Die abfallrechtliche Planfeststellung: Möglichkeiten der Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung insbesondere durch Verfahrensstufung [1 ed.] 9783428473946, 9783428073948


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Die abfallrechtliche Planfeststellung: Möglichkeiten der Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung insbesondere durch Verfahrensstufung [1 ed.]
 9783428473946, 9783428073948

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ANNETTE KLEINSCHNITTGER

Die abfallrechtliche Planfeststellung

Schriften zum Umweltrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Michael Kloepfer, Trier

Band 24

Die abfall rechtliche Planfeststellung Möglichkeiten der Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung insbesondere durch Verfahrensstufung

Von

Annette Kleinschnittger

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Kleinschnittger, Annette:

Die abfallrechtliche Planfeststellung : Möglichkeiten der Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung insbesondere durch Verfahrensstufung / von Annette Kleinschnittger. Berlin : Duncker und Humblot, 1992 (Schriften zum Umweltrecht ; Bd. 24) Zugl.: Bochum, Univ., Diss., 1991 ISBN 3-428-07394-0 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1992 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fremddatenübernahme: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Druck: Druckerei Gerike GmbH, Berlin 36 Printed in Germany ISSN 0935-4247 ISBN 3-428-07394-0

Vorwort Die vorliegende Dissertation wurde im Sommersemester 1991 von der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum angenommen. Für die Betreuung der Arbeit bin ich Prof. Dr. Peter J. Tettinger zu Dank verpflichtet, der diese Untersuchung von der Auswahl des Themas bis zur Erstattung des Erstgutachtens mit großem Interesse an der Problematik begleitet und gefördert hat. Das Zweitgutachten hat Prof. Dr. Wilfried Erbguth erstellt. Die Untersuchung wurde im April 1991 abgeschlossen. Rechtsprechung und Literatur konnten für die Drucklegung mitunter noch bis Herbst 1991 berücksichtigt werden. Die Aktualität des Themas, das nicht nur Wissenschaft und Rechtsprechung, sondern auch den Gesetzgeber zunehmend beschäftigt, macht es unvermeidlich, daß einige Ausführungen zwischen Fertigstellung des Manuskripts und Erscheinen der gedruckten Fassung bereits wieder von der weiteren Entwicklung eingeholt werden. Dies gilt beispielsweise für die Überlegungen hinsichtlich der Zulassung mobiler Anlagen zu Zwecken der Altlastensanierung (hierzu nunmehr die Änderung der 4. BlmSchV vom 28.8.1991, BGBI. I S. 1838). Auch liegt die Endfassung der bislang nur in der Form von Zwischenberichten zur Verfügung stehenden Untersuchung des Umweltbundesamtes zur Verbesserung des Zulassungsverfahrens für Abfallentsorgungsanlagen zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht vor. Gladbeck, im Februar 1992

Annette Kleinschnittger

Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel

Problemstellung A. Einführung................ ........................................................

19

I. Entsorgungssituation in Deutschland .....................................

20

11. Prognose für das zukünftig zu erwartende Abfallaufkommen ..........

23

111. Verfahrensdauer ...........................................................

26

IV. Alternativen zur Inlandentsorgung? ......................................

27

B. Fragestellung ...................................................... .......... .....

30

2. Kapitel

Das gesetzliche Grundmodell der abfallrechtlichen Planfeststellung Zulassungsvoraussetzungen und Verfahrensablauf A. Überblick über die gesetzliche Regelung .......................................

31

I. Die Zulassung von Abfallentsorgungsanlagen durch Planfeststellung

31

11. Das Planfeststellungsverfahren nach den §§ 72 ff. LVwVfG ..........

31

III. Die frühere Regelung in den §§ 20 ff. AbfG a. F. ......................

33

B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen...................................

34

I. Gegenstand der Planfeststellung nach § 7 Abs. 1 AbfG ................ 1. Errichtung und Betrieb ortsfester Abfallentsorgungsanlagen ........ a) Begriff der Abfallentsorgungsanlage .............................. aa) Abfalleigenschaft der zu entsorgenden Stoffe ............... (1) Definitionselemente des Abfallbegriffs gemäß § 1 Abs. I AbfG .............................................. a) Bewegliche Sachen ................................... 13) Subjektiver Abfallbegriff ............................ y) Objektiver Abfallbegriff ............................. (2) Spezifika des Sonderabfallbegriffs ...................... (3) Ausgrenzung der Reststoffe ..............•............... bb) Entsorgungsmaßnahmen i. S. d. § 4 Abs. 1 S. 1 AbfG ..... ce) Anlagen und Einrichtungen ................................... dd) Unzulänglichkeit dieser Begriffsbildung im Hinblick auf Belange des Abfallwirtschaftsrechts ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einbeziehung mobiler Anlagen? ..................................

34 34 34 35 35 36 38 39 41 42 46 49 50 51

8

Inhaltsverzeichnis 2. Wesentliche Änderung einer Abfallentsorgungsanlage oder ihres Betriebs ................................................................. 3. Anlagen zur Lagerung oder Behandlung von Autowracks .......... 4. Anlagen zur Entsorgung von Altöl ................................... 11. Inhaltliche Anforderungen nach Maßgabe des Abfallgesetzes ........ . 1. Prüfung der Umweltverträglichkeit (§ 7 Abs. 1 S. 2 AbfG) ........ 2. Unvereinbarkeit mit den für verbindlich erklärten Feststellungen eines Abfallentsorgungsplans (§ 8 Abs. 3 S. 1 AbfG) .............. a) Exkurs: Abfallentsorgungsplanung ................................ aa) Inhalt und Zustandekommen eines Abfallentsorgungsplans .. bb) Rechtliche Bedeutung der Abfallentsorgungsplanung im Zusammenspiel von Gesamt- und Fachplanung ............. cc) Rechtsschutz gegen einen Abfallentsorgungsplan ........... (1) Abstrakte Normenkontrolle ............ .................. (2) Feststellungsklage ........................................ dd) Stand der Abfallentsorgungsplanung in den Bundesländern b) Rechtliche Bindungswirkung eines verbindlichen Abfallentsorgungsplans und faktische Steuerungswirkung eines nicht verbindlichen Plans ......................................................... aa) Auswirkungen eines verbindlichen Abfallentsorgungsplans im Planfeststellungsverfahren ....... . . . . . . . . . . .. . . .. . . . . . . . . . bb) Auswirkungen eines nicht verbindlichen Abfallentsorgungsplans im Planfeststellungsverfahren .......................... c) Kein drittschützender Charakter des § 8 Abs. 3 S. 1 AbfG ..... d) Abfallentsorgungspläne als Hemmschuh für eine effektive Entsorgungswirtschaft ..................................................... 3. Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit (§ 8 Abs. 3 S. 2 Nr. I AbfG) ............................................................ a) Schutzgüter des § 2 Abs. 1 S. 2 AbfG ........................... b) Sonstige Gemeinwohlaspekte ...................................... c) Wahrscheinlichkeitsmaßstab .. ...... ............................... d) Drittschützender Charakter des § 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AbfG? ... 4. Bedenken gegen die Zuverlässigkeit der verantwortlichen Personen (§ 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 AbfG) ......................................... 5. Nachteilige Wirkungen auf das Recht eines anderen (§ 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AbfG ....................................................... a) Gemeinnützige und privatnützige Planfeststellung ............... b) Persönlicher und sachlicher Schutzbereich ....................... aa) Unterscheidung von mittelbaren und unmittelbaren Eingriffen .......................................................... bb) Eigentum ....................................................... cc) Gesundheit ..................................................... dd) Allgemeine Handlungsfreiheit ................................ ee) Gemeinden als Träger von Rechten anderer? ........ ....... c) Drittschützender Charakter der Norm ...................... ....... d) Konsequenzen der neuen Rechtsprechung des BVerwG .... ..... 6. Bedeutung der TA Abfall für die Zulassungsentscheidung .........

54 57 58 59 59 61 62 62 67 71 71 75 76 79 79 83 84 85 86 87 89 91 92 93 94 95 97 97 98 99 99 100 101 101 102

Inhaltsverzeichnis 7. Zulässigkeit einer Beifügung von Nebenbestimmungen . ............ a) Überblick über die gesetzliche Regelung ......................... b) Rechtsschutzfragen ................................................. 8. Materiell-rechtliche Anforderungen im Hinblick auf die Konzentrationswirkung nach § 75 Abs. 1 VwVfG .............................. a) Formelle oder materielle Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses? .................................................. b) Anwendbare Rechtsvorschriften .................. ................. aa) Immissionsschutzrecht ........................................ bb) Wasserrecht .................................................... cc) Sonstige anwendbare Normen..... ................ ........... III. Zusätzliche Anforderungen nach Maßgabe des Landesrechts: Zulässigkeit der Lizenzpflicht nach nordrhein-westfälischem Abfallrecht? ..... IV. Die abfallplanerische Gestaltungsfreiheit und ihre Grenzen............ 1. Die abfallplanerische Gestaltungsfreiheit ............................. 2. Die rechtlichen Grenzen dieser planerischen Gestaltungsfreiheit ... a) Rechtsstaatsprinzip und Verhältnismäßigkeitsprinzip ............ b) Planrechtfertigung .................................................. c) Beachtung der maßgeblichen PlanungsleitSätze .................. d) Beachtung des Abwägungsgebotes ................................ aa) Abwägungsausfall ....... ..... .................... ............. bb) Abwägungsdefizit und Abwägungsüberschuß ............... cc) Fehlgewichtung und Disproportionalität ..................... dd) Gebot der Konfliktbewältigung .............................. ee) Zur Unterscheidung von Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis ................................................. 3. Drittschützender Gehalt des Abwägungsgebotes ..................... 4. Begriffliche Abgrenzung von planerischer Gestaltungsfreiheit und Ermessen.. ........ ......... ...... ............... ................ ....... V. Versagung der abfallrechtlichen Planfeststellung trotz Erfüllung der Zulassungsvoraussetzungen? .............................................. 1. Einräumung von Rechtsfolgeermessen durch § 8 Abs. 3 AbfG zusätzlich zur planerischen Gestaltungsfreiheit? ............................ 2. Rechtlich geschützte Interessen des Vorhabenträgers . . . . . . . . . . . . . . . a) Grammatische Auslegung .......................................... b) Genetische Auslegung ............................................. c) Systematische Auslegung .......................................... aa) Begründung eines öffentlichen Entsorgungsmonopols durch § 3 Abs. 2 und 3 AbfG? ...................................... bb) Entsorgungspflicht und notwendig korrespondierendes Recht auf Entsorgung? ............................................... cc) Wortlautvergleich von § 7a AbfG und § 9a WHG ..... .... dd) Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung nach § 12 AbfG ee) Anspruch auf Erteilung eingeschlossener Genehmigungen ff) Vollzugsauftrag ................................................

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10

Inhaltsverzeichnis d) Teleologische Auslegung unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben............................................... aa) Zur grundsätzlichen Unterscheidung privater und öffentlicher Träger .......................................................... bb) Private Träger ................................................. (1) Art. 12 GG ................................................ (2) Art. 14 GG ................................................ (3) Art. 2 Abs. 1 GG . ................ ................... ..... cc) Entsorgungspflichtige Körperschaften als Vorhabenträger 3. Ergebnis ................................................................

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C. Der Ablauf des abfallrechtlichen Planfeststellungsverfahrens nach den §§ 72ff. LVwVjG . ............. ........ ......... ...... .............. ..............

149

I. Einbindung der Umweltverträglichkeitsprüfung in das Planfeststellungsverfahren ...................................................................

149

11. Erstellung des Plans durch den Vorhabenträger .........................

150

111. Anhörungsverfahren ....................................................... 1. Zuständige Behörde ................................................... 2. Stellungnahmen anderer Behörden ....... ........... ................. 3. Beteiligung anerkannter Naturschutzverbände ....................... 4. Auslegung in den betroffenen Gemeinden ........................... a) Betroffene Gemeinden ... ...... ..................... .... ........... b) Umfang der Unterlagen ................................. ........... c) Veränderungs sperre ................................................ 5. Erhebung von Einwendungen ......... ................ ...... .......... a) Einwendungsbefugnis .............................................. b) Einwendungsfrist ...................................................

153 153 155 156 156 157 157 160 160 161 162

IV. Erörterungstermin .........................................................

164

V. Entscheidung über den Planfeststellungsbeschluß ....................... 1. Zuständige Behörde .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtswirkungen des Planfeststellungsbeschlusses .................. a) Genehmigungswirkung ..... ................. ....................... b) Konzentrationswirkung ............................................ c) Gestaltungswirkung ................................................ d) Ausschluß- oder Duldungswirkung . ..............................

166 166 166 166 166 167 168

VI. Planänderungen ............................................................ 1. Planänderungen vor Erlaß des Planfeststellungsbeschlusses ........ 2. Planänderungen nach Erlaß des Planfeststellungsbeschlusses .......

168 168 169

VII. Verhältnis der abfallrechtlichen Planfeststellung zu anderen Fachplanungsverfahren .........................................................

170

VIII. Drittschützender Gehalt der Verfahrensvorschriften ....... .............

170

D. Rechtsschutzfragen ...............................................................

175

I. Rechtsschutz Dritter gegen die Erteilung des Planfeststellungsbeschlusses 1. Hauptsacheverfahren ................................................... 2. Vorläufiger Rechtsschutz ..............................................

175 176 179

11. Rechtsschutz des Vorhabenträgers .......................................

183

Inhaltsverzeichnis

11

3. Kapitel

Gesetzlich vorgesehene Vereinfachungsund Beschleunigungsmöglichkeiten A. Ausnahmen vom Anlagenzwang nach § 4 Abs. 1 S. 2 AbfG ...................

185

I. Überblick ..................................................................

186

H. Durchführung eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens ..................................................................... 1. Neuerrichtung von Anlagen ........................................... a) Rechtliche Voraussetzungen....................................... b) Funktion ............................................................ c) Verfahrensablauf ................................................... d) Gradueller Unterschied zwischen Genehmigungs- und PIanfeststellungsverfahren .................................................. 2. Abfallverbrennung in vorhandenen Anlagen.............. ........... a) Begriff der wesentlichen Änderung nach § 15 Abs. 2 BImSchG b) Verfahren ...........................................................

187 187 188 190 192 193 194 194 195

III. Beurteilung der Vereinfachungswirkung .................................

197

B. Ausnahmen vom Anlagenzwang nach § 4 Abs. 2 und 4 AbfG .................

198

C. Durchführung eines Genehmigungsverjahrens nach § 7 Abs. 2 AbfG ........

201

I. Überblick ..................................................................

201

H. Anwendungsbereich des § 7 Abs. 2 AbfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einrichtung und Betrieb einer unbedeutenden Abfallentsorgungsanlage ................................................................... a) Zum Begriff der unbedeutenden Anlage .......................... b) Sortieranlagen ...................................................... c) Kompostierungsanlagen ............................................ 2. Wesentliche Änderung einer Abfallentsorgungsanlage oder ihres Betriebs ................................................................. 3. Fehlende Einwendungswahrscheinlichkeit ........................... 4. Errichtung und Betrieb einer Abfallentsorgungsanlage zur Entwicklung und Erprobung neuer Verfahren ................................

202 202 202 203 204 205 205 206

III. Materielle und formelle Genehmigungsvoraussetzungen ...............

207

IV. Verbindung von Planfeststellung und -genehmigung ............. ......

208

V. Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter ............... ........................

209

VI. Beurteilung der Beschleunigungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

209

D. Zulassung vorzeitigen Beginns nach § 7a AbfG ................................

211

I. Begriff der Ausführung ...................................................

211

11. Genehmigungsvoraussetzungen ...........................................

212

III. Beurteilung der Beschleunigungswirkung ...............................

214

12

Inhaltsverzeichnis

E. Vorbehalt einer abschließenden Entscheidung nach § 74 Abs. 3 LVwVfG

21$

I. Anwendungsbereich ... ........ .................................. .......... 1. Gesamtvorbehalt ... ........ .......... ....... ................ ........... 2. Teilvorbehalt ....... ........ ......... ....... ............................ 3. Stellungnahme .........................................................

215 215 217 219

11. Rechtsschutzfragen ..... ...... ...................... .......................

219

III. Beurteilung der Beschleunigungswirkung ...............................

220

F. Anordnung des SoJortvolizugs nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO

221

4. Kapitel Wege zu einer beschleunigten Vorhabenzulassung A. Ursachen der langen Verjahrensdauer ........ ..................................

222

B. Zulässigkeit der Erteilung von Vorbescheiden und Teil-PlanJeststeliungen im Rahmen des Planfeststellungsverjahrens ........................................ 225 I. Einführung .................................................................

225

11. AnwendungsfaIle gestufter Verfahren .................................... 227 1. Verfahrensstufung als Instrument des allgemeinen Verwaltungsrechts 227 2. Immissionsschutz- und Atomrecht .................................... 228 a) Vorbescheid ..... ....... ................. ................... ........ 228 b) Teilgenehmigung ................................................... 229 c) Vorläufiges positives Gesamturteil ...... ........... ......... ...... 229 d) Vorteile der Stufung ............... ........ ......... ............... 232 3. Baurecht ................................................................ 233 4. Bergrecht ............................................................... 234 5. Verbindliche Entscheidungsabschichtung als prägendes Charakteristikum gestufter Verfahren ............................................ 236 III. Begriffliche Abgrenzung gestufter Entscheidungen von Auskunft, Zusage und vorläufigem Verwaltungsakt ................ ................

237

IV. Erlaß eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids nach § 7 Abs. 3 AbfG? ......................................................................

239

V. Übertragung der allgemeinen Institute gestufter Entscheidungen wegen struktureller Vergleichbarkeit von Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren? ............................................................

240

VI. Vereinbarkeit einer Verfahrensstufung mit den besonderen planungsrechtlichen Anforderungen an einen Planfeststellungsbeschluß ........ 1. Abwägungsgebot, planerische Gestaltungsfreiheit und der Grundsatz der Problembewältigung ............................................... 2. Vertikale Stufung ...................................................... a) Vorbescheid ........ ..................... ........................... b) Teil-Planfeststellung ........... ......... ................ ........... c) Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung ...................... aa) Verfahren. ......... ......... ....... ................. ........... bb) Regelungsgehalt und Präklusionswirkung ................... d) Gesetzgebungskompetenz ..........................................

241 241 244 244 246 248 248 249 250

Inhaltsverzeichnis

13

3. Horizontale Stufung ................................................... a) ,,Linienförmige" Projekte .......................................... b) "Punktförmige" Projekte ...... .......... ..................... ...... c) Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung...................... 4. Zwischenergebnis ......................................................

251 251 252 254 254

VII. Zweifel an der praktischen Vorteilhaftigkeit eines gestuften abfallrechtlichen Planfeststellungsverfahrens ........................................

255

C. Weitere Ansatzpunkte für eine Veifahrenseffektuierung ........................

257

I. Ansatzpunkte im Vorfeld des Planfeststellungsverfahrens .............. 1. Zur Situation der Abfallentsorgungsplanung ......................... 2. Konvoiplanung und Bauartzulassung ................................. a) Konvoiplanung ..................................................... b) Bauartzulassung ....................................................

257 257 260 260 261

11. Ansatzpunkte im Verwaltungsverfahren ................................. 1. Ersetzung des abfallrechtlichen Planfeststellungsverfahrens durch ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren ............... Z. Vereinheitlichung der Antragsunterlagen ............................. 3. Zeitliche Vorgaben ... ........... ....... ........... ........ ............ 4. Verstärkung der Leistungsflihigkeit von Behörden .................. 5. Konzepte zur Akzeptanzverbesserung ................................ 6. Einführung einer materiellen Präklusion .............................

262

III. Ansatzpunkte im verwaltungsgerichtlichen Verfahren .................. 1. Verkürzung des Instanzenzugs .... ... ...... .................... .... ... 2. Vereinfachungsvorschriften nach d~m Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung und dem 4. VwGOAndG ............................ 3. Änderung des § 44a VwGO .......................................... 4. Objektive Rechtskontrolle im Umweltschutzrecht, insbesondere durch Einführung der Verbandsklage ........ ...... .............. .....

273 273

IV. Ausblick .. .............. ...... .... .........................................

279

Zusammenfassung. ...................................................................

281

Literaturverzeichnm ................................................................

286

262 264 265 267 268 272

274 275 276

Abkürzungsverzeichnis a. A. AbfBestV AbfG AbfVerbrV AbgrG ABI. Abs. a. F. ÄndG AGVwGO AltölG AltölV Anm. AO AöR Art. AtG AtVfV Aufl. BauGB Bay.; bay. bay.AbfG BayBO BayOblG BayVBI. BayVerfGH BayVGH BayVGHE

BB

BBahnG BBergG Bd.

= anderer Ansicht = Verordnung zur Bestimmung von Abfällen nach § 2 Abs. 2 des Abfallgesetzes = Gesetz über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen = Verordnung über die grenzüberschreitende Verbringung von Abfällen = Gesetz zur Ordnung von Abgrabungen = Amtsblatt = Absatz = alte Fassung = Änderungsgesetz = Ausführungsgesetz zur Verwaltungsgerichtsordnung = Altölgesetz = Altölverordnung = Anmerkung = Abgabenordnung = Archiv des öffentlichen Rechts = Artikel = Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) = Verordnung über das Verfahren bei der Genehmigung von Anlagen nach § 7 des Atomgesetzes (Atomrechtliche Verfahrensordnung) = Auflage = Baugesetzbuch = Bayern; bayerisch = Gesetz zur Vermeidung, Verwertung und sonstigen Entsorgung von Abfällen in Bayern (Bayerisches Abfallwirtschaftsgesetz) = Bayerische Bauordnung = Bayerisches Oberstes Landesgericht = Bayerische Verwaltungsblätter = Bayerischer Verfassungsgerichtshof = Bayerischer Verwaltungsgerichtshof = Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes = Betriebs-Berater = Bundesbahngesetz = Bundesberggesetz = Band

Abkürzungsverzeichnis

15

Bd.Wtt.; bd.wtt. = Baden-Württemberg; baden-württembergisch bd. wtt.LAbfG = Gesetz über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen und die Behandlung von Altlasten in Baden-Württemberg = Berlin; berlinisch Berl.; berl. = Bundesfernstraßengesetz BFStrG = Bürgerliches Gesetzbuch BGB = Bundesgesetzblatt BGBL = Bundesgerichtshof BGH = Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen (amtliche BGHZ Sammlung) = Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch BlmSchG Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz) = Verordnung zur Durchführung des Bundes-ImmissionsschutzgesetBlmSchV zes = Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (BundesnaturBNatSchG schutzgesetz) BR-Drs. = Drucksachen des Deutschen Bundesrates Brem.; brem. = Bremen; bremisch brem.AGAbfG = Bremisches Ausführungsgesetz zum Gesetz über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen = Bundesraumordnungsgesetz BROG = Drucksachen des Deutschen Bundestages BT-Drs. = Stenographische Berichte der Verhandlungen des Deutschen BT-Prot. Bundestages = Bundesverfassungsgericht BVerfG = Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (amtliche BVerfGE Sammlung) = Bundesverwaltungsgericht BVerwG = Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (amtliche BVerwGE Sammlung) = Deutsche Demokratische Republik DDR = Dissertation Diss. = Die Öffentliche Verwaltung DöV = Deutsches Verwaltungsblatt DVBl. = Europäische Gemeinschaft EG = Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch EGBGB = Gesetz zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und EntlG Finanzgerichtsbarkeit = Erläuterung Erl. = Entscheidungssammlung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs ESVGH und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg = Energiewirtschaftliche Tagesfragen et = Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EuZW = Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWG = Gesetz zur Regelung der Gentechnik (Gentechnikgesetz) GenTG GewArch = Gewerbearchiv

16 GewO GFE GG GjS GMBl. GV;GVBl. Hamb.; hamb. hamb.AAbfG HdUR Hess.; hess. hess.AbfAG HessVGH Hrsg. Hs. i. d. F. i. d. R. i. E. i. e. S. i. S. d. i. S. v. i. V. m. iwd JuS Kap. Kz. LAbfG LBauO LG LKT LPlG LS LT-Drs. LuftVG LVerf LVwG LVwVfG LWG m.E. MinBl. m.w.N. NatSchG Nds.; nds.

Abkürzungsverzeichnis = Gewerbeordnung

= Gesellschaft zur Förderung der Entbürokratisierung

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Gesetz über die Verbreitung jugendgefahrdender Schriften Gemeinsames Ministerialblatt Gesetz- und Verordnungsblatt = Hamburg; hamburgisch = Hamburgisches Ausführungsgesetz zum Abfallbeseitigungsgesetz = Handwörterbuch des Umweltrechts = Hessen; hessisch = Gesetz über die Vermeidung, Verminderung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen und die Sanierung von Altlasten (Hessisches Abfallwirtschafts- und Altlastengesetz) = Hessischer Verwaltungsgerichtshof = Herausgeber = Halbsatz = in der Fassung = in der Regel = im Ergebnis = im engeren Sinne = im Sinne des = im Sinne von = in Verbindung mit = Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft = Juristische Schulung = Kapitel = Kennzahl = Landesabfallgesetz = Landesbauordnung = (nw.) Gesetz zur Sicherung des Naturhaushalts und zur Entwicklung der Landschaft (Landschaftsgesetz) = Landkreistag = Landesplanungsgesetz = Leitsatz = Drucksachen des Landtages = Luftverkehrsgesetz = Landesverfassung = Landesverwaltungsgesetz = Landesverwaltungsverfahrensgesetz = Landeswassergesetz = meines Erachtens = Ministerialblatt = mit weiteren Nachweisen = Naturschutzgesetz = Niedersachsen; niedersächsisch = = = =

Abkürzungsverzeichnis nds.AbfG NJW NStZ NuR NVwZ NVwZ-RR NW;nw. nw.LAbfG NWVBL OLG o. Verf. OVG PrOVGE Rh.Pf.; rh.pf. rh.pf.LAbfG

17

= Niedersächsisches Abfallgesetz

= Neue Juristische Wochenschrift

= Neue Zeitschrift für Strafrecht = Natur und Recht = Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht = NVwZ-Rechtsprechungsreport = Nordrhein-Westfalen; nordrhein-westfälisch = Abfallgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen = Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter = Oberlandesgericht = ohne Verfasser = Oberverwaltungsgericht = Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts = Rheinland-Pfalz; rheinland-pfalzisch = Landesgesetz zur Ausführung des Gesetzes über die Venneidung und Entsorgung von Abfallen Rn. = Randnummer(n) ROG Raumordnungsgesetz = Randziffer Rz. = Satz, Seite(n) S. Saar!.; saar!. = Saarland; saarländisch = Saarländisches Abfallgesetz saar!.AbfG Sch!.H.; sch!.h. = Schieswig-Hoistein; schleswig-holsteinisch sch!.h.AG-AbfG = Ausführungsgesetz zum Abfallbeseitigungsgesetz für SchleswigHolstein = Spalte Sp. = Rat von Sachverständigen für Umweltfragen SRU = Staatsanzeiger StAnz = Strafgesetzbuch StGB = ständige Rechtsprechung st. Rspr. = Städte- und Gemeindebund StuGB = Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung StVZO = Technische Anleitung TA = Textziffer Tz. = Umweltbundesamt UBA = Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teil (Entwurf) UGB-AT(E) = Umwelt- und Planungsrecht UPR = Umweltverträglichkeitsprüfung UVP = Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung UVPG = Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg VBIBW = Verwaltungsarchiv VerwArch VG = Verwaltungsgericht = Verwaltungsgerichtshof VGH = vergleiche vg!.

=

18 Vorbem. vr VVDStRL VwGO VwVfG WaStrG WHG WiVerw ZfW

Abkürzungsverzeichnis Vorbemerkung Verwaltungsrundschau Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Bundeswasserstraßengesetz Wasserhaushaltsgesetz Wirtschaft und Verwaltung Zeitschrift für Wasserrecht

1. Kapitel

Problemstellung A. Einführung "Alle machen Müll, aber keiner will ihn haben". I So läßt sich plakativ die Misere beschreiben, in der sich die noch junge Disziplin "Abfallrecht" derzeit befindet. Nachdem erst Anfang der 70er Jahre mit Erlaß des Abfallbeseitigungsgesetzes überhaupt eine gesetzliche Regelung geschaffen worden ist,2 um der Abfallprobleme einer modernen Industriegesellschaft Herr zu werden, bestimmt heute zunehmend Skepsis im Zusammenhang mit der Bewältigung abfallrechtlicher und abfallwirtschaftlicher Probleme die (rechts-)politische Diskussion. 3 Insbesondere das Zulassungsverfahren für Abfallentsorgungsanlagen ist wegen seiner von vielen als unzumutbar lang empfundenen Dauer in das Kreuzfeuer der Kritik geraten. 4 Auf die Gefahr eines drohenden Entsorgungsinfarktes oder auch Müllnotstandes S wird in der Öffentlichkeit immer wieder mit Nachdruck hingewiesen. Einerseits stellen unzureichend behandelte Abfälle eine - wie die heutigen Altlastenprobleme zeigen - kaum zu überschätzende Gefahr für Mensch und Natur dar, andererseits bedeutet aber auch jede einzelne Abfallentsorgungsanlage eine Umweltbelastung, sei es durch Emissionen, sei es bloß durch den fortschreitenden Landschaftsverbrauch, der seinerseits in einem relativ dicht besiedelten Land nicht unterschätzt werden sollte. Das Dilemma wurzelt somit in der Tatsache, daß Abfallentsorgung gleichermaßen verwirklichter Umweltschutz und UmSo treffend Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 14. Das AbfallbeseitigungsG wurde am 7.6.1972 verkündet; ähnlich spät auch die Entwicklung in anderen europäischen Staaten, z. B. in den Niederlanden, wo erst 1976 ein Gesetz über chemische Abfallstoffe und 1977 ein allgemeines Gesetz über Abfallstoffe in Kraft traten; dazu Drupsteen, DVBI. 1990, 189 (192). 3 In Bundestag und Bundesrat wird erwogen, das abfallrechtliche Planfeststellungsverfahren durch ein Genehmigungsverfahren nach dem BImSchG zu ersetzen; BT-Drs. 11/ 6633, S. 2,4,38 (Beschlußempfehlung und Bericht des Umweltausschusses) und BTDrs. 11 /4909, Anlage 2, S. 39 (Stellungnahme des Bundesrates zur 3. BImSchG-Novelle). 4 Dazu in jüngster Zeit die Beiträge von Große Hündfeld, Die Beseitigung rechtlicher Hemmnisse bei der Planung und Entsorgung von Sonderabfallentsorgungsanlagen (1989) und Beckmann / Appold / Kuhlmann, DVBI. 1988, 1002 ff. S So der Präsident des Umweltbundesamtes, von Lersner, zitiert nach Leibfried, Der Landkreis 1990, Heft 6, A 10. I

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1. Kap.: A. Einführung

weltbelastung oder zumindest -gefährdung ist. 6 Allerdings scheint für weite Bevölkerungskreise der umweltgefährdende Charakter der Abfallentsorgung im Vordergrund zu stehen; dies dokumentieren Umfrageergebnisse, nach denen die Abfallentsorgung von 37% der Befragten als größte Gefahr für die Umwelt 7 , jedoch nur von 5 % als wichtigste Aufgabe des Umweltschutzes eingeschätzt wird. 8 Für die nach § 3 Abs.2 AbfG (i. V. m. dem jeweiligen Landesrecht) entsorgungspflichtigen Körperschaften und unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 und 4 AbfG für die entsorgungspflichtigen privaten Abfallbesitzer stellt sich nunmehr die Aufgabe, die erforderlichen Entsorgungskapazitäten zu schaffen. Dabei sind sie sich dessen bewußt, wie notwendig eine geordnete und gesicherte Abfallentsorgung nicht zuletzt auch als bedeutsamer Entscheidungsgesichtspunkt für die Neuansiedelung interessierter Gewerbebetriebe in der betreffenden Region ist. 9 Zugleich sehen sie sich aber den oftmals sehr engagierten Abwehrbestrebungen 10 besorgter Anwohner gegenüber. Diese Zielkonflikte nach rechtlichen Kriterien zu bewerten und so einer ausgleichenden Lösung zuzuführen, ohne dabei die berechtigten Rechtsschutzinteressen aller Beteiligten über Gebühr zu strapazieren, ist das Anliegen des abfallrechtlichen Zulassungsverfahrens.

I. Entsorgungssituation in Deutschland Wirft man einen Blick zurück auf die Geschichte der Abfallentsorgung, so fallt auf, daß diese sich über die Jahrtausende hinweg zwar entwickelt hat, daß aber das Grundprinzip lange Zeit im wesentlichen unverändert blieb: Abfall wurde "beseitigt" im Sinne von "beiseite geschafft", im günstigsten Fall in eine Abfallgrube außerhalb der Ansiedlung gebracht. 11 Im weniger günstigen Fall, der während des gesamten Mittelalters indessen die Realität bestimmte, warf man den Müll einfach auf die Straße, so daß die Geschichte der Abfallentsorgung 12 lange Zeit mit der der Städte- und Straßenreinigung identisch war. 13 Erst Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 14. UBA, Daten zur Umwelt 1988/89, S.94. Die Umfrage erfolgte auf EG-Ebene; trotz einiger nationaler Unterschiede sind die Ergebnisse jedoch zumindest ihrer Tendenz nach vergleichbar. 8 UBA, Daten zur Umwelt 1988/89, S. 92. 9 Nordrhein-westfaIischer Städte- und Gemeindebund, StuGB 1990, 129; in diesem Sinne auch Tettinger, GewArch 1988, 41 (42), der die Entsorgungsfrage als einen zentralen Problembereich einer hochindustrialisierten Gesellschaft bezeichnet. 10 Nach der Einschätzung von Ronellenfitsch, DÖV 1989, 737 (739 f.), sind die Erscheinungsformen dieser Abwehrbestrebungen durchaus mit dem Widerstand gegen Kern- und sonstige Kraftwerke vergleichbar. 11 So schon zu einer Zeit 8000-9000 Jahre v. ehr.; vgl. Bilitewski / Härdtle / Marek, Abfallwirtschaft, S. 1. 12 Zur Geschichte der Abfallbeseitigung siehe auch Lechner, Gesamtwirtschaftliche Probleme, S. 16 ff. 13 Erhard, in: Hösel/ Schenkel / Schnurer, Müllhandbuch, Kennzahl 0110, S. 7. 6

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I. Entsorgungssituation in Deutschland

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durch die Erkenntnis, daß zwischen Hygienedefiziten und Sterblichkeit, insbesondere im Hinblick auf die gefürchteten Choleraseuchen, ein direkter Zusammenhang bestand, sahen sich die Städte veraniaßt, sich dieses Problems anzunehmen.I4 Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden dann schon die ersten Müllverbrennungsanlagen (1876 in England und 1893 in Hamburg), zum Teil sogar bereits unter Nutzung der erzeugten Energie. 15 Es mag nicht verwundern, daß sich im Vergleich zu diesen im wahrsten Sinne des Wortes mittelalterlichen Zuständen die Abfallproblerne erheblich geändert haben, und zwar sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht. Dennoch kennzeichnete eine mehr oder weniger ungeordnete Deponierung noch in den 60er Jahren die Entsorgungssituation nicht nur in der Bundesrepublik; so gab es 1972 ungefahr 50000 Ablagerungsplätze, 130 geordnete Deponien, 16 Kompostwerke und 30 Müllverbrennungsanlagen. 16 Während in den Stadtstaaten naturgemäß der Verbrennung eine größere Bedeutung zukommt,17 liegt das Schwergewicht bei den Flächenstaaten noch heute auf der Deponierung. 18 Doch ist die Anzahl der Anlagen erheblich verringert worden, so daß im Bundesgebiet schon 1987 nur noch 339 Hausmülldeponien 19 und 12 öffentliche, oberirdische Sonderabfalldeponien 20 in Betrieb waren. Daneben existieren 50 Hausmüllverbrennungsanlagen, 27 Sonderabfallverbrennungs- und 15 Klärschlammverbrennungsanlagen 21 , 28 Kompostwerke sowie 19 sonstige Anlagen. 22 Dem gesetzlichen Leitbild entsprechend befinden sich die Entsorgungsanlagen überwiegend in der Hand öffentlich-rechtlicher Körperschaften, jedoch gibt es auch ungefahr 580 private Entsorgungsunternehmen (sog. Fremdentsorger), die sowohl auf dem Gebiet der Hausmüll- als auch der Sondermüllentsorgung tätig sind, dort allerdings zu praktisch 100 %. 23 Weiterhin betreiben auch einige Abfallproduzenten die Entsorgung auf eigene Rechnung (sog. Eigenentsorger).24 Nachdem sich in den vergangenen Jahren zahlreiche leistungsfähige, mittelständische Unternehmen in der Entsorgungswirtschaft etabliert haben, wird für die Zukunft mit einem Konzentrationsprozeß auf einige wenige, aber starke Konkurrenten gerechnet. 25 14 Bilitewski I Härdtle I Marek, Abfallwirtschaft, S. 1. 15 Erhard, in: Hösel I Schenkel I Schnurer, Müllhandbuch, Kennzahl 0110, S. 11. 16 Bilitewski I Härdtle I Marek, Abfallwirtschaft, S. 2. 17 UBA, Daten zur Umwelt 1988 I 89, S. 451. Dies gilt entsprechend für Ballungsräume; vgl. Schwermer, in: Kunig I Schwermer I Versteyl, AbfG, § 6 Rn. 21. 18 UBA, Daten zur Umwelt 1988 I 89, S. 446. 19 UBA, Daten zur Umwelt 1988 I 89, S. 462. 20 UBA, Daten zur Umwelt 1988 I 89, S.463. 21 Bericht in UPR 1990,258. 22 Statistisches Jahrbuch 1987 für die Bundesrepublik Deutschland, S. 583. 23 Schenkel, in: Hoppe I Appold, Umweltschutz in der Raumplanung, S. 132 (137). 24 Bender I Sparwasser, Umweltrecht, Rn. 607. 25 Schenkel, in: Hoppe I Appold, Umweltschutz in der Raumplanung, S. 132 (137).

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1. Kap.: A. Einführung

Nach der Entwicklung während der vergangenen zwei Jahrzehnte wird der technische Standard heute überwiegend als positiv, im internationalen Vergleich sogar als führend bewertet 26, dennoch erfordert Abfallentsorgung nach dem momentanen Wissensstand immer einen Kompromiß zwischen notwendiger Umweltbelastung einerseits und Umweltschutz durch Abfallentsorgung andererseits, denn beide führenden Entsorgungsverfahren haben ihre Schwachstellen: trotz intensiver Bemühungen um eine ausgereifte Deponietechnik kann eine wirklich dauerhafte Abdichtung nicht mit letzter Sicherheit garantiert werden 27 , und bei den Verbrennungsanlagen schaffen die Emissionen von Dioxinen, gasförmigen anorganischen Chlor- und Auorwasserstoff-Verbindungen sowie ggfs. schwermetallhaitiger Staub Probleme, zu deren Lösung nunmehr die jüngst erlassene 17. BlmSchV (sog. Abfallverbrennungsanlagen-Verordnung)28 beitragen soll. Diesen vorhandenen Abfallentsorgungsanlagen stehen wahrhaft beeindruckende Abfallmengen gegenüber. So entfallen auf jeden Bundesbürger pro Jahr etwa 380 kg oder 2000 I Hausmüll. 29 Während das Gesamtgewicht des Hausmüllaufkommens seit etwa 1980 eine leicht sinkende Tendenz aufweist, was vor allem auf die getrennte Sammlung von Wertstoffen wie Glas und Papier zurückzuführen ist, steigt das Volumen infolge des hohen Anteils von sperrigem Verpackungsmaterial nach wie vor an. 30 Zu diesen rund 27,2 Mio. Tonnen Hausmüll kommen nach Erhebungen des Statistischen Bundesamtes 109,1 Mio. Tonnen Bodenaushub und Bauschutt, 102,2 Mio. Tonnen produktionsspezifische Abfälle sowie 3,1 Mio. Tonnen Schlämme aus der Abwasserreinigung. 31 Davon wiederum sind 5 Mio. Tonnen als Sonderabfälle einzustufen. Eine besondere Rolle kommt dem Land Nordrhein-Westfalen zu, in dessen Gebiet nicht nur 40 % der Industrie- und Gewerbeabfälle der Bundesrepublik, sondern auch 50% der Sonderabfälle anfallen 32. Von daher stellt sich die Entsorgungsproblematik hier mit großer Dringlichkeit ein. Allerdings verfügt Nordrhein-Westfalen neben Bayern über den höchsten Eigenentsorgungsgrad. 33 Einen Hinweis wert erscheinen die teilweise auffälligen Differenzen der in verschiedenen Statistiken angegebenen Zahlen. Diese sind eine Folge der unterschiedlichen Erfassungsmethoden und Definitionen; so wird die Abfallmenge 26 von Lersner, zitiert nach Leibfried, Der Landkreis 1990, Heft 6, A 10. 27 Bilitewski / Härdtle / Marek, Abfallwirtschaft, S. 3. 28 Verordnung über Verbrennungsanlagen für Abfälle und ähnliche brennbare Stoffe - 17. BlmSchV vom 23.11.1990, BGBI. I S. 2545 ff. 29 Bender / Sparwasser, Umweltrecht, Rn. 598. 30 UBA, Daten zur Umwelt 1989/90, S.420; o. Verf., in: Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft (iwd) 1990, Nr. 23, S.4. 31 o. Verf., in: Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft (iwd) 1990, Nr. 23, S. 4. 32 So der nordrhein-westfaIische Umweltminister Matthiesen, NWVBL 1987,74 (75). 33 Ronellenfitsch, DÖV 1989,737 (739); so auch Matthiesen, in: Hoppe/ Appold, Umweltschutz in der Raumplanung, S. 56 (61).

11. Prognose für das zukünftig zu erwartende Abfallaufkommen

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einmal über ihr Volumen, ein anderes Mal über ihr Gewicht erfaßt, oder es werden nur die an die öffentlichen Entsorgungsanlagen angelieferten Mengen berücksichtigt. Auch bei Angaben über den Sonderabfallanteil muß unterschieden werden, ob Sonderabfälle i. S. d. § 2 Abs. 2 AbfG (Sonderabfall im engeren Sinne) oder die nach § 3 Abs. 3 AbfG von der öffentlichen Entsorgung ausgeschlossenen Stoffe gemeint sind. Schwierigkeiten bereitet nicht zuletzt die oftmals unscharfe Abgrenzung zwischen sogenannten Wirtschaftsgütern und Abfällen. 34 Einigkeit besteht jedoch nach allen Quellen darüber, daß die Kapazitätsgrenzen der vorhandenen Abfallentsorgungsanlagen schon heute absehbar sind. Der Entsorgungsnotstand wird schon für die kommenden Jahre als sicher vorausgesagt, wenn nicht bald etwas geschehe. 35

11. Prognose für das zukünftig zu erwartende Abfallautkommen Die somit dringend notwendige Sicherstellung einer umweltschonenden Abfallentsorgung in der Zukunft kann bei aller gebotenen Zurückhaltung gegenüber derartigen Voraussagen - erinnert sei nur an die überzogenen Einschätzungen der 60er und 70er Jahre hinsichtlich des zukünftigen Energiebedarfs 36 - nicht ohne Bedarfsprognosen auskommen. Die Nennung konkreter Zahlen soll indessen den Statistik- und Abfallwirtschaftsexperten überlassen bleiben. Hingewiesen sei hier jedoch auf einige Eckpunkte, die für die zukünftige Entwicklung von Bedeutung sein werden. Da ist zum einen das in § 1 a Abs. 1 und 2 AbfG festgelegte Abfallvermeidungsund -verwertungsgebot zu erwähnen. Nach dieser Direktive müßten die Abfallmengen auf lange Sicht reduziert werden, ohne daß sich aber gegenwärtig die dahingehenden Impulse schon bedeutend ausgewirkt hätten 37 oder gar die technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft sein dürften. 38 Allerdings ist auch augenfällig, daß Abfälle nun einmal nicht auf Null reduziert werden können. 39 Auf dem Bereich des Verpackungsmülls, der ja gerade Ursache des hohen Abfallvolumens ist, geben indessen die jüngsten Initiativen von Bundesumweltminister Töpfer zu einer dreistufigen Rücknahmepflicht für alle Verpackungen 40 Anlaß zu der Annahme, daß hier zumindest langfristig auf 34 Versteyl, in: Kunig/Schwermer/Versteyl, AbfG, Ein!. Rn. 21; dazu noch unten 2. Kap. B. I. 1. a) aa) (1). 35 Matthiesen, NWVBL 1987, 74 (75); UBA, Daten zur Umwelt 1988/89, S. 462; Leibfried, Der Landkreis 1990, Heft 6, A 10, nennt einen Zeitraum von etwa 3 bis 5 Jahren. 36 So schätzten Lukes / Vollmer, in: dies., Grundprobleme des atomrechtlichen Verwaltungsverfahrens, S. 13 (17), daß 1990 bereits 50% des Energiebedarfs durch Kernenergie gedeckt werden müßten; ähnlich auch Blümel, DVB!. 1977, 301 (305). 37 Bilitewski / Härdtle / Marek, Abfallwirtschaft, S. 5. 38 Bender / Sparwasser, Umweltrecht, Rn. 603. 39 Ronellenfitsch, DÖV 1989,737 (739).

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1. Kap.: A. Einführung

eine Verbesserung der Situation gehofft werden kann, vorausgesetzt, diese Bestrebungen finden die notwendige Unterstützung in Industrie und Bevölkerung. Dessenungeachtet werden aber auch für die Abfallverwertung, die nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 2 AbfG sowohl die stoffliche als auch die energetische Nutzung umfaßt, also gleichermaßen Recycling wie Verbrennung, zulassungspflichtige Anlagen benötigt (vgl. § 4 Abs. 1 AbfG). Anlaß zur Besorgnis geben hingegen vor allem die Bereiche Sonderabfall, Altlasten und schließlich die künftige Entwicklung auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Einerseits hat die Industrie durchaus Fortschritte erzielt in dem Bemühen, durch den Einsatz abfallarmer Produktionsverfahren und verstärktes Recycling das Müllaufkommen zu verringern; andererseits führen insbesondere Umweltschutzmaßnahmen im gewerblichen Sektor wie Luft- und Gewässerreinhaltung zu erhöhtem Aufkommen gerade von schadstoffbelasteten FilteITÜckständen oder Klärschlämmen, 41 die es umweltverträglich zu entsorgen gilt. In diesem Zusammenhang fällt auch auf, daß mittlerweile zahlreiche Abfallstoffe, die früher nicht als gefährlich erkannt worden sind, also auch keiner gesonderten abfalltechnischen Behandlung zugeführt wurden, heute als Sondermüll getrennt erfaßt und entsorgt werden müssen. Allein durch die TA (Sonder-)AbfalI 42 wird die Zahl der als Sonderabfälle einzustufenden Abfälle von 80 auf nunmehr 350 erhöht. 43 Dadurch verändert sich zwar nicht die Gesamtmenge des anfallenden Abfalls, doch ergeben sich aus dem Wissen um die Gefährlichkeit bestimmter Substanzen gesteigerte Anforderungen an die Qualität der Entsorgung. Als ein Problempotential von derzeit kaum abschätzbarem Ausmaß scheinen sich auch die Altlastenflächen zu entpuppen, deren Sanierung sowohl in technischer als auch in fmanzieller 44 Hinsicht mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist. Der Begriff "Altlasten" umfaßt eine Vielzahl aus unterschiedlichsten Gründen kontaminierter Standorte, wie "verlassene und stillgelegte Ablagerungsplätze mit kommunalen und gewerblichen Abfällen, Aufhaldungen und Verfüllungen mit umweltgefährdenden Produktionsrückständen auch in Verbindung mit Bergematerial und Bauschutt, weiter ehemalige Industriestandorte sowie Bodenkontaminationen durch Korrosion von Leitungssystemen, defekte Abwässerkanäle, abgelagerte Kampfstoffe, unsachgemäße Lagerung von wassergefährdenden Stoffen und durch andere Ursachen".45 Nach einer jüngeren Erhebung 40 Vgl. auch schon die Verordnung über die Rücknahme und Pfanderhebung von Getränkeverpackungen aus Kunststoffen vom 20.12.1988, BGBl. I S. 2455 f. 41 Bilitewski I Härdtle I Marek, Abfallwirtschaft, S. 4; o. Verf., in: Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft (iwd) 1990, Nr. 23, S. 4. 42 Zweite allgemeine Verwaltungsvorschrift zum AbfG (TA Abfall) vom 10.4.1990, GMBl. 1990 S. 169 ff. 43 Appold/Beckmann, VerwArch 1990, 307 (308); so auch Schenkel, in: Hoppel Appold, Umweltschutz in der Raumplanung, S. 132 (136). 44 Zu Finanzierungsmodellen zur Altlastensanierung vgl. Breuer, NVwZ 1989,751 ff. 45 So die Bodenschutzkonzeption der Bundesregierung vom 6.2.1985, BT-Drs. 101 2977, S. 27 f.; ähnlich auch § 28 nw.LAbfG und § 16 Abs. 2 und 3 hess.AbfAG.

11. Prognose für das zukünftig zu erwartende Abfallaufkommen

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des Deutschen Instituts für Urbanistik 46 sind insgesamt 14080 Verdachtsflächen in den kreisfreien Städten sowie fast 6000 Flächen in den Landkreisen erfaßt worden, wovon, so vennuten die Städte, ca. 50% bereits bebaut sind. Zwar sind nicht alle, sondern nur etwa 10% der Verdachtsflächen als sanierungsbedürftig einzustufen 47 , doch wird aus dieser Untersuchung deutlich, daß die diesbezüglichen Prognosen eher nach oben als nach unten zu korrigieren sein werden. 48 Auf der Grundlage derartiger Überlegungen scheint die Forderung nach der baldigen Errichtung zusätzlicher Abfallentsorgungsanlagen plausibel; so verlangte die Umweltministerkonferenz schon 1985 mittelfristig den Bau von zehn Hochtemperatur-Verbrennungsanlagen 49 - eine Einschätzung, die nach neueren Erkenntnissen wohl ebenfalls nach oben korrigiert werden muß 50. Der nordrheinwestfälische Umweltminister sprach 1987 allein von 15 zur Behandlung von Sonderabfallen kurzfristig erforderlichen Einrichtungen. 51 Auch VOn der Bundesregierung wird die Schaffung neuer Müllverbrennungskapazitäten als besonders dringlich eingestuft. 52 Nach jüngsten Schätzungen liegt der Bedarf an neu zu errichtenden Sonderabfallverbrennungsanlagen nunmehr bei 10 bis 20 53 allein im alten Bundesgebiet ohne die fünf neuen Länder. Mit zunehmenden, den Vorschriften der TA Abfall entsprechenden technischen Anforderungen an die Behandlung kommunaler Abfälle wäre mit einem weiteren Bedarf von 80 bis 100 Aufbereitungsanlagen für die Verwertung von Abfällen sowie 30 bis 50 Verbrennungsanlagen zu rechnen. 54 Überdies ist auf einen ganz anderen, wahrscheinlich noch schwerwiegenderen Gesichtspunkt hinzuweisen: der deutsch-deutsche Einigungsprozeß stellt das Abfallrecht nunmehr vor die Aufgabe, zukünftig die abfallwirtschaftlichen Probleme eines wesentlich größeren Gebietes zu lösen. Dabei ist zum einen mit einer erheblichen Massierung von zusätzlichen Altlastenflächen zu rechnen, wenn auch genaue Erhebungen derzeit noch nicht vorliegen. Andererseits steht auch zu befürchten, daß sich, wenn die Hoffnungen auf einen wirtschaftlichen Wiederaufbau der fünf neuen Bundesländer nicht vollends enttäuscht werden, die bundesrepublikanische Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte in vergleichbarer Weise wiederholt, wenn auch möglicherweise in abgeschwächter Fonn, da Ursachen und Probleme ja bereits bekannt sind: die Steigerung der industriellen Produktion, rege Bautätigkeit und auch privater Konsum, der mit der steigenden Prosperität NVwZ 1990,349. Matthiesen, zitiert nach Große Hündfeld / Beckmann, UPR 1989, 291. 48 Deutsches Institut für Urbanistik, NVwZ 1990, 349 (350). 49 Bender / Sparwasser, Umweltrecht, Rn. 622. 50 von Lersner, zitiert nach Leibfried, Der Landkreis 1990, Heft 4, A 10. 51 Matthiesen, NWVBL 1987,74 (75). 52 BT-Drs. 111756, S. 8. 53 Schenkel, in: Hoppe / Appold, Umweltschutz in der Raumplanung, S. 132 (135); Umweltbericht 1990, BT-Drs. 1117168, S. 170 f. 54 Appold / Beckmann, VerwArch 1990, 307 (308). 46 47

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in direktem Zusammenhang stand, hatten hier Anfang der 70er Jahre zu einer wahren Müllawine geführt,55 bis schließlich eine gewisse Sättigung erreicht war. Schon im Sommer 1990 berichteten die Medien von einem drastischen Anstieg (teilweise um 25%) der anfallenden Müllmengen allein in Ost-Berlin. Die Abfallproblerne können nach alledem nicht dadurch gelöst werden, daß man sich ausschließlich auf Abfallvermeidung und stoffliche Verwertung verläßt, ohne neue Kapazitäten etwa für Verbrennung oder Deponierung zu schaffen.

111. Verfahrensdauer Die Dauer der Zulassungsverfahren für neu zu errichtende Abfallentsorgungsanlagen, insbesondere Anlagen zur Sondermüllentsorgung, 56 hat mittlerweile Dimensionen erreicht, die mit der verfassungsrechtlichen Gewährleistung eines effektiven, d. h. umfassenden und raschen Rechtsschutzes kaum noch zu vereinbaren sein dürften. 57 Zudem steht auch eine allzulange Verfahrensdauer einer sinnvollen Planung unter Berücksichtigung ihrer wirtschaftlichen, finanziellen und rechtlichen Grundlagen entgegen. 58 Das gleiche gilt für die Gefahr, daß das schließlich genehmigte Vorhaben bis zum Abschluß des Zulassungsverfahrens technisch bereits erste Nachbesserungen benötigt. Ohne Berücksichtigung z. T. beachtlicher Unterschiede im Vergleich der einzelnen Bundesländer·59 ist für neue Sonderabfalldeponien schon eine GesamtPlanungsdauer von fünf bis fünfzehn Jahren einzukalkulieren, für Sonderabfallverbrennungsanlagen drei bis fünf Jahre und für Sonderabfallbehandlungsanlagen zwei bis fünf Jahre. 60 Die Planungszeiten für Anlagen zur Entsorgung von Hausmüll und anderen Abfallarten, die keine besonderen technischen Vorkehrungen erfordern, sind verständlicherweise kürzer zu veranschlagen; im Mittel ist mit einem Bearbeitungszeitraum von vier bis fünf Jahren zu rechnen. 61 Allerdings bestehen zwischen verschiedenen Projekten durchaus beachtliche Unterschiede. Einschließlich Vorplanung und Planfeststellungsverfahren nahm die Müllverbrennungsanlage in Essen-Karnap nur ungefähr drei Jahre in Anspruch, die Müllverbrennungsanlage in Coburg hingegen über sechs Jahre. 62 55 Bilitewski / Härdtle / Marek, Abfallwirtschaft, S. 2. 56 Schon 1983 wurde die einzuplanende Laufzeit für ein Planungsverfahren zur Errichtung einer solchen Anlage mit bis zu zehn Jahren angegeben, BT-Drs. 10 / 474, S. 9. 57 Tettinger, in: Festschrift für Fabricius, S.307 (313); zur Bedeutung des Art. 19 Abs. 4 GG als Beschleunigungsgebot: Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 263. 58 So schon Friauf, in: Burmeister / Ossenbühl / Friauf / Papier, Rechtsfragen des Genehmigungsverfahrens, S. 63 und 64 zum atomrechtlichen Genehmigungsverfahren. 59 Landesregierung NW, Überprüfung von Genehmigungsverfahren, S. 3. 60 Landtag NW, LT-Drs. 10 / 3541, S.4. 61 UBA, 3. Zwischenbericht, S. 23.

IV. Alternativen zur Inlandentsorgung?

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Im Anschluß an die Vorplanung durch den Vorhabenträger und das eigentliche Planfeststellungsverfahren ist der gerichtliche Rechtsschutz gerade bei umweltrechtlich und politisch brisanten Anlagen inzwischen schon zur Regel geworden. Häufig werden so ohne den vorläufigen Rechtsschutz noch zwei oder drei gerichtliehe Instanzen und das Bundesverfassungsgericht angerufen. 63 Doch auch die Dauer gerichtlicher Verfahren wird als unbefriedigend empfunden; die Geschäftsbelastung der Verwaltungsgerichte hat sieh während der letzten zehn Jahre verdoppelt, und die Tendenz ist immer noch steigend. 64 Allein ein Revisionsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dauert durchschnittlich länger als 21 Monate. 65 Selbst Verfahren, die durch Urteil der Oberverwaltungsgerichte abgeschlossen werden, beanspruchen in einigen Bundesländern über fünf Jahre. 66

IV. Alternativen zur Inlandentsorgung? Wenn die Erschöpfung der Entsorgungskapazitäten im Inland absehbar und die Errichtung neuer Abfallentsorgungsanlagen in ausreichender Zahl innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes fraglich erscheint, liegt es nahe, nach ausländischen Entsorgungskapazitäten zu suchen,67 wie es heute noch weit verbreitete Praxis ist, so daß Deutschland nach Angaben des Präsidenten des Umweltbundesamtes "der größte Abfallexporteur Europas, vielleicht sogar der Welt" ist. 68 Während Nordrhein-Westfalen mit einem Eigenentsorgungsgrad von fast 95% weitestgehend auf diesen umstrittenen Weg verzichten kann 69 und Bayern sogar völlig vom Abfallexport unabhängig ist, sind andere Bundesländer bis zu 70% auf auswärtige Entsorgungsalternativen angewiesen. 7o Von Abfallexporten abhängig sind insbesondere Hamburg, Berlin, das Saarland, Teile Hessens und Baden-Württembergs. 71 Allein zur DDR-Deponie Schönberg wurden zuletztjährlieh ca. 1 Mio. Tonnen Sonderabfälle 72 exportiert. Im Gegensatz zu anderslautenden politischen Willensäußerungen nimmt die ausländische Entsorgung immer 62 UBA, Verbesserung von Zulassungsverfahren für Abfallentsorgungsanlagen, Titelblatt. 63 Tettinger, in: Festschrift Fabricius, S. 307 (313). 64 Schmieszek, vr 1990, 149. 65 Mitteilung über den Geschäftsanfall beim BVerwG in 1989, NVwZ 1990, 543; vgl. auch den Regierungsentwurf zu einem 4. VwGOÄndG, BR-Drs. 135/90, S. 50. 66 Schmieszek, vr 1990, 149 (150). 67 Dazu Kunig, NuR 1989, 19 ff. 68 von Lersner, zitiert nach Leibfried, Der Landkreis 1990, Heft 6, A 10. 69 In absoluten Zahlen gehört Nordrhein-Westfalen allerdings dennoch zu den Bundesländern, die die größten Abfallmengen exportieren, SRU, Sondergutachten Abfallwirtschaft, Abbildung 2.5.2 bei Tz. 460. 70 Matthiesen, in: Hoppe/ Appold, Umweltschutz in der Raumplanung, S. 56 (61). 71 Schenkel, in: Hoppe / Appold, Umweltschutz in der Raumplanung, S. 132 (136). 72 Hoppe / Beckmann, Umweltrecht, § 28 Rn. 98.

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noch ZU. 73 Als Dauerlösung kommt ein solches Vorgehen jedoch schon aus rechtlichen Gründen, nämlich nach dem Grundsatz der Inlandentsorgung in § 2 Abs. 1 AbfG, nicht in Betracht, wonach ein grenzüberschreitender Verkehr nur als Ausnahme erlaubt ist, wenn die in § 13 AbfG genannten Voraussetzungen 74 erfüllt sind. Gegen einen solchen Abfallexport sprechen zudem zum Teil, wenn auch nicht immer, moralische Erwägungen,75 nämlich dann, wenn es sich bei den Empfängerstaaten um Entwicklungsländer mit geringem Entsorgungsstandard handelt. 76 Ein Export in diese Länder wäre nach dem Gesetz grundsätzlich möglich, da § 13 AbfG nicht die Entsorgung in einer deutschem Recht entsprechenden Anlage im Importland voraussetzt 77, sondern schon die Vorlage einer amtlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung des Empfängerstaates genügen läßt,78 die lediglich beinhalten muß, daß die Abfälle aus dessen Sicht - also ohne eine inhaltliche Kontrolle nach Maßgabe hiesigen Rechts - dort ordnungsgemäß entsorgt werden können (§ 13 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 b AbfG).79 Indessen hat sich die Bundesregierung, insbesondere der Bundesumweltminister, mit Nachdruck gegen diese Form von "Sondermüll-Tourismus" ausgesprochen. Exporte von Industrieabfall aus der Bundesrepublik Deutschland in die Dritte Welt werden daher prinzipiell nicht mehr genehmigt. 80 Abfallexporte innerhalb der EG sind hingegen unter erleichterten Bedingungen zugelassen; so bedarf es hier keines Nachweises, daß im Inland keine geeignete Entsorgungsmöglichkeit verfügbar ist (§§ 8, 10 und 11 AbfVerbrV). Allerdings hat sich z. B. auch in Frankreich und Belgien 81 schon Widerstand gegen die Aufnahme deutscher Abfallexporte geregt. Entsprechendes gilt im umgekehrten Fall. Insgesamt ist damit zu rechnen, daß sich in Zukunft eine verstärkte Abwehrhaltung auf seiten der potentiellen Empfängerländer entwickeln dürfte. 82 Damit stellt sich aber zugleich die Frage, ob abfallwirtschaftliche Autarkiebestrebungen einzelner EG-Mitgliedstaaten mit den Vorgaben des EWG-Vertrages vereinbar 73 Schenkel, in: Hoppe / Appold, Umweltschutz in der Raumplanung, S. 132 (136); Umweltbericht 1990, BT-Drs. 11/7168, S. 163. 74 Dazu Kunig, NuR 1989, 19 f.; vgl. auch die Verordnung über die grenzüberschreitende Verbringung von Abfällen (Abfallverbringungs-Verordnung) vom 18.11.1988, BGBI. I S. 2126. 75 Szelinski, in: HdUR I, Stichwort "Grenzüberschreitende Abfallentsorgung" , Sp.

677.

76 Kunig, NuR 1989, 19. 77 Hösel / von Lersner, § 4 AbfG Rn. 5. 78 Kunig, NuR 1989, 19 (20). 79 Allerdings kann in dem Fall, daß die Entscheidung des ausländischen Staates den deutschen Behörden unvertretbar erscheint, dieser Umstand im Rahmen der Ermessensausübung nach § 13 AbfG berücksichtigt werden; dazu Kunig, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 13 Rn. 27. 80 Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Den Abfall in den Griff bekommen, S. 23. 81 von Wilmowsky, NVwZ 1991, 1 (2). 82 Appold / Beckmann, Verw Arch 1990, 307 (308).

IV. Alternativen zur Inlandentsorgung?

29

sind. Dagegen könnten die Prinzipien des freien Warenverkehrs (Art. 30 ff. EWGV) und der Dienstleistungsfreiheit 83 (Art. 59 ff. EWGV) stehen; 84 je nachdem, ob man das Schwergewicht der Transaktion auf dem Export des Abfalls als solchem oder auf der bezweckten Entsorgungshandlung sieht. 85 Eine Unterscheidung zwischen Abfällen i. S. d. deutschen AbfG und Reststoffen als Wirtschaftsgütern trifft das EG-Recht insofern nicht. 86 Vor diesem Hintergrund erscheinen einzelstaatliche Restriktionen außer zur Abwehr hochrangiger Interessen des Allgemeinwohls unzulässig. 87 Voraussetzung ist allerdings, daß es sich um den Schutz eines Gemeinschaftsguts handelt, das von einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung bislang nicht erfaßt ist. 88 Eine ernsthafte Entsorgungsalternative stellt der Abfallexport insbesondere im Hinblick auf die anfallenden Abfallmengen dennoch nicht dar, da in den übrigen EG-Staaten im Grunde ähnliche Probleme bestehen wie in Deutschland oder zumindest in absehbarer Zukunft entstehen werden. Die Abfallentsorgung auf Hoher See, die ohnehin beachtlichen internationalen Restriktionen (vgl. § 13 Abs. 2 AbfG) unterliegt,89 stellt ebensowenig eine ernsthafte Entsorgungsalternative für die Zukunft dar, nicht zuletzt deshalb, weil sie von den politischen Gremien der Bundesrepublik und auch anderer Staaten abgelehnt wird. 9O So wurden mit Ablauf des Jahres 1989 sowohl die Einbringung von Dünnsäure in die Nordsee als auch die Verbrennung auf Hoher See eingestellt. 91 Da Alternativen zu einer geordneten Entsorgung im Inland auf Dauer nicht bestehen, muß nunmehr dafür gesorgt werden, daß die Voraussetzungen einer gesicherten Abfallentsorgung geschaffen werden. Soweit zur Erreichung dieses Ziels Defizite in der Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozeßrechts hinderlich sind, sollten diese aufgezeigt und gelöst werden.

83 So Hösel/von Lersner, § 13c AbfG Rn. 2; von Wilmowsky, NVwZ 1991, 1 (5). 84 Dammert, Abfallentsorgungsplanung, S. 131 ff.; vgl. auch SRU, Sondergutachten Abfallwirtschaft, Tz. 488. 85 Gegen eine Geltung der Grundfreiheiten des EWGV für die Abfallentsorgung Hoschützky / Kreft, § 2 AbfG Erl. 0.2.; so auch der Standpunkt der Bundesregierung: Umweltbericht 1990, BT-Drs. 11 /7168, S. 173. Vgl. aber auch Grabitz, in: Festschrift für Sendler, S. 443 (451 ff.). 86 Zum Begriff des Abfalls in den EG-Richtlinien 75 /442 und 78/319 vgl. die Urteile des EuGH vom 28.3.1990, NVwZ 1990,645 (Vorabmitteilung), DVBl. 1991, 375. 87 Ausführlich von Wilmowsky, NVwZ 1991, 1 (5 ff.). 88 Matthies, in: Grabitz, EWGV, Art. 36 Rn. 9. 89 Dazu VGH Bd. Wtt., NVwZ 1990,482 f.; Ehlers/Kunig, NVwZ 1987,947 ff. 90 Vgl. Ehlers/Kunig, NVwZ 1987,947 (951). 91 Umweltbericht 1990, BT-Drs. 11 /7168, S. 171.

B. Fragestellung Ziel dieser Arbeit ist es, die Gründe für die überlange Verfahrensdauer herauszustellen und Ansätze zu finden, wie eine Verbesserung zu erreichen sein könnte, ohne aber von der Intensität des Rechtsschutzes, auf die die deutschen Gerichte nicht zu Unrecht stolz sind, gravierende Abstriche zu machen. Dazu wird zunächst das abfallrechtliche Planfeststellungsverfahren nach seinen rechtlichen Grundlagen und seinem Ablauf so dargestellt, wie es für den gesetzestechnischen Normalfall nach § 7 AbfG i. V. m. §§ 72 ff. VwVfG ausgestaltet ist, bevor die vom Gesetzgeber selbst vorgesehenen Vereinfachungsmöglichkeiten (Genehmigungsverfahren, vorzeitiger Beginn etc.) insbesondere unter dem Gesichtspunkt eines dadurch erzielbaren Beschleunigungseffekts vorgestellt werden. Danach kommt der in der jüngeren Literatur wiederholt geäußerte Ruf nach einem gestuften Zulassungsverfahren zur Sprache. Untersucht werden soll insbesondere, ob es auf der Grundlage des geltenden Rechts mit dem Wesen des Planfeststellungsverfahrens als Planungsentscheidung zu vereinbaren wäre, eine Aufsplittung des Entscheidungsprozesses in einen Vorbescheid und eine oder mehrere Teilgenehmigungen etwa nach dem Vorbild des immissionsschutzrechtlichen oder atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens vorzunehmen. Im letzten Teil der Untersuchung werden weitere Ansätze für eine effektivere Gestaltung des Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahrens de lege ferenda erörtert. Soweit es darum geht, die einzelnen Schwachstellen, d. h. die konkreten Gründe für Verfahrensverzögerungen, zu ermitteln, kann weitgehend auf neuere Untersuchungen der Umweltministerien zurückgegriffen werden, die jeweils Arbeitsgruppen mit dieser Fragestellung beauftragt haben. I Die Erhebungen basieren auf einer Fragebogenaktion unter den Zulassungsbehörden sowie auf Expertengesprächen mit Antragstellern bzw. deren Berufsvereinigungen und obersten Fachbehörden. 2

I Landesregierung NW, Überprüfung von Genehmigungsverfahren, 1989, und umfangreicher das noch nicht abgeschlossene Forschungsvorhaben des Bundesumweltministeriums: Umweltbundesamt (Hrsg.), Verbesserung von Zulassungsverfahren für Abfallentsorgungsanlagen, bisher in drei Zwischenberichten auf dem Stand vom Februar 1990. 2 UBA, 3. Zwischenbericht, S. 1.

2. Kapitel

Das gesetzliche Grundmodell der abfallrechtlichen Planfeststellung Zulassungsvoraussetzungen und Verfahrensablauf A. Überblick über die gesetzliche Regelung I. Die Zulassung von Abfallentsorgungsanlagen durch Planfeststellung Ausgangspunkt einer Betrachtung der rechtlichen Grundlagen des abfallrechtlichen Planfeststellungsverfahrens ist § 7 Abs. 1 S. 1 AbfG, wonach die Errichtung und der Betrieb sowie die wesentliche Änderung einer Abfallentsorgungsanlage planfeststellungsbedürftig sind. Eine Legaldefinition des Begriffs der Abfallentsorgungsanlage ergibt sich aus § 4 Abs. 1 S. 1 AbfG; danach ist eine Abfallentsorgungsanlage eine Anlage oder Einrichtung, in der Abfälle behandelt, gelagert oder abgelagert werden. Aus dieser auf den ersten Blick wenig konkreten Begriffsbestimmung wird jedoch schon deutlich, daß für die Qualifikation eines Vorhabens als Abfallentsorgungsanlage zwei Gesichtspunkte im Vordergrund stehen; nämlich zum einen die Abfalleigenschaft der betreffenden Stoffe und zum anderen die Handlungen, die in bezug auf diese Stoffe vorgenommen werden. Zugleich bestimmt § 4 Abs. 1 S. 1 AbfG, daß Abfälle nur in dafür zugelassenen Abfallentsorgungsanlagen entsorgt werden dürfen, und statuiert damit den sogenannten Anlagenzwang. Die materiellrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen, soweit sie sich unmittelbar aus dem Abfallgesetz ergeben, sind in § 8 Abs. 3 und 4 AbfG als zwingende Versagungsgründe aufgezählt. Daneben findet sich in § 7 Abs. 1 S. 2 AbfG ein Hinweis auf die Notwendigkeit der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens.

11. Das Planfeststellungsverfahren nach den §§ 72 ff. LVwVfG Das AbfG, dessen § 7 die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens für die Zulassung von Abfallentsorgungsanlagen anordnet, trifft - abweichend von der früheren Rechtslage I - keine eigenen Verfahrensregelungen, sondern setzt

32

2. Kap.: A. Überblick über die gesetzliche Regelung

dieses Rechtsinstitut als bekannt voraus. In der Tat ist das Instrument der Planfeststellung, das für zahlreiche Fachplanungen 2 vorgeschrieben ist, trotz der bestehenden Unterschiede in den jeweiligen fachgesetzlichen Ausgestaltungen eines der ältesten verwaltungsrechtlichen Verfahren überhaupt 3: es wurde erstmals 1838 in den §§ 3 ff. des Preußischen Eisenbahngesetzes kodifiziert. 4 Als prägende Merkmale des Planfeststellungsverfahrens, die sich auch in den entsprechenden Fachplanungsgesetzen wiederfinden, sind neben der Förmlichkeit des Verfahrens seine umfassenden, gestaltenden Rechtswirkungen zu nennen sowie das Erfordernis einer abwägenden Entscheidung über alle öffentlichen und privaten Belange, die durch die Einordnung eines fachplanerischen Vorhabens in die Umwelt berührt werden. 5 Der Ablauf des Verfahrens stellt Mitwirkungsund Einflußmöglichkeiten für Behörden und beteiligte Personen bereit, weshalb das Planfeststellungsverfahren unter Hinweis auf die so erreichte Transparenz auch als das "modernste und demokratischste" Verwaltungsverfahren bezeichnet worden ist. 6 Die durch die Einordnung als Planungsentscheidung eröffnete Möglichkeit der Abwägung aller berührten Belange erlaubt es, eine große Bandbreite von Gesichtspunkten zu berücksichtigen, wie etwa den Umweltschutz und wirtschafts-, struktur- sowie verkehrspolitische Zielsetzungen. 7 Eine derart komplexe Sachentscheidung ist allerdings nur möglich, wenn in einem Verfahren durch eine Behörde eine einheitliche Sachentscheidung 8 gefällt wird, neben der weitere behördliche Zulassungen nicht erforderlich sind. Diese sogenannte Konzentrationswirkung (vgl. § 75 Abs. 1 S. 1,2. Hs. VwVfG) bildet das "Herzstück"9 des Planfeststellungsverfahrens, d. h. sie ist sein typisches Merkmal und zugleich sein wichtigster Vorzug. 10 Nachdem unter der Geltung des alten Abfallbeseitigungsgesetzes die Durchführung des Planfeststellungsverfahrens in dem (Bundes-)Gesetz selbst geregelt war, kommt nunmehr das - allerdings in den meisten Bundesländern wortlautgleiche 11 - VwVfG des Landes zur Anwendung. Dies ergibt sich daraus, daß nach §§ 21 ff. AbfG a. F. vom 11.1.1977, BGBI. I S. 48 ff. Z. B. § 17 BFStrG, § 36 BBahnG, § 31 WHG; umfassender Überblick bei Battis, Die Verwaltung 1988, 23 (25 f.). 3 Zur historischen Entwicklung der Planfeststellung: Ronellenfitsch, VerwArch 1989, 92 (97 f.). 4 Gesetz über die Eisenbahn-Unternehmungen vom 3.11.1838, Gesetzsammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1838, S. 505 ff. 5 BT-Drs. 7/910, S. 87; Fickert, Planfeststellung für den Straßenbau, S. 74; Gegner, Die abschnittsweise Planfeststellung, S. 121; Paetow, DVBI. 1985, 369. 6 Hösel/ von Lersner, § 7 AbfG Rn. 4. 7 Barteis, Abfallrecht, S. 91. 8 Fickert, Planfeststellung für den Straßenbau, S. 73. 9 Battis, Die Verwaltung 1988,23 (33). 10 Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 335. 11 Die einzige Ausnahme stellt das Allgemeine Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein vom 18.4.1967 (GVBI. S. 131, in der Fassung der Bekanntmachung I

2

III. Die frühere Regelung in den §§ 20 ff. AbfG a. F.

33

§ 19 AbfG Landesbehörden für die Ausführung des Abfallgesetzes zuständig sind 12, und zwar mangels entgegenstehender Bestimmungen entsprechend dem grundgesetzlichen Regelfall im Wege der landeseigenen Verwaltung nach Art. 83 und 84 GG, so daß gemäß § 1 Abs. 3 VwVfG das Landesrecht anwendbar ist. 13

111. Die frühere Regelung in den §§ 20 ff. AbfG

8.

F.

Der Wechsel von einer bundesrechtlichen Regelung in den §§ 20 ff. AbfG a. F.14 zu einer landesrechtlichen Normierung in den §§ 72 ff. L VwVfG 15 wirft die Frage auf, ob hierdurch auch inhaltliche Veränderungen bewirkt worden sind. Bei einem Vergleich der beiden Komplexe rallt allerdings auf, daß die §§ 20 ff. AbfG a. F. nahezu wörtlich mit denen des VwVfG (Bund und Land) übereinstimmten. Abweichungen zeigen sich beispielsweise bei den Fristenbestimmungen in § 21 Abs.3 und 4 AbfG a. F., die eine Auslegungsfrist von nur einem Monat sowie eine Einwendungsfrist von bis zu zwei Wochen nach Ende der Auslegung anordneten, und auch bei § 26 AbfG a. F., der im wesentlichen dem § 75 VwVfG entsprach, jedoch keinen vergleichbaren Bestandsschutz 16 für eine einmal planfestgestellte Abfallentsorgungsanlage kannte. Allerdings wird durch § 8 Abs. 1 S. 3 AbfG ohnehin unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß nachträgliche Auflagen grundsätzlich möglich sind, durch das VwVfG also auch nicht ausgeschlossen sein können. Die Streichung der §§ 20 ff. AbfG a. F. stellt somit keine inhaltliche Änderung, sondern nur eine Maßnahme der Rechtsbereinigung dar,17 deren Notwendigkeit sich historisch daraus erklärt, daß zum Zeitpunkt der Entstehung des Abfallgesetzes das VwVfG schon im Entwurf l8 vorlag, jedoch nicht mehr rechtzeitig vor Verabschiedung des AbfG erlassen werden konnte,19 ein Verweis 20 auf die §§ 72 ff. VwVfG mithin noch nicht möglich war. vom 19.3.1979, GVBI. S. 181) dar; dort ist das Planfeststellungsverfahren - wenn auch ohne inhaltliche Abweichungen von den Verwaltungsverfahrensgesetzen des Bundes und der übrigen Bundesländer - in den §§ 139 bis 145 geregelt. 12 Barteis, Abfallrecht, S. 92. 13 Bothe, NVwZ 1987,938 (946); Hoppe / Schlarmann, Rechtsschutz bei der Planung, Rn. 15a. 14 AbfG vom 11.1.1977, BGBI. I S. 48 ff. IS §§ 20 ff. AbfG aufgehoben durch das Erste Gesetz zur Rechtsbereinigung des Verwaltungsverfahrens vom 18.2.1986, BGBI. I S. 265 (266). 16 Kreft, UPR 1982, 105 (111). 17 Barteis, Abfallrecht, S. 92. 18 BT-Drs. VI/1173, S.70ff., Regelung des Planfeststellungsverfahrens in den §§ 59 ff. des Entwurfs. 19 Battis, Die Verwaltung 1988, 23 (28); Hösel / von Lersner, § 7 AbfG Rn. 1. 20 Nach der Regierungsvorlage war in § 7 Abs. 1 des Entwurfes ein solcher Verweis auf das VwVfG vorgesehen; vgl. BT-Drs. VI/2401, S. 3. 3 Kleinschninger

B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen I. Gegenstand der Planfeststellung nach § 7 Abs. 1 AbfG Der Planfeststellung bedürfen nach § 7 Abs. I S. 1 AbfG zum einen die Errichtung und der Betrieb von ortsfesten Abfallentsorgungsanlagen und zum anderen die wesentliche Änderung einer solchen Anlage oder ihres Betriebs.

1. Errichtung und Betrieb ortsfester Abfallentsorgungsanlagen Eine abfallrechtsspezifische Besonderheit im Vergleich zu anderen der Planfeststellung unterliegenden Vorhaben stellt die Planfeststellungsbedürftigkeit nicht nur der Errichtung, sondern auch des Betriebs, sogar schon eines bloßen Probebetriebsi, einer Abfallentsorgungsanlage dar. Dies erklärt sich daraus, daß Planfeststellungsverfahren sich üblicherweise auf statische Vorhaben, wie etwa Verkehrswege, beziehen, bei denen der Betrieb keine eigenständige Rolle spielt, 2 da die abwägungserheblichen Umweltbelastungen durchweg schon durch den Bau einer Straße hervorgerufen werden. Im Gegensatz dazu ist die Verursachung von Beeinträchtigungen des Allgemeinwohls durch Abfallentsorgungsanlagen zwar auch von dem gewählten Standort sowie der Art und Größe der Anlage beeinflußt; aber ebensosehr sind Qualität und Maß der hervorgerufenen Belastungen auch davon abhängig, welches Entsorgungsverfahren gewählt und wie es durchgeführt wird. 3 Dieser eigenständigen Bedeutung des Anlagenbetriebs entspricht seine gesonderte Planfeststellungsbedürftigkeit. a) Begriff der Abfallentsorgungsanlage

Mit der Verwendung des Begriffs der Abfallentsorgungsanlage nimmt § 7 Abs. 1 AbfG Bezug auf dessen Legaldefinition in § 4 Abs. 1 S. 1 AbfG. Wie oben 4 bereits angedeutet, sind für die Qualifikation einer Anlage als Abfallentsorgungsanlage insbesondere die Abfalleigenschaft der dort entsorgten Stoffe und die Einordnung der vorgenommenen Handlungen als Behandeln, Lagern oder Ablagern maßgeblich. Unklar ist der Wortlaut des § 4 Abs. I S. I AbfG insoweit, I

2

3 4

Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 7 Rn. 11. Hösel / von Lersner, § 7 AbfG Rn. 6. Barteis, Abfallrecht, s. 91. 2. Kap. A. I.

I. Gegenstand der Planfeststellung nach § 7 Abs. I AbfG

35

als mit dem sogenannten Anlagenzwang festgelegt wird, daß Abfälle nur in den "dafür zugelassenen" Anlagen entsorgt werden dürften, ohne daß daraus ersichtlich wäre, worauf sich dieser Ausdruck bezieht. Gemeint sein könnte einerseits eine allgemeine Zulassung für Abfälle, so daß in einer zugelassenen Abfallentsorgungsanlage jede Entsorgungshandlung vorgenommen werden dürfte; andererseits kann sich die Wendung auch auf die in § 4 Abs. 1 S. 1 AbfG genannten Entsorgungshandlungen beziehen. s Berücksichtigt man nunmehr die systematische Einbindung des § 4 Abs. 1 S. 1 AbfG, so fällt auf, daß das Gesetz dem in einer Abfallentsorgungsanlage praktizierten Entsorgungsverfahren eine so große Bedeutung beimißt, daß es den Betrieb selbständig für planfeststellungsbedürftig erklärt (§ 7 Abs. 1 S. 1 AbfG). Außerdem wird zwischen den verschiedenen Entsorgungshandlungen auch in der Hinsicht unterschieden, daß das Einsammeln und Befördern nicht in den §§ 4 und 7 AbfG, sondern in § 12 AbfG geregelt ist. 6 Im Ergebnis muß daher die Zulassung auf jeweils bestimmte Abfalle und bestimmte Verfahren bezogen werden. 7 Diese Auslegung wird auch durch die Entstehungsgeschichte 8 bestätigt, da der Innenausschuß mit der Formulierung klargestellt sehen wollte, daß nicht jede Abfallbeseitigungsanlage für alle Abfälle geeignet sein muß. Die Legaldefinition bereitet darüber hinaus auch noch insofern Schwierigkeiten, als daß durch den Klammerzusatz der Eindruck entstehen kann, daß nur zugelassene Anlagen den Begriff der Abfallentsorgungsanlage erfüllen. Dies kann indessen nach dem Zweck des Gesetzes nicht gemeint sein. Der Anlagenzwang des § 4 AbfG dient dazu, jegliche sogenannte "wilde" Entsorgung zu verhindern 9, indem Abfallströme und Entsorgungsmöglichkeiten der staatlichen Aufsicht und Lenkung unterstellt werden. Das Erfordernis einer staatlichen Zulassung der Anlage ergibt somit nur als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung, nicht als Definitionsmerkmal einen Sinn. Der Passus ist deshalb so zu verstehen, daß die Entsorgung von Abfällen nur "in dafür bestimmten Anlagen" geschehen darf. 10 aa) Abfalleigenschaft der zu entsorgenden Stoffe

(1) Definitionselemente des Abfallbegriffs gemäß § 1 Abs. 1 AbfG 11 Entscheidendes Indiz für das Vorliegen einer Abfallentsorgungsanlage ist die Abfalleigenschaft der dort behandelten, gelagerten oder abgelagerten Stoffe. So Hösel / von Lersner, § 4 AbfG Rn. l. Barteis, Abfallrecht, S. 46. 7 In diesem Sinne auch OLG Karlsruhe, NStZ 1990, 128. 8 BT-Drs. VI/3154, S. 3 und 11 (Bericht des Innenausschusses); dazu auch Hösel/ von Lersner, § 4 AbfG Rn. l. 9 Hösel / von Lersner, § 4 AbfG Rn. 3. 10 Barteis, Abfallrecht, S.47. 11 Zu dem abweichenden EG-rechtlichen Abfallbegriff, der auch Stoffe einschließt, die für eine Wiederverwendung oder Verwertung vorgesehen sind, vgl. die zwei Urteile des EuGH vom 28.3.1990, NVwZ 1990,645 (Kurzmitteilung), DVBI. 1991, 375. 5

6

3*

2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

36

Diese Feststellung wird bei dem größten Teil der insgesamt anfallenden Abfallmenge keine nennenswerten Schwierigkeiten bereiten. Abgesehen von den Stoffen, die nach § lAbs. 3 AbfG ausdrücklich aus dem Geltungsbereich des Abfallgesetzes ausgenommen sind, lassen sich zumindest alle beweglichen Sachen, die erst einmal der entsorgungspflichtigen Körperschaft oder einem von dieser beauftragten Dritten, schlicht: der Müllabfuhr, überlassen worden sind, ohne Zweifel als Abfall i. S. d. AbfG einordnen, und zwar unabhängig von ihren konkreten Eigenschaften, insbesondere ihrer Verwertbarkeit. In diesem Sinne bestimmt § 1 Abs. 1 S. 2 AbfG, daß diese beweglichen Sachen auch im Falle ihrer Verwertung Abfälle sind (sog. WertabfalI 12). Dennoch gibt es gerade außerhalb des Bereichs der Haus- und hausmüllähnlichen Gewerbeabfälle zahlreiche Zweifelsfälle, die nur anband der Legaldefinition in § 1 Abs. I S. I AbfG zugeordnet werden können. Den Problemschwerpunkt stellen dabei in erster Linie die industriellen und für eine Verwertung vorgesehenen Reststoffe dar; seit wenigen Jahren ist daneben auch die Anwendbarkeit abfallrechtlicher Vorschriften auf sogenannte Altlasten 13 in den Vordergrund gerückt. Nach der Legaldefinition des § 1 Abs. I S. 1. AbfG sind Abfälle bewegliche Sachen, die alternativ 14 entweder die Voraussetzungen des subjektiven oder des objektiven Abfallbegriffs erfüllen. a) Bewegliche Sachen

Das AbfG trifft keine eigenständige Begriffsbestimmung darüber, was unter einer bewegliche Sache zu verstehen sein soll. Es liegt daher nahe, für beide Begriffsbestandteilezunächst auf das zivilrechtliche Verständnis zu rekurrieren. Nach § 90 BGB ist eine Sache ein körperlicher Gegenstand, d. h. ein im Raum begrenztes 15 körperliches Stück der den Menschen umgebenden Umwelt. 16 Wenn auch der Aggregatzustand unerheblich ist, so fehlt es doch beispielsweise nicht gefaßten, gasförmigen Stoffen an dieser Abgrenzbarkeit, weshalb § 1 Abs. 3 Nr. 4 AbfG, der eben diese Stoffe vom Anwendungsbereichs des Abfallgesetzes ausnimmt, überflüssig ist. 17 Auch für die Abgrenzung von beweglichen und unbeweglichen Sachen kann zunächst auf das zivilrechtliche Begriffsverständnis zurückgegriffen werden. Nach § 94 Abs. 1 BGB kommt es insoweit auf eine feste Verbindung mit Grund und Boden an. Allerdings stellen die weiter differenzierenden Bestimmungen über wesentliche und unwesentliche Bestandteile sowie insbesondere über die Scheinbestandteile (§ 95 BGB) zu speziell auf die besondere zivilrechtliehe 12

13 14 15 16

17

Bender / Sparwasser, Umweltrecht, Rn. 652a. Zu diesem Begriff siehe oben 1. Kap. A. 11. Tettinger, GewArch 1988,41 (43). Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 90 Anm. 1. Altenmüller, DöV 1978,27 (28). Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 1 Rn. 4.

I. Gegenstand der Planfeststellung nach § 7 Abs. I AbfG

37

Zwecksetzung ab; denn sie dienen der Unterscheidung, ob derartige Teile sonderrechtsfähig sind oder nicht. Dieser Gesichtspunkt ist hingegen für das Abfallrecht irrelevant. 18 Maßgeblich für den Begriff der Abfallentsorgungsanlage ist daher nicht eine rechtliche, sondern eine rein tatsächliche Betrachtungsweise. Eindeutig als unbeweglich zuordnen läßt sich der Grund und Boden selbst; das gilt auch dann, wenn das Erdreich mit ausgelaufenem Erdöl verseucht ist. 19 Bei einer solchen Durchtränkung des Erdreichs mit flüssigen Stoffen bereitet die Abgrenzung weniger Schwierigkeiten als bei einer Einlagerung von festen Stoffen. Einerseits liegt es nahe, die Vermischung des Erdreichs mit feinen Staubpartikeln von möglicherweise hohem Giftgehalt, wie es oft bei Altlastenflächen, z. B. ehemaligen Kokereigeländen, der Fall sein wird, ebenso zu behandeln wie im Fall der Durchsetzung mit flüssigen Stoffen. Andererseits kann aber die bloße Überdeckung beweglicher Abfälle mit Erdreich nicht ausreichen, um die Gegenstände als einen Teil des betroffenen Grundstücks anzusehen. 20 Derart eingelagerte Stoffe bleiben bewegliche Sachen, solange sie bei natürlicher Betrachtungsweise nicht mit dem Grundstück "verwachsen" sind. 21 Dies ist etwa der Fall bei langjährig bestehenden Verfüllungen, Auf- oder Anschüttungen, die mit einer Erdschicht bedeckt und mit Sträuchern oder Bäumen bewachsen sind. Für einen großen Teil der betroffenen Flächen wird daher der Anwendungsbereich des AbfG nicht eröffnet sein. 22 Andererseits bleibt das Erdreich aber auch nur solange Teil des Grundstücks, wie es nicht von diesem durch Aushub getrennt wird. 23 Auf kontaminierte Grundstücke angewendet bedeutet dies, daß das betroffene Grundstück zunächst kein beweglicher Gegenstand, folglich kein Abfall i. S. d. § 1 Abs. 1 S. 1 AbfG ist. Wenn aber die Sanierung beginnt, indem das Erdreich gegen unbelastetes ausgetauscht und deponiert wird, handelt es sich um eine bewegliche Sache, so daß das AbfG insoweit anwendbar ist. 24 Erfolgt die Sanierung hingegen an Ort und Stelle, so ist zu unterscheiden, ob das Erdreich in seiner ursprünglichen Lage belassen ("in-situ-Verfahren") oder zur Behandlung ausgebaggert wird ("on-siteVerfahren").25 Bei dem "in-situ-Verfahren" wird allerdings regelmäßig durch 18 Vgl. Altenmüller, DöV 1978,27 (30). Demgegenüber schlägt Schwachheim, NVwZ 1989, 128 (129) eine Korrektur über den objektiven bzw. subjektiven Abfallbegriff vor, ohne aber durch diese am Wortlaut vorbeigehende Problemverschiebung irgendwelche Vorteile zu erreichen. 19 OVG Lüneburg, NuR 1990, 180; so auch schon Altenmüller, DöV 1978,27 (30). 20 Paetow, NVwZ 1990,510 (511); Schwermer, in: Kunig/Schwermer/Versteyl, AbfG, § 1 Rn. 5. 21 Paetow, NVwZ 1990, 510 (511); Schink, DVBI. 1985, 1149 (1151) m. w. N.; Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 1 Rn. 5. 22 Schink, DVBI. 1985, 1149 (1151). 23 Bender / Sparwasser, Umweltrecht, Rn. 655; Buch, UPR 1990,92; Paetow, NVwZ 1990,510 (511); Schink, DVBI. 1985, 1149 (1151). 24 So für erdölverseuchtes Erdreich OVG Lüneburg, NuR 1990, 180. 25 Dazu Paetow, NVwZ 1990,510 (515).

2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

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die Sanierungsmaßnahme nicht die Eigenschaft des Erdreichs als bewegliche Sache begründet, da kein Aushub des Erdreichs erfolgt. Handelt es sich nun aber um einen beweglichen Gegenstand, so hängt die Abfalleigenschaft davon ab, ob die Merkmale des subjektiven oder des objektiven Abfallbegriffes erfüllt sind.

ß) Subjektiver Abfallbegriff Für den subjektiven Abfallbegriff ist maßgeblich, daß der Abfallbesitzer sich der beweglichen Sache entledigen will. Mit der Bezugnahme auf den Willen des "Besitzers" ist wiederum ein aus dem Zivilrecht (§§ 854 ff. BGB) geläufiger Begriff verwendet worden. Allerdings stehen auch hier der vollständigen Übernahme des zivilrechtlichen Begriffsverständnisses wegen des unterschiedlichen Regelungszwecks Bedenken entgegen. Denn im Abfallrecht geht es nicht um die Zuordnung von Herausgabeansprüchen, Aneignungsrechten oder gar eines mittelbaren Besitzrechts, 26 sondern allein darum, festzulegen, wer über die Aufgabe der Sache in für das Abfallrecht erheblicher Weise entscheiden kann. Dabei kann die entsorgungspflichtige Körperschaft keine langwierigen Nachforschungen über an der Sache bestehende Rechte durchführen. Deshalb ist allein auf den Willen desjenigen abzustellen, der die tatsächliche Herrschaftsgewalt 27 innehat. Der Entledigungswille wiederum könnte nach einem allgemeinen Wortverständnis in der Weise verstanden werden, daß er schon dann erfüllt ist, wenn der Besitzer die Sache für sich nicht mehr haben will. Allerdings muß die Gesetzesauslegung immer den Gesamtzusammenhang einer Norm und ihre spezielle Zwecksetzung im Auge behalten. Mit Blick auf den Abfallbegriff ist dessen spezifische Funktion darin zu sehen, daß durch ihn der Anwendungsbereich des Abfallgesetzes, insbesondere auch die ersatzlose Überlassungspflicht nach § 3 Abs. I AbfG ausgelöst wird. Wenn das Abfallgesetz schon den bloßen Entledigungswillen ohne Rücksicht auf eventuell bestehende sinnvolle Nutzungs- oder Verwertungsmöglichkeiten genügen läßt, so sollte dieser Entledigungswille indessen eng ausgelegt werden 28, um wenigstens die Fälle auszuschließen, in denen der Besitzer zwar den Gegenstand nicht mehr für sich selbst haben will, doch die Möglichkeit einer Verwertung durch einen anderen auch nicht ausschließt 29 • Entledigen bedeutet nach alledem, daß "der Besitzer den Gewahrsam an der beweglichen Sache aufgibt, ohne damit zugleich einen anderen Zweck im Sinne einer irgendwie gearteten weiteren Verwendung der Sache zu verfolgen".3o Der Altenmüller, DöV 1978,27 (32). Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § I Rn. 9 m. w. N.; Altenmüller, DöV 1978,27 (32). 28 Altenmüller, DöV 1978, 27 (31); Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 1 Rn. 15. 29 Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 1 Rn. 14. 26 27

I. Gegenstand der Planfeststellung nach § 7 Abs. I AbfG

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Zweck der Gewahrsamsaufgabe darf nur darin liegen, sich von der Sache durch deren Beseitigung zu befreien, ohne sich oder einem anderen einen Vorteil zukommen lassen zu wollen. 31 Will der Besitzer die Sache also im Wirtschaftskreislauf halten und einer Weiterverwertung oder -verarbeitung zuführen, so sind die Voraussetzungen des subjektiven Abfallbegriffs nicht erfüllt. 32 Diese Beurteilung läßt sich sogar für den Fall aufrechterhalten, daß der Besitzer dem Abnehmer ein Entgelt zahlt, vorausgesetzt, daß die Vergütung geringer ist als die sonstigenfalls zu entrichtende Entsorgungsgebühr, 33 denn im Endeffekt ist ein solches Geschäft für den Abfallbesitzer schließlich doch vorteilhaft. Dieser Entledigungswille kann allerdings rechtlich nur dann beachtlich sein, wenn er sich nach außen erkennbar dokumentiert. 34 Dies kann gleichermaßen durch aktives Tun, etwa durch das Bereitstellen für die Abholung durch die Müllabfuhr, wie auch durch Unterlassen, beispielsweise durch langjähriges Liegenlassen von Bauschutt 35, geschehen. Allerdings bewegt sich die Feststellung des Entledigungswillens bzw. eines weiteren Verwendungs willens in dem oftmals unklaren Feld der Motivforschung. Daher ist nach objektiven Gesichtspunkten eine Korrektur der bei dem Besitzer subjektiv vorhandenen Zielsetzungen geboten, wenn der angegebene Verwendungszweck mit den betreffenden Materialien gar nicht erzielt werden kann. 36 Dadurch, daß es auf den Entledigungswillen des jeweiligen Besitzers ankommt, ist es möglich, daß ein Gegenstand, der einmal die subjektive Abfalleigenschaft besaß, von einem anderen an sich genommen werden kann, der ihn noch verwenden möchte. Typisches Beispiel ist die" Vorabsortierung" von Sperrmüll. y) Objektiver Abfallbegriff

Nach objektiver Betrachtung handelt es sich bei einer beweglichen Sache 37 dann um Abfall, wenn ihre geordnete Entsorgung zur Wahrung des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere des Schutzes der Umwelt, geboten ist (§ 1 Abs. 1 S. 1 AbfG). Die Belange des allgemeinen Wohls sind für den Anwendungsbereich des Abfallrechts konkretisiert durch die beispielhafte, nicht abschließende 38 Aufzählung von Schutzgütern in § 2 Abs. 1 S. 2 AbfG.39 Aus Nr. 5 und 6 des § 2 Abs. 1 S. 2 AbfG wird deutlich, daß die Entsorgung auch im Interesse von Gütern, 30 BVerwG, UPR 1990, 192; BGH, UPR 1990,297 (299); OLG Köln, NJW 1986, 1117 (1118). 31 Schwenner, in: Kunig / Schwenner / Versteyl, AbfG, § 1 Rn. 14. 32 BGH, UPR 1990,297 (299) m. w. N. 33 Schwenner, in: Kunig / Schwenner / Versteyl, AbfG, § 1 Rn. 15. 34 BVerwG, UPR 1990, 192; Hösel/von Lersner, § 4 AbfG Rn. 8. 35 BVerwG, UPR 1990, 192. 36 BayObLG, UPR 1990, 192. 37 Zu diesem Begriff siehe oben 2. Kap. B. I. 1. a) aa) (1) a). 38 § 2 Abs. 1 S. 2 AbfG: "insbesondere". 39 BGH, UPR 1990,297; BayObLG, UPR 1990, 192; Altenmüller, DöV 1978,27 (31).

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2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

die nicht dem Umweltschutz zuzurechnen sind, geboten sein kann, etwa zur Abwehr von Störungen des Orts bildes durch das Liegenlassen von störenden Gegenständen. 40 Auf die subjektive Sichtweise des Abfallbesitzers kommt es in diesem Fall nicht an; 41 er ist also gegen seinen Willen zur Überlassung von objektiv als Abfälle einzustufenden Sachen verpflichtet (§ 3 Abs. 1 AbfG). Dieser Gesichtspunkt ist für die Auslegung des objektiven Abfallbegriffs insofern von Bedeutung, als daß ein zu weites Begriffsverständnis mit der grundrechtlich verbürgten Eigentumsfreiheit kollidieren könnte. Zwar erlaubt Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG gesetzliche Bestimmungen des Inhalts und der Schranken des Eigentums, doch ist eine solche Regelung, wie alles staatliche Handeln, an das Rechtsstaatsprinzip und damit auch an dessen spezielle Ausprägung in Form des Übermaßverbotes gebunden. 42 Dies bedeutet, daß die Entsorgung derartiger Abfälle nicht nur zur Abwehr von Störungen des Allgemeinwohls geeignet sein muß, sondern daß darüber hinaus auch kein milderes Mittel zur Verfügung stehen darf als die Überlassung dieser Stoffe "gerade als Abfall"43 an die entsorgungspflichtige Körperschaft mit anschließender Entsorgung durch diese Körperschaft. 44 Werden also z. B. Altglas, Altpapier und ähnliche Altstoffe 45 umweltunschädlich verwertet, so ist keine zwangsweise Unterstellung unter das Regime des Abfallrechts erforderlich. 46 Folglich handelt es sich bei solchen Anlagen, in denen diese Stoffe verwertet werden, nicht um Abfallentsorgungsanlagen. Anderes ergibt sich, wenn die Altstoffe nicht gewerblichen oder karitativen Sammlern, sondern der entsorgungspflichtigen Körperschaft zur Verwertung überlassen werden, weil dann gemäß der Spezialvorschrift des § 1 Abs. 1 S. 2 AbfG doch das Abfallrecht zur Anwendung kommt. 47 Fraglich ist auch, ob für den objektiven Abfallbegriff der Wert der Sache zu berücksichtigen ist. Begründen ließe sich eine solche Auslegung möglicherweise mit einer Art sozialem Vorverständnis des Begriffs Abfall. Danach wären Sachen, die noch einem vernünftigen Zweck dienen und demzufolge noch einen Gebrauchswert haben, kein Abfall. 48 Dieses Begriffsverständnis stößt allerdings auf 40

OLG Düsseldorf, GewArch 1983,399 (400 f.).

41 Tettinger, GewArch 1988, 41 (43). 42 BVerfGE 70, 278 (286); Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 30 m. w. N. 43 Herkommer / Kreßel / Wollenschläger, UPR 1989, 257 (259); Hösel / von Lersner,

§ 1 AbfG Rn. 9; Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 1 Rn. 22. 44 BVerwG, DVBI. 1984, 225 (226). 45 Diese Stoffe unterfallen auch bei gewerblichen Sammlungen im allgemeinen nicht dem objektiven Abfallbegriff; so deutlich BGH, NJW 1990,2471 (2472) im Anschluß an OVG NW, GewArch 1983,247. 46 Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 1 Rn. 28. 47 BGH, NJW 1990, 2471 (2472). 48 So BayVGHE 29, 42 (43). Ohne Begründung spricht sich BGH, NJW 1990,2477 (2478), für einen objektiven Wertmaßstab aus.

I. Gegenstand der Planfeststellung nach § 7 Abs. I AbfG

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gewichtige Bedenken. Einerseits ist unklar, ob auf einen subjektiven oder einen objektiven Wertmaßstab abzustellen ist, wobei jedoch beide unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit problematisch sind. So bewegen sich subjektive Werteinschätzungen im Bereich des für den Außenstehenden oftmals Unwägbaren; der objektive Wert einer Sache hingegen ist bisweilen starken MarktpreisSchwankungen unterworfen. Auch unter Beachtung der abfallrechtlichen Zwecksetzung, durch Abfälle drohende Gefahren abzuwehren, ist daher die Ansicht vorzugswürdig, nach der der Wert der Sache für ihre rechtliche Behandlung als Abfall im objektiven Sinne unerheblich ist. 49 (2) Spezifika des Sonderabfallbegriffs Im Gegensatz zur rechts- und umweltpolitischen Diskussion findet der Begriff des Sonderabfalls im Abfallgesetz keine Verwendung. Der Sprachgebrauch ist demzufolge nicht immer einheitlich; 50 teilweise werden sowohl die sog. gefährlichen Sonderabfälle i. S. d. § 2 Abs.2 AbfG als auch die in § 3 Abs.3 AbfG angesprochenen Abfälle als Sonderabfälle bezeichnet. 51 Beiden Normen gemein ist, daß sie keinen neuen Abfallbegriff schaffen, sondern den Abfallbegriff des Abfallgesetzes voraussetzen. 52 Dabei sind allerdings an die Qualität der notwendigen Entsorgung für beide Fallgruppen unterschiedliche Anforderungen zu stellen. Im Fall des § 2 Abs. 2 AbfG handelt es sich um Sonderabfälle im engeren Sinne, die infolge ihrer stofflichen Eigenschaften potentiell besonders gefährlich sind, weshalb zu ihrer Entsorgung im Vergleich zum Hausmüll zusätzliche Maßnahmen angezeigt sein können. 53 Zu diesem Zweck spricht die Vorschrift eine Ermächtigung zum Erlaß einer Verordnung zur Bestimmung von Abfällen 54 aus, für die derart gesteigerte Anforderungen gelten. Darin liegt allerdings kein Verbot der gemeinsamen Entsorgung zusammen mit Hausmüll; je nach den Verhältnissen vor Ort, etwa wenn die Hausmüllentsorgung in einer Verbrennungsanlage bei ausreichend hohen Temperaturen erfolgt, kann auch auf den Einsatz spezieller Anlagen verzichtet werden. § 2 Abs. 2 AbfG dient der Sicherstellung einer ausreichenden Überwachung dieser potentiell gefährlichen Stoffe. 55

49 Altenmüller, DöV 1978,27 (30); Franßen, in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, S. 399 (410); Schink, DVBI. 1985, 1149 (1153) m. w. N. 50 Hoppe / Beckmann, Umweltrecht, § 28 Rn. 40. 51 UBA, 1. Zwischenbericht, S. 32. 52 Hoschützky / Kreft, § 2 AbfG Erl. 2.3. 53 Hoppe, Eildienst LKT NW 1988, 183 (186). 54 Verordnung zur Bestimmung von Abfällen nach § 2 Abs. 2 AbfG (Abfallbestimmungs-Verordnung) vom 3.4.1990, BGBL I S.614; dazu Weidemann, NVwZ 1991, 226 ff. 55 Hoschützky / Kreft, § 1 AbffiestV, Erl. 5.

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2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

Sonderabfälle im formellen 56 oder weiteren 57 Sinne sind die nach § 3 Abs. 3 AbfG von der öffentlichen Entsorgung ausgeschlossenen Abfälle. Kriterien für die Entscheidung der entsorgungspflichtigen Körperschaft, bestimmte Stoffe von der Entsorgung auszuschließen, können sowohl ihre Art als auch ihre Menge sein, wenn feststeht, daß die vorhandenen Einrichtungen nicht ausreichen, um der grundsätzlich nach § 3 Abs. I AbfG bestehenden Entsorgungspflicht der öffentlichen Hand nachzukommen. 58 So ist z. B. ein Ausschluß von nicht verunreinigtem Bauschutt allenfalls im Hinblick auf die anfallende Menge zulässig. 59 Als milderes Mittel gegenüber einem generellen Ausschluß ist auch ein präventiver Ausschluß gefährlicher Stoffe mit Zulassungsvorbehalt nach einer Prüfung im Einzelfall denkbar. 60 (3) Ausgrenzung der Reststoffe

Trotz des mittlerweile weitestgehend geklärten Abfallbegriffs nach § 1 Abs. I AbfG bereitet in der Praxis die Einordnung von Rückständen aus industriellen Betriebsabläufen unter dem Gesichtspunkt des Verhältnisses von Abfall- und Immissionsschutzrecht häufig Schwierigkeiten. Da das abfallrechtliche PIanfeststellungsverfahren als langwierig gilt, liegt das Bestreben nahe, durch Verneinung der Abfalleigenschaft eines Stoffes in das vermeintlich schnellere Anlagengenehmigungsrecht nach dem BlmSchG auszuweichen. 61 Zwar ermächtigt § 2 Abs. 3 AbfG die Bundesregierung zum Erlaß einer Reststoffbestimmungs-Verordnung 62 , die den Kreis der Reststoffe festgelegt, für die bestimmte Vorschriften 63 des AbfG anwendbar sind, doch betrifft dies nicht die für das Anlagenzulassungsrecht maßgeblichen §§ 4 und 7 AbfG.64 Nach § 5 Abs. I Nr. 3 BlmSchG zählt es zu den dynamischen, d. h. während der gesamten Betriebszeit zu beachtenden 65 Grundpflichten 66 des Betreibers einer nach § 4 BImSchG genehmigungsbedürftigen Anlage, Reststoffe nur dann als Abfälle zu beseitigen, wenn ihre Vermeidung oder Verwertung "technisch nicht möglich oder unzumutbar" ist. Die Auslegung dieser wenig konkreten Formulierung wirft entsprechende rechtliche Probleme auf,67 die allerdings für das Abfall56 57 58 59

Friauf, Altlastensanierung durch Lizenzabgaben, S. 21. Hoppe, Eildienst LKT NW 1988, 183 (186). OVG Rh.Pf., UPR 1989,38. BVerwG, NVwZ 1990,467. 60 VGH Bd.Wtt., NVwZ 1989, 174 (177). 61 Appold/Beckmann, VerwArch 1990,307 (320). 62 Reststoftbestimmungsverordnung vom 3.4. 1990, BGBI. I S. 631. 63 Vgl. Abfall- und Reststoffüberwachungs-Verordnung, vom 3.4.1990, BGBI. I S.648. 64 Hoschützky / Kreft, § 2 AbfG Erl. 3.1 und 3.2. 65 Hansmann, NVwZ 1990,409. 66 Jarass, BlmSchG, § 5 Rn. 37.

I. Gegenstand der Planfeststellung nach § 7 Abs. 1 AbfG

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recht nicht von Belang sind, 68 da die Kontrolle der Erfüllung von Betreiberpflichten der immissionsschutzrechtlichen Anlagenüberwachung obliegt. Entscheidend ist allein, wie der Begriff des Reststoffs im Verhältnis zum Abfallbegriff zu definieren ist und ob immissionsschutzrechtliche Verwertungshandlungen zugleich dem Anwendungsbereich des AbfG unterliegen können. 69 Der Begriff des Reststoffes wird neuerdings in dem Musterentwurf70 für eine Verwaltungsvorschrift zu § 5 Abs. I Nr.3 BImSchG wie folgt definiert 71 : ,,Reststoffe sind alle Stoffe, die bei der Energieumwandlung oder bei der Herstellung, Bearbeitung oder Verarbeitung von Stoffen anfallen, ohne daß der Zweck des Anlagenbetriebs hierauf gerichtet ist. Zu den Reststoffen gehören auch Betriebsabwässer, nicht hingegen Abgase. Für die Feststellung, worauf der Zweck des Anlagenbetriebs gerichtet ist, sind grundsätzlich die Angaben des Antragstellers maßgeblich. In Zweifelsfallen ist die unter Fachleuten bestehende Verkehrsanschauung ergänzend heranzuziehen. So kann z. B. nach der Verkehrsanschauung nicht davon ausgegangen werden, daß der bei der Abgasentschwefelung im Kraftwerk anfallende Gips als ein Produkt anzusehen sei, auf dessen Herstellung der Betrieb des Kraftwerks ausgerichtet ist. Würde dagegen der Anlagenbetreiber einen bestimmten Stoff auch noch entstehen lassen, wenn er das Hauptprodukt der Anlage ohne den Anfall dieses Stoffes mit gleichen oder geringeren Kosten herstellen könnte, so handelt es sich nicht um einen Reststoff, sondern um ein weiteres Produkt, auf dessen Herstellung der Zweck des Anlagenbetreibers gerichtet ist." Diese Begriffsbestimmung lehnt sich eng an die bereits in Rechtsprechung und Schrifttum gefundenen Formulierungen an, nach denen Reststoffe solche Stoffe sind, die bei der Herstellung, Be- oder Verarbeitung von Gütern anfallen, ohne daß dies vom Betreiber angestrebt war. n Sie kann daher den weiteren Überlegungen zugrunde gelegt werden. Fraglich ist nun, ob die hinsichtlich dieser Stoffe vorzunehmenden Verwertungsaktivitäten allein nach dem BImSchG oder (auch) nach dem Abfallgesetz zu beurteilen sind. Nach § 5 Abs. I Nr. 3 BImSchG sind Reststoffe, die nicht dem Vermeidungs- und Verwertungsgebot unterliegen, als Abfälle zu beseitigen. 67 Ausführlich, wenn auch noch zu der alten Gesetzesfassung: Breuer, Die Abgrenzung zwischen Abwasserbeseitigung, Abfallbeseitigung und Reststoffverwertung, S. 21 ff. 68 Barteis, Abfallrecht, S. 59. 69 Dies bejaht ein häufig kritisiertes Urteil des HessVGH, NJW 1987,393. 70 Musterentwurf des Länderausschusses für Immissionsschutz vom 12. /14. 10.1988, NVwZ 1989, 130 ff.; zuerst in Kraft getreten in Rheinland-Pfalz zum 31.12.1988, MinBI. Rh.Pf. 1988 S. 546. 71 Abschnitt I, 3.1 des Entwurfs, abgedruckt in NVwZ 1989, 130. n Barteis, Abfallrecht, S. 182; Breuer, Die Abgrenzung zwischen Abwasserbeseitigung, Abfallbeseitigung und Reststoffverwertung, S. 20; Fluck, NuR 1989,409 (410); Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 38 m. w. N.; Rebentisch, UPR 1989, 209 (211).

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2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

Diese Wortwahl spricht für eine Auslegung, nach der "Reststoff' einen Oberbegriff darstellt, unter den auch Abfälle zu fassen wären. Dann kämen beide Pflichtenkreise, der des BImSchG und der des AbfG, nebeneinander zur Anwendung. 73 Andererseits spricht das jeweilige Regelungsziel gegen ein derartiges Verständnis; während § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG durch die Überprüfung der Produktionsabläufe auf den sparsamen Umgang mit Rohstoffen hin wirken will 74 und zu diesem Zweck regelt, welche Stoffe ohne Verstoß gegen das aus dieser Regelung folgende Entledigungsverbot 75 überhaupt der Abfallbeseitigung überlassen werden dürfen, bestimmt das Abfallgesetz 76, wie ein solcher Stoff zu behandeln ist, wenn er trotz Beachtung der immissionsschutzrechtlichen Verwertungspflicht als Abfall zu entsorgen ist. 77 Deshalb ist von einem getrennten Anwendungsbereich der Begriffe Reststoff und Abfall auszugehen. 78 Von dieser begrifflichen Unterscheidung geht auch der Gesetzgeber aus, indem er in § 2 Abs. 3 AbfG voraussetzt, daß es Stoffe gibt, die keine Abfälle, sondern Reststoffe sind. Soweit die Behandlung des Reststoffes als Verwertung i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG anzusehen ist, handelt es sich folglich nicht um eine Maßnahme der Abfallentsorgung; also bedarf die dafür erforderliche Anlage nicht der abfallrechtlichen Planfeststellung. Aber auch die Abgrenzung von Verwertung und sonstiger Abfallentsorgung kann im Einzelfall schwierig sein. Dazu ist zu unterscheiden, ob es sich um nach § 3 Abs. 3 AbfG von der öffentlichen Entsorgung ausgeschlossene Stoffe handelt oder nicht. Liegt die Entsorgung nämlich in den Händen der entsorgungspflichtigen Körperschaft, so handelt es sich mit dem Zeitpunkt ihrer Überlassung in jedem Fall um Abfälle (§ 1 Abs. 1 S.2 AbfG)19, ungeachtet dessen, ob der Betreiber nach dem Immissionsschutzrecht zur Verwertung verpflichtet gewesen wäre. Dies zu kontrollieren, ist Sache der Aufsicht nach dem BImSehG. Die Nichterfüllung der immissionsschutzrechtlichen Reststoffverwertungspflicht kann aber keine Auswirkungen auf die Abfalleigenschaft der einmal in die öffentliche Entsorgung gelangten Stoffe haben. Anders verhält es sich, wenn die entsorgungspflichtige Körperschaft gerade die in der Anlage anfallenden Reststoffe gemäß § 3 Abs. 3 AbfG von der Entsorgung ausgenommen hat, mit der Folge, daß dann der Besitzer selbst für die Entsorgung verantwortlich ist (§ 3 Abs. 4 AbfG). In diesem Fall muß im Einzelfall 73 So Kutscheidt, NVwZ 1986,622 (623). 74 BT-Drs. 7/179, S. 60; vgl. Jarass, BImSehG, § 5 Rn. 37. 75 Breuer, Die Abgrenzung zwischen Abwasserbeseitigung, Abfallbeseitigung und Reststoffverwertung, S. 19; Ruck, NuR 1989,409 (411); Schwermer, in: Kunig / Schwermer/Versteyl, AbfG, § 1 Rn. 17. 76 Bzw. andere Rechtsnormen, die die Entsorgung von Stoffen regeln, die nicht dem AbfG unterfallen, z. B. Abwässer; vgl. Jarass, BImSehG, § 5 Rn. 40. 77 Hansmann, NVwZ 1990,409 (410). 78 Im Ergebnis inzwischen ganz überwiegende Auffassung; ova Rh.Pf., UPR 1990, 316; OVG Saarl., NVwZ 1990,491; Tettinger, in: Festschrift für Fabricius, S. 307 (310). 79 Ruck, NuR 1989, 409 (413).

I. Gegenstand der Planfeststellung nach § 7 Abs. 1 AbfG

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unterschieden werden, ob die konkrete Ausgestaltung der Behandlung dieser Stoffe der Verwertung oder bloß der sonstigen Entsorgung dient. Eine solche Einzelfallbetrachtung geht allerdings auf Kosten der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. 80 Eine Abfallentsorgung durch Verwertung (§ lAbs. 2 AbfG) kommt demgegenüber für Reststoffe nicht in Betracht. Eine Verwertung i. S. d. § 5 Abs. I Nr. 3 BlmSchG liegt dann nicht vor, "wenn die stoffliche oder energetische Nutzung lediglich nachgeordneter Zweck eines hauptsächlich auf Entledigung ausgerichteten Vorganges ist". 81 Die Verwertungsabsicht muß also im Vordergrund stehen; es reicht hingegen nicht, wenn der Einsatz als Brennstoff den "willkommenen Nebeneffekt" hat, daß Aufwendungen für andere Energieträger eingespart werden können. 82 Ebensowenig dient eine Anlage überwiegend der Verwertung, wenn diese nur dann als wirtschaftlich sinnvoll anzusehen ist, wenn man die eingesparten Entsorgungskosten miteinbezieht. 83 Eine konkrete Abgrenzung fallt aber auch anhand dieser Kriterien immer noch schwer, beispielsweise bei der Einbringung von Rauchgasreinigungsrückständen in Bergbaugruben, die evtl. als wirtschaftlich sinnvolle Versatzmaßnahme, also nicht als Abfallentsorgung, angesehen werden kann. 84 Unsicherheiten bestehen weiterhin bei der Einordnung von Sortieranlagen, Bauschuttaufbereitungsanlagen sowie Kompostierungsanlagen. 85 Eine Lösung kann hier jeweils nur durch eine Betrachtung des konkreten Einzelfalls gefunden werden. Folgt man nun diesem soeben beschriebenen Begriffsverständnis, so kommt man bei der praktischen Anwendung zu dem Ergebnis, daß technisch ganz ähnliche Anlagen rechtlich bisweilen sehr unterschiedlich behandelt werden müssen. So kann es theoretisch vorkommen, daß von zwei baugleichen Anlagen nur eine als Abfallentsorgungsanlage zu qualifizieren ist. Denkbar ist dies, wenn in diesen Anlagen eine Wiederverwertung stattfindet und sich eine der Anlagen in öffentlicher Trägerschaft befindet, so daß die Abfalleigenschaft der Einsatzstoffe aus § lAbs. 2 AbfG folgt. Eine technisch und baulich vergleichbare Anlage, die der inner- oder außerbetrieblichen Verwertung von im Betrieb angefallenen Reststoffen i. S. d. § 5 Abs. I Nr. 3 BlmSchG dient, wäre hingegen bloß nach § 4 BlmSchG genehmigungspflichtig, sofern es sich um eine emittierende Anlage handelt. Des weiteren ist auch vorstellbar, daß die Verbrennung industrieller Rückstände im Sommer allein der Entsorgung dient, im Winter hingegen zur Erzeugung von Heizungswärme genutzt wird und deshalb eher als Reststoffverwertung einzuordnen wäre. 80 Bruns / Jasper, vr 1987, 365 (367); in diesem Sinne auch der Bericht des Innenausschusses, BT-Drs. 10/5656, S. 52. 81 Musterentwurf einer Verwaltungsvorschrift zu § 5 Abs.1 Nr.3 BImSehG, Abschnitt 1.,3.1, NVwZ 1989, 130; OVG Rh.Pf., UPR 1990,316. 82 Hansmann, NVwZ 1990,409 (411). 83 Hösel / von Lersner, § 4 AbfG Rn. 9. 84 Appold / Beckmann, Verw Arch 1990, 307 (320). 85 UBA, 3. Zwischenbericht, S. 93.

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2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

Die unsichere Abgrenzung von Abfallentsorgung und Reststoffverwertung ist deshalb häufig Anlaß für Kritik an der bisherigen rechtlichen Einordnung dieser Begriffe. 86 Der HessVGH kam sogar zu dem Schluß, daß aus dem Schutzzweck des Abfallgesetzes die Anwendbarkeit abfallrechtlicher Vorschriften auf derartige Reststoffe folgen müsse,87 weil die objektive Gefahrlichkeit bestimmter Stoffe es ausschließe, sie von einer Zulassungspflicht freizustellen. Vielmehr sei der objektive Abfallbegriff ungeachtet der Reststoffeigenschaft erfüllt. Dieses Urteil beruht allerdings auf dem Irrtum, daß immissionsschutzrechtliche Verwertungsanlagen gar keiner rechtlichen Zulassungskontrolle unterliegen. Das ist indessen nicht der Fall, da die Kontrolle der Erfüllung der produktionsbezogenen Grundpflicht nach § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG sich auch auf die ordnungsgemäße Verwertung erstreckt, selbst dann, wenn diese außerhalb der genehmigungsbedürftigen Anlage durch einen Dritten erfolgt. 88 Die Verwertung der Reststoffe unterliegt also einer vollständigen Kontrolle nach dem Immissionsschutzrecht. Nunmehr ist klar geworden, daß die Unterscheidung von Abfall und Reststoff eine in der Sache nicht immer einsichtige Weichenstellung für die weitere rechtliche Beurteilung darstellt. Um zu verhindern, daß sich hieraus auch unterschiedliche materiell-rechtliche Sicherheitsanforderungen ergeben, erfaßt der Anwendungsbereich der 17. BImSchV gleichermaßen Abfälle und ähnliche brennbare Stoffe. 89 bb) Entsorgungsmaßnahmen i. S. d. § 4 Abs.l S.l AbfG

Abfallentsorgungsanlagen werden in § 4 AbfG danach qualifiziert, daß in ihnen Abfälle behandelt, gelagert und abgelagert werden. Erstaunlich ist zunächst, daß hier nicht der in § 1 Abs. 2 AbfG definierte Begriff der Abfallentsorgung verwendet worden ist. Vergleicht man jedoch die in § 1 Abs.2 mit den in § 4 Abs. 1 AbfG aufgezählten Handlungen, so wird deutlich, daß Einrichtungen zum Einsammeln und Befördern von der Planfeststellung ausgenommen 90 und statt dessen diese Tätigkeiten einer Genehmigungspflicht nach § 12 AbfG unterstellt worden sind. 91 Keine Abfallentsorgungsanlagen sind also beispielsweise Mülltonnen, Container, Müllfahrzeuge oder auch Müllschächte in großen Gebäuden. 92 86 UBA, 3. Zwischenbericht, S. 93. 87 HessVGH, NJW 1987,393. 88 Fluck, NuR 1989, 409 (412); Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 40; Kutscheidt, NVwZ

1986,622 (623); Tettinger, GewArch 1988,41 (43). 89 § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 der 17. BlmSchV; vg!. auch die Pressemitteilung des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom 25.4.1990, in: Eildienst LKT NW 1990, 268. 90 Gegebenenfalls sind solche Anlagen jedoch nach anderen Normen, z. B. § 18 StVZO, zulassungsbedürftig; Hösel/von Lersner, § 4 AbfG Rn. 7. 91 Barteis, Abfallrecht, S. 50. 92 Hoschützky / Kreft, § 4 AbfG Er!. 1.4.

I. Gegenstand der Planfeststellung nach § 7 Abs. I AbfG

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Auffallig ist weiterhin, daß in der Aufzählung der planfeststellungsbedürftigen Maßnahmen ebenfalls nicht der Begriff der Abfallverwertung genannt ist, der in § 1 Abs. 2 AbfG als "Gewinnen von Stoffen oder Energie aus Abfallen" legaldefiniert ist. Doch wird regelmäßig die Verwertung von Abfallen mit deren Behandlung und zeitweise auch Lagerung einhergehen; darüber hinaus spricht auch der Gesetzestext selbst für eine Einbeziehung der Abfallverwertungsanlagen, da § 7 Abs. 2 S. 2 AbfG unter dem Gesichtspunkt der ausnahmsweise nicht planfeststellungs-, sondern nur genehmigungs bedürftigen Abfallentsorgungsanlagen ausdrücklich Anlagen zur Sortierung von Hausmüll und Kompostierung nennt,93 wobei derartige Anlagen der Verwertung dienen und zugleich eine Abfallbehandlung voraussetzen. Im einzelnen versteht man unter Maßnahmen zur Abfallbehandlung sowohl mechanische als auch physikalische oder chemische Vorgänge, die zu einer qualitativen oder quantitativen Veränderung der Abfalle führen,94 wie etwa Verdichten 95, Zerkleinern, Sortieren, Kompostieren und auch Verbrennen. 96 Bei der Verbrennung ist allerdings zu unterscheiden zwischen dem Zweck der bloßen Volumenreduzierung 97 und dem Ziel der Energienutzung. Letzteres ist nur denkbar, wenn der Abfall selbst als Energieträger geeignet ist, d. h. ohne wesentliche Energiezufuhr selbständig brennt. 98 Während es sich in diesem Fall um eine Maßnahme der Abfallverwertung handelt, die nach § 1 a Abs. 2 und § 3 Abs. 2 S.3 AbfG vorrangig anzustreben ist, so fallt eine Verbrennung, die nur der Volumenreduzierung dient, unter den Begriff der grundsätzlich nachrangigen 99 sonstigen Entsorgung. 100 Allerdings hat auch eine solche Maßnahme im Planfeststellungsverfahren insofern einen relativen Vorteil, als sie dem abfallwirtschaftlichen Ziel der Abfallverringerung und damit dem schonenden Umgang mit vorhandenen Deponiekapazitäten dient. 101 Die Vorgänge des Lagerns und Ablagerns unterscheiden sich nur durch einen zeitlichen Aspekt. Das Ablagern von Abfallen ist auf Dauer angelegt, 102 erfaßt 93 Barteis, Abfallrecht, S. 51.

94 Bender / Sparwasser, Umweltrecht, Rn. 663; Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 1 Rn. 47. 95 Z. B das Pressen von Autowracks zur Volumenverringerung; HessVGH, GewArch 1990, 183. 96 Hoschützky / Kreft, § 4 AbfG Erl. 1.4. 97 Bei der Hausmüllverbrennung verbleiben von einer Tonne Abfall etwa 250-350 kg Rohschlacke, die zum überwiegenden Teil (ca. 80%) als Baustoff im Straßenbau verwendet werden kann, so daß nur ein geringer Prozentsatz schließlich deponiert werden muß; UBA, Daten zur Umwelt 1988/89, S. 430. 98 Bothe, NVwZ 1987,938 (939). 99 Vgl. zum N acbrang der Deponierung nach Ausschöpfung bestehender Verwertungsalternativen: Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 15. 100 Vgl. auch BayVerfGH, DVBI. 1990,692 (694), der diese Anlagen in Abgrenzung von der "thermischen Abfallverwertung" der "thermischen Abfallbehandlung" zuordnet. 101 In diesem Sinne Tettinger, GewArch 1988, 41 (44). 102 Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 1 Rn. 41.

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2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

also alle Deponien; der Begriff des Lagerns bezeichnet demgegenüber nur ein zeitlich begrenztes Lagern, 103 das einer weiteren Entsorgungsphase, etwa der Deponierung, vorgeschaltet ist. 104 Beide Vorgänge können auch durch ein pflichtwidriges, d. h. gegen die Überlassungspflicht nach § 3 Abs. 1 AbfG verstoßendes Liegenlassen verwirklicht werden. 105 Kein Lagern i. S. d. § 4 Abs. 1 AbfG ist in dem bloßen Bereitstellen von Abfällen zum Zwecke des nicht planfeststellungsbedürftigen Einsammelns zu sehen. 106 Davon abgesehen reicht aber auch schon eine nur kurzzeitige Zwischenlagerung aus. 107 Dieser Gesichtspunkt gewinnt Bedeutung insbesondere bei der Einordnung von sogenannten Müllumschlagoder Müllumladestationen, in denen Abfälle umgeladen und komprimiert werden. 108 Derartige Maßnahmen könnten zwar als schlichte Hilfsmaßnahmen zur Erleichterung des im Vordergrund stehenden Zieles der Abfallbeförderung gesehen und deshalb dem Gesamtvorgang des Transports zugerechnet werden. 109 Dagegen spricht aber, daß in der Mehrzahl der Fälle tatsächlich planfeststellungsbedürftige Maßnahmen erfolgen, wie etwa die Zwischenlagerung in einem Müllbunker 110, die mehr als nur einen notwendigen Teilvorgang des nicht planfeststellungsbedürftigen Beförderns darstellt. Sobald die Anlage allerdings "auch" dem Behandeln oder Lagern des Abfalls dient, handelt es sich um eine Abfallentsorgungsanlage i. S. d. AbfG; dies wird bei Müllumschlagstationen in aller Regel der Fall sein. 111 Wie dieses Beispiel schon zeigt, sind häufig mehrere verschiedene Abfallentsorgungsmaßnahmen miteinander gekoppelt. Auch ein Zusammentreffen von Verwertung und sonstiger Entsorgung ist üblich, etwa wenn Abfälle vor ihrer Deponierung mit dem Ziel der Volumenreduzierung oder Entgiftung verbrannt werden oder wenn Deponiegase genutzt werden. 112 Entsprechendes gilt, wenn in einer Anlage verschiedene Stoffe entsorgt werden, die zum Teil als Abfall, zum Teil jedoch als Wertstoff oder Wirtschaftsgut bezeichnet werden. Für die Qualifikation als Abfallentsorgungsanlage genügt es, wenn die Anlage "auch" den genannten, auf Abfälle bezogenen Entsorgungsvorgängen dient. 113 Bender I Sparwasser, Umweltrecht, Rn. 663; Hoschützky I Kreft, § 4 AbfG Er!. 1.4. Barteis, Abfallrecht, S. 50. 105 Hösel I von Lersner, § 4 AbfG Rn. 7; Schwermer, in: Kunig I Schwermer I Versteyl, AbfG, § 1 Rn. 41. 106 OLG Düsseldorf' NVwZ 1982, 526; Barteis, Abfallrecht, S. 50. 107 HessVGH, GewAreh 1990, 183. lOS Barteis, Abfallrecht, S. 50. 109 So Barteis, Abfallrecht, S. 50 m. w. N.; Hoschützky I Kreft, § 4 AbfG Er!. 1.4. 110 Hösel I von Lersner, § 4 AbfG Rn. 7. 111 OLG Köln, NStZ 1987,461 (462); Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 73; Kunig, in: Kunigl Schwermer IVersteyl, AbfG, § 3 Rn. 17. 112 Schwermer, in: Kunig I Schwermer I Versteyl, AbfG, § 1 Rn. 43. 113 HessVGH, GewAreh 1990, 184 unter Berufung auf BVerwGE 66, 301 (303); OLG Karlsruhe, NStZ 1990, 128 (129). 103

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I. Gegenstand der Planfeststellung nach § 7 Abs. 1 AbfG

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cc) Anlagen und Einrichtungen Üblicherweise keine rechtlichen Probleme wird die Auslegung des Begriffes der ,,Anlagen oder Einrichtungen" i. S. d. § 4 AbfG bereiten. Zwar ist der Anlagenbegriff des Abfallrechts im Gegensatz etwa zu dem des Immissionsschutzrechts (§ 3 Abs. 5 BImSchG) nicht im AbfG selbst definiert; doch übernimmt er dessen weit angelegtes Begriffsverständnis, 114 wenn es auch keinen allgemeinen umweltschutzrechtlichen Anlagenbegriff gibt. 115 Ob beide Anlagenbegriffe nun identisch 116, ob der abfallrechtliche Anlagenbegriff weiter als der immissionsschutzrechtliche ist 117 oder ob § 4 AbfG den im Gewerberecht gewachsenen und im BImSchG aufgenommenen Anlagenbegriff nur berücksichtigt 118, wird für die praktische Anwendung kaum von Belang sein. Jedenfalls ist davon auszugehen, daß die in § 3 Abs. 5 BImSchG genannten Betriebsstätten, Maschinen und auch Grundstücke den Anlagenbegriff des Abfallgesetzes erfüllen. Wegen des gesamthaften Prüfungsansatzes im Rahmen der Planfeststellung ist aber darüber hinaus geboten, die Zulassungsentscheidung auch auf Nebeneinrichtungen zu erstrecken, die in einem räumlichen und betriebstechnischen Zusammenhang mit dem Entsorgungszweck der Anlage stehen. 119 Der Anlagenbegriff des AbfG ist insoweit also umfassender als der des BImSchG. Aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 AbfG geht hervor, daß für die Eigenschaft einer Einrichtung als Abfallentsorgungsanlage nicht deren irgend wie geartete technische Eigenschaften, sondern allein der auf die Durchführung der genannten Abfallentsorgungsmaßnahmen gerichtete Zweck ausschlaggebend ist. 120 Die Gesetzgebungsmaterialien lassen erkennen, daß der Gesetzgeber bewußt keine Definition oder gar Eingrenzung des abfallrechtlichen Anlagenbegriffs vorgenommen hat, um der Einbeziehung aller in Zukunft noch zu entwickelnden Entsorgungsverfahren nicht den Weg zu versperren. 121 Insbesondere das Vorhandensein baulicher Anlagen oder technischer Geräte ist nicht erforderlich. 122 Bei diesem somit denkbar weiten Begriffsverständnis bleibt konsequenterweise kein Raum für eine Unterscheidung von Anlagen und Einrichtungen. BVerwGE 66,301 (303). Sundennann, in: HdUR I, Stichwort: "Anlage", Sp. 88. 116 So Barteis, Abfallrecht, S. 48. 117 So Hösel/ von Lersner, § 7 AbfG Rn. 8: der Anlagenbegriff des AbfG erfasse die gesamte betriebstechnisch verbundene Einrichtung; vgl. auch OVG Lüneburg, DöV 1986,385; VGH Bd.Wtt., DöV 1984,727. 118 Hoschützky / Kreft, § 4 AbfG Erl. 1.2. 119 OVG Lüneburg, DöV 1986,385; VGH Bd.Wtt., DöV 1984,727 (728); vgl. auch § 75 Abs. 1 VwVfG. 120 VGH Bd.Wtt., DöV 1977, 332; Hösel/ von Lersner, § 4 AbfG Rn. 4. 121 BT-Drs. VI/2401, S. 13; dazu auch Barteis, Abfallrecht, S. 48; Hösel/von Lersner, § 4 AbfG Rn. 11; Kloepfer, Umweltrecht, § 12 Rn. 103. 122 BVerwG, UPR 1990, 306. 114 115

4 Kleinschnittger

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2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

Einziges Regulativ gegen eine zu ausufernde Auslegung des abfallrechtlichen Anlagenbegriffs ist der in der Rechtsprechung in bezug auf Grundstücke verschiedentlich betonte Gedanke, daß das Grundstück durch diese Nutzung geprägt sein müsse. 123 Das soll dann der Fall sein, wenn die Entsorgung nicht nur eine gelegentliche Nutzung darstellt, sondern mit einer gewissen Stetigkeit 124 über einen nicht ganz unerheblichen Zeitraum hinweg erfolgt,125 so daß sich diese Grundstücksprägung auch einem "Durchschnittsbetrachter" erschließt. 126 Nicht vorausgesetzt wird indessen, daß einzelne, als Behandeln oder Lagern von Abfallen einzustufende Handlungen von einer gemeinsamen wirtschaftlichen Zweckbestimmung getragen sein müssen. 127 Diese Kriterien stimmen im wesentlichen mit den Voraussetzungen des "Betreibens" einer Anlage i. S. d. Immissionsschutzrechts 128 überein, stellen mithin keine Besonderheit des Abfallrechts dar.

dd) Unzulänglichkeit dieser Begrif.fsbildung im Hinblick auf Belange des Abfallwirtschaftsrechts Der Begriff der Abfallentsorgungsanlage wird bei den "großen" Anlagen, d. h. bei Verbrennungs- oder sonstigen Verwertungsanlagen sowie Deponien, die für die Bewältigung des heutigen Abfallnotstandes benötigt werden, kaum Fragen aufwerfen. Dennoch haben sich in den bisherigen Ausführungen zwei Problempunkte herauskristallisiert. Zum einen ist dies der einseitig ausgerichtete Abfallbegriff, der, beeinflußt von dem Wunsch, möglichst den Besitzer nicht zur Herausgabe verwertbarer Sachen zu verpflichten, eine in vielen Fällen nur sehr unbefriedigende Abgrenzung von den sog. Reststoffen ermöglicht. Die deshalb immer wieder unverzichtbaren Einzelfallentscheidungen sind indessen mit dem Bedürfnis nach Rechtsklarheit und Rechtssicherheit oftmals kaum zu vereinbaren. Zum anderen ist auch bei dem Anlagenbegriff eine gewisse einseitige Orientierung nicht zu übersehen. Hier hat vor allem die ordentliche Gerichtsbarkeit den Anlagenbegriff eher einschränkend ausgelegt, was vor dem Hintergrund des § 327 Abs. 2 Nr. 2 StGB, der das Betreiben einer nicht zugelassenen Abfallentsorgungsanlage unter Strafe stellt, verständlich ist. Der strafrechtliche Unwertgehalt einer solchen Tat ist sicherlich auch davon beeinflußt, ob die Lagerung von Abfallen auf einem Grundstück nur kurzzeitig oder auf Dauer angelegt ist. Daß die Strafgerichte den grundsätzlich weiten Begriff der Abfallentsorgungsanlage deshalb einzuschränken suchen, ist einleuchtend. Für die abfallrechtliche Zielsetzung der Abwehr von Gefahren, die durch unsachgemäße Abfallentsorgung drohen, und 123 BVerwG, UPR 1990,306. 124 BayObLG, UPR 1982, 175 (176) zum Anlagenbegriffi. S. d. §§ 4 Abs. 1,5 Abs. 1 AbfG. 125 Hösel / von Lersner, § 4 AbfG Rn. 4. 126 BayObLG, NuR 1984,284. 127 BVerwG, UPR 1990,306; anders noch BayVGH, UPR 1986,236 (238). 128 Vgl. dazu Jarass, BlmSchG, § 3 Rn. 49.

I. Gegenstand der Planfeststellung nach § 7 Abs. 1 AbfG

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eine sinnvolle Steuerung der Abfallwirtschaft ist die Dauer der Anlagennutzung hingegen oftmals von geringer Bedeutung. Es wird damit deutlich, daß die Auslegung der für die Definition der ,,Abfallentsorgungsanlage" bedeutsamen Begriffsbestandteile eben nicht auf den Begriff der Abfallentsorgungsanlage, sondern auf andere Anwendungsbereiche der Begriffe ,,Abfall", "Anlage" etc. ausgerichtet ist. b) Einbeziehung mobiler Anlagen?

Unklarheiten bestehen vielfach im Zusammenhang mit der Zulassung bzw. Zulassungsbedürftigkeit von mobilen Anlagen zur Abfallentsorgung. Diese haben gerade in jüngerer Zeit bei der Sanierung von Altlasten-Flächen vor Ort (onsite) 129 ein breites Anwendungsfeld gefunden. 130 § 7 Abs. I AbfG sieht ausdrücklich nur für ortsfeste Abfallentsorgungsanlagen die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens vor. Andererseits ist die Legaldefinition der Abfallentsorgungsanlage in § 4 Abs. I AbfG, der zugleich den Anlagenzwang statuiert, d. h. das Verbot, Abfälle außerhalb zugelassener Anlagen zu entsorgen, nicht auf ortsfeste Anlagen beschränkt. Die abfallrechtliche Behandlung mobiler Entsorgungsanlagen ist folglich nach diesen im Wortlaut nicht abgestimmten Normen zweifelhaft. Die Auslegungsvorschläge im Schrifttum decken die größtmögliche Variationsbreite ab; entweder werden mobile Anlagen als generell nicht zulassungsfähig 131 oder als nicht zulassungsbedürftig 132 angesehen. Ein erster Lösungsansatz beginnt damit, die ortsfesten von den ortsveränderlichen Anlagen zu unterscheiden. Die Bezeichnung einer Anlage als "ortsfest" greift auf einen aus dem Bauordnungsrecht bekannten Gesichtspunkt zurück (vgl. z. B. § 2 Abs. I nw.LBauO).133 Ortsfest sind danach nicht nur die Anlagen, die mit dem Boden fest verbunden sind, sondern auch Anlagen, die auf dem Erdboden ruhen oder auf ortsfesten Bahnen begrenzt beweglich sind oder einfach nur nach ihrem Verwendungszweck zu einer überwiegend ortsfesten Benutzung bestimmt sind. Auf das Abfallrecht übertragen bedeutet dies, daß als ortsfeste Einrichtungen auch solche angesehen werden können, die auf Dauer an einem bestimmten Ort betrieben werden sollen, selbst wenn sie ohne Demontage bewegt werden könnten. 134 Dazu oben 2. Kap. B. I. 1. a) aa) (1) a). Dazu Buch, UPR 1990,92 (93); Paetow, NVwZ 1990,510; UBA, 3. Zwischenbericht, S. 94. 131 So Franßen, in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, S. 399 (426); Kloepfer, Umweltrecht, § 12 Rn. 119; Kunig, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 4 Rn. 17; Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 1 Rn. 46. 132 Hösel/von Lersner, § 4 Rn. 12 und § 7 Rn. 2; Jarass, Auslegung und Umsetzung der EG-Richtlinie zur UVP, S. 20; SRU, Sondergutachten Abfallwirtschaft, Tz. 335. 133 Hoschützky / Kreft, § 4 AbfG Er!. 1.5. 134 Barteis, Abfallrecht, S. 91. 129

130

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2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

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Häufig aber wird der Betrieb mobiler Abfallentsorgungsanlagen, wie z. B. Anlagen zur thermischen Behandlung von kontaminiertem Erdreich (sog. Ausröstung), nicht ohne entsprechende ortsfeste Versorgungseinrichtungen auskommen, so daß sich die Anlage ihrem Gesamtgepräge nach als ortsfest darstellt. 135 Mobile Anlagen können also als technische Einrichtungen ortsfester Anlagen zugelassen werden. 136 Erscheint eine Anlage auch unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte noch als ortsveränderlich, muß nunmehr entschieden werden, ob bzw. welcher Zulassung ortsveränderliche Abfallentsorgungsanlagen bedürfen. Zu einer Klärung kann es beitragen, wenn man berücksichtigt, wie der hierfUr relevante § 7 AbfG bislang von den Legislativorganen eingeschätzt wurde. Der Bundesrat regte nämlich 1974 in einem Gesetzentwurf zur Änderung des AbfG die Streichung des Wortes "ortsfest" aus § 7 Abs. 1 AbfG an, um eine Regelungslücke fUr ortsveränderliche Anlagen zu vermeiden. 137 Dagegen wandte die Bundesregierung jedoch ein, daß derartige Anlagen von der Genehmigungspflicht nach dem BImSchG erfaßt würden; bei Streichung des Wortes könnte der nach Ansicht der Bundesregierung falsche Eindruck entstehen, ortsveränderliche Anlagen bedürften der Planfeststellung. 138 Der Bundestag schloß sich insoweit der Stellungnahme der Regierung an. So blieb es schließlich bei dieser bereits im Abfallbeseitigungsgesetz von 1972 enthaltenen Formulierung. Deshalb ist der Schluß zulässig, daß zugelassene Anlagen i. S. d. § 4 Abs. 1 AbfG nicht nur solche sind, die nach § 7 Abs. 1 AbfG planfestgestellt sind, sondern auch solche, die nach anderen Normen, nämlich insbesondere dem Immissionsschutzrecht, zulassungspflichtig und zugelassen sind. Dies entspricht auch dem Gesetzeszweck, da kein Grund für ein generelles Verbot mobiler Anlagen, die üblicherweise eine geringere potentielle Gefährdung darstellen, ersichtlich ist. 139 Andererseits ist einsichtig, daß der Gesetzgeber auf ein Kontrollinstrument in Form eines behördlichen Zulassungsverfahrens für mobile Anlagen nicht grundsätzlich verzichten wollte. Deshalb vermag die Ansicht, daß zugelassene Anlagen i. S. d. § 4 Abs. 1 AbfG auch lediglich nicht verbotene, d. h. auch nicht zulassungsbedürftige Anlagen seien, 140 nicht zu überzeugen. Ebensowenig kann der Vorschlag Zustimmung finden, für mobile Abfallentsorgungsanlagen sei im Wege eines "Erst-recht-Schlusses" das Genehmigungsverfahren nach § 7 Abs. 2 AbfG durchzufUhren, da dieses Verfahren vorrangig fUr unbedeutende, aber dann "erst recht" auch auf die ohnehin nicht raumbedeutsa135

Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 216; ähnlich auch Jarass, BlmSchG,

§ 3 Rn. 51, der auf den funktionalen Zusammenhang mit einer ortsfesten Anlage abstellt. 136 Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 7 Rn. 8. 137

138 139 140

BT-Drs. 7/2593, S. 4 und 8. BT-Drs. 7/2593, S. 17 f. So auch Kloepfer, Umweltrecht, § 12 Rn. 119. Hösel / von Lersner, § 4 AbfG Rn. 12.

I. Gegenstand der Planfeststellung nach § 7 Abs. I AbfG

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men mobilen Anlagen anwendbar sei. 141 Diese Auffassung verkennt, daß der insoweit eindeutige Wortlaut des § 7 Abs. 2 ebenso wie § 7 Abs. I AbfG die Ortsfestigkeit einer Anlage voraussetzt. Ein entscheidender Gesichtspunkt ist mithin, ob und welche ortsveränderlichen Anlagen nach dem Immissionsschutzrecht genehmigt werden können und müssen. Aufgrund der Ermächtigung in § 4 Abs. 1 BImSchG bestimmt die 4. BImSchV den Kreis der genehmigungsbedürftigen Anlagen. Dies sind nach § 1 Abs. 1 der 4. BImSchV zunächst nur solche Anlagen, die länger als sechs Monate an demselben Ort betrieben werden sollen, unabhängig davon, ob eine feste Verbindung mit dem Erdboden hergestellt wird. Aus der Natur derartiger mobiler Anlagen, deren Einsatz über sechs Monate hinweg an ein und demselben Aufstellungsort nur in Ausnahmefällen sinnvoll sein dürfte,142 wird geschlossen, daß der Begriff des "selben" Ortes nicht zu eng ausgelegt werden dürfe. Vielmehr ist davon auszugehen, daß damit auch eine Verwendung an wechselnden Standorten innerhalb eines abgegrenzten Betriebsgeländes genehmigungspflichtig ist. 143 Ausnahmsweise sind gemäß Nr. 8.1 des Anhangs der 4. BImSchV Anlagen zur Beseitigung von Stoffen, die halogenierte Kohlenwasserstoffe 144 enthalten, auch dann genehmigungspflichtig, wenn sie nur für einen kürzeren Zeitraum betrieben werden. Bei anderen Anlagen mit projektierten Einsatzzeiten von unter sechs Monaten, was gerade bei mobilen Anlagen vorkommen dürfte, findet kein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren statt. 145 Die dargestellte Regelung der Genehmigungsbedürftigkeit mobiler Anlagen durch die 4. BImSchV besteht in dieser Form allerdings erst seit 1985. 146 Bis 1975 war das immissionsschutzrechtliche Genehmigungserfordernis nicht in vergleichbarer Weise eingeschränkt, weshalb die oben erwähnte Auffassung der Bundesregierung, ortsveränderliche Abfallentsorgungsanlagen seien nach dem Immissionsschutzrecht genehmigungsfähig, ursprünglich zutraf. Im Jahre 1985 erhielt die Bestimmung ihren heutigen Wortlaut; dabei wurde mit Bedacht nicht der Begriff "ortsfest" verwendet, um anderenfalls befürchteten Auslegungsschwierigkeiten aus dem Wege zu gehen. 147 Damit ist allerdings, ohne daß bei 141 Buch, UPR 1990, 92 (94). 142 Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Bd. I1I, Nr. 2.4; § 1 der 4. BlmSchV, Rn. 11 nennt als Beispiel Bitumenmischanlagen nach Nr. 2.15 des Anhangs zur 4. BlmSchV. 143 Ludwig, in: Feldbaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Nr. 2.4, § 1 der 4. BlmSchV, Anm.9; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Bd. III, Nr. 2.4; § 1 der 4. BImSchV, Rn. 11.

144 Kohlenwasserstoffverbindungen, bei denen Wasserstoffatome durch Halogenatome (Elemente der VII. Gruppe des Periodensystems: Fluor, Chlor, Brom, Jod) ersetzt sind. 145 Vgl. dazu auch Buch, UPR 1990, 92 (93); Jarass, BlmSchG, § 3 Rn. 51; ders., Auslegung und Umsetzung der EG-Richtlinie zur UVP, S. 20. 146 Verordnung vom 24.7.1985, BGBl. I S. 1586 ff. mit nachfolgenden Änderungen. 147 Vgl. die Begründung der Bundesregierung, BR-Drs. 226/85, S. 41; dazu auch Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Bd. III, Nr.2.4; § 1 der 4. BImSchV, Rn. 8.

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2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

dem Zustandekommen dieser Formulierung die Auswirkungen auf die abfallrechtliche Problematik erkannt worden sein dürften, für die Zulassung mobiler Abfallentsorgungsanlagen eine vom Gesetzgeber nicht gewollte und nicht vorhergesehene Lücke entstanden. In Betracht kommt schließlich noch eine Genehmigung nach dem Baurecht, wie sie in manchen Landesbauordnungen für "fliegende Bauten" vorgesehen ist. 148 Dabei handelt es sich um bauliche Anlagen, die an verschiedenen Orten aufgestellt und zerlegt werden können. Sie bedürfen nur vor ihrer erstmaligen Aufstellung einer sog. "Ausführungsgenehmigung".149 Dieser Gedanke stößt allerdings deshalb auf Bedenken, weil ein solches Verfahren für die Berücksichtigung umweltspezifischer Gesichtspunkte unzureichend ist. 150 Letztendlich bietet sich nur eine Lösungsmöglichkeit an, nämlich die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 4 Abs. 2 AbfG.151 Gegen diesen Ausweg spricht allerdings, daß diese Norm nicht für derartige Fälle gedacht war, da der Gesetzgeber - fälschlich - von einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht ausging. Die Zulassung mobiler Abfallentsorgungsanlagen wirft somit eine Vielzahl von in der Sache durch nichts begründeten rechtlichen Zweifelsfragen auf, die auf der Grundlage des bestehenden Rechts nicht zufriedenstellend gelöst werden können. Die Forderung nach einer klarstellenden gesetzlichen Lösung 152, etwa in Form einer ausdrücklichen Einbeziehung in § 7 Abs. 2 AbfG oder, was dem ursprünglichen Sinn des Gesetzes eher entspricht, einer Aufnahme in den Anhang zur 4. BlmSchV, kann deshalb nur unterstützt werden. Die Entscheidung für eine dieser beiden Varianten hat in erster Linie verfahrensrechtliche Bedeutung, da die materiellen Anforderungen in beiden Fällen übereinstimmen, insbesondere wären die Vorgaben der 17. BlmSchV zu beachten (vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 der 17. BlmSchV). Zweckmäßig wäre eine Lösung, die verhindert, daß das Genehmigungsverfahren länger als der Betrieb der Anlage dauert. 153 2. Wesentliche Änderung einer Abfallentsorgungsanlage oder ihres Betriebs Außer der Errichtung und dem Betrieb von Abfallentsorgungsanlagen bedarf nach § 7 Abs. 1 AbfG auch die wesentliche Änderung einer solchen Anlage oder ihres Betriebs der Planfeststellung. Zu beachten ist allerdings, daß wegen des 148 Jarass, Auslegung und Umsetzung der EG-Richtlinie zur UVP, S. 20. 149 So mit übereinstimmendem Wortlaut § 74 nw.LBauO und Art. 85 BayBO. ISO

Buch, UPR 1990,92 (93).

151 Buch, UPR 1990,92 (94); Paetow, NVwZ 1990,510 (515); so auch schon Weinhei-

mer, ZfW 1977,7 (14). 152 UBA, 1. Zwischenbericht, S. 44; 3. Zwischenbericht, S. 94. 153 In diesem Sinne auch Ludwig, in: Feldbaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Nr. 2.4; § I der 4. BImSchV, Anm. 9.

I. Gegenstand der Planfeststellung nach § 7 Abs. 1 AbfG

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umfassenden Prüfungsrahmens auch dann, wenn es nur um die Änderung einer Anlage geht, die Zulassungsvoraussetzungen hinsichtlich der Gesamtanlage bzw. bei einer Änderung des Betriebs hinsichtlich der gesamten Funktionsweise vorliegen müssen. 154 Offen ist nach dem Wortlaut die Frage, in welcher Hinsicht die Änderung wesentlich sein muß. In Betracht kommt jedoch insoweit nur die ursprünglich erteilte Planfeststellung (oder Genehmigung) der Anlage. 155 Das bedeutet, daß eine Änderung dann wesentlich ist, wenn sie von der bisherigen Zulassung nicht mehr gedeckt ist, 156 wenn sich also infolge der Maßnahme die Genehmigungsfrage neu stellt. 157 Es müssen folglich diejenigen Gesichtspunkte berücksichtigt werden, die für die Erteilung der Zulassung maßgeblich waren, insbesondere die in den Schutzgütem des § 2 Abs. 1 AbfG beispielhaft aufgezählten Belange des Allgemeinwohls. 158 Eindeutig als wesentlich sind somit Änderungen der Anlage oder ihres Betriebs einzustufen, die zu einer zusätzlichen Umweltbelastung führen, indem z. B. Stoffe entsorgt werden, die ein höheres Gefährdungspotential aufweisen, wie etwa bei der Deponierung von Bauschutt statt Hausmüll. 159 Wesentlich ist auch eine Erweiterung der Anlage, etwa durch den Bau zusätzlicher technischer Einrichtungen. 160 Unklar ist indessen, ob die Anlagenänderung schon dann wesentlich ist, wenn die Schutzgüter des § 2 Abs. 1 AbfG "in mehr als einer unerheblichen Weise" beeinflußt werden können, 161 oder ob sie - mit der wohl überwiegenden Meinung - erst dann unwesentlich ist, wenn "eine rechtserhebliche Beeinträchtigung der Schutzgüter des § 2 Abs. 1 AbfG unter jedem denkbaren Gesichtspunkt ausgeschlossen" ist. 162 Schwierig wird die Abgrenzung von wesentlichen und unwesentlichen Änderungen insbesondere dann, wenn die geplante Maßnahme der Verbesserung der Umweltsituation dienen soll. Nicht übersehen werden darf insoweit aber, daß die Untersuchung und Bewertung der Änderung im Hinblick auf die Zulassungsvoraussetzungen letztendlich der zuständigen Behörde überlas154 VGH Bd.Wtt., DöV 1984, 727; Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, § 15 BlmSchG, Anm. 6. 155 So zu der insoweit vergleichbaren Regelung in § 15 BlmSchG Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, § 15 BImSchG Anm. 7. 156 Barteis, Abfallrecht, S. 91; ähnlich Ule/Laubinger, BlmSchG § 15 Rn. 2. 157 VGH Bd.Wtt., DöV 1984, 727 (728). 158 Höse1/ von Lersner, § 7 AbfG Rn. 8. 159 HessVGH, NuR 1990,224. 160 BayVGH, UPR 1988, 109: Schneideanlagen auf einem Schrottp1at:z:: Ausdrücklich offengelassen wird, ob sich mehrere für sich genommen unwesentliche Anderungen zu einer wesentlichen summieren können. 161 So Franßen, in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, S. 399 (431); Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 7 Rn. 12. 162 OVG Lüneburg, UPR 1986,230 (231); VGH Bd.Wtt., NVwZ 1986,663; Beckmann/ Appold/Kuhlmann, DVBI. 1988, 1002 (1003); Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § 28 Rn. 70; Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 216; bezogen auf § 15 BImSchG betont BVerwGE 69,351, es reiche aus, wenn die Schutzgüter berührt würden; deren Beeinträchtigung wird nicht gefordert.

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2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

sen bleiben muß, denn dies ist der Sinn und Inhalt eines Zulassungsverfahrens. 163 Schließlich kann eine vom Anlagenbetreiber als Verbesserung der Anlage ins Auge gefaßte Maßnahme an anderer Stelle des Betriebs möglicherweise zu nicht beabsichtigten oder vom Betreiber nicht erkannten nachteiligen Folgen führen. Daher kann auch eine solche positive Veränderung der Anlage oder ihrer Funktionsabläufe eine wesentliche Änderung i. S. d. § 7 Abs. 1 S. 1 AbfG sein. Hilfreich für die Beantwortung der Frage, wie weit der Begriff der wesentlichen Änderung zu interpretieren ist, kann die Betrachtung der möglichen rechtlichen Folgen der einen oder der anderen Auslegung sein. Für eine möglichst weitgehende Einbeziehung nahezu aller Änderungen, die an der Anlage vorgenommen werden, wie es durch eine weite Auslegung gewährleistet wird, spricht der Gedanke, daß der Gesetzestext kein Kontrollinstrument für unwesentliche Änderungen vorsieht. Aus diesem Gesichtspunkt erklärt sich die Tendenz, auch positiv auf die Umweltbelastung wirkende Veränderungen einzubeziehen, 164 um überhaupt eine behördliche Information und Beteiligung zu ermöglichen. Gegen diese Tendenz spricht hingegen der Gedanke, daß es dem abfallrechtIichen Grundanliegen einer möglichst umweltschonenden Entsorgung entgegensteht, wenn durch die Zulassungsbedürftigkeit derartiger Maßnahmen eine Verbesserung der Umweltsituation verzögert wird. 165 Letztlich wird sich der Anlagenbetreiber im Zweifel für die Wesentlichkeit der Änderung und damit für die Beantragung einer behördlichen Zulassung entscheiden, um der im Falle einer Fehleinschätzung drohenden Gefahr einer Bestrafung nach § 327 StGB zu entgehen. Wird nun die Zulassung einer wesentlichen Änderung beantragt, so kommt in Anwendung des § 7 Abs. 2 AbfG die Durchführung eines Genehmigungsverfahrens in Betracht. 166 Für den Anlagenbetreiber günstiger, weil weniger zeitintensiv , dürfte indessen der vom Gesetz für diese Fälle nicht vorgesehene Weg sein, sich mit der Behörde über den Erlaß einer nachträglichen Auflage gemäß § 8 Abs. I S. 3 AbfG zu verständigen. 167 So kann eine sinnvolle Maßnahme zur Verbesserung der Umweltsituation ohne ein aufwendiges Verfahren verwirklicht werden. Daß dieser Weg sich dem Vorwurf eines rechtlichen Formenmißbrauchs ausgesetzt sieht, liegt allerdings auf der Hand. Verständlich ist vor diesem Hintergrund die Forderung nach einer gesetzlichen Präzisierung der Bestimmung. Erwogen werden sollte vor allem die Einführung einer Anzeigepflicht für unwesentliche Änderungen. 168 Dadurch könnte verhin163 Vgl. zur wesentlichen Änderung i. S. d. § 15 BlmSchG: Feldbaus, Bundesimmissionsschutzrecht, § 15 BlmSchG, Anm. 7. 164 So Barteis, Abfallrecht, S. 91; Hösel/von Lersner, § 7 AbfG Rn. 8. 165 Mit vergleichbarer Argumentation zum Begriff der wesentlichen Änderung i. S. v. AtG und BlmSchG Büdenbender, Energierecht, Rn. 1158: sicherheitsgerichtete Änderungen sind unwesentlich. 166 Dazu unten 3. Kap. C., insb. 11. 2. 167 Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 217. 168 So auch UBA, 3. Zwischenbericht, S. 94.

I. Gegenstand der Planfeststellung nach § 7 Abs. I AbfG

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dert werden, daß der Begriff der wesentlichen Änderung allzu weit ausgelegt würde; zugleich würde der Behörde eine Kontrollmöglichkeit eröffnet, und der Anlagenbetreiber bräuchte keine nachteiligen Rechtsfolgen zu fürchten, wenn die Behörde zu dem Schluß käme, es handele sich doch um eine planfeststellungsoder genehmigungsbedürftige Maßnahme. Ob dagegen eine Präzisierung des Begriffs der Wesentlichkeit einer Anlagenänderung im Gesetz oder auch durch eine Verordnung eine Lösung darstellt, 169 erscheint zweifelhaft, da in Anbetracht der Vielfalt unterschiedlicher Anlagenkonzepte kaum eine zufriedenstellende, hinreichend konkrete Regelung zu finden sein dürfte.

3. Anlagen zur Lagerung oder Behandlung von Autowracks Nach § 5 Abs. 1 AbfG finden auf Anlagen, die der Lagerung oder Behandlung von Autowracks dienen, die Vorschriften über Abfallentsorgungsanlagen Anwendung, also insbesondere die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens nach § 7 Abs. 1 AbfG. Unter einem Autowrack ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ein nicht fahrtüchtiges Kraftfahrzeug zu verstehen, dessen Reparatur bei objektiver Betrachtung wirtschaftlich nicht sinnvoll ist. 170 Die Maßnahmen der Lagerung und Behandlung sind genauso wie in § 4 Abs. 1 AbfG zu verstehen, so daß beispielsweise auch schon die kurzzeitige Zwischenlagerung von Autowracks auf einem Grundstück eine Lagerung darstellt. 171 Einen eigenständigen Anwendungsbereich neben § 7 Abs. 1 AbfG erhält § 5 Abs. 1 AbfG dadurch, daß hier eben nicht die Abfalleigenschaft der Autowracks vorausgesetzt wird. 172 Häufig sind derartige Autowracks noch für eine wirtschaftliche Verwendung vorgesehen und erfüllen deshalb nicht den subjektiven Abfallbegriff. Aber auch der objektive Abfallbegriff wird durch ein nicht mehr fahrtüchtiges Kraftfahrzeug in der Regel nicht erfüllt sein, weil von ihm keine Gefahren ausgehen, die nur durch eine Entsorgung i. S. d. § 1 Abs. 2 AbfG abgewendet werden könnten. 173 Dennoch ist eine solche Anlage wegen der unwiderleglichen Vermutung der Abfalleigenschaft von Autowracks nach § 5 Abs. 2 AbfG wie eine Abfallentsorgungsanlage zu behandeln. 174 Eine Besonderheit weist die Zulassung solcher Anlagen insofern auf, als die ursprüngliche Fassung des § 5 AbfG noch das Merkmal "ortsfest" enthielt, das jedoch gestrichen worden ist mit dem Ziel, auch mobile Anlagen, wie z. B. Kleinshredder, einzubeziehen. 175 Folgt man indessen dem Wortlaut, ist § 7 AbfG in vollem Umfang auf Autowrackbehandlungs- und 169 170 171

172 173 174 175

Befürwortend UBA, 3. Zwischenbericht, S. 94. Kunig, in: Kunig / Schwenner / Versteyl, AbfG, § 5 Rn. 21 und 23. HessVGH, GewAreh 1990, 183. Hoschützky / Kreft, § 4 AbfG Erl. 1.3. OLG Karlsruhe, NJW 1990, 1863. BVerwGE 66, 301 (302 f.). BT-Drs. 7/2593, S. 8.

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2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

-lagerplätze anzuwenden, also auch das Erfordernis der Ortsfestigkeit in § 7 AbfG.176

4. Anlagen zur Entsorgung von Altöl Eine der Bestimmung über Autowracks auf den ersten Blick vergleichbare Regelung trifft § 5 a AbfG hinsichtlich der Entsorgung von Altöl. Auch dieses wird dem Abfallrecht unabhängig davon unterstellt, ob es sich im konkreten Fall um Abfall i. S. d. § 1 Abs. 1 S. 1 AbfG handelt. 177 In concreto weist das Recht der Altölentsorgung allerdings einige Besonderheiten auf. Nach der aufgrund des § 5 a AbfG ergangenen Altölverordnung 178 sind Altöle je nach der Intensität ihrer Verunreinigung in drei Gruppen eingeteilt, für die unterschiedliche Anforderungen an die weitere Behandlung der Altöle zu stellen sind. Während die erste Gruppe noch für eine Aufarbeitung und Wiederverwendung in Betracht kommt (§ 2 AltölV), ist bei der dritten und zugleich am schwersten schadstoffbelasteten Gruppe nur noch eine Entsorgung als Sonderabfall erlaubt. Die zweite Gruppe hingegen darf stofflich oder thermisch verwertet, z. B. verbrannt werden. 179 Unter Verbrennung ist nicht nur der alleinige Einsatz von Altöl als Brennstoff, sondern auch die gleichzeitige Verwendung von Altöl zusammen mit einem anderen Brennstoff zu verstehen. 180 Für diese Nutzung von Altölen verzichtet das Abfallgesetz auf eine abfallrechtlich planfestgestellte Anlage und läßt statt dessen die Verwertung in einer lediglich nach § 4 BImSchG zugelassenen Anlage zu. Allein die abfallrechtlichen Überwachungsvorschriften der §§ 11 ff. und 14 AbfG, bei sinngemäßer Auslegung unter Einschluß der jeweiligen Sanktionsnormen, bleiben anwendbar. 181 Diese Regelung hat einige Vorzüge: zum einen ist sie leicht vollziehbar, da auf die oftmals schwierige Abgrenzung zwischen Wirtschaftsgut und Abfall verzichtet werden kann; zum anderen bedeutet der Verzicht auf die Errichtung spezieller Abfallentsorgungsanlagen eine begrüßenswerte Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens. 182 Andererseits läßt sich aber auch nicht übersehen, daß hier für den Bereich der Altölentsorgung ein gewisser Systembruch in Kauf genommen worden ist. Wurde das Abfallrecht zumindest anfangs als besonders fortschrittlich begrüßt, dann deshalb, weil es eine zukunftsbezogene, vorsorgende Planung und Lenkung der Abfallströme ermöglichen sollte. Diese spezifisch 176 Kunig, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 5 Rn. 5. 177 Backes, DVBl. 1987, 333 (336). 178 Verordnung vom 27.10.1987, BGBl. I S. 2335. 179 Vgl. auch Barteis, Abfallrecht, S. 183; Bender / Sparwasser, Umwe1trecht, Rn. 661; kritisch zur Ersetzung des früheren AltölG durch die heutige Regelung Versteyl, NVwZ 1989, 1142. 180 Verstey1, in: Kunig/Schwermer/Versteyl, AbfG, § 5a Rn. 22. 181 BayObLG, NVwZ-RR 1990, 642. 182 Jung, Die Planung in der Abfallwirtschafi, S. 19.

11. Inhaltliche Anforderungen nach Maßgabe des Abfallgesetzes

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abfallrechtlichen Instrumente treten demgegenüber bei der Verwertung nach § 5 a Abs. 2 AbfG in den Hintergrund. Es wäre allerdings falsch, die hier getroffene Regelung deshalb abzulehnen; denn sie stellt bei näherer Betrachtung auch einen Ausgleich dafür dar, daß in § 5 a Abs. I AbfG der Anwendungsbereich zunächst einmal auf solche Altöle ausgedehnt worden ist, die nach § 1 Abs. 1 S. 1 AbfG keine Abfalle sind und damit ohnehin in immissionsschutzrechtlich zugelassenen Anlagen verwertet werden dürften.

11. Inhaltliche Anforderungen nach Maßgabe des Abfallgesetzes Nachdem nunmehr herausgestellt ist, welche Anlagen nach § 7 Abs. I S. 1 AbfG der Planfeststellung bedürfen, stellt sich im folgenden die Aufgabe, die materiellrechtlichen Voraussetzungen für die Zulassung einer Abfallentsorgungsanlage darzustellen.

1. Prüfung der Umweltverträglichkeit (§ 7 Abs.l S. 2 AbfG) Gleichzeitig mit dem Erlaß des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP-Stammgesetz) am 12.2.1990 183 ist in das Abfallrecht mit dem neuen § 7 Abs. 1 S. 2 AbfG eine Bestimmung aufgenommen worden, die die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung "bei der Planfeststellung" vorschreibt. 184 Die Umweltverträglichkeitsprüfung umfaßt die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der Auswirkungen eines Vorhabens auf Menschen, Tiere, Pflanzen und die weiteren in § 2 Abs. 1 UVPG genannten Schutzgüter. 185 Die Besonderheit dieses Prüfungsansatzes liegt darin, daß die Bewertung der Umweltauswirkungen eines Vorhabens integrativ, d. h. unter gleichzeitiger Berücksichtigung aller berührten Umweltbereiche und aller Auswirkungen, also auch der nur mittelbaren Folge- oder Fem- sowie Wechselwirkungen, erfolgen soll. 186 Nachdem zum Teil erwogen worden ist, das durch eine EG-Richtlinie 187 vorgeschriebene Verfahren bundesrechtlich 188 in ein Raumordnungsverfahren einzubinden, 189 BGBL I S. 205. Vgl. Nr.4 der Anlage zu § 3 UVPG: Eine Umweltverträglichkeitsprüfung ist durchzuführen für nach § 7 AbfG planfeststellungsbedürftige Abfallentsorgungsanlagen. Entsprechendes gilt für Anlagen, die der Verwertung oder Behandlung von Abfallen nach § 4 Abs. 1 S. 2 AbfG dienen; Nr. 27 des Anhangs zu Nr. 1 der Anlage zu § 3 UVPG. 185 Zu den Aufgaben der UVP im einzelnen: Jarass, Auslegung und Umsetzung der EG-Richtlinie zur UVP, S. 25 ff. 186 Dazu Peters, NuR 1990, 103, der die UVP als übergreifend, sequentiell und gesamthaft bezeichnet; zur möglichen Fortentwicklung durch §§ 35 -45 des UGB-AT(E) Kloepfer / Kunig / Rehbinder / Schmidt-Aßmann, DVBI. 1991, 339 (342). 187 Richtlinie 85/337/ EWG vom 27.6. 1985, ABI. der EG Nr. L 175/40. 188 § 16 UVPG überläßt die Einbeziehung der UVP in das Raumordnungsverfahren den Bundesländern; vgl. dazu Erbguth, NVwZ 1988,969 (975). 183

184

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2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, die Umweltverträglichkeitsprüfung als einen unselbständigen Teil in das jeweils durchzuführende verwaltungsbehördliche Verfahren zu integrieren. Insbesondere das Planfeststellungsverfahren wurde wegen seines fachübergreifenden Prüfungsansatzes für geeignet gehalten, die Umweltverträglichkeitsprüfung aufzunehmen. 190 Nicht zuletzt wohl wegen der diesen Überlegungen zugrundeliegenden Absicht, eine möglichst einheitliche Lösung für alle UVP-pflichtigen Vorhaben zu finden, hat der naheliegende Gedanke, die Umweltverträglichkeitsprüfung für das Gebiet des Abfallrechts mit der Aufstellung eines Abfallentsorgungsplans 191 zu verbinden, kaum Beachtung gefunden. 192 Wegen der üblicherweise nur rahmenartigen und vorläufigen Vorgaben im Entsorgungsplan, die die Anlage nicht hinreichend konkret beschreiben, wäre dies m. E. auch nicht sinnvoll gewesen. 193 Ob durch die Einführung der Umweltverträglichkeitsprüfung in das abfallrechtliche Planfeststellungsverfahren - wie bisweilen befürchtet 194 - zusätzliche materiellrechtliche Anforderungen an die Zulassung von Abfallentsorgungsanlagen gestellt werden, ist durch einen Vergleich der Prüfungsmaßstäbe nach dem AbfG und nach dem UVPG zu ermitteln. Ohne den folgenden Ausführungen zu sehr vorgreifen zu wollen, sei auf die grundsätzlichen Gesichtspunkte schon hier hingewiesen. Nach § 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AbfG ist die Zulassung des Vorhabens zu versagen, wenn von ihm Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit zu erwarten sind. Damit wird auf den Begriff des Allgemeinwohls in § 2 Abs. 1 S. 2 AbfG Bezug genommen. Zwar scheint bei einem direkten Wortlautvergleich mit § 2 Abs. 1 UVPG dessen Prüfungsmaßstab weiter gefaßt, doch ermöglicht die nur beispielhafte 195 Aufzählung der Schutzgüter des Abfallrechts eine Einbeziehung aller auch für die Umweltverträglichkeitsprüfung zu berücksichtigenden Gesichtspunkte. Selbst wenn man davon ausgeht, daß eine Umweltverträglichkeitsprüfung zwingend eine - planerische - Abwägungsentscheidung durch die Behörde voraussetzt, 196 so bereitet dies hinsichtlich eines ,,Plan"feststellungsverfahrens keine Schwierigkeiten. Schließlich ist noch zu überlegen, ob die Umwelt189 So Eberle, in: Thieme, Umweltschutz im Recht, S. 145 (161 f.) m. w. N.; Erbguth, Rechtssystematische Grundfragen, S. 397 ff.; Schoeneberg, UVP und Raumordnungsverfahren, S. 148 ff. und 171 ff. 190 Beckmann, DöV 1987,944; Bunge, DVBI. 1987,819 (824); Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 7 Rn. 20. 191 Dazu ausführlich 2. Kap. B. 11. 2. a). 192 Anders aber UBA, 3. Zwischenbericht, S. 12. 193 Ebenso Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 6 Rn. 36. 194 UBA, 3. Zwischenbericht, S. 18; Bohne, in: Tettinger, UVP bei Projekten des Bergbaus und der Energiewirtschaft, S. 13 (15 ff.); Hoppe / Püchel, DVBI. 1988, 1 (9); Große Hündfeld, Die Beseitigung rechtlicher Hemmnisse, S. 15, befürchtet eine Verlängerung des Zulassungsverfahrens wegen des Fehlens klarer Maßstäbe. 195 Vgl. den Wortlaut des § 2 Abs. 1 S.2 AbfG: "insbesondere". 196 So Bunge, DVBI. 1987, 819 (824); Jarass, UVP bei Industrievorhaben, S. 89.

11. Inhaltliche Anforderungen nach Maßgabe des Abfallgesetzes

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verträglichkeitsprüfung die Gewichtung der abwägungserheblichen Belange zugunsten einer stärkeren Betonung des Umweltschutzes verändert. Indessen zählt aber § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UVPG neben den typischen Umweltbelangen auch Kultur- und sonstige Sachgüter zu den Schutzgütern, ohne daß dem Wortlaut eine bestimmte Rangfolge zu entnehmen wäre. Dies spricht dafür, daß die Umweltverträglichkeitsprüfung nicht einseitig die Bedeutung der Umweltbelange verstärkt, sondern vielmehr an der prinzipiellen - einfachgesetzlichen 197 Gleichgewichtigkeit 198 der Belange festhält. Deshalb ist davon auszugehen, daß durch die obligatorische Einführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung in das abfallrechtliche Planfeststellungsverfahren keine über die bisher ohnehin geltenden Voraussetzungen hinausgehenden materiellrechtlichen Anforderungen an die Zulassung von Abfallentsorgungsanlagen gestellt werden. 199 Statt dessen weist § 7 Abs. 1 S. 2 AbfG nur deklaratorisch auf die ohnehin bestehende pflicht zu einer umfassenden Berücksichtigung aller Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt hin. 2OO Die UmweItverträglichkeitsprüfung dient nach alledem nicht dem Individualschutz, sondern ist ein Instrument des vorsorgenden Umweltschutzes. 201 Ein drittschützender Charakter der Vorschrift in dem Sinne, daß ein von dem Projekt betroffener Dritter sich vor Gericht auf eine Verletzung des § 7 Abs. 1 S. 2 AbfG berufen könnte, ist deshalb zu verneinen. 202 2. Unvereinbarkeit mit den für verbindlich erklärten Feststellungen eines Abfallentsorgungsplans (§ 8 Abs. 3 S. 1 AbfG) Die für die abfallrechtliche Planfeststellung maßgeblichen Versagungsgründe sind in § 8 Abs. 3 AbfG genannt. Nach Satz 1 ist die Zulassung "zu versagen, wenn das Vorhaben den für verbindlich erklärten Festlegungen eines Abfallentsorgungsplans zuwiderläuft". Nach dem klaren Wortlaut kann nur ein gemäß § 6 Abs. 1 S. 6 AbfG für verbindlich erklärter Abfallentsorgungsplan gemeint sein. 203 197 Die Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben kann hingegen bei der Einzelfallabwägung durchaus eine bestimmte Prioritätensetzung gebieten. 198 BVerwG, NuR 1989, 85; Hösel / von Lersner, § 7 AbfG Rn. 14; Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 240. 199 Hösel / von Lersner, § 7 AbfG Rn. 14; Jarass, Auslegung und Umsetzung der EGRichtlinie zur UVP, S. 26 ff.; Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 247 f.; anders Hoppe / Püchel, OVBI. 1988, 1 (9), unter Hinweis auf die Notwendigkeit eines Standortalternativenvergleichs als Bestandteil der UVP; allerdings ist auch schon nach bisheriger Rechtsprechung (BVerwG, NJW 1980,953) die Berücksichtigung von alternativen Standorten im Planfeststellungsverfahren geboten; vgl. auch Beckmann, NVwZ 1991, 427 (430). Es kann sich also bestenfalls um einen graduellen Unterschied handeln. 200 Hösel / von Lersner, § 7 AbfG Rn. 14; kritisch zur insoweit abweichenden Rechtslage auf dem Gebiet des Immissionsschutzrechts Schink / Erbguth, OVBI. 1991,413 ff. 201 Hoppe / Beckmann, Umweltrecht, § 8 Rn. 59. 202 Jarass, Auslegung und Umsetzung der EG-Richtlinie zur UVP, S. 81.

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2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

Trotz dieser auf den ersten Blick eindeutigen Regelung wirft die Einbindung des Planfeststellungsverfahrens in die Abfallentsorgungsplanung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zahlreiche Zweifelsfragen auf, die nicht ohne Kenntnis der Rechtsgrundlagen und praktischen Möglichkeiten der Abfallentsorgungsplanung gelöst werden können.

a) Exkurs: Abfallentsorgungsplanung

aa) Inhalt und Zustandekommen eines Abjal/entsorgungsplans Nach § 6 AbfG sind an Abfallentsorgungspläne bestimmte inhaltliche Anforderungen zu stellen; so müssen sie nach überörtlichen Gesichtspunkten aufgestellt werden und sollen geeignete Standorte für Abfallentsorgungsanlagen bestimmen, wobei ein besonderes Augenmerk auf die gefährlichen Sonderabfälle i. S. d. § 2 Abs. 2 AbfG zu legen ist. 204 Solange ein Abfallentsorgungsplan, der neue Standorte für Sonderabfallentsorgungsanlagen vorsieht, noch nicht vorhanden ist, besteht nach § 6 Abs. 3 AbfG die gesetzliche Verpflichtung zur Erstellung eines - mißverständlich - als "vorläufig" bezeichneten Plans, der indessen eher eine Art Bestandsverzeichnis der vorhandenen Anlagen darstellt. Vorrangiges Ziel der Abfallentsorgungsplanung ist jedoch die Festlegung geeigneter Standorte für zukünftig zu errichtende Abfallentsorgungsanlagen, weshalb die Länder auch durch § 6 Abs. 1 S. 2 AbfG zur Festlegung von Standorten verpflichtet sind. 205 Ursprünglich hatte der Gesetzesentwurf sogar vorgeschlagen, den Ländern eine Frist zur Erfüllung dieser Pflicht zu setzen. 206 Dieses Vorhaben ist zwar nicht umgesetzt worden, doch steht es den Ländern frei, in einen Abfallentsorgungsplan eine für die öffentlichen Träger verbindliche Frist zur Verwirklichung von Entsorgungsvorhaben aufzunehmen. 207 Auch darüber hinaus sind die Länder bei der inhaltlichen Gestaltung der Pläne relativ frei. 208 Es wird aber in aller Regel unerläßlich sein, auch schon Vorgaben für die Entsorgungsart und Anlagenkonzeption zu benennen,209 da sich diese Fragen von der Standortauswahl üblicherweise nicht trennen lassen. 210 Ein geeig203 BVerwG, UPR 1989, 184 (186) = BVerwGE 81, 128; Hösel / von Lersner, § 8 AbfG Rn. 18. 204 Ausführlich zum folgenden: Dammert, Abfallentsorgungsplanung, S. 93 ff. 205 Beckmann/ Appold/Kuhlmann, DVBI. 1988,1002 (1004). 206 Die Bundesregierung hatte eine Frist bis zum 1.1.1977 vorgesehen, BT-Drs. 7/ 2593, S. 16 f. 207 Das OVG Lüneburg, DVBI. 1979, 196 hat eine solche Fristbestimmung sogar im Verfahren nach § 80 VwGO zur Begründung des besonderen öffentlichen Interesses ausreichen lassen; zustimmend Hösel / von Lersner, § 6 AbfG Rn. 12. 208 So auch Schwerrner, in: Kunig / Schwerrner / Versteyl, § 6 Rn. 15. 209 Jarass, Auslegung und Umsetzung der EG-Richtlinie zur UVP, S. 23. 2\0 Schwerrner, in: Kunig / Schwerrner / Versteyl, AbfG, § 6 Rn. 36.

11. Inhaltliche Anforderungen nach Maßgabe des Abfallgesetzes

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neter Deponiestandort muß eben nicht auch für eine Verbrennungsanlage geeignet sein (und umgekehrt). Des weiteren kann es sinnvoll sein, bestimmte, besonders schutzwürdige Gebiete, die als Anlagenstandorte keinesfalls in Betracht kommen, als sog. "Negativflächen" auszuweisen. 211 Bereits auf der Ebene der Planaufstellung kann also eine Auswahl zwischen verschiedenen Alternativen stattfinden. 212 Zulässig ist auch eine alternative Ausweisung mehrerer in Betracht kommender Standorte für ein Projekt. Wie konkret ein Standort im Plan bezeichnet wird, ist ebenfalls der Entscheidung der planenden Behörde überlassen. So kommen sowohl die parzellenscharfe Beschreibung eines bestimmten Areals als auch die bloße Festlegung auf das Gebiet einer Gemeinde in Betracht. 213 Weitere Aussagen eines Abfallentsorgungsplans können die Lenkung der Abfallströme, die Vorsorge für günstige Transportwege oder auch die Reduzierung der Anzahl an Deponien bezwecken. 214 Dazu können beispielsweise nach § 6 Abs. 1 S. 5 AbfG die Träger von Anlagen und der Kreis der sich dieser Anlage bedienenden Entsorgungspflichtigen, anders formuliert: der Einzugsbereich der Anlage, bestimmt werden. 215 Eine derartige planerische Festlegung mit Wirkung gegenüber den Entsorgungspflichtigen setzt allerdings die Verbindlicherklärung des Plans voraus. 216 In Ermangelung einer entgegenstehenden bundesgesetzlichen Normierung sind die Länder ebenfalls recht frei in der Wahl des sachlichen und räumlichen Zuschnitts eines Abfallentsorgungsplans. Zulässig ist beispielsweise eine sachliche Aufteilung nach verschiedenen Abfallarten, wie bereits § 6 Abs. 1 S. 2 AbfG für Sonderabfälle nahelegt, oder die Aufstellung regionaler statt landesweiter Pläne. 217 Die rechtliche Grenze für eine solchermaßen aufgeteilte Abfallentsorgungsplanung liegt in der Forderung nach einer überörtlichen Abfallentsorgungsplanung 218 (§ 6 Abs. 1 S. 1 AbfG) unter Berücksichtigung von Standortalternativen 219 • Deshalb dürfte die Abfallentsorgungsplanung beispielsweise nicht den Gemeinden übertragen werden, da bei der Schaffung des AbfG die Bindung der Abfallentsorgung an die Gemeinden gerade als zu kleinräumig und damit unrationell angesehen wurde. 220 Das nw.LAbfG hat diesem Gedanken 211 Beckmann/ Appold/Kuhlmann, DVBI. 1988,1002 (1004); Hösel/von Lersner, § 6 AbfG Rn. 12. 212 BVerwG, UPR 1989, 184 (187) = BVerwGE 81, 128. 213 Hoschützky / Kreft, § 6 AbfG Erl. 1.2. 214 Bender / Sparwasser, Umweltrecht, Rn. 697. 215 Zur Frage, ob der Einzugsbereich auch durch den Planfeststellungsbeschluß festgelegt werden kann: Jarass, DVBI. 1991, 7 ff., i. E. verneinend. 216 Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 6 Rn. 43. 217 Vgl. z. B. Art. 8 Abs. 1 S.3 bay.AbfG. 218 Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 6 Rn. 2. 219 BVerwG, UPR 1989, 184 (187) = BVerwGE 81, 128; Hösel/von Lersner, § 6 AbfG Rn. 9. 220 Hoschützky / Kreft, § 6 AbfG Erl. 0.1; vgl. auch Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 6 Rn. 20.

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2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

dadurch Rechnung getragen, daß die Abfallentsorgungsplanung zwar den Regierungspräsidenten übertragen worden ist,221 diese jedoch gemäß § 17 Abs. 2 nw.LAbfG zur Abstimmung mit benachbarten Regierungsbezirken verpflichtet sind. Eine entsprechende Regelung gilt nach § 6 Abs. 1 S. 3 AbfG auch für die Abstimmung unter den Bundesländern. Der Vorteil dieser räumlichen Aufteilung liegt sicherlich in der Nähe der den Plan aufstellenden Behörde zu dem von der Planung betroffenen Gebiet; andererseits kann jede zusätzlich erforderliche Abstimmung mit anderen Planungsträgern zu weiteren zeitlichen und auch inhaltlichen Defiziten führen. Das gilt erst recht, wenn sich der Zuschnitt der Planungsbezirke nicht an den örtlichen Gegebenheiten orientiert, so etwa im Ballungsraum Ruhrgebiet, für den drei Regierungspräsidenten zuständig sind. Eine sinnvolle Koppelung landesweiter Rahmen- und regionaler Teilpläne kann so aussehen, daß der Generalplan die Grundlinien der Planung vorgibt und dadurch die Detailplanung in bezug auf Regionen oder Sachgebiete davor bewahrt, zu einem uneinheitlichen Stückwerk zu werden. 222 Das Abfallgesetz macht keinerlei Vorgaben für die Geltungsdauer eines Abfallentsorgungsplans, doch wird die Planung an die Entwicklung der Abfallmengen, die Zusammensetzungen der Abfallstoffe und auch an die technischen Verwertungsmöglichkeiten von Zeit zu Zeit anzupassen sein, d. h. die Abfallentsorgungsplanung muß als ein dynamisches Instrument 223 verstanden werden. Welcher Zeitraum dafür jeweils angemessen ist, läßt sich nicht pauschal festlegen. Der nordrhein-westfalische Gesetzgeber beispielsweise schreibt in § 5 Abs. 3 S. 4 nw.LAbfG für die insofern vergleichbaren Abfallwirtschaftskonzepte der Kreise und kreisfreien Städte eine Überarbeitung nach höchstens zehn Jahren vor. 224 Nach alledem ist die Abfallentsorgungsplanung in den Ländern durch eine weitgehende Gestaltungsfreiheit gekennzeichnet, die wesentliches Merkmal einer jeden Planung ist. 225 Die Fragen nach der rechtlichen Struktur und der gerichtlichen Kontrolle dieser Gestaltungsfreiheit stellen sich allerdings in gleicher Weise nochmals hinsichtlich des Planfeststellungsbeschlusses, also mit Blick auf das eigentliche Thema dieser Arbeit, und sollen deshalb auch erst im Zusammenhang mit dem Planfeststellungsbeschluß erörtert werden. 226 221 § 17 Abs. 1 i. V. m. § 24 nw.LAbfG. 222 Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 6 Rn. 15. 223 Hösel / von Lersner, § 6 AbfG Rn. 19. 224 Anders die Regelung in Baden-Württemberg; nach § 3 Abs. 1 S. 1 bd.wtt.LAbfG sind Abfallwirtschaftskonzepte ,,regelmäßig" fortzuschreiben. Abfallwirtschaftskonzepte unterscheiden sich von Abfallentsorgungsplänen dadurch, daß sie auch vermeidungsbezogene Zielaussagen beinhalten können. 225 BVerwG, UPR 1989, 184 (186) = BVerwGE 81, 128; zur planerischen Abwägung bei der Aufstellung von Abfallentsorgungsplänen siehe auch Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 6 Rn. 22 ff. 226 Siehe unten 2. Kap. B. IV. 2., insbes. d) bb).

H. Inhaltliche Anforderungen nach Maßgabe des Abfallgesetzes

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Die Regelungen über das Verfahren für die Aufstellung der Abfallentsorgungspläne sind durch § 6 Abs. 2 AbfG den Ländern überlassen. Dennoch weisen die landesrechtlichen Nonnierungen zahlreiche Parallelen auf. 227 Planaufstellende Behörde ist in den meisten Bundesländern der zuständige Fachminister. 228 Die flächenmäßig größeren Länder Nordrhein-Westfalen 229 und Niedersachsen 230 haben die Planungszuständigkeit den Regierungspräsidenten bzw. der Bezirksregierung übertragen. In allen Bundesländern 231 läuft das eigentliche Aufstellungsverfahren ohne eine zwingend vorgeschriebene Bürgerbeteiligung ab. 232 Doch sind die betroffenen Standortgemeinden ohnehin schon wegen ihres in Art. 28 Abs. 2 GG geschützten Selbstverwaltungsrechts, das auch die Planungsfreiheit umfaßt, vor Erlaß des Abfallentsorgungsplans anzuhören. 233 Diesem fonnellen Beteiligungsrecht entspricht ein materiellrechtlicher Anspruch der Gemeinde auf angemessene Berücksichtigung ihrer Interessen. 234 Ein im Landesabfallgesetz des jeweiligen Bundeslandes verankertes Anhörungsrecht dürfte diesem verfassungsrechtlich gebotenen Maß der Beteiligung durchaus genügen. 235 "Gemeindefreundlicher"236 und zugleich akzeptanzfördernd 237 erscheint demgegenüber die rheinland-pfälzische Fonnulierung, nach der die Planung im "Benehmen 238" mit der 227 Eine Ausnahme stellt Berlin dar, wo bis heute kein Abfallgesetz existiert. 228 So in Baden-Württemberg (§ 10 Abs. 1 S. 1 bd.wtt.LAbfG), Bayern (Art. 1 Abs. 1 S. 1 bay.AbfG), Rheinland-Pfalz (§ 5 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 13 Abs. 1 S. 1 rh.pf.LAbfG), dem Saarland (§ 13 Abs. 1 S. 1 saarl.AbfG) und Schieswig-Hoistein (§ 4 Abs. 1 S. 1 schl.h.AG-AbfG), im Ergebnis vergleichbar: Zuständigkeit des Umweltsenators in Bremen (§ 16 Abs. 1 Nr.3 brem.AGAbfG). Anders in Hessen: Landesanstalt für Umwelt (§ 8 Abs. 1 S. 1 hess.AbfAG). 229 § 17 Abs. 1 i. V. m. § 24 nw.LAbfG. 230 §§ 10 Abs. 2 S. 1,24 Abs. 2 nds.AbfG; Ausnahme: Aufstellung eines Sonderabfallentsorgungsplans durch den Minister gern. §§ 10 Abs. 2 S. 2, 24 Abs. 1 nds.AbfG. 231 Anders bislang § 2 Abs. 3 S. 3 bis 6 nds.AGAbfG (a. F.); eine Übernahme dieser Regelung durch die Landesabfallgesetze der anderen Bundesländer empfiehlt Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 6 Rn. 66 m. w. N.; kritisch SRU, Sondergutachten Abfallwirtschaft, Tz. 390; § 10 Abs. 3 nds.AbfG nunmehr beschränkt auf Behördenbeteiligung. 232 Vgl. Ronellenfitsch, DöV 1989,737 (742); Weidemann, NVwZ 1989, 1033 (1035), wirft die Frage auf, ob eine Beteiligung privater Dritter zwingend geboten ist; m. E. dürfte dies allerdings nur dann zu bejahen sein, wenn aufgrund eines verbindlichen Abfallentsorgungsplans das Anfechtungsrecht betroffener Dritter gegen den Planfeststellungsbeschluß eingeschränkt würde. 233 So § 2 Abs. 3 S.2 schl.h.AG-AbfG und § 4 Abs. 1 S.4 schl.h.AG-AbfG. 234 BVerfGE 76,107 (122); OVG Lüneburg, DVBI. 1987,1021 (1022) unter Berufung auf BVerwGE 56, 110 (137) und BVerwG, DVBI. 1987, 1000; Schwermer, in: Kunig / Schwermer /Versteyl, AbfG, § 6 Rn. 32 m. w. N.; Tettinger, GewArch 1988,41 (47). 235 Völlig offen ist demgegenüber das nordrhein-westfaIische Landesrecht; § 17 Abs. 1 S.2 nw.LAbfG verlangt nur eine Beteiligung, ohne diese näher zu spezifizieren. 236 So die Einschätzung von Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 6 Rn. 65. 237 Vgl. SRU, Sondergutachten Abfallwirtschaft, Tz. 246. 238 Dieser Begriff bezeichnet ebenso wie der der Anhörung einen beratenden Einfluß der zur Mitwirkung an der Entscheidung berechtigten Stelle; vgl. Badura, in: Erichsen / Martens, Allg. Verwaltungsrecht, § 40 III. 5 Kleinschninger

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2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

Gemeinde zu erfolgen hat. 239 Damit wird zwar nicht die noch stärkere Art der Beteiligung in Form des Einvernehmens 240 verlangt, aber dennoch klargestellt, daß die Planungsbehörde sich um eine Übereinstimmung mit der Gemeinde bemühen, d. h. die örtlichen Belange ernst nehmen muß. 241 Das Bundesrecht geht in § 6 Abs. I S. 6 AbfG davon aus, daß Abfallentsorgungspläne für verbindlich erklärt werden können. Wie dies zu geschehen hat und wem gegenüber der Plan verbindlich sein soll, ist der landesrechtlichen Regelung überlassen. In den meisten Bundesländern ist vorgesehen, daß die Abfallentsorgungspläne durch Rechtsverordnung für verbindlich erklärt werden. 242 Keine expliziten Entscheidungen über die Form der Verbindlicherklärung finden sich in den Landesabfallgesetzen von Schleswig-Holstein und bis vor kurzem Bayern 243 , außerdem in Berlin, wo bislang kein Abfallgesetz erlassen worden ist. 244 Dennoch muß aber auch in diesen Ländern eine Verbindlicherklärung von Abfallentsorgungsplänen möglich sein, da die bundesrechtliche Regelung in § 6 Abs. 1 S. 6 und § 8 Abs. 3 S. 1 AbfG das Vorhandensein verbindlicher Pläne voraussetzt. Dabei handelt es sich nicht nur um eine durch die Länder auszufüllende Rahmenregelung, sondern um eine aus sich selbst heraus vollziehbare Vollregelung. 24S Das niedersächsische Landesrecht ging bisher über eine bloße Ermächtigung zur Verbindlicherklärung hinaus und verpflichtete den Planungsträger sogar zu der Verbindlichkeitserklärung. 246 Ebenso geht nun auch das neue bay .AbfG 247 davon aus, daß ein Abfallentsorgungsplan immer als Rechtsverordnung ergeht. 248 Das hess.AbfAG betont wiederum in § 8 Abs. 4 S. 1, daß der Abfallentsorgungs§ 5 Abs. 1 S. 1 rh.pf.LAbfG. Hierzu ist die Zustimmung des mitwirkungsberechtigten Verwaltungsträgers erforderlich; Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 30. 241 In diesem Sinne Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 6 Rn. 65. 242 § 10 Abs.2 bd.wtt.LAbfG i. V. m. § 6 Abs. 1 bd.wtt.LPIG; § 5 Abs. 1 brem. AGAbfG; § 8 Abs. 4 S. 1 hess.AbfAG; § 11 Abs. 1 nds.AbfG; § 5 Abs. 3 S. I rh.pf.LAbfG; § 13 Abs. 2 S. 1 saarl.AbfG; § 18 Abs. 1 S. 1 nw.LAbfG; dazu auch Ibler, DVBI. 1989, 639 (640). In Hamburg ergeht der verbindliche Plan durch Gesetz (§ 3 Abs. 2 hamb.AAbfG). 243 Gesetz über die geordnete Beseitigung von Abfällen (Bayerisches Abfallgesetz) vom 25.6.1973, GVBI. S. 324, außer Kraft getreten am 1.7.1990. 244 Vgl. auch Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 6 Rn. 44. 24S Nach Bay VGH, UPR 1986,430 (431) folgt die Ermächtigung zur Verbindlicherklärung unmittelbar aus § 6 Abs. 1 S. 6 AbfG, da es sich nicht nur um eine Rahmensondern um eine vollzugsfähige Vollregelung handele; zustimmend Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 6 Rn. 44, m. w. N.; a. A. Botbe, NVwZ 1987, 938 (946); Franßen, in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, S. 399 (430 f.). Hösel / von Lersner, § 6 AbfG Rn. 27, weisen zutreffend darauf hin, daß der Plan jedenfalls durch Landesgesetz für verbindlich erklärt werden könnte. 246 § 2 Abs. 3 S. 1 nds.AGAbfG (a. F.); jetzt anders § 11 Abs. 1 nds.AbfG. 247 Gesetz zur Vermeidung, Verwertung und sonstigen Entsorgung von Abfällen in Bayern (Bayerisches Abfallwirtschaftsgesetz) vom 28.6.1990, GVBI. S. 213. 248 Art. 8 Abs. 1 S. 1 bay.AbfG. 239

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plan durch Rechtsverordnung auch als "allgemein" verbindlich festgestellt werden kann. Aus dieser Vorschrift wird deutlich, daß bei der Verbindlicherklärung von Abfallentsorgungsplänen verschiedene Adressatenkreise in Betracht kommen. 249 Die verbindlichen Vorgaben können ausschließlich an die entsorgungspflichtigen Körperschaften, aber darüber hinaus auch an private Entsorgungspflichtige 250 oder gar die Allgemeinheit gerichtet sein. 251

bb) Rechtliche Bedeutung der Abjallentsorgungsplanung im Zusammenspiel von Gesamt- und Fachplanung Im Ergebnis bedeutsamer noch als das Verfahren zur Aufstellung eines konkreten Abfallentsorgungsplanes ist die Frage, wie die abfallrechtliche Planung in das System des Raumordnungs- und Landesplanungsrechts eingebunden ist. 252 Da eine bundeseigene Raumordnung nicht existiert und sich die bundesrechtlichen Vorgaben auf die in § 2 Abs. 1 ROG normierten allgemeinen Grundsätze der Raumordnung beschränken, 253 liegt die konkrete Handhabung der räumlichen Planung in der Verantwortlichkeit der Länder. Außerdem ist zwischen der räumlichen Gesamtplanung und der Fachplanung zu unterscheiden. 254 Die Bezeichnungen für die Gesamtplanungen unterscheiden sich bisweilen; häufig werden sie als Landesentwicklungsprogramm bzw. Landesentwicklungsplan oder Landesraumordnungsprogramm bezeichnet. 255 Diese Programme oder Pläne sind querschnittartig angelegt 256 und dienen der Koordinierung unterschiedlicher Raumansprüche und Belange. 257 Als räumliche Untergliederungen der Landesplanung 249 Dazu ausführlich Beckmann / Appold / Kuhlmann, DVBl. 1988, 1002 (l 004); Hösei/von Lersner, § 6 AbfG Rn. 22; allgemein zur Verbindlichkeit umweltrechtlicher (imperativer) Fachplanungen Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rn. 11. 250 Mit der Verbindlicherklärung entfaltet der Plan rechtliche Wirkungen unmittelbar gegenüber den Entsorgungspflichtigen und mittelbar gegenüber den von diesen nach § 3 Abs. 2 S. 2 und Abs. 4 S. 2 AbfG beauftragten Dritten; dazu Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 6 Rn. 45; vgl. auch Große Hündfeld, Die Beseitigung rechtlicher Hemmnisse, S. 32. 251 Die Verbindlicherklärung ist nicht zu verwechseln mit der nur im Verhältnis zu staatlichen Stellen wirkenden Verbindlichkeit mancher Pläne nach Landesplanungsrecht, vorausgesetzt, sie sind zugleich Ziele der Raumordnung und Landesplanung; vgl. dazu Hösel / von Lersner, § 6 AbfG Rn. 20 und den folgenden Abschnitt. 252 Dazu ausführlich Dammert, Abfallentsorgungsplanung, S. 160 ff.; zum Modell einer Umweltleitplanung nach §§ 19 -25 UGB-AT(E) Kloepfer / Kunig / Rehbinder / Schmidt-Aßmann, DVBl. 1991,339 (341). 253 Nach BVerwGE 72, 15 (18 f.) geben die Grundsätze der Raumordnung keine konkreten Maßstäbe, sondern nur einen Rahmen vor; sie stellten daher keine über das Abwägungsgebot hinausgehenden Anforderungen. 254 Vgl. § 5 Abs. 1 S.2 ROG. 255 UBA, 1. Zwischenbericht, S. 1; Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § 7 Rn. 28. 256 Erbguth, Weiterentwicklung raumbezogener Umweltplanungen, S. 60. 257 Eberle, in: Thieme, Umweltschutz im Recht, S. 145 (146); Hoppe / Beckmann, Umweltrecht, § 7 Rn. 47.

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2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

sind die Gebiets- oder Kreisentwicklungspläne als regionale Pläne zu nennen; eine weitere Kategorie der Gesamtplanung stellt die Ortsplanung in der Form der kommunalen Bauleitpläne dar. 258 Die Fachplanung hingegen konzentriert sich auf einen fachlichen Einzelaspekt der Landesplanung, d. h. sie ist "monofinal" auf die Erreichung eines konkreten Ziels ausgerichtet. 259 Durch dieses Nebeneinander verschiedener Planungsinstrumente entsteht bei raumbedeutsamen Großprojekten ein Abstimmungsbedarf, der durch Landesentwicklungspläne oder gegebenenfalls durch ein Raumordnungsverfahren (vgl. § 6a ROG) 260 befriedigt werden kann; allein in Nordrhein-Westfalen ist ein derartiges Verfahren bislang nicht vorgesehen. Die Abfallentsorgungsplanung wird üblicherweise wegen ihres projektbezogenen Charakters der Fachplanung zugerechnet. 261 Doch unterscheidet sie sich von anderen Fachplanungen ganz wesentlich dadurch, daß sie im Gegensatz etwa zur fernstraßenrechtlichen Planung nicht monofinal orientiert, sondern gemäß § 2 Abs. 1 AbfG dem Wohl der Allgemeinheit verpflichtet ist. Sie hat also ein Bündel von abfall wirtschaftlichen, umweltpolitischen und sonst im konkreten Fall relevanten Belangen zu berücksichtigen und abzuwägen. 262 Die Abfallentsorgungsplanung trägt somit, was für die fachlichen Planungen untypisch ist, zugleich Züge einer integrierenden Gesamtplanung. 263 Aus dieser abfallrechtlichen Besonderheit folgt ein gesteigerter Abstimmungsbedarf im Verhältnis zur Gesamtplanung. Das Verhältnis zur kommunalen Bauleitplanung ist allerdings durch § 38 BauGB klar zugunsten eines Vorrangs der abfallrechtlichen Fachplanung entschieden; 264 die Festlegungen des Abfallentsorgungsplans sollen daher nachrichtlich in die Bauleitplanung übernommen werden. 265 Die Abstimmung mit der Landes- oder Gebietsentwicklungsplanung stellt sich jedoch komplizierter dar. Nach § 2 Abs. 1 S. 3 AbfG sind bei der AbfallentsorUBA, 1. Zwischenbericht, S. 1. Erbguth, Weiterentwicklung raumbezogener Umweltplanungen, S.61; Hoppe / Beckmann, Umweltrecht, § 7 Rn. 47. 260 Jarass, Auslegung und Umsetzung der EG-Richtlinie zur UVP, S. 22, mißt dem Raumordnungsverfahren wegen seiner frühzeitigen Durchführung eine erhebliche faktische Bedeutung für die Abklärung grundsätzlicher Fragen bei. 261 Siehe nur Barteis, Abfallrecht, S. 88; Ronellenfitsch, DöV 1989, 737 (742). 262 Nach Erbguth, Weiterentwicklung raumbezogener Umweltplanungen, S. 61, ist die straßenrechtliche Fachplanung derart durch einen monofinalen Charakter geprägt, daß die Aufnahme einer Planungsleitlinie "Umweltschutz" mit ihrem Wesen nicht vereinbar wäre. 263 Ronellenfitsch, DöV 1989,737 (742). 264 Die überörtliche Fachplanung hat jedoch als inhaltliche Grenzen das Willkürverbot und das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten; vgl. Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 6 Rn. 33. 265 §§ 5 Abs.4 und 9 Abs.6 BauGB. Wenn die Festlegungen zugleich Ziele der Raumordnung und Landesplanung sind, trifft die Gemeinden eine Anpassungspflicht (vgl. § 1 Abs.4 BauGB und § 21 nw.LPIG); dazu Barteis, Abfallrecht, S. 88 f.; Hösel/ von Lersner, § 6 AbfG Rn. 22. 258

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gung die Ziele und Erfordernisse der Raumordnung und Landesplanung zu beachten. Dieser das gesamte Abfallrecht beherrschende Grundsatz gilt nicht nur für den Planfeststellungsbeschluß266, sondern auch und gerade für die Aufstellung von Abfallentsorgungsplänen. 267 "Beachten" bezeichnet schon vom Wortlaut her eine stärkere Bindung als etwa das Wort "berücksichtigen". Das bedeutet, daß die rechtmäßig zustandegekommenen raumordnerischen Ziele mehr als nur Abwägungsmaterial sind, also im Rahmen der Abwägung nicht zugunsten anderer Ziele zurücktreten dürfen. 268 Sie sind vielmehr für den jeweiligen Planungsträger bindend. 269 In der praktischen Anwendung wird ein Verstoß gegen diese Beachtenspflicht allerdings nur schwerlich festzustellen sein, da die landesplanerischen Ziele üblicherweise nicht mit hinreichender Konkretheit formuliert sein werden. 270 Die Landesplanung ist der abfallrechtlichen Fachplanung daher grundsätzlich übergeordnet. Dies schließt indessen nicht aus, daß die speziellere fachliche Planung in der Praxis zuerst ein Projekt anvisiert und die Landesplanung diese Vorentscheidung übernimmt. Um Divergenzen zwischen den landesplanerischen und den fachlichen Plänen zu vermeiden, bedarf es einer Abstimmung. In Nordrhein-Westfalen findet die Abstimmung durch den Gebietsentwicklungsplan statt. 271 Nach § 17 Abs. 1 S. 1 nw.LAbfG stellen die Regierungspräsidenten die Abfallentsorgungspläne "im Benehmen" mit dem Bezirksplanungsrat (§ 5 nw.LPIG) auf. 272 Damit erlangen die Entsorgungskommissionen der Bezirksplanungsräte letztlich großen Einfluß auf die Standortentscheidungen. Das nordrhein-westfälische Rahmenkonzept zur Planung von Sonderabfallentsorgungsanlagen 273 sieht denn auch explizit vor, daß vor Erlaß eines Planfeststellungsbeschlusses nötigenfalls der Gebietsentwicklungsplan geändert werden muß. Dieses Verfahren hat den Vorteil, im Endergebnis tatsächlich zu einer Abstimmung der verschiedenen Planungsinstrumente zu führen, da sie bei einer einzigen Institution, nämlich dem Bezirksplanungsrat, 266 So hat beispielsweise die Planfeststellungsbehörde das Ergebnis eines vorangegangenen Raumordnungsverfahrens zu akzeptieren; Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 237. 267 Hösel / von Lersner, § 6 AbfG Rn. 7. 268 Gaentzsch, WiVerw 1985,235 (248); anders Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 237, der die landesplanerischen Belange nur in die Abwägung einstellen will. Entscheidend ist letztlich, inwieweit bei der Abwägungsentscheidung gesetzliche Bindungen bestehen oder überwunden werden können, dazu ausführlich unten 2. Kap. B. IV. 2. 269 Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 6 Rn. 27. 270 Gaentzsch, WiVerw 1985,235 (248); vgl. auch BVerwG, NVwZ 1984,367 (368). 271 Dazu auch Matthiesen, in: Hoppe / Appold, Umweltschutz in der Raumplanung, S.56 (63).

272 Insoweit vergleichbar § 10 Abs. 1 S. 1 bd.wtt.LAbfG: "Die Abfallentsorgungspläne werden von der obersten Abfallrechtsbehörde im Einvernehmen mit der obersten Raumordnungs- und Landesplanungsbehörde aufgestellt." 273 Erlaß des Ministers für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft NW, MinBI. vom 14.12.1987, Nr. 74 S. 1788.

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2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

konzentriert werden, die sowohl für die Abfallentsorgungsplanung als auch für die Gebietsentwicklungsplanung zuständig ist. 274 Zudem sind die Gebietsentwicklungspläne, folglich auch die Standortfestlegungen der Abfallpläne, nach § 16 Abs. 3 nW.LPIG als Ziele der Raumordnung und Landesplanung von allen öffentlichen Planungsträgern zu beachten. 275 Daraus folgt gemäß § 5 Abs. 4 ROG und § 1 Abs. 4 BauGB eine Anpassungspflicht für die gemeindliche Bauleitplanung. Mit dieser Regelung hat das Abfallrecht den im Raumordnungsrecht ohnehin geltenden Grundsatz übernommen, daß die Fachplanung die Ziele der Raumordnung und Landesplanung zu beachten hat. Das nordrhein-westfälische Verfahren hat allerdings auch einige nachteilige Auswirkungen. Das Modell ist schwerfällig und damit zeitaufwendig, demzufolge einer zügigen Zulassung neuer Anlagen eher hinderlich. 276 Zwar bietet es eine frühzeitige Gelegenheit, die Gemeinden, die letztlich in erster Linie die Planung umsetzen müssen, in die Entsorgungsplanung einzubeziehen, was grundsätzlich die Chance einer Akzeptanzverbesserung in sich trägt. Jedoch kann der große Einfluß der Bezirksplanungsräte, deren Mitglieder nach § 5 Abs. 2 nW.LPIG als Vertreter der Kommunen gewählt werden, dazu führen, daß sich schon zu diesem Zeitpunkt eine konfliktbeladene und möglicherweise kommunalpolitisch orientierte Diskussion mit dem vorrangigen Zweck der Verzögerung entlädt. 277 Zudem erscheint es unter kompetenzrechtlichen Gesichtspunkten fragwürdig, wenn die Standortentscheidung letztlich nicht von der für die Abfallentsorgung zuständigen Fachplanungsbehörde, sondern vom Bezirksplanungsrat getroffen wird. 278 In diesem Zusammenhang ist § 10 des baden-württembergischen Abfallgesetzes zu nennen; danach findet ebenfalls eine Abstimmung der abfallwirtschaftlichen Fachplanung mit der Landesplanung statt, sogar in der gesteigerten Fonn des ,,Einvernehmens", 279 doch wird hier die oberste Raumordnungs- und Landesplanungsbehörde beteiligt, so daß die Standortentscheidungen des Abfallentsorgungsplans weniger als bei der nordrhein-westfälischen Lösung den lokalpolitischen Diskussionen ausgesetzt sind.

Matthiesen, in: Hoppe / Appold, Umweltschutz in der Raumplanung, S. 56 (63). § 5 Abs. 4 und § 4 Abs. 5 ROG; vgl. auch Barteis, Abfallrecht, S. 88; Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 88. 276 UBA, 1. Zwischenbericht, S. 24. 277 Große Hündfeld, Die Beseitigung rechtlicher Hemmnisse, S. 29; Hoppe / Beckmann, DöV 1990,769 (775). 278 Hoppe/Beckrnann, DöV 1990,769 (774). 279 Die abgeschwächte Beteiligungsform des "Benehmens" ist hingegen nach § 5 rh.pf.LAbfG und § 13 Abs. 2 S. 1 saarl.AbfG ausreichend. 274 275

11. Inhaltliche Anforderungen nach Maßgabe des Abfallgesetzes

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cc) Rechtsschutz gegen einen Abjallentsorgungsplan (1) Abstrakte Normenkontrolle

Nicht selten wird bei Bekanntwerden eines Abfallentsorgungsplans von den betroffenen Gemeinden, von Anwohnern und ggfs. Bürgerinitiativen oder sonstigen Vereinigungen die Frage gestellt werden, ob und wie man den Plan auf seine Rechtrnäßigkeit untersuchen kann, um so zu einem frühen Zeitpunkt schon die Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens für ein konkretes, nicht erwünschtes Vorhaben zu verhindern. Als geeignete Rechtsschutzform bietet sich die abstrakte Normenkontrolle nach § 47 VwGO an. 280 Die Statthaftigkeit dieser Rechtsschutzform hängt in vielfacher Hinsicht von der Rechtslage in dem jeweiligen Bundesland ab. 281 Zunächst ist zu unterscheiden, ob es sich um einen verbindlichen oder einen unverbindlichen 282 Plan handelt. Denn nach der immer noch überwiegenden Auffassung kommt ein abstraktes Normenkontrollverfahren nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO nur für Rechtsverordnungen und Satzungen, nicht aber für bloß innenverbindliche, d. h. nur Bedienstete und nachgeordnete Behörden bindende, Verwaltungsvorschriften in Betracht. 283 Dies bedeutet, daß ein solches Normenkontrollverfahren nur dann statthaft ist, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: erstens muß der fragliche Entsorgungsplan nach § 6 Abs. 1 S. 6 AbfG durch Rechtsverordnung für verbindlich erklärt worden sein,284 und zweitens muß das betreffende Bundesland von der Ermächtigung gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO Gebrauch gemacht haben. 285 280 Beckmann, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz, S. 49, erwähnt auch die allgemeine Leistungsklage, um bestimmte Festsetzungen im Plan vorbeugend zu verhindern. Vorbeugender statt des in der VwGO allein vorgesehenen nachträglichen Rechtsschutzes wird jedoch nur ausnahmsweise dann gewährt, wenn der Betroffene zumutbarerweise nicht auf den nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann; BVerwGE 40,323 (326); vgl. auch Kopp, VwGO, Rn. 33 vor § 40; die Berechtigung vorbeugenden Rechtsschutzes ablehnend Tschira / Schmitt Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, Rn. 443 ff. Diese besonderen Anforderungen an das Rechtsschutzbedürfnis dürften aber in bezug auf einen Abfallentsorgungsplan, der nicht unmittelbar verwirklicht werden kann, kaum erfüllt werden. 281 Dazu auch Hösel / von Lersner, § 6 AbfG Rn. 25. 282 Wenn gegen nicht verbindliche Pläne keine Klagemöglichkeit besteht, kommt theoretisch vorbeugender Rechtsschutz in Betracht; vgl. Hoppe / Beckmann, Umweltrecht, § 13 Rn. 180. Der Rechtsschutz gegen einen Planfeststellungsbeschluß reicht aber aus, um die Schaffung vollendeter Tatsachen zu verhindern. 283 BVerwGE 75, 109 (118); Schwermer, in: Kunig/Schwermer/Versteyl, AbfG, § 6 Rn. 79; a. A. Hoppe / Beckmann, Umweltrecht, § 13 Rn. 22, die sich für eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle zumindest normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften einsetzen; ebenso der GFE-Arbeitskreis Rechtsprechung, NJW 1990, 1834 (1836). 284 Bislang tendiert die Rechtsprechung dazu, auch bei verbindlichen Abfallentsorgungsplänen eine unmittelbare Rechtswirkung gegenüber dem Bürger zu verneinen, da die endgültige und verbindliche Zulassungsentscheidung erst im Planfeststellungsverfahren getroffen werde; so OVG Bremen, UPR 1988, 196; ausführlich Weidemann, NVwZ 1989, 1033 (1034).

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2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

Dies ist nur in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz 286 und Schleswig-Holstein der Fall. 287 Sind nun diese Bedingungen erfüllt, so ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung § 47 Abs. 2 VwGO zu beachten, wonach außer Behörden nur solche natürlichen und juristischen Personen antragsbefugt sind, die einen Nachteil aufgrund der Rechtsvorschrift, hier des Abfallentsorgungsplans, erlitten oder in absehbarer Zeit zu erwarten haben. 288 Aus einem Vergleich mit der auf subjektive Rechte beschränkten Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO folgt, daß als relevante Nachteile nicht nur konkrete subjektive Rechtspositionen, sondern auch bloße Interessen in Betracht kommen, soweit sie in irgendeiner Fonn rechtlich geschützt sind. 289 Es muß sich dabei um ein rechtliches Interesse bzw. einen Abwägungsbelang handeln, der bei Erlaß der Rechtsvorschrift hätte berücksichtigt werden müssen. 290 Ob sich ein Antragsteller auf einen solchen Nachteil berufen kann, ist für die an der Rechtskontrolle interessierten Gruppen getrennt zu beantworten. Wendet sich ein betroffener Grundstückseigentümer oder Nachbar 291 gegen die Festlegungen eines Abfallentsorgungsplans, so könnte eine Antragsbefugnis mit Blick darauf bezweifelt werden, daß es sich um eine Entscheidung in einem vorgelagerten Verwaltungsverfahren handelt, vergleichbar etwa den Linienbestimmungen nach § 16 BFStrG und § 13 WaStrG oder der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung nach § 6 LuftVG. Diesen Vorentscheidungen wird üblicherweise nur verwaltungsinterne Bedeutung beigemessen und eine Anfechtbarkeit aus Gründen der Prozeßökonomie 292 verneint,293 Das BVerwG hat jedoch in einem jüngeren Urteil entschieden, daß die gerichtliche Kontrolle von rechtssatzmäßig für verbindlich erklärten Abfallentsorgungsplänen ebenso wie die Überprüfung von Bebauungsplänen im Wege der Nonnenkontrolle gemäß § 47 VwGO erfolgen könne und daß grundsätzlich die dazu ergangene Rechtsprechung, beispielsweise zum Nachteilsbegriff des § 47 Abs. 2 VwGO, verwertbar sei. 294 Dem ist zuzustim285 Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 6 Rn. 78. 286 In Rh.Pf. sind allerdings Rechtsverordnungen eines Landesministers als Handlungen eines Verfassungsorgans gern. Art. 130 LVerf nicht der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle unterworfen; BVerwG, DöV 1991, 162. 287 § 5 bd.wtt.AGVwGO; Art.5 bay.AGVwGO; Art.7 brem.AGVwGO; § 11 hess.AGVwGO; § 6a nds.AGVwGO; § 4 rh.pf.AGVwGO; § 5a schl.h.AGVwGO. 288 Wenn das Landesrecht die Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO eröffnet, gelten die übrigen Vorschriften über die Normenkontrolle unmittelbar; Kopp, VwGO, § 47 Rn. 2. 289 Erbguth, Rechtssystematische Grundfragen, S. 293 f.; zum Begriff des Nachteils i. S. v. § 47 Abs. 2 VwGO: BVerwG, NVwZ-RR 1990,378 im Anschluß an BVerwGE 56, 172 (175) und BVerwGE 64,77 (80); vgl. auch BVerwGE 59,87 (100). 290 BVerwGE 59, 87 (100 ff.); OVG NW, NWVBL 1990, 193. 291 Zum Rechtsschutz eines Mieters oder Pächters siehe unten 2. Kap. B. 11. 5 b) cc). 292 Ziel: Konzentration des Rechtsschutzes auf der letzten Stufe. 293 BVerwGE 62, 342 (343 f.); Wahl, NVwZ 1990,923 (924). 294 BVerwG, UPR 1989, 184 (185 f.) = BVerwGE 81, 128.

II. Inhaltliche Anforderungen nach Maßgabe des Abfallgesetzes

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men, da Entsorgungspläne im Gegensatz etwa zu der Linienbestimmung nach § 16 BFStrG auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet sind, nämlich gemäß § 8 Abs. 3 S. 1 AbfG gegenüber potentiellen Anlagebetreibern und über die dargestellten planungsrechtlichen Auswirkungen auch gegenüber den Gemeinden, die die Bauleitplanung in Wahrnehmung ihrer Selbstverwaltungsrechte ausüben. Es ist allerdings zu beachten, daß Abfallentsorgungspläne im Gegensatz zu Bebauungsplänen oft wesentlich weniger konkrete Festsetzungen enthalten. Deshalb kann ein Nachteil i. S. d. § 47 Abs. 2 VwGO durch einen Abfallentsorgungsplan nur entstehen, wenn dieser eine für einen Standort vorgesehene Anlage in räumlicher und sachlicher Hinsicht bereits so genau beschreibt, daß eine Beurteilung der Frage möglich ist, ob von der Anlage schädliche Umwelteinwirkungen ausgehen und sich negativ auf den Antragsteller auswirken werden. Denkbar ist dies nach Auffassung des BVerwG nur, wenn der Plan einen Standort parzellenscharf ausweist und auch schon die Art der entsorgten Abfalle sowie die Entsorgungstechnik einigermaßen konkret beschreibt. 295 Bezweifelt wird bisweilen, ob dies nur für allgemein verbindliche Abfallentsorgungspläne 296 oder auch für solche gilt, die nur gegenüber den Entsorgungspflichtigen für verbindlich erklärt worden sind. Insoweit ist zu berücksichtigen, daß auch eine Rechtsverordnung mit eingeschränktem Adressatenkreis dennoch eine Rechtsverordnung ist, so daß die Voraussetzung des § 47 Abs. 1 Nr.2 VwGO selbst dann erfüllt ist. Deshalb hat die Einschränkung des Adressatenkreises keine Auswirkungen auf die rechtliche Kontrolle des Plans. 297 Für diese Ansicht spricht auch, daß die Bindungswirkung des nur für Entsorgungspflichtige verbindlichen Planes sich von der des allgemein verbindlichen Planes nach § 8 Abs. 3 S. 1 AbfG, der beide gleich behandelt, im nachfolgenden Planfeststellungsverfahren nicht unterscheidet. Will nun eine Bürgerinitiative, ein Umweltschutzverband oder eine ähnliche Vereinigung die Rechtskontrolle des Abfallentsorgungsplanes veranlassen, so wird in der Regel das Vorliegen eines Nachteils für rechtlich geschützte Interessen zu verneinen sein, da eine Verbandsklage, gestützt auf eigene durchsetzbare Rechtspositionen, derzeit gesetzlich nur vereinzelt vorgesehen ist. 298 Anders verhält es sich, wenn eine solche Vereinigung sich, beispielsweise als Eigentümer eines möglicherweise betroffenen Grundstücks, als juristische Person des Privatrechts auf eine drohende Verletzung ihres Eigentums berufen kann. Dieser Kunst295 BVerwG, UPR 1989, 184 (185); BVerwG, DVBl. 1991, 399; Schwenner, in: Kunig / Schwenner / Versteyl, AbfG, § 6 Rn. 80. 296 So OVG Bremen, UPR 1988, 196. 297 BVerwG, UPR 1989, 184 (185) = BVerwGE 81, 128 unter Aufhebung von OVG Bremen, UPR 1988, 196. 298 Derzeit nur in vier Bundesländern: vgl. § 44 brem.NatSchG; § 41 hamb.NatSchG; § 36 hess.NatSchG, § 39a berl.NatSchG.

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2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

griff wird oft als ein Weg angesehen, mit dem derartige Interessengruppen doch zu einem Klage- bzw. Antragsrecht gelangen können. In der praktischen Anwendung ist indessen Zurückhaltung geboten. Denn die Gerichte haben in jüngerer Zeit bei Sachverhalten, in denen ein Verband ein Grundstück nur zum Schein erworben hatte, um sich eine eigene Rechtsposition für ein geplantes Rechtsschutzverfahren zu verschaffen, bisweilen unter Berufung auf den allgemeinen Grundsatz des § 242 BGB einen Fall von Verwirkung gesehen und das Rechtsschutzbegehren deshalb zurückgewiesen. 299 Das BVerwG zeigt sich indessen etwas zurückhaltender, indem es keine eigene Nutzungsabsicht des Vereins fordert, sondern es ausreichen läßt, wenn das Grundstück zu dem Zweck seiner Erhaltung erworben wird. 3°O Als weitere Möglichkeit verbleibt dem Verein schließlich die Unterstützung eines prinzipiell klagewilligen Betroffenen, der möglicherweise selbst den finanziellen und zeitlichen Aufwand eines Gerichtsverfahrens scheut. Häufig geht das Rechtsschutzbegehren gegen einen Abfallentsorgungsplan aber von einer betroffenen (oder vermeintlich betroffenen) Gemeinde aus. 301 Gemeinden können ein Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO entweder als Behörden oder als nachteilig betroffene juristische Personen des öffentlichen Rechts beantragen. Scheint es nach dem Wortlaut des § 47 Abs.2 VwGO so, als könne bei Anträgen von Behörden auf das Vorliegen der Antragsbefugnis verzichtet werden, so folgt doch aus dem allgemeinen Erfordernis eines Rechtsschutzbedürfnisses, daß die Behörde von der angefochtenen Rechtsnorm betroffen sein muß, etwa weil sie für die Ausführung der Norm zuständig ist. 302 Bezogen auf den Abfallentsorgungsplan heißt dies, daß eine Gemeindebehörde beispielsweise dann die Überprüfung des Plans erreichen kann, wenn die Gemeinde als entsorgungspflichtige Körperschaft von den Regelungen des Plans betroffen ist. In ihrer Eigenschaft als juristische Person kann die Gemeinde selbst sich hingegen lediglich auf eine Beeinträchtigung ihrer durch Art. 28 Abs. 2 GG oder eine entsprechende landesverfassungsrechtliche Gewährleistung geschützten Planungsinteressen 303 berufen. 304 Der grundgesetzliehe Eigentumsschutz nach Art. 14 GG steht einer Gemeinde als juristischer Person des öffentlichen Rechts 299 Vgl. BVerwGE 72, 15 (16); BayVGH, NVwZ 1989,684 (685); zur Verwirkung prozessualer Rechte nach Treu und Glauben auch BVerwG, NVwZ 1990,554 f. 300 BVerwGE 72, 15 (16). 301 Nach Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 6 Rn. 80, ist dies der häufigste Fall. 302 BVerwG, NVwZ 1990,57; OVG Lüneburg, UPR 1990,232 (233); Kopp, VwGO, § 47 Rn. 32; Redeker / von Oertzen, VwGO, § 47 Rn. 25. 303 Voraussetzung ist, daß bereits eine hinreichend bestimmte Planung besteht und diese durch die Fachplanung nachhaltig gestört wird; vgl. VGH Bd.Wtt., NVwZ 1990, 487 im Anschluß an BVerwGE 74, 124 (132); siehe dazu noch unten 2. Kap. B. 11. 5. b) ee). 304 HessVGH, NVwZ 1987, 989; vgl. auch Hoppe / Beckmann, Umweltrecht, § 13 Rn. 62.

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aus systematischen Erwägungen jedoch nicht ZU. 305 Dies gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Wahrnehmung nicht nur öffentlicher, sondern auch fiskalischer Aufgaben. 306 Ist ein Antrag auf abstrakte Normenkontrolle unter Berücksichtigung der genannten Gesichtspunkte zulässig, so hat er auch in der Sache Erfolg, wenn die Norm nicht gültig, d. h. rechtswidrig und deshalb nichtig ist. Dazu reicht in formeller Hinsicht ein Verstoß gegen zwingende Verfahrensvorschriften aus. 307 In materieller Hinsicht kommt es wegen des abstrakten Charakters dieser Verfahrensart zwar nicht auf eine konkrete Rechtsverletzung des Antragstellers an. Aufgrund der Funktion des Abfallentsorgungsplans als planerischer Rahmenvorgabe für ein späteres Planfeststellungsverfahren wird ein Verstoß gegen materiellrechtliche Vorgaben allerdings nur schwer festzustellen sein; dann nämlich, wenn der im Plan ausgewiesene Standort sich, gemessen an den Schutzgütern des § 2 Abs. 1 AbfG, als "schlechthin ungeeignet" erweist. 308 Es müßte also schon in diesem frühen Stadium feststehen, daß selbst unter Einbeziehung aller gesetzlichen Möglichkeiten wie etwa des Erlasses von Schutzauflagen die Rechtmäßigkeit einer Anlagenzulassung ausgeschlossen ist. Das abstrakte Normenkontrollverfahren ist auch neben einer gegen den Planfeststellungsbeschluß gerichteten Anfechtungsklage zulässig, aber nicht notwendig, um bestehende Rechte zu wahren. 309 Ein Normenkontrollverfahren hat jedoch zum einen den Vorteil, daß es schon wesentlich früher beantragt werden kann und so der Schaffung vollendeter Tatsachen entgegenwirkt; 310 zum anderen birgt es auch den Vorteil, daß ein Urteil im Verfahren nach § 47 VwGO eine allgemein verbindliche Feststellung der Nichtigkeit des Plans aussprechen kann. Damit dient es zugleich der Entlastung der Gerichte. 311 (2) Feststellungsklage Die vorstehend beschriebenen Rechtsschutzmöglichkeiten gegen einen Abfallentsorgungsplan werden im jüngeren Schrifttum bisweilen als unzureichend angesehen. Einen Anlaß für Kritik stellt die Uneinheitlichkeit der rechtlichen Situation in den Bundesländern dar, die es in der Hand haben, die Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 Nr.2 VwGO zu eröffnen oder nicht; außerdem erscheint auch die unterschiedliche Behandlung von verbindlichen und nicht verbindlichen Plänen 305 Das Interesse der Gemeinde an einer bestimmten Nutzung ihres privatrechtlich ausgestalteten gemeindlichen Eigentums kann aber ggfs. unter dem Aspekt der Selbstverwaltungsgarantie zu berücksichtigen sein; BVerwG, NuR 1990, 109 (110). 306 BVerfGE 61,82 (101) m. w. N.; BVerwG, NuR 1990, 109 (110). 307 Hösel / von Lersner, § 6 AbfG Rn. 28. 308 Hösel / von Lersner, § 6 AbfG Rn. 25. 309 OVG Bremen, UPR 1988, 196. 310 Zu diesem Aspekt statt vieler Blümel, in: Festgabe für Forsthoff, S. 133 (139 f.). 311 Dazu auch BVerwG, UPR 1989, 184 (186 f.) = BVerwGE 81, 128.

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2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

problematisch. Deshalb ist angeregt worden, in solchen Fällen eine Feststellungsklage nach § 43 VwGO zuzulassen. 312 Voraussetzung hierfür ist jedoch, daß man durch die Existenz eines verbindlichen oder auch eines nicht verbindlichen Abfallentsorgungsplans ein "Planungsrechtsverhältnis" begründet sähe, das auch hinreichend konkret sein müßte, etwa aufgrund einer parzellenscharfen Ausweisung des Standortes. Gegen diesen Vorschlag bestehen indessen erhebliche Einwände. Zunächst ist zu bedenken, daß grundsätzlich auch eine Inzidentkontrolle, beispielsweise im Rahmen einer Anfechtungsklage, der Rechtsschutzgarantie nach Art. 19 Abs. 4 GG genügt. Deshalb ist die Einführung einer abstrakten Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 GG durch die Bundesländer verfassungsrechtlich nicht geboten. 313 Dies bedeutet aber zugleich, daß die Länder zu der Entscheidung über ihre Einführung ermächtigt sind; entscheiden sie sich gegen die landesrechtliche Normenkontrolle, so muß dies beachtet und akzeptiert werden. Wollte man dennoch über § 43 VwGO eine Normenkontrolle konstruieren, so stünde dies im Widerspruch zu dem Willen des zuständigen Gesetzgebers. Aber auch die geforderte Gleichbehandlung von verbindlichem und nicht verbindlichem Plan stößt auf Bedenken, da die Verbindlicherklärung gerade deshalb unterblieben sein kann, um Abweichungen von dem Plan zuzulassen. Dann aber kann eine Planvorgabe, die nur in der Abwägung zu berücksichtigen und damit grundsätzlich überwindbar ist, 314 noch nicht für die Begründung einer Antrags- oder Klagebefugnis ausreichen. Der Rechtsweg gegen einen Abfallentsorgungsplan ist nach alledem nur dann eröffnet, wenn dieser durch Rechtsverordnung für verbindlich erklärt ist, wenn seine Inhalte so konkret sind, daß sie schon einen Nachteil i. S. d. § 47 Abs. 2 VwGO begründen, und wenn in dem betreffenden Bundesland die abstrakte Normenkontrolle gegen Rechtsverordnungen eingeführt ist. Daher wird eine Rechtskontrolle meistens erst im Rahmen eines gegen den Planfeststellungsbeschluß gerichteten Klageverfahrens stattfinden. 315

dd) Stand der Abjallentsorgungsplanung in den Bundesländern Welche praktische Bedeutung § 8 Abs. 3 S. 1 AbfG als Versagungsgrund im Rahmen der abfallrechtlichen Planfeststellung erlangen kann, ist davon abhängig, in welchem Maße das jeweilige Bundesland die nach § 6 AbfG bestehende Pflicht 316 zur Aufstellung von Abfallentsorgungsplänen erfüllt hat. 317 Wenn man 312 Ibler, Die Schranken der planerischen Gestaltungsfreiheit, S. 110; in diesem Sinne auch Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 31. 313 BVerfGE 31, 364 (369 f.); BVerwGE 68, 12 (14); Kopp, VwGO, § 47 Rn. 8. 314 Dazu noch unten 2. Kap. B. 11. 2. b) bb). 315 !bIer, Die Schranken planerischer Gestaltungsfreiheit, S. 109.

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sich nun vor Augen führt, daß die Bestimmungen über den Abfallentsorgungsplan als die fortschrittlichsten Impulse eines ansonsten vorwiegend auf Gefahrenabwehr gerichteten Gesetzes gelten, weil sie den Ländern die Möglichkeit zu einer aktiv planenden und gestaltenden Umweltpolitik eröffnen 318, so sollte man eigentlich erwarten, daß diese Möglichkeit umgehend nach Erlaß des Abfallbeseitigungsgesetzes 1972 realisiert worden wäre. Diese Erwartung bestätigt sich indessen nicht. 319 Zwar haben einige Bundesländer alsbald mit der Vorbereitung von Abfallentsorgungsplänen begonnen, doch dauerte es bis zur zweiten Hälfte der 70er Jahre, bis die ersten Abfallentsorgungspläne zum Beispiel in RheinlandPfalz 320 (1975), Hessen 321 (1976), Bayern 322 (1976) und Hamburg (1977) verabschiedet werden konnten. 323 Die Fortschreibung vorhandener und im Laufe der Zeit veralteter Abfallentsorgungspläne nimmt wiederum durchschnittlich über zehn Jahre in Anspruch, so daß einige Pläne der ersten "Generation" noch heute gelten, 324 weil die Nachfolgepläne bislang nicht fertiggestellt sind. Hinzu kommt, daß oftmals nach einer Jahre dauernden Planaufstellungszeit die dem Plan vorausgesetzte Technik schon wieder überholt zu sein droht. 325 Zudem sind nur wenige der vorhandenen Pläne gemäß § 6 Abs. 1 S. 6 AbfG für verbindlich erklärt worden,326 so z. B. der Abfallentsorgungsplan für Berlin aus dem Jahr 1988 327 oder die bremischen 316 Zur Abfallplanung als einer echten Verpflichtung der Länder gegenüber dem Bund: Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rn. 111; Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 6 Rn. 7. 317 Zum Stand der Abfallentsorgungsplanung siehe auch Dammert, Abfallentsorgungsplanung, S. 231 ff. 318 Hösel/ von Lersner, § 6 AbfG Rn. 3. 319 Vgl. auch die Übersicht bei SRU, Sondergutachten Abfallwirtschaft, Tabelle 2.3.1 bei Tz. 267. 320 Teilplan für Hausmüll und hausmüllähnliche Abfälle für den Regierungsbezirk Koblenz vom 27.6.1975, GVBI. 1975 S.275; geändert durch Verordnung vom 28.8.1986, GVBI. 1986 S. 242. 321 Teilplan Sonderabfalle aus Industrie und Gewerbe vom 16.3.1976, StAnz 1976 S. 1471; mit nachfolgenden Änderungen, StAnz 1977 S. 852 und StAnz 1978 S. 2110. 322 Teilplan Sondermüll vom 22.12.1976, GVBI. 1977 S.55; geändert am 15.10.1980, GVBI. 1980 S. 626 und am 6.10.1989, GVBI. 1989 S.474. 323 Eine ausführliche Übersicht zum Stand der Entsorgungsplanung in den Bundesländern liefern UBA, 1. Zwischenbericht, S. 37; Schenkel, in: Hoppe / Appold, Umweltschutz in der Raumplanung, S. 132 (140 ff.); Hösel / von Lersner, § 6 AbfG Rn. 34. Die Pläne selbst sind z. T. abgedruckt bei Hösel / von Lersner, Recht der Abfallbeseitigung, Band 2 (Landesrecht). 324 So der rheinland-pfälzische Teilplan Sonderabfallbeseitigung vom 15.3.1978, GVBI. 1978 S. 141 und der hessische Plan von 1976 [oben 2. Kap. B. 11. 2. a) dd»); vgl. dazu den Überblick bei Schenkel, in: Hoppe / Appold, Umweltschutz in der Raumplanung, S. 132 (143 ff.). 325 Schenkel, in: Hoppe/ Appold, Umweltschutz in der Raumplanung, S. 132 (141), äußert diese Befürchtung schon für eine Planungsdauer von sieben Jahren. 326 Ausführliche Übersicht bei Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 6 Rn. 62; vgl. auch UBA, 3. Zwischenbericht, S. 37.

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Teilpläne für Hausmüll, Bauschutt und Autowracks 328 . Ein Grund für die Zurückhaltung bei der Verbindlicherklärung von Abfallentsorgungsplänen kann darin liegen, daß die Planungsträger Raum für Abweichungen infolge unvorhergesehener Entwicklungen oder Erkenntnisse bewahren wollen. 329 Wie Bremen praktizieren auch Baden-Württemberg, Bayern und Hessen eine sachliche Aufgliederung der Entsorgungsplanung in Teilpläne für Hausmüll bzw. Sonderabfälle. Dagegen haben sich Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz für den Erlaß sogenannter General- oder Gesamtpläne 330 entschieden, auf denen detailliertere Einzelpläne aufbauen. Eine flächendeckende Abfallentsorgungsplanung ist allerdings fast zwei Jahrzehnte nach Erlaß des Abfallbeseitigungsgesetzes noch nicht vorhanden. 331 Auch sind mit den vorhandenen Plänen längst nicht alle in Betracht kommenden Abfallarten erfaßt; landwirtschaftliche Abfälle sind bislang in allen Bundesländern unberücksichtigt geblieben, und Abfälle aus der Altlastensanierung sind nur in Nordrhein-Westfalen und dem Saarland in die Abfallentsorgungsplanung einbezogen worden. 332 Ebenfalls keine bedeutende Rolle spielen Analysen der Abfallmengen und der Abfallzusammensetzung in der Entsorgungsplanung, 333 obwohl derartige Informationen für die Beurteilung des künftigen Kapazitätsbedarfs unverzichtbar sind. 334 Sinnvoll erscheinen demgegenüber § 3 Abs. 2 S. I bd.wtt.LAbfG und Art. 9 bay.AbfG, wonach die entsorgungspflichtigen Körperschaften verpflichtet sind, einmal jährlich eine Abfallbilanz mit Angaben über Art, Menge und Herkunft sowie die Entsorgung der angefallenen Abfälle zu erstellen. Eine Besonderheit stellt das bereits erwähnte nordrhein-westfälische ,,Rahmenkonzept zur Planung von Sonderabfallentsorgungsanlagen"335 dar, das sich als Koordinierungsinstrument für die Planung der in Nordrhein-Westfalen zuständigen Regierungspräsidenten versteht. 336 Es gibt selbst keine Standortfestlegungen vor, sondern überläßt diese den Regierungspräsidenten. Eine verbindliche Standortvorsorgeplanung für Sonderabfallentsorgungsanlagen ist indessen weder in 327 Schenkel, in: Hoppe / Appold, Umweltschutz in der Raumplanung, S. 132 (143). 328 Hösel/ von Lersner, § 6 Rn. 34. 329 Barteis, Abfallrecht, S. 103. 330 Appold/ Beckmann, VerwArch 1990,307 (313). 331 Schenkel, in: Hoppe / Appold, Umweltschutz in der Raumplanung, S. 132 (140); erhebliche Vollzugsdefizite konstatiert auch Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 6 Rn. 61. 332 UBA, 1. Zwischenbericht, S.38; vgl. auch die altlastenbezogenen Vorschriften der Landesabfallgesetze: §§ 22 ff. bd.wtt.LAbfG; §§ 16 ff. hess.AbfAG; §§ 18 ff. nds.AbfG; §§ 28 ff. nw.LAbfG; § 16 saarl.AbfG. 333 UBA, 1. Zwischenbericht, S. 38. 334 Appold/Beckmann, VerwArch 1990,307 (312). 335 Siehe oben 2. Kap. B. 11. 2. a) bb). 336 Dazu Große Hündfeld, Die Beseitigung rechtlicher Hemmnisse, S. 25; Weidemann, NVwZ 1988,977.

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Nordrhein-Westfalen 337 , noch bundesweit gewährleistet. Hamburg und das Saarland sowie bis vor kurzem auch Baden-Württemberg 338 sind nicht einmal der Verpflichtung zur Erarbeitung der sogenannten vorläufigen Pläne nach § 6 Abs. 3 AbfG nachgekommen. 339 Derartige Versäumnisse legen die Vermutung nahe, daß die Betreiber keine oder unzureichende Angaben über die in ihrer Anlage entsorgten Abfälle machen. Die Gründe hierfür können in der Befürchtung zu sehen sein, gemäß § 3 Abs. 5 AbfG zur Aufnahme fremder Abfälle in der eigenen Anlage verpflichtet zu werden. Allerdings erregt eine zurückhaltende Informationsbereitschaft über den Ist-Zustand auch den Verdacht, daß in mancher Anlage auch Stoffe behandelt werden könnten, für die die Anlage nicht zugelassen ist. 340

b) Rechtliche Bindungswirkung eines verbindlichen Abfallentsorgungsplans und faktische Steuerungswirkung eines nicht verbindlichen Plans

aa) Auswirkungen eines verbindlichen Abfallentsorgungsplans im Planfeststellungsverfahren Abfallentsorgungspläne können im Planfeststellungsverfahren nach § 8 Abs. 3 S. 1 AbfG Bedeutung erlangen. Danach darf ein konkretes Vorhaben den Feststellungen eines verbindlichen Planes nicht zuwiderlaufen. Unbestritten ist, daß zumindest das Fehlen eines verbindlichen Abfallentsorgungsplans keinen Versagungsgrund darstellen kann,341 da sonst mit Erlaß des Abfallbeseitigungsgesetzes keine Anlage mehr hätte zugelassen werden können. 342 Daß dies nicht der Sinn des § 8 Abs. 3 S. 1 AbfG ist, liegt auf der Hand. Deshalb ist es konsequent, daß nach dem Wortlaut dieser Norm nicht verlangt wird, daß das Vorhaben einem Plan "entsprechen" müsse. 343 Schwieriger wird die Beurteilung, wenn zwar ein Abfallentsorgungsplan aufgestellt worden ist, dieser aber nichtig ist. Im Grunde handelt es sich auch dann um eine dem Fehlen eines Plans vergleichbare Situation; 344 erläßt die zuständige Behörde allerdings einen Planfeststellungsbeschluß, so muß untersucht werden, ob sie sich irrtümlich an den nichtigen Plan gebunden 337 Dort existiert nur der vorläufige Plan Sonderabfälle vom 18.7.1978, MinBl. 1978 S. 1256; fortgeschrieben am 14.11.1983, MinBl. 1983 S. 2376. 338 Teilplan Sonderabfälle, LT-Drs. 9/4387. 339 Appold/Beckmann, VerwArch 1990,307 (313). 340 So Hösel / von Lersner, § 6 AbfG Rn. 30. 341 BVerwG, DöV 1983,599 unter Hinweis darauf, daß die Pflicht zur Abfallentsorgungsplanung nur im Verhältnis zwischen dem Bund und den Ländern bestehe; bestätigt durch BVerwG, NVwZ 1984,374; OVG Lüneburg, DVBl. 1987, 1021 (1023). 342 Hösel / von Lersner, § 8 AbfG Rn. 18, § 6 AbfG Rn. 21; Hoschützky / Kreft, § 6 AbfG Erl. 1.6. 343 So Barteis, Abfallrecht, S. 103; mißverständlich OVG Lüneburg, DVBl. 1987, 1021 (1023). 344 Hösel / von Lersner, § 6 AbfG Rn. 21; Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 6 Rn. 55.

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geglaubt hat und sich deshalb der Rechtsfehler des Plans in der Zulassungsentscheidung wiederholt. Existiert nun aber ein gültiger, für verbindlich erklärter Abfallentsorgungsplan, kann im Einzelfall bisweilen fraglich sein, was unter "zuwiderlaufen" zu verstehen ist. Ein wichtiger Gesichtspunkt ist insofern, wie konkret die Aussagen des Abfallentsorgungsplans hinsichtlich eines Projekts sind. Denn in dem zweistufig aufgebauten System der abfallrechtlichen Planung, das aus dem Abfallentsorgungsplan und dem Planfeststellungsverfahren besteht, gibt der Entsorgungsplan einen Rahmen vor, innerhalb dessen sich die Zulassungsentscheidung letztlich bewegen kann. 345 Der Planfeststellung verbleibt nur noch die Aufgabe, das durch den Plan vorgegebene Konzept zu verfeinern. 346 Legt der Plan beispielsweise für einen ausgewiesenen Standort eine bestimmte Entsorgungstechnik, wie z. B. Verbrennung oder Deponierung, fest, dann darf an diesem Standort keine Anlage mit einer anderen Technik planfestgestellt werden. 347 Zudem hat die überörtliche Planung nach Auffassung des BVerwG die Funktion, Standortalternativen prüfend zu vergleichen und ungeeignete Standorte frühzeitig auszuscheiden. 348 Diese Aufgabe des Abfallentsorgungsplans spricht dafür, daß dann, wenn der Plan überhaupt Standorte benennt, eine Anlage nur für einen im Plan ausgewiesenen Standort zugelassen werden kann. 349 Andererseits müßte man dazu aber unterstellen, daß der Planungsträger bei der Aufstellung des Plans jeden beliebigen Standort innerhalb seines Bundeslandes oder Regierungsbezirks bereits insoweit abschließend geprüft und abgewogen hat. Dies verbietet sich indessen bei einer realistischen Einschätzung der praktischen Möglichkeiten eines solchen Planaufstellungsverfahrens. Ein derart umfassender Prüfungsauftrag für den Abfallentsorgungsplan erscheint schlechthin nicht erfüllbar. Außerdem gerät der Abfallentsorgungsplan bei einem solchen Verständnis in eine zweifelhafte Nähe zu einer flächendeckenden "Negativplanung"35o. Denn die Abfallentsorgungsplanung könnte dann keine neuen Standorte sichern bzw. eine positive Entscheidung über einen Zulassungsantrag nicht unterstützen, sondern lediglich andere Standorte endgültig blockieren, indem sie in dem Plan nicht berücksichtigt werden. Ursprünglich war doch mit der Einbindung der Abfallplanung in das AbfG eine vorausschauende Standortvorsorgeplanung intendiert worden. 351 Des345 Grundsätzlich BVerwG, UPR 1989, 184 (185) = BVerwGE 81, 128; zum luftverkehrsrechtlichen Modell eines mehrstufigen Planungsverfahrens mit abschichtender Problemlösung: BVerwGE 75,214 (236). Leidet der Plan an einem Rechtsfehler, so setzt sich dieser in dem nachfolgenden Planfeststellungsbeschluß fort. 346 Hösel/ von Lersner, § 6 AbfG Rn. 5. 347 BayVGH, UPR 1986,430 (431) zur Rechtsnorrnqualität verbindlicher Abfallentsorgungspläne. 348 BVerwG, UPR 1989, 184 (185) = BVerwGE 81, 128. 349 So OVG Lüneburg, DVBl. 1987, 1021 (1023); Schwerrner, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 6 Rn. 52; ablehnend Beckmann / Appold / Kuhlmann, DVBl. 1988, 1002 (1010). 350 Große Hündfeld, Die Beseitigung rechtlicher Hemmnisse, S. 33.

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halb spricht bei einer an der ratio legis und damit ergebnisorientierten Betrachtung vieles dafür, daß ein Projekt dem Abfallentsorgungsplan nicht schon dann zuwiderlaufen kann, wenn der konkrete Standort nicht vorgesehen ist,352 sondern erst dann, "wenn das planerische Vorhaben mit den Vorstellungen über die Ordnung der Entsorgung im Plangebiet unverträglich ist". 353 Aber auch diese Auffassung kann ohne Unterstellungen nicht auskommen. Sowohl bei der Anwendung durch die planfeststellende Behörde als auch bei der gerichtlichen Überprüfung müßte es möglich sein, nachzuvollziehen, welche Gesichtspunkte in der Abwägung berücksichtigt worden sind, warum ein Standort gegenüber einem anderen bevorzugt worden ist und schließlich, ob der Planungsträger, hätte er sich mit einem im Planergebnis nicht erwähnten Standort näher beschäftigt, sich nicht vielleicht doch für diesen Standort hätte entscheiden können. Erforderlich wäre also gewissermaßen eine Hypothese über den mutmaßlichen Willen der Planungsbehörde. Derartige Überlegungen hinsichtlich eines möglicherweise landesweit gültigen Abfallentsorgungsplans bewegen sich indessen eher im Bereich der Spekulation. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, daß die Entstehung eines Abfallentsorgungsplans im Gegensatz zu der eines Gesetzes nicht dokumentiert ist und der Plan im Gegensatz zu einem Verwaltungsakt nicht schriftlich begründet werden muß. Welche "Vorstellung über die Ordnung der Entsorgung" dem Plan zugrundegelegt ist und ob ein bestimmter Standort mit dieser Ordnung vereinbar ist, läßt sich daher kaum mit hinreichender Bestimmtheit festlegen. Es wäre daher wünschenswert, wenn bei der Aufstellung der Pläne auch schon an diese Probleme gedacht würde, d. h. wenn der Plangeber deutlich machen würde, wie die vorgenommenen Standortausweisungen zu verstehen sind. Eine gesetzliche Verpflichtung hierzu besteht allerdings auf der Grundlage des geltenden Rechts nicht. Die mehr oder weniger strenge Wirkung des Abfallentsorgungsplans wird bisweilen durch landesrechtliche Regelungen aufgeweicht, nach denen in begründeten Fällen auch von den verbindlichen Festlegungen eines Abfallentsorgungsplans abgewichen werden kann, wenn veränderte Tatsachen oder neue Erkenntnisse dies erfordern und der Plan in seinen Grundzügen nicht mißachtet wird. 354 Diese Regelung erklärt sich daraus, daß die für die Ausnahmeentscheidung zuständige Behörde in der Regel die Behörde ist, die den Abfallentsorgungsplan aufgestellt hat; es handelt sich also im Grunde nur um eine Art vereinfachtes und projektbezogenes Änderungsverfahren. 355 351 Vgl. nur Hösel/ von Lersner, § 6 AbfG Rn. 3; Hoschützky / Kreft, § 6 AbfG Erl.

0.1.

352 Hoppe / Beckmann, DöV 1990, 769 (772 f.). 353 Große Hündfeld, Die Beseitigung rechtlicher Hemmnisse, S. 34; ähnlich kritisch gegenüber einer strikten Bindung durch Abfallentsorgungspläne auch Weidemann,

NVwZ 1988, 977 (980 f.). 354 Vgl. z. B. § 13 Abs. 5 S. 1 und 2 saarl.AbfG; § 5 Abs. 2 brem.AGAbfG; § 8 Abs. 6 hess.AbfAG; Art. 8 Abs. 2 bay.AbfG. 6 Kleinschnittger

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Die mit der }3indungswirkung verbindlicher Abfallentsorgungspläne verbundenen Zweifelsfragen werden indessen in der Praxis nicht selten umschifft. Der Adressat des Plans, sei es eine entsorgungspflichtige Körperschaft oder ein privater Entsorgungspflichtiger, ist nämlich keineswegs daran gehindert, eigene, dem Plan widersprechende Vorhaben zu konzipieren und auf eine Änderung des Plans zu drängen, auch wenn dieser Weg umständlich und risikoreich erscheint. Dennoch kommt es häufig vor, daß ein vorhandener Abfallentsorgungsplan mit Rücksicht auf ein konkretes Errichtungsvorhaben geändert wird. 356 Dies wird sich vor allem dann erreichen lassen, wenn die fragliche Anlage bzw. ihr Standort mit dem vorhandenen Planungsinhalt vereinbar ist, wenn also dadurch nicht etwa eine ungünstigere Verteilung der Entsorgungsmöglichkeiten oder Umweltbelastungen im Plangebiet bewirkt wird. Daß dieser Weg nicht der Grundidee von Plan und Planfeststellung als einer fortschreitenden Verfestigung der planerischen Entscheidung entspricht, versteht sich von selbst. Er ist daher zwar ein rechtlich zulässiger Ausweg, um überhaupt Entscheidungen zu ermöglichen, als Dauerlösung jedoch nicht wünschenswert. Andererseits ist der Abfallentsorgungsplan nicht das einzige Instrument in der Hand der Landesbehörden, um die entsorgungspflichtigen Körperschaften vor Ort zu einer Erfüllung ihrer Entsorgungspflicht anzuhalten. Unter dem Druck, dem drohenden Entsorgungsnotstand wirksam begegnen zu müssen, haben die zuständigen Planungsbehörden auch schon mit Mitteln der Fach- bzw. Kommunalaufsicht gedroht. Ob sie sich hierbei auf eine bloße Rechtsaufsicht beschränken müssen oder auch von den weitergehenden Befugnissen im Rahmen einer Fachaufsicht Gebrauch machen können, richtet sich danach, welchem Typ kommunaler Aufgaben - den Selbstverwaltungs- oder den Auftragsangelegenheiten die Abfallentsorgung zuzurechnen ist. 357 Die Landesabfallgesetze ordnen diese Aufgaben überwiegend dem eigenen Wirkungskreis, d. h. der Selbstverwaltung, ZU. 358 Sofern eine ausdrückliche gesetzliche Zuweisung fehlt, kann es beispielsweise als Indiz für das Vorliegen einer Selbstverwaltungsaufgabe angesehen werden, wenn die Gemeinden berechtigt sein sollen, sich nach dem jeweiligen Gesetz über die kommunale Zusammenarbeit zu Zweckverbänden zusammenzuschließen. 359 Wenn die zuständige Behörde jedoch auf ihre aufsichtsrechtlichen Befugnisse zurückgreift, verliert die Frage nach der Bindungswirkung von Abfallentsorgungsplänen im Rahmen des § 8 Abs. 3 S. I AbfG auf diesem Weg allerdings weitgehend an Bedeutung. 360 355 BVerwG, NVwZ 1986, 837 (838) zu § 5 Abs.2 S. 1 und 2 rh.pf.LAbfG; vgl. Barteis, Abfallrecht, S. 103. 356 Vgl. Jarass, Auslegung und Umsetzung der EG-Richtlinie zur UVP, S. 23. 357 Vgl. z. B. § 106 nw.GO; dazu auch Tettinger, Besonderes Verwaltungsrecht, Rn. 88 ff. und 172. 358 Art.3 Abs. 1 S.2 bay.AbfG; § 2 Abs. 1 S.2 nds.AbfG; § 1 Abs. 1 S.1 rh.pf.LAbfG; § 1 Abs. 1 S. 1 schl.h.AG-AbfG. 359 So nach § 7 bd.wtt.LAbfG; § 1 Abs.6 hess.AbfAG; § 6 nw. LAbfG; § 2 Abs. 2 saarl.AbfG.

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Die Charakterisierung des Plans als Rahmenvorgabe, als "nicht fertiger Rechtssatz" , 361 führt andererseits dazu, daß trotz des Bestehens eines verbindlichen Abfallentsorgungsplans, der konkrete Standortausweisungen enthält, dennoch der Planfeststellungsbeschluß versagt werden kann. Denn im Planaufstellungsverfahren findet nicht die umfassende Rechtmäßigkeitsprüfung einer Anlage nach § 8 Abs.3 AbfG statt, da die dafür erforderlichen Detailplanungen zu diesem Zeitpunkt noch nicht existieren. Deshalb sind die weiteren Versagungsgründe des § 8 Abs. 3 AbfG, insbesondere die Abwägung der Allgemeinwohlverträglichkeit am Maßstab von § 2 Abs. 1 AbfG, trotz des Vorliegens eines verbindlichen Planes in vollem Umfang zu berücksichtigen, wenn auch die bereits auf der Ebene des Abfallentsorgungsplans getroffene Abwägungsentscheidung in diese Abwägung einfließt. 362 Das kann dazu führen, daß ein Vorhaben wegen konkreter Nichteignung eines (verbindlich festgelegten) Standorts nicht zugelassen wird. 363 bb) Auswirkungen eines nicht verbindlichen Abjallentsorgungsplans im Planfeststellungsverfahren Wenn auch § 8 Abs. 3 S. 1 AbfG ausdrücklich nur den verbindlichen Abfallentsorgungsplan als Versagungsgrund nennt, so fragt sich doch, inwiefern ein nicht verbindlicher Plan für das Planfeststellungsverfahren Bedeutung gewinnen kann. Schon aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 3 S. 1 AbfG folgt im Gegenschluß, daß die Unvereinbarkeit eines Vorhabens mit einem nicht verbindlichen Abfallentsorgungsplan keinen absoluten Versagungsgrund darstellt. 364 Ebensowenig kann ein noch im Aufstellungsverfahren befindlicher, künftiger Abfallentsorgungsplan die Bindungswirkung des § 8 Abs.3 S.1 AbfG auslösen. 365 Der Wortlaut dieser Norm ist insoweit eindeutig. Dennoch sind derartige Pläne vorhanden und können die Entscheidungsfindung der Planfeststellungsbehörde beeinflussen. 366 Allerdings handelt es sich bei einem beschlossenen, aber nicht für verbindlich erklärten Abfallentsorgungsplan mangels Außenwirkung nicht um eine Rechtsnorm im normtheoretischen Sinn, sondern um lediglich verwaltungsintern verbindliche Vorschriften. § 17 Abs. 5 nW.LAbfG bezeichnet derartige Pläne als ,,Richtlinien für alle behördlichen Entscheidungen, Maßnahmen und Planungen, Zu diesem Gesichtspunkt Tettinger, in: Festschrift für Fabricius, S. 307 (314). Vgl. BVerwG, NVwZ 1984, 367; Große Hündfeld, Die Beseitigung rechtlicher Hemmnisse, S. 33. 362 BVerwG, UPR 1989, 184 (187) = BVerwGE 81,128. Ein Verzicht der Planfeststellungsbehörde auf eine eigene standortbezogene Prüfung bewirkt allerdings ein Abwägungsdefizit; Hoppe I Beckmann, DöV 1990,769 (773). 363 Beckmannl Appold/Kuhlmann, DVBI. 1988,1002 (1005). 364 Barteis, Abfallrecht, S. 103; a. A. Franßen, in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, S. 399 (438). Unmittelbare rechtliche Wirkung entfaltet der nicht verbindliche Abfallentsorgungsplan ausschließlich nach § 13 AbfG. 365 Vgl. BVerwGE 60, 301 (304); Barteis, Abfallrecht, S. 103. 366 BayVGH, BayVBI. 1980, 82 (83); dazu BVerwG, DVBI. 1983, 351. 360

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die für die Abfallentsorgung Bedeutung haben". 367 Demzufolge müssen die Festlegungen des nicht verbindlichen Abfallentsorgungsplans in die planerische Ab. wägung 368 als abfallpolitische oder abfallwirtschaftliche Belange des Allgemeinwohls eingehen, also im Rahmen der Prüfung des § 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 AbfG berücksichtigt werden. 369 In anderen Bundesländern können die Bezeichnungen durchaus variieren; im Ergebnis unterscheidet sich die Rechtsnatur der nicht verbindlichen Pläne jedoch nicht, ob sie nun Verwaltungsvorschriften, Erlasse oder Richtlinien genannt werden. Die nicht für verbindlich erklärten Abfallentsorgungspläne entfalten also auf diese Weise durchaus eine rechtliche Wirkung, indem sie die planerische Abwägungsentscheidung der Planfeststellungsbehörde steuern. Diese Steuerungswirkung wird neuerdings bezweifelt mit dem Hinweis darauf, daß eine irgendwie geartete rechtliche Wirkung von dem Plan nur ausgehen könne, wenn er Bindungen entfalte. 370 Dagegen ist indessen einzuwenden, daß diese Sichtweise nur für rechtlich gebundene Zulassungsentscheidungen zutreffend sein kann. Bei der abfallrechtlichen Planfeststellung jedoch ist eine umfassende planerische Abwägung aller von dem Vorhaben .berührten Belange vorzunehmen. Hier können und müssen eine Fülle von Gesichtspunkten und damit nicht zuletzt die in einem Abfallentsorgungsplan zum Ausdruck gekommenen abfallwirtschaftlichen Interessen einfließen. 371 Dies gilt erst recht, wenn die Festlegungen des unverbindlichen Plans durch landesrechtliehe Bestimmungen ausdrücklich als Richtlinien bezeichnet werden und damit für die anwendenden Behörden verbindlich sind. Sie beanspruchen allerdings nach dem eindeutigen Wortlaut des § 8 Abs. 3 S. 1 AbfG keine absolute Wirkung. Daher dürfte der Grund, einen Plan nicht für verbindlich zu erklären, gerade darin liegen, daß auch abweichende Zulassungen ermöglicht werden sollen. c) Kein drittschützender Charakter des § 8 Abs. 3 S. 1 AbfG

Für den Rechtsschutz gegen die Erteilung eines Planfeststellungsbeschlusses erlangt insbesondere die Frage eine herausragende Bedeutung, ob ein Betroffener die Verletzung des § 8 Abs. 3 S. 1 AbfG, also der Bindung an einen verbindlichen Abfallentsorgungsplan, rügen kann. Im Rahmen einer Anfechtungsklage ist dies nur möglich, wenn es sich um ein subjektives Recht des Klägers i. S. d. § 42 Abs. 2 VwGO handelt. Ist unklar, ob eine Rechtsvorschrift diese Voraussetzung erfüllt, so ist durch Auslegung zu ermitteln, ob diese Norm nach ihrem Sinn und Gleichlautend § 4 Abs. 3 brem.AGAbfG. Oft auch als Ermessen bezeichnet, so z. B. bei Jarass, Auslegung und Umsetzung der EG-Richtlinie zur UVP, S. 23; siehe dazu unten 2. Kap. B. IV. 4. 369 BVerwG, DVBI. 1983, 351 (352); zustimmend die ganz herrschende Meinung, vgl. Beckmann/ Appold/Kuhlmann, DVBI. 1988, 1002 (1004). 370 Ibler, DVBI. 1989, 639 (646). 371 So auch Kloepfer, Umweltrecht, § 12 Rn. 116. 367

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Zweck im Sinne der Schutznormlehre zumindest auch dem Schutz individueller Dritter zu dienen bestimmt ist, 372 so daß dem Kläger nicht nur eine Reflexwirkung des objektiven Rechts zugute kommt. 373 Nicht erforderlich ist allerdings, daß ein bestimmter begünstigter Personenkreis individuell abgrenzbar ist; es reicht aus, wenn der jeweils klagewillige Dritte dem Schutzbereich der Norm zuzuordnen ist. 374 Die Abfallentsorgungsplanung bezweckt eine zukunftsgerichtete, ressourcenschonende Entsorgungsvorsorge. Solche am Vorsorgeprinzip orientierten Normen weisen indessen in aller Regel keinen drittschützenden Gehalt auf, da sie allein öffentlichen Interessen dienen. 375 Dasselbe gilt für die Planungsgebote des § 6 AbfG.376 Dennoch kann ein fehlerhafter Abfallentsorgungsplan für das Rechtsschutzverfahren von Bedeutung sein, nämlich dann, wenn bei der Entscheidung über den Abfallentsorgungsplan abwägungserhebliche private Belange eines Klägers verkannt worden sind und sich dieser Fehler in dem Planfeststellungsbeschluß gleichsam abbildet. Dadurch werden allerdings keine weiteren subjektiven Rechte Dritter begründet, sondern nur bestehende Rechtspositionen gewahrt, die sich aus anderen Vorschriften ergeben. d) Abfallentsorgungspläne als Hemmschuh für eine effektive Entsorgungswirtschaft

Nach alledem kann nur festgestellt werden, daß die Abfallentsorgungsplanung die in sie gesetzte Hoffnung auf eine leichtere Durchsetzung notwendiger Standorte nicht erfüllt hat 377 und bei ihrem gegenwärtigen Stand nicht erfüllen kann, zumal konkrete Standort- und Systementscheidungen im Rahmen der Abfallentsorgungsplanung gar nicht gewagt werden. 378 Der Sinn einer staatlichen, in die Hand der Länder gelegten Abfallentsorgungsplanung wird daher im jüngeren Schrifttum zunehmend bezweifelt. 379 Die Gründe dafür sind in dieser Untersuchung herausgestellt worden. Im Zentrum steht die 372 Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 16. 373 St. Rspr. seit BVerwGE 1, 83; BVerwGE 52, 122 (128); zur Auseinandersetzung um die Schutznormtheorie: Erbguth, Rechtssystematische Grundfragen, S. 310 ff. 374 Erbguth, Rechtssystematische Grundfragen, S. 316. 375 Ebenso Beckmannl Appold/Kuhlmann, DVBl. 1988,1002 (1004); ob sich dies hinsichtlich § 8 Abs.3 S. 1 AbfG nach dem Urteil des BVerwG, UPR 1989, 184 = BVerwGE 81, 128 noch aufrechterhalten läßt, erscheint zweifelhaft; vgl. Weidemann, NVwZ 1989, 1033 (1035). 376 Schwermer, in: Kunig I Schwermer I Versteyl, AbfG, § 6 Rn. 8. 377 Vgl. Appoldl Beckmann, VerwAreh 1990, 307 (312); Hoschützky I Kreft, § 6 AbfG Erl. 0.1; Schenkel, in: Hoppe I Appold, Umweltschutz in der Raumplanung, S. 132 (145); Schwermer, in: Kunig I Schwermer I Versteyl, AbfG, § 6 Rn. 62; Weidemann, NVwZ 1988, 977. 378 UBA, 1. Zwischenbericht, S. 38. 379 Ronellenfitsch, DöV 1989, 737 (749).

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mißliche Situation, daß nach der vorherrschenden Auffassung ein verbindlicher Abfallentsorgungsplan zwar eine Anlagenzulassung verhindern, nicht aber die Planfeststellung einer im Plan geforderten Anlage maßgeblich unterstützen kann. Positive Auswirkungen auf die Realisierung von Entsorgungsvorhaben entfalten Abfallentsorgungspläne lediglich insoweit, als sie in die Gesamtplanung eingebunden sind und auf diese Weise eine entgegenstehende Nutzung des vorgesehenen Standorts verhindern können. 38o Anscheinend stehen der Aufwand, der für die Aufstellung eines wohl durchdachten Planes erforderlich ist, und die Aufheizung der kommunalpolitischen Diskussion vor Ort bei Bekanntwerden des Planes in keinem akzeptablen Verhältnis zu den durch den Plan erzielbaren Vorteilen für ein nachfolgendes Planfeststellungsverfahren. Anders läßt sich die Zurückhaltung der Bundesländer bei der Abfallentsorgungsplanung, insbesondere der Verbindlicherklärung und Festlegung konkreter Standorte, kaum erklären. Wegen der von einem Abfallentsorgungsplan allein ausgehenden "Sperrwirkung"381 wird zum Teil sogar befürchtet, er schade mehr, als er nütze. So werden Defizite im vorgelagerten Verfahren erst im Zulassungsverfahren überprüfbar, was zu erheblichen Verzögerungen führen kann. 382 Als Lösung des Dilemmas bieten sich nur zwei Alternativen an; entweder man verbessert die Einbindung des Abfallentsorgungsplans in das Planungsverfahren, so daß dieser zu einer zügigen und sachlich richtigen Entscheidung beitragen kann, oder man verzichtet auf dieses ineffektive Verfahren. 383 Eine solche Abschaffung der überörtlichen Abfallentsorgungsplanung ist indessen sehr fragwürdig. Angesichts des für derart gravierende rechtspolitische Entscheidungen noch recht geringen "Alters" des § 6 AbfG erscheint es zu früh, um das Instrument als sinnlos aufzugeben; bietet es doch von seinem Ansatz her die Möglichkeit, Vor- und Nachteile von Alternativen landesweit abzuwägen und zu optimieren. 384 Denn nur so kann ein relativ gut geeigneter Standort für eine benötigte Anlage gefunden werden. Einen absolut geeigneten Standort, d. h. einen Platz, an dem eine Abfallentsorgungsanlage niemanden beeinträchtigen oder stören würde, dürfte es in Deutschland kaum mehr geben.

3. Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit (§ 8 Abs.3 S. 2 Nr. 1 AbfG) Nach § 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AbfG ist die abfallrechtliche Planfeststellung "zu versagen, wenn von dem Vorhaben Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit zu erwarten sind, die durch Auflagen und Bedingungen nicht verhütet oder 380 Hoppe / Beckmann, DöV 1990,769 (774). 381 Hösel / von Lersner, § 6 AbfG Rn. 25. 382 UBA, 3. Zwischenbericht, S. 4. 383 Dazu unten 4. Kap. C. I. l. 384 Vgl. Hösel / von Lersner, § 6 AbfG Rn. 22; zu den Vorteilen verbindlicher Pläne vgl. auch Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 206.

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ausgeglichen werden können". Der Begriff des Allgemeinwohls ist kein eindeutiger Rechtsbegriff, sondern kann in verschiedenen Gesetzesmaterien den unterschiedlichsten Sinngehalt aufweisen. Als somit in hohem Maße unbestimmter Rechtsbegriff385 kann er dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot nur dann genügen, wenn es gelingt, das Wohl der Allgemeinheit i. S. d. § 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AbfG durch Auslegung inhaltlich zu konkretisieren. 386 Dies ist hier möglich, da das Gesetz mit dieser Formulierung den Grundsatz des § 2 Abs. 1 S.2 AbfG aufgreift, wonach Abfälle so zu entsorgen sind, daß das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere die unter den Nummern 1 bis 6 aufgezählten Schutzgüter, nicht beeinträchtigt wird. a) Schutzgüter des § 2 Abs. 1 S. 2 AbfG

Nach der Regelbeispielmethode nennt § 2 Abs. 1 S. 2 AbfG einige Güter, die von der Abfallentsorgung regelmäßig nachteilig betroffen werden können. Es würde den Rahmen dieser Arbeit überschreiten, detailliert auf die Auslegung der einzelnen in Nr. 1 bis 6 erwähnten Begriffe einzugehen. 387 Hingewiesen sei nur auf einige wesentliche Gesichtspunkte. So ist auffällig, daß unter den genannten Belangen auch solche sind, die ohnehin bei der Zulassung einer Abfallentsorgungsanlage zu beachten wären, etwa die Abwehr von Gefahren durch schädliche Umwelteinwirkungen nach dem BImSchG388 oder die Belange des Naturschutzes 389. Andererseits zeigt die Erwähnung des Städtebaus in Nr.5, daß die gemeindlichen Planungen nicht völlig unberücksichtigt bleiben müssen, obwohl die abfallrechtliche Planfeststellung nach § 38 BauGB als privilegierte Fachplanung 390 nicht an die Festlegungen eines Bebauungsplans gebunden ist. 391 Angestrebt ist somit eine Art praktischer Konkordanz. 392 Hinsichtlich der Erfordernisse der Raumordnung und Landesplanung, die nicht als Allgemeinwohlbelang in § 2 Abs. 1 S. 2 aufgeführt sind, sondern in einem eigenständigen Satz 3 erwähnt werden, zeigt die gesetzliche 385 Ossenbühl, in: HdUR, Stichwort "Gemeinwohl", Sp. 664, warnt vor der Mißbrauchsgefahr derartiger "Blankette" und "Leerformeln". 386 Vg!. BVerfGE 24, 367 (403); allgemein Tettinger, Rechtsanwendung und gerichtliche Kontrolle, S. 379 und 382. 387 Ausführlich Hoschützky / Kreft, § 2 AbfG Er!. 1.2.1 ff. 388 BVerwG, UPR 1989, 184 (186) = BVerwGE 81, 128 betont, daß schädliche Umwelteinwirkungen i. S. d. § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AbfG solche des § 3 Abs. 1 BImSchG sind. 389 Die Errichtung einer Abfallentsorgungsanlage gilt nach den Landes-Naturschutzgesetzen regelmäßig als genehmigungsbedürftiger Eingriff i. S. v. § 8 BNatSchG; vg!. § 4 Abs.2 Nr. 3 und 4 nw.LG (Mülldeponien bzw. Gebäude im Außenbereich). 390 Vg!. Barteis, Abfallrecht, S. 92. 391 BVerwGE 70, 242 (243); BVerwGE 79, 318 (319); nach VGH Bd.Wtt., NVwZ 1990,487 (490), gewinnen die städtebaulichen Belange an Gewicht, je näher die Abfallentsorgungsanlage an die bebaute Ortslage heranreicht. 392 Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 105.

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Fonnulierung deutlich, daß sie anders als die beispielhaft aufgezählten Allgemeinwohlgesichtspunkte zu behandeln sind. 393 Dies erklärt sich daraus, daß landesplanerische Belange schon in dem Abfallentsorgungsplan - wenn es überhaupt einen solchen gibt - berücksichtigt sein müssen. Fraglich ist, welche Bedeutung die Schutzgüter des Allgemeinwohls für die Planfeststellungsentscheidung erlangen. Sie können entweder als bloße Abwägungsbelange, die im Hinblick auf ein konkretes Vorhaben auch zurücktreten können, 394 oder als strikte gesetzliche Vorgaben,395 die den Planer unüberwindbar binden,396 verstanden werden. Wohl überwiegend wird die Auffassung vertreten, es handele sich bei § 2 Abs. 1 AbfG um eine abfallrechtliche Grundsatznonn, die als Leitlinie die planerische Abwägung bzw. das planerische Ennessen steuere. 397 Danach sind die Schutzgüter des § 2 Abs. 1 AbfG bloße Abwägungsbelange, die zurücktreten müssen, wenn es zur Verwirklichung überwiegender Interessen - etwa der Sicherung der Entsorgungskapazitäten - notwendig ist. Gestützt wird diese Auffassung darauf, daß es nicht Sinn und Zweck der Allgemeinwohlklausel sein könne, die genannten Belange als äußerste Grenzen möglicher Planungsentscheidungen aufzustellen, da anderenfalls Abfallentsorgungsanlagen kaum noch betrieben oder gar neu errichtet werden könnten. 398 Denn eine irgendwie geartete Beeinträchtigung der Umwelt wird durch jede Abfallentsorgungsanlage verursacht. Zum Beispiel läßt sich ein größtmöglicher Schutz gegen schädliche Einwirkungen vor allem dann verwirklichen, wenn die Anlage einen gewissen Abstand von der Wohnbebauung hält, doch zugleich stellt eine Anlage im sog. Außenbereich meist einen Eingriff in Belange des Natur- und Landschaftsschutzes dar. Schon aus dem Zusammentreffen der in § 2 Abs. 1 AbfG genannten Schutzgüter folgt ein gegenseitiges Konkurrenzverhältnis, ohne daß dies durch eine Rangfolge der prinzipiell gleichwertigen Belange 399 aufgelöst würde. Deshalb wird darauf geschlossen, daß nur eine am Einzelfall orientierte Abwägung der genannten Schutzgüter untereinander bezweckt sein könne. 400 393 Vgl. auch Beckmannl Appold I Kuhlmann, DVB1. 1988, 1002 (1010); Hoschützky I Kreft, § 2 AbfG, Er1. 1.2.8. 394 So BayVGH, BayVB1. 1988, 111 (114); Schwermer, in: Kunig I Schwermer I Versteyl, AbfG, § 8 Rn. 8. 395 So HessVGH, NVwZ 1987,987 (993); unklar VGH Bd.Wtt., NVwZ 1990,487 (489). 396 Das BVerwG nennt diese strikten gesetzlichen Bindungen in seiner neueren Jurisdiktion ,,Planungsleitsätze", BVerwGE 71, 163 (165); dazu unten 2. Kap. B. IV. 2. c). 397 Bender I Sparwasser, Umweltrecht, Rn. 646; Hoschützky I Kreft, § 2 AbfG, Er1. 0.1. 398 Hoschützky I Kreft, § 2 AbfG, Er1. 1.1. 399 In diesem Sinne BVerwG, NVwZ 1989, 154: kein zwingender Vorrang von Belangen des Natur- und Landschaftsschutzes. 400 BayVGH, BayVB1. 1988, 111 (1l4); Hösel I von Lersner, § 2 AbfG Rn. 7; Schwermer, in: Kunig I Schwermer I Versteyl, AbfG, § 8 Rn. 8; Seeliger, vr 1990, 329 (333).

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Diese Auffassung scheint allerdings den Wortlaut des § 2 Abs. 1 S.2 AbfG nicht hinreichend zu berücksichtigen. Für das Verständnis als strikte gesetzliche Bindungen sprechen die variierenden Fonnulierungen, die unterscheiden zwischen abgestuften Intensitätsgraden möglicher Einwirkungen, so etwa Beeinträchtigungen, schädlichen Einflüssen oder Gefährdungen. Diese diffizilen Abstufungen scheinen nur dann einen Sinn zu ergeben, wenn sie auch eine konkrete Rechtsfolge bewirken, nämlich die zwingende Versagung, sobald auch nur eines der Rechtsgüter über das gesetzlich tolerierte Maß hinaus in Mitleidenschaft gezogen wird. Man könnte die Regelung also auch so verstehen, daß das Maß der jeweils mit dem Allgemeinwohl unverträglichen Beanspruchung zugleich die Grenze dessen darstellt, was im Interesse der Abfallentsorgung hingenommen werden muß. 401 Versucht man indessen, diese Sichtweise in die praktische Anwendung umzusetzen, so stellt sich heraus, daß die in § 2 Abs. 1 S. 2 AbfG angesprochene Eingriffsintensität jeweils schon durch sehr geringfügige Auswirkungen erreicht wird. So wird das Wohlbefinden eines Menschen beispielsweise schon durch die von Müll zwangsläufig ausgehende Geruchsbelästigung beeinträchtigt.402 Auch existiert derzeit wohl keine Deponietechnik, die für einen unbestimmten Zeitraum einen absoluten Schutz gegen das Austreten von Sickerwässern garantiert. Dann aber müßte § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AbfG zu einem strikten Verbot jeglicher Abfalldeponierung führen. Ein solcher Wille kann den Gesetzgebungsmaterialien indessen an keiner Stelle entnommen werden. Nach Auffassung des BVerwG ist die Notwendigkeit einer Abwägung konkurrierender Belange für den Begriff des Allgemeinwohls kennzeichnend. 403 Hinzu kommt als systematisches Argument, daß selbst die in § 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AbfG geschützten Rechte anderer unter den Voraussetzungen des § 8 Abs.4 AbfG hinter einem öffentlichen Interesse an der Verwirklichung der Anlage zurücktreten müssen. Daher spricht im Ergebnis vieles dafür, die Schutzgüter des § 2 AbfG nicht als strikte rechtliche Vorgaben, sondern - der herrschenden Meinung folgend - nur als abwägungserhebliche Belange zu qualifizieren. 404 b) Sonstige Gemeinwohlaspekte

Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 S.2 AbfG ("insbesondere") ist allerdings nicht ausgeschlossen, daß über die ausdrücklich aufgezählten Belange hinaus noch weitere Gesichtspunkte in die Planungsentscheidung einbezogen werden 401 In diesem Sinne BayVerfGH, DVBl. 1990,692 (695). 402 Hoschützky / Kreft, § 2 AbfG Erl. 1.2.1. 403 BVerwGE 71, 166 (170) zu Art. 14 Abs. 3 GG. 404 Zu den rechtlichen Vorgaben für den Abwägungsvorgang siehe unten 2. Kap. B. IV. 2. d).

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können und müssen. 405 Konkrete Umweltschutzbelange, bezogen auf Menschen, Tiere und Natur, sind schon durch die ausdrücklich aufgezählten Allgemeinwohlbelange berücksichtigt. Soll daneben der abfallrechtliche Gemeinwohlbegriff um weitere Aspekte erweitert werden, so müssen dies Güter sein, die den Schutzgütern des § 2 Abs. 1 S. 2 AbfG in etwa vergleichbar sind. In der Rechtspraxis kommt den sonstigen Gemeinwohlbelangen indessen eine so geringe Bedeutung zu, daß der Begriff noch keine nennenswerten Konturierungen erfahren hat. Zu den für das Allgemeinwohl erheblichen Belangen zählen jedenfalls auch die abfallwirtschaftlichen Zielsetzungen des AbfG, die nicht ausdrücklich als Versagungsgründe genannt werden, aber dennoch für eine geordnete Abfallentsorgung als unverzichtbar gelten. Zu denken ist etwa an die Vorrangregelung des § 1 a Abs. 2 AbfG. Ist danach ein Vorrang der Abfallverwertung vor der sonstigen Entsorgung statuiert, so kann eine Anlage, in der Abfalle lediglich zur Volumenverringerung verbrannt werden, ohne daß verwertbare Abfallfraktionen aussortiert oder die entstehende Energie genutzt würde,406 nicht im Einklang mit dem Allgemeinwohl stehen. Verbreitet ist insofern die Ansicht, daß das AbfG die Prioritätenfolge "Vermeiden, Verwerten, Verbrennen, Deponieren" aufstelle,407 oder zumindest einer landesrechtlichen Normierung einer solchen Vorrangregelung nicht entgegenstehe. 408 Beachtet man indessen den Wortlaut des § 1 Abs.2 AbfG, der stoffliche und energetische Verwertung ohne Wertung nebeneinander stellt, und die Gesetzgebungsmaterialien, aus denen eindeutig hervorgeht, daß eben gerade eine"W ahlfreiheit" zwischen den verschiedenen Entsorgungsmethoden hergestellt werden sollte,409 so muß man zu dem Ergebnis gelangen, daß auch der energetischen oder thermischen Verwertung durch Verbrennung ein Vorrang vor der bloßen Deponierung als sonstiger Entsorgung zukommt. 410 Allerdings scheint die rechtspolitische Entwicklung inzwischen gegen die Abfallverbrennung zu tendieren; so hat das Bundesland Bayern einen Gesetzesantrag erarbeitet, nach dem die Gewinnung von Energie nicht mehr an dem Vorrang der Verwertung vor der sonstigen Entsorgung teilhaben soll. 411 Mit Blick auf das mit der Schaffung des AbfG verbundene Anliegen, statt vieler kleiner, oftmals technisch unzureichender Anlagen die Entsorgung auf 405 Hoschützky / Kreft, § 2 AbfG Erl. 1.1. 406 Nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 2 AbfG gelten sowohl die stoffliche als auch die energetische Nutzung als Abfallverwertung. 407 Vgl. Art. 1 Abs. 1 bay.AbfG. 408 So BayVerfGH, DVBl. 1990, 692 (694). 409 BT-Drs. 10 / 5656, S. 57; dazu ausführlich Mann, DVBl. 1990, 698 (699). 410 So auch Backes, DVBl. 1987, 333 (335); Bothe, NVwZ 1987,938 (942); Mann, DVBl. 1990,698 (699); Tettinger, GewArch 1988,41 (44). 411 BR-Drs. 528/90: Änderungen der §§ 1 Abs. 1 S. 2, 1 Abs. 2 und 3 Abs. 2 S. 3 AbfG; anders aber BayVGH, NVwZ 1990, 990 (991) wegen des Raumverbrauchs durch Deponien.

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einige wenige, aber kapazitätsstarke Anlagen zu konzentrieren, wird deutlich, daß auch dieser Gesichtspunkt Bestandteil des Allgemeinwohls ist. 412 Damit unvereinbar ist der Plan, eine kleine, nicht einmal vergrößerungsfahige Abfallentsorgungsanlage zu errichten, da dies wiederum zu einer Zersplitterung der Entsorgungskapazitäten führen müßte. 413 In Betracht kommen darüber hinaus organisatorische, abfallwirtschaftliche oder auch allgemein wirtschaftliche Belange. 414 Sogar kulturelle bzw. kulturhistorische Interessen können zum Tragen kommen. 415

c) Wahrscheinlichkeitsmaßstab

Nach § 8 Abs.3 S.2 Nr.l AbfG sind nur solche Beeinträchtigungen des Allgemeinwohls erheblich, die "zu erwarten sind". Insbesondere bei der Planung neuer Anlagen kann hinsichtlich der zukünftigen Auswirkungen immer nur eine Prognose erstellt werden. Der Begriff "zu erwarten" legt somit einen Wahrscheinlichkeitsrnaßstab fest. Ausschlaggebend können mögliche Folgen nur dann sein, wenn sie "nach allgemeiner Lebenserfahrung und anerkannten Regeln wahrscheinlich und ihrer Natur nach annähernd voraussehbar sind".416 An die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts sind dabei - wie auch im Hinblick auf den Gefahrenbegriff des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts 417 - um so geringere Anforderungen zu stellen, je gewichtiger das betroffene Rechtsgut und je größer der zu befürchtende Schadensumfang ist. 418 Außerdem müssen die möglichen Beeinträchtigungen der Abfallentsorgungsanlage als Verursacher auch konkret zurechenbar sein. Dies kann mitunter vor allem dann fraglich sein, wenn das betroffene Gebiet bereits durch Immissionen vorbelastet ist. 419 Damit ist nicht gemeint, daß derart vorbelastete Gebiete weniger schutzwürdig seien, sondern nur, daß z. B. zusätzliche Lännquellen, die in einem ohnehin schon vorhandenen Geräuschpegel untergehen, keine eigenständige, zusätzliche Beeinträchtigung verursachen. 420 Diese vorwiegend zum Fernstraßen412 Beckmann/ Appold/Kuhlmann, OVBI. 1988, 1002 (1007). 413 BVerwGE 66, 301 (304). 414 Hoschützky / Kreft, § 2 AbfG Erl. 1.1. 415 HessVGH, NVwZ 1989, 484: hier war als Anlagenstandort eine archäologisch interessante Ausgrabungsstätte (Grube Messel) vorgesehen; vgl. auch Kloepfer, Umweltrecht, § 12 Rn. 98. 416 BVerwG, NVwZ 1984,374; zustimmend Hösel/von Lersner, § 8 AbfG Rn. 23 m. w. N.; Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 8 Rn. 41 und 56. 417 Vgl. hierzu BVerwGE 47,31 (40); Drews /Wacke/Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, S. 223; Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, in: von Münch, Besonderes Verwaltungsrecht, Kap. 11. 1. d). 418 BVerwG, NVwZ 1984, 374; Beckmann/ Appold/Kuhlmann, OVBl. 1988, 1002 (1006); Große HÜßdfeld, Die Beseitigung rechtlicher Hemmnisse, S. 48. 419 Ausführlich Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 261 f.

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2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

recht und mit Blick auf Lärmbelästigungen entwickelte Rechtsprechung läßt sich indessen auf Beeinträchtigungen durch den Ausstoß gefährlicher Schadstoffe wegen der hier bestehenden Addition der Gefahrdungspotentiale nur ausnahmsweise übertragen. Folgt man dem BVerwG in der Auffassung, daß die Schutzwürdigkeit eines Gebietes sich auch danach bestimmt, was dort planungsrechtlich zulässig ist, 421 so ist der Gemeinde ein vorbeugender Umweltschutz gegen Immissionsbelastungen möglich,422 indem sie beispielsweise Gebiete festsetzt, in denen bestimmte luftverunreinigende Stoffe nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen (§ 9 Abs. 1 Nr.23 BauGB).423 Die Übertragung dieses Verständnisses auf das Abfallrecht erscheint wegen § 38 BauGB allerdings fragwürdig, weil dort ausdrücklich der Vorrang der abfallrechtlichen Planfeststellung vor konkreten planerischen Festlegungen durch die Gemeinde bestimmt ist. Die Belange auch der Eigentümer derart vorbelasteter Grundstücke sind damit grundsätzlich geschützt und in die Abwägung einzustellen; die Vorbelastung kann mithin auf der Stufe der Abwägung berücksichtigt werden. 424 d) Drittschützender Charakter des § 8 Abs.3 S.2 Nr. 1 AbfG?

Für die gerichtliche Angreifbarkeit eines abfallrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses stellt sich wiederum die Frage, ob § 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AbfG drittschützend in dem Sinne ist, daß sich ein Kläger auf eine Verletzung der Allgemeinwohlbindung berufen könnte. Zieht man die einzelnen in § 2 Abs. 1 S. 2 AbfG aufgeführten Belange in Betracht, so könnte beispielsweise die Gesundheit der Menschen durchaus im Interesse der betroffenen Personen geschützt sein. 425 Allerdings wird der Begriff des Allgemeinwohls üblicherweise gerade als Gegensatz zu dem des Individualinteresses verwendet. 426 Nachdem der Wortlaut somit nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führt, gibt aber der systematische Vergleich mit anderen Normen des Abfallrechts deutlichen Aufschluß. Das Abfallgesetz hat nämlich die Normen, die Dritten Schutz gewähren sollen, an anderer Stelle ausdrücklich gekennzeichnet, so in § 8 Abs.3 S.2 Nr.3 AbfG. Damit wird deutlich, daß die unterschiedliche Behandlung von Allgemeinwohl- und Indivi420 Vgl. VGH Bd.Wtt., NVwZ 1989,276 (278); allgemein BVerwG, UPR 1989, 184 (188) = BVerwGE 81, 128; kritisch BayVGH, DVBl. 1990, 114 (117). 421 BVerwGE 74, 315 (326). 422 So BVerwG, NVwZ 1990, 257. 423 Der gegenteilige Effekt kann indessen über Festsetzungen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 14 (Festsetzung von Flächen für die Abfallentsorgung) erreicht werden. 424 BVerwG, NVwZ-RR 1989,619 (620). 425 VG Berlin, UPR 1982, 101 (102) billigt deshalb § 8 Abs. 3 S.2 Nr. 1 AbfG in beschränktem Umfang einen drittschützenden Gehalt zu. Entsprechendes könnte nach VGH Bd.Wtt., NVwZ 1990,487 (490) für § 2 Abs. 1 S.2 Nr. 5 AbfG gelten, der mit städtebaulichen Belangen auch die gemeindliche Planungshoheit schützt. 426 VGH Bd.Wtt., DVBl. 1990, 60 zu § 13 Abs. 1 S.2 Nr. 4c AbfG.

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dualinteressen im Gesetz bewußt so angelegt ist. 427 Einen drittschützenden Charakter hat § 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AbfG folglich nicht. 428

4. Bedenken gegen die Zuverlässigkeit der verantwortlichen Personen (§ 8 Abs.3 S.2 Nr.2 AbfG) Als weiteren Versagungsgrund im Rahmen der abfallrechtlichen Planfeststellung nennt § 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 AbfG die Unzuverlässigkeit der für die Anlage verantwortlichen Personen. Hierbei handelt es sich um einen im Wirtschaftsverwaltungsrecht häufiger vorkommenden unbestimmten Rechtsbegriff. Im Gewerberecht (§ 35 GewO) gilt als unzuverlässig, wer keine Gewähr für eine zukünftig ordnungsgemäße Gewerbeausübung bietet. 429 Dieses Begriffsverständnis läßt sich ohne weiteres auf den abfallrechtlichen Kontext übertragen. Unzuverlässigkeit liegt demnach vor, wenn Tatsachen, etwa frühere Verstöße gegen umweltrelevante Strafvorschriften, 430 die Annahme rechtfertigen, daß der Anlagenbetreiber seinen Pflichten nicht ausreichend nachkommen oder das Personal nicht sorgfältig aussuchen und überwachen wird. Wichtig für eine ordnungsgemäße Abfallentsorgung ist insbesondere die Kontrolle angelieferter Abfälle, da verhindert werden muß, daß sich auch Stoffe darunter befinden, für die die Anlage nicht geeignet bzw. nicht zugelassen ist. 431 Wenn auch fehlende Sachkunde im Gesetz nicht genannt ist, weil es wohl (noch) kein festes Berufsbild des "Abfallentsorgers" gibt, so können Bedenken gegen die fachliche Eignung dennoch in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden. 432 Eine Versagung der Zulassung wegen Unzuverlässigkeit ist hingegen nicht möglich, wenn nur Zweifel an ausreichenden finanziellen Mitteln des Antragstellers bestehen;433 für diesen Fall sieht § 8 Abs. 2 AbfG vor, daß von dem Betreiber die Leistung einer Sicherheit verlangt werden kann. Die Prüfung der Zuverlässigkeit kann gleichermaßen in bezug auf natürliche und juristische Personen erfolgen 434 und ist trotz der notwendigen prognostischen Einschätzung gerichtlich voll überprüfbar. 435

427 VGH Bd.Wtt. DVBl. 1990,60 unter Berufung auf OVG Lüneburg, DVBl. 1986,

418.

428 Hösel / von Lersner, § 8 AbfG Rn. 25. 429 Sieg / Leifermann / Tettinger, GewO, § 35 Rn. 10 m. w. N. 430 Bartels, Abfallrecht, S. 105; vgl. auch BVerwG,NVwZ 1990,858 (859) zu § 7 AtG. 431 Dies betonen auch einige landesrechtliche Bestimmungen: § 15 saarl.AbfG; § 15a Abs. 1 rh.pf.LAbfG; § 5 Abs. 5 S. 1 hess.AbfAG; § 26 nw.LAbfG. 432 Hösel / von Lersner, § 8 AbfG Rn. 26; i. E. auch Barteis, Abfallrecht, S. 105. 433 HessVGH, NuR 1979, 68 (69). 434 BT-Drs. 7/2593, S. 9. 435 Sieg / Leifermann / Tettinger, GewO, § 35 Rn. 10.

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Der Versagungsgrund der Unzuverlässigkeit weicht allerdings insofern von den übrigen Versagungsgründen des § 8 Abs. 3 AbfG ab, als er der einzige personen- und nicht anlagenbezogene ist. Es fragt sich deshalb, ob die Planfeststellung erneut erforderlich wird, wenn nur der Betreiber einer zugelassenen Anlage wechselt. Dagegen ließe sich einwenden, daß im AbfG, wäre dies gewollt gewesen, für den Fall des Betreiberwechsels Zustimmungs- oder sonstige Mitwirkungsbefugnisse der Abfallbehörde geregelt worden wären. 436 Da derartige Regelungen fehlen, könnte man davon ausgehen, daß im Falle eines Wechsels in der Trägerschaft keine neue Zulassung erforderlich wird. Außerdem spricht auch der Wortlaut der §§ 7 und 8 AbfG gegen eine personenbezogene Genehmigung, indem es eben nicht heißt: "Wer eine Anlage errichten oder betreiben will ... ". Indessen widerspricht diese Auffassung der durch das AbfG ansonsten angestrebten umfassenden Kontrolle der Anlage durch die zuständige Behörde. So müssen schon relativ geringfügige Änderungen an einer Abfallentsorgungsanlage als wesentlich i. S. d. § 7 Abs. I AbfG angesehen werden, wenn sie nur Auswirkungen auf das Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen haben können. Die Behörde ist dann gezwungen, in einem neuerlichen Verfahren die Rechtmäßigkeit der Gesamtanlage festzustellen. Daher muß auch im Fall eines Besitzerwechsels der Behörde Gelegenheit gegeben werden, das Bestehen der personenbezogenen rechtlichen Anforderungen an die Zuverlässigkeit des Betreibers zu überprüfen. 437 Ob schließlich die Prüfung der Zuverlässigkeit der verantwortlichen Personen dem Schutz privater Dritter dient, ist noch nicht eindeutig beantwortet. 438 Daß allerdings die Zuverlässigkeit des Anlagenbetreibers und des von ihm eingesetzten Personals ebenso wie die technische Ausstattung der Anlage zumindest auch unter dem Gesichtspunkt der Verhinderung schädlicher Einwirkungen auf die Umgebung und die Anwohner zu sehen ist, spricht für die Annahme eines drittschützenden Gehalts der Vorschrift. 439

5. Nachteilige Wirkungen auf das Recht eines anderen (§ 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AbfG) Der letzte im AbfG ausdrücklich aufgeführte Grund, eine beantragte Planfeststellung zu versagen, ist in § 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 i. V. m. Abs. 4 AbfG geregelt. Danach darf grundsätzlich die Zulassung nicht erteilt werden, wenn nachteilige Wirkungen auf das Recht eines anderen zu erwarten sind, die durch Nebenbestimmungen weder verhütet noch ausgeglichen werden können, vorausgesetzt, der So Hösel / von Lersner, § 7 AbfG Rn. 6. Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 7 Rn. 7; Seeliger, vr 1990, 329 (333). 438 Vgl. zu dem insoweit vergleichbaren § 7 Abs. 2 Nr. 1 AtG einerseits VGH Bd.Wtt., VBIBW 1988, 184 und andererseits OVG Lüneburg, et 1980,694 (698). 439 Vgl. BVerwG, NVwZ 1990, 858 (859) zu § 7 AtG, i. E. allerdings offen gelassen. 436

437

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Betroffene widerspricht. Nach Abs. 4 gilt dies nicht für Vorhaben, die dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Die Auslegung und Anwendung dieser Norm stößt - obwohl sie an die allgemeine Ausgleichsvorschrift des § 74 Abs. 2 VwVfG angelehnt ist 440 - auf zahlreiche Verständnisschwierigkeiten. a) Gemeinnützige und privatnützige Planfeststellung In Fortführung der Rechtsprechung des BVerwG zu § 31 WHG, wonach zwischen privat- und gemeinnützigen Planfeststellungen zu unterscheiden ist,441 sind diese Kategorien bisher auch auf abfallrechtliche Planfeststellungen übertragen worden. Nach ganz allgemein vertretener Auffassung soll § 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AbfG den Fall der privatnützigen Planfeststellung erfassen, mit der Folge, daß entgegenstehende Rechte Dritter, soweit nicht durch Auflagen oder Bedingungen eine rechtmäßige Situation herstellbar ist, einen zwingenden Versagungsgrund darstellen; insbesondere soll die privatnützige Planfeststellung keine Enteignung ermöglichen. 442 Andererseits gilt die gemeinnützige Planfeststellung als ausreichender Rechtsgrund für die Enteignung benötigter Grundstücke. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, daß die Frage, ob eine geplante Abfallentsorgungsanlage privat- oder gemeinnützig ist, bei der gerichtlichen Kontrolle von Planfeststellungsbeschlüssen bislang eine wesentliche Rolle spielte, weil eben die vorab erfolgende Klassifizierung der Anlage den rechtlichen Rahmen für die Entscheidung der Planfeststellungsbehörde vorgab. Während zu Anfang schlicht nach der Person des Betreibers der Anlage unterschieden wurde, ob also eine Körperschaft des öffentlichen Rechts oder ein Privater die Anlage verwirklichen wollte,443 setzte sich später die Auffassung durch, daß auch Private gemeinnützige Anlagen betreiben können, wenn die Erfüllung der konkreten Aufgabe im öffentlichen Interesse liege. 444 Schließlich hat der BayVGH entschieden, daß angesichts des allgemeinen Interesses an einer umweltgerechten Entsorgung privatnützige Anlagen zwingend die Zuordnung zu bestimmten Betrieben voraussetzten. Auf den Träger der Anlage komme es nicht an. 445 440 BVerwG, OVBI. 1990, 589 = BVerwGE 85, 44. Oie Ausgleichsvorschriften des § 74 Abs. 2 VwVfG sind gegenüber dem Abfallrecht subsidiär; deshalb bleibt für nicht vorhersehbare nachteilige Wirkungen § 75 Abs. 2 VwVfG anwendbar; Barteis, Abfallrecht, S. 104 f.; Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 282. 441 BVerwGE 55, 220. 442 Beckmann/ Appold/ Kuhlmann, OVBI. 1988, 1002 (1007); Große Hündfeld, Die Beseitigung rechtlicher Hemmnisse, S. 45.

443 Diese Unterscheidung legen auch einige Landesabfallgesetze bei der Zulässigkeit einer Enteignung zugrunde; vgl. nur § 23 Abs.l S.1 und 2 nw.LAbfG und § 5 S. 1 hamb.AAbfG. 444 So zur wasserrechtlichen Planfeststellung BayVGH, OöV 1986, 112 (113). 445 BayVGH, OÖV 1989, 401 (402).

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Dieser Entwicklung hat das BVerwG in einer Entscheidung vom 9.3.1990 einen vorläufigen Schlußpunkt gesetzt. Das Gericht geht davon aus, daß im Abfallrecht - anders als bei wasserrechtlichen Planfeststellungen nach § 31 WHG - eine Unterscheidung von privatnützigen und gemeinnützigen Vorhaben nicht möglich sei. 446 Auch setzten die Absätze 3 und 4 des § 8 Abs. 3 S. 2 AbfG nicht voraus, daß es neben der gemeinnützigen auch eine privatnützige abfallrechtliche Planfeststellung geben müsse. 447 Vielmehr diene die Errichtung von Abfallentsorgungsanlagen nach § 3 Abs. 2 AbfG der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe, nämlich der geordneten Entsorgung von Abfällen und damit zugleich der Daseinsvorsorge, der Seuchenabwehr und dem Umwelt- und Landschaftsschutz, kurz: einem "Gemeininteresse von hoher Bedeutung". 448 Daher sei es nicht erheblich, ob die Anlage von einem nach § 3 Abs. 2 AbfG verpflichteten öffentlichen Träger, von einem beauftragten Dritten (vgl. § 3 Abs. 2 S. 2 AbfG) oder von einem nach § 3 Abs. 4 AbfG eigenentsorgungspflichtigen Privaten betrieben werden soll. Ob daneben Anlagen denkbar sind, bei denen ein privatwirtschaftlicher Nutzungszweck so sehr im Vordergrund steht, daß das öffentliche Entsorgungsinteresse demgegenüber nicht mehr ins Gewicht fällt, hat das Gericht ausdrücklich offengelassen. 449 Wenn nun aber davon auszugehen ist, daß grundsätzlich jede Abfallentsorgungsanlage gemeinnützig ist, dann ist für eine Enteignung bzw. eine Anwendung des § 8 Abs. 4 AbfG eine Feststellung im jeweiligen Einzelfall erforderlich, ob die betreffende Anlage in ihrer konkreten Gestaltung und Beziehung zur Umwelt dem Allgemeinwohl dient. 450 Mit diesem Urteil wird ein grundlegendes Umdenken bei der Auslegung und Anwendung des § 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 und Abs. 4 AbfG notwendig. 45 \ Es kann nicht mehr quasi als Vorfrage entschieden werden, ob das Vorhaben privat- oder gemeinnützig ist, sondern dies muß im Rahmen einer Einzelfallprüfung für das spezielle Projekt entschieden werden. Nur wenn sich aufgrund einer Abwägung aller betroffenen öffentlichen und privaten Belange herausstellt, daß das öffentliche Entsorgungsinteresse überwiegt, dann dient die Verwirklichung des Plans dem Allgemeinwohl, und entgegenstehende öffentliche oder private Belange können überwunden werden.

446 447

448 449

450 45\

BVerwG, DVBI. 1990, 589 = BVerwGE 85, 44. BVerwG, DVBI. 1990, 589 (590). BVerwG, DVBI. 1990, 589 f. BVerwG, DVBI. 1990, 589 (590). BVerwG, DVBI. 1990, 589 (591). Vgl. Weidemann, DVBI. 1990, 592.

11. Inhaltliche Anforderungen nach Maßgabe des Abfallgesetzes

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b) Persönlicher und sachlicher Schutzbereich

aa) Unterscheidung von mittelbaren und unmittelbaren Eingriffen Die im Rahmen von § 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AbfG geschützten Belange werden im Gesetz als "Recht eines anderen" bezeichnet. Welche Rechte und welche Betroffenen im einzelnen darunter zu fassen sind, ist vielfach unklar. 452 Eine Unterscheidung zwischen mittelbar und unmittelbar Betroffenen ist dem Wortlaut der Bestimmung nicht zu entnehmen. Dennoch ergibt sich - wie auch sonst bei Planfeststellungen 453 - hinsichtlich notwendiger Eingriffe in das Eigentumsrecht aus Art. 14 GG, daß eine Enteignung im Sinne einer direkten Inanspruchnahme des Grundstücks den strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen muß.454 So muß eine Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Sie darf nur durch ein objektiv rechtmäßiges Gesetz oder, was hier zutrifft, aufgrund einer objektiv rechtmäßigen Verwaltungsentscheidung erfolgen. Deshalb wird dem von einer Enteignung betroffenen Grundeigentümer das Recht zugestanden, nicht nur eine unzureichende Berücksichtigung seiner individuellen Belange im Verwaltungsprozeß zu rügen, sondern auch jeden anderen Rechtsfehler des Planfeststellungsbeschlusses, insbesondere die fehlerhafte Abwägung öffentlicher Belange. 455 Wegen dieses verfassungsrechtlichen Hintergrunds erscheint die Kritik, mit der Einbeziehung öffentlicher Belange sei faktisch die Schutznormtheorie aufgegeben,456 unberechtigt. Demgegenüber ist anerkannt, daß die Vorschriften des § 8 Abs. 3 S.2 Nr. 3 AbfG nur sog. mittelbare Eingriffe betreffen. 457 Als Rechte anderer kommen insofern neben dem Eigentumsrecht auch das Recht auf Leben, Gesundheit und körperliche Unversehrtheit 458 sowie die Planungshoheit der Gemeinden 459 in Betracht.

452 Auch bei der Zulassung von in privater Hand befindlichen Anlagen ist wegen der durch die Zulassung vermittelten Duldungspflicht grundSätzlich ein Rückgriff auf Grundrechte möglich; vgl. BVerwG, DVBl. 1990,589 (590) = BVerwGE 85, 44; ausführlich Hoppe / Beckmann, Umweltrecht, § 4 Rn. 33 ff. 453 Kügel, Der Planfeststellungsbeschluß, S. 175, zu § 74 Abs. 2 VwVfG. 454 Auf die Schwere des Eingriffs kommt es bei einem solchen Substanzeingriff nicht an, vgl. BVerwGE 50, 282 (287). 455 BVerwGE 67, 74 (76); BVerwG, DVBl. 1986, 1000 (1001); BVerfG, UPR 1987, 343; VGH Bd.Wtt., UPR 1984,390; kritisch Bender / Sparwasser, Umweltrecht, Rn. 139, die diesen gedanklichen Ansatz nicht auf Enteignungen i. S. d. Art. 14 Abs. 3, sondern auch auf Art. 14 Abs. 1 GG anwenden wollen. 456 So Eyermann/Fröhler, VwGO, § 42 Rn. 186. 457 Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 8 Rn. 54 m. w. N.; a. A. HessVGH, NVwZ 1987,987 (989). 458 BVerwGE 59,253 (261 f.) zum Eisenbahnrecht. 459 Vgl. nur VGH Bd.Wtt., NVwZ 1990, 487 (490). 7 Kleinschnittger

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bb) Eigentum Mittelbare Eigentumseingriffe - nicht also Enteignungen - werden von einer Abfallentsorgungsanlage verursacht, wenn diese Beeinträchtigungen hervorruft, "die die vorgegebene Grundstückssituation nachhaltig verändern und dadurch Nachbargrundstücke schwer und unerträglich treffen". 460 Dazu zählt eine bisher erfolgte Nutzung 461 ebenso wie auch eine vom Eigentümer bisher noch nicht realisierte Nutzung, vorausgesetzt, sie bietet sich bei vernünftiger Betrachtung objektiv an und ist auch tatsächlich beabsichtigt. 462 Eingriffe können in Form von Geruchs- oder Lärmbelästigungen, aber auch durch Entzug von Licht, Sonne und Ausblick 463 erfolgen. 464 Widerspricht der betroffene Grundstückseigentümer 465 nun dem Vorhaben,466 so muß die Planfeststellung versagt werden, es sei denn, es gelingt, die störenden Einwirkungen durch Schutzauflagen zu unterbinden, oder es handelt sich um eine dem Gemeinwohl in besonderem Maße dienende Anlage. Dann ist § 8 Abs. 4 AbfG anwendbar und die Anlage kann zugelassen werden, wenn dem Betroffenen eine Entschädigung gewährt wird. Lange wurde hinsichtlich dieser Entschädigung unterschieden, ob diese als bloße öffentlich-rechtliche Billigkeitsentschädigung einzustufen ist, für deren Beurteilung das Verwaltungsgericht zuständig wäre, oder ob aufgrund der Eingriffsintensität die Schwelle zum enteignungsgleichen Eingriff467 überschritten ist, weshalb ein vor dem Zivilgericht einzuklagender Aufopferungsanspruch bestehen sollte. 468 Diese Differenzierung ist indessen im Gesetz durch nichts begründet, so daß die heute vorherrschende Ansicht vorzugswürdig erscheint, nach der unabhängig von der Intensität der Beeinträchtigung § 8 Abs. 4 AbfG als streitentscheidende Norm des öffentlichen Rechts anwendbar und damit gemäß § 40 BVerwGE 61, 295 (303). Z. B. zum Zweck des Wohnens; BVerwGE 51, 15 (33). 462 BVerwGE 57, 297 (305); ausführlich Kügel, Der Planfeststellungsbeschluß, S. 163 ff. 463 Freie Sicht ist im Innenstadtbereich allerdings nicht geschützt; VGH Bd.Wtt., NVwZ-RR 1990,394. 464 Hoppe / Beckmann, Umweltrecht, § 4 Rn. 36. 465 Nach BayVGH, NVwZ 1990, 378, soll dies wegen § 1353 BGB auch für den Ehegatten des Eigentümers gelten. 466 Solche Nachteile dürfen nicht von Amts wegen berücksichtigt werden, es sei denn, sie fallen zugleich unter § 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AbfG; Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 8 Rn. 57. 467 D. h. ein rechtswidriges Verwaltungshandeln, das zu einer schweren, unerträglichen und unzumutbaren Beeinträchtigung des Eigentums geführt hat. Zur Frage, ob die Rechtsfiguren des enteignungsgleichen und enteignenden (d. h. rechtmäßiges Verwaltungshandeln mit unbeabsichtigten, unvorhergesehenen Folgen) Eingriffs trotz der Naßauskiesungsentscheidung des BVerfG[E 58, 300 (324)] fortbestehen können: vgl. einerseits (bejahend) BGHZ 90,17 (20); BGHZ 91,20 (26f.); Papier, in: Maunz/Dürig/ Herzog / Scholz, GG, Art. 14 Rn. 631 ff.; andererseits (ablehnend) Scholz, NVwZ 1982, 337 (347); Rupp, NJW 1982, 1731 (1733). 468 Dazu Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 8 Rn. 56. 460

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Abs. 1 S. 1 VwGO das Verwaltungsgericht zuständig ist. 469 Es kann daher offen bleiben, ob die Entschädigung durch Art. 14 Abs. 3 GG geboten ist oder ob es sich um eine nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auszugleichende Inhaltsbestimmung i. S. v. Art. 14 Abs. 1 GG handelt. 470 Dennoch ist der Hinweis berechtigt, daß sich das Gericht sehr wohl über das Ausmaß der Betroffenheit ein Bild machen muß, da dieses für die Höhe der zu gewährenden Entschädigung ausschlaggebend ist. 471 Unter Umständen kann die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips sogar dazu führen, daß dem Grundeigentümer eine Übernahme des Grundstücks anzubieten ist. 472

ce) Gesundheit Nicht als Grundeigentümer betroffene Personen können sich zur Abwehr von durch die Anlage verursachten Immissionen unter Umständen auf ihr Recht auf Leben, Gesundheit und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) berufen. Relevant sind grundsätzlich auch Beeinträchtigungen des seelischen W ohlbefindens. 473 Schwierigkeiten bereitet insofern die Abgrenzung von solchen Einwirkungen, die den Einzelnen nicht mehr als die Allgemeinheit betreffen. Die Eingrenzung des Kreises der durch das Abfallrecht geschützten Nachbarn 474 erfolgt in Anlehnung an den Schutz des Grundeigentums danach, ob die betreffende Person dem Planvorhaben räumlich und zeitlich in einer Weise nahe steht, wie sie der Wohnort vermittelt. 475 Geschützt sind daher insbesondere Mieter und Pächter benachbarter Grundstücke. Dennoch führen praktische Abgrenzungsschwierigkeiten dazu, daß derartige Klagen selten Erfolg haben, denn viele Beeinträchtigungen sind in einer Industriegesellschaft schon als "sozialadäquat" einzustufen. 476

dd) Allgemeine Handlungsfreiheit Naheliegend wäre auch, Schutzrechte Dritter aus Art. 2 Abs. 1 GG, dem Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit, herzuleiten. Dies würde bedeuten, daß jedermann ein Recht darauf hätte, von objektiv rechtswidrigen BeeinträchtigunBVerwGE 77,295 (298); dazu Johlen, DVBI. 1989, 287 (289). BVerwG, DVBI. 1987, 1011 (1012); BVerwG, NJW 1987, 2884 (2885); Wahl, NVwZ 1990,426 (440); vgl. auch Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 289. 471 Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 237; Berechnungsgrundlage ist i. d. R. die Minderung des Verkehrswertes, BGH, UPR 1988, 142. 472 BVerwG, NJW 1987,2884 (2885). 473 BVerfGE 56,54 (75). 474 Der geschützte Personenkreis entspricht der Nachbarschaft i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BIrnSchG; Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 258. 475 BVerwG, DVBI. 1983, 183; OVG NW, DÖV 1984,436. 476 Hoppe / Beckmann, Umweltrecht, § 4 Rn. 45; Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 398; vgl. auch BVerwGE 54, 211 (223). 469 470

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gen verschont zu bleiben. De facto hätte dies das Ende der Schutznonnlehre zur Folge und würde zugleich auch zu einer Umgehung der §§ 42 Abs. 2 und 113 Abs. 1 VwGO führen, nach denen der Rechtsschutz auf die Geltendmachung eigener Rechte beschränkt ist. Vor diesem Hintergrund hat das BVerwG entschieden, daß Art. 2 Abs. 1 GG in diesem Zusammenhang grundsätzlich außer Betracht zu bleiben hat. Es weist darauf hin, daß das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit ohnehin als Auffanggrundrecht nur dann anwendbar sei, wenn spezielle Schutzbereiche nicht tangiert seien. Wenn aber ein Vorhaben weder im Hinblick auf Art. 14 GG noch hinsichtlich Art. 2 Abs. 2 GG relevant sei, dann fehle es auch an der für Art. 2 Abs. 1 GG vorauszusetzenden rechtlichen Beziehung zwischen dem Vorhaben und Dritten. 477

ee) Gemeinden als Träger von Rechten anderer? Entsprechend den Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Abfallentsorgungspläne ergeben sich auch hier in bezug auf Gemeinden als Vorhabengegner einige Besonderheiten. Wie schon betont wurde, stehen einer Gemeinde nicht die Grundrechte, also auch nicht das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG, ZU. 478 Sie kann sich somit insbesondere nicht darauf berufen, ein für die Abfallentsorgungsanlage benötigtes oder durch diese beeinträchtigtes Grundstück diene der Wahrnehmung ihrer öffentlichen Aufgaben. Als Ausweg bietet sich daher an, als geschütztes Recht hier das privatrechtliche Eigentumsrecht (vgl. § 903 BGB) anzusehen, das wegen der "Transfonnationsnonn" des § 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AbfG auch im verwaltungsrechtlichen Verfahren zu beachten sein könnte. 479 Diese Auffassung hat zwar viel Zustimmung gefunden; 480 das BVerwG neigt jedoch eher dazu, bei gemeindlichem Eigentum grundsätzlich eine grundrechtsstypische Gefährdungssituation zu verneinen und auch im (landesrechtlichen) Planfeststellungsverfahren der Gemeinde eine Berufung auf ihr privatrechtliches Eigentum zu verweigern. 481 Wenn diese Rechtsprechung die Diskussion auch möglicherweise noch nicht endgültig abschließt, so erscheint es doch aussichtsreicher, wenn sich die klagewillige Gemeinde auf eine vielversprechendere Rechtsposition stützen kann, nämlich auf ihre Planungshoheit. BVerwGE 54, 211 (221). BVerfGE 61, 82 (108). 479 So Beckmann/ Appold/Kuhlmann, DVBI. 1988,1002 (1006); Bender / Sparwasser, Umweltrecht, Rn. 146; Hoppe / Beekmann, Umweltrecht, § 13 Rn. 114; Wahl, NVwZ 1990,923 (926). 480 Vgl. Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 8 Rn. 55 m. w. N.; HessVGH, NVwZ 1987,987 (989); HessVGH, NVwZ-RR 1990, 128 (129); BayVGH, DVBI. 1990, 114 (115), insofern nur LS. 481 BVerwG, NVwZ 1989, 967; etwas anders BVerwG, NuR 1990, 109 (110) unter Hinweis auf Art. 109 EGBGB, Art. 74 Nr. 14 GO. 477 478

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Mit der als Bestandteil der kommunalen Selbstverwaltung in Art. 28 Abs. 2 GG garantierten Planungshoheit wird der Gemeinde das Recht zugestanden, über die Planung und Regelung der Bodennutzung auf ihrem Gemeindegebiet zu entscheiden. 482 Im Hinblick auf die abfallrechtliche Planfeststellung kann dieses Recht jedoch nicht absolut gewährt sein, da dies die Notwendigkeit einer gemeindlichen Zustimmung bedeuten würde, was durch § 38 BauGB gerade ausgeschlossen ist. Vielmehr sind nur hinreichend konkretisierte eigene Planungen geschützt, die allerdings nicht notwendig rechtsverbindlich sein müssen. 483 Ausreichend ist beispielsweise ein bereits vorliegender Flächennutzungsplan 484 oder auch nur der Entwurf eines Flächennutzungsplans. 485 Das Planungsrecht der Gemeinde ist verletzt, wenn eine solche konkrete Planung vorliegt und durch das Vorhaben nachhaltig gestört wird,486 darüber hinaus auch dann, wenn ein erheblicher Teil des Gemeindegebiets durch eine großräumige Planung einer örtlichen Planung völlig entzogen wird. 487 In Betracht kommt außerdem die Beeinträchtigung vorhandener kommunaler Einrichtungen.488 Die Planungshoheit ist jedoch nicht betroffen, wenn die Planung für ein Baugebiet schon überwiegend verwirklicht ist; dann ist es Sache der Grundeigentümer, ihre Interessen zu wahren. 489

c) Drittschützender Charakter der Norm

Nach alledem steht fest, daß es sich bei § 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AbfG um eine drittschützende Vorschrift handelt,49O die Betroffenen, die in ihren rechtlich verbürgten Gesundheits- und Eigentumsinteressen berührt sind, sowie betroffenen Gemeinden die Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO verleiht. d) Konsequenzen der neuen Rechtsprechung des BVerwG § 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AbfG ist die in der praktischen Anwendung, vor allem bei der gerichtlichen Kontrolle von Planfeststellungsbeschlüssen, wohl wichtigste materiell-rechtliche Norm. Deshalb ist die klärende Entscheidung des BVerwG zur Frage der Bedeutung von Privat- oder Gemeinnützigkeit eines Entsorgungsvorhabens zu begrüßen. Es ist indessen einzuräumen, daß die bisher vorherrschen-

482 BVerwGE 74, 124 (132); BVerwGE 79, 318 (325). 483 Beckmann/ Appold/Kuhlmann, DVBI. 1988, 1002 (1006) m. w. N. 484 Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 6 Rn. 33. 485 HessVGH, NVwZ 1989,484; VGH Bd.Wtt., NVwZ 1990,487. 486 BVerwGE 79, 319 (325); VGH Bd.Wtt., NVwZ 1990,487. 487 BVerfGE 56,298 (317 f.); BVerwGE 74, 124 (132); BVerwGE 79,318 (325). 488 HessVGH, NVwZ-RR 1990, 128 (129) unter Berufung auf BVerwG, NVwZ 1989, 750 (754); VGH Bd.Wtt., DVBI. 1990, 60 (63) m. w. N. 489 HessVGH, NVwZ 1989,484 (485). 490 Vgl. statt vieler Hösel/ von Lersner, § 8 AbfG Rn. 23.

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de Auffassung den Vorteil für sich in Anspruch nehmen konnte, zu eindeutigeren Ergebnissen zu führen, da sie eine abstrakte Abgrenzung ennöglichte, ob eine Anlage gemein- oder privatnützig sein sollte und welche Rechtsfolgen sich daraus ergaben. Auf dem Boden der zitierten Entscheidung des BVerwG ist nunmehr in jedem Fall eine Einzelfallabwägung erforderlich, um zu unterscheiden, ob eine Beeinträchtigung eines Grundstücks von der Intensität einer Enteignung zulässig ist bzw. die entgegenstehenden privaten Belange durch Gewährung einer Entschädigung nach § 8 Abs. 4 AbfG überwunden werden können. Einzelfallentscheidungen sind aber regelmäßig nur schlecht zu kalkulieren, was nicht gerade der Verbesserung der Rechtssicherheit auf dem Gebiet des Abfallrechts dienen wird. Allerdings dürfte es für die Zulassung von Anlagen, die sich in privater Trägerschaft befinden, förderlich sein, wenn auch im Interesse solcher Anlagen ausdrücklich die Enteignung zugelassen ist. Dazu in Widerspruch stehen indessen derzeit noch die Bestimmungen einiger Landes-Abfallgesetze, deren Enteignungsvorschriften zumeist danach unterscheiden, wer Betreiber der Objekts ist. 491 Vor dem Hintergrund der neueren Rechtsprechung sollten diese Landesgesetze nunmehr angepaßt 492 und das Enteignungsrecht nicht ausschließlich, aber auch nicht ohne Bezug auf den Einzelfall, öffentlich-rechtlichen Körperschaften gewährt werden. 493 Denn für die Feststellung der Zulässigkeit einer Enteignung ist die Allgemeinwohldienlichkeit des Projekts im konkreten Fall zu überprüfen.

6. Bedeutung der TA Abfall für die Zulassungsentscheidung Es hat sich gezeigt, daß die Prüfungsmaßstäbe für die Planfeststellung von Abfallentsorgungsanlagen ganz maßgeblich an unbestimmten Rechtsbegriffen wie dem des allgemeinen Wohls ausgerichtet sind. Zugleich ist die Abwägung konkurrierender öffentlicher und privater Belange charakteristisch für die Planfeststellung. Es handelt sich somit um eine stark am Einzelfall orientierte Entscheidung. Die damit verbundenen rechtlichen Unsicherheiten, vor allem die unzureichende Kalkulierbarkeit der rechtlichen Angreifbarkeit abfallrechtlicher Planfeststellungsbeschlüsse, werden als ein ausschlaggebender Grund für die oftmals unerträgliche Dauer des Verwaltungs- und verwaltungsgerichtlichen Verfahrens angesehen. 494 Daher richten sich allseits große Hoffnungen auf eine Rechtsvereinheitlichung durch die Zweite Allgemeine Verwaltungsvorschrift 491 § 5 S. 1 hamb.AAbfG (Enteignung nur zugunsten der Stadt Hamburg); § 22 saarl.AbfG (Enteignung nur zugunsten Entsorgungspflichtiger); ähnlich auch § 23 Abs. 1 S. 1 und 2 nw.LAbfG und § 8 rh.pf.LAbfG (zusätzliche Feststellung erforderlich). 492 In diesem Sinne auch Große Hündfeld, Die Beseitigung rechtlicher Hemmnisse, S.28f. 493 So auch schon Art. 12 bay.AbfG; § 7 brem.AGAbfG; § 13 bd.wtt.LAbfG; § 10 hess.AbfAG; § 15 nds.AbfG. 494 Tettinger, in: Festschrift für Fabricius, S. 307 (313); vgl. auch Fröhler, in: Festschrift für Ule, S. 55 (58).

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zum AbfG (TA Abfall), 495 die aus mehreren Teilen bestehen wird, von denen allerdings bislang nur der erste Teil 496 erlassen ist, der sich mit der besonderen Problematik der nach § 2 Abs. 2 AbfG besonders überwachungsbedürftigen Abfälle, d. h. der Sonderabfälle i. S. d. Abfallbestimmungsverordnung, 497 befaßt (vgl. § 4 Abs. 5 AbfG). Ob die TA Abfall tatsächlich zu einer Rechts- und Rechtsanwendungsvereinheitlichung beitragen kann, ist davon abhängig, welchen Einfluß sie auf die Planfeststellungen erlangen wird. Da die TA Abfall - ebenso wie die TA Luft und die TA Lärm - eine Verwaltungsvorschrift ist, stellt sich hier wiederum die Frage, ob von Verwaltungsvorschriften eine rechtliche Bindungswirkung ausgeht. Als gesicherte Erkenntnis dürfte gelten, daß diese Frage pauschal weder bejaht noch verneint werden kann. Vielmehr ist danach zu unterscheiden, welche Art von Regelung die Vorschrift trifft. 498 So kann davon ausgegangen werden, daß rein organisatorische Regelungen zwar die Behörden als maßgebliches Innenrecht binden, aber ohne Außenwirkung bleiben. 499 Norminterpretierende Verwaltungsvorschriften andererseits sind für die Rechtskontrolle nicht erheblich, da die Auslegung der Gesetze letztverbindlich den Gerichten obliegt. Schwierig ist hingegen die Beurteilung solcher Bestimmungen, die die materiell-rechtlichen Anforderungen an Abfallentsorgungsanlagen betreffen. In bezug auf die insoweit vergleichbare TA Luft hat das BVerwG entschieden, daß es sich um ein sog. antizipiertes Sachverständigengutachten handele, das die Gerichte binde, sofern nicht ein atypischer Ausnahmefall vorliege oder dieses Gutachten durch neuere Erkenntnisse und Entwicklungen überholt sei. 500 Dieses Urteil ist allerdings auf Kritik gestoßen, weil es nicht berücksichtigte, daß es bei derartigen Vorschriften nicht nur um die Sammlung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse, sondern auch um Risikozumutungen geht, denen aber bereits eine rechtliche Abwägungsentscheidung zugrunde liegt. 501 Das BVerwG502 hat sich daraufhin in einer späteren Entscheidung für die Zuordnung der Verwaltungsvorschriften des technischen Sicherheitsrechts zu der 495 Große Hündfeld, Die Beseitigung rechtlicher Hemmnisse, S.40; Tettinger, in: Festschrift für Fabricius, S. 307 (313). 496 Zweite allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Abfallgesetz (TA Abfall); Teil 1: Technische Anleitung zur Lagerung, chemisch / physikalischen und biologischen Behandlung und Verbrennung von besonders überwachungsbedürftigen Abfällen; vom 10.4.1990, GMBl. 1990, S. 169 ff.; dazu Weidemann, NVwZ 1991,226 (228 f.). 497 So Ziffer 2.2.1 der TA Abfall, Teil 1. 498 Ausführlich Bothe, NVwZ 1987,938 (943). 499 Vgl. Holtmeier, in: Das neue Abfallwirtschaftsrecht, S. 131 (133). 500 BVerwGE 55, 250 (256, 260); dazu Büdenbender, Energierecht, Rn. 1090. 501 Vgl. zum Beispiel Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG, Art. 19 IV Rn. 206; Hösel / von Lersner, § 4 AbfG Rn. 44. 502 BVerwGE 72, 300 (320 f.).

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Kategorie der nonnkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften 503 entschieden. Wegen der begrifflichen Offenheit der gesetzlichen Zulasssungsvoraussetzungen bedürften die rechtlichen Prüfungsmaßstäbe einer Konkretisierung in Fonn von Verwaltungsvorschriften, die bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe innerhalb der von der Nonn gesetzten Grenzen für die Verwaltungsgerichte verbindlich seien. 504 Diese Lösung verursacht jedoch möglicherweise Akzeptanzprobleme, da der Inhalt einer solchen Verwaltungsvorschrift gerichtlich nicht überprüfbar ist und auch nicht von einem demokratisch legitimierten Gesetzgeber herrührt. Ob eine Kompensation dieses Nachteils durch die Anhörung der beteiligten Kreise nach § 4 Abs. 5 AbfG erreicht wird, ist zweifelhaft. 505 Die von der TA Abfall zu erwartende Harmonisierungswirkung sollte m. E. zurückhaltend beurteilt werden. Dagegen spricht schon der Vorbehalt, unter den § 4 Abs. 5 S. 2 AbfG die Bedeutung der Vorschrift selbst stellt. Danach beschreibt die TA die Verfahren, die eine umweltverträgliche Abfallentsorgung "in der Regel" gewährleisten. Daher sind Abweichungen in einem als atypisch erkannten Fall jedenfalls zulässig. Ein weiteres Bedenken betrifft die lange Vorbereitungszeit vor Erlaß der TA Abfall; rechnete man ursprünglich schon für das Jahr 1988 mit der Fertigstellung aller Teile der Vorschrift,506 so stehen jetzt (Frühjahr 1991) noch einige Teile der TA Abfall aus. Dieser Umstand läßt die Befürchtung entstehen, daß auch die in Zukunft notwendige, dynamische und flexible Fortschreibung 507 nicht mit dem nonnativ als maßgeblich deklarierten Stand der Technik (vgl. § 4 Abs. 5 S. 1 AbfG und § 3 Abs. 6 BImSchG) 508 mithalten wird.

7. Zulässigkeit einer Beifügung von Nebenbestimmungen Die gesetzlichen Grundlagen der Zulässigkeit von Nebenbestimmungen zu Verwaltungsakten in § 36 VwVfG werden im abfallrechtlichen Anlagenzulassungsrecht überlagert von den speziellen Vorschriften des § 8 AbfG.509

503 Dazu Breuer, NVwZ 1988, 104 ff.; Erbguth, DVBI. 1989, 473 ff.; HilI, NVwZ 1989,401 ff.; Wallerath, NWVBL 1989, 153 ff.; kritisch Jarass, NJW 1987, 1225 (1229). 504 BVerwGE 72, 300 (320 f.). 505 Burmeister, Jahrbuch des Technik- und Umweltrechts 1988, 121 (153 f.) 506 Kunig, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 4 Rn. 42. 507 Hösel / von Lersner, § 4 AbfG Rn. 46; Kunig, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 4 Rn. 43. 508 Zu diesem Begriff BVerfGE 49, 89 (135 f.).

509 Keine Relevanz hat daher die zum allgemeinen Planfeststellungsrecht vertretene Auffassung, andere Nebenbestimmungen als Auflagen seien mit der Gestaltungswirkung nicht vereinbar; Kügel, Der PIanfeststellungsbeschluß, S. 193.

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a) Überblick über die gesetzliche Regelung § 8 Abs. 1 S. 1 AbfG legt grundsätzlich fest, daß Auflagen und Bedingungen, 510 z. B. die in § 8 Abs.2 AbfG angesprochene Anforderung einer Sicherheitsleistung 511 für Rekultivierungsmaßnahmen, 512 dem Planfeststellungsbeschluß beigefügt werden dürfen. Wie sich aus § 8 Abs. 1 S. 3 AbfG ergibt, erstreckt sich diese Befugnis auch auf nachträgliche Auflagen, wodurch ein Bestandsschutz nur im Rahmen der verfassungsrechtlich gebotenen Verhältnismäßigkeit gewährleistet wird. 513 Die Vorschrift wurde aber für notwendig erachtet, um sicherzustellen, daß eine laufende Anpassung an die technische Entwicklung erfolgen kann. 514 Zu berücksichtigen ist, daß der Anlagenbetreiber zu einem späteren Zeitpunkt keine Möglichkeit mehr hat, von dem Vorhaben abzusehen. 515 Zudem dürfen durch eine nachträgliche Auflage nicht solche Maßnahmen angeordnet werden, die als wesentliche Änderung der Anlage nach § 7 Abs. 1 AbfG der Planfeststellung bedürfen. 516 Durch § 8 Abs. 1 S. 2 AbfG wird darüber hinaus die befristete Planfeststellung erlaubt. Die Befristung 517 ist dann angebracht, wenn die Anlage vorhersehbar nach Zeitablauf nicht mehr umweltgerecht betrieben werden kann; 518 sie kann aber auch zur Durchsetzung abfall wirtschaftlicher Ziele dienen. 519 Von den aus dem allgemeinen Verwaltungsrecht bekannten Nebenbestimmungen 520 wird lediglich die Möglichkeit eines Widerrufsvorbehalts (vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG) in § 8 AbfG - im Gegensatz zu dem früheren § 8 Abs. 1 S. 4 AbfG - nicht erwähnt. Diese Besonderheit legt den Schluß nahe, daß ein Planfeststellungsbeschluß nicht unter einen Widerrufsvorbehalt gestellt werden darf. 521 Dennoch besteht de facto wegen des gesetzlichen Auflagenvorbehalts des § 8 Abs.l S.3 AbfG und § 49 Abs.2 Nr.2 VwVfG eine weitgehende 510 Zur Definition: § 36 Abs. 2 Nr. 2 und 4 VwVfG. Die Bezeichnung im Verwaltungsakt ist jedoch nicht maßgebend; Obermayer, VwVfG, § 36 Rn. 50. Im Zweifel ist von der den Betroffenen weniger belastenden Auflage auszugehen; Schwarze, in: Knack, VwVfG, § 36 Anm. 3.1.4. 5ll Sinnvoll vor allem bei Deponien im Hinblick auf Langzeitrisiken der Abfallablagerung; BayVGH, NVwZ 1990,992. 512 HessVGH, NuR 1979,68 (69); Hösel/von Lersner, § 8 AbfG Rn. 17. m Barteis, Abfallrecht, S. 107; Kloepfer, Umweltrecht, § 12 Rn. 129; zur späteren Anforderung einer Sicherheitsleistung: BayVGH, NVwZ 1990, 992 f. 514 BT-Drs. VI/2401, S. 14; dazu auch Hösel/von Lersner, § 8 AbfG Rn. 10. 515 BayVGH, NVwZ 1990,992 (993). 516 Franßen, in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, S. 399 (437); Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 7 Rn. 6. 517 Im Gegensatz zur Bedingung ist hier der Zeitpunkt genau bestimmbar; Schwarze, in: Knack, VwVfG, § 36 Anm. 3.1.1.; Obermayer, VwVfG, § 36 Rn. 16. 518 Hösel / von Lersner, § 8 AbfG Rn. 9. 519 Vgl. § 3 a Abs. 1 S. 3 hess.AbfAG: befristete Zulassung für Lagerung unbelasteten Bauschutts zum Zweck der Deponieschonung. 520 Vgl. Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 12. 521 Barteis, Abfallrecht, S. 107; a. A. Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 7 Rn. 6.

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2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

Widerrufsmöglichkeit für den Fall, daß der Anlagenbetreiber Auflagen nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt. Trotz dieser an das allgemeine Verwaltungsrecht angelehnten Normierung kommt den Rechtsfragen im Zusammenhang mit Nebenbestimmungen im Planfeststellungsrecht praktisch ein ungleich größeres Gewicht ZU. 522 Grund dafür sind § 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 und Nr. 3 AbfG, wonach Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit oder der Rechte anderer 523 durch Auflagen oder Bedingungen verhütet oder ausgeglichen werden müssen, da anderenfalls die Planfeststellung versagt werden müßte. Hieraus spricht die gesetzliche Grundintention, die Planfeststellung nur dann zu versagen, wenn es ausnahmsweise nicht gelingen sollte, die Anlage durch die Anordnung sachdienlicher Schutzvorkehrungen "zulassungsfähig" zu machen. 524 Vor diesem Hintergrund erklärt sich die auch in der Rechtsprechung häufig zu beobachtende Tendenz, die Versagung der Planfeststellung nicht ernsthaft in Erwägung zu ziehen, sondern statt dessen die Lösung aller Interessenkonflikte auf der Ebene der Nebenbestimmungen zu suchen. 525 Die Entscheidung der Planfeststellungsbehörde für oder gegen den Erlaß von Nebenbestimmungen ist somit Teil der von ihr vorzunehmenden planerischen Abwägung. 526 Eine gerechte Abwägung der entgegenstehenden öffentlichen oder privaten Belange setzt daher zwingend voraus, daß notwendige Schutzvorkehrungen auch getroffen werden. 527 Die konkrete Ausgestaltung einer Schutzauflage im Einzelfall hingegen unterliegt der planerischen Gestaltungsfreiheit, 528 so daß insoweit keine vollständige gerichtliche Kontrolle erfolgen kann. 529 Diese Besonderheit macht es allerdings besonders schwer, zu entscheiden, wie und mit welchem Ziel Rechtsschutz gegen (aus der Sicht Betroffener) fehlende und (aus der Sicht der Anlagenträger) zu weit reichende Schutzauflagen gewährt werden kann. b) Rechtsschutzfragen Anknüpfend an die herkömmliche Unterscheidung von Auflagen i. S. d. § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG und sog. modifizierenden Auflagen stellt sich die Frage, welcher dieser Kategorien die Schutzauflagen des Planfeststellungsrechts zuzuordnen sind. 530

Hösel / von Lersner, § 8 AbfG Rn. 5; Kügel, Der Planfeststellungsbeschluß, s. 160. Also trotz des gegenteiligen Wortlauts des § 8 Abs. 1 AbfG nicht ausschließlich zum Wohle der Allgemeinheit; BarteIs, Abfallrecht, s. 106. 524 BT-Drs. 7/910, S. 89; vgl. auch Kloepfer, Umweltrecht, § 12 Rn. 126. 525 Kritisch Kügel, Der Planfeststellungsbeschluß, S. 163. 526 BVerwGE 59, 253 (260); Johlen, DVBl. 1989, 287 m. w. N. 527 BayVGH, DVBl. 1990, 114 (115) zu § 74 Abs. 2 S. 3 VwVfG; Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 250. 528 BVerwGE 51, 6 (12); Ibler, Die Schranken planerischer Gestaltungsfreiheit, S. 264 f.; Kügel, Der Planfeststellungsbeschluß, S. 160. 529 Zu den rechtlichen Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit siehe unten 2. Kap. B. IV. 2. 522 523

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Nach der Rechtsprechung des BVerwG sind Auflagen dadurch gekennzeichnet, daß sie als zusätzliche, eigenständige Verpflichtung neben dem begehrten Verwaltungsakt stehen und deshalb selbst als Verwaltungsakt i. S. d. § 35 VwVfG mit der Anfechtungsklage angreifbar sind. Dies soll jedoch für die modifizierenden Auflagen nicht gelten, da diese die eigentliche Zulassung "qualitativ ändern".531 Bei Planfeststellungsbeschlüssen wird es sich überwiegend nicht um zusätzliche Vorkehrungen, sondern um Einschränkungen oder Änderungen des Vorhabens handeln. 532 Die Rechtsprechung zur sog. modifizierenden Auflage ist allerdings im Schrifttum nicht unumstritten. Mit guten Gründen wird eingewandt, daß die modifizierende Auflage in Wahrheit keine Auflage, sondern eine andere als die beantragte Genehmigung bzw. Planfeststellung sei. 533 In bezug auf die Schutzauflagen des Planfeststellungsrechts, die mit der Frage, ob eine Anlage überhaupt zugelassen werden kann, durch ein untrennbares Geflecht von Interessen und Belangen verbunden sind, gilt dies in besonderem Maße. Deshalb wird im Schrifttum die Ansicht vertreten, daß es sich hierbei um einen "integrierten Bestandteil" des Planfeststellungsbeschlusses handele,534 der nicht getrennt anfechtbar sei, ohne die gesamte planerische Abwägung ebenfalls zu überprüfen. Diese Auffassung führt allerdings dazu, daß bei Fehlen einer Schutzauflage grundsätzlich der Planfeststellungsbeschluß an sich aufgehoben werden muß, auch wenn die Auflage ohne weiteres nachholbar wäre. Das BVerwG bleibt hingegen bei der dargestellten Unterscheidung. Stellt das Fehlen einer notwendigen Auflage nicht das Konzept und die Ausgewogenheit der gesamten Planung in Frage, sondern betrifft es etwa nur die Benachteiligung eines einzelnen, so handelt es sich um eine der selbständigen gerichtlichen Kontrolle zugänglichen Auflage i. S. d. § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG.535 Anderenfalls soll eine die Gesamtplanung modifizierende, nicht selbständig durchsetzbare Auflage vorliegen. 536 Diese Rechtsprechung ist allerdings ganz maßgeblich im Zusammenhang mit straßenrechtlichen Planfeststellungen entwickelt worden. Bei den in Betracht kommenden Schutzauflagen handelt es sich zumeist um die Errichtung von Lärmschutzwänden. Von daher erscheint die beschriebene Unterscheidung praktikabel und auch sachgerecht. Eine derartige Schutzmaßnahme ist in der Tat von untergeordneter Bedeutung für die planerische Abwägungsentscheidung, und zudem ist darin tatsächlich ein echte, dem Vorhabenträger zusätz530 Zu weitgehend Kügel, Der Planfeststellungsbeschluß, S. 172, der grundsätzlich jede Schutzauflage § 36 Abs. 2 Nr.4 VwVfG zuordnet; vgl. auch Meyer, in: Meyer / Borgs, VwVfG, § 74 Rn. 28; Busch, in: Knack, VwVfG, § 74 Rn. 4.4. 531 So BVerwG, DöV 1974, 380 (381). 532 Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 286 f. 533 Statt vieler Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 12 Rn. 16. 534 Engelhardt, BayVBI. 1981, 389 (391); Meins, BayVBI. 1979, 10 (13). 535 Die Rechtsprechung, nach der dem Betroffenen ein Wahlrecht zwischen einer Anfechtungsklage gegen den Beschluß und einer Verpflichtungsklage auf Planergänzung zustehen sollte, ist aufgegeben worden; vgl. BVerwG, BayVBI. 1980,440 (443). 536 BVerwGE 56,110 (132f.); vgl. Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § 13 Rn. 33.

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lich auferlegte Verpflichtung zu sehen, deren selbständige Anfechtbarkeit die eigentliche Planfeststellung rechtlich nur wenig berührt. Bei Abfallentsorgungsanlagen stellt sich die Problematik hingegen schon rein praktisch ganz anders dar. Schutzmaßnahmen i. S. d. § 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AbfG werden regelmäßig von ganz anderer Beschaffenheit sein; so ist z. B. bei Verbrennungsanlagen an Filteranlagen zur Reinigung der Abluft oder an die Beschränkung der Anfahrtzeiten für Müllfahrzeuge zu denken; bei Deponien kommen vorwiegend Maßnahmen zum Schutz gegen Grundwasserverunreinigungen in Betracht. 537 Dies sind jedoch qualitative Abweichungen von der beantragten Zulassung und damit maßgebliche Elemente der Zulassungsentscheidung. Selbständig anfechtbare Auflagen i. S. d. § 36 VwVfG dürften daher im Abfallrecht nur in seltenen Ausnahmefällen vorkommen. In aller Regel wird das Fehlen einer notwendigen Schutzauflage ein Anzeichen für das Vorliegen eines Abwägungsmangels sein. Eine Behebung dieses Abwägungsfehlers durch das Gericht kollidiert indessen mit dem Grundsatz der planerischen Gestaltungsfreiheit. 538

8. Materiell-rechtliche Anforderungen im Hinblick auf die Konzentrationswirkung nach § 75 Abs.l VwVfG Bis 1986 enthielt § 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 AbfG einen weiteren Versagungsgrund, wonach auch die Vereinbarkeit des Vorhabens mit sonstigen Normen des öffentlichen Rechts zu prüfen war. Die Autbebung dieser Vorschrift wurde damit begründet, daß sie ohnehin nur Selbstverständliches regelte. 539 Zudem konnte die Bestimmung so verstanden werden, als beträfe sie auch die Zulassung in Form der Genehmigung gemäß § 7 Abs. 2 AbfG, was indessen nicht bezweckt war. 540 Der rechtliche Prüfungsmaßstab bestimmt sich nunmehr danach, welche Rechtswirkungen die Entscheidung schließlich auslösen soll. Insoweit ist § 75 Abs. 1 S. 1,2. Hs. LVwVfG maßgeblich, der dem Planfeststellungsbeschluß die sog. Konzentrationswirkung 541 verleiht. Diese bewirkt, daß andere, nach materiellem Recht an sich erforderliche Zulassungsentscheidungen durch den Planfeststellungsbeschluß ersetzt werden. Dadurch soll erreicht werden, daß eine einheitliche Sachentscheidung, die alle in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkte berücksichtigt, von nur einer Behörde getroffen wird. 542 Dabei könnte das V w VfG des Landes 543 aus kompetentiellen Gründen grundsätzlich nur eine Ersetzung Vgl. OVG Saarl., UPR 1987,228. Ebenso Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 424. 539 BT-Drs. 10 / 1232, S. 72. 540 Vgl. Schmidt / Müller, JuS 1986, 284 (288). 541 Auch Einheits-, Ersetzungs-, Verdrängungs-, Substitutions-, Befreiungs- oder Absorptionswirkung genannt; vgl. Bender / Sparwasser, Umweltrecht, Rn. 94. 542 BT-Drs. 7/910, S. 89, zu § 71 des Entwurfs zum VwVfG. 543 Zur Anwendbarkeit des Landes-VwVfG siehe oben 2. Kap. A. 11. 537 538

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landesrechtlicher Genehmigungen anordnen; doch ermächtigt § 100 Nr.2 VwVfG die Länder dazu, auch bundesrechtliche Genehmigungen in die Konzentrationswirkung einzubeziehen, was durch die unveränderte Übernahme des § 75 VwVfG in die Verfahrensgesetze der Länder geschehen ist. 544

a) Formelle oder materielle Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses? Nach dem Wortlaut des § 75 Abs. 1 S. 1 VwVfG ist nicht eindeutig entschieden, ob es sich um eine bloße Verfahrenskonzentration oder um eine materielle Konzentration handelt. 545 Bei der formellen oder auch Verfahrenskonzentration sind zwar nicht die spezialgesetzlichen Verfahrensvorschriften, 546 aber doch deren materiell-rechtliche Prüfungsmaßstäbe anwendbar. Nach der Auffassung von der (eingeschränkt) materiellen Konzentration soll dagegen die umfassende planerische Gesamtentscheidung nach dem speziellen Fachplanungsrecht, hier also dem AbfG, auch die materiell-rechtlichen Vorgaben der sonst einschlägigen Gesetze überwinden können,547 wenn dies sachlich geboten erscheint. 548 Dahinter steht die Befürchtung, daß umweltrelevante Großvorhaben fast immer auf irgendwie geartete rechtliche Bedenken stoßen und sonst faktisch kaum noch verwirklicht werden könnten. 549 Eine materielle Konzentration würde allerdings bedeuten, daß es der Entscheidung der planenden Behörde überlassen bliebe, ob sie Normen des materiellen Rechts im Hinblick auf ein konkretes Vorhaben für bindend erachtet oder nicht. Mit rechtsstaatlichen Grundsätzen ist diese Sichtweise indessen schwerlich vereinbar, da es nur in der Kompetenz des Gesetzgebers liegen kann, rechtliche Bindungen aufzustellen bzw. von ihnen zu befreien, wie es z. B. durch § 38 BauGB geschehen ist. 550 Für die baurechtliche Genehmigung ist somit geklärt, daß die Baugenehmigung zwar durch die abfallrechtliche Planfeststellung ersetzt wird, aber bauplanungsrechtliche Vorgaben nicht strikt zu beachten, sondern nur als abwägungserhebliche Belange i. S. d. § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 AbfG zu berücksichtigen sind. 551 Da der Gesetzgeber eine entsprechende Bestimmung 544 Barteis, Abfallrecht, S. 95; Battis, Die Verwaltung 1988,23 (25); zur kompetenzrechtlichen Problematik des Einschlusses landesrechtlicher Genehmigungen durch bundesrechtliche Planfeststellungen Ossenbühl, in: Festschrift für Sendler, S. 107 (112 ff.). 545 Zu dieser Frage Ronellenfitsch, VerwArch 1989, 92 (94 f.). 546 Vgl. Bender / Sparwasser, Umweltrecht, Rn. 95. 547 So Holtmeier, in: Das neue Abfallwirtschaftsrecht, S. 131 (141). 548 Erbguth, Rechtssystematische Grundfragen, S. 168 f.; Kügel, Der Planfeststellungsbeschluß, S. 67 ff.; Meyer, in: Meyer / Borgs, VwVfG, § 74 Rn. 13 und § 75 Rn. 2; Rengeling, Planfeststellung für die Endlagerung, S. 42 ff. und 46; noch weitergehend für einen vollständigen Ausschluß der Anwendbarkeit von Einzelgesetzen: Manner, Die rechtsstaatlichen Grundlagen des Planfeststellungsverfahrens, S. 49. 549 So deutlich Lukes/Vollmer, in: dies., Grundprobleme zum atomrechtlichen Verwaltungsverfahren, S. 13 (42). 550 Wahl, NVwZ 1990,426 (430).

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2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

für andere relevante Rechtsmaterien nicht getroffen hat, bleibt die Bindung an das materielle Recht der eingeschlossenen Zulassungsentscheidungen ansonsten bestehen. 552 Mithin ist in der Rechtsprechung 553 und im überwiegenden Schrifttum 554 nunmehr anerkannt, daß die Konzentrationswirkung nur eine formelle, d. h. verfahrensrechtliche Bedeutung hat. b) Anwendbare Rechtsvorschriften

aa) Immissionsschutzrecht

Aus der Konzentrationswirkung ergibt sich nunmehr für alle diejenigen Abfallentsorgungsanlagen, die zugleich genehmigungsbedürftige Anlagen i. S. d. § 4 BImSchG sind, daß die Vorgaben des Immissionsschutzrechts beachtet werden müssen, und zwar auch dann, wenn sie weitergehen als die des Abfallrechts. 555 Dies betrifft insbesondere das Maß der schädlichen Umwelteinwirkungen und die Reststoffvermeidungs- bzw. Reststoffverwertungspflicht (vgl. § 5 BImSchG). Die Grenzwerte für Luftemissionen werden nun durch § 5 der 17. BImSchV, deren Anwendungsbereich gleichermaßen Abfälle i. S. d. § 1 AbfG und abfallähnliche Stoffe erfaßt, im Verhältnis zu den in der TA Luft vorgeschriebenen Werten wiederum stark reduziert. 556 Wegen der bloß formellen Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses sind diese Vorgaben bindend und dürfen nicht im Rahmen einer planerischen Abwägung, etwa im Interesse der Beseitigung eines Entsorgungsengpasses, unterschritten werden. bb) Wasserrecht

Umstritten ist das Verhältnis der abfallrechtlichen Planfeststellung zu den Genehmigungserfordernissen des Wasserrechts. § 14 Abs. 1 WHG bestimmt, daß die Planfeststellungsbehörde auch über die Erteilung der Erlaubnis (§ 7 WHG) oder der Bewilligung (§ 8 WHG) entscheidet. Diese Formulierung wird zum Teil so verstanden, daß zwar eine Zuständigkeitskonzentration bestehe, aber die zu551 Dies gilt auch für eine Veränderungssperre nach § 14 BauGB; VGH Bd.Wtt., NuR 1988, 264 (LS). 552 Gaentzsch, NJW 1986,2787 (2789); Ronellenfitsch, VerwArch 1989,92 (95). 553 BVerwGE 70, 242 (244); BVerwGE 71, 163 (164); jüngst BVerwG, DVBI. 1990, 589 = BVerwGE 85, 44; vgl. auch Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung, S. 53 ff. 554 Beckmann, DöV 1987,944 (946); Gaentzsch, NJW 1986, 2787 (2789); Hösel/ von Lersner, § 7 AbfG Rn. 110; Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 339. 555 VG Berlin, UPR 1982, 101 (103); Hösel / von Lersner, § 7 AbfG Rn. 94; Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 8 Rn. 65. 556 Gegenüberstellung in einer Pressemitteilung des Bundesumweltministers, Eildienst LKT NW 1990, 268 (269).

11. Inhaltliche Anforderungen nach Maßgabe des Abfallgesetzes

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ständige Planfeststellungsbehörde gesondert die wasserrechtliche Erlaubnis bzw. Bewilligung zu erteilen habe. 557 Dieses Verständnis sieht in § 14 WHG also eine Durchbrechung der ansonsten umfassenden Ersetzungswirkung. 558 Begründet wird die Auffassung mit der Spezialität der wasserrechtlichen gegenüber der allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelung des § 75 VwVfG.559 Vor der Streichung der §§ 20 ff. AbfG a. F. war dies jedoch anders; § 26 AbfG a. F. als lex posterior verdrängte die Regelung des § 14 WHG.560 Berücksichtigt man, daß § 26 AbfG nur im Zuge einer Rechtsbereinigung, nicht aber mit dem Zwecke einer inhaltlichen Rechtsänderung aufgehoben worden ist, so sprechen schon die Argumente einer historischen Gesetzesauslegung dafür, daß trotz der Wortlautänderung an der damaligen Gesetzeslage nichts geändert worden ist. 561 Außerdem ist der Wortlaut des § 14 WHG auch nicht zwingend im Sinne einer Durchbrechung des Konzentrationsprinzips zu verstehen. 562 Deshalb spricht viel dafür, daß die heute zunehmend vertretene Ansicht, 563 die Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses erstrecke sich auch auf wasserrechtliche Zulassungen, sich in Zukunft durchsetzen wird.

ce) Sonstige anwendbare Normen Neben diesen beiden wohl wichtigsten Rechtsgebieten sind auch alle anderen, von dem konkreten Vorhaben berührten Gesetzesmaterien zu beachten. Für Abfallentsorgungsanlagen im Außenbereich ist insbesondere an das Natur- und Landschaftsschutzrecht zu denken; soweit die Anlage durch neu zu bauende Straßen erschlossen werden muß, kommen auch straßenrechtliche Reglementierungen in Betracht.

557 Busch, in: Knack, VwVfG, § 75 Anm.3.1.1; Hösel/von Lersner, § 7 AbfG Rn. 111; Sieder / Zeitler / Dahme, WHG, § 14 Rn. 13. 558 Da aber jedenfalls eine Zuständigkeitskonzentration stattfindet, sind die praktischen Auswirkungen der Streitfrage eher gering; so Jarass, Auslegung und Umsetzung der EG-Richtlinie zur UVP, S. 29. 559 Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 7 Rn. 49; dagegen mit guten Gründen Ossenbühl, in: Festschrift für Sendler, S. 107 (111). 560 Erbguth, Rechtssystematische Grundfragen, S. 17l. 561 A. A. Jarass, Auslegung und Umsetzung der EG-Richtlinie zur UVP, S. 29. 562 So Barteis, Abfallrecht, S. 96. 563 Vgl. Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG, § 14 Rn. 2b; Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 332; Steinberg, Das Nachbarrecht, Kap. III Rn. 98 f.; Wahl, NVwZ 1990,426 (430).

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2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

III. Zusätzliche Anforderungen nach Maßgabe des Landesrechts: Zulässigkeit der Lizenzpflicht nach nordrhein-westfälischem Abfallrecht? In Nordrhein-Westfalen ist im Zuge der Novellierung des Landesabfallgesetzes vom 21.6.1988 564 über die dargestellten Anforderungen an Errichtung und Betrieb von Abfallentsorgungsanlagen hinaus eine Lizenzpflicht für die Entsorgung von solchen Abfällen eingeführt worden, die nach § 3 Abs. 3 AbfG von der öffentlichen Entsorgung ausgeschlossen sind. Nach § 10 Abs. 1 nw.LAbfG knüpft die Lizenzvergabe an die Person des Abfallentsorgers an; die sachlichen Prüfungsmaßstäbe für die Erteilung der Lizenz stellen hingegen auf die Art der beabsichtigten Entsorgung ab. So bestimmt § 10 Abs. 2 S. 1 nw.LAbfG, daß die Lizenz nur dann erteilt werden darf, wenn die mit ihr beabsichtigte Nutzung mit den abfallwirtschaftlichen Zielvorstellungen des Landes, insbesondere den Abfallentsorgungsplänen, im Einklang steht. Diese landesrechtliehe Besonderheit in Nordrhein-Westfalen begegnet gleich einer ganzen Reihe von Bedenken. Sie betreffen zunächst kompetenzrechtliche Fragen, bei denen es darum geht, ob das Land im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Art. 74 Nr.24 GG neben dem AbfG des Bundes überhaupt zu derartigen Regelungen befugt ist. Maßgeblich ist insoweit, ob die bundesrechtliche Normierung die Materie abschließend regelt. 565 Da mit der Lizenzerteilung die Pflicht zur Entrichtung eines Lizenzentgeltes verbunden ist (vgl. § 11 nw.LAbfG), ergeben sich zusätzlich finanzverfassungsrechtliche Probleme, denen hier jedoch nicht näher nachgegangen werden kann. 566 Darüber hinaus erscheint die Zulässigkeit einer Lizenzierung auch im Hinblick auf die verfassungsrechtlich gewährleistete Berufsfreiheit (Art. 12 GG) bzw. die bundesrechtlich garantierte Gewerbefreiheit (§ 1 GewO) bedenklich. 567 Diese Fragen sollen hier aber nicht vertieft werden. Mit Blick auf das abfallrechtliche Planfeststellungsverfahren und seine Rechtswirkungen rucken allerdings zwei Zweifelsfragen in den Vordergrund, nämlich erstens, wie das zusätzliche Lizenzerfordernis mit der Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses vereinbar sein kann, und zweitens, welche materiellen Prüfungskriterien bei der Lizenzvergabe zur Anwendung kommen, die sich nicht ohnehin aus dem Bundesrecht ergeben. GV NW 1988 S. 250. Bejahend Friauf, Altlastensanierung durch ,,Lizenzabgaben", S.44, 51 und 61; Hoppe, Eildienst LKT NW 1988, 183 (187); anders Peine, NWVBL 1988, 193 (196); Salzwedel, Sonderabfallentsorgung und Altlastensanierung, S. 40; vgl. auch Kloepfer / Follmann, DöV 1988,573 (574 ff.). 566 Ausführlich Friauf, Altlastensanierung durch ,,Lizenzabgaben", S. 83 ff.; Stallknecht, Lizenz und Lizenzentgelt, passim. 567 Zur Frage, ob und inwieweit Grundrechte eine Betätigung im Rahmen der Abfallentsorgung schützen, siehe unten 2. Kap. B. V. 2. d). 564 565

III. Zulässigkeit der Lizenzpflicht nach dem nw.LAbfG?

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Die Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses in dem hier dargestellten Sinne bedeutet, daß generell sämtliche für das Vorhaben nach materiellem Recht erforderlichen Genehmigungen in einem einzigen Verfahren konzentriert, also zusammengefaßt werden. Dieser Grundsatz wird mit der zusätzlich benötigten Lizenz des Landesamtes für Wasser und Abfall (§ 11 Abs.4 nw.LAbfG) durchbrochen, da der Betreiber vor dem Planfeststellungsverfahren in einem zusätzlichen Verfahren die Lizenz beantragen muß. Bedenkt man nun, daß die Konzentrationswirkung des abfallrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses sich aus § 75 nw.VwVfG ergibt,568 so spricht der erste Anschein dafür, daß das anwendbare Landesrecht auch die Ausnahmen von der grundsätzlichen Konzentrationswirkung bestimmen kann. 569 Andererseits sind den Ländern im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung eigene Regelungen nur erlaubt, "solange und soweit der Bund von seinem Gesetzgebungsrechte keinen Gebrauch macht" (Art. 72 Abs. 1 GG). Bezogen auf das Planfeststellungsverfahren bedeutet dies, daß das Landesrecht, auch wenn ihm gegenüber dem nicht in jeder Hinsicht umfassenden AbfG des Bundes durchaus noch ein eigener Gestaltungsbereich verbleibt, keine Bestimmungen treffen darf, die den bundesrechtlichen Vorgaben entgegenstehen. Maßgeblich ist insoweit § 7 Abs. 1 S. 1 AbfG, der für die Zulassung von Abfallentsorgungsanlagen explizit die Notwendigkeit einer Planfeststellung festlegt. Die Auslegung dieses bundesrechtlichen Begriffs der Planfeststellung, insbesondere ob die Konzentrationswirkung ein begriffsnotwendiges Charakteristikum des Planfeststellungsbeschlusses ist, entscheidet nunmehr darüber, ob das Landesrecht Ausnahmen von der Konzentrationswirkung vorsehen darf. Dieser Gesichtspunkt hat - soweit ersichtlich - in den Beratungen und Gutachten zu der Novelle des nw.LAbfG nur geringe Beachtung gefunden. 570 Der Begriff der Planfeststellung selbst erlaubt keinen Aufschluß für die Beantwortung dieser Frage. Er ist allerdings geprägt durch die Vielzahl der zum Teil schon sehr alten fachgesetzlichen Normierungen; hinzu kommen die §§ 72 ff. VwVfG (Bund), die auch im Gesetzgebungsverfahren des Abfallbeseitigungsgesetzes als Vorbild dienten und sogar durch die §§ 20 ff. AbfG a. F. zunächst nahezu wörtlich übernommen wurden. 571 Allen Normierungen der Planfeststellung ist jedoch die Konzentrationswirkung gemein; sie wird bisweilen sogar als deren "Herzstück" bezeichnet. 572 Damit ist gemeint, daß die Bündelung der Entscheidungskompetenz bei einer Behörde neben den sonstigen Rechtswirkungen und der Förmlichkeit des Verfahrensablaufs gerade das prägende und typische 568 Zur Anwendbarkeit des Landes-VwVfG siehe oben 2. Kap. A. 11. 569 Entgegen Kloepfer / Follmann, DöV 1988, 573 (578) nicht nur als lex posterior, sondern auch als lex specialis. 570 Ausführlich nur Kloepfer / Follmann, DöV 1988, 573 (577 ff.). 571 Siehe auch oben 2. Kap. A. III. 572 So Battis, Die Verwaltung 1988, 23 (33). g Kleinsehninger

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2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

Merkmal einer Planfeststellung ist. 573 Da die Aufhebung der §§ 20 ff. AbfG a. F., die zeitlich nach dem Erlaß des VwVfG erfolgte, nach dem expliziten Willen des Gesetzgebers ausschließlich der Rechtsvereinfachung diente,574 muß davon ausgegangen werden, daß der Bundesgesetzgeber an diesem Begriffsverständnis der Planfeststellung festhalten wollte. Die landesrechtliche Normierung eines Planfeststellungsverfahrens ohne Konzentrationswirkung ist daher mit § 7 Abs. I S. 1 AbfG nicht zu vereinbaren. Die Lizenzpflicht der nordrhein-westfälischen Sonderabfallentsorger könnte nach alledem ausschließlich dann zulässig sein, wenn es sich im Grunde gar nicht um eine vorhabenbezogene Zulassung der Errichtung oder des Betriebs einer Abfallentsorgungsanlage i. S. d. § 7 Abs. 1 AbfG, sondern um ein gewissermaßen vorgeschaltetes personenbezogenes Verfahren handelt, dessen Zweck darin liegt, den Kreis möglicher Antragsteller für ein abfallrechtliches Vorhaben zu bestimmen. 575 Diesen Argumentationsansatz legt der Wortlaut des § 10 Abs. 1 nw.LAbfG selbst nahe. Als sachliche Prüfungskriterien nennt § 10 Abs. 2 nw.LAbfG indessen die abfallwirtschaftlichen Zielvorstellungen des Landes, insbesondere die Abfallentsorgungspläne. Hierbei handelt es sich aber, wie die Untersuchung der materiellrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen gezeigt hat, um Gesichtspunkte, die im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens zu berücksichtigen sind. Die Unvereinbarkeit eines Entsorgungsvorhabens mit einem verbindlichen Abfallentsorgungsplan führt nach § 8 Abs. 3 S. 1 AbfG zwingend zur Versagung der Planfeststellung; 576 daneben sind abfallwirtschaftliche Belange, insbesondere wenn sie in einem nicht verbindlichen Abfallentsorgungsplan zum Ausdruck kommen, als Belange des Allgemeinwohls nach § 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AbfG i. V. m. § 2 Abs. 1 S.2 AbfG erheblich. 577 Die Lizenz ist zudem nach ihrem rechtlichen Prüfungsmaßstab nicht auf eine Person bezogen, sondern auf die Art und Weise der Nutzung, d. h. die Errichtung und den Betrieb von Sonderabfallentsorgungsanlagen. Dieser Eindruck wird bestärkt durch die Berechnungsgrundlage, nach der die Höhe des Lizenzentgeltes zu bestimmen ist. § 11 Abs. 2 nw. LAbfG orientiert sich insofern an der Gefahrlichkeit der entsorgten Abfälle sowie an der Art der Entsorgung. Die Lizenzerteilung für den Abfallentsorger knüpft somit nicht an andere materiellrechtliche Voraussetzungen an als die Planfeststellung der Entsorgungsanlage. 578 Bei einer personenbezogenen Lizenz könnte naheliegenderweise erwar573 Vgl. Beckmann, DVBI. 1987, 944 (946); Bonk, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 75 Rn. 10; Busch, in: Knack, VwVfG, § 75 Anm. 2; Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 335; Meyer, in: Meyer I Borgs, VwVfG, § 75 Rn. 2; Ronellenfitsch, VerwArch 1989, 92 (94).

574 Siehe oben 2. Kap. A. III. 575 So Peine, NWVBL 1988, 193 (197 f.). 576 Siehe oben 2. Kap. B. 11. 2. b) aa). 577 Siehe oben 2. Kap. B. 11. 3. b). 578 So auch Kloepfer I Follmann, DöV 1988,573 (578).

IV. Die abfallplanerische Gestaltungsfreiheit und ihre Grenzen

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tet werden, daß Fragen der Zuverlässigkeit oder der Sachkunde maßgeblich wären. Diese Kriterien werden von § 10 nw.LAbfG indessen nicht angesprochen. Sie werden allerdings ebenfalls bereits im abfallrechtlichen Planfeststellungsverfahren (§ 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 AbfG) hinreichend berücksichtigt. Für die Planfeststellung bedeutet dies, daß die Konzentrationswirkung nicht in der Weise angetastet wird, daß spezielle Genehmigungstatbestände aus dem Planfeststellungsverfahren ausgenommen würden. Vielmehr liegt unter Verstoß gegen die Konzentrationswirkung eine Doppelung der Prüfungsmaßstäbe vor, die ohne konkreten sachlichen Bezugspunkt vorrangig der Einnahmenbeschaffung für die Altlastensanierung (vgl. § 15 nw.LAbfG) dient,579 womit zugleich der Kreis zu den bereits erwähnten finanzverfassungsrechtlichen Bedenken gegen das nordrhein-westfalische Lizenzmodell geschlossen ist. Zu diesen verfassungsrechtlichen Zweifeln tritt schließlich auch die Vermutung, daß die Notwendigkeit eines weiteren, zeitlich dem Planfeststellungsverfahren vorgeschalteten Verfahrens dem Ziel einer Beschleunigung eher entgegensteht.

IV. Die abfallplanerische Gestaltungsfreiheit und ihre Grenzen Die materiellen Zulassungsvoraussetzungen, die die zuständige Behörde bei der Entscheidung über die Erteilung eines Planfeststellungsbeschlusses hinsichtlich eines Vorhabens der Abfallentsorgung zu beachten und miteinander abzustimmen hat, sind - wie sich gezeigt hat - äußerst vielschichtig. Es ist bereits mehrfach darauf hingewiesen worden, daß diese Entscheidung eine umfassende Abwägung aller für das Projekt relevanten Belange erfordert, und zwar sowohl hinsichtlich der Frage, ob das Vorhaben überhaupt trotz der gegebenenfalls entgegenstehenden Interessen zugelassen werden kann, als auch hinsichtlich der zur Herstellung der ,,zulassungsfähigkeit" der Anlage erforderlichen Schutzauflagen. Wie diese Abwägung strukturiert ist und welchen rechtlichen Vorgaben sie zu gehorchen hat, ist das Anwendungsfeld der Lehre von der planerischen Gestaltungsfreiheit. 1. Die abfallplanerische Gestaltungsfreiheit Daß die abfallrechtliche Planfeststellung der zuständigen Behörde einen Freiraum eröffnet, innerhalb dessen sich ihre Entscheidung bewegen kann, ist im Gesetz nicht ausdrücklich bestimmt. Allerdings nennt § 8 Abs. 3 S. 2 AbfG nur 579 Zu den Altlastenfinanzierungsmodellen der Bundesländer vgl. Hoppe, Eildienst LKT NW 1988, 183 (184 ff.).

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2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

Versagungsgründe, nicht aber, unter welchen Voraussetzungen die Planfeststellung zu erteilen ist. Daraus könnte geschlossen werden, daß hierdurch ein Ennessens spielraum eröffnet wird. 580 Doch ist für die Zulassung von Vorhaben der Abfallentsorgung grundsätzlich ein Planfeststellungsverfahren durchzuführen (§ 7 Abs. 1 S. I AbfG). Damit wird das Abfallrecht insoweit dem Planungsrecht, genauer: dem Fachplanungsrecht, zugeordnet. Nach allgemeinem Verständnis setzt aber Planung denknotwendig das Vorhandensein eines planerischen Gestaltungsfreiraums voraus. 581 Planung ohne Gestaltungsfreiheit wäre ein Widerspruch in sich. 582 Im Rahmen der Planung muß es möglich sein, die fachgesetzlichen Zielvorgaben aufgrund eines schöpferisch-gestaltenden Entscheidungsaktes nach eigenen Vorstellungen zu verwirklichen. 583 Kennzeichnend für eine Planungsentscheidung ist einerseits ein offenes Entscheidungsprogramm, das mehr als nur eine "richtige" Entscheidung zuläßt, und andererseits eine Entscheidungslage, die die Unausweichlichkeit eines Kompromisses schon von vornherein in sich trägt. 584 Inhalt der Gestaltungsfreiheit ist somit die Gewichtung und Bewertung widerstreitender Belange. 585 Dieses Merkmal steht bei der abfallrechtlichen Planfeststellung aufgrund der Ausrichtung an den bereits untereinander konkurrierenden Allgemeinwohlbelangen des § 2 Abs. 1 S. 2 AbfG besonders im Vordergrund. Mit der Anordnung des Planfeststellungsverfahrens ist daher grundsätzlich auch die Ennächtigung zur Wahrnehmung planerischer Gestaltungsfreiheit verbunden. 586 Dennoch unterscheidet sich die abfallrechtliche Fachplanung erheblich von anderen raumbezogenen Planungen. Während es nämlich regelmäßig ein Träger öffentlicher Gewalt ist, der die Planung vornimmt, beispielsweise bei der gemeindlichen Bauleitplanung oder der Planung von Fernstraßen, so trifft dies im Rahmen der Abfallentsorgung nur auf die Abfallentsorgungspläne nach § 6 AbfG zu. 587 Der nach § 7 AbfG planfeststellungsbedürftige Bau von Abfallentsorgungsanlagen kann hingegen ebenso von den nach § 3 Abs. 2 S. 1 AbfG entsorgungspflichtigen Körperschaften wie von privaten Trägern (gern. § 3 Abs. 2 S. 2 oder Abs. 4 AbfG) betrieben werden. Dies bedeutet, daß der Planfeststellungsbehörde zu Beginn des Planfeststellungsverfahrens ein von dem Antragsteller bereits (vollständig 588 ) ausgearbeiteter Plan vorgelegt wird, den diese lediglich auf seine Zum planerischen ,,Ermessen" unten 2. Kap. B. IV. 4. BVerwGE 34,301 (304) zur Aufstellung von Bauleitplänen durch die Gemeinden; vgl. auch Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 230. 582 So zur abfallrechtlichen Planfeststellung BVerwG, NJW 1980,953 (954). 583 Bender / Sparwasser, Umweltrecht, Rn. 116; Hoppe / Beckmann, Umweltrecht, § 7 Rn. 2. 584 Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 4; Wahl, NVwZ 1990,426 (427). 585 Vgl. BVerwGE 56, 110 (122 f.). 586 Barteis, Abfallrecht, S. 94. 587 Auf die Rechtskontrolle von Abfallentsorgungsplänen sind daher die zum Bauplanungsrecht entwickelten Grundsätze ohne weiteres übertragbar; BVerwG, UPR 1989, 184 (187) = BVerwGE 81, 128. 580 581

IV. Die abfallplanerische Gestaltungsfreiheit und ihre Grenzen

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Zulassungsfähigkeit hin überprüft. An die Stelle einer eigenen planerisch-gestaltenden Entscheidung tritt damit die abwägende Nachvollziehung der vom Vorhabenträger vorgelegten Planung. 589 Deshalb wird die unveränderte Übertragung der rechtlichen Grundsätze des Fach- und Bauplanungsrechts auf das konkret projektbezogene abfallrechtliche Planfeststellungsrecht zum Teil abgelehnt. 590 Trotz der insofern abweichenden Entscheidungssituation spricht indessen aus der Einordnung des abfallrechtlichen Zulassungsverfahrens als "Plan"feststellung die Intention des Gesetzgebers, den Grad der Rechtsbindung und damit zugleich die richterliche Kontrolle an dem Vorbild des Fachplanungsrechts zu orientieren. Für die rechtliche Kontrolldichte in bezug auf die planerische Gestaltungsfreiheit ist es deshalb unerheblich, wer den Plan erstellt hat. 591

2. Die rechtlichen Grenzen dieser planerischen Gestaltungsfreiheit Die Einräumung planerischer Gestaltungsfreiheit kann nun aber nicht bedeuten, daß der Inhalt des Planfeststellungsbeschlusses keinen rechtlichen Bindungen und keiner richterlichen Kontrolle unterläge. Dem stehen sowohl das Rechtsstaatsprinzip als auch dessen spezielle Ausprägung in Art. 19 Abs. 4 GG 592 entgegen, wodurch auch ein Recht auf sachlich umfassenden Rechtsschutz gegen staatliche Maßnahmen 593 garantiert ist.

a) Rechtsstaatsprinzip und Verhältnismäßigkeitsprinzip

Aus dem Rechtsstaatsprinzip wird in ständiger verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung der Grundsatz abgeleitet, daß jedes staatliche Handeln mit Auswirkungen auf Grundrechtsgewährleistungen dem Verhältnismäßigkeitsgebot genügen muß. Dies bedeutet, daß rechtliche Beeinträchtigungen der Bürger zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet sein müssen, daß die gewählte Maßnahme den Bürger nicht stärker treffen darf als notwendig und schließlich daß die Maßnahme unter Abwägung mit dem verfolgten Ziel nicht als unverhältnismäßig i. e. S. erscheinen darf. Diese Grundsätze gelten vor dem Hintergrund des Art. 14 Abs. 3 GG in besonderem Maße für Planfeststellungen mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung, d. h. solchen, auf deren Grundlage eine Grundstücksenteignung nach 588 Die Unvollständigkeit der Antragsunterlagen wird in der Praxis allerdings häufig gerügt; siehe unten 4. Kap. A. 589 BVerwGE 72, 365 (367). 590 Beckmann, DöV 1987,944 (949). 591 Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 13 und 180; in diesem Sinne auch Erbguth, Rechtssystematische Grundfragen, S. 352. 592 Schrnidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG, Art. 19 IV Rn. 15 ff. 593 BVerfGE 64,261 (279); BVerfGE 78, 88 (99).

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2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

den jeweiligen landes gesetzlichen Bestimmungen erfolgen kann. Aber auch die Beurteilung, welche Beeinträchtigungen dem als Nachbar betroffenen Grundeigentümer als Inhaltsbeschränkungen im Rahmen der Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 S. 2 und Abs. 200) zumutbar sind, hat das Verhältnismäßigkeitsgebot zu beachten. Entsprechendes gilt für die Berücksichtigung sonstiger Rechte anderer i. S. d. § 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AbfG. Als Vorgaben der Bundesverfassung beanspruchen diese Anforderungen auch bei landesrechtlich normierten Planungen unmittelbare Geltung. 594 Die Maßstäbe des Verhältnismäßigkeitsprinzips lassen sich nun aber nicht ohne weiteres auf die besonderen Verhältnisse des Fachplanungsrechts übertragen. Denn das Planungsverständnis, das von der Existenz eines planerischen Gestaltungsfreiraums ausgeht, ist mit einer vollständigen inhaltlichen Kontrolle des Ergebnisses durch ein Gericht nicht vereinbar, weil dieses dann seine schöpferischen Vorstellungen an die Stelle der Erwägungen der zu der Planung ermächtigten Behörde setzen müßte. 595 Deshalb muß sich die richterliche Kontrolle bei den Beurteilungen, die der planerischen Gestaltungsfreiheit unterliegen, auf die Richtigkeit des Abwägungsvorgangs beschränken, die dann ihrerseits die Gewähr für die materielle Vertretbarkeit des Abwägungsergebnisses bietet. 596 Nach der Rechtsprechung des BVerwG ergeben sich rechts staatliche Bindungen für die Planfeststellungsbehörde aus dem Erfordernis einer Planrechtfertigung, der Bindung an sog. Planungsleitsätze und dem Abwägungsgebot. 597

b) Planrechtfertigung

Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt, daß Eingriffe in rechtlich geschützte und damit abwägungserhebliche Interessen, die der Verwirklichung eines Vorhabens entgegenstehen, auf einer Eingriffsermächtigung beruhen müssen. Diese ist grundsätzlich in der fachplanungsrechtlichen Ermächtigung der Behörde zur Vornahme einer planerisch-abwägenden Planfeststellungsentscheidung zu sehen. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip gebietet darüber hinaus, daß ein derartiger Eingriff zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet und erforderlich sein muß. Bezogen auf das Planfeststellungsverfahren hat das BVerwG dieses aus den rechts staatlichen Anforderungen folgende, "ungeschriebene Tatbestandsmerkmal"598 in der Weise formuliert, daß Eingriffe in abwägungserhebliche Belange 594 BVerwG, NuR 1990, 109 (110). 595 Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 230. 596 Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 6 Rn. 24; sinngemäß auch BVerwGE 75, 214 (230 ff.). 597 Zum Femstraßenrecht BVerwGE 48,56 (63 f.); zum Wasserrecht BVerwGE 55, 220; zur Übertragbarkeit der Grundsätze auf alle Fachplanungen BVerwGE 56, 110 (116 ff.); BVerwG, UPR 1986, 146. 598 So ausdrücklich BVerwG, DVBI. 1990,424 (426).

IV. Die abfallplanerische Gestaltungsfreiheit und ihre Grenzen

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von einer hinreichenden "Planrechtfertigung" gedeckt werden müssen. 599 Unter diesem Gesichtspunkt soll allerdings noch keine umfassende Prüfung erfolgen; es reicht aus, wenn die Planung vernünftigerweise geboten ist und den Zielsetzungen der spezialgesetzlichen Planungsermächtigung entspricht. 600 Verkürzt läßt sich Planrechtfertigung definieren als fachgesetzliche Zielkonformität. 601 Nicht notwendig ist dabei die "Unausweichlichkeit" der geplanten Maßnahme. 602 In neuerer Zeit ist die Berechtigung des Prüfungskriteriums "Planrechtfertigung" wiederholt angezweifelt worden mit der Begründung, daß alle Gesichtspunkte, die für die Planrechtfertigung von Belang seien, auch spätestens bei der Beachtung des Abwägungsgebotes berücksichtigt werden müßten. Die Prüfung der Planrechtfertigung sei deshalb entbehrlich. 603 Das BVerwG hat sich dieser Auffassung (noch 604) nicht angeschlossen. Jedenfalls würden die inhaltlichen Gesichtspunkte auch dann nicht unberücksichtigt bleiben, so daß es angebracht erscheint, für diese Darstellung die ständige Rechtsprechung zugrundezulegen, die für sich den Vorzug in Anspruch nehmen kann, zu einer besseren Strukturierung der einzelnen Prüfungsgesichtspunkte beizutragen. Die Frage der Planrechtfertigung basiert auf objektiven Maßstäben im Vorfeld der eigentlichen planerischen Gestaltung, die der gerichtlichen Kontrolle unterworfen werden können, ohne daß die planerische Freiheit beeinträchtigt würde. Daher hat das BVerwG zu Recht betont, daß es sich hierbei um grundsätzlich vollständig justitiable Rechtsfragen handelt. 605 Die Planrechtfertigung ist zum Beispiel bei luftverkehrsrechtlichen Planungen bejaht worden, wenn das Vorhaben die Behebung von Sicherheitsmängeln und die Verbesserung der Funktionalität bezweckt; 606 auch der Neubau bzw. die Erweiterung des Straßennetzes läßt sich mit einem objektiv vorhandenen Verkehrsbedürfnis begründen. Diese beiden Beispiele machen deutlich, daß für die Beurteilung der Planrechtfertigung, wie wohl bei jeder - aus der Natur der Sache heraus - zukunftsgerichteten Planung, Prognosen benötigt werden, etwa hinsichtlich des zu erwartenden Bedarfs an Flugplätzen, der Verkehrsdichte oder des zu bewältigenden Müllaufkommens 607. Prognosen können allerdings - auch BVerwGE 48, 56 (60); BVerwGE 56, 110 (118); BVerwGE 61, 297 (302). BVerwGE 45, 309 (312); BVerwGE 71, 166 (170); BVerwGE 72, 282 (284); BVerwG, DVBI. 1990,419 (421); BVerwG, DVBI. 1990,589 (591) = BVerwGE 85, 44. 601 VGH Bd.Wtt., NVwZ 1990,487 (489). 602 BVerwGE 56, 110 (119); BVerwG, DVBI. 1990,424 (426). 603 Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 166; Paetow, in: Festschrift für Sendler, S. 425 (430); i. E. übereinstimmend Weidemann, DVBI. 1990, 592. 604 Ausdrücklich offengelassen in BVerwG, DVBI. 1990,589 (591) = BVerwGE 85, 44. 605 BVerwG, DVBI. 1990,424 (426); vgl. auch Hoppe / Beckmann, Umweltrecht, § 8 Rn. 45; Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 160. 606 VGH Bd.Wtt., DVBI. 1990, 108. 607 UBA, 3. Zwischenbericht, S. 14. 599

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dies aus der Natur der Sache heraus - prinzipiell nicht auf ihre objektive Richtigkeit überprüft werden. 608 Deshalb ist das Gericht trotz der grundsätzlich umfassenden Kontrolldichte darauf beschränkt, die Prognose nur insoweit zu überprüfen, ob sie "mit den seinerzeit zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln unter Berücksichtigung aller für sie erheblichen Umstände einwandfrei gestellt worden ist".609 Der Behörde steht innerhalb dieser Grenzen ein Prognosespielraum zu. 6\O Da die Planrechtfertigung aber abgesehen von diesen Faktoren dennoch eine Rechtsfrage bleibt, ist es unschädlich, wenn die Behörde sie mit einer unzutreffenden Begründung für gegeben ansieht, die Planung indessen nach Erkenntnissen des Gerichts trotzdem gerechtfertigt ist. 611 Zeigt sich allerdings mit fortschreitendem Zeitablauf, daß eine methodisch richtige Prognose sich nicht bewahrheitet, so kann es geboten sein, die Planung erneut zu überdenken, solange das Vorhaben noch nicht verwirklicht ist. 612 Für die Planung von Abfallentsorgungsanlagen wird das Kriterium der Planrechtfertigung in aller Regel kaum Bedeutung erlangen; zumindest nicht, solange die vorhandenen Anlagen schon für die umweltgerechte Entsorgung des derzeit anfallenden Abfallaufkommens nicht ausreichen. 613 Anders sieht dies allerdings der HessVGH.614 Zu der Rechtfertigung einer Sondermülldeponie führt das Gericht aus, daß nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG den Betreiber von genehmigungsbedürftigen Anlagen die Pflicht träfe, Reststoffe vorrangig zu vermeiden oder zu verwerten, bevor als letzte Alternative die Ablagerung auf einer Sondermülldeponie in Betracht käme. Die Planung einer Sondermülldeponie sei deshalb nur dann gerechtfertigt, wenn die Betriebe ihrer Verpflichtung nach § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG vollständig nachkämen und dennoch Sondermüll entstehe. Dieses Urteil beruht auf der wohl durchaus berechtigten Befürchtung, daß das Vorhandensein einer ausreichenden Anzahl von Entsorgungsanlagen nicht eben zu einer Verbesserung der innerbetrieblichen Initiativen zur Müllvermeidung beiträgt. Die Planrechtfertigung in dem von dem BVerwG definierten Sinne ist einer Sondermülldeponie aber nur zu versagen, wenn das Vorhaben hinsichtlich keines der Ziele des jeweiligen Fachgesetzes gerechtfertigt ist. Der HessVGH hatte insofern offensichtlich ausschließlich die Postulate der Abfallvermeidung und Abfallverwertung im Auge (vgl. § 1 a AbfG und § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSehG), 608 Es sei denn, das Verfahren dauert so lange, daß der zeitliche Bezugspunkt der Prognose schließlich erreicht wird; für die juristische Betrachtung kann dies indes keine Rolle spielen. 609 BVerwGE 56, 110 (121); BVerwGE 72, 282 (286); VGH Bd.Wtt., NVwZ-RR 1990, 290 (291); ausführlich Tettinger, DVBI. 1982, 421 (427). 6\0 BVerwG, DVBI. 1990,424 (426); vgl. auch Erbguth, Rechtssystematische Grundfragen, S. 371. 611 BVerwG, DVBI. 1990, 424 (426). 612 Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 162. 613 Große Hündfeld, DVBI. 1989, 385 (387); siehe auch oben 1. Kap. A. 11. 614 HessVGH, NVwZ 1987,987 (993).

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denen bei einer Sondennüllentsorgungsanlage in der privaten Hand des Abfallerzeugers durchaus eine gesteigerte Bedeutung zukommen mag. Es darf aber vor allem in bezug auf öffentliche Anlagen nicht übersehen werden, daß das AbfG außerdem auch von dem Gedanken der Gefahrenabwehr geprägt ist. 615 Es geht darum, Abfall, wenn er denn erst einmal angefallen ist, umweltgerecht zu entsorgen. Dafür ist es unerheblich, ob der Abfall möglicherweise auch hätte sinnvoll vennieden werden können. 616 Nur vor diesem Hintergrund erklärt sich beispielsweise auch der subjektive Abfallbegriff, der lediglich auf den Entledigungswillen des Abfallbesitzers abstellt. Für die Planrechtfertigung reicht es aber aus, wenn das Vorhaben einem der fachgesetzlichen Ziele dienen SOll.617 Gemessen an diesem Ziel der Abwehr von Gefahren, die durch unsachgemäße Entsorgung von Abfällen drohen, ist die Planung von Sondennüllentsorgungsanlagen also doch gerechtfertigt. Den Prämissen und Schlußfolgerungen des o. g. Urteils kann daher hinsichtlich der Frage der Planrechtfertigung nicht zugestimmt werden. c) Beachtung der maßgeblichen Planungsleitsätze Als weitere Rechtmäßigkeitsvoraussetzung von Planungsmaßnahmen nennt das BVerwG in ständiger Rechtsprechung die Beachtung der maßgeblichen Planungsleitsätze. Das Verständnis des Begriffs ,'planungsleitsatz"618 hat sich allerdings im Laufe der Zeit grundlegend verändert, weshalb ältere Urteile leicht mißverstanden werden können. 619 Ursprünglich hatte die Rechtsprechung interne und externe Leitsätze unterschieden. 620 Interne Planungsleitsätze waren diejenigen Berücksichtigungsgebote, die das jeweils anwendbare Fachgesetz aufstellte, externe Planungsleitsätze hingegen solche, die ganz allgemein abwägungserhebliche Belange enthielten. 621 Diese Unterscheidung ist inzwischen aufgegeben worden, da sie für die rechtliche Kontrolle der Planungsentscheidung keine Bedeutung hatte. 615 Große Hündfeld, DVBI. 1989, 385 (388). 616 Zutreffend Große Hündfeld, DVBI. 1989,385 (388) mit dem überzeugenden Argument, daß die Feuerwehr schließlich ihre Löscharbeiten auch nicht einstelle, wenn sie erkennt, daß der Eigentümer des brennenden Gebäudes es an Brandschutzmaßnahmen hat fehlen lassen. 617 Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 162. In der Auswahl des verfolgten fachgesetzlichen Ziels besteht somit schon ein, wenn auch begrenzter, Gestaltungsfreiraum; vgl. Steinberg, Das Nachbarrecht, Kap. III Rn. 133. 618 Nicht zu verwechseln mit dem Begriff der ,,Planungsleitlinie", der bisweilen für die bloßen Berücksichtigungsgebote des § 1 Abs. 5 S. 2 BauGB verwendet wird, so z. B. von Erbguth, Bauplanungsrecht, Rn. 175 und 194. 619 Dies gilt insbesondere für das Urteil des BVerwG, NJW 1980,953 (954), in dem § 2 AbfG als Planungsleitsatz bezeichnet wird; vgl. auch Ibler, DVBI. 1989,639 (641). 620 Ausführlich Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 233. 621 BVerwGE 48,56 (61 ff.); BVerwGE 61, 295 (298); dazu noch Erbguth, Weiterentwicklung raumbezogener Umweltplanungen, S. 56 ff.

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Planungsleitsätze sind nach heutigem Sprachgebrauch all jene gesetzlichen Vorschriften, die dem Planer strikte Bindungen auferlegen und nicht im Wege einer Abwägung zugunsten entgegenstehender Belange überwunden werden können. 622 Die Beachtung der Planungsleitsätze verpflichtet die zuständige Behörde folglich nur dazu, normative Vorgaben zu beachten, was unter dem Regime des Rechtsstaatsgebots ohnehin selbstverständlich ist (Art. 20 Abs. 3 GG). Dennoch hat das Prüfungskriterium "Beachtung der Planungsleitsätze" einen Sinn, denn es erinnert den Planer an die Aufgabe, sich zu vergegenwärtigen, welche Vorschriften er strikt zu beachten hat und welche Vorschriften als bloße Berücksichtigungsgebote 623 überhaupt einer Abwägung zugänglich sind. Im abfallrechtlichen Planfeststellungsverfahren kommt es nunmehr darauf an, die Vorschriften, die materiell-rechtliche Anforderungen an die Zulassung von Abfallentsorgungsanlagen stellen, unter dem Aspekt auszulegen, ob sie zwingendes Recht sind oder nicht. Wie bereits dargelegt, ist dies besonders hinsichtlich der Gemeinwohlbelange des § 2 Abs. I S. 2 AbfG bislang umstritten,624 mit der hier vertretenen Ansicht aber zu verneinen. 625 Es handelt sich also lediglich um ein sog. Berücksichtigungs- oder Optimierungsgebot. Dasselbe gilt beispielsweise auch für § 50 BImSchG, wonach Wohngebiete "soweit wie möglich" vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu schützen sind. Anknüpfend an die Darstellung der materiell-rechtlichen Planfeststellungsvoraussetzungen kann festgehalten werden, daß als Planungsleitsätze beispielsweise die Beachtung der Festlegungen verbindlicher Abfallentsorgungspläne (§ 8 Abs. 3 S. 1 AbfG),626 die Zuverlässigkeit der verantwortlichen Personen (§ 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 AbfG) und auch die zwingenden Reglementierungen der eingeschlossenen bzw. ersetzten Genehmigungen zu gelten haben. 627 Für Verbrennungsanlagen treten namentlich die Abgasgrenzwerte der 17. BImSchV in den Vordergrund. Hinsichtlich der Rechte anderer (§ 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AbfG) heißt es hingegen oft, diese privaten Belange könnten gegen widersprechende Interessen abgewogen und überwunden werden. 628 Nach den bisherigen Darlegungen 629 kann dieser 622 BVerwGE 71, 163 (I64); BayVGH, BayVBI. 1988, 111 (114); kritisch Steinberg, Das Nachbarrecht, Kap. III Rn. 173 ff. 623 Zum Teil auch als Optimierungsgebote bezeichnet, so von Bender / Sparwasser, Umweltrecht, Rn. 128. 624 Übersicht bei Wahl, NVwZ 1990,426 (435). 625 Siehe oben 2. Kap. B. 11. 3. a). 626 Es sei denn, es wird von der nach Landesrecht eingeräumten Möglichkeit einer Abweichung im Einzelfall Gebrauch gemacht. 627 Unzutreffend Weidemann, DVBI. 1990,591 (592), der die Bedeutung der formellen Konzentrationswirkung verkennt. 628 Statt vieler Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 74; etwas anders Hoppe / Beckmann, Umweltrecht, § 8 Rn. 48, die § 8 Abs. 3 S. 2 vollständig als Planungsleitsatz bezeichnen. 629 Vgl. oben 2. Kap. B. 11. 5.

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pauschalen und deshalb mißverständlichen Äußerung nicht zugestimmt werden. Vielmehr ist in einer abgestuften Prüfung zunächst zu untersuchen, ob von dem Vorhaben überhaupt Beeinträchtigungen der Rechte anderer zu erwarten sind. 630 Wenn diese Frage bejaht wird, dann muß die Behörde die erforderlichen Schutzauflagen anordnen, um diese Einwirkungen zu verhüten oder auszugleichen; ihre Entscheidungsfreiheit ist insoweit auf das "Wie" der Schutzauflage reduziert, wenn grundsätzlich verschiedene Möglichkeiten zur Auswahl stehen. Nur im Fall des § 8 Abs. 4 AbfG können die Rechte anderer zurückgestellt werden, also dann, wenn die Anlage dem Allgemeinwohl dient und deshalb auch eine Enteignung gemäß Art. 14 Abs. 3 GG zulässig wäre. 631 d) Beachtung des Abwägungsgebotes

Als dritter und letzter Prüfungspunkt verbleibt schließlich die Beachtung des Abwägungsgebots, das ebenfalls unmittelbar aus dem bundesverfassungsrechtlich verorteten Verhältnismäßigkeitsprinzip abgeleitet ist. 632 Nachdem die ersten beiden Stufen der Rechtrnäßigkeitskontrolle, wie dargelegt, vollständig justitiabel sind, kann ein Freiraum für die planerische Gestaltung also nur auf dieser letzten Stufe bestehen. Hier findet nun endlich die Abwägung der widerstreitenden Belange statt. Diese Abwägung besteht darin, die abzuwägenden Belange überhaupt erst einmal zu erkennen, ihre Gewichtigkeit zu bewerten und die relevanten "öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen", wie es in § 1 Abs.6 BauGB für das Bauplanungsrecht treffend formuliert ist. 633 In Anlehnung an den zeitlichen Ablauf der Abwägung hat das BVerwG die Grenzen der planerischen Abwägung wie folgt beschrieben: "Das Gebot gerechter Abwägung ist verletzt, wenn eine (sachgerechte) Abwägung überhaupt nicht stattfindet. Es ist verletzt, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muß. Es ist ferner verletzt, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet." 634 630 631 632 633 634

Insoweit zutreffend Weidemann, DVBI. 1990,591 (592). Zu Art. 14 GG als Abwägungsbelang BVerwGE 61, 295 (301 f.). BVerwGE 61, 295 (301). Schlichter, in: HdUR I, Stichwort ,,Abwägung", Sp. 40. BVerwGE 34, 301 (309) und BVerwGE 45, 309 (314 f.).

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Das BVerwG beschreibt also die Grenzen der planerischen Abwägung in der Weise, daß es mögliche Fehlerkategorien aufzählt. Diese Fehlerkategorien werden inzwischen - sicherlich nicht ganz zufällig 635 - in Anlehnung an die Ermessensfehlerlehre 636 mit nahezu einheitlichem Sprachgebrauch als Abwägungsausfall, Abwägungsdefizit und Abwägungsdisproportionalität bezeichnet. 637

aa) Abwägungsausjall Das Gebot der gerechten Abwägung ist zunächst dann verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattgefunden hat, die Abwägung also ausgefallen ist. Dies kann dann passieren, wenn die zuständige Behörde sich fälschlich an bestimmte Vorgaben gebunden glaubte. 638 In Betracht kommen in dieser Hinsicht insbesondere Vorentscheidungen politischer Gremien, deren rechtlichen Einfluß der Planungsträger unrichtig einschätzt,639 oder auch Weisungen vorgesetzter Behörden. 640 Theoretisch könnte die Behörde auch bei der Auslegung der Rechtsvorschriften irren, wenn sie ein bloßes Berücksichtigungsgebot unzutreffend als strikt zu beachtenden Planungsleitsatz auslegt und deshalb die Planfeststellung versagt, ohne daß sie zu einer Abwägung gelangt. Ein solcher Fall hat zwar, soweit ersichtlich, die Gerichte bislang noch nicht beschäftigt. Wegen der unterschiedlichen Beurteilung des normativen Gehalts der Allgemeinwohlklausel in § 2 Abs. 1 S. 2 AbfG dürfte es aber möglicherweise bald dazu kommen.

bb) Abwägungsdejizit und Abwägungsüberschuß Ein Abwägungsdefizit besteht, wenn die relevanten Belange nicht vollständig in die Abwägung eingestellt worden sind. 641 Wegen des auch im Planfeststellungsverfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 24 VwVfG) ist die Behörde verpflichtet, aus eigenem Antrieb den Sachverhalt, d. h. alle "nach Lage der Dinge" für die Entscheidung erheblichen Tatsachen, zu ermitteln. 642 Welcher 635 Rubel, Planungsennessen, S. 128 f. und 155 ff., verneint jeglichen Unterschied von Ennessens- und Abwägungsfehlem; dazu ausführlich unten 2. Kap. B. IV. 4. 636 Vgl. Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 11 ff. 637 Grundlegend Hoppe, BauR 1970, 15 (17). 638 Ungenau Schlichter, in: HdUR I, Stichwort ,.Abwägung", Sp. 42, der eine tatsächliche Vorwegnahme als Abwägungsdefizit qualifiziert. 639 Keine Bindung durch Beschluß eines Kreistages, VGH Bd.Wtt., UPR 1988, 191; zur Unzulässigkeit politischer Absprachen BVerwGE 75,214 (230 f.); vgl. auch BVerwGE 72,365 (366 f.): keine Bindung an die geplante Trassenführung eines Energieversorgungsuntemehmens. 640 Trotz des hierarchischen Behördenaufbaus muß die vorgesetzte Behörde zur Wahrung des Abwägungsgebots ggfs. ihre der Weisung zugrundeliegende Abwägung begründen; dazu ausführlich Maier, BayVBI. 1990, 647 (649). 641 BVerwGE 45,309 (322). 642 BVerwG, NuR 1990, 114.

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Informationen sich die Behörde nach ,,Lage der Dinge" bedienen muß, kann im Einzelfall zweifelhaft sein. Maßgeblich dafür sind Inhalt und Reichweite der Entscheidung. 643 Im Hinblick auf die umfassende, mit Konzentrationswirkung ausgestattete Rechtswirkung des Planfeststellungsbeschlusses sind hier allerdings recht hohe Anforderungen zu stellen. Einen großen Raum müssen die nach § 2 Abs. 1 S. 2 AbfG zu berücksichtigenden Allgemeinwohlbelange einnehmen. Wie sich aus § 7 Abs. 1 S.2 AbfG ergibt, dürfen insbesondere die für die Prüfung der Umweltverträglichkeit erforderlichen Erkenntnisse nicht fehlen. 644 So hat die Behörde sich zumindest ein Bild von den örtlichen Verhältnissen zu verschaffen, beispielsweise durch Hinzuziehung von Karten und Lageplänen. 645 Für die umfassende Zusammenstellung der berührten öffentlichen und privaten Belange sind Stellungnahmen der zuständigen Fachbehörden sowie privater Dritter einzuholen. Darüber hinaus ist die Behörde nicht gehindert, zu ihrer eigenen Information die Beurteilung des betreffenden Vorhabens durch örtliche Bürgerinitiativen, Umwelt- und Naturschutzverbände zu erfragen. Um einen vollständigen Überblick zu erhalten, hat die Behörde sich außerdem mit eventuellen Planungsalternativen hinsichtlich Standort und Entsorgungstechnik auseinanderzusetzen. 646 Als Abwägungsmaterial kommen auch Prognosen, z. B. über den zukünftigen Bedarf an Entsorgungskapazitäten in Betracht. Diese bieten die Grundlage für die Entscheidung über die konkrete Dimensionierung der Anlage. 647 Gerade bei technisch anspruchsvollen und komplexen Großvorhaben stellt sich für die Ermittlung des notwendigen Abwägungsmaterials das Problem, daß selbst bei sorgfaltiger Ermittlung ein etwas fernliegender Gesichtspunkt übersehen werden könnte. Um dies zu verhindern, ist für das Planfeststellungsrecht in § 73 VwVfG ein umfangreiches Anhörungsverfahren 648 vorgesehen. Berücksichtigt die Behörde die in diesem Verfahren gewonnenen Erkenntnisse und bezieht sie außerdem diejenigen Aspekte ein, die sich bei vernünftiger Betrachtung ohnehin aufdrängen, so findet eine vollständige Abwägung statt; 649 ein Abwägungsdefizit ist dann ausgeschlossen. Gewissermaßen als "wesensgleiches Minus" des Abwägungsdefizits ist die Fehlerkategorie des Abwägungsüberschusses anzusehen. Damit ist der Fall erfaßt, daß neben den zutreffend erkannten Abwägungsbelangen auch solche Interessen 643 Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 187; zur Ennittlungspflicht bei der Aufstellung von Bebauungsplänen vgl. OVG Rh.Pf., DVBI. 1991,452 (LS). 644 Vgl. Jarass, Auslegung und Umsetzung der EG-Richtlinie zur UVP, S. 28. 645 Wichtig sind auch die Eigentumsverhältnisse und Nutzungsfonnen beanspruchter Grundstücke; vgl. VGH Bd.Wtt., NVwZ 1990,994 f. 646 BVerwG, NJW 1980, 953 (954); zu Standortaltemativen bei der Flughafenplanung BVerwGE 75, 214 (235 ff.). 647 BVerwGE 69, 256 (271); BVerwGE 75, 214 (238); zur gerichtlichen Kontrolle von Prognosen siehe oben 2. Kap. B. IV. 2. b). 648 Dazu näher unten 2. Kap. C. III. 649 Vgl. BVerwG, NuR 1990, 114.

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2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

für erheblich erachtet werden, auf die es nach Lage der Dinge für die Entscheidung nicht ankommt. 650 Rechtliche Besonderheiten weist diese Kategorie indessen nicht auf; sie wird auch bei der abfallrechtlichen Planfeststellung wegen des umfassenden Prüfungsansatzes ohnehin kaum in Betracht kommen. Untersucht man nun die rechtliche Kontrolldichte hinsichtlich eines möglichen Abwägungsdefizits bzw. Abwägungsüberschusses, so drängt sich sogleich die Beurteilung auf, daß es sich bei der Zusammenstellung des abwägungserheblichen Entscheidungsmaterials um eine logische und zeitliche Vorbereitungshandlung für die spätere Bewertung und Abwägung handelt. Gegen diese Auffassung ließe sich einwenden, daß schon in der Auswahl der konkret relevanten Belange die Planungskonzeption des Planungsträgers zum Ausdruck kommen könne. 651 Dieser Kritik liegt allerdings eine etwas verkürzte Vorstellung von dem theoretischen Ablauf einer Entscheidungsfindung zugrunde. Denn eine "Auswahl" der für die spätere Abwägung bedeutsamen Belange kann logischerweise nur dann erfolgen, wenn überhaupt erst einmal eine Gesamtmenge von möglicherweise relevanten Belangen zusammengestellt worden ist. Dies setzt eine ordnungsgemäße Auslegung der beispielsweise nach § 2 Abs. I S. 2 AbfG zu erwägenden Allgemeinwohlbelange voraus, die als unbestimmte Rechtsbegriffe formuliert und deshalb justitiabel sind. 652 Die Vollständigkeit der in die Abwägung eingestellten Belange ist folglich eine der gerichtlichen Überprüfung zugängliche Rechtsfrage. 653 In Ergänzung des obigen Exkurses zum Thema ,,Abfallentsorgungspläne" 654 sei in diesem Zusammenhang noch darauf hingewiesen, daß diese bei der gerichtlichen Überprüfung prinzipiell ebenso am Maßstab des Abwägungsgebots gemessen werden wie die abfallrechtlichen Planfeststellungsbeschlüsse. Aufgrund seiner überörtlichen Konzeption vermag ein Abfallentsorgungsplan aber nicht mit derselben Akribie wie das konkret projektbezogene Zulassungsverfahren alle an einem bestimmten Standort berührten Belange zu berücksichtigen. 655 Zwar hat das BVerwG656 die Ansicht des OVG Bremen 657 zurückgewiesen, ein Abfallentsorgungsplan als nur vorbereitender Fachplan berühre die Rechte privater Dritter nicht, so daß deren Belange bei der Aufstellung eines Abfallentsorgungsplans auch keine Rolle spielen müßten. Doch trifft es zu, daß allein aufgrund eines Abfallentsorgungsplans keine Anlage realisiert werden darf. Deshalb ist eine wirkliche Vollständigkeit aller Abwägungsbelange erst im nachfolgenden Plan650 Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 6 Rn. 24. 651 So zu § 1 Abs. 5 BauGB: Erbguth, Bauplanungsrecht, Rn. 324; vgl. auch SchmidtAßmann, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG, Art. 19 IV Rn. 212. 652 Zu der entsprechenden Einordnung der Merkmale des § 1 Abs.5 BauGB: Schlez, BauGB, § 1 Rn. 52. 653 BVerwGE 45, 309 (323); BayVGH, DVBI. 1990, 167 (169). 654 Siehe auch oben 2. Kap. B. 11. 2. a). 655 Ibler, DVBI. 1989, 639 (641). 656 UPR 1989, 185 (186). 657 UPR 1988, 196.

IV. Die abfallplanerische Gestaltungsfreiheit und ihre Grenzen

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feststellungsverfahren zu fordern, in dem mit dem Anhörungsverfahren auch das geeignete Instrument zur Beschaffung der benötigten Informationen zur Verfügung steht. Bei der Abfallentsorgungsplanung wird daher ein Abwägungsdefizit nur selten feststellbar sein.

cc) Feh/gewichtung und Disproportionalität Des weiteren ist es bei einer Planungsentscheidung als Rechtsfehler anzusehen, wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. 658 Diesen Vorgang kann man wiederum in zwei Phasen aufgliedern; zunächst müssen die abwägungserheblichen Belange bewertet und sodann zueinander in Beziehung gesetzt werden. Man kann also zwischen der Fehlgewichtung bei der Bewertung einerseits und der Disproportionalität der Abwägung i. e. S. andererseits unterscheiden. Bei realistischer Betrachtung werden diese beiden Vorgänge aber nahezu untrennbar ineinander übergehen, weshalb die Begriffe Fehlgewichtung und Disproportionalität auch meist synonym verwendet werden. 659 Dennoch hat die Unterscheidung durchaus einen Sinn. Für die Bewertung der Gewichtigkeit eines Belangs kann oftmals die zutreffende Auslegung gesetzlicher Vorgaben eine Rolle spielen. Eine unzutreffende Gesetzesauslegung wiederum unterliegt als Rechtsanwendungsfehler der gerichtlichen Kontrolle. Gedacht ist an die sog. Berücksichtigungs- oder Optimierungsgebote, d. h. diejenigen rechtlichen Vorschriften, die zwar nach ihrer durch Gesetzesinterpretation zu erforschenden normativen Aussage nicht wie die Planungsleitsätze strikte Geltung beanspruchen, die der Gesetzgeber aber doch für so wichtig erachtet, daß er sie ausdrücklich erwähnt. Ein solches Berücksichtigungsgebot wie etwa die Allgemeinwohlklausel des § 2 AbfG ändert indessen nichts an der prinzipiellen, d. h. losgelöst vom konkreten Einzelfall zu sehenden Gleichwertigkeit der Belange; 660 es verpflichtet die Planfeststellungsbehörde allerdings, die Zurückstellung der durch das Berücksichtigungsgebot betonten Belange zu begründen. 661 Im Abfallrecht kommt den Berücksichtigungsgeboten indessen praktisch keine Bedeutung zu, da schon die Allgemeinwohlklausel so viele verschiedene Belange - und diese noch nicht einmal abschließend - aufzählt, daß kaum noch Gesichtspunkte in Betracht kommen, die nicht unter § 2 Abs. I S. 2 AbfG zu fassen wären. Übrig bleibt schließlich der eigentliche Abwägungsvorgang, bei dem die widerstreitenden Belange im Hinblick auf das geplante Vorhaben zueinander in BezieBVerwGE 34, 301 (309). V0l! Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 230. 660 Zum Natur- und Landschaftsschutz BVerwG, NVwZ 1989, 154 (155); Erbguth, Weiterentwicklung raumbezogener Umweltplanungen, S. 72. 661 Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 232. 658

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SO

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hung gesetzt und gegeneinander und untereinander abgewogen werden. Hier, aber auch nur bei dieser Abwägung i. e. S., ist Raum für eine planerische Gestaltungsfreiheit. 662 Insoweit beschränkt sich die Rechtsprechung auf eine bloße Evidenzkontrolle. 663 Eine Rechtsverletzung wird erst dann bejaht, wenn die objektive Gewichtigkeit der Belange eindeutig mit dem Planergebnis nicht vereinbar ist. Wann dies jedoch der Fall ist, läßt sich im Einzelfall oft nur schwer entscheiden, wie sich an dem Beispiel möglicher Standortalternativen deutlich zeigt. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip, das in dem Abwägungsgebot seinen besonderen planungsrechtlichen Niederschlag gefunden hat, gebietet, daß staatliche Eingriffe in rechtlich geschützte Interessen der Bürger nur dann stattfinden, wenn sich kein ebenso gut geeigneter, aber weniger belastender Ausweg bietet. 664 Darauf aufbauend ließe sich die Frage nach der Berücksichtigung und Bewertung von Standortalternativen so beantworten, daß die Standortauswahl dann fehl geht, wenn ein anderer Standort besser geeignet ist,665 und zwar in dem Sinne, daß das Vorhaben unter geringerer Belastung entgegenstehender Interessen zu realisieren wäre. 666 Das Gericht müßte aber, um einen solchen Vergleich mehrerer grundsätzlich geeigneter Standorte durchzuführen, selbst eine umfassende Abwägung der an dem jeweiligen Standort berührten Belange vornehmen. Im Grunde müßte es auf der Basis der Erkenntnisse einer hypothetischen Planfeststellung für eine an einem Alternativstandort zu errichtende Anlage die Geeignetheit der in Betracht kommenden Standorte miteinander vergleichen. Gerade aber diese Bewertung der Belange zueinander und schließlich deren ausgleichende Abwägung ist mit der Planungsbefugnis der Behörde und nicht den Gerichten überlassen. Deshalb kann es der Rechtsprechung nicht überlassen sein, den optimalen Standort für eine geplante Anlage zu ermitteln. 667 Vielmehr muß sich die Überprüfung von Standortalternativen ebenfalls auf eine Evidenzkontrolle beschränken. Die rechtlichen Grenzen der Standortwahl sind mithin erst dann überschritten, wenn der andere Standort so eindeutig besser geeignet ist, daß er sich geradezu anbietet oder aufdrängt.668 Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn die 662 Deshalb ist die Aussage, die planerische Gestaltungsfreiheit unterläge nicht der gerichtlichen Kontrolle, zumindest mißverständlich; vgl. z. B. Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 6 Rn. 26. 663 Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 230. 664 Vgl. Steinberg, Das Nachbarrecht, Kap. III Rn. 169 f.; Große Hündfeld, Die Beseitigung rechtlicher Hemmnisse, S. 56, sieht die Notwendigkeit einer Alternativenprüfung auf Planfeststellungen mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung beschränkt; er verkennt damit aber, daß das Verhältnismäßigkeitsprinzip auch außerhalb von Art. 14 Abs. 3 GG gilt, wenngleich es zutrifft, daß bei Planfeststellungen mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung an die Einbeziehung von Standortaltemativen höhere Anforderungen zu stellen sind; vgl. Hoppe / Beckmann, DöV 1990, 769 (770). 665 Vgl. BVerwG, NVwZ 1987, 578 (584); zustimmend Schwermer, in: Kunig/ Schwermer / Versteyl, AbfG, § 6 Rn. 25. 666 BVerwGE 71, 166 (172). 667 Hoppe / Beckmann, DöV 1990, 769 (770).

IV. Die abfallplanerische Gestaltungsfreiheit und ihre Grenzen

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Verwirklichung der Planungsalternative zu einer stärkeren Belastung der dortigen Anwohner führt. 669 Praktisch kommt der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses insoweit die wichtige Aufgabe zu, darzulegen, auf welche sachlichen Gründe sich die Entscheidung stützt. 670

dd) Gebot der Konfliktbewältigung Nicht selten findet sich im Schrifttum 671 eine weitere Fehlerkategorie, die auf das "Gebot der Konfliktbewältigung" zurückgeführt wird. Gemeint ist der Grundsatz, daß eine jede Planung so weit wie möglich die von der Planung vorgefundenen oder durch sie ausgelösten Konflikte bewältigen muß.672 Dieser Gedanke ist dem Bauplanungsrecht entlehnt, wo er das Verhältnis zwischen Bebauungsplan und Baugenehmigung betrifft. Ein Bebauungsplan muß regelmäßig die aus der unterschiedlichen Nutzung benachbarter Grundstücke resultierenden Interessenkonflikte weitestgehend lösen und soll dies nicht erst einem späteren Baugenehmigungsverfahren überlassen. 673 Fraglich ist nunmehr, ob dieser Gedanke auch für die Abfallentsorgungsplanung Gültigkeit haben kann. Diese Frage läßt sich für einen Abfallentsorgungsplan i. S. d. § 6 AbfG bejahen, da insoweit eine dem Bauplanungsrecht vergleichbare Situation besteht, indem ein Plan durch eine konkrete Projektzulassung gleichsam ausgefüllt wird. Im Planfeststellungsverfahren hingegen greifen diese Überlegungen nicht. Der das Verfahren abschließende Planfeststellungsbeschluß verkörpert selbst die Zulassung eines bestimmten Vorhabens. Wegen seiner Genehmigungs- und Konzentrationswirkung müssen im Planfeststellungsverfahren alle abwägungserheblichen, konfligierenden Belange berücksichtigt und abgewogen werden. Geschieht dies nicht, ist die Entscheidung schon wegen eines Abwägungsdefizits rechtswidrig. Als Ergebnis läßt sich festhalten, daß das Gebot der Konfliktbewältigung im Planfeststellungsrecht - anders als möglicherweise im Bauplanungsrecht 674 keine eigenständige Fehlerkategorie eröffnet, sondern vollständig in dem Gebot der gerechten Abwägung aufgeht. 675 Dennoch handelt es sich um einen Begriff, 668

BVerwG, NJW 1980,953 (954); BVerwGE 69, 256 (273); VGH Bd.Wtt., NVwZ

1990, 487 (489). 669

670 671 672 673

6ff.

BVerwGE 69, 256 (274). Vgl. auch BVerwG, DVBI. 1990, 589 (591) = BVerwGE 85, 44. Erbguth, Bauplanungsrecht, Rn. 186 und 205. BVerwGE 48,56 (68); BVerwGE 59, 87 (102 ff.); BVerwG, NuR 1988,37 (38). Erbguth, Bauplanungsrecht, Rn. 207; ausführlich Hoppe/Beckmann, NuR 1988,

674 BVerwG, UPR 1984, 165; dazu lbler, Die Schranken planerischer Gestaltungsfreiheit, S. 260 f.; Hoppe / Beckmann, NuR 1988, 6 (10). 9 Kleinschnittger

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2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

der - einprägsamer als der des Abwägungsdefizits - die Notwendigkeit der Vollständigkeit von Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsinhalt herausstellt.

ee) Zur Unterscheidung von Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis Die hier beschriebenen rechtlichen Anforderungen an eine gerechte Abwägung gelten, wie das BVerwG in seinem "Flachglas"-UrteiI 676 ausdrücklich betont hat, sowohl für den Abwägungsvorgang als auch für das Abwägungsergebnis. Dieser Satz kann leicht so verstanden werden, als seien die genannten Kontrollrnaßstäbe einmal an den Abwägungsvorgang und ein zweites Mal an das Abwägungsergebnis anzulegen. Ein solches Verständnis würde aber zu einer unnützen Verdoppelung des Kontrollaufwandes führen. 677 Zudem wird es dem der Abwägungsfehlerlehre zugrunde liegenden Denkmodell nicht gerecht. Denn die Entscheidungsfindung ist als ein zeitlich und sachlich fortschreitender Prozeß zu begreifen,678 in dem zuerst die relevanten Belange erkannt, dann bewertet und schließlich abgewogen werden. Dementsprechend sind die Fehlerquellen des Abwägungsausfalls und des Abwägungsdefizits dem Abwägungsvorgang als der dynamischen Komponente der Abwägung zuzuordnen; eine Abwägungsdisproportionalität hingegen drückt sich im statisch zu verstehenden Entscheidungsergebnis aus. 679 Aus diesem Grund ist im Schrifttum angeregt worden, zwischen einer Vorgangskontrolle der "Begründung" und einer Ergebniskontrolle der "Begründbarkeit" des Abwägungsergebnisses zu unterscheiden. 680 Koch vertritt die These, daß bei einem fehlerfreien Entscheidungsvorgang auch die Rechtmäßigkeit des Ergebnisses außer Frage stehe. 681 Dagegen ist jedoch einzuwenden, daß die letzte Phase der Entscheidungsfindung, d. h. die Bewertung und Abwägung der Belange unterund gegeneinander, unmittelbar in das Abwägungsergebnis mündet, so daß in diesem Stadium zwischen Vorgang und Ergebnis kaum noch zu trennen ist. So kann es sein, daß zwar eine abstrakte Fehlgewichtung der Belange nicht nachweisbar ist, aber dennoch im konkreten Ergebnis der Ausgleich zwischen den verschiedenen Belangen objektiv nicht vertretbar erscheint. Eine solche Disproportionalität wird zumeist erst im Abwägungsergebnis erkennbar. 682 Schließlich stellt sich bei der Unterscheidung von Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis die Frage, welche Rechtsfolge ein Fehler auf der einen oder 675 So auch HessVGH, NVwZ 1989,484 (486 f.); Hoppe/ Beekmann, NuR 1988,6 (7); Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 239. 676 BVerwGE 45,309 (312). 677 So die Kritik von Erbguth, Bauplanungsrecht, Rn. 189 ff. 678 Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 178. 679 Erbguth, Rechtssystematische Grundfragen, S. 354 f:; zur Unterscheidung der dynamischen und statischen Komponente vgl. auch Battis, Offentliches Baurecht, S. 106. 680 Koch, DVBI. 1989, 399 f. 681 Koch, DVBI. 1989, 399 (404). 682 Vgl. auch Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 178.

IV. Die abfallplanerische Gestaltungsfreiheit und ihre Grenzen

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der anderen Entscheidungsstufe für den Planfeststellungsbeschluß auslöst. Jedenfalls ist der Beschluß rechtswidrig, wenn das Abwägungsergebnis fehlerhaft ist, weil dann der gefundene Ausgleich der berührten Belange in einer Weise vorgenommen worden ist, der mit der Rechtsordnung nicht im Einklang steht. Fraglich ist allerdings, wie ein Fehler im Abwägungsvorgang zu beurteilen ist, der sich auf das Ergebnis nicht ausgewirkt hat. Im Bauplanungsrecht wird die Frage durch die §§ 214,215 BauGB in der Weise beantwortet, daß eine Handhabung in der gerichtlichen Praxis häufig ohne weiteres möglich ist,683 ohne auf diese Frage eingehen zu müssen. Ist hingegen die Siebenjahresfrist gemäß § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB für Rügen wegen Abwägungsfehlern gewahrt, so stellt sich die Streitfrage nach den Rechtsfolgen derartiger Mängel im Abwägungsvorgang ebenso wie auch im allgemeinen Fachplanungsrecht. Eine abschließende Klärung hat die Rechtsprechung bislang nicht gefunden. Einerseits hat der BayVGH aus der Unterscheidung von Abwägungsvorgang und -ergebnis geschlossen, daß nur solche Fehler zur Rechtswidrigkeit eines Planfeststellungsbeschlusses führen, die den Abwägungsvorgang und das Abwägungsergebnis beträfen. 684 Andererseits hat der VGH Bd.Wtt. einen beachtlichen Fehler bereits darin gesehen, daß ein Bebauungsplan auf einer methodisch unrichtigen Prognose basierte, die sich dann aufgrund unvorhergesehener Umstände sogar zufallig als zutreffend erwies. 685 Diese beiden Urteile repräsentieren die denkbaren Extremmodelle einer Lösung. Gegen die erstgenannte Entscheidung ist einzuwenden, daß bei der planerischen Abwägungsentscheidung eben nicht nur eine Ergebniskontrolle, sondern zum Ausgleich für die naturgemäß eingeschränkte Ergebniskontrolle auch eine Vorgangskontrolle stattfindet, so daß beide Aspekte eine eigenständige Bedeutung haben. Die zuletzt genannte Entscheidung stößt allerdings insofern auf Bedenken, als es nicht Sinn der gerichtlichen Kontrolle sein kann, Planungen rückgängig zu machen, die im Ergebnis überhaupt nicht zu beanstanden sind. Daher bietet sich eine vermittelnde Lösung an. Wenn schon eine vollständige Inhaltskontrolle der Entscheidung wegen ihrer besonderen Eigenschaft als Planungsentscheidung nicht möglich ist, so muß doch dem Abwägungsvorgang eine grundsätzlich große Bedeutung zukommen. Daher ist in aller Regel davon auszugehen, daß ein Mangel des Abwägungsvorgangs die Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses zur Folge hat. Nur ausnahmsweise darf dies nicht gelten, wenn der Fehler sich nach Lage der Dinge auf das Abwägungsergebnis nicht ausgewirkt haben kann. 686 Denn dann wäre eine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses im Interesse der Planbetroffenen nicht geboten. 683 berg, 684 685 686 9*

BVerwG, NVwZ-RR 1990,3; siehe auch Bielenberg, in: Ernst/ Zinkahn/ BielenBauGB, Vorb. §§ 214-216 Rn. 16. BayVGH, DVBI. 1990, 167 (169) unter Berufung auf BVerwGE 75,214 (251). VGH Bd.Wtt., NVwZ-RR 1990,290 (291). So BVerwGE 75, 214 (251).

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2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

3. Drittschützender Gehalt des Abwägungsgebotes Richtet sich ein Kläger gegen einen venneintlich rechtswidrigen Verwaltungsakt, z. B. einen Planfeststellungsbeschluß, so reicht es - wie § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO explizit betont - nicht aus, daß dieser bei objektiver Kontrolle rechtswidrig ist; vielmehr muß gerade der Kläger in seinen Rechten verletzt sein. Einen Abwägungsfehler kann ein Dritter also nur geltend machen, wenn das Abwägungsgebot auch dazu dient, die rechtlichen Belange Dritter zu schützen, d. h. wenn es einen drittschützenden Charakter hat. Wie sich gezeigt hat, dient die planerische Abwägung dem Zweck, die widerstreitenden öffentlichen, aber auch privaten Belange, soweit sie einer Abwägung zugänglich sind, zu einem möglichst schonenden Ausgleich zu bringen. Daher ist ein Drittschutz zumindest insoweit zu bejahen, als die betroffenen privaten Belange des Klägers nicht oder nicht mit dem ihnen objektiv zukommenden Gewicht berücksichtigt worden sind. 687 Die drittschützende Wirkung des Abwägungsgebots reicht somit weiter als der Schutz Dritter durch § 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AbfG, indem auch schon Beeinträchtigungen berücksichtigt werden können, die unterhalb der Schwelle zu einer Rechtsverletzung liegen. 688 Fraglich ist indessen, wie zu urteilen ist, wenn der Fehler die Bewertung öffentlicher Belange betrifft. 689 Für Planfeststellungsbeschlüsse mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung ist diese Frage im Hinblick auf die Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 GG so zu beantworten, daß eine Enteignung grundsätzlich nur aufgrund einer objektiv rechtmäßigen Entscheidung zulässig ist. 690 Dieser Gedanke gilt für diejenigen Grundstückseigentümer, die "schwer und unerträglich", d. h. mit enteignender Wirkung betroffen sind, entsprechend. 691 Denn in einem komplexen Abwägungsvorgang, in dem unterschiedlichste Belange gegeneinander und untereinander abgewogen werden, bedeutet die Überbewertung der Gewichtigkeit eines Belangs regelmäßig zugleich, daß deshalb andere Belange in Relation dazu unzureichend berücksichtigt werden. Trifft diese Vennutung allerdings in einem Einzelfall einmal nicht zu, weil feststeht, daß der unzutreffend bewertete Belang überhaupt nicht mit den privaten Belangen des Klägers konkurrierte, so kann sich dieser - obwohl er von einer Enteignung betroffen ist ausnahmsweise nicht auf eine Fehlgewichtung öffentlicher Belange berufen. 692 Fraglich ist, ob ein Dritter, dem keine Enteignung bzw. kein enteignender Eingriff droht, mit seiner Klage einen Abwägungsfehler hinsichtlich öffentlicher BVerwGE 48,56 (66); BVerwGE 67, 74 (75); Broß, DöV 1985,253 (254). Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 438. 689 Vgl. auch Hösel / von Lersner, § 7 AbfG Rn. 97. 690 BVerwGE 67, 74 (75). 691 Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 397. 692 VGH Bd.Wtt., DVBl. 1990, 108 (109) zu einem die Interessen des enteigneten Grundeigentümers nicht tangierenden Verstoß gegen Vorgaben des Naturschutzrechts. 687 688

IV. Die abfallplanerische Gestaltungsfreiheit und ihre Grenzen

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Belange rügen kann. Dafür spricht, daß auch in bezug auf andere Belange der Abwägung ein kaum trennbares Geflecht entgegengesetzter Interessen zugrundeliegt. Andererseits basiert das geltende verwaltungsgerichtliche Rechtsschutzsystem eben auf der grundsätzlichen Entscheidung, daß ein Kläger nur eigene Rechtspositionen geltend machen kann. Deshalb bleibt der Schutz der von einer planfeststellungsbedürftigen Anlage Betroffenen konsequenterweise insoweit beschränkt, daß sie sich nur gegen Abwägungsfehler wehren können, die gerade ihre Belange betreffen. 693 4. Begriffliche Abgrenzung von planerischer Gestaltungsfreiheit und Ermessen Bei den vorangegangenen Ausführungen zu Inhalt und Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit, insbesondere der Systematik der Fehlerkategorien, hat sich unwillkürlich der Vergleich mit der Ermessensfehlerlehre aufgedrängt. Während lange Zeit deshalb auch der Begriff des Planungsermessens gebräuchlich war, wird diese Bezeichnung heute üblicherweise zugunsten des Begriffs der planerischen Gestaltungsfreiheit vermieden. 694 Der Grund dafür liegt darin, daß zwischen beiden Entscheidungsformen wesentliche normtheoretische oder normstrukturelle Unterschiede gesehen werden. 695 Bei Normen des Planungsrechts besteht eine sog. finale Strukturierung, d. h. es steht ein gesetzliches Planungsziel im Vordergrund, das es zu verwirklichen gilt; einfache Genehmigungsentscheidungen hingegen sind konditional, also nach einem "Wenn-Dann-Schema" von Tatbestand und Rechtsfolge, programmiert. 696 Bei derart konditional strukturierten Normen fallt die Unterscheidung von Tatbestand und Rechtsfolge zumeist nicht schwer, obwohl beide Seiten durchaus offen formuliert sein können. 697 So finden sich auf der Tatbestandsseite häufig unbestimmte Rechtsbegriffe, wohingegen das Ermessen die Rechtsfolgenseite betrifft. Abgesehen von einigen, nicht verallgemeinerungsfähigen Spezialfällen 698 ist jede Rechtsfigur nach ihren eigenen Regeln zu behandeln. 699 Dies bedeutet, 693 Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 443; Schrnidt-Aßrnann, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG, Art. 19 IV Rz. 162. 694 Vgl. Hoppe / Schlarmann, Rechtsschutz bei der Planung, Rn. 138 ff.; anders z. B. Schlez, BauGB, § 1 Rn. 63. 695 Für eine strikte Unterscheidung BVerwGE 56, 110 (116). 696 Erbguth, Weiterentwicklung raumbezogener Umweltplanungen, S.53; ders., Rechtssystematische Grundfragen, S. 348. 697 Kritisch Tettinger, Rechtsanwendung und gerichtliche Kontrolle, S. 74 ff. 698 Gern. Senat, BVerwGE 39, 355 (364 ff.) zu § 131 AO a. F.; BVerwGE 39, 197 (203) zum GjS; vertiefend Teuinger, Rechtsanwendung und gerichtliche Kontrolle, S.90f. 699 BVerwGE 46, 175 (176); ausführlich Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 23 ff.

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2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

daß unbestimmte Rechtsbegriffe, sofern nicht ausnahmsweise ein Beurteilungsspielraum anzuerkennen ist, grundsätzlich vollständig gerichtlich überprütbar sind 7°O, Ermessenserwägungen hingegen nur im Rahmen des § 114 VwGO. Im neueren Schrifttum wird bisweilen bezweifelt, ob die Unterscheidung von planerischer Gestaltungsfreiheit und Ermessen noch aufrechtzuerhalten ist. 701 Vielmehr, so wird behauptet, haben sich die Strukturen von beiden Seiten angenähert. Dies betrifft insbesondere das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren, das, auch wenn eine gesetzliche Planungsermächtigung nicht vorliegt, doch für die Beurteilung der Genehmigungsvoraussetzungen auf eine Abwägung nicht verzichten kann. 702 Dieser Hinweis hilft aber nicht wirklich bei der Beantwortung der Frage, ob Ermessen und Planung nun etwas wesensmäßig Verschiedenes bezeichnen. Es fragt sich daher, ob der planerische Abwägungsvorgang mit der Entscheidungsfindung bei der Ermessensausübung gleichbedeutend ist. Dagegen spricht bereits deutlich, daß das Ermessen notwendig erst auf der Rechtsfolgenseite eröffnet ist. Die Entscheidung im Rahmen der planerischen Abwägung befaßt sich aber damit, ob im Hinblick auf die Zulassungsvoraussetzungen bzw. Versagungsgründe der Erteilung der Planfeststellung überwiegende Belange entgegenstehen. Es handelt sich also in erster Linie um eine Frage des gesetzlichen Tatbestandes. Wenn überhaupt, dann könnte die Planungsfreiheit allenfalls mit dem Beurteilungsspielraum bei unbestimmten Rechtsbegriffen erklärt werden. Parallelen bestehen insoweit zu den sog. normativen oder wertausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffen. 703 Dennoch wird man auch hier eine vollständige normstrukturelle Identität verneinen müssen, da die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe ein grundsätzlich abstrakter Vorgang ist, dessen Schwierigkeiten eher darin liegen dürften, das Vorliegen der Voraussetzungen im Einzelfall zu beurteilen. Bei der Planungsfreiheit stellt sich dies jedoch ganz anders dar; hier geht es darum, auf der Basis der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe widerstreitende Belange in einer Weise miteinander in Einklang zu bringen, für die der Gesetzgeber keine konkreten Vorgaben machen konnte, weil eine Lösung der Konflikte nur bezogen auf den Einzelfall möglich ist. Die Ausübung planerischer Gestaltungsfreiheit geht also wesentlich über die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe hinaus. Eine weitere Besonderheit liegt darin, daß bei der Planung die Bewertung der zu berücksichtigenden Belange unmittelbar in die Entscheidungsfindung über700 Dies folgt aus Art. 19 Abs.4 GG; vgl. Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 33 f.; Tettinger, Rechtsanwendung und gerichtliche Kontrolle, S. 99.

701 So vor allem Rubel, Planungsermessen, S. 60 f., der in beiden Fällen eine Ermächtigung zur Ergänzung eines offenen gesetzlichen Tatbestandes sieht; vgl. auch Ibler, Die Schranken planerischer Gestaltungsfreiheit, S. 38. 702 Beckrnann, DöV 1987,944 (947 f.); vgl. Erbguth, Rechtssystematische Grundfragen, S. 367. 703 Hierzu Tettinger, Rechtsanwendung und gerichtliche Kontrolle, S. 75.

V. Versagungsennessen bei der abfallrechtlichen Planfeststellung?

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geht, so daß eine scharfe Trennung von Tatbestand und Rechtsfolge bei Planungsentscheidungen nicht möglich erscheint. Ebenso verliert bei planungsrechtlichen Vorschriften die Unterscheidung von unbestimmtem Rechtsbegriff und Ermessen ihren eigentlichen Sinn. 704 Als Ergebnis ist festzuhalten, daß trotz gewisser Parallelen und Annäherungen doch ein, wenn auch nur gradueller 705 oder quantitativer Unterschied zwischen planerischer Gestaltung und Ermessensausübung besteht, der es rechtfertigt, an der üblichen begrifflichen Trennung festzuhalten. 706

V. Versagung der abfallrechtlichen Planfeststellung trotz Erfüllung der Zulassungsvoraussetzungen? 1. Einräumung von Rechtsfolgeermessen durch § 8 Abs. 3 AbfG zusätzlich zur planerischen Gestaltungsfreiheit? Weit verbreitet und wohl noch herrschend 707 ist die Auffassung, daß ein Anspruch des Vorhabenträgers auf Erteilung einer abfallrechtlichen Planfeststellung grundsätzlich nicht bestehen könne, weil die Entscheidung im Ermessen der Behörde stehe. 708 Damit ist nicht das Planungsermessen im Sinne der planerischen Gestaltungsfreiheit gemeint, sondern ein reines Rechtsfolgeermessen, das die zuständige Behörde auch dann, wenn kein Versagungsgrund nach § 8 Abs.3 AbfG oder anderen öffentlich-rechtlichen Normen vorliegt, zur Versagung der Planfeststellung berechtigen soll. 709 Aber auch die Ermessensausübung ist nach § 40 VwVfG und § 114 VwGO nicht völlig frei. Im Rahmen der Ermessensbetätigong sind nur solche Erwägungen zulässig, die sich an dem Zweck der Ermessenseinräumung orientieren. Hinsichtlich der abfallrechtlichen Planfeststellung werden insofern als mögliche Ermessensgesichtspunkte üblicherweise abfall wirtschaftliche Überlegungen genannt, so z. B. die Verhinderung einer unwirtschaftlichen Zersplitterung der Entsorgungswirtschaft oder eine zu starke Konkurrenzsituation mehrerer Entsorgungsanlagen auf einem an sich bereits gesättigten Markt. 710 Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 35. So Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 10. 706 Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 33. 707 Hösel / von Lersner, § 8 AbfG Rn. 19; Hoppe / Beckmann, Umweltrecht, § 28 Rn. 80; Kügel, Der Planfeststellungsbeschluß, S. 211. 708 Nunmehr ausdrücklich offengelassen von BVerwG, UPR 1989, 184 (187) = BVerwGE 81, 128 (135). 709 Jarass, Auslegung und Umsetzung der EG-Richtlinie zur UVP, S. 27; Höse1 / von Lersner, § 8 AbfG Rn. 19. 710 Vgl. auch VGH Bd.Wtt., NuR 1987, 179; Hösel/von Lersner, § 8 AbfG Rn. 19; zustimmend Jarass, Auslegung und Umsetzung der EG-Richtlinie zur UVP, S. 27. 704

705

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2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

Auf der Grundlage der bisherigen Erörterungen kann indessen schon an diesem Punkt der bislang herrschenden Meinung widersprochen werden. Der materiellrechtliche Prüfungsansatz des abfallrechtlichen Planfeststellungsverfahrens ist infolge der Anbindung an die Allgemeinwohlklausel umfassend. Ohne inhaltliche Einschränkungen sind alle möglicherweise von dem Vorhaben betroffenen Belange und Rechtsgüter in die Abwägung einzubeziehen, an deren Schluß die Beurteilung steht, ob das Projekt mit dem Wohl der Allgemeinheit vereinbar ist oder nicht. Daher kann es auf der Rechtsfolgenseite der Planungsentscheidung keine sachgerechten Erwägungen mehr geben, die nicht schon im Rahmen der planerischen Abwägung zu berücksichtigen gewesen wären. Dies trifft auch und gerade auf die im Schrifttum immer wieder angeführten abfallwirtschaftlichen Zielsetzungen ZU. 711 Es ist also nicht denkbar, daß die Erteilung der abfallrechtlichen Planfeststellung bei rechtmäßiger Ermessensausübung versagt wird, obwohl kein Versagungsgrund vorliegt. 712 Die Problemstellung unterscheidet sich somit grundlegend von der des Atomrechts. Dort nämlich erscheint die Einräumung eines Versagungsermessens deshalb als unentbehrlich, weil die zuständige Behörde nur so unvorhergesehene Gefahrdungen berücksichtigen kann. 713 Das AtG enthält im Gegensatz zum AbfG keine vergleichbare Allgemeinwohlklausel, die die Einbeziehung sämtlicher sachgerechter Aspekte ermöglichen würde.

2. Rechtlich geschützte Interessen des Vorhabenträgers Die bisherige Diskussion, die sich zumeist auf die Frage der Ermessenseinräumung bei der Planfeststellung konzentriert, ist vor dem Hintergrund eines möglicherweise bestehenden Anspruchs des Vorhabenträgers auf Erteilung der Zulassung zu sehen. Soweit die Zulässigkeit einer Ermessensentscheidung bejaht wird, ist damit zugleich ein Zulassungsanspruch grundsätzlich ausgeschlossen. Denkbar bliebe dann allenfalls ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung. 714 Mit der hier vertretenen Ansicht, daß die planerische Freiheit der zuständigen Behörde sich auf die Abwägung der konkurrierenden individuellen und Allgemeinwohlbelange konzentriert, verschiebt sich die Problematik. Die Frage ist nun nicht, ob der Antragsteller einen Anspruch auf Zulassung hat, sondern ob sein Interesse an der Vorhabenverwirklichung als rechtlich geschützter Belang in die Abwägung einzugehen hat, und gegebenenfalls mit welchem Gewicht. Daran schließt sich unmittelbar die Rechtsfolge an, daß er, wenn seine abwä711 Beckmannl Appold I Kuhlmann, DVBI. 1988, 1002 (1007); Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 228. 712 Im Ergebnis ebenso Tettinger, GewAreh 1988,41 (48). 713 BVerfGE 49, 89 (146 f.); Hoppe I Beckmann, Umweltrecht, § 29 Rn. 41. 714 So Barteis, Abfallrecht, S. 101; Franßen, in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, S. 399 (436); ähnlich Kloepfer, Umweltrecht, § 12 Rn. 127.

V. Versagungsennessen bei der abfallrechtlichen Planfeststellung?

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gungserheblichen privaten Belange unter Verstoß gegen das Gebot der gerechten Abwägung zurückgestellt worden sind, auch gegen die ablehnende Entscheidung mit Erfolg klagen könnte. 715 a) Grammatische Auslegung

Für die nunmehr entscheidende Fragestellung, ob in der abfallrechtlichen Planfeststellung ein Interesse des Vorhabenträgers berücksichtigt werden muß, ist zunächst der Wortlaut der einschlägigen Normen zu untersuchen. In Betracht kommt § 7 AbfG, der die Durchführung des Planfeststellungsverfahrens anordnet. In dieser Zuordnung der Zulassungsentscheidung zu den Planungsentscheidungen kann bereits ein Hinweis auf die damit eingeräumte planerische Gestaltungsfreiheit gesehen werden. Indessen ist allein dadurch nicht entschieden, welche Belange in die planerische Abwägung einzustellen sind. Die Wortlautauslegung des § 7 AbfG gibt demnach keinen Aufschluß für die Beantwortung der gestellten Frage. Als weitere für die Planfeststellung maßgebliche Norm ist § 8 Abs. 3 AbfG zu untersuchen. Danach ist die Planfeststellung zu versagen, wenn einer der in Satz 1 und 2 der Vorschrift genannten Versagungsgründe vorliegt. Aus dieser Formulierung, die nicht positiv die Zulassungsvoraussetzungen, sondern negativ die Versagungsgründe aufzählt und deshalb nicht ausdrücklich klarstellt, wann die Planfeststellung zu erteilen ist, wird häufig auf eine Ermessensentscheidung geschlossen. Wie oben bereits gezeigt, fehlt einer solchen Ermessenseinräumung indessen ein über die planerische Abwägung hinausgehender sachlicher Anknüpfungspunkt. Daher läßt auch die Formulierung des § 8 Abs. 3 AbfG keinen Aufschluß darüber zu, ob die Belange des Vorhabenträgers geschützt sind. b) Genetische Auslegung

Im Wege der genetischen Auslegung werden die Gesetzgebungmaterialien daraufhin untersucht, welchen Sinn die beteiligten Organe der gewählten Gesetzesformulierung beimaßen. Dabei fällt auf, daß auf die Stellungnahme des Bundesrates hin die ursprüngliche Formulierung 716 des Regierungsentwurfs 1971 "Der Planfeststellungsbeschluß oder die Genehmigung können versagt werden, wenn ..." umgeändert worden ist in "Der Planfeststellungsbeschluß oder die Genehmigung ist zu versagen, wenn ...". Der Bundesrat begründete diesen Änderungswunsch damit, daß er klargestellt wissen wollte, daß ein Rechtsanspruch auf Planfeststellung nicht bestehe. 717 Die Bundesregierung bekundete mit 715 716 717

Zum drittschützenden Gehalt des Abwägungsgebotes siehe oben 2. Kap. B. IV. 3. BT-Drs. VI/2401, S.4. BT-Drs. VI/2401, S. 20.

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2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

dieser Auffassung Übereinstimmung und schloß sich dem Vorschlag an. 718 Hiernach ist eindeutig, daß nach dem Willen sowohl des Bundesrates als auch der Bundesregierung ein Anspruch des Antragstellers auf Zulassung einer geplanten Anlage grundsätzlich und ausdrücklich ausgeschlossen sein sollte. 719 c) Systematische Auslegung Im Wege der systematischen Auslegung soll nun untersucht werden, welche Schlußfolgerungen für die Auslegung des § 8 Abs. 3 AbfG aus dem Verhältnis dieser Vorschrift zu anderen Normen des AbfG oder ggfs. anderer Gesetze zu ziehen sind.

aa) Begründung eines öffentlichen Entsorgungsmonopols durch § 3 Abs. 2 und 3 AbfG? Indem § 3 Abs. 2 S. I AbfG die Zuständigkeit für die Abfallentsorgung grundsätzlich in die Verantwortung der zuständigen Körperschaften des öffentlichen Rechts, i. d. R. der Kreise und kreisfreien Städte, stellt, könnte ein öffentliches Entsorgungsmonopol begründet sein, das private Abfallentsorger grundsätzlich von diesem Bereich ausschließt,720 es sein denn, die Körperschaft hätte von der Ausschlußmöglichkeit des § 3 Abs. 3 AbfG Gebrauch gemacht. Die Entsorgung der nach § 3 Abs. 3 AbfG ausgeschlossenen Abfalle wäre dann konstitutiv der privaten Entsorgungswirtschaft überantwortet. Dies würde bedeuten, daß ein Interesse eines privaten Vorhabenträgers prinzipiell nicht anerkannt werden könnte. 721 Fraglich ist indessen, ob ein solches Verständnis des § 3 Abs. 2 AbfG zutreffend ist. Dagegen spricht, daß die realen Entsorgungsstrukturen durchweg ein anderes Bild von der Wirklichkeit entwerfen. Es kann keineswegs davon die Rede sein, daß Entsorgung generell von der öffentlichen Hand betrieben würde. Vielmehr hat sich seit langem eine duale Entsorgungswirtschaft etabliert, bei der die öffentliche Hand sich vorrangig mit der Hausmüllentsorgung befaßt, während überwiegend private Abfallentsorger die Sondennüllentsorgung in eigener Regie betreiben. 722 Der Grund für diese Aufteilung liegt darin, daß bei der Sonderabfallentsorgung ein erhöhter Bedarf an Spezialisierung besteht und zu vermehrtem BT-Drs. VI/ 2401, S. 26. Ausführlich Hösel/ von Lersner, § 8 AbfG Rn. 1. 720 So Salzwedel, Sonderabfallentsorgung und Altlastensanierung, S. 18 und 40; Matthiesen, NWVBL 1987,74 (76). 721 Im Hinblick auf Art. 12 GG müßte die Errichtung und Aufrechterhaltung eines Monopols zumindest an den Maßstäben gemessen werden, die für objektive Zulassungsbeschränkungen gelten; vgl. Tettinger, AöR 108 (1983), 92 (121 f.). 722 Große Hündfeld, Die Beseitigung rechtlicher Hemmnisse, S.19; Matthiesen, NWVBL 1987, 74 f.; Peine, NWVBL 1988, 193. 718

719

V. Versagungsennessen bei der abfallrechtlichen Planfeststellung?

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technischen und finanziellen Aufwand führt,723 der viele der entsorgungspflichtigen Körperschaften in jeder Hinsicht überfordern dürfte. 724 Diese Entwicklung, die auch bei der Entstehung des AbfG im Jahre 1972 schon voraussehbar war, wollte der Gesetzgeber nicht verhindern. 725 Vielmehr gilt die Arbeitsteilung zwischen privater und öffentlicher Entsorgungswirtschaft auch heute als unverzichtbar. 726 § 3 Abs. 2 AbfG kann deshalb nicht im Sinne eines Verwaltungsmonopols für die öffentliche Entsorgung verstanden werden. 727 Die Vorschrift bedeutet lediglich, daß im Bereich der öffentlichen Entsorgung ein Recht des einzelnen Abfallbesitzers auf Eigenentsorgung nicht besteht. 728 bb) Entsorgungspjlicht und notwendig korrespondierendes Recht auf Entsorgung? Zur Entsorgung der nach § 3 Abs. 3 AbfG von der öffentlichen Entsorgung ausgeschlossenen Abfälle sind nach § 3 Abs. 4 AbfG die Abfallbesitzer verpflichtet. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob nicht aus der Pflicht zur Entsorgung notwendig ein Recht zum Betrieb einer Abfallentsorgungsanlage folgen muß, denn nur dann, so wird gesagt, sei dem entsorgungspflichtigen Abfallbesitzer ein normgerechtes Verhalten möglich. 729 Eine entsprechende Argumentation ist auch aus der Sicht der nach § 3 Abs. 2 AbfG entsorgungspflichtigen Körperschaften denkbar. 730 Gegen eine solche Sichtweise bestehen indessen einige Einwände. So weist schon der Gesetzestext daraufhin, daß sowohl öffentliche als auch private Entsorgungspflichtige nicht notwendigerweise die Entsorgung in eigener Hand betreiben müssen. Statt dessen können zur Erfüllung der Verpflichtung nach § 3 Abs.2 S. 2 AbfG Dritte eingesetzt werden. Dies kann auf freiwilliger Basis oder aufgrund einer Mitbenutzungsverfügung nach § 3 Abs. 5 AbfG geschehen. Daraus folgt, daß die Pflicht zur Abfallentsorgung zunächst nur eine Pflicht zur Organisation 731, d. h. gegebenenfalls zur Beauftragung eines Dritten, auslöst. Ist eine solche Einschaltung eines Abfallentsorgers nicht möglich, so bleibt dem privaten Entsorgungspflichtigen kein anderer Ausweg als die Produktion BVerwG, DVBI. 1990, 589 (590) = BVerwGE 85, 44. BT-Drs. VI/2401, S. 12; vgl. auch Kloepfer/Follmann, DöV 1988,573 (575). 725 BT-Drs. VI/2401, S. 12. Bei der 4. Novelle des AbfG im Jahre 1986 wurde gar ein gesetzlicher Vorrang Privater bei der Abfallverwertung erörtert; BT-Drs. 10 / 2885, 723

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S.15.

Hösel / von Lersner, § 3 AbfG Rn. 15. Friauf, Altlastensanierung durch ,,Lizenzabgaben", S. 159; im Ergebnis ähnlich BVerwGE 62,224 (230): nur "Quasi-Verwaltungsmonopol". 728 Kloepfer, Umweltrecht, § 12 Rn. 93. 729 Franßen, in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, S.399 (435); Peine, NWVBL 1988, 193 (195). 730 Große Hündfeld, DVBI. 1989, 385 (386). 731 Kloepfer / Follmann, DöV 1988, 573 (576). 726 727

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2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

der Abfallstoffe einzustellen. 732 Die Errichtung einer eigenen Entsorgungsanlage ist daher nicht logisch notwendig für ein nonngerechtes Verhalten des privaten Abfallbesitzers. Die entsorgungspflichtige Körperschaft hat hingegen keine Möglichkeit, den Anfall des entsorgungsbedürftigen Abfallaufkommens zu steuern. Sie bedarf daher einer planfestgestellten Anlage, um ihrer Entsorgungspflicht zu genügen. Hierbei handelt es sich allerdings um die im öffentlichen Interesse liegende Zielsetzung, das Vorhandensein der erforderlichen Entsorgungskapazitäten sicherzustellen. Ein subjektives Recht der entsorgungswilligen Gemeinde wird dadurch nicht begründet. 733

cc) Wortlautvergleich von § 7 a AbfG und § 9a WHG Aufschlußreich könnte auch ein Vergleich von Nonnen des AbfG mit solchen anderer Gesetze sein. Für die Frage, ob das Verwirklichungsinteresse des Vorhabenträgers für die Planfeststellung von Belang ist, kann ein Vergleich von § 7 a AbfG mit § 9 a WHG bedeutsam sein. Beide Nonnen regeln mit nahezu übereinstimmendem Wortlaut die Voraussetzungen der Zulassung des vorzeitigen Beginns. Während jedoch § 7 a Abs. 1 Nr. 2 AbfG ausschließlich ein öffentliches Interesse an dem vorzeitigen Beginn anerkennt, kann für die Zulassung vorzeitigen Beginns im wasserrechtlichen Erlaubnis- oder Bewilligungsverfahren auch ein berechtigtes Interesse des Unternehmers ausreichen. Aus dieser Abweichung des § 7 a AbfG von der offensichtlich als Vorlage benutzten Vorschrift des WHG wird wiederum die schon im Gesetzgebungsverfahren deutlich gewordene Konzeption des Gesetzgebers deutlich, daß der Vorhabenträger keine eigene auf Verwirklichung der Anlage gerichtete Rechtsposition haben solle.

dd) Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung nach § 12 AbfG Es ist der Versuch unternommen worden, ein rechtlich geschütztes Interesse des privaten Vorhabenträgers aus § 12 AbfG herzuleiten. 734 Nach dieser Vorschrift ist die Einsammlung und Beförderung von Abfällen, sofern sie nicht durch die entsorgungspflichtigen Körperschaften oder die von ihnen beauftragten Dritten erfolgt, an die vorherige Erteilung einer Genehmigung gebunden. Nach dem Wortlaut des § 12 Abs. 1 S. 3 AbfG ("ist zu erteilen, wenn") handelt es sich um eine gebundene Entscheidung, so daß auf die Erteilung der Genehmigung ein Anspruch bestehen kann.

732 Vgl. auch OLG Celle, NVwZ-RR 1990, 10 (11); Hösel/von Lersner, § 4 AbfG Rn. 14. 733 Unzutreffend daher Ronellenfitsch, DöV 1989, 737 (746). 734 Friauf, Altlastensanierung durch ,,Lizenzabgaben" , S. 10 und 54 ff.

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Aus dieser Fonnulierung darauf zu schließen, daß dann auch ein Anspruch auf den Betrieb einer Abfallentsorgungsanlage bestehen muß, wäre indessen verfehlt, da die Einsammlung und Beförderung von Abfällen nur eine vorbereitende Hilfsmaßnahme zu der eigentlichen Abfallentsorgung darstellt (vgl. § 1 Abs. 2 AbfG).735

ee) Anspruch auf Erteilung eingeschlossener Genehmigungen Einen weiteren Argumentationsansatz bieten die wegen der Konzentrationswirkung von der Planfeststellung eingeschlossenen Genehmigungen. So besteht etwa bei Anlagen, die nach § 4 BlmSchG einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedürfen, bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen ein Anspruch auf Erteilung der Genehmigung. Fraglich ist, ob dies für die Abwägungsentscheidung von Bedeutung sein kann. Wie bereits ausgeführt, bewirkt die Konzentrationswirkung des § 75 VwVfG ausschließlich eine fonnelle Verfahrenskonzentration. Eine Vennengung der nach den ersetzten Genehmigungen anzulegenden materiellrechtlichen Prüfungsmaßstäbe mit denen des Abfallrechts findet also nicht statt. 736 Daher ist die Entscheidung, ob die jeweiligen materiellrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen gegeben sind, auch unabhängig voneinander für die jeweilige Prüfungsmaterie zu treffen. Ein theoretischer Anspruch auf Erteilung der eingeschlossenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung hat somit keine Rückwirkung auf die Abwägung konkurrierender Belange im Rahmen des § 8 Abs. 3 i. V. m. § 2 Abs. 1 S. 2 AbfG. Jf) Vollzugsaujtrag

Eine vorrangige Berücksichtigung des Verwirklichungsinteresses des Vorhabenträgers wird in jüngeren Beiträgen - vor allem von Große Hündfeld 737 mit dem im AbfG verankerten Vollzugsauftrag begründet. Ziel des AbfG sei es, zum Aufbau einer leistungsfähigen Entsorgungswirtschaft beizutragen. Dazu sei nicht die Verhinderung von neuen Abfallentsorgungsanlagen, sondern gerade deren Förderung verlangt. Das Planfeststellungsverfahren habe deshalb immer die Erteilung der Planfeststellung anzustreben und diese nur in Ausnahmefällen zu versagen. 738 Diesem gedanklichen Ansatz ist insoweit zuzustimmen, als nach der Zwecksetzung des AbfG tatsächlich das Vorhandensein von Abfallentsorgungsanlagen zum Schutz der Umwelt vor unsachgemäßer Entsorgung neben Maßnahmen zur 735 Peine, NWVBL 1988, 193 (195). 736 Unzutreffend daher Große Hündfeld, Die Beseitigung rechtlicher Hemmnisse, S. 61; ebenso Beckmannl Appold/Kuhlmann, DVBI. 1988,1002 (1008). 737 Große Hündfeld, Die Beseitigung rechtlicher Hemmnisse, S. 22 f. 738 Große Hündfeld, DVBI. 1989, 385 (387).

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2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

Venneidung und Verwertung unentbehrlich ist. Einen Zulassungsanspruch vermag dieser grundsätzliche abfallgesetzliche Vollzugsauftrag aber dennoch nicht zu stützen, da es sich hierbei um eine im öffentlichen Interesse liegende Konzeption zum Schutze der Umwelt handelt. Der Vollzugsauftrag besteht hingegen nicht im Interesse des jeweiligen Entsorgungsträgers und auch nicht in bezug auf eine konkrete Anlage. Dennoch weist die Auffassung Große Hündfelds auf den wichtigen Gesichtspunkt hin, daß ein möglicherweise bestehendes rechtlich geschütztes Interesse des Entsorgungsunternehmers durchaus im Einklang stehen kann mit gleichgerichteten öffentlichen Interessen, so daß die für die Zulassung sprechenden Aspekte auf diese Weise verstärkt werden. 739 d) Teleologische Auslegung unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben

Für die Frage, ob und wie das Interesse des Antragstellers im Planfeststellungsverfahren zu berücksichtigen ist, hat die Auslegung des AbfG bisher nicht zu einem letztlich eindeutigen Ergebnis geführt. Maßgeblich ist nunmehr der objektivierte Sinn und Zweck der Regelung zu berücksichtigen. Im Rahmen dieser teleologischen Auslegung besteht indessen keine Bindung an die ursprüngliche - einen Rechtsanspruch des Antragstellers ablehnende - Auffassung des historischen Gesetzgebers. Vielmehr ist zu untersuchen, ob sich nicht aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben eine andere Sichtweise notwendig ergibt, die dann gegebenenfalls eine verfassungskonfonne Auslegung des § 8 Abs. 3 AbfG erfordern könnte. Fraglich ist also, ob das Interesse des Antragstellers an der Verwirklichung eines geplanten Entsorgungsvorhabens verfassungsrechtlich geschützt ist.

aa) Zur grundsätzlichen Unterscheidung privater und öffentlicher Träger Zunächst ist zwischen den möglichen Trägern von Abfallentsorgungsanlagen zu unterscheiden. Auszugehen ist nach § 3 Abs. 2 S. 1 AbfG von dem Nonnalfall, d. h. der Entsorgung durch die nach Landesrecht bestimmten zuständigen Körperschaften des öffentlichen Rechts. Die öffentlich-rechtliche Trägerschaft läßt nicht zwingend auch auf eine öffentlich-rechtliche Organisationsfonn schließen. Nach Maßgabe der jeweiligen landesrechtlichen Vorgaben des Kommunalrechts können die Kreise, kreisfreien Städte oder auch Zweckverbände 140 privatrechtliehe Organisationsfonnen wählen. 141 139

140 141

Vgl. auch Paetow, in: Festschrift für Sendler, S.425 (435). Vgl. § 6 nw.LAbfG. So ausdrücklich § 6 Abs. 5 Nr.2 bd.wtt.LAbfG.

V. Versagungsermessen bei der abfallrechtlichen Planfeststellung?

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Daneben können auch private Entsorgungsunternehmer zum Einsatz kommen. Dies betrifft zum einen den Fall des § 3 Abs. 4 AbfG, wenn also der Besitzer von nach § 3 Abs. 3 AbfG von der öffentlichen Entsorgung ausgeschlossenen Abfällen die Entsorgung in eigener Regie organisieren muß. Es handelt sich dann um einen sog. Eigenentsorger. Außerdem sieht § 3 Abs. 2 S. 2 AbfG vor, daß auch im Rahmen der öffentlichen, zumeist Hausmüllentsorgung private Entsorgungsunternehmer als beauftragte Dritte zum Einsatz kommen dürfen. Aus § 3 Abs.4 i. V. m. § 3 Abs.2 S. 2 AbfG folgt, daß diese sog. Fremdentsorger auch die Entsorgung ausgeschlossener Abfälle übernehmen können. Die Rechtsstellung dieser privaten Fremdentsorger, die dennoch in das System der öffentlichen Entsorgung eingebunden sind, läßt sich nur schwer einordnen. In Betracht kommt zunächst eine Form der Beleihung. Kennzeichnend hierfür wäre, daß mit der Übertragung der Entsorgungsaufgabe zugleich hoheitsrechtliche Befugnisse übertragen werden. 742 Dafür gibt das AbfG jedoch nur einen einzigen Hinweis, indem nämlich in § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AbfG die von der Körperschaft beauftragten Dritten, ebenso wie die Körperschaft selbst, von dem Erfordernis einer Einsammlungs- und Beförderungsgenehmigung freigestellt werden. Ein Vergleich mit den beiden anderen Fällen, in denen eine solche Genehmigung nicht erforderlich ist, zeigt, daß diese Bevorzugung indessen auf einer geringeren potentiellen Gefährlichkeit der Einsammlung und Beförderung durch den privaten Entsorger beruhen kann. Denn wenn die Körperschaft einen Privaten mit der öffentlichen Entsorgung betraut hat, dann ist davon auszugehen, daß sie diesen bereits auf seine Zuverlässigkeit hin überprüft hat. 743 Für eine Beleihung des Fremdentsorgers gibt es somit keinen ausreichenden Anhaltspunkt. 744 Es verbleibt demnach nur die Möglichkeit, den privaten Entsorger als Erfüllungsgehilfen oder Verwaltungshelfer anzusehen. 745 In dieser Funktion bewegt er sich ohne hoheitsrechtliche Befugnisse in den Formen des privaten Rechts. Sofern ein nach § 3 Abs. 4 AbfG Entsorgungspflichtiger gemäß § 3 Abs. 2 S. 2 AbfG einen Dritten einschaltet, handelt es sich ebenfalls um einen vertraglich verpflichteten Erfüllungsgehilfen. Kommt eine freiwillige Vereinbarung nicht zustande, kann der private Inhaber einer geeigneten Abfallentsorgungsanlage nach § 3 Abs. 5 AbfG durch Verfügung der Behörde in die Pflicht genommen werden. 746 742 V~~. Tettinger, GewArch 1988, 41 (46); allgemein zur Rechtsfigur der Beleihung: Steiner, Offentliche Verwaltung durch Private, passim; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht 11, § 104. 743 Vgl. auch BVerwG, NVwZ 1990,467; VGH Bd.Wtt., NVwZ 1990,482. 744 Tettinger, GewArch 1988, 41 (46). 745 BayVGH, NuR 1987, 369; Große Hündfeld, Die Beseitigung rechtlicher Hemmnisse, S. 32; Kloepfer /Follmann, DöV 1988,573 (575); Tettinger, GewArch 1988,41 (46). 746 Zur Rechtsfigur der Indienstnahme Privater: grundlegend Ipsen, in: Festgabe für Kaufmann, S. 141 ff.; vgl. auch BVerfGE 30, 292 (311).

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2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

bb) Private Träger Für die grundrechtliche Position privater Entsorger können Art. 12 und 14 sowie Art. 2 Abs. 1 GG maßgeblich sein. (1) Art. 12 GG Die Bedeutung der Berufsfreiheit ist im Zusammenhang mit dem bereits erwähnten nordrhein-westfälischen Lizenzmodell ausführlich diskutiert worden. 747 Auch unter Berücksichtigung der hier vertretenen Auffassung kann als Ausgangspunkt festgehalten werden, daß die Abfallentsorgung trotz des insoweit nicht eindeutigen Wortlauts des § 3 Abs. 2 AbfG nicht als Verwaltungsmonopol angesehen werden kann, von dem private Entsorger grundsätzlich ausgeschlossen wären. Selbst wenn man sich der Auffassung anschließen wollte, daß im Anwendungsbereich eines Verwaltungsmonopols die Geltung des Art. 12 GG grundsätzlich ausgeschlossen ist,748 steht damit der prinzipiellen Geltung des Berufsgrundrechts auch für Abfallentsorger nichts entgegen. Nach der tatsächlichen Bedeutung der privaten Entsorger für die gesamte Entsorgungswirtschaft ist davon auszugehen, daß sich sogar schon ein einigermaßen festes Berufsbild entwickelt hat. 749 Dabei ist es die Aufgabe des Gesetzgebers, die rechtlichen Grenzen der grundrechtlichen Gewährleistungen grundsätzlich selbst abzugrenzen 750 und dies nicht der behördlichen Ermessensausübung zu überlassen. 751 Keine neuen Erkenntnisse sind von der Unterscheidung zu erwarten, ob es sich bei dem Zulassungserfordemis um ein sog. präventives 752 oder repressives Verbot handelt. 753 Denn ob die zulassungspflichtige Betätigung einem repressiven Verbot unterstellt werden darf, ist nach Maßgabe der verfassungsrechtlichen Grundlagen zu beantworten. 754 In beiden Fällen kann unter der Geltung des Übermaßverbots ein schützenswertes Interesse des Grundrechtsträgers nicht in jedem Fall ausgeschlossen werden. 755 Für das objektive Gewicht des Berufsgrundrechts innerhalb der planerischen Abwägung ist maßgeblich auf die Schwere der Einschränkung des Freiheitsbe747 Landtag NW, LT-Drs. 10 /2613, S. 39 f. 748 Hoppe, Eildienst LKT NW 1988, 183 (188); anders zu Recht Tettinger, AöR 108 (1983),92 (110 und 121); zu dieser Frage auch Rittstieg, in: Alternativkommentar zum GG, Art. 12 Rn. 72. 749 Salzwedel, Sonderabfallentsorgung und Alt1astensanierung, S. 11; gleichwohl basiert Art. 12 GG auf einem offenen, nicht an vorgegebenen Berufsbildern orientierten Berufsbegriff; dazu Tettinger, AöR 108 (1983), 92 (95) m. w. N. 750 Tettinger, AöR 108 (1983), 92 (107). 751 BVerfGE 49, 89 (145). 752 So Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 7 Rn. 5. 753 Zu dieser Unterscheidung Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rn. 45 ff. 754 BVerwGE 41, 1 (15). 755 Vgl. BVerfGE 20, 150 (155); Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 55.

V. Versagungsennessen bei der abfallrechtlichen Planfeststellung?

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reichs abzustellen. Das bedeutet, daß die Belange, die in der Abwägung gegen die Verwirklichung des Vorhabens sprechen, als zulässige Einschränkung der Berufsfreiheit erscheinen müssen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen den Eigenentsorgern, bei denen die Entsorgung nur eine untergeordnete Bedeutung neben dem Unternehmenszweck hat, und den Fremdentsorgern, für die die Entsorgung von Abfällen den eigentlichen Inhalt ihrer Berufstätigkeit darstellt. Die Nichtzulassung der geplanten Entsorgungstätigkeit hätte daher für Eigenentsorger die Funktion einer Berufsausübungsregelung, 756 für Fremdentsorger hingegen die Funktion einer objektiven Zulassungsschranke. 757 Es ist jedoch zu beachten, daß die in bezug auf Art. 12 GG entwickelte Stufentheorie eine Ausprägung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist. 758 Deshalb sind auch daran orientierte Erwägungen zulässig. Insofern kann bei Industrieunternehmen, deren Fortführung von der Sicherung der Eigenentsorgung ganz wesentlich abhängt, eine Berufsausübungsregelung durchaus von einer solchen Bedeutung sein, daß sie einer Zulassungsbeschränkung nahezu gleichkommt. 759 Nach diesen verfassungsrechtlichen Überlegungen ist das Interesse des Abfallentsorgers an der Verwirklichung des geplanten Vorhabens durchaus mit dem ihm nach Art. 12 GG zukommenden Gewicht in die planerische Abwägung einzustellen. 7fJJ (2) Art. 14 GG Art. 14 GG kommt als subjektives Recht des Antragstellers vor allem dann in Betracht, wenn die Anlage auf einem ihm gehörenden Grundstück verwirklicht werden soll. Zwar steht das Eigentumsgrundrecht regelmäßig auch dem Inhaber einer emittierenden Anlage ZU,761 doch unterliegt die grundrechtliche Gewährleistung schon nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG weitgehenden Einschränkungen. Wenn auch das AbfG nicht dem Beispiel des § 1 a Abs. 3 WHG gefolgt ist, also nicht den Inhalt des Eigentumsgrundrechts ausdrücklich definiert hat, so ergeben sich die Schranken des Art. 14 GG doch aus der Gesamtheit des materiellen Rechts. 762 Daraus folgt zugleich, daß es keine Eigentümerbefugnisse kraft Natur der Sache geben kann,763 sondern nur Nutzungsmöglichkeiten im Rahmen der Gesetze. 764 756 Friauf, Altlastensanierung durch ,,Lizenzabgaben", S.61; Salzwedel, Sonderabfallentsorgung und Altlastensanierung, S. 12; a. A. aber mit unzureichender Begründung Peine, NWVBL 1988, 193 (198). 757 Friauf, Altlastensanierung durch ,,Lizenzabgaben", S. 122; Peine, NWVBL 1988, 193 (198). 758 BVerfGE 46, 120 (138) m. w. N. 759 Friauf, Altlastensanierung durch ,,Lizenzabgaben", S. 127; i. E. ähnlich Weidemann, DVBl. 1990, 592 (593); allgemein Tettinger, AöR 108 (1983), 92 (109 f.). 7fJJ Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 174. 761 Dazu Beckmann / Appold / Kuhlmann, DVBl. 1988, 1002 (1008). 762 BVerfGE 58, 300 (336); vgl. auch Hoppe / Beckmann, Umweltrecht, § 4 Rn. 22 ff. 763 BVerfGE 58, 300 (339) im Anschluß an BVerfGE 31, 229 (248); Papier, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 14 Rn. 347. 10 Kleinsehninger

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2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

Darüber hinaus bewirkt die Sozialpflichtigkeit des Grundeigentums, daß der Eigentümer sich dann nicht gegen Beschränkungen zur Wehr setzen kann, wenn die beabsichtigte, aber nicht erlaubte Nutzung angesichts der Situationsgebundenheit des Eigentums von einem vernünftigen und einsichtigen Eigentümer erst gar nicht angestrebt würde. 765 Art. 14 GG beeinflußt die Abwägung somit lediglich in den Fällen zugunsten des entsorgungswilligen Grundeigentümers, in denen die Nutzung des Grund und Bodens zum Zwecke der Abfallentsorgung sich geradezu aufdrängt.

Große Hündfeld betont demgegenüber, das Eigentumsrecht des Entsorgungsunternehmers überwiege dann, wenn entgegenstehende Belange sich nur aus den Interessen Dritter ergäben, die ihrerseits nicht in ihrem Eigentumsrecht betroffen seien. 766 Einen solchen grundsätzlichen Vorrang des Eigentums vor anderen rechtlichen Gewährleistungen, wie etwa der Gesundheit von Anliegern, kennt das Grundgesetz hingegen nicht. Es müssen daher die entgegenstehenden Belange mit dem ihnen im konkreten Fall zukommenden Gewicht berücksichtigt werden. Dennoch verbleibt dem Antragsteller, der eine Abfallentsorgungsanlage auf einem ihm gehörenden Grundstück errichten möchte, letztendlich ein wesentlicher Vorteil, da es nicht erforderlich ist, einen anderen Grundeigentümer zu enteignen, wozu die strengen enteignungsrechtlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen erfüllt sein müßten. (3) Art. 2 Abs. 1 GG Art. 2 Abs. 1 GG hat als Auffanggrundrecht gegenüber den speziellen Grundrechtsgewährleistungen nur insoweit eine eigenständige Bedeutung, als die allgemeine Handlungsfreiheit über die in anderen Grundrechten geschützten Freiheitsbereiche hinausreicht. 767 Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Position privater Abfallentsorger ist jedoch kein Aspekt ersichtlich, der nicht schon unter dem Gesichtspunkt der Berufs- oder der Eigentumsfreiheit zu berücksichtigen wäre. Deshalb gewährt Art. 2 Abs. 1 GG keinen über die genannten Grundrechte hinausgehenden Schutz.

cc) Entsorgungspjlichtige Körperschaften als Vorhabenträger Die Rechtsposition der entsorgungspflichtigen Körperschaften des öffentlichen Rechts stellt sich im Verhältnis zu den privaten Entsorgern schwieriger dar.

So zur Baufreiheit BVerfGE 35, 263 (276). BGHZ 23, 30 (35); BGHZ 80, 111 (116); BGHZ 90, 4 (15). 766 Große Hündfeld, Die Beseitigung rechtlicher Hemmnisse, S. 28. 767 BVerfGE 21,227 (234); BVerfGE 58,358 (363); siehe auch Klein, in: SchmidtBleibtreu / Klein, GG, Art. 2 Rn. 10 f. 764 765

V. Versagungsennessen bei der abfallrechtlichen Planfeststellung?

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Nach ständiger und gefestigter Rechtsprechung können sich Gemeinden und Gemeindeverbände nicht auf Grundrechte berufen. 768 Denn nach Art. 19 Abs. 3 GG gelten Grundrechte nur dann für juristische Personen, wenn sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Da aber Grundrechte als Abwehrrechte der Bürger gegen den Staat konzipiert sind und Gemeinden selbst einen Teil dieses Staatswesens verkörpern, können Grundrechte für öffentlich-rechtliche Entsorger keine Bedeutung erlangen. Dies gilt unabhängig davon, in welcher Rechtsform eine Gemeinde ihre Aufgaben wahrnimmt. 769 Entscheidend ist allein die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe der Daseinsvorsorge, 770 wie dies bei der Abfallentsorgung der Fall ist. 771 Eigene Rechte auf Zulassung einer Abfallentsorgungsanlage können einer Gemeinde oder einem Gemeindeverband daher allein aus dem Recht auf Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 GG erwachsen. 772 Dieses ist jedoch nur nach Maßgabe der gesetzlichen Vorgaben gewährleistet. Insoweit ist zu beachten, daß der Abfallentsorgungsplanung schon durch § 38 BauGB ein ausdrücklicher Vorrang vor den gemeindlichen Planungsinteressen eingeräumt ist. Für den sachlichen Spielraum der Gemeinden bei der Wahrnehmung der Entsorgungsaufgabe ist - wie bereits angesprochen - maßgeblich, welchem Aufgabentyp die Abfallentsorgung durch das jeweils anwendbare Landesrecht zugewiesen ist. Die Bundesländer haben sich überwiegend für den Typ der pflichtigen Selbstverwaltungsaufgabe entschieden. 773 Die nach Maßgabe der Gesetze zulässigen Einschränkungen der Selbstverwaltungsfreiheit sind allerdings nur an das Verhältnismäßigkeitsgebot gebunden. Wo die Abfallentsorgung jedoch nicht zu den Aufgaben des eigenen Wirkungskreises zählt, weil die Abfallentsorgung als Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung durchzuführen ist, sind die Freiheiten der Gemeinde entsprechend beschränkt. Der an der Verwirklichung einer Entsorgungsanlage interessierten öffentlichrechtlichen Körperschaft steht damit nur eine äußerst schwache Rechtsposition zu, die in der Abwägung der widerstreitenden Belange kaum eine entscheidende Bedeutung erlangen dürfte. 774 In der Praxis sehen die Gemeinden allerdings häufig ihre Aufgabe auch nicht in der Errichtung, sondern eher der Verhinderung

BVerfGE 61, 82 (105 ff.); BVerfG, NJW 1990, 1783. Jarass, in: Jarass / Pieroth, 00, Art. 19 Rn. 15; zu Rechtsfragen bei möglichen Mischformen: Burmeister, Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 1988, 121 (146); Erbguth, Rechtssystematische Grundfragen, S. 162 ff. 770 BVerfGE 68,193 (205 f.); BVerfGE 70,1 (15); BVerfG, NJW 1990,1783; ebenso BGH, DVBI. 1984,1118 (1119). 771 Beckmann / Appold / Kuhlmann, OVBI. 1988, 1002; Bothe, NVwZ 1987, 938 768

769

(940). 772 773 774

10*

Vgl. Barteis, Abfallrecht, S. 102. Siehe oben 2. Kap. B. 11. 2. b) aa). Beckmann / Appold / Kuhlmann, OVBI. 1988, 1002 (1 (08).

148

2. Kap.: B. Die materiellen Gesichtspunkte im einzelnen

von Entsorgungsplanungen. Die Rolle der Kommunen wird insoweit nicht zu Unrecht als "wenig rühmlich" bezeichnet. 775

3. Ergebnis Nach alledem ist die Frage nach der Berücksichtigung der Interessen des Antragstellers im Planfeststellungsverfahren dahingehend zu beantworten, daß ein konkreter Anspruch auf Erteilung der Planfeststellung allenfalls in Ausnahmesituationen zu bejahen sein wird, 776 nämlich dann, wenn die entscheidende Behörde in der Begründung ihrer den Erlaß eines Planfeststellungsbeschlusses ablehnenden Entscheidung selbst zum Ausdruck bringt, daß Versagungsgründe, insbesondere Belange des allgemeinen Wohls, der Errichtung der Anlage nicht entgegenstehen,777 und sie die Zulassung dennoch verweigert. Denn für die zusätzliche Einräumung von Ermessen verbleibt angesichts der alle relevanten Belange berücksichtigenden planerischen Gestaltungsfreiheit bei der Beurteilung der Versagungsgründe kein Raum. Rechtsschutz kann der Vorhabenträger jedoch begehren, wenn seine rechtlich geschützten Belange in der Abwägung nicht hinreichend, d. h. mit dem ihnen objektiv zustehenden Gewicht, berücksichtigt worden sind. Auch hier stellt sich wiederum das Problem, daß in der Abwägung zahlreicher Belange unter- und gegeneinander die Fehlgewichtung eines Belanges regelmäßig zugleich die relative Fehlgewichtung anderer Belange mit sich bringt. Aus diesem Grunde muß sich der drittschützende Gehalt des Abwägungsgebotes auch dann zugunsten des Vorhabenträgers auswirken, wenn entgegenstehende Belange überbewertet oder gleichgerichtete öffentliche Belange, wie etwa der Vollzugsauftrag des AbfG, unterbewertet worden sind. Im Ergebnis besteht somit ein Anspruch auf fehlerfreie Ausübung der planerischen Gestaltungsfreiheit. 778

775 Appold/Beckmann, VerwArch 1990, 307 (322). 776 Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 482. 777 Kügel, Der Planfeststellungsbeschluß, S. 249; Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 6 Rn. 53; vgl. auch Erbguth, Bauplanungsrecht, Rn. 190. 778 Kloepfer, Umweltrecht, § 12 Rn. 127; Kügel, Der Planfeststellungsbeschluß, S.211.

c. Der Ablauf des abfallrechtlichen Planfeststellungsverfahrens nach den §§ 72 tT. LVwVfG

Für die Durchführung der Planfeststellung stellt sich die Aufgabe, die umfangreichen materiell-rechtlichen Anforderungen an die Zulassung von Abfallentsorgungsanlagen in einem entsprechenden Verfahren zu beachten. Aus den rechtlichen Vorgaben für die Ausübung planerischer Gestaltungsfreiheit, insbesondere dem Abwägungsgebot, ergibt sich, daß das Verfahren eine umfassende Information der Behörde gewährleisten und durch eine intensive Betroffenen- und Behördenbeteiligung sicherstellen muß, daß abwägungsrelevante öffentliche und private Belange mit dem ihnen objektiv zustehenden Gewicht berücksichtigt werden können. Des weiteren steigen in dem Maße, in dem die letztlich getroffene Entscheidung nicht vollständig justitiabel ist, auch die Anforderungen an einen fairen Verfahrensablauf. 1 Zudem sind die besonderen Verfahrensvorgaben aufgrund der obligatorischen Einführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu beachten. 2

I. Einbindung der Umweltverträglichkeitsprüfung in das Planfeststellungsverfahren Durch das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 12.2.1990 3 sind für die Durchführung des Zulassungsverfahrens zum Teil neue Anforderungen aufgestellt. Als sachlich, nicht aber verfahrensmäßig selbständiger Prüfungsgegenstand ist die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der Auswirkungen unter anderem von Abfallentsorgungsanlagen (vgl. Nr.4 der Anlage zu § 3 UVPG) auf die Schutzgüter des § 2 UVPG zu untersuchen, die indessen im wesentlich den Schutzgütern des § 2 AbfG entsprechen, zumindest aber als sonstige Gemeinwohlbelange auch vor dem Erlaß des UVPG zu berücksichtigen waren. 4 Der verfahrensmäßig aufwendigste Teilschritt ist die durch § 9 UVPG geforderte Einbeziehung der Öffentlichkeit, die im Planfeststellungsverfahren ohnehin nach § 73 VwVfG stattfindet, wenn die funktionale Zielsetzung auch differieren mag. So ist die Aufgabe der Öffentlichkeitsbeteiligung im Planfeststel1 Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rn. 59. Der Faimeßgedanke ist im anglo-amerikanischen Rechtskreis besonders stark ausgebildet; vgl. dazu Vollkommer, in: Gedächtnisschrift Bruns, S. 195 (206 ff.); Tettinger, Fairneß und Waffengleichheit, S. 2 f. und 46 ff. 2 Übersicht bei UBA, 3. Zwischenbericht, S. 20. 3 BGBl. I S. 205. 4 Siehe oben 2. Kap. B. 11. 3. b).

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2. Kap.: C. Der Ablauf des Planfeststellungsverfahrens

lungsrecht im Hinblick auf die Gewährleistung rechtlichen Gehörs und möglicherweise späteren Rechtsschutzes zugunsten Betroffener zu verstehen, während nach dem UVP-Gesetz Infonnation und Transparenz von umweltrelevanten Entscheidungen im Vordergrund stehen. 5 Dennoch läßt sich die UVP in das Planfeststellungsverfahren nahezu problemlos integrieren,6 wenn die zusätzlichen Vorgaben des UVPG von vornherein beachtet werden; 7 dies betrifft etwa die allgemein verständlichen Zusammenfassungen der einzelnen Antragsunterlagen oder die zusammenfassende Darstellung und Bewertung der Umweltauswirkungen im Anschluß an das Anhörungsverfahren, d. h. vor der endgültigen Entscheidung.

11. Erstellung des Plans durch den Vorhabenträger Nach § 73 Abs. 1 S. 1 VwVfG beginnt das fönnliche Planfeststellungsverfahren mit der Einreichung des Plans bei der zuständigen Anhörungsbehörde durch den Vorhabenträger, also durch denjenigen, der die Anlage für eigene oder für fremde Zwecke nutzen will. 8 Diese Bestimmung scheint davon auszugehen, daß regelmäßig der Behörde ein vollständiger und keine Fragen offenlassender Plan vorgelegt wird. Eine solche Betrachtungsweise geht indessen an der Realität vorbei. Ein vollständig ausgearbeiteter Plan muß alle diejenigen Infonnationen enthalten, die für die rechtliche Beurteilung des Vorhabens notwendig sind. Da das Planfeststellungsverfahren allerdings unter anderem auch dazu dient, auf Anregungen von Behörden oder Dritten noch einzugehen und deshalb den Plan ggfs. zu ändern oder zu ergänzen, sind an die inhaltliche Bestimmtheit des Antrags geringere Anforderungen zu stellen als an den späteren Planfeststellungsbeschluß. 9 Wegen des sachlich kaum begrenzten Prüfungsmaßstabs sind allerdings Unklarheiten hinsichtlich der erforderlichen Unterlagen grundsätzlich nicht auszuschließen. Deshalb hat sich schon seit langem in komplexen Verfahren nicht nur des Planfeststellungsrechts \0 die Praxis herausgebildet, daß Antragsteller und Behörde in infonnellen Vorgesprächen 11 die auftauchenden Zweifelsfragen zu lösen suchen. Da die modeme Groß technik oftmals nur noch für den Hersteller selbst verständlich und durchschaubar ist, sind auch die zuständigen Behörden Erbguth / Schink, EuZW 1990, 531 (536). Jarass, Auslegung und Umsetzung der EG-Richtlinie zur UVP, S.30; Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 248 m. w. N. 7 UBA, 3. Zwischenbericht, S. 23 ff. 8 Bonk, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 73 Rn. 10; Seeliger, vr 1990,329. 9 HessVGH, NVwZ 1989,484 (488); Hösel/von Lersner, § 7 AbfG Rn. 41. \0 Vgl. zur Antragsberatung im immissionsschutzrechtlichen Verfahren § 2 Abs.2 der 9. BlmSchV; Jarass, BImSchG, § 10 Rn. 9 f. 11 Zur Kategorie des informellen Verwaltungshandeins: grundlegend Bohne, Der informale Rechtsstaat, S. 50 ff. und S. 144 ff.; vgl. auch Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, S. 64 ff. und 142 ff.; Bulling, DöV 1989,277 ff.; Schmidt-Aßmann, DVBI. 1989, 533 (549 f.). 5

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11. Erstellung des Plans durch den Vorhabenträger

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häufig auf diese Form der Kooperation geradezu angewiesen. 12 Gegen dieses Vorgehen sind vereinzelt Bedenken geäußert worden, unter anderem deswegen, weil für außenstehende Dritte nur allzu leicht der Verdacht entstehen kann, hier würden vorab schon die wesentlichen Entscheidungen ohne eine Beteiligung der Betroffenen gefallt, so daß das spätere Einwendungsverfahren nur noch zur Farce gerate. 13 Diese Gefahr besteht durch eine enge und ständige Zusammenarbeit von Behörde und Antragsteller in der Tat, wenn auch bindende Vereinbarungen in diesem Stadium rechtswidrig sind. 14 Die Behörde ist daher verpflichtet, eine gewisse Distanz gegenüber dem Vorhabenträger zu wahren. 15 Dennoch sind aber auch die Vorteile der informellen Vorgespräche nicht zu unterschätzen. So wird der Vorhabenträger zu diesem frühen Zeitpunkt, in dem viele Detailfragen noch offen sind, tendenziell eher gewillt und in der Lage sein, auf Anregungen und Bedenken hinsichtlich der Konzeption der Anlage einzugehen. 16 Außerdem können unnütze zeitliche Verzögerungen vermieden werden, wenn vorab eine Abstimmung in bezug auf Art und Umfang der beizubringenden Unterlagen sowie ggfs. die Vergabe von Sachverständigengutachten stattfindet. 17 Die Beibringung von Sachverständigengutachten durch den Antragsteller ist durchaus übliche Praxis, kollidiert aber mit dem auch im Planfeststellungsrecht geltenden Amtsermittlungsgrundsatz (§ 24 VwVfG),18 wenn den Antragsteller auch nach § 26 Abs.2 VwVfG eine Mitwirkungspflicht trifft. 19 In der Praxis hingegen wird regelmäßig die Bereitschaft des Antragstellers, der schließlich ein erhebliches Interesse an einer zügigen und positiven Entscheidung hat, recht groß sein, durch die Ergebnisse von Sachverständigengutachten die Behörde von der Unbedenklichkeit seines Vorhabens zu überzeugen. Um die Position der Planfeststellungsbehörden in den neuen Bundesländern, die sich in den kommenden Monaten und Jahren auf eine immense Arbeitsbelastung einstellen müssen, zu verbessern, ist durch das Einigungsvertragsgesetz 20 ein neuer § 8a in das AbfG eingefügt worden, dessen Absatz 4 die Behörden ausdrücklich ermächtigt, dem Antragsteller die Beschaffung von Sachverständigengutachten aufzuerlegen. Diese Regelung gilt, wie sich aus dem ebenfalls neu eingefügten § 32 AbfG ergibt, befristet bis zum 30. Juni 1992. 21 12 Ipsen, VVDStRL 48 (1990), 177 (193). 13 Zu dieser Problematik Hösel/ von Lersner, § 7 AbfG Rn. 37; Hoppe / Beckmann, Umweltrecht, § 9 Rn. 27 ff. 14 Jarass, BlmSchG, § 9 Rn. 10 m. w. N.; vgl. auch BVerwGE 75, 214 (230 f.). 15 BVerwG, NVwZ 1987,886 im Anschluß an BVerwGE 75,214 (230). 16 Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 320. 17 UBA, 3. Zwischenbericht, S. 17 und 44. 18 Hösel/ von Lersner, § 7 AbfG Rn. 50. 19 Zu diesem Spannungsfeld auch Erbguth/ Schink, EuZW 1990,531 (533). 20 Einigungsvertragsgesetz vom 23.9.1990, BGBL 11 S. 885 (1117). 21 Entsprechendes gilt auch für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren nach dem ebenfalls neuen § lOa Abs.4 BlmSchG; Einigungsvertragsgesetz vom 23.9.1990, BGBL 11 S. 885 (1114).

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2. Kap.: C. Der Ablauf des Planfeststellungsverfahrens

Wegen der genannten Vorteile des informellen Vorverfahrens für eine zügige Verfahrensgestaltung ist durch § 5 UVPG ein solches informelles Verfahren jetzt auch gesetzlich verankert worden. Die Vorschrift stellt klar, daß bei entsprechendem Klärungsbedarf Behörden, Sachverständige und sogar Dritte hinzugezogen werden können. Um Bedenken gegen eine scheinbare oder tatsächliche Parteilichkeit der Behörde frühzeitig entgegenzuwirken, sollte von dieser Möglichkeit in angemessenem Umfang, d. h. ohne dadurch schon das Erörterungsverfahren vorwegzunehmen, Gebrauch gemacht werden. 22 Trotz dieser im Vorfeld der offiziellen AntragsteIlung bestehenden Abstimmungsmöglichkeit stellt die Vollständigkeit bzw. Unvollständigkeit der eingereichten Unterlagen in der Praxis nach wie vor eines der größten Probleme dar und führt zugleich zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen. Dabei reicht das Spektrum der vorkommenden Versäumnisse von fehlenden Unterschriften 23 einer verantwortlichen Person über gravierendere und weniger leicht behebbare sachliche Differenzen hinsichtlich des Umfangs der notwendigen Unterlagen bis zu verspätet abgelieferten Sachverständigengutachten. Die Lösung dieser Problemfelder wirft durchaus unterschiedlich große Schwierigkeiten auf. Bloße Formfehler lassen sich durch erhöhte Sorgfalt auf seiten des Antragstellers vermeiden. Säumige Gutachter könnten schon bei der Vergabe des Gutachtenauftrags durch die Vereinbarung spürbarer Vertragsstrafen zur Einhaltung der Termine veraniaßt werden. 24 Problematisch hingegen ist die Frage des Umfangs der Unterlagen. Auf seiten der Behörden ist dabei ein Bestreben zu erkennen, die Anforderungen immer höher anzusetzen, weil anderenfalls eine gesteigerte Rechtsmittelanfalligkeit des Planfeststellungsbeschlusses befürchtet werden muß, denn die Antragsunterlagen sind schließlich auch Gegenstand des Anhörungsverfahrens. Aus der Sicht der Antragsteller läßt sich dagegen bisweilen die resignierende Erkenntnis beobachten, daß auch bei größtem Bemühen kaum alle von der Behörde letztlich verlangten Unterlagen von Anfang an zusammengetragen werden könnten; daher werden mitunter unvollständige Unterlagen eingereicht, um das Verfahren überhaupt schon einmal in Gang zu bringen. Eine Normierung des erforderlichen Umfangs der Antragsunterlagen findet sich nun in der TA Abfall 2s , allerdings beschränkt auf Sonderabfallentsorgungsanlagen, und ansatzweise in § 6 UVPG. Aus § 6 Abs.3 S.2 UVPG folgt die Verpflichtung, die für die UVP erforderlichen Unterlagen, die zugleich eine Art Mindeststandard für das Planfeststellungsverfahren festlegen, 26 jeweils mit einer 22 Kritisch Beckmann, NVwZ 1991, 427 (428 f.) wegen der Gefahr zeitlicher Verzögerungen. Wie hier der Entwurf eines UGB-AT; Kloepfer I Kunig I Rehbinder I SchmidtAßmann, DVBI. 1991,339 (342). 23 UBA, 2. Zwischenbericht, S. 13. 24 UBA, 2. Zwischenbericht, S. 20. 2S GMBI. 1990 S. 169 ff. 26 Vgl. Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 241.

III. Anhörungsverfahren

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allgemein verständlichen Zusammenfassung zu versehen. Soweit wegen dieser zusätzlichen Anforderung ein verfahrensverzögernder Mehraufwand befürchtet wird,27 kann dem nicht zugestimmt werden. Denn eine solche Besorgnis läßt darauf schließen, daß die Unterlagen bisher eben nicht allgemeinverständlich waren. Ein nur für Experten zugängliches "Geheimverfahren" wäre aber auch nach bisherigem Recht nicht mit dem Zweck der Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen des Anhörungsverfahrens vereinbar und rechtspolitisch wegen der dadurch ausgelösten Vertrauensdefizite auch nicht erwünscht. Außerhalb dieser bundesrechtlichen Vorgaben haben die Länder ihrerseits die Möglichkeit, die Unterlagen für das landesrechtliche Planfeststellungsverfahren durch Verwaltungsvorschriften näher zu bestimmen. Von dieser Möglichkeit haben bislang jedoch nur wenige Bundesländer Gebrauch gemacht. 28

111. Anhörungsverfahren Der Ablauf des Anhörungsverfahrens, das mit der Einreichung des vollständigen Plans bei der zuständigen Behörde beginnt, ist ausführlich in § 73 VwVfG geregelt. Es dient dazu, der Behörde die für die Entscheidung benötigten Erkenntnisse und Informationen zu verschaffen und stellt zugleich für die Betroffenen eine Möglichkeit dar, sich für ihre berechtigten Interessen rechtliches Gehör zu verschaffen. 29 Zu diesem Zweck umfaßt das Anhörungsverfahren nicht nur ein behördeninternes Beteiligungsverfahren, sondern auch die öffentliche Auslegung des Plans mit anschließender Erörterung der gegen den Plan vorgebrachten Einwendungen. Danach nimmt die Anhörungsbehörde Stellung zu der Umweltverträglichkeit der Anlage sowie zu ihrer Zulassungsfähigkeit (vgl. §§ 11, 12 UVPG). 1. Zuständige Behörde Für den Antragsteller besteht die erste Schwierigkeit oft schon darin, die zuständige Behörde ausfindig zu machen. Die Zuständigkeitszuweisungen erfolgen auf Landesebene zum Teil in äußerst komplizierter und vor allem uneinheitlicher Weise. 30 Häufig liegt die Zuständigkeit allerdings bei den Regierungspräsidenten (so nach § 38 i. V. m. § 34 nw.LAbfG) oder vergleichbaren Behörden. 27 So Kern, DöV 1989,932. 28 Baden-Württemberg; Bayern; Rheinland-Pfalz; vgl. Hösel/von Lersner, § 7 AbfG

Rn. 41.

29 Hösel / von Lersner, § 7 AbfG Rn. 38. UBA, 3. Zwischenbericht, S. 97; Überblick bei Hösel / von Lersner, § 7 AbfG Rn. 33. 30

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2. Kap.: C. Der Ablauf des Planfeststellungsverfahrens

Eine wichtige Vorgabe folgt jedoch bereits aus dem Bundesrecht. Nach § 7 Abs. 3 AbfG liegt die Zuständigkeit für die Zulassung solcher Abfallentsorgungsanlagen, die zugleich nach § 4 BImSchG genehmigungsbedürftig sind, bei der Immissionsschutzbehörde. Dies betrifft die Anhörung und die eigentliche Planfeststellung. Eine solche Zuständigkeitsbestimmung konnte durch Bundesgesetz gemäß Art. 84 Abs. 1 GG mit Zustimmung des Bundesrates getroffen werden. 31 In fast allen landesrechtlich normierten Planfeststellungsverfahren fehlt entgegen dem Grundmodell des § 73 VwVfG die Unterscheidung von Anhörungsund Planfeststellungsbehörde. Dieses Vorgehen stellt zwar nach Ansicht des BVerwG keinen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gewaltenteilungsprinzip dar; 32 es löst aber oft Kritik aus, weil die Behörde, die zumeist als zuständige Fachbehörde selbst ein eigenes Interesse an der Verwirklichung geplanter Projekte hat, leicht in den Verdacht der Parteilichkeit oder zumindest Voreingenommenheit gerät. 33 Dies gilt erst recht, wenn der Vorhabenträger selbst ein Träger öffentlicher Gewalt ist. 34 Im Hinblick auf die gerichtsähnliche Ausgestaltung des Anhörungsverfahrens und das durch allzu enge Verflechtungen ausgelöste Akzeptanzdefizit wird daher zunehmend die rechtspolitische Forderung nach einer Trennung von Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde erhoben. 35 Der Einwand, eine solche Trennung bewirke lediglich eine "optische Interessenneutralität" , weil der Behörde regelmäßig ein bestimmter Plan vorgelegt werde,36 überzeugt hingegen nicht, da die Anhörungsbehörde wegen der informellen Absprachen im Vorfeld der endgültigen und offiziellen Planeinreichung notwendigerweise in einem steten und engen Kontakt zu dem Vorhabenträger steht und damit schon auf den noch entstehenden Plan einwirken kann. Schwerer wiegen hingegen die Bedenken, die sich daraus ergeben, daß sich angesichts der spezifischen Entscheidungsstrukturen bei der Planfeststellung eine funktionale und kompetentielle Abgrenzung der Aufgabenbereiche von Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde nur schwer leisten ließe. Denn die Vorgänge des Ermitteins und des Bewertens gehen, wie gezeigt, unmittelbar ineinander über. Wollte man sich nun für eine strikte Trennung von Anhörung und Planfeststellung entscheiden, so würde dies dazu führen, daß die Anhörungsbehörde durch den von ihr ermittelten Sachverhalt den Entschluß der Planfeststellungsbehörde präjudizieren könnte, oder aber, wenn diese an die Ermittlungen der Anhörungsbehörde nicht gebunden wäre, daß 31 Hösel / von Lersner, § 7 AbfG Rn. 28. 32 BVerwG, NVwZ 1987, 886; zum LuftVG BVerwGE 58, 344 (347); zustimmend

Ronellenfitsch, VerwArch 1989, 92 (105); a. A. Kopf/Schönefelder/Richter, BayVBI. 1979, 393 ff. 33 Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 305. 34 Blümel, in: Festgabe für Forsthoff, S. 133 (157); Burmeister, Jahrbuch des Umweltund Technikrechts 1988, 121 (152) m. w. N. 35 Vgl. BVerwG, NVwZ 1987, 886; Burmeister, Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 1988, 121 (152); Hösel/von Lersner, § 7 AbfG Rn. 33; Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 305. 36 So Ronellenfitsch, DöV 1989, 737 (744).

III. Anhörungsverfahren

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letztlich der Planfeststellungsbehörde allein die umfassende Entscheidungsmacht zukäme. 37 Angesichts dieser Überschneidungen der Aufgabenbereiche erscheint eine Trennung der Aufgabenbereiche eher als eine zusätzliche Problemquelle denn als verfahrenstechnischer Vorteil. 38

2. Stellungnahmen anderer Behörden Sobald die Behörde die Vollständigkeit der eingereichten Unterlagen festgestellt hat, beginnt das Anhörungsverfahren mit der Beteiligung der Behörden, "deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird" (§ 73 Abs. 2 VwVfG). Dies sind zumindest diejenigen Behörden, deren - an sich notwendige Entscheidung über das Vorhaben durch den Planfeststellungsbeschluß ersetzt wird, also üblicherweise die Baubehörde, die Wasserbehörde und ggfs. auch die Straßenbau- und Immissionsschutzbehörde. 39 Die Stellungnahme dieser Behörden ersetzt insoweit die eigene Entscheidungsmöglichkeit. 40 Außerdem sind aber auch sonstige Träger öffentlicher Belange, wie etwa die Naturschutzbehörden, zu beteiligen. In Betracht kommen je nach Fallgestaltung auch die Feuerwehr oder die Flugaufsicht. 41 Schließlich sind wegen Art. 28 Abs. 2 GG auch die Gemeinden zu dem Projekt zu hören, die entweder als Belegenheits- oder Nachbargemeinden betroffen sind. 42 Im Zweifel empfiehlt es sich für die Anhörungsbehörde, den Kreis der anzuhörenden Behörden eher weit zu fassen, um zu verhindern, daß sich die fehlende Beteiligung als unzureichende Ermittlung des abwägungserheblichen Materials und damit als Abwägungsdefizit auswirkt. 43 Ob und inwieweit die zuständige Behörde an die Stellungnahmen der beteiligten Behörden gebunden ist, bestimmt sich nach dem materiellen Recht. 44 So ist etwa die bauplanungsrechtliche Beurteilung eines Vorhabens durch die Standortgemeinde wegen § 38 BauGB nicht bindend. 45 Das Anhörungsverfahren nimmt regelmäßig einen erheblichen Zeitraum in Anspruch. Dies mag zum einen an einer wenig effektiven Verfahrensgestaltung durch die Anhörungsbehörde liegen; nach den Feststellungen der bereits mehrfach Heitz, Organisationsrecht der Planfeststellung, S. 153 ff. Weitergehend Heitz, aaO, S. 162, der die Identität von Anhörungs- und PIanfeststellungsbehörde für zwingend erforderlich hält; dagegen wiederum spricht der Wortlaut des § 73 VwVfG. 39 Hösel / von Lersner, § 7 AbfG Rn. 42. 40 Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 315. 41 UBA, 1. Zwischenbericht, S. 57. 42 Vgl. dazu auch Beckmann/ Appold/ Kuhlmann, DVBI. 1988,1002 (1006); Hösel/ von Lersner, § 7 Rn. 44. 43 Hösel / von Lersner, § 7 AbfG Rn. 42. 44 Hösel / von Lersner, § 7 AbfG Rn. 51. 45 HessVGH, NVwZ-RR 1990, 346. 37

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2. Kap.: C. Der Ablauf des Planfeststellungsverfahrens

zitierten Arbeitsgruppe des Bundesumweltministeriums soll sich beispielsweise noch nicht bei allen Behörden das sog. Sternverfahren durchgesetzt haben, bei dem die vervielfältigten Planunterlagen zeitgleich an die zu beteiligenden Behörden versandt werden. 46 Zum anderen kann das Beteiligungsverfahren von gegen das Vorhaben eingestellten Behörden aber auch als Instrument zur Verschleppung des Verfahrens zweckentfremdet werden; denn es ist zwar üblich, eine Frist von ca. zwei Monaten für die Stellungnahme anzusetzen; 47 diese ist jedoch nach geltendem Recht nicht verbindlich, da die Überschreitung der Frist nicht von der Pflicht zur umfassenden und vollständigen Ermittlung aller relevanten Umstände entbindet.

3. Beteiligung anerkannter Naturschutzverbände Nicht aus dem VwVfG, sondern aus § 29 Abs. 1 Nr.4 BNatSchG folgt ein Mitwirkungsrecht anerkannter 48 Naturschutzverbände, wenn das planfeststellungsbedürftige Vorhaben mit Eingriffen in Natur und Landschaft im Sinne des § 8 BNatSchG verbunden ist. Diese Voraussetzung ist bei der Errichtung von Abfallentsorgungsanlagen in der Regel erfüllt. 49 Die Planfeststellungsbehörde hat den in Frage kommenden Vereinen Gelegenheit zur Äußerung zu geben, d. h. sie muß sie, ähnlich wie die zu beteiligenden Behörden, gesondert informieren und ihnen die notwendigen Informationen, insbesondere Sachverständigengutachten, zugänglich machen. so Es reicht also nicht aus, wenn einem Naturschutzverband lediglich im Rahmen der allgemeinen Öffentlichkeitsbeteiligung Gelegenheit zur Äußerung gegeben wird. SI Darüber hinaus kann das Landesrecht weitergehende Beteiligungsformen vorsehen. S2

4. Auslegung in den betrotTenen Gemeinden Schließlich ist nach § 73 Abs.3 VwVfG die Auslegung des Plans in den Gemeinden, in denen sich das Vorhaben voraussichtlich auswirkt, zu veranlassen. Die Verantwortung für die ordnungsgemäße Zusammenstellung der Unterlagen und den Verfahrensablauf liegt bei der Anhörungsbehörde, nicht bei der Gemeinde. 53 UBA, 3. Zwischenbericht, S. 55. UBA, 1. Zwischenbericht, S. 57. 48 Zu den Voraussetzungen der Anerkennung nach § 28 Abs. 2 BNatSchG: BVerwGE 72,277 (280 ff.) und OVG Lüneburg, NVwZ 1990,999. Die Anerkennung setzt voraus, daß der Naturschutz umfassend als Hauptziel in der Vereinssatzung verankert ist; vgl. auch Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 225. 49 Vgl. nur § 4 Abs. 2 Nr.3 und 4 nw.LG. so Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 318. 51 OVG Rh.Pf., NVwZ 1986,321. 52 Z. B. § 11 nw.LG; vgl. auch Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rn. 67. 46 47

III. Anhörungsverfahren

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a) Betroffene Gemeinden

Die Behörde hat zunächst zu entscheiden, in welchen Gemeinden die Planunterlagen auszulegen sind. Dies ist in jedem Fall die Standortgemeinde; je nach den örtlichen Gegebenheiten können aber auch angrenzende Gemeinden durch Immissionen oder auf andere Weise belastet werden, so daß die Auslegung auch dort zu erfolgen hat. 54 Die Notwendigkeit einer Planauslegung folgt hingegen nicht schon aus lediglich wirtschaftlichen Berührungspunkten, wie etwa Auswirkungen auf die Höhe der Entsorgungskosten. 55 Hinsichtlich der Reichweite der zu erwartenden Auswirkungen ist die Behörde auf eine Prognose angewiesen. Im Zweifel ist zu empfehlen, daß das Auslegungsgebiet von vornherein großzügig ausgewählt wird, da, wenn sich die Prognose nachträglich als unzutreffend herausstellt, in den berührten Gemeinden das Auslegungsverfahren nachgeholt werden muß, was zu lästigen Verfahrensverzögerungen führen kann. b) Umfang der Unterlagen

Ein weiteres Problemfeld stellt der Umfang der auszulegenden Unterlagen dar. Hier setzen sich die von der Erarbeitung eines vollständigen Plans bekannten Schwierigkeiten 56 logischerweise fort. Eine handhabbare Vorgabe - sei es durch Gesetz, sei es durch Verordnung - existiert zu dieser Frage im Gegensatz etwa zum Immissionsschutzrecht 57 bislang nicht. Einziger gesetzlicher Orientierungspunkt ist nunmehr § 6 Abs. 3 und 4 UVPG, wonach die in Abs. 3 genannten Angaben in jedem Fall zwingend und die in Abs. 4 genannten Angaben unter den dort vorgegebenen Voraussetzungen enthalten sein müssen. Bedenkt man jedoch, daß das UVPG allgemein für alle UVP-pflichtigen Vorhaben und nicht nur für die Zulassung von Abfallentsorgungsanlagen gilt, so wird deutlich, daß diese Regelung notwendigerweise recht abstrakt gehalten sein muß. Besonderheiten des abfallrechtlichen Planfeststellungsverfahrens konnten naturgemäß im UVPG keine Berücksichtigung finden. Von daher wird deutlich, daß es sich bei den Vorgaben des § 6 UVPG nur um Mindesterfordernisse an die auszulegenden Unterlagen handeln kann (vgl. § 6 Abs. 3 UVPG) und daß sich aus dem zugrunde liegenden materiellen Recht weitergehende Anforderungen ergeben können. So HessVGH, DVBI. 1990, 170 (LS). Hösel / von Lersner, § 7 Rn. 53; Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 221. 55 Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 222. 56 Siehe oben 2. Kap. C. 11. 57 § 4 der 9. BlmSchV; darüber hinaus haben die Länder sehr detailliert ausgearbeitete Verwaltungsvorschriften erlassen, die zum Teil sogar Formularvordrucke für verschiedene Antragsformen enthalten; vgl. Anlagen 1 (Neugenehmigung) und 9 (Änderungsgenehmigung) der Verwaltungsvorschriften des Landes NW vom 21.11.1975, MBI. S. 2216, zu!. geänd. durch Erlaß vom 4. 1. 1990, MBI. S. 227, abgedruckt bei Landmann / Rohmer, Bd. III, Nr. 12.1. 53

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2. Kap.: C. Der Ablauf des Planfeststellungsverfahrens

besteht die wichtigste Neuerung für den interessierten, aber nicht fachkundigen Bürger wohl in der Verpflichtung, den Unterlagen eine allgemein verständliche Zusammenfassung beizufügen. Vor dem Hintergrund eines bei allen Beteiligten bestehenden Bedürfnisses nach rechtlicher Klarheit über den notwendigen Umfang der auszulegenden Unterlagen erscheint es naheliegend, bei solchen Anlagen, die ohne die Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedürften, den Umfang der Unterlagen nach der 9. BlmSchV zu bestimmen. 58 Dagegen spricht indessen gerade die Konzentrationswirkung, da die zuständige Behörde eben über alle ersetzten Genehmigungen in einem einheitlichen Verfahren nach den §§ 72 ff. VwVfG entscheidet. Mithin sind die Vorschriften über das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren, anders als die materiellrechtlichen Vorschriften, nicht anwendbar. Allerdings trifft der Einwand zu, daß die Planfeststellungsbehörde sich bei ihrer Entscheidung über die immissionsschutzrechtliche Relevanz der Abfallentsorgungsanlage ebenso umfassend informieren muß, wie es die Genehmigungsentscheidung nach § 4 BlmSchG erfordern würde. 59 Deshalb beanspruchen die Durchführungsverordnungen zum BlmSchG, soweit sie die auszulegenden Unterlagen betreffen, auch im abfallrechtlichen Verfahren Geltung. Wegen des sachlich nahezu unbeschränkten materiellrechtlichen Prüfungsansatzes bei der Planfeststellung muß die zuständige Behörde sich jedoch vergegenwärtigen, daß es sich hierbei ebenfalls nur um Mindestanforderungen handelt. Es stellt sich deshalb nach wie vor, insbesondere für Deponien, die Aufgabe, den Umfang der auszulegenden Unterlagen aus den materiell-rechtlichen Vorgaben und der Zweckbestimmung des Auslegungsverfahrens zu erschließen. Aus dem Sinn der Öffentlichkeitsbeteiligung ergibt sich, daß für jeden möglicherweise Betroffenen anhand der Unterlagen erkennbar sein muß, ob und wie stark er durch die Anlage beeinträchtigt werden wird. 60 Dazu ist mindestens eine Beschreibung der Anlage und ihres genauen Standorts sowie eine allgemeinverständliche Darstellung ihrer Wirkungsweise einschließlich der eingesetzten Abfallstoffe und Emissionen erforderlich. 61 Darüber hinaus ergibt sich aus § 8 Abs. 4 BNatSchG die Verpflichtung, Ausgleichsrnaßnahmen für Eingriffe in Natur und Landschaft in dem Plan selbst oder in einem landschaftspflegerischen Begleitplan darzustellen. 62 Nicht zwingend ist dagegen die Auslegung bereits vorhandener Gutachten, die nicht Teil des vom Antragsteller vorgelegten Plans, sondern schon eine Bewertung desselben sind. 63 Andererseits wird ein Dritter ohne sachverstänSeeliger, vr 1990, 329 (330). Hösel/von Lersner, § 7 AbfG Rn. 41; zustimmend Seeliger, vr 1990,329 (330). 60 Hoppe / Schlarmann, Rechtsschutz bei der Planung, Rn. 67 a; Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 324; Rengeling, Planfeststellung für die Endlagerung, S. 41. 61 Hösel / von Lersner, § 7 AbfG Rn. 41. 62 Höse! / von Lersner, § 7 AbfG Rn. 41. 58

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III. Anhörungsverfahren

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dige Erläuterungen kaum allein anhand der vorliegenden Pläne die Auswirkungen der geplanten Anlage beurteilen können, so daß die Auslegung durchaus auch geboten sein kann. 64 Das alles bedeutet indessen nicht, daß zusätzliche Informationen nicht doch zur Verfügung gestellt werden dürften, es sei denn, es befinden sich darin vertrauliche Informationen, wie etwa Betriebsgeheimnisse. 65 Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die Bestimmung des Unterlagenumfangs vorwiegend auf einzelfallbezogenen Zweckmäßigkeitsüberlegungen beruht. Entscheidet sich die Behörde gegen eine Auslegung aller ihr zur Verfügung stehenden Unterlagen, so stellt sich die Frage, ob potentielle Einwender über die Einsichtnahme in den ausgelegten Plan hinaus ein Recht auf Akteneinsicht haben. Gemäß § 72 Abs. 1 VwVfG gilt § 29 VwVfG, der Beteiligten das Recht auf Akteneinsicht gewährt, mit der Maßgabe, daß die Akteneinsicht nur nach pflichtgemäßem Ermessen zu gewähren ist. Danach ist die Einsichtnahme regelmäßig zu ermöglichen und nur in Ausnahmefällen zu verweigern. 66 Eine sich daraus ergebende zusätzliche Arbeitsbelastung allein wird hingegen zur Versagung der Akteneinsicht nicht ausreichen, da dies bei planfeststellungsbedürftigen Vorhaben gerade der Normalfall ist. 67 Umstritten ist insoweit, ob das Akteneinsichtsrecht auf Beteiligte im Sinne des § 13 VwVfG beschränkt ist, 68 oder ob im Planfeststellungsverfahren ein eigenständiger, weiterer Beteiligtenbegriff gilt. Dazu ist zu berücksichtigen, daß die Regelung des § 72 Abs. 1 VwVfG nur dann zu erklären ist, wenn der Gesetzgeber selbst davon ausging, daß ein unbeschränktes Akteneinsichtsrecht im Planfeststellungsverfahren wegen der Vielzahl der daran Interessierten zu einer Blockierung der behördlichen Tätigkeit führen könnte. 69 Dies ist jedoch nur dann denkbar, wenn neben dem Antragsteller, den unmittelbaren Grundstücksnachbam und ggfs. sogar zu enteignenden Grundeigentümern eben auch die oftmals große Zahl der sonstigen Einwendungsberechtigten Einsicht in die Akten nehmen könnte. Daher muß hier, abweichend von § 13 VwVfG, von einem weiteren, auf die speziellen Verhältnisse des Planfeststellungsrechts abgestimmten Einsichtsrecht ausgegangen werden. Orientiert an diesem Gesetzeszweck kann die Akteneinsicht nach pflichtgemäßem Ermessen nur bei Vorliegen schwerwiegender sachlicher Gründe verweigert werden,70 etwa wenn die Grenze der Belastbarkeit der Behörde tatsächlich überschritten und eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung deshalb nicht mehr gewährleistet ist. 71 Unklar ist weiterhin, Vgl. Hösel/von Lersner, § 7 AbfG Rn. 55; Seeliger, vr 1990, 329 (331). Vgl. VGH Bd.Wtt., DVBl. 1990, 108. 65 BVerfG, DVBl. 1987, 1263 (1264). 66 Vgl. auch Seeliger, vr 1990, 329 (332). 67 Bonk, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 72 Rn. 36. 68 So Hoppe / Schlarmann, Rechtsschutz bei der Planung, Rn. 67 b. 69 Ausführlich Gurlit, Die Verwaltungsöffentlichkeit, S. 141 f. 70 BayVGH, NVwZ 1990,775. 71 Vgl. Hösel/von Lersner, § 7 AbfG Rn. 57; Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 226; Bonk, in: Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 72 Rn. 36. 63

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2. Kap.: C. Der Ablauf des Planfeststellungsverfahrens

ob das Akteneinsichtsrecht an das Vorhandensein einer Einwendungsbefugnis gebunden ist. 72 Hier ist jedoch richtigerweise im Interesse einer ökonomischen Verfahrensgestaltung der Behörde nicht zuzumuten, schon zu diesem frühen Zeitpunkt eine Bewertung der Rechtsposition des potentiellen Einwenders vorzunehmen. 73 c) Veränderungssperre

Eine wichtige Rechtsfolge der Planauslegung in den Gemeinden ergibt sich nicht aus dem VwVfG, sondern aus den Landesabfallgesetzen. In fast allen Bundesländern wird mit dem Beginn der Auslegung eine Veränderungssperre wirksam, die bewirkt, daß "auf den von dem Plan erfaßten Flächen wesentlich wertsteigernde oder die Errichtung der geplanten Anlage erheblich erschwerende Veränderungen" nicht vorgenommen werden dürfen. 74 Mit dieser Regelung soll verhindert werden, daß durch die Schaffung neuer Tatsachen ein ursprünglich geeigneter Standort nachträglich als ungeeignet erscheinen muß oder gar beanspruchte Grundstücke unerschwinglich werden. Zweifel an der Effektivität dieser Veränderungssperre gründen sich darauf, daß die möglichen Standorte neu zu schaffender oder zu erweiternder Abfallentsorgungsanlagen oft nicht erst mit der Auslegung des konkreten Planvorhabens in der Öffentlichkeit bekannt werden, sondern - entsprechend dem gesetzlichen Modell des § 6 AbfG - bereits in dem Stadium der Aufstellung von Abfallentsorgungsplänen diskutiert werden. Wenn also ein Abfallentsorgungsplan vorhanden ist und dieser auch Standortausweisungen beinhaltet, so kommt eine Veränderungssperre, die erst im Planfeststellungsverfahren eingreift, möglicherweise zu spät. Deshalb erscheinen landesrechtliehe Regelungen sinnvoll, nach denen bereits aufgrund eines Abfallentsorgungsplans Planungsgebiete festgelegt werden können, für die die Veränderungssperre ebenso gilt wie im Planfeststellungsverfahren. 75

5. Erhebung von Einwendungen Die Auslegung ist mindestens eine Woche vor ihrem Beginn ortsüblich, d. h. nach Maßgabe der jeweiligen örtlichen Verhältnisse, bekanntzumachen. 76 Wäh72 Bejahend Meyer, in: Meyer / Borgs, VwVfG, § 72 Rn. 20; Breuer, in: Festschrift für Sendler, S. 357 (367). 73 Gurlit, Die Verwaltungsöffentlichkeit, S. 141. 74 So § 22 Abs. 1 S. 1 nw.LAbfG; übereinstimmend auch § 11 Abs. 1 S. 1 bd.wtt.LAbfG, § 9 Abs.l hess.AbfAG, § 6 brem.AGAbfG, § 7 rh.pf.LAbfG, § 5 schl.h.AG-AbfG. 75 § 11 bd.wtt.LAbfG; Art. 11 Abs. 3 bay.AbfG; § 6 Abs. 6 brem.AGAbfG; § 9 Abs. 3 hess.AbfAG; § 7 Abs. 3 rh.pf.LAbfG; § 14 Abs. 3 saarl.AbfG. 76 Die Bekanntmachung unterscheidet sich insofern von der öffentlichen Bekanntmachung nach § 72 Abs. 2 S. 2 VwVfG oder § 10 Abs. 3 S. 1 BImSchG; vgl. UBA, 1.

Zwischenbericht, S. 59.

III. Anhörungsverfahren

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rend der einmonatigen Auslegungsfrist sowie bis zu zwei Wochen danach kann jeder, dessen Belange berührt werden, Einwendungen gegen den Plan erheben. a) Einwendungsbefugnis Der Begriff der Einwendung i. S. d. § 73 Abs. 4 VwVfG ist grundsätzlich weit auszulegen, so daß damit schon jedes sachliche Gegenvorbringen gegen die geplante Anlage erfaßt ist; 77 es reicht allerdings nicht die schlichte Ablehnung des Vorhabens. Vielmehr muß erkennbar werden, welche Art von Beeinträchtigung für welches Rechtsgut befürchtet wird. 78 Als Einwender kommt nach § 73 Abs. 4 jeder in Betracht, dessen Belange durch das Vorhaben berührt werden. Diese Formulierung entspricht dem bereits dargestellten materiell-rechtlichen Prüfungsmaßstab im Planfeststellungsverfahren. Geltend gemacht werden können also nicht nur eigene Rechte im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO; es handelt sich in Abgrenzung zu dem immissionsschutzrechtlichen Verfahren nach § 10 Abs. 3 BImSchG aber auch nicht um eine echte Popularbeteiligung. 79 Die einzige Eingrenzung des Einwenderkreises erfolgt im Planfeststellungsverfahren durch das Erfordernis, daß eigene Belange berührt werden müssen. Dabei kann es sich um rechtliche, aber auch wirtschaftliche oder ideelle Interessen des privaten Einwenders handeln. 80 Dies bedeutet somit praktisch eine Art Popularbeteiligung innerhalb eines gewissen, im Einzelfall zu bestimmenden Umkreises der Anlage, in dem Einwirkungen vorstellbar sind. 81 Bei der Einwendungsbefugnis von Gemeinden ist hingegen zu beachten, daß diese sich nicht als Sachwalter der Interessen ihrer Einwohner gerieren dürfen. Sie sind beschränkt auf die Geltendmachung ihrer spezifischen kommunalen Belange, wozu neben der Planungsfreiheit als Element des Selbstverwaltungsrechts auch die Wahrung des kommunalen Eigentums zählt. 82 In Frage gestellt wird bisweilen die Einwendungsbefugnis von Naturschutzverbänden. Zum Teil wird diese mit der Begründung verneint, solche Verbände nähmen grundsätzlich nie eigene Interessen wahr, sondern öffentliche oder Drittinteressen. 83 Auch eine Beschränkung auf ihre satzungsmäßigen Aufgaben könne insofern nicht in Betracht kommen, da durch die Aufnahme bestimmter Ziele in Hoppe / Beckmann, Umweltrecht, § 12 Rn. 24. Bender / Sparwasser, Umweltrecht, Rn. 74; Hoppe / Beckmann, Umweltrecht, § 12 Rn. 24; vgl. zum atomrechtlichen Genehmigungsverfahren BVerwGE 60, 297 (300). 79 Unzutreffend Seeliger, vr 1990, 329 (330), der über eine Anwendung der 9. BImSchV eine weitergehende Bürgerbeteiligung verlangt; diese Auffassung beruht allerdings auf einem abweichenden Verständnis der Konzentrationswirkung. 80 Hösel/ von Lersner, § 7 AbfG Rn. 61. 81 Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 220; Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rn. 66. 82 Vgl. Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 223 f. 83 Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rn. 69. 77

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11 Kleinschnillger

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2. Kap.: C. Der Ablauf des Planfeststellungsverfahrens

die Satzung es dann in der Hand des jeweiligen Vereins läge, sich zum Sachwalter öffentlicher Interessen zu machen. 84 Dagegen ist jedoch einzuwenden, daß der Gesetzgeber selbst sich in § 28 BNatSchG i. V. m. mit dem jeweiligen Landesrecht für eine Beteiligung von Naturschutzverbänden entschieden hat, sofern diese nach § 28 Abs. 2 BNatSchG als solche anerkannt sind und ihre satzungsmäßigen Aufgaben betroffen sind. Daraus folgt als logische Konsequenz, daß im Anwendungsbereich des § 28 BNatSchG, der bei Abfallentsorgungsanlagen üblicherweise eröffnet ist, auch eine entsprechende Einwendungsbefugnis besteht. 85 In formeller Hinsicht bestimmt § 73 Abs. 4 S. 1 VwVfG, daß Einwendungen schriftlich oder zur Niederschrift bei der Anhörungsbehörde oder der Gemeinde zu erheben sind. Diese Regelung wird nun durch § 8 a Abs. 5 S. 1 AbfG dahingehend verdrängt, daß Einwendungen der Schriftform bedürfen. Diese Bestimmung gilt jedenfalls für das in Art. 3 des Einigungsvertrags genannte Gebiet, also für die sog. neuen Bundesländer. Auf den ersten Blick scheint diese die Behörden entlastende Verfahrensvereinfachung Teil des Übergangsrechts für die ehemalige DDR zu sein. Dafür spricht ihr historischer Anlaß ebenso wie die systematische Stellung in § 8 a AbfG, der ansonsten Sonderregelungen für die genannten Länder trifft (vgl. § 8a Abs. 1 bis 3 AbfG). Auffällig ist aber die Wortlautabweichung von dem insofern vergleichbaren, gleichfalls neuen § lOa Abs. 3 S. 3 BImSchG, der ebenso nur noch schriftliche Einwendungen zuläßt, dies aber ausdrücklich auf die neuen Bundesländer beschränkt. Hinzu kommt, daß gemäß § 32 AbfG zwar § 8 a Abs. 1 bis 4 AbfG nach der Überleitungszeit am 30. Juni 1992 außer Kraft treten, nicht aber § 8 a Abs. 5 AbfG. Man könnte, nicht zuletzt in Anbetracht der kurzen Entstehungszeit des Einigungsvertragsgesetzes, zunächst an ein Redaktionsversehen denken, bei dem lediglich vergessen wurde, auch den Abs. 5 des § 8 a AbfG nach Ablauf der Übergangszeit außer Kraft treten zu lassen. Dagegen spricht jedoch, daß der Gesetzgeber, hätte er § 8a AbfG insgesamt als Übergangsrecht angesehen, in § 32 AbfG nicht einzelne Absätze hätte aufzählen müssen. In diesem Fall wäre es völlig ausreichend gewesen, auf § 8 a AbfG Bezug zu nehmen, wie es entsprechend in § 74 BImSchG für § 10a BImSchG geschehen ist. Hieraus folgt nunmehr eindeutig, daß der Gesetzgeber das Einigungsvertragsgesetz zum Anlaß genommen hat, auch die Rechtslage für die alten Bundesländer insoweit zu ändern, daß Einwendungen nunmehr nur noch schriftlich erhoben werden können. b) Einwendungsfrist

Nach Ablauf der Einwendungsfrist, die zwei Wochen nach der einmonatigen Auslegungsfrist endet, sind verspätete Einwendungen grundSätzlich ausgeschlossen. Die Behörde kann auf sie eingehen, muß dies nach § 73 Abs. 6 VwVfG aber nicht. Schon vor dem Hintergrund des materiell-rechtlichen Prüfungsmaß84 85

Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rn. 69.

Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 225.

III. Anhörungsverfahren

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stabs ergibt sich, daß dieser Einwendungsausschluß, auch Präklusion genannt, nicht bedeuten kann, daß die Behörde abwägungsrelevante Belange außer Betracht lassen dürfte. 86 Handelt es sich hingegen um einen etwas abseits liegenden Gesichtspunkt, der der Behörde auch bei ordnungsgemäßer eigener Ermittlung des erheblichen Sachverhalts nach Lage der Dinge nicht selbst auffallen muß, so kann sie einen solchen präkludierten Einwand unberücksichtigt lassen. 87 Fraglich ist, ob der Ausschluß sich auf eine formelle Präklusion mit Wirkung lediglich für das Verwaltungsverfahren beschränkt oder ob die verspätete Einwendung auch in einem eventuellen späteren gerichtlichen Verfahren im Sinne einer materiellen Präklusion ausgeschlossen ist. Der Wortlaut des § 73 VwVfG klärt diese Frage nicht, jedoch spricht dieser Umstand eher gegen eine materielle Präklusion, die wegen ihrer einschneidenden Wirkung nicht zuletzt auch für die evtl. betroffenen Grundrechte zwar verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen ist, 88 aber doch einer eindeutigen rechtlichen Grundlage bedürfte. Zudem ist auch schon im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich hervorgehoben worden, daß eine materielle Präklusion im Planfeststellungsverfahren nicht stattfinden sollte. 89 Vielmehr wurde empfohlen, auch verspätete Einwendungen nach Möglichkeit noch zu berücksichtigen. So betrachtet denn auch heute die ganz allgemeine Ansicht den Einwendungsausschluß als auf das Verwaltungsverfahren beschränkt. 90 Daher bietet es sich als Verschleppungstaktik von seiten der Anlagengegner an, die Einwendungen erst nach und nach, möglicherweise erst im gerichtlichen Verfahren vorzubringen. Diese Taktik ist allerdings mit der Gefahr rechtlicher Nachteile verbunden. 91 So könnte sich ein (bewußt) verspätetes Vorbringen von Einwendungen bei der Interessenabwägung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zuungunsten des Einwenders auswirken. Vertretbar erscheint auch die Auffassung, daß derjenige, der sich an dem Erörterungstermin nicht beteiligt hat, keine Verfahrensfehler rügen kann, da er von diesem Verfahren überhaupt nicht betroffen war. Kürzlich hat der VGH Bd. Wtt. in dem Fall, daß Betroffene im Verwaltungsverfahren ausdrücklich jede Mitwirkung verweigert hatten, sogar deutlich von einer "mittelbaren Präklusionswirkung" des Planfeststellungsbeschlusses gesprochen. 92 86 Große Hündfeld, Die Beseitigung rechtlicher Hemmnisse, S. 55; Kügel, Der Planfeststellungsbeschluß, S. 159. 87 Vgl. Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 316. 88 Zu den verfassungsrechtlichen Grenzen der Einführung materieller Präklusionsbestimmungen Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG, Art. 19 IV Rn. 260 f.; kritisch Papier, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG, Art. 14 Rn. 50. 89 So die Begründung zu § 73 VwVfG (= § 69 des Entwurfs); BT-Drs. 7/910, S. 88. 90 Battis, Die Verwaltung 1988, 23 (32); Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § 28 Rn. 64; Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 226. 91 Hösel / von Lersner, § 7 AbfG Rn. 65; Kern, DöV 1989, 932 (934), spricht von einer Quasi-Präklusionswirkung. 92 VGH Bd.Wtt., NVwZ-RR 1991, 129 (135) Flughafen Stuttgart.

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2. Kap.: C. Der Ablauf des Planfeststellungsverfahrens

IV. Erörterungstermin Nach Ablauf der Einwendungsfrist hat die Anhörungsbehörde den Erörterungstermin 93 ortsüblich bekanntzumachen (§ 73 Abs. 6 S. 2 VwVfG). Darüber hinaus hat sie die beteiligten Behörden, den Antragsteller sowie diejenigen, die fristgemäß von ihrem Einwendungsrecht Gebrauch gemacht haben, persönlich zu benachrichtigen. Allerdings besteht ab einer Einwenderzahl von 300 Personen nach § 73 Abs. 6 S. 4 VwVfG die Möglichkeit, statt einer individuellen Benachrichtigung den Termin öffentlich bekanntzumachen,94 d. h. in dem amtlichen Verkündungsblatt der Anhörungsbehörde und, was wohl praktisch wichtiger ist, in den örtlichen Tageszeitungen der berührten Gemeinden. Mit dieser Vorgehensweise ist zwar die Gefahr verbunden, daß ein Einwender im Einzelfall doch nicht von dem Termin erfahrt; sie erscheint allerdings dennoch akzeptabel, weil diese Vereinfachung angesichts der Schwerfälligkeit von Massenverfahren durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist und den Betroffenen nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt. 95 Die Durchführung des Erörterungstermins hat die Vorgaben des § 73 Abs. 6 S. 6 i. V. m. § 68 VwVfG zu beachten. Danach hat eine nicht öffentliche mündliche Verhandlung stattzufinden, an der neben den Behörden und dem Antragsteller auch die Einwender, soweit sie zu der Einwendung auch befugt sind, 96 teilnehmen. Die Behörde kann aber auch verspätete Einwendungen zulassen (§ 73 Abs.6 S. 1 VwVfG). Nach § 67 Abs. 3 VwVfG hat die Behörde das Verfahren so weit vorzubereiten, daß möglichst ein Termin zu Erörterung ausreicht. In der Praxis wird dies allerdings insbesondere bei der Neuerrichtung von Abfallentsorgungsanlagen kaum möglich sein. Der Verfahrensablauf weist gewisse Ähnlichkeiten mit gerichtlichen Verfahren auf,97 so hat der Verhandlungsleiter, d. h. der Leiter der Anhörungsbehörde oder ein von ihr Beauftragter,98 die Erörterung zu führen; er hat beispielsweise darauf hinzuwirken, daß die Verhandlungsteilnehmer sachdienliche Anträge stellen. Außerdem übt er das Ordnungsrecht aus (§ 68 Abs. 3 VwVfG). Die Verfahrensförderungspflicht der Behörde und die Pflicht, den Einwendern rechtliches Gehör und damit ein Rederecht zu gewähren, stehen oftmals in Konkurrenz zueinander. Es stellt sich daher nicht selten die Frage, ob und wie das Rederecht sachdienlich im Interesse einer effektiven Verfahrensgestaltung begrenzt werden kann. Berücksichtigt man den Stellenwert des Äußerungsrechts möglicher Betroffener im Hinblick auf Art. 103 Abs. 1 GG, der sinngemäß auch 93 94 95 96 97 98

Dazu ausführlich Büllesbach/Diercks, DVBl.1991, 469ff. Weitergehend jetzt aber § 8a Abs. 5 S. 2 AbfG. Vgl. BVerfGE 61, 82 (114 ff.); Battis, Die Verwaltung 1988,23 (24). Hösel/ von Lersner, § 7 AbfG Rn. 71. Ronellenfitsch, VerwArch 1989,92 (101). Hösel/ von Lersner, § 7 AbfG Rn. 81.

IV. Erörterungstennin

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für Verwaltungsverfahren Geltung beansprucht (§ 28 VwVfG), und zieht man weiterhin in Betracht, daß die planerische Gestaltungsfreiheit eine vollständige gerichtliche Inhaltskontrolle des Planfeststellungsbeschlusses ausschließt, so wird deutlich, daß das Rederecht eines Einwenders nur in Grenzfällen eingeschränkt werden kann, beispielsweise dann, wenn ein evidenter Mißbrauch der Redezeit etwa für allgemein politische Äußerungen oder zum alleinigen Zweck der Verfahrensverzögerung (sog. Filibustern)99 vorliegt. Eine grundsätzliche Begrenzung der Redezeit erscheint demgegenüber im Hinblick auf die technische Komplexität von derartigen Großvorhaben und die daraus resultierenden Darstellungsprobleme schon fraglich. \00 Vor allem bei Äußerungen von Sachverständigen, die ihre Bedenken im Auftrag von Bürgerinitiativen darlegen, dürfte eine Beschränkung der Redezeit regelmäßig ausgeschlossen sein. 10\ Jedenfalls kann nicht schon im Erörterungsverfahren eine Unterscheidung von sinnvollen und eher unsinnigen Einwendungen vorgenommen werden. \02 Die Schwierigkeiten der Gestaltung des Erörterungstermins liegen vielfach aber nicht im rechtlichen, sondern im organisatorischen Bereich. Insoweit ist die Situation inzwischen schon fast mit den Problemen bei der Genehmigung von Kernkraftwerken zu vergleichen. So mußten beispielsweise im Planfeststellungsverfahren für das Müllheizkraftwerk Weißenhorn im Landkreis Neu-Ulm 27.000 Einwendungen bewältigt werden; die Erörterung nahm ganze 18 Tage in Anspruch. \03 Die zügige und rechtsfehlerfreie Durchführung der mündlichen Verhandlung ist daher wesentlich davon abhängig, wie gut die Anhörungsbehörde den Termin vorbereitet. \04 Dazu gehören nicht nur die Auswahl eines genügend großen Raumes, die notwendige technische Ausstattung und die Bereitstellung ausreichenden Personals für Einlaßkontrollen und sonstige Ordnungsdienste; 105 wichtig ist vor allem auch die fachliche Vorbereitung der Verhandlungsführung. Dies setzt eine sachliche Gliederung nach Einwendungsschwerpunkten voraus, die angesichts der zu erwartenden Masseneinwendungen kaum anders als mit den Mitteln der elektronischen Datenverarbeitung zu bewältigen sein dürfte; eine solche ist aber anscheinend noch nicht bei allen Behörden verfügbar. \06

99 Hösel / von Lersner, § 7 AbfG Rn. 79.

Bejahend aber Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 227. Seeliger, vr 1990, 329 (332). 102 Hösel/ von Lersner, § 7 AbfG Rn. 70. 103 UBA, 2. Zwischenbericht, S. 18. 104 UBA, 3. Zwischenbericht, S.69; ausführlich Büllesbach/Diercks, DVBI. 1991, 469 ff. 105 Vgl. auch UBA, 2. Zwischenbericht, S. 19. 106 UBA, 3. Zwischenbericht, S. 62. \00

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2. Kap.: C. Der Ablauf des Planfeststellungsverfahrens

v. Entscheidung über den Planfeststellungsbeschluß 1. Zuständige Behörde Nach dem gesetzlichen Modell des § 73 Abs. 9 VwVfG gibt die Anhörungsbehörde eine Stellungnahme ab, die sodann der für die Entscheidung zuständigen Planfeststellungsbehörde zugeleitet wird. Wie bereits dargelegt, haben sich jedoch alle Länder gegen die Aufteilung der Behördenzuständigkeiten entschieden, so daß diese Vorschrift de facto gegenstandslos ist. \07

2. Rechtswirkungen des Planfeststellungsbeschlusses Aufgrund der nach dem Anhörungsverfahren nunmehr vorliegenden Informationen entscheidet schließlich die Behörde über die Feststellung des Plans. Die Entscheidung ist dem Träger des Vorhabens und den Einwendem, über deren Einwendungen entschieden worden ist, zuzustellen. Außerdem ist entsprechend der Öffentlichkeitsbeteiligung im Anhörungsverfahren eine Ausfertigung des Beschlusses in den betroffenen Gemeinden öffentlich auszulegen (§ 74 Abs.4 VwVfG). Zudem kann im Falle eines Massenverfahrens, d. h. wenn mehr als 300 individuelle Zustellungen erforderlich wären, die Behörde sich für eine öffentliche Bekanntmachung des Planfeststellungsbeschlusses entscheiden (§ 74 Abs. 5 VwVfG). Die Rechtswirkungen des Planfeststellungsbeschlusses sind in § 75 Abs. 1 VwVfG beschrieben. a) Genehmigungswirkung

Durch die Gestattungs- oder Genehmigungswirkung nach § 75 Abs.l S.I, 1. Hs. VwVfG wird die Zulässigkeit des Vorhabens einschließlich der notwendigen Folgemaßnahmen \08 festgestellt. Dies bedeutet, daß das ursprüngliche Verbot der Errichtung oder wesentlichen Änderung von Abfallentsorgungsanlagen aufgehoben wird. b) Konzentrationswirkung

Die Konzentrationswirkung nach § 75 Abs. 1 S. 1,2. Hs. VwVfG führt dazu, daß andere behördliche Erlaubnisse, Genehmigungen oder auch Planfeststellungen neben der abfallrechtlichen Planfeststellung nicht erforderlich sind. Wie Hösel / von Lersner, § 7 AbfG Rn. 91. Zur Problematik der Folgemaßnahmen vgl. BVerwG, NuR 1990, 108 (109); Bartels, Abfallrecht, S. 96. \07 \08

V. Entscheidung über den Planfeststellungsbeschluß

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bereits ausgeführt, handelt es sich hierbei um eine ausschließlich auf das Verfahren beschränkte Zuständigkeitskonzentration, die die zwingenden Vorschriften der einschlägigen Fachgesetze unberührt läßt. 109 c) Gestaltungswirkung

Die Gestaltungswirkung des Planfeststellungsbeschlusses wird durch § 75 Abs. 1 S. 2 VwVfG dahin gehend beschrieben, daß die öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger des Vorhabens und den durch den Plan Betroffenen rechtsgestaltend geregelt werden. Das bedeutet zugleich, daß die privaten Eigentümer, deren Grundstücke für das planfestgestellte Projekt in Anspruch genommen werden sollen, die nachfolgende Enteignung im Interesse des Wohls der Allgemeinheit hinzunehmen haben. 110 Hinsichtlich des Regelungsgehalts der Entscheidung ist zu differenzieren zwischen den Feststellungen, die der Planfeststellungsbeschluß beinhaltet und solchen, die er nicht beinhaltet. Wird dem Vorhabenträger eine Auflage gemacht, die dem Schutz eines Betroffenen dient, so erwirbt dieser durch den gestaltenden Teil des Planfeststellungsbeschlusses einen eigenen öffentlich-rechtlichen Anspruch gegen den Antragsteller auf Erfüllung dieser Auflage. 111 Handelt es sich um eine Anlage in öffentlicher Trägerschaft, so begründen die Schutzauflagen sogar Amtspflichten i. S. v. § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG zum Schutz der durch die Auflage Begünstigten. \12 Allerdings sind die Feststellungen des Beschlusses als abschließend zu verstehen. Das bedeutet, daß für jede Schutzauflage, die in dem Planfeststellungsbeschluß nicht angeordnet ist, rechtsgestaI'iend festgestellt wird, daß diese nicht erforderlich ist. \13 Entsprechendes gilt im Falle des § 8 Abs. 4 AbfG, wenn es nicht um Schutzauflagen, sondern um eine Entschädigung in Geld geht. 114 Der Betroffene ist daher gezwungen, den Planfeststellungsbeschluß rechtzeitig anzufechten. Nur in Ausnahmefällen gewährt die Rechtsprechung einen Entschädigungsanspruch, wenn der Primärrechtsschutz ohne eigenes Verschulden unterblieben ist. 115

Im einzelnen siehe oben 2. Kap. B. 11. 8. a). Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 342; zur enteignungsrechtlichen Vorwirkung auch Bonk, in: Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfO, § 75 Rn. 15. 111 Johlen, DVBI. 1989, 287 (288). \12 BOHZ 97, 97 (102 f.); Johlen, DVBI. 1989, 287 (288). \13 Johlen, DVBI. 1989, 287 (288); Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 238. 114 Johlen, DVBI. 1989, 287 (289). 115 BOHZ 90, 17 (31 ff.); BOHZ 97, 114 (120 ff.); zur Diskussion um das Fortbestehen des enteignungsgleichen Eingriffs siehe auch oben 2. Kap. B. 11. 5. b) bb). 109

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2. Kap.: C. Der Ablauf des Planfeststellungsverfahrens

d) Ausschluß- oder Duldungswirkung

Mit der Ausschlußwirkung nach § 75 Abs. 2 VwVfG wird verhindert, daß ein Betroffener nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses privatrechtliehe Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche gegen das Vorhaben geltend machen kann. 116 Im Verhältnis zu den beteiligten Behörden sichert die Ausschlußwirkung dem Betreiber auch einen Bestandsschutz gegenüber öffentlich-rechtlichen Sanktionen. 117 Diese strenge Rechtswirkung des Planfeststellungsbeschlusses wird indessen durch § 75 Abs. 2 S. 2 und 3 VwVfG wiederum abgeschwächt. Im Falle unvorhersehbarer Auswirkungen des Vorhabens können dennoch nachträgliche Schutzmaßnahmen verlangt werden. Allerdings bewirkt der Bestandsschutz einer einmal rechtmäßig errichteten und in Betrieb genommenen Anlage, daß unter bestimmten Voraussetzungen statt dessen auch eine Entschädigung in Geld gewährt werden kann.

VI. Planänderungen Nicht selten wird sich die Notwendigkeit ergeben, den ursprünglich erarbeiteten Plan nachträglich zu ändern, sei es infolge neuer Erkenntnisse oder tatsächlicher Veränderungen. Von Bedeutung ist daher die Frage, ob eine Planänderung die Wiederholung der bisherigen Verfahrensschritte notwendig macht. Zu unterscheiden sind in diesem Zusammenhang Änderungen vor und nach Erlaß des Planfeststellungsbeschlusses.

1. Planänderungen vor Erlaß des Planfeststellungsbeschlusses Soll ein Plan bereits im laufenden Planfeststellungsverfahren geändert werden, so ist § 73 Abs.8 VwVfG anwendbar. Danach sind nur solche Änderungen relevant, die den Aufgabenbereich einer Behörde oder die Belange Dritter erstmalig oder stärker als bisher berühren; sie müssen diesen Betroffenen dann mitgeteilt werden. Aber nur selten wird sich ein genauer Kreis der Betroffenen bestimmen lassen. Daher könnte man annehmen, daß die Planänderung regelmäßig auf eine erneute Auslegung hinauslaufen müßte, wie dies auch der Fall ist, wenn infolge der Änderung eine Gemeinde betroffen wird, in der der Plan noch nicht ausgelegt worden ist. Indessen ist mit der Regelung des § 73 Abs. 8 VwVfG gerade das Gegenteil bezweckt. Wäre der Normalfall die erneute Auslegung des Plans, so hätte es dazu keiner gesetzlichen Normierung bedurft. § 73 Abs. 8 VwVfG will 116 Ausgenommen sind aber Unterlassungsansprüche, die auf vertraglichen, zivilrechtlichen Rechtstiteln beruhen; Bonk, in: Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 75 Rn. 23. 117 Busch, in: Knack, VwVfG, § 75 Anm. 5.1.

VI. Planänderungen

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hingegen ein vereinfachtes Verfahren ennöglichen, 118 indem es der Behörde erlaubt wird, flexibel mit Verbesserungen des Plans umzugehen, z. B. wenn die Änderungen schon Reaktionen auf Erkenntnisse darstellen, die im Anhörungsverfahren gewonnen worden sind. Deshalb brauchen weitläufige Auswirkungen der Änderungen auf das gesamte Interessengeflecht für die Entscheidung über eine erneute Auslegung keine Rolle zu spielen. 119 Lediglich diejenigen Dritten, die von der Änderung unmittelbar betroffen werden, sind (erneut) zu beteiligen. 120

2. Planänderungen nach Erlaß des Planfeststellungsbeschlusses Soll jedoch ein bereits festgestellter Plan geändert werden, bevor das Vorhaben fertiggestellt ist, so ist § 76 VwVfG zu beachten. Danach ist grundsätzlich ein vollständig neues Planfeststellungsverfahren durchzuführen, es sei denn, es handelt sich um eine Planänderung von unwesentlicher Bedeutung i. S. d. § 76 Abs. 2 VwVfG.121 Voraussetzung hierfür ist, daß die Belange anderer nicht berührt werden oder die Betroffenen der Änderung zustimmen, was selten der Fall sein dürfte. Es stellt sich nunmehr die Frage, wie der Begriff der wesentlichen Änderung zu verstehen ist, insbesondere wie der Anwendungsbereich des § 76 VwVfG von dem des § 7 Abs. 2 AbfG abzugrenzen ist. Im Planfeststellungsrecht werden als unwesentliche Änderungen üblicherweise solche Änderungen angesehen, die Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis nach Struktur und Inhalt nicht berühren. 122 Eine bloße Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um zusätzliche Schutzauflagen stellt i. d. R. eine unwesentliche Änderung dar. 123 Die wesentliche Änderung i. S. d. § 7 Abs. 2 AbfG ist hingegen so definiert worden, daß die neue Maßnahme von der ursprünglichen Planfeststellung nicht mehr umfaßt ist. Doch auch hierfür ist ein Rückgriff auf die entscheidenden Abwägungsaspekte unentbehrlich. Deshalb kann festgestellt werden, daß trotz des unterschiedlichen begrifflichen Hintergrunds der Anwendungsbereich üblicherweise identisch sein dürfte. Dann fragt sich aber, ob für wesentliche Änderungen das abfallrechtliche Genehrnigungsverfahren ausreicht, oder ob ein erneutes Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden muß. Insoweit spricht schon die Spezialität des Fachgesetzes für einen Vorrang der abfallrechtlichen Regelung. 124 Hinzu kommt das 118 Hösel / von Lersner, § 7 AbfG Rn. 86 f. 119 BVerwG, UPR 1989,431 (432). 120 Zum Ganzen Kuschnerus, DVBI. 1990,235 ff. 121 Infolge einer solchen einfachen Änderung entsteht ein einziger Plan in der durch den Änderungsbeschluß erreichten Gestalt; BVerwGE 61, 307 (308 f.). 122 BVerwG, DVBI. 1990,419 (420) zu § 18c BFStrG (a. F.). 123 BVerwG, DVBI. 1990, 419 (421). 124 Große Hündfeld, Die Beseitigung rechtlicher Hemmnisse, S. 44; Hösel / von Lersner, § 7 AbfG Rn. 116; Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 7 Rn. 38; Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 218.

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2. Kap.: C. Der Ablauf des Planfeststellungsverfahrens

teleologische Argument, daß es nicht Sinn der gesetzlichen Bestimmungen sein kann, für Änderungen vor Fertigstellung des Vorhabens strengere Voraussetzungen aufzustellen als für Änderungen nach Fertigstellung. 125 Deshalb kann trotz § 76 VwVfG bei wesentlichen Änderungen ein Plangenehmigungsverfahren durchgeführt werden.

VII. Verhältnis der abfallrechtlichen Planfeststellung zu anderen Fachplanungsverfahren Durch § 78 VwVfG wird das Konkurrenzverhältnis bei dem Zusammentreffen von mindestens zwei planfeststellungsbedürftigen Tatbeständen geregelt. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 78 VwVfG ist, daß nicht schon im Wege der Konzentrationswirkung das eine Verfahren das andere mit umfaßt. 126 Es darf also nicht ein Verfahren als Veranlasser des anderen erscheinen, denn dann würde der Planfeststellungsbeschluß nach § 75 VwVfG auch die Folgemaßnahmen einbeziehen. So wäre es etwa, wenn für den Bau einer Abfallentsorgungsanlage die Umlegung einer Straße nötig wird. 127 Liegt nun aber ein echtes Zusammentreffen zweier selbständiger Vorhaben vor, dann wird nur ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt, und zwar dasjenige, das den größeren Kreis öffentlich-rechtlicher Beziehungen berührt. Maßgeblich ist insoweit nicht lediglich die Anzahl der Betroffenen, sondern die Anzahl der einzubeziehenden Schutzgüter und Interessen. 128

VIII. Drittschützender Gehalt der Verfahrensvorschriften Wie bei den materiell-rechtlichen Zulassungsvoraussetzungen des abfallrechtlichen Planfeststellungsverfahrens stellt sich auch im Hinblick auf das einzuhaltende Verfahren die Frage, ob betroffene Dritte im Rahmen einer etwaigen Klage Verfahrensmängel mit Erfolg rügen können. Zwar führt auch ein schlichter Verfahrensfehler zur Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses; die Aufhebung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts kann aber nach § 113 Abs .. l S. 1 VwGO nur dann verlangt werden, wenn der Kläger durch diesen Verfahrensfehler in seinen Rechten verletzt ist. 129 Entscheidend ist mithin wiederum, ob die Verfahrensnormen einen drittschützenden Gehalt aufweisen, d. h. zumindest auch den Interessen des jeweiligen Klägers zu dienen bestimmt sind. 130 125 Appold/ Beckmann, VerwArch 1990,307 (321); Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 218. 126 Barteis, Abfallrecht, S. 97. 127 Hösel / von Lersner, § 7 AbfG Rn. 120. 128 Vgl. Bonk, in: Stelkens/Bonk/ Leonhardt, VwVfG, § 78 Rn. 9; Busch, in: Knack, VwVfG, § 78 Anm. 5. 129 BVerwG, NIW 1982, 1546 (1548); Hoppe / Beckmann, Umweltrecht, § 13 Rn. 96.

VIII. Drittschützender Gehalt der Verfahrensvorschriften

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Fraglich ist somit, welchem Zweck die aufwendige Behörden- und Bürgerbeteiligung im Planfeststellungsverfahren dient. Sicherlich ist ein Ziel des Anhörungsverfahrens darin zu sehen, daß die Behörde die umfassenden Informationen sammeln kann, die sie für eine rechtmäßige, die rechtlichen Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit beachtende Abwägung benötigt. Daneben dient das Verfahren aber auch dazu, den Betroffenen rechtliches Gehör für ihre Bedenken gegen das Projekt zu gewähren, damit deren abwägungsrelevante Belange sachgerecht einbezogen werden können. 131 Hinzu kommt, daß nur auf diese Weise die Betroffenen Gelegenheit bekommen, auf für die Behörde nicht ohne weiteres erkennbare Wirkungszusammenhänge hinzuweisen. Das Anhörungsverfahren dient damit beiden Zwecksetzungen zugleich, der Behördeninformation und der Gewährung rechtlichen Gehörs für die Betroffenen. 132 Ob das Anhörungsverfahren, an dem nicht ausschließlich tatsächlich Betroffene, sondern zum Teil auch sonstige Einwender beteiligt werden, 133 daneben auch als Instrument zur Verbesserung der demokratischen Legitimation behördlicher Entscheidungen angesehen werden sollte, erscheint vor dem Hintergrund des repräsentativen Demokratieverständnisses des GG zweifelhaft, denn es gibt keine verfassungsrechtliche Rechtfertigung für eine solche Abweichung von den demokratisch legitimierten Entscheidungszuständigkeiten. 134 In. der Praxis kann ein informatives und offen durchgeführtes Anhörungsverfahren jedoch zu einer Erhöhung der Akzeptanz bei den Betroffenen beitragen. 135 Wichtig ist jedenfalls, daß die Beteiligungsvorschriften lediglich der Beteiligung am Entscheidungsverfahren, nicht hingegen an der Entscheidung selbst dienen. 136 Das BVerfG hat in seinem Mülheirn-Kärlich-Beschluß 137 mit aller Deutlichkeit betont, daß Verfahrensbestimrnungen auch eine grundrechts sichernde Funktion haben, d. h. daß ein rechtmäßiges Verfahren eine wichtige Voraussetzung für die richtige Anwendung des materiellen Rechts ist. 138 Dieser Gedanke gilt aus 130 Gegen die Einhaltung des (immissionsschutzrechtlichen) Verfahrens "um seiner selbst willen" BVerwG, DVBl. 1991, 381 (383); vgl. auch BVerwG, UPR 1989, 24 (25); BVerwG, NJW 1982, 1546 (1548); BVerwGE 61, 256 (275); Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 399. l3l Ibler, Die Schranken planerischer Gestaltungsfreiheit, S. 126. 132 Gurlit, Die Verwaltungsöffentlichkeit, S. 86; Hösel / von Lersner, § 7 AbfG Rn. 69; Ibler, DVBl. 1989, 639 (646); zustimmend Wahl, NVwZ 1990, 426 (431); allgemein zur Funktion des Erörterungstermins Büllesbach/Diercks, DVBl. 1991, 469 (470). 133 Zur weiten Handhabung der Einwendungsbefugnis im Planfeststellungsverfahren siehe oben 2. Kap. C. III. 5. a). 134 Kritisch zu fortschreitenden Partizipationstendenzen Stern, Staatsrecht, Band 1, S. 967 ff., insbes. S. 972; vgl. auch Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, S. 116 ff. 135 Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § 12 Rn. 14. 136 Ipsen, VVDStRL 48 (1990), 177 (196). 137 BVerfGE 53,30 (62 ff.); Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 24 ff. 138 In diesem Sinne auch BVerwG, DVBl. 1990, 593 (594).

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2. Kap.: C. Der Ablauf des Planfeststellungsverfahrens

verfahrensökonomischen Erwägungen, wie § 46 VwVfG deutlich macht, zwar nicht für gebundene Entscheidungen, die mit einem Verfahrensfehler behaftet sind, aber materiell-rechtlich nicht anders hätten ausfallen dürfen. 139 Anders verhält es sich hingegen, wenn die Behördenentscheidung nicht vollständig justitiabel ist, sei es, daß ein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum besteht oder daß die Behörde planerische Gestaltungsfreiheit ausübt. 140 Daraus läßt sich schließen, daß diejenigen Verfahrensfehler für die Anfechtungsklage beachtlich sind, die sich auf die Rechtsposition des Klägers ausgewirkt haben können, 141 d. h. im Planfeststellungsverfahren: die zu einer unzureichenden Berücksichtigung der abwägungsrelevanten Belange des klage willigen Dritten geführt haben können. Drittschützende Normen sind im Planfeststellungsrecht also solche Vorschriften, die dazu dienen, die berechtigten Belange des jeweiligen Klägers mit dem ihnen zustehenden Gewicht in die Abwägungsentscheidung einfließen zu lassen. An dieser Beziehung zu den zugrundeliegenden materiellrechtlichen Rechtspositionen fehlt es hingegen, wenn der Verfahrensfehler gleichwohl ohne Auswirkung geblieben ist, etwa weil der Betroffene trotz fehlender oder fehlerhafter Bekanntmachung dennoch die für ihn wichtigen Informationen erhalten hat und deshalb fristgerecht seine Einwendungen vorbringen konnte. 142 Im Hinblick auf den häufigen Fall von Klagen privater Nachbarn der Anlage ist daher die Gewährung rechtlichen Gehörs im Erörterungsverfahren als drittschützend anzuerkennen. 143 Eingeschlossen ist als notwendige Voraussetzung der Beteiligung die ordnungsgemäße Bekanntmachung und Auslegung des Plans. Verfahrensfehler bei der Beteiligung anderer Behörden erscheinen dagegen nicht rügefähig, da sie allein der Wahrung öffentlicher Interessen zu dienen bestimmt sind. 144 Allerdings ist unter Rückgriff auf die materiellen Prüfungsgesichtspunkte daran zu erinnern, daß der von einer Enteignung betroffene Grundeigentümer diesen Eingriff nur dann zu dulden hat, wenn er insgesamt rechtmäßig ist, also auch die relevanten öffentlichen Interessen zutreffend berücksichtigt; 145 dementsprechend muß der Drittschutz von Verfahrensvorschriften in bezug auf Enteignungsbetroffene ebenfalls weiter ausgelegt werden. 146 139 Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 22; kritisch Wahl, NVwZ 1990,426 (431); Steinberg, Das Nachbarrecht, Kap. III Rn. 111 f. 140 Vgl. Burmeister, Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 1988, 121 (123 ff.); Hoppe / Beckmann, Umweltrecht, § 13 Rn. 90. 141 BVerwG, NJW 1983, 1507 (1508) zu § 10 BImSchG. 142 OVG Lüneburg, DVBI. 1979, 195 (196); vgl. auch Seeliger, vr 1990, 329 (335); Breuer, in: Festschrift für Sendler, S. 357 (384). 143 Gurlit, Die Verwaltungsöffentlichkeit, S. 86; Hösel / von Lersner, § 7 AbfG Rn. 52; einschränkend Breuer, in: Festschrift für Sendler, S. 357 (386 f.). 144 Hösel / von Lersner, § 7 AbfG Rn. 52; Bonk, in: Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 73 Rn. 20. 145 BVerwGE 67, 74 (76 f.). 146 Ihler, DVBI. 1989, 639 (646).

VIII. Drittschützender Gehalt der Verfahrensvorschriften

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Problematisch ist hingegen, ob auch ein Naturschutzverband, der nach § 29 BNatSchG hätte beteiligt werden müssen, den Planfeststellungsbeschluß wegen fehlender und unzureichender Beteiligung anfechten kann. 147 Damit ist nicht die altruistische Geltendmachung öffentlicher Belange gemeint, wie sie nur eine landesrechtliche Einführung der Verbandsklage eröffnen kann, sondern die Geltendmachung eines eigenen Rechts auf Beteiligung. 148 Ob ein solches subjektives Recht des Verbands existiert, hängt nach der Schutznormtheorie davon ab, ob die Beteiligungsvorschrift zumindest auch im Interesse der dadurch begünstigten Verbände besteht. 149 Diese Frage ist nach wie vor umstritten. Offenbar läßt sich die Beteiligung von Naturschutzverbänden im Planungsverfahren weder eindeutig der Behördenbeteiligung, die öffentlichen Interessen dient, noch der Betroffenenbeteiligung zuordnen, die vorwiegend privaten Interessen dient. Öffentliche Belange des Naturschutzes können allerdings jedenfalls von der zuständigen Naturschutzbehörde geltend gemacht werden. Doch die anerkannten Naturschutzverbände müssen neben einer kontinuierlichen Arbeit auch ein gewisses Maß an Sachverstand gewährleisten, so daß die Verbandsbeteiligung in die Nähe einer "Sachverstands-Partizipation" gerückt ist. ISO Dieser Umstand spricht dafür, daß die Verbandsbeteiligung eher einem subjektiven Interesse des Naturschutzverbands ähnelt. Außerdem läßt auch der Wortlaut des § 29 BNatSchG auf ein echtes Beteiligungsrecht des Verbands schließen. 151 Es erscheint allerdings inkonsequent, wenn dem Verband eine subjektives Recht auf Beteiligung zuerkannt wird, ein eventueller Verstoß gegen dieses Verfahrensgebot jedoch sanktionslos bleiben sollte. 152 Daher sollte i. E. die Klagebefugnis eines rechtswidrig von dem Verfahren ausgeschlossenen Verbands bejaht werden. 153 Klagt indessen eine Gemeinde gegen einen verfahrensfehlerhaften Planfeststellungsbeschluß, so können als drittschützend nur die Bestimmungen qualifiziert werden, die der Durchsetzung der berechtigten Interessen der Gemeinde, nämlich in erster Linie dem Schutz der Selbstverwaltungsfreiheit, dienen. 154 Der erweiterte Schutz, der aus dem Grundrecht des Art. 14 GG resultiert, kann der Gemeinde hingegen nicht zustehen. ISS 147 Verneinend VG Saarlouis, NuR 1987,39; Kügel, Der Planfeststellungsbeschluß, S.224. 148 Ausführlich Waskow, Mitwirkung von Naturschutzverbänden, S. 39 f. 149 Bejahend HessVGH, NVwZ 1988, 1040 unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung, vgl. HessVGH, NVwZ 1982, 689 (690); Beckmann, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz, S. 177 f. 150 Waskow, Mitwirkung von Naturschutzverbänden, S.46; ähnlich BVerwG, DVBI. 1991,214 (216). 151 Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 451. 152 So aber VGH Bd.Wtt., NVwZ 1988, 1039; Redeker/von Oertzen, VwGO, § 42 Rn. 25. 153 So jetzt BVerwG, DVBI. 1991,214 (215 f.); vgl. auch Waskow, Mitwirkung von Naturschutzverbänden, S. 82 f. 154 Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 27; offen gelassen von VGH Bd.Wtt., NVwZ 1990,487 (488).

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2. Kap.: C. Der Ablauf des Planfeststellungsverfahrens

Die Bedeutung von Verfahrensfehlern wird allerdings durch § 44a VwGO relativiert. Danach können Verfahrensfehler nur zusammen mit der Fehlerhaftigkeit der Sachentscheidung selbst gerügt werden. Betroffen sind also all jene, die als Betroffene auch gegen den Planfeststellungsbeschluß selbst klagen könnten. Sinn dieser Vorschrift ist es, die Behörde von unnützen Rechtsstreitigkeiten zu entlasten; statt dessen soll sie sich auf die Sachentscheidung konzentrieren 156 und nur diese schließlich vor Gericht verteidigen müssen. 157 Dies erscheint jedoch zweifelhaft, wenn ein Verfahrensfehler zugleich eine materiell-rechtliche Position des Betroffenen berührt, z. B. durch die rechtswidrige Verweigerung der Akteneinsicht. 158 Vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Gebots zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes erscheint daher die Ansicht vorzugswürdig, nach der abweichend von § 44a S. 1 VwGO und in sinngemäßer Entsprechung zu § 44a S. 2 VwGO Rechtsschutz gegen einen Verfahrensfehler schon dann möglich ist, wenn anderenfalls ein Zuwarten für den Betroffenen unzumutbar ist und Auswirkungen auf die Sachentscheidung wahrscheinlich sind. 159

Vgl. VGH Bd.Wtt., NVwZ 1990,487 (488). Finkeinburg / Jank, Vorläufiger Rechtsschutz, Rn. 132. 157 OVG Rh.Pf., NVwZ 1988, 76 f.; Eyermann / Fröhler, VwGO, § 44 a Rn. 1. 158 Finkelnburg / Jank, Vorläufiger Rechtsschutz, Rn. 134; vgl. auch Redeker / von Oertzen, VwGO, § 44a Rn. 3a. 159 So Finkelnburg / Jank, Vorläufiger Rechtsschutz, Rn. 135 m. w. N. 155

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D. Rechtsschutzfragen Nachdem nunmehr die materiell- und verfahrensrechtlichen Aspekte des abfallrechtlichen Planfeststellungsverfahrens dargestellt sind, ist abschließend auf Fragen des Rechtsschutzes einzugehen. Zwar steht der zivilrechtliehe Nachbarschutz gegen umweltbelastende Anlagen grundsätzlich gleichberechtigt neben dem öffentlich-rechtlichen Rechtsschutz; I doch nicht zuletzt wegen der von dem bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluß ausgehenden Duldungswirkung liegt der praktische Schwerpunkt ganz eindeutig bei dem Verwaltungsrechtsweg,2 da die Anlage nach Ablauf der Klagefrist nicht mehr aus Gründen des zivilrechtlichen Nachbarschutzes angreifbar ist.

I. Rechtsschutz Dritter gegen die Erteilung des Planfeststellungsbeschlusses Gerade bei der Realisierung technischer Großvorhaben wie z. B. Abfallentsorgungsanlagen ist eine Klageerhebung durch betroffene Dritte mittlerweile nahezu selbstverständlich und bei der Zeitplanung des Vorhabenträgers schon von Anfang an einzukalkulieren. Eben aus diesem Grund muß es als Aufgabe des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes angesehen werden, einerseits durch sachlich nachvollziehbare und gerechte Entscheidungen tatsächlich eine Befriedung des bestehenden Konflikts zwischen Anlagenbetreibern und -gegnern zu ermöglichen und andererseits dies in einer Zeitspanne zu bewältigen, die die Verwirklichung des Plans nicht bereits aus ökonomischen Gründen sinnlos macht. Leider aber dauern die Verfahren um politisch umstrittene und technisch komplexe Vorhaben oftmals besonders lang. Ein Grund dafür liegt darin, daß der Rechtsschutz in der Hauptsache, der regelmäßig zu spät käme, um die Schaffung vollendeter Tatsachen zu verhindern, in der praktischen Bedeutung weit hinter den vorläufigen Rechtsschutz zurückgetreten ist. Im Interesse einer besseren Verständlichkeit soll hier dennoch zunächst auf die rechtlichen Aspekte des Hauptsacheverfahrens eingegangen werden.

Hoppe / Beckmann, Umweltrecht, § 11 Rn. 29. Zu den Rechtsfragen bei der Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses durch die Behörde nach § 77 VwVfG und dessen Verhältnis zu den §§ 48,49 VwVfG: Grupp, DVBI. 1990, 81 ff. I

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2. Kap.: D. Rechtsschutzfragen

1. Hauptsacheverfahren

Zu unterscheiden ist zunächst nach dem möglichen Ziel von Klagen Dritter. In der Regel werden die Klagen gegen die Verwirklichung des Vorhabens an sich gerichtet sein. Wegen der Eigenschaft des Planfeststellungsbeschlusses als Verwaltungsakt ist insoweit die Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO die statthafte Klageart. Als Klageziel kommt allerdings auch die Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um rechtlich notwendige, aber fehlende Schutzauflagen in Betracht (vgl. § 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AbfG und allgemein § 74 Abs. 2 VwVfG). Folgt man insofern der Rechtsansicht des BVerwG, so ergeben sich zwei Rechtsschutzmöglichkeiten. Entweder ist die fehlende Nebenbestimmung für das planerische Gesamtkonzept der Anlage nicht von ausschlaggebender Bedeutung und deshalb rechtlich selbständig mit der Verpflichtungsklage zu erstreiten,3 oder das Fehlen einer notwendigen Auflage läßt die Abwägung insgesamt unausgewogen erscheinen, so daß die Aufhebung des folglich rechtswidrigen Planfeststellungsbeschlusses mit der Anfechtungsklage erreicht werden kann. 4 Entsprechendes gilt für eine fehlende Bestimmung über einen Entschädigungsanspruch Betroffener nach § 8 Abs. 4 AbfG. 5 Für den rechtsschutzsuchenden Bürger bedeutet diese Differenzierung ein schwer kalkulierbares Prozeßrisiko, dem aber durch eine Verbindung von einer Anfechtungsklage als Hauptantrag mit einer Verpflichtungsklage als Hilfsantrag wirksam begegnet werden kann. 6 Bei der Erhebung einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage ist in der Notwendigkeit einer Klagebefugnis eine oftmals ausschlaggebende prozessuale Hürde zu sehen. Nach § 42 Abs. 2 VwGO muß der Kläger geltend machen können, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Als derartige "eigene" Rechte kommen neben den Grundrechten (insbesondere Art. 14 und 2 Abs. 2 GG) vor allem die drittschützenden Normen des einfachen Gesetzesrechts in Betracht. Nach den bisherigen Untersuchungen sind dies neben § 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AbfG auch der drittschützende Gehalt des Abwägungsgebots sowie einzelne Verfahrensvorschriften, die gerade der Gewährung rechtlichen Gehörs für die abwägungsrelevanten Belange Dritter zu dienen bestimmt sind. Besondere Probleme sind allerdings mit solchen Klagen verbunden, die von anerkannten Naturschutzverbänden erhoben werden. Indem das Bundesrecht in § 29 BNatSchG lediglich ein Beteiligungsrecht anerkannter Naturschutzverbände 3 BVerwGE 51, 15 (22); BVerwGE 56, 110 (133); BVerwG, NVwZ 1988,534 (535); BVerwG, UPR 1988, 271 f. 4 Bender / Sparwasser, Umweltrecht, Rn. 141; Johlen, DVBI. 1989, 287 (289). 5 Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 471. Nach BVerwGE 77,295 (298) ist der Verwaltungsrechtsweg ohne Rücksicht auf die Intensität der Einwirkungen gegeben; vgl. auch Bender / Sparwasser, Umweltrecht, Rn. 143. 6 Bender / Sparwasser, Umweltrecht, Rn. 142; Hoppe / Beckmann, Umweltrecht, § 13 Rn. 34; Paetow, DVBI. 1985, 369 (372).

I. Rechtsschutz Dritter

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bei bestimmten Vorhaben normiert, die Frage der Verbandsklage hingegen offenläßt, ist den Bundesländern diesbezüglich ein eigener Gestaltungsfreiraum verblieben, 7 den die Länder Bremen, Hessen, Hamburg und Berlin für die landesrechtliche Einführung der Verbandsklage genutzt haben. Den Verbänden steht danach ein eigenes Klagerecht nicht nur für den Fall zu, daß sie selbst als Eigentümer eines Grundstücks im Einwirkungsbereich der Anlage betroffen sind, sondern sie können im Wege einer altruistischen Klage 8 die Verletzung der im öffentlichen Interesse stehenden Vorgaben des Naturschutzrechts rügen, vorausgesetzt, sie sind durch die Verletzung naturschutzrechtlicher Vorschriften in ihren satzungsmäßigen Aufgaben berührt, und sie haben von ihrem Beteiligungsrecht im Planfeststellungsverfahren Gebrauch gemacht. 9 Hierbei handelt es sich allerdings um einen Fremdkörper 10 in einem Rechtsschutzsystem, das prinzipiell am Gedanken des Individualschutzes orientiert ist (vgl. § 113 Abs. 1 VwGO); 11 die Regelung erscheint aber dennoch sachgerecht, wenn man bedenkt, daß Belange des Naturschutzes ansonsten kaum gerichtlich geltend gemacht werden könnten, weil die Vorschriften des BNatSchG und der entsprechenden Landesgesetze eben nicht drittschützend sind. Wohl vor diesem Hintergrund ist die Verbandsklage in Berlin auf die Fälle beschränkt worden, in denen kein anderer Dritter klagebefugt ist. 12 Während die hinreichende Bestimmtheit einer solchen Subsidiaritätsklausel schon zweifelhaft erscheint, 13 drängt sich zumindest in praktischer Hinsicht der Einwand auf, daß eine solche Regelung kaum zufriedenstellend handhabbar sein dürfte. 14 Ein Vorverfahren ist vor der Erhebung der Klage gegen einen Planfeststellungsbeschluß gemäß § 74 Abs. 1 S.2 i. V. m. § 70 VwVfG nicht erforderlich und damit auch nicht zulässig. 15 Dies gilt gleichermaßen für die Anfechtungs- wie für die Verpflichtungsklage. 16 Bei der Verpflichtungsklage auf Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um eine Schutzauflage, die der Kläger im bisherigen Verfahren nicht verlangt hat, ist aber dennoch aus Kostengründen zu empfehlen, vor der Klage einen entsprechenden Antrag zu stellen. 17 Der Grund für den BVerwGE 78, 347 (349); ablehnend Lässig, NVwZ 1989,97 ff. Zur Unterscheidung von egoistischer und altruistischer Verbandsklage vgl. Hoppe / Beckmann, Umweltrecht, § 13 Rn. 45. 9 § 44 brem.NatSchG; § 41 hamb.NatSchG; § 36 hess.NatSchG; § 39a berl.NatSchG; vgl. auch Hoppe / Beckmann, Umweltrecht, § 13 Rn. 48. 10 Ronellenfitsch, VerwAreh 1989, 92 (102), schließt aus dem Ausnahmecharakter auf die Notwendigkeit einer restriktiven Handhabung. 11 Vgl. Burmeister, in: Burmeister / Ossenbühl / Friauf! Papier, Rechtsfragen des Genehmigungsverfahrens von Kraftwerken, S. 7 (11). 12 § 39a berl.NatSchG. 13 Nach Ansicht des OVG Berlin, DöV 1986,388, verstößt die Norm deshalb gegen das Rechtsstaatsprinzip; anders jedoch BVerwG, UPR 1988, 177, wegen der Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung. 14 Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 455. 15 Vgl. nur Bender / Sparwasser, Umweltrecht, Rn. 136. 16 Johlen, DVBI. 1989,287 (290). 7

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12 Kleinschninger

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2. Kap.: D. Rechtsschutzfragen

Wegfall des Vorverfahrens liegt in der aufwendigen und schon gerichtsähnlichen Gestaltung des Planfeststellungsverfahrens, die neue Ergebnisse bei der Überprüfung durch eine Widerspruchsbehörde nicht wahrscheinlich macht. 18 Allerdings gibt diese Regelung auch Anlaß zu kritischen Stimmen, da durch die Identität von Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde und zusätzlich den Verzicht auf ein Vorverfahren die Entscheidung allein einer Behörde überlassen und zudem nicht vollständig gerichtlich überprüfbar ist. 19 Die Klage ist an das zuständige Gericht zu richten. Nach den bisherigen Bestimmungen der VwGO wäre dies gemäß § 46 das Verwaltungsgericht; allerdings bestimmte schon das Entlastungsgesetz davon abweichend in seinem Art. 2 § 9 Abs. 1 Nr. 5 die Zuständigkeit des Oberverwaltungsgerichts für Planfeststellungsverfahren nach § 7 AbfG, die bestimmte Anlagen zur Abfallverbrennung oder die Sondermülldeponierung betreffen. Die dadurch bewirkte Beschränkung des Rechtsschutzes gegen diese umweltpolitisch besonders umstrittenen Großvorhaben auf nur eine Tatsacheninstanz hat sich nach einer weit verbreiteten Einschätzung bewährt. Daher hat sich die rechtspolitische Forderung nach einer Übernahme der Entlastungsvorschrift als bleibendes Recht in die VwGO nunmehr durchgesetzt (§ 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 VwGO). Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß diese Vorschrift ebenso wie schon Art. 2 § 9 Abs. 1 Nr. 5 EntlG ausdrücklich nur die Errichtung und den Betrieb von ortsfesten Abfallentsorgungsanlagen betrifft, obschon der Wortlaut im übrigen eine enge Anlehnung an den in Bezug genommenen § 7 AbfG erkennen läßt. Deshalb verbleibt es für Planfeststellungsverfahren wegen wesentlicher Änderungen bestehender Abfallentsorgungsanlagen bei der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte. 20 Abgesehen von diesen prozessualen Besonderheiten bei Klagen gegen Planfeststellungsbeschlüsse ergeben sich bei der Begründetheit neben schwerpunktmäßig tatsächlichen auch rechtliche Probleme. Angesichts der üblicherweise jahrelangen Verfahrensdauer stellt sich die Frage, welcher Zeitpunkt für die rechtliche Beurteilung durch das Gericht maßgeblich ist. Orientiert sich die Entscheidung in Anwendung der allgemeinen Grundsätze 21 an der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt 17 Anderenfalls könnten dem Kläger bei sofortiger Anerkennung des Anspruchs durch die Behörde die Kosten nach § 161 Abs.2 VwGO auferlegt werden; vgl. Johlen, DVBl. 1989, 287 (290). 18 Hösel/ von Lersner, § 7 AbfG Rn. 101. 19 Vgl. Kopp, VwVfG, § 70 Rn. 3; BOnk' in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 70 Rn. 2. 20 VGH Bd.Wtt., DVBI. 1986, 1282 (1283); OVG NW, NVwZ 1989, 780 (781); Beckmann / Appold / Kuhlmann, DVBl. 1988, 1002 (1003); Hösel / von Lersner, § 7 AbfG Rn. 102; Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 8 Rn. 68; a. A. Kopp, VwGO, § 9 EntlG Rn. 7. 21 Maßgebend sind die betreffende materiell-rechtliche Regelung und das vom Kläger erhobene prozessuale Begehren; Redeker / von Oertzen, VwGO, § 108 Rn. 16; Kopp, VwGO, § 113 Rn. 23 m. zahlr. w. N.; a. A. Eyermann / Fröhler, VwGO, § 113 Rn. 2: allein der Antrag gibt den Ausschlag.

I. Rechtsschutz Dritter

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der letzten Behördenentscheidung, 22 also des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses, so besteht die Gefahr, daß die technische Ausstattung einer Anlage bei der richterlichen Entscheidung und schließlich ihrer Errichtung nicht mehr dem aktuellen Stand der technischen Entwicklung entspricht. Diesen Bedenken läßt sich allerdings entgegenhalten, daß der Behörde durch § 8 Abs. 1 S. 3 AbfG ein wirksames Instrument zur fortwährenden Kontrolle und Anpassung an technische Entwicklungen zur Verfügung steht. Daher ist die Errichtung von Abfallentsorgungsanlagen, deren Technik inzwischen überholt ist, auch auf der Grundlage der geltenden rechtlichen Grundsätze durchaus vermeidbar. Bei der materiell-rechtlichen Beurteilung des Vorhabens stellen sich regelmäßig erhebliche fachliche Verständnisprobleme ein. So haben sich nicht nur die entscheidenden Richter, sondern auch die Kläger beispielsweise mit chemischen, physikalischen und geologischen Wirkungszusammenhängen zu befassen, für die ihnen meistens die nötige Vorbildung fehlt. Während die Gerichte insoweit auf den Sachverstand von Gutachtern zurückgreifen können, wird dieser Ausweg für einen privaten Kläger durchweg aus finanziellen Gründen außer Betracht bleiben müssen. Daher gewinnt die Frage, welche rechtlichen Anforderungen an die Darlegungslast des Klägers im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu stellen sind, erhebliche praktische Bedeutung. Die Rechtsprechung hat dazu keine starre Formel entwickelt, sondern die Darlegungslast abhängig gemacht von dem Umfang der jeweils ausgelegten Unterlagen. 23 Jedenfalls unverzichtbar ist die Benennung der befürchteten Einwirkungsart (Geruch, Lärm o. ä.) und in etwa des Ursachenzusammenhangs, so daß eine Abgrenzung von Individual- und Bevölkerungsrisiko oder auch zwischen Normalbetrieb und Störfällen 24 möglich wird. 25

2. Vorläufiger Rechtsschutz Wie bereits erwähnt, kommt in der Praxis dem vorläufigen Rechtsschutz eine erhebliche Bedeutung zu. Die statthafte Rechtsschutzform bestimmt sich nach der in der Hauptsache zu wählenden Klageart. Handelt es sich hierbei um eine Anfechtungsklage, so ist der Anwendungsbereich des § 80 VwGO eröffnet. Ist hingegen eine Verpflichtungsklage auf Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um eine notwendige, aber fehlende Schutzauflage zu erheben, so ist an einen Antrag auf Erlaß einer BVerwGE 60, 297 (315); BVerwGE 72,300 (312). BVerwG, UPR 1983, 69 (70). 24 D. h. Störungen des Betriebsablaufs, für die die Anlage ausgelegt ist; anders der tatsächlich nicht beherrschbare Unfall; vg!. dazu § 2 Abs. 1 der 12. BlmSchV (= Störfallverordnung); An!. I zur Strahlenschutzverordnung; zur Terminologie Kloepfer, Umweltrecht, § 8 Rn. 35 f. 25 BVerwG, NVwZ 1985, 341; vg!. auch Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § 13 Rn. 40. 22 23

12"

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2. Kap.: D. Rechtsschutzfragen

einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 S.2 VwGO (Regelungsanordnurig) zu denken. 26 Hiergegen spricht zum einen jedoch, daß der Verpflichtungsantrag i. d. R. nur hilfsweise neben einer Anfechtungsklage gestellt werden wird; 27 zum anderen dürfte eine solche einstweilige Anordnung kaum ergehen, da das Gericht, wollte es eine solche Schutzauflage anordnen, gegen das ungeschriebene Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache 28 verstoßen müßte. Zwar kann unter Umständen auch eine die Hauptsache vorwegnehmende Anordnung zulässig sein, wenn im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes dem Betroffenen ein Abwarten nicht zugemutet werden kann. 29 Ein solcher Dringlichkeitsgrund besteht indessen dann nicht, wenn der Antragsteller sich nicht gegen die Anlage als solche wendet, sondern nur eine nachholbare Schutzmaßnahme erstreiten will. 30 Der vorläufige Rechtsschutz nach § 80 VwGO wird daher aus der Sicht des Anlagengegners üblicherweise die erfolgversprechendere Rechtsschutzform sein. Bei § 80 VwGO fällt indessen auf, daß diese Vorschrift bislang nur auf den Fall ausgerichtet war, daß eine Behörde einen belastenden Verwaltungsakt an einen Adressaten richtet; nach dem Gesetzestext nicht erfaßt war der Fall des begünstigenden Verwaltungsakts mit belastenden Wirkungen für einen oder mehrere Dritte. 31 Dennoch war schon bisher anerkannt, daß auch in diesen Fällen dem belasteten Dritten vorläufiger Rechtsschutz über § 80 VwGO gewährt werden konnte. 32 Der geänderte § 80 Abs. 1 VwGO und der durch das Vierte Gesetz zur Änderung der VwG033 neu eingeführte § 80a VwGO bezwecken nun eine weitere KlarsteIlung, indem sie die Ergebnisse von Literatur und Rechtsprechung durchweg übernehmen. 34 Danach wird vorläufiger Rechtsschutz im Hinblick auf eine Anfechtungsklage bei jeder denkbaren Fallgestaltung nach § 80 VwGO gewährt, ohne daß auch § 123 VwGO in Betracht käme. 35 Der von dem Planfeststellungsbeschluß nachteilig betroffene Dritte kann also durch die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage 36 zunächst die Vollziehung des Beschlusses verhindern. 37 Unter Vollziehung ist bei begünstigenden 26 27 28 29

Johlen, DVBI. 1989, 287 (291). Siehe oben 2. Kap. B. 11. 7. b). Dazu Tschiral Schmitt Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, Rn. 461. BVerwGE 63, 110 (111); Kopp, VwGO, § 123 Rn. 13 m. w. N.; Schmidt-Bleibtreu, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Art. 19 Rn. 18. 30 Vgl. Johlen, DVBI. 1989, 287 (291). 31 Finkeinburg I Jank, Vorläufiger Rechtsschutz, Rn. 500. 32 Redeker / von Oertzen, VwGO, § 80 Rn. 8 ff.; Kopp, VwGO, § 80 Rn. 22. 33 Gesetz vom 17.12.1990, BGBL I S. 2809. 34 Gesetzentwurf der Bundesregierung, BR-Drs. 135/90, S. 72 ff. zu §§ 80, 80a des Entwurfs. 35 Dies gilt auch für den Fall der faktischen Vollziehung unter Mißachtung der aufschiebenden Wirkung; Kopp, VwGO, § 80 Rn. 10; Redeker / von Oertzen, VwGO, § 80 Rn. 32. 36 Der Widerspruch kommt nicht in Betracht, da ein Vorverfahren nach §§ 74 Abs. 1 S. 2, 70 VwVfG nicht stattfindet.

I. Rechtsschutz Dritter

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Verwaltungsakten mit belastender Drittwirkung abweichend von dem sonstigen Sprachgebrauch auch das Gebrauchmachen von der Zulassung durch den Adressaten zu verstehen. 38 Die Behörde kann indessen nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 i. V. m. Abs.3 VwGO mit entsprechender Begründung die sofortige Vollziehung bzw. Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts anordnen, wenn diese im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse des Antragstellers liegt. Will der Dritte dennoch die Errichtung der Anlage verhindern, so kann er bei dem Gericht der Hauptsache 39 einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage nach § 80 Abs. 5 VwGO stellen. Das Gesetz nennt keinen rechtlichen Maßstab, an dem sich das Gericht bei seiner Entscheidung über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zu orientieren hat. Er folgt indessen aus dem Sinn des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens und auch aus dem Gedanken des § 80 Abs. 2 Nr.4 VwGO. Art. 19 Abs. 4 GG, der das Postulat eines effektiven Rechtsschutzes aufstellt, verbietet, daß Rechtsschutz erst dann gewährt wird, wenn bereits vollendete Tatsachen geschaffen sind. 40 Vollendete Tatsachen liegen aber nicht erst dann vor, wenn eine errichtete Anlage auch in Betrieb genommen worden ist, sondern auch schon mit der bloßen Errichtung,41 da allein der Anlagenbau bereits erhebliche Eingriffe in die Umgebung mit sich bringen kann und zudem das Vorhandensein einer funktionsfähigen Anlage das Gericht des Hauptsacheverfahrens vor der Zerstörung eines solchen wirtschaftlichen Wertes zurückschrecken lassen wird. 42 Daher basiert auch § 80 Abs. 1 VwGO auf dem Grundgedanken, daß grundsätzlich von der Suspensivwirkung der Rechtsbehelfe auszugehen ist. 43 Das Rechtsschutzinteresse des Dritten steht jedoch dem bei Abfallentsorgungsanlagen in aller Regel bestehenden öffentlichen Interesse an der Bereitstellung von Entsorgungskapazitäten entgegen. Für den Sofortvollzug kann sprechen, daß anderenfalls technisch unzureichende Anlagen weiter benutzt werden müssen. 44 Außerdem können Interessen eines privaten Anlagenbetreibers zu berücksichtigen sein, wenn etwa eine überlange Verzögerung der Vorhabenrealisierung zu unzumutbaren wirtschaftlichen Einbußen 37 Zum Streit um Wirksamkeits- und Vollzugstheorie vgl. Finkelnburg I Jank, Vorläufiger Rechtsschutz, Rn. 486 f. 38 Finkeinburg I Jank, Vorläufiger Rechtsschutz, Rn. 488 und 500. 39 Also bei Planfeststellungen wegen Errichtung und Betrieb von Abfallentsorgungsanlagen bei dem OVG; bei wesentlichen Änderungen bei dem VG. 40 BVerfGE 35, 382 (402); dazu Finkeinburg I Jank, Vorläufiger Rechtsschutz, Rn. 651; vgl. Blümel, in: Festgabe für Forsthoff, S. 133 (146), zum Bau von Verkehrsanlagen. 41 Anders aber Papier, in: Burmeister lOssenbühl I Friauf I Papier, Rechtsfragen des Genehmigungsverfahrens von Kraftwerken, S.86 (90 ff.); Martens, DVBl. 1985, 541 (544). 42 V gl. auch OVG Lüneburg, DVBl. 1983, 184 (185); Kügel, Der Planfeststellungsbeschluß, S. 244. 43 Vgl. BVerfG, NVwZ 1982, 241. 44 Beckmannl Appold I Kuhlmann, DVBl. 1988, 1002 (1011).

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2. Kap.: D. Rechtsschutzfragen

führt 45 oder wenn der Betreiber nach § 3 Abs. 3 und 4 AbfG als Abfallbesitzer zur Entsorgung verpflichtet ist und auf Dauer die Existenz seines Hauptbetriebs, in dem die Abfallstoffe anfallen, gefährdet wird. Diese Gefahr wird besonders virulent, wenn man bedenkt, daß § 80 Abs. I VwGO die aufschiebende Wirkung nicht auf begründete Rechtsbehelfe beschränkt. 46 Seit langer Zeit ist umstritten, ob neben dieser jedenfalls notwendigen Interessenabwägung auch dann eine Vorausbeurteilung der Erfolgsaussichten der Klage im Hauptverfahren zu erfolgen hat, wenn diese nicht schon nach Evidenzgesichtspunkten möglich ist. 47 Gegen eine solche Vorausbeurteilung könnte sprechen, daß die Entscheidung im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes dann die Aufgabe des Hauptsacheverfahrens - trotz des höheren zeitlichen Drucks und der deshalb nur beschränkten Sachverhaltsermiulung - mit übernehmen müßte, wobei von der Entscheidung durchaus schon eine beachtliche präjudizielle Wirkung ausginge, deren Einfluß auf das spätere Urteil über die Anfechtungsklage erheblich sein kann. Indessen steht bei einer reinen Interessenabwägung zu befürchten, daß das öffentliche Entsorgungsinteresse zumindest solange regelmäßig überwiegt, wie geeignete Entsorgungsmöglichkeiten nicht in ausreichender Anzahl verfügbar sind. Der effektive Rechtsschutz des möglicherweise tatsächlich in seinen Rechten verletzten Drittbetroffenen würde darunter indessen in unvertretbarer Weise leiden. 48 Deshalb wird von den Gerichten vor allem bei technischen Großvorhaben, bei denen wegen der langen Verfahrensdauer bis zu einer Entscheidung schon vollendete Tatsachen geschaffen würden, nunmehr verlangt, eine weitestgehende Aufklärung der Sach- und Rechtslage sowie eine materiellrechtliche Prüfung mit der Intensität vorzunehmen, wie es der vorhandene Kenntnisstand gerade erlaubt. 49 Die überwiegende Wahrscheinlichkeit, daß der Rechtsbehelf erfolglos bleiben wird, reicht allerdings, wie § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zeigt, allein nicht aus, um die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zu versagen. 50 Mit dieser Rechtsprechung ist zwar eine weitere Entwertung des Hauptsache- gegenüber dem vorläufigen Rechtsschutzverfahren verbunden; dies erscheint indessen bei der derzeit zu veranschlagenden Verfahrensdauer nicht vermeidbar. 51 Beckmann/ Appold/Kuhlmann, DVBl. 1988, 1002 (1011). Vgl. Finkeinburg / Jank, Vorläufiger Rechtsschutz, Rn. 523. 47 Kopp, VwGO, § 80 Rn. 82; vgl. dazu Beckmann, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz, S. 248 ff. 48 Allgemein zu dieser Problematik BIÜlnel, in: Festgabe für Forsthoff, S. 133 (152). 49 OVG Lüneburg, DVBl. 1983, 184 (185); Beckmann/ Appold/Kuhlmann, DVBl. 1988, 1002 (1011); Blümel, in: Festgabe für Forsthoff, S. 133 (153); Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 251; Kügel, Der Planfeststellungsbeschluß, S. 243. 50 Dazu Finkeinburg / Jank, Vorläufiger Rechtsschutz, Rn. 655; Hoppe / Beckmann, Umweltrecht, § 13 Rn. 157. 51 Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 557 m. w. N.; kritisch Papier, in: Burmeister / Ossenbühl / Friauf / Papier, Rechtsfragen des Genehmigungsverfahrens von Kraftwerken, S. 86 (90 ff.). 45

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11. Rechtsschutz des Vorhabenträgers

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Gegen die Entscheidung eines Verwaltungsgerichts nach § 80 Abs. 5 VwGO kommt gemäß § 146 VwGO grundsätzlich das Rechtsmittel der Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht in Betracht. Da jedoch die verwaltungs gerichtlichen Auseinandersetzungen um abfallrechtliche Planvorhaben schon durch das Entlastungsgesetz und jetzt durch § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 VwGO teilweise den Oberverwaltungsgerichten zugewiesen sind, entfällt dieses Rechtsmittel häufig. Während der langen Verfahrensdauer gewinnt aber die in § 80 Abs. 6 VwGO vorgesehene Möglichkeit an Bedeutung, bei Vorliegen neuer Erkenntnisse oder neuer tatsächlicher Entwicklungen jederzeit erneut über die Suspensiv wirkung zu entscheiden, und zwar sowohl auf Antrag des Vorhabenträgers als auch des Drittbetroffenen. 52

11. Rechtsschutz des Vorhabenträgers Hinsichtlich des Rechtsschutzes des Vorhabenträgers gegen eine Versagung der Planfeststellung bzw. eine Planfeststellung unter Beifügung von ihn belastenden Nebenbestimmungen kann im wesentlichen auf die Ausführungen zu den Rechtsschutzmöglichkeiten Drittbetroffener im vorhergehenden Abschnitt verwiesen werden, so etwa in bezug auf die gerichtliche Zuständigkeit, die zumeist beim OVG liegt, die Entbehrlichkeit eines Vorverfahrens und die grundlegende Weichenstellung durch die Wahl von Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage als statthafte Klageart. Die Rechtsschutzmöglichkeiten des Vorhabenträgers führen gegenüber dem Rechtsschutz Drittbetroffener allerdings seltener zu seinem Obsiegen in der gerichtlichen Auseinandersetzung. Dies gilt vor allem dann, wenn die geplante Anlage von der öffentlichen Hand betrieben werden soll. Hier haben die Grundrechte, anders als bei von Privaten betriebene Anlagen, keine Geltung. Allenfalls die in Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistete Selbstverwaltungsfreiheit kommt im Rahmen der planerischen Abwägung in Betracht. 53 Unter diesem Aspekt dürften sich aber kaum Erwägungen ergeben, die über das i. d. R. an der Realisierung der Anlage ohnehin bestehende öffentliche Interesse hinausgehen. Ähnlich schwierig ist die Position des privaten Antragstellers. Ihm stehen zwar die einschlägigen Grundrechte zu, doch kann ein konkreter Anspruch auf Erteilung des Planfeststellungsbeschlusses wegen der der Behörde eingeräumten planerischen Gestaltungsfreiheit nur selten bestehen. 54 Ihm verbleibt, wie gezeigt, nur ein Anspruch auf fehlerfreie Abwägung unter zutreffender Berücksichtigung seiner auf die Verwirklichung des Vorhabens gerichteten rechtlich geschützten 52 Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 551; zum früheren Streit um die Anwendbarkeit von § 80 oder § 123 VwGO vgl. Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz, Rn. 877 ff. 53 Siehe dazu oben 2. Kap. B. V. 2. d) cc). 54 Siehe oben 2. Kap. B. V. 3.

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2. Kap.: D. Rechtsschutzfragen

Interessen. 55 Demzufolge ist - ebenso wie bei Ermessensentscheidungen - bei der Versagung der Planfeststellung in der Regel nur an eine Bescheidungsklage (§ 113 Abs. 4 VwGO), nicht aber an eine Verpflichtungsklage zu denken. 56 Will sich der Antragsteller indessen gegen eine seiner Auffassung nach unrechtmäßige Schutzauflage zur Wehr setzen, so ist auf der Grundlage der m. E. allerdings zweifelhaften Rechtsprechung des BVerwG57 wiederum zu unterscheiden, ob es sich um Nebenbestimmungen handelt, die für die Abwägung über das Gesamtkonzept der Anlage ausschlaggebend sind. Dann müßte die Klage auf Erteilung einer uneingeschränkten Planfeststellung gerichtet werden; 58 anderenfalls könnte die Auflage isoliert angefochten werden. Wegen der kaum prognostizierbaren Einschätzung, wie das Gericht die konkrete Auflage im Planfeststellungsbeschluß werten wird, empfiehlt es sich im Hinblick auf das sich aus dieser Unsicherheit ergebende Prozeßrisiko auch insoweit, sofort einen entsprechenden Hilfsantrag mit der Anfechtungsklage zu verbinden. 59 Vorläufigen Rechtsschutz kann der Antragsteller im Falle der Anfechtung durch einen Dritten ebenfalls nach § 80 Abs. 5 VwGO erlangen. Will er hingegen die Erteilung der Planfeststellung über eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO erwirken, so ist zu prüfen, ob darin nicht eine ungerechtfertigte Vorwegnahme der Hauptsache zu sehen ist. 60 Dies wird vorwiegend bei der Planung neuer Anlagen der Fall sein, wenn mit deren Errichtung bereits erhebliche Veränderungen des Baugeländes und damit Auswirkungen auf die Umwelt verbunden sind. Anders kann es aber liegen, wenn der Antragsteller nur die Erweiterung, möglicherweise sogar Modernisierung einer vorhandenen Anlage anstrebt. In einem solchen Fall wäre nicht nur das schützens werte Interesse des Betreibers an der Erhaltung und Fortführung seines Betriebs, sondern auch das öffentliche Interesse an einer Anpassung an den Fortschritt der Technik zugunsten des Betreibers bei der gerichtlichen Interessenabwägung zu berücksichtigen.

55 Kügel, Der Planfeststellungsbeschluß, S. 210. 56 Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 482. 57 Siehe oben 2. Kap. B. 11. 7. b).

58 Die Verpflichtungsklage hat dann keine aufschiebende Wirkung; vgl. Finkelnburg / Jank, Vorläufiger Rechtsschutz, Rn. 511. 59 Hoppe / Beckmann, Umweltrecht, § 13 Rn. 36. 60 Zu den Voraussetzungen, unter denen eine Vorwegnahme der Hauptsache ausnahmsweise zulässig ist, siehe oben 2. Kap. D. I. 2.

3. Kapitel

Gesetzlich vorgesehene Vereinfachungs- und Beschleunigungsmöglichkeiten Anknüpfend an die Darstellung des umfassenden Prüfungsmaßstabs und des diesem korrespondierenden, aufwendigen Planfeststellungsverfahrens stellt sich die Frage, ob und auf welche Weise es gelingen kann, die Entscheidungsfindung mit Blick auf die allseits konstatierte Knappheit der Entsorgungskapazitäten sachgerecht zu beschleunigen. Dabei sind neben den gesetzlich vorgesehenen Vereinfachungen, die es auf ihre Wirksamkeit zu untersuchen gilt, auch solche Verfahrensvarianten zu berücksichtigen, die möglicherweise nur aufgrund einer Änderung der bestehenden gesetzlichen Grundlagen zu verwirklichen wären.

A. Ausnahmen vom Anlagenzwang nach § 4 Abs. 1 S. 2 AbfG Erst vor kurzem 1 ist die Ausnahmeregelung des § 4 Abs. 1 S. 2 AbfG eingeführt worden. Nach dieser Vorschrift dürfen Abfälle abweichend von dem in § 4 Abs. 1 S. 1 AbfG statuierten abfallrechtlichen Anlagenzwang auch in solchen Anlagen behandelt oder verwertet werden, die überwiegend 2 einem anderen Zweck als der Abfallentsorgung dienen, sofern diese Anlagen nach § 4 BImSchG genehmigungsbedürftig sind. 3 Dieser Gedanke ist allerdings nicht so neu, wie er auf den ersten Blick scheinen mag. Gestützt auf § 4 Abs. 2 AbfG haben einige Bundesländer schon bisher ausnahmsweise Befreiungen vom Anlagenzwang nach § 4 Abs. 1 AbfG ausgesprochen, wenn Abfälle in geeigneten Anlagen, die nicht über eine abfallrechtliche Zulassung verfügten, entsorgt werden sollten. Diese Praxis sah sich indessen rechtlichen Zweifeln ausgesetzt. 4 Eine dem § 4 Abs. 1 S. 2 AbfG vergleichbare Regelung existierte bislang nur für Altöle, die zwar generell dem Regime des Abfallrechts untergeordnet sind, aber in Anlagen verwertet werden dürfen, die über eine Genehmigung nach § 4 BImSchG verfügen (§ 5a Abs. 2 AbfG).5 Gesetz vom 11.5.1990, BGBl. I S. 870. Zu mindestens 75%; vgl. § 1 Abs.2 S. 1 der 17. BImSchV. 3 Zu dieser Neuregelung Böhm, DVBl. 1991, 242 ff. 4 Hösel / von Lersner, § 4 AbfG Rn. 23. 5 Siehe oben 2. Kap. B. I. 4. 1

2

186

3. Kap.: A. Ausnahmen vom Anlagenzwang nach § 4 Abs. 1 S. 2 AbfG

I. Überblick Der Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 S.2 AbfG ist nach seinem Wortlaut nicht auf bestimmte Abfälle beschränkt, so daß grundsätzlich auch Sonderabfälle in Betracht kommen. In den nach dem BImSchG zugelassenen bzw. zulassungsbedürftigen Anlagen dürfen Abfälle aller Art nunmehr verwertet und behandelt werden. Dadurch sind Verbrennungsvorgänge sowohl mit als auch ohne Energiegewinnung erfaßt. 6 Die Kritik an der Neuregelung liegt somit allerdings auch schon auf der Hand. So wird darin ein tiefer Einschnitt in das Abfallrecht gesehen; insbesondere wird eine unkontrollierte oder unkontrollierbare Ausweitung der Müllverbrennung befürchtet. 7 Gänzlich aus dem Regime des Abfallrechts entlassen sind die in Frage kommenden Abfallstoffe allerdings nicht; nach § 4 Abs. 1 S. 2, 2. Hs. AbfG bleiben die §§ 6, 11 Abs.3 und 13 AbfG anwendbar. Damit ist zum einen die Bindung an die Vorgaben der von den Ländern aufzustellenden Abfallentsorgungspläne sichergestellt; 8 zum anderen sind bestimmte Überwachungsvorschriften zu beachten. Aber auch im Rahmen des § 6 Nr. 2 BImSehG, wonach andere öffentlichrechtliche Vorschriften der Genehmigung einer Anlage nicht entgegenstehen dürfen, kommen abfallrechtliche Vorschriften zum Zuge. 9 Dabei ist jedoch zu beachten, daß wegen § 4 Abs. 1 S.2 AbfG diejenigen Vorschriften des AbfG, die den gleichen Regelungsbereich betreffen wie die des BImSehG, hinter diesen zurücktreten. Dies bedeutet, daß zumindest die anlagenbezogenen Vorgaben des Abfallrechts nicht zur Anwendung kommen. Gleichermaßen für Abfallentsorgungsanlagen wie für sonstige Anlagen, in denen Abfälle verbrannt werden, gelten allerdings die neuen, verschärften Emissionsgrenzwerte der 17. BImSchVIO, so daß zumindest insoweit die Befürchtung unterschiedlicher Umweltstandards nicht begründet ist. Hintergrund dieser Neuregelung ist neben dem befürchteten Entsorgungsnotstand die Überlegung, daß beispielsweise in Kraftwerken oder Zementfabriken Verbrennungsanlagen bereitstehen, die ohne umfangreiche technische Veränderungen zur Verbrennung von Abfällen, sei es an Stelle oder zusätzlich zu anderen Brennstoffen, geeignet erscheinen. 11 Mit der Nutzung dieser bereits vorhandenen Verbrennungskapazitäten ist die Hoffnung verbunden, einen Beitrag zur Bewältigung der anstehenden Abfallproblerne leisten zu können, indem auf das in jeder Zum abfa1lrechtlichen Begriff der Verwertung siehe oben 2. Kap. B. I. 1. a) bb). Abgeordneter Brauer (Grüne), BT-Prot. 11 /202, S.15712; vgl. auch Böhm, DVBI. 1991, 242 (243). 8 Pressemitteilung des Bundesumweltministers vom 25.4. 1990, in: Eildienst LKT NW 1990, 268 (269). 9 Beschlußempfehlung und Bericht des Umweltausschusses; BT-Drs. 11 /6633, S. 48. 10 Vom 23.11.1990, BGBI.I S. 2545ff. J J Beschlußempfehlung und Bericht des UmweItausschusses; BT-Drs. 11 /6633, S.48. 6 7

H. Durchführung eines Genehmigungsverfahrens nach dem BlmSchG

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Hinsicht aufwendige abfallrechtliche Planfeststellungsverfahren verzichtet werden kann. Daneben wird die Vorschrift damit begründet, daß es sachgerecht erscheine, eine Anlage, die vorwiegend einem anderen Zweck als der Abfallentsorgung diene, nunmehr einem einheitlichen Zulassungsverfahren zu unterstellen. 12 Hiergegen ist allerdings einzuwenden, daß von dem weiten Begriff der Abfallentsorgungsanlage auch solche Anlagen erfaßt werden, die zumindest "auch" der Abfallentsorgung dienen. 13 Daher müßten derartige Anlagen nach bisherigem Recht als Abfallentsorgungsanlagen qualifiziert und planfestgestellt werden. Dennoch trifft es zu, daß es nicht sinnvoll erscheint, wenn beispielsweise ein Zementwerk, das mit der Abfallentsorgung nur am Rande zu tun hat, durch einen abfallrechtlichen Planfeststellungsbeschluß zugelassen werden müßte. 14

11. Durchführung eines immissionsschulzrechtlichen Genehmigungsverfahrens Welche Auswirkungen die Einführung des § 4 Abs. 1 S. 2 AbfG entfaltet, läßt sich anband einer Untersuchung des nunmehr durchzuführenden Genehmigungsverfahrens beurteilen. Insofern ist zunächst zu unterscheiden zwischen Anlagen, die bereits existieren und über eine Genehmigung nach den §§ 4 ff. BImSchG verfügen, und solchen Anlagen, die erst neu errichtet werden sollen.

1. Neuerrichtung von Anlagen Die Neuerrichtung von Anlagen, die nach § 4 BImSchG einer Genehmigung bedürfen, unterliegt den materiell-rechtlichen Bindungen des § 5 BImSchG sowie nach § 6 Nr. 2 BImSchG auch den Vorgaben anderer öffentlich-rechtlicher Normen. Letzteres steht in direktem Zusammenhang mit der Konzentrationswirkung der Genehmigung nach § 13 BImSchG. Hinzu kommen die §§ 6, 11 Abs. 3 und 13 AbfG. Das Verfahren richtet sich nach § 10 BImSchG und der 9. BImSchV; ein vereinfachtes Verfahren nach § 19 BImSchG kommt indessen wegen der fehlenden Öffentlichkeitsbeteiligung für eine Abfallentsorgung nach § 4 Abs. 1 S. 2 AbfG nicht in Betracht. Das immissionsschutzrechtliche Zulassungsverfahren wird üblicherweise den (einfachen) Genehmigungsverfahren zugeordnet und damit von den Planungsbzw. Planfeststellungsverfahren abgegrenzt. 15 Ob und welche Unterschiede zwi12

Pressemitteilung des Bundesumweltministers vom 25.4. 1990, in: Eildienst LKT

NW 1990,268 (269). 13 14 15

Siehe oben 2. Kap. B. I. 1. a) bb). Vgl. Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 17. Ausführlich Erbguth, Rechtssystematische Grundfragen, S. 224.

188

3. Kap.: A. Ausnahmen vom Anlagenzwang nach § 4 Abs. 1 S. 2 AbfG

schen diesen beiden Verfahrenstypen bestehen, gilt es im folgenden zu untersuchen. a) Rechtliche Voraussetzungen

Zunächst stellt sich die Frage, ob die materiell-rechtlichen Anforderungen im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Verfahrens den abfallrechtlichen Vorgaben hinsichtlich der durch sie angestrebten Schutzintensität entsprechen. Ohne auf den Prüfungsmaßstab nach den §§ 5 und 6 BImSchG mit der gleichen Ausführlichkeit wie oben im 2. Kapitel eingehen zu wollen, läßt sich schon nach den bisherigen Erkenntnissen festhalten, daß wegen der Konzentrationswirkung des abfallrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses die bindenden Vorschriften des Immissionsschutzrechts ohnehin gelten. 16 Der Vergleich der beiden Zulassungsverfahren beschränkt sich somit auf die Frage, ob wesentliche Gesichtspunkte, die im Planfeststellungsverfahren zum Tragen kommen, im Genehmigungsverfahren unbeachtet bleiben müssen. Insofern ist zunächst darauf hinzuweisen, daß das immissionsschutzrechtliche Verfahren durch § 4 Abs. 1 S. 2 AbfG um Aspekte der Abfallentsorgungsplanung erweitert worden ist. Dies ist allerdings nicht durch einen Verweis auf § 8 Abs. 3 S. 1 AbfG, sondern auf § 6 AbfG geschehen. § 6 AbfG sagt aber über die Rechtswirkungen eines Abfallentsorgungsplans nichts aus. Damit ist offen, ob nur verbindliche oder auch nicht für verbindlich erklärte Entsorgungspläne im Genehmigungsverfahren Beachtung finden. Für eine Berücksichtigung nur der verbindlichen Pläne 17 spricht die Eigenheit, daß derartige Pläne bisweilen eben deshalb nicht für verbindlich erklärt werden, weil im Einzelfall eine flexible Handhabung bzw. eine Abweichung möglich sein soll. Daher sind die nicht verbindlichen Abfallentsorgungspläne im Planfeststellungsverfahren nur im Rahmen der Gesamtabwägung der Allgemeinwohlbelange des § 2 Abs. I AbfG als Ziele der Abfallwirtschaft zu berücksichtigen. Allerdings bleibt für die Berücksichtigung abfallwirtschaftlicher oder abfallpolitischer Aspekte innerhalb einer Prüfung am Maßstab von § 5 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BImSchG schon auf den ersten Blick kein Raum. Denn diese sind ausschließlich auf die Abwehr von Gefahren gerichtet, die durch Umwelteinwirkungen i. S. d. § 3 Abs. 1 BImSchG drohen. Dies gilt auch für das Vorsorgeprinzip nach § 5 Abs. 1 Nr.2 BImSchG. Fraglich ist weiterhin, ob ein hinreichender Schutz der in § 2 Abs. 1 AbfG beispielhaft aufgezählten Schutzgüter des Allgemeinwohls durch die materiellrechtlichen Vorgaben des Immissionsschutzrechts geWährleistet wird. § 3 Abs. 2 BImSchG stellt klar, daß das BImSchG dem Schutz sowohl der Menschen als auch der Tiere und Pflanzen dient. Wie bereits festgestellt, wird ein großer Teil 16 17

Böhm, DVBI. 1991, 242 (243).

In diesem Sinne der Bundesumweltminister in seiner Pressemitteilung vom

25.4.1990, in: Eildienst LKT NW 1990,268 (269).

11. Durchführung eines Genehmigungsverfahrens nach dem BImSchG

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der in § 2 Abs. 1 AbfG genannten Schutzgüter durch spezialgesetzliche Nonnierungen erfaßt,18 die auch im Genehmigungsverfahren nach § 6 Nr. 2 BImSchG Anwendung finden. 19 Dies gilt etwa für Vorschriften des Wasserrechts und des Naturschutzrechts. Dadurch wird bewirkt, daß trotz der unterschiedlichen Fonnulierung der Zulassungsvoraussetzungen die inhaltlichen Anforderungen an das Genehmigungsverfahren nach dem BImSchG und an das Planfeststellungsverfahren nach dem AbfG in ihren Grundzügen vergleichbar sind. Eine wesentliche Abweichung ist dennoch hervorzuheben. Während im abfallrechtlichen Verfahren grundsätzlich alle durch ein bestimmtes Projekt berührten Belange in eine Abwägungsentscheidung, die gerichtlich nicht vollständig überprüfbar ist, einzustellen und miteinander in Einklang zu bringen sind,20 können im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren nur solche Gesichtspunkte berücksichtigt werden, die im Zusammenhang mit Immissionen i. S. d. § 3 Abs. 1 BImSchG stehen und deren Schutz in einer konkreten gesetzlichen Vorschrift verankert ist. Damit können Ziele einer zukunftsgerichteten, vorsorgeorientierten Abfallwirtschaft im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren solange keine Bedeutung erlangen, wie diese Ziele nicht in entsprechend aussagekräftigen, verbindlichen Abfallentsorgungsplänen festgelegt und daher über § 4 Abs. 1 S. 2 AbfG zu beachten sind. Aus einem anderen Blickwinkel könnte man dies auch so fonnulieren: Die unbefriedigende Erfüllung der Pflicht zur Abfallentsorgungsplanung durch die Länder ist im Planfeststellungsverfahren deshalb noch tolerabel, weil die Aspekte der zukunftsorientierten Entsorgungsvorsorge wegen des gesamthaften Prüfungsansatzes und der planerischen Gestaltungsfreiheit auch bei fehlender oder unzureichender Entsorgungsplanung noch Berücksichtigung finden können und müssen. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens besteht dieser gesamthafte Prüfungsansatz indessen nicht, so daß derartige Erwägungen nicht einbezogen werden können. Ein grundsätzliches Anliegen des Abfallwirtschaftsrechts wird mithin auf diese Weise zurückgedrängt. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß die Genehmigung eine gebundene Entscheidung ist, wohingegen die Erteilung des Planfeststellungsbeschlusses in die planerische Gestaltungsfreiheit der Behörde gestellt ist, wenn auch nach Maßgabe weitreichender rechtlicher Bindungen. Jedoch finden sich in § 5 BImSchG zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe, die zwar keinen Beurteilungsspielraum im strengen Wortsinne eröffnen, deren Kontrolle aber dennoch de facto gewissen Grenzen unterliegt. So setzt die Beurteilung, ob Belästigungen der Allgemeinheit erheblich sind oder ob eine ausreichende Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen getroffen ist, eine Abwägung der widerstreiten18 Siehe oben 2. Kap. B. 11. 3. a). 19 Bedeutsam ist allerdings, daß § 38 BauGB nur im Planfeststellungsverfahren gilt,

so daß im Genehmigungsverfahren gern. § 36 Abs. 1 S. 2 BauGB das gemeindliche Einvernehmen erforderlich ist; OVG Lüneburg, UPR 1985,243 (244). 20 Zum Abwägungsgebot siehe oben 2. Kap. B. IV. 2. d).

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3. Kap.: A. Ausnahmen vom Anlagenzwang nach § 4 Abs. I S. 2 AbfG

den Interessen voraus. 21 Dabei kommt indessen dem Interesse des Anlagenbetreibers im Genehmigungsverfahren ein größeres Gewicht zu, da es sich hierbei um eine gebundene Entscheidung handelt, auf deren Erteilung ein Anspruch besteht, sofern nicht die Versagungsgründe erfüllt sind. 22 Dieser Vorteil wird aber zumindest teilweise dadurch wieder ausgeglichen, daß die Planfeststellungsbehörde im Gegensatz zur Genehmigungsbehörde 23 mit dem ihr zur Verfügung stehenden Instrumentarium die Möglichkeit hat, durch Schutzauflagen oder finanzielle Entschädigungen ein Vorhaben zulassungsfähig zu machen (§ 8 Abs.3 S.2 Nr.3 und Abs. 4 AbfG). b) Funktion

Ein Unterscheidungskriterium zwischen Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren könnte in dem Unterschied zwischen Planungsentscheidung und Kontrollerlaubnis zu sehen sein. In jüngerer Zeit wird indessen zunehmend bezweifelt, ob es sich hierbei tatsächlich um einen relevanten normtheoretischen Unterschied zwischen diesen beiden Zulassungsformen handelt. 24 Herkömmlich werden Planungs- und Genehmigungsentscheidungen nach ihrer Normstruktur abgegrenzt. Während die Planungsnormen final programmiert, d. h. auf die vorsorgend-planerische Realisierung eines bestimmten Planziels ausgerichtet sind, sollen die Genehmigungsentscheidungen durch ein "Wenn-DannSchema" darstellbar sein. 25 Diese Eigenschaft kann man als konditionale Programmierung bezeichnen. 26 Hinzu kommt, daß die ,,klassische" Planfeststellung maßgeblich durch ihren Raum- oder Flächenbezug charakterisiert ist,27 der die Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses unentbehrlich macht; 28 Genehmigungsverfahren hingegen sind typischerweise auf ein bestimmtes Projekt bezogen. 29 Wendet man allerdings diese Unterscheidungskriterien auf das abfallrechtliche Planfeststellungs- und das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren 21

Jarass, UVP bei Industrievorhaben, S. 90.

22 Vgl. Beckmann, DÖV 1987,944 (949). 23 Dies gilt auch, wenn beide Funktionen wegen § 7 Abs. 3 AbfG bei einer Behörde

vereinigt sind. 24 Beckmann, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz, S. 145 ff.; Rubel, Planungsermessen, S. 60 ff.; vgl. auch Fickert, Planfeststellung, S. 77, der die Planfeststellung als qualifizierte Anlagengenehmigung bezeichnet. 25 Hoppe / Schlarmann, Rechtsschutz bei der Planung, Rn. 148 ff. 26 Erbguth, Weiterentwicklung raumbedeutsamer Umweltplanungen, S. 59. 27 Friauf, in: Burmeister / Ossenbühl / Friauf / Papier, Rechtsfragen des Genehmigungsverfahrens, S. 63 (76). 28 Zur Konzentrationswirkung als Abgrenzungskriterium: Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 230. 29 Erbguth, Rechtssystematische Grundfragen, S. 225; Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rn. 27.

II. Durchführung eines Genehmigungsverfahrens nach dem BImSchG

191

an, so fallt auf, daß es sich in heiden Fällen eher um atypische Varianten des jeweiligen Idealtypus handelt. Das abfallrechtliche Planfeststellungsverfahren ist zwar durch den Gesetzeswortlaut eindeutig als Planungsverfahren gekennzeichnet;30 seine rechtlichen Voraussetzungen sind jedoch in ein "Wenn-Dann-Schema" gekleidet (ist zu versagen, wenn ... ; § 8 Abs. 3 AbfG).31 Außerdem ist die Planfeststellung auf ein konkretes Projekt bezogen und weist dadurch als Zulassungsentscheidung weitere Parallelen zu den sog. Kontrollerlaubnissen auf. Die im förmlichen Verfahren zu erteilende immissionsschutzrechtliche Genehmigung nach § 10 BImSchG ist demgegenüber um Aspekte der Vorsorge und der Entsorgungspflicht erweitert (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BImSchG)32 und mit der für den Planfeststellungsbeschluß charakteristischen Konzentrations- und Gestaltungswirkung ausgestattet (§§ 13 und 14 BImSchG).33 Aus dieser Gegenüberstellung läßt sich schließen, daß es innerhalb der Kategorien "Planungsentscheidungen" bzw. "Genehmigungsverfahren" unterschiedliche Varianten und Mischformen gibt, die sich untereinander zunehmend annähern. 34 Es handelt sich jeweils um ein Spektrum verschiedener Ausgestaltungen, 35 wobei sich allerdings die vorhabenbezogene Planfeststellung und die förmliche Genehmigung in einer Weise angeglichen haben, daß das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren stärker dem abfallrechtlichen Planfeststellungsverfahren ähnelt als einem einfachen Genehmigungsverfahren. 36 Man kann daher mit Recht von einer "funktionalen Äquivalenz" beider Instrumente sprechen. 37 Schließlich ist mit § 7 Abs. 2 AbfG eine weitere Besonderheit des abfallrechtlichen Zulassungsverfahrens zu beachten. Handelt es sich um eines der dort beschriebenen unbedeutenderen oder diesen vergleichbaren Vorhaben, so kann an die Stelle des Planfeststellungsverfahrens ein Genehmigungsverfahren treten, ohne daß dies Auswirkungen auf den materiell-rechtlichen Prüfungsrahmen hätte. 38 In diesen einfacheren Fällen geht der Gesetzgeber also von der prinzipiellen Gleichwertigkeit von Plangenehmigungs- und Planfeststellungsverfahren aus. Ein wesentlicher normtheoretischer Unterschied zwischen beiden Zulassungsformen ist demnach auszuschließen. Zugleich steht aber auch fest, daß der Gesetzgeber 30 Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rn. 27. 31 Beckmann, DöV 1987,944 (945). 32 Hierzu Erbguth, Rechtssystematische Grundfragen, S. 222. 33 Vgl. Beckmann, DöV 1987,944 (946); Erbguth, Rechtssystematische Grundfragen, S.216. 34 Vgl. Erbguth, Rechtssystematische Grundfragen, S. 160. 35 Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 5; ausführlich Wahl, DVBI. 1982,51 ff. 36 Jarass, BImSchG, § 10 Rn. 5, hält daher die §§ 72 ff. VwVfG zur Lückenschließung bei § 10 BImSchG für geeignet; zweifelhaft hingegen Seeliger, vr 1990, 329 (330), der Parallelen zu den §§ 63 ff. VwVfG sieht; zum atomrechtlichen "Genehmigungs"verfahren Friauf, in: Burmeister / Ossenbühl / Friauf / Papier, Rechtsfragen des Genehmigungsverfahrens, S. 63 ff. 37 Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rn. 27; ähnlich Beckmann, DöV 1987,944 (945). 38 Barteis, Abfallrecht, S. 101.

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3. Kap.: A. Ausnahmen vom Anlagenzwang nach § 4 Abs. 1 S. 2 AbfG

bei komplexeren Problemstellungen das Plangenehmigungsverfahren eben nicht für ausreichend hält. Daraus folgt, daß der normtheoretische Unterschied zwischen Planungs- und Genehmigungsverfahren lediglich gradueller Art ist. c) Verfahrensablauf

Für die Frage, ob die Ersetzung des Planfeststellungs- durch ein Genehmigungsverfahren einen erheblichen Zeitgewinn erwarten läßt, ist vor allem die Verfahrensgestaltung von Bedeutung. Für beide Zulassungsformen ist durch das UVPG die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung zwingend vorgeschrieben. 39 Die Informationsbeschaffung durch die Behörde unterliegt übereinstimmend dem Amtsermittlungsgrundsatz nach § 24 VwVfG,40 und beide Verfahren erfordern eine umfassende Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung. 41 Zwar handelt es sich im Planfeststellungsverfahren streng genommen nur um eine Betroffenenbeteiligung, doch bleibt diese Eingrenzung, wie oben dargelegt,42 ohne nennenswerte praktische Auswirkungen. 43 Infolge der dritten Novellierung des BImSchG sind nun auch die Fristen für die Auslegung der Unterlagen einheitlich auf einen Monat festgesetzt. Ein Unterschied ergibt sich allerdings insoweit, als die Unterlagen nach § 73 VwVfG in jeder von dem Vorhaben berührten Gemeinde, nach § 10 BImSchG hingegen nur am Sitz der Genehmigungsbehörde auszulegen sind. Vergleichbar oder sogar identisch sind allerdings wiederum der Ablauf des Erörterungstermins und die besonderen Vorschriften für sog. Massenverfahren, an denen mehr als 300 Personen beteiligt sind. 44 Wie bereits angesprochen, stimmen schließlich die Rechtswirkungen nach § 75 VwVfG und den §§ 13 und 14 BImSchG ebenfalls in wichtigen Punkten überein. Sogar die Zuständigkeit liegt bei derselben Behörde (§ 7 Abs. 3 AbfG). Die Verfahrensabläufe von Planfeststellungs- und Genehmigungsverfahren sind sich somit zum Verwechseln ähnlich. 4s Ein beachtlicher Unterschied bei der Verfahrensgestaltung liegt indessen in der unterschiedlichen Präklusionswirkung. Das Planfeststellungsrecht beschränkt sich auf eine formelle Präklusionswirkung, die lediglich das Verwaltungsverfahren betrifft; die Geltendmachung von solchermaßen ausgeschlossenen Einwen39 Vgl. Nr. 27 des Anhangs zu Nr. 1 der Anlage zu § 3 UVPG und Nr. 4 der Anlage zu § 3 UVPG. 40 Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 22. 41 § 10 Abs. 3 und 5 BlmSchG; § 73 Abs. 2 bis 4 VwVfG. 42 Siehe oben 2. Kap. C. III. 5. a). 43 Vgl. auch Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 22. 44 § 10 Abs. 8 BImSchG; § 73 Abs.6 S. 4 und § 74 Abs. 5 VwVfG. 4S Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rn. 27. Entsprechendes gilt auch für das förmliche Genehmigungsverfahren nach dem AtG, das in BT-Drs. 7/910, S. 87 sogar irrtümlich als Planfeststellungsverfahren bezeichnet wurde.

11. Durchführung eines Genehmigungsverfahrens nach dem BlmSchG

193

dungen im gerichtlichen Rechtsstreit ist dadurch im Gegensatz zu der Regelung durch § 10 Abs. 3 S. 4 BlmSchG nicht ausgeschlossen. 46 Außerdem ermöglicht das immissionsschutzrechtliche Verfahren eine Stufung durch den Erlaß von Vorbescheid (§ 9 BlmSchG) und Teilgenehmigung (§ 8 BlmSchG). Nach ganz überwiegender Auffassung ist eine Verfahrensstufung im Planfeststellungsverfahren hingegen nicht zulässig.47 Schießlich bedeutet die Wahl des Genehmigungs- statt des Planfeststellungsverfahrens, daß eine Beteiligung von anerkannten Naturschutzverbänden dann nicht mehr gesetzlich erforderlich ist. 48 d) Gradueller Unterschied zwischen Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren

Wie dieser Vergleich von immissionsschutzrechtlichem Genehmigungsverfahren und abfallrechtlichem Planfeststellungsverfahren gezeigt hat, gibt es zwischen beiden Verfahren weitreichendere Überschneidungen und Parallelen, als man auf den ersten Blick annehmen möchte. 49 Dennoch verbleibt, vor allem im Hinblick auf die planerische Gestaltungsfreiheit, ein zumindest gradueller Unterschied,50 der die beiden Verfahrensarten nicht einfach austauschbar erscheinen läßt. Unter der Voraussetzung, daß in der betroffenen Region eine aussagekräftige Abfallentsorgungsplanung existiert, was indessen bei kritischer Betrachtung nur selten der Fall ist,51 ist kein erheblicher Rückschritt hinter die umfassenden materiell-rechtlichen Vorgaben des Abfallrechts zu befürchten. Allerdings dürften auch allzu optimistische Hoffnungen, § 4 Abs. 1 S. 2 AbfG könnte die Neuzulassung von Verbrennungsanlagen wesentlich erleichtern, enttäuscht werden, denn auch bei Genehmigungsverfahren wird die nach Meinung der Beteiligten zu lange Verfahrensdauer beklagt, wenn diese auch im Durchschnitt schneller abgewickelt werden können als Planfeststellungsverfahren. 52 Bei objektiver Betrachtung kann eine Verfahrensbeschleunigung im Vergleich zum Planfeststellungsverfahren allenfalls durch die materielle Präklusion sowie möglicherweise durch die Verfahrensstufung bewirkt werden. Derzeit schwer einzuschätzen ist indessen der psychologische Effekt, der von einer solchen "Umbenennung" des Verfahrens ausgeht. So könnte möglicherweise mit der anderen Bezeichnung die Abwehrhaltung in der Bevölkerung gemindert Siehe oben 2. Kap. C. III. 5. b). Siehe dazu ausführlich 4. Kap. B. 48 Vgl. Böhm, DVBI. 1991, 242 (245). 49 Beckmann, DöV 1987, 944 (945). 50 Erbguth, Rechtssystematische Grundfragen, S. 220. 51 Siehe oben 2. Kap. B. 11. 2. a) dd). 52 Die durchschnittliche Dauer eines Genehmigungsverfahrens beträgt 6 bis 12 Monate, in Einzelfällen auch länger; Landesregierung NW, Überprüfung von Genehmigungsverfahren, S. 10. 46 47

I3 Kleinschniuger

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3. Kap.: A. Ausnahmen vom Anlagenzwang nach § 4 Abs. 1 S. 2 AbfG

werden, indem in der Öffentlichkeit das Reizwort "Müllverbrennung" vermieden wird. Umso schlimmer dürfte sich allerdings der Vertrauensverlust auswirken, sobald bekannt wird, daß in der vermeintlichen Industrieanlage unter anderem auch Abfall als Brennstoff eingesetzt wird. In diesem Zusammenhang sollte erwähnt werden, daß insofern schon das Gesetzgebungsverfahren zur Einführung des § 4 Abs. 1 S. 2 AbfG unglücklich abgelaufen ist. Indem diese Änderung des AbfG erst durch den Umweltausschuß in das Dritte Gesetz zur Änderung des BImSchG eingefügt wurde, 53 war der Vorwurf, mit dieser Regelung sei gewissermaßen durch die Hintertür ein Angriff auf die Ziele des Abfallrechts erfolgt, 54 schon fast zu erwarten. Welche Folgen § 4 Abs. 1 S. 2 AbfG für die Neuzulassung von Anlagen haben wird, kann nach alledem nur die Zukunft zeigen. 2. Abfallverbrennung in vorhandenen Anlagen Unter dem Gesichtspunkt der Beschleunigung erscheint die Nutzung bereits vorhandener und immissionsschutzrechtlich genehmigter Anlagen interessanter. a) Begriff der wesentlichen Änderung nach § 15 Abs. 2 BlmSchG

Fraglich ist in erster Linie, ob der Anlagenbetreiber für die Nutzung einer vorhandenen Anlage zur Abfallentsorgung einer Genehmigung bedarf. Zu denken ist insoweit an eine nach § 15 Abs. 1 S. 1 BImSchG genehmigungsbedürftige wesentliche Änderung der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs einer Anlage. Entscheidend ist also, ob der Einsatz von Abfall als Brennstoff eine wesentliche Änderung i. S. d. § 15 Abs. 1 S. 1 BImSchG darstellt. In diesem Zusammenhang ist, ebenso wie bei dem abfallrechtlichen Begriff der wesentlichen Änderung,55 auf die ursprünglich erteilte Genehmigung abzustellen. 56 Wesentlich sind demnach alle Änderungen, die von der bestehenden Zulassung nicht mehr gedeckt sind. 57 Dies ist dann der Fall, wenn die Änderung Auswirkungen auf die Beurteilung der Genehmigungsvoraussetzungen nach den §§ 5 und 6 BImSchG haben kann. 58 Ob die in oder an der Anlage vorzunehmenden Veränderungen vorteilhafte oder nachteilige Folgen auslösen, kann insofern nicht von Bedeutung sein, denn es ist gerade die Aufgabe der Behörde, die Auswirkungen einer Änderung einzuschätzen. 59 Die Grenze zwischen genehmigungsfreien un53 54 55 56 57 58 59

BT-Drs. 11/6633, S. 26. So der Abgeordnete Brauer (Grüne), BT-Prot. 11/202, S. 15712. Siehe oben 2. Kap. B. I. 2. Ule / Laubinger, BImSchG, § 15 Rn. 2. Jarass, BlmSchG, § 15 Rn. 5. Feldhaus, BlmSchG, § 15 Anm.7. Jarass, BlmSchG, § 15 Rn. 8; vgl. auch Abschnitt 111.1 der Verwaltungsvorschrift des Landes NW zum Genehmigungsverfahren nach dem BlmSchG vom 21.11.1975 (MBL S. 2216) zuletzt geändert am 4.1.1990 (MBL S. 227).

11. Durchführung eines Genehmigungsverfahrens nach dem BlmSchG

195

wesentlichen und genehmigungspflichtigen wesentlichen Änderungen ist daher schon recht früh erreicht. Der Einsatz anderer oder zusätzlicher Einsatzstoffe in den Brennöfen kann gravierende Auswirkungen auf die chemische Zusammensetzung und Menge der von der Anlage verursachten Emissionen haben, so daß die Nutzung einer Anlage nach § 4 Abs. 1 S. 2 AbfG gemäß § 15 BImSchG einer Änderungsgenehmigung bedarf. 60 b) Verfahren

Das anzuwendende Genehmigungsverfahren ist grundsätzlich das gleiche wie bei der erstmaligen Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Zulassung. Es handelt sich daher auch hier um eine gebundene Entscheidung, bei der der Behörde kein Versagungsermessen eingeräumt ist. 61 Wie das Verfahren zu gestalten ist, richtet sich im Immissionsschutzrecht danach, ob die betreffende Anlage in ihrer geänderten Form durch § 2 Abs. 1 der 4. BImSchV und deren Anhang dem aufwendigeren Verfahren nach § 10 BImSchG unterworfen ist,62 oder ob statt dessen ein vereinfachtes Verfahren nach § 19 BImSchG63 ausreicht. 64 Für die Genehmigung der Abfallentsorgung gemäß § 4 Abs.l S.2 AbfG haben jedoch Anlagen außer Betracht zu bleiben, die nur einem vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG unterliegen, da es in diesem Verfahren an der erforderlichen Öffentlichkeitsbeteiligung fehlt (§ 19 Abs. 2 BImSchG). In einigen Fällen ermöglicht § 15 Abs. 2 BImSchG eine wesentliche Vereinfachung und damit auch Verkürzung des Verfahrens, indem auf die öffentliche Auslegung des Antrags und der dazugehörigen Unterlagen, d. h. die Öffentlichkeitsbeteiligung, verzichtet werden darf. Fraglich ist, ob diese Vorschrift auch dann zur Anwendung gelangen darf, wenn die wesentliche Änderung in der geplanten Verbrennung von Abfällen besteht, denn § 4 Abs. 1 S. 2 AbfG erlaubt die Entsorgung außerhalb von Abfallentsorgungsanlagen nur unter der Voraussetzung' daß die in Betracht kommende Anlage "einer Genehmigung in einem Verfahren unter Einbeziehung der Öffentlichkeit nach § 4 BImSchG" bedarf. Dieser Wortlaut besagt aber nur, daß die Anlage an sich diese Voraussetzung erfüllen muß, nicht hingegen, daß der Zulassung der Abfallentsorgung in jedem Fall ein Einwendungsverfahren vorauszugehen hat. Ob dies umweltpolitisch sinnvoll ist, läßt sich bezweifeln. 65 Allerdings wird das Problem nur dann virulent, wenn § 15 Abs.2 BImSchG überhaupt eingreift. 60

Böhm, DVBI. 1991,242 (245).

64

Vgl. Jarass, BImSchG, § 15 Rn. 20.

61 Jarass, BlmSchG, § 15 Rn. 13. 62 Spalte 1 des Anhangs zur 4. BlmSchV. 63 Spalte 2 des Anhangs zur 4. BImSchV. 65 Vgl. die Große Anfrage der Fraktion "Die Grünen" vom 18.5.1990, BT-Drs. 11 /

7186. 13"

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3. Kap.: A. Ausnahmen vom Anlagenzwang nach § 4 Abs. 1 S. 2 AbfG

Voraussetzung hierfür ist, daß "durch die Änderung zusätzliche oder andere Emissionen oder auf andere Weise Gefahren, Nachteile oder Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft" nicht verursacht werden. Zwar ergibt sich aus dem Zusammenhang des § 15 BImSchG, daß diese Schwelle nicht schon bei jeder nach Abs. 1 genehmigungsbedürftigen Änderung erreicht sein kann. Andererseits ist zu bedenken, daß auch die Genehmigung nach § 15 BImSchG grundsätzlich eine vollwertige Genehmigung ist, die auch die Rechtswirkungen der fönnlichen Genehmigung auslöst, insbesondere die Konzentrationswirkung nach § 13 BImSchG. Dies gilt jedoch in Ennangelung eines Einwendungsverfahrens nicht für die materielle Präklusionswirkung des § 10 Abs. 3 S. 4 BImSchG.66 Dennoch sind wegen dieser prinzipiellen Gleichwertigkeit des beschränkten Verfahrens nach § 15 Abs.2 BImSchG mit der sonst erforderlichen fönnlichen Genehmigung die Voraussetzungen des § 15 Abs.2 BImSchG tendenziell eng auszulegen. 67 Sie sind lediglich erfüllt, wenn die zusätzlichen Emissionen nach der Einschätzung der Behörde im Zeitpunkt der AntragsteIlung unerheblich sind. 68 Wird nun ein anderer oder zusätzlicher Brennstoff eingesetzt, so ist nicht anzunehmen, daß bei der Entscheidung über das anzuwendende Verfahren schon von vornherein die Unerheblichkeit der Auswirkungen unterstellt werden könnte. Von Ausnahmefällen abgesehen wird deshalb in aller Regel ein fönnliches Verfahren nach § 10 BImSchG durchzuführen sein. 69 Das Verfahren nach § 15 BImSchG weist schließlich eine wichtige Besonderheit auf. Im Gegensatz zum fönnlichen Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG und auch zum abfallrechtlichen Planfeststellungsverfahren bestimmt § 15 Abs. 1 S.2 BImSchG eine Frist von sechs Monaten, innerhalb der die zuständige Behörde über die Erteilung der Änderungsgenehmigung zu entscheiden hat. Die praktische Wirksamkeit dieser zeitlichen Vorgabe mag hingegen bezweifelt werden. 70 Denn zum einen ennöglicht § 15 Abs. 1 S. 3 BImSchG eine Verlängerung um ,jeweils", also durchaus auch mehrfach, drei Monate, wenn die Bescheidung des Antrags Schwierigkeiten bereitet. 71 Zum anderen fehlt bei Nichteinhaltung dieser Frist jegliche Sanktion, etwa in Fonn einer fingierten Genehmigungserteilung. 72

66 Jarass, BImSchG, § 19 Rn. 15.

Jarass, BlmSchG, § 15 Rn. 21; Ule/Laubinger, BlmSchG, § 15 Rn. 8. Abschnitt III.l.2 der Verwaltungsvorschrift des Landes NW zum Genehmigungsverfahren nach dem BImSchG (oben Fußnote 59). 69 Davon geht auch der Bundesumweltminister aus; Pressemitteilung vom 25.4.1990, in: Eildienst LKT NW 1990,268 (269). Anders die Einschätzung des Saarlands, das im Bundesrat einen ausdrücklichen Verweis auf die Anwendbarkeit des § 15 BImSchG anregte; Antrag zu BR-Drs. 205/90. 70 Stich/Porger, Immissionsschutzrecht, § 15 BImSchG, Anm. 11. 71 Ule/Laubinger, BImSchG, § 15 Rn. 7. 72 Anders z. B. § 19 Abs. 3 S. 6 BauGB; vgl. Jarass, BImSchG, § 15 Rn. 20. 67

68

III. Beurteilung der Vereinfachungswirkung

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111. Beurteilung der Vereinfachungswirkung Ob durch § 4 Abs. 1 S. 2 AbfG die erhoffte Beschleunigungswirkung erzielt wird, läßt sich nicht einheitlich beantworten. Bei der Neuzulassung von Anlagen ist wegen der aufgezeigten Ähnlichkeit von Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren nicht mit einer nennenswerten Zeitersparnis zu rechnen. Geht es allerdings um die Nutzung bereits vorhandener Anlagen, so ist hierin durchaus eine vielversprechende Möglichkeit zu sehen, zusätzliche Verbrennungskapazitäten ohne zusätzliche Umweltbelastung zu gewinnen. Voraussetzung dafür ist allerdings, daß sich geeignete Anlagen finden bzw. Anlagenbetreiber, die die Aufwendungen für evtl. erforderliche zusätzliche Filteranlagen ebensowenig scheuen wie die Gefahr, als "Müllverheizer" in Verruf zu geraten.

B. Ausnahmen vom Anlagenzwang nach § 4 Abs. 2 und 4 AbfG Weitere Befreiungen von dem abfallrechtlichen Grundsatz des Anlagenzwangs sind in § 4 Abs. 2 und 4 AbfG vorgesehen. Nach dieser Regelung können Abfälle aufgrund einer Einzelfallgenehmigung (Abs. 2) I oder einer generellen LandesRechtsverordnung (Abs. 4)2 ausnahmsweise außerhalb zugelassener Anlagen entsorgt werden, wenn dadurch das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird. Wie die in Betracht kommenden Abfälle nach Art und Menge beschaffen sein müssen, läßt sich dem Wortlaut der beiden Vorschriften nicht entnehmen. Doch folgt aus dem systematischen Zusammenhang mit dem Grundsatz des § 4 Abs. 1 S. 1 AbfG, daß es sich hierbei nur um Fälle handeln kann, in denen die Durchsetzung des Anlagenzwangs aufgrund besonderer Umstände unverhältnismäßig erscheinen müßte. 3 Im Gesetzgebungsverfahren war insofern an die Umstellungsprobleme gedacht worden, die sich bei der Einführung des AbfG beispielsweise in Streusiedlungen ergeben würden. 4 Jedenfalls darf über § 4 Abs. 2 und 4 AbfG nicht der grundsätzliche Anlagenzwang gemäß § 4 Abs. 1 AbfG umgangen und das Verhältnis von Regel und Ausnahme umgekehrt werden. 5 Bedenkt man weiterhin, daß es sich nur um Abfalle handeln darf, die ohne Beeinträchtigung des Allgemeinwohls i. S. d. § 2 Abs. 1 AbfG außerhalb einer zugelassenen Anlage entsorgt werden dürfen, so kommt man zu dem Ergebnis, daß der Anwendungsbereich dieser beiden Vorschriften sich im wesentlichen auf verrottbare Gartenabfalle, Erdaushub und mit Einschränkungen auch auf unbelasteten Bauschutt 6 beschränkt. 7 Dementsprechend betreffen die von den Ländern zu § 4 Abs. 4 AbfG erlassenen Rechtsverordnungen ausschließlich diese Abfallarten. 8 Dabei ist zu berücksichtigen, daß es sich bei den sog. Gartenabfallen I Wie jeder Verwaltungsakt ist auch die Ausnahmegenehmigung nach § 4 Abs.2 AbfG dem Bestimmtheitsgebot unterworfen; es muß daher im Zeitpunkt der Entscheidung schon feststehen, welche Arten und Mengen von Abfallen entsorgt werden dürfen; Hösel / von Lersner, § 4 AbfG Rn. 25. 2 Die Verordnungsermächtigung wurde im Hinblick auf eine große Anzahl sonst zu erteilender, gleichartiger Einzelgenehmigungen als zweckmäßig angesehen; BT-Drs. VI/ 2401, S. 25. 3 BarteIs, Abfallrecht, S. 89; Hösel / von Lersner, § 4 AbfG Rn. 24. 4 Hoschützky / Kreft, § 4 AbfG Erl. 2.1. 5 HessVGH, NVwZ 1986,662 (663); OVG LÜDeburg, UPR 1986,238 (239); Hoschützky / Kreft, § 4 AbfG Erl. 2.1. 6 HessVGH, NVwZ 1986, 662. 7 BarteIs, Abfallrecht, S. 89; Hösel/ von Lersner, § 4 AbfG Rn. 23 und 39; Kunig, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 4 Rn. 39.

B. Ausnahmen vom Anlagenzwang nach § 4 Abs. 2 und 4 AbfG

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oft überhaupt nicht um Abfälle i. S. d. § 1 Abs. 1 AbfG handelt, wenn diese fachgerecht kompostiert und damit als Wertstoffe genutzt werden. 9 Abfallrechtlich relevant ist daher nur das Verbrennen von Garten- und landwirtschaftlichen 10 Abfällen. Hierbei handelt es sich allerdings um Maßnahmen, an die die Bevölkerung zwar seit jeher gewöhnt ist, deren abfallpolitische Rechtfertigung heute aber zunehmend zweifelhaft erscheint. Gerade Gartenabfälle, die ohnehin von den jeweiligen Garteninhabern getrennt von anderem Müll gesammelt werden, eignen sich hervorragend für eine Kompostierung. Außerdem liegt auf der Hand, daß eine Überwachung der Gartenabfallverbrennung schon aus tatsächlichen Gründen kaum möglich sein dürfte; 11 einem Mißbrauch steht damit kein wirksames Kontrollinstrument entgegen. Die für die Bewältigung der Abfallproblerne interessantere, wenn auch im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Vorschrift bedenkliche Anwendung des § 4 Abs. 2 und 4 AbfG auf die Entsorgung in Anlagen, die über eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung verfügen,12 hat nunmehr durch die Einführung des § 4 Abs. 1 S. 2 AbfG ihre Bedeutung verloren. Von praktischer Relevanz ist hingegen die Auffassung, § 4 Abs. 2 AbfG erlaube die Zulassung eines Probebetriebs. 13 Allerdings ist eine derartige begriffliche Ausweitung des Anwendungsbereichs der Vorschrift über ihren ursprünglichen Sinn hinaus aus rechtlichen Gründen bedenklich. Außerdem stellt sich die Frage nur dann, wenn nicht auf einem anderen Weg ebenfalls ein Probebetrieb erlaubt werden kann. Insofern ist an § 7 a AbfG zu denken, der für diese Fallgestaltung viel eher sachgerechte Lösungen verspricht als § 4 Abs. 2 AbfG, der für die Zulassung eines Probebetriebs ersichtlich nicht gedacht ist. Außerdem liegt die Zuständigkeit für die Genehmigung nach § 4 Abs. 2 AbfG regelmäßig nicht bei der abfallrechtlichen Planfeststellungsbehörde, 14 so daß eine sinnvolle Koordination von Probebetrieb und Zulassungsentscheidung nicht gewährleistet wäre. Des weiteren kommt § 4 Abs. 2 AbfG für solche Anlagen in Betracht, die zwar der Abfallentsorgung dienen, aber mangels Ortsfestigkeit nicht nach § 7 AbfG planfestgestellt werden können. Wie bereits erläutert, 15 erscheint eine 8 Die Landesrechtsverordnungen sind abgedruckt bei Hösel/ von Lersner, Recht der Abfallbeseitigung, Band 2 (Landesrecht); ihr Inhalt befaßt sich im wesentlichen mit den Modalitäten der Verbrennung wie der Einhaltung bestimmter Zeiten und Sicherheitsabstände. 9 Hoschützky / Kreft, § 4 AbfG Er!. 4; Kunig, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 4 Rn. 39. 10 Zum Aufbringen von Abfällen auf landwirtschaftlich genutzte Böden § 15 AbfG. 11 Kunig, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 4 Rn. 40. 12 Hösel / von Lersner, § 4 AbfG Rn. 23. 13 So Hösel / von Lersner, § 4 AbfG Rn. 25. 14 In Nordrhein-Westfalen sind die Kreise bzw. kreisfreien Städte zuständig; § 38 Abs.2 Nr. 1 i. V. m. § 34 nw.LAbfG. 15 Ausführlich oben 2. Kap. B. I. 1. b).

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3. Kap.: B. Ausnahmen vom Anlagenzwang nach § 4 Abs. 2 und 4 AbfG

Ausnahmegenehmigung nach § 4 Abs. 2 AbfG für diese insbesondere bei der Altlastensanierung vor Ort eingesetzten mobilen Anlagen als einzige Möglichkeit der Legalisierung. 16 In Anlehnung an die ursprüngliche Aufgabe der Befreiungsvorschrift, bei praktischen Umstellungsproblemen flexible Reaktionen zu ermöglichen, erscheint es hier sachgerecht, die Zulassung derartiger Anlagen nach § 4 Abs. 2 AbfG zu ermöglichen, bis der Gesetzgeber die unbeabsichtigte Gesetzeslücke bei der Genehmigung mobiler Anlagen durch eine entsprechende Gesetzesänderung geschlossen hat. Von dieser letzten Fallgestaltung abgesehen, wird durch die Ausnahmen vom Anlagenzwang durch § 4 Abs. 2 und 4 AbfG keine relevante Vereinfachung oder gar Beschleunigung des abfallrechtlichen Verfahrens bewirkt. Hinzu kommt, daß die Ausnahmegenehmigungen im Gegensatz zu einem Planfeststellungsbeschluß nur widerruflich erteilt werden dürfen und zudem im Ermessen der Behörde stehen. 17 Ein Rechtsanspruch auf Erteilung ist wiederum nur in äußersten Grenzfällen vorstellbar. 18

16 Buch, UPR 1990,92 (93); Hösel/von Lersner, § 4 AbfG Rn. 25; Paetow, NVwZ 1990,510 (515). 17 Hösel/ von Lersner, § 4 AbfG Rn. 26; Kloepfer, Umweltrecht, § 12 Rn. 104. 18 Vgl. dazu oben 2. Kap. B. V. 3.

c. Durchführung eines Genehmigungsverfahrens nach § 7 Abs. 2 AbfG I. Überblick Als Instrument zur Beschleunigung des abfallrechtlichen Zulassungsverfahrens soll nach dem Willen des Gesetzgebers die durch § 7 Abs. 2 AbfG eröffnete Möglichkeit dienen, "an Stelle" eines Planfeststellungsverfahrens ein Genehmigungsverfahren durchzuführen.! Dieser Wortlaut ist allerdings mißverständlich, weil der Eindruck entstehen könnte, daß es sich dabei tatsächlich um ein eigenständiges Genehmigungsverfahren handelt. Das ist jedoch nur selten der Fall, denn Abfallentsorgungsanlagen sind häufig zugleich nach § 4 BImSchG genehmigungsbedürftig (Nr. 8 des Anhangs zur 4. BImSchV). Umfaßt der Planfeststellungsbeschluß aber die immissionsschutzrechtliche Genehmigung aufgrund seiner gesetzlich angeordneten Konzentrationswirkung gemäß § 75 VwVfG, so gilt dies für die abfallrechtliche Genehmigung in Ermangelung einer gesetzlichen Regelung nicht. 2 Daher wären im Falle eines abfallrechtlichen Genehmigungsverfahrens grundsätzlich alle an sich erforderlichen Genehmigungsverfahren nebeneinander durchzuführen. 3 Durch § 13 BImSchG kommt nun aber der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ebenfalls eine Konzentrationswirkung zu, so daß diese wiederum die abfallrechtliche Genehmigung beinhaltet. Wie sich diese rechtlichen Besonderheiten auf das Genehmigungsverfahren im konkreten Fall auswirken, kann nur gesondert nach den von § 7 Abs. 2 AbfG bezeichneten Anlagentypen untersucht werden.

BT-Drs. VI/2401, S. 14 und BT-Drs. 10/2885, S. 16. Jarass, Auslegung und Umsetzung der EG-Richtlinie zur UVP, S. 61; allgemein Jarass, DöV 1978,21 (25); unzutreffend Ronellenfitsch, DöV 1989,737 (747). 3 Es sei denn, das Landesrecht trifft spezielle Regelungen, wie etwa eine partielle Konzentrationswirkung hinsichtlich der Baugenehmigung nach § 60 Abs. 3 nw.LBauO; § 17 Abs. 2 saarl.AbfG; § 68 Abs. 2 Nr. 2 nds.BauO; vgl. auch § 7 Abs. 3 S. 2 nw .AbgrG. !

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3. Kap.: C. Durchführung eines Genehmigungsverfahrens

11. Anwendungsbereich des § 7 Abs. 2 AbfG 1. Einrichtung und Betrieb einer unbedeutenden Abfallentsorgungsanlage a) Zum Begriff der unbedeutenden Anlage

Die Durchführung eines Genehmigungsverfahrens ist nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 zunächst für die Einrichtung und den Betrieb einer unbedeutenden Abfallentsorgungsanlage zulässig. Unter Berücksichtigung der im allgemeinen Verwaltungsrecht üblichen Unterscheidung der Begriffe ,,Einrichtung"4 und "Errichtung"5 könnte man insofern eine gewollte Abweichung von § 7 Abs. 1 AbfG vennuten. Indessen sprechen systematische Erwägungen gegen eine derartige Unterscheidung, denn § 7 Abs. 2 AbfG ist als Ausnahmevorschrift zu § 7 Abs. 1 AbfG konzipiert. 6 Zudem läßt auch die Entstehungsgeschichte der Nonn eher auf einen Schreibfehler schließen, da die Abänderung des Wortlauts nicht begründet wurde.?

Fraglich ist hier also vor allem, was unter dem Begriff der unbedeutenden Anlage zu verstehen ist. Da das abfallrechtliche Genehmigungsverfahren ebenso wie das Planfeststellungsverfahren die Einfügung der Abfallentsorgungsanlage in ihre Umgebung und ihre Vereinbarkeit mit materiell-rechtlichen Vorgaben, insbesondere mit den Rechten Dritter, zu überprüfen hat, muß der Begriff "unbedeutend" im Hinblick auf die von der Anlage berührten rechtlichen Belange ausgelegt werden. Eine bedeutende Anlage ist demnach dadurch gekennzeichnet, daß sie grundsätzlich geeignet ist, erhebliche Beeinträchtigungen zu verursachen. Als maßgeblich können die Größe der Anlage, das in ihr praktizierte Entsorgungsverfahren und ganz allgemein das Gefahrdungspotential der Anlage angesehen werden. 8 Bedenkt man weiterhin, daß ein besonderes Merkmal des Planfeststellungsverfahrens gerade die weitreichende Betroffenenbeteiligung ist, die § 7 Abs. 2 AbfG hingegen nicht zwingend gewährleistet, so muß als weiteres Kriterium für die Abgrenzung der unbedeutenden Anlagen der Kreis der möglicherweise betroffenen privaten Dritten hinzugezogen werden. 9 Wenn es sich hierbei um eine überschaubare Anzahl von Personen handelt, kann deren Beteiligung im Rahmen eines einfachen Genehmigungsverfahrens (§§ 13 und 28 VwVfG) im 4 D. i. die Entscheidung über die Gründung oder Schaffung eines Verwaltungsträgers; Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 21 Rn. 58; Broß, in: von Münch, GG, Art. 84 Rn. 6. 5 D. i. die tatsächliche Bildung und Ausstattung des Verwaltungsträgers mit Personalund Sachmitteln; Wolff / Bachof, Verwaltungsrecht 11 (4. Aufl.), § 74 III. 6 Barteis, Abfallrecht, S. 97 f. ? V gl. Hösel/ von Lersner, § 7 AbfG Rn. 2. 8 Barteis, Abfallrecht, S. 98; Hoppe / Beckmann, Umweltrecht, § 28 Rn. 69; Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 215. 9 Hösel/von Lersner, § 7 AbfG Rn. 16.

11. Anwendungsbereich des § 7 Abs. 2 AbfG

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Vergleich zu einem sonst erforderlichen Anhörungsverfahren schneller und einfacher zu bewältigen sein. Eine eindeutige Unterscheidung von bedeutenden und unbedeutenden Anlagen ist allerdings anhand dieser Gesichtspunkte nicht möglich. Abfallentsorgungsanlagen, die zugleich nach dem BImSchG ein förmliches Genehmigungsverfahren erfordern, dürften jedoch kaum als unbedeutend zu qualifizieren sein. 1O Strikt ausgeschlossen ist das Genehmigungsverfahren jedenfalls, wenn in der Anlage gefährliche Sonderabfälle i. S. d. § 2 Abs. 2 AbfG verbrannt, chemisch behandelt oder abgelagert werden (§ 7 Abs. 2 S. 2 AbfG). 11 In Betracht kommen schließlich nur unbedeutende Deponien, etwa für unbelasteten Bodenaushub, 12 und Autowracksammelplätze. \3 Inzwischen erübrigt hat sich mit der Einführung des § 7 Abs.2 S. 1 Nr.3 AbfG die Diskussion, ob auch Versuchsanlagen unbedeutend sind. 14 b) Sortieranlagen

Durch § 7 Abs. 2 S. 3 AbfG wird die Entscheidung jedoch dadurch erleichtert, daß das Gesetz selbst in bestimmten Fällen Abfallsortieranlagen und kleinere Kompostierungsanlagen als unbedeutend gelten läßt. Ob es sich dabei um eine gesetzliche Fiktion 15 oder um eine unwiderlegliche Vermutung 16 handelt, ist für die praktische Anwendung nicht von Belang, da in beiden Fällen ein Beweis des Gegenteils nicht zulässig ist. Betroffen von dieser Regelung sind zunächst Anlagen, in denen Wertstoffe aus Hausmüll und hausmüllartigen Abfällen 17 aussortiert werden. Derartige Anlagen bestehen üblicherweise nur aus Hallen, Förderbändern und Papierpressen o. ä., so daß sie ohnehin meistens als unbedeutend eingestuft werden können,I8 weshalb die Vorschrift als eine unwiderlegliche Vermutung aufzufassen ist. 19

Schwenner, in: Kunig / Schwenner / Versteyl, AbfG, § 7 Rn. 55. Buch, UPR 1990,92 (94). 12 UBA, 1. Zwischenbericht, S. 50. 13 Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 21. 14 Dazu Tettinger, in: Festschrift für Fabricius, S. 307 (315 f.). 15 D. h. der Rechtssatz sagt etwas aus, was in Wirklichkeit nicht der Fall ist bzw. sein kann; im Grunde stellt die Fiktion deshalb eine besondere Fonn der Verweisung dar; Larenz, Methodenlehre, S. 141 f. 16 Vennutungen sind ursprünglich dem Prozeßrecht entlehnt; sie können aber zutreffend sein, während Fiktionen - gemessen an der Realität - notwendig falsch sind; vgl. Baumann, Einführung in die Rechtswissenschaft, S. 85 ff. 17 Abflille, die zusammen mit Hausmüll entsorgt werden können, § 3 Abs. 3 AbfG; Barteis, Abfallrecht, S. 98. 18 BT-Drs. 10/2885, S. 16. 19 Hösel / von Lersner, § 7 AbfG Rn. 17; anders aber Beckmann / Appold / Kuhlmann, DVBI. 1988, 1002 (1003). 10

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3. Kap.: C. Durchführung eines Genehmigungsverfahrens

Für diese Abfallsortieranlagen folgt aus § 4 BImSchG i. V. m. Nr.8.4. des Anhangs zur 4. BImSchV die Pflicht zur Durchführung eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens. Für Anlagen, deren Leistung eine Tonne pro Stunde überschreitet, ist ein förmliches Genehmigungsverfahren gemäß § 10 BImSchG vorgeschrieben, das nach § 13 BImSchG ein konzentriertes Verfahren ist. Wird diese Kapazitätsgrenze indessen unterschritten, so ist nur das vereinfachte immissionsschutzrechtliche Verfahren nach § 19 BImSchG erforderlich, dem allerdings die Konzentrationswirkung fehlt, so daß dann doch parallele Genehmigungsverfahren durchgeführt werden müssen, wenn nicht der Antragsteller von seinem durch § 19 Abs. 3 BImSchG eingeräumten Wahlrecht zugunsten eines förmlichen Verfahrens Gebrauch macht. 20 Wichtig ist aber, daß auch der Begriff der Sortieranlage i. S. d. § 7 Abs.2 Nr. 1 AbfG voraussetzt, daß die behandelten Stoffe Abfall i. S. d. § 1 Abs. 1 AbfG sind. Handelt es sich dagegen ausschließlich um Stoffe, die von vornherein für eine Wiederverwertung vorgesehen sind und nicht der entsorgungspflichtigen Körperschaft (§ 1 Abs. 1 S. 2 AbfG), sondern einem privaten Verwertungsunternehmer überlassen werden, so ist der Abfallbegriff nicht erfüllt. 21 Dies gilt z. B. für in Containern gesammeltes Glas oder Papier. c) Kompostierungsanlagen

Außerdem gelten nach § 7 Abs. 2 S. 3 AbfG Abfallkompostierungsanlagen mit einer Durchsatzleistung von bis zu 0,75 Tonnen je Stunde 22 als unbedeutend. Insoweit ist das Verhältnis zu der nach Nr.8.5 des Anhangs zur 4. BImSchV erforderlichen förmlichen Genehmigung nicht eindeutig zu bestimmen, denn nach dem Immissionsschutzrecht sind ,,Kompostwerke" genehmigungspflichtig. Darunter versteht man fabrikmäßige Anlagen, bei denen in erheblichem Umfang technische Geräte eingesetzt werden, und die mehr als 6000 m3 pro Jahr erzeugen. 23 Fraglich ist nunmehr, wie sich die Mengenangaben bezogen auf die jährliche bzw. stündliche Leistung umrechnen lassen. Geht man bei den Kompostierungsanlagen i. S. d. § 7 Abs. 1 S. 3 AbfG von einer kontinuierlichen Durchsatzleistung von 0,75 Tonnen an allen Tagen des Jahres jeweils 24 Stunden am Tag aus, so kommt man auf eine Jahresleistung von 6570 Tonnen, mit der Folge, daß die Anlage ein genehmigungsbedürftiges Kompostwerk darstellt. Legt man allerdings, was bei einer lebensnahen Berechnung auch vertretbar erscheint, nur tatsächliche Arbeitszeiten bzw. eine unterschiedliche Auslastung zugrunde, so ergibt sich eine wesentlich niedrigere Jahresleistung. 24 Diese Rechnung zeigt, Dazu Schlabach, UPR 1990,250 (251). Hösel/von Lersner, § 7 AbfG Rn. 17. 22 Diese Zahl orientiert sich an § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Rechtsverordnung über Betriebsbeauftragte für Abfall vom 26.10.1977, BGBl. I S. 1913. 23 Hösel / von Lersner, § 7 AbfG Rn. 18. 20

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11. Anwendungsbereich des § 7 Abs. 2 AbfG

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daß Kompostierungsanlagen, die nach § 7 Abs. 2 S. 3 AbfG lediglich einer abfallrechtlichen Genehmigung bedürfen, durchaus auch nach dem BImSchG genehmigungspflichtig sein können. Dann schließt wiederum die immissionsschutzrechtliche Genehmigung die abfallrechtliche gemäß § 13 BImSchG ein. Häufig allerdings dürfte dies nicht der Fall sein, so daß dann tatsächlich ein eigenständiges abfallrechtliches Genehmigungsverfahren durchzuführen ist. 25

2. Wesentliche Änderung einer Abfallentsorgungsanlage oder ihres Betriebs Die Durchführung eines abfallrechtlichen Genehmigungsverfahrens kommt gemäß § 7 Abs.2 S. 1 Nr.l AbfG auch bei der wesentlichen Änderung einer Anlage oder ihres Betriebs in Betracht. Hinsichtlich des Begriffs der wesentlichen Änderung liegen keine Anzeichen für ein von § 7 Abs. 1 AbfG oder § 15 BImSchG abweichendes Begriffsverständnis vor. 26 Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut betrifft § 7 Abs.2 S. 1 Nr. 1 AbfG die wesentliche Änderung sowohl bedeutender als auch unbedeutender Anlagen. 27 Diese Auslegung wird durch den Regelungszusammenhang bestätigt, denn wenn schon die Neuzulassung unbedeutender Anlagen nur einer Genehmigung bedarf, so würde dies auch ohne eine weitere gesetzliche Regelung für deren wesentliche Änderung gelten. Handelt es sich um die wesentliche Änderung einer nach Immissionsschutzrecht genehmigungsbedürftigen Anlage, so ist wiederum ein Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG oder - seltener - nach § 19 BImSchG 28 durchzuführen. Insoweit ist § 15 BImSchG als Spezialregelung für Änderungsgenehmigungen mit den dort vorgesehenen Verfahrenserleichterungen zu beachten. 29

3. Fehlende Einwendungswahrscheinlichkeit Des weiteren kann die Behörde sich für das Genehmigungsverfahren entscheiden, wenn mit Einwendungen nicht zu rechnen ist (§ 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AbfG). Hierfür ist nicht erforderlich, daß die Anlage unbedeutend ist, da die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 AbfG nicht kumulativ vorzuliegen brauchen ("oder"). Aus UBA, 1. Zwischenbericht, S. 47 f. Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 215. 26 Dazu oben 2. Kap. B. I. 2. 27 Große Hündfeld, Die Beseitigung rechtlicher Hemmnisse, S. 43; a. A. Barteis, Abfallrecht, S. 89. 28 Nr.8.3 und 8.4 des Anhangs zur 4. BlmSchV, jeweils Spalte 2; von praktischer Bedeutung dürften nur die kleineren Sortieranlagen (Nr. 8.4.) sein. 29 Dazu schon oben 3. Kap. A. 11. 2. b). 24 25

206

3. Kap.: C. Durchführung eines Genehmigungsverfahrens

§ 7 Abs. 2 S. 3 AbfG folgt jedoch, daß es sich hierbei nicht um Anlagen zur Verbrennung, chemischen Behandlung oder Ablagerung von Sonderabfällen handeln darf.

Im Hinblick auf die Einwendungswahrscheinlichkeit muß die Behörde grundsätzlich eine Prognose erstellen; doch kann heutzutage kaum damit gerechnet werden, daß niemand Einwendungen gegen die Zulassung einer Abfallentsorgungsanlage erhebt. 30 Zu denken wäre allenfalls an solche Änderungen, die zu einer Verbesserung der Immissionssituation führen werden. 31 Schließlich wird das Kriterium im Schrifttum in der Weise einschränkend ausgelegt, daß die Behörde nur dann mit Einwendungen rechnen muß, wenn diese bei verständiger Würdigung aller Umstände vernünftig erscheinen. 32

4. Errichtung und Betrieb einer Abfallentsorgungsanlage zur Entwicklung und Erprobung neuer Verfahren Durch eine Gesetzesänderung des Jahres 1990 ist § 7 Abs. 2 S. 1 Nr.3 AbfG neu eingefügt worden. Danach darf eine Genehmigung auch für Abfallentsorgungsanlagen erteilt werden, die überwiegend der Entwicklung und Erprobung neuer Verfahren dienen. Die Genehmigung muß dann auf zwei Jahre befristet werden, wobei eine Verlängerung allerdings zulässig ist. Diese Neuerung geht zurück auf eine seit längerem im Schrifttum erhobene rechtspolitische Forderung nach einer Erleichterung des Verfahrens für Probeanlagen entsprechend dem Vorbild des § 2 Abs. 3 der 4. BImSchV.33 Begrifflich sind Versuchsanlagen von sog. Pilotanlagen zu unterscheiden. Versuchsanlagen werden regelmäßig in einem früheren Stadium errichtet. Sie werden in einer kleineren Ausführung erbaut und dienen dazu, eine praktische Überprüfung neuer Techniken oder Verfahren zu ermöglichen. Pilotanlagen hingegen sind neue, aber schon auf die volle Kapazität ausgelegte Projekte, deren Ziel es ist, in der Praxis Erkenntnisse über eine neuentwickelte Technik zu sammeln. 34 Für das nunmehr anzuwendende Verfahren ist wiederum zunächst zu prüfen, ob die Anlage eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung erfordert. Ist dies der Fall, wird nach § 2 Abs. 3 der 4. BImSchV ein vereinfachtes Verfahren gemäß § 19 BImSchG durchgeführt. 35 Da die dieses Verfahren abschließende Genehmi30 Appold/Beckmann, VerwArch 1990,307 (319). 31 Barteis, Abfallrecht, S. 99. 32 Bälder, Recht der Abfallwirtschaft, S. 187; Hösel/ von Lersner, § 7 AbfG Rn. 20;

Seeliger, vr 1990, 329 (334); Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 7 Rn. 58. 33 Teuinger, in: Festschrift für Fabricius, S. 307 (315 f.); Weidemann, NVwZ 1988, 977 (982). 34 Zu diesen Begriffen BT-Drs. 11 /571, S. 7 f.; Teuinger, in: Festschrift für Fabricius, S. 307 (316).

III. Materielle und fonnelle Genehmigungsvoraussetzungen

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gung indessen nicht die Konzentrationswirkung des § 13 BImSchG auslöst, ist parallel zumindest eine abfallrechtliche Genehmigung nach § 7 Abs. 2 AbfG zu erteilen. Allerdings gilt auch hier gemäß § 19 Abs. 3 BImSchG ein Wahlrecht des Antragstellers, der sich, wenn ihm dies vorteilhaft erscheint, für das förmliche anstelle des vereinfachten Verfahrens entscheiden kann. Für Erprobungsanlagen, die nicht nach § 4 BImSchG genehmigungsbedürftig sind, sind neben dem abfallrechtlichen Verfahren nach § 7 Abs. 2 AbfG die nach anderen einschlägigen Vorschriften erforderlichen parallelen Genehmigungsverfahren erforderlich.

III. Materielle und formelle Genehmigungsvoraussetzungen Schließlich stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien die zuständige Behörde über die Erteilung der abfallrechtlichen Genehmigung nach § 7 Abs. 2 AbfG zu entscheiden hat. Insoweit ist zunächst daran zu erinnern, daß auch im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens gemäß § 6 Nr.2 BImSchG sonstige öffentlich-rechtliche Vorgaben zu beachten sind, so daß die materiell-rechtlichen Normen des Abfallrechts auch in diesem Verfahren Geltung beanspruchen. 36 Gemäß § 7 Abs. 2 AbfG erfolgt das abfallrechtliche Genehmigungsverfahren "an Stelle" des Planfeststellungsverfahrens. Damit macht der Gesetzeswortlaut deutlich, daß es sich lediglich um ein anderes Verfahren, nicht aber um modifizierte Zulassungsvoraussetzungen handelt. Die Wahl des Genehmigungsverfahrens hat demzufolge keinen Einfluß auf den materiell-rechtlichen Prüfungsmaßstab. Dies hat zur Folge, daß die abfallrechtliche Beurteilung einer Anlage nach wie vor eine Planungsentscheidung darstellt, die der Behörde erlaubt, planerische Gestaltungsfreiheit auszuüben. Zutreffend ist daher die Bezeichnung als Plangenehmigung. 37 Wie nun der Ablauf eines solchen Plangenehmigungsverfahrens auszusehen hat, regelt das AbfG nicht. Auch in den Landes-Abfallgesetzen finden sich wenn überhaupt - nur spärliche Regelungen. 38 Da auch nicht ausdrücklich eine besondere Verfahrensart angeordnet ist, gelten die Vorschriften über das einfache 35 Ein Zulassungsverfahren ohne obligatorische Öffentlichkeitsbeteiligung ist für Versuchsanlagen auch unter Berücksichtigung des EG-Rechts ausnahmsweise ausreichend; BT-Drs. 11/5532, S. 41. 36 VG Freiburg, UPR 1987,358 (359). 37 Vgl. Barteis, Abfallrecht, S. 101; Beckmann, DöV 1987,944 (945); Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 18 und 73; Wahl, NVwZ 1990,426 (428). 38 Vgl. § 12 bd.wtt.LAbfG; Art. 13 und 14 bay.AbfG mit der bemerkenswerten Neuerung, daß der Antrag bei Unvollständigkeit der eingereichten Unterlagen abgelehnt werden kann; Art. 13 Abs. 3 bay.AbfG.

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3. Kap.: C. Durchführung eines Genehmigungsverfahrens

Verwaltungsverfahren nach dem jeweiligen LVwVfG.39 Von Bedeutung ist insofern § 28 VwVfG, wonach Beteiligte i. S. d. § 13 VwVfG, in deren Rechte eingegriffen wird, anzuhören sind. Außerdem setzt eine den materiell-rechtlichen Vorgaben entsprechende Sachverhaltsermittlung voraus, daß auch andere Behörden um Stellungnahmen gebeten werden. 40 Erkennt die Behörde während eines laufenden Verfahrens, daß die rechtlichen Voraussetzungen für die Durchführung eines Genehmigungsverfahrens entgegen ihrer ursprünglichen Einschätzung nicht vorliegen, so ist sie verpflichtet, das Genehmigungsverfahren in ein Planfeststellungsverfahren überzuleiten. 41

IV. Verbindung von Planfeststellung und -genehmigung Entsprechend einem in der Praxis vorhandenen Bedürfnis nach einer Aufgliederung bzw. Stufung des Planfeststellungsverfahrens nach dem Vorbild des Immissionsschutzrechts ist versucht worden, über § 7 Abs. 2 AbfG zu dem gewünschten Ergebnis zu gelangen, indem für einzelne Teile einer Abfallentsorgungsanlage vorab eine Genehmigung erteilt wird. 42 Mit dem Wortlaut des § 7 Abs. 2 AbfG ist dies nicht vereinbar, da dieser davon ausgeht, daß die Genehmigung "an Stelle" und nicht neben die Planfeststellung tritt. 43 Rechtmäßig erscheint ein solches Vorgehen mithin nur für den Fall, daß es sich um eine selbständige Anlage handelt. 44 Wegen des im Planfeststellungsrecht grundsätzlich weit auszulegenden Anlagenbegriffs 4S wird dies jedoch nur ausnahmsweise zu bejahen sein, z. B. dann, wenn eine Sortieranlage für sich allein auch dann einen Sinn hätte, wenn die planfeststellungsbedürftige Deponie oder Verbrennungsanlage nicht verwirklicht würde. 46 Als Instrument zur Verwirklichung eines gestuften Planfeststellungsverfahrens für eine Abfallentsorgungsanlage ist § 7 Abs. 2 AbfG daher nur ausnahmsweise geeignet. 47

39 Barteis, Abfallrecht, S.99; unzutreffend Seeliger, vr 1990, 329 (334), der das förmliche Verfahren gemäß §§ 63 ff. VwVfG für anwendbar hält. 40 Vgl. Art. 13 Abs.4 bay.AbfG. 41 OVG Lüneburg, UPR 1985, 243 (244); Hösel / von Lersner, § 7 AbfG Rn. 15. 42 Appold / Beckmann, Verw Arch 1990, 307 (319); Beckmann / Appold / Kuhlmann, DVBI. 1988, 1002 (1003). 43 Hösel / von Lersner, § 7 AbfG Rn. 21. 44 HessVGH, NJW 1979, 178 (180). 45 Siehe oben 2. Kap. B. I. 1. a) cc). 46 Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 233. 47 Dazu ausführlicher unten 4. Kap. B. VI. 3. b).

VI. Beurteilung der Beschleunigungswirkung

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V. Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter Im Zusammenhang mit der Durchführung eines abfallrechtlichen Genehmigungsverfahrens taucht regelmäßig die Frage auf, ob betroffene Dritte ein subjektives Recht auf Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens haben, das ihnen weitergehende Beteiligungsmöglichkeiten einräumt. Diese Frage wird von der Rechtsprechung 48 und auch vom Schrifttum 49 einhellig verneint, da der Behörde bei der Wahl des anzuwendenden Verfahrens ein Ermessensspielraum zustünde. 50 Gegen diese Ansicht läßt sich allerdings einwenden, daß die Betroffenenbeteiligung im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens nicht nur der Information der Behörde, sondern auch den Interessen Dritter dient, die in ihren geschützten Belangen berührt sind. 51 In diesem Rahmen kommt auch dem Abwägungsgebot in gewissem Umfang ein drittschützender Gehalt zu. 52 Die fehlerhafte Entscheidung, ein Genehmigungsverfahren durchzuführen, kann dazu führen, daß die Planungsentscheidung letztlich wegen unzureichender Sachverhaltsaufklärung abwägungsfehlerhaft und damit rechtswidrig ist. Sofern dadurch Belange Dritter beeinträchtigt werden, können diese durchaus mit Erfolg die Genehmigung anfechten.

VI. Beurteilung der Beschleunigungswirkung Der Beschleunigungseffekt, den sich der Gesetzgeber ursprünglich von § 7 Abs. 2 AbfG erhofft hatte, wird nur teilweise erreicht. Handelt es sich um Anlagen, die zugleich nach § 4 BImSchG i. V. m. der 4. BImSchV genehmigungsbedürftig sind, ist meistens ein förmliches Genehmigungsverfahren gemäß § 10 BImSchG durchzuführen. Dieses läßt sich zwar i. d. R. schneller abwickeln als ein abfallrechtliches Planfeststellungsverfahren, 53 doch sind der Beschleunigungswirkung wegen der bereits dargelegten 54 strukturellen Ähnlichkeit beider Verfahrensarten Grenzen gesetzt. 55 In der Praxis lassen sich aber Zeitvorteile 48 OVG NW, NVwZ 1988, 179 (180); HessVGH, NJW 1979, 178 (180); VGH Bd.Wtt., NVwZ 1986, 663 (664); zum Wasserrecht BVerwGE 62, 243 (246). 49 Beckmann/ Appold/Kuhlmann, DVBI. 1988,1002 (1003); Franßen, in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, S. 399 (433); Hösel / von Lersner, § 7 AbfG Rn. 25; Jarass, Auslegung und Umsetzung der EG-Richtlinie zur UVP, S. 17 und 81. 50 Jarass, Auslegung und Umsetzung der EG-Richtlinie zur UVP, S. 18. 51 Siehe oben 2. Kap. C. VIII. 52 Siehe oben 2. Kap. B. IV. 3. 53 Franßen, in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, S. 399 (433). 54 Siehe oben 3. Kap. A. 11. 1. c). 55 Buch, UPR 1990,92 (93); Franßen, in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, S. 399 (434).

14 K1einschninger

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3. Kap.: C. Durchführung eines Genehmigungsverfahrens

insbesondere bei der Nachrüstung älterer Anlagen erzielen,56 da hier über § 15 BImSchG weitere Verfahrensvereinfachungen möglich sind. Ist eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung indessen nicht erforderlich oder aber nur ein vereinfachtes Verfahren nach § 19 BImSchG, so entfällt der mit der Konzentrationswirkung des Zulassungsverfahrens verbundene Vorteil. Folglich müssen alle nach sonstigen gesetzlichen Vorschriften notwendigen Genehmigungen in jeweils gesonderten Verfahren beantragt und erteilt werden, sofern der Genehmigung nicht nach Landesrecht zumindest eine partielle Konzentrationswirkung verliehen wird. 57 Der hierdurch verursachte Aufwand kann bisweilen dazu führen, daß im Vergleich zu einem Planfeststellungsverfahren keine nennenswerte Beschleunigung erzielt wird. 58 Hinzu kommt, daß das Genehmigungsverfahren, dessen Durchführung an das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs.2 AbfG gebunden ist, überhaupt nur für wenige Anlagentypen in Betracht kommt, nicht aber für Deponien oder sonstige Entsorgungsanlagen, die über größere Kapazitäten verfügen.

56 Große Hündfeld, Die Beseitigung rechtlicher Hemmnisse, S. 43; Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 16. 57 Oben 3. Kap. C. I. 58 Beckmann/ Appold/Kuhlmann, DVBI. 1988, 1002 (1003); Große HÜDdfeld, Die Beseitigung rechtlicher Hemmnisse, S.4; Hösel / von Lersner, § 7 AbfG Rn. 15.

D. Zulassung vorzeitigen Beginns nach § 7 a AbfG Von erheblicher praktischer Bedeutung 1 ist die durch § 7a AbfG eröffnete Möglichkeit, die vorzeitige Ausführung des Vorhabens zu genehmigen. 2 Im Rahmen eines eingeleiteten, aber noch nicht abgeschlossenen 3 Planfeststellungsoder Genehmigungsverfahrens kann die zuständige Behörde widerruflich den vorzeitigen Beginn erlauben, sofern die in § 7 a Abs. 1 Nr. I bis 3 AbfG genannten Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind.

I. Begriff der Ausführung Fraglich ist, was unter der ,,Ausführung" des Vorhabens zu verstehen ist. Der Gesetzgeber hat sich hier nicht der Begriffe "Errichtung" oder "Betrieb" bedient. Der Terminus ,,Ausführung" läßt indessen keine eindeutige Auslegung zu. 4 Entscheidend ist daher, was nach dem Sinn der Regelung gemeint sein kann. Insoweit ist zu berücksichtigen, daß die Zulassung einer Abfallentsorgungsanlage grundsätzlich eine Planfeststellung bzw. eine Genehmigung erfordert. Die Zulassung vorzeitigen Beginns darf deshalb nicht dazu führen, daß die Entscheidung über die Anlage an sich schon vorweggenommen wird. 5 § 7 a AbfG betrifft also eine Ausnahme, die mit Rücksicht auf eine durch vorgezogene Maßnahmen zu befürchtende Rechtsschutzverkürzung eng auszulegen ist. 6 Dabei wirkt sich die teilweise Fertigstellung des zulassungsbedürftigen Projekts nicht nur faktisch, sondern auch rechtlich aus, indem das Verwirklichungsinteresse des Vorhabenbetreibers im Hinblick auf die bereits getätigten Investitionen 7 in der Abwägung an Gewicht gewinnt. 8 Darüber hinaus muß bei der Anwendung des § 7 a AbfG Beckmann/ Appold/Kuhlmann, OVBI. 1988, 1002 (1011). Vgl. § 9a WHG und jetzt auch § ISa BlmSchG sowie § 57b Abs. 1 BBergG. 3 Nach Erteilung der Planfeststellung bzw. Genehmigung kann eine ähnliche Wirkung über § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO erzielt werden; vgl. Gieseke / Wiedemann / Czychowski, WHG, § 9a Rn. 2; Hösel/von Lersner, § 7a AbfG Rn. 8. 4 Nach Hösel / von Lersner, § 7 a AbfG Rn. 4, bezeichnet ,,Ausführung" nur die Errichtung, nicht aber den Betrieb; HessVGH, NVwZ-RR 1989,635 (637), bezieht den Begriff der Ausführung auf den Errichtung und Betrieb umfassenden ,,Plan"; vgl. auch Ronellenfitsch, OöV 1989, 737 (747). 5 BayVGH, NVwZ 1990,990 (991); zu § ISa BImSehG: BT-Drs. 11 /6633, S.45. 6 Bälder, Recht der Abfallwirtschaft, S. 193; Hösel / von Lersner, § 7 a AbfG Rn. 2. 7 Im Verhältnis zu den Gesamtkosten des Vorhabens; BayVGH, NVwZ 1990, 990 (991). 8 Vgl. BayVGH, NVwZ 1990,990 (991). 1

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3. Kap.:

o. Zulassung vorzeitigen Beginns nach § 7a AbfG

sichergestellt sein, daß keine irreparablen Schäden hervorgerufen werden. 9 Zulässig sind mithin nur solche Maßnahmen, "deren Rückgängigmachung unter einigermaßen vernünftigen Umständen möglich ist und deren Risiko der Rückgängigmachung daher den weiteren Entscheidungsprozeß nicht ungebührlich präjudiziert."IO Von daher werden sich die Ausführungshandlungen bei der Neuerrichtung von Abfallentsorgungsanlagen jedenfalls auf vorbereitende Maßnahmen wie etwa die Erschließung des Grundstücks oder das Ausheben einer Baugrube zu beschränken haben. 11 Anders verhält es sich hingegen, wenn Maßnahmen durchgeführt werden, deren Rückgängigmachung ohne weiteres möglich ist, 12 wie dies häufig bei Änderungen an vorhandenen Anlagen der Fall ist. 13 Insofern bestehen selbst gegen eine vorzeitige Inbetriebnahme keine Bedenken. 14 Dies gilt vor allem für einen bloßen Probebetrieb. 15

11. Genehmigungsvoraussetzungen Nach § 7 a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 AbfG setzt die Zulassung des vorzeitigen Beginns zunächst voraus, daß mit einer positiven Entscheidung über das Vorhaben gerechnet werden kann. Dies bedeutet, daß die Behörde eine Erteilung der Zulassung für überwiegend wahrscheinlich halten muß. 16 Eine absolute Sicherheit ist allerdings nicht zu fordern, 17 denn dann könnte auch schon die Planfeststellung selbst erteilt werden. Um eine Prognose hinsichtlich der Hauptsacheentscheidung treffen zu können, bedarf die Behörde allerdings schon solider Informationen, die es ihr erlauben, die Auswirkungen der geplanten Anlage, mögliche Einwendungen Dritter oder auch Bedenken anderer Behörden abzuschätzen. 18 Eine Genehmigung nach § 7 a AbfG kommt daher regelmäßig nur dann in Betracht, wenn das Beteiligungsverfahren schon stattgefunden hat. 19 Bedeutsam ist jedoch, daß die Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG, § 9a Rn. 1. BayVGH, NVwZ 1990,990 (991); in Betracht kommt die Wiederaufforstung eines gerodeten Waldgrundstücks oder die Umwidmung zu anderen Zwecken. 11 Beckmann/ Appold/Kuhlmann, OVBI. 1988, 1002 (1011); Hösel/von Lersner, § 7 a AbfG Rn. 4; Jung, Oie Planung in der Abfallwirtschaft, S. 248. 12 BayVGH, NVwZ 1990,990; Beckmann / Appold/ Kuhlmann, OVBI. 1988, 1002 (1011). 13 Hoschützky / Kreft, § 7 a AbfG Erl. 1.1. 14 HessVGH, NVwZ-RR 1989, 635 (637). 15 Kloepfer, Umweltrecht, § 12 Rn. 125; Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 7 a Rn. 8; Tettinger, GewArch 1988,41 (48); a. A. OVG Lüneburg, OöV 1983,903 (904). 16 Schwermer, in: Kunig/Schwermer/Versteyl, AbfG, § 7a Rn. 14. 17 Hösel/ von Lersner, § 7 a AbfG Rn. 5; Hoschützky / Kreft, § 7 a AbfG Erl. 1.2.2. 18 Franßen, in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, S. 399 (435); Hoschützky / Kreft, § 7 a AbfG Erl. 1.2.2. 19 HessVGH, NVwZ-RR 1989, 631 (632); Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG, § 9a Rn. 4; Jung, Oie Planung in der Abfallwirtschaft, S. 248; a. A. Große Hündfeld, Die Beseitigung rechtlicher Hemmnisse, S. 61. 9

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11. Genehmigungsvoraussetzungen

213

Prognose hinsichtlich der beantragten Planfeststellung nicht Teil des Regelungsgehalts der Genehmigung nach § 7 a AbfG ist. Die Genehmigung löst also keine Bindung der Behörde an ihre eigene positive Prognose aus. 20 Dies bedeutet zugleich, daß Dritte, die erst von einer späteren Anlagenzulassung in ihren Rechten verletzt würden, im Hinblick auf diese vorläufige Gesamtprognose anders als etwa bei einem Vorbescheid - nicht klagebefugt sind. 21 Ein Anfechtungsrecht besteht mithin nur wegen der unmittelbaren Auswirkungen des vorzeitigen Beginns sowie wegen der Zulassung von Maßnahmen, die den Planfeststellungsbeschluß vorwegnehmen und deshalb mehr erlauben, als nach § 7 a AbfG zulässig ist. Außerdem verlangt § 7 a Abs. I Nr. 2 AbfG, daß an dem vorzeitigen Beginn ein öffentliches Interesse bestehen muß. Dieses Erfordernis enthält zwei wesentliche Einschränkungen, die leicht übersehen werden können. Zum einen ist im Rahmen des § 7 a AbfG im Gegensatz zu § 9 a WHG nur ein öffentliches, nicht aber ein privates Interesse des Betreibers relevant. Zum anderen reicht es nicht aus, wenn das öffentliche Interesse lediglich an der Realisierung der Anlage schlechthin besteht; es muß sich vielmehr gerade auf den vorzeitigen Beginn beziehen. 22 Insoweit kommen Gesichtspunkte wie etwa ein bestehender oder kurzfristig drohender Entsorgungsengpaß zum Tragen,23 wenn die zeitliche Verzögerung dem in § 2 Abs. 1 AbfG verankerten Gemeinwohlbezug entgegenstünde. 24 Für den vorzeitigen Beginn spricht der Umstand, daß die betreffende Anlage in einem Abfallentsorgungsplan ausgewiesen ist. 2s Schließlich muß sich der Vorhabenträger vor der Genehmigung des vorzeitigen Beginns verpflichten, Ersatz für eventuelle Schäden zu leisten sowie den früheren Zustand wiederherzustellen (§ 7 a Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 AbfG). Dies setzt allerdings voraus, daß eine solche Wiederherstellung faktisch möglich ist. Die rechtliche Verpflichtung zur Ersatzleistung kann in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag verankert werden, der auch eventuell betroffenen Dritten einen unmittelbaren Anspruch gegen den Verpflichteten vermittelt. 26 Wenn diese drei Voraussetzungen erfüllt sind, kann die Behörde den vorzeitigen Beginn genehmigen; es handelt sich hierbei um eine Ermessensentscheidung, so daß dem Antragsteller ein Recht auf die Genehmigung nur ausnahmsweise im Fall einer Ermessensreduzierung zustehen kann. 27 BayVGH, NVwZ 1990,990. Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, AbfG, § 7 a Rn. 17. 22 Hösel / von Lersner, § 7 a AbfG Rn. 6. 23 Hoschützky / Kreft, § 7 a AbfG Erl. 0.1; Tettinger, in: Festschrift für Fabricius, S.307 (315). 24 Franßen, in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, S. 399 (435). 25 Hösel / von Lersner, § 7 a AbfG Rn. 6. 26 Franßen, in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, S. 399 (435); Gieseke / Wiedemann / Czychowski, WHG, § 9a Rn. 10 m. w. N. 27 Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG, § 9a Rn. 3. 20 21

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3. Kap.: D. Zulassung vorzeitigen Beginns nach § 7 a AbfG

111. Beurteilung der Beschleunigungswirkung Die Bedeutung des § 7 a AbfG für eine zügige Abwicklung des abfallrechtlichen Zulassungsverfahrens wird durchaus hoch eingeschätzt. 28 Denn der vorzeitige Beginn eröffnet die Möglichkeit, während der üblicherweise langen Verfahrensdauer schon einige wichtige und zeitraubende Vorarbeiten zu erledigen. Allerdings ist unübersehbar, daß ein vorzeitiger Beginn, selbst wenn er sich nicht schon auf die Inbetriebnahme erstreckt, zu einer Beeinflussung der Behörde führen kann. Wenn diese auch durch die Genehmigung nach § 7 a AbfG rechtlich in keiner Weise gebunden ist, so spricht doch einige Wahrscheinlichkeit dafür, daß sie nach einer eigenen positiven Prognoseentscheidung eher zu der Erteilung als zu der Versagung der Planfeststellung tendieren wird. Problematisch ist bei einer Genehmigung nach § 7 a AbfG ferner, daß das Risiko einzig und allein beim Anlagenbetreiber liegt. 29 Er hat selbst bei unveränderter Tatsachenlage keinen Anspruch darauf, daß die Behörde ihre positive Einschätzung aufrecht erhält. 30 Schließlich darf nicht übersehen werden, daß ggfs. auch der vorzeitige Beginn durch den Widerspruch 31 bzw. die Anfechtungsklage 32 Dritter verhindert werden kann. Dies gilt gemäß § 68 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 VwGO nicht, wenn eine oberste Landesbehörde die Genehmigung erteilt, so z. B. in Bremen und Hamburg. Zwar wird von bloßen Vorbereitungshandlungen ohne präjudizielle Vorwirkung für die Hauptsacheentscheidung i. d. R. noch keine für § 42 Abs. 2 VwGO relevante Rechtsbeeinträchtigung verursacht,33 doch ist ein Rechtsbehelf jedenfalls dann zulässig, wenn ausnahmsweise eine vorzeitige Inbetriebnahme genehmigt worden ist. Wichtig ist schließlich, daß durch die Genehmigung nach § 7 a AbfG privatrechtliehe AbwehranspTÜche nachbarrechtlicher Art nicht ausgeschlossen sind. 34

28 Hösel/ von Lersner, § 7 a AbfG Rn. 2. 29 Hoschützky / Kreft, § 7 a AbfG Er!. 1.2.4.; anders Schwerrner, in: Kunig / Schwer-

mer / Versteyl, AbfG, § 7 a Rn. 17: bei fehlerhafter Prognose der Behörde Amtshaftungsanspruch auf Ersatz der fehlgeschlagenen Investitionskosten. 30 Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG, § 9a Rn. 5. 31 Da es sich nicht um einen Planfeststellungsbeschluß handelt, ist das Vorverfahren nicht ausgeschlossen. 32 Zuständig ist das OVG, da Art. 2 § 9 Abs. 1 Nr. 5 EntiG auf Entscheidungen ,;n einem Planfeststellungsverfahren" Anwendung findet; BayVGH, NVwZ 1990,990; so auch Kopp, VwGO, § 9 EntiG Rn. 7; sinngemäß jetzt § 48 Abs. 1 Nr. 5 VwGO. 33 BayVGH, NVwZ 1990, 990; Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG, § 9a Rn. 3. 34 Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG, § 9a Rn. 15.

E. Vorbehalt einer abschließenden Entscheidung nach § 74 Abs. 3 L VwVfG Eine weitere ModifIkation der Verfahrensgestaltung bei der Planfeststellung findet sich an etwas versteckter Stelle in § 74 Abs. 3 VwVfG, der sich gleichlautend auch in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Bundesländer wiederfindet. 1 Aufgrund dieser Vorschrift, wie auch nach vergleichbaren Bestimmungen spezialgesetzlicher Planfeststellungen, 2 ist eine abschließende Entscheidung im Planfeststellungsbeschluß vorzubehalten, soweit diese noch nicht möglich ist.

I. Anwendungsbereich Die Reichweite eines nach § 74 Abs. 3 VwVfG zulässigen Vorbehalts wird im Schrifttum sehr unterschiedlich eingeschätzt. Dabei stehen zwei Auffassungen im Vordergrund. Nach der Lehre vom Teilvorbehalt betrifft § 74 Abs. 3 VwVfG den Fall, daß ein teilweise schon endgültiger Planfeststellungsbeschluß mit allen ihm zukommenden Rechtswirkungen ergeht, während nur Einzelheiten einer weiteren Entscheidung vorbehalten werden. 3 Demgegenüber basiert die Lehre vom Gesamtvorbehalt auf der Auffassung, daß auch der Planfeststellungsbeschluß an sich vorbehalten werden könne und § 74 Abs.3 VwVfG die Möglichkeit eröffne, über einzelne Teilfragen vorweg zu entscheiden. 4 1. Gesamtvorbehalt Die Auffassung, § 74 Abs. 3 VwVfG erlaube einen Gesamtvorbehalt hinsichtlich des noch ausstehenden Planfeststellungsbeschlusses, stützt sich auf den Wortlaut, nach dem ein Vorbehalt zulässig ist, "soweit" (und nicht "wenn") eine abschließende Entscheidung noch nicht möglich ist. Durch diese Wortwahl habe der Gesetzgeber deutlich gemacht, daß eine inhaltliche Beschränkung der vorzubehaltenen Entscheidungsteile nicht bestehe. 5 Ein weiteres Argument bezieht die § 74 Abs. 3 des jeweiligen LVwVfG; entsprechend § 141 Abs.3 schl.h.LVwG. Vgl. § 18a Abs.3 BFStrG a. F. und § 25 Abs.6 AbfG a. F.; ähnlich auch § 10 Abs.l WHG. 3 Gegner, Die abschnittsweise Planfeststellung, S. 96 f.; Kopp, VwVfG, § 73 Rn. 7 und § 74 Rn. 52; Kügel, Der PIanfeststellungsbeschluß, S. 194 ff.; Bonk, in: Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 74 Rn. 38. 4 Meyer, in: Meyer / Borgs, VwVfG, § 74 Rn. 38. 1

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3. Kap.: E. Vorbehalt einer abschließenden Entscheidung

Lehre vom Gesamtvorbehalt aus der systematischen Erwägung, daß es in jedem Verfahren der zuständigen Behörde offen stehe, entscheidungsreife Teile des Verfahrens auszugliedern und vorab zu bescheiden. 6 Die Regelung des § 74 Abs.3 VwVfG erhalte jedoch nur dadurch einen eigenständigen Sinn, daß hier ausnahmsweise die vorgezogene Entscheidung unter den Vorbehalt der abschließenden Gesamtentscheidung falle und nur mit diesem zusammen endgültig wirksam werde. Mit der abschließenden Entscheidung i. S. d. § 74 Abs. 3 VwVfG sei daher die endgültige Entscheidung über das Vorhaben gemeint. 1 Der praktische Vorteil dieser Auffassung besteht darin, daß auf diese Weise der rechtspolitischen Forderung nach einer Stufung auch des Planfeststellungsverfahrens Rechnung getragen wird, indem Teilregelungen möglich sind, die dem Vorbild eines durch Vorbescheid und Teilgenehmigung gestuften Verfahrens entsprechen. 8 So soll es nach dieser Auffassung zulässig sein, etwa über den Standort oder die (Entsorgungs-) Technik vorab, d. h. getrennt von der endgültigen Planfeststellung zu befinden. 9 Gerade die besonders strittigen Fragen könnten dann bereits zu einem frühen Zeitpunkt in einem Verwaltungsstreitverfahren geklärt und möglicherweise rechtskräftig entschieden werden, bevor die abschließende Entscheidung fallt. 10 Davon ließe sich ein erheblicher Zeitgewinn erhoffen. Voraussetzung für eine eigenständige Anfechtbarkeit der unter Vorbehalt stehenden Teilentscheidung ist allerdings, daß sich der Vorbehalt nur auf die innere, nicht aber die äußere Wirksamkeit 11 der Entscheidung erstreckt. 12 Die Vorläufigkeit des Planfeststellungsbeschlusses wäre dann Bestandteil seines Regelungsinhalts. 13

5 Breuer, Die Planfeststellung für Anlagen zur Endlagerung, S. 90; ähnlich Fickert, Planfeststellung, S. 369. 6 Meyer, in: Meyer / Borgs, VwVfG, § 74 Rn. 37; vgl. auch Erbguth, Rechtssystematische Grundfragen, S. 214. 1 Meyer, in: Meyer / Borgs, VwVfG, § 74 Rn. 37. 8 Beckmann/ Appold/Kuhlmann, DVBI. 1988, 1002 (1008); Breuer, Die Planfeststellung für Anlagen zur Endlagerung, S. 90. 9 Breuer, Die Planfeststellung für Anlagen zur Endlagerung, S. 56 ff. und 86. 10 Breuer, Die Planfeststellung für Anlagen zur Endlagerung, S. 88; Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 232; Meyer, in: Meyer / Borgs, VwVfG, § 74 Rn. 37. 11 Die äußere Wirksamkeit tritt gemäß § 43 Abs. I VwVfG mit der Bekanntgabe ein; die innere Wirksamkeit richtet sich nach dem Zeitpunkt, in dem die in dem Verwaltungsakt getroffene, möglicherweise bedingte oder befristete Regelung verbindlich wird; vgl. Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 66; Meyer, in: Meyer / Borgs, VwVfG, § 43 Rn. 2 und 13. 12 Dann entfaltet auch der Vorbehaltsplanfeststellungsbeschluß schon Genehmigungswirkung; Breuer, Die Planfeststellung für Anlagen zur Endlagerung, S. 63. 13 Breuer, Die Planfeststellung für Anlagen zur Endlagerung, S. 59.

I. Anwendungsbereich

217

2. Teilvorbehalt Die Lehre vom bloßen Teilvorbehalt kann sich ebenfalls auf den Wortlaut des § 74 Abs. 3 VwVfG beziehen. Denn der Vorbehalt ist "im Planfeststellungsbeschluß" auszusprechen. Demzufolge muß schon die Entscheidung selbst ein Planfeststellungsbeschluß sein; als "abschließende Entscheidung" kommt hingegen nur eine Teilregelung in Betracht. Des weiteren sprechen rechtssystematische Erwägungen für die Lehre vom Teilvorbehalt. So handelt es sich bei den §§ 72 ff. VwVfG lediglich um Verfahrensrecht, wohingegen sich die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung oder Versagung eines Planfeststellungsbeschlusses aus dem jeweiligen Fachplanungsgesetz und den allgemeinen Grundsätzen des Planungsrechts .ergeben. 14 Der Planfeststellungsbeschluß muß danach in räumlicher Hinsicht grundsätzlich über die gesamte Anlage und in rechtlicher Hinsicht über alle durch die Planung aufgeworfenen Rechtsfragen entscheiden. Dies folgt aus dem Grundsatz der Konfliktbewältigung, nach dem bei der Planfeststellung in einer einheitlichen Entscheidung eine umfassende Lösung der entstandenen Probleme anzustreben ist. 15 Wird dieser Grundsatz des allgemeinen Planungsrechts mißachtet, so stellt dies einen Abwägungsfehler dar und führt zur Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses. 16 Abwägungsfehler kommen daher nicht nur hinsichtlich des Planfeststellungsbeschlusses an sich, sondern auch hinsichtlich der Entscheidung in Betracht, den Beschluß unter einen solchen Vorbehalt zu stellen. 17 Auf dem Boden der Abwägungsfehlerlehre erscheint es lediglich zulässig, wenn der Planfeststellungsbeschluß nur eine solche Teilfrage offenläßt, die für die Ausgewogenheit der planerischen Entscheidung nicht von Bedeutung ist, 18 deren Beantwortung hingegen einen unverhältnismäßig großen Aufwand erfordern würde. 19 Fraglich ist, welche Einzelaspekte nach der Lehre vom Teilvorbehalt im Planfeststellungsbeschluß vorbehalten bleiben können. Zu denken ist hier zunächst an einen Vorbehalt in bezug auf mögliche Schutzauflagen. 20 Wie oben bereits dargelegt, setzt eine fehlerfreie Abwägung eine umfassende Information der zuständigen Behörde über die gesamte Anlage und alle von ihr verursachten 14 Beckmann/ Appold/Kuhlmann, DVBI. 1988, 1002 (1008 f.); Paetow, DVBI. 1985,369 (373); Rengeling, Planfeststellung für die Endlagerung, S. 66 f.; Steinberg, Das Nachbarrecht, Kap. III Rn. 187. 15 BVerwGE61, 307 (311)m. w. N.; Kopp, VwVfG, § 74 Rn. 8; Kügel, DerPlanfeststellungsbeschluß, S. 195 f. 16 Siehe oben 2. Kap. B. IV. 2. d). 17 BVerwGE 61, 307; BVerwG, UPR 1986, 146; Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 227. 18 Vgl. BVerwGE 71, 150 (162); BVerwGE 57, 297 (301 f.); BVerwGE 61, 307 (311); Kopp, VwVfG, § 74 Rn. 52. 19 Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 227. 20 Vgl. Gegner, Die abschnittsweise Planfeststellung, S. 97.

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3. Kap.: E. Vorbehalt einer abschließenden Entscheidung

Auswirkungen auf öffentliche und private Belange voraus. 21 Aufgabe des Planfeststellungs beschlusses ist es nun, alle widerstreitenden Interessen zu einem möglichst schonenden Ausgleich untereinander zu führen. Das wichtigste Instrument zur Erreichung dieses Ziels ist der Erlaß von Schutzauflagen i. S. d. § 8 Abs. 3 AbfG. Wenn eine solche Auflage nun aber notwendig ist, um die Rechtmäßigkeit der planerischen Entscheidung herzustellen, so kann sie nicht im Planfeststellungsbeschluß offen bleiben, da anderenfalls ein wesentlicher Abwägungsgesichtspunkt nicht hinreichend berücksichtigt worden wäre. 22 Der Planfeststellungsbehörde muß also auch bei einem solchen Vorbehalt eine Einschätzung der später zu lösenden Konfliktlage möglich sein. 23 Schließlich ist auch in Betracht zu ziehen, daß der Planfeststellungsbeschluß umfassende Rechtswirkungen auslöst. Zum einen gestattet er dem Antragsteller, mit der Ausführung seines Vorhabens anzufangen. 24 Zum anderen beginnt mit seinem Erlaß die Frist für eine eventuell zu erhebende Anfechtungsklage. Wichtig für einen Rechtsschutz gegen den Planfeststellungsbeschluß ist allerdings, daß dessen Inhalt hinreichend bestimmt ist. 25 Läßt er jedoch Entscheidungen beispielsweise über Schutzauflagen aus, so kann ein Betroffener nicht beurteilen, ob seine Belange bei der späteren Entscheidung mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt werden. 26 Von daher ist es mit den materiellrechtlichen Anforderungen an einen Planfeststellungsbeschluß unvereinbar, wenn dieser sich nicht eindeutig zu der Notwendigkeit (dem "Ob") einzelner Regelungen äußert. 27 Im Gegenschluß folgt daraus, daß ausschließlich solche Teilfragen offen bleiben dürfen, deren konkrete Lösung die planerische Abwägung im Nachhinein nicht mehr in Frage stellen kann. 28 Hinsichtlich der Schutzauflagen darf insoweit allenfalls das "Wie" einer Maßnahme, d. h. ihre detaillierte Ausgestaltung in oder an dem konkreten Projekt, einer späteren Regelung vorbehalten bleiben. 29 Damit steht fest, daß eine Stufung nach sachlichen oder rechtlichen Gesichtspunkten über § 74 Abs. 3 VwVfG nach der Lehre vom Teilvorbehalt nicht zulässig ist.

Siehe oben 2. Kap. B. IV. 2. d) bb). Hösel/von Lersner, § 7 AbfG Rn. 98; Paetow, DVBI. 1985, 369 (371). 23 BVerwG, UPR 1986, 146; BayVGH, DVBI. 1990, 114 (120). 24 Gegner, Die abschnittsweise Planfeststellung, S. 97. 25 HessVGH, ESVGH 38, 10; Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 19. 26 Vgl. Fickert, Planfeststellung, S. 372. 27 Hösel / von Lersner, § 7 AbfG Rn. 105; Busch, in: Knack, VwVfG, § 74 Rn. 4.5. 28 BayVGH, DVBI. 1990, 114 (120); HessVGH, ESVGH 38, 10; Gegner, Die abschnittsweise Planfeststellung, S. 97 f.; Kopp, VwVfG, § 74 Rn. 52; Manner, Die rechtsstaatlichen Grundlagen, S. 65. 29 Busch, in: Knack, VwVfG, § 74 Rn. 4.5.1. 21

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11. Rechtsschutzfragen

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3. Stellungnahme Wie sich bei der Darstellung der beiden denkbaren Auslegungen von § 74 Abs. 3 VwVfG gezeigt hat, sprechen für die Lehre vom bloßen Teilvorbehalt die überzeugenderen Argumente, weil sie sich im wesentlichen auf den insoweit eindeutigen Wortlaut ("im Planfeststellungsbeschluß") und auf die materiellrechtlichen Grundlagen stützt. Die Lehre vom Totalvorbehalt entspricht hingegen einem praktischen Bedürfnis nach einer Verfahrensstufung auch im Planfeststellungsrecht. Ein solches Ziel hatte der Gesetzgeber aber ersichtlich nicht anvisiert, wie die Begründung zum Entwurf eines VwVfG zeigt. 30 Im Ergebnis ist deshalb der Lehre vom Teilvorbehalt zuzustimmen. Daran anschließend stellt sich die Frage, ob durch § 74 Abs. 3 VwVfG in der hier favorisierten, einschränkenden Auslegung schon eine Vorentscheidung über die prinzipielle Zulässigkeit einer Verfahrensstufung nach sachlichen oder rechtliehen Gesichtspunkten getroffen wird. Ausschlaggebend hierfür ist, ob eine Verfahrensstufung nach § 74 Abs.3 VwVfG lediglich nicht zugelassen oder aber endgültig ausgeschlossen ist. § 74 Abs. 3 VwVfG erlaubt für den Fall, daß eine abgewogene Entscheidung über das Planvorhaben möglich ist, in Abweichung von dem in § 75 Abs.l VwVfG zum Ausdruck gekommenen Gesamtentscheidungsprinzip einzelne, unwesentliche Teilfragen offenzulassen. Die Vorschrift betrifft damit bereits das Stadium, in dem der Planfeststellungsbeschluß erlassen wird. Ob hingegen schon im Vorfeld dieser endgültigen Entscheidung über Teilfragen entschieden werden kann, ist eine Frage, die von § 74 Abs. 3 VwVfG überhaupt nicht geregelt wird. 31

11. Rechtsschutzfragen Hinsichtlich des Rechtsschutzes Dritter ist zu unterscheiden, gegen welchen förmlichen Akt und gegen welche inhaltliche Entscheidung sich eine Klage richtet. Ein Planfeststellungsbeschluß, der gemäß § 74 Abs. 3 VwVfG mit einem Vorbehalt versehen ist, kann nach den allgemeinen Grundsätzen angefochten werden. In materiell-rechtlicher Hinsicht kommt hinzu, daß auch die Rechtswidrigkeit eines Vorbehalts gerügt werden kann, wenn durch ihn ein Konflikt, der sich aus einer Beeinträchtigung privater Belange des Klägers ergibt, unbewältigt geblieben ist, so daß die Planungskonzeption durch die vorbehaltene Entscheidung noch 30 BT-Drs. 7/910, S.89 (zu § 70 Abs. 3 des Entwurfs eines VwVfG); vgl. Busch, in: Knack, VwVfG, § 74 Rn. 4.5.1; unzutreffend Breuer, Die Planfeststellung für Anlagen zur Endlagerung, S. 86. 31 Ähnlich Manner, Die rechtsstaatlichen Grundlagen, S. 71 f.

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3. Kap.: E. Vorbehalt einer abschließenden Entscheidung

gänzlich in Frage gestellt werden kann. 32 Der Rechtsweg ist damit in beiderlei Hinsicht eröffnet. 33 Sobald jedoch die im Planfeststellungsbeschluß vorbehaltene Teilentscheidung ergeht, stellt sich die Frage, ob und ggfs. auf welche Weise Rechtsschutz gegen diese Entscheidung gewährt werden kann. Die Rechtsnatur dieses Ergänzungsbeschlusses wird entsprechend der Hauptentscheidung ebenfalls als Planfeststellung zu qualifizieren sein, da beide Teile zusammen die endgültige und abschließende Planfeststellung bilden. 34 Es stellt sich allerdings die Frage, ob mit der vorbehaltenen Entscheidung auch der bereits zuvor nach § 74 Abs. 3 VwVfG erlassene Beschluß erneut der Anfechtung ausgesetzt ist. Dies muß indessen nach dem Sinn des § 74 Abs.3 VwVfG, der den Erlaß eines eigenständigen, mit allen Rechtswirkungen ausgestatteten Planfeststellungsbeschlusses betrifft, ausgeschlossen sein. Deshalb ist, selbst wenn die vorbehaltene Entscheidung auf den Planfeststellungsbeschluß Bezug nimmt, hierin allenfalls eine wiederholende Verfügung zu sehen, so daß durch die Nachholung der fehlenden Teilentscheidung keine erneute Anfechtungsmöglichkeit eröffnet wird.

111. Beurteilung der Beschleunigungswirkung Die Beschleunigungswirkung, die mit § 74 Abs. 3 VwVfG erzielt werden kann, wäre nach der Lehre vom Gesamtvorbehalt sicherlich größer einzuschätzen, da diese der Behörde eine wesentlich flexiblere Gestaltung und Aufgliederung des Verfahrens nach sachlichen Schwerpunkten erlauben würde. Indessen kann aber auch nach der hier vertretenen Teilvorbehaltslehre verhindert werden, daß durch ungeklärte, für die Gesamtentscheidung aber unwesentliche Detailfragen unnütz Zeit vergeudet wird. Ein Vorbehalt im Planfeststellungsbeschluß bietet sich beispielsweise dann an, wenn zwar fest steht, daß eine in etwa bestimmte Schutzmaßnahrne erforderlich ist, deren genaue Ausführung aber leichter aufgrund erster Meßergebnisse vor Ort konkretisiert werden könnte. 3s Wünschenswert wäre, wenn die Planfeststellungsbehörden von der durch § 74 Abs. 3 VwVfG eingeräumten Möglichkeit, Detailentscheidungen vorzubehalten, häufiger Gebrauch machen würden. 36

Vgl. BayVGH, NVwZ 1990, 992. Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 233; Ronellenfitsch, in: Blümel, Teilbarkeit von Planungsentscheidungen, S. 37 (47). 34 Es handelt sich also nur um einen einzigen Plan; vgl. zu Planänderungen nach § 76 Abs.2 VwVfG: BVerwGE 61, 307 (308 f.); Paetow, DVBI. 1985, 369 (374); Ule/ Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 291. 3S Zum Ausmaß der Abgasreinigung, des Lärmschutzes oder der Überwachung von Sickerwässern; Hösel/von Lersner, § 7 AbfG Rn. 105. 36 Vgl. BayVGH, NVwZ 1990, 990. 32

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F. Anordnung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO Durch § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO erhält die Planfeststellungsbehörde bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Befugnis, die sofortige Vollziehung des Beschlusses anzuordnen, so daß auch dann, wenn eine Anfechtungsklage erhoben wird, nicht die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 1 VwGO eintritt. Im Hinblick auf das üblicherweise im Anschluß an ein Planfeststellungsverfahren stattfindende Verwaltungsstreitverfahren wird von dieser Ermächtigung häufig Gebrauch gemacht. I Dies hat zur Folge, daß sich der Rechtsschutz von der Anfechtungsklage auf den vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO vorverlagert. 2 Eine tatsächliche Beschleunigung ist daher im Endeffekt über die Anordnung der sofortigen Vollziehung kaum zu erreichen.

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Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 249 ff. Im einzelnen 2. Kap. D. I. 2.

4. Kapitel

Wege zu einer beschleunigten Vorhabenzulassung A. Ursachen der langen Verfahrensdauer Als Ergebnis der bisherigen Untersuchungen läßt sich festhalten, daß die Ursachen für die überlange Verfahrensdauer bei der Zulassung von Abfallentsorgungsanlagen sich nicht auf einen oder zwei Problemschwerpunkte zurückführen lassen. Vielmehr trägt eine Fülle von Unzulänglichkeiten dazu bei, daß es immer wieder zu gewollten oder ungewollten Verzögerungen kommt. Jedenfalls ist die Dauer der Zulassungsverfahren nicht (allein) dem Planfeststellungsverfahren anzulasten; anderenfalls müßten beispielsweise Kraftwerke wesentlich schneller genehmigt werden können. I Die bereits erwähnte Arbeitsgruppe bei dem Bundesumweltministerium geht davon aus, daß ein abfallrechtliches Planfeststellungsverfahren bei optimaler Gestaltung innerhalb eines guten Jahres zu bewältigen wäre. 2 Indessen drängt sich auch der Eindruck auf, daß die zuständigen Behörden nicht immer Gebrauch von den durch das Gesetz eingeräumten Beschleunigungsmöglichkeiten machen. 3 Es hat sich gezeigt, daß gleichermaßen rechtliche wie vollzugstechnische Ursachen existieren. Vollzugsprobleme zeigen sich vor allem darin, daß zwar sowohl Antragsteller als auch die zuständige Planfeststellungsbehörde ein Interesse an einer zügigen Zulassung rechtmäßiger und für eine geordnete Entsorgung erforderlicher Anlagen haben und doch bisweilen beide Seiten durch ihr Verhalten zu einer Verlängerung des Verfahrens über das notwendige Maß hinaus beitragen. Antragsteller legen nicht selten unvollständige Antragsunterlagen vor, 4 nicht zuletzt deshalb, weil ihnen die gesetzlichen Vorschriften keine genauen Anhaltspunkte dafür liefern, welche Unterlagen als erforderlich zu gelten haben. 5 Die Behörden zeigen sich hingegen oftmals persone1l 6 und auch hinsichtlich ihrer technischen Ausstattung mit der Bewältigung des bürokratischen Aufwands überHösel / von Lersner, § 7 AbfG Rn. 5. UBA, 3. Zwischenbericht, S. 17; so etwa die Müllverbrennungsanlagen in Ludwigshafen und Schweinfurt sowie die Sonderabfallverbrennung in Schwabach. 3 Tettinger, in: Festschrift für Fabricius, S. 307 (314). 4 Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 219. 5 Siehe oben 2. Kap. C. 11. 6 Große Hündfeld, DVBI. 1989, 385 (386). I

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4. Kap.: A. Ursachen der langen Verfahrensdauer

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fordert, den derartige Massenverfahren nun einmal fordern. 7 Hinzu kommt, daß die zahlreichen Anhörungspflichten, die § 73 VwVfG vorsieht, auch den Kritikern der Anlagen, seien es nun zu beteiligende Fachbehörden, Kommunen oder private Einwender, g willkommene Gelegenheit bieten, den Planfeststellungsbeschluß wenn nicht zu verhindern, so doch zumindest zu verzögern. 9 In diesem Zusammenhang ist auf das generelle Akzeptanzproblem hinzuweisen, dem sich Abfallentsorgungsanlagen regelmäßig ausgesetzt sehen. 10 In dem Maße, wie die Diskussion um die nach wie vor umstrittenen Atomkraftwerke aufgrund politischer Entscheidungen in den Hintergrund getreten ist, scheint sich nun eine inzwischen ähnliche Ausmaße erreichende Abwehrhaltung auf die Verhinderung von Abfallentsorgungsanlagen zu konzentrieren. Dabei unterscheidet sich die Situation allerdings in einem wesentlichen Punkt: solange sich jeder einzelne noch in irgendeiner Form als Abfallproduzent betätigt, kann die grundsätzliche Erforderlichkeit von Anlagen zur Abfallentsorgung nicht ernstlich bezweifelt werden. Damit richtet sich die Kritik an geplanten Anlagen weniger gegen diese selbst als gegen ihren Standort in der eigenen Nachbarschaft. Zu den begründeten oder unbegründeten Ängsten aufgrund der konkreten Lage und technischen Gestaltung einer Abfallentsorgungsanlage treten, was nicht unterschätzt werden sollte, Besorgnisse, die durch individuelle oder kollektive "schlechte Erfahrungen" hervorgerufen werden. Ein Gesichtspunkt mag insofern die derzeit unüberschaubare Altlastenproblematik sein, die nicht zuletzt infolge früherer "Sünden" durch unsachgemäße Mülldeponierung entstanden ist. 1I Hinzu kommt das latent vorhandene Gefühl, von den staatlichen Stellen mit seinen Sorgen und Befürchtungen doch nicht ernst genommen zu werden, da ohnehin schon alles beschlossen sei. Dies trifft zumindest insoweit zu, als vor Beginn der Öffentlichkeitsbeteiligung regelmäßig umfassende, aber - wie sich gezeigt hat - notwendige Sondierungsgespräche zwischen Behörde und Antragsteller stattfinden. Zudem ist im Planfeststellungsverfahren tatsächlich in erster Linie die Zulassungsfähigkeit des Projekts mit den Mitteln der planerischen Gestaltungsfreiheit durch Erlaß von Schutzauflagen bzw. Geldentschädigungen herzustellen. 12 Demzufolge gerät der Erörterungstermin, der doch eigentlich zu einer Verständigung zwischen Betreibern und Betroffenen beitragen soll, eher zu einer Streit- und Kampfveranstaltung. Diese setzt sich regelmäßig fort in einem gericht7 Dies gilt insbesondere für Vorbereitung und Durchführung des Erörterungstennins; dazu oben 2. Kap. C. IV. g Große Hündfeld, Die Beseitigung rechtlicher Hemmnisse, S. 39 ff. 9 Kern, DöV 1989,932 (934); zur Einwendungsbefugnis im Planfeststellungsverfahren oben 2. Kap. C. III. 5. a). \0 Vgl. BT-Drs. 10 / 474; ausflihrlich Müller / Holst, Raumordnung und Abfallbeseitigung, S. 3 ff. 1I Siehe etwa BGHZ 106, 323 ff. (Bielefeld); BGH, NJW 1990, 381 (Oldenburg); vgl. auch BGH, NJW 1990, 1038 (ehemaliges Kokereigelände in Dortmund). 12 Dazu oben 2. Kap. B. 11. 7.

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4. Kap.: A. Ursachen der langen Verfahrensdauer

lichen Verfahren, dessen Langwierigkeit mehr einem sachlich umfassenden als raschen und damit auch die Effektivität der öffentlichen Aufgabenerfüllung fördernden Rechtsschutz dient. 13 Neben diesen verfahrenstechnischen, sachlichen und zum Teil psychologischen Hemmnissen hat sich herausgestellt, daß nicht selten auch die gesetzlichen Vorgaben für die Planfeststellung von Abfallentsorgungsanlagen zu einer Verzögerung beitragen. Dies gilt etwa für die in manchen Fällen unverständliche Unterscheidung von Abfallen und Reststoffen, 14 für die wenig effektive Verknüpfung der ohnehin schon unzureichenden Abfallentsorgungsplanung mit der Landesplanung,IS aber auch für das Modell eines einheitlichen, mit Konzentrationswirkung ausgestatteten Planfeststellungsbeschlusses, der es erforderlich macht, grundsätzlich nur eine Abschlußentscheidung zu fallen, die (nahezu 16) alle Detailfragen umfassen muß. Demgegenüber besteht indessen das verständliche Bedürfnis, eine komplexe Entscheidung inhaltlich nach Problemschwerpunkten zu gliedern und so nach und nach zu einer Lösung zu führen. Aus diesem Grunde ist im jüngeren Schrifttum mehrfach die Frage gestellt worden, ob es nicht auch im Planfeststellungsverfahren möglich sei, das Verfahren nach dem Vorbild des Immissionsschutz- und Atomrechts zu stufen, insbesondere eine Standort-Planfeststellung durchzuführen. l ?

GFE-Arbeitskreis Rechtsprechung, NJW 1990, 1834 (1839). Dazu ausführlich oben 2. Kap. B.1. 1. a) aa) (3); vgl. auch UBA, 3. Zwischenbericht, S.93. IS Siehe oben 2. Kap. B. 11. 2. a) bb). 16 Einzige Ausnahme: § 74 Abs. 3 VwVfG. I? SO Beckmann I Appold I Kuhlmann, DVBI. 1988, 1002 (1009); Große Hündfeld, Die Beseitigung rechtlicher Hemmnisse, S. 58 ff.; Weidemann, NVwZ 1988,977 (981). 13

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B. Zulässigkeit der Erteilung von Vorbescheiden und Teil-Planfeststellungen im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens I. Einführung Obwohl das Bedürfnis nach einer Strukturierung des Planfeststellungsverfahrens mit den Mitteln der Verfahrensstufung an sich nicht neu ist 1 und sogar die Forderung nach einer Ersetzung des abfallrechtlichen Planfeststellungsverfahrens durch ein förmliches Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG gerade mit der dann bestehenden Möglichkeit der Erteilung von Vorbescheiden oder Teilgenehmigungen begründet wird, hat die Frage nach der Zulässigkeit eines solchermaßen gestuften Planfeststellungsverfahrens bislang weder im rechtswissenschaftlichen Schrifttum noch in der Rechtsprechung eine wesentliche Rolle gespielt. 2 Zuletzt diskutiert wurde dieses Problem in bezug auf eine atomrechtliche Planfeststellung nach § 9 b AtG für das in Gorleben geplante Endlager für radioaktive Abfälle. 3 Aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse kann die Eignung des Salzstocks als Standort einer Endlagerstätte erst nach umfangreichen Erkundungsmaßnahmen beurteilt werden. Geht man diesbezüglich davon aus, daß schon diese Maßnahmen einer Planfeststellung nach § 9 b AtG bedürfen, so stellt sich die Frage nach einer Teil-Planfeststellung unter Vorbehalt der Standorteignung. 4 Das BVerwG hat jedoch nunmehr entschieden, daß zum einen das Erkundungsbergwerk noch nicht planfeststellungsbedürftig sei 5 und daß zum anderen das Planfeststellungsrecht eine solche Planfeststellung nicht kenne. 6 Diese eher beiläufige Äußerung bezieht sich allerdings lediglich auf das von Breuer 7 speziell für diesen ungewöhnlichen Fall entwickelte Modell einer TeilPlanfeststellung unter Vorbehalt der Standorteignung. 8 Eine grundsätzliche Stel1 Vgl. zum Atomrecht: Friauf, in: Burmeister / Ossenbühl / Friauf / Papier, Rechtsfragen des Genehmigungsverfahrens von Kraftwerken, S. 63 ff. 2 In der bereits häufiger zitierten Arbeitsgruppe wurde die Frage kontrovers, aber ohne abschließendes Ergebnis diskutiert; UBA, 3. Zwischenbericht, S. 96. 3 Dazu Breuer, Planfeststellung für Anlagen zur Endlagerung, S. 56 ff.; Rengeling, Planfeststellung für die Endlagerung, S. 64 ff. 4 Breuer, Planfeststellung für Anlagen zur Endlagerung, S. 62. 5 BVerwG, DVBI. 1990,593 (594). 6 BVerwG, DVBI. 1990,593 (595). 7 Breuer, Planfeststellung für Anlagen zur Endlagerung, S. 62 und passim.

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4. Kap.: B. Vorbescheid und Teil-Planfeststellung

lungnahme zur Zulässigkeit von gestuften Planfeststellungsverfahren ist darin folglich nicht zu sehen. Das Bundesland Hessen geht indessen offensichtlich davon aus, daß eine Stufung der abfallrechtlichen Planfeststellung zulässig ist. § 7 Abs. 2 hess.AbfAG lautet: "Die Entscheidung nach § 7 Abs. 1 oder 2 oder nach § 7 a AbfG kann auf Antrag hinsichtlich des Standorts der Anlage, einzelner sonstiger Genehmigungsvoraussetzungen oder einzelner Teile der Anlage vorab getroffen werden, sofern die Auswirkungen der gesamten Anlage hinreichend beurteilt werden können und ein berechtigtes Interesse besteht. Die Vorschriften des § 8 Abs. I S.3 und 4 AbfG gelten sinngemäß. " Die Vorschrift ist bewußt den §§ 8 und 9 BlrnSchG nachgebildet worden, um auf diese Weise einem Bedürfnis nach verbindlichen Vorabentscheidungen zu entsprechen. 9 Der Landesgesetzgeber sieht seine Kompetenz darin begründet, daß die Durchführung des Planfeststellungsverfahrens Gegenstand des Landesrechts sei, seitdem die bundesrechtlichen Vorschriften der §§ 20 ff. AbfG a. F. aufgehoben worden seien. 10 Dieser Auffassung ist insoweit zuzustimmen, als die Durchführung des abfallrechtlichen Planfeststellungsverfahrens nicht im Bundesrecht, sondern in den jeweiligen Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder geregelt ist. Rein verfahrenstechnisehe Vorschriften können die Bundesländer daher aus eigener Kompetenz erlassen; dies gilt auch dann, wenn aus Gründen der Zweckmäßigkeit und Sachnähe derartige Verfahrensnormen nicht in das VwVfG des Landes, sondern in das Landes-Abfallgesetz aufgenommen werden. Eine Stufung des Verfahrens bewirkt hingegen nicht allein verfahrenstechnische Abweichungen von dem in den §§ 72 ff. VwVfG normierten bundesrechtlichen Modell der Planfeststellung, sondern sie kann auch Auswirkungen auf materiell-rechtliche Besonderheiten des Planfeststellungsrechts haben. So begründen sich aus der Eigenheit der Planfeststellung als Planungsentscheidung, die der zuständigen Behörde einen planerischen Gestaltungsfreiraum eröffnet, umfangreiche rechtliche Bindungen, die unter dem Begriff des "Abwägungsgebotes" erläutert worden sind. Diese sind indessen im Kern abgeleitet aus verfassungsrechtlichen Vorgaben des Rechtsstaatsprinzips, insbesondere des Übermaßverbotes. Daraus folgt, daß das Landesrecht eine Modifikation des Verfahrens nicht regeln darf, wenn diese zu einer Beeinträchtigung des verfassungsrechtlichen Abwägungsgebotes führt und damit die Besonderheiten einer vom Bundesgesetzgeber angeordneten planerischen Entscheidung mißachtet. Maßgeblich ist also, ob die materiell-rechtlichen Besonderheiten des Planfeststellungsverfahrens es erlauben, vor einer endgültigen und umfassenden EntscheiWagner, DVBI. 1990, 596 (597). Landtag Hessen, LT-Drs. 12/2868, S. 23. 10 Landtag Hessen, LT-Drs. 12/2868, S. 24.

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11. Anwendungsfälle gestufter Verfahren

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dung schon über einzelne Teilfragen vorab zu entscheiden. Nur dann ist eine derartige landesrechtliche Vorschrift über die Stufung des Planfeststellungsverfahrens gültig.

11. Anwendungsfälle gestufter Verfahren Um die rechtliche Bedeutung der Erteilung eines Vorbescheids oder einer Teilgenehmigung bzw. Teil-Planfeststellung beurteilen zu können, ist es zunächst erforderlich, sich mit den bisher gesetzlich geregelten Anwendungsfällen dieser Rechtsinstitute vertraut zu machen.

1. Verfahrensstufung als Instrument des allgemeinen Verwaltungsrechts Schon das Preußische OVG bejahte die Rechtmäßigkeit einer sog. Bebauungsgenehmigung, 11 obwohl es damals diesbezügliche gesetzliche Bestimmungen anders als heute (z. B. § 66 nw. BauO) noch nicht gab. Bei der Bebauungsgenehmigung handelt es sich um einen Bauvorbescheid, der ausschließlich über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens entscheidet, 12 folglich um einen vorweggenommenen Teil der Baugenehmigung. 13 Später, in den 60er Jahren, hatte das BVerwG sich mit einem Vorbescheid zu einer gewerberechtlichen Genehmigung zu befassen, wobei auch die GewO keine eigenständigen Vorschriften über ein gestuftes Verfahren vorsah. Das Gericht führte dazu aus, daß der Behörde die Befugnis zustünde, ein Verfahren nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten zu gestalten und gegebenenfalls über einen rechtlichen Gesichtspunkt vorab zu entscheiden. 14 Dieser Gedanke hat inzwischen seinen gesetzlichen Niederschlag in § 10 S.2 VwVfG gefunden, wonach das Verwaltungsverfahren "einfach und zweckmäßig durchzuführen" ist. 15 Mit derselben Argumentation ist schließlich auch die Zulässigkeit eines gestuften Verfahrens im Hinblick auf eine Teilgenehmigung bejaht worden. 16 Die grundsätzliche Möglichkeit, ein Verwaltungsverfahren mit den Mitteln des Vorbescheids und der Teilgenehmigung auch ohne ausdrückliche Anordnung zu stufen, hat damit - wie diese zum Bau-, Immissionsschutz- und Atomrecht ergangenen Entscheidungen zeigen - seine Anerkennung als Rechtsinstitut des PrOVGE 104, 206 (208) und 244 (245). OVG NW, NWVBL 1990, 15 f.; VG Wiesbaden, NVwZ-RR 1990, 127; siehe auch Battis, Öffentliches Baurecht, § 7 III 2 b. 13 HessVGH, NVwZ 1990, 1185. 14 BVerwGE 24, 23 (27). 15 Reichelt, Der Vorbescheid, S. 59. 16 OVG Lüneburg, DVBl. 1983, 184 (186). 11

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4. Kap.: B. Vorbescheid und Teil-Planfeststellung

allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts gefunden. 17 Von Bedeutung ist insbesondere, daß es danach nicht notwendig einer speziellen gesetzlichen Ermächtigung bedarf, wenn die Behörde sich für eine solche Vorgehensweise entscheiden will. 18 Die dogmatische Durchdringung des Rechtsinstituts blieb allerdings noch lange unzureichend. 19

2. Immissionsschutz- und Atomrecht Die praktisch wichtigsten und nunmehr gesetzlich geregelten Ausprägungen eines gestuften Genehmigungsverfahrens finden sich in den §§ 8 und 9 BImSchG sowie in den §§ 7a AtG, 18 und 19 AtVfV. 20 Die Normierungen des BImSchG und des AtG gehen gleichermaßen zurück auf die oben dargestellte Rechtsprechung des BVerwG zu § 18 GewO a. F.21 a) Vorbescheid

Durch den Vorbescheid kann "über einzelne Genehmigungsvoraussetzungen sowie über den Standort der Anlage entschieden werden" (§ 9 Abs. 1 BImSchG; § 7 a AtG). In Betracht kommen sowohl ein Standort- als auch ein Konzeptvorbescheid. Beide können miteinander verbunden werden; üblicherweise wird ein Urteil über die Geeignetheit eines Standorts auch nicht ohne gewisse Bezüge zu dem vorgesehenen Anlagenkonzept erfolgen können. Dennoch ist es nicht zwingend erforderlich, daß über beide Gesichtspunkte zugleich entschieden wird. 22 Voraussetzung für die Erteilung eines Vorbescheids ist, daß "die Auswirkungen der geplanten Anlage ausreichend beurteilt werden können und ein berechtigtes Interesse an der Erteilung eines Vorbescheides besteht" (§ 9 Abs. 1 BImSchG). Die Bindungswirkung dieser vorläufigen Beurteilung des Vorhabens kann die Behörde dadurch modifizieren, daß sie dem grundsätzlich nebenbestimmungsReichelt, Der Vorbescheid, S. 3 ff. m. w. N. Dies verkennt der BayVGH, NVwZ 1990,992, der die Unzulässigkeit eines abfallrechtlichen Vorbescheids ohne weiteres mit dem Fehlen einer gesetzlichen Grundlage und damit einem Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung begründet. 19 Martens, NVwZ 1982,480 (484). 20 Zu der im Atomrecht in einigen Bundesländern entwickelten Freigabepraxis: Breuer, Planfeststellung für Anlagen zur Endlagerung, S. 102 f. m. w. N.; Rungel, NVwZ 1989, 1132ff.; kritisch Wieland, DVBI. 1991,616 (619 f.). 21 Ule / Laubinger, BImSchG, § 8 Rn. 1 und § 9 Rn. 1; Fischerhof, AtG, § 7 a Rn. 1. 22 Nach Erlaß eines Standortvorbescheids darf indessen die Genehmigung nicht mehr aus standortspezifischen Gründen versagt werden, BVerwGE 72, 300 (304). Andererseits beinhaltet eine erste Teilerrichtungsgenehmigung nicht notwendig eine Standortgenehmigung, sondern nur dann, wenn diese ausdrücklich in den Entscheidungsteil aufgenommen ist. Anderenfalls handelt es sich lediglich um ein Element des vorläufigen positiven Gesamturteils; dazu BVerwGE 78, 177 (178). 17 18

11. Anwendungsfälle gestufter Verfahren

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feindlichen. Vorbescheid Vorbehalte beifügt. 23 Der Vorbescheid selbst hat demnach keine Genehmigungswirkung, d. h. er erlaubt dem Antragsteller nicht, mit Baumaßnahmen zu beginnen. 24 Aber er spricht eine endgültige Billigung der zur Prüfung gestellten Teilfragen aus. 25 Gemäß § 10 Abs.9 BlmSchG bzw. § 7a i. V. m. § 7 Abs.4 AtG gelten die Vorschriften über das förmliche Genehmigungsverfahren für das Vorbescheidsverfahren entsprechend. 26 b) Teilgenehmigung

Die Teilgenehmigung hingegen ist eine echte Genehmigung,27 für die das förmliche Genehmigungsverfahren ohnehin erforderlich ist; 28 der Begriff bezeichnet aber eine sachlich beschränkte Genehmigung, die sich nur auf einen Teil der Anlage oder nur auf die Errichtung einer Anlage unter Ausschluß ihres Betriebs bezieht (§ 8 BImSehG). Auch vor Erlaß einer Teilgenehmigung ist eine vorläufige Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit der Gesamtanlage erforderlich. 29 Dieses vorläufige positive Gesamturteil ist - ebenso wie bei dem Erlaß eines Vorbescheids - nicht lediglich eine Verfahrens-, sondern eine materiellrechtliche Voraussetzung. 30 Nach § 13 Abs.l S.l UVPG kommt hinzu, daß sowohl Vorbescheid als auch Teilgenehmigung erst nach Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung erteilt werden dürfen. c) Vorläufiges positives Gesamturteil

Beide Stufungsformen sind durch einen gleichsam zweigeteilten Regelungsgehalt gekennzeichnet. Über die konkret zu beurteilende Frage entscheiden Vorbescheid und Teilgenehmigung aufgrund einer umfassenden rechtlichen und tatsächlichen Prüfung endgültig. Darüber hinaus ist aber auch das sog. vorläufige positive Gesamturteil gefordert, das die grundsätzliche Genehmigungsfahigkeit der Gesamtanlage nach dem derzeitigen Erkenntnisstand feststellt. 31 Es besagt, daß "dem Vorhaben keine von vornherein unüberwindlichen rechtlichen Hindernisse entgegenstehen". 32 Damit teilt sich der Regelungsgehalt der TeilentscheiJarass, BImSchG, § 8 Rn. 23; Ule / Laubinger, BlmSchG, § 9 Rn. 2. Hoppe / Beckmann, Umweltrecht, § 13 Rn. 122; Jarass, BImSchG, § 9 Rn. 1. 25 Zum atomrechtlichen Konzeptvorbescheid BVerwGE 72, 300 (303). 26 Ule / Laubinger, BImSchG, § 9 Rn. 2. 27 Jarass, BlmSchG, § 8 Rn. 2. 28 Ule / Laubinger, BlmSchG, § 8 Rn. 2. 29 Jarass, BImSchG, § 8 Rn. 5. 30 BVerwGE 72, 300 (308 f.); HessVGH, NVwZ-RR 1990, 128 (131). 31 Zum Atomrecht: HessVGH, NVwZ-RR 1990, 128 (130); zum feststellenden Charakter des vorläufigen Gesamturteils: Erbguth, Rechtssystematische Grundfragen, S. 291; vgl. auch Kutscheidt, in: Festschrift für Sendler, S. 303 (312 ff.). 32 BVerwGE 72, 300 (304). 23

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4. Kap.: B. Vorbescheid und Teil-Planfeststellung

dungen in eine abschließende, die Behörde und im Fall ihrer Bestandskraft auch Dritte bindende Entscheidung 33 auf der einen Seite und auf der anderen Seite eine bloß vorläufige Beurteilung des Gesamtvorhabens, die die Behörde nicht daran hindert, die Realisierung der Anlage dennoch zu untersagen, wenn sich im Nachhinein herausstellt, daß die Genehmigungsvoraussetzungen wider Erwarten nicht eingehalten werden können. 34 Zugleich ist sie aber auch Dritten gegenüber verpflichtet, das vorläufige positive Gesamturteil erneut zu überprüfen, wenn an ihm infolge einer Änderung der Sach- und Rechtslage niCht mehr festgehalten werden kann. 35 Die Vorläufigkeit des Urteils darf allerdings nur auf der möglicherweise bestehenden Unvollständigkeit der tatsächlichen Aussagen und Erkenntnisse, nicht hingegen auf einer lediglich überschlägigen Evidenzkontrolle in rechtlicher Hinsicht beruhen. 36 Wenn diese beiden theoretisch notwendigen Bestandteile auch begrifflich einigermaßen klar voneinander abzugrenzen sind, so birgt doch die Anwendung dieser Unterscheidung auf einen konkreten Bescheid oftmals erhebliche Probleme, vor allem bei der Abgrenzung, über welche Sach- und Rechtsfragen abschließend und über welche nur aufgrund einer vorläufigen Beurteilung entschieden worden ist. 37 Diese Unterscheidung hat aber eine enorme Bedeutung für den Umfang der vorzulegenden Unterlagen 38 und den Rechtsschutz im Rahmen eines gestuften Verfahrens,39 weshalb der Bescheid klar erkennen lassen muß, über welche Fragen er entschieden hat. 40 Vorbescheid und Teilgenehmigung sind Verwaltungsakte und daher grundsätzlich mit der Anfechtungsklage gemäß § 42 VwGO angreifbar. Ficht allerdings ein Betroffener eine solche Vorentscheidung nicht an und wird der Verwaltungsakt auf diese Weise bestandskräftig, so fragt sich, ob und inwieweit er mit einer Klage gegen eine weitere Teilgenehmigung oder gar eine das Verfahren abschließende Entscheidung ausgeschlossen ist. Die Reichweite dieser Bestandskraftprä33 Die Bindungswirkung betrifft das Verhältnis zwischen Antragsteller und Behörde, die Präklusionswirkung die Rechtsposition Dritter; vgl. Hoppe / Beckmann, Umweltrecht, § 13 Rn. 128; zur Verfassungsmäßigkeit der Präklusionsbestimmungen im atomrechtlichen Verfahren BVerfG, NVwZ 1983,27. 34 BVerwGE 55,250 (270); BVerwGE 72, 300 (309); Friauf, in: Burmeister / Ossenbühl / Friauf / Papier, Rechtsfragen des Genehmigungsverfahrens, S. 63 (76); vgl. auch Rengeling, Planfeststellung für die Endlagerung, S. 93. 35 OVG NW, NVwZ 1988,551 (552). 36 BVerwGE 72, 300 (307 f.); Jarass, BlmSchG, § 8 Rn. 13. 37 Nach allgemeinen Grundsätzen sind Inhalt und Bindungswirkung eines Verwaltungsakts immer kongruent; Gaentzsch, NJW 1986, 2787 (2790); Hoppe / Beckmann, Umweltrecht, § 13 Rn. 127. 38 § 22 der 9. BlmSchV; vgl. Jarass, BlmSchG, § 8 Rn. 17; Breuer, Planfeststellung für Anlagen zur Endlagerung, S. 108 ff. 39 Angreifbar sind allerdings ggfs. beide Regelungsbestandteile der gestuften Entscheidung; BVerwGE 72,300 (311); vgl. auch Ule/Laubinger, BlmSchG, § 11 Rn. 2. 40 BVerwGE 72, 300 (305) unter Berufung auf Art. 19 Abs. 4 GG; vgl. auch BVerwGE 78, 177 (178) zur Abgrenzung von Standort- und Errichtungsgenehmigung.

11. Anwendungsflille gestufter Verfahren

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klusion (d. h. Einwendungsausschluß infolge bestandskräftiger Vorentscheidung) folgt unmittelbar aus dem Regelungsgehalt des Vorbescheids bzw. der Teilgenehmigung. 41 Denn nach der Rechtsprechung des BVerwG ist jede weitere Teilgenehmigung rechtlich selbständig und übernimmt eben nicht zugleich in einer Art Zweitbescheid die Ergebnisse der vorangegangenen Entscheidung. 42 Dies gilt auch, wenn die Behörde im Interesse einer besseren Verständlichkeit Teile der vorangegangenen Entscheidung wiederholt. 43 Erst alle Teilgenehmigungen zusammen, verbunden durch die "Klammer des vorläufigen positiven Gesamturteils",44 verschmilzen schließlich zu einer Vollgenehmigung hinsichtlich des Gesamtvorhabens. 45 Dies hat einerseits zur Folge, daß die Behörde durch die Anfechtung einer vorangegangenen Teilentscheidung nicht an dem Erlaß einer nachfolgenden Entscheidung gehindert ist, und andererseits, daß ein Kläger sich immer nur gegen diejenige Teilentscheidung wenden kann, deren Regelungsgehalt gerade seine Belange verletzt. 46 Er ist daher gezwungen, sich in jedem Stadium des Verfahrens über den Gang der Dinge zu informieren, um nicht gleichsam von unerwarteten Entwicklungen überrollt zu werden. Dazu ist es wichtig, daß für Vorbescheid und Teilgenehmigung jeweils ein förmliches Verfahren stattzufinden hat, so daß grundsätzlich gewährleistet ist, daß ein Betroffener von einem gestuften Verfahren ebenso erfahrt wie von einem einheitlichen Verfahren. Schwierigkeiten bereitet weiterhin das Verhältnis mehrerer vorläufiger positiver Gesamturteile zueinander, denn ein solches ist notwendiger Regelungsbestandteil einer jeden einzelnen Teilgenehmigung und nimmt daher - unter Berücksichtigung seiner Vorläufigkeit - teil an deren Bindungswirkung. 47 Werden mehrere Teilgenehmigungen erteilt, so bezieht sich das positive Gesamturteil jeweils auf die neu hinzugekommenen Gesichtspunkte und Erkenntnisse (vgl. § 13 Abs. 2 S. 1 UVPG). Dadurch wird bewirkt, daß sich das vorläufige positive Gesamturteil vervollständigt und so schließlich zu einer endgültig positiven Ge41 Ausführlich Jarass, BImSchG, § 8 Rn. 20 ff. und § 11 Rn. 1 ff.; Ronellenfitsch, in: Blümel, Teilbarkeit von Planungsentscheidungen, S. 37 (52). 42 HessVGH, NVwZ-RR 1990, 128 (131); vgl. Burmeister, Jahrbuch des Umweltund Technikrechts 1988, 121 (130). 43 Jarass, BImSchG, § 8 Rn.6; Schmidt-Aßmann, in: Festgabe BVerwG, S.569 (579 f.). 44 OVG NW, NVwZ 1988,551 (553). 45 BVerwGE 80, 207 (223); BVerwGE 72, 300 (309); HessVGH, NVwZ-RR 1990, 128 (131); OVG NW, NVwZ 1988,551 (553); Schmidt-Aßmann, in: Festgabe BVerwG, S. 569 (576). 46 OVG NW, NVwZ 1988,551 (552). 47 BVerwGE 72,300 (306); Hofmann, UPR 1984,73 (79); U1e / Laubinger, BImSchG, § 8 Rn. 6; a. A. (aber mit dem Wortlaut der einschlägigen gesetzlichen Regelungen nicht vereinbar): Reichelt, Der Vorbescheid, S. 113: vorläufiges positives Gesamturteil als Aspekt des Sachbescheidungsinteresses nur Zulässigkeitsvoraussetzung für die Einleitung eines Vorbescheidsverfahrens.

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4. Kap.: B. Vorbescheid und Teil-Planfeststellung

samtbeurteilung erstarkt. 48 Bei der Teilgenehmigung nach § 8 BImSehG, die ebenso wie die Genehmigung nach § 4 BImSchG auf einer gebundenen Entscheidung beruht, bereitet das Bild eines nach und nach erstarkenden Gesamturteils keine rechtlichen Probleme. Anders ist dies jedoch bei der atomrechtlichen Genehmigung nach § 7 AtG, deren Erteilung in das Ermessen der Genehmigungsbehörde gestellt ist. Fraglich ist daher, ob hier das Ermessen mehrfach, d. h. in bezug auf jede einzelne Teilgenehmigung, oder lediglich einmal ausgeübt werden darf. Diese Frage läßt sich nur unter Berücksichtigung des Ermessenszwecks beantworten. So gründet sich dies angesichts des hohen Gefahrenpotentials von Atomkraftwerken auf der Befürchtung, eine geplante Anlage könnte neue, bisher nicht bekannte Risiken aufwerfen, die der Gesetzgeber bei der Formulierung der Versagungsgrunde nach § 7 Abs. 2 AtG noch nicht hinreichend berücksichtigen konnte. Der Zweck des Ermessens besteht somit ausschließlich darin, eine Versagung im Hinblick auf solche neuartigen Gefahrenlagen zu ermöglichen. 49 Vor diesem Hintergrund läßt sich allerdings nun der Standpunkt vertreten, daß es sich bei der Ermessensausübung um eine Prüfung handelt, die logischerweise nur einmal stattfinden kann, nämlich indem bei einer ersten Teilgenehmigung untersucht wird, ob VOn der Anlage derart neuartige Gefahren ausgehen können. so Damit ist das Ermessen verbraucht oder zumindest stark eingeschränkt,51 und die weiteren Teilgenehmigungen sind gesetzlich gebundene Entscheidungen. d) Vorteile der Stufung

Der Sinn und Vorteil beider Stufungsinstrumente wird trotz dieser rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten in einer besseren Strukturierung und ökonomischeren Gestaltung des Verfahrens gesehen. 52 So dient ein Vorbescheidsverfahren dem Interesse des Antragstellers,53 der, wenn beispielsweise der Anlagenstandort den hauptsächlichen Kritikpunkt darstellt, nicht gezwungen ist, erst hohe Investitionen für eine bis ins letzte Detail durchdachte Anlagenplanung zu tätigen, bevor über diese grundsätzliche und logisch vorgelagerte Standortfrage verbindlich entschieden werden kann. 54 Aber auch auf der Seite der Anwohner kann durchaus 48 BVerwG, OVBI. 1990, 58 (59) im Anschluß an BVerwGE 72, 300 (306 ff.) und BVerwGE 80, 207 (221 f.). 49 BVerfGE 49, 89 (145 ff.); Büdenbender I Mutschler, Bindungs- und Präklusionswirkung, Rn. 217; Wieland, OVBI. 1991,616. 50 Büdenbender I Mutschler, Bindungs- und Präklusionswirkung, Rn. 218; Büdenbender, Energierecht, Rn. 1164; Ipsen, AöR 107 (1982), 259 (276 f.). 51 Mit dieser Einschränkung Hofmann, UPR 1984,73 (80); Kloepfer, VerwArch 77 (1986), 30 (36). 52 Gaentzsch, NJW 1986,2787 (2789). 53 OVG Lüneburg, OVBI. 1983, 184 (186); Reichelt, Oer Vorbescheid, S. 49. 54 BVerwGE 72,300 (310); Hoppe I Beckmann, Umweltrecht, § 25 Rn. 82.

11. Anwendungsfälle gestufter Verfahren

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ein Interesse bestehen, eine einzelne, besonders umstrittene Frage aus dem Genehmigungsverfahren vorzuziehen und dadurch eine auf diese Frage konzentrierte und damit auch dem technischen Laien leichter verständliche Erörterung zu ermöglichen. 55 Üblicherweise allerdings werden Drittbetroffene ein gestuftes Verfahren als zusätzliche Belastung und als Rechtsschutzverkürzung empfinden, da sie u. U. Gefahr laufen, von der Tragweite einzelner Teilentscheidungen überrascht und damit im Endeffekt "überrollt" zu werden. 56 Der Vorteil der Teilgenehmigung liegt auf der Hand; der Betreiber braucht mit der Ausführung des Vorhabens nicht zu warten, bis auch das letzte Einzelteil durchgeplant und genehmigt ist, sondern er kann mit dem Bau schon beginnen, sobald nur festgestellt ist, daß das Projekt überhaupt genehmigungsfahig ist. Dabei erlangt er durch die erteilten Genehmigungen eine Rechtsstellung, die ihm grundsätzlich nicht mehr entzogen werden kann. 57 Zudem gewährleistet die an den Fortschritt der Bauausführung angelehnte stufenweise Genehmigung des Vorhabens, daß die jeweilige Ausbaustufe im Sinne eines dynamischen Grundrechtsschutzes am Maßstab der aktuellen technischen Erkenntnisse beurteilt wird. 58

3. Baurecht Auch im Landes-Baurecht finden sich mittlerweile gesetzliche Bestimmungen über den Erlaß verbindlicher Teilentscheidungen, so daß es eines Rückgriffs auf die auf allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsverfahrensrechts basierende Rechtsprechung des PrOVG59 nicht mehr bedarf. Im Landesrecht fmden sich sowohl Vorschriften über den Bauvorbescheid als auch die Teilbaugenehmigung (§§ 66 und 70 nw.LBauO).6O Trotz ihrer ähnlichen rechtlichen Ursprünge unterscheiden sich die immissionsund atomrechtlichen Stufungen doch erheblich von den baurechtlichen Teilentscheidungen. Denn nach der ständigen, wenn auch nicht unumstrittenen Rechtsprechung des BVerwG beinhaltet die Baugenehmigung in einer Art Zweitbescheid auch die bereits zuvor erteilte Bebauungsgenehmigung. 61 Dies bedeutet, daß ein klagebefugter Dritter, sofern der Vorbescheid ihm gegenüber nicht be55 Reichelt, Der Vorbescheid, S. 49. 56 Gaentzsch, NJW 1986, 2787 (2789); a. A. Ronellenfitsch, in: Blürnel, Teilbarkeit

von Planungsentscheidungen, S. 37 (42). 57 OVG Lüneburg, DVBI. 1983, 184 (186); HessVGH, NVwZ-RR 1990, 128 (132). 58 Burmeister, Jahrbuch des Urnwelt- und Technikrechts 1988, 121 (131); Jarass, BImSchG, § 8 Rn. 1. 59 Siehe oben 4. Kap. B. 11. 1. 60 Zu der Bindungswirkung gegenüber einer späteren Veränderungssperre gern. § 14 BauGB: Erbguth, Rechtssystematische Grundfragen, S. 287; Gailus, NVwZ 1990, 536 (537 f.); Schenke, DöV 1990,489. 61 BVerwG, DVBI. 1989, 673 (674).

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4. Kap.: B. Vorbescheid und Teil-Planfeststellung

standskräftig 62 ist, seine Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung richten kann und dennoch mit seinen Einwänden gegen die in der Bebauungsgenehmigung beurteilten Fragen nicht ausgeschlossen ist. 63 Dieser Standpunkt wird im Schrifttum zum Teil abgelehnt, weil eine Beurteilung, die den Regelungsgehalt ähnlich wie im Immissionsschutz- und Atomrecht definiert, im Sinne der Einheitlichkeit und Klarheit des Rechts vorzuziehen sei. 64 Der Kritik ist zuzugeben, daß diese unterschiedliche Auslegung tatsächlich zur Verwirrung beiträgt. Dennoch ist aber zu berücksichtigen, daß zwischen den förmlichen Genehmigungsverfahren des Umweltrechts und dem einfachen baurechtlichen Genehmigungsverfahren (mindestens) ein ganz erheblicher Unterschied besteht. Während nämlich die förmlichen Genehmigungsverfahren wesentlich durch eine dem Planfeststellungsverfahren ähnliche Öffentlichkeitsbeteiligung gekennzeichnet sind, ist eine Einbeziehung eines weiteren Kreises von Grundstücksnachbarn im Baurecht nicht vorgesehen. Daraus folgt, daß öffentliche Bekanntmachungen im förmlichen Verfahren häufig die individuelle Benachrichtigung ersetzen, so daß Behörden sowie Gerichte allein infolge Fristablaufs zu entscheiden vermögen, ob eine vorhergehende Teilentscheidung bestandskräftig ist oder nicht. Bei Teilentscheidungen im Rahmen eines Baugenehmigungsverfahrens, die weder öffentlich bekannt gemacht noch einem Nachbarn individuell mitgeteilt werden, ist hingegen oftmals nur schwer zu beantworten, ob nicht doch irgend jemand gegen den Bauvorbescheid klagebefugt ist. Aus diesem Grund verdient die Rechtsprechung des BVerwG Zustimmung, denn sie trägt den Besonderheiten des baurechtlichen Verfahrens Rechnung. Als Zwischenergebnis läßt sich festhalten, daß die vom Immissions- und Atomrecht abweichende Rechtsprechung zur Stufung des baurechtlichen Genehmigungsverfahrens vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Ausgangsvoraussetzungen zu sehen ist. 65 Da das Planfeststellungsverfahren im Hinblick auf die Öffentlichkeitsbeteiligung im wesentlichen mit den förmlichen Genehmigungsverfahren identisch ist, können Besonderheiten des Baurechts keine Bedeutung für eine eventuelle Stufung von Planfeststellungsverfahren insbesondere des Abfallrechts entfalten.

4. Bergrecht Neuerdings 66 schreibt das BBergG für die Zulassung eines bergrechtlichen Rahmenbetriebsplans 67 unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 2a BBergG ein Planfeststellungsverfahren vor (§ 57b BBergG). Dieses Planfeststellungsver62 Bestandskraft tritt nicht ein, wenn der Vorbescheid wegen inhaltlicher Unbestimmtheit nichtig ist; dazu OVG NW, NWVBL 1990, 15 (16). 63 BVerwGE 68, 241 (243); BVerwG, DVBI. 1989,673. 64 Huck, NVwZ 1990,535; Schenke, DöV 1990,489 (490 ff.). 65 BVerwG, DVBI. 1989, 673 (674). 66 BBergG i. d. F. v. 12.2.1990, BGBI. I S. 215 ff.

11. AnwendungsfaIle gestufter Verfahren

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fahren weist eine bedeutsame Besonderheit auf, indem es - anders als alle spezialgesetzlichen Planfeststellungsverfahren 68 - explizit von der Zulässigkeit abschnitts- oder stufenweiser Aufstellung des Rahmenbetriebsplans ausgeht. § 52 Abs. 2 b BBergG lautet: ,,Für Vorhaben einschließlich notwendiger Folgernaßnahmen, die wegen ihrer räumlichen Ausdehnung oder zeitlichen Erstreckung in selbständigen Abschnitten oder Stufen durchgeführt werden, kann der Rahmenbetriebsplan nach Abs. 2a S. 1 entsprechend den Abschnitten oder Stufen aufgestellt und zugelassen werden, es sei denn, daß dadurch die erforderliche Einbeziehung der erheblichen Auswirkungen des gesamten Verfahrens auf die Umwelt unmöglich wird." Diese Vorschrift erscheint insoweit bemerkenswert, als der Gesetzgeber anscheinend wie selbstverständlich die Zulässigkeit eines gestuften Planfeststellungsverfahrens voraussetzt. 69 Bei näherer Untersuchung stellt sich jedoch heraus, daß sich dieser Gedanke nicht einfach auf andere Planfeststellungsverfahren übertragen läßt, da es sich bei dem bergrechtlichen um ein atypisches 70 Planfeststellungsverfahren handelt. Während nämlich Planfeststellungen regelmäßig dazu dienen, die Zulässigkeit eines konkreten Vorhabens zu überprüfen und, falls dies bejaht wird, dem Antragsteller die Ausführung seines Vorhabens zu gestatten, trifft dies auf das bergrechtliche Rahmenbetriebsplanverfahren nicht ZU. 71 Vielmehr ist im Bergrecht zwischen Rahmen-, Haupt- 72 und Sonderbetriebsplänen 73 zu unterscheiden. 74 Allein der Rahmenbetriebsplan bedarf der Planfeststellung; er gilt für einen längeren Zeitraum und enthält nur allgemeine Angaben über das beabsichtigte Vorhaben sowie dessen technische Durchführung und voraussichtlichen zeitlichen Ablauf. Er markiert damit im wahrsten Sinne des Wortes den örtlichen und zeitlichen Rahmen, innerhalb dessen sich die bergbauliche Tätigkeit bewegen kann. 75 Erst der Hauptbetriebsplan erlaubt dem Bergbau67 Das ist nach § 52 Abs. 2 Nr. 1 BBergG ein Betriebsplan für einen bestimmten längeren Zeitraum, der allgemeine Angaben über das beabsichtigte Vorhaben, dessen technische Durchführung und voraussichtlichen zeitlichen Ablauf enthält. 68 Überblick über den Anwendungsbereich von Planfeststellungsverfahren bei Battis, Die Verwaltung 1988,23 (25 f.). 69 Hierzu auch Gaentzsch, in: Festschrift für Sendler, S. 403 (417 ff.). 70 Kühne, UPR 1989, 326 (327); Gaentzsch, in: Festschrift für Sendler, S.403 (409 ff.); Schulte, in: Festschrift für Fabricius, S. 149 (162). 71 Der Grund für die Einführung eines bergrechtlichen Planfeststellungsverfahrens ist in der Konzentrationswirkung zu sehen, die dem Betriebsplanverfahren nach altem Recht nicht zukam; Boldt / Weller, BBergG, Rn. 6 und 9 vor § 50; Piens / Schulte / Graf Vitzthum, BBergG, § 51 Rn. 8; Kremer, NVwZ 1990,736 (737). 72 Siehe § 52 Abs. 1 BBergG: Plan für die Errichtung und Führung eines Betriebs; Geltungsdauer: i. d. R. zwei Jahre. 73 Siehe § 52 Abs. 2 Nr. 2 BBergG: Plan für bestimmte Teile des Betriebs oder für bestimmte Vorhaben. 74 Dazu Kremer, NVwZ 1990,736 f.; Kühne, UPR 1986,81. 75 Bohne, in: Tettinger, UVP bei Projekten des Bergbaus, S. 13 (32); Kremer, NVwZ 1990,736.

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4. Kap.: B. Vorbescheid und Teil-Planfeststellung

unternehmer die konkrete Führung seines Betriebs. 76 Diese nonnative Aufteilung findet ihre sachliche Berechtigung in den geologischen Besonderheiten des Bergbaus, denn trotz hoch entwickelter technischer Geräte ist es nach wie vor nicht möglich, die exakte Lage, Mächtigkeit und damit Abbauwürdigkeit einer Lagerstätte bereits vorab zu bestimmen, ohne sich vor Ort, d. h. unter Tage, ein Bild zu machen. Der Rahmenbetriebsplan unterscheidet sich deshalb in einem wesentlichen Gesichtspunkt von der typischen Planfeststellung; er ist eher einem Standortvorbescheid 77 oder aber einem Abfallentsorgungsplan mit verbindlichen Standortausweisungen vergleichbar. Hinzu kommt eine weitere bedeutsame Abweichung des bergrechtlichen von den typischen Planfeststellungsverfahren, indem § 57 a Abs. 4 S. 1 BBergG bestimmt, daß die Entscheidungen über die Planfeststellung hinsichtlich der eingeschlossenen Entscheidungen nach Maßgabe der hierfür geltenden Vorschriften zu treffen sind. Der Sinn dieser Regelung besteht nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers darin, keine Veränderungen der Rechtsposition des Bergbauunternehmers auszulösen. Das heißt insbesondere, daß eine planerische Abwägung im bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren nicht stattfinden soll. 78 Nach alledem hat das bergrechtliche Betriebsplanverfahren eine sehr spezifische Nonnierung gefunden, deren Ähnlichkeit mit einer typischen Planfeststellung sich auf die Konzentrationswirkung beschränkt, die im Hinblick auf die Erforderlichkeit einer UVP mit der Novelle in erster Linie angestrebt war. 79 Daher können aus der Zulässigkeit eines gestuften Planfeststellungsverfahrens im Bergrecht keine allgemeinen Schlußfolgerungen gezogen werden. 80

5. Verbindliche Entscheidungsabschichtung als prägendes Charakteristikum gestufter Verfahren Diese Gegenüberstellung gesetzlich geregelter AnwendungsfaIle hat ergeben, daß es dort durchaus Unterschiede hinsichtlich des Regelungsgehalts und der daraus resultierenden Bindungswirkung von Teilentscheidungen gibt. Der typische und dem Planfeststellungsverfahren am ehesten vergleichbare Anwendungsfall ist jedoch das fönnliche Genehmigungsverfahren des Immissionsschutz- und Atomrechts, 81 das die Begriffsbildung weitestgehend geprägt hat. Unter einem echten gestuften Verfahren ist daher ein Verfahren zu verstehen, das zu einer außenverbindlichen Abschichtung einzelner Problemfelder führt. 82 76 Bohne, in: Tettinger, UVP bei Projekten des Bergbaus, S. 13 (32); Kühne, UPR 1986,81. 77 Bohne, in: Tettinger, UVP bei Projekten des Bergbaus, S. 13 (32). 78 BR-Drs. 399/88, S. 21. 79 Schulte, in: Festschrift für Fabricius, S. 149 (162). 80 Ebenso Gaentzsch, in: Festschrift für Sendler, S. 403 (419 f.). 81 Erbguth, Rechtssystematische Grundfragen, S. 290; Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rn. 92.

III. Begriffliche Abgrenzungen

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111. Begrimiche Abgrenzung gestufter Entscheidungen von Auskunft, Zusage und vorläufigem Verwaltungsakt Obwohl die Begriffe Vorbescheid und Teilgenehmigung durch die einschlägigen gesetzlichen Regelungen und die dazu ergangene Rechtsprechung inzwischen relativ klare Konturen gewonnen haben, bereitet die Abgrenzung von verwandten Rechtsinstituten bisweilen erhebliche Schwierigkeiten. Ähnlichkeiten bestehen vor allem im Verhältnis zu Auskunft, Zusicherung und Zusage sowie zum vorläufigen Verwaltungsakt. Eine Auskunft ist eine informative Mitteilung einer Behörde gegenüber einem Bürger, die tatsächliche oder auch rechtliche Fragen betreffen kann (vgl. § 26 S.2 VwVfG). Sie ist dadurch gekennzeichnet, daß die Behörde sich zu nichts verpflichten will. 83 Der Empfänger hat somit keinen Anspruch auf Erfüllung oder Beachtung der Auskunft durch die betreffende Behörde. 84 Zwar besteht eine Amtspflicht der Behörde, die Auskunft ordnungsgemäß, d. h. in angemessener Zeit, richtig, klar, unmißverständlich und vollständig zu erteilen. 85 Wird diese Pflicht schuldhaft verletzt, so sind die Voraussetzungen eines Amtshaftungsanspruchs gemäß § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG erfüllt. 86 Die Rechtsfolge kann allerdings bei der Amtshaftung regelmäßig nur in der Verpflichtung zur Zahlung eines Schadensersatzes in Geld, nicht aber in einem Anspruch auf Vornahme einer Amtshandlung bestehen. 87 In Betracht kommt daneben lediglich ein etwa erlittene Nachteile rückgängig machender Folgenbeseitigungsanspruch. 88 Durch die Zusage hingegen will sich die Behörde zu einem bestimmten künftigen Tun oder Unterlassen verpflichten. 89 Besteht dieses in dem Erlaß oder Nichterlaß eines Verwaltungsakts, so nennt § 38 VwVfG diese Form der Zusage eine Zusicherung. Die Zusicherung auf Erlaß eines Verwaltungsakts beinhaltet noch keine Regelung i. S. d. § 35 VwVfG und ist deshalb nicht selbst Verwaltungsakt, sondern stellt diesen nur in Aussicht, wenn auch nach § 38 Abs. 2 VwVfG die Vorschriften über Verwaltungsakte entsprechend anwendbar sind. Eine Besonderheit ergibt sich indessen aus § 38 Abs. 3 VwVfG, indem bei einer Änderung der Sach- und Rechtslage nach Abgabe der Zusicherung eine Bindung der Behörde ohne weiteres entfällt. Insofern weist die Zusage Gemeinsamkeiten mit einer 82 OVG NW, NVwZ 1988,551 (552); Ipsen, AöR 107 (1982), 259 (275); Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rn. 92; Ronellenfitsch, in: Blümel, Teilbarkeit von Planungsentscheidungen, S. 37 (41). 83 Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 62. 84 Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rn. 92. 85 BGH, NJW 1985, 1338; Obennayer, VwVfG, § 25 Rn. 41; siehe auch Jochum, NVwZ 1987,460 (463). 86 Clausen, in: Knack, VwVfG, § 25 Anm. 4.8. 87 Allgemein Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 25 Rn.44. 88 So BVerwGE 38, 336 (346). 89 BVerwGE 26, 31 (36); BayVGH, NJW 1990, 1868 (1869).

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4. Kap.: B. Vorbescheid und Teil-Planfeststellung

Teilentscheidung auf. Vorbescheid und Teilgenehmigung können aber i. d. R. 90 dennoch nicht als Zusicherung i. S. d. § 38 Abs. 1 VwVfG qualifiziert werden, 91 weil beide selbst schon, soweit eine abschließende Prüfung stattgefunden hat, verbindliche Regelungen bzw. Feststellungen treffen und diese nicht erst in Aussicht stellen. 92 Die mit dem vorläufigen positiven Gesamturteil tendenziell bejahte grundsätzliche Genehmigungsfähigkeit des Gesamtvorhabens stellt neben dem hauptsächlichen Regelungsgehalt beider Teilentscheidungen nur eine zusätzliche Aussage dar. Im Hinblick auf das in den Teilentscheidungen enthaltene vorläufige positive Gesamturteil stellt sich auch die Frage nach der Abgrenzung von den sogenannten vorläufigen Verwaltungsakten des Steuer- und des Subventionsrechts. Eine vorläufige Steuerfestsetzung kann nach § 165 AO erfolgen, wenn im Hinblick auf das Vorliegen von Tatsachen Ungewißheit besteht; sie bewirkt eine Hemmung der Festsetzungsfrist gemäß § 171 Abs. 8 AO.93 Der vorläufige Subventionsbescheid beruht hingegen nicht auf einer gesetzlichen Grundlage, hat aber dennoch als Verwaltungsakt sui generis die Billigung des BVerwG gefunden. 94 Sein Regelungsgehalt besteht nicht darin, einen endgültigen Rechtsgrund für die Gewährung einer Subvention zu schaffen. Vielmehr soll durch diese Konstruktion eine Rückabwicklung unter erleichterten Bedingungen - verbunden mit einer Risikoabwälzung auf den Empfänger - ermöglicht werden. 95 Der Unterschied zum Vorbescheid unter Einschluß eines vorläufigen positiven Gesamturteils ist hier darin zu sehen, daß bei einem vorläufigen Verwaltungsakt der Regelungsgehalt selbst unter einem Vorbehalt, beispielsweise dem Vorbehalt der späteren Nachprüfung, steht, während das positive Gesamturteil zwar selbst vorläufig, aber d?ch Bestandteil eines unter Einbeziehung dieser Vorläufigkeit endgültigen Verwaltungsaktes ist.

90 Maßgeblich ist im Einzelfall der konkrete Aussagegehalt der Teilentscheidung; Erbguth, Rechtssystematische Grundfragen, S. 287. 91 Ule / Laubinger, BImSchG, § 9 Rn. 5. 92 Jarass, BImSchG, § 10 Rn. 10; Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rn. 92; Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 63; hinsichtlich des baurechtlichen Vorbescheids ist nach Maßgabe des jeweiligen Landesrechts zu differenzieren; dazu Gailus, NVwZ 1990,536. 93 Klein I Orlopp, AO, § 165 Anm. 2; siehe auch Schuhmann, BB 1987,383 ff. 94 BVerwGE 67, 99 (101); zur vorläufigen Gewährung von Sozialleistungen vgl. auch BSG, NVwZ 1991, 303 (LS). 95 Dazu Stober, Handbuch des Wirtschaftsverwaltungs- und des Umweltrechts, § 111 13 bund § 59 V sowie Peine, DöV 1986,849 ff.

IV. Erlaß eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids?

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IV. Erlaß eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids nach § 7 Abs. 3 AbfG? In dem Bemühen, die Vorteile gestufter Verfahren auch für das abfallrechtliche Verfahren zu erschließen, hat Große Hündfeld angeregt, einen Vorbescheid über die immissionsschutzrechtliche Zulässigkeit eines Entsorgungsvorhabens in Erwägung zu ziehen. 96 Die Rechtsgrundlage für einen solchen Vorbescheid sieht er in § 7 Abs. 3 AbfG, der die Planfeststellung von Abfallentsorgungsanlagen, die zugleich genehmigungsbedürftige Anlagen i. S. v. § 4 BImSchG sind, der Immissionsschutzbehörde überträgt. 97 Die Erteilung eines Vorbescheids liege nahe, da dieses Rechtsinstitut der Behörde ohnehin bestens vertraut sei. 98 Das richtige Verfahren für die Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids im Rahmen des abfallrechtlichen Planfeststellungsverfahrens sei das förmliche Verfahren nach § 10 BImSchG.99 Dieser Auffassung ist jedoch zu widersprechen, da sie auf einem grundsätzlich unzutreffenden Verständnis vom Inhalt des § 7 Abs. 3 AbfG basiert. Anders als beispielsweise in § 4 Abs. 1 S. 2 AbfG wird nicht die Durchführung des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens angeordnet, sondern lediglich aus Gründen der Sachnähe eine vom Normalfall (d. h. Bestimmung durch das Landesrecht) abweichende Zuständigkeitszuweisung vorgenommen. 100 Daraus folgt, daß nach § 7 Abs. 3 AbfG die Behörde, die für ein immissionsrechtliches Genehmigungsverfahren zuständig wäre, nunmehr das abfallrechtliche Planfeststellungsverfahren nach Maßgabe der §§ 72 ff. LVwVfG durchführt. Wie bereits dargelegt,IOI bewirkt die Konzentrationswirkung, daß die erforderlichen Genehmigungen von dem allein zu erteilenden abfallrechtlichen Planfeststellungsbeschluß eingeschlossen werden. Im Planfeststellungsverfahren gelten zwar die zwingenden materiell-rechtlichen Vorgaben, nicht aber die verfahrensmäßigen Besonderheiten der ersetzten Genehmigungsverfahren. Die Forderung Große Hündfelds nach einem förmlichen Vorbescheidsverfahren nach den §§ 9 und 10 BImSchG kann daher schon aus rechtlichen Gründen nicht unterstützt werden. 102

Große Hündfeld, Die Beseitigung rechtlicher Hemmnisse, S. 57 ff. Auf einem ähnlichen Verständnis beruht § 57b Abs. 2 BBergG; dazu BT-Drs. 111 4015, S. 13; wegen der Besonderheiten des bergrechtlichen Planfeststellungsverfahrens jedoch nicht verallgemeinerungsflihig. 98 Große Hündfeld, DVBI. 1989, 385 (388). 99 Große Hündfeld, Die Beseitigung rechtlicher Hemmnisse, S. 61; ders., DVBI. 1989, 385 (389). 100 Schwermer, in: Kunig 1Schwermer 1Versteyl, AbfG, § 7 Rn. 2; Holtmeier, in: Das neue Abfallwirtschaftsrecht, S. 131 (141). 101 Siehe oben 2. Kap. B. 11. 8. a). 102 Hösell von Lersner, § 7 AbfG Rn. 93. 96 97

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4. Kap.: B. Vorbescheid und Teil-Planfeststellung

V. Übertragung der allgemeinen Institute gestufter Entscheidungen wegen struktureller Vergleichbarkeit von Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren? Ein weiterer Begrundungsansatz für die Rechtfertigung gestufter Teilentscheidungen im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens kann in der heute zunehmend zu konstatierenden Angleichung von Planfeststellungs- und Genehmigungsverfahren gesehen werden. Wenn nämlich, wie inzwischen zunehmend vertreten wird, zwischen diesen beiden Verfahrensarten kein rechtlicher Unterschied mehr bestünde, dann müßte der Grundsatz des allgemeinen Verwaltungsrechts, wonach die Behörde im Interesse einer zweckmäßigen Verfahrensgestaltung jedes Verfahren in Teilentscheidungen wie Vorbescheid und Teilgenehmigung aufgliedern kann, ohne weiteres auch auf die sog. Planfeststellungsverfahren anwendbar sein. Zutreffend ist, daß vor allem bei den konkret objektbezogenen Planfeststellungen, wie etwa im Abfallrecht, eine ähnliche Zielsetzung wie bei einem förmlichen und überhaupt nicht mehr "einfachen" Genehmigungsverfahren besteht. Trotz zahlreicher verfahrensrechtlicher Parallelen, die beide Verfahrensabläufe einander zum Verwechseln ähnlich erscheinen lassen, hat sich herausgestellt,103 daß die Bezeichnung eines Verfahrens als Planungsverfahren doch einen zumindest graduellen Unterschied zu dem Genehmigungsverfahren bewirkt. Die Besonderheit des Planfeststellungsverfahrens ist in der planerischen Gestaltungsfreiheit der Behörde zu sehen, die es ihr ermöglicht, nicht nur die Zulassungsfahigkeit eines Vorhabens zu überprüfen, sondern durch zusätzliche Entscheidungen über notwendige Schutzauflagen oder Geldentschädigungen das Projekt durch planerisch-gestaltende Einflußnahme zur Planfeststellungsreife zu führen. Die hiermit notwendigerweise verbundene Zurückstellung der Belange betroffener Dritter erfordert hingegen eine Abwägungsentscheidung, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Abwägungsgebotes genügen muß. 104 Wenn auch die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens der Behörde in gewissem Rahmen eine Abwägung abverlangt, so ist der Abwägungsgrundsatz im Planfeststellungsverfahren gleichsam zum prägenden Charakteristikum erstarkt. Angesichts dieser trotz aller Annäherungen doch noch bestehenden Unterschiede zwischen Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren ist eine Anwendung der Stufungsinstrumente im Planfeststellungsverfahren allein unter Hinweis auf eine weitgehende Angleichung der Verfahrenstypen nicht möglich.

103 Ausführlich siehe oben 3. Kap. A. ll. 1. Siehe auch oben 2. Kap. B. IV. 2. d).

104

VI. Verfahrensstufung und planerische Gestaltungsfreiheit

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VI. Vereinbarkeit einer Verfahrensstufung mit den besonderen planungsrechtlichen Anforderungen an einen PIanfeststellungsbeschluß 1. Abwägungsgebot, planerische Gestaltungsfreiheit

und der Grundsatz der Problembewältigung

Nachdem die bisherigen Lösungsansätze ein gestuftes Planfeststellungsverfahren nicht zu rechtfertigen vermochten, bleibt nunmehr zu prüfen, ob die Erteilung eines Vorbescheides oder einer Teil-Planfeststellung mit den materiell-rechtlichen Anforderungen an das abfallrechtliche Planfeststellungverfahren vereinbar ist. lOS Ein erster gedanklicher Ansatz könnte mit Große Hündjeld darin zu sehen sein, daß sich Probleme der planerischen Gestaltungsfreiheit erst dann stellen, wenn die Behörde nicht durch zwingende gesetzliche Bestimmungen gebunden ist, wie dies etwa im Hinblick auf die Immissionsgrenzwerte bei Abfallverbrennungsanlagen der Fall ist. 106 Daraus könnte man auf die Zulässigkeit eines Vorbescheids schließen, der allein die immissionsrechtliche Genehmigungsfähigkeit der Anlage feststellt. 107 Eine solche Auslegung würde indessen den Blickwinkel der Behörde auf die einzelnen ersetzten Genehmigungen verengen; im Hinblick auf die Konzentrationswirkung ist aber gerade die Gesamtabwägung aller involvierten Gesichtspunkte in einem Verfahren geboten. 108 So wäre es etwa denkbar, daß von einem Vorhaben zahlreiche negative Auswirkungen auf Menschen, Tiere, Pflanzen, Natur und Landschaft etc. ausgehen, die jeweils für sich gesehen am Maßstab des einschlägigen Fachgesetzes gerade noch zulassungsfähig wären, deren Addition in der Abwägung jedoch die gegen das Vorhaben sprechenden Belange verstärkt und so eine Versagung der Planfeststellung begründen könnte. Also führt kein Weg daran vorbei, die Problematik eines gestuften Planfeststellungsverfahrens am Maßstab der besonderen rechtlichen Bindungen zu untersuchen, denen die Planfeststellung als Planungsentscheidung unterliegt. Die Planfeststellung unterscheidet sich insoweit von den förmlichen Genehmigungsverfahren, als der Planfeststellungsbehörde einerseits ein Freiraum gerichtlich nicht überprüfbarer planerischer Gestaltungsfreiheit eröffnet ist, dieser aber andererseits nur in den Grenzen des Abwägungsgebotes besteht. Die rechtlichen Bindungen der planerischen Gestaltungsfreiheit begründen sich unmittelbar aus 105 Die Zulässigkeit eines gestuften Planfeststellungsverfahrens läßt sich nach der hier (3. Kap. E. I. 3.) abgelehnten - Lehre vom Gesamtvorbehalt bei § 74 Abs.3 VwVfG leichter bejahen; vgl. nur Lukes / Vollmer, in: dies., Grundprobleme zum atomrechtlichen Verwaltungsverfahren, S. 13 (57). 106 Große Hündfeld, Die Beseitigung rechtlicher Hemmnisse, S. 60. 107 Beckmann / Appold / Kuhlmann, DVBI. 1988, 1002 (1009). lOS Manner, Die rechtsstaatlichen Grundlagen, S. 69 und 71.

16 Kleinschnittger

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4. Kap.: B. Vorbescheid und Teil-Planfeststellung

dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzip, das gebietet, rechtlich geschützte Belange Betroffener nicht stärker zu belasten, als es im öffentlichen Interesse erforderlich ist. 109 Theoretisch denkbar wäre die Fallkonstellation, daß von einer geplanten Anlage keinerlei Beeinträchtigungen entgegenstehender privater Interessen ausgehen. Dann wäre auch für die Vorgaben des Abwägungsgebots kein Raum. Führt man sich hingegen die tatsächlichen Dimensionen moderner Entsorgungsanlagen vor Augen, so wird deutlich, daß derart umweltneutrale Vorhaben praktisch nicht vorstellbar sind. Es muß daher bei der Planung von Abfallentsorgungsanlagen grundsätzlich von der Notwendigkeit eines kompromißhaften Ausgleichs unter den widerstreitenden Belangen und damit der Geltung des verfassungsrechtlichen Abwägungsgebots ausgegangen werden. Dessen wesentliche Merkmale seien hier zum besseren Verständnis noch einmal 110 zusammengefaßt: Die Planungsentscheidung muß in einem umfassenden Abwägungsvorgang alle durch das Vorhaben berührten Belange gegeneinander und untereinander abwägen. Findet eine derartige Abwägung gar nicht statt, leidet die Entscheidung unter einem Abwägungsausfall; wird hingegen ein Belang nicht berücksichtigt, der nach Lage der Dinge hätte berücksichtigt werden müssen, so ist der Planfeststellungsbeschluß wegen eines sog. Abwägungsdefizits rechtswidrig. Positiv formuliert ist dies gleichbedeutend mit dem Gebot der Konfliktoder Problembewältigung, das die Behörde verpflichtet, alle durch die Planung ausgelösten Interessenkonflikte umfassend zu bewältigen, also nicht einzelne Belange oder Konflikte unberücksichtigt zu lassen. 111 Damit steht das Gebot der Konfliktbewältigung zugleich in einem engen logischen Verhältnis zu der Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses. 112 Die eigentliche planerische Gestaltungsfreiheit beschränkt sich schließlich auf die Gewichtung der zutreffenderweise in die Abwägung eingestellten Belange gegen- und untereinander. Eine gerichtliche Kontrolle findet hier nur insofern statt, als die vorgenommene Abwägungsentscheidung zu der objektiven Gewichtigkeit der Belange nicht außer Verhältnis stehen darf. Im Hinblick auf eine Stufung des Planfeststellungsverfahrens kommt dem Gebot der Konfliktbewältigung eine hervorgehobene Bedeutung zu. Wenn nun die planerische Entscheidung nur unter der Voraussetzung rechtmäßig ist, daß sie alle durch das Projekt ausgelösten Konflikte umfassend löst, so kann daraus geschlossen werden, daß nur eine einheitliche Gesamtentscheidung diesem materiell-rechtlichen Erfordernis genügt. 113 Dennoch trifft eine strikte Forderung nach 109 Im einzelnen oben 2. Kap. B. IV. 2.; vgl. auch !bIer, Die Schranken planerischer Gestaltungsfreiheit, S. 263. 110 Ausführlich oben 2. Kap. B. IV. 2. d). 111 BVerwGE 61, 297 (306); BVerwGE 61,307 (311) m. w. N. 112 Erbguth, Rechtssystematische Grundfragen, S. 216. 113 BVerwGE 61, 307 (311); Gegner, Die abschnittsweise Planfeststellung, S. 122 ff.; Huntemann, Recht der unterirdischen Endlagerung, S. 192 ff.; Kühling, Fachplanungs-

VI. Verfahrensstufung und planerische Gestaltungsfreiheit

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einer einheitlichen Planfeststellungsentscheidung nicht selten auf faktische Grenzen, die eine Gesamtentscheidung schlichtweg unmöglich machen. Typisches Beispiel ist die fernstraßenrechtliche Planfeststellung für eine quer durch das Bundesgebiet führende Autobahn; eine einheitliche Entscheidung ist hier gleichermaßen aus tatsächlichen wie aus rechtlichen Gründen (verschiedene Behördenzuständigkeiten) ausgeschlossen, 114 weshalb die Zulässigkeit einer abschnittsweisen Planfeststellung bei sog. "offenen Linienvorhaben" wie Straßen oder Eisenbahnen seit langem anerkannt ist. 115 Aber auch abgesehen von räumlichen Abschnittsbildungen kann eine lebensnahe Betrachtung der in der Behörde stattfindenden Entscheidungsvorgänge nicht daran vorbei führen, daß gewisse Vorentscheidungen tatsächlich oft schon vor der offiziellen Planungsentscheidung fallen (müssen), weil anderenfalls eine sinnvolle Planung ausgeschlossen wäre. 116 So wird die Behörde selbstverständlich nicht in detaillierte Abstimmungen mit dem Vorhabenträger über Inhalt und Umfang der Unterlagen eintreten, wenn sie schon den vorgesehenen Standort aus ganz überwiegenden Gründen für ungeeignet hält. Im Gegenschluß heißt dies aber, daß informelle Vorverhandlungen über Einzelheiten der Vorhabenrealisierung, wie bestimmte Sicherheitsvorkehrungen, Filteranlagen oder ähnliches, schon die generelle Geneigtheit der Behörde widerspiegeln, dem Antrag zu entsprechen. Darin ist grundsätzlich keine unfaire "Kungelei" zu sehen; 117 vielmehr entspricht die Aufgliederung einer komplexen Problemstellung unter sachlichen Aspekten der Vernunft, 118 da sie der Steigerung der Effizienz von Verfahren und damit zugleich einem Gut der Rechtsordnung dient. 119 Da es also sachwidrig wäre, wollte man unterstellen, daß die Behörde tatsächlich bis zu allerlelzt eine völlig freie Entscheidung treffen könnte, ist in der Rechtsprechung schon seit längerem anerkannt, daß auch das Gebot der Problembewältigung bzw. der Einheitlichkeit der Planungsentscheidung einen ausnahmefahigen Grundsatz darstellt. 120 Eine Abweichung von dem Grundsatz ist indessen recht, Rn. 211; anders Große Hündfeld, DVBI. 1989, 385 (389), der diesem Grundsatz lediglich im Hinblick auf § 74 Abs. 3 VwVfG Bedeutung beimißt. 114 Gegner, Die abschnittsweise Planfeststellung, S. 128; Manner, Die rechtsstaatlichen Grundlagen, S. 65. 115 BVerwGE 62, 342 (353); Fickert, Planfeststellung für den Straßenbau, S. 147; Paetow, DVBI. 1985, 369 ff.; Ronellenfitsch, in: Blümel, Teilbarkeit von Planungsentscheidungen, S. 37 (38 f.). 116 BVerwGE 45,309 (316 f.); Battis, Öffentliches Baurecht, S. 106 f. 117 Zum informellen "Vorverfahren" siehe oben 2. Kap. C. 11. 118 Gegner, Die abschnittsweise Planfeststellung, S. 127, sieht einen prinzipiellen Unterschied zwischen der Denkweise von Juristen und Technikern, wobei letztere regelmäßig ihre Überlegungen entsprechend den zu lösenden Sachproblemen strukturieren; zur Arbeitsteilung als Vollzugsprinzip vgl. Mayntz, Soziologie der öffentlichen Verwaltung, S. 216 ff. 119 Vgl. Erbguth, Rechtssystematische Grundfragen, S. 137. 120 BVerwGE 45, 309 (316); Erbguth, Rechtssystematische Grundfragen, S. 219; Hoppe/Beckmann, NuR 1988,6 (7); Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 218. 16·

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nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. 121 Zunächst bedarf sie einer sachlichen Rechtfertigung, so daß die Einheitlichkeit des Planungsvorgangs im Grundsatz gewahrt bleibt. 122 Darüber hinaus muß die vorweggenommene Entscheidung von der zuständigen Behörde getroffen worden sein 123 und sie muß dem Abwägungsgebot gerecht werden, d. h. sie muß inhaltlich so beschaffen sein, daß sie auch als Bestandteil der abschließenden Entscheidung rechtmäßig wäre. 124 Anderenfalls würde die abschließende Entscheidung unter einem Abwägungsdefizit leiden. 125 Es stellt sich nunmehr die Frage, ob die Erteilung eines Vorbescheides oder einer Teil-Planfeststellung als Durchbrechung des Gesamtentscheidungsprinzips gemessen an diesen Voraussetzungen zulässig ist.

2. Vertikale Stufung Die vertikalen Stufungsinstrumente sind, wie oben beschrieben, dadurch gekennzeichnet, daß sie über eine einzelne Frage oder einen einzelnen Teilkomplex des Vorhabens nach umfassender Prüfung entscheiden, aber darüber hinaus auch ein vorläufiges positives Gesamturteil hinsichtlich der gesamten Anlage beinhalten. Ob und wie sich diese Merkmale in einem Planfeststellungs-Vorbescheid oder einer Teil-Planfeststellung realisieren lassen, ist für beide Stufungsinstrumente getrennt zu untersuchen. a) Vorbescheid

Durch den Vorbescheid wird über einzelne, besonders umstrittene Genehmigungsvoraussetzungen oder über den Standort vorab entschieden, ohne daß dadurch schon eine Genehmigung ausgesprochen würde. Diese Vorwegnahme eines Teilgesichtspunktes der planerischen Entscheidung müßte nun sachlich gerechtfertigt sein. Im Immissionsrecht wird insoweit regelmäßig das Investitionsschutzinteresse des Vorhabenträgers herangezogen; ob dieser Aspekt hingegen auch 121 BVerwGE 45, 309 (321); vgl. auch Gaentzsch, in: Berliner Kommentar zum BauGB, § I Rn. 71; Schlez, BauGB, § 1 Rn. 62. 122 Breuer, Planfeststellung für Anlagen zur Endlagerung, S. 80; Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 219; keiner Rechtfertigung bedürfen die gesetzlichen Vorentscheidungen wie etwa die Festlegungen eines Abfallentsorgungsplans oder ein Vorbehalt nach § 74 Abs.3 VwVfG; vgl. BVerwGE 45, 309 (319); ähnlich Manner, Die rechtsstaatlichen Grundlagen, S. 67. 123 Also nicht etwa von einem politischen Gremium; BVerwGE 75, 214 (230 f.). 124 OVG Lüneburg, DVBI. 1979, 196 (Vorwegnahme einer Standortentscheidung durch Abfallentsorgungsplan); OVG Lüneburg, UPR 1986, 120; Hösel/von Lersner, § 7 AbfG Rn. 96; Hoschützky / Kreft, § 6 AbfG Erl. 1.6. 125 BVerwGE 45,309 (318).

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im Abfallrecht berücksichtigt werden kann, erscheint fraglich angesichts der Tatsache, daß das Verwirklichungsinteresse des Antragstellers nach dem AbfG nur ein Belang unter vielen ist. Dies zeigt sich etwa an § 7 a AbfG, der im Gegensatz zu dem ansonsten gleichlautenden § 9 a WHG ein schützenswertes Interesse des Trägers für die Genehmigung des vorzeitigen Beginns nicht ausreichen läßt. Andererseits ist die abfallrechtliche Planfeststellung gekennzeichnet durch ein besonderes öffentliches Interesse an der Sicherstellung einer geordneten Entsorgung; dies wird etwa daran deutlich, daß auch ein privater Betreiber in den Genuß der Vorteile einer gemeinnützigen Planfeststellung kommen kann. 126 Ist also zu erwarten, daß die Erteilung eines Vorbescheids einen Vorteil für die zügige Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens bewirkt, so kann hierin ein sachlicher Rechtfertigungsgrund für diese Durchbrechung des Gesamtentscheidungsprinzips gesehen werden. Mit der weiteren Voraussetzung, daß die planungsrechtliche Zuständigkeitsordnung gewahrt sein müsse, will das BVerwG ausschließen, daß politische Gremien oder unzuständige Behörden Einfluß auf die Abwägungsentscheidung gewinnen können. Indem ein Vorbescheid im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens von der zuständigen Behörde getroffen wird, ist dieses Erfordernis hier unproblematisch. Schließlich müßte die in dem Vorbescheid getroffene Entscheidung auch inhaltlich so beschaffen sein, daß sie als Teilregelung eines Planfeststellungsbeschlusses den rechtlichen Anforderungen, insbesondere dem Abwägungsgebot, gerecht wird. Was den eigentlichen Regelungsgehalt des Vorbescheids, also etwa die prinzipielle Geeignetheit des Standortes, anbetrifft, müßte die Behörde eine für sich genommen fehlerfreie Planungsentscheidung fallen. Sie müßte dazu die für die Standorteignung erheblichen Belange vollständig ermitteln, was i. d. R. eine Beteiligung der berührten Fachbehörden und auch privater Betroffener voraussetzt. 127 Danach muß die Behörde die Belange bewerten und schließlich eine (Kompromiß-)Lösung entwickeln, die die objektive Gewichtigkeit keines der eingestellten Belange verkennt. Diese Voraussetzungen scheinen hinsichtlich des abschließenden Regelungsgehalts eines Vorbescheids prinzipiell erfüllbar, da die Abwägung im Falle einer umfanglichen Sachverhaltsermittlung nicht von einem reduzierten oder verzerrten Ansatz ausgeht. 128 Zudem besteht bei einem Vorbescheid, der allein noch keine konkreten Maßnahmen gestattet, nicht die Gefahr, daß bereits vollendete Tatsachen geschaffen würden. 129 Siehe oben 2. Kap. B. 11. 5. a). Siehe oben 2. Kap. B. IV. 2. d) bb); vgl. auch VGH Bd.Wtt., ESVGH 30, 120 (122); Gaentzsch, in: Berliner Kommentar zum BauGB, § 1 Rn. 71 (zum Bauplanungsrecht); Erbguth, Bauplanungsrecht, Rn. 197. 128 Erbguth, Rechtssystematische Grundfragen, S. 222; Manner, Die rechtsstaatlichen Grundlagen, S. 69. 129 Vgl. Jarass, BImSchG, § 9 Rn. 7. 126 127

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Unklar ist hingegen, inwieweit der Standortvorbescheid eine präjudizielle Wirkung für die nachfolgende Zulassungsentscheidung auslöst. In Anlehnung an die Behandlung des vorläufigen positiven Gesamturteils im Immissions- und Atomrecht kann eine Bindung nur insoweit entstehen, als die Behörde relevante Belange berücksichtigt und in die Abwägung eingestellt hat. Ergeben sich allerdings aus den im weiteren Verfahren konkretisierten Unterlagen neue Erkenntnisse, so stellt sich die Abwägungsfrage von neuern. Wegen der Unteilbarkeit dieser Abwägung, bei der sämtliche betroffenen Belange zueinander in Beziehung gesetzt werden müssen, ergibt sich dann u. U. auch hinsichtlich der bereits einbezogenen Belange eine abweichende Gewichtung. Denn diese ist nicht absolut, sondern immer nur in Relation zu den anderen gleichgerichteten oder entgegenstehenden Belangen zu verstehen. Abgesehen von dem Fall, daß durch einen ablehnenden Vorbescheid ein Standort endgültig als ungeeignet ausgeschieden wird, wodurch dem Vorhabenträger zeitraubende und teure Anstrengungen für eine Detailplanung erspart bleiben, erhält der Anlagenbetreiber durch einen solchen Standortvorbescheid also nur eine unwesentlich verbesserte Rechtsposition, da jede spätere abweichende Abwägung die ursprüngliche Abwägung ersetzt. Er wäre dadurch allerdings auch nicht mit einem übermäßigen Risiko belastet, da der Vorbescheid allein ihm noch keine Baurnaßnahmen erlaubt. Sein finanzielles Risiko beschränkt sich somit auf die Kosten für eine auf den Vorgaben des Standortvorbescheids aufbauende, verfeinerte Vorhabenplanung, wie es allerdings auch im ungestuften Planfeststellungsverfahren dem Antragsteller zukommt. b) Teil-Planfeststellung Wegen des vom Vorbescheid abweichenden Regelungsgehalts sind die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen für den Erlaß einer Teil-Planfeststellung differenziert zu beurteilen. Im Hinblick auf das Erfordernis eines sachlichen Grundes für die Abweichung vom Grundsatz der Gesamtentscheidung kann ebenso wie bei der Erteilung eines Vorbescheids auf das öffentliche Interesse an ausreichenden und sicheren Entsorgungskapazitäten verwiesen werden. Auch hinsichtlich der Zuständigkeit der Behörde ergeben sich keine neuen Gesichtspunkte. Anders könnte jedoch die Beurteilung der inhaltlichen Rechtmäßigkeit einer Teil-Planfeststellung ausfallen. Im Gegensatz zum Vorbescheid gestattet die TeilPlanfeststellung schon den Beginn konkreter Baurnaßnahmen, wie etwa die (teilweise) Errichtung von Gebäudeteilen; dabei ist aber auch ihr eine vorläufige positive Gesamtbeurteilung inhärent und zugleich im Immissions- und Atomrecht ihr wesentlicher Vorteil, weil sie zu einer Verfestigung der Rechtsposition des begünstigten Unternehmers führt. Der gestattende wie auch der feststellende Inhalt der Teil-Planfeststellung ist an den allgemeinen Maßstäben des Abwägungsgebotes zu messen. Danach müs-

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sen auch hier wiederum alle in bezug auf den betreffenden Anlagenteil relevanten Belange umfassend ermittelt, bewertet und untereinander abgewogen werden. Des weiteren ist auch insoweit regelmäßig die Durchführung des Beteiligungsverfahrens geboten. Rechtlich problematisch erscheint hingegen, ob nicht durch mehrere hintereinander erteilte Teil-Planfeststellungen eine Bindung der Abschlußentscheidung eintritt, die die Ausübung der planerischen Gestaltungsfreiheit faktisch ausschließt. 130 Unter diesem Gesichtspunkt bietet sich ein Vergleich mit der Situation der atomrechtlichen Teilgenehmigung an, da die atomrechtliche Genehmigung ebenfalls keine gebundene, sondern eine Ermessensentscheidung ist. Im Atomrecht wird eine unzulässige Ermessensbindung deshalb verneint, weil das durch § 7 AtG eingeräumte Ermessen auf einen einzigen Gesichtspunkt beschränkt ist, indem es gewissermaßen einen ungeschriebenen Versagungsgrund wegen sonstiger von der Anlage ausgehender Gefahren ersetzt. Dieses Ermessen kann logischerweise nur einmal ausgeübt werden. 131 Entsprechend könnte man überlegen, ob auch eine Abwägung nur einmal möglich ist. Man müßte also annehmen, daß die Abwägung in einer vorhergehenden Teilentscheidung bereits berücksichtigter Belange endgültig sei. 132 Dagegen spricht aber, daß Abwägung nicht nur eine abstrakte Bewertung einzelner, als erheblich erkannter Belange, sondern vielmehr den kompromißhaften Ausgleich aller widerstreitender Interessen beinhaltet. Demzufolge kann die Berücksichtigung eines weiteren Belangs, der sich erst aus zusätzlichen, für die nächste Teilentscheidung vorgelegten Unterlagen oder den dagegen erhobenen Einwendungen ergibt, das gesamte bisherige Abwägungsgeflecht in Frage stellen und damit die relative Gewichtigkeit der Belange in ihrem Verhältnis zueinander in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen. 133 Aus diesem Grunde muß die Abwägung auch im Falle mehrerer nacheinander erteilter Teil-Planfeststellungen bis zuletzt offen bleiben. 134 Eine Verfestigung der Position des Antragstellers darf infolge einer Teil-Planfeststellung mithin nicht eintreten. 135 Indessen steht diese rechtliche Bewertung in krassem Gegensatz zu der tatsächlichen Situation, der sich die Behörde nach der Erteilung einer oder mehrerer Teil-Planfeststellungen und bereits begonnener Bautätigkeit gegenüber sieht. Aus diesem Grunde versucht selbst der Gesetzgeber, durch § 7 a AbfG zu verhindern, daß eine Behörde sich von derartigen faktischen Gegebenheiten beeinflussen läßt. Deshalb sind im Rahmen des vorzeitigen Beginns nur solche Maßnahmen zulässig, die ohne unverhältnismäßigen Aufwand wieder rückgängig gemacht 130 Erbguth, Rechtssystematische Grundfragen, S. 222; Kühling, Fachplanungsrecht, Rn.228. 131 Siehe oben 4. Kap. B. 11. 2. c). 132 Ähnlich Rengeling, Planfeststellung für die Endlagerung, S. 97. 133 Gegner, Die abschnittsweise Planfeststellung, S. 118 f. 134 Erbguth, Rechtssystematische Grundfragen, S. 222. 135 Huntemann, Recht der unterirdischen Endlagerung, S. 197 f.

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4. Kap.: B. Vorbescheid und Teil-Planfeststellung

werden können. Bei einer Teil-Planfeststellung kämen jedoch auch endgültige, d. h. nicht rückgängig zu machende Errichtungsmaßnahmen in Betracht. Das bedeutet, daß eine Stufung der Planfeststellung in mehrere, aufeinander aufbauende und die Position des Antragstellers stufenweise verfestigende Teil-Planfeststellungen nicht mit den planungsrechtlichen Spezifika dieses Zulassungstyps vereinbar ist. Als Zwischenergebnis läßt sich zugleich festhalten, daß § 7 Abs. 2 hess. AbfAG, soweit darin eine Ermächtigung zur Erteilung einer Teil-Planfeststellung enthalten ist, mit dem verfassungsrechtlichen Abwägungsgebot nicht im Einklang steht. c) Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung

Nachdem nun festgestellt ist, daß grundSätzlich in den durch das Abwägungsgebot gesetzten Grenzen die Erteilung eines Planfeststellungs-Vorbescheids zulässig wäre, stellt sich die Frage, wie sich diese Erkenntnisse praktisch umsetzen lassen. Ausgehend von der im allgemeinen Verwaltungsrecht begründeten Befugnis der Behörde, ein Verfahren nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten durch Erlaß von Vorbescheiden (und Teilgenehmigungen) zu stufen, liegt die Vermutung nahe, daß entsprechende Teilentscheidungen im Planfeststellungsrecht wie auch sonst 136 - ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung zulässig seien.

aa) Verfahren Die wesentlichen Vorgaben für die Durchführung eines Vorbescheidsverfahrens folgen bereits aus dem Abwägungsgebot. Wenn die Behörde sich ein umfassendes Bild von den durch das Vorhaben berührten Belangen verschaffen muß, so folgt daraus in aller Regel die Notwendigkeit eines Beteiligungsverfahrens i. S. v. § 73 VwVfG.137 Das AbfG selbst hält die Schaffung einer hinreichenden Informationsgrundlage allein aufgrund eigener Sachverhaltserminlungen der Behörde, wie § 7 Abs. 2 AbfG zeigt, nur dann für möglich, wenn es um unbedeutendere Anlagen geht. Ansonsten würde aber jeder infolge mangelnder Betroffenenbeteiligung unberücksichtigt gebliebene Belang zu einem Abwägungsdefizit und dadurch zur Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses führen. Aus den Vorschriften der §§ 72 ff. VwVfG ergibt sich hingegen die Notwendigkeit des Beteiligungsverfahrens nur für den Erlaß eines Planfeststellungsbeschlusses. Zwar könnte man danach die Geltung dieser Vorschriften auch für einen 136 OVG NW, DVBI. 1978, 853 (854); OVG Lüneburg, DVBI. 1983, 184 (185); Beckmannl Appold I Kuhlmann, DVBI. 1988, 1002 (1008); Erbguth, Rechtssystematisehe Grundfragen, S. 213 und 290. 137 Erbguth, Reehtssystematische Grundfragen, S. 223.

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Teil-Planfeststellungsbeschluß bejahen; da der Vorbescheid jedoch die charakteristischen Rechtswirkungen (§ 75 VwVfG) einer Planfeststellung nicht auslöst, gelten die §§ 72 ff. VwVfG insofern nicht. Aus diesem Grunde bedürfte es jedenfalls einer gesetzlichen Regelung über die Durchführung der Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen des Vorbescheidsverfahrens. Ein entsprechendes Ergebnis folgt auch aus der einfachgesetzlichen Pflicht, bei UVP-pflichtigen Vorhaben bereits vor Erteilung von Vorbescheiden (oder Teilgenehmigungen) die Umweltverträglichkeit des Vorhabens unter Einbeziehung der Öffentlichkeit zu prüfen (§§ 13 und 9 UVPG).

bb) Regelungsgehalt und Präklusionswirkung Aus der Geltung des Abwägungsgebotes folgt, daß nur hinsichtlich der durch die Teilentscheidung umfassend beurteilten Teilfragen eine Bindungswirkung eintreten darf. Was ein mit dieser Entscheidung verbundenes vorläufiges positives Gesamturteil betrifft, muß die Gewichtigkeit der Belange im Verhältnis zueinander vollständig neu beurteilt werden, wenn sich aus späteren Änderungen oder Ergänzungen neue oder andere Gesichtspunkte ergeben. Andererseits spricht nichts dagegen, die Behörde an ihrer eigenen Abwägungsentscheidung festzuhalten, wenn keine neuen Erkenntnisse vorliegen, die die einmal außenwirksam getroffene Entscheidung in Zweifel ziehen. Sodann stellt sich die Frage, inwieweit diese Bindung der Behörde auch Auswirkungen auf den Rechtsschutz Dritter gegen die Teilentscheidung hat. Unter Beachtung des drittschützenden Gehalts des Abwägungsgebotes muß davon ausgegangen werden, daß ein Dritter, dessen Belange in dem Verfahren zu berücksichtigen sind, gegenüber jeder Entscheidung klagebefugt ist, in die seine Belange entweder gar nicht oder mit unzutreffender Gewichtung eingestellt worden sind. Demzufolge findet eine Bestandskraftpräklusion lediglich dann und soweit statt, wie Belange abgewogen wurden und sich im weiteren Verfahren kein zusätzlicher relevanter Belang ergibt. Dies im Einzelfall zu beurteilen, ist nur aufgrund einer konkreten und eingehenden Prüfung und Nachvollziehung der Abwägung möglich. Vor dem Hintergrund derart diffiziler Unterscheidungen würde der Rechtsschutz eines betroffenen Dritten durch eine Verfahrensstufung ohne gesetzliche Regelung zusätzlich 138 erschwert, was im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG und das Gebot der Rechtssicherheit bedenklich erscheint. 139 Deshalb ist eine gesetzli138 Grundsätzlich bewirkt jede vertikale Stufung Rechtsschutzerschwerungen für Dritte; Beckmann, DöV 1987,944 (945). 139 Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG verbieten sich unübersichtliche, unsystematische Verfahrensstufungen, weil dann dem einzelnen nicht erkennbar ist, wann und wogegen er sich wehren kann bzw. muß; vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig/ Herzog / Scholz, GG, Art. 19 IV Rn. 167. Allerdings läßt BVerfGE 53, 30 (66) die Frage nach der Notwendigkeit einzelner Verfahrensvorschriften offen.

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4. Kap.: B. Vorbescheid und Teil-Planfeststellung

che Regelung geboten, die den Inhalt und Prüfungsrahmen sowie die dadurch ausgelöste Bindungswirkung zumindest in Grundzügen 140 beschreibt, so daß ein Betroffener erkennen kann, ob er die vorgezogene Entscheidung anfechten kann und muß, um seine Rechte zu wahren. 141 Unter dem Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit und Klarheit des Rechts wäre vor allem eine Bestimmung denkbar, nach der das vorläufige positive Gesamturteil an der Bindungswirkung nicht teilnimmt. d) Gesetzgebungskompetenz Abschließend stellt sich die Frage, ob die Gesetzgebungskompetenz für eine solche gesetzliche Regelung dem Bund oder den Ländern zusteht. Derzeit hat der Bund mit dem geltenden AbfG von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 74 Nr. 24 GG Gebrauch gemacht. 142 Den Ländern verbleibt ein eigener Regelungsbereich daneben nur insoweit, als der Bund die Materie nicht oder nicht abschließend geregelt hat (Art. 72 Abs. 1 GG). Bezüglich des abfallrechtlichen Zulassungsverfahrens hat sich der Bundesgesetzgeber auf die bloße Anordnung eines Planfeststellungsverfahrens beschränkt und damit den Ländern dessen Ausgestaltung überlassen. Allerdings hatten zu der Zeit, als die §§ 20 ff. AbfG a. F. zugunsten des Verweises auf das landesrechtliche Planfeststellungsverfahren aufgehoben wurden, bereits alle Bundesländer Verfahrensgesetze erlassen, die wortgleich dem VwVfG des Bundes entsprechen, so daß der Bundesgesetzgeber davon ausgehen konnte, daß Übereinstimmung über den üblichen Ablauf eines Planfeststellungsverfahrens bestand. 143 So lassen sich zu den begriffsnotwendigen Elementen eines Planfeststellungsverfahrens i. S. d. § 7 AbfG jedenfalls ein förmliches Verfahren, die planerische Gestaltungsfreiheit und die Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses zählen. 144 Daß eine Stufung des Verfahrens - innerhalb des materiell-rechtlich zulässigen Rahmens - durch die Anordnung eines Planfeststellungsverfahrens ausgeschlossen sein sollte, würde hingegen den Begriff überspannen, zumal auch damals niemand an die Stufung eines Planfeststellungsverfahrens gedacht hat. Den Ländern verbleibt daher ein eigener Gestaltungsbereich für Sonderbestimmungen zum abfallrechtlichen Verwaltungsverfahren. 145 Mithin bestehen derzeit keine Bedenken 140 Sinnvoller wäre allerdings eine detailliertere Regelung; vgl. auch Seimer, Vorbescheid und Teilgenehmigung, S. 50. 141 Allgemein Burmeister, Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 1988, 121 (143, 148); Erbguth, Rechtssystematische Grundfragen, S. 285. Zum "numerus c1ausus" der zulässigen Stufung im Atomrecht vgl. Wieland, DVBI. 1991, 616 (619). 142 Zum Begriff der Abfallbeseitigung i. S. d. Art. 74 Nr. 24 GG: Bothe, NVwZ 1987, 938 (939 f.). 143 Vgl. auch Tettinger, GewArch 1988,41 (47). 144 Vgl. Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 244. 145 Bothe, NVwZ 1987,938 (946); Hoppe, Eildienst LKT NW 1988, 183 (187).

VI. Verfahrensstufung und planerische Gestaltungsfreiheit

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gegen eine landesrechtliehe Normierung etwa eines Standort-Vorbescheids, wie es in Hessen durch § 7 Abs. 2 hess.AbfAG geschehen ist. In Betracht kommt allerdings auch eine gesetzliche Regelung durch den Bundesgesetzgeber. Dessen Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Nr. 24 GG betrifft grundsätzlich nur den materiell-rechtlichen Regelungsbereich. Gemäß Art. 84 Abs. 1 GG kann aber der Bund auf den Gebieten, auf denen und soweit 146 ihm das Gesetzgebungsrecht zusteht, auch Bestimmungen über das Verfahren treffen, sofern der Bundesrat dem Gesetz zustimmt.

3. Horizontale Stufung Neben den vertikalen Stufungsinstrumenten bietet sich bei großräumig angelegten Vorhaben, etwa Deponien, auch eine räumliche Aufteilung nach Abschnitten an. Die abschnittsweise Planfeststellung ist im Fernstraßenrecht entwickelt worden aufgrund der sachlichen Notwendigkeit, eine möglicherweise mehrere hundert Kilometer lange Autobahn in Teilstücken zu planen und zu errichten. 147 a) "Linienförmige" Projekte Die Zulässigkeit der abschnittsweisen Planfeststellung bei linienförmigen Vorhaben wie Straßen, Kanälen und Eisenbahnanlagen ist seit langem aufgrund der soeben genannten Sachzwänge anerkannt. Gerät sie dennoch in die Diskussion, so richtet sich die Kritik üblicherweise gegen die räumlichen Ausmaße der Abschnittsbildung. 148 Denn durch eine "geschickte" Wahl der Abschnitte kann es gelingen, sog. Zwangspunkte 149 zu schaffen, so daß beispielsweise für einen zwischen zwei Endpunkten liegenden umstrittenen Streckenabschnitt schließlich keine Planungsalternativen mehr verbleiben. ISO Eine derartige planerische Abschichtung mit dem Ziel der Schaffung vollendeter Tatsachen wäre allerdings gleichermaßen sach- und rechtswidrig. 1Sl Sie würde nämlich nicht nur zu einer Verkürzung des Rechtsschutzes für den betroffenen Anwohner, sondern auch zu einer Verschlechterung seiner materiellen Rechtsposition führen. 1S2 Diese ungePeine, NWVBL 1988, 193 (195); Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 83 Rn. 2. BVerwGE 67, 74 (77); Breuer, Planfeststellung für Anlagen zur Endlagerung, S. 81; Broß, DöV 1985,253 (260). 148 Busch, in: Knack, VwVfG, § 74 Rn. 4.6.2; vgl. auch Rengeling, Planfeststellung rür die Endlagerung, S. 82. 149 Zu diesem Begriff BayVGH, DVBI. 1990, 167 (168). ISO Blümel, in: Festgabe für Forsthoff, S. 133 (148 f.); Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 228. 1S1 Vgl. BVerwG, NuR 1990, 114 (115). 1S2 Blümel, in: Festgabe für Forsthoff, S. 133 (149); Kügel, Der Planfeststellungsbeschluß, S. 135. 146 147

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4. Kap.: B. Vorbescheid und Teil-Planfeststellung

rechtfertigte Beeinträchtigung rechtlich geschützter Belange kann nur dadurch vennieden werden, daß die räumliche Bemessung eines Planungsabschnitts hinreichend groß gewählt wird IS3 und daß in die Planung eines Teilstücks auch schon die lnteressenkonflikte eingestellt werden, deren Lösung durch die Schaffung eines Zwangspunktes bereits präjudiziert würden. 154 Dies setzt notwendigerweise eine vollständige Öffentlichkeitsbeteiligung nach den verfahrensmäßigen Vorgaben des Planfeststellungsrechts voraus. b) ,,Punktförmige" Projekte

Nach wohl vorherrschender Auffassung ISS stellt sich die Problematik einer Abschnittsbildung bei den sog. punktfönnigen oder geschlossenen Zentralvorhaben 156 nicht, da sie generell weniger teilungsfreundlich sind. IS7 Dennoch kann ausnahmsweise eine gewisse Abschnittbildung bei großräumig konzipierten Anlagen sinnvoll sein. Wichtig ist aber, daß es sich bei den abschnittweise planfestgestellten Teilen des Vorhabens um für sich gesehen funktionsfähige und rechtmäßige Anlagen handelt; IS8 anderenfalls läge eine vertikale Stufung vor. An diesem Punkt sei an die bereits angesprochene Frage erinnert, ob eine vergleichbare Verfahrensaufteilung dadurch erreicht werden kann, daß im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens gern. § 7 Abs. 1 AbfG für einen abgrenzbaren Teil der Anlage eine Genehmigung nach § 7 Abs. 2 AbfG erteilt werden kann. IS9 Ausgehend von dem weiten Anlagenbegriff des Planfeststellungsrechts, dessen Gegenstand das gesamte Vorhaben einschließlich aller Folgernaßnahmen ist, müßte eine solche Aufteilung grundsätzlich aus rechtlichen Gründen rechtswidrig sein. Bejaht man die Zulässigkeit einer derartigen räumlichen Aufgliederung dennoch, so beruht dies im Grunde auf einer horizontalen Stufung des Gesamtvorhabens. Rechtlich selbständig zu beurteilende Anlagenteile könnten etwa innerhalb eines Entsorgungskomplexes unterschieden werden, der aus mehreren eigenstänIS3 Breuer, Planfeststellung für Anlagen zur Endlagerung, S. 82; Manner, Die rechtsstaatlichen Grundlagen, S. 67. 154 BVerwGE 62,342 (353); BayVGH, DVBl. 1990, 167 (168); Fickert, Planfeststellung für den Straßenbau, S. 148 f.; Kügel, Der PIanfeststellungsbeschluß, S. 136; Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 229. 15S Anders Erbguth, Rechtssystematische Grundfragen, S. 220. IS6 Die Abgrenzung von linienförmigen und punktförmigen Vorhaben ist bisweilen nicht eindeutig, so z. B. bei der längsgeteilten Planung einer Autobahn (d. h. zunächst zwei-, später vierstreifig); vgl. BVerwG, DVBl. 1990, 424. IS7 Bender / Sparwasser, Umweltrecht, Rn. 91; Rengeling, Planfeststellung für die Endlagerung, S. 83; Steinberg, Das Nachbarrecht, Kap. IV Rn. 2. IS8 BVerwG, NuR 1990, 114 (abschnittsweise Erweiterung einer Deponie); Meyer, in: Meyer / Borgs, VwVfG, § 74 Rn. 33; Paetow, DVBI. 1985, 369 (370). 159 Siehe oben 3. Kap. C. IV.

VI. Verfahrensstufung und planerische Gestaltungsfreiheit

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digen Einrichtungen besteht, wie etwa einer Sortier-, Wiederverwertungs- und Verbrennungsanlage sowie einer Restedeponie. Hier muß danach differenziert werden, ob die für eine getrennte Zulassung in Frage kommenden Anlagenteile auch bei differenzierender rechtlicher Betrachtung planfeststellungsfähig, insbesondere abfallwirtschaftlich sinnvoll, sind. Dient also etwa eine vorgeschaltete Sortierung des zu entsorgenden Abfalls lediglich der Durchführung der eigentlich angestrebten Verbrennung, so wäre darin eine bloße Hilfsmaßnahme zu sehen, die dem Anlagenzweck untergeordnet ist. Durch eine Vorabzulassung einer solchen Sortieranlage und das darauf gegründete finanzielle Engagement des Antragstellers würde das Abwägungsergebnis hinsichtlich des Hauptbestandteils der Anlage rechtswidrig präjudiziert. Anders könnte aber z. B. das rechtliche Verhältnis zwischen dem Verbrennungskomplex und einem Anlagenteil zur stofflichen Wiederverwertung aussortierter Müllbestandteile beurteilt werden. Beide Entsorgungsvorgänge könnten sinnvoll auch an verschiedenen Standorten durchgeführt werden, ohne daß der eine Teil zwingend auch den anderen Teil erfordert. Eine Planfeststellung in Abschnitten kommt des weiteren bei einer langfristig konzipierten Deponie in Betracht, für die von vornherein mehrere Ausbaustufen vorgesehen sind. 160 Es wäre sachwidrig, schon bei der Planfeststellung des ersten Abschnitts eine Abwägung hinsichtlich späterer Erweiterungen vorzunehmen, die erst nach Ablauf einiger Jahrzehnte relevant würden. Bis eine Ausdehnung der Deponie dann tatsächlich stattfände, wären die tatsächlichen und möglicherweise auch rechtlichen Grundlagen der Entscheidung längst überholt. Deshalb ist davon auszugehen, daß ein derartiges Vorhaben zumindest dann in Abschnitten planfestgestellt werden darf, wenn es in rechtlicher Hinsicht teilbar ist. 161 Rechtliche Teilbarkeit bedeutet auch in diesem Zusammenhang, daß schon der einzelne Abschnitt, selbst wenn die späteren Erweiterungen nicht zugelassen werden sollten, für sich genommen eine in sich ausgewogene, in jeder Hinsicht rechtmäßige Planungsentscheidung erlaubt. 162 Für die räumliche Aufteilung bei der Planfeststellung von Abfallentsorgungsanlagen ist damit sowohl bei Deponien als auch bei sonstigen Vorhaben maßgeblich, ob der getrennt zuzulassende Anlagenteil bei isolierter Betrachtung planfeststellungsfahig ist. 163 Wegen des weiten Anlagenbegriffs und der grundSätzlichen Pflicht, alle von einer Anlage verursachten Beeinträchtigungen zu berücksichtigen, muß allerdings bei jeder weiteren (Teil-)Planfeststellung jeweils die Gesamtanlage betrachtet werden. Insoweit handelt es sich aber um einen Grundsatz, der auch bei Änderungen bestehender Anlagen gilt. 164

160 161 162 163 164

BVerwG, NuR 1990, 114. Paetow, DVBI. 1985, 369 (370). BVerwG, NuR 1990, 114 (115). BVerwG, NuR 1990, 114 (115). Siehe oben 2. Kap. B. I. 2.

254

4. Kap.: B. Vorbescheid und Teil-Planfeststellung c) Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung

Abschließend stellt sich auch im Hinblick auf horizontale, d. h. räumliche Aufgliederungen der abfallrechtlichen Planfeststellung die Frage nach der Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung. Sie ist - m. E. aus noch besseren Gründen als im Straßenrecht - zu verneinen. Denn die jeweils zur Überprüfung stehenden, rechtlich und tatsächlich selbständigen Planungsabschnitte können ohne weiteres nach den allgemeinen materiell- und verfahrensrechtlichen Vorgaben beurteilt werden. Es ist allerdings einzuräumen, daß die Position des Anlagenbetreibers offensichtlich dadurch verbessert wird, daß er an einem für eine zusätzliche oder erweiterte Nutzung vorgesehenen Standort bereits über eine zugelassene Anlage verfügt. Aus der Sicht Betroffener droht damit eine Art "Salami-Taktik" 165 von Vorhabenträger und Behörde. Indessen ist in dieser räumlichen Aufteilung des Zulassungsverfahrens, wenn die o. g. rechtlichen Vorgaben beachtet werden, keine rechtliche Beeinträchtigung Dritter bzw. Bevorzugung des Antragstellers zu sehen, da für spätere Erweiterungen des Komplexes der jeweils neue Zuschnitt der Gesamtanlage maßgeblich ist. Vor diesem Hintergrund ist auszuschließen, daß ein Anwohner aufgrund der abschnittsweisen Planfeststellung gegenüber einer einheitlichen Planfeststellung ein Mehr an Belastungen zu ertragen hätte.

4. Zwischenergebnis Die abfallrechtliche Planfeststellung schließt eine Aufteilung in räumliche Abschnitte oder den Erlaß eines Vorbescheids nicht aus. Aus der Besonderheit, daß es sich um eine planerische Entscheidung handelt, die grundsätzlich durch die umfassende und einheitliche Abwägung aller durch das Vorhaben berührten Belange charakterisiert wird, ergeben sich jedoch strengere Anforderungen an die Bindungswirkung einzelner Teilentscheidungen. Relativ unproblematisch stellen sich die abschnittsweisen, d. h. räumlich geteilten Planfeststellungen dar; sie sind nach den allgemeinen rechtlichen Vorgaben zu beurteilen. Um sicherzustellen, daß eine derartige Stufung nicht zu einer sukzessiven Verschlechterung der Rechtsposition Betroffener mißbraucht wird, dürfen nur für sich genommen selbständige und damit einer eigenständigen rechtlichen Beurteilung zugängliche Anlagenteile ausgegliedert werden. Weitaus schwerwiegendere rechtliche Bedenken sind mit einer horizontalen Stufung des Planfeststellungsverfahrens verbunden. Wegen der Unauflöslichkeit des Abwägungsgeflechts kann jedes Hinzutreten bislang nicht berücksichtigter Belange in einer späteren Planungsphase die gesamte Abwägungsfrage erneut 165

Vgl. auch Fickert, Planfeststellung für den Straßenbau, S. 149.

VII. Zweifel an der praktischen Vorteilhaftigkeit

255

aufwerfen. Ein Vorteil gestufter Verfahren, nämlich das Erstarken mehrerer Teilgenehmigungen zu einer Vollgenehmigung kann demzufolge in einem gestuften Planfeststellungsverfahren nicht erreicht werden. Mit den besonderen rechtlichen Bindungen der Planungsentscheidung, insbesondere dem verfassungsrechtlichen Abwägungsgebot, ist allenfalls ein Vorbescheid vereinbar, durch den dem Antragsteller noch nichts erlaubt wird, was die abschließende Entscheidung präjudizieren könnte. Zur Herstellung der durch das Rechtsstaatsprinzip gebotenen Rechtssicherheit, d. h. Vorhersehbarkeit und Klarheit des Rechts, sowie eines den materiell-rechtlichen Anforderungen genügenden Verfahrens wäre jedenfalls eine gesetzliche Regelung vonnöten, für die der Bundesgesetzgeber und, solange der Bund keine derartige Gesetzesänderung vornimmt, die Länder zuständig wären.

VII. Zweifel an der praktischen Vorteilhaftigkeit eines gestuften abfallrechtlichen Planfeststellungsverfahrens Von der Möglichkeit eines (horizontal) gestuften Planfeststellungsverfahrens erhoffen sich einige Stimmen im jüngeren Schrifttum deutliche Vorteile für die Zulassung von Abfallentsorgungsanlagen. 166 Zwar hat die Untersuchung ergeben, daß eine derartige Stufung mit den planungsrechtlichen Besonderheiten der Planfeststellung nicht gänzlich unvereinbar ist, doch hat sich auch gezeigt, daß die Rechtskontrolle dieser Teilentscheidungen im Vergleich zu den ohnehin schon nicht leicht zu überblickenden Anforderungen an ein "einfaches" Planfeststellungsverfahren zusätzliche Schwierigkeiten birgt, indem unterschieden werden muß zwischen dem bindenden Regelungsgehalt der Vorabentscheidung und einem bloß vorläufigen positiven Gesamturteil, von dem aus sachlichen Gründen ohne weiteres abgewichen werden kann. Zudem trägt jede weitere, gerichtlich anfechtbare Entscheidung die potentielle Gefahr einer Verzögerung der abschließenden Entscheidung in sich. 167 Ob die Vorteile eines Vorbescheids diesen zusätzlichen Aufwand auszugleichen vermögen, erscheint zweifelhaft. Die Zweckmäßigkeit eines immissionsschutz- oder atomrechtlichen Vorbescheides wird schon seit langem zurückhaltend beurteilt; beide haben sich in der Praxis nicht bewährt. 168 Denn um die Standorteignung hinreichend beurteilen zu können, muß die Behörde sich schon Siehe oben 4. Kap. A. UBA, 3. Zwischenbericht, S. 96. 168 Fischerhof, AtG, § 7 a Rn. 3 und 8; Friauf, in: Bunneister / Ossenbühl/ Friauf / Papier, Rechtsfragen des Genehmigungsverfahrens, S. 63 (77 f.); Hofmann, UPR 1984, 73 (75); Obemolte / Danner, Vorbem. 5 vor § 3 AtG; Sellner, in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, S.357 (386); kritisch auch Kutscheidt, in: Festschrift für Sendler, S. 303 (310); ähnliches gilt für eine extensive Teilgenehmigungspraxis: Breuer, Planfeststellung für Anlagen zur Endlagerung, S. 106; Büdenbender, Energierecht, Rn. 1242. 166 167

256

4. Kap.: B. Vorbescheid und Teil-Planfeststellung

ein nahezu vollständiges Bild von dem geplanten Vorhaben machen. 169 Dann trennt sie aber meist nicht mehr viel von der endgültigen Entscheidungsreife. Andererseits bringt der Vorbescheid dem Vorhabenträger keine wesentlichen Vorteile, da er jedenfalls noch nicht mit der Errichtung des Vorhabens beginnen kann. Trotz dieser Bedenken sind aber auch Fallgestaltungen vorstellbar, in denen ein Vorbescheid sinnvoll erscheint, so etwa dann, wenn die Standorteignung den hauptsächlichen Kritikpunkt darstellt, so daß ein gerichtliches Verfahren ohnehin unvermeidbar erscheint. Dann könnte durch den Vorbescheid eine klärende gerichtliche Entscheidung schon wesentlich früher erreicht werden. Daher sollte auf Antrag des Vorhabenträgers ein solches abfallrechtliches Vorbescheidsverfahren de lege ferenda in Betracht gezogen werden. Ob die Unzulässigkeit einer Teil-Planfeststellung tatsächlich einer zügigen Durchführung des Planfeststellungsverfahrens hinderlich ist, erscheint ebenfalls zweifelhaft. Die Teil-Planfeststellung wäre ebenso wie der Vorbescheid dem Einwand ausgesetzt, daß sie das Verfahren weiter kompliziert und zusätzlichen verwaltungstechnischen Aufwand erfordert. 170 Ist dem Vorhabenträger jedoch an einer vorzeitigen Aufnahme der Bautätigkeit gelegen, so findet sich dafür in § 7 a AbfG ein einfacherer Weg, denn der vorzeitige Beginn kann in einem laufenden Verwaltungsverfahren erlaubt werden, ohne daß hierfür ein zusätzliches Verfahren mit Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung erforderlich wäre. Zwar ist der vorzeitige Beginn aus der Sicht des Antragstellers dadurch belastet, daß dieser seine Investitionen auf eigenes Risiko tätigt, doch hat sich herausgestellt, daß auch durch eine Teilgenehmigung im Immissionsschutzrecht nicht gewährleistet ist, daß die Abschlußgenehmigung in jedem Fall erteilt wird. Wenn also in Einzelflillen die Stufung des Planfeststellungsverfahrens einer zweckmäßigen Gestaltung des Verfahrens dienen kann, so ist dies jedenfalls kein Patentrezept, um die bestehenden Probleme bei der Zulassung von Abfallentsorgungsanlagen zu lösen.

Ule / Laubinger, BlmSchG, § 9 Rn. 3. Vgl. Ipsen, VVDStRL 48 (1990), 195; allgemein zu den nachteiligen Folgen verbindlicher Teilentscheidungen: Schmidt-Aßmann, in: Festgabe BVerwG, S.569 169

170

(572).

c. Weitere Ansatzpunkte für eine VerfahrensetTektuierung Da sich gezeigt hat, daß zeitliche Verzögerungen des abfallrechtlichen Planungs- und Planfeststellungsverfahrens zahlreiche Ursachen haben können, ist es naheliegend, daß auch verschiedene Ansatzpunkte für Veränderungen in Betracht kommen. Die Suche nach Verbesserungen des Verfahrens ist naturgemäß auf einen Kompromiß zwischen den Zielen der Beschleunigung und der materiellen Richtigkeit der Entscheidung angewiesen. 1

I. Ansatzpunkte im Vorfeld des Planfeststellungsverfahrens 1. Zur Situation der Abfallentsorgungsplanung Abfallentsorgungspläne zählen zu den im Hinblick auf ihre Effektivität am häufigsten überschätzten 2 Instrumenten des Abfallwirtschaftsrechts. 3 Die Tatsache, daß die Bundesländer häufig entweder gar keine, keine verbindlichen oder inhaltlich wenig detaillierte Abfallentsorgungspläne aufstellen, hat zu einer Art Resignation geführt, 4 die in der Forderung gipfelt, auf die Aufstellung von Abfallentsorgungsplänen gänzlich zu verzichten. S In rechtlicher Hinsicht stützt sich die Unzufriedenheit mit der Realität der Abfallentsorgungsplanung darauf, daß derartige Pläne, selbst wenn sie für verbindlich erklärt worden sind, keine abschließende Entscheidung über die Geeignetheit eines im Plan ausgewiesenen Standorts beinhalten. 6 Hinsichtlich des ersten dieser beiden Kritikpunkte könnte an eine stärkere Verpflichtung der Länder gedacht werden, Abfallentsorgungspläne aufzustellen und in regelmäßigen Abständen fortzuschreiben. 7 Es ist indessen kein Sanktionsinstrument ersichtlich, mit dem der Bund die Länder zur Erfüllung ihrer nach § 6 Abs. 1 AbfG ohnehin bestehenden Pflicht zwingen könnte.

Allgemein Fröhler, in: Festschrift für Ule, S. 55 (67). So wohl auch Schmidt-Aßmann, DöV 1990, 169 (173). 3 Weidemann, NVwZ 1988,977 (981). 4 Appold/Beckmann, VerwArch 1990,307 (313). S Ronellenfitsch, DöV 1989, 737 (749). 6 Siehe oben 2. Kap. B. 11. 2. b) aa). 7 Appold/Beckmann, VerwArch 1990,307 (314); ähnlich Schwermer, in: Kunig/ Schwermer / Versteyl, AbfG, § 6 Rn. 61. 1

2

17 Kleinschnittger

258

4. Kap.: C. Weitere Ansatzpunkte für eine Verfahrenseffektuierung

In bezug auf die unbefriedigende Aussagekraft von Standortausweisungen für ein nachfolgendes Planfeststellungsverfahren ist an die Einführung einer allgemeinverbindlichen Standortplanung für Abfallentsorgungsanlagen zu denken, 8 wie sie bereits in den 70er Jahren schon einmal für Kraftwerke diskutiert wurde. 9 Inhalt einer solchen verbindlichen Planung müßte eine abschließende Entscheidung über die standortbezogenen Rechtsfragen sein, die es nicht mehr erlaubt, Einwendungen gegen die Geeignetheit des vorgesehenen Standortes im konkreten Zulassungsverfahren zu erheben. Einer solchen verbindlichen Standortvorsorgeplanung käme damit eine ähnliche Bedeutung zu wie einem Standort-Vorbescheid. Im Hinblick auf die Rechtsschutzgewährleistung zugunsten betroffener Dritter oder Gemeinden wäre ein solches Vorgehen mit Art. 19 Abs. 4 GG aber nur dann zu vereinbaren, wenn eine Rechtsschutzmöglichkeit gegen den Plan eröffnet ist, wobei insoweit die abstrakte Normenkontrolle gemäß § 47 VwGO in Betracht kommt. 10 Nach Ablauf einer bestimmten Frist nach Veröffentlichung des Plans müßten potentiell Betroffene mit standortspezifischen Einwendungen präkludiert sein. 11 Der rechtliche Standort einer diesbezüglichen Regelung könnte nach dem geltenden AbfG das Landesrecht sein, da die Länder gemäß § 6 Abs. 2 AbfG das Verfahren zur Aufstellung der Pläne und damit auch die Frage regeln, ob und gegenüber wem die Pläne verbindlich sind. 12 Die Vorteile einer verbindlichen Standortvorsorge liegen auf der Hand. Zum einen erscheint die rechtliche Prüfungsperspektive sachgerechter, denn es wäre eine wirkliche Alternativenprüfung möglich. 13 Zugleich käme bei einem derartigen Prüfungsansatz deutlich zum Ausdruck, daß die Geeignetheit eines Standorts für die Errichtung einer Abfallentsorgungsanlage nicht an absoluten Maßstäben zu messen ist, sondern daß es nur darum geht, innerhalb eines Entsorgungsgebiets den relativ am ehesten geeigneten Standort auszuwählen. Weiterhin würden die Standortkriterien durch eine verbindliche Planung eine - dringend notwendige 14 - Vereinheitlichung erfahren. Hinzu kommt, daß auf diese Weise auch der Rechtsschutz an Effektivität gewinnen könnte, indem er nicht erst dann eingriffe, wenn möglicherweise schon vollendete Tatsachen geschaffen sind, sondern schon zu dem Zeitpunkt, in dem die planerischen Vorentscheidungen getroffen werden. 15 8 Für eine Abfallentsorgungsplanung durch Gesetz: Würtenberger, NJW 1991, 257 (259); durch nicht justitiabien Regierungsakt: Broß, OVBI. 1991, 177 (184). 9 Blümel,OVBI. 1977,301 ff.; in Betracht kommen insoweit vor allem die Landesentwicklungspläne; ausführlich Holzhauser, Probleme der Standortvorsorge, S. 5 ff.; Büdenbender, Energierecht, Rn. 994. 10 Blümel, OVBI. 1977, 301 (318 f.). 11 Blümel, OVBI. 1977, 301 (320). 12 Bothe, NVwZ 1988, 938 (946). 13 Vgl. Hösel/von Lersner, § 6 AbfG Rn. 22; Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rn. 29. 14 UBA, 3. Zwischenbericht, S. 16.

I. Ansatzpunkte im Vorfeld des Planfeststellungsverfahrens

259

Diesen Vorteilen stehen allerdings bei lebensnaher Betrachtung erhebliche Nachteile gegenüber. So setzt eine verbindliche Abwägungsentscheidung hinsichtlich der Standortauswahl voraus, daß in gleicher Weise wie bei einem Planfeststellungsverfahren private Dritte sowie Behörden und Gemeinden beteiligt werden, die von einem der vorgesehenen Standorte möglicherweise betroffen würden. Dabei ist das gesamte Planungsgebiet, d. h. ein ganzes Bundesland oder ein Regierungsbezirk, auf einmal in Betracht zu ziehen. Der hierfür erforderliche Verwaltungsaufwand stößt indessen an die Grenzen der Vorstellungskraft; 16 dies gilt erst recht, wenn auch Alternativausweisungen vorgenommen werden und somit schon von Anfang an feststeht, daß einige Standorte niemals tatsächlich in Anspruch genommen werden. 17 Es ist auch die Besorgnis geäußert worden, daß eine ebenso immense Prozeßflut zu befürchten sei, weil jeder potentiell Betroffene sich zu einem gerichtlichen Vorgehen gegen den Plan genötigt sähe, will er nicht die Präklusion seiner möglicherweise berechtigten Einwendungen riskieren. 18 Diese Befürchtung ist allerdings m. E. nur zum Teil begründet, da das Normenkontrollverfahren wegen seiner "inter-omnes- Wirkung" und seines objektiv-rechtlichen Prüfungsmaßstabs eher dazu geeignet erscheint, Betroffene von einer eigenen Klage zurückzuhalten, wenn wenigstens ein Nachbar gerichtliche Schritte unternimmt. Die Normenkontrolle kann auf diese Weise vielmehr zu einer Konzentration des Rechtsschutzes führen. 19 Die Gefahr für die Betroffenen, die im Hinblick auf ein von einem Nachbarn betriebenes Rechtsschutzverfahren nicht selbst klagen, besteht allerdings darin, daß sie für den Fall, daß dieser sich zu seinem Vorteil vergleicht oder aus anderen Gründen die Klage bzw. den Antrag zurücknimmt, schutzlos gestellt sind. 20 Die jedenfalls unvermeidliche Dauer eines solchen Planaufstellungsverfahrens bedingt zugleich, daß auch die Geltungsdauer des verbindlichen Plans großzügig bemessen sein müßte. Nach Ablauf einiger Jahre seit dem Erlaß des Plans wäre indessen der Einwand vorhersehbar und angesichts der schnellen technischen Entwicklung häufig wohl auch berechtigt, daß an den Inhalten des Plans aufgrund 15 Vgl. Beckmann, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz, S. 36; Hoppe / Beckmann, Umweltrecht, § 13 Rn. 18. 16 So auch Friauf, in: Burmeister / Ossenbühl / Friauf / Papier, Rechtsfragen des Genehmigungsverfahrens, S. 63 (69). 17 Friauf, in: Burmeister / Ossenbühl / Friauf / Papier, Rechtsfragen des Genehmigungsverfahrens, S. 63 (70). 18 Vgl. BroB, DöV 1985,253 (258). 19 Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § 13 Rn. 19. 20 Selbst wenn sich ein Einwender gegen das Versprechen einer Geldleistung gegenüber dem Betreiber einer Anlage zur Rücknahme seines Rechtsbehelfs verpflichtet, ist ein solcher Vertrag i. d. R. weder sittenwidrig (§ 138 BGB) noch wegen § 134 BGB nichtig, denn es ist dem einzelnen Rechtsinhaber nicht untersagt, auf ihm zustehende Rechtsschutzmöglichkeiten zu verzichten; BGHZ 79, 131 (135 ff.) mit i. E. zustimmender Anmerkung von Knothe, JuS 1983, 18 ff.; vgl. auch BGH, NJW 1991, 1046 (1047): ohne weiteres keine Sittenwidrigkeit einer Entschädigungszusage gegen Rücknahme einer Strafanzeige.

17*

260

4. Kap.: C. Weitere Ansatzpunkte für eine Verfahrenseffektuierung

von Änderungen der Sach- und Rechtslage nicht mehr festgehalten werden könne. Ein solcher Einwand dürfte unter der Geltung des Rechtsstaatsprinzips nicht unberücksichtigt bleiben. 21 Ob sich unter diesen Voraussetzungen der für eine gegenüber jedermann verbindliche Entsorgungsstandortplanung erforderliche Aufwand letztlich lohnen würde, muß ernstlich bezweifelt werden. Dementsprechend hat sich auch schon der Vorschlag von Blümel für eine verbindliche Kraftwerkstandortplanung nicht durchsetzen können. Da aber ein völliger Verzicht auf die Abfallentsorgungsplanung eine langfristige und großräumige Lösung der Abfallprobleme noch weiter erschweren würde, 22 kann daher nur empfohlen werden, die Entsorgungsplanung im Rahmen der ihr gesetzten Möglichkeiten durchzuführen. 23 Ihr kann insoweit zumindest die wichtige Aufgabe zukommen, geeignete Standorte von einer entgegenstehende Planung freizuhalten. Voraussetzung hierfür ist indessen, daß in allen Bundesländern die Abfallentsorgungspläne als Ziele der Raumordnung und Landesplanung verbindliche Vorgaben für andere Planungsträger aufzeigen 24 und so die anderweitige Verplanung geeigneter Flächen verhindern. 2. Konvoiplanung und Bauartzulassung

Wenn schon eine verbindliche Standortabsicherung kaum erreichbar erscheint, so könnte man daran denken, statt dessen die technische Ausführung der Vorhaben mit dem Ziel zu vereinheitlichen, daß nicht mehr über jedes Bauteil und jede technische Einzelheit in jedem Planfeststellungsverfahren erneut entschieden werden muß. Zu denken ist insoweit an die Methoden der sog. Konvoiplanung und an eine entsorgungsspezifische Bauartzulassung. a) Konvoiplanung

Unter Konvoiplanung versteht man ein Vorgehen, bei dem mehrere baugleiche Anlagen an verschiedenen Standorten in kurzer zeitlicher Folge errichtet werden. 25 Ein Vorteil ist darin zu sehen, daß - abgesehen von standortbedingten Abwandlungen - nur ein technisches Konzept erstellt zu werden braucht und auch die Anzahl einzuholender Gutachten erheblich reduziert werden kann. 26 21 Friauf, in: Burmeister lOssenbühl / Friauf I Papier, Rechtsfragen des Genehmigungsverfahrens, S. 63 (70). 22 Hösel/ von Lersner, § 6 AbfG Rn. 3 und 22. 23 In diesem Sinne auch Teuinger, GewArch 1988,41 (47). 24 Zu dieser Forderung: Appold/Beckmann, VerwArch 1990,307 (316f.); Große Hündfeld, Die Beseitigung rechtlicher Hemmnisse, S. 36 f. 25 UBA, 2. Zwischenbericht, S. 33. 26 Große Hündfeld, Die Beseitigung rechtlicher Hemmnisse, S. 41.

I. Ansatzpunkte im Vorfeld des Planfeststellungsverfahrens

261

Die Vorbereitung der Antragsunterlagen durch den Vorhabenträger kann dadurch wesentlich effektiver gestaltet werden. 27 Dieses Ziel wird allerdings nur erreicht, wenn die für den jeweiligen Standort zuständige Planfeststellungsbehörde die vorgelegten Gutachten und sonstigen Unterlagen akzeptiert, was wegen der rechtlichen Unsicherheiten hinsichtlich des notwendigen Umfangs des Antrags nicht garantiert ist. Hinzu kommt, daß die Behörde bei ihrer eigenen Entscheidung über die Zulassungsfähigkeit des Vorhabens durch die vorangegangene Entscheidung einer anderen Behörde über ein wesentlich gleiches Projekt rechtlich nicht gebunden wird. Dennoch ist die Faktizität einer vorhergehenden Zulassung nicht zu unterschätzen. Jedenfalls sind bei der Errichtung von Kernkraftwerken durch eine solche Konvoiplanung eindeutige Zeitvorteile erzielt worden. 28 Für eine Übertragung dieses Konzepts auf die abfallrechtliche Planfeststellung ist allerdings noch zu bedenken, daß baugleiche Anlagen grundsätzlich nur für die Entsorgung ähnlicher oder gleicher Abfallzusammensetzungen in Betracht kommen, also beispielsweise für die Hausmüllentsorgung. Bei Sonderabfallentsorgungsanlagen, die häufig recht individuell auf die zu entsorgenden Abfälle zugeschnitten sind, dürfte eine solche Konvoiplanung erhebliche Schwierigkeiten verursachen. Dies gilt in besonderem Maße für Anlagen, die von Industriebetrieben errichtet werden müssen, die nach § 3 Abs. 3 und 4 AbfG zur Entsorgung ihrer eigenen, betriebsspezifischen Abfälle verpflichtet sind. b) Bauartzulassung

Flexibler als die musterhafte Planung ganzer Anlagen erscheint eine Bauartzulassung für einzelne Bauelemente. Ermächtigungen zu derartigen Bauartzulassungen finden sich derzeit in § 33 BImSehG, in § 19h WHG und als Typengenehmigung in den §§ 19 ff. StVZO. In Betracht kommt eine solche vom konkreten Vorhaben und Standort unabhängige Zulassung einzelner Bauteile sinnvollerweise nur für solche Teile, die in größerer Stückzahl für eine vorerst unbestimmte Anzahl von Anlagen verwendet werden können, 29 möglicherweise etwa Filtervorrichtungen für Verbrennungsanlagen. Es müßte sich dabei um eine spezifische technische Sicherheitsprüfung für einen Prototyp handeln. 3o Im konkreten Anwendungsfall könnte sich die behördliche oder gerichtliche Prüfung dann darauf beschränken, ob das vorgesehene Bauteil mit dem genehmigten Typ übereinstimmt. 3 ! UBA, 2. Zwischenbericht, S. 33. So bei der Errichtung der Kernkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim und Emsland; UBA, 2. Zwischenbericht, S. 33. 29 Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG, § 19h Rn. 11; SRU, Sondergutachten Abfallwirtschaft, Tz. 366; Ule / Laubinger, BImSehG, § 33 Rn. 2; UBA, 2. Zwischenbericht, S. 32. 30 Vgl. Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG, § 19h Rn. 11. 3! Broß, DVBl. 1991, 177 (182). 27 28

262

4. Kap.: C. Weitere Ansatzpunkte für eine Verfahrenseffektuierung

Fraglich ist, in welchem Verfahren eine solche Zulassung zu erteilen wäre und wie sie so in das Planfeststellungsverfahren eingeführt werden kann, daß eine unnötige Doppelprüfung verhindert wird. Wichtig ist vor allem eine gewisse Flexibilität hinsichtlich der Neuaufnahme, Änderung oder auch Ausgrenzung bestimmter Bauteile, um zu verhindern, daß eine Typenzulassung unbeabsichtigt zu einer Bremsung des technischen Fortschritts führt. 32 Als geeigneter Standort derartiger Regelungen bietet sich die TA Abfall an, deren Aufgabe es schließlich ist, die "Verfahren ... festzulegen, die in der Regel eine umweltverträgliche Abfallentsorgung gewährleisten" (§ 4 Abs. 5 AbfG).33 Für eine Aufnahme in die TA Abfall spricht auch, daß eine derartige Bauartprüfung angesichts der doch relativ geringeren Zahl von Abfallentsorgungsprojekten - wenn überhaupt nur bundesweit erfolgversprechend erscheint. 34 Schließlich stellt sich die Frage, welche Bindungswirkung eine Bauartzulassung im Rahmen der TA Abfall als untergesetzlicher Verwaltungsvorschrift für die Planfeststellungsbehörde entfaltet. Insoweit kann auf die bisherigen Ausführungen verwiesen werden. 3s Trotz der nur zurückhaltend beurteilten Rechtswirkungen der Technischen Anleitungen sollte dennoch wiederum die faktische Wirkung einer positiven Vorentscheidung nicht unterschätzt werden.

11. Ansatzpunkte im Verwaltungsverfahren 1. Ersetzung des abfallrechtlichen PIanfeststellungsverfahrens durch ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren Gerade in jüngerer Zeit ist von verschiedenen Seiten der Vorschlag aufgeworfen worden, angesichts der Schwierigkeiten bei der Planung und Zulassung von Abfallentsorgungsanlagen auf das als schwerfällig geltende Planfeststellungsverfahren gänzlich zu verzichten und statt dessen für Anlagen, die zugleich nach § 4 BImSchG einer Genehmigungspflicht unterliegen, lediglich das Verfahren gemäß § 10 BImSchG durchzuführen. 36 Ein Weg, diesen Plan in die Tat umzusetzen, kann darin gesehen werden, derartige Anlagen durch eine Änderung des § 7 Abs. 2 AbfG dem abfallrechtlichen Genehmigungsverfahren zuzuweisen, das dann von der Konzentrationswirkung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gemäß § 13 BImSchG mitumfaßt würde. 37 In einem solchen Genehmigungsverfahren wären die speziel32 Vgl. Broß, DVBl. 1991, 177 (182). 33 Große Hündfeld, Die Beseitigung rechtlicher Hemmnisse, S. 41. 34 UBA, 2. Zwischenbericht, S. 33. 35 2. Kap. B. 11. 6. 36 Bericht des Umweltausschusses in BT-Drs. 11/6633, S.2 und 4; UBA, 3. Zwischenbericht, S. 96; SRU, Sondergutachten Abfallwirtschaft, Tz. 236 und 364.

11. Ansatzpunkte im Verwaltungsverfahren

263

len abfallrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen des § 8 Abs. 3 AbfG über § 6 Nr. 2 BImSchG zu beachten. Auf der Grundlage einer bloß formellen Konzentrationswirkung, bei der die Bindung an die materiell-rechtlichen Anforderungen einer eingeschlossenen Genehmigung weiterhin gültig bleibt, bedeutet dies, daß in der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung auch eine abfallrechtliche Plangenehmigung enthalten sein müßte, die den inhaltlichen Anforderungen des Abwägungsgebots ebenso gerecht werden müßte wie ein Planfeststellungsbeschluß.38 Unter diesem Gesichtspunkt erscheint ein derartiges Vorhaben doch recht problematisch. Denn aus der bisherigen gesetzlichen Regelung spricht eindeutig die Auffassung, daß eine solche Planungsentscheidung in einem Genehmigungsverfahren nur hinsichtlich weniger komplexer Vorhaben realisierbar ist. Zweifelhaft erscheint weiterhin, wie die Durchführung eines gestuften Immissionsschutzverfahrens mit der darin enthaltenen Plangenehmigung vereinbar sein sollte, obwohl doch die besonderen rechtlichen Maßstäbe der Plan(feststell)ungsentscheidung eine solche Stufung nur in der Form eines Vorbescheids erlauben. Diese Überlegungen zeigen, daß eine Lösung über § 7 Abs. 2 AbfG nicht zu dem mit der Forderung nach der Ablösung des Planfeststellungsverfahrens gewünschten Ergebnis führen würde. In Betracht kommt daher eine noch radikalere Abkehr von der bisherigen Regelung, indem die dafür in Frage kommenden Anlagen ausschließlich der Genehmigungspflicht nach § 4 BImSchG unterstellt und ganz aus dem Anwendungsbereich des AbfG herausgenommen werden. 39 Die Vorteile einer solchen Bestimmung liegen auf der Hand. Unter dem alleinigen Regime des Immissionsschutzrechts wäre die Position des Vorhabenträgers dadurch deutlich verbessert, daß ihm im Rahmen einer gebundenen Genehmigungsentscheidung ein konkreter und durchsetzbarer Anspruch auf Zulassung der Anlage zustehen kann. 40 Zudem wären die Stufungsinstrumente Vorbescheid und Teilgenehmigung problemlos anwendbar, und dem Verfahren käme auch die materielle Präklusionswirkung des § 10 Abs. 3 S. 4 BImSchG zugute. Schließlich kommt hinzu, daß sich die materiell-rechtlichen Anforderungen einer gebundenen Genehmigungsentscheidung für Behörden und Beteiligte in vertrauteren Bahnen bewegen und daher leichter zu bewältigen scheinen, als dies im Planfeststellungsverfahren der Fall ist. 41 37

BT-Drs. 11 /6633, S. 2 und 4; Appold/Beckmann, VerwArch 1990,307 (318).

38 Dieser Gesichtspunkt wird häufig übersehen, so z. B. von Appold / Beckmann,

VerwArch 1990,307 (319). 39 In diesem Sinne wohl BT-Drs. 11/6633, S. 38 f.; ein ähnliches Konzept lag übrigens auch dem Regierungsentwurf des Abfallbeseitigungsgesetzes zugrunde; BT-Drs. VI/240l, S. 6 und 14. 40 Appold / Beckmann, VerwAreh 1990, 307 (318); andererseits gibt es Bestrebungen, ein Versagungsermessen in das BImSchG aufzunehmen, vgl. BT-Prot. 11/202, S. 15709 (Schütz, SPD); es spricht indessen nichts dafür, daß hierfür in der laufenden 12. Wahlperiode eine Mehrheit zu finden wäre; dazu auch Beckmann, DöV 1987, 944 (950). 41 Appold/Beckmann, VerwArch 1990,307 (318); Buch, UPR 1990,92 (94).

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4. Kap.: C. Weitere Ansatzpunkte für eine Verfahrenseffektuierung

Zugleich drängen sich allerdings die Einwände gegen eine solche Veränderung der gesetzlichen Grundlagen des Abfallrechts auf. Denn der Anwendungsbereich des AbfG wäre in der Folge nahezu vollständig auf die Zulassung von Deponien reduziert. Damit würde das Zulassungsrecht für Abfallentsorgungsanlagen auf zwei verschiedene Rechtsmaterien verteilt; das kann nicht sinnvoll sein. 42 Denn es ist doch gerade ein grundlegendes Anliegen des Abfallrechts, mit einer umfassenden Normierung auf die Schaffung einer zukunftsorientierten, umweltschonenden und effektiven Entsorgungswirtschaft hinzuwirken. Eine Zersplitterung der Rechtsmaterie kann daher nur dann vertretbar sein, wenn Ausnahmen aus besonderen Gründen sachgerecht erscheinen; 43 als generelle Regelung würde sie die Abfallwirtschaft vor zusätzliche Probleme stellen. Zu denken ist etwa an einen massiven Bedeutungsverlust der Abfallentsorgungspläne, 44 an die Gefahr unkontrollierter und nicht erfaßter Abfallströme und, auch dies sollte nicht vergessen werden, an den Vertrauensverlust in der Bevölkerung, den eine solche Gesetzesänderung unweigerlich auslösen würde. Schließlich bleibt zu vermerken, daß die verfahrensmäßigen Unterschiede zwischen Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren lediglich marginal sind; mit einer signifikanten Zeitersparnis wäre daher nicht zu rechnen. 45 Vor dem Hintergrund dieser Bedenken kann eine Gesetzesänderung, die die Ersetzung des Planfeststellungsverfahrens durch ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren bezweckt, nicht befürwortet werden. 46

2. Vereinheitlichung der Antragsunterlagen Wie bereits mehrfach angesprochen, bilden auch Unklarheiten über den notwendigen Umfang der vorzulegenden Antragsunterlagen einen Grund für Zeitverluste im Planfeststellungsverfahren. 47 Insoweit könnte eine Konkretisierung in erster Linie durch Verwaltungsvorschriften erreicht werden. 48 Bedenken hiergeVgl. auch Paetow, in: Festschrift für Sendler, S. 425 (441). So etwa bei § 4 Abs. I S. 2 AbfG; die in Betracht kommenden Anlagen sind bei lebensnaher Betrachtung keine Abfallentsorgungsanlagen im eigentlichen Wortsinn, da sie die Entsorgung nur neben ihrem Hauptzweck betreiben. 44 Als Ausweg erscheint eine Bindung der Immissionsschutzbehörden an die Direktiven der Abfallentsorgungspläne, vgl. SRU, Sondergutachten Abfallwirtschaft, Tz. 236; die erstrebte Vereinfachung durch Vereinheitlichung der anlagenbezogenen materiellrechtlichen Vorgaben droht indessen auf diese Weise wiederum infolge kompetentieller "Disharmonien" aufgerieben zu werden. 45 Jung, in: Birn / Jung, § 7 AbfG Erl. 1.1. 46 Vgl. auch Hösel / von Lersner, § 7 AbfG Rn. 1. 47 Dies ist allerdings kein spezielles Problem des Abfallrechts; vgl. zur vergleichbaren Situation bei der Genehmigung von Kernkraftwerken: Obemolte / Danner, Energiewirtschaftsrecht, Vorbem. 6 vor § 3 AtG. 48 UBA. 3. Zwischenbericht. S. 88. 42 43

11. Ansatzpunkte im Verivaltungsverfahren

265

gen gründen sich auf die Verschiedenheit der Anlagen, die eine einheitliche Bestimmung nicht realisierbar oder zumindest nicht sinnvoll erscheinen lasse. 49 Dagegen läßt sich jedoch einwenden, daß auch Anlagen i. S. d. § 4 BImSchG sehr unterschiedlich sein können und es dennoch den Ländern gelungen ist, einigermaßen handhabbare Vorschriften sowie zum Teil sogar Formblätter zu entwerfen. 50 Hilfreich würden sich im Planfeststellungsverfahren schon Grobgliederungen nach der Art von Merkposten auswirken, die zweckmäßigerweise nach Anlagearten (Verbrennung oder Deponie) und nach Abfallarten (Hausmüll oder Sonderabfall) gegliedert sein sollten. 51 Einen wertvollen Schritt in diese richtige Richtung stellt nunmehr die TA Abfall dar, die, allerdings beschränkt auf die Sonderabfallentsorgung, ein solches Gliederungsmuster enthält.

3. Zeitliche Vorgaben Ein weiterer Ansatzpunkt für eine mögliche Verfahrensbeschleunigung kann die Dauer einzelner Verfahrensvorgänge innerhalb und außerhalb der Behörde sein. Es bietet sich insoweit die Einführung von Fristenbestimmungen an. In Betracht kommen dafür gleichermaßen Fristen für behördliche Verfahrensbeiträge (z. B. Prüfung der Antragsunterlagen auf ihre Vollständigkeit 52), Verfahrensbeiträge des Vorhabenträgers (z. B. Vervollständigung von Unterlagen)53 oder auch Stellungnahmen zu beteiligender Behörden. 54 Ein Gesetzesentwurf der nordrhein-westfälischen F.D.P.-Fraktion sah beispielsweise Fristen von 20 Tagen für . die Überprüfung der Unterlagen auf ihre Vollständigkeit, acht Monaten für den Erlaß eines abfallrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses und vier Monaten für eine Plangenehmigung vor. 55 Fraglich ist jedoch, mit welcher Rechtsfolge der Gesetzgeber eventuelle Fristüberschreitungen sanktionieren kann oder sollte. Lassen sich gegenüber säumigen Gutachtern möglicherweise Erfolge durch die Vereinbarung einer Vertragsstrafe erzielen,56 so scheidet diese Sanktion in den hier genannten Fällen aus. Erwägt man also zeitliche Vorgaben für Behörden und Beteiligte, so dürfte die im Hinblick auf eine Beschleunigung effektivste Variante darin bestehen, im 49 UBA, 2. Zwischenbericht, S. 23. 50 Z. B. Verwaltungsvorschriften des Landes NW zum Genehmigungsverfahren nach

dem BhnSchG vom 21.11.1975 (MBI. S. 2216), zuletzt geändert durch Erlaß vom 4. 1. 1990 (MBL S. 227). 51 UBA, 3. Zwischenbericht, S. 89 ff. 52 Broß, DVBI. 1991, 177 (182). 53 Vgl. z. B. § 147 Abs. 2 nw.LWG: Zurückweisung unvollständiger Unterlagen. 54 UBA, 3. Zwischenbericht, S. 49. 55 Entwurf eines nw. BeschleunigungsG, LT-Drs. 10 / 4553, S. 4; vgl. auch LT-Drs. 10/4526. 56 UBA, 3. Zwischenbericht, S. 44.

266

4. Kap.: C. Weitere Ansatzpunkte für eine Verfahrenseffektuierung

Falle der Verspätung eine Fiktion 57 aufzustellen. So könnte anstelle einer ausgebliebenen Entscheidung der Planfeststellungsbehörde die Zulassung als erteilt gelten, wie dies aus dem BauGB (§ 19 Abs. 3 S. 6) und dem GenTG (§ 11 Abs. 6 S. 2)58 bekannt ist. Zu Lasten säumiger Beteiligungsbehörden könnte deren positive Stellungnahme fingiert werden und zu Lasten nachlässiger Antragsteller könnte erwogen werden, das Verfahren gegen ihren Willen zu beenden. 59 Es stellt sich nunmehr die Frage, ob und wie ein solches Vorhaben rechtlich zu realisieren wäre. Gegen die Aufstellung von Genehmigungs- bzw. Planfeststellungsfiktionen bestehen indessen Bedenken, da das Verfahren in erster Linie der Umsetzung und Wahrung öffentlicher Interessen an einer umweltschonenden Entsorgung dient. 60 Zudem bezweckt das Zulassungsverfahren auch den Schutz der von den Auswirkungen einer Anlage Betroffenen. Eine fingierte Zulassung würde alle gegen das Vorhaben sprechenden Gesichtspunkte unberücksichtigt lassen. 61 Deshalb wäre der Rechtsschutz gegen einen solchermaßen zustandegekommenen Beschluß unausweichlich und in der Regel auch erfolgreich,62 denn immerhin reicht schon ein Abwägungsausfall auf seiten der Behörde aus, um einen Abwägungsfehler zu begründen. Ebenso wäre der Planfeststellungsbeschluß auch dann materiell rechtswidrig, wenn eine Abwägung infolge einer Fristversäumnis nicht stattgefunden hätte. Bei der baurechtlichen Teilungsgenehmigung sind die Voraussetzungen hingegen anders, da es sich um einen verhältnismäßig einfachen Vorgang handelt; 63 auf die Erteilung der bloßen Kontrollerlaubnis besteht ohnehin ein Anspruch. Andere rechtliche Sanktionen gegen eine zu langsame Antragsbearbeitung durch die zuständige Behörde sind indessen nicht ersichtlich. Aus diesem Grunde mußte sich etwa auch die Bestimmung des § 15 Abs. 2 BImSchG mit einer Fristsetzung ohne Anordnung einer Rechtsfolge begnügen. 64 Es stellt sich somit die Frage, ob durch die faktische Ausstrahlungswirkung einer solchen sanktionslosen Bearbeitungsfrist nicht auch schon Wirkungen erzielt werden. 65 Im Ansatz ist dies zu bejahen, denn prinzipiell läßt niemanden, auch nicht eine Behörde, der Vorwurf unberührt, er habe seine Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt. 57 Die Zulassung gilt als erteilt, obwohl dies in Wahrheit nicht der Fall ist; zur Abgrenzung von Fiktion und Vermutung siehe oben 3. Kap. C. 11. 1. b). 58 Angesichts der Kompliziertheit der Materie kritisch Broß, DVBI. 1991, 177 (179). 59 Zum Genehmigungsverfahren vgl. Art. 13 Abs. 3 bay.AbfG: "Anträge mit unvollständigen oder mangelhaften Unterlagen können abgelehnt werden, wenn der Antragsteller innerhalb einer ihm gesetzten Frist die Mängel nicht behoben hat." 60 Deshalb gegen Zustimmungsfiktionen: Broß, DVBl. 1991, 177 (185). 61 Rechtsstaatliche Bedenken äußert auch der SRU, Sondergutachten Abfallwirtschaft, Tz. 360. 62 Landesregierung NW, Überprüfung von Genehmigungsverfahren, S. 19. 63 Vgl. Zinkahn, in: Ernst / Zinkahn / Bielenberg, BauGB, § 19 Rn. 81 ff. 64 Dazu Jarass, BImSehG, § 15 Rn. 20. 65 Zweifelnd Ule / Laubinger, BImSehG, § 15 Rn. 7; Stich / Porger, § 15 BlmSchG Rn. 11.

11. Ansatzpunkte im Verwaltungsverfahren

267

Verstärkt werden könnte die Bedeutung zeitlicher Vorgaben allerdings durch die Verpflichtung, bei Überschreiten der Frist eine Begründung oder kurze Stellungnahme über den Stand des Verfahrens abzugeben. 66 Problematisch erscheint schließlich die Bemessung eventueller Zeitvorgaben. Setzt man sie zu kurz an, besteht die Gefahr, daß sie bei jeder etwas aufwendigeren Anlage nicht eingehalten werden können und deshalb praktisch nicht ernst genommen werden; setzt man sie zu großzügig an, steht zu befürchten, daß gerade der gegenteilige Effekt erzielt wird, daß nämlich jeder Beteiligte dazu neigt, die ihm gestellte Frist auszuschöpfen, auch wenn eine Erledigung eigentlich schneller möglich wäre. Vor diesem Hintergrund erscheint eine starre Regelung wenig sinnvoll. 67 Als empfehlenswert gelten demgegenüber Richtvorgaben, die nach verschiedenen Verfahrensphasen und Vorhabenbesonderheiten unterscheiden. Erwägen läßt sich auch eine flexible Gestaltung der zeitlichen Vorgaben, indem von der zuständigen Behörde Termine jeweils für das konkrete Verfahren vorgegeben werden. 68 Auf diese Weise könnten gegenüber anderen Behörden sowie sonstigen Beteiligten sachgerechtere Maßstäbe gesetzt werden. Allerdings wird auf diese Weise ausgeschlossen, daß auch die Planfeststellungsbehörde selbst zeitlichen Restriktionen unterworfen würde. 69 Zudem könnten die betroffenen Beteiligten derartige, einseitige Vorgaben leicht als unfair oder gar als Gängelung empfinden. Aus diesem Grunde sollte dieser Vorschlag nicht realisiert werden.

4. Verstärkung der Leistungsfähigkeit von Behörden Wie nicht anders zu erwarten, ist auch im Zusammenhang mit der abfallrechtlichen Planfeststellung die Forderung erhoben worden, die Leistungsfähigkeit der Behörden durch eine bessere Ausstattung mit Personal- und Sachmitteln sowie eine leistungsgerechte Besoldung zu erhöhen. 70 Fehlt es den betreffenden Behörden tatsächlich an hinreichend qualifiziertem Personal oder an der technischen Ausstattung, um etwa Einwendungen datentechnisch zu erfassen und zu ordnen, so ist diese Forderung selbstverständlich berechtigt. Es handelt sich dabei allerdings nicht um ein abfall- oder planungsspezifisches Problem, so daß diese Frage hier nicht weiter vertieft werden sollte. Berechtigt erscheint hingegen die Frage, wie man die vorhandenen Kapazitäten zweckmäßiger nutzen könnte. Bezeichnend für das abfallrechtliche Planfeststel66 Landesregierung NW, Überprüfung von Genehmigungsverfahren, S. 17; SRU, Sondergutachten Abfallwirtschaft, Tz. 360. 67 Landesregierung NW, Überprüfung von Genehmigungsverfahren, S. 20; UBA, 3. Zwischenbericht, S. 80. 68 So UBA, 3. Zwischenbericht, S. 80. 69 Der Behördenleiter ist indes nicht daran gehindert, seinen Mitarbeitern bestimmte zeitliche Vorgaben zu stellen; vgl. dazu VGH Bd.Wtt., DVBI. 1990, 108 (Leitsatz 3). 70 UBA, 2. Zwischenbericht, S. 31.

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4. Kap.: C. Weitere Ansatzpunkte für eine Verfahrenseffektuierung

lungsverfahren wie auch für andere technische Großvorhaben ist der Umstand, daß bei einer Behörde federführend die Verfahrensleitung und Sachentscheidungskompetenz konzentriert ist, wohingegen der Sachverstand der betroffenen Fachbehörden ihr nur über das langwierige und zudem schriftliche Beteiligungsverfahren gemäß § 73 Abs.2 VwVfG zugänglich wird. Spontane Rückfragen aufgrund neuer Vorschläge, Ideen oder auch Erkenntnisse sind dadurch erheblich gehemmt. Vorteilhaft erscheint demgegenüber die Einrichtung von Arbeitsgruppen, 71 die sich aus Vertretern der vorwiegend berührten Behörden zusammensetzen und so als ständige Gremien während eines laufenden Verfahrens in die dort auftauchenden Rechts- und Sachprobleme eingearbeitet sind. Während ein solches Vorgehen in der Privatwirtschaft eher als selbstverständlich gelten dürfte, scheuen die staatlichen Organe davor noch zurück. Als Argumente werden praktische und beamtenrechtliche Schwierigkeiten angeführt wie etwa Fragen der beamtenrechtlichen Weisungsbefugnis oder der Reisekostenerstattung. 72 Bedenkt man hingegen, daß die abfallrechtliche Zuständigkeit üblicherweise nicht den unteren Behörden, sondern den oberen Abfall(wirtschafts)behörden übertragen ist, so müßten diese Schwierigkeiten eigentlich überwindbar sein. In NordrheinWestfalen ist beispielsweise der Regierungspräsident für die Planfeststellung zuständig; bei dieser Behörde sind jedoch ohnehin fast sämtliche fachlichen Zuständigkeiten zusammengefaßt.

s. Konzepte zur Akzeptanzverbesserung Wie sich herausgestellt hat, besteht ein Hauptproblem der Abfallwirtschaft in der mangelnden Akzeptanz für Entsorgungsanlagen auf seiten der Bürger und auch der Standortgemeinden. Die Ablehnung ist am stärksten ausgeprägt bei Verbrennungsanlagen und am geringsten bei Kompostierungs- und Recyclinganlagen; außerdem spielen auch die Größe der Anlage 73 sowie die Lage des Standorts eine wichtige Rolle. 74 Es wird vermutet, daß eine Ursache der zunehmenden Kritik an Abfallentsorgungsanlagen in dem Identitätsverlust zwischen Begünstigten und Betroffenen zu sehen ist. 75 Gemeint ist, daß zu einer Zeit, in der (fast) jede Gemeinde über ihre eigene Müllkippe verfügte, eine direkte und für jeden erkennbare Beziehung zwischen Müllverursachung und Entsorgung bestand. Im Zuge einer Konzentration der Abfallentsorgung geht diese IdentifIkation verloren. Allerdings erscheint der Vorschlag, zukünftig wiederum dezentrale Lösungen UBA, 3. Zwischenbericht, S. 37 ff. UBA, 3. Zwischenbericht, S. 39. 73 Schenkel, in: Hoppe/ Appold, Umweltschutz in der Raumplanung, S. 132 (149). 74 Müller / Holst, Raumordnung und Abfallbeseitigung, S. 76: Akzeptanzprobleme stellen sich vor allem in Ballungsgebieten und im ländlichen Raum. 75 Hauber, in: Hösel / Schenkel / Schnurer, Müllhandbuch, Kz. 0267, S. 1 f.; Jung, Die Planung in der Abfallwirtschaft, S. 14. 71

72

11. Ansatzpunkte im Verwaltungsverfahren

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anzustreben,76 wenig sinnvoll, da die nunmehr entstandene Sensibilisierung gegenüber Umweltbelastungen dadurch nicht mehr rückgängig zu machen sein dürfte. Im Zusammenhang mit der Akzeptanzproblematik entstehen Verzögerungen gleichermaßen im Verwaltungsverfahren wie im gerichtlichen Rechtsschutz. Hiergegen bieten sich theoretisch zwei Vorgehensweisen an: entweder man bemüht sich um eine Verbesserung der Akzeptanz oder man reduziert die Beteiligungs- und Rechtsschutzmöglichkeiten, die von den Vorhabenträgem oft als zu weitgehend empfunden werden. 77 Die Diskussion um diese Frage wird bisweilen - auch von Juristen - mit einer erstaunlichen Polemik geführt, die offensichtlich einer Vermittlung zwischen den einmal entstandenen Fronten nicht dienlich ist. 78 Unbestreitbar ist, daß eine Gesellschaft, die tagtäglich immense Abfallmengen produziert und sich prinzipiell gegen Abfallexporte ausspricht, nicht umhin kommt, die Lasten einer Abfallentsorgung im eigenen Land zu tragen, wenn auch eine Verstärkung der Abfallvermeidung und der stofflichen Verwertung sicherlich ökologisch sinnvoller und daher unentbehrlich ist. Eine reine Blokkadestrategie, die sich grundsätzlich gegen jede neue Anlage richtet, ist deshalb auf Dauer fatal. Andererseits kann aber auch ein Vorgehen nach dem Motto ,,Erlaubt ist, was der Gemeinschaft nützt" auf dem Boden der grundgesetzlichen Verfassungsordnung keine Rechtfertigung finden. Da sich das GG nun einmal für das Rechtsstaatsgebot entschieden hat und damit jedem Menschen, der durch einen staatlichen (Zulassungs-)Akt in seinen Rechten verletzt wird, nach Art. 19 Abs. 4 GG ein subjektives Recht auf Rechtsschutz gewährt, muß auch in Kauf genommen werden, daß effektiver Rechtsschutz eben Zeit kostet. Es führt daher kein Weg daran vorbei, das Problem zumindest auch auf die Weise anzufassen, daß Maßnahmen zur Verbesserung der Akzeptanz ergriffen werden,79 wenn auch Erfolge allenfalls langfristig zu erwarten sind. 80 Wie konkrete Maßnahmen aussehen müßten, bestimmt sich danach, worin die Akzeptanzdefizite ihre Ursachen haben. Zu nennen sind zum einen sachliche bzw. sicherheitstechnische Bedenken, die durch strenge und eindeutige rechtliche Vorgaben etwa hinsichtlich der Immissionsgrenzwerte und deren Kontrolle angegangen werden müßten. Wirkungen können sich verständlicherweise nur auf lange Sicht einstellen. 81 Problematischer erscheint demgegenüber die psychologi76 Appold/Beckmann, VerwArch 1990, 307 (322). 77 So das Ergebnis einer Untersuchung der Landesregierung NW, Überprüfung von Genehmigungsverfahren, S. 14. 78 Vgl. z. B. die engagierte Stellungnahme von Ronellenfitsch, DöV 1989, 737 (739 ff.). 79 In diesem Sinne Ipsen, VVDStRL48 (1990),177 (202); Hauber, in: Hösel/ Schenkel/Schnurer, Müllhandbuch, Kz. 0267, S. 3. 80 SRU, Sondergutachten Abfallwirtschaft, Tz. 378; Hauber, in: Hösel/ Schenkel/ Schnurer, Müllhandbuch, Kz. 0267, S.4.; vgl. auch Hoffmann-Riem, Konfliktmittler,

S.1O.

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4. Kap.: C. Weitere Ansatzpunkte für eine Verfahrenseffektuierung

sehe Komponente, die sich in einem nicht unerheblichen Vertrauensverlust der Behörden bei den Bürgern ausdrückt. 82 Dieser wiederum hat seine Wurzeln jedenfalls teilweise in Unzulänglichkeiten der Informationspolitik. 83 Hier bietet sich für Behörden und Vorhabenträger ein weites Betätigungsfeld. 84 Unzureichende Aufklärung schon im Vorfeld eines offiziellen Verwaltungsverfahrens kann dazu führen, daß zum Zeitpunkt des Erörterungstermins die Positionen bereits derart verhärtet sind, daß eine Annäherung kaum noch erwartet werden kann. 85 Vorfeldgespräche könnten unter Einsatz eines Konfliktmittlers 86, d. h. eines neutralen Dritten, erfolgen, der weder der Behörde noch dem Vorhabenträger zugerechnet werden kann. 87 So jedenfalls sieht es ein jüngst geäußerter Vorschlag vor, der sich an amerikanischen Vorbildern orientiert,88 aber auch auf Vorbilder innerhalb der deutschen Rechtsordnung zurückgreifen kann, etwa das Schlichtungsverfahren im arbeitsrechtlichen Tarifkonflikt. 89 Aufgabe einer solchen Vermittlungstätigkeit könnte es zum Beispiel sein, schon vor der Vergabe von vorbereitenden Gutachten eine Abstimmung darüber zu finden, wer als Gutachter allgemein akzeptiert werden kann und welche Gesichtspunkte einer besonders eingehenden Prüfung bedürfen werden. Ob allerdings ein solches Vorgehen nach amerikanischem Beispiel von Erfolg gekrönt wäre, erscheint derzeit schwer zu beurteilen. 90 Hingewiesen sei nur auf einige grundlegende Unterschiede der Lebensverhältnisse sowie der Rechtsordnungen. 91 So wird in den USA traditionell 81 In diesem Sinne der Regierungsentwurf zu einem 4. VwGOÄndG, BR-Drs. 135/ 90, S. 54: Zur Vermeidung rechtlicher Streitigkeiten sollten streitträchtige Regelungen erst gar nicht erlassen werden. 82 Hierzu Würtenberger, NJW 1991,257 (259). 83 Schenkel, in: Hoppe / Appold, Umweltschutz in der Raumplanung, S. 132 (149); Würtenberger, NJW 1991,257 (260). 84 Vgl. UBA, 3. Zwischenbericht, S. 81 ff.: Bereitstellung von Info-Material, öffentliche Veranstaltungen, Ausstellungen, Kontakte zur Presse, Einschaltung privater Agenturen; gewamt sei aber vor einem allzu großzügigen Einsatz finanzieller Mittel für eine ..Werbungsmaschinerie", vgl. SRU, Sondergutachten Abfallwirtschaft, Tz. 380. 85 Umgekehrt trifft derjenige, der zuerst informiert, auf die höchste Aufmerksamkeit; vgl. Hauber, in: Hösel/ Schenkel / Schnurer, Müllhandbuch, Kz. 0267, S. 6. 86 Nach dem US-amerikanischen Vorbild eines ..mediator"; vgl. dazu und zu der Abgrenzung vom ..arbitrator" (Schiedsrichter mit inhaltlicher Entscheidungsbefugnis) und ..facilitator" (Verfahrenswalter ohne Einfluß auf die inhaltliche Konfliktlösung): Holznagel, Oie Verwaltung 1989,421 (430 ff.) sowie Hoffmann-Riem, Konfliktmittler, S. 21 f. 87 Ausführlich Brohm, OVBI. 1990, 321 ff. 88 Holznagel, OVBI. 1989, 1080 (1083 und 1086); Hoffmann-Riem, Konfliktmittler, S. 26 ff.; ähnlich Burmeister, Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 1988, 121 (157); so jetzt auch § 54 Abs. 4 UGB-AT(E); dazu Kloepfer / Kunig / Rehbinder / SchmidtAßmann, OVBI. 1991,339 (342). 89 Hoffmann-Riem, Konfliktmittler, S. 22; allgemein zu Formen der Konfliktregelung: Röhl, Rechtssoziologie, S. 474 ff. 90 Ergebnisse liegen auch aus den USA noch nicht vor; Holznagel, OVBI. 1989, 1080 (1086).

11. Ansatzpunkte im Verwaltungsverfahren

271

die Bedeutung eines rechtmäßigen Verfahrens höher eingeschätzt als die Notwendigkeit einer vollständigen materiell-rechtlichen Überprüfung behördlicher Entscheidungen. 92 Außerdem ist zu berücksichtigen, daß in Deutschland nieht zuletzt auf kommunaler Ebene der Einfluß der Parteien von so großer Bedeutung ist, daß es im Einzelfall schwer sein dürfte, einen neutralen, aber dennoch interessierten und engagierten Konfliktmittler zu finden, der von allen Seiten akzeptiert werden könnte. 93 Des weiteren ist das Problem zu bewältigen, den Teilnehmerkreis so zu begrenzen, daß einerseits eine Diskussion möglich ist, andererseits aber keine einseitige Vorauswahl nur der Repräsentanten bestimmter Interessengruppen für zusätzlichen Konfliktstoff sorgt. 94 Da jedoch eine an das amerikanische Vorbild angelehnte Verfahrensgestaltung, die ohne rechtliche Einbindung der Behörde erfolgt, wegen des Grundsatzes der zweckmäßigen Verfahrensgestaltung durch die Behörde ohne eine Gesetzesänderung möglich ist,95 spricht nichts dagegen, in geeignet erscheinenden Fällen im Rahmen eines Modellversuchs Erfahrungen zu sammeln. 96 Weiterreichend erscheint hingegen der Vorschlag, die behördliche Entscheidung im Anschluß an ein erfolgtes Konfliktmittlungsverfahren auf eine Verfahrens- und Rechtmäßigkeitskontrolle zu beschränken. 97 Die Forderung nach einer dahin gehenden Änderung des Verwaltungsverfahrensrechts stößt indessen im Hinblick auf das rechtsstaatliehe Postulat der Gesetzesbindung und das Abwägungsprinzip im Planfeststellungsrecht auf erhebliche Bedenken. Aber auch das Planfeststellungsverfahren selbst gibt Anlaß, über Verbesserungsmöglichkeiten nachzudenken. Bereits angesprochen wurde die rechtsstaatlieh zwar nicht unzulässige, aber doch unter Akzeptanzgesichtspunkten konfliktträchtige Entscheidung für eine Identität von Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde. 98 Insoweit ist von Bedeutung, daß die zuständige Behörde häufig in den Verdacht eigener Parteilichkeit gerät. 9\ Holznagel, Die Verwaltung 1989,421 (444); vgl. auch Kloepfer, Umweltrecht, § 6 Rn. 107. 92 Zum gerichtlichen Verfahren nach amerikanischem Recht vgl. Goerlich, Grundrechte als Verfahrensgarantien, S. 31 ff.; Vollkommer, in: Gedächtnisschrift Bruns, S. 195 (206 ff.) m. w. N.; zum atomrechtlichen Genehmigungsverfahren: Mahlmann, in: Lukes / Vollmer / Mahlmann, Grundprobleme zum atomrechtlichen Genehmigungsverfahren, S. 67 (154 ff.). 93 Brohm, DVBl. 1990,321 (325); Hoffmann-Riem, Konfliktrnittler, S. 19. 94 Holznagel, Die Verwaltung 1989,421 (441). 95 Brohm, DVBl. 1990, 321 (322); zur Einbindung neuer Konzepte in das Verfahren Holznagel, DVBI. 1989, 1080 (1086) m. w. N. Eine entsprechende Gesetzesänderung sieht jedoch der Entwurf eines UGB-AT in § 54 Abs. 4 nun vor; Kloepfer / Kunig / Rehbinder / Schmidt-Aßmann, DVBl. 1991, 339 (342). 96 Für die Erprobung neuer Modelle Hoffmann-Riem, Konfliktrnittler, S. 34 ff.; so auch Schenkel, in: Hoppe / Appold, Umweltschutz in der Raumplanung, S. 132 (150). 97 So Würtenberger, NJW 1991,257 (262). 98 Dazu oben 2. Kap. C. III. 1.

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4. Kap.: C. Weitere Ansatzpunkte für eine Verfahrenseffektuierung

In diesem Zusammenhang ist im jüngeren Schrifttum angeregt worden, das Verwaltungsverfahren ebenfalls nach amerikanischem Vorbild 99 als kontradiktorisches bzw. gerichtsähnliches 100 Verfahren auszugestalten, das schon äußerlich dem Eindruck entgegenwirkt, Behörde und Vorhabenträger stünden auf derselben Seite. Doch auch hiergegen richten sich wegen der unterschiedlichen rechtlichen Traditionen Bedenken. So schließt ein kontradiktorisches Verfahren nach zivilprozessualern Vorbild vor einem neutralen Richter bzw. hier der Verwaltungsbehörde grundsätzlich eine Sachverhaltsermittlung von Amts wegen aus. 101 Diese wiederum ist vor dem Hintergrund des Fairneßgebots im deutschen Verwaltungsund verwaltungsgerichtlichen Verfahren so sehr verwurzelt, daß ein Verzicht hierauf nicht denkbar erscheint.

6. Einführung einer materiellen Präklusion Da die Präklusionswirkung nach § 73 Abs.6 VwVfG nur formell wirkt, ist zur Verhinderung bewußter Verzögerungs taktiken an die Einführung einer sog. materiellen Präklusionsregelung zu denken. 102 Die rechtspolitische Tendenz weist offensichtlich in diese Richtung, wie die jüngste Änderung des BFStrG zeigt. 103 Die bisherigen Ausführungen haben allerdings ergeben, daß sich die Präklusionswirkung im Planfeststellungsverfahren ohnehin schon zu einer Quasi-Präklusionswirkung entwickelt hat. 104 So ist die Behörde zwar durch das Abwägungsgebot verpflichtet, alle nach Lage der Dinge relevanten Umstände zu berücksichtigen, so daß der Planfeststellungsbeschluß fehlerhaft ist, wenn sie Belange übersieht, die sie hätte einbeziehen müssen - insoweit ist der Amtsermittlungsgrundsatz zu beachten. 105 Aber hinsichtlich fernliegender Gesichtspunkte, die sich ihr nicht aufdrängen mußten und die auch nicht von einem Einwender vorgebracht worden sind, ist ein solcher Abwägungsfehler ausgeschlossen. Die Einführung einer materiellen Präklusionsregelung würde die Behörde von den objektiv-rechtlichen Bindungen nicht freistellen, und im Hinblick auf entlegenere Gesichtspunkte ist ohnehin eine der materiellen Präklusion annähernd vergleichbare Situation entstanden. 106

Dazu ausführlich Holznagel, OVBI. 1989, 1080 ff. Hösel / von Lersner, § 7 AbfG Rn. 5. 10\ Vgl. Holznagel, OVBI. 1989, 1080 (1083). 102 Haupt, Ausschlußfristen in Einwendungsverfahren, S. 179; kritisch gegenüber der materiellen Präklusion Erbguth, Rechtssystematische Grundfragen, S. 272 ff. 103 § 17 Abs.5 BFStrG; dazu BR-Drs. 510 / 88, S. 30 f. 104 Vgl. 2. Kap. C. III. 5. b). 105 Die materiellrechtliche Präklusion ist deshalb kein Allheilmittel; Broß, OVBI. 1991, 177 (185). 106 Kern, DöV 1989,932 (934). 99

100

III. Ansatzpunkte im verwaltungsgerichtlichen Verfahren

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Von daher verspricht die Regelung einer materiellen Präklusion im Verwaltungsverfahren keine wesentlichen Veränderungen. 107 Sie würde allerdings zu einer größeren Klarheit der gesetzlichen Bestimmungen beitragen.

III. Ansatzpunkte im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Schließlich stellt sich die Frage danach, wie das Verwaltungsprozeßrecht so gestaltet werden kann, daß die Sachentscheidung nicht nur umfassend, sondern - entsprechend der verfassungsrechtlichen Forderung nach einem effektiven Rechtsschutz - auch rasch ergeht.

1. Verkürzung des Instanzenzugs Der Instanzenzug in Streitigkeiten um die Planfeststellung von Abfallentsorgungsanlagen ist schon seit einiger Zeit durch das EntlG reduziert worden, so daß für Klagen nur noch eine Tatsacheninstanz beim OVG sowie das BVerwG als Revisionsinstanz zur Verfügung stehen. lOS Durch das 4. VwGOÄndG 109 wurde diese Regelung nun endgültig als § 48 Abs. 1 S. 1 Nr.5 VwGO in das Verwaltungsprozeßrecht integriert,IIO da sie sich nach der Auffassung nicht nur des Gesetzgebers in der gerichtlichen Praxis bewährt hatte. III Bedenken gegen dieses Vorhaben sind nur vereinzelt ersichtlich. Kopp befürchtet, daß mit dem Verzicht auf eine zweite Tatsacheninstanz die Möglichkeit entfallt, Versäumtes nachzuholen, wenn erst anband des erstinstanzlichen Urteils deutlich wird, worauf es letztendlich ankommt. 112 Andererseits aber sprechen neben dem Beschleunigungsgedanken noch weitere Gründe für eine Konzentration der gerichtlichen Zuständigkeit bei dem OVG. Dadurch wird nämlich erreicht, daß die dort tätigen Richter häufiger mit umweltrechtlich relevanten Fragen befaßt werden und sich auf diese Weise zwangsläufig ein gewisses Maß an technischem Sachverstand aneignen. 113 Dies entspricht zwar nicht der bisweilen erhobenen Forderung nach dem sachverständigen Richter oder dem Sachverständigen auf der Richterbank, 114 kommt ihr aber doch erheblich entgegen. 115 Eine technische Vorbildung der 107 In diesem Sinne auch schon der Regierungsentwurf zum VwVfG; BT-Drs. 7/ 910, S. 88. lOS Weder Art. 19 Abs. 4 GO noch das Rechtsstaatsprinzip gewährleisten einen Instanzenzug; BVerfGE 49, 329 (340); vgl. auch Kloepfer, VerwArch 77 (1986), 30 (32). 109 Vom 17.12.1990, BGBl. I S. 2809 ff. 110 BR-Drs. 135/90, S. 2 und 63 f. III BR-Drs. 135/90, S. 53; Schmieszek, vr 1990, 149 (150). 112 Kopp, NJW 1991,521 (523). 113 Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 8. 114 Hierzu Sendler, NJW 1986,2907 (2910 ff.). 115 Dazu auch GFE-Arbeitskreis Rechtsprechung, NJW 1990, 1834 (1837).

18 Klein.elmittger

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4. Kap.: C. Weitere Ansatzpunkte für eine Verfahrenseffektuierung

Richter, die diese in den Stand setzen würde, ohne externe Gutachten entscheiden zu können, ist angesichts der Bandbreite möglicher Fragestellungen ohnehin nicht denkbar. 116

2. Vereinfachungsvorschriften nach dem Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung und dem 4. VwGOÄndG Der Entwurf für eine umfassende Reformierung des Verwaltungsprozeßrechts 117 sah eine Reihe von Maßnahmen zur Straffung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vor allem bei einer großen Zahl von Beteiligten vor. Nachdem sich herausgestellt hatte, daß sich dieser Entwurf in absehbarer Zeit nicht realisieren lassen würde, hat die Bundesregierung gegen Ende der 11. Wahlperiode einen Vorschlag zu einer Änderung der VwGO eingebracht, in die die wesentlichen Anregungen für eine Bewältigung der sog. Massenverfahren aufgenommen wurden. Der Entwurf konnte in unveränderter Form noch vor Ende der Legislaturperiode verabschiedet werden. 118 Im einzelnen handelt es sich dabei um die Möglichkeit der Zurückweisung verspäteten Vorbringens gemäß § 87b als vorbeugendes Beschleunigungsinstrument 119 und um Sondervorschriften für Massenverfahren mit mindestens fünfzig Beteiligten; dazu zählen die Durchführung von Musterprozessen (§ 93a), die Bestellung gemeinsamer Vertreter (§ 67a) und Vereinfachungen bei Zustellungen (§ 56a) sowie der Beiladung (§ 65 Abs. 3). Insgesamt sind dies überwiegend wünschenswerte Neuerungen, die schon anläßlich der ersten Initiative zur Schaffung einer Verwaltungsprozeßordnung diskutiert worden sind. 120 Überwiegend dienen sie der verwaltungstechnischen Vereinfachung; grundlegend neue Anstöße sind einzig von der Durchführung von Musterverfahren zu erwarten, 121 die aber auch schon zuvor durchgeführt werden konnten. Dabei wird bei einer Vielzahl gleichgelagerter Klagen nur eine geringe Anzahl ausgewählt, wobei allerdings keine Rechtskrafterstreckung hinsichtlich der ausgesetzten Verfahren erfolgt. Über die zurückgestellten Verfahren wird ohne mündliche Verhandlung 122 durch Beschluß entschieden, sobald die Muster116 Mahlmann, in: Lukes / Vollmer / Mahlmann, Grundprobleme zum atomrechtlichen Genehmigungsverfahren, S. 67 (155). 117 BT-Drs. 10 /3437; zu den Gründen für das Scheitern des Entwurfs Ule, DVBl. 1991, 509 f. 118 Gesetz zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, 4. VwGOÄndG, vom 17.12.1990, BGBl. I S. 2809 ff. 119 Schmieszek, vr 1990, 149 (151); kritisch Kopp, NJW 1991,521 (524), wegen des öffentlichen Interesses an einer sachlich richtigen Entscheidung im Verwaltungsprozeß. 120 Kritisch zu einer zwangsweisen Kollektivierung des Individualrechtsschutzes durch die Bestellung gemeinsamer Vertreter: Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG, Art. 19 IV Rn. 266. 121 Dazu BVerfGE 54, 39: Auswahl von Musterverfahren ist verfassungsrechtlich unbedenklich (Flughafen München 11). 122 Kloepfer, VerwAreh 77 (1986),30 (37).

III. Ansatzpunkte im verwaltungsgerichtlichen Verfahren

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prozesse abgeschlossen sind (§ 93 a Abs. 2). Eine Beschleunigung des Verfahrens wird dadurch in erster Linie dann erreicht, wenn die Musterklage abgewiesen wird l23 und das Gericht in den übrigen Verfahren keine wesentlichen Besonderheiten gegenüber dem Musterverfahren feststellt. Es steht allerdings zu vermuten, daß die betroffenen Kläger es häufig erst gar nicht zu dieser Entscheidung kommen lassen und statt dessen den für sie kostengünstigeren Weg der Klagerück nahme wählen. Unter diesem Aspekt wird indessen deutlich, daß die Kostenverteilung im Verhältnis der Kläger zueinander einer Regelung bedürfte, soll den vom Gericht ausgewählten Musterkläger nicht ein unverhältnismäßiges Risiko treffen. 124

3. Änderung des § 44a VwGO Wie sich gezeigt, kommt der Rechtmäßigkeit der Verfahrensgestaltung im Planfeststellungsverfahren eine erhöhte Bedeutung zu, da der Planfeststellungsbeschluß einer vollständigen inhaltlichen Kontrolle nicht zugänglich ist. Als mißlich wird deshalb bisweilen empfunden, daß eine Kontrolle von Verfahrensfehlern wegen § 44a VwGO regelmäßig erst im Rahmen des Rechtsschutzes gegen die abschließende Entscheidung erfolgt. Dies kann auch dazu führen, daß ein beachtlicher Fehler in einem frühen Verfahrensstadium während des gesamten Verfahrens unerkannt bleibt und erst nach Jahren zu einer vollständigen Wiederholung des Verfahrens zwingt. 125 Fraglich ist aber, wie eine Alternativlösung aussehen könnte. Denkbar wären sowohl eine mitlaufende, gerichtliche Verfahrenskontrolle als auch die Möglichkeit der Vorlage einzelner Fragen durch die Behörde an das zuständige Gericht. Beide Varianten sind hingegen dem Vorwurf ausgesetzt, daß dadurch ein Distanzverlust zwischen Verwaltungsverfahren und gerichtlicher Kontrolle verursacht würde. 126 So könnte einerseits eine bedenkliche Verfahrensherrschaft der Gerichte eintreten; andererseits besteht die Gefahr, daß ein Gericht, das schon während des Planfeststellungsverfahrens des öfteren mit der Sache befaßt worden ist, schließlich keine unparteiische und unvoreingenommene Entscheidung mehr fällen kann. Unter dem Aspekt der Gewaltenteilung ist ein solches"Verantwortungsgemenge" 127 bedenklich. Zudem bietet eine mitlaufende Verfahrenskontrolle auch eine nicht unbeachtliche Mißbrauchsmöglichkeit im Hinblick auf eine Verzögerungstaktik. Nach alledem erscheint eine vollständige Aufhebung des § 44a VwGO nicht angeraten; Ausnahmen für bestimmte, genau abgegrenzte Verfahrensfehler könnten jedoch erwogen werden. Ronellenfitsch, in: Blümel, Teilbarkeit von Planungsentscheidungen, S. 37 (56). Schmieszek, vr 1990, 149 (151). 125 Kritisch auch Breuer, in: Festschrift für Sendler, S. 357 (363 f.) (,juristische Zeitbombe"). 126 Kloepfer, VerwArch 77 (1986), 30 (35). 127 Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 34. 123

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1S·

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4. Kap.: C. Weitere Ansatzpunkte für eine Verfahrenseffektuierung

4. Objektive Rechtskontrolle im Umweltschutzrecht, insbesondere durch Einführung der Verbandsklage Mit einer gewissen Beständigkeit taucht in der rechtspolitischen Diskussion die Forderung nach einer umfassenden Einführung der Verbandsklage auf. Hintergrund dieses Gedankens ist der Umstand, daß das individualrechtsbezogene Rechtsschutzsystem es nicht erlaubt, einen Planfeststellungsbeschluß wegen der Verletzung öffentlicher Interessen anzufechten, was vielfach als unbefriedigend angesehen wird, zumal gerade im Umweltschutzrecht öffentliche und private Interessen nicht immer eindeutig voneinander abgrenzbar sind. 128 Gerade im Naturschutzrecht wird ein besonderes Rechtsschutzdefizit konstatiert, da hier grundsätzlich keine die Klagebefugnis eines privaten Dritten begründenden individualschützenden Normen in Betracht kommen. Die vom Bürger als positiv empfundenen Folgen naturschutzrechtlicher Regelungen ergeben sich lediglich aus einem bloßen Rechtsreflex. 129 Die Verbandsklage wird insofern als Mittel zur Erreichung einer an objektiven Maßstäben orientierten Rechtskontrolle angesehen. 130 Zugleich ist sie aber auch vor dem Hintergrund der partizipatorischen Bestrebungen der 60er Jahre und der Forderung nach einer partizipativen Demokratie zu sehen. 131 Im Hinblick auf die Fragestellung dieser Arbeit wird die Verbandsklage als Möglichkeit zur Konzentration oder Kanalisierung des Rechtsschutzes interessant. Stünde nämlich den in der Umweltpolitik engagierten Verbänden ein eigenes Klagerecht zu, so könnte auf die massenhaften gleichförmigen Einwendungen Hunderter von Anwohnern verzichtet werden, die häufig sogar von der dahinterstehenden Initiative vorformuliert sind. Zu vermerken bleibt allerdings schon an dieser Stelle, daß mit der nunmehr auch in § 93 a VwGO ausgesprochenen Möglichkeit zur Durchführung von Musterverfahren dieser Vorteil der Verbandsklage wesentlich an Relevanz verloren hat. Die Diskussion um die Verbandsklage währt mittlerweile fast zwei Jahrzehnte, 132 so daß dazu fast alles Wichtige gesagt worden ist, ohne daß sich bislang eine Mehrheit für die umfassende Etablierung einer Verbandsklage gefunden hätte. Der Bundesgesetzgeber hat sich mit § 29 BNatSchG lediglich für eine Verbandsbeteiligung in bestimmten Verfahren mit naturschutzrechtlichem Bezug entschieden; die landesrechtliche Normierung einer Verbandsklagebefugnis ist Ladeur, NuR 1989,66 (71). Schomerus, NuR 1989, 171. 130 Gassner, Treuhandklage, S. 18 f.; Rehbinder / Burgbacher / Knieper, BÜfgerklage, S. 24 ff. 131 So etwa Rehbinder / Burgbacher / Knieper, BÜfgerkiage, S. 125; dazu Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rn. 68. 132 Ausführlich Burmeister, in: Burmeister / Ossenbühl / Friauf / Papier, Rechtsfragen des Genehmigungsverfahrens, S. 7 ff.; vgl. auch Rehbinder / Burgbacher / Knieper, BÜfgerklage, S. 107 ff. 128

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III. Ansatzpunkte im verwaltungsgerichtlichen Verfahren

277

dadurch indessen nicht ausgeschlossen. 133 Auf dieser Grundlage haben die Länder Bremen 134, Hessen 135, Hamburg 136 und Berlin 137 die nach § 29 BNatSchG zu beteiligenden Verbände mit einem eigenen Klagerecht ausgestattet. Inzwischen liegen erste Erfahrungen darüber vor, ob sich die mit der Einführung der Verbandsklage verbundenen Befürchtungen realisiert haben. Diese Frage ist grundsätzlich zu verneinen; es hat sich gezeigt, daß in diesen Ländern kein erheblicher Anstieg der Anzahl von Rechtsschutzverfahren zu verzeichnen ist. Statt dessen wird vielmehr von seiten der Verwaltungsgerichte hervorgehoben, daß eine erfreulich sachliche Zusammenarbeit mit den durchweg kompetenten Verbandsvertretern möglich ist. 138 Es bleibt allerdings einzuräumen, daß die in den genannten Ländern bestehenden Verbandsklagemöglichkeiten auf einen recht engen Anwendungsbereich beschränkt sind. So ist das Naturschutzrecht - wie schon gesagt - typischerweise ein Rechtsgebiet, das kaum drittschützende Normen enthält. Dies hat zur Folge, daß die Verbandsklage nur über ein sehr enges Aktionsfeld verfügt und deshalb kaum eine praktische Bedeutung erlangt hat. 139 Eine dem Naturschutzrecht vergleichbare Situation stellt sich im Hinblick auf die als Fortentwicklung des Umweltschutzes eingeführte UVP, die aber ebensowenig dem einzelnen eine gerichtliche Kontrollmöglichkeit eröffnet. 140 Der Grund für die Forderung nach einer Einführung der Verbandsklage liegt nach alledem darin begründet, daß vor allem im Bereich des Umweltrechts eine Diskrepanz besteht zwischen den objektiv-rechtlichen Anforderungen an die Errichtung technischer Großvorhaben und dem, was ein Kläger als subjektiv-rechtliche Gewährleistung geltend machen kann. Hinzu kommt, daß die dem Individualschutzprinzip zugrundeliegende Vorstellung von der Unterscheidbarkeit öffentlicher und individueller Interessen wegen der in räumlicher und zeitlicher Hinsicht weitreichenden Auswirkungen derartiger Großvorhaben häufig einfach nicht mit der Realität übereinstimmt. 141 Wenn sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten keine Mehrheit für die Einführung einer Verbandsklage in das deutsche Recht gefunden hat, so liegt dies nicht zuletzt daran, daß es durchaus auch gewichtige Gegenargumente zu berücksichtigen gibt. So würde die Verbandsklage die am Ziel des Individualschutzes orientierte Konzeption des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes grundlegend verBVerwGE 78, 347 (349). § 44 brem.NatSchG. 135 § 36 hess.NatSchG. 136 § 41 hamb.NatSchG. 137 § 39a berl.NatSchG. 138 Neumeyer, UPR 1987,327 (328 ff.); ähnlich auch die Einschätzung nach Einführung der Verbandsklage in der Schweiz, vgl. Schwerdtner, VBIBW 1983,321 (323). 139 Neumeyer, UPR 1987, 327 (330). 140 Jarass, UVP bei Industrievorhaben, S. 108; Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 346. 141 So auch Ladeur, NuR 1989,66 (71). 133

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4. Kap.: C. Weitere Ansatzpunkte für eine Verfahrenseffektuierung

ändern. 142 Ob dies rechtlich überhaupt zulässig wäre, wird im Schrifttum bisweilen bezweifelt. 143 Allerdings ist diesen Bedenken zu entgegnen, daß zumindest die einfachgesetzliche Regelung des § 42 Abs. 2 VwGO durch eine ebenfalls einfachgesetzliche Regelung überwunden werden kann, wie es etwa ansatzweise schon bei § 47 VwGO der Fall ist, indem im Normenkontrollverfahren zwar die Antragsbefugnis an eine rechtliche, wirtschaftliche oder ideelle Betroffenheit gebunden ist, ansonsten aber eine objektive Rechtskontrolle und ein Urteilsspruch mit inter-omnes-Wirkung erfolgt. 144 Fraglich ist hingegen, ob nicht durch Art. 19 Abs. 4 GG eine Festlegung auf einen lediglich dem Individualschutz dienenden Rechtsschutz festgeschrieben worden ist, die jegliche Erweiterung der Klagebefugnis nicht zuläßt. 145 Indessen ist die Vorschrift nach ihrer Formulierung und ihrer systematischen Stellung im Grundgesetz als ein Grundrecht zu verstehen. Dies spricht dafür, daß der Sinn des Art. 19 Abs. 4 GG darin besteht, jedem, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt ist, ein Mindestmaß von gerichtlichem Schutz zu garantieren, nicht aber, die Rechtskontrolle auf eben diesen Fall zu beschränken. 146 Daher verbietet das GG eine derartige Erweiterung der Klagemöglichkeiten nach zutreffender Ansicht nicht. 147 Fraglich ist aber, ob nach Einführung einer Verbandsklage das System des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 80 und § 80a VwGO unverändert beibehalten werden könnte. 148 Denn das Grundprinzip der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und - was im Planfeststellungsrecht allein relevant ist - Anfechtungsklage gegenüber einem Verwaltungsakt mit belastender Drittwirkung beruht gerade auf der Überlegung, daß sich hier zwei prinzipiell gleichrangige Interessen gegenüberstehen, nämlich das Verwirklichungsinteresse des Vorhabenbetreibers und das Abwehrinteresse des möglicherweise in seinen Rechten betroffenen Dritten. Wenn aber nun die aufschiebende Wirkung und damit die vorläufige Verhinderung des Projekts auch im Falle einer Verbandsklage eintreten sollte, obwohl der Verband nicht die Verletzung eigener Rechte geltend machen kann, so besteht hier die berechtigte Befürchtung, daß es sich um einen Fehler in der gesetzgeberischen Abwägung handeln würde. 149 Der Kritik an dem Verbandsklagemodell ist darüber hinaus zuzugeben, daß es fraglich erscheint, auf welche Weise die Umweltschutzverbände, ohne etwa durch förmliche Beleihung - Träger staatlicher Aufgaben zu sein, stellverSchwerdtner, VBIBW 1983,321 (322). Vgl. z. B. Lässig, NuR 1989,97. 144 Siehe oben 2. Kap. B. 11. 2. a) ce) (1). 145 Kritisch Bunneister, in: Burmeister / Ossenbühl / Friauf / Papier, Rechtsfragen des Genehmigungsverfahrens, S. 7 (25). 146 So wörtlich BVerfGE 22, 106 (110). 147 Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG, Art. 19 IV Rn. 271. 148 Vgl. auch Schwerdtner, VBIBW 1983,321. 149 Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, 00, Art. 19 IV Rn. 271. 142 143

IV. Ausblick

279

tretend für nicht verbandlieh organisierte Einwendungsführer zur Wahrnehmung von Allgemeininteressen legitimiert sein sollten. 150 Eine derartige Legitimation ließe sich hingegen eher rechtfertigen, wenn man auch die alternativ vorgeschlagenen Modelle eines originären Klagerechts zugunsten eines Umweltbeauftragten, 151 eines Ombudsmanns 152 oder etwa eines Landesanwalts als Vertreters des öffentlichen Interesses i. S. d. §§ 35 bis 37 VwGO 153 in die Überlegungen mit einbezieht. 154 Denn diese Interessenvertreter könnten durch die (Landes-) Regierung und damit eine letztlich demokratisch legitimierte Stelle ernannt werden. Diese Form des Auswahlverfahrens birgt allerdings auch wiederum die Gefahr in sich, daß der Beauftragte, Ombudsmann oder Landesanwalt für die betroffenen Bürger als ein weiterer Gegner von staatlicher bzw. behördlicher Seite erscheint. 155 Diese Befürchtung wird zusätzlich verstärkt, wenn der Regierung - wie es in Bayern der Fall ist 156 - die gesetzliche Möglichkeit offensteht, dem Landesanwalt Weisungen zu erteilen. Diesem Problem könnte man ausweichen, indem die jeweiligen Amtsinhaber in einem dem Richterwahlverfahren entsprechenden Verfahren auswählt werden. Um die Unabhängigkeit auch in der praktischen Arbeit zu gewährleisten, wäre es des weiteren erforderlich, den Beauftragten mit bestimmten Informationsrechten und nicht zuletzt einem qualifizierten Mitarbeiterstab auszustatten. Auf diese Weise könnte eine Institutionalisierung der objektiv-rechtlichen Rechtsschutzvarianten erreicht werden, ohne daß das bestehende Rechtsschutzsystem von seiner im wesentlichen bewährten Tradition Abschied nehmen müßte.

IV. Ausblick Es gibt eine Vielzahl von Ansatzpunkten für Initiativen zur Verbesserung und Beschleunigung insbesondere abfallrechtlicher Planfeststellungsverfahren. Die vorliegende Untersuchung hat aber auch ergeben, daß es das Patentrezept zur Lösung der wahrhaft drängenden Probleme bislang nicht gibt und wohl auch nicht geben kann. Wie die abfallrechtliche Planfeststellung der Zukunft aussehen ISO Bunneister, in: Burmeister / Ossenbühl / Friauf / Papier, Rechtsfragen des Genehmigungsverfahrens, S. 7 (14); Neumeyer, UPR 1987,327 (332). 151 Vgl. Burmeister, in: Burmeister / Ossenbühl / Friauf / Papier, Rechtsfragen des Genehmigungsverfahrens, S. 7 (36). 152 Schomerus, NuR 1989, 171 (175) mit Nachweisen zu Vorbildern ausländischer Rechtskreise. 153 Zum Landesanwalt nach bayerischem Recht: Bauer, NuR 1989,255 ff. Nach der VwGO kann der Völ sich bislang jedoch nur in bereits anhängige Verfahren einschalten. 154 Vgl. auch Schwerdtner, VBlBW 1983, 321 (323). 155 Kopp, DVBl. 1982,277 (284); Schomerus, NuR 1989, 171 (173). 156 Dazu Bauer, NuR 1987,255 (257), allerdings mit dem Hinweis, daß die Regierung davon keinen Gebrauch macht.

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4. Kap.: C. Weitere Ansatzpunkte für eine Verfahrenseffektuierung

wird, wenn sie denn eine solche noch hat, wird daher vorwiegend davon abhängen, für welche der vorgestellten Verfahrensvarianten sich ein politischer Konsens finden läßt. Gewarnt sei indessen an dieser Stelle vor einer allzu hektischen Gesetzgebungseuphorie, die nicht nur zu unausgegorenen legislativen Schnellschüssen, sondern auch dazu führen kann, daß die ohnehin schon allzu komplizierte und undurchsichtige Rechtsmaterie selbst für die betroffenen Behörden und Antragsteller schlechthin nicht mehr zu überblicken ist. Schließlich trägt nicht zuletzt der Grad, in dem die Rechtsanwender mit einer gesetzlichen Regelung vertraut und an sie gewöhnt sind, erheblich zu einer zügigen Handhabung bei. 157

157

Vgl. auch Broß, DVBl. 1991, 177 (181).

Zusammenfassung 1. Kapitel: Problemstellung Die vorhandenen Abfallentsorgungsanlagen reichen schon jetzt kaum aus, um für die nächste Zukunft die Bewältigung der auch trotz intensiver Bemühungen um eine Abfallvermeidung weiterhin entstehenden Müllberge zu gewährleisten. Die Planungsdauer für die Errichtung neuer Abfalldeponien und Verbrennungsanlagen hat derartige Ausmaße erreicht, daß diese Vorhaben inzwischen als praktisch kaum noch realisierbar gelten. Es stellt sich daher die Frage, wie das abfallrechtliche Planfeststellungsverfahren ohne wesentliche Rechtsschutzverkürzungen gestrafft werden kann.

2. Kapitel: Das gesetzliche Grundmodell der abfallrechtlichen Planfeststellung Die materiell-rechtlichen Grundlagen der abfallrechtlichen Planfeststellung ergeben sich aus § 7 AbfG (Anordnung der Planfeststellung für die Zulassung von ortsfesten Abfallentsorgungsanlagen), § 4 AbfG (Anlagenzwang und Begriff der Abfallentsorgungsanlage), § 1 AbfG (Abfallbegriff) und § 8 AbfG (Zulassungsvoraussetzungen). Eine Regelungslücke besteht hinsichtlich der Zulassung mobiler Anlagen, sofern diese nicht nach Maßgabe des BImSchG genehmigungsbedürftig sind. Die Anbindung des Planfeststellungsverfahrens an die von den Bundesländern vorzunehmende Abfallentsorgungsplanung (§ 6 AbfG) durch § 8 Abs. 3 S. 1 AbfG hat sich - entgegen der ursprünglichen Zielsetzung - eher als Hemmschuh für die zügige Durchführung des Zulassungsverfahrens denn als Mittel zur Standortsicherung im Interesse einer fortschrittlichen, abfallwirtschaftlichen Planung erwiesen. Ein Grund dafür ist nicht zuletzt, daß die Bundesländer ihrer Pflicht zur Aufstellung von Abfallentsorgungsplänen nur zögerlich nachgekommen sind und zudem diese Pläne selten für verbindlich erklären. Durch § 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AbfG ist die abfallrechtliche Planfeststellung an der Verwirklichung des Allgemeinwohls orientiert. Bei den in § 2 Abs. 1 S.2 AbfG beispielhaft aufgezählten Allgemeinwohlbelangen handelt es sich nicht um strikte gesetzliche Vorgaben, sondern um bloße Abwägungsbelange, die ggfs.

282

Zusammenfassung

im Rahmen der planerischen Abwägung mit entgegenstehenden Interessen zurückstehen müssen. Drittschutz wird im abfallrechtlichen Zulassungsverfahren vornehmlich nach

§ 8 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AbfG gewährt. Die im Gesetz angelegte Unterscheidung

zwischen privat- und gemeinnützigen Planfeststellungen ist durch die neuere Rechtsprechung des BVerwG indes weitestgehend hinfallig geworden: Abfallentsorgungsanlagen sind in aller Regel gemeinnützig, unabhängig davon, wer die Anlage betreibt. Die Hinzufügung von Nebenbestimmungen zum Planfeststellungsbeschluß ist in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht von erheblicher Bedeutung. Die zuständige Behörde hat es vielfach in der Hand, eine geplante Anlage durch den Erlaß von Schutzauflagen erst zulassungsfahig zu machen. Schwierigkeiten bereitet die Abgrenzung von isoliert anfechtbaren Auflagen und solchen Auflagen, die für die Ausgewogenheit der planerischen Abwägung maßgeblich sind und deshalb nach der Rechtsprechung nur zusammen mit dem Planfeststellungsbeschluß angefochten werden können. Wegen der formellen Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses gemäß § 75 Abs. I VwVfG (des Landes) sind neben den spezifisch abfallrechtlichen Vorgaben auch die materiell-rechtlichen Anforderungen hinsichtlich aller eingeschlossenen Genehmigungen, insbesondere des Immissionsschutzrechts, strikt zu beachten. Eine dem Planfeststellungsverfahren vorgeschaltete Lizenzpflicht für den Anlagenbetreiber nach Maßgabe des nw.LAbfG begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Entscheidung über die Erteilung der Planfeststellung ist keine Ermessensentscheidung, sondern Ausübung planerischer Gestaltungsfreiheit. Deren rechtliche Grenzen ergeben sich aus dem rechtsstaatlichen Abwägungsgebot als besonderer Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Mögliche Abwägungsfehler sind Abwägungsausfall, Abwägungsdefizit bzw. -überschuß sowie Abwägungsdisproportionalität. Durch die planerische Abwägung können entgegenstehende Rechte Dritter überwunden werden; soweit dies der Fall ist, entfaltet das Abwägungsgebot drittschützende Wirkung im Sinne der Schutznormlehre. Antragsteller im abfallrechtlichen Planfeststellungsverfahren kann ein Privater oder die öffentliche Hand sein. Ein subjektives Recht auf Zulassung einer geplanten Anlage besteht nicht; es verbleibt nur ein formelles Recht auf fehlerfreie Ausübung der planerischen Gestaltungsfreiheit. Der verfahrenstechnische Ablauf des abfallrechtlichen Planfeststellungsverfahrens ist in den §§ 72 ff. des jeweiligen VwVfG des Landes geregelt. Durch die

Zusammenfassung

283

Einführung zusätzlicher abfallrechtlicher Spezialvorschriften im Zuge der deutschen Wiedervereinigung ist das Planfeststellungsverfahren insbesondere für Projekte auf dem Gebiet der fünf neuen Länder und im Hinblick auf das Einwendungsverfahren modifiziert worden. Zu beachten sind des weiteren die verfahrensrechtlichen Vorgaben des UVPG. Für Klagen wegen abfallrechtlicher Planfeststellungsbeschlüsse ist das örtliche OVG (bzw. der VGH) zuständig. Das praktische Schwergewicht liegt - wie auch bei Klagen gegen andere technische Großvorhaben - auf dem vorläufigen Rechtsschutz.

3. Kapitel: Gesetzlich vorgesehene Vereinfachungs- und Beschleunigungsmöglichkeiten Vorschriften über Vereinfachungs- und Beschleunigungsmöglichkeiten finden sich im AbfG, im VwVfG und in der VwGO. Die jüngst erfolgte Zulassung der Abfallentsorgung in Industrieanlagen (§ 4 Abs. 1 S. 2 AbfG) stellt eine Durchbrechung des abfallrechtlichen Anlagenzwangs dar; die materiell-rechtlichen Anforderungen an die technische Sicherheit haben sich durch die Gesetzesnovelle aber nicht geändert. Die Entsorgung in derartigen Anlagen bedarf einer förmlichen Änderungsgenehmigung nach § 15 i. V. m. § 10 BImSehG. Die Ausnahmezulassungen nach § 4 Abs. 2 und Abs. 4 AbfG sind weitestgehend ohne praktische Bedeutung; lediglich im Hinblick auf die Zulassung mobiler Entsorgungsanlagen wird § 4 Abs. 2 AbfG angewendet, solange der Gesetzgeber diese Lücke im abfallrechtlichen Anlagenzulassungsrecht nicht geschlossen hat. Der Erlaß einer abfallrechtlichen Genehmigung kann vor allem bei der vereinfachten Zulassung von Versuchsanlagen zu einer spürbaren Beschleunigung führen. Da die abfallrechtliche Genehmigung anders als der Planfeststellungsbeschluß keine Konzentrationswirkung entfaltet, wird im übrigen jedoch zumeist ein förmliches Genehmigungsverfahren nach dem BImSchG erforderlich sein. Von großer Bedeutung ist die Möglichkeit der Zulassung des vorzeitigen Beginns nach § 7a AbfG. Allerdings trägt der Antragsteller das Risiko, im Falle einer Versagung der Planfeststellung den früheren Zustand wiederherstellen zu müssen. § 74 Abs.3 VwVfG erlaubt, den Planfeststellungsbeschluß unter Vorbehalt einer abschließenden Entscheidung zu erlassen. Dadurch wird nicht eine Stufung nach dem Vorbild von Vorbescheid und Teilgenehmigung ermöglicht; vorbehalten werden dürfen lediglich solche Entscheidungsbestandteile, die für die planerische Abwägung nicht mehr von maßgeblicher Bedeutung sind.

284

Zusammenfassung

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Nr.4 VwGO zieht regelmäßig das Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nach sich.

4. Kapitel: Wege zu einer beschleunigten Vorhabenzulassung Im Interesse einer Verbesserung der Verfahrensstrukturierung wird im Zusammenhang mit der besonderen Problematik des abfallrechtlichen Planfeststellungsverfahrens die Zulässigkeit einer Verfahrensstufung diskutiert. Der Erlaß von Vorbescheiden und Teilgenehmigungen ist nach allgemeinem Verwaltungverfahrensrecht aufgrund von § 10 VwVfG auch ohne ausdrückliche Ermächtigung zulässig. In den hierfür in Betracht kommenden Gesetzesmaterien finden sich nunmehr entsprechende normative Regelungen (BImSchG, AtG, LBauO). Der Erlaß eines abfallrechtlichen Vorbescheids oder einer Teil-Planfeststellung ist aber nur dann zulässig, wenn diese Form einer abgeschichteten Entscheidung mit den planungsspezifischen Besonderheiten der abfallrechtlichen Planfeststellung, insbesondere der Geltung des Abwägungsgebotes, vereinbar ist. Vor diesem Hintergrund ist eine umfassende Abwägung unter Einbeziehung aller involvierten Belange gefordert, die mit einer stufenweise Verengung der planerischen Gestaltungsfreiheit durch Verfestigung eines vorläufigen positiven Gesamturteils nicht vereinbar ist. Mit der Eigenart der planerischen Abwägung ist nur ein Vorbescheid vereinbar, da dieser noch nicht die Ausführung des Vorhabens erlaubt und damit auch keine vollendeten, die abschließende Entscheidung präjudizierenden Tatsachen schafft. Die Erteilung eines abfallrechtlichen Planfeststellungs-Vorbescheids bedürfte einer gesetzlichen Grundlage, die die notwendige Öffentlichkeitsbeteiligung sicherstellt und mit Blick auf den Rechtsschutz aller Betroffenen den Inhalt und die rechtliche Bedeutung des Vorbescheids definiert. Die Kompetenz für eine derartige Regelung steht in Ermangelung einer bundesrechtlichen Normierung dem Landesgesetzgeber zu. Neben dieser vertikalen Stufung bietet sich bei großräumigen Vorhaben ebenso wie im Straßenrecht seit langem praktiziert - die Möglichkeit einer horizontalen Stufung, d. h. einer abschnittsweisen Planfeststellung. Voraussetzung ist, daß es sich bei dem zugelassenen Abschnitt um eine für sich gesehen selbständige und funktionsfähige Anlage handelt. Einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf die abschnittsweise Planfeststellung nicht. Weitere Ansatzpunkte für eine Effektuierung des abfallrechtlichen Planfeststellungsverfahrens bieten sich in nahezu jedem Stadium des Verfahrens.

Zusammenfassung

285

Neben einer Verbesserung der Abfallentsorgungsplanung durch die dafür zuständigen Bundesländer ist auch die Vorabzulassung einzelner, häufig verwendeter Bauteile oder Baureihen, etwa im Rahmen der TA Abfall, zu erwägen. Nicht empfehlenswert scheint hingegen die Ersetzung des Planfeststellungsverfahrens durch ein Genehmigungsverfahren, da hierdurch angesichts der mittlerweile erreichten Komplexität des als Alternative in Betracht kommenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens keine nennenswerte Vereinfachung zu erwarten ist. Als kaum wirkungsvoll sind auch zeitliche Vorgaben für die Durchführung des Verfahrens anzusehen; denn es fehlt an einer mit den materiell-rechtlichen Anforderungen zu vereinbarenden Sanktionsmöglichkeit. Erforderlich, aber allenfalls langfristig wirksam erscheinen Konzepte zur Verbesserung der Akzeptanz vor Ort, insbesondere durch frühzeitige und offene Information. Im Hinblick auf die verwaltungsprozessuale Abwicklung abfallrechtlicher Streitigkeiten werden sich die lange diskutierten, bereits im Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung enthaltenen und jetzt durch das 4. VwGOÄndG Gesetz gewordenen Neuerungen der VwGO in der Praxis bewähren müssen. Wegen des vielfach gerügten Rechtsschutzdefizits, insbesondere im Naturschutzrecht, sollte die Einführung einer objektiven Rechtskontrolle erwogen werden. Unter dem Gesichtspunkt der demokratischen Legitimation erscheint die Einrichtung eines (vom Parlament gewählten) Naturschutzbeauftragten gegenüber der Verbandsklage vorzugswÜfdig. Eine Patentlösung für eine durchgreifende Vereinfachung und Beschleunigung unter Beibehaltung der materiell-rechtlichen Anforderungen und des bisherigen Rechtsschutzstandards gibt es nicht.

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