im Planfeststellungsverfahren gern. § 18 AEG entschieden werden soll. Damit wird in die Planungskompetenz der Gemeinden eingegriffen. Grundsätzlich verleihen Kompetenzen allerdings keine eigenen Rechte, so daß keine Klagebefugnis besteht339 • Anders ist dies aber dann, wenn hinter der Kompetenz eigene Rechte stehen340 • Da die Planungskompetenz der Gemeinden subjektiv-rechtlich gesichert ist, können diese im Falle des Kompetenzübergriffs Anfechtungsklage erheben. Verschiedentlich wird außerdem angenommen, daß sich auch aus der Verletzung der Beteiligungsvorschriften im Verwaltungsverfahren eine Klagebefugnis 339 340

HoppelSchlarmanm, Rn. 127 f. Johlen, DÖV 1989, 204, 208.

E. Rechtsschutz

143

für die Gemeinde ergebe, die von einer möglichen materiellen Verletzung der Planungshoheit unabhängig sei 341 • Demgegenüber betont das BVerwG zu Recht, daß die Beteiligung im Planungsverfahren der bestmöglichen Verwirklichung der materiellen Rechte der Gemeinde dient. Obwohl die Beteiligungsvorschriften des Planfeststellungsverfahrensrecht auch nach Auffassung des BVerwG nicht ausschließlich objektives Recht darstellen, sondern auch dem Schutz der Gemeinde dienen, ergibt sich aus der Verletzung dieser drittschützenden Verfahrensvorschriften die Klagebefugnis grundsätzlich nur dann, wenn sich der Verfahrensfehler auf die Planungshoheit als materielles Recht ausgewirkt haben kann, d.h. die konkrete Möglichkeit einer anderen Entscheidung in der Sache ohne den Verfahrensfehler bestehf 42 • Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die Auslegung der Verfahrensvorschriften ergäbe, daß eine unabhängig vom materiellen Recht selbständig durchsetzbare Rechtsposition eingeräumt werden soll. Dies ist für das Beteiligungsrecht der Gemeinde im luftverkehrsrechtlichen Genehmigungsverfahren wegen der präjudiziellen Wirkung der Genehmigung für das nachfolgende Planfeststellungsverfahren anerkannt343 • Die verfahrensrechtlichen Regelungen des AEG und des VwVfG begründen ein solches, unabhängig von einer möglichen Verletzung materieller Rechte durchsetzbares subjektives Recht auf Beteiligung jedoch ebensowenig wie die Verfahrensvorschriften des FStrG und des WaStrG 344 •

341 Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 466; Steinberg, § 7 Rn. 5 (S. 318); Schenke, S. 107. 342 BVerwG, Urt. v. 16.12.1998 -11 A 14/98 -, NVwZ-RR 1999,296,297; BVerwG, Urt. v. 27.10.1998 - 11 A 10.98 -, NuR 1999, 634 (jeweils zum AEG); vgl. zum WaStrG: BVerwG, B. v. 15.10.1991-7 B 99.91 v. 7 ER 301.91-, Buchholz 445.5 § 17 WaStrG Nr. 2, S. 1 f.; deutlich auch BVerwG, Urt. v. 5.10.1990 - 7 C 55 und 56.89 -, E 85, 368, 375 zum Drittschutz des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens. Der 7. Senat differenziert insofern drei stufig zwischen rein objektiven Verfahrensvorschriften, subjektiv-rechtlichen Verfahrensvorschriften, die dem Schutz materieller Rechte dienen und subjektiv-rechtlichen Verfahrensvorschriften, die von materiellen Rechten unabhängige Rechte einräumen; Wahl/Schütz, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 73 ff., unterscheiden begrifflich hinsichtlich der subjektiven Verfahrensrechte zwischen absoluten und relativen Verfahrensrechten. 343

BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 40.86 -, E 81, 95, 106.

BVerwG, B. v. 15.10.1991 - 7 B 99.91 v. 7 ER 301.91 -, Buchholz 445.5 § 17 WaStrG Nr. 2, S. 2; zustimmend Wahl/Schütz, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 276. 344

144 2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit c) Kontrollumfang

Gern. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO hebt das Gericht den Verwaltungsakt auf, soweit er rechtswidrig ist und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt wird. Unterschiedlich beurteilt wird bei Eingriffen in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, ob jede Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses bzw. der Plangenehmigung zugleich eine Verletzung des Selbstverwaltungsrechts begründet, so daß eine objektive Rechtmäßigkeitskontrolle stattfinden müßte. Das Problem des gerichtlichen Kontrollumfangs bei Eingriffen in die Selbstverwaltungsgarantie wird sowohl tUr die Kommunalverfassungsbeschwerde gern. Art. 93 Nr. 4b GG als auch tUr den verwaltungsprozessualen Rechtsschutz diskutiert. Es entsteht nur dann, wenn in durch Art. 28 Abs. 2 S. I gewährleistete eigene Rechte der Gemeinde eingegriffen wird und muß deshalb strikt von der abzulehnenden sog. Kommunalverbandsklage, d.h. der Möglichkeit der Gemeinde, Rechte ihrer Einwohner als eigene Rechte geltend zu machen 34S, unterschieden werden. aa) Objektive Rechtmäßigkeitskontrolle? Überwiegend wird in der Literatur im Interesse eines effektiven Schutzes der kommunalen Selbstverwaltung eine Parallelisierung der gerichtlichen Kontrolldichte mit derjenigen bei Grundrechtseingriffen in dem Sinne betUrwortet, daß das Selbstverwaltungsrecht die Gemeinden vor jedem ungesetzlichen Eingriff schütze346 • Eine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle sei geboten, weil das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden verfassungsrechtlich in gleichem Umfang wie ein Grundrecht gewährleistet werde 347 und der Gesetzesvorbehalt des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG die Kommunen vor allen nicht gesetzlich gerechtfertigten Eingriffen schütze, so daß jeder objektiv rechtswidrige Eingriff zugleich das Selbstverwaltungsrecht verletze 348 •

34S Ablehnend zur Kommunalverbandsklage: Waechter, Kommunalrecht, Rn. 186; Stober, S. 113; Bickel, FS für v. Unruh, S. 1035, 1048 ff. 346 Hoppe, Rechtsschutz der kommunalen Selbstverwaltung, DVBI. 1995, 179, 185 f. m.w.N.; Pestalozza, FS v. Unruh, S. 1057, 1062-1065. 347 Schenke, S. 96 ff. 34M Hoppe, Rechtsschutz der kommunalen Selbstverwaltung, DVBI. 1995, 179, 185 f.; Schenke, S. 99; ebenso Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 467, aufgrund der Erwägung, daß die Gemeinden mit ihrer Planungshoheit ein eigenes absolutes Recht geltend machen könnten; dem folgend VGH Kassel, Urt. v. 23.11.1988 - 5 UE 1040/84 -, NVwZ 1989, 484, 486; Birk, NVwZ 1989, 905, 910; Wahl, NVwZ 1990, 923, 927; Schrädter, § 1 Rn. 27; Wahl; Schütz, in: Schoch; Schmidt-Aßmann; Pietzner, § 42 Abs. 2 Rn. 273; Runkel, in: Ernst; Zinkahn; Bielenberg, § 38 Rn 114.

E. Rechtsschutz

145

Das BVerwG hat die Frage, ob die Gemeinde bei Eingriffen in ihre Planungshoheit eine objektive Rechtmäßigkeitsprüfung beanspruchen kann, bisher nicht entschieden349 • Dagegen beschränkt das BVerfG den Prüfungsumfang beim parallel gelagerten Problem der Kommunalverfassungsbeschwerde seit jeher auf diejenigen verfassungsrechtlichen Anforderungen, die "das Bild der Selbstverwaltung mitzubestimmen geeignet sind"3$o.

Die Gemeinde kann demnach keine umfassende Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG eingreifenden Gesetzes erreichen. Dieser Auffassung ist, obwohl sie auf einer institutionellen Sichtweise beruht, auch dann zuzustimmen, wenn man Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als subjektivierte Kompetenznorm ansieht. Denn es widerspräche dem Charakter des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als Kompetenzvorschrift, bei einem Eingriff die objektive Rechtmäßigkeit zu prüfen. Der Umstand, daß die gemeindlichen Kompetenzen durch ein subjektives Recht geschützt werden, erweitert nicht den Umfang der von den Gemeinden zu wahrenden öffentlichen Interessen. Verfassungsrechtlich geschützt ist lediglich die eigenverantwortliche Regelung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Die Gemeinden können deshalb nicht die Verletzung sämtlicher Rechtsvorschriften rügen, die für die Aufgabenwahrnehmung anderer Hoheitsträger gelten. Es besteht kein Grund dafür, die fachgerichtliche Kontrolle von Eingriffen in das Selbstverwaltungsrecht weiter zu bestimmen als die verfassungsprozessuale. Die in ihrer Planungshoheit beeinträchtigte Gemeinde kann deshalb im Rahmen der Anfechtungsklage keine objektive Rechtmäßigkeitskontrolle eines Planfeststellungsbeschlusses bzw. einer Plangenehmigung erreichen351 • bb) Erweiterung des Kontrollumfangs durch das Abwägungsgebot Auch wenn man sich gegen eine objektive Rechtmäßigkeitsprüfung bei Eingriffen in die kommunale Planungshoheit ausspricht, bedeutet dies nicht notwen349 Offen gelassen in BVerwG, B. v. 26.11.1991 -7 C 16/89 -, NVwZ 1992,787, 788 (zur abfallrechtlichen Planfeststellung); offen gelassen auch durch VGH Mannheim, Urt. v. 26.10.1989 - 10 S 2177/88 -, UPR 1990, 308, 309; B. v. 8.12.1994 - 10 S 1305/94 -, NVwZ 1996, 281, 284 (ebenfalls zum Abfallrecht). Eine Entscheidung der Streitfrage ist auch nicht in BVerwG, Urt. v. 21.3.1996 - 4 C 26.94 -, E 100,388,395

enthalten, da es in dieser Entscheidung allein um die Frage ging, ob das Unterlassen der UVP als solches einen Eingriff in die Planungshoheit darstellt, nicht dagegen darum, ob die - anderweitig - in ihrer Planungshoheit beeinträchtigte Gemeinde auch das Unterbleiben der UVP rügen kann.

JSO BVerfD, B. v. 26.10.1994 - 2 BvR 445/91 -, E 91, 228, 242; B. v. 7.10.19802 BvR 584/76 u.a. -, E 56, 298, 310; Urt. v. 1.3.1952 - 1 BvR 267/51 -, EI, 167, 181; zustimmend Waechter, Kommunalrecht, Rn. 106 ff.; BerUt, DVBI. 1995,293,295 f. JSI Knack/Busch, 6. Aufl., § 74 Anm. 6.8.2.; Knack/Dürr, § 74 Rn. 135.

10 Buchncr

146 2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

digetweise, daß die Gemeinden ausschließlich die Nichtberücksichtigung der Planungshoheit in der Abwägung geltend machen können. Fraglich ist nämlich, ob nicht daraus ein etweitertes Rügerecht folgt, daß Eingriffe zu Lasten einzelner Gemeinden nur zur Verfolgung schutzwürdiger überörtlicher Interessen erfolgen dürfen, die die entgegenstehenden öffentlichen und privaten Interessen übetwiegen müssen: Das BVetwG beschränkt zwar den gerichtlichen Kontrollumfang bei Eingriffen in das aus dem Abwägungsgebot abgeleitete subjektiv-öffentliche Recht auf gerechte Abwägung der individuellen Belange darauf, daß diese eigenen Belange mit den entgegenstehenden öffentlichen Belangen gerecht abgewogen worden sind3s2 , während der Eigentümer eines mit enteignender Wirkung betroffenen Grundstücks grundsätzlich eine objektive Rechtmäßigkeitskontrolle verlangen kann 3s3 • Dieser Auffassung wird jedoch entgegengehalten, daß sie verkenne, daß die Abwägung nicht in einer zweipoligen Beziehung, sondern in einem vielpoligen Beziehungsgeftecht von öffentlichen und privaten Interessen stattfinde. Daher könne schon die Nichtberücksichtigung oder Fehlgewichtung eines Belanges das Abwägungsgebäude zusammenbrechen lassen3s4 • In der Tat ist es nicht nachvollziehbar, wie die Ausgewogenheit der Behandlung eines einzelnen, gegen das Vorhaben sprechenden Belangs durch eine Gegenüberstellung dieses Belangs mit den rur das Vorhaben sprechenden Belangen festgestellt werden sole ss • Der einzelne gegen das Vorhaben sprechende Belang wird nicht nur dann zu Unrecht zurückgestellt, wenn er für sich genommen nicht durch die fur das Vorhaben sprechenden Belange aufgewogen wird, sondern auch dann, wenn die rur das Vorhaben ins Feld geruhrten Belange die entgegenstehenden Belange insgesamt nicht übetwiegen. Die Prüfung des Abwägungsergebnisses auf eine Disproportionalität hin setzt deshalb zwingend eine Gesamtbetrachtung aller rur und gegen das Vorhaben sprechenden Belange voraus. Folglich kann jeder, dessen Rechte durch den Planfeststellungsbeschluß nachteilig betroffen sind, auch die nicht ordnungsgemäße Berücksichtigung sämtlicher öffentlicher und privater Belange rügen J56 • Dies gilt auch rur die in ihrer Planungshoheit betroffenen Gemeinden3S7 • 352 BVerwG, Vrt. v. 14.2.1975 - IV C 21.74 -, E 48, 56, 66; zustimmend Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 443 f.; Knack/Busch, 6. Aufl., § 74 Anm. 6.8.2 m.w.N. 353

BVerwG, Vrt. v. 18.3.1983 - 4 C 80.79 -, E 67, 74, 76 ff.

3'4 Gaentzsch, FS für Schlichter, S. 517, 535 f. (zum Schutz des Grundeigentums unabhängig von Art. 14 GG).

m Dies räumt auch Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 444 f., ein. 356 Schwabe, NJW 1976, 159; Ramsauer, DÖV 1981, 37,42; Kügel, S. 235-239; Steinberg, § 4 Rn. 138 f. (S. 235 f.); Hoppe/Schlarmann, Rn. 187b; Ule/Laubinger, § 41 Rn. 43; Schechinger, DVBI. 1991, 1182, 1186 f.; Wahl/Schütz, in: Schoch/ Schmidt-Aßmann / Pietzner, § 42 Abs. 2 Rn. 256, 259.

E. Rechtsschutz

147

Für die in ihrer Planungshoheit betroffenen Gemeinden trifft im übrigen auch die Grundlage der Rspr. des BVerwG nicht zu, weil diese nicht lediglich das subjektive Recht auf Abwägung geltend machen 358 • Bei der Planungshoheit der Gemeinde handelt sich um ein durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG garantiertes subjektives Recht, das lediglich über § 18 AEG in der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung berücksichtigt, also im Gegensatz zum subjektiven Recht auf Abwägung eigener Belange i.S.d. Rspr. des BVerwG gerade nicht erst aus dem Abwägungsgebot abgeleitet wird. Das Abwägungsgebot ist hier nicht Schutznorm, sondern gilt unabhängig von der gesetzlichen Anordnung aufgrund des Eingriffs in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG 359 . Durch diese Ausweitung des Prüfungsumfangs wird der Rechtsschutz nicht unangemessen erweitert. Eine objektive Rechtmäßigkeitskontrolle des Planfeststellungsbeschlusses findet nicht statt. Denn die Gemeinde kann auch weiterhin nicht die Verletzung derjenigen Vorschriften angreifen, die nicht der Abwägung unterliegen, insbesondere also nicht die rechtswidrige Anwendung des strikt zu beachtenden sekundären materiellen Rechts, es sei denn, eine solche Vorschrift dient (auch) dem Schutz gemeindlicher Belange36o • Im wesentlichen beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle deshalb auf den raumplanerischen Teil der Planfeststellung. d) Beschränkungen durch § 20 Abs. 7 AEG

Abwägungsfehler führen nicht notwendig zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, da mit § 20 Abs. 7 S. 1 AEG eine Unerheblichkeitsklausel eingeführt wurde, derzufolge Mängel im Abwägungsvorgang nur erheblich sind, wenn sie "offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluß gewesen sind".

§ 20 Abs. 7 S. 1 AEG wurde nach dem Vorbild des § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB geschaffen. Deshalb kann grundsätzlich die Rspr. des BVerwG zu § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB auf § 20 Abs. 7 S. 1 AEG übertragen werden 361 : Ein offensichtlicher Mangel im Abwägungsvorgang ist danach nur anzunehmen, wenn konkrete Umstände positiv auf einen solchen Mangel hindeuten; dies ist nicht schon dann der Fall, wenn Planbegründung und Aufstellungsvorgänge 357

Vgl. Schenke, S. 103.

35R

Fllnk-Draschka, S. 100 f.

359

Siehe oben 2. Kapitel, C.II.2.d) bb).

Stein berg, § 7 Rn. 77 (S. 345). Zur entsprechenden Regelung in § 17 Abs. 6c FStrG: BVerwG, Urt. v. 21.3.1996 -4 C 19.94 -, DVBI. 1996,907,911; B. v. 16.8.1995 -4 B 92/95 -, NVwZ-RR 1996, 68 f. mit Verweis auf BVerwG, Urt. v. 21.8.1981 - 4 C 57.80 -, E 64, 33, 36 fT.; vgl. auch Send/er, S. 25. 360 361

10'

148 2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit

keinen ausdrücklichen Hinweis darauf enthalten, daß sich der Plangeber mit bestimmten Umständen abwägend befaßt hae 62 . "Von Einfluß gewesen" ist ein Fehler im Abwägungsvorgang, wenn sich bei konkreter Betrachtung, d.h. etwa anhand der vorhandenen Planunterlagen, ein anderes Abwägungsergebnis abzeichnee 63 . Auch erhebliche Abwägungsfehler sowie die Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften führen gern. § 20 Abs. 7 S. 2 AEG nur dann zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, wenn sie nicht durch Planergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden können. Die erste Alternative des § 20 Abs. 7 S. 2 AEG erfaßt die bereits in der Rspr. des BVerwG herausgearbeitete Fallkonstellation, in der ein Abwägungsfehler durch Planergänzung ausgeräumt werden kann, weil er die Gesamtplanung nicht in Frage stelle64 • Die Möglichkeit nachträglicher Planergänzung scheidet allerdings regelmäßig bei Variantenfehlern aus365 . Als Anwendungsbereich für die 2. Alternative des § 20 Abs. 7 S. 2 AEG verbleiben damit Fehler, die zwar erheblich sind und nicht durch Planergänzung, aber durch ein nachträgliches Verfahren beseitigt werden können, weil nicht ausgeschlossen ist, daß die Behörde bei formell rechtmäßigem Handeln bzw. bei ordnungsgemäßer Abwägung zum identischen Abwägungsergebnis komme 66 . Können die Mängel geheilt werden, darf das Gericht den Planfeststellungsbeschluß nicht aufheben; nach einem neueren Urteil des 4. Senats zur entsprechenden Regelung in § 17 Abs. 6 c S. 2 FStrG "hat das Gericht die Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses auszusprechen mit der Folge, daß er bis zur Behebung des Mangels auch nicht vollziehbar ist,,367. 2. Verpflichtungsklage auf Planergänzung Mit der Verpflichtungsklage ist der Anspruch auf Schutzvorkehrungen zum Schutz der Allgemeinheit i.S.d. § 74 Abs. 2 S. 2 VwVfG geltend zu machen 368 . 362

BVerwG, B. v. 29.1.1992 - 4 NB 22.90 -, BRS 54 Nr. 15.

BVerwG, B. v. 15.5.1996 - 11 VR 3.96 -, Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 13, S. 53; BVerwG, B. v. 16.8.1995 - 4 B 92/95 -, NVwZ-RR 1996, 69 (zu § 17 Abs. 6c FStrG). 363

3M

BVerwG, Urt. v. 20.10.1989 - 4 C 12.87 -, E 84, 31, 45 (zum FStrG).

3M

Gaentzsch, FS für Schlichter, S. 517, 536.

366

Gaentzsch, FS für Schlichter, S. 517, 537.

BVerwG, Urt. v. 21.3.1996 - 4C 19.94 -, DVBI. 1996,907, 908; ebenso BVerwG, Urt.v.12.12.1996-4C 19.95-, DVBI. 1997, 714, 717. 367

36S BVerwG, Urt. v. 21.5.1976 - IV C 38.74 -, E 51, 6 ff. (zu § 17 Abs. 4 S. I FStrG a.F.); Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 476; Steinberg, § 7 Rn. 90 (S. 350); Johlen, DVBI. 1989,287,290.

E. Rechtsschutz

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Eine Verpflichtungsklage ist im übrigen immer dann zu erheben, wenn lediglich ein Planergänzungsanpruch besteht, weil die Rechtswidrigkeit der Planung auf einem die Gesamtplanung nicht in Frage stellenden Mangel beruht, der durch Planergänzung behoben werden kann (§ 20 Abs. 7 S. I AEG)369. Eine Verpflichtungsklage kommt auch in Betracht, wenn ein an sich planfeststellungs- oder plangenehmigungspflichtiges Vorhaben ohne vorherige PIanfeststellung gebaut werden soll und die Gemeinde eine Untersagung der Bauarbeiten durch die Planfeststellungsbehörde erreichen will. Die Gemeinde kann nach erfolglosem Antrag auf Einschreiten bei der Planfeststellungsbehörde und Durchführung eines Widerspruchsverfahrens Verpflichtungsklage erheben, wenn sie durch das Vorhaben auch materiell in ihrer Planungshoheit betroffen wird. Allein der Verstoß gegen die Planfeststellungspflicht begründet die Klagebefugnis dagegen nicht370 • Anders als unter der Geltung des BbG kommt eine Leistungsklage unmittelbar gegen den Vorhabenträger grundsätzlich nicht mehr in Betrache 71 • Da die Bautätigkeit privater Eisenbahnunternehmen kein öffentlich-rechtliches Verwaltungshandeln mehr darstellt, besteht kein öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch der Gemeinde gegen die Eisenbahnunternehmen.

11. Vorläufiger Rechtsschutz 1. Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO Gern. § 20 Abs. 5 S. I AEG hat die Anfechtungsklage gegen den PIanfeststellungsbeschluß oder die Plangenehmigung für ein Vorhaben, für das nach dem Schw AbG vordringlicher Bedarf festgestellt wurde, keine aufschiebende Wirkung. Die betroffene Gemeinde muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Planfeststellungsbeschlusses (§ 20 Abs. 5 S. 2 AEG) einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 S. I I. Fall stellen und diesen Antrag begründen372 • Andernfalls ist der Antrag unzulässig; für den 36' BVerwG, B. v. 21.12.1995 - 11 VR 6.95 -, Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 8, S. 34 f.; Wahl/Schütz, in: Schach / Schmidt-Aßmann / Pietzner, § 42 Abs. 2 Rn. 278. 370 BVerwG, Urt. v. 22.2.1980 - 4 C 24.77 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 33. S. 101 ff. mit Hinweis auf die abweichende Rechtslage nach dem LuftVG; Hoppe/ Schlarmann, Rn. 106b f.; a.A. Steinberg, § 7 Rn. 7 ff. (S. 319 f.). 371 Zu den Voraussetzungen eines öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch einer Gemeinde gegen die Bundesbahn BayVGH, B. v. 29.7.1992 - 20 CE 92.1553 -, BayVBI. 1992, 754 ff. 372 Zur in § 20 Abs. 5 S. 2 AEG geregelten Verknüpfung der Darlegungslast des Antragstellers mit einer Ausschlußfrist BVerwG, B. v. 18.11.1996 - 11 VR 2.96 -, UPR 1997, 108 f.

150 2. Kap.: Eisenbahnrechtliche Planfeststellung und kommunale Planungshoheit Rechtsschutz in der Hauptsache hat die Versäumung dieser Frist jedoch keine Folgen. Für die übrigen Vorhaben wird die aufschiebende Wirkung der Klage erst durch die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit durch die PIanfeststellungsbehörde gern. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ausgeschlossen. In diesem Fall ist ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gern. § 80 Abs. 5 S. I 2.Fall in Betracht zu ziehen. Eine Monatsfrist für die AntragsteIlung gilt hier nur ausnahmsweise unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 5 S. 3 AEG. Vorläufigen Rechtsschutz in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 5 VwGO gewährt das BVerwG auch in den Fällen, in denen erhebliche Mängel des Planfeststellungsbeschlusses durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden können; in diesen Fällen ist auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit anzuordnen 373 Auch im vorläufigen Rechtsschutz besteht kein Anspruch auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, wenn in der Hauptsache keine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses bzw. der Plangenehmigung, sondern lediglich eine Planergänzung erreicht werden kann. Denn der PIanergänzungsanspruch muß im vorläufigen Rechtsschutz mit einem Antrag nach § 123 VwGO verfolgt werden 374 • 2. Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO Neben dem soeben erwähnten Antrag auf Planergänzung muß im Verfahren gern. § 123 VwGO auch die vorläufige Verpflichtung der Pianfeststellungsbehörde zur Untersagung von Baumaßnahmen bei "Schwarzbauten" eines Eisenbahninfrastrukturunternehmens betrieben werden, weil sie in der Hauptsache mit der Verpflichtungsklage geltend zu machen ist.

BVerwG, B. v. 1.4.1998 - 11 VR 13.97 -, NVwZ 1998, \070. BVerwG, B. v. 21.12.1995 - 11 VR 6.95 -, Buchholz 442.09 § 18 AEG NT. 8, S. 27; Johlen, DVBI. 1989,287,290 f. 373

374

3. Kapitel

Die kommunale Planungshoheit während der Geltung der eisenbahnrechtlichen Fachplanung A. Einführung Die Eisenbahnunternehmen sind aus ökonomischen Gründen bestrebt, auf Bahngelände auch nicht dem Eisenbahnbetrieb dienende Nutzungen zu ermöglichen bzw. Bahnanlagen in gemischt genutzte Dienstleistungs- und Einkaufszentren fortzuentwickeln. Es fragt sich, wie solche Vorhaben auf Bahngelände genehmigt werden können und welche planungsrechtlichen Steuerungsmöglichkeiten den Gemeinden dabei zur Verfügung stehen. Bereits im Jahre 1988 ist zu diesem Problemkreis eine grundlegende Entscheidung des 4. Senats des BVerwG ergangen, die die beabsichtigte Einrichtung eines SB-Lebensmittelladens mit einer Verkaufsftäche von 470 qm und 29 Stellplätzen in einem Teilstück eines Bahnhofs zum Gegenstand hatte'. Grundsätzlich gilt danach folgendes: Die Gemeinde ist im Gebrauch ihrer Planungshoheit in bezug auf die vorhandene Anlage der Fachplanung gern. §§ 1 ff. BauGB durch den sog. "Vorbehalt zugunsten von Fachplanungen gemäß § 38 S. 1 BauGB" beschränkt2 • Planerische Aussagen, die inhaltlich der bestehenden Zweckbestimmung einer Fläche als Bahnanlage nicht zuwiderlaufen, sind zulässig. Inhaltlich mit dieser Zweckbestimmung unvereinbare planerische Aussagen der Gemeinde sind dagegen unzulässig 3• Die abschließende Beschlußfassung über Bauleitpläne, die inhaltlich mit der Zweckbestimmung der Fläche für den BahnI BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, E 81, 111 ff.; zu dieser Entscheidung insbesondere Birk, FS rur Gelzer, S. 1 ff.; Thomas, StuGR 1995, 87, 88 ff.; H. -J. Koch, FS rur Schlichter, S. 461,466 ff.; Korth Pereira Ferraz. in: Blümel I Kühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts 1997, 175, 177 f.; Korth Pereira Ferraz, in: Blümell Kühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts, 1996, S. 231 ff.; Ronellenfitsch, VerwArch. 1999,467,483 ff.; Steenhoff, Widmung, UPR 1998, 182, 183 ff.; Heldwein, BayVBI. 2000, 65, 72 ff. 2

BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, E 81, 111.

BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, E 81, 111, 116; BVerwG, Urt. v. 30.5. 1997 - 8 C 6.95 -, UPR 1997,468,469; BVerwG, B. v. 27.4.1998 - 4 B 33.98 -, UPR 1998. 356 f. 3

152

3. Kap.: Kommunale Planungshoheit und wirksame Fachplanung

betrieb nicht vereinbar sind, setzt deshalb voraus, daß die beplante Fläche zuvor ihren Rechtscharakter als Bahnanlage durch eine sog. "Entwidmung" verloren hat4 • Vorhaben i.S.d. § 29 BauGB, die nicht Eisenbahnbetriebsanlagen zum Gegenstand haben, "unterliegen grundsätzlich in formeller und materieller Hinsicht dem allgemeinen Baurecht" auch dann, wenn sie auf Bahngelände verwirklicht werden sollen. Die "Zulässigkeit richtet sich in bodenrechtlicher Hinsicht nach den §§ 30 ff. BauGB"s. Ist ein solches Vorhaben mit der Fachplanung nicht vereinbar, "scheitert es bereits an § 38 BauGB"6. Im Grundsatz ist also geklärt, daß die kommunale Planungshoheit in beschränktem Umfang auch auf Bahngelände besteht und daß ihr eisenbahnbetriebsfremde Vorhaben unterliegen. Gleichwohl sind verschiedene Fragen noch offen: Einer näheren Betrachtung werden im folgenden zunächst die rechtlichen Grundlagen und die daraus abzuleitenden konkreten Voraussetzungen der Beschränkung der gemeindlichen Planungshoheit auf Bahngelände unterzogen (B). Im Anschluß daran werden die Besonderheiten dargestellt, die sich aus dieser Beschränkung der Planungshoheit für die Gemeinde bei der Überplanung von Bahngelände ergeben (C). Schließlich ist kurz auf die für die Errichtung eisenbahnbetriebsfremder Vorhaben auf Bahngelände in Betracht kommenden Zulassungsverfahren und die Berücksichtigung der kommunalen Planungshoheit in diesen Verfahren einzugehen (D).

B. Die Beschränkung der gemeindlichen Planungshoheit I. Rechtsgrundlage 1. Analoge Anwendung des § 38 BauGB

Bei dem vom BVerwG als Grundlage der Beschränkung der kommunalen Planungshoheit herangezogenen sog. "Vorbehalt zugunsten von Fachplanungen gemäß § 38 S. I BauGB"7 handelt es sich methodisch betrachtet um eine analoge Anwendung des § 38 BauGB: 4 BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, E 81,111 i.Y.m. 117 f.; BVerwG, Urt. v. 30.5.1997 - 8 C 6.95 -, UPR 1997,468,469; BVerwG, B. v. 27.4.1998 - 4 B 33.98 -, UPR 1998,356 f.

5

BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, E 81, 111, 119.

6

BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, E 81, 111, 119.

7

BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, E 81, 111.

B. Die Beschränkung der gemeindlichen Planungshoheit

153

In unmittelbarer Anwendung stellt § 38 S. I BauGB Vorhaben, die den aufgezählten, sog. privilegierten Fachplanungen unterfallen, von der Bindung an die §§ 29 ff. BauGB frei und ordnet damit zugleich den Vorrang dieser Fachplanungen vor einem vorhandenen Bebauungsplan ans. Für den umgekehrten Kollisionsfall, d.h., wenn eine spätere Bauleitplanung auf eine bereits vorhandene privilegierte Fachplanungsentscheidung trifft, enthält § 38 BauGB keine Regelung. Kommt aber nach § 38 BauGB der nachfolgenden privilegierten Fachplanung der Vorrang schon vor einem vorhandenen Bebauungsplan zu, so liegt der Schluß nahe, daß im umgekehrten Kollisionsfall der privilegierten Fachplanung ebenfalls der Vorrang zukommen soll. Der spätere Bebauungsplan kann die vorhandene, privilegierte Fachplanung i.S.d. § 38 BauGB deshalb nicht abändern, sondern muß diese respektieren9•

2. Grundsatz der zeitlichen Priorität Die analoge Anwendung des § 38 BauGB ist jedoch nur ein ergänzendes Argument dafür, daß eine vorhandene Fachplanungsentscheidung Bindungswirkung für eine spätere Bauleitplanung entfaltet und damit die kommunale Planungshoheit beschränkt. Die zeitlich nachfolgende Bauleitplanung kann nämlich ohnehin eine vorhandene Fachplanung nicht aufheben oder abändern; dies gilt nicht nur für die nach § 38 BauGB privilegierten Planungsentscheidungen, sondern auch für die nicht privilegierten Planungen lO • Der Vorrang der Fachplanung ergibt sich unabhängig von § 38 BauGB bereits daraus, daß weder aufgrund der Rechtsform noch nach sonstigen allgemeinen Grundsätzen ein Rangverhältnis zwischen den in Form von Verwaltungsakten ergehenden Fachplanungen und dem gern. § 10 BauGB als Satzung ergehenden Bebauungsplan bzw. dem Flächennutzungsplan als hoheitlicher Maßnahme eigener Art besteht!!. Da keine der Planungsentscheidungen den Vorrang genießt und eine spezielle gesetzliche Kollisionsregelung - wie sie § 38 BauGB für den zeitlich umgekehrten Kollisionsfall darstellt - fehlt, kann die bereits vorhandene Fachplanung durch den nachfolgenden Flächennutzungs- bzw. Bebauungsplan nicht mehr abgeändert werden. Im Ergebnis gilt für diesen Kollisionsfall als Kollisionsregel daher der Grundsatz der zeitlichen Priorität !2. 8

Siehe oben 2. Kapitel, B.III.I.

9 Erbguth, NVwZ 1989,608,610; Schrödter, § 38 Rn. 17; Runkel, in: EmstlZinkahnl Bielenberg, § 38 Rn. 92; Schmidt-Aßmann, Grundfragen, S. 138; Schink, Bauleitplanung, S. 117; Paetow, UPR 1990,321,323 f.; Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 134; Kraft, DVBI. 2000, 1326, 1327. 10 Schlarmann, S. 39.

Siehe oben 2. Kapitel, B.I. So zum Verhältnis Bebauungsplan - nicht privilegierte Planfeststellung Breuer, S.206. 11

12

154

3. Kap.: Kommunale Planungshoheit und wirksame Fachplanung

Zum Ausdruck kommt dieser allgemeine Grundsatz im Verhältnis der Fachplanungen zur kommunalen Bauleitplanung auch in den §§ 5 Abs. 4 S. I und 9 Abs. 6 BauGB. Gemäß § 5 Abs. 4 S. I BauGB sollen nach anderen gesetzlichen Vorschriften festgesetzte Planungen, zu denen insbesondere die Pianfeststellungen nach Fachgesetzen gehören, in den Flächennutzungsplan nachrichtlich übernommen werden \3. Gleiches gilt gern. § 9 Abs. 6 BauGB für den Bebauungsplan hinsichtlich der nach anderen Vorschriften getroffenen Festsetzungen l4 • Diese Regelungen verdeutlichen, daß bereits vorhandene Fachplanungen durch die nachfolgende gemeindliche Bauleitplanung unabhängig von ihrer Privilegierung i.S.d. § 38 BauGB beachtet werden müssen lS •

11. Voraussetzungen der Beschränkung der Planungshoheit 1. Wirksamer PIanfeststellungsbeschluß bzw. wirksame Plangenehmigung Grundsätzlich setzt eine Beschränkung der kommunalen Planungshoheit einen wirksamen eisenbahnrechtlichen PIanfeststellungsbeschluß bzw. eine wirksame Plangenehmigung voraus. Begründet man die Beschränkung der kommunalen Planungshoheit mit einer analogen Anwendung des § 38 S. I BauGB, folgt dies daraus, daß diese Norm - wie bereits ausführlich dargelegt wurde l6 - in unmittelbarer Anwendung nur Planfeststellungen und Plangenehmigungen von der Bindung an die §§ 29 ff. BauGB freistellt. Wird § 38 S. I BauGB analog herangezogen, kann der Anwendungsbereich der Norm aber nicht weiter sein, als bei unmittelbarer Anwendung. Nichts anderes ergibt sich, wenn man auf den Grundsatz der zeitlichen Priorität zwischen gleichrangigen Planungen abstellt, da die Anwendung dieses Grundsatzes eine bereits vorhandene, wirksame Planungsentscheidung voraussetzt. Nur wenn verschiedene Planungsentscheidungen zusammentreffen, ist eine Beschränkung der zeitlich nachfolgenden Planung aus Gründen der Rechtssicherheit geboten; bestünde in diesem Fall keine Bindung des späteren Bebauungsplans an einen schon vorhandenen PIanfeststellungsbeschluß, wären nämlich 13

Gierke, in: Brogelmann, § 7 Rn. 76; Bielenberg, in: Ernst I Zinkahn I Bie/enberg, § 5

Rn. 64.

FinkelnburglOrtloff, Bd. I, S. 79. Erbguth, NVwZ 1989, 608, 6 \0 f.; Breuer, S. 206; Schlarmann, S. 39 f.; Schink, Bauleitplanung, S. 117; offen Kraft, DVBI. 2000, 1326, 1327. Ib Siehe oben 2. Kapitel, B.l11.2.a). 14

IS

B. Die Beschränkung der gemeindlichen Planungshoheit

155

einander widersprechende rechtsverbindliche Planungsaussagen über die Bodennutzung fur dasselbe Gebiet möglich 17 • Da Grundlage der Beschränkung der kommunalen Planungshoheit der Planfeststellungsbeschluß ist, besteht die Beschränkung sobald und solange, wie der Planfeststellungsbeschluß bzw. die Plangenehmigung als Verwaltungsakt i.S.d. § 35 VwVfG I8 wirksam ist: Wirksamkeit erlangt der Planfeststellungsbeschluß gern. den - gegenüber § 43 Abs. I VwVfG spezielleren - Regelungen über die Bekanntgabe in § 20 Abs. 3 AEG, § 74 Abs. 4 und 5 VwVfG durch Zustellung und öffentliche Auslegung bzw. öffentliche Bekanntmachung. Für die Bekanntgabe der Plangenehmigung gelten dagegen die allgemeinen Vorschriften des VwVfG. Bereits von diesem Zeitpunkt an - nicht etwa erst mit der Fertigstellung der Betriebsanlage - darf die Gemeinde keine widersprechende Bauleitplanung mehr aufstellen. Die Beschränkung der Planungshoheit endet, wenn der Verwaltungsakt unwirksam wird. Zu beachten ist dabei, daß die Fertigstellung der Eisenbahnbetriebsanlage nicht zum Verlust der Wirksamkeit durch Erledigung fuhrt: Deutlich wird dies bereits, wenn man das planungsrechtliche Element des Planfeststellungsbeschlusses berücksichtigt. Denn als hoheitliche Planung der Bodennutzung erledigt sich der Planfeststellungsbeschluß ebensowenig wie ein Bebauungsplan dadurch, daß ein Bauvorhaben entsprechend der Planung tatsächlich verwirklicht wurde. Aber auch der genehmigungsrechtliche Teil des Planfeststellungsbeschlusses wird mit der Fertigstellung der Anlage nicht gegenstandslos. Die Genehmigungs- und Ausschlußwirkung des Planfeststellungsbeschlusses bildet vielmehr die rechtliche Grundlage fur Bestand und bestimmungsgemäße Nutzung der Anlage '9 • "Verbraucht" ist - ebenso wie bei einer Baugenehmigung20 - allein der verfugende Teil des genehmigungsrechtlichen Elements des Planfeststellungsbeschlusses, mit dem das präventive Verbot, das § 18 Abs. I S. I AEG enthält, aufgehoben wurde.

17 BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, E 81,111,117 mit Verweis auf BVerwG, B. v. 18.12.1987 - 4 NB 1.87 -, DVBI. 1988, 499; dort wird dargelegt, daß ohne die Aufhebung der vorhandenen Landschaftsschutzverordnung ein Bebauungsplan, der im Geltungsbereich der Landschaftsschutzverordnung die Errichtung eines Golfplatzes ermöglichen sollte, nicht wirksam werden könne, a.a.O. S. 500.

IR

Siehe oben I. Kapitel, C.I1. und E.I.2.

19

Ule/Laubinger, § 43 Rn. 6; Grupp, DVBI. 1990,81,86.

Vgl. zum Erlöschen des verfügenden Teils der Baugenehmigung Finkeinburg / Ortlaff, Bd. 11, S. 129; Grate/eis, in: Hoppe/Grate/eis, § 15 Rn. 47 (S. 586). 20

156

3. Kap.: Kommunale Planungshoheit und wirksame Fachplanung

2. Widmung der Bahnanlage als Grundlage der Beschränkung der gemeindlichen Planungshoheit? In seiner grundlegenden Entscheidung zum Verhältnis der Bauleitplanung zur eisenbahnrechtlichen Fachplanung hat das BVerwG die Beschränkung der kommunalen Planungshoheit durch den Vorbehalt zugunsten von Fachplanungen gern. § 38 S. 1 BauGB nicht auf Anlagen beschränkt, für die ein wirksamer Planfeststellungsbeschluß vorhanden ist. Vielmehr führte das BVerwG aus, daß ein "Fachplanungsvorbehalt dieses Inhalts ... auch ftir alte Bahnanlagen, die nicht durch förmlichen Planfeststellungsbeschluß gewidmet worden sind"21,

gelte. Wie sich bereits aus der hier zitierten Formulierung ergibt, betraf die konkrete Entscheidung des BVerwG eine nicht plan/estgestellte. aber gewidmete A ltanlage22 • Im Schrifttum wird diese Aussage des BVerwG teilweise verallgemeinert und die Widmung generell als maßgebend für die Reichweite der kommunalen Planungshoheit eingestuft23. Um diese Auffassung und die ihr zugrundeliegende Rspr. des BVerwG zur Ausdehnung des sog. Vorbehalts der Fachplanung auf lediglich gewidmete Altanlagen bewerten zu können, ist zunächst die Bedeutung der Widmung nach dem geltenden Eisenbahnrecht zu klären: a) Selbständige Widmung und AEG

aa) Das Fehlen der notwendigen gesetzlichen Grundlage für eine selbständige Widmung Traditionell wurden früher - ausgehend von einer Gleichstellung der Schienenwege mit öffentlichen Straßen24 - auch Bahnanlagen als durch Widmung 21 BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, E 81, 111, 113 (Herv. v. Verf.). 22 Darauf wird in BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, E 81, 111, 113, 115 ausdrücklich hingewiesen. Im Schrifttum wird diese Besonderheit häufig übersehen und in Verallgemeinerung der Ausflihrungen des BVerwG in der Widmung generell die Grundlage der Beschränkung der kommunalen Planungshoheit gesehen, siehe z.B. Steenhoff, Widmung, UPR 1998, 182 ff.; Korth Pereira Ferraz. in: Blümel / Kühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts, 1997, 175, 186 ff 23 Steenhoff, Widmung, UPR 1998, 182, 185 f; Korth Pereira Ferraz. in: Blümel/ Kühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts, 1997, 175, 178 ff. 24 Otto Mayer, Eisenbahn und Wegerecht, AöR 16 (1901), S. 38, 77; ders., Verwaltungsrecht Bd. 11, S. 51 f; M. Koch, Über Grundlage und Bedeutung des öffentlichen Eisenbahn-Sachenrechts, S. 11 ff. m.w.N.; BayVGH, B. v. 16.7.1993 - 20 B 92.1841 -, BayVBI. 1994, 441 f

B. Die Beschränkung der gemeindlichen Planungshoheit

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geschaffene öffentliche Sachen angesehen, wobei erkannt wurde, daß bei den Bahnanlagen mangels freier Benutzbarkeit im Gegensatz zu den öffentlichen Straßen kein Gemeingebrauch bestand25 . Ob neu errichtete Eisenbahnbetriebsanlagen auch nach der Bahnreform noch öffentliche Sachen sind, ist zweifelhaft26 . Für das hier behandelte Problem einer Beschränkung der kommunalen Planungshoheit durch eine außerhalb der Planfeststellung erfolgende Widmung kann indessen die Eigenschaft der Eisenbahnbetriebsanlagen als öffentliche Sache letztlich offen bleiben. Eine solche eigenständige Widmung von Eisenbahnbetriebsanlagen ist nämlich nach dem AEG ohnehin unzulässig. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Die Widmung ist nach h.M. ein hoheitlicher Rechtsakt, durch den die Sache zur öffentlichen Sache im Rechtssinne wird27 • Sie legt fest, welchem öffentlichen Zweck die Sache dienen so1l28, regelt die Nutzung der Sache29 und überlagert das private Eigentum an der Sache mit einer öffentlich-rechtlichen "Dienstbarkeit..30• Schon wegen der damit verbundenen Ausgestaltung des Eigentums bedürfen die Widmung und die ihr zukommenden Rechtsfolgen gern. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG nach inzwischen h.M. der gesetzlichen Regelung 3!. Dies gilt 25 M. Koch, in: Haustein, S. 134 ff., 138 f. (zum fehlenden Gemeingebrauch), sowie S. 152 ff.; Kruchen, S. 7 ff.; grundlegend OUo Mayer, Eisenbahn und Wegerecht, AöR 16 (1901),38, 78 mit ausdrücklichem Hinweis darauf, daß der Gemeingebrauch, der bei den Eisenbahnanlagen, die nur nach besonderer Zulassung durch Erwerb einer Fahrkarte benutzt werden dürfen, fehlt, nicht zu den Voraussetzungen der öffentlichen Sache gehört; Blümel, Fragen der Entwidmung, S. 5 f., spricht zu Recht von öffentlichen Sachen im Anstaltsgebrauch. Soweit in BVerwG, Urt. v. 27.11.1996 - II A 2.96 -, UPR 1997, 150, von einem Gemeingebrauch an Eisenbahnbetriebsanlagen gesprochen wird, ist dies wohl dadurch zu erklären, daß die Entscheidung einen Fußgängertunnel betraf, der als Zugang zu den Bahnsteigen sowie als Durchgang für den öffentlichen Verkehr genutzt wurde. Bei derartigen sog. Eisenbahnzufuhrwegen kann es sich ausnahmsweise um öffentliche Wege handeln, an denen Gemeingebrauch besteht, vgl. Krämer in: Kodal/Krämer, Kap. 4 Rn. 22.11 (S. 143); zu weitgehend dagegen Steenhoff, Widmung, UPR 1998, 182 ff., der generell von einem Gemeingebrauch an Eisenbahnbetriebsanlagen ausgeht. 26 Ablehnend Fehling, AöR 121 (1996),59,82 ff.; befürwortend: Steenhojj; Widmung, UPR 1998, 182 ff.; Korth Pereira Ferraz. in: Blümel/Kühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts, 1997, 175, 178 ff.; Kühlwetter, FS für Blümel, S. 309 ff., 332 f. 27 Papier, S. 39; Pappermann / Löhr/ Andriske, S. 13; Heinze, S. 45. 2R Salzwedel, in: Erichsen, AlIgVerwR, § 42 Rn. 6 (S. 541); Häde, JuS 1993, 113; Pappermann / Löhr / Andriske, S. 13. 29 Pappermann/Löhr/Andriske, S. 13; Axer, S. 51 f. m.w.N. 30 Papier, S. 9 f.; Axer, S. 48 f.; Häde, JuS 1993, 113, 115, Heinze, S. 45. )1 OVG Münster, Urt. v. 25.2.1993 - 20 A 1289/91 -, NJW 1993, 2635 ff., und BVerwG, B v. 12.8.1993 -7 B 86/93 -, NJW 1994, 144 f. ("Hamburger Stadtsiegel");

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3. Kap.: Kommunale Planungshoheit und wirksame Fachplanung

auch für die Beschränkung des Eigentums der privaten Eisenbahninfrastrukturunternehmen, da diese im Gegensatz zu den früheren Staatseisenbahnen Träger des Eigentumsgrundrechts nach Art. 14 GG sind 32 • Für einen eigenständigen, von der Planfeststellung zu unterscheidenden Rechtsakt der Widmung fehlt es aber im AEG - ebenso wie schon im BbG - an einer gesetzlichen Grundlage 33 . Deshalb kann eine Widmung außerhalb der Planfeststellung nicht erfolgen. Die den Inhalt des Grundeigentums konkretisierende öffentlich-rechtliche Zweckbestimmung können die Eisenbahnanlagen deshalb allenfalls durch den Planfeststellungsbeschluß erfahren34 • Selbst wenn man in Eisenbahnbetriebsanlagen öffentliche Sachen sähe, wäre also nach dem AEG die Planfeststellung bzw. die Plangenehmigung die gesetzlich vorgeschriebene Form des Rechtsakts der Widmung 35 • Eine eigenständige Widmung der Betriebsanlagen ist dagegen nicht anzuerkennen. Eine außerhalb der Planfeststellung erfolgende Widmung von Eisenbahnbetriebsanlagen wäre im übrigen nicht nur mit Art. 14 GG, sondern auch mit Ehlers, NWVBI. 1993, 327, 328 ff; Papier, S. 15 f; Heinze, S. 45; zusamenfassend Blümel, Fragen der Entwidmung, S. 12 f.; a.A. - noch in Unkenntnis der neueren Rspr. des BVerwG - BayVGH, B. v. 16.7.1993 - 20 B 92.1841 -, BayVBI. 1994,441 f., der ausfUhrt, es sei anerkannt, daß es die Widmung einer Sache zu einer öffentlichen Sache auch in Rechtsbereichen gebe, in denen besondere Vorschriften über die Widmung fehlten, und die - gesetzlich nicht geregelte - Widmung als Ausschlußgrund für den Beseitigungsanspruch eines betroffenen Grundstückseigentümers betrachtet; dem folgend Korth Pereira Ferraz, in: Blümel / Kühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts, 1997,175,182.

Siehe oben 1. Kapitel, D.1.2.b) bb). Auch Blümel, Fragen der Entwidmung, S. 12, der Bahnanlagen grundsätzlich als öffentliche Sachen betrachtet, weist auf das Fehlen einer eigenständigen Regelung der Widmung hin. Im Sinne des Gesetzesvorbehalt war allerdings für die Bundesbahn als nicht rechtsfähiges Sondervermögen des Bundes, das nicht grundrechtsfähig war, eine gesetzliche Grundlage fUr die Widmung nicht notwendig. 34 Da die Widmung nach h.M. erst mit dem Realakt der IndiensteIlung wirksam wird (Häde, JuS 1993, 113, 114 f.; Papier, S. 39, Pappermann/ Löhr/ Andriske, S. 15; Blümel, Fragen der Entwidmung, S. 8), würde der öffentlich-sachenrechtliche Regelungsteil des Planfeststellungsbeschluß erst mit der Indienststellung der Anlagen wirksam. 35 So zum BbG zutreffend M. Koch, Über Grundlage und Bedeutung des öffentlichen Eisenbahn-Sachenrechts, S. 27; zum AEG: Heinze, S. 46 f; Steenhoff, Widmung, UPR 1998, 182, 183; dahingehend, jedoch mit Hinweis auf das Problem der nicht pIanfestgesteIlten Altanlagen, auch Blümel, Fragen der Entwidmung, S. 13 f.; a.A. dagegen Koch, in: Haustein, S. 175 f.; Kruchen, S. 7 ff., insbes. S. 21, wo - trotz der fehlenden Rechtsgrundlage fUr eine eigenständige Widmung im BbG - angenommen wird, daß Planfeststellung und Widmung zwei selbständige Verwaltungsakte seien, wobei die Widmung dem Vollzug der Planfeststellung dienen und die Eigenschaft als öffentliche Sache begründen soll; daran anknüpfend fUr das AEG Korth Pereira Ferraz, in: Blümell Kühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts, 1997, 175, 184 f; Kühlwetter, FS fUr Blümel, S. 309, 319. 32 33

B. Die Beschränkung der gemeindlichen Planungshoheit

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Art. 28 Abs. 2 S. I GG nicht zu vereinbaren36 • Denn eine selbständige Widmung, die Vorrang vor der gemeindlichen Bauleitplanung haben und eine Bindungswirkung für diese entfalten sollte, bedürfte auch wegen der Geltung des Gesetzesvorbehaltes für Eingriffe in die kommunale Planungshoheit der gesetzlichen Grundlage 37 , die im AEG nicht vorhanden ist. Am Fehlen einer gesetzlichen Rechtsgrundlage scheitert bereits die unmittelbare Anwendung des § 38 S. I BauGB zugunsten der Widmung von Eisenbahnbetriebsanlagen zur Begründung des Vorrangs der nachfolgenden Eisenbahnplanung vor der vorhandenen gemeindlichen Bauleitplanung; daß im jeweiligen Fachgesetz eine gesetzliche Grundlage für die privilegierte Maßnahme vorhanden sein muß, wurde bereits ausführlich erörte~8. Fällt demnach die selbständige Widmung einer Eisenbahnanlage nicht in den unmittelbaren Anwendungsbereich des § 38 BauGB, kann auch der sich aus einer analogen Anwendung des § 38 BauGB ergebende sog. Vorbehalt der Fachplanung grundsätzlich nicht auf eine solche, außerhalb der Planfeststellung oder Plangenehmigung erfolgende Widmung ausgedehnt werden.

bb) Die fehlende planungsrechtliche Relevanz der Widmung Selbst wenn aber - rechtswidrigerweise - eine Eisenbahnbetriebsanlage außerhalb des Planfeststellungsbeschlusses gesondert gewidmet wird und diese Widmung bestandskräftig ist, hat dies keine Folgen für die gemeindliche Planung. Die Widmung kann die kommunale Planungshoheit nämlich auch deshalb nicht beschränken, weil sie ausschließlich Bedeutung für das öffentliche Sachenrecht hat. Der Regelungsgehalt der Widmung beschränkt sich auf das öffentliche Sachenrecht; auf plan ungsrech tliche Fragen hat die Widmung dagegen keinen Einftuß 39 • Dies ist durch die neuere Rspr. des BVerwG zur straßenrechtlichen Widmung geklärt: Das BVerwG hat entschieden, daß selbst eine bestandskräftige straßenrechtliche Widmung den Folgenbeseitigungsanspruch eines Straßenanliegers gegenüber einer planungsrechtlich illegal - aufgrund einer fehlerhaften Bauleitplanung - errichteten Straße nicht ausschließt. Zur Begründung führte das BVerwG wörtlich folgendes aus: 3~ Bedenken wegen der fehlenden gesetzlichen Regelung der Widmung äußert auch Steenhoff, Widmung, UPR 1998, 182, 187. 37 Siehe oben 2. Kapitel, C.II.2.c). 38

Siehe oben 2. Kapitel, C.III.l.c).

A.A. in Anknüpfung an BVerwGE 81, III ff. Steenhoff, Widmung, UPR 1998, 182, 185 fT.; Korth Pereira Ferraz, in: Blümel / Kühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts, 1997, 175 ff., im Ergebnis auch Blümel, Fragen der Entwidmung, S. 51 f., wobei die Ausführungen des BVerwG verallgemeinert werden ohne zu berücksichtigen, daß das Urteil des BVerwG den Sonderfall einer nicht planfestgestellten Altanlage zum Gegenstand hatte, siehe dazu oben 3. Kapitel, B.II.2. und sogleich 3. Kapitel, B.II.2.b). 39

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3. Kap.: Kommunale Planungshoheit und wirksame Fachplanung

"Dagegen bedarf das Verhältnis zwischen dem am Nutzungskonflikt beteiligten Träger der Straßenbaulast und dem privaten Grundeigentümer eigener, private und öffentliche Belange abwägender Beurteilung, wie sie mit einer verbindlichen Bauleitplanung oder mit einem PIanfeststellungsbeschluß möglich und geboten ist. In diesen spezifischen Regelungsbereich ... einzudringen, ist dem straßenrechtlichen Widmungsrecht versagt ... ,,40

Das Fehlen einer gerade das Verhältnis zwischen Grundeigentümer und Träger der Straßenbaulast regulierenden abwägenden Entscheidung dauert unverändert an. Das Berufungsgericht hat dies unter Verletzung revisiblen Rechts verkannt. Seine gegenteiligen Erwägungen treffen nicht zu. Das Gericht meint, die straßenrechtliche Widmung habe den Zweck, die Bauleitplanung zu vollziehen. Daher bedeute es für den Kläger einen Rechtsverlust, wenn er den Widmungsakt nicht anfechte. . .. Die vom Berufungsgericht gegebene Begründung erweist sich jedoch als nicht tragfahig, um die Fortdauer des rechtswidrig entstandenen Zustandes verneinen zu können. Die Widmung ist kein Vollzugsakt eines Bebauungsplans, der gemäß § 9 Abs. I Nr. 11 BauGB eine Verkehrsfläche als Planinhalt festgesetzt hat ... Es mag zwar nach Lage des Falles möglich sein, daß ein Widmungsakt auch durch den Eigentümer eines Anliegergrundstücks angefochten werden kann '" Die straßenrechtliche Widmung hat aber gleichwohl nicht die Kraft, die zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Rechtsbeziehungen im Sinne des erörterten Vorbehaltes des Art. 14 Abs. I S. 2 GG im Innenverhältnis zwischen Grundeigentümer und planender Gemeinde zu regulieren .....41 Tragende Erwägung der Entscheidung ist, daß sich die Bedeutung der straßenrechtlichen Widmung im öffentlichen Sachenrecht erschöpft. In den spezifischen Regelungsbereich des Straßenplanungsrechts, der in der abwägenden Beurteilung öffentlicher und privater Belange zur Lösung der Nutzungskonflikte bei einem Straßenbauvorhabens besteht, wirkt die Widmung nicht hinein. In den Regelungsbereich des Fachplanungsrechts fallt auch das Verhältnis zur kommunalen Bauleitplanung. Die Regelung der Konflikte zwischen eisenbahnrechtlicher Fachplanung und kommunaler Planung bedarf einer abwägenden Beurteilung der für und gegen das Vorhaben sprechenden Belange42 • Eine solche abwägende Berücksichtigung ist im Rahmen der Widmungsverfügung nicht möglich. Die Lösung der Konflikte zwischen Fachplanung und Bauleitplanung 40 BVerwG, Urt. v. 26.8.1993 - 4 C 24.91 -, E 94, \00 ff.; vgl. dazu Sauthoff, NVwZ 1995, 119, 121 ff.; a.A. - allerdings noch vor Verkündung des Urteils des BVerwG BayVGH, B. v. 16.7.1993 - 20 B 92.1841 -, BayVBI. 1994,441 (Eigenschaft als öffentliche Sache als Ausschlußgrund für den Beseitigungsanspruch des betroffenen Grundstückseigentümers ). 41 BVerwG, Urt. v. 26.8.1993 - 4 C 24.91 -, E 94, \00, \09 f. 42

Siehe oben 2. Kapitel, C.lI.2.d) bb) und D.1.2.b).

B. Die Beschränkung der gemeindlichen Planungshoheit

161

kann deshalb nicht zum Regelungsbereich der Widmung gehören43 • Für die in ihrer Planungshoheit betroffene Gemeinde entfaltet die Widmung deshalb ebensowenig Rechtsfolgen wie für den betroffenen Straßenanlieger. Die Rspr. des BVerwG zur Bedeutung der straßenrechtlichen Widmung für den Straßenanlieger ist insoweit auf das Verhältnis von kommunaler Planungshoheit und Widmung übertragbar. Die Widmung beschränkt die kommunale Planungshoheit also grundsätzlich nicht. Bestätigt wird das Ergebnis der fehlenden planungsrechtlichen Relevanz der Widmung schließlich durch die zwei praktische Überlegungen, die die mangelnde Eignung der Widmung als Institut des öffentlichen Sachenrechts zur Bewältigung des planungsrechtlichen Konflikts unterschiedlicher Nutzungsvorstellungen für dieselben Flächen illustrieren: Zum einen würde nämlich erst mit der Indienststellung der Eisenbahnbetriebsanlage eine Bindungswirkung für die kommunale Planungen eintreten, wenn die Widmung Grundlage der Bindungswirkung analog § 38 BauGB wäre. Denn die Widmung wird nach allgemeiner Meinung erst mit der Indienststellung der Anlage wirksam44 . Daß bereits vor diesem Zeitpunkt eine Sperre für dem Eisenbahnvorhaben entgegenstehende kommunale Planungen bestehen muß, ist aber evident. Zum anderen muß eine Sperre für entgegenstehende Planungen aber auch dann bestehen, wenn eine Eisenbahnbetriebsanlage nicht gewidmet ist. Soweit eine von der Planfeststellung zu unterscheidende "Widmung" von Eisenbahnbetriebsanlagen aber auch weiterhin für möglich gehalten wird, wird dies mit der Notwendigkeit eines Rechtsaktes zur Zweckbestimmung der Eisenbahn für den öffentlichen Verkehr (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 AEG) begründet45 • Die Widmung entfällt deshalb bei privatnützigen, nicht dem öffentlichen Verkehr zugänglichen Eisenbahnen46 • Auch bei nicht dem öffentlichen Verkehr dienenden Eisenbahnen besteht aber die Notwendigkeit, die Nutzung der benötigten Grundflächen zu planen und zu koordinieren47 , und zwar auch mit kommunalen Planungen. Wäre die Widmung 43 A.A. - im Anschluß an BVerwGE 81, 111 - Steenhoff, Widmung, UPR 1998, 182, 185 f. und Korth Pereira Ferraz, in: Blümel / Kühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts, 1997, 175 ff.

Häde, JuS 1993, 113, 114 f.; Papier, S. 39, Pappermann/Löhr/Andriske, S. 15. Korth Pereira Ferraz, in: Blümell Kühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts, 1997, 175, 179; Steenhoff, Widmung, UPR 1998, 182, begründet die Notwendigkeit des Rechtsaktes der Widmung im Anschluß an BVerwG, Urt. v. 27.1l.l996 - II A 2.96 -, UPR 1997, 150, mit dem Gemeingebrauch an den Eisenbahnbetriebsanlagen, den es allerdings nicht gibt, da eine zulassungsfreie Nutzung der Betriebsanlagen nicht möglich ist, siehe dazu oben 3. Kapitel, B.II.2.a) aa). 4~ So konsequent Steenhoff, Widmung, UPR 1998, 182. 47 Aus diesem Grund unterliegen Betriebsanlagen von Eisenbahnen gern. § 18 Abs I S. 1 AEG dem Planfeststellungsvorbehalt unabhängig davon, ob sie dem öffentlichen Verkehr dienen sollen, siehe oben I. Kapitel, B.I. 44

45

11 Buchner

162

3. Kap.: Kommunale Planungshoheit und wirksame Fachplanung

Grundlage der Bindungswirkung fiir die kommunalen Planungen, wäre dies bei nicht dem öffentlichen Verkehr dienenden Eisenbahnen mangels Widmung nicht möglich. Es bleibt deshalb dabei, daß Grundlage der Bindung der kommunalen Planung grundsätzlich die Planfeststellung der Eisenbahnbetriebsanlagen ist. b) Sonderstellung der Altanlagen

aa) Isoliert gewidmete AI/anlagen

Zu prüfen bleibt, ob die Ausdehnung des aus § 38 BauGB abgeleiteten "Vorbehalts der Fachplanung" auf nicht planfestgestellte, sondern lediglich gewidmete Altanlagen durch das BVerwG anders zu beurteilen ist: Indem das BVerwG den "Vorbehalt der Fachplanung" auf diese Altanlagen erstreckt, wendet es § 38 BauGB doppelt analog an: Bereits die Ableitung des Vorbehalts der Fachplanung aus § 38 BauGB fiir planfestgestellte Betriebsanlagen enthält eine Analogie48 • Die Ausdehnung dieses Vorbehalts auch auf nicht planfestgestellte, sondern lediglich gewidmete Altanlagen bedeutet eine nochmalige analoge Anwendung der Norm. Auch mit dem Grundsatz der zeitlichen Priorität zwischen gleichrangigen Planungen läßt sich lediglich in entsprechender Anwendung eine Beschränkung der kommunalen Planungshoheit begründen, da es bei den nur gewidmeten Bahnanlagen gerade an der erforderlichen Planungsentscheidung fehlt. Maßgeblich ist deshalb, ob die lediglich gewidmeten Altanlagen den planfestgestellten Altanlagen gleichzustellen sind: Ein wesentlicher Gesichtspunkt ist insoweit zunächst, daß die Altanlagen überwiegend rechtmäßigerweise ohne vorherige Feststellung des Plans errichtet wurden. Die Existenz der nicht planfestgestellten Altanlagen resultiert nicht aus rechtswidrigem Verwaltungshandeln in der Vergangenheit, sondern daraus, daß die Planfeststellung im früheren Reichsgebiet erstmalig mit den aufgrund des Reichsbahngesetzes erlassenen Planfeststellungsrichtlinien allgemein zur Voraussetzung der Errichtung von Bahnanlagen wurde49 • Die hier behandelten Altanlagen wurden dagegen - teilweise schon vor der Reichsgründung - nach landesrechtlichen Vorschriften ohne Planfeststellung errichtet und fiir den Eisenbahnzweck gewidmet; läßt sich ein ausdrücklicher Widmungsakt nicht mehr nachweisen, begründet die langjährige Nutzung der Altanlagen fiir den Eisenbahnbetrieb eine Widmungsfiktion. 48

Siehe oben 3. Kapitel, B.1.1.

49

Kruchen, S. 7, 19.

B. Die Beschränkung der gemeindlichen Planungshoheit

163

Die vorhandenen Eisenbahnanlagen wurden später - ohne Rücksicht darauf, ob es sich um planfestgestellte Anlagen handelte oder nicht - von den Ländern auf das Reich und die "Deutsche-Reichsbahn-Gesellschaft", von dieser auf das Sondervermögen "Deutsche Reichsbahn" und später gern. § 1 BbG 50 in das Sondervermögen "Deutsche Bundesbahn" übertragen 51 • Nach der Zusammenfiihrung dieser Sondervermögen im nicht rechtsfähigen "Bundeseisenbahnvermögen" gern. § I des Gesetzes zur Zusammenfiihrung und Neugliederung der Bundeseisenbahnen52 (im folgenden: ENeuglG), sind Liegenschaften, die für das Betreiben der Eisenbahninfrastruktur notwendig waren, vom Bundeseisenbahnvermögen in das Eigentum der neu gegründeten DB AG übergegangen. Bei sog. unmittelbar und ausschließlich bahneigenen Anlagen erfolgte der Übergang gern. § 21 BENeuglG unmittelbar gesetzlich mit dem Tag der Eintragung der DB AG in das Handelsregister, bei sog. schlicht bahnnotwendigen Anlagen durch gesonderte Übertragung gern. §§ 20 Abs. 2 S. 1,23 Abs. I S. 2 BENeugIG. Diese gesetzlichen Regelungen enthalten zwar selbst keine Widmung der Bahnanlagen i.S.d. öffentlichen Sachenrechts, sondern knüpfen lediglich zum Zwecke der Vermägenszuordnung an die vorhandene Zweckbestimmung bzw. die tatsächliche Nutzung der Anlagen an S3 • Mit dem Eigentum an den Grundstücken und Anlagen ist jedoch jeweils auch die Widmung mitübertragen worden; denn die durch die Widmung begründete öffentlich-rechtliche Dienstbarkeit geht als dingliche Last mit dem Grundeigentum auf den Rechtsnachfolger über4 • Auch die DB AG ist daher weiterhin an die Widmung der Anlagen, die in ihr Eigentum übertragen wurden, gebunden 55 . Da die Altanlagen in der Regel rechtmäßig errichtet und seit langer Zeit für Bahnzwecke genutzt wurden und die Widmung der Altanlagen weiterhin wirksam bleibt, erscheint eine Gleichbehandlung dieser Altanlagen mit den pIanfestgestellten Eisenbahnbetriebsanlagen hinsichtlich der Beschränkung der gemeindlichen Planungshoheit sinnvoll 56 • Sie trägt zur Rechtssicherheit bei, indem ver50

Gesetz vom 2.3.1951, BGBI. 1951 I S. 155.

51

Vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, E 81, 111, 113.

Artikel 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (Eisenbahnneuordnungsgesetz - ENeuOG) v. 27.12.1993, BGBI. I S. 2378 ff. 52

53 54

Vgl. zu § 1 BbG Kruchen, S. 7, 10 f.; Axer, S. 197. Papier, S. 80; Pappermann/Löhr/Andriske, S. 19.

55 Vgl. im Ergebnis BVerwG, Urt. v. 27.11.1996 - 11 A 2.96 -, UPR 1997, 150; das BVerwG erörtert in dieser Entscheidung allerdings den Übergang der Widmung nicht, sondern stellt hinsichtlich der weiterbestehenden Widmung auf den "Gemeinwohlauftrag der Bahn zur Erbringung öffentlicher Verkehrsdienstleistungen (Art. 87e Abs. 4 GG)" ab. Ein solcher Gemeinwohlauftrag der DB AG besteht jedoch nicht, siehe oben 1. Kapitel, D.I.2.b)bb)bbb). 56 Im Ergebnis BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, E 81, 111, 113; Bender, VerwArch. 1992, 576, 587 f.

11'

164

3. Kap.: Kommunale Planungshoheit und wirksame Fachplanung

mieden wird, daß zwei, in bezug auf die Beschränkung der kommunalen Planungshoheit unterschiedlich zu behandelnde Klassen von Eisenbahnbetriebsanlagen entstehen. Genau dies wäre die Folge, wenn man eine Gleichbehandlung der lediglich gewidmeten Altanlagen mit den planfestgestellten Anlagen ablehnen würde. Denn bei den lediglich gewidmeten Altanlagen ergäbe sich eine Beschränkung der kommunalen Planungshoheit nur mittelbar daraus, daß eine gemeindliche Planung, die auf absehbare Zeit wegen entgegenstehender tatsächlicher oder rechtlicher Hindernisse keine Realisierungschance hat, nicht erforderlich i.S.d. § 1 Abs. 3 BauGB ist57 • Während jedoch miteinander unvereinbare rechtsverbindliche Planungsentscheidungen gänzlich unzulässig sind, schließt die Widmung einer Anlage für sich genommen eine abweichende Bauleitplanung nicht von vornherein aus. Ohne eine (doppelt) analoge Anwendung des § 38 BauGB müßte deshalb hinsichtlich der Rechtsverhältnisse der Bahnanlagen differenziert werden. bb) Altanlagen. die nach vorheriger Planfeststellung eigenständig gewidmet wurden Neben den vom BVerwG behandelten, lediglich gewidmeten Altanlagen existieren auch Altanlagen, die nach vorheriger Planfeststellung zusätzlich gesondert durch Verwaltungsakt gewidmet wurden. In diesem Fall erfolgte die Widmung nicht durch den Planfeststellungsbeschluß, sondern durch einen weiteren, selbständigen Verwaltungsakt58 • Zu erklären ist die Existenz dieser Anlagen damit, daß sich die Praxis bei der Errichtung von Bahnanlagen zumindest zeitweise an der Rechtslage im Straßenrecht orientierte, wo gesetzlich zwischen Planfeststellung und Widmung unterschieden wurde und wird 59 • Für derartige Altanlagen ergibt sich die Beschränkung der kommunalen Planungshoheit entsprechend den obigen Ausführungen unproblematisch aus dem Planfeststellungsbeschluß. Die Widmung ist bei diesen Altanlagen folglich für die Beschränkung der kommunalen Planungshoheit bedeutungslos. Eine zweifach analoge Anwendung des § 38 BauGB bzw. des Grundsatzes der zeitlichen Priorität erübrigt sich.

57 BVerwG, B. v. 21.1.1993 - 4 B 206/92 -, NVwZ 1993, 884, 885: Unzulässigkeit eines Flächennutzungsplans, dessen Umsetzung auf nicht absehbare Zeit Bedürfnisse der Landesverteidigung entgegenstehen. SR Kruchen, Die Bundesbahn 1967, 181, 182; Kruchen, S. 7 ff., insb. S. 21; M. Koch, in: Haustein, S. 175 f.

~9 Vgl. dazu Sauthoff, NVwZ 1995, 119

tT.

C. Bauleitplanung und eisenbahnrechtliche Fachplanung

165

111. Zwischenergebnis Zwischen der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung und der gemeindlichen Bauleitplanung besteht kein Rangverhältnis aufgrund der Rechtsform. Aus diesem Grund gilt als Kollisionsregel zwischen den Planungen der Grundsatz der zeitlichen Priorität, wenn keine anderweitige gesetzliche Regelung vorhanden ist. Die Gemeinde ist daher mit ihrer nachfolgenden Bauleitplanung an einen bereits vorhandenen, wirksamem eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschluß gebunden. Bestätigt wird dies auch durch eine Analogie zu § 38 BauGB; die Anordnung des Vorrangs der nachfolgenden eisenbahnrechtlichen Fachplanung vor dem vorhandenen kommunalen Bebauungsplan kann entsprechend auf den zeitlich umgekehrten Kollisionsfall übertragen werden. Insoweit ist die kommunale Planungshoheit i.S.d. Rspr. des BVerwG durch den Vorbehalt zugunsten der Fachplanungen gern. § 38 BauGB beschränkt. Voraussetzung einer Beschränkung der kommunalen Planungshoheit ist aber grundsätzlich immer ein wirksamer Planfeststellungsbeschluß bzw. eine Plangenehmigung. Die unabhängig von einem Planfeststellungsbeschluß erfolgende Widmung einer Eisenbahnbetriebsanlage beschränkt die kommunale Planungshoheit demgegenüber - unabhängig davon, ob Eisenbahnbetriebsanlagen auch nach der Bahnreform noch öffentliche Sachen sind - nicht. Denn die Widmung hat allein öffentlich-sachenrechtliche Bedeutung und entfaltet deshalb keine Regelungswirkung im Bereich des Planungsrechts. Im übrigen fehlt es für einen von der Planfeststellung zu unterscheidenden Rechtsakt der Widmung im AEG auch an der - wegen Art. 14 Abs. I und 28 Abs. 2 GG erforderlichen - gesetzlichen Grundlage. Ausnahmsweise ist aber eine Beschränkung der kommunalen Planungshoheit durch die Widmung aus Gründen der Rechtssicherheit bei Altanlagen anzuerkennen, die rechtmäßig ohne Planfeststellungsbeschluß errichtet wurden.

c. Die Bauleitplanung während der Geltung der eisenbahnrechtlichen Fachplanung

Für die Überplanung planfestgestellten Bahngeländes60 mit einer gemeindlichen Bauleitplanung gelten grundsätzlich die allgemeinen Regelungen des BauGB. Alle Vorhaben, die nicht dem Eisenbahnbetrieb i.S.d. § 18 Abs. 1 S. 1 AEG dienen oder in den Anwendungsbereich eines anderen Fachplanungsgeset(,() Wegen der hier vertretenen Gleichbehandlung der lediglich gewidmeten Altanlagen mit den planfestgestellten Eisenbahnbetriebsanlagen gelten die folgenden Ausfiihrungen fiir die gewidmeten Altanlagen entsprechend.

166

3. Kap.: Kommunale Planungshoheit und wirksame Fachplanung

zes fallen, unterliegen der kommunalen Bauleitplanung. Die planfestgestellte Fläche ist aufgrund der Bindung der Bauleitplanung an die vorhandene eisenbahnrechtliche Fachplanung dem allgemeinen Baurecht und der kommunalen Bauleitplanung nicht insgesamt i.S.e. sog. exterritorialen Gebietes entzogen 61 ; inhaltlich mit der durch die Planfeststellung festgelegten Zweckbestimmung als Betriebsanlage der Eisenbahn i.S.d. § 18 Abs. I S. I AEG vereinbare planerische Festlegungen können vielmehr auch im Geltungsbereich der eisenbahnrechtlichen Fachplanung nach den allgemein für die Bauleitplanung geltenden Regelungen des BauGB getroffen werden 62 • Aus der Verpflichtung zur Beachtung der vorrangigen eisenbahnrechtlichen Fachplanung ergeben sich lediglich einige Besonderheiten:

I. Erforderlichkeit der Bauleitplanung gern. § 1 Abs. 3 BauGB Die gemeindliche Planungsbefugnis besteht nach § lAbs. 3 BauGB nur dann, wenn es für die Planung Gründe der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung gibt. Weiterhin dürfen nur solche Darstellungen und Festsetzungen aufgenommen werden, die städtebaulich veranlaßt sind, da der Erforderlichkeitsgrundsatz sowohl fiir das "Ob" als auch fiir das "Wie", d.h. Umfang und Inhalt der Bauleitplanung gilt63 • Soweit eine planfestgestellte Betriebsanlage der Eisenbahn ausschließlich für Betriebszwecke genutzt wird und auch ihrer Natur nach ausschließlich für Eisenbahnzwecke genutzt werden kann, wie dies etwa bei reinen Gleisanlagen der Fall ist, sind keine städtebaulichen Gründe für eine Bauleitplanung erkennbar. Mithin ist die Erforderlichkeit i. S. des § 1 Abs. 3 BauGB nicht gegeben und die ergänzende gemeindliche Planung unzulässig. Kommen dagegen - wie etwa in einem Bahnhofsgebäude - neben der Nutzung für den Eisenbahnbetrieb auch andere Nutzungen in Betracht, können 61 BVerwG, Urt. v. 16.\2.\988 - 4 C 48.86 -, E 8\, \\\, \\5; Kraft, DVBI. 2000, 1326, \327. 62 BVerwG, Urt. v. 16.\2.\988 - 4 C 48.86 -, E 8\,11\,115; Urt. v. 4.7.\986 - 4 C 31.84 -, E 74, 3\5, 318; OVG Rhld.-Pf., Urt. v. 24.\ 0.\990 - 2 A 10049/90 OVG -, GewArch. 199\, 108 f.; Birk, FS für Gelzer, S. 4; Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 134; Paetow, UPR \990, 321, 323; Born / Wittenberg, Die Bundesbahn \991, 294, 297; H.-J. Koch, FS für Schlichter, S. 46\, 470; Finkeinburg / Ortloff, Bd. I, S. 42; Korth Pereira Ferraz, in: BlümellKühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts, \997, S. 175, 187; dies übersieht das OVG Lüneburg, Urt. v. 31.5.1996 - 6 L 3564/93 -, NVwZ 1997,602,603, das annimmt, daß für eine "Anlage nicht zwei Rechtsregime nebeneinander Geltung beanspruchen können". h) Hoppe. in: Hoppe/Grote/els, § 5 Rn. 62 (S. 125); Gaentzsch, in: Schlichter/Stich, § I Rn. 12 f.; Gierke, in: Brügdmann, § 1 Rn. 179.

C. Bauleitplanung und eisenbahnrechtliche Fachplanung

167

städtebauliche Gründe für eine Bauleitplanung sprechen. Eine gemeindliche Planung ist bei solchen, der Mischnutzung zugänglichen Anlagen nicht erst dann zulässig, wenn tatsächlich bahnfremde Nutzungen aufgenommen werden oder wenn Teile einer Betriebsanlage nicht mem für Bahnzwecke genutzt werden 64 • Denn die Erforderlichkeit der Planung i.S.d. § 1 Abs. 3 BauGB unterliegt der planerischen Gestaltungsfreiheit der Gemeinde; sie kann sich auch aus der planerischen Konzeption der Gemeinde selbst ergeben, ein Gebiet in einem bestimmten Sinne zu entwickeln65 • Will die Gemeinde also nach ihrem städtebaulichen Konzept bestimmte eisenbahnbetriebsfremde Nutzungen ermöglichen, ist die Erforderlichkeit gegeben. Ein Bebauungsplan kann auch dann i.S.d. § lAbs. 3 BauGB erforderlich sein, wenn bestimmte Arten von bahnfremden Nutzungen - wie etwa Spielhallen und Vergnügungsstätten in einem Bahnhof - ausgeschlossen werden sollen. Selbst ein Bauverbot für sämtliche bahnfremde Anlagen auf Bahngelände kann nach der Rspr. des BVerwG grundsätzlich in einem Bebauungsplan festgesetzt werden66 • Die Erforderlichkeit i.S.d. § 1 Abs. 3 BauGB fehlt der Planung auch dann nicht, wenn sie hauptsächlich auf die Verhinderung bestimmter städtebaulich relevanter Nutzungen gerichtet ist, solange die Gemeinde damit die vorhandene Situation bewahren und Fehlentwicklungen vermeiden will 67 •

11. Der zwingend zu beachtende Vorrang der Fachplanung Planerische Aussagen, die inhaltlich mit der durch die Fachplanung begründeten Zweckbestimmung als Eisenbahnbetriebsanlage nicht vereinbar sind, verstoßen gegen die vorrangige eisenbahnrechtliche Fachplanung (§ 38 BauGB analog). Die Unvereinbarkeit mit der vorhandenen Fachplanungsentscheidung führt zur Rechtswidrigkeit und damit zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans. Unzulässig ist eine der eisenbahnrechtlichen Fachplanung widersprechende Bauleitplanung selbst dann, wenn sie als sog. subsidiäre Planung nur für den Fall der Beseitigung der fachplanerischen Zweckbindung gelten soll, weil nach Auffassung des BVerwG eine Planung nicht unter einem Vorbehalt stehen 64

Enger insoweit Birk, FS rür Gelzer, S. I, 6.

6~ BVerwG, Urt. v. 7.5.1971 - 4 C 76.68 -, DVBI. 1971, 759; Gaentzsch, in: Schlich-

ter / Stich, § I Rn. 13; Gierke, in: Brügelmann, § I Rn. 218; Krautzberger, in: Battis / Krauztberger / Löhr, § I Rn. 28; Brohm, Öffentliches Baurecht, § 12 Rn. 2 (S. 179).

M BVerwG, B. v. 17.11.1989 - 4 B 207.89 -, UPR 1990, 185; unzulässig ist dagegen ein allgemeines Bauverbot, das auch Eisenbahnbetriebsanlagen erfaßt. Zum Ausschluß einzelner Nutzungsarten und Arten von baulichen Anlagen auch BVerwG, Urt. v. 16.12. 1988 - 4 C 48.86 -, E 81, 111, 116.

67

BVerwG, B. v. 18.12.1990 - 4 NB 8/90 -, NVwZ 1991,875,876 f.

168

3. Kap.: Kommunale Planungshoheit und wirksame Fachplanung

darfi 8 • Soweit die bevorstehende Entlassung einer bisherigen Eisenbahnbetriebsanlage aus der Fachplanung bereits feststeht, darf die Gemeinde aber durch Aufstellungsbeschluß gern. § 2 Abs. I S. 2 BauGB eine der vorhandenen eisenbahnrechtlichen Planfeststellung widersprechende Bauleitplanung einleiten; unzulässig ist lediglich die abschließende Beschlußfassung über derartige Bauleitpläne69 • Unproblematisch hinsichtlich der Vereinbarkeit mit der vorrangigen Fachplanung ist der - bereits oben unter dem Aspekt der Erforderlichkeit i.S.d. § I Abs. 3 BauGB behandelte - Ausschluß bahnfremder Nutzungen, da mit einer solchen negativen Festsetzung konkurrierende Nutzungen gerade verhindert werden, so daß es gar nicht zu einer Unvereinbarkeit der Planungen kommen kann. Größere Schwierigkeiten bereitet dagegen die Frage, welche positiven Festsetzungen in einem Bebauungsplan auf Eisenbahngelände getroffen werden können. Zulässig dürfte es sein, die eisenbahnrechtliche Planfeststellung nicht nur gern. § 9 Abs. 6 BauGB nachrichtlich in den Bebauungsplan zu übernehmen, sondern konstitutiv als Fläche für öffentliche Verkehrsanlagen gern. § 9 Nr. 11, 24-26 BauGB oder beispielsweise als Sondergebiet "Bahn" auszuweisen 70 • Damit ist freilich für die Bestimmung der zulässigen eisenbahnbetriebsfremden Festsetzungen im Bebauungsplan nichts gewonnen. Zu diesem Zweck müssen vielmehr eisenbahnbetriebsfremde, aber mit der eisenbahnrechtlichen Fachplanung vereinbare Planungen der Gemeinde von Planungen abgegrenzt werden, die ebenfalls eisenbahnbetriebsfremde Nutzungen zum Gegenstand haben, die aber die vorhandene Fachplanung beeinträchtigen würden und daher nur zulässig sind, wenn die Fachplanung zuvor entsprechend geändert oder beseitigt wurde 71 • Die Aufhebung bzw. Änderung der durch die eisenbahnrechtliche Planfeststellung begründeten Zweckbindung der Betriebsanlage wird insbesondere dann 68 BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 -4 C 48.86 -, E 81, 1I1, 1I7; Gierke, in: Briigelmann, § 9 Rn. 43; Thomas, StuGR 1995,87, 88f.; Kraft, DVBI. 2000,1326,1329; a.A. Brohm, NVwZ 1985, 1,8; Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 136; kritisch auch H.-J. Koch, FS für Schlichter, S. 461, 470 f 69 BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, E 81, 11I, 116 f; VGH Mannheim, Urt. v. 23.8.1996 - 8 S 269/96 -, VBIBW 1997, 59, 61; -Birk, FS für Gelzer, S. I, 10 ff 70 Paetow, UPR 1990, 321, 325; Birk, FS für Gelzer, S. I, 6 f; Runkel, in: Ernst / Zinkahn/Bielenberg, § 38 Rn 96; offen gelassen in BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, E 81, 11I, 116. 71 Gierke, in: Briigelmann, § 9 Rn. 44. Diese Differenzierung im Bereich der Bauleitplanung entspricht der Unterscheidung zwischen eisenbahnbetriebsfremden, aber "fachplanungskonformen" Vorhaben und "fachplanungswidrigen" Vorhaben bei der Genehmigung von Einzelvorhaben, vgl. H.-J. Koch, FS für Schlichter, S. 461, 467 f.; Korth Pereira Ferraz, in: BlümellKühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts, 1996, S. 231, 243.

c.

Bauleitplanung und eisenbahnrechtliche Fachplanung

169

erforderlich sein, wenn eine Betriebsanlage aus bautechnischen oder sonstigen technischen Gründen nicht für eisenbahnbetriebsfremde Zwecke genutzt werden kann, wenn also vor der Aufnahme einer neuen Nutzung der Umbau der Anlage erforderlich ist. Bei Anlagen wie Bahnhofsgebäuden, die der Mischnutzung prinzipiell zugänglich sind, können in einem Bebauungsplan sämtliche Nutzungen zugelassen werden, die die durch die Planfeststellung festgelegte Funktion als Betriebsanlage der Eisenbahn nicht konkret beeinträchtigen. Beispielsweise wäre die Zulassung von Einzelhandelsbetrieben, Vergnügungsstätten etc. in einem ergänzenden Bebauungsplan rur einen Bahnhof nach der Rspr. grundsätzlich nicht fachplanungswidrig 72 •

III. Abwägung In der Abwägung sind die Belange der eisenbahnrechtlichen Fachplanung, wie sie die eisenbahnrechtliche Planfeststellungsbehörde als Träger öffentlicher Belange im Rahmen der Beteiligung gern. § 4 BauGB vorgebracht hat, zu berücksichtigen73. Als Grundstückseigentümer sind die privaten Eisenbahnunternehmen regelmäßig an einer möglichst gewinnbringenden kommerziellen Zusatznutzung der Eisenbahnflächen und damit an einer möglichst weitgehenden Zulassung von zusätzlichen Nutzungen durch den Bebauungsplan interessiert. Sie haben Anspruch auf Berücksichtigung ihrer privaten Belange als Eigentümer der Grundstücke und Eisenbahnbetriebsanlagen im Rahmen der Abwägung gern. § 18 Abs. I S. 2 AEG. Die Berücksichtigung der Belange des betroffenen Grundstückseigentümers in der Abwägung ist durch Art. 14 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich abgesichert 74 • Der Bebauungsplan muß als Inhaltsbestimmung des Grundeigentums i.S.d. Art. 14 Abs. I S. 2 GG verhältnismäßig sein 75 • Ein völliger Ausschluß kommerzieller Zusatznutzungen durch die Bauleitplanung kann deshalb disproportional und damit abwägungsfehlerhaft sein.

72 Dies ergibt sich im Umkehrschluß daraus, daß das BVerwG, B. v. 17.1l.I989 - 4 B 207.89 -, UPR 1990, 185, auch den Ausschluß einer derartiger Nutzungen für möglich erachtet; der Ausschluß einer Nutzungsart durch Bebauungsplan kommt nur dann in Betracht, wenn die fragliche eisenbahnbetriebsfremde Nutzung nicht bereits wegen ihrer Unvereinbarkeit mit der vorhandenen Fachplanung unzulässig ist. 73 Die privaten Eisenbahnunternehmen einschließlich der OB AG sind nicht Träger öffentlicher Belange i.S.d. § 4 BauGB; siehe oben 2. Kapitel, B.II.3.a).

Krautzberger, in: Battis / Kralltzberger / Löhr, § 1 Rn. 9. Vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, § I Rn. 211 f.; Erbguth/Wagner, Rn. 41; Krautzberger, in: Battis / Krautzberger / Löhr, § I Rn. 126. 74

75

170

3. Kap.: Kommunale Planungshoheit und wirksame Fachplanung

D. Zulassung eisenbahnbetriebsfremder Vorhaben auf planfestgestelltem Bahngelände und kommunale Planungshoheit I. Erteilung einer Baugenehmigung nach der Landesbauordnung Grundsätzlich unterliegen nicht dem Eisenbahnbetrieb dienende Vorhaben auf planfestgestelltem Bahngelände nach der Rspr. des BVerwG in formeller und materieller Hinsicht dem allgemeinen Baureche6 • Nach Maßgabe der jeweiligen Landesbauordnung ist also in der Regel ein Baugenehmigungsverfahren durchzufuhren 77:

1. Baugenehmigungsverfahren a) Voraussetzungen der Baugenehmigungspflichtigkeit nach der Landesbauordnung

Baugenehmigungspflichtig sind die Errichtung, die Änderung, die Nutzungsänderung und der Abbruch baulicher Anlagen (vgl. § 49-51 BauO BW). Entweder die neu auf Bahngelände zu errichtende Anlage oder die bestehende Bahnanlage muß demzufolge eine bauliche Anlage i.S.d. Landesbauordnung sein 78 • 76 BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, E 81, Ill, 119; Urt. v. 29.8.1961 - I C 167.59 -, DVBI. 1962, 178, 179 f. ; vgl. zur Baugenehmigung für eine Spiel halle in einem Bahnhofsgebäude: OVG Münster, Urt. v. 6.10.1988 - 4 A 2966 / 86 -, NVwZ 1989,576; vgl. zur Genehmigung eines Schrottplatzes aufplanfestgestelltem Bahngelände nach Immissionsschutzrecht: BVerwG, Urt. v. 7.6.1977 - I C 21.75 -, DÖV 1978, 49 tT.; zustimmend Roeser, in: Schlichter/Stich, § 38 Rn. 16; so auch schon Radecke / Rehling, in: Haustein, S. 346 f.; a.A. hinsichtlich der Genehmigungszuständigkeit BayVGH, Urt. v. 20.10.1998 - 20 A 98.40022 -, BayVBI. 1999, 147 ff. für den Fall einer eine bauliche Einheit bildenden Anlage, ebenso Heldwein, BayVBI. 2000, 65, 70 ff. Der BayVGH und Heldwein gehen jedoch von einem unrichtigen Begriff der Eisenbahnbetriebsanlage aus, der entgegen § 18 AEG auch betriebsfremde Nutzungen in einem einheitlichen Gebäude erfassen soll. Dagegen zu Recht Jäde, BayVBI. 1999, 149 f.; Gruber, BauR 2000, 499,504 f.; Runkei, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, § 38 BauGB Rn. 28; Kraft, DVBI. 2000, 1326, 1328 f.

Runkel, in: Ernst / Zinkahn / Bielenberg, § 38 Rn. 78. Daran fehlt es beispielsweise bei den dem öffentlichen Verkehr dienenenden Anlagen, die - mit Ausnahme von Gebäuden - aus dem Anwendungsbereich der Landesbauordnungen ausgeschlossen sind (vgl. z.B. § lAbs. 2 Nr. I BauO BW), s. jetzt auch Kraft, DVBI. 2000, 1326, 1328. Werden auf einer Ladestraße als dem öffentlichen Verkehr dienender Straße gelegentlich zur Durchführung von Jahrmärkten an Wochenenden Verkaufsstände errichtet, die ebenfalls keine baulichen Anlagen i.S.d. Landesbauordnungen sind, kommt die Durchführung eines Baugenehmigungsverfahrens in diesem 77

7R

D. Eisenbahnbetriebsfremde Vorhaben und kommunale Planungshoheit

171

Eine bauordnungsrechtlich genehrnigungspflichtige Nutzungsänderung 79 einer baulichen Anlage stellt beispielsweise die Einrichtung einer Spielhalle in einem Bahnhofsgebäude dar: Eine Nutzungsänderung ist immer dann genehmigungspflichtig, wenn rur die neue Nutzung andere öffentlich-rechtliche Anforderungen gelten als rur die bisherige Nutzung80 • Dies ist bei der Einrichtung einer Spielhalle der Fall, da rur die Nutzung als Eisenbahnbetriebsanlage das AEG gilt, rur die Nutzung als Spielhalle dagegen das allgemeine Baurecht8 !. Nicht Bedingung rur die Genehmigungspflichtigkeit der Nutzungsänderung im Sinne der Landesbauordnung kann es dagegen sein, daß die Anlage bereits mit ihrer bisherigen Nutzung dem allgemeinen Baurecht unterliegt. Ansonsten bliebe die - ohne Zweifel vorhandene - bodenrechtliche Relevanz einer solchen Änderung i.S.d. § 29 BauGB mangels bauordnungsrechtlicher Genehmigungspflicht ohne Folgen. b) Keine Ausnahme für eisenbahnbetriebsfremde Vorhaben der DB AG

Ein Baugenehmigungsverfahren ist auch rur die nicht dem Eisenbahnbetrieb dienenden Vorhaben der OB AG durchzuruhren. Eine Ersetzung des Baugenehmigungsverfahren durch das vereinfachte Zustimmungsverfahren rur öffentliche Bauten (vgl. z. B. § 70 Abs. I BauO BW) kommt nicht in Betracht. Denn das Zustimmungsverfahren knüpft an die Behördeneigenschaft an, die der OB AG, die ein privatrechtlich organisiertes Eisenbahnunternehmen ist, gerade fehlt 82 • Des weiteren wird die Zuständigkeit der Bauaufsichtsbehörde nicht durch die Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes rur die Überwachung der Betriebsanlagen der Eisenbahnen des Bundes nach Maßgabe anderer Gesetze gern. § 4 Abs. 2 AEG, § 3 Abs. 2 S. I Nr. 6 EVerkVerwG sowie rur die Bauaufsicht rur Betriebsanlagen gern. § 3 Abs. 2 S. I Nr. 2 EVerkVerwG verdrängt. Wie bereits der Wortlaut dieser Vorschriften eindeutig ergibt, beschränkt sich die Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes auf Betriebsanlagen 83 • Die Genehmigung der Errichtung von nicht dem Eisenbahnbetrieb dienenden Anlagen sowie auch die Zulassung eisenbahnbetriebsfremder Nutzungen innerhalb bestehender BetriebsFall trotz der eisenbahnbetriebsfremden Nutzung nicht in Betracht, so zu Recht OVG Münster, B. v. 9.9.1994 - 11 B 1447/94 -, GewArch. 1995, 127 f.; kritisch Gruber, BauR 2000, 499, 503 f., der jedoch allein auf die eisenbahnbetriebsfremde Nutzung hinweist und sich mit der Anwendbarkeit der BauO nicht beschäftigt. 79

Vgl. z.B. § 50 Abs. 2 Nr. I BauO BW.

MO

Finkelnburg/Ortloß; Bd. 11, S. 84 mit Fn. 18; Grote/els, in: Hoppe/Grote/els, § 15

Rn. 14 (S. 572) m.w.N. MI

R2

OVG Münster, Urt. v. 6.10.1988 - 4 A 2966/86 -, NVwZ 1989,576. Freise/Willenberg, GewArch. 1996,353,358.

M3 Korth Pereira F erraz, in: Blümel / Kühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts, 1996, S. 231, 236; Gruher, BauR 2000, 499, 50 I.

172

3. Kap.: Kommunale Planungshoheit und wirksame Fachplanung

anlagen obliegt folglich den nach Landesrecht zuständigen Bauaufsichtsbehörden. Bestätigt wird diese Auffassung auch durch die Entstehungsgeschichte; die Regelung des § 4 Abs. 2 AEG i.V. mit § 3 Abs.2 S. I Nr. 6 EVerkVerwG wurde nämlich auf Vorschlag des Bundesrates eingefügt, um sicherzustellen, "daß - vergleichbar der Regelung des § 38 BbG - für Baufreigaben, Abnahmen, Prüfungen und Zulassungen nach anderen Rechtsvorschriften nicht die Zuständigkeit der jeweiligen Länderbehörden, sondern die des Eisenbahn-Bundesamtes als besondere fachtechnische Behörde gegeben ist". Dies entspreche "somit dem Grunde nach den bisherigen Regelungen"84. Die Zuständigkeit des EisenbahnBundesamtes besteht folglich in gleichem Umfang wie die bisherige Zuständigkeit der Bundesbahn für die sog. Eigenüberwachung ihrer Betriebsanlagen nach § 38 BbG85 . Auch § 38 BbG schloß die Durchführung eines Baugenehmigungsverfahrens nach der Landesbauordnung oder sonstige Maßnahmen nach Landesrecht auf Eisenbahngelände dann nicht aus, wenn es um nicht dem Eisenbahnbetrieb dienende Anlagen ging oder wenn eine nicht dem Eisenbahnbetrieb dienende Nutzung genehmigt werden sollte86 • c) Einvernehmen der Gemeinde

Die Baugenehmigung darf gern. § 36 Abs. I S. I BauGB in den Fällen der §§ 31,33-35 BauGB nur im Einvernehmen mit der Gemeinde erteilt werden 87 • Das Einvernehmen kann nach der Rspr. des BVerwG auch dann versagt werden, 84

BT-Drs. 12/5014, S. 15 f.

Studenroth, Verw Arch. 1996, 103 -106; a.A. Freise I Wittenberg, Gew Arch. 1996, 353, 356 f., die eine Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes für die Durchführung anderer Gesetze mit Verweis auf einen entsprechenden Erlaß des Bundesministeriums für Verkehr ablehnen. Auf der Basis dieser engen Auslegung der Zuständigkeiten des Eisenbahnbundesamtes sind die Bauaufsichtsbehörden erst recht für eisenbahnbetriebsfremde Anlagen und Nutzungen zuständig, so daß die Streitfrage hier auf sich beruhen kann. 86 Vgl. BVerwG, B. v. 27.12.1995 - 4 B 294.94 -, Buchholz 442.08 § 38 BbG Nr. 4, S. 2; Radecke I Rehling, in: Haustein, S. 343 - 345, 346 f.; Finger, § 38 BbG Anm. I a, S. 250; Küchler, DÖV 1977, 187; zu Unrecht zweifelnd hinsichtlich der Geltung des Bauordnungsrechts für die Einrichtung einer Spielhalle in einem planfestgestellten Bahnfofsgebäude im Hinblick auf die Eigenüberwachung der Bundesbahn gem. § 38 S. 2 BbG: OVG Rhld.-Pf., Urt. v. 24.10.1990-2 A 10049/90 OVG-, GewArch. 1991, 108, 109; unrichtig auch BayVGH, Urt. v. 20.10.1998 - 20 A 98.40022 -, BayVBI. 1999, 147 ff. zur Einrichtung von Ladenokaien im Münchner Hauptbahnhof, dagegen zu Recht Jäde, BayVBI. 1999, 149 f. 87 Das Erfordernis des förmlichen Einvernehmens entfällt allerdings, soweit die Gemeinde nach dem jeweiligen Landesorganisationsrecht selbst untere Bauausichtsbehörde ist, vgl. BVerwG, Urt. v. 21.6.1974 - IV C 17.72 -, E 45, 207, 212 m.w.N.; Grote/els, in: Hoppe I Grote/els, § 15 Rn. 28 (S. 578 f.); Krautzberger, in: Battis I Krautzberger I Löhr, § 36 Rn. 13. 85

D. Eisenbahnbetriebsfremde Vorhaben und kommunale Planungshoheit

173

wenn noch keine Planung der Gemeinde vorhanden ist, die Gemeinde sich aber auf den Bauantrag hin in Ausübung ihrer Planungshoheit zu einer - gegebenenfalls entschädigungspflichtigen - Änderung der planungsrechtlichen Grundlagen entschl ießt88 •

2. Materielle Anforderungen Materiell sind die öffentlich-rechtlichen Vorschriften einzuhalten (vgl. z.B. § 58 Abs. 1 S. 1 BauO BW). Dazu zählen insbesondere die planungsrechtlichen Anforderungen an das Bauvorhaben nach den §§ 30 ff. BauGB: Besteht rur das planfestgestellte Bahngelände zugleich ein qualifizierter Bebauungsplan, sind die §§ 30, 31 BauGB rur die Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit maßgeblich. Soweit ein Bebauungsplan fehlt, sind auch auf planfestgestelltem Bahngelände die §§ 34 bzw. 35 BauGB anzuwenden 89 • Da es rur die Anwendung der §§ 34, 35 BauGB auf die tatsächlich Situation in der Umgebung ankommt, die auch durch die vorhandene Betriebsanlage der Eisenbahn geprägt wird, kann die planfestgestellte Eisenbahnanlage selbst herangezogen werden, um eine Zuordnung zu § 34 oder § 35 BauGB vorzunehmen 90 • Wesentliche Besonderheit rur die Genehmigungsfahigkeit eines eisenbahnfremden Vorhabens auf planfestgestelltem Bahngelände ist, daß die Baugenehmigung auch dann versagt werden muß, wenn das Bauvorhaben nicht mit der eisenbahnrechtlichen Fachplanung zu vereinbaren ist; denn der Rechtscharakter der Fläche als Betriebsanlage der Eisenbahn ist dann nach der Rspr. des BVerwG ein der Baugenehmigung entgegenstehendes rechtliches Hindemis 91 • Maßgeblich rur die Beurteilung der Vereinbarkeit des eisenbahnfremden Vorhabens mit der rechtlichen Zweckbestimmung als Betriebsanlage ist - ebenso wie rur die Überprüfung der Zu lässigkeit einer gemeindlichen Bauleitplanung92 - , 88 BVerwG, Urt. v. 12.12.1991 - 4 C 31.89 -, UPR 1992,262 f. m.w.N.; BVerwG, Urt. v. 24.11.1989 - 4 C 54.87 -, UPR 1990, 190, 191; kritisch dazu Krautzberger, in: Ballis / Krautzberger / Löhr, § 36 Rn. 6; zustimmend Heldwein, BayVBI. 2000, 65, 71 f. 89 BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, E 81, 111, 120 f.; OVG Rhld.-Pf., Urt. v. 24.10.1990 - 2 A 10049/90 OVG -, Gew Arch. 1991, 108, 109; a.A. noch BVerwG, Urt. v. 11.12.1987 - 8 C 85/86 -, E 78, 321, 328 = NVwZ 1988, 632, 634 (zum Erschließungsbeitragsrecht). 90 Birk, FS für Gelzer, S. I, 13. 91 BVerwG Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, E 81, 111, 119; im Anschluß daran OVG NRW, Urt. v. 27.4.1998 - 7 A 3814/96 -, BauR 1999,365; Bender, VerwArch. 1992,576,587 f.; Thomas, StuGR 1995,87,89; H.-J. Koch, FS für Schlichter, S. 461, 467; Korth Pereira Ferraz, in: Blümel / Kühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts, 1996. S. 231, 242 f.; Gruber, BauR 2000, 499, 505 f. 92 Siehe oben 3. Kapitel, C.l1.

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3. Kap.: Kommunale Planungshoheit und wirksame Fachplanung

ob das Vorhaben konkret die durch die Planfeststellung geregelte Funktion als Betriebsanlage der Eisenbahn beeinträchtigt oder nicht93 . Ist das bahnfremde Vorhaben mit der Funktion als Betriebsanlage nicht vereinbar, muß vor der Erteilung der Baugenehmigung für die bahnfremde Nutzung der Rechtscharakter der Fläche als Eisenbahnbetriebsanlage beseitigt werden 94 • Zusammengefaßt bestehen für die Zulassung eisenbahnbetriebsfremder Vorhaben im Geltungsbereich eines eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses also nach der bisherigen Rspr. nur folgende Alternativen: Das eisenbahnbetriebsfremde Vorhaben beeinträchtigt die rechtliche Zweckbestimmung der Anlage für den Eisenbahnbetrieb nicht, so daß eine Baugenehmigung erteilt werden kann. Das bahnfremde Vorhaben ist mit dem Rechtscharakter der Fläche als Eisenbahnbetriebsanlage nicht vereinbar, so daß dieser vor der Erteilung der Baugenehmigung beseitigt werden muß.

11. Planfeststellung zur Errichtung bautechnisch einheitlicher, gemischt genutzter Anlagen 1. Notwendigkeit eines Planfeststellungsbzw. Plangenehmigungsverfahrens Mit der Rspr. zur Beseitigung der rechtlichen Zweckbestimmung der Anlagen für den Eisenbahnbetrieb hat das BVerwG offensichtlich Vorhaben im Blick, bei denen die gesamte Eisenbahnbetriebsanlage oder zumindest selbständig abtrennbare Teile einer Gesamtanlage vollständig einer nicht dem Eisenbahnbetrieb dienenden Nutzung zugeführt werden sollen. In diesem Fall ist die Beseitigung des Rechtscharakters als Eisenbahnbetriebsanlage und die anschließende Durchführung eines Baugenehmigungsverfahrens sinnvoll. Dieses Modell zur Lösung der planungs- und genehmigungsrechtlichen Problematik stößt jedoch an seine Grenzen, wenn innerhalb einer bautechnisch eine Einheit bildenden Anlage - sozusagen "unter einem Dach" - die Nutzung als Eisenbahnbetriebsanlage mit eisenbahnbetriebsfremden Nutzungen kombiniert werden soll, wenn also eine bautechnisch einheitliche, aber gemischt genutzte Anlage geplant ist, die eine Doppelfunktion als Eisenbahnbetriebsanlage sowie als Einkaufs- oder Dienstleistungszentrum etc. hat. Derartige gemischt genutzte Anlagen, bei denen sich verkehrliche und sonstige Nutzungen durchdringen, Gruber, BauR 2000, 499, 506. Vgl. zur Rechtsgrundlage und zu den Voraussetzungen der Aufhebung der Zweckbindung im einzelnen das 4. Kapitel. 93

94

D. Eisenbahnbetriebsfremde Vorhaben und kommunale Planungshoheit

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sollen nach dem Willen der DB AG insbesondere durch den Umbau bisheriger Bahnhöfe zu gleichzeitig kommerziell genutzten Dienstleistungs- und Einkaufszentren entstehen95 • Die Erteilung einer Baugenehmigung ohne vorherige Beseitigung der rechtlichen Zweckbestimmung der Anlage für den Eisenbahnbetrieb scheidet für derartige Vorhaben aus, weil die Einrichtung großflächiger bahnfremder Nutzungen regelmäßig erhebliche Umbauten erfordert und deshalb mit der vorhandenen rechtlichen Zweckbestimmung der Anlage für den Eisenbahnbetrieb nicht zu vereinbaren ist. Andererseits kommt eine vollständige Beseitigung der Fachplanung nicht in Betracht, weil die Anlage auch weiterhin dem Eisenbahnbetrieb dienen soll. Die Umgestaltung der Bahnhöfe zu gemischt genutzten Dienstleistungszentren erfordert als wesentliche Änderung von Eisenbahnbetriebsanlagen vielmehr ein Änderungsplanfeststellungsverfahren gern. § 18 Abs. 1 S. 1 AEG bzw. - bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen - eine Plangenehmigung zur Änderung der bestehenden Eisenbahnbetriebsanlage gern. § 18 Abs. 2 AEG. Ein Baugenehmigungsverfahren ist neben diesem Änderungsverfahren nicht durchzuführen, wenn die Anlage bauordnungsrechtlich, insbesondere hinsichtlich ihrer Statik, des Brandschutzes etc. nur einheitlich beurteilt werden kann. Insoweit verdrängt das Eisenbahnrecht als Bundesrecht für die einheitliche Anlage das Landesbauordnungsreche6 • 2. Verhältnis zur Bauleitplanung der Gemeinden Im Fall der Änderungsplanfeststellung zur Errichtung gemischt genutzter Anlagen stellt sich in spezieller Weise das Abgrenzungsproblem zur gemeindlichen Kompetenz für die Bauleitplanung. Ordnungsrechtlich kann die gemischt genutzte Anlage zwar aufgrund der technischen Besonderheiten nur einheitlich im Planfeststellungsverfahren beurteilt werden. Die Erweiterung des genehmigungsrechtlichen Elements der Planfeststellung hat aber nicht automatisch zur Folge, daß auch die planungsrecht9S Korth Pereira Ferraz, in: Blümell Kühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts, 1996, S. 231 ff.; zur Neuerrichtung derartiger Anlagen am Beispiel des Lehrter Bahnhofs in Berlin Ronellenfitsch, VerwArch. 1997, 175, 195 ff. 96 Zu dieser Frage, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann, ausfiihrlieh Ronellenfitsch, VerwArch. 1997, 175, 198; Ronellenfitsch, VerwArch. 1999,581,586 ff.; so wohl auch BayVGH, Urt. v. 20.10.1998 - 20 A 98.40022 -, BayVBl. 1999, 147 ff., wobei aber im entschiedenen Fall die bautechnische Notwendigkeit einer einheitlichen Beurteilung nicht ersichtlich ist. Geht es lediglich um die Zulassung eisenbahnbetriebsfremder Nutzungen in einer Eisenbahnbetriebsanlage, die keine einheitliche bautechnische Beurteilung voraussetzuen, bleibt es bei der Zuständigkeit der Baugenehmigungsbehörde; siehe zu dieser Frage auch v. HeyllSteinfort, DVBl. 1999,1311,1319 ff.

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3. Kap.: Kommunale Planungshoheit und wirksame Fachplanung

liche Zuständigkeit der Planfeststellungsbehörde die Gesamtanlage erfaßt. Die Ausdehnung der Planungskompetenz der Planfeststellungsbehörde auf die Gesamtanlage müßte vielmehr nach den allgemeinen Zuständigkeitsregelungen begTÜndbar sein: a) Alleinige Planungskompetenz der Planfeststellungsbehörde?

aa) § 18 Abs. 1 S. 1 AEG

Die Planungskompetenz für die gemischt genutzte Gesamtanlage könnte sich bereits aus § 18 Abs. I S. I AEG ergeben. Eisenbahnbetriebsanlagen im Sinne dieser Vorschrift sind alle Anlagen, die funktional der Abwicklung des äußeren Bahnbetriebes dienen, wobei die Anlagen grundsätzlich einen hinreichend engen räumlichen Zusammenhang mit den Schienenwegen aufweisen müssen97 • Bautechnisch einheitliche, aber gemischt genutzte Anlagen sind wegen ihrer Bedeutung für die Verkehrsabwicklung jedenfalls auch Eisenbahnbetriebsanlagen in diesem Sinne. Der Umstand, daß die eisenbahnbetriebsfremden Nutzungen innerhalb einer bautechnisch einheitlichen Anlage aufgenommen werden sollen, führt aber nicht zu einer Erweiterung der Planungskompetenz der Planfeststellungsbehörde auf das Gesamtvorhaben. Nicht dem Eisenbahnbetrieb dienende Nutzungen verändern ihren Charakter nicht dadurch, daß sie in eine Betriebsanlage integriert werden und deshalb mit dem Eisenbahnbetrieb in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang stehen. Würde die bautechnische Einheit der Anlage zur Erweiterung der Planungskompetenz der Planfeststellungsbehörde führen, hätte es der Vorhabenträger in der Hand, durch die Gestaltung der Anlage die gemeindliche Planungshoheit auszuhebeln. bb) § 75 Abs. 1 VwVfG

Die Planungskompetenz fur eisenbahnbetriebsfremde Nutzungen in einer geänderten Eisenbahnbetriebsanlage ergibt sich auch nicht aus der Erweiterung des Gegenstands der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung auf notwendige Folgemaßnahmen durch § 75 Abs. I S. I VwVfG. Bereits nach dem Wortlaut kommt eine Anwendung nicht in Betracht, da die Regelung nur Folgemaßnahmen an anderen Anlagen erfaßt. Beim hier behandelten planfeststellungspflichtigen Umbau einer Eisenbahnbetriebsanlage soll dagegen eine einheitliche, gemischt genutzte Anlage entstehen. Die Planung der Mischnutzung ist außerdem auch nicht notwendige Folgemaßnahme i.S.d. § 75 Abs. I VwVfG. Wie bereits dargelegt, ist § 75 VwVfG 97

Siehe oben I. Kapitel, B.II.l.c).

D. Eisenbahnbetriebsfremde Vorhaben und kommunale Planungshoheit

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Ausdruck des Grundsatzes der Problembewältigung98 • Die Erweiterung der Kompetenz der Planfeststellungsbehörde dient der Lösung der Probleme, die durch die Errichtung oder Änderung der Eisenbahnbetriebsanlage in seiner räumlichen Umgebung aufgeworfen bzw. die zur Herstellung ihrer Funktionsfähigkeit gelöst werden müssen99 • Beide Gesichtspunkte treffen auf die eisenbahnbetriebsfremden Nutzungen nicht zu. Zum einen sollen die bahnfremden Nutzungen nach dem Umbau der Anlage erst neu aufgenommen werden. Zum anderen sind sie für die Herstellung einer funktionsfähigen Eisenbahnbetriebsanlage nicht erforderlich. Würde man die Planungskompetenz für gemischt genutzte Anlagen durch Anwendung des § 75 VwVfG insgesamt der Planfeststellungsbehörde zuweisen, bedeutete dies einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die originäre Planungskompetenz der Gemeinden 1oo • ce) § 78 VwVfG

Letzter verbleibender Ansatz zur Begründung einer alleinigen Zuständigkeit der eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbehörde ist § 78 Abs. I VwVfG. Nach dieser Norm ist beim Zusammentreffen selbständiger Vorhaben, für deren Durchführung Planfeststellungsverfahren vorgeschrieben sind, von denen mindestens eines bundesgesetzlieh geregelt ist, nur ein Planfeststellungsverfahren durchzuführen, wenn für die Vorhaben bzw. Teile der Vorhaben nur eine einheitliche Entscheidung möglich ist. Gern. § 78 Abs. 2 S. I VwVfG soll· das Verfahren durchgeführt werden, das für diejenige Anlage vorgeschrieben ist, die einen größeren Kreis öffentlich-rechtlicher Beziehungen berührt (sog. Schwerpunktprinzip)lOl. § 78 VwVfG setzt damit die Austauschbarkeit der Planungsverfahren voraus. Die Regelung ist Ausdruck des aus dem Abwägungsgebot abzuleitenden Gebots der planerischen Konfliktbewältigung l02 ; sie ermöglicht dann, wenn die durch die Planungen aufgeworfenen Probleme nicht durch gegenseitige Rücksichtnahme und Abstimmung der Vorhabenträger, sondern nur einheitlich bewältigt werden können, eine umfassende Lösung in einem Planfeststellungsverfahren 103. Unmittelbar kann § 78 Abs. I VwVfG auf die Errichtung gemischt funktionaler Anlagen jedoch nicht angewendet werden. Dagegen spricht schon, daß 98

Siehe oben 1. Kapitel, 8.11.3.

Bender, VerwArch. 1992,576,585 m.w.N. 100 Korth Pereira Ferraz, in: Blümel / Kühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts, 1996, S. 231, 238. 101 Ule / Laubinger, § 44 Rn. 4, S. 437; Kopp / Ramsauer, § 78 Rn. 8 f. 102 BVerwG, Urt. v. 18.4.1996 - 11 A 86/95 -, NVwZ 1996,901,903 m.w.N. 103 BVerwG, Urt. v. 18.4.1996 - 11 A 86/95 -, NVwZ 1996, 901, 903; dazu Ronelle'lfitsch, VerwArch. 1997. 175. 194 f. 9'l

12 Buchner

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3. Kap.: Kommunale Planungshoheit und wirksame Fachplanung

nicht mehrere Planfeststellungsverfahren zusammentreffen, sondern die eisenbahnrechtliche Planfeststellung mit der gemeindlichen Bauleitplanung. Zudem handelt es sich bei einer gemischt genutzten Anlage nicht um mehrere selbständige Vorhaben i.S.d. § 78 VwVfG. Selbständig sind die Vorhaben nur dann, wenn sie auf einer eigenständigen Planung beruhen und unabhängig voneinander durchgeruhrt werden sollen, ohne daß ein Vorhaben das andere veranlaßt lO4 • Die bautechnisch eine Einheit bildende, gemischt genutzte Anlage ist dagegen ein einheitliches Vorhaben 105, das lediglich verschiedenen Zwecken dient. Übrig bleibe damit allein eine analoge Anwendung des § 78 Abs. I VwVfG auf den Fall, daß ein einziges Vorhaben mehreren Planungsverfahren unterliegt lo6 • Für eine solche Analogie spricht in erster Linie, daß gerade bei einheitlichen baulichen Anlagen, die gemischt genutzt werden sollen, ein praktisches Bedürfnis rur eine einheitliche planerische Entscheidung besteht. Voraussetzung rur die analoge Anwendung ist jedoch, daß der geregelte und der nicht geregelte Tatbestand aufgrund ihrer Ähnlichkeit gleich zu bewerten sind lo7 • Dem gesetzlich nicht geregelten Fall des Zusammentreffens der gemeindlichen Bauleitplanung mit der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung bei der Errichtung einer gemischt genutzten Anlage fehlt es aber an der Ähnlichkeit mit dem in § 78 VwVfG geregelten Zusammentreffen mehrerer Planfeststellungen. Planfeststellung und Bauleitplanung sind nicht vergleichbar. Im Gegensatz zur Bauleitplanung ist die eisenbahnrechtliche Planfeststellung nämlich gleichzeitig Planungs- und Genehmigungsentscheidung lO8 • Mangels Genehmigungswirkung kann die Bauleitplanung die eisenbahnrechtliche Planfeststellung von vornherein nicht ersetzen. Im Falle des Zusammentreffens der Planfeststellung mit der Bauleitplanung fehlt es also an der in § 78 VwVfG vorausgesetzten Austauschbarkeit der Planungs verfahren. Eine weiterer, die analoge Anwendung des § 78 VwVfG ausschließender Unterschied besteht hinsichtlich der Planungspflichtigkeit der Vorhabenteile: Vor dem Bau und der Änderung von Eisenbahnbetriebsanlagen ist gern. § 18 Abs. 1 S. 1 AEG ein Planfeststellungsverfahren durchzuruhren. Dem korrespondiert ein Anspruch des Vorhabenträgers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über 104 Bank, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 78 Rn. 10; Allesch/Häußler, in: Obermayer, § 78 Rn. 18. 105 Korth Pereira Ferraz, in: BlümellKühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts, 1996, S. 231, 239; ebenso zur vergleichbaren Problematik bei der Planung von Güterverkehrszentren Wegener, növ 1996, 305, 311 f. 106 Zweifelnd zueiner analogen Anwendung Kopp/ Ramsauer, § 78 Rn. 7. 107 Larenz, Methodenlehre, S. 381. 108 Siehe oben 1. Kapitel, A.1. und H.

D. Eisenbahnbetriebsfremde Vorhaben und kommunale Planungshoheit

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seinen Antrag auf Planfeststellung lO9 • Dagegen besteht hinsichtlich der eisenbahnbetriebsfremden Vorhabenteile keine Pflicht zur vorherigen Bauleitplanung. Diese sind entweder nach den §§ 34, 35 BauGB zulässig oder nicht. Der Wunsch des Vorhabenträgers nach der Verwirklichung eines bestimmten Projekts löst keine Planungspflicht der Gemeinde i.S.d. § 1 Abs. 3 BauGB aus"o. Ein Anspruch auf Bauleitplanung besteht gern. § 2 Abs. 3 BauGB nichtI". Stellt die Gemeinde keine Bauleitpläne auf, kommt es also von vornherein nicht zu einem Zusammentreffen der Planungen. Schließlich wäre die Übertragung der Zuständigkeit rur die Bauleitplanung hinsichtlich der eisenbahnbetriebsfremden Vorhabenteile auf die Planfeststellungsbehörde in analoger Anwendung des § 78 VwVfG auch mit der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der kommunalen Planungshoheit durch Art. 28 Abs. 2 S. I GG unvereinbar. Im Gegensatz zu den §§ 7 und 38 BauGB handelte es sich dabei nicht um einen Eingriff in die inhaltliche Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenerledigung, sondern um einen Aufgabenentzug. Ein diese Aufgabenverlagerung zu Lasten einer einzelnen Gemeinde rechtfertigendes überörtliches Gemeinwohlinteresse ist nicht erkennbar. Das öffentliche Interesse an der Herstellung überörtlicher Verkehrsverbindungen kann zugunsten der Aufgabenver1agerung nicht ins Feld geruhrt werden, da die Verkehrsfunktion nicht von den eisenbahnbetriebsfremden Nutzungen abhängt. Das bestehende wirtschaftliche Interesse eines Eisenbahninfrastrukturunternehmens an der Zweitnutzung bestehender Bahnanlagen begründet dagegen von vornherein kein öffentliches Interesse an der Aufgabenverlagerung. Nach alledem ist ein analoge Anwendung des § 78 VwVfG auf das Zusammentreffen von Bauleitplanung und eisenbahnrechtlicher Planfeststellung bei gemischt genutzten Anlagen ausgeschlossen. b) Kooperative Planung der Planfeststellungsbehörde und der Gemeinde Ergebnis der bisherigen Betrachtung ist, daß die Planungskompetenz hinsichtlich der eisenbahnbetriebsfremden Nutzungen in Anlagen mit Mischfunktion nicht der Planfeststellungsbehörde zusteht. Obwohl rur die Gesamtanlage aus ordnungsrechtlichen Gründen ein einheitliches Planfeststellungsverfahren durchgeruhrt wird, verbleibt die Planungskompetenz fiir die betriebsfremden AnlagenBVerwG, Urt. v. 24.11.l994 - 7 C 25.93 -, E 97, 143, 149 f. (AbfG). So zur vergleichbaren Problematik bei der Errichtung von Güterverkehrszentren Bender, VerwArch. 1992,576,589, der zutreffend darauf verweist, daß allenfalls über eine Aufnahme des Vorhabens in die Ziele der Landesplanung i.V.m. § 1 Abs. 4 BauGB eine entsprechende Planungsverpflichtung der Gemeinde begründet werden könnte. 109 110

1JJ

Battis, in: Battis / Krautzherger / Löhr, § 2 Rn. 10; Grauvogel, in: Brogelmann, § 2

Rn. 52 ff. 12"

180

3. Kap.: Kommunale Planungshoheit und wirksame Fachplanung

teile bei der Gemeinde. Die Planfeststellung für die gemischt genutzte Anlage ist deshalb nicht insgesamt i.S.d. § 38 BauGB privilegiert 112; die §§ 29 ff. BauGB bleiben vielmehr auf die eisenbahnbetriebsfremden Anlagenteile anwendbar. Gegen den Willen der Standortgemeinde kann also keine gemischt genutzte, sondern nur eine ausschließlich dem Eisenbahnbetrieb dienende Anlage errichtet werden. Soll eine Eisenbahnbetriebsanlage zu einer einheitlichen, aber gemischt genutzten Anlage umgebaut werden, so bedarf es regelmäßig der ergänzenden gemeindlichen Bauleitplanung, da die Umgestaltung bei Anwendung der §§ 34 bzw. 35 BauGB nicht zulässig ist "3 • Bei der Planung der gemischt genutzten Anlage müssen die Gemeinde und die Planfeststellungsbehörde daher notwendigerweise kooperieren 114. Entprechend den Anforderungen des Abwägungsgebotes müssen die Bauleitplanung und die Planfeststellung für die einheitliche Anlage koordiniert und aufeinander abgestimmt werden. Angesichts der Probleme, die die Planung einer bautechnisch einheitlichen Anlage durch zwei verschiedene Planungsbehörden bereitet, empfiehlt sich de lege ferenda die Aufnahme einer Regelung über die Ersetzung der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung durch die kommunale Bauleitplanung nach dem Vorbild des § 17 Abs. 3 S. I FStrG 1I5 • Damit würde erreicht, daß bautechnisch einheitliche, aber gemischt genutzte Anlagen in einem einzigen Verfahren geplant werden können.

III. Rechtsschutz der Gemeinden 1. Baugenehmigungspflichtige Vorhaben

Die Gemeinde kann die Baugenehmigung für eine eisenbahnbetriebsfremde Nutzung auf planfestgestelltem Bahngelände nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens gern. § 68 Abs. I S. I VwGO mit Erfolg angreifen, wenn diese rechtswidrig ist und sie in ihrer Planungshoheit verletzt. Eine Verletzung der Planungshoheit kommt beispielsweise bei einem Verstoß gegen Festsetzungen des Bebauungsplans ll6 oder bei einer Erteilung der Baugenehmigung 112

Ronellenfitsch, VerwArch. 1997, 175, 197.

Ebenso zur vergleichbaren Problematik hinsichtlich der eisenbahnbetriebsfremden Teile der Güterverkehrszentren, die allerdings nicht in einer bautechnisch einheitlichen Anlage integriert werden, Bender, VerwArch. 1992, 576, 590 f. 113

114 Zur erforderlichen Verbundplanung Ronellenfitsch, VerwArch. 1997, 175, 198; s.a. Runkel, in: Ernst / Zinkahn / Bielenberg, § 38 Rn. 28. 115 Eine solche Regelung fehlt, worauf v. Heyl / Stein/ort, DVBI. 1999, 1311, 1316 hinweisen. 116

Finkeinburg / Ort/off, Bd. 11, S. 295.

D. Eisenbahnbetriebsfremde Vorhaben und kommunale Planungshoheit

181

ohne das gern. § 36 Abs. I BauGB erforderliche Einvernehmen der Gemeinde bzw. trotz der Versagung des Einvernehmens der Gemeinde in Betracht 117. Unterbleibt ein Baugenehmigungsverfahren gänzlich, etwa weil der Bauherr die eisenbahnbetriebsfremde Nutzung ohne Genehmigung aufnimmt oder weil die Bauaufsichtsbehörde zu Unrecht von der Genehmigungsfreiheit des auf Bahngelände geplanten Vorhabens ausgeht, kann die Gemeinde auch dagegen vorgehen. Denn im Falle des gänzlichen Unterbleibens des Baugenehmigungsverfahrens kann die Planungshoheit der Gemeinde ebenso wie im Falle der ohne ihr Einvernehmen erteilten Baugenehmigung verletzt werden" 8 • Zuständig für das Einschreiten gegen das eisenbahnbetriebsfremde Vorhaben auf Eisenbahngelände ist die Bauaufsichtsbehörde" 9 • Nach Maßgabe der einschlägigen Landesbauordnung, die das Einschreiten regelmäßig in das Ermessen der Bauaufsichtsbehörde stellt, besteht ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung auf Erlaß einer Baueinstellungsverfügung bzw. einer Abrißverfügung, wenn das Bauvorhaben auch materiell nicht genehmigungsfahig ist 120. Regelmäßig wird das Ermessen der Bauaufsichtsbehörde in derartigen Fällen aufgrund der Bedeutung der kommunalen Planungshoheit im Sinne einer Verpflichtung zum Einschreiten reduziert l21 • Lehnt die Bauaufsichtsbehörde einen Antrag der Gemeinde auf Einschreiten ab, kann der Anspruch nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens mit der Verpflichtungsklage geltend gemacht werden 122. 2. Planfeststellungspflichtiger Umbau Der Rechtsschutz der Gemeinde bei der Änderungsplanfeststellung für den Umbau einer Betriebsanlage zu einer gemischt genutzten Anlage wirft keine Probleme auf, die sich von denjenigen bei der Neuplanung von Eisenbahnbetriebsanlagen unterscheiden. Insoweit kann daher auf die Ausführungen zum Rechtsschutz bei der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung verwiesen werden 123.

117

Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 36 Rn. 17.

IIR

BVerwG, Urt. v. 12.12.1991 - 4 C 31.89 -, UPR 1992,262,263 m.w.N.

OVG Lüneburg, Urt. v. 31.5.1996 - 6 L 3564/93 -, NVwZ 1997,602,603; VGH Mannheim, B. v. 24.7.1991 - 5 S 1375/91 -, UA S. 4 f. (n.v.); Birk, FS für Gelzer, S. 1, 14; Gruber, BauR 2000, 499, 509. 119

120

BVerwG, Urt. v. 12.12.1991 - 4 C 31.89 -, UPR 1992,262 f.

122

VGH Mannheim, B. v. 30.9.1996 - 3 S 2576/96 -, VBIBW 1997, 141, 142. Finkeinburg /Ortloff, Bd. 11, S. 296; Grote/els, in: Hoppe / Grote/els, § 17 Rn. 79

123

Siehe oben 2. Kapitel, E.

121

(S. 680).

4. Kapitel

Die Beseitigung der rechtlichen Zweckbestimmung der Anlagen für den Bahnbetrieb und die kommunale Planungshoheit A. Einführung J. Aufgabe von Eisenbahnbetriebsanlagen und Voraussetzungen der anderweitigen Nutzung Aufgrund von Um- und Neubauten an anderer Stelle, die dazu führen, daß die Anlagen nicht mehr benötigt werden oder schlicht wegen Unwirtschaftlichkeit werden in erheblichem Umfang Eisenbahnbetriebsanlagen stillgelegt. Im Anschluß an die Einstellung der Nutzung für den Eisenbahnbetrieb besteht in der Regel ein Interesse des Eisenbahnunternehmens als Eigentümer der Grundstücke und baulichen Anlagen, diese möglichst gewinnbringend zu verwerten I . Beispielsweise beabsichtigt die DB AG, die durch den geplanten Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs von einem Kopfbahnhof zu einem Durchgangsbahnhof frei werdenden Flächen zu veräußern und die Erlöse zur Finanzierung des Vorhabens zu verwenden 2• Die Erzielung hoher Verkaufserlöse setzt voraus, daß die freiwerdenden Flächen entsprechend gewinnbringenden Nutzungen offen stehen. Anders als bei der im 3. Kapitel erörterten Umgestaltung von Eisenbahnbetriebsanlagen zu gemischt genutzten Anlagen unter Beibehaltung der Nutzung für den Eisenbahnbetrieb, sollen in diesen Fällen die bisherigen Eisenbahnbetriebsanlagen vollständig anderweitig genutzt werden. Dem steht jedoch der Rechtscharakter der Flächen als Eisenbahnbetriebsanlagen entgegen). Eisenbabnbetriebsfremde Nutzungen lassen sich deshalb nur dann verwirklichen, wenn die rechtliche Zweckbindung der Grundstücke für den Eisenbahnbetrieb zuvor beseitigt wurde. Zu klären ist vor diesem Hintergrund, unter welchen Voraussetzungen Eisenbahnbetriebsanlagen ihren Rechtscharakter verlieren können. I Birk. FS rur Gelzer. S. 1; Thomas. StuGR 1995, 87; H.-J. Koch. FS rur Schlichter, S. 461.462 f.; jetzt auch Kraft. DVBI. 2000. 1326. 1330 fT.

2 J

Deutsche Bahn AG (Hrsg.). Projekt "Stuttgart 21". S. 32 fT. Siehe oben 3. Kapitel. 0.1.2.

A. Einfuhrung

183

11. Beseitigung der rechtlichen Zweckbestimmung und kommunale Planungshoheit Mit der Beseitigung der Zweckbestimmung als Eisenbahnbetriebsanlage erlangt zugleich die Standortgemeinde ihre uneingeschränkte Planungshoheit wieder; es kommt zu einem Wechsel der Planungshoheit von der Fachplanungsbehörde zur Gemeinde4 • Wesentlich rur die effektive Möglichkeit der Verwirklichung der Planungshoheit gegenüber den beabsichtigten eisenbahnbetriebsfremden Nutzungen ist dabei die Gestaltung des Verfahrens zur Beseitigung des rechtlichen Charakters der Flächen als Eisenbahnbetriebsanlagen. Erfolgt nämlich die Entlassung der Eisenbahnbetriebsanlage aus der Fachplanungshoheit ohne rechtzeitige vorherige Unterrichtung der Standortgemeinde und wird zeitgleich ein Bauantrag rur die angestrebten bahnfremden Vorhaben eingereicht, kommen hinsichtlich der planungsrechtlichen Zulässigkeit regelmäßig die §§ 34 oder 35 BauGB zur Anwendung, da ein Bebauungsplan rur das freiwerdende Gelände noch fehlt. Die Gemeinde hat dann faktisch keine Gelegenheit mehr, ihre planerischen Vorstellungen rur das in ihre uneingeschränkte Planungshoheit zurückfallende Gelände zu verwirklichen5 • Sie könnte zwar grundsätzlich in Reaktion auf den Bauantrag die planungsrechtlichen Grundlagen durch Aufstellung eines Bebauungsplans ändern. Wenn aber dadurch eine zuvor zulässige Nutzung ausgeschlossen wird, ist dies nur gegen eine Entschädigung möglich 6 • Die drohenden finanziellen Folgen reduzieren faktisch die planerische Gestaltungsfreiheit der Gemeinde. Das Verfahren, in dem der Rechtscharakter als Eisenbahnbetriebsanlage beseitigt wird, ist also letztlich entscheidend rur die tatsächliche Möglichkeit der Gemeinde, überhaupt ein eigenes städtebauliches Konzept rur das in ihre uneingeschränkte Planungshoheit zurückfallende Gelände zu entwickeln. Abgesehen von der soeben beschriebenen verfahrensrechtlichen Problematik beim Wechsel der Planungshoheit stellt sich auch die Frage, ob den betroffenen Gemeinden in· diesem Zusammenhang aufgrund der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Planungshoheit materielle Ansprüche zustehen: Zu erwägen ist zum einen, ob die Gemeinde - etwa wenn sie ihre Planung auf die Existenz einer Eisenbahnanbindung durch einen Bahnhof ausgerichtet hat, der nunmehr aufgegeben werden soll - ein Interesse an der Aufrechter4 BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, E 81, 111, 118; Bender, VerwArch. 1992, 576, 588 f.; Steenhoff, Widmung, UPR 1998, 182, 186 (allerdings aufgrund eines nicht zutreffenden Verständnisses der Widmung als Grundlage der Beschränkung der kommunalen Planungshoheit, siehe dazu ausfuhrlich oben 3. Kapitel).

S

Anschaulich dazu Birk, FS fur Gelzer, S. I, 8 f.; Thomas, StuGR 1995, 87, 88.

" BVerwG, Urt. v. 12.12.1991 - 4 C 31.89 -, UPR 1992,262 f. m.w.N.; BVerwG, Urt. v. 24.11.1989 - 4 C 54.87 -, UPR 1990, 190, 191.

184

4. Kap.: Die "Entwidmung" von Bahnbetriebsanlagen

haltung des Rechtscharakters der Fläche als Eisenbahnbetriebsanlage geltend machen kann. Zum anderen ist auch an die - gleichsam umgekehrt gelagerte - Situation zu denken, in der die Gemeinde die Beseitigung des Rechtscharakters einer Fläche als Eisenbahnbetriebsanlage erreichen will. Ein Interesse daran kann für die Gemeinde etwa dann bestehen, wenn ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen im Anschluß an die tatsächliche Stillegung nicht von sich aus die Entlassung der Anlage der Fachplanung betreibt, sondern damit bis zu einem günstigen Zeitpunkt rur die Veräußerung der Flächen abwarten will. Damit drohen Brachflächen zu entstehen, die städtebaulich unerwünscht sind 7• Verhindern kann die Standortgemeinde eine derartige Entwicklung nur, wenn ein Anspruch auf Übertragung der früheren Bahnflächen in ihre uneingeschränkte Planungshoheit besteht. Denn erst nach der Beseitigung der Beschränkung der kommunalen Planungshoheit durch die eisenbahnrechtliche Fachplanung kann die Gemeinde von den Instrumenten des BauGB, insbesondere auch von den städtebaulichen Geboten gern. §§ 175 ff. BauGB, Gebrauch machen kann. Im folgenden wird zunächst die bisher zur Beseitigung des rechtlichen Charakters einer Fläche als Betriebsanlage der Eisenbahn ergangene Rspr. des BVerwG zusammengefaßt (B). Anschließend wird in Auseinandersetzung mit dieser Rspr. im einzelnen untersucht, welche Rechtsgrundlage rur die Beseitigung des Rechtscharakters einer Fläche als Eisenbahnbetriebsanlage anzwenden ist (C), unter welchen konkreten Voraussetzungen dies in Betracht kommt und wie dabei die kommunale Planungshoheit zu berücksichtigen ist (0).

B. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Zur Beseitigung des Rechtscharakters von Flächen als Eisenbahnbetriebsanlage hat sich das BVerwG erstmalig in der bereits mehrfach erwähnten Entscheidung des 4. Senats aus dem Jahre 1988 geäußert. Die Entscheidung hatte eine lediglich gewidmete Altanlage zum Gegenstands. Ebenso wie schon hinsichtlich der Beschränkung der kommunalen Planungshoheit differenziert das BVerwG auch hinsichtlich der Beseitigung der rechtlichen Zweckbestimmung nicht zwischen planfestgestellten und lediglich gewidmeten Betriebsanlagen; soweit in der folgenden Darstellung der Rspr. des BVerwG von pianfestgestellten Betriebsanlagen die Rede ist, sind dementsprechend jeweils auch die lediglich gewidmeten Altanlagen gemeint:

7

Brohm, NVwZ 1985, 1 f.

RBVerwG, Urt.v.16.12.1988-4C48.86-,E81, lll, 115.

B. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts

185

I. Gründe des Wegfalls des Rechtscharakters als Eisenbahnbetriebsanlage 1. Funktionslosigkeit der Planung

Unter Übertragung seiner Rspr. zum Bebauungsplan auf den Planfeststellungsbeschluß hält es das BVerwG fiir möglich, daß die eisenbahnrechtliche Planfestste11ung funktionslos werden kann9 • Die Funktionslosigkeit sol1- ebenso wie beim Bebauungsplan - zur Folge haben, daß der Plan außer Kraft tritt, so daß das ehemalige Eisenbahngelände wieder uneingeschränkt der gemeindlichen Planungshoheit unterliegt. Voraussetzung der Funktionslosigkeit des Plans ist nach der Rspr. des BVerwG, daß die tatsächliche Entwicklung entgegen der Planung verlaufen ist und die Verhältnisse einen derartigen Zustand erreicht haben, daß die Verwirklichung der Planung auf unabsehbare Zeit ausgeschlossen ist lO • Für den Bebauungsplan als Rechtsnorm hat das BVerwG diese Konstruktion damit gerechtfertigt, daß das Recht um seiner Ordnungsfunktion willen außerstande sei, "etwas zu bestimmen, das überhaupt keinen sinnvollen Gegenstand oder keinen denkbaren Adressaten hat oder eine schlechthin unmögliche Regelung trifft"ll.

2. Planfeststellungsverfahren oder "Entwidmung" Der 4. Senat des BVerwG hat offen gelassen, ob zur Aufhebung des rechtlichen Charakters einer Anlage als Eisenbahnbetriebsanlage ein Planfeststellungsverfahren nach § 36 Abs. 1 BbG zwingend erforderlich sei, gleichzeitig aber die Auffassung geäußert, dies sei grundsätzlich sachgerecht 12 • 9 BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, E 81, 111, 117 mit Verweis auf BVerwG, Urt. v. 29.4.1977 - IV C 39.75 -, E 54, 5; ebenso auch BVerwG, Urt. v. 31.8. 1995 -7 A 19.94 -, E 99, 166, 169 = DVBI. 1996,50,51; BVerwG, B. v. 26.2.1996-, 11 VR 33.95 - NuR 1996,515,516. 10 BVerwG, Urt. v. 31.8.1995 - 7 A 19.94 -, E 99, 166, 170; siehe dazu jetzt Kraft, DVBI. 2000, 1326, 1330.

II BVerwG, Urt. v. 3.8.1990 - 7 C 41-43.89 - E 85, 273, 281 mit Verweis auf BVerwG, Urt. v. 29.4.1977 - IV C 39.75 -, E 54, 5, 8 ff.; kritisch zu dieser Rspr. mit beachtlichen Gründen Baumeister, GewArch. 1996,318 ff., der die Funktionslosigkeit als nachträgliches Rechtswidrigwerden des Bebauungsplans begreift.

12 BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, E 81, 111, 115 mit Hinweis auf Ronellenfitsch, Einführung in das Planungsrecht, S. 118, und Finger, § 36 BbG Anm. 17, S. 240 f.; vgl. dazu Grupp, DVBI. 1990,81,85 f. mit Fn. 44; Birk, FS für Gelzer, S. 1, 9 f.; Runkel, in: Ernst / Zinkahn / Bielenberg, § 38 Rn. 100. Ebenfalls offen gelassen hat die Planfeststellungspflichtigkeit das OVG NRW, Urt. v. 27.4.1998 - 7 A 3814/96-, BauR 1999, 365, 366.

186

4. Kap.: Die "Entwidmung" von Bahnbetriebsanlagen

Offen bleiben konnte diese Fragestellung nur aufgrund eines Kunstgriffs, nämlich indem der Senat feststellte, daß die Voraussetzungen für eine sog. "Entwidmung" der Bahnanlage außerhalb eines Planfeststellungsverfahrens jedenfalls nicht errullt seien\3. Im Hinblick auf die rechts staatlich gebotene Eindeutigkeit öffentlich-sachenrechtlicher Rechtsverhältnisse sei nämlich rur den Wechsel der Planungshoheit ein hoheitlicher Akt erforderlich, der rur jedermann klare Verhältnisse darüber schaffe, ob und welche bisher als Bahnanlagen dienende Flächen künftig wieder rur andere Arten von Nutzungen offenstehen. Dieser Akt müsse, um dem gebotenen Mindestmaß an Publizität zu genügen, in geeigneter Weise bekanntgemacht werden. Hinsichtlich der Anforderungen an die Publizität wurde auf die Bekanntmachung der Einziehung von Bundesfernstraßen gern. § 2 Abs. 5 und 6 FStrG verwiesen '4 . In einer weiteren Entscheidung ruhrte der 4. Senat des BVerwG aus, daß auch die jahrzehntelange, bauaufsichtlieh genehmigte bahnfremde Nutzung einer Bahnanlage einen solchen Hoheitsakt nicht ersetzen könne, so daß die Bahnanlage trotz der bahnfremden Nutzung weiterhin dem eisenbahnrechtlichen Fachplanungsrecht unterliegeis. Der Auffassung des 4. Senats, daß der Rechtscharakter als Eisenbahnbetriebsanlage durch "Entwidmung" beseitigt werden könne, hat sich der 7. Senat angeschlossen' 6 • Der 7. Senat scheint aber ebenso wie der 4. Senat auch die Durchruhrung eines Planfeststellungsverfahrens rur möglich zu halten. In einem Urteil aus dem Jahre 1992 hatte der 7. Senat nämlich über die Klage des Landes Nordrhein-Westfalen gegen die Feststellung des Plans rur den Abriß mehrerer, unter Denkmalschutz stehender Eisenbahnbrücken zu entscheiden. Die Deutsche Bundesbahn hatte zu diesem Zweck einen Planfeststellungsbeschluß erlassen, nachdem bereits zuvor der Betrieb der Strecke mit Genehmigung des Bundesministers rur Verkehr gern. § 14 Abs. 3d) BbG dauernd eingestellt worden war. Das Land lehnte den Abriß der Brücken aus denkmalschutzrechtlichen Gründen ab, war aber infolge der Konzentrationswirkung des Planfeststellungsverfahrens nicht selbst rur den Vollzug des Landesdenkmalschutzgesetzes zuständig. Der 7. Senat ruhrte aus, daß auch eine stillgelegte Anlage noch eine bestehende Bahnanlage i.S.d. § 36 BbG sei. Ohne Abgrenzung des Anwendungsbereichs des Planfeststellungsverfahrens von demjenigen der "Entwidmung" durch eindeutigen Hoheitsakt hielt der Senat die Durchruhrung eines Planfeststellungsverfahrens zum Zwecke der Beseitigung einer solchen Bahnanlage rur zulässig '7 . 13

BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 -4 C 48.86 -, E 81,111,115.

BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, E 81, 111, 118; siehe dazu Steenho.O; Widmung, UPR 1998, 182, 183. 14

IS

BVerwG, B. v. 5.2.1990 - 4 B 1/90 -, NVwZ 1990,462 f. = DÖV 1990,475.

31.8.1995 -7 A 19.94 -, E 99,166,168 ff. 17 BVerwG, B. v. 7.1.1992 -7 B 153.91 -, NWVBI. 1992,202; ausführliche Wiedergabe auch bei Hoppe / Schulte, S. 79 f., zum Sachverhalt auch a.a.O., S. 5 f.; zu den Entscheidungen der Vorinstanzen a.a.O., S. 80 ff. I~ BVerwG, Urt. v.

B. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts

187

Eine Entwidmung von Bahnanlage ist schließlich auch nach der Rspr. des nunmehr für das Eisenbahnrecht zuständigen 11. Senats des BVelWG möglich. Die Entwidmung ist nach Auffassung des Senats eine Allgemeinverfügung i.S.d. § 35 S. 2 VwVfG, die die Eigenschaft als Betriebsanlage der Eisenbahn und damit den Gemeingebrauch im Rahmen der bahnrechtlichen Widmungszwecke beendd 8 • Die Entwidmung von Bahnanlagen muß durch eindeutige und bekanntgemachte Erklärungen erfolgen, die für jedermann klare Verhältnisse schaffen l9 •

11. Anspruch der Standortgemeinde auf Offenlegung der in bezug auf die Bahnanlage beabsichtigten Dispositionen in einer hoheitlichen Erklärung der Bahn Während Entscheidungen zu materiellen Ansprüchen der Gemeinde auf Beseitigung der rechtlichen Zweckbestimmung als Eisenbahnbetriebsanlage aus der Fachplanung bzw. auf Aufrechterhaltung dieses Rechtscharakters noch ausstehen, hat das BVelWG zu den verfahrensrechtlichen Problemen beim Wechsel der Planungshoheit bereits Stellung genommen: Die betroffene Gemeinde hat nach der Rspr. des 4. Senats aufgrund ihrer Planungshoheit einen Anspruch darauf, daß die Deutsche Bundesbahn schon vor der eigentlichen Entlassung einer Anlage aus der rechtlichen Zweckbestimmung ihre in bezug auf die Bahnanlage beabsichtigten Dispositionen in einer eindeutigen hoheitlichen Wi1\enserklärung möglichst frühzeitig und umfassend offenlegfo. Dieser Anspruch der Gemeinde wurde anläßlich eines Antrages auf Erteilung eines Vorbescheids über die bauplanungsrechtliche Zu lässigkeit der Errichtung einer bahn fremden Anlage auf einer Fläche entwickelt, die zum Zeitpunkt der Antragstellung rechtlich noch der eisenbahnrechtlichen Fachplanungshoheit unterstand. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit sollte dabei nach dem Vorbescheidantrag fiir den Fan der Beseitigung des Rechtscharakters der Fläche als Eisenbahnbetriebsanlage beurteilt werden. Das BVelWG hielt einen solchen Antrag sowie die Erteilung eines Vorbescheids unter dem Vorbehalt der Entlassung der Betriebsanlage aus der Fachplanung grundsätzlich fiir zulässig. Zugleich fiihrte das BVelWG aber aus, daß die zur Bescheidung des Antrags erIM BVerwG, Urt. v. 27.11.1996 - 11 A 2.96 -, UPR 1997, 150; dazu Val/endar, UPR 1997,129, 134. 19 BVerwG, B. v. 26.2.1996 - 11 VR 33.95 -, NuR 1996, 515, 516; BVerwG, Urt. v. 27.11.1996 - 11 A 2.96 -, UPR 1997, 150; ebenso auch VGH Mannheim, Urt. v. 23.8. 1996 - 8 S 269/96 -, VBIBW 1997,59,61. 20 BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, E 81, 111, 118, 121; zustimmend z.B. Runkel, in: Ernst / Zinkahn / Bielenberg, § 38 Rn. 103.

188

4. Kap.: Die "Entwidmung" von Bahnbetriebsanlagen

forderliche Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens voraussetze, daß die Gemeinde in der Lage sei, ihre Planungshoheit in bezug auf das Vorhaben wahrzunehmen 21 • Solange die Fläche ihren rechtlichen Charakter als Eisenbahnbetriebsanlage noch nicht wirksam verloren habe, sei rur die Gemeinde im Interesse der Wahrung ihrer Planungshoheit erforderlich, daß jedenfalls von den zur Sicherung einer Bauleitplanung vorgegebenen Instrumenten der Veränderungssperre und der Zurückstellung von Baugesuchen Gebrauch gemacht werden könne. Letzteres sei aber nur dann der Fall, wenn die Gemeinde durch eine eindeutige Erklärung der Planungsträgerin "Deutschen Bundesbahn" über die rur die bestehende Bahnanlage beabsichtigten Dispositionen in der Lage sei, über die Aufstellung eines Bebauungsplans sachgerecht zu beschließen 22 • Mit dem Anspruch der Gemeinde auf eine hoheitliche Erklärung über die in bezug auf die Bahnanlage beabsichtigten Dispositionen im Vorfeld der eigentlichen "Entwidmung" wollte das BVerwG eine frühzeitige Koordination der Planungen im Falle des Wechsels der Planungshoheit erreichen23 • Durch die Verpflichtung der Bahn zur Erklärung über ihre Absichten wurde zugleich eine überraschende Entlassung von Bahnanlagen verhindert. Damit konnte sichergestellt werden, daß der Gemeinde ausreichend Zeit rur eine Bauleitplanung verblieb.

III. Kritik 1. Die Notwendigkeit einer eindeutigen

Bestimmung der Rechtsgrundlage

Das BVerwG hat es bisher vermieden, die Rechtsgrundlage sowie die konkreten Voraussetzungen der Beseitigung des Rechtscharakters einer Fläche als 21 BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, E 81, 111, 120; bestätigt in BVerwG, B. v. 27.4.1998 - 4 B 33.98 -, UPR 1998,356. 22 BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, E 81,111, 120 f.; BVerwG, B. v. 27.4. 1998 - 4 B 33.98 -, UPR 1998, 356. Eine Freigabeerklärung, die nur für eine bestimmte Nutzung erfolgt, läßt der Gemeinde keinen Raum zur Entwicklung ihrer Planungsvorstellungen und ermöglicht daher nicht die Erteilung eines Bauvorbescheids, Hess. VGH, Urt. v. 29.4.1997 - 4 UE 1349/92 -, ZtBR 1998, 163, 164. Die Differenzierung zwischen der eigentlichen "Entwidmung" und dem im Vorfeld bestehenden Anspruch auf eine hoheitliche Erklärung über die beabsichtigten Dispositionen wird in der Literatur teilweise übersehen, vgl. z.B Birk, FS für Gelzer, S. I, 10-12; Löhr, in: Battis / Krautzberger/Löhr, § 38 Rn. 14. 23 Dies ergibt sich aus dem Verweis in BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 48.86-, E 81, 111, 118 auf BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 40.86 -, E 81, 95; diese Enscheidung betrim den Anspruch der Gemeinde auf Durchfuhrung eines luftverkehrsrechtlichen Genehmigungsverfahrens und dessen Abschluß mit einer Sachentscheidung, wobei ausdrücklich der Gesichtspunkt der gebotenen Koordination hoheitlicher Planungen angeführt wird, E 81, 95, 108.

B. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts

189

Eisenbahnbetriebsanlage eindeutig zu bestimmen, indem neben der sog. Funktionslosigkeit alternativ entweder die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens oder die schlichte "Entwidmung" der Eisenbahnbetriebsanlage durch eindeutigen und bekanntgemachten Hoheitsakt für zulässig erachtet wurde. Ursächlich dafür dürfte sein, daß das BVerwG auch die rechtliche Grundlage der Zweckbestimmung für den Eisenbahnbetrieb nicht eindeutig geklärt hat, weil die Leitentscheidung des 4. Senats den Sonderfall einer gewidmeten Altanlage zum Gegenstand hatte, für die kein Planfeststellungsbeschluß vorhanden war. Dies hat auch im Schrifttum zu erheblicher Verwirrung geführt, weil die Aussagen des 4. Senats verallgemeinert und das Konkurrenzproblem von Fachplanung und Bauleitplanung unzulässigerweise 24 mit öffentlich-sachenrechtlichen Fragestellungen vermengt wird; so gilt generell die "Widmung" der Betriebsanlagen als Grundlage des sog. Fachplanungsvorbehalts nach § 38 BauGB und die "Entwidmung" soll als Rechtsakt den Wechsel der Planungshoheit bewirken 25 . Schon dies zeigt, daß die Rechtsgrundlage und die sich aus ihr ergebenden formellen und materiellen Voraussetzungen der Beseitigung der rechtlichen Zweckbestimmung der Flächen nicht offen gelassen werden sollten; die Notwendigkeit einer eindeutigen Klärung der Rechtsgrundlage des Wechsels der Planungshoheit ergibt sich aber insbesondere auch aus folgenden Überlegungen: a) Veränderte Rechtsstellung der Eisenbahnunternehmen

Einer eindeutigen gesetzlichen Grundlage bedarf die Beseitigung des Rechtscharakters als Eisenbahnbetriebsanlage, weil private Eisenbahninfrastrukturunternehmen selbständige Rechtsträger sind. Im Gegensatz zur Deutschen Bundesbahn, die zugleich Vorhabenträger und Planfeststellungsbehörde war und daher letztlich in eigener Sache über die Freigabe von Bahnanlagen entscheiden konnte, kommt der DB AG und sonstigen privaten Eisenbahnunternehmen eine derartige Doppelfunktion nicht zu. Die Folgen der Nutzungsaufgabe für den Rechtscharakter der Anlage werden daher nicht von den Eisenbahnunternehmen, sondern objektiv durch die Planfeststellungsbehörde beurteile6 • Anders als vor der Bahnreform steht bei der Entscheidung über die Beseitigung der rechtlichen Zweckbestimmung der Flächen eine staatliche Behörde einem privaten Unternehmen gegenüber.

24

Siehe dazu oben 3. Kapitel, B.II.2.

Siehe z. B. Steenhoff, Widmung, UPR 1998, 182, 185 f.; Korth Pereira Ferraz. in: Blümel / Kühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts, 1997, S. 175, 177 ff. 25

26 Nach BVerwG, Urt. v. 27.11.1996 - II A 2.96 -, UPR 1997, 150, muß auf den Entwidmungsantrag der OB AG hin objektiv geprüft werden, ob die zu entwidmende Fläche zu den rur den Betrieb der Schienenwege notwendigen Anlagen i.S.d. § 18 Abs. I S. I AEG gehört.

190

4. Kap.: Die "Entwidmung" von Bahnbetriebsanlagen

Wird die rechtliche Zweckbestimmung für den Eisenbahnbetrieb gegen den Willen des Eisenbahnunternehmens beseitigt, wird diesem eine günstige Rechts-

position entzogen, so daß die Frage nach dem Schutz des Vertrauens des Eisenbahnunternehmens aufgeworfen wird. Wird dagegen die von dem Eisenbahnunternehmen beantragte Entlassung der Anlage aus der rechtlichen Zweckbestimmung verweigert, hat dies zur Folge, daß eisenbahnbetriebsfremde Nutzungen aufgrund des Vorrangs der Fachplanung weitgehend ausgeschlossen bleiben27 , so daß die Nutzbarkeit des Grundeigentums fortdauernd beschränkt wird. Wegen der Bedeutung der Beseitigung der rechtlichen Zweckbestimmung für den Vertrauensschutz bzw. die Nutzbarkeit des Grundeigentums des Eisenbahnunternehmens müssen die Voraussetzungen, unter denen die Betriebsanlage aus der Fachplanungshoheit zu entlassen ist bzw. unter denen die Planfeststellungsbehörde gegebenenfalls gegen den Willen des Grundstückseigentümers den rechtlichen Charakter der Flächen als Betriebsanlage aufrechterhalten darf, eindeutig bestimmt sein. b) Funktion und Konzentrationswirkung des Planfeststellungsverfahrens

Weiterhin muß der Anwendungsbereich des Planfeststellungsverfahrens gern. § 18 Abs. 1 AEG von sonstigen Möglichkeiten der Beseitigung des Rechtscharakters der Flächen als Eisenbahnbetriebsanlagen eindeutig abgegrenzt werden, weil die auch dem vorgelagerten Rechtsschutz und dem Grundrechtsschutz dienende umfassende Öffentlichkeitsbeteiligung im fönnlichen Planfeststellungsverfahren28 nicht umgangen werden darf. Dementsprechend sind in der abgestuften Regelung des § 18 AEG die Voraussetzungen, unter denen ein Plan feststellungsverfahren unterbleiben kann, genau definiert und unterliegen der uneingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle; ein Ennessen besteht gern. § 18 Abs. 2 AEG lediglich insoweit, als bei Vorliegen der Voraussetzungen für das Plangenehmigungsverfahren auch die Entscheidung zugunsten des fönnlichen Planfeststellungsverfahrens unter umfassender Beteiligung der Öffentlichkeit möglich bleibt. Ebenso wie in § 18 AEG die Ausnahmen von der Planfeststellungspfticht eindeutig definiert sind, muß auch der Anwendungsbereich des Planfeststellungsverfahrens gegenüber sonstigen Verfahren eindeutig abgegrenzt werden.

27

Siehe oben 3. Kapitel, A. und D.I.2.

ZU dieser Funktion des Anhörungsverfahrens KopplRamsauer, § 73 Rn. 2 und § 72 Rn. 4; Bank, in: Stelkens I Bank/ Sachs, § 73 Rn. 10; Kügel, S. 31 ff. 2R

B. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts

191

Der Anwendungsbereich des Planfeststellungsverfahrens nach § 18 AEG muß schließlich auch wegen der mit der Konzentrationswirkung der Planfeststellung verbundenen Zuständigkeitsverlageruni9 eindeutig bestimmt werden. Dies illustriert der bereits erwähnte, vom 7. Senat des BVerwG entschiedene Fall, bei dem es um den Abriß denkmalgeschützter Eisenbahnbrücken ging30 • Nur infolge der Konzentrationswirkung des Planfeststellungsverfahrens war die Deutsche Bundesbahn für die Anwendung des Landesdenkmalschutzgesetzes zuständig. Sie hielt den Abriß der Eisenbahnbrücken entgegen den Vorstellungen der an sich für das Denkmalschutzgesetz zuständigen Landesbehörde für zulässig und stellte den Plan für den Abriß der Eisenbahnbrücken fest. Die gerichtliche Bestätigung der Zulässigkeit dieses Vorgehens löste einen Streit über die Klagebefugnis des Landes gegen den Planfeststellungsbeschluß aufgrund der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz für das Denkmalschutzrecht aus 31 • Entstehen konnte das Problem der Anwendung des Landesdenkmalschutzgesetzes durch die Bundesbahn aber erst dadurch, daß für den Abriß der stillgelegten Eisenbahnbrücken überhaupt die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens mit Konzentrationswirkung für zulässig erachtet wurde. Der nach der Rspr. grundsätzlich ebenfalls möglichen "Entwidmung" kommt eine solche Konzentrationswirkung mangels gesetzlicher Regelung nicht zu, so daß für die denkmalschutzrechtliche Prüfung des Abrisses der Eisenbahnbrücken die Landesdenkmalschutzbehörde zuständig gewesen wäre. Es zeigt sich, daß auch aus kompetenzrechtlichen Gründen der Anwendungsbereich des Planfeststellungsverfahrens von demjenigen sonstiger Verfahren zur Entlassung von Eisenbahnbetriebsanlagen eindeutig abgegrenzt werden muß.

2. Zum Anspruch der Gemeinde auf eine hoheitliche Erklärung Der vom BVerwG aus der Planungshoheit abgeleitete Anspruch gegen die Bahn auf Offenlegung der in bezug auf die Betriebsanlage beabsichtigten Dispositionen in einer eindeutigen hoheitlichen Willensäußerung scheidet aus, wenn es sich um Betriebsanlagen privatrechtlich organisierter Eisenbahnunternehmen handelt32 • Diese Unternehmen können zwar über die Weiternutzung der Anlagen 29

Siehe oben 1. Kapitel, C.1.2.a).

30

BVerwG, B. v. 7.l.1992 -7 B 153.91 -, NWVBI. 1992,202.

Ablehnend dazu BVerwG, B. v. 7.1.1992 - 7 B 153.91 -, NWVBI. 1992,202; OVG Münster, Urt. v. 18.8.1994 - 20 A 2935/92 -, UA S. 8 ff. = UPR 1995, 319 (nur Ls.); a.A. Hoppe/Schulte, S. 28 ff., Laubinger, VerwArch. 1994,291,301 ff. m.w.N.; FunkDraschka, S. 19 ff. 31

32 In BVerwG, B. v. 27.4.1998 - 4 B 33.98 -, UPR 1998,356,357, ist dementsprechend nur mehr von einer "eindeutigen Erklärung der Deutschen Bahn-AG" die Rede. Im übrigen hält der 4. Senat sein Urteil v. 16.12.1988 weiter für anwendbar. Dies ist allerdings problematisch, soweit in diesem Urteil ein öffentlich-rechtlicher Anspruch der

192

4. Kap.: Die "Entwidmung" von Bahnbetriebsanlagen

für den Eisenbahnbetrieb frei entscheiden, aber schon aufgrund ihrer privatrechtlichen Organisation keine hoheitlichen Erklärungen über die rechtlichen Folgen der Nutzungsaufgabe abgeben. Zuständig für derartige hoheitliche Erklärungen über das zukünftige planungs rechtliche Schicksal der Bahnanlage, die für die effektive Wahrung der Planungshoheit erforderlich sind33 , ist vielmehr allein die Planfeststellungsbehörde34 •

c. Zur Rechtsgrundlage der Beseitigung

der Zweckbestimmung für den Eisenbahnbetrieb Im folgenden sind die in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen für die Beseitigung der rechtlichen Zweckbestimmung von Flächen als Eisenbahnbetriebsanlage zu ermitteln und voneinander abzugrenzen. Bei der Untersuchung muß aufgrund der unterschiedlichen rechtlichen Ausgangslage 35 zwischen planfestgestellten Betriebsanlagen (I.) und lediglich gewidmeten Altanlagen (11.) unterschieden werden:

I. Wegfall der Zweckbestimmung durch Beendigung

der Wirksamkeit des Planfeststellungsbeschlusses

Soweit ein Pianfeststellungsbeschluß36 vorliegt, ist er Grundlage der Zweckbestimmung der Anlagen für den Eisenbahnbetrieb. Er beschränkt zugleich die kommunale Planungshoheit37 . Die Beseitigung des Rechtscharakters einer Fläche als Eisenbahnbetriebsanlage und damit der Wechsel der Planungshoheit von der Fachplanungsbehörde auf die Gemeinde setzt deshalb voraus, daß der Planfeststellungsbeschluß seine Wirksamkeit verliert38 • Gemeinde auf eine (hoheitliche) Erklärung angenommen wurde. Denn gegen die DB-AG als Privatrechtssubjekt kommt ein solcher Anspruch nicht in Frage. 33 Siehe oben 4. Kapitel, B.lI. 34 35 36 37

Zutreffend Hess. VGH, Urt. v. 29.4.1997 -4 UE 1349/92 -, ZfBR 1998, 163, 164. Siehe dazu ausführlich oben 3. Kapitel, B. Die folgenden Ausführungen gelten auch für die Plangenehmigung. Siehe oben 3. Kapitel, B.lI.l.

3K Soweit sich das Schrifttum überhaupt mit der Frage der Rechtsgrundlage der Entwidmung beschäftigt, wird überwiegend die Notwendigkeit der Beendigung der Wirksamkeit des Planfeststellungsbeschlussess übersehen, siehe z.B. Steenhoff, Widmung, UPR 1998, 182, 183 ff., bzw. Plan feststellung und Widmung als voneinander zu unterscheidende Rechtsakte und letztlich die Widmung als Grundlage der Bindung der kommunalen Planung angessehen und deshalb das Problem der Beendigung der Wirksamkeit des Planfeststellungsbeschlusses nicht erörtert, so Korth Pereira Ferraz, in: Blümel/ Kühlweuer, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts, 1997, 175, 184 ff.; zutreffend dagegen Heinze, S. 47. Blümel, Fragen der Entwidmung, S. 52 f., erkennt das Problem

c.

Zur Rechtsgrundlage der ,.Entwidmung"

193

Gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG endet die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes durch Rücknahme, Widenuf, anderweitige Autbebung, Erledigung durch Zeitablauf sowie durch Erledigung auf andere Weise. § 43 Abs. 2 VwVfG ist allerdings als allgemeine Vorschrift über den Verwaltungsakt - ebenso wie sonstige Vorschriften des VwVfG über den Verwaltungsakt und das Verwaltungsverfahren - auf den Planfeststellungsbeschluß nur anwendbar, soweit er nicht durch die Regelungen des AEG oder die §§ 72 ff. VwVfG als leges speciales verdrängt wird und - wie zu ergänzen ist - seinem Sinn nach überhaupt auf den Planfeststellungsbeschluß Anwendung finden kann39 . Die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 43 VwVfG auch auf Planfeststellungsbeschlüsse ist anerkannt40 • Fraglich ist aber, inwieweit einzelne der in § 43 Abs. 2 VwVfG aufgezählten Gründe des Wegfalls der Wirksamkeit des Verwaltungsaktes durch Regelungen des AEG bzw. der §§ 72 ff. VwVfG verdrängt werden. Entsprechend dem Spezialitätsverhältnis sind zunächst die Regelungen des AEG, anschließend die Bestimmungen über das Planfeststellungsverfahren und zuletzt die allgemeinen Regelungen über Verwaltungsakte zu betrachten. Dabei soll zwischen dem unmittelbaren Wegfall der Wirksamkeit unabhängig von einer Behördenhandlung (1.), und dem Wegfall der Wirksamkeit durch Autbebung des Planfeststellungsbeschlusses bzw. durch Erledigung infolge eines sonstigen hoheitlichen HandeIns der Planfeststellungsbehörde (2.) unterschieden werden41 :

1. Unmittelbarer Wegfall der Wirksamkeit des Planfeststellungsbeschlusses a) § 20 Abs. 4 S. 1 AEG

Die einzige Regelung eines unmittelbaren Verlustes der Wirksamkeit des Planfeststellungsbeschlusses im AEG enthält § 20 Abs. 4 S. 1 AEG42 . Nach und nimmt an, die Entwidmung führe zum Wegfall der rechtlichen Wirkungen des Planfeststellungsbeschlusses. 39 Meyer, in: Meyer I Borgs, § 72 Rn. 16; vgl. auch Knacki Busch, 6. Auft., § 72 Anm. 6; AlleschlHäußler, in: Obermayer, § 72 Rn. 19. 40 Bonk, in: StelkenslBonklSachs, § 72 Rn. 127; KnackiDürr, § 72 Rn. 28; Viel Laubinger, § 39 Rn. 26, S. 347.

41 Vgl. jetzt zu § 43 Abs. 2 VwVfG die Differenzierung des BVerwG zum Verlust der Regelungswirkung durch ,.eher formalisiertes Handeln, das willentlich und zumeist einseitig auf die Aufgabe der steuernden Funktion des VA gerichtet ist, und solchen Rechtslagen, in denen nicht eine einseitige Handlung, sondern die Sach- und Rechtslage selbst zur Beendigung der ehemaligen Rechtswirkung führt", Urt. v. 27.3.1998 - 4 C 11.97 -, DVBI. 1998, 898. 42

Die Regelung enspricht § 75 Abs. 4 VwVfG.

13 Buchner

194

4. Kap.: Die "Entwidmung" von Bahnbetriebsanlagen

dieser Nonn tritt der Plan außer Kraft, wenn mit der Durchführung nicht innerhalb von fünf Jahren nach Eintritt der Unanfechtbarkeit begonnen wird. Auf die hier behandelten Betriebsanlagen der Eisenbahn, die fertiggestellt und betrieben wurden und nunmehr von dem Eisenbahnunternehmen nicht mehr genutzt werden, findet diese Vorschrift keine unmittelbare Anwendung. Denn mit der Errichtung der Anlage wurde der Plan i.S.d. § 20 Abs. 4 S. I AEG durchgeführt. Eine analoge Anwendung in dem Sinne, daß der PIanfeststellungsbeschluß auch nach füntjährigem Nichtbetreiben der fertiggestellten Anlage durch das Eisenbahnunternehmen außer Kraft treten würde, kommt nicht in Frage, weil das Nichtbetreiben eines ausgeführten Vorhabens vor dem Hintergrund des Schutzzwecks des § 20 Abs. 4 S. I AEG nicht wie die gänzliche Nichtdurchführung des Plans behandelt werden kann. Denn durch die Befristung der Wirksamkeit des Planfeststellungsbeschlusses vor dem Beginn der Durchführung des Vorhabens sollen sog. Vorratsplanungen verhindert und zugleich sichergestellt werden, daß die im Zeitpunkt des Erlasses der Planungsentscheidung gegebenen tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen zum Zeitpunkt der tatsächlichen Verwirklichung nicht überholt sind43 • Zugleich dient die Regelung der Rechtsklarheit, indem verhindert wird, daß die betroffenen Grundstückseigentümer unbegrenzt mit der Inanspruchnahme ihrer Grundstücke für das Vorhaben rechnen müssen44 • Diese Schutzzwecke werden selbst durch eine längerdauernde Stillegung einer einmal errichteten Betriebsanlage nicht berührt. b) Erledigung "auf andere Weise" i.S des § 43 Abs. 2 VwVfG

Abgesehen von § 20 Abs. 4 S. 1 AEG ist ein Verlust der Wirksamkeit des Planfeststellungsbeschlusses ohne behördliches Handeln allein als FaIl der Erledigung auf "andere Weise" LS.d. § 43 Abs. 2 VwVfG denkbar. Von einer Erledigung eines Verwaltungsaktes wird dann gesprochen, wenn er keine Rechtswirkungen mehr hervorbringt45 • Von den anerkannten Erledigungsgründen kommen im Fall der Einstellung der Nutzung eines Eisenbahnbetriebsanlage folgende in Betracht:

Knack/Busch, 6. Auft., § 75 Anm. 8.1. 44 BVerwG, B. v. 23.12.1992 -4 B 188.92 -, DÖV 1993,433,436 (zu § 75 Abs. 4 VwVfG); BVerwG, Urt. v. 24.11.1989 - 4 C 41.88 -, E 84, 123, 128 f. (zu § 18b Abs. 2 FStrG a.F.); Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 75 Rn. 75. 45 Vgl. nur Wo/fJ/BachoJlStober, VerwR I, § 52 Rn. I. 43

C. Zur Rechtsgrundlage der "Entwidmung"

195

aa) Verzicht des Eisenbahnunternehmers?

Mit der Stillegung des Vorhabens könnte der Vorhabenträger konkludent den Verzicht auf den PIanfeststellungsbeschluß als begünstigenden Verwaltungsakt erklären46 • Der Verzicht ist bei Genehmigungen als Erledigungsgrund grundsätzlich anerkannt47 • Da auch der PIanfeststellungsbeschluß zugleich Genehmigungsentscheidung ist48 , könnte dieser Erledigungsgrund auf ihn übertragbar sein. Darur spricht zunächst die bereits behandelte Regelung des § 20 Abs. 4 S. 1 AEG, wonach der PIanfeststellungsbeschluß außer Kraft tritt, wenn mit der Durchruhrung des Vorhabens nicht innerhalb von runf Jahren nach Eintritt der Unanfechtbarkeit begonnen wird. Denn nach dieser Regelung hängt das Außerkrafttreten vor dem Beginn der Durchfiihrung allein vom Willen des Vorhabenträgers ab, weil die Planfeststellungsbehörde ihn nicht zur Verwirklichung des festgestellten Plans zwingen kann. Daraus könnte geschlossen werden, daß der Planfeststellungsbeschluß auch dann unwirksam wird, wenn der Begünstigte ausdrücklich den Verzicht erklärt49 • Andererseits ist aber die Regelung des § 77 S. I Vwvro zu beachten; nach dieser Norm muß der PIanfeststellungsbeschluß bei einer endgültigen Aufgabe des Vorhabens, mit dessen Durchruhrung bereits begonnen worden ist, durch die Planfeststellungsbehörde aufgehoben werden. Ohne bereits an dieser Stelle auf § 77 Vwvro im einzelnen eingehen zu müssen, ergibt sich aus dieser Regelung doch, daß der PIanfeststellungsbeschluß sich zumindest nach dem Beginn der Durchruhrung nicht unmittelbar durch den Verzicht des Begünstigten erledigt, sondern daß eine gesonderte Aufhebung erforderlich ist. Anders als rur die immissionsschutzrechtliche Genehmigung, die gern. § 18 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG auch erlischt, wenn die Anlage während eines Zeitraums von mehr als drei Jahren nicht mehr betrieben wird, gibt es im Planfeststellungsrecht auch keine Regelung, die das Erlöschen des Planfeststellungsbeschlusses bei einem längeren Nichtbetreiben der fertiggestellten Anlage vorsieht. Folglich ruhrt der Verzicht des Vorhabenträgers nach Fertigstellung des Vorhabens nicht zur Erledigung des Planfeststellungsbeschlusses. Eine andere Auslegung würde auch dem Umstand 46 So zur Planfeststellung nach dem BbG Kruchen, Die Bundesbahn 1967, 181, 183, tUr den Fall, daß erkennbar wird, daß die Anlagen im Anschluß an die Stillegung endgültig beseitigt werden sollen. 47 Vgl. zur immissionsschutzrechtlichen Genehmigung BVerwG, Urt. v.15.12.l9894 C 36.86 -, E 84, 209, 211 f.; Sachs, in: Stelkensl BonklSachs, § 43 Rn. 196; Knacki Meyer, § 43 Rn. 36. 4R Siehe oben I. Kapitel, A.lI. 49 So die Argumentation des BVerwG zur immissionsschutzrechtlichen Genehmigung im Hinblick auf die gesetzliche Regelung in § 18 BImSehG, BVerwG, Urt. v. 15.12.1989 - 4 C 36.86 -, E 84, 209, 211 f.

13'

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4. Kap.: Die "Entwidmung" von Bahnbetriebsanlagen

nicht gerecht, daß der Planfeststellungsbeschluß nicht nur Genehmigungs-, sondern zugleich hoheitliche Planungsentscheidung ist. Der Verzicht des Begünstigten ruhrt aber grundsätzlich dann nicht zur Erledigung des Verwaltungsaktes, wenn ein öffentliches Interesse an seinem Bestand vorliegtSo. An der Aufrechterhaltung des Planfeststellungsbeschlusses rur eine öffentliche Eisenbahnbetriebsanlage wird wegen der Bedeutung rur die Infrastruktur regelmäßig ein öffentliches Interesse bestehen. Im übrigen setzt die Beseitigung einer hoheitlichen bodenbezogenen Planungsentscheidung zumindestens dann, wenn die Anlagen bereits fertiggestellt wurden, eine hinreichende Publizität voraus, was einer Erledigung allein durch Verzicht des Vorhabenträgers entgegensteht. Insoweit ergibt sich auch aus dem Charakter des Planfeststellungsbeschlusses als Planungsentscheidung, daß ein Verzicht nicht zur Erledigung i.S.d. § 43 Abs. 2 VwVfG ruhren kann. Dem Vorhabenträger bleibt die Möglichkeit, die Aufhebung zu beantragenSI

bb) Funk(ions/osigkei( Als die Wirksamkeit beendender Fall der Erledigung "auf andere Weise" i.S.d. § 43 Abs. 2 a.E VwVfG läßt sich beim PIanfeststellungsbeschluß die sog. Funktionslosigkeit erfassen. Voraussetzung der Funktionslosigkeit ist nach der Rspr. des BVerwG aber, daß die Verhältnisse infolge der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der die Verwirklichung der bestehenden Planung auf unabsehbare Zeit ausschließtS2 . Allein die Einstellung der Nutzung der Anlage für den Eisenbahnbetrieb durch den Vorhabenträger schafft solche Verhältnisse nicht S3 , da damit die (erneute) Verwirklichung des Plans nicht tatsächlich auf unabsehbare Zeit ausgeschlossen wird.

2. Wegfall der Wirksamkeit durch hoheitliches Handeln a) Entwidmung der Eisenbahnbetriebsanlage?

Wie bereits geschildert, hält das BVerwG bei planfestgestellten Anlagen und bei nur gewidmeten Altanlagen gleichermaßen eine Entwidmung durch ein-

so WolfflBachoflStober, VerwR I, § 43 Rn. 81 f. und § 52 Rn. 9. SI SO grundsätzlich zu Verwaltungsakten, an deren Aufrechterhaltung ein öffentliches Interesse besteht WolfflBachoflStober, VerwR I, § 52 Rn. 9 m.w.N.

Siehe oben 4. Kapitel, B.I.I. A.A. Sachs, in: Stelkens I Bonk I Sachs, § 43 Rn. 203, der bei Einstellung des Vorhabens nach Betreiben eine Erledigung wegen Zweckerreichung annimmt und den Rückgriff auf den Begriff der Funktionslosigkeit insgesamt für nicht erforderlich hält. 52

53

C. Zur Rechtsgrundlage der "Entwidmung"

197

deutige und bekanntgemachte hoheitliche Erklärung für möglich 54 • Durch die Entwidmung soll der Rechtscharakter der Fläche als Eisenbahnbetriebsanlage aufgehoben und der Wechsel der Planungshoheit herbeigeführt werden. Auch im älteren eisenbahnrechtlichen Schrifttum findet sich die Auffassung, daß die Bahnanlagen die - damals anerkannte - Eigenschaft als öffentliche Sache durch Entwidmung verlieren 55 • Wenn aber die Planungshoheit durch die Entwidmung von der Planfeststellungsbehörde auf die Gemeinde übergehen soll, muß bei denjenigen Anlagen, für die ein Planfeststellungsbeschluß vorhanden ist, durch die Entwidmung zugleich dessen Wirksamkeit beendet werden. Aus dem Verweis in der Leitentscheidung des 4. Senats auf die Vorschriften über die Bekanntmachung der Einziehung von Bundesfemstraßen in § 2 Abs. 5 und 6 FStrG 56 , ist zu schließen, daß sich das BVerwG bei der Rspr. zur Entwidmung im Eisenbahnrecht an den straßenrechtlichen Regelungen orientiert hat: Gern. § 2 Abs. 4 FStrG ist eine Bundesfemstraße einzuziehen, wenn sie jede Verkehrsbedeutung verloren hat oder überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls vorliegen. Mit der Einziehung der Straße erlischt die öffentlich-rechtliche Zweckbestimmung der Straße und die öffentliche Sachherrschaft57 • Nach der Praxis im Straßenrecht ist daneben eine gesonderte Aufhebung des straßenrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses (§ 17 Abs. 1 S. 1 FStrG) anscheinend nicht erforderlich58 • Dogmatisch läßt sich dies damit rechtfertigen, daß sich der Planfeststellungsbeschluß mit der Entwidmung der Straße i.S.d. § 43 Abs. 2 VwVfG erledigt. Wegen der Beendigung der Wirksamkeit des Plans würde dann in der Tat die Planungshoheit für die bisher als Bundesfernstraße genutzten Flächen durch Entwidmung der Straße auf die Gemeinde übergehen. Auf das Eisenbahnrecht kann diese straßenrechtliche Konstruktion jedoch nicht übertragen werden 59 • Anders als im FStrG ist nämlich eine selbständige Entwidmung von Betriebsanlagen im AEG ebensowenig vorgesehen wie eine Widmung60 • Auch von einer gewohnheitsrechtlichen Anerkennung der "Entwidmung" als Fall der Erledigung des eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses kann im Hinblick darauf, daß eine entsprechende langjährige Ver54 Grundlegend BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, E 81, 111; dem folgend SteenhofJ, Widmung, UPR 1998, 182, 183 ff. 55 M. Koch, in: Haustein, S. 154 f.; s.a. Kruchen, Die Bundesbahn 1967, 181, 184. 56

57

BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, E 81, 111, 118. Herber, in: Koda//Krämer, Kap. \0 Rn. 7.1 (S. 280).

58 Vgl. zum Verhältnis von Entwidmung und Planfeststellung im Straßenrecht näher SauthofJ, NVwZ 1995, 119, 123, der jedoch nicht darauf eingeht, welche rechtlichen Konsequenzen die Einziehung der Straße für den PIanfeststellungsbeschluß hat. 59 A.A. B/üme/, Fragen der Entwidmung, S. 52 f. 60

Grupp, DVBI. 1990,81,85; Va//endar, UPR 1997, 129, 134.

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4. Kap.: Die "Entwidmung" von Bahnbetriebsanlagen

waltungspraxis nicht feststellbar ist und mit Rücksicht auf die widersprüchliche bzw. offene Rspr. des BVerwG61 nicht ausgegangen werden. Letztlich kommt es auch nicht darauf an, ob Eisenbahnbetriebsanlagen überhaupt öffentliche Sachen sind. Selbst wenn man annimmt, daß Eisenbahnbetriebsanlagen öffentliche Sachen sind, könnte die Entwidmung nämlich nur durch Aufhebung des eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses erfolgen, da eine Unterscheidung zwischen Entwidmung und Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses im geltenden Eisenbahnrecht nicht vorgesehen ist. Weil der Status der Eisenbahnbetriebsanlage als öffentliche Sache mangels anderweitiger gesetzlicher Grundlagen allenfalls durch Planfeststellung gern. § 18 Abs. I AEG geschaffen werden kann, mit anderen Worten also der Planfeststellungsbeschluß die im AEG vorgesehene Form der Widmung ist62 , muß zur Entwidmung der Planfeststellungsbeschluß aufgehoben werden63 • Denn zur Beseitigung des Status als öffentliche Sache ist neben der tatsächlichen Außerdienststellung ein Rechtsakt erforderlich, der als actus contrarius grundsätzlich nur in der fur die Widmung vorgesehenen Rechtsform erfolgen kann64 . Eine Unterscheidung zwischen Entwidmung und Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses gibt es im Eisenbahnrecht deshalb nicht. Die Beendigung der Wirksamkeit des Planfeststellungsbeschlusses im Wege der Aufhebung unterliegt jedoch primär den gesetzlichen Regelungen des AEG und des VwVfG. Nur wenn eine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses nach diesen Vorschriften nicht möglich wäre, wäre zu erwägen, ob eine dann bestehende Regelungslücke durch das Institut einer besonderen "Entwidmung" zu schließen wäre. Jedoch ist, wie im folgenden zu zeigen sein wird, eine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses nach allgemeinen Regeln möglich, so daß eine besondere "Entwidmung" nicht in Betracht kommt. b) Aufltebung im Planfeststellungsverfahren?

In Betracht zu ziehen ist nach der Rspr. des BVerwG65 eine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses im Planfeststellungsverfahren gern. § 18 Abs. 1 S. I AEG. Siehe dazu oben 4. Kapitel, B.I.2. Siehe oben 3. Kapitel, B.II.2.a) aal. 63 So auch Heinze, S. 47; a.A. Blümel, Fragen der Entwidmung, S. 43 f., der jedoch auch im Falle der Widmung "im Rahmen der Planfeststellung" nicht von einem Rechtsakt, sondern zwei verschiedenen Verwaltungsakten ausgeht. 1>4 Papier, S. 56. 65 BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, E 81, 111, 115; BVerwG, B. v. 7.1. 1992 - 7 B 153.91 -, NWVBI. 1992,202; siehe auch OVG NRW, Urt. v. 27.4.1998 - 7 A 3814/96 -, BauR 1999,365,366; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 18.3.1997 - 14 K 261/95 -, NVwZ-RR 1997,604. 61

62

C. Zur Rechtsgrundlage der "Entwidmung"

199

Für die Notwendigkeit der Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens zum Zwecke der Planaufhebung kann zunächst einmal die Überlegung ins Feld geführt werden, daß die Planaufhebung als actus contrarius zur Planfeststellung ebenfalls der Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens bedürfte66 • Nach dem Wortlaut des § 18 Abs. 1 S. I AEG ist allerdings die Feststellung des Plans nur dann erforderlich, wenn Betriebsanlagen der Eisenbahn "gebaut oder geändert" werden sollen. Die Gleichstellung von Bau und Änderung der Anlage deutet darauf hin, daß die Verpflichtung zur Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens i.S.d. § 18 AEG davon abhängig ist, ob Baumaßnahmen durchgeführt werden sollen. Die (bauliche) Änderung der Anlage ist mit der Aufhebung des Plans aber nicht notwendig verbunden67 • In der Regel wird die Aufhebung des Plans freilich - insbesondere, wenn eine eisenbahnbetriebsfremde Nutzung ermöglicht werden soll - dem Umbau bzw. dem anschließenden Abriß der Anlage dienen. Zumindest in diesen Fällen wäre vom Wortlaut her die Anwendung des § 18 Abs. 1 S. 1 AEG möglich, da es Um bauliche Änderungen der Anlage geht68 • Zur Begründung der Planfeststellungspflichtigkeit der Planaufhebung wird außerdem auf § 76 VwVfG verwiesen. § 76 Abs. 1 VwVfG sieht nämlich für Änderungen des festgestellten Plans vor Fertigstellung des Vorhabens, mit denen in der Regel zugleich die (teilweise) Aufhebung des ursprünglichen Plans verbunden ist69 , die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens vor. Daraus wird gefolgert, daß auch die Planaufhebung nach Errichtung der Anlage im Planfeststellungsverfahren erfolgen müsse 70 • Bei dieser Schlußfolgerung wird jedoch § 77 VwVfG übersehen. Gern. § 77 S. I VwVfG ist der Plan bei endgültiger Aufgabe des Vorhabens vor Fertigstellung des Vorhabens aufzuheben, ohne daß ein Planfeststellungsverfahren durchzuführen wäre 7l • Aus den §§ 76 Abs. I und 77 S. I VwVfG ergibt sich, daß die Planaufhebung vor der Fertigstellung des Vorhabens nur dann im Planfeststellungsverfahren erfolgt, wenn sie im Rahmen einer Planänderung der Erstellung einer Eisenbahnbetriebsanlage dient. Die Planaufhebung als solche stellt demnach keine Planänderung i.S.d. § 76 VwVfG dar. 66 Vgl. Birk, FS für Gelzer, S. I, 9 f.; Heinze, S. 47; im Ergebnis ebenso Ronellenfitscsh, in: Marschall / Schroeter / Kastner, § 17 Rn. 254. 67 So jetzt auch Steenhoff, Widmung, UPR 1998, 182, 184; vgl. entsprechend zur "Entwidmung" durch Planfeststellung Blümel, Fragen der Entwidmung, S. 45. 6R So wohl BVerwG, B. v. 7.1.1992 -7 B 153.91 -, NWVBI. 1992,202; Finger, § 36 BbG Anm. 12a, S. 227 u. Anm. 17k, S. 241; Ronellenfitsch, Einführung in das Planungsrecht, S. I 18. 69 Vgl. Knack/Busch, 6. Aufl., § 76 Anm. 4.1 f.; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 76 Rn. 16; Grupp, DVBI. 1990,81,82. 70 Grupp, DVBI. 1990,81,86. 71 Ule / Laubinger, § 43 Rn. 14, S. 43 I; Knack/Busch, 6. Aufl., § 77 Anm. 4.

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4. Kap.: Die "Entwidmung" von Bahnbetriebsanlagen

Es ist kein Grund darur ersichtlich, die Planaufhebung nach Fertigstellung des Vorhabens hinsichtlich ihrer Planfeststellungspftichtigkeit anders zu behandeln: Eine gesetzliche Regelung, die rur die Planaufhebung nach Fertigstellung des Vorhabens die Durchruhrung eines Planfeststellungsverfahrens vorschreiben würde, fehlt im AEG. Dagegen ordnet beispielsweise § 2 Abs. 4 BauGB ausdrücklich an, daß rur die Aufhebung der Bauleitpläne dieselben Vorschriften gelten wie rur deren Aufstellung. Darauf, daß rur die Planaufhebung nach der Aufgabe eines fertiggestellten Vorhabens kein Planfeststellungsverfahren durchzuruhren ist, deutet auch ein Vergleich mit der gesetzlichen Regelung der Einziehung einer Bundesfernstraße in § 2 Abs. 4 FStrG bei Wegfall jeder Verkehrsbedeutung hin, die außerhalb eines Planfeststellungsverfahrens als gebundene Entscheidung erfolge 2 • Die Einziehung der Straße kommt ihrer Funktion nach der Aufhebung der Plan feststellung im Eisenbahnrecht gleich, da sie zugleich die Wirksamkeit des Planfeststellungsbeschlusses beendet und die Beseitigung der Anlage ermögliche3 • Die Regelung zeigt, daß die Beseitigung der Planungs entscheidung nicht in einem Planfeststellungsverfahren erfolgen muß. Gestützt wird dieses Ergebnis dadurch, daß die Planaufhebung auch materiell keine Planungsentscheidung darstelle 4 • Anders als bei der Neuplanung von Anlagen und der Planänderung wird keine raumplanerische Entscheidung über die zukünftige Nutzung des Bodens getroffen, die durch vielfältige Interessenkonflikte gekennzeichnet ist. Bei der Planaufhebung im Anschluß an die Nutzungseinstellung sind nicht komplexe Nutzungskonftikte zu lösen, sondern in erster Linie Vertrauensschutzerwägungen anzustellen 7s • Wie die bisher dem Eisenbahnbetrieb dienenden Flächen nach der Aufhebung des PIanfeststellungsbeschlusses genutzt werden dürfen, kann die Fachplanungsbehörde nicht entscheiden, da ihr insoweit die Planungskompetenz fehlt. Zusammenfassend ist damit festzustellen, daß die Aufhebung des PIanfeststellungsbeschlusses nach Stillegung der Anlage nur dann in einem PIanfeststellungsverfahren gern. § 18 AEG erfolgen darf, wenn es Ziel des Verfahrens ist, eine neue oder geänderte Eisenbahnbetriebsanlage zu ersteIlen 76 • 72 7)

74

Sauthoff, NVwZ 1995, 119, 123: materiell keine Planungsentscheidung. Zur Bedeutung der Einziehung im Straßenrecht näi)er oben 4. Kapitel, C.I.2.a). So jetzt auch BVerwG, Urt. v. 21.5.1997 - 11 C 1.96 -, DVBI. 1998,38,39.

7S Bei der Planänderung ergeben sich aus dem Vertrauenschutzgebot materielle Anforderungen, die zusätzlich zu den allgemeinen materiellen Anforderungen an die Planung zu berücksichtigen sind, siehe dazu Hoppe, FS flir Ule, S. 75, 80 ff. Anders als bei der Planänderung gelten bei der Planautbebung die allgemeinen Anforderungen an Planungsentscheidungen nicht. 76 So zu § 36 BbG: Kruchen, Die Bundesbahn 1967, 181, 183; Klein, DÖV 1977, 194, 198; gegen die Notwendigkeit der Durchflihrung eines Planfeststellungsverfahrens auch Bender, VerwArch. 1992, 576, 588.

C. Zur Rechtsgrundlage der "Entwidmung"

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c) Erledigung mit Erteilung der Stillegungsgenehmigung gern. § 11 AEG?

Gern. § 11 Abs. 1 S. I AEG benötigt ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen für die dauernde Einstellung des Betriebes einer Strecke, eines für die Betriebsabwicklung wichtigen Bahnhofs oder die deutliche Verringerung der Kapazität einer Strecke eine Genehmigung. Zu erwägen ist, ob die Erteilung dieser Genehmigung bzw. die gern. § 11 Abs. 5 AEG nach Ablauf eines Jahres eingreifende Genehmigungsfiktion zur Erledigung des Planfeststellungsbeschlusses i.S.d. § 43 Abs. 2 VwVfG führen könnte. Eine solche Auslegung ist jedoch bereits vom Wortlaut des § ll AEG her eher fernliegend, da sich die Genehmigung allein auf die dauernde Einstellung des Betriebes bezieht77 , nicht dagegen auf Fragen des Eisenbahnplanungsrechts. Gegen die Annahme einer Erledigung der Fachplanungsentscheidung durch die Stillegungsgenehmigung spricht zudem die Inkongruenz des Anwendungsbereichs des Genehmigungstatbestandes mit den Fällen, in denen eine Beseitigung des Plans erforderlich ist: Die Genehmigungspflicht nach § 11 AEG besteht allein für die dauernde Einstellung des Betriebs in bedeutsamen Fällen, wie der Stillegung wichtiger Bahnhöfe oder einer deutlichen Verringerung der Kapazität einer Strecke. Die Notwendigkeit der Beseitigung des PIanfeststellungsbeschlusses ist aber im Gegensatz zur Stillegungsgenehmigung nach § ll AEG weder von der Verkehrs bedeutung der Betriebsanlage noch davon abhängig, ob der Betrieb im übrigen mit unveränderter Kapazität aufrechterhalten wird. Die Beseitigung des Planfeststellungsbeschlusses ist vielmehr unabhängig von diesen Gesichtspunkten immer dann erforderlich, wenn eine Nutzungsänderung und/ oder bauliche Änderung der planfestgestellten Betriebsanlage nach der Aufgabe der Anlage erfolgen soll, da einer solchen Nutzung die durch die eisenbahnrechtliche Planfeststellung bewirkte Zweckbindung entgegensteht. Auch und gerade in Fällen, in denen eine Stillegungsgenehmigung gern. § 11 AEG nicht erforderlich ist, kann also gleichwohl die Aufhebung des PIanfeststellungsbeschlusses notwendig sein. Hieran zeigt sich, daß die Erteilung der Stillegungsgenehmigung nicht zur Erledigung des Planfeststellungsbeschlusses führen kann. Der Annahme einer Erledigung des Planfeststellungsbeschlusses mit der Erteilung der StiIlegungsgenehmigung steht zudem auch der Sinn und Zweck der Norm entgegen, wie er sich aus der Entstehungsgeschichte ergibt: Die Regelung beruht in der geltenden Fassung auf einem Beschluß des Ausschusses für Verkehr78 , mit dem - abgesehen von der Befristung der Möglichkeit der GenehSteenhoff, DVBI. 1996, 1236, 1237. Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Begr. zu § lOa, BT-Drs. 12/ 6269, S. 139. 77

7R

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4. Kap.: Die "Entwidmung" von Bahnbetriebsanlagen

migungsversagung gern. § 11 Abs. 5 AEG - weitgehend den Vorstellungen des Bundesrats gefolgt wurde. Der Bundesrat wollte mit der Genehmigungspflicht Streckenstillegungen durch Monopolunternehmen verhindern 79 • Die Vorschrift bringt also das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung des Verkehrsangebotes der Eisenbahnen zum Ausdruck so . Angesichts dieser Zielrichtung der Einführung der Genehmigungspflicht wäre es widersinnig, wenn die einmal erfolgte Genehmigungserteilung nach § 11 AEG die - im öffentlichen Interesse liegende - spätere Wiederaufnahme des Betriebes der Strecke oder des Bahnhofs gänzlich ausschließen würde. Genau dies wäre aber der Fall, wenn sich mit der Stillegungsgenehmigung zugleich die Planfeststellung rur die Anlage erledigen würde, da dann vor der Wiederinbetriebnahme einer Strecke zunächst ein neues Planfeststellungsverfahren gern. § 18 AEG durchgeruhrt werden müßte. Zu berücksichtigen ist schließlich, daß die Regelung des § 11 AEG im wesentlichen der früheren Verpflichtung der Deutschen Bundesbahn gern. § 14 Abs. 3d) BbG entspricht, vor dauernden Stillegungen von bestimmten Bahnanlagen die Genehmigung des Bundesministers rur Verkehr einzuholen81 • Auch dieser Genehmigung nach § 14 Abs. 3 d) BbG wurde aber nicht die Bedeutung einer gleichzeitigen Erledigung oder Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses zuerkannt, weil sie das Infrastrukturunternehmen zur dauernden Betriebseinstellung berechtigte, aber nicht verpflichtete s2 • Mit der Stillegungsgenehmigung gern. § 11 AEG erledigt sich die PIanfeststellung oder Plangenehmigung fiir die Eisenbahnbetriebsanlage folglich nichtS3 • Diese Feststellung schließt allerdings nicht aus, daß bei Vorliegen der Voraussetzungen der Stillegungsgenehmigung zugleich auch eine Aufhebung der Planung in Betracht kommt. 79 Vgl. den Regelungsvorschlag des Bundesrats für § lOa AEG, BT-Drs. 12/5014, S. 17 f. 80 Steiner, in: Schmidt, § 10 IV Rn. 70, S. 192. 81 Dazu Finger, § 14 BbG Anm. 4, S. 136 ff.

82 Kruchen, Die Bundesbahn 1967, 181, 183; vgl. auch die bereits erwähnte Entscheidung des BVerwG, B. v. 7.1.1992 - 7 B 153.91 -, NWVBI. 1992,202, in der ein Planfeststellungsverfahren zur Beseitigung einer Bahnanlage im Anschluß an die gern. § 14 Abs. 3 d) BbG genehmigte Streckenstillegung für erforderlich gehalten wurde, weil auch nach der Stillegung eine bestehende Bahnanlage i.S.d. § 36 BbG vorhanden sei; a.A. erstinstanzlich VG Düsseldorf, Urt. v. 28.9.1988 - 16 K 2886/86 -, zitiert nach Hoppe / Schulte, S. 82 ff., 84 f., das die Stillegungsgenehmigung als mit der Entwidmung einer öffentlichen Straße vergleichbar betrachtete und deshalb die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens für den Abriß einer mit Genehmigung stillgelegten Anlage rur unzulässig hielt. 83 So jetzt im Ergebnis auch Spoerr, DVBI. 1997, 1309, 13 10 f.; vgl. auch Steenhoff, Widmung, UPR 1998, 182, 183; Kühlwetler, FS für Blümel, S. 309,324 (keine Entwidmung durch Stillegung).

C. Zur Rechtsgrundlage der "Entwidmung"

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d) Aufhebung gern. § 77 VwVfG?

Gern. § 77 S. 1 VwVfG ist die Planfeststellungsbehörde zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses verpflichtet, wenn ein Vorhaben endgültig aufgegeben wird, mit dessen Durchführung begonnen worden ist. Es erscheint auf den ersten Blick nicht ausgeschlossen, die Vorschrift auch auf den hier untersuchten Fall anzuwenden, in dem eine Betriebsanlage der Eisenbahn erst nach ihrer Fertigstellung aufgegeben wird. Bereits die Verwendung des Begriffs "Vorhaben" und der ausdrückliche Hinweis auf den Beginn der Durchführung deutet jedoch darauf hin, daß § 77 VwVfG keine Regelung für die Aufgabe fertiggestellter und bereits für den Eisenbahnbetrieb genutzter Anlagen enthält, sondern ausschließlich solche Projekte betrifft, von deren Fertigstellung und Verwirklichung endgültig abgesehen wurde. Eine Regelung für sog. steckengebliebene Vorhaben wollte auch der Gesetzgeber treffen 84 • Die Anwendung auf steckengebliebene Vorhaben entspricht schließlich dem verfassungsrechtlichen Hintergrund der in § 77 VwVfG getroffenen Regelung: Das BVerwG hat nämlich in einer Entscheidung zu der - inzwischen aufgehobenen - Parallelregelung in § 18 d FStrG a.F. dargelegt, daß die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses nach Aufgabe des Vorhabens dann aus Gründen des Eigentumsschutzes geboten ist, wenn der Planfeststellungsbeschluß enteignungsrechtliche Vorwirkung8S entfaltet. Denn der von einer Enteignung Betroffene hat nach der Rspr. des BVerfG einen Anspruch auf Rückenteignung, wenn der Al1gemeinwohlzweck der Enteignung nicht verwirklicht wird, weil die verfassungsrechtliche Ennächtigung zur Enteignung nur für den Fal1 gegeben ist, daß ein dem Al1gemeinwohl dienendes Vorhaben auch tatsächlich ausgeführt wirds6 • Dementsprechend muß - unabhängig davon, ob die Enteignung bereits erfolgt ist oder nicht - auch der die Grundlage fur ein Enteignungsverfahren bildende Planfeststel1ungsbeschluß aufgehoben werden, wenn das Vorhaben endgültig aufgegeben wird87 • Ein solcher Anspruch auf Rückenteignung besteht nach der Rspr. aber dann nicht, wenn ein Vorhaben tatsächlich verwirklicht wurde und erst später wieder aufgegeben worden ist, da das Ziel der Enteignung (zunächst) erreicht worden ist 8s • Folglich kommt in diesem Fal1 auch kein Anspruch auf Aufhebung des Planfeststel1ungsbeschlusses in Betracht. Aus diesem Vgl. die Begründung des RegE zum VwVfG, BT-Ors. 7/910, S. 90. Enteignungsrechtliche Vorwirkung kommt wegen § 22 AEG auch der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung zu. 86 BVerfG, B. v. 12.11.1974 - 1 BvR 32/68 -, E 38, 175, 180 f. 84

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BVerwG, Urt. v. 11.4.1986 - 4 C 53.82 -, OVBI. 1986, 1007, 1008 f. BVerwG, B. v. 11.11.1993 - 7 B 180.93 -, OÖV 1994,268.

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4. Kap.: Die "Entwidmung" von Bahnbetriebsanlagen

Grund beschränkt sich auch der Anwendungsbereich des § 77 VwVfG auf vor Fertigstellung aufgegebene Vorhaben. Nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte und dem Sinn und Zweck der Regelung ist § 77 VwVfG daher auf erst nach ihrer Vollendung aufgegebene Vorhaben nicht anwendbar89 • Gleichwohl denkbar wäre eine analoge Anwendung der Norm auf die Aufgabe von Vorhaben, die fertiggestellt und betrieben wurden 90 • Erste Voraussetzung einer Analogie ist aber eine Lücke im Gesetz 91 • An einer solchen Lücke fehlte es, wenn die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses außerhalb des Planfeststellungsverfahrens nach den allgemeinen gesetzlichen Regelungen über die Aufhebung von Verwaltungsakten im VwVfG möglich wäre. Zu prüfen bleibt damit die Anwendbarkeit der §§ 48, 49 VwVfG auf Planfeststellungsbeschlüsse: e) Aufhebung gern. §§ 48, 49 VwVfG

aa) Überblick über den Streitstand Das BVerwG hat - nach einer ohne weitere Erörterung von der Anwendbarkeit der §§ 48, 49 VwVfG zugunsten des begünstigten Vorhabenträgers einer abfallrechtliche Planfeststellung ausgehenden Entscheidung 92 - die Anwendbarkeit der §§ 48, 49 VwVfG auf Planfeststellungsbeschlüsse längere Zeit ausdrücklich offen gelassen 93 • In einer Entscheidung aus dem Jahr 1997 hat nunmehr der 11. Senat § 49 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG auf einen atomrechtlichen Planfeststellungsbeschluß angewandt und ausdrücklich auch die Möglichkeit eines Anspruchs Drittbetroffener auf fehlerfreie Ermessensentscheidung über den Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses bejaht94 • Daß damit die Anwendbarkeit der §§ 48, 49 VwVfG auf Planfeststellungsbeschlüsse bereits abschließend geklärt ist, muß bezweifelt werden. Denn die 89 Meyer / Borgs, § 77 Rn. 4; Allesch / Häußler, in: Obermayer, § 77 Rn. 16 f.; Grupp, DVBI. 1990, 81, 85 f.; ebenso - allerdings zu § 77 VwVfG als Rechtsgrundlage der "Entwidmung" - Steenhoff, Widmung, VPR 1998, 182, 184; Korth Pereira Ferraz, in: Blüme1 / Kühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts, 1997, 175, 191 ff.; a.A. - ohne Begründung - Thomas, StuGR 1995,87,90; Heinze. S. 47. 90

So Kopp/ Ramsauer, § 77 Rn. 2.

Larenz, Methodenlehre, S. 370 ff. 92 BVerwG, B. v. 19.5.1988 -7 B 215.87 -, DVBI. 1989,509,510 f. 93 BVerwG, Vrt. v. 14.9.1992 -4 C 34-38.89 -, E 91,17,22 (FStrG); offen auch BVerwG, Vrt. v. 5.12.1986 - 4 C 13.85 -. E 75, 214, 220 (LuftVG). 94 BVerwG, Vrt. v. 21.5.1997 - 11 C 1.96 -, DVBI. 1998, 38 ff.; dieses Vrteil übersieht der VGH Mannheim, Vrt. v. 1.10.1998 - 5 S 1358/97 -, VA S. 12 f. 91

C. Zur Rechtsgrundlage der "Entwidmung"

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Entscheidung des 11. Senats wird in der Literatur z.T. kritisiert und eine differenzierende Betrachtung, insbesondere die Anwendung der §§ 48, 49 VwVfG nur zugunsten des Vorhabenträgers und / oder nur bei bestimmten PIanfeststellungen oder in Extremfallen befürwortet95 • Vor diesem Hintergrund ist auf die wesentlichen Argumente für und gegen die Anwendbarkeit der §§ 48, 49 VwVfG näher einzugehen: aaa) Ausschluß der Anwendbarkeit der §§ 48, 49 VwVfG? Ein Teil der Literatur hält die Anwendbarkeit der §§ 48, 49 VwVfG auf Planfeststellungsbeschlüsse für ausgeschlossen96 • Ausführlich begründet hat diese Auffassung besonders Grupp: Er stützt sich zunächst auf die Überlegung, daß das Instrumentarium der §§ 72 ff. VwVfG zur Vermeidung von Nachteilen für das Gemeinwohl durch die Nutzung des Vorhabens ausreichend sei; speziell im Fall drohender schwerer Nachteile für das Allgemeinwohl würden die Vorhabenträger, die überwiegend Stellen der öffentlichen Verwaltung seien, entweder eine Änderung des Vorhabens beantragen oder dessen Durchführung aufgeben97 • Ein Rückgriff auf die §§ 48, 49 VwVfG sei mit der aus § 75 Abs. 2 S. I und S. 2 VwVfG folgenden erhöhten Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses nicht zu vereinbaren 98 • Die vorwiegend an Aspekten des Vertrauensschutzes orientierten Regelungen der §§ 48, 49 VwVfG könnten auf einen PIanfeststellungsbeschluß, der ein komplexes Interessengeflecht gestalte und zudem personale mit dinglichen Elementen verknüpfe, keine Anwendung finden; der Aspekt des Vertrauensschutzes könne nur völlig unzulänglich berücksichtigt werden, wenn nicht allein die Position des Vorhabenträgers gegenüber den Gemeinwohiinteressen Beachtung verlange, sondern auch zahlreiche sonstige durch die Maßnahme Begünstigte von der Aufhebung nachteilig betroffen seien 99 • Im übrigen könne der Gedanke des Vertrauensschutzes bei Planfeststellungsbeschlüssen für Vorhaben von Trägem öffentlicher Verwaltung ohnehin nicht zum Tragen kommen lOo • Bestätigt werde die Unanwendbarkeit der §§ 48,49 VwVfG durch den in § 72 Abs. I VwVfG geregelten Ausschluß des Anspruchs auf Wiederaufgreifen des Verfahrens gern. § 51 VwVfG, der nicht durch die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses nach §§ 48, 49 VwVfG unterlaufen werden dürfe. 95 Ronellenfitsch, in: Marschall / Schroeter / Kastner, § 17 Rn. 254 - zugunsten des Vorhabenträgers bei Aufhebung von Amts wegen.; kritisch zur Entscheidung des 11. Senats Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 72 Rn. 131; für eine Anwendung nur in Extremfallen Allesch / Häußler, in: Ohermayer, § 72 Rn. 41. 96 Grupp, DVBI. 1990, 81 ff. 97 Grupp, DVBI. 1990, 81, 88 f.

Grupp, DVBI. 1990, 81, 89. 99 Grupp, DVBI. 1990,81,89. 100 Grupp, DVBI. 1990,81,90 mit Fn. 83. 9K

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4. Kap.: Die "Entwidmung" von Bahnbetriebsanlagen

Da der nach § 72 Abs. 1 Vwvro ausgeschlossene Anspruch des Betroffenen auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens und die behördliche Befugnis zur Aufhebung in einem nicht trennbaren Zusammenhang stünden, sei auch die Behörde nach Eintritt der Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses an der Aufhebung nach den §§ 48, 49 VwVfG gehindert 'o, . bbb) Uneingeschränkte Anwendbarkeit der §§ 48, 49 VwVfG Die exakte Gegenposition, nämlich eine uneingeschränkte Anwendung der §§ 48, 49 Vwvro einschließlich eines subjektiven Rechts der Betroffenen auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, vertreten ebenfalls Teile der Rspr. und der Literatur ,02 • Diese Auffassung stützt sich auf den Wortlaut des § 72 Abs. 1 VwVfG, demzufolge allein § 51 Vwvro nicht anzuwenden ist. Ausgeschlossen sei mithin lediglich der Rechtsanspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens gern. § 51 VwVfG, nicht dagegen die Anwendbarkeit der §§ 48, 49 Vwvro schlechthin einschließlich eines Anspruchs Betroffener auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung über die Aufhebung ,03 • ccc) Differenzierte Anwendung Schließlich sind nach einer differenzierenden Auffassung die §§ 48, 49 Vwvro zwar grundsätzlich anwendbar, jedoch soll ein Anspruch Betroffener auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Aufhebung des unanfechtbaren Planfeststellungsbeschlusses ausgeschlossen sein. Die Ansprüche Betroffener seien in den §§ 72 ff. Vwvro im Interesse einer gesteigerten Bestandskraft abschließend geregelt, was durch den Ausschluß der Anwendbarkeit des § 51 Vwvro bestätigt werde. Die Betroffenen könnten allein nachträgliche Maßnahmen gern. 75 Abs. 2 S. 2 Vwvro verlangen '04 . Ein Anspruch auf ermessens 101

Grupp, DVBI. 1990,81,90 f.

VGH Bad.-Württ., Urt. v. 27.7.1987 - 5 S 2646/86 -, UPR 1988, 77, 78 f.; OVG Münster, Urt. v. 20.12.1985 - 9 A 719/83 -, NJW 1986,2657,2658; OVG Koblenz, Urt. v. 22.4.1986 - 6 A 16/85 -, NJW 1986,2779,2780, und jetzt auch BVerwG, Urt. v. 21.5.1997 - 11 C 1.96 -, DVBI. 1998, 38, 39f.; Kopp I Ramsauer, § 72 Rn. 22; Meyerl Borgs, § 72 Rn. 16, 19; Steinberg, § 6 Rn. 24 (S. 294 f.); Sieg, S. 186 f.; für die Anwendbarkeit der §§ 48, 49 VwVfG, jedoch ohne Erörterung der Problematik des Anspruchs Drittbetroffener auf ermessensfehlerfreie Entscheidung: BayVGH, Urt. v. 8.3. 1985 - 20 B 81 D.I -, BayVBI. 1985, 399 f.; Bronnenmeyer, S. 198; Korbmacher, WiVerw. 1979,37,45 f.; Maurer, AllgVerwR, § 16 Rn. 31; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 386. 103 VGH Bad.-Württ., Urt. v. 27.7.1987 - 5 S 2646/86 -, UPR 1988, 77, 78 f. 102

104 UlelLaubinger, § 43 Rn. 19, S. 434; WolfflBachoflStober, VerwR I, § 50 Rn. 23; vgl. auch OVG Berlin, Urt. v. 2.5.1996 - 2 A 5.92 -, DVBI. 1997, 73, 77; Hess. VGH,

C. Zur Rechtsgrundlage der "Entwidmung"

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fehlerfreie Entscheidung über die Autbebung komme schon deshalb nicht in Frage, weil er sich durch Ennessensreduzierung zu einem Anspruch auf Aufhebung verdichten könne, der gerade gesetzlich ausgeschlossen worden sei. Gegen Ansprüche Betroffener aufgrund der §§ 48, 49 VwVfG spreche schließlich, daß die Regelung des Anspruchs auf nachträgliche Schutzvorkehrungen bei unvorhersehbaren Auswirkungen gern. § 75 Abs. 2 S. 2 VwVfG überflüssig sei, wenn § 49 VwVfG zugunsten Betroffener angewendet würde lO5 • Die §§ 48, 49 VwVfG kommen nach dieser Auffassung also für die Behörde als Rechtsgrundlage der Planautbebung in Betracht. Jedoch sollen durch die Sonderregelungen für den Planfeststellungsbeschluß in den §§ 72, 75 VwVfG Ansprüche Betroffener aus den §§ 48,49 VwVfG ausgeschlossen sein. bb) Stellungnahme Entsprechend der zuletzt dargestellten differenzierenden Auffassung muß zunächst zwischen der Frage, ob die Planfeststellungsbehörde aufgrund der §§ 48, 49 VwVfG befugt ist, den Planfeststellungsbeschluß von Amts wegen aufzuheben, und dem nachgelagerten Problem eines Anspruchs Betroffener auf ennessensfehlerfreie Entscheidung über eine solche Autbebung unterschieden werden: aaa) Anwendbarkeit der §§ 48, 49 VwVfG Spezielle Regelungen für die Autbebung von Planfeststellungsbeschlüssen enthalten die §§ 72 ff. VwVfG - mit Ausnahme des § 77 VwVfG, der lediglich den Sonderfall des steckengebliebenen Vorhabens regelt - nicht. Der Ausschluß der Anwendbarkeit der §§ 48, 49 VwVfG kann sich deshalb nur mittelbar aus sonstigen Regelungen der §§ 72 ff. VwVfG ergeben.

B. v. 17.6.1992 - 2 Q 195.92 -, DVBI. 1992, 1446, 1447; VGH Mannheim, Urt. v. 12.09.1996 - 8 S 1511 /96 -, NVwZ-RR 1997, 682 f., wo die Anwendung als Ermächtigungsgrundlage fur die Behörde jeweils offengelassen, ein Anspruch Betroffener auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Autbebung aber ausgeschlossen wird; ähnlich auch der BayVGH, B. v. 12.10.1995 - 20 B 94.1188 -, NVwZ 1996, 1125, 1128, der eine Anwendung der §§ 48, 49 VwVfG zur sog. Lärmsanierung einer Bahnstrecke im Interesse Dritter allenfalls in "krassen" AusnahmefalIen für möglich hält; dafür auch Bonk, in: StelkenslBonklSachs, § 72 Rn. 131 uund § 74 Rn. 24; Knacki Dürr, § 75 Rn. Rn. 85 ("nur in besonders gelagerten AusnahmefalIen"), und wohl auch § 72 Rn. 30. Der VGH Mannheim, Urt. v. 1.10.1998 - 5 S 1358/97 -, UA S. 13, will einen Anspruch Drittbetroffener auf Rücknahme oder Widerruf jedenfalls nur dann erwägen, wenn nachträgliche Schutzauflagen gern. § 75 Abs. 2 S. 2 VwVfG nicht als Abhilfe ausreichen. lOS Hess. VGH, B. v. 17.6.1992-2 Q 195.92-, DVBI. 1992, 1446, 1448.

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4. Kap.: Die "Entwidmung" von Bahnbetriebsanlagen

Der als Argument gegen die Anwendbarkeit der §§ 48 u. 49 VwVfG herangezogene Ausschluß des Anspruchs auf Wiederaufgreifen des Verfahrens (§ 51 VwVfG) durch § 72 Abs. I VwVfG ist fiir die Frage der Anwendbarkeit als Ermächtigungsgrundlage fiir die Behörde unerheblich. Sinn und Zweck des § 72 Abs. I VwVfG ist es allein, dem Planfeststellungsbeschluß erhöhte Bestandskraft gegenüber nachträglich geltend gemachten Ansprüchen Betroffener zu verleihen, nicht aber, ein Tätigwerden der Planfeststellungsbehörde von Amts wegen auszuschließen. Allein dem Schutz des Vorhabens vor Ansprüchen Betroffener dient auch § 75 Abs. 2 VwVfG, der nach Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses gern. S. I Ansprüche auf Unterlassung des Vorhabens etc. ausschließt und gern. S. 2 i.V.m. S. 4 selbst bei nicht voraussehbaren Wirkungen des Vorhabens die Ansprüche Betroffener auf mit dem Vorhaben vereinbare Schutzauflagen beschränkt. Auch aus dieser Regelung kann deshalb nichts fiir ein prinzipielles Verbot der Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses nach den §§ 48, 49 VwVfG von Amts wegen hergeleitet werden. Vielmehr spricht § 75 Abs. 2 VwVfG umgekehrt gerade fiir die Anwendbarkeit der §§ 48, 49 VwVfG, da die Norm lediglich nachträgliche Schutzmaßnahmen auf Antrag Betroffener regelt. Da nicht angenommen werden kann, daß der Gesetzgeber nachträgliche Schutzmaßnahmen im Interesse des Wohls der Allgemeinheit ausschließen wollte, müssen die §§ 48, 49 VwVfG auf Planfeststellungsbeschlüsse anwendbar sein, so daß die Auferlegung von Schutzmaßnahmen fiir das Allgemeinwohl als milderes Mittel gegenüber der gänzlichen Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses möglich ist '06 . Ohne die §§ 48, 49 VwVfG gäbe es im übrigen keine unmittelbar anwendbare gesetzliche Grundlage fiir die vollständige Planaufhebung, da ein Planfeststellungsverfahren nach der hier vertretenen Auffassung fiir die Planaufhebung ausscheidet ,07 • Bei Vorhabenträgern, die selbst Stellen der öffentlichen Verwaltung sind, mag das Fehlen einer Rechtsgrundlage fiir die Aufhebung der Planfeststellungsbeschlusses praktisch bedeutungslos sein, wenn man unterstellt, daß diese bei schwerwiegenden negativen Auswirkungen selbst die Aufhebung 106 So zu Recht Kopp/ Ramsauer, § 75 Rn. 2; das BVerwG hat dagegen trotz des entgegenstehenden Wortlauts der Norm mit Urt. v. 1.7.1988 - 4 C 49.86 -, E 80, 7,9 tT., Schutzauflagen im Interesse des Allgemeinwohls nach Unanfechtbarkeit des PIanfeststellungsbeschlusses gern. § 17 Abs. 6 S. 2 FStrG a.F. ausdrücklich für zulässig erachtet. 107 Für gänzlich ausgeschlossen scheint Grupp, DVBI. 1990, 81, 86, 90 die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses ohne Antrag des Vorhabenträgers zu halten, da er Planänderungen nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag für zulässig hält und zugleich die Anwendbarkeit der §§ 48, 49 VwVfG verneint; anders dagegen BVerwG, Urt. v. 14.9.1992 - 4 C 34 - 38.89 -, E 91, 17, 22 (FStrG), das die Planänderung auch von Amts wegen für zulässig hält; in Verbindung mit der oben geschilderten Rspr. zur Planaufhebung durch Planfeststellungsverfahren wäre also nach der Rspr. die PIanaufhebung im von Amts wegen eingeleiteten Planänderungsverfahren unter Beachtung der §§ 48, 49 VwVfG möglich.

C. Zur Rechtsgrundlage der "Entwidmung"

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beantragen werden. Handelt es sich dagegen um Vorhaben privater Träger, wäre das Fehlen einer Rechtsgrundlage für die behördliche Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses nicht hinnehmbar. Auch der Charakter des Planfeststellungsbeschlusses als Regelung eines komplexen Interessengeflechts mit gestaltender Wirkung vennag die Anwendbarkeit der §§ 48, 49 VwVfG nicht auszuschließen. Zu bedenken ist nämlich, daß auch Genehmigungsentscheidungen, wie etwa die immissionsschutzrechtliche Genehmigung, komplexe Interessengeflechte rechtsgestaltend regeln können l08 • Bei derartigen Verwaltungsakten ist dennoch die Aufhebung zulässig, wie beispielsweise die - § 49 VwVfG weitgehend entsprechende - Regelung des § 21 BlmSchG zeigt. Schließlich trifft die Erwägung Grupps, daß ein Vertrauensschutz nach den §§ 48, 49 VwVfG zugunsten von Trägem öffentlicher Verwaltung nicht in Betracht komme, auf die Vorhaben privater Eisenbahnunternehmen von vornherein nicht ZUI09. Der durch den Planfeststellungsbeschluß begünstigte Vorhabenträger hat vielmehr Anspruch darauf, daß sein Vertrauen in den Fortbestand des festgestellten Plans nach Maßgabe der allgemeinen Regelungen der §§ 48, 49 VwVfG geschützt wird llo. Die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses von Amts wegen nach den §§ 48. 49 VwVfG wird also nicht durch die §§ 72 ff. VwVfG ausgeschlossen. bbb) Anspruch Betroffener auf ennessensfehlerfreie Entscheidung über die Aufhebung Schwieriger zu entscheiden ist, ob ein Anspruch Betroffener auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Aufhebung der Planfeststellung gern. §§ 48, 49 VwVfG bestehen kann. Der Ausschluß des Anspruchs auf Wiederaufgreifen des Verfahrens gern. § 51 VwVfG und die Beschränkung nachträglicher Ansprüche durch § 75 Abs. 2 S. 2 u. 4 VwVfG auf Maßnahmen, die mit dem Vorhaben vereinbar sind, sprechen in der Tat dafür, daß dem Planfeststellungsbeschluß eine besondere Bestandskraft gegenüber Ansprüchen Betroffener zuerkannt werden sollte.

IO~ Darauf weist jetzt auch das BVerwG, Urt. v. 21.5.1997 - 11 C 1.96 -, DVBI. 1998, 38,39, hin. IOQ Im übrigen dürfte aber auch zugunsten der Vorhaben von Trägem öffentlicher Verwaltung ein Vertrauensschutz zumindestens dann nicht ausgeschlossen sein, wenn der Vorhabenträger nicht zum selben Rechtsträger gehört wie die Planfeststellungsbehörde. 110 Korbmacher. WiVerw. 1979, 37, 45 f.; Ule/Laubinger, § 43 Rn. 18 (S.434); Maurer, AJlgVerwR, § 16 Rn. 31. 14 Buchner

4. Kap.: Die "Entwidmung" von Bahnbetriebsanlagen

210

Andererseits enthält § 75 Abs. 2 VwVfG lediglich eine Regelung der Wirkungen der Bestandskraft von Planfeststellungsbeschlüssen, nicht aber eine spezielle Regelung der in den §§ 48,49 VwVfG vorgesehenen Durchbrechung der Bestandskraft von Verwaltungsakten 111. Zudem wird durch § 72 Abs. I VwVfG ausdrücklich nur die Anwendung des § 51 VwVfG ausgeschlossen, so daß ein Umkehrschluß zugunsten der Anwendbarkeit der §§ 48, 49 VwVfG naheliegt. Darauf deutet auch die Entstehungsgeschichte des § 72 Abs. I VwVfG hin. Denn in der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 68, der dem jetzigen § 72 VwVfG entspricht, heißt es, daß ein Recht auf Akteneinsicht nicht bestehen könne, Akteneinsicht aber nach pflichtgemäßem Ermessen gewährt werden könne. ,,Ebenso" könne § 47 des Entwurfs - nunmehr § 51 VwVfG - wegen der besonderen Rechtswirkungen eines unanfechtbar gewordenen Planfeststellungsbeschlusses keine Anwendung finden l12 • Diese Begründung legt nahe, daß die Entscheidung nach pflichtgemäßem Ennessen über die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses gern. §§ 48, 49 VwVfG auf Antrag Betroffener gleichennaßen wie die Gewährung von Akteneinsicht nach pflichtgemäßem Ennessen möglich bleiben sollte. Anders als beim Akteneinsichtsrecht bestand für eine ausdrückliche gesetzliche Erwähnung des Rechts auf ennessensfehlerfreie Entscheidung über die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses in § 72 VwVfG kein Anlaß. Denn mit den §§ 48, 49 VwVfG war eine gesetzliche Regelung vorhanden, deren Anwendung nach dem Wortlaut des § 72 Abs. I VwVfG, der lediglich § 51 VwVfG erwähnt, gerade nicht ausgeschlossen wurde. Durch die Anerkennung eines Anspruchs auf ennessensfehlerfreie Entscheidung über die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses gern. §§ 48, 49 VwVfG wird die Bestandskraft auch nicht über Gebühr ausgehöhlt; denn regelmäßig dürfte es möglich sein, einen Antrag auf Entscheidung über die Aufhebung eines Verwaltungsaktes ennessensfehlerfrei abzulehnen. Für die Anwendung der §§ 48 u. 49 VwVfG zugunsten Betroffener können zudem zumindest in Ausnahmefallen, insbesondere dann, wenn eine Rechtsverletzung oder -gefährdung durch die nachträgliche Anordnung von Schutzvorkehrungen gern. § 75 Abs. 2 S. 2 VwVfG nicht verhindert werden kann, auch verfassungsrechtliche Gründe sprechen l13 • Im Hinblick auf den gebotenen Grundrechtsschutz wäre es insbesondere bedenklich, den Betroffenen das Prognoserisiko über die Auswirkungen des Vorhabens aufzubürden, wie es mit der 111

BVerwG, Urt. v. 21.5.1997 - 11 C 1.96 -, DVBI. 1998,38,39.

112

Begr. des Regierungsentwurfs des Verwaltungsverfahrensgesetzes, BI-Drs. 7/910,

S.87.

11) Vgl. Kopp/Ramsauer, § 72 Rn. 21; Stein berg, § 6 Rn. 24 (S. 295); a.A. VGH Mannheim, Urt. v. 12.9.1996 - 8 S 1511 /96 -, NVwZ-RR 1997,682,683, der jedoch übersieht, daß die Betroffenen das Prognoserisiko tragen.

C. Zur Rechtsgrundlage der "Entwidmung"

211

Beschränkung des Anspruchs auf nachträgliche Schutzauftagen allein auf den Fall objektiv nicht voraussehbarer Auswirkungen in § 75 Abs. 2 S. 2 VwVfG geschehen ist " \ und zugleich Ansprüche auf Entscheidung über die Planaufhebung gern. §§ 48, 49 VwVfG ohne jede Ausnahmemöglichkeit auszuschließen. Treten zwar objektiv voraussehbare, tatsächlich aber weder von der Behörde noch von den Betroffenen vorausgesehene nachteilige Wirkungen ein, bestünde rur die Betroffenen selbst dann keine Schutzmöglichkeit, wenn schwerwiegende Gesundheitsschäden drohen. Denn § 75 Abs. 2 S. 2 VwVfG schließt ja nachträgliche Schutzauftagen bei objektiv voraussehbaren Auswirkungen gerade aus. In diesem Sinne hat nunmehr auch der 11. Senat des BVerwG ausgeführt, daß eine generelle Rechtsschutzversagung durch die Nichtanwendung der allgemeinen Rücknahme- und Widerrufsregelungen gerade in den Fällen, in denen besonders nachteilige Auswirkungen auftreten und anderweitige Schutzmöglichkeiten nicht ausreichen, mit den Grundrechten der Betroffenen nicht zu vereinbaren wäre" s. Schließlich ist auch zu bedenken, daß der Sinn und Zweck der erhöhten Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses nicht in allen Fällen der Geltendmachung von Ansprüchen auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses berührt sein muß. Sinn der gesteigerten Bestandskraft ist es nämlich, die Existenz der Anlage im Interesse der Verwirklichung der im jeweiligen Fachgesetz geregelten Zweckbestimmung dauerhaft zu sichern. Um dies zu ermöglichen, schließt § 75 Abs. 2 S. 1 und S. 4 VwVfG Ansprüche auf Unterlassung des Vorhabens, Beseitigung der Anlagen und die Unterlassung der Benutzung sowie mit dem Vorhaben unvereinbare Schutzvorkehrungen aus. Ganz in diesem Sinne läßt auch § 75 Abs. 2 S. 4 VwVfG nur Schutzauftagen zu, die mit dem Vorhaben vereinbar sind. Dieser Schutzzweck der Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses wird durch einen Anspruch Betroffener auf Entscheidung über die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses aber dann nicht mehr berührt, wenn feststeht, daß die Anlage ohnehin nicht mehr betrieben wird. Im Fall der Nutzungsaufgabe steht die gesteigerte Bestandskraft einem Anspruch Dritter folglich nicht entgegen.

114 BVerwG, Urt. v. 1.7.1988 - 4 C 49.86 -, E 80, 7, 13; kritisch dazu Dürr, in: Koda/lKrämer, Kap. 35 Rn. 17.4 (S. 1153 f.). 115 BVerwG, Urt. v. 21.5.1997 - 11 C 1.96 -, DVBI. 1998,38,40; a.A. noch VGH Mannheim, Urt. v. 12.9.1996 - 8 S 1511/96 -, NVwZ-RR 1997,682,683.

14·

212

4. Kap.: Die "Entwidmung" von Bahnbetriebsanlagen

11. Wegfall der rechtlichen Zweckbestimmung bei gewidmeten Altanlagen Bei den gewidmeten Altanlagen ist im Gegensatz zu den planfestgestellten Anlagen eine Beseitigung der rechtlichen Zweckbestimmung der Anlage durch Entwidmung als actus contrarius zur Widmung grundsätzlich möglich "6 . Da die Altanlagen hinsichtlich der Beschränkung der kommunalen Planungshoheit den planfestgestellten Anlagen gleichgestellt wurden 117, sollte konsequenterweise auch die Beseitigung des Rechtscharakters als Betriebsanlage und damit der Wechsel der Planungshoheit nach denselben Regeln erfolgen. Diese Gleichbehandlung entspricht auch der Rspr. des BVerwG, das hinsichtlich der "Entwidmung" von Bahnanlagen nicht zwischen planfestgestellten Betriebsanlagen und lediglich gewidmeten Altanlagen differenziert ll8 . Die §§ 48, 49 VwVfG sind also auf die gewidmeten Altanlagen analog anzuwenden 119.

111. Zwischenergebnis Der Planfeststellungsbeschluß kann nach den §§ 48, 49 VwVfG aufgehoben werden. Eine analoge Anwendung des § 77 VwVfG auf die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses nach Fertigstellung des Vorhabens scheidet folglich aus. Desgleichen besteht kein Raum für die Beendigung der Wirksamkeit des Planfeststellungsbeschlusses durch gesonderte "Entwidmung" der Eisenbahnbetriebsanlage. Bei gewidmeten Altanlagen wäre eine eigenständige Entwidmung dagegen grundsätzlich möglich. Jedoch sind die Altanlagen den planfestgestellten Anlagen auch hinsichtlich der Beseitigung der rechtlichen Zweckbestimmung für den Eisenbahnbetrieb gleichzustellen und die §§ 48, 49 VwVfG entsprechend anzuwenden.

116 117

IIR

Kruchen, Die Bundesbahn 1967, 181, 184. Siehe oben 3. Kapitel, B.Il.2.b)aa). BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 -4 C 48.86 -, E 81,111 ff.

119 Für § 49 VwVfG als Rechtsgrundlage der Entwidmung Korth Pereira Ferraz. in: Blümel I Kühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts, 1997, 175, 193 ff., die in der Planfeststellung und der Entwidmung zwei voneinander zu unterscheidende Rechtsakte sieht und deshalb die Frage der Anwendbarkeit der §§ 48, 49 VwVfG auf Pianfeststellungsbeschlüsse nicht erörtert.

D. Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses

213

D. Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses gern. §§ 48, 49 VwVfG nach Aufgabe der Nutzung für den Eisenbahnbetrieb und kommunale Planungshoheit Nachdem die Anwendbarkeit der §§ 48 u. 49 VwVfG geklärt ist, sind die konkreten Voraussetzungen und das Verfahren der Aufhebung des eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses l20 im Anschluß an die Aufgabe der Nutzung für den Eisenbahnbetrieb aufzuzeigen. Dazu ist zunächst abzugrenzen, ob § 48 VwVfG oder § 49 VwVfG für die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses im Anschluß an die Aufgabe der Nutzungzur Anwendung kommt (1.). Entsprechend der sowohl § 48 als auch § 49 VwVfG eigenen Unterscheidung zwischen begünstigenden und belastenden Verwaltungsakten ist weiterhin zu erörtern, ob auf den Planfeststellungsbeschluß die Regelungen über begünstigende bzw. belastende Verwaltungsakte Anwendung finden (11.). Auf dieser Grundlage können dann die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Aufhebung (III. und IV.) und die der Gemeinde zukommende Rechtsstellung betrachtet werden (V.).

I. Die Abgrenzung von Rücknahme und Widerruf Während § 48 VwVfG die Aufhebung rechtswidriger Verwaltungsakte regelt, behandelt § 49 VwVfG die Aufhebung rechtmäßiger Verwaltungsakte. Maßgeblich für die Bestimmung der anzuwendenden Norm ist also, ob der Planfeststellungsbeschluß rechtmäßig ist oder nicht. Anlaß der Prüfung der Aufhebung des bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses in den hier untersuchten Fällen ist die Einstellung der Nutzung der Anlage für den Eisenbahnbetrieb. Deshalb ist zu prüfen, ob eine solche nachträgliche Veränderung der Sachlage auf die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses i.S.d. verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften über Rücknahme und Widerruf Einfluß haben kann. Teilweise wird die Auffassung vertreten, daß in den Fällen der nachträglichen Änderung der Sachlage § 48 VwVfG anzuwenden sei, da der Verwaltungsakt bzw. seine Aufrechterhaltung infolge der Änderung der Sach- und Rechtslage rechtswidrig werde 12l . Die wohl überwiegende Auffassung geht demgegenüber davon aus, daß für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes im Sinne der verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften über Rücknahme 120 Entsprechend der Prämisse, daß planfestgestellte Anlagen und gewidmete Altanlagen gleichzubehandeln sind, vgl. oben 3. Kapitel, B.II.2.b) aa), gelten die folgenden Ausflihrungen auch flir die gewidmeten Altanlagen. 121 Lange, Jura 1980, 456, 459 f.; Ule/Laubinger, § 61 Rn. 20 ff. (S. 613 ff.); Schenke/Baumeister, JuS 1991,547 ff.; Bronnenmeyer, S. 53 ff., 72 f.

214

4. Kap.: Die "Entwidmung" von Bahnbetriebsanlagen

und Widerruf grundsätzlich der Zeitpunkt des Erlasses maßgeblich ist 122 • Nachträgliche Änderungen der Sach- und Rechtslage könnten dann nicht zur Rechtswidrigkeit führen. Letztere Auffassung kann sich auf die Entstehungsgeschichte stützen. Denn in der Begründung des Regierungsentwurfs des § 48 VwVfG wird ein Verwaltungsakt dann als rechtswidrig betrachtet, "wenn bei seinem Erlaß das Recht unrichtig angewandt oder bei der Entscheidung von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist"l2l. Weiterhin ist als systematisches Argument die Regelung des § 49 Abs. 2 S. I Nr. 3 und Nr. 4 VwVfG anzuführen, weil dort nach Erlaß des Verwaltungsaktes eingetretene Änderungen der Sach- und Rechtslage beim begünstigenden Verwaltungsakt als Widerrufsgrund vorgesehen sind. Zwar ließe sich der Anwendungsbereich dieser Regelungen nach dem Wortlaut auch allein auf diejenigen Fälle beschränken, in denen die Behörde zum Nichterlaß des Verwaltungsakts lediglich berechtigt, nicht aber verpflichtet ist, also auf Verwaltungsakte, deren Erlaß im Ermessen der Behörde steht l24 • Geboten ist eine solche einschränkende Auslegung jedoch nicht. Es erscheint auch fraglich, ob ein Bedürfnis dafür besteht, einen begünstigenden Verwaltungsakt beim nachträglichen Wegfall der Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen rückwirkend nach § 48 VwVfG aufzuheben, wenn die Behörde die geänderten Verhältnisse nicht rechtzeitig erkennt 125 • Im Hinblick auf die geschilderte Entwurfsbegründung zu § 48 VwVfG ist vielmehr davon auszugehen, daß § 49 Abs. 2 S. I Nr. 3 und 4 VwVfG gerade auch die Fälle erfaßt, in denen der Verwaltungsakt aufgrund der nachträglich eingetretenen Umstände nicht erlassen werden dürfte. Nach der gesetzlichen Regelung ist der nachträglichen Änderung der Sachund Rechtslage deshalb grundsätzlich kein Einfluß auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes i.S.d. §§ 48, 49 VwVfG beizumessen. Soweit der Plan feststellungsbeschluß nicht aus anderen Gründen ursprünglich rechtswidrig war, kommt bei nachträglichen Änderungen der Sach- und Rechtslage nur die Anwendung der Widerrufsregelungen in Betracht l26 • Dies schließt jedoch nicht aus, 122 VGH Mannheim, Urt. v. 27.8.1987 - 5 S 2646.86 -, UPR 1988, 77, 78; Wo(fJl BachoJ! Stober, VerwR I, § 51 Rn. 21 f.; Knack I Meyer, § 49 Rn. 17 und vor § 43 Rn. 47 m.w.N.; Erichsen, AllgVerwR, § 17 Rn. 5; Achterberg, AllgVerwR, § 23 Rn. 74; Sachs, in: StelkenslBonklSachs, § 44 Rn. 15 ("im Grundsatz"); KopplRamsauer, § 48 Rn. 33 f. 123 Begr. zu § 44 des Regierungsentwurfs des VwVfG, BT-Drs. 7/910, S. 68; vgl. auch Wolff/ BachofIStober, VerwR I, § 51 Rn. 20. 124 So Lange, Jura 1980, 456, 459; Bronnenmeyer, S. 69 f. 125

Erichsen, AllgVerwR, § 17 Rn. 5.

126 Ausdrücklich rur die Anwendung der Widerrufsreglungen rur die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses bei nachträglichen Veränderungen der Planungsgrundlagen VGH Mannheim, Urt. v. 27.8.1987 - 5 S 2646.86 -, UPR 1988, 77, 78.

D. Aufuebung des Planfeststellungsbeschlusses

215

daß dann, wenn der Verwaltungsakt wegen einer nachträglichen Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht mehr mit der Rechtsgrundlage oder sonstigem höherrangigem Recht vereinbar ist, gegebenenfalls nach § 49 VwVfG widerrufen werden muß.

11. Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Absätze 1 und 2 des § 49 VwVfG § 49 VwVfG differenziert in den Absätzen 1 und 2 zwischen begünstigenden und belastenden Verwaltungsakten. Die Voraussetzungen des Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses hängen deshalb davon ab, welcher der Alternativen er zuzuordnen ist: 1. Grundsätzliche Anwendbarkeit des § 49 Abs. 2 VwVfG a) Der PlanfeststellungsbeschluO als VerwaItungsakt mit Mischwirkung

Der Planfeststellungsbeschluß begünstigt den Träger des Vorhabens 127 , da er die Durchführung des Vorhabens ermöglicht, indem er das in dem Planfeststellungsvorbehalt liegende präventive Verbot der Errichtung von Eisenbahnbetriebsanlagen l28 aufhebt und damit einen rechtlich erheblichen Vorteil i.S.d. § 48 Abs. I S. 2 VwVfG begründet. Wegen der Auferlegung der Errichtung und Unterhaltung von Schutzanlagen gern. § 74 Abs. 2 S. 2 VwVfG etc. hat er aber typischerweise zugleich auch belastende Wirkungen für den Vorhabenträger. Verwaltungsakte, die begünstigende und belastende Rechtswirkungen für denselben Betroffenen entfalten, werden als Verwaltungsakte mit Mischwirkung bezeichnet l29 • Die Aufhebung derartiger Verwaltungsakte und damit auch die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses erfolgt nach herrschender Auffassung grundsätzlich nach den Regelungen über begünstigende Verwaltungsakte 130. Nur wenn die begünstigende und die belastende Wirkung des Verwaltungsaktes trennbar sind, gelten für die Aufhebung des belastenden Teils allein die Regelungen über belastende Verwaltungsakte 13l •

127 UlelLaubinger, § 43 Rn. 18 (S. 434); Korbmacher, WiVerw 1979, 37, 46 mit Fn.34. m Siehe oben I. Kapitel, A. 129 Sachs, in: Stelkens I Bonkl Sachs, § 48 Rn. 129; Wolffl BachoJ! Stober, VerwR I, § 51 Rn. 29. 130 Knacki Meyer, § 48 Rn. 68; Sachs, in: Stelkens I Bonkl Sachs, § 48 Rn. 129. 131 Kopp I Ramsauer, § 48 Rn. 68; Ule I Laubinger, § 61 Rn. 27 (S. 622 f.); Bronnenmeyer, S. 279.

4. Kap.: Die "Entwidmung" von Bahnbetriebsanlagen

216

Der PIanfeststellungsbeschluß darf also grundsätzlich nur nach den Vorschriften über die Aufhebung begünstigender Verwaltungsakte aufgehoben werden; in diesem Rahmen hat der Vorhabenträger einen Anspruch auf Planfortbestand 132 • b) Der PIanfeststellungsbeschluß als Verwaltungsakt mit Doppelwirkung

Der Planfeststellungsbeschluß begünstigt den Vorhabenträger, belastet aber zugleich regelmäßig die Nachbarn sowie die Standortgemeinde; wegen der begünstigenden und belastenden Wirkungen rur verschiedene Personen ist der Planfeststellungsbeschluß ein Verwaltungsakt mit Doppeiwirkung J33 • § 50 VwVfG ordnet ausdrücklich die Unanwendbarkeit der Regelungen über Rücknahme und Widerruf begünstigender Verwaltungsakte rur den Fall an, daß ein Verwaltungsakt mit Doppelwirkung im Widerspruchsverfahren bzw. im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf die Anfechtung eines Dritten hin aufgehoben wird. Daraus ist zu folgern, daß ein solcher Verwaltungsakt außerhalb des Rechtsbehelfsverfahrens nur unter den Voraussetzungen rur Rücknahme und Widerruf begünstigender Verwaltungsakte aufgehoben werden darfl 34 • Andernfalls wäre § 50 VwVfG nämlich überflüssig.

2. Anwendbarkeit des § 49 Abs. 1 VwVfG im Falle des Antrags des Vorhabenträgers auf Planautbebung Ergebnis der vorangegangenen Betrachtung ist, daß der Planfeststellungsbeschluß grundsätzlich nur gern. § 49 Abs. 2 VwVfG widerrufen werden kann. Beantragt das Eisenbahninfrastrukturunternehmen die Aufhebung des Plans, weil es die Flächen im Anschluß an die Nutzungseinstellung anderweitig nutzen oder veräußern will, liegt dagegen ausnahmsweise kein Fall des § 49 Abs. 2 VwVfG vor. Denn die Einschränkung der Widerrufsmöglichkeit bei begünstigenden Verwaltungsakten durch § 49 Abs. 2 VwVfG dient dem Schutz des Vertrauens des durch den Verwaltungsakt begünstigten Adressaten 135 • Strebt das Eisenbahnunternehmen als Begünstigter selbst die Aufhebung des Planfest132

Maurer, AlIgVerwR, § 16 Rn. 28 ff. u. 31; vgl. auch Achterber,g, AlIgVerwR, § 22

Rn. 180.

133 U1e/Laubinger, § 41 Rn. 41 (S. 416). Der Begriff des Verwaltungsakts mit Doppelwirkung wird dabei i.S.d. § 80a VwGO verwendet. Diesem Begriff entspricht die häufig verwendete Bezeichnung als Verwaltungsakt mit Drittwirkung, vgl. z.B. Pietzner / Ronellenjitsch, § 53 II Rn. 3 ff. (S. 526 f.); Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 48 Rn. 130. 134 Maurer, AllgVerwR, § 11 Rn. 68; Ule / Laubinger, § 64 Rn. 20 mit Rn. 10; Kopp / Ramsauer, § 48 Rn. 72. 135

Erichsen, AlIgVerwR, § 18 Rn. 4; Kopp / Ramsauer, § 49 Rn. 26.

D. Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses

217

stellungsbeschlusses an, greifen die in seinem Interesse bestehenden Beschränkungen der Widerrufsmöglichkeiten gern. § 49 Abs. 2 VwVfG nicht ein 136 • Dritte werden dagegen durch den bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluß grundsätzlich ohnehin nicht wie die Adressaten eines begünstigenden Verwaltungsaktes geschützt'37. Zu berücksichtigen bleiben damit allein die belastenden Wirkungen des Planfeststellungsbeschlusses für den Vorhabenträger. Die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses auf Antrag des Vorhabenträgers hat deshalb nach § 49 Abs. 1 VwVfG zu erfolgen.

III. Der Widerruf auf Antrag des Vorhabenträgers gem. § 49 Abs. 1 VwVfG 1. Überblick über die Rechtmäßigkeitsanforderungen\38 a) Formelle Rechtmäßigkeit

Der Widerruf eines Verwaltungsaktes ist selbst ein neuer Verwaltungsakt 139 • Aus der Sonderregelung für den Wechsel der örtlichen Zuständigkeit in § 49 Abs. 5 VwVfG ist zu schließen, daß für den Widerruf die Behörde zuständig ist, die den Verwaltungsakt erlassen hat, soweit keine abweichende spezialgesetzliche Regelung vorliegt'40. Zuständig für den Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses ist deshalb die Planfeststellungsbehörde. Für die Eisenbahnen des Bundes ist die für die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses zuständige Behörde das Eisenbahn-Bundesamt; zwar ist die Aufhebung von Planfeststellungsbeschlüssen im Katalog des § 3 Abs. 2 EVerk VerwG nicht ausdrücklich aufgeführt. Dadurch wird jedoch die Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes für den Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses nicht ausgeschlossen. Dem Eisenbahn-Bundesamt sollten nämlich grundsätzlich alle hoheitlichen Aufgaben übertragen werden, die vor der Privatisierung der Deutschen Bundesbahn oblagen l41 . Zu den Aufgaben der Bundesbahn gehörte auch die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses bzw. die ihr nach der Rspr. des BVerwG entsprechende "Entwidmung" von Bahnanlagen. Dementsprechend gehört der Widerruf 136 Vgl. zur Nichtanwendbarkeit der § 48, 49 VwVfG im auf Antrag des Vorhabenträgers eingeleiteten Planänderungsverfahren gern. § 76 VwVfG, BVerwG, Urt. v. 14.9. 1992 - 4 C 34-38.89 -, E 91, 17,22 f. (FStrG). 137 BVerwG, Urt. v. 14.9.1992 - 4 C 34-38.89 -, E 91, 17,23 (FStrG); Bonk, in: Stelkens / Bonk/Sachs, § 74 Rn. 25. 13R Die kommunale Planungshoheit bleibt zunächst außer Betracht, vgl. dazu V. 139 Knack/Meyer, § 49 Rn. 19; UlelLaubinger, § 61 Rn. 31 (S. 627). 140 Meyer, in: Meyer I Borgs, § 49 Rn. 38 mit § 48 Rn. 76; Ule I Laubinger, § 61 Rn. 32 (S. 628). 141 Studenroth, VerwArch. 1996,97, 105 m.w.N.

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4. Kap.: Die "Entwidmung" von Bahnbetriebsanlagen

von Planfeststellungsbeschlüssen im Bereich der Eisenbahnen des Bundes zu den Aufgaben des Eisenbahn-Bundesamtes. Mit dem Wirksamwerden des Widerrufs wird gern. § 49 Abs. 4 VwVfG die Wirksamkeit des Planfeststellungsbeschlusses beendet. Grundsätzlich wird der Widerruf gern. § 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG durch Bekanntgabe i.S.d. § 41 VwVfG wirksam. Für die Bekanntgabe des Widerrufs des Planfeststellungsbeschlusses sind aber richtigerweise wegen der bei der Aufhebung eines hoheitlichen Plans gebotenen Publizität die Regelungen in § 74 Abs. 4 und 5 VwVfG über die Bekanntgabe des Planfeststellungsbeschlusses analog anzuwenden l42 ; dies entspricht im Ergebnis der Rspr. des BVerwG zum Wechsel der Planungshoheit durch "Entwidmung" von Bahnanlagen, fiir die das BVerwG auf die Regelungen über die öffentliche Bekanntmachung der Einziehung in § 2 Abs. 5 und 6 FStrG verwiesen hae 43 • b) Materielle Rechtmäßigkeit

Ausgeschlossen ist der Widerruf gern. § 49 Abs. 1 VwVfG dann, wenn ein sachlich identischer Verwaltungsakt erneut erlassen werden müßte (1. Fall) oder der Widerruf aus anderen Gründen ausgeschlossen ist (2. Fall). Da der Planfeststellungsbehörde bei der Entscheidung über den Erlaß des Planfeststellungsbeschlusses planerische Gestaltungsfreiheit zukommt, greift die I. Alternative des § 49 VwVfG von vornherein nicht ein. Die Unzulässigkeit des Widerrufs "aus anderen Gründen" kann sich sowohl aus gesetzlichen Bestimmungen als auch aus dem Sinn und Zweck gesetzlicher Regelungen und aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergeben l44 • Generell sind solche Gründe fiir den Ausschluß des Widerrufs eines PIanfeststellungsbeschlusses nicht erkennbar.

142 So für die entsprechende Problematik hinsichtlich der Bekanntgabe der Planaufhebung gern. § 77 VwVfG: Knack/Dürr, § 77 Rn. 12; Allesch/Häußler, in: Obermayer, § 77 Rn. 38 ("empfehlenswert"); a.A. Meyer, in: Meyer / Borgs, § 77 Rn. 5; Ule / Laubinger, § 43 Rn. 14 mit Fn. 43 (S. 431); Kopp / Ramsauer, § 77 Rn. 5, die eine Bekanngabe nach § 41 VwVfG für ausreichend halten; differenzierend Bonk, in: Stelkens / Bonk / Sachs, § 77 Rn. 11, der eine Zustellung für entbehrlich hält, aber eine öffentliche Bekanntmachung analog § 74 Abs. 5 befürwortet. 143 BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, E 81,111,118; kritisch dazu Korth Pereira Ferraz. in: Blümel / Kühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts, 1997, 175, 20 I f., die lediglich eine Bekanntgabe an die Gemeinde, die DB AG sowie ggf. betroffene Grundstückseigentümer für erforderlich hält. 144 Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 49 Rn. 24; Achterberg, AllgVerwR, § 23 Rn. 77; Kopp/Ramsauer, § 49 Rn. 22.

D. Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses

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Im übrigen steht der Widerruf des rechtmäßigen, nicht begünstigenden Verwaltungsaktes gern. § 49 Abs. 1 VwVfG im Ennessen der Behörde l45 • Das Ennessen ist entsprechend den allgemeinen Grundsätzen des § 40 VwVfG auszuüben. Die Entscheidung muß auf sachgerechten Erwägungen beruhen, wozu insbesondere gehört, daß die betroffenen Interessen mit dem ihnen zukommenden Gewicht in der Abwägung berücksichtigt werden l46 • In die Ennessensentscheidung ist das Interesse des privaten Eisenbahnunternehmers und Grundstückseigentümers an der Aufhebung der eisenbahnrechtlichen Fachplanung zwecks anderweitiger Verwendung der Flächen einzustellen. Dieses Interesse des Eisenbahnunternehmens ist durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt, weil der Planfeststellungsbeschluß aufgrund der in ihm enthaltenen Regelung der zulässigen baulichen Nutzung der überplanten Grundstücke ebenso wie ein Bebauungsplan Inhaltsbestimmung des Grundeigentums ist. Wird die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses zu Unrecht verweigert, so verletzt die Ablehnung das Eigentumsrecht l47 . Dies gilt deshalb, weil die Anforderungen des Art. 14 GG an die Inhaltsbestimmung des Eigentums nicht nur zum Zeitpunkt des Erlasses des Plans, sondern während der gesamten Wirksamkeitsdauer beachtet werden müssen l48 • Da wesentliche Grenze der Bestimmung des Eigentumsinhalts der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ise 49 , muß der Planfeststellungsbeschluß grundsätzlich während seiner gesamten Wirksamkeitsdauer zur Verfolgung eines Gemeinwohlziels geeignet, erforderlich und angemessen sein. Zu prüfen ist deshalb, ob ein öffentliches Interesse an der Aufrechterhaltung der Planung besteht. Das mit der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung verfolgte Allgemeinwohlinteresse besteht in der Erfüllung der öffentlichen Verkehrsbedürfnisse l50 • Zur Verfolgung dieses Allgemeinwohlziels ist die Aufrechterhaltung der Planung nur dann Knacki Meyer, § 49 Rn. 32; Meyer, in: Meyerl Borgs, § 49 Rn. 11. 146 Vgl. z.B. BVerwG, Urt. v. 29.10.1992 -7 C 34.91 -, E 91,135,140; Kopp/Ramsauer, § 40 Rn. 56. 147 Vgl. die entsprechenden Überlegungen zum Schutz des Eigentümers des Grundstücks der einzuziehenden Straße bei rechtswidriger Ablehnung der Einziehung bei Herberr, in: Koda! / Krämer, Kap. 10 Rn. 12.44 (S. 288 f.). 14M Vgl. zum Bebauungsplan Grooterhorst, S. 223 ff., 229; Baumeister, Das Rechtswidrigwerden von Normen, S. 359 f. und 365, mit zutreffendem Hinweis auf BVerfG, B. v. 12.6.1979 - 1 BvL 19/76 -, E 51, I (Ls. 2 und S. 30). Das BVerfG hat in dieser, das Kleingartenpachtgesetz betreffenden Entscheidung dargelegt, daß bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung von Inhalts- und Schrankenbestimmungen i.S.d. Art. 14 Abs 1 S. 2 GG auch nach dem Erlaß der Norm eintretende Änderungen der Verhältnisse zu berücksichtigen sind. Dies gilt auch für den PIanfeststellungsbeschluß. Ausgeschlossen ist es aufgrund der gesetzlichen Regelung in den §§ 48, 49 VwVfG lediglich, den Planfeststellungsbeschluß als rechtswidrig zu behandeln, siehe oben 4. Kapitel, D.1. 149 Jarass/Pieroth, Art 14 Rn. 33 f.; Wendt, in: Sachs, Art. 14 Rn. 57. 150 Siehe oben I. Kapitel, D.JI.2.a) bb). 145

220

4. Kap.: Die "Entwidmung" von Bahnbetriebsanlagen

geeignet, wenn sie in absehbarer Zeit auch tatsächlich wieder realisiert werden kann, d.h., wenn eine Wiederinbetriebnahme konkret in Aussicht steht. Daran wird es regelmäßig fehlen, wenn bereits für die Betriebsstillegung die Genehmigung nach § 11 AEG notwendig war und erteilt wurde. Damit steht nämlich entsprechend den Voraussetzungen der Genehmigungserteilung gern. § 11 AEG fest, daß der Betrieb der Anlage dem Unternehmen nicht zugemutet werden kann und auch kein anderes Eisenbahnunternehmen die Anlage zu üblichen Bedingungen übernehmen will. Dieselben Erwägungen sind im Rahmen der Entscheidung über den Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses aber auch dann anzustellen, wenn die Stillegung nicht LS.d. § 11 AEG genehmigungsbedürftig war, da auch dann die Aufrechterhaltung der Planung gegen den Willen des Grundstückseigentümers die Möglichkeit ihrer Verwirklichung voraussetzt.

2. Folgen des Widerrufs Mit dem Wirksamwerden des Widerrufs wird der Planfeststellungsbeschluß gern. § 49 Abs. 4 VwVfG unwirksam. Nach dem Widerruf des Pianfeststellungsbeschlusses dürfen die noch vorhandenen Anlagen nicht mehr für den Eisenbahnbetrieb genutzt werden, da der Planfeststellungsbeschluß Grundlage der bestimmungsgemäßen Nutzung der Anlage war l51 • Die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses führt aber nicht zur materiellen Illegalität der vorhandenen Anlage im baurechtlichen Sinne. Denn der Widerruf gern. § 49 Abs. 2 VwVfG ist nur mit Wirkung für die Zukunft zulässig l52 , wirkt also nur ex-nunc 153 • Der Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses mit Wirkung für die Zukunft ändert nichts daran, daß das Bauwerk ursprünglich legal errichtet wurde. Die Beseitigung der bisherigen Eisenbahnbetriebsanlage kann also nicht mit einer Abrißverfiigung wegen Illegalität angeordnet werden l54 • Welche Nutzung der Anlage nach der Aufhebung des PIanfeststellungsbeschlusses planungsrechtlich zulässig ist, richtet sich allein nach den §§ 29 ff. BauGB; ein Bestandsschutz für eine anderweitige Nutzung der Anlage besteht nicht l55 •

ISI

Siehe oben 3. Kapitel, 8.11.1.

IS2 Knack/Meyer, § 49 Rn. 28; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 49 Rn. 15; Kopp/ Ramsauer, § 49 Rn. 27. IS) Grupp, DVBI. 1990,81,89.

154 Vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 8.10.1991 - 5 S 1372/90 -, UPR 1992,387 = BRS 52 Nr. 71: keine Abrißverfligung flir ein ehemaliges Bahnwärterhaus, dessen Nutzung als Bahnanlage aufgegeben wurde. ISS VGH Mannheim, Urt. v. 8.10.1991 - 5 S 1372/90 -, UPR 1992,387.

D. Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses

221

Will der Eigentümer die Anlage abreißen lassen, so ist dann, wenn es sich bei den früheren Eisenbahnbetriebsanlagen um bauliche Anlagen i.S der jeweiligen Landesbauordnung handelt, eine Abrißgenehmigung erforderlich.

IV. Der Widerruf gern. § 49 Abs. 2 VwVfG Stellt das Eisenbahnunternehmen im Anschluß an die Stillegung der Eisenbahnbetriebsanlage keinen Antrag auf Aufhebung des PIanfeststellungsbeschlusses, kann der Widenuf wegen der begünstigenden Wirkung des PIanfeststellungsbeschlusses nur nach § 49 Abs. 2 VwVfG erfolgen. In Betracht kommt ein Widenuf gern. § 49 Abs. 2 S. I Nr. 3 VwVfG I56 ; danach kann der Verwaltungsakt widenufen werden, wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen und wenn ohne den Widenuf das öffentliche Interesse gefährdet wäre. Unerheblich ist - anders als im Fall der nachträglichen Änderung der Rechtslage gern. § 49 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG -, ob der Begünstigte bereits von der Vergünstigung Gebrauch gemacht hat 157. Voraussetzung des Widenufs ist also zunächst, daß es sich bei der Einstellung der Nutzung für Eisenbahnzwecke um eine Tatsache i.S.d. § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwVfG handelt, deren anfängliches Vorliegen zur Ablehnung der Feststellung des Plans führen könnte: Die Annahme, daß das Vorhaben gebaut und für den Eisenbahnbetrieb genutzt werden wird, ist eine tatsächliche Grundlage des PIanfeststellungsbeschlusses, ohne die die Planfeststellung von vornherein nicht erfolgen dürfte l58 • Ohne sie würde der Planung die objektiv zu ermittelnde Rechtfertigung fehlen i59 , da die nach Maßgabe des AEG verfolgten Allgemeinwohlziele nicht verwirklicht werden könnten. Stünde bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Plan fest, daß die Anlage nicht betrieben werden wird, müßte der Antrag auf Feststellung des Plans deshalb abgelehnt werden. Folglich ist die spätere Einstellung der Nutzung der Eisenbahnbetriebsanlage ein Grund für den Widenuf des Plans. Die Nutzungseinstellung muß allerdings dauerhaft sein. Ob dies der Fall ist, muß von der Planfeststellungsbehörde objektiv überprüft werden. Kann der Träger des Vorhabens nicht konkret darlegen, daß er oder ein anderes Eisenbahnunternehmen in absehbarer Zeit eine Wiederinbetriebnahme der Anlage beabsichtigt, schließt sein entgegenstehender Wille die Annahme einer endgülti156

Dazu umfassend Bronnenmeyer, S. 119 ff.

Ule/Laubinger, § 63 Rn. 12 (S.674); Sachs, m: Stelkens/Bonk/Sachs, § 49 Rn. 72. 157

15R

BVerwG, Urt. v. 24.11.1989 - 4 C 41.88 -, E 84, 123, 128 (FStrG).

159

Zur Planrechtfertigung siehe oben I. Kapitel, D.II.2.a) aa) und bb).

222

4. Kap.: Die "Entwidmung" von Bahnbetriebsanlagen

gen Aufgabe der Nutzung der Anlage für den Eisenbahnbetrieb nicht aus. Eine endgültige Stillegung der Anlage ist insbesondere dann anzunehmen, wenn eine Stillegungsgenehmigung nach § 11 AEG erteilt wurde. Weitere Voraussetzung des Widerrufs ist, daß ohne denselben das öffentliche Interesse gefährdet wäre. Als öffentliches Interesse i.S.d. § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwVfG kommt jedes öffentliche Interesse einschließlich fiskalischer öffentlicher Belange in Betracht l60 • Eine Gefährdung des öffentlichen Interesses ist gegeben, wenn ein Schaden für wichtige Gemeinschaftsgüter zu beseitigen ist oder droht l61 • Ob die Aufrechterhaltung eines Planfeststellungsbeschlusses infolge des nachträglichen Eintritts von Tatsachen in diesem Sinne das öffentliche Interesse gefährdet, kann nur im Einzelfall beurteilt werden. Schließlich muß die Planfeststellungsbehörde bei einem von Amts wegen eingeleiteten Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses die gern. § 49 Abs. 2 S. 2 VwVfG entsprechend geltende Fristenregelung des § 48 Abs. 4 VwVfG einhalten. Bekanntlich handelt es sich bei der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 S. I VwVfG nach der Rspr. des Großen Senats des BVerwG um eine Entscheidungsfrist, die erst vom Zeitpunkt der Kenntnis aller für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen einschließlich der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes zu laufen beginnt l62 • Die Kenntnis aller für die Entscheidung über den Widerruf maßgeblicher Tatsachen wird vor der Anhörung des Vorhabenträgers zur Aufhebung des Plans, insbesondere dazu, ob in Zukunft eine Wiederinbetriebnahme geplant ist, so gut wie nie vorhanden sein. Vor der Anhörung des Vorhabenträgers wird der Fristlauf folglich nicht in Gang gesetzt, so daß die Einhaltung der Jahresfrist praktisch keine Probleme bereiten wird. Ist der Widerruf tatbestandlich zulässig, entscheidet die Behörde über den Widerruf nach pflichtgemäßem Ermessen; nach der Rspr. des BVerwG ist das der Behörde eingeräumte Ermessen in den Widerrufsfällen des § 49 Abs. 2 S. I Nr. 3-5 VwVfG " ... im Hinblick auf das öffentliche Interesse an einem Widerruf der Vergünstigung in Richtung auf einen Widerruf ,intendiert' ... ,,163.

160 BVerwG, B. v. 17.10.1985 -7 B 161.85 -, DÖV 1986,202; KopplRamsauer, § 49 Rn. 48; KnacklMeyer, § 49 Rn. 51. 161 BVerwG, Vrt. v. 24.1.1992 -7 C 38.90 -, BayVBI. 1992,730 m.w.N.; UlelLaubinger, § 63 Rn. 12 (S. 674).

162 BVerwG, Vrt. v. 24.1.1992 - 7 C 38.90 -, BayVBI. 1992, 730, 731, mit Verweis auf B. des Großen Senats v. 19.12.1984 - Gr. Sen. 1 und 2.84 -, E 70, 356. 362 ff.; vgl. dazu auch Sachs, in: StelkenslBonklSachs, § 49 Rn. 83 f.; Kopp I Ramsauer, § 49 Rn. 59; kritisch KnackiKlappstein, 6. Aufl., § 49 Anm. 4.2.1. m.w.N. 163 BVerwG, Vrt. v. 24.1.1992 - 7 C 38.90 -, BayVBI. 1992, 730, 731; kritisch zu dieser Entscheidung UlelLaubinger, § 63 Rn. 22 (S. 678 f.).

D. Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses

223

Gestützt wurde diese Auffassung vom BVerwG insbesondere für den Fall des Widerrufs aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen gern. § 49 Abs. 2 S. I Nr. 3 VwVfG damit, daß dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes bereits vom Gesetzgeber insofern Rechnung getragen worden sei, als in § 49 Abs. 6 VwVfG ein Entschädigungsanspruch des Betroffenen geschaffen worden sei. Deshalb überwiege das öffentliche Interesse prinzipiell gegenüber dem Interesse des Betroffenen am Bestand des Verwaltungsaktes '64 . Soweit keine besonderen Umstände zugunsten des Vertrauens schutzes streiten, ist der Verwaltungsakt also zu widerrufen. Speziell im Fall des Widerrufs eines eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses aufgrund der Nutzungseinstellung für den Eisenbahnbetrieb fallt der Vertrauensschutz des Eisenbahnunternehmens im übrigen schon deshalb nicht ins Gewicht, weil das Eisenbahnunternehmen selbstverantwortlich mit der Stillegung der Anlage die Tatsachenänderung herbeigeführt hat, die die Grundlage des Widerrufs bildet. In derartigen Fällen ist das Vertrauen nicht schutzwürdig. Auch eine Entschädigung nach § 49 Abs. 6 VwVfG scheidet aus l6S • Hinsichtlich der Anforderungen an die Bekanntgabe des Widerrufs und der Rechtsfolgen kann auf die obigen Ausflihrungen zum Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses nach § 49 Abs. 1 VwVfG verwiesen werden '66 •

V. Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses und kommunale Planungshoheit 1. Widerruf gern. § 49 Abs. 1 VwVfG und kommunale Planungshoheit Beantragt das Eisenbahnunternehmen selbst den Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses, stellt sich die Frage nach einem Anspruch der Gemeinde auf Aufhebung des Plans naturgemäß nicht. Aktuell wird dagegen das Problem, ob die Gemeinde ein gegebenenfalls bestehendes Interesse an der Aufrechterhaltung der für sie günstigen Eisenbahnplanung geltend machen kann (a). Außerdem ist in diesem Fall zu klären, wie bei der Entlassung der Eisenbahnbetriebsanlage aus der Fachplanungshoheit die tatsächliche Möglichkeit der Ausübung der kommunalen Planungshoheit gewahrt werden kann (b).

164

IM 166

BVerwG, Urt. v. 24.1.1992 - 7 C 38.90 -, BayVBI. 1992,730,731. Ule / Laubinger, § 63 Rn. 27 (S. 682). Siehe oben 4. Kapitel, D.III.l.a).

224

4. Kap.: Die "Entwidmung" von Bahnbetriebsanlagen

a) Anspruch der Gemeinde auf ermessensfehlerfreie Entscheidung

Da die Standortgemeinde nicht Adressat des Planfeststellungsbeschlusses ist, wird sie durch die Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses nicht geschützt. Im Gegensatz zum Vorhabenträger, der Änderungen des Plans nur unter den Voraussetzungen der §§ 48,49 VwVfG tolerieren muß, haben Dritte keinen rechtlich geschützten Anspruch auf Fortbestand der ursprünglichen Planung l67 . Zweifelhaft ist dagegen, ob zumindest ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung besteht. Unmittelbar aus § 49 Abs. I VwVfG dürfte sich ein solcher Anspruch zugunsten Dritter nicht ergeben. Denn Ermessensvorschriften gewähren nicht generell subjektive Rechte; ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung besteht vielmehr nach allgemeinen Grundsätzen nur dann, wenn die Norm nicht nur öffentlichen Interessen, sondern zumindestens auch Individualinteressen zu dienen bestimmt ise 68 . Der Wortlaut des § 49 Abs. I VwVfG ist insoweit jedoch unergiebig. Bei Planänderungsverfahren leitet das BVerwG allerdings aus dem Abwägungsgebot ein subjektives Recht auf gerechte Abwägung der eigenen Belange ab, zu denen auch das Interesse der Betroffenen an der Aufrechterhaltung des Planfeststellungsbeschlusses gehören so1l169. Es erscheint allerdings fraglich, ob Ermessensvorschriften wie § 49 Abs. I VwVfG ebenso wie das planerische Abwägungsgebot ein subjektives Recht auf Berücksichtigung von Belangen i.S. lediglich schutzwürdiger Interessen gewähren 170 • Diese Frage kann aber auf sich beruhen, weil das subjektive Recht auf gerechte Abwägung lediglich private Belange betrifft und auf die kommunale Planungshoheit als öffentlichen Belang nicht übertragen werden kann 171 • Ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung stünde einer Gemeinde daher nur dann zu, wenn sie durch die Aufhebung des PIanfeststellungsbeschlusses in ihrer Planungshoheit als subjektivem Recht betroffen wäre. In der Literatur wird dies beispielsweise dann für möglich gehalten, wenn eine Gemeinde 167 So rur die von dem planfestgestellten Vorhaben betroffenen Grundstückseigentümer BVerwG, Urt. v. 14.9.1992 - 4 C 34-38.89 -, E 91, 17, 23 (FStrG); vgl. auch Bonk, in: Stelkens I BonklSachs, § 74 Rn. 25. 16M BVerwG, Urt. v. 7.1.1972 - IV C 49.68 -, E 39, 235, 237; Wahl/Schütz, in: SchochISchmidt-AßmannIPietzner, § 42 Rn. 84 f. m.w.N.; Sachs, in: StelkenslBonkl Sachs, § 40 Rn. 133. 169 BVerwG, Urt. v. 14.9.1992 - 4 C 34-38.89 -, E 91, 17, 23 (zum Interesse der betroffenen Grundstückseigentümer auf Aufrechterhaltung von Lärmschutzanlagen an einer Bundesfernstraße); BVerwG, B. v. 15.6.1996 - 11 VR 3.96 -, Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 13, S. 46, 51 (zum Interesse des Anliegers an der Beibehaltung eines Bahnübergangs ). 170 Nach Kopp I Ramsauer, § 40 Rn. 33, besteht ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nur dann, wenn der Betroffene durch die Entscheidung in subjektiven Rechten und nicht nur in wirtschaftlichen, ideellen u.ä. Interessen betroffen wird. 171

Siehe oben 2. Kapitel, C.III.3.c) dd).

D. Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses

225

ihre Planung auf die Verkehrsanbindung durch die Bahn abgestimmt hat und diese Planung durch den Wegfall der Bahnanbindung nachhaltig gestört wird 172 • Dem kann jedoch nicht zugestimmt werden: Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der kommunalen Planungshoheit gewährt einen Anspruch der Gemeinde auf Aufrechterhaltung einer bestimmten eisenbalmrechtlichen Planung ebensowenig wie einen Leistungsanspruch auf eine die Gemeinde begünstigende Erstplanung 173 • Aufgrund ihrer Planungshoheit kann die einzelne Gemeinde vielmehr lediglich Eingriffe in die inhaltliche Autonomie bei der Aufgabenerledigung abwehren. Die Aufhebung einer für die Gemeinde günstigen Planung stellt keinen Eingriff in die Planungshoheit dar. b) Anspruch der Gemeinde auf vorherige Mitteilung

Wenn der Planfeststellungsbeschluß widerrufen werden soll, muß die Gemeinde in jedem Fall die Möglichkeit haben, von ihrer Planungshoheit effektiv und damit rechtzeitig vor der Entlassung der Betriebsanlage aus der Fachplanung Gebrauch zu machen. Da der vom BVerwG entwickelte Anspruch der Gemeinde auf Offenlegung der in bezug auf die Bahnanlage beabsichtigten Dispositionen in einer hoheitlichen Willensäußerung gegen private Eisenbahnunternehmen nicht mehr in Betracht kommt l74 , muß die gemeindliche Planungshoheit durch die Gestaltung des Widerrufsverfahrens geschützt werden. Die Planfeststellungsbehörde ist deshalb verpflichtet, die Gemeinde über den Antrag des Vorhabenträgers auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses und über ihre Absicht, den Plan aufzuheben, zu informieren. Die Unterrichtung muß so frühzeitig erfolgen, daß der Gemeinde vor der Planaufhebung ein für die Einleitung einer Bauleitplanung ausreichender Zeitraum verbleibt. Hierauf hat die Gemeinde aufgrund der verfassungsrechtlichen Gewährleistung ihrer Planungshoheit einen eigenständigen Anspruch. c) Rechtsschutz der Gemeinde

Die Anfechtungsklage gegen den Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses scheitert nach der hier vertretenen Auffassung an der fehlenden Klagebefugnis, wenn es der Gemeinde um die Aufrechterhaltung des Plans geht. 172 Muckel, NWVBI. 1992,233,237; in diese Richtung tendiert auch das BVerwG, B. v. 23.3.1993 - 7 B 126.92 -, DÖV 1993,826 f., das einen Eingriff in Art. 28 Abs. 2 S. I GG durch die Umbenennung eines Bahnhofs für möglich hält. 173 Vgl. OVG Münster, Urt. v. 21.9.1966 - IV A 365/66 -, OVGE 22, 281 ff. (kein Anspruch der Gemeinde auf Anbindung an die Autobahn durch besondere Anschlußstelle). 174 Siehe oben 4. Kapitel, B.III.2.

15 Buchner

226

4. Kap.: Die "Entwidmung" von Bahnbetriebsanlagen

Zu prüfen bleiben die Rechtsschutzmöglichkeiten der Gemeinde, wenn die Planfeststellungsbehörde ohne rechtzeitige vorherige Mitteilung über den beabsichtigten Widerruf den Planfeststellungsbeschluß aufhebt: Eine Anfechtungsklage der Gemeinde gegen den Widerruf scheidet auch in diesem Fall aus. Denn das Interesse der Gemeinde zielt nicht auf die Aufhebung des Widerrufs, sondern darauf, ausreichend Zeit für die Einleitung einer eigenen Bauleitplanung zu gewinnen. Eine Anfechtungsklage kann nur dann erhoben werden, wenn die Gemeinde durch die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses als solche und nicht lediglich durch das Unterbleiben der vorherigen Unterrichtung belastet wird. Grundsätzlich zulässig wäre dagegen eine allgemeine Leistungsklage auf Unterrichtung über den beabsichtigten Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses; die Leistungsklage geht aber ins Leere, wenn der Planfeststellungsbeschluß bereits widerrufen wurde. In Betracht kommt aber ein Schadensersatzanspruch der Gemeinde aus Art. 34 GG, 839 BGB. Auch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts kann Dritter i.S.d. Amtshaftungsrechts sein, wenn die Amtspflicht ihrem Schutz dient 175 • Die Pflicht zur vorherigen Unterrichtung über den beabsichtigten Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses ist eine die gemeindliche Planungshoheit schützende Amtspflicht der Planfeststellungsbehörde. Als Schaden könnte die Gemeinde diejenigen Entschädigungsleistungen geltend machen, die gern. § 42 BauGB an durch die Bauleitplanung betroffene Grundstückseigentümer zu zahlen sind, weil die Gemeinde durch Bebauungsplan Nutzungen ändert oder aufhebt, die nach dem Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses nach den §§ 34,35 BauGB zunächst zulässig waren. Ein solcher Schadensersatzanspruch ist auch geeignet, präventive Wirkung gegenüber einer nachlässigen Handhabung der Unterrichtungspflicht zu entfalten.

2. Widerruf gem. § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwVfG und kommunale Planungshoheit a) Anspruch der Gemeinde auf Widerruf

Zu untersuchen bleibt, ob der Gemeinde, deren Planungshoheit durch die eisenbahnrechtliche Planung beschränkt wird, ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Widerruf bzw. - infolge einer Ermessensreduzierung - auf Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses zusteht. Ein Anspruch Dritter ist in § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwVfG nicht ausdrücklich angesprochen. Der Widerruf ist überdies tatbestandlieh von einer Gefahrdung 175 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 69 f. m.w.N; vgl. im einzelnen BGH, Urt. v. 12.12.1991 - III ZR 18/91 -, BGHZ 116, 312, 315.

D. Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses

227

des öffentlichen Interesses abhängig, was grundsätzlich gegen einen Anspruch Dritter spricht. Aus diesem Grund bedarf die Annahme eines Anspruchs Dritter auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses der gesonderten Begründung: § 49 Abs. 2 S. I Nr. 3 VwVfG verweist mit dem Tatbestandsmerkmal der Berechtigung der Behörde, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, auf die Erlaßvoraussetzungen des Planfeststellungsbeschlusses. Für diejenigen, die beim Erlaß des Planfeststellungsbeschlusses in eigenen Rechten betroffen wurden und daher klagebefugt waren, ergibt sich deshalb auch ein Anspruch auf Entscheidung über den Widerruf unter der Bedingung, daß die Beeinträchtigung ihrer Rechte noch andauert und sich nicht erledigt hat l76 • Ein Anspruch der Gemeinde auf Widerruf kommt also dann in Betracht, wenn beim Erlaß des Planfeststellungsbeschlusses in ihre Planungshoheit eingegriffen wurde. Die Beeinträchtigung dauert an, solange der Planfeststellungsbeschluß wirksam ist, da die kommunale Planungshoheit in diesem Zeitraum nur in eingeschränktem Umfang besteht 177 • Die fortdauernde Beschränkung der kommunalen Planungshoheit ist aber nicht mehr durch überörtliche Interessen gedeckt, wenn die Nutzung der Eisenbahnbetriebsanlage endgültig eingestellt wurde. Denn Rechtfertigung für den Eingriff in die kommunale Planungshoheit war, daß das Eisenbahnvorhaben der Deckung eines Verkehrsbedürfnisses diente. Wird die Anlage oder abtrennbare Teile davon nicht mehr für den Eisenbahnzweck benötigt, besteht keine Grundlage mehr dafür, die eisenbahnrechtliche Fachplanung - und damit die Beschränkung der kommunalen Planungshoheit - aufrechtzuerhalten 178. Unter diesen Umständen dürfte sich aus Art. 28 Abs. 2 S. I GG eine Reduzierung des - ohnehin auf den Widerruf hin intendierten l79 - Ermessens der Planfeststellungsbehörde ergeben. Ebenso wie aus dem Eigentumsgrundrecht ein Anspruch auf Rückübereignung folgt, wenn der mit der Enteignung verfolgte Allgemeinwohlzweck nicht verwirklicht wird, ist das verfassungsrechtlich garantierte subjektive Recht der Gemeinde auf Selbstverwaltung geeignet, einen Rückübertragungsanspruch der für die Fachplanung in Anspruch genommenen Flächen in die gemeindliche Planungszuständigkeit zu begründen, wenn das mit der Planung verfolgte Allgemeinwohlinteresse nicht mehr verwirklicht werden kann l80 • 116 So im Ergebnis zu Ansprüchen Drittbetroffener VGH Mannheim, Urt. v. 27.8.1987 - 5 S 2646/86 -, UPR 1988, 77, 78 (FStrG); OVG Koblenz, Urt. v. 22.4.1986 - 6 A 16/85 -, NJW 1986,2779,2780 (zum TWG); Kopp/Ramsauer, § 49 Rn. 18. 177

178 179 180

IS·

Siehe oben 3. Kapitel, A. und C.I1. So jetzt auch Kraft, DVBI. 2000, 1326, 1332. Siehe oben 4. Kapitel, D.IV. Für einen Anspruch der Gemeinde im Ergebnis auch Thomas, StuGR 1995,87,90,

228

4. Kap.: Die "Entwidmung" von Bahnbetriebsanlagen

Ein solcher Anspruch der einzelnen betroffenen Gemeinde liegt auf der Linie der Rspr. des BVerfG zur gesetzlichen Aufgabenverlagerung; in seiner RastedeEntscheidung hat das BVerfG nämlich die gesetzliche Entziehung der Aufgabe des Einsammelns und Beförderns von Abfällen von den kreisangehörigen Gemeinden auf die Kreise deshalb für mit Art. 28 Abs. 2 S. I GG vereinbar gehalten, weil das Gesetz eine Rückübertragungsmöglichkeit zugunsten der einzelnen Gemeinde für den Fall vorsah, daß die generell für die Aufgabenverlagerung sprechenden Allgemeinwohlgründe konkret nicht zutrafen '81 • Wenn nach der Rspr. des BVerfG ein Anspruch einzelner Gemeinden 'auf Rückübertragung der durch generelle gesetzliche Regelung entzogenen Aufgaben bestehen kann, muß gleiches auch in dem hier behandelten Fan gelten, daß die Grundlagen der fortdauernden Beschränkung der kommunalen Planungshoheit weggefallen sind. Ein entgegenstehendes öffentliches Interesse an der Aufrechterhaltung der Planfeststellung trotz der Aufgabe der Nutzung für Bahnzwecke ist nicht erkennbar. Aber auch unabhängig davon, ob schon bei der Errichtung der Betriebsanlage in die kommunale Planungshoheit eingegriffen wurde, kann der betroffenen Gemeinde aus § 49 Abs. 2 S. I Nr. 3 VwVfG ein Anspruch erwachsen. Das gefährdete öffentliche Interesse i.S des § 49 Abs. 2 S. I Nr. 3 VwVfG kann nämlich dem Bereich der subjektiv-rechtlich gewährleisteten Selbstverwaltungsangelegenheiten entstammen und einen Anspruch auf Widerruf begründen. Im Anschluß an die Stillegung von Eisenbahnbetriebsanlagen kommt dies konkret dann in Betracht, wenn städtebauliche Belange i.S.d. § I BauGB das öffentliche Interesse i.S.d. § 49 Abs. 2 S. I Nr. 3 VwVfG begründen. Eine Gefährdung städtebaulicher Belange dürfte beispielsweise dann gegeben sein, wenn nach der Stillegung der Anlage im Innenstadtbereich sog. Bahnbrachen entstehen und nach den tatsächlichen Verhältnissen i.S.d. § 1 Abs. 3 BauGB für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung die Aufstellung eines Bebauungsplans für das frühere Bahngelände erforderlich wäre, dies aber am Vorrang der eisenbahnrechtlichen Fachplanung scheitert. b) Rechtsschutz

Im Anschluß an die Stillegung der Eisenbahnbetriebsanlage kann die Gemeinde bei der Planfeststellungsbehörde den Widerruf des Planfeststellungsder allerdings zu Unrecht § 77 VwVfG anwenden will, dazu schon oben 4. Kapitel, C.I.2.d). sowie Steenhoff, Widmung, UPR 1998, 182, 185, und Kraft. DVBI. 2000. 1326, 1333 Ueweils zum Anspruch auf Entwidmung, nicht zum Anspruch auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses); a.A. - kein Anspruch der Gemeinde - dagegen Korth Pereira Ferraz, in: Blümel / Kühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts, 1997, 175, 195 ff. (aufgrund der unzutreffenden Unterscheidung von Planfeststellung und Widmung zum fehlenden Anspruch auf Entwidmung). I~I BVerfG, B. v. 23.11.1988 -2 BvR 1619, 1628/83 -, E 79,127,159 f.

D. Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses

229

beschlusses beantragen und nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens l82 Verpflichtungsklage erheben.

IS2 § 74 Abs. I S. 2 i.Y.m. § 70 VwVfG ist auf Rücknahme und Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses nicht anwendbar, da Gegenstand der Klage nicht ein in einem förmlichen Verwaltungsverfahren erlassener Verwaltungsakt ist. Die den Grund rür den Wegfall des Widerspruchsverfahrens bildende erhöhte Gewähr rur die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der getroffenen Entscheidung ist daher nicht gegeben.

Zusammenfassung Die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1.

Kapitel

I. Die eisenbahnrechtliche Planfeststellung verbindet die planerische Entscheidung über die zukünftige Raumnutzung mit der verbindlichen Entscheidung über die Zulassung der Eisenbahnbetriebsanlagen. 2. Gegenstand der Planfeststellung sind Bau und Änderung von Eisenbahnbetriebsanlagen. Betriebsanlagen sind alle Grundstücke, Bauwerke und sonstigen Einrichtungen einer Eisenbahn, die unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse funktional der Abwicklung und Sicherung des Güter- und / oder Personenverkehrs durch das Rad / Schiene-System dienen. Der Gegenstand der Planfeststellung wird gegebenenfalls durch die §§ 75, 78 Vwvro sowie das auf das Vorhaben anwendbare materielle Recht erweitert. 3. § 18 Abs. 1 S. I AEG überträgt der Planfeststellungsbehörde planerische Gestaltungsfreiheit. Verfassungsrechtlich ist dies auch dann unbedenklich, wenn Betriebsanlagen auf Grundstücken errichtet werden sollen, die im Eigentum grundrechtsfähiger Vorhabenträger stehen, die sich auf die Eigentumsfreiheit berufen können, und diese gleichwohl keinen gebundenen Anspruch auf Planfeststellung haben. Da die eisenbahnrechtliche Planfeststellung nicht nur Genehmigungs-, sondern zugleich Raumplanungsentscheidung ist, ist es nämlich grundsätzlich gerechtfertigt, daß § 18 Abs. 1 AEG einen planerischen Gestaltungsfreiraum eröffnet und einen Interessenausgleich in einer umfassenden Abwägung anordnet. Löst das Vorhaben ausnahmsweise keine Interessenkonflikte aus und greift nicht bereits § 18 Abs. 3 AEG als Ausnahme vom Planungsvorbehalt ein, verdichtet sich der Anspruch des Vorhabenträgers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung zu einem Anspruch auf Feststellung bzw. Genehmigung des Plans. 4. Die Plangenehmigung gern. § 18 Abs. 2 AEG ist eine echte Planungsentscheidung. Während das förmliche Planfeststellungsverfahren entfällt, unterliegt die Plangenehmigung denselben materiell-rechtlichen Rechtmäßigkeitsanforderungen wie die Planfeststellung. 5. Das Entfallen von Planfeststellung und Plangenehmigung gern. § 18 AEG ist dagegen eine gesetzliche Ausnahme von dem in § 18 Abs. 1 AEG enthalte-

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nen präventiven Verbot des Baus und der Änderung von Eisenbahnbetriebsanlagen. Eine behördliche Entscheidung über das Entfallen von Planfeststellung und Plangenehmigung ist daher nicht erforderlich. 2. Kapitel 6. Die §§ 7 und 38 BauGB enthalten für den Fall der Kollision einer nachfolgenden eisenbahnrechtlichen Planung mit einer vorhandenen Bauleitplanung konstitutive Vorrangregelungen zugunsten der Eisenbahnplanung. Gern. § 7 BauGB setzt der Vorrang gegenüber dem Flächennutzungsplan den - gegebenenfalls auch nachträglichen - Widerspruch des öffentlichen Planungsträgers voraus. Öffentlicher Planungsträger i.S.d. § 7 BauGB ist die Planfeststellungsbehörde. Private Eisenbahnunternehmen einschließlich der Eisenbahnen des Bundes sind dagegen keine öffentlichen Planungsträger in diesem Sinne. Vorrangig sind im Kollisionsfall gern. §§ 7, 38 BauGB die eisenbahnrechtliche Planfeststellung und die Plangenehmigung. Sachlich beschränkt sich der Vorrang auf den Gegenstand der Planfeststellung gern. § 18 AEG. Aufgrund der Vorrangregelung der §§ 7 und 38 BauGB kann eine mit der Bauleitplanung unvereinbare Fachplanung in Kraft treten, ohne daß die gemeindliche Bauleitplanung zuvor aufgehoben werden müßte. Die Bauleitplanung wird außer Vollzug gesetzt; sie muß an die eisenbahnrechtliche Fachplanung angepaßt oder aber aufgehoben werden. 7. Die Anordnung des Vorrangs der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung vor vorhandenen Bauleitplänen enthält die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für einen Eingriff in die kommunale Planungshoheit. Ein solcher Eingriff in Art 28 Abs. 2 S. 1 GG ist nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil die Bauleitplanung bei historischer Betrachtung erst durch das BBauG den Gemeinden übertragen wurde und nur in dem von Anfang an gesetzlich vorgesehenen Rahmen in die Selbstverwaltungsangelegenheiten hineingewachsen ist. Für die Bestimmung des Schutzbereichs der Selbstverwaltungsgarantie ist nämlich nicht ausschlaggebend, ob eine Angelegenheit traditionell gemeindliche Selbstverwaltungsaufgabe ist. Denn Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG definiert die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft unmittelbar selbst. Da nicht lediglich eine vorhandene Einrichtung rezipiert, sondern die kommunale Selbstverwaltung im GG selbst geregelt wird, enthält die Norm keine institutionelle Garantie. Vielmehr ist Art. 28 Abs. 2 S. I GG eine Kompetenzvorschrift, die als subjektives Recht der Gemeinden ausgestaltet ist. Der historischen Auslegung kommt deshalb - anders als nach institutionellem Verständnis - für die Bestimmung des Schutzbereichs des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG keine entscheidende Bedeutung zu. Seine Schutzwirkung zugunsten der Gemeinden entfaltet Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG aus diese Grund auch dann, wenn eine Aufgabe erstmalig gesetzlich geregelt wird, ohne daß die Gemeinden sich ihrer bereits vorher angenommen hätten. Handelt es sich um eine

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Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft, muß der Gesetzgeber grundsätzlich die gemeindliche Zuständigkeit vorsehen und den Gemeinden inhaltliche Autonomie bei der Aufgabenerledigung belassen. Da die Bauleitplanung eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft ist, mußte der Gesetzgeber sie den Gemeinden zur eigenverantwortlichen Erledigung übertragen. Dementsprechend können auch von Anfang an im BBauG enthaltene gesetzliche Regelungen wie die §§ 7 und 38 Eingriffe in Art. 28 Abs. 2 S. I GG enthalten. Im Ergebnis werden von der h.M. daher zu Recht auch Regelungen des BauGB verfassungskonform anhand von Art. 28 Abs. 2 Satz I GG ausgelegt. 8. Weil der Gesetzesvorbehalt des Art. 28 Abs. 2 S. I GG nicht nur Eingriffe zu Lasten einzelner Gemeinden, sondern insbesondere auch die generelle gesetzliche Ausgestaltung der kommunalen Selbstverwaltung ermöglicht, muß der Umfang der Planungshoheit und die Art des Eingriffs unter Berücksichtigung der einfachgesetzlichen Regelung ermittelt werden. Für die §§ 7 und 38 BauGB ergibt sich, daß sie keine Aufgabenverlagerung enthalten, sondern einen Eingriff in die inhaltliche Autonomie der einzelnen Gemeinde bei der Bauleitplanung als Teil der kommunalen Planungshoheit ermöglichen. 9. Wesentliche Grenze für Eingriffe des Gesetzgebers in das Selbstverwaltungsrecht ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der auf Art. 28 Abs. 2 S. I GG unverändert anwendbar ist. Als gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für einen Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht einzelner Gemeinden müssen die §§ 7 und 38 BauGB schutzwürdigen überörtlichen Interessen dienen und eine abwägende Berücksichtigung der gemeindlichen Belange ermöglichen. Diesen Anforderungen werden die §§ 37 und 38 BauGB gerecht. Insbesondere sieht § 38 BauGB n.F. ausdrücklich die Beteiligung der Gemeinde und die Berücksichtigung städtebaulicher Belange vor. § 38 BauGB war aber auch in der frühreren Fassung nicht verfassungswidrig. Denn auch nach der früheren Regelung war eine Beteiligung der Gemeinden und die abwägende Berücksichtigung ihrer Belange möglich, weil die Norm auf die Regelung der Planfeststellung im jeweiligen Fachgesetz Bezug nahm. Die Privilegierung der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung bzw. der Plangenehmigung durch die §§ 37 und 38 BauGB war und ist deshalb mit Art. 28 Abs. I GG vereinbar. 10. Wird die gemeindliche Planungshoheit durch das Vorhaben berührt, so ist die Gemeinde gern. § 73 Abs. 2 VwVfG als Behörde im Anhörungsverfahren zu beteiligen; eine Beteiligung als Betroffener aufgrund einer möglichen Beeinträchtigung der Planungshoheit scheidet dagegen aus. Denn die gem~indliche Planungshoheit umschreibt einen Ausschnitt aus dem hoheitlichen Aufgabenbereich der Gemeinde, sie ist deshalb ein öffentlicher, kein privater Belang. Für die Geltendmachung der Planungshoheit gilt deshalb - entgegen der Rspr. des BVerwG - allein die Frist des § 20 Abs. 1 Nr. 1 AEG i. Y.m. der Präklusionsregelung in § 20 Abs. 2 S. 3 AEG fur BehördensteIlungnahmen, nicht dagegen

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die Präklusionsfrist rur die Betroffeneneinwendungen. Da es sich bei der Planungshoheit um einen öffentlichen Belang und nicht um das Recht eines anderen i.S.d. § 18 Abs. 2 Nr. 1 AEG handelt, schließt eine Beeinträchtigung der kommunalen Planungshoheit im übrigen auch die Erteilung einer Plangenehmigung nicht aus. 11. Materiell ist bei Beeinträchtigungen der kommunalen Planungshoheit im Rahmen der sog. Planrechtfertigung zu prüfen, ob das Vorhaben schutzwürdigen überörtlichen Interessen dient. In der Abwägung ist die kommunale Planungshoheit mit dem ihr zukommenden Gewicht zu berücksichtigen. Die Bedeutung der kommunalen Planungshoheit in der Abwägung steigt mit dem Konkretisierungsgrad der kommunalen Planung und der Intensität des Eingriffs. Gegebenenfalls sind dem Vorhabenträger Vorkehrungen oder die Unterhaltung von Anlagen zum Schutz fiir das öffentliche Wohl i.S.d. § 74 Abs. 2 S. 2 AEG aufzuerlegen. 12. Das BauGB hat die zu planenden Aufgaben mit Bodenbezug und die möglichen Formen gemeindlicher Planungen ebensowenig wie die Voraussetzungen der Abwägungserheblichkeit und Wehrfahigkeit der kommunalen Planungen abschließend geregelt. Gegebenenfalls kann und muß deshalb zur Bestimmung des Umfang der kommunalen Planungshoheit unmittelbar auf Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG zurückgegriffen werden. 13. Die Gewährleistung der kommunale Planungshoheit durch Art. 28 Abs. 2 S. I GG erschöpft sich nicht in der Bauleitplanung. Verfassungsrechtlich geschützter Teil der Planungshoheit sind vielmehr auch informelle Planungen der Gemeinden sowie konkrete Entwürfe einer Bauleitplanung. Zur Planungshoheit gehört insbesondere auch die Entwicklungsplanung. Geschützt sind aber grundsätzlich nur vorhandene konkrete Planungen der Gemeinden. Das Gemeindegebiet als solches ist dagegen nicht Teil der Planungshoheit. Ohne ein tatsächlich rur gemeindliche Planungen zugängliches Gemeindegebiet ist eine eigenverantwortliche Planung aber nicht möglich. Deshalb kann der Schutz vor der Inanspruchnahme des Gemeindegebiets zumindest ausnahmsweise in Art. 28 Abs. 2 S. I GG einbezogen werden. 14. Abwägungserheblich und webrfahig sind gemeindliche Planungen weiterhin nur dann, wenn sie rechtmäßig sind. Denn soweit der Gesetzgeber von dem Gesetzesvorbehalt des Art. 28 Abs. 2 S. I GG Gebrauch gemacht und die kommunalen Planungen unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben gesetzlich geregelt hat, gilt für die gemeindliche Planung der Gesetzesvorrang. 15. Hinsichtlich der Eingriffsintensität als Voraussetzung der Wehrfahigkeit der kommunalen Planungshoheit ist mangels einer gesetzlichen Regelung auf Art. 28 Abs. 2 S. I GG zurückzugreifen und zwischen mittelbaren und unmittelbaren Eingriffen in die Selbstverwaltungsgarantie zu differenzieren:

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Soweit ein eisenbahnrechtlicher Planfeststellungsbeschluß mit einer vorhandenen, konkreten und rechtmäßigen Planung der Gemeinde unvereinbar ist und diese deshalb an die vorrangige eisenbahnrechtliche Fachplanung angepaßt werden muß, wird unmittelbar in die inhaltliche Autonomie der betroffenen Gemeinde eingegriffen. In diesem Fall ist - im Gegensatz zur Rspr. des BVerwG - eine besondere Intensität der Beeinträchtigung nicht Voraussetzung der Wehrfahigkeit der Planungshoheit; die Intensität der Beeinträchtigung ist allein bei der Gewichtung der Planungshoheit in der Abwägung zu berücksichtigen. Lediglich mittelbar betroffen ist die Planungshoheit dagegen durch die schlichte Inanspruchnahmen des Gemeindegebiets. Ein Eingriff in die Planungshoheit liegt in diesem Fall nur dann vor, wenn die Auswirkungen des Vorhabens so schwerwiegend sind, daß die verbleibenden tatsächlichen Planungsmöglichkeiten der Gemeinde keinen effektiven Spielraum mehr fUr eine eigenverantwortliche Planung belassen. 16. Gegen die eisenbahnrechtliche Planfeststellung und die Plangenehmigung können die Gemeinden mit der Anfechtungsklage vorgehen, wenn eine Verletzung der kommunalen Planungshoheit nicht ausgeschlossen ist. Da Art. 28 Abs. 2 S. I GG eine als subjektives Recht ausgestaltete Kompetenznonn ist, die der Gemeinde lediglich die eigenverantwortliche Wahrnehmung der eigenen Angelegenheiten sichert, kann die Gemeinde keine objektive Rechtmäßigkeitskontrolle des Plans verlangen, weil sie sich damit allgemein zum Sachwalter öffentlicher Interessen machen würde, die nicht in den Bereich der Selbstverwaltungsaufgaben fallen. Eine Erweiterung des Prüfungsumfangs ergibt sich aber aus dem Abwägungsgebot, da eine isolierte Betrachtung einzelner Belange in der komplexen Abwägungsentscheidung nicht möglich ist. Eine objektive Rechtmäßigkeitskontrolle bedeutet dies jedoch nicht. Die Gemeinde kann nicht die Verletzung der nicht der Abwägung unterliegenden zwingenden Rechtsvorschriften rügen, es sei denn sie dienen zumindest auch ihrem Schutz.

3. Kapitel 17. Zwischen der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung und der gemeindlichen Bauleitplanung besteht kein Rangverhältnis aufgrund der Rechtsfonn. Aus diesem Grund gilt als Kollisionsregel zwischen den Planungen der Grundsatz der zeitlichen Priorität, wenn keine anderweitige gesetzliche Regelung vorhanden ist. Die Gemeinde ist daher mit ihrer nachfolgenden Bauleitplanung an einen bereits vorhandenen, wirksamem eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschluß gebunden. Zum gleichen Ergebnis fUhrt eine analoge Anwendung des § 38 BauGB; die Anordnung des Vorrangs der nachfolgenden eisenbahnrechtlichen Fachplanung vor dem vorhandenen kommunalen Bebauungsplan kann

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entsprechend auf den zeitlich umgekehrten Kollisionsfall übertragen werden. Insoweit ist die kommunale Planungshoheit i.S.d. Rspr. des BVerwG durch den Vorbehalt zugunsten der Fachplanungen gern. § 38 BauGB beschränkt. 18. Voraussetzung einer Beschränkung der kommunalen Planungshoheit ist grundsätzlich ein wirksamer Planfeststellungsbeschluß bzw. eine Plangenehmigung. 19. Für einen außerhalb des Planfeststellungsbeschlusses erfolgenden Rechtsakt der Widmung einer Eisenbahnbetriebsanlage gibt es - unabhängig davon, ob Eisenbahnbetriebsanlagen nach der Bahnreform überhaupt noch öffentliche Sachen sind - im AEG keine gesetzliche Grundlage. Schon deshalb kommt eine Beschränkung der kommunalen Planungshoheit durch die Widmung nicht in Betracht. Im übrigen scheidet eine Beschränkung der kommunalen Planungshoheit durch die Widmung aber auch deshalb aus, weil sie allein öffentlichsachenrechtliche Bedeutung hat und nicht in den Regelungsbereich des Planungsrechts hineinwirkt. 20. Ausnahmsweise ist eine Beschränkung der kommunalen Planungshoheit durch die Widmung aus Gründen der Rechtssicherheit bei Altanlagen anzuerkennen, die rechtmäßig ohne Planfeststellungsbeschluß errichtet wurden. 21. Während der Wirksamkeitsdauer des eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses bzw. der Widmung bei Altanlagen sind für dieselben Flächen nur kommunale Planungen zulässig, die inhaltlich mit der dadurch begründeten rechtlichen Zweckbestimmung der Anlage für den Eisenbahnbetrieb vereinbar sind. Im übrigen gelten für gemeindliche Bauleitpläne auf Eisenbahngelände die allgemeinen Rechtmäßigkeitsanforderungen. 22. Eisenbahnbetriebsfremde Vorhaben unterliegen grundsätzlich in formeller und materieller Hinsicht dem allgemeinen Baurecht auch dann, wenn sie auf Eisenbahngelände verwirklicht werden sollen. Im Baugenehmigungsverfahren sind die §§ 29 ff. maßgeblich für die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens. Nach Maßgabe des § 36 BauGB ist im Baugenehmigungsverfahren die Erteilung des Einvernehmens der Gemeinde erforderlich. Einzige Besonderheit ist, daß Vorhaben auch deshalb unzulässig sein können, weil sie mit der vorrangigen rechtlichen Zweckbestimmung der Flächen für den Eisenbahnbetrieb nicht zu vereinbaren sind. Vor der Erteilung einer Baugenehmigung für Vorhaben, die mit der vorhandenen rechtlichen Zweckbestimmung für den Eisenbahnbetrieb nicht vereinbar sind, muß diese deshalb grundsätzlich beseitigt werden. 23. Eine solche Vorgehensweise kommt jedoch nicht in Betracht, wenn eine Eisenbahnbetriebsanlage in eine bautechnisch eine Einheit bildende, aber gemischt genutzte Anlage umgebaut werden soll. Da in diesem Fall die Zweckbestimmung für den Eisenbahnbetrieb beibehalten werden soll, ist ein Änderungsplanfeststellungsverfahren gern. § 18 AEG erforderlich. Bauordnungsrecht-

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lieh kann die bautechnisch eine Einheit bildende Anlage nur einheitlich im Planfeststellungsverfahren beurteilt werden. Dies bedeutet jedoch nicht, daß die Planungskompetenz der Planfeststellungsbehörde auf die eisenbahnbetriebsfremden Nutzungen der Gesamtanlage erweitert werden. Weder § 18 AEG noch die §§ 75 oder 78 VwVfG bieten dafür eine Grundlage. Die eisenbahnrechtliche Planfeststellung für eine gemischt genutzte Anlage ist daher nicht insgesamt nach § 38 BauGB privilegiert. Die §§ 29 ff. BauGB sind vielmehr im Pianfeststellungsverfahren als striktes Recht anzuwenden. Eine derartige gemischt genutzte Anlage kann daher de lege lata nur in Kooperation zwischen der Gemeinde und der Planfeststellungsbehörde geplant werden. Oe lege ferenda empfiehlt sich für derartige Vorhaben die Einführung einer Ersetzung der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung durch den Bebauungsplan, um eine einheitliche Planungsentscheidung für die gemischt genutzte Anlage zu ermöglichen. 4. Kapitel 24. Die abschließende Beschlußfassung über Bauleitpläne, die mit der vorhandenen rechtlichen Zweckbestimmung als Eisenbahnbetriebsanlage nicht vereinbar sind, setzt die vorherige Beseitigung dieser Zweckbestimmung voraus. Gleiches gilt für die Erteilung einer Baugenehmigung für eine eisenbahnbetriebsfremde Nutzung. 25. Soweit ein wirksamer Planfeststellungsbeschluß Grundlage der rechtlichen Zweckbestimmung für den Eisenbahnbetrieb ist, kann die Beseitigung der rechtlichen Zweckbestimmung - und damit der Wechsel der Planungshoheit - nur durch die Beendigung der Wirksamkeit des Planfeststellungsbeschlusses i.S des § 43 Abs. 2 VwVfG bewerkstelligt werden. 26. Eine Entwidmung planfestgestellter Eisenbahnbetriebsanlagen ist unzulässig. Im AEG ist nämlich - im Gegensatz zum FStrG - eine eigenständige Entwidmung von Eisenbahnbetriebsanlagen ebensowenig vorgesehen wie eine selbständige Widmung. Entwidmung und Autbebung des PIanfeststellungsbeschlusses können daher im Eisenbahnrecht - anders als nach dem FStrG - nicht unterschieden werden. Für die Autbebung des Planfeststellungsbeschlusses stehen Rechtsgrundlagen im AEG bzw. im VwVfG zur Verfügung, so daß fur ein eigenständiges Institut der Entwidmung kein Raum ist. Grundsätzlich möglich wäre dagegen eine Entwidmung als actus contrarius zur Widmung bei den nicht planfestgestellten Altanlagen. Jedoch sind die Altanlagen auch bei der Beseitigung der rechtlichen Zweckbestimmung den planfestgestellten Anlagen gleichzustellen. 27. Die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses im PIanfeststellungsverfahren gem. § 18 Abs. I S. I AEG kommt nur dann in Betracht, wenn die Planautbebung der Errichtung einer neuen oder geänderten Eisenbahnbetriebsanlage dient.

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28. Im übrigen sind die §§ 48, 49 VwVfG Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses. 29. Im Anschluß an die auf Dauer angelegte Einstellung der Nutzung für den Eisenbahnbetrieb kann der Plan gern. § 49 VwVfG widerrufen werden. Beantragt das Eisenbahnunternehmen selbst die Autbebung des Planfeststellungsbeschlusses, erfolgt der Widerruf gern. § 49 Abs. I VwVfG, im übrigen gern. § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG, da die Einstellung der Nutzung der Anlage eine nachträgliche Änderung der Sachlage darstellt. 30. Beim Widerruf auf Antrag des Vorhabenträgers gern. § 49 Abs. I VwVfG ist die Gemeinde durch die Planfeststellungsbehörde so rechtzeitig zu unterrichten, daß ausreichend Zeit für die Einleitung einer Bauleitplanung besteht. Wird diese Verpflichtung verletzt, kommt ein Schadensersatzanspruch der Gemeinde in Betracht. 31. Auf einen Widerruf gern. § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG hat die Gemeinde einen Anspruch, wenn sie durch die Aufrechterhaltung des Plans in ihrer Planungshoheit beeinträchtigt wird. Ein Anspruch auf Widerruf besteht auch dann, wenn städtebauliche Belange eine Bauleitplanung für die bisherige Bahnfläche erfordern. Das Vertrauen des Eisenbahnunternehmens in den Fortbestand des Plans ist demgegenüber nicht schutzwürdig, wenn es selbst die Nutzung der Anlage dauerhaft aufgegeben hat.

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Stichwortverzeichnis Abwägungsgebot 34, 51, 59f., 60, 128f., 131, 138, 141, 145 - 147, 177, 180, 224,234 - Abwägungsergebnis 60, 106, 146-148 - Abwägungsfehler 60, 147f. - Abwägungsvorgang 60, 147f. - Alternativenauswahl 60 - Auflagengebot 61 - Grenze der Abwägung 61 - Grundsatz der Problembewältigung 33, 177 Änderungsp1anfeststellungsverfahren 175, 235 Anfechtungsklage gegen den Planfeststellungsbeschluß 142, 149 Angebotsplanung 139 Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft 88, 95-97, 100, 114, 120, 122, 125, 145,231 Bahnreform 21, 23f., 157, 165, 189,235 Baufreiheit 50 Bauleitplanung 24f., 27, 43, 50f., 67 -72, 78,80,82-85,87-89,114-117,119, 120, 124, 127-130, 133f., 139, 142, 153-156, 159f., 164-169, 173, 175, 178 -180, I 88f., 225f., 231- 234, 237 - als Teil der kommunalen Planungshoheit 114, 232 - Anpassungspflicht für den Träger der Eisenbahnplanung 73 - Erforder1ichkeit der Bauleitplanung 166 - ergänzende gemeindliche Bauleitplanung 166, 180 - Ersetzung der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung 69, 180,236 - Flächennutzungsplan 72-76, 82, 84f., 88, 125, 139, 153f., 164,231 - Gesamtplanung 27,50,67,71, 77, 93, 98, 109, 112, 126, 144, 148f., 158f., 232f.

- Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Regelung der Kollision der gemeindlichen Bauleitp1anung 117 - Negativplanung 127 - öffentlicher Planungsträger i.S.d. § 7 BauGB 76, 82 - Planungspflicht der Gemeinde 127, 179 - Vorrang der privilegierten Fachplanungen 78 - Vorrang der überörtlichen vor der örtlichen Planung 70 - während der Geltung der eisenbahnrechtlichen Fachplanung 151, 165 Eisenbahn 21, 28-39, 47, 50, 52f., 55, 57-59,61, 64f., 67, 76f., 81,116,137, 139, 156 - 158, 161f., 166, 169, 171-174, 184, 187, 194, 199, 202f., 217,230 - Eisenbahnen des Bundes 28, 30, 44, 46f., 52-53, 55, 57, 64, 75, 85, 171, 217f., 231 - Eisenbahninfrastruktur 30f., 35, 45, 58, 75, 163 - Eisenbahnmonopol 21 - Eisenbahnplanfeststellungsrecht 21, 28f., 37, 40, 49 - Eisenbahnunternehmen 21, 23f., 26, 31f., 44, 46f., 58, 74-76, 85, 149, 151, 169,171,182,189-191,194,209,216, 219-221,223,225,231,237 - Rad I Schiene-System 28, 30, 33, 230 Eisenbahnbauvorhaben 27, 68 Eisenbahnbetriebsanlagen 24, 26f., 31 f., 34,39,44,67,69, 71, 73, 80-82, 116, 118, 139, 152, 157-159, 161-165, 167, 169, 175f., 178, 181-183, 19Of., 198,215,221,228, 230f., 235f. - als bautechnisch eine Einheit bildende Anlage 174

Stichwortverzeichnis - Änderung von Betriebsanlagen der Eisenbahn 28,33,36,61,65 - Aufgabe von Eisenbahnbetriebsanlagen 182 - Ausschluß bahnfremder Nutzungen 168 - Bahnflächen 23, 32, 184 - Bahngelände 23, 151, 152, 167, 170, 173, 180f., 228 - Bahnhofswirtschaft 32 - Bahnstromfernleitungen 29, 30, 33 - eisenbahnbetriebsfremde Nutzungen 167f., 176, 182, 190 - Gewerbebetriebe 32 - Grundfläche 31, 161 - Mischnutzung 167, 169, 176 - notwendige Anlagen 29 - Nutzungsänderung 170f., 20 I - Reisebedarfsartikel 32 - Spielhallen 32, 167 - Werbeeinrichtungen 32 - Widmung 151, 156-165, 183, 186, 189, 192, 197-199, 202, 204, 212, 228, 235f. - Wiederinbetriebnahme 26, 33, 202, 220-222 Enteignung 34, 41, 48, 50, 56, 58,203,227 Entfallen von Planfeststellung und PIangenehmigung 63-65, 77, 80, 1I9, 230 Entwidmung 24, 152, 157-159, 185189, 191f., 196-199, 202, 204, 212, 217f., 228, 236 Fachplanung 23 - 25, 27f., 31, 43, 51, 54f., 57, 60, 67-71, 73f., 82-87, 89, 114,116-119,121,126-133, 151-153, 154, 156, 159f., 162, 165-169, 173, 175, 184, 187, I 89f., 219, 225, 227f., 231, 234f. Funktionslosigkeit 84, 185, 189, 196 Gebundener Genehmigungsanspruch 43 Gemeindegebiet 22, 67f., 86, 96, 121126,128-130,132-134, 139f., 233f. Genehmigung rur das Betreiben einer öffentlichen Eisenbahninfrastruktur 35 Gesetzmäßigkeitsgrundsatz 44 Grundrechtsfähigkeit 44 -47 Grundsatz der zeitlichen Priorität 72, 153f., 162, 165,234

251

Insichgeschäfte 136 Institutsgarantie 92 Kollisionsproblematik zwischen kommunaler Planung und eisenbahnrechtlicher Planfeststellung 67 Kommunale Planungshoheit 23f., 67, 79, 86, 1I 7, 126, 129-134, 137f., 140f., 145, 151-153, 159, 161, 165, 170, 182-184, 192,213,217, 223f., 226228, 231, 233, 235 - Beschränkung auf Bahngelände 152 - Bewahrung zukünftiger Planungsmöglichkeiten 122 - Eingriff in die k.P. 24, 41, 49, 51, 58f., 67, 86, 89, 94, 98-106, 1I 0, 1I2f., 1I5, 117, 12If., 125-127, 129f., 132134, 137f., 140f., 144-147, 159, 177, 179, 225, 227, 231-234 - Einvernehmen der Gemeinde 73, 172, 181 - Elemente der Planungshoheit 119 - gemeindliche Einrichtungen als Teil der k.P. 123 - gemeindliche Entwicklungsplanung 120 - Gewichtung der k.P. in der Fachplanung 139 - informelle Planungsformen 120 - Klagebefugnis 131, 135, I 42f., 149, 191, 225 - Kontrollumfang 143-146 - mittelbarer Eingriff in die k.P. 132 - Nichtplanen 125 - Schutz vor Situationsänderungen 121124 - Schutznorm zugunsten der k.P. 130 - Vorbehalt zugunsten der Fachplanung 15If., 156, 165,235 - und materielle Rechtmäßigkeit 13 7 - und Plangenehmigung 52, 63, 140 - Wehrfähigkeit der k.P. 86, 1I4, 123, 125, 127-133, 233f. Kommunalverfassungsbeschwerde 90, 105, 108, 122, 144f. Kooperative Planung 179 Notwendige Folgemaßnahmen 33, 176 Optimierungsgebote 37, 61

252

Stichwortverzeichnis

Planaufstellung 52 Planerische Gestaltungsfreiheit 42,43,47, 49, 50, 76, 106, 123, 183,218,230 Planfeststellung 22, 26 - 31, 33 - 36, 38f., 41-44, 48-52, 55, 57, 59, 61-65, 67f., 71f., 74, 77-80, 82, 84-89,107, 116, 118f., 124-126, 134, 137, 139, 141f., 145, 147, 149, 153, 157f., 161f., 164-166, 168f., 174-176, 178-181, 185, 191f., 195, 197-204, 209, 212, 219,221,228,230-232,234,236 - Ausnahmen vom Erfordernis der P. 61 - Gegenstand der P. 28f., 31, 33f., 36, 80, 230,231 - präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt 65 - privater Vorhabenträger 44, 76 - Raumnutzungsentscheidung 27, 50 - Überplanung von Gemeindegebiet 130, 132f., 139 PIanfeststellungsbeschluß 27, 35, 37,4043, 48, 55, 58, 63, 72, 84f., 126, 142, 144-150, 154-156, 158-160, I 64f., 174, 185f., 189, 191-227,229,234237 - als Verwaltungsakt mit Doppelwirkung 216 - als Verwaltungsakt mit Mischwirkung 215 - Anspruch auf abwägungsfehlerfreie Entscheidung 43 - Anspruch der Gemeinde auf Widerruf 226f. - Antrag des Vorhabenträgers auf Planaufhebung 216 - Anwendbarkeit der §§ 48, 49 VwVfG 204-210,212 - Aufhebung gern. § 77 VwVfG 203 - Aufhebung gern. §§ 48, 49 VwVfG 204,211 - Aufhebung im PIanfeststellungsverfahren 198 - Ausgleichs- und Ersatzrnaßnahmen nach Naturschutzrecht 34 - Ausschlußwirkung 40, 155 - Bindung an zwingende Rechtsvorschriften 59 - Bindungswirkung für spätere Bauleitplanung 153

- enteignungsrechtliche Vorwirkung 41, 49, 203 - Erledigung "auf andere Weise" 194 - Erledigung mit Erteilung der Stillegungsgenehmigung gern. § 11 AEG 20 I - formelle Konzentrationswirkung 71 - Genehmigungswirkung 35, 40, 43, 178 - Gestaltungswirkung 40 - gewidmete Altanlage 156, 162, 184 - Konzentrationswirkung 36f., 59, 71f., 186, 19Of. - Planrechtfertigung 51, 56-59, 137f., 221,233 - Schutzauflagen 35, 40f., 61, 14Of., 207f., 211 - sekundäres materielles Recht 36, 38, 51, 59, 147 - Verpflichtungsklage auf Planergänzung 148 - Verzicht auf den P. 195 - Widerruf des P. und kommunale Planungshoheit 223 - Widerruf gern. § 49 Abs. 2 VwVfG 220f. - Wirksamkeit des P. 155, 192 - 194, 196-198,200,212,218,236 Planfeststellungsverfahren 29, 34, 36f., 42f., 48, 5If., 59, 62, 64, 72, 76-80, 83, 118, 134, 139, 141-143, 175, 177-179, 185f., 189-191, 193, 198-200,202,204,208,230,236 - Anhörungsverfahren 52-55, 134, 137, 232 - Behördenbeteiligung 53, 134f. - Beteiligung der Betroffenen 135, 137 - Beteiligung der Gemeinde 134 - drittschützende Verfahrensvorschriften 143 - Einwendungen 54f., 136 - Erörterungstermin 53 f., 135, 137 - Feststellungsverfahren 55 - materielle Präklusion 54 - Stellungnahme der Anhörungsbehörde 55 - Zuständigkeitskonzentration 36 Plangenehmigung 41, 62-65, 77, 80, 85, 118f., 140-142, 144f., 149f., 154f., 158f., 165, 175, 192,202,230-235 Plankollision 68

Stichwortverzeichnis Plankonkurrenz 68 Privilegierung 78 - 80, 82, 84, 118f., 131, 134, 137, 154,232 Rangverhältnis aufgrund der Rechtsfonn 72, 165,234 Rechtssubjektsgarantie 94 Selbstverwaltungsgarantie 89-91, 94-96, 100f., 109, Illf., 114f., 122, 124, 131, 144,231,233 - Abkehr vom Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 102 - Aufgabenfindungsrecht 112 - Aufgabenverteilungsprinzip 10If., 111 - Aushöhlungsverbot 100, 103 - Ausschluß eines grundrechtlichen Gehalts 90 - Bedeutung des historischen Erscheinungsbildes 94 - Begriff der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft 101 - demokratische Funktion 90, 98, 113 - eigenverantwortliche Regelung 97, 103, 120, 145 - Eingriff in die inhaltliche Autonomie einzelner Gemeinden 117 - Einrichtungsgarantie 107, 109 - inhaltliche Autonomie 97, 103, II 4, 117, 133, 225, 232, 234 - institutionelle Garantie 86, 87, 89, 9294, 107-110, 112, 113,231 - Kernbereich 88, 94,96, 100, 101, 103, 105, 108, 110-113, 115 - Kompetenz- und Organisationsvorschrift 110 - Kritik an der Auslegung des Art. 28 Abs. 2 S. I GG als institutionelle Garantie 107f.

-

253

Leistungsfähigkeit der Gemeinden 96 objektive Rechtsinstitutionsgarantie 95 organisatorische Autonomie 97, 103f. Randbereich 94, 101, 103f., 109 Schranken 93, 99, 104, 110, 112f. Schutzbereich 23f., 45, 95, 110-114, 122f., 132, 231 Selbstgestaltungsrecht 124 subjektive Rechtsstellungsgarantie 94 subjektives Recht auf gerechte Abwägung 63, 131, 146,224 Subtraktionsmethode 100 Typisierungsbefugnis 99, 103 Übennaßverbot 102f. vertikale Gewaltenteilung 90 Vertretbarkeitsprüfung 102 Wesensgehalt 100, 103, 108

Verwaltungsverfahren 36, 51, 62, 65, 80, 140, 142, 193,229 Vorhabenträger 21, 24, 35, 43f., 47-49, 51 f., 54f., 58, 65, 74, 76, 149, 176179, 189, 195f., 205, 208f., 215-217, 222, 224f., 230, 233, 237 Wechsel der Planungshoheit 183, I 86f., 189, 192, 197,212,218,236 - Anspruch der Gemeinde auf eine hoheitliche Erklärung 188, 191 - Anspruch der Gemeinde auf vorherige Mitteilung 225 - eindeutige hoheitliche Willenserklärung 187 Zusammentreffen von Planungen 67