123 22 11MB
German Pages 152 Year 1994
Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht
Band 22
Beschleunigung und Vereinfachung der Anlagenzulassungsverfahren Von
Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch
Duncker & Humblot · Berlin
MICHAEL RONELLENFITSCH
Beschleunigung und Vereinfachung der Anlagenzulassungsverfahren
Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht Herausgegeben von Wolfgang Graf
Vitzthum
in Gemeinschaft mit Martin Heckel, Ferdinand H a n s von M a n g o l d t , T h o m a s Günter Püttner, Michael
Oppermann
Ronellenfitsch
sämtlich in Tübingen
Band 22
Kirchhof
Beschleunigung und Vereinfachung der Anlagenzulassungsverfahren
Von Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch
Duncker & Humblot • Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ronellenfitsch, Michael: Beschleunigung und Vereinfachung der Anlagenzulassungsverfahren / von Michael Ronellenfitsch. - Berlin : Duncker und Humblot, 1994 (Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht ; Bd. 22) ISBN 3-428-07991-4 NE: GT
Alle Rechte vorbehalten © 1994 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: W. März, Tübingen Druck: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-6061 ISBN 3-428-07991-4
Herrn Prof. Dr. iur. Willi Blümel zum 65. Geburtstag am 6. Januar 1994
Vorwort Die vorliegende Untersuchung beruht auf einem im Frühjahr 1993 dem Staatsministerium Baden-Württemberg erstatteten Rechtsgutachten. Sie knüpft an frühere Überlegungen zur Beschleunigung des Fachplanungsrechts an, welches ich bei meinem verehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. Willi Blümel, gelernt habe. Ihm sei daher diese Schrift gewidmet. Tübingen, im Dezember 1993
Michael
Ronellenfitsch
Inhalt
Einführung I. Problemstellung
17 17
1. Reform des Anlagenzulassungsrechts
17
a) Verfassungsauftrag: Förderung des Wirtschaftswachstums
17
b) Reformbedürftigkeit des Anlagenzulassungsrechts
18
2. Reformvorhaben in Baden-Württemberg II. Vorgehensweise
18 19
1. Thematische Begrenzung
19
a) Exemplarische Darstellungsweise
19
b) Auswahl
20
c) Negativliste
20
2. Vorstudie
21
3. Gang der Darstellung
22 1. Abschnitt Grundlagen
I. Gegenwärtige Situation
23 23
1. Ausgangslage
23
2. Aktueller Stand
24
3. Befund
25
II. Notwendigkeit der Verfahrenbeschleunigung und -Vereinfachung
25
1. Verhältnis von Notwendigkeit und Möglichkeit
25
2. Maßstab für die Verfahrensgestaltung und -dauer
26
III. Schwachstellenanalyse
27
1. Daten
27
2. Gründe für einen unnötigen Verfahrensaufwand
27
10
Inhalt a) Verantwortungsbereich des Antragstellers
27
b) Verantwortungsbereich der Behörden
28
c) Prüfungsumfang
28
d) Verfahrensstruktur
29
e) Widerstand
29
IV. Folgerungen
30 2. Abschnitt
Überblick über das Planungs- und Anlagenzulassungsrecht I. Allgemeines
31 31
1. Maßgeblichkeit des Planungsrechts
31
2. Gesamtplanungsrecht
32
a) Grundlagen
32
b) Raumordnung und Landesplanung
32
c) Bauleitplanung
34
d) Anlagenplanung
34
3. Grundlagen des Fachplanungs- und Anlagenzulassungsrechts
34
a) Überblick
34
b) Eingriffsregelung
37
c) Umweltverträglichkeitsprüfung 4. Raumordnungsverfahren a) Grundlagen
40 43 43
b) Anwendungsbereich
44
c) Zuständigkeit und Verfahren
45
II. Abfallrechtliche Fachplanung
45
1. Überblick
45
2. Abfallentsorgungspläne
45
3. Planfeststellung
46
a) Allgemeines
46
b) Zuständigkeit und Verfahren
49
c) Entscheidung
51
4. Plangenehmigung
53
Inhalt
11
III. Immissionsschutzrechtliche Genehmigung
54
1. Überblick
54
2. Fachliche Entwicklungspläne
55
3. Genehmigung
55
a) Gegenstand und Voraussetzungen
55
b) Zuständigkeit und Verfahren
56
c) Entscheidung
58
IV. Gerichtliche Kontrolle
59
1. Problemstellung
59
2. Individualrechtsschutz
60
a) Konzeption der VwGO
60
b) Ausgestaltung
61
c) Mehrpolige Rechtsverhältnisse
62
3. Kontrolldichte
64
4. Vorläufiger Rechtsschutz
65
a) Allgemeines
65
b) Mehrpolige Rechtsverhältnisse
66
c) Rechtsbehelfe
67
V. Folgerungen
68
1. Komplexität des Planungs- und Anlagenzulassungsrechts
68
2. Gesamtplanung
68
3. Fachplanungs- und Anlagenzulassungsrecht
69
a) Parallelverfahren
69
b) Interessenausgleich
69
c) Eingriffsregelung
69
d) Umweltverträglichkeitsprüfung
70
e) Raumordnungsverfahren
70
4. Abfallrechtliche Fachplanung
70
a) Abfallentsorgungspläne
70
b) Übergangsphase
71
c) Planfeststellung
71
d) Plangenehmigung
71
12
Inhalt 5. Immissionsschutzrechtliche Genehmigung
72
a) Fachliche Entwicklungspläne
72
b) Genehmigungspflichtige Anlagen
72
c) Genehmigung
72
6. Rechtsschutz
72
3. Abschnitt Beschleunigungs- und Vereinfachungsmöglichkeiten de lege lata I. Grundlagen II. Aktuelle Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung und -Vereinfachung . 1. Verantwortungsbereich der Antragsteller und Vorhabenträger
74 74 75 75
a) Antragsberatung
75
b) Terminplanung und Baumaßnahmen
77
2. Verantwortungsbereich der Behörden
77
a) Allgemeines
77
b) Organisatorische Maßnahmen
78
aa) Gestufte Verfahren
78
bb) Parallele Genehmigungsverfahren
78
cc) Koordinierte Parallelprüfungen
79
dd) Projektmanagement
80
c) Sonstige Maßnahmen
82
aa) EDV
82
bb) Aus- und Weiterbildung
83
cc) Kontinuität
83
3. Prüfungsumfang
83
4. Verfahrensgestaltung
84
a) Standardisierung und Musterverfahren
84
b) Behördenbeteiligung
84
aa) Sachliche Reichweite
84
bb) Fristen
85
cc) Öffentlichkeitsbeteiligung
87
Inhalt
13
dd) Entscheidungsverfahren
88
5. Widerstand
89
a) Maßnahmen zur Akzeptanzverbesserung
89
b) Konfliktmittlung
91
III. Katalog der Regelfristen
95
1. Ausgangslage
95
2. Würdigung
95
a) Vorlaufphase b) Eingangsprüfung und Vorbereitung des Anhörungsverfahrens
95 ....
98
c) Anhörungsverfahren
99
d) Auswertungsphase
99
e) Erörterungstermin
100
f) Schlußentscheidung
100
3. Zusammenfassung
100
IV. Folgerungen
101
1. Ausgangslage
101
2. Erfolgsaussichten der Beschleunigungs- und Vereinfachungsmaßnahmen
102
a) Beratung
102
b) Verfahrensstufung
102
c) Projektmanagement
102
d) Behördenbeteiligung
103
e) Öffentlichkeitsbeteiligung
103
f) Entscheidungsverfahren
103
g) Akzeptanzverbesserung
104
3. Zuordnung zum Katalog der Regelfristen
104
a) Vorlaufphase b) Eingungsprüfung und Vorbereitung des AnhörungsVerfahrens
104 ....
104
c) Anhörungs verfahren
104
d) Auswertungsphase
105
e) Erörterungstermin
105
f) Schlußentscheidung
105
4. Notwendigkeit weiterer Maßnahmen
106
14
Inhalt 4.
Abschnitt
Beschleunigung;- und Vereinfachungsmöglichkeiten de lege ferenda I. Konzeption
107 107
1. Radikal Vorstellungen
107
2. Verfahrenszweck
107
3. Entscheidung und Verfahren
108
II. Allgemeine Maßnahmen
109
1. Gesetzesfolgenabschätzung
109
2. Gesetzliches Effizienz- und Beschleunigungspostulat
110
a) Allgemeines
110
b) Effizienz
111
c) Beschleunigungsgebot
112
d) Regelungsbedarf
112
III. Maßnahmen in den jeweiligen Verantwortungsbereichen
113
1. Verantwortungsbereich der Antragsteller und Vorhabenträger
113
2. Verantwortungsbereich der Behörden
113
a) Entscheidungsbehörden
113
b) Drittbehörden
114
aa) Sachliche Reichweite
114
bb) Fristen
114
cc) Vorschlag
115
3. Prüfungsumfang
116
a) Normative Vorgaben
116
b) Teilungsmöglichkeiten
116
c) Kontrolldichte
118
4. Verfahrensstruktur
118
a) Vereinfachte Verfahren
118
b) Verfahrensstufung
120
aa) Allgemeines
120
bb) Abfallrecht
122
cc) Immissionsschutzrecht
123
Inhalt c) Konkrete Verfahrensgestaltung
15 123
aa) Allgemeines
123
bb) Fristen
124
cc) Materielle Präklusion
125
5. Widerstand
127
6. Verwaltungsprozeß
127
a) Ausgangslage
127
b) Zuständigkeiten
128
c) Kontrolldichte
129
d) Klagebefugnis
131
e) Vorläufiger Rechtsschutz
131
Ergebnisse I. Zusammenfassung
133 133
II. Konkrete Vorschläge de lege ferenda
140
1. Verwaltungsverfahrensgesetz
140
2. Bundesimmissionsschutzgesetz
141
3. Abfallgesetz
141
4. Verwaltungsgerichtsordnung
141
Schrifttum
142
Einführung I. Problemstellung 1. Reform des Anlagenzulassungsrechts a) Verfassungsauftrag: Förderung des Wirtschaftswachstums Angesichts der Jahrhundertaufgaben der deutschen Wiedervereinigung und der europäischen Einigung befindet sich Deutschland in einer der größten Rezessionen der Nachkriegszeit. In dieser Situation sind philosophische Betrachtungen über die Grenzen des Wachstums zweitrangig. In erster Linie gilt es, zur Überwindung der Rezession beizutragen. Der vielberufene Standort Deutschland kann jedoch nur gesichert werden, wenn eine langanhaltende Phase wirtschaftlichen Wachstums eingeleitet wird. Diese Aussage gilt allgemein und speziell für den Standort Baden-Württemberg. Für die Staatsorgane in Bund und Ländern ist die Förderung des Wirtschaftswachstums zudem ein durch Art. 104a Abs. 4 und Art. 109 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich vorgegebenes Ziel der Konjunkturpolitik1. Wie dieses Ziel zu erreichen ist, schreibt das Grundgesetz zwar nicht näher vor; das Bundesverfassungsgericht spricht von einem „offenen Vorbehalt für die Aufnahme neuer gesicherter Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaften als zuständiger Fachdisziplin" 2 . Mit hochtrabenden Konzepten und Schlagworten ist es aber nicht getan. Zumindest sind die staatlichen Organe schon von Verfassungs wegen verpflichtet, unnötige konkrete Wachstumshemmnisse abzubauen und dadurch zugleich die Kosten für Investitionsvorhaben zu senken.
1
Das gleichzeitig mit der Ergänzung von Art. 109 GG erlassene Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8.6.1967 (BGBl. I S. 582) kann zwar das Verfassungsrecht nicht verbindlich interpretieren; vgl. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 109 Rdnr. 25. Es verdeutlicht aber, welche Vorstellungen sich der verfassungsändernde Gesetzgeber über die Aufgaben staatlicher Wirtschaftspolitik machte. Die Ziele des sog. magischen Vierecks sind folglich verfassungsrechtlich geboten, vgl. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts der Bundesrepublik Deutschland, in: HStr IV, § 87 Rdnr. 17. 2
BVerfGE 79, 311 (338).
2 Ronellenfitsch
18
Einführung
b) Reformbedürftigkeit des Anlagenzulassungsrechts Investitionsvorhaben erfordern regelmäßig neben einer entsprechenden Infrastruktur (namentlich im Verkehrsbereich) die Zulassung von Anlagen, wobei die Verbesserung der Infrastruktur ihrerseits zulassungsbedürftig ist. Die Zulassung von Investitions- und Infrastrukturvorhaben kann dann erst erfolgen, wenn komplizierte Zulassungsvoraussetzungen erfüllt sind, deren Vorliegen in aufwendigen, einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle unterliegenden Verwaltungsverfahren geprüft wird. Vor allem das Anlagenzulassungsrecht hat sich zu einem Investitions- und Wachstumshemmnis ersten Ranges entwickelt. Das Anlagenzulassungsrecht wird daher allgemein für reformbedürftig gehalten. Reformen sind konjunkturpolitisch unerläßlich und können von Verfassungs wegen geboten sein.
2. Reformvorhaben in Baden-Württemberg Die Landesregierung von Baden-Württemberg ist sich, wie das Reformvorhaben „Verwaltung 2000" zeigt, der Bedeutung und des Verfassungsauftrags zur Verwaltungsreform schon seit langem bewußt. Gefördert und koordiniert werden diese Reformen durch die beim Staatsministerium Baden-Württemberg eingerichtete Regierungskommission Verwaltungsreform. Die Regierungskommission hat bereits einen ersten Tätigkeitsbericht erstellt. Darin wird über die schon getroffenen und beabsichtigten Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung berichtet. - So entwickelte im Innenministerium die Stabsstelle für Verwaltungsstruktur, Information und Kommunikation ein idealtypisches Verfahren einschließlich flankierender Maßnahmen, die dem Zeitfaktor in der öffentlichen Verwaltung mehr Geltung verschaffen sollen. Ferner wurde in Anlehnung an ein Gutachten von Würtenberger der Entwurf einer Empfehlung zur Verbesserung der Akzeptanz von Verwaltungsentscheidungen vorgelegt. - Das Umweltministerium hat bereits mit Wirkung vom 1. Februar 1993 eine Verwaltungsvorschrift zur Beschleunigung von Zulassungsverfahren im Umweltbereich (VwV-Verfahrensbeschleunigung Umwelt) 3 als ersten Schritt zur Beschleunigung von umweltrechtlichen Zulassungsverfahren in Kraft gesetzt. Rechtsänderungen des Bundes- 4 und Landesrechts im Umweltbereich wurden schon vorgenommen oder sind auf dem Weg.
3
V o m 1.12.1992 (GABI. 1993 S. 15).
4
Hierzu unten III.2.
II. Vorgehensweise
19
-
Mit ähnlicher Stoßrichtung erging die Verwaltungsvorschrift des Verkehrsministeriums zur Beschleunigung von Planungen und Verfahren im Verkehrswegebau (VwV-Beschleunigung im Verkehrswegebau) vom 22. Juli 1993 5 . Auch hier wurden wesentliche Rechtsänderungen durchgeführt oder befinden sich im Gang 6 .
-
Das Wirtschaftsministerium bereitet eine Novelle der Landesbauordnung mit dem Ziel einer Vereinfachung und Beschleunigung der baurechtlichen Verfahren vor und hat den Entwurf einer Verwaltungsvorschrift über die Durchführung von Raumordnungsverfahren (VwV-ROV) erstellt.
Im Herbst 1992 beauftragte die Regierungskommission Verwaltungsreform Verfasser mit der Erstattung eines ergänzenden Rechtsgutachtens zur Konzeption der Reformvorhaben, wobei das Anlagenzulassungsrecht im Vordergrund stehen sollte.
II. Vorgehensweise 1. Thematische Begrenzung a) Exemplarische Darstellungsweise Anliegen des Gutachtens ist es, die gegenwärtigen Reformkonzeptionen zu hinterfragen und ihre Prämissen zu überprüfen. Auf dieser Grundlage kann sodann erörtert werden, ob die Reformvorstellungen entweder zu kurz greifen oder ob sie gar zu weit oder in die falsche Richtung gehen. Ohne die Diagnose müßten sich die im Gutachten ebenfalls enthaltenen Therapievorschläge auf die mehr oder weniger zufällige Addition von Beschleunigungs- und Vereinfachungsvorschlägen beschränken. Die im Rahmen des diagnostischen Teils zu beantwortenden Fragen lassen sich in einem doppelten Sinne exemplarisch an Hand des Anlagenzulassungsrechts darstellen: Zum einen kommt dem Anlagenzulassungsrecht idealtypische Bedeutung für die Ausgestaltung und Kontrolle von Verwaltungsverfahren zu, zum anderen weisen alle Anlagenzulassungsverfahren gemeinsame Strukturen auf. Reformen müssen in erster Linie darauf abzielen, strukturelle Mängel zu beheben. Deshalb ist es nicht nötig, alle Anlagenzulassungsverfahren einer kritischen Betrachtung zu unterziehen oder sämtliche Aspekte
5
GABI. 1993 S. 878. Vgl. unten III.2.b. S.a. Alexander, Verfahrensbeschleunigung auch im Landesbereich. Neue Straßenplanungs- und entschädigungsrechtliche Vorschriften in BadenWürttemberg, DAR 1993, 138 ff. 6
20
Einführung
der Zulassungsverfahren für bestimmte Anlagen erschöpfend zu würdigen. Methodisch ist es gerechtfertigt, nur die Zulassungsverfahren bestimmter Anlagen zu behandeln, sofern eine sinnvolle Auswahl getroffen wird.
b) Auswahl Für die Auswahl waren folgende Erwägungen ausschlaggebend: -
Da die VwV-Verfahrensbeschleunigung Umwelt bereits in Kraft getreten ist, bietet es sich an, die abfallrechtlichen und immissionsschutzrechtlichen Zulassungsverfahren einer näheren Betrachtung zu unterziehen. - Die meisten Reformvorstellungen knüpfen an Akzeptanzdefizite an. Auf Akzeptanzschwierigkeiten stoßen mittlerweile fast alle staatlichen und privaten Vorhaben. Am besten aufzeigen läßt sich die Problematik gleichwohl am Beispiel der besonders kontroversen Großvorhaben. Gegenstand der Untersuchung sind daher die Zulassungsverfahren und immissionsschutzrechtliche Großvorhaben.
für
abfall-
c) Negativliste Es gehört zum Wesen einer exemplarischen Untersuchung, daß sie Raum läßt für weitere Untersuchungen. -
So bleiben die baurechtlichen Gesichtspunkte mit Rücksicht auf soeben durchgeführte und unmittelbar bevorstehende normative Änderungen einer gesonderten späteren Untersuchung vorbehalten. - Vorerst nicht behandelt wird auch die Beschleunigung von Verkehrsprojekten. Zu dieser Thematik erstattete der Verf. im Frühjahr 1991 der Deutschen Straßenliga, dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, dem Verband der Automobilindustrie sowie dem Verkehrsforum Bahn ein Rechtsgutachten 7 , das nicht ohne Einfluß auf die Ausgestaltung des Gesetzes zur Beschleunigung der Planungen für Verkehrswege in den neuen Ländern sowie im Land Berlin (Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz) vom 16. Dezember 1991 (BGBl. I S. 2174) blieb. Dieses Gesetz hatte von vornherein Modellcharakter für die Verkehrswegeplanung in Deutschland insgesamt 8 . Es
7
Ronellenfltsch, Beschleunigung von Verkehrsprojekten, 1991.
8
Vgl. Ronellenfitsch, in: Blümel, Verkehrswegeplanung in Deutschland, 1991, S. 5
ff. (20), 107 ff. (233 ff.).
II. Vorgehensweise
21
floß in den Musterentwurf für ein Länderstraßengesetz vom 18. September 1991 ein, an welchen sich die seither novellierten Landesstraßengesetze anlehnen, fand seinen Niederschlag in den Empfehlungen des 30. Deutschen Verkehrsgerichtstags 19929 und bildet nunmehr die Grundlage für den Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung der Planungsverfahren für Verkehrswege (Planungsvereinfachungsgesetz - PIVereinfG) vom 6. November 1992 (BR-Drucks. 756/92), welches sich gegenwärtig in der parlamentarischen Beratung befindet. Eine Würdigung der Reformvorhaben kann erst mit Inkrafttreten des Planungsvereinfachungsgesetzes erfolgen.
2. Vorstudie Durch das Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz wurde bereits ein Teil der vom Verf. vorgeschlagenen Beschleunigungsmaßnahmen für den Bereich der neuen Bundesländer umgesetzt. Weitere Beschleunigungen des Anlagenzulassungsrechts sieht das Gesetz zur Erleichterung von Investitionen und der Ausweisung und Bereitstellung von Wohnbauland (Investitionserleichterungs- und Wohnungsbaulandgesetz) vom 22. April 1993 (BGBl. I S. 466) vor. Novellierungen des Atomgesetzes und des Gentechnikgesetzes befinden sich in Vorbereitung. Daher stellte sich die Frage, ob dem vorliegenden Gutachten nicht mittlerweile die Grundlage entzogen wurde. Der Klärung dieser Frage diente eine Vorstudie vom Februar 1993 über die aktuellen Reformen im Anlagenzulassungsrecht, deren Druckfassung in Kürze erscheinen wird10. Die Vorstudie gelangt zu dem Ergebnis, daß jedenfalls das Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz durchaus begrüßenswerte Ansätze enthält, daß es aber zu wenig dazu beiträgt, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu sichern. Vor allem besteht ein offener oder verdeckter Dissens über die Reformkonzeptionen. Dadurch wird die Gefahr heraufbeschworen, daß die Vereinfachungsund Beschleunigungsbemühungen im Sande verlaufen. Jedenfalls sind die Vereinfachungs- und Beschleunigungsbemühungen rechtsdogmatisch und verwaltungswissenschaftlich unzulänglich fundiert. Mängel in der Theorie führen aber erfahrungsgemäß zu Fehlentwicklungen in der Praxis. Insgesamt besteht nach wie vor Klärungsbedarf. Dem entspricht die weitere Vorgehensweise.
9 Vgl. Deutsche Akademie für Verkehrswissenschaft kehrsgerichtstag 1992, 1992, S. 12 ff.
(Hrsg.), 30. Deutscher Ver-
10 Ronellenfitsch, Aktuelle Reformen im Anlagenzulassungsrecht, in: Blümel/Pitschas, Reform des Verwaltungsverfahrensrechts, Schriftenreihe der Hochschule Speyer (zit. Vorstudie).
22
Einführung
3. Gang der Darstellung Ausgehend von einer Erörterung der Reformkonzeptionen und einer Schwachstellenanalyse (1. Abschnitt) werden im Gutachtenteil im Rahmen der Darstellung des Planungs- und Anlagenzulassungsrechts Angriffspunkte für Reformmaßnahmen aufgedeckt (2. Abschnitt). Daran schließt ein Überblick über die Reformmaßnahmen und -möglichkeiten de lege lata (3. Abschnitt) sowie auf gesetzgeberischer Ebene (4. Abschnitt) an. Die Ergebnisse des Gutachtens sind in einem gesonderten Teil zusammengefaßt, der auch konkrete Vorschläge für die weitere Vorgehensweise enthält (Teil C).
1.
Abschnitt
Grundlagen I. Gegenwärtige Situation 1. Ausgangstage Private und staatliche Großvorhaben dauern lange und sind teuer. Erhebliche Zeit beanspruchen und Kosten verursachen vor allem die komplizierten und aufwendigen Planungs- und Zulassungsverfahren für solche Vorhaben. Seit langem wird nach Abhilfemöglichkeiten gesucht. Zahlreiche Kommissionen wurden eingesetzt", um Möglichkeiten der Beschleunigung von Planungsverfahren herauszuarbeiten. Auch Wissenschaft 12 und Praxis 13 be-
11
Auf Bundesebene gibt es seit 1983 die sog. Waffenschmidt-Kommission, deren Ergebnisse nunmehr vorgelegt wurden; vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für Anlagen; Empfehlungen der Unabhängigen Kommission für Rechts- und Verwaltungsvereinfachung auf der Grundlage einer Befragung von Beteiligten und Betroffenen, 1990; Erleichterung von Gewerbeansiedlungen in den neuen Bundesländern, 1992. Auf Länderebene ist darauf hinzuweisen, daß mit Beschluß von 29. Oktober 1992 von den Chefs des Staats- und Senatskanzleien eine Arbeitsgruppe „Beschleunigung Planungs- und Genehmigungsverfahren" eingesetzt wurde , die zuletzt im Mai 1993 tagte. Für Baden-Württemberg sind zu erwähnen das genannte Reformvorhaben „Verwaltung 2000", 2 Bde., Mai 1990, sowie die oben dargestellten Tätigkeiten insbesondere der Regierungskommission Verwaltungsreform. In Bayern gab es von 1978-1983 die Kommission für den Abbau von Staatsaufgaben und für Verwaltungsvereinfachung. Am 9.10.1990 wurde von der Bayerischen Staatsregierung der Bericht des Nonnprüfungsausschusses gebilligt und als Dokumentation „Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für Anlagen" herausgegeben; vgl. BayStAnz. Nr. 41 vom 12.10.1990. Die (frühere) Landesregierung Niedersachsens hatte eine interministerielle Arbeitsgruppe eingesetzt, welche „Empfehlungen zur Beschleunigung bestimmter Verfahren im Umweltbereich" ausarbeitete; vgl. Presse- und Informationsstelle der niedersächsischen Landesregierung (Hrsg.), Schnellere und kalkulierbare Genehmigungsverfahren. Bericht einer Arbeitsgruppe Hannover, o.J. (1989). Für Nordrhein-Westfalen liegt eine von der Landesregierung im Februar 1989 herausgegebene Druckschrift vor, welche über die bisherige Arbeit der Arbeitsgruppe „Überprüfung von Genehmigungsverfahren" informiert. Erste Formulierungen einer unter Vorsitz des Landes Hessen durch die Verkehrsminister gegründeten Arbeitsgruppe von 1990 waren Grundlage des Auftrags zur Erstattung des in Fußn. 7 erwähnten Gutachtens. 12
Vgl. ausführlich Broß, Beschleunigung von Planungsverfahren, DVB1. 1991, 177
24
1. Abschnitt: Grundlagen
schäftigten sich eingehend mit der Thematik. Im Vordergrund der Betrachtung stand immer der Zeitfaktor. Die Vereinfachung der Planungsverfahren aus finanziellen Erwägungen wurde allenfalls am Rande mitbehandelt.
2. Aktueller Stand Die Beschleunigungsdiskussion brachte eine Fülle von Änderungsvorschlägen zutage, die gelegentlich auch umgesetzt wurden und sich mehr oder weniger als hilfreich erwiesen.
ff.; Bullinger, Rechtliche Möglichkeiten einer Beschleunigung von Verwaltungsverfahren. Untersuchung im Rahmen des vom Innenministerium Baden-Württemberg durchgeführten Reformvorhabens „Verwaltung 2000", 1991 = Beschleunigte Genehmigungsverfahren für eilbedürftige Vorhaben, 1991; ders., Zur Verbesserung behördlicher Genehmigungsverfahren, WuR 1991, 270 ff.; ders., Verwaltung im Rhythmus von Wirtschaft und Gesellschaft. Reflexionen und Reformen in Frankreich und Deutschland, JZ 1991, 53 ff.; ders., Aktuelle Probleme des deutschen Verwaltungsverfahrensrechts, DVB1. 1992, 1463 ff.; ferner von Hammerstein, Stand der Rechtsund Verwaltungsvereinfachung beim Bund, in: Stober (Hrsg.), Deregulierung im Wirtschaft- und Umweltrecht, 1990, S. 19 ff.; Mosche/Schnurer, Zulassungsverfahren beschleunigen, Umwelt 1990, 610 ff.; Steinberg/Allert/Grams/Scharioth, Zur Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens für Industrieanlagen, 1991; Kayser, Abbau bürokratischer Hemmnisse sowie Bündelung und Vereinfachung der Planungs- und Genehmigungsverfahren im Verkehrswegebau - Änderung des Planungsrecht? Vortrag anläßlich der Konferenz der FraktionsVorsitzenden von CDU/CSU aus Bund und Ländern am 18./19.1.1991 in Stuttgart; s.a. Kipp, Gerichtsinterne Möglichkeiten zur Verkürzung der Verfahrensdauer im Verwaltungsprozeß, in: FS für Berge, 1990, S. 187 ff.; Schmidt-Räntsch, Grundbuchvorfahrt bei Investitionsvorhaben in den neuen Bundesländern. Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Grundbuchverfahrensbeschleunigung, DtZ 1991, 65 ff. Umfassend Ebling, Beschleunigungsmöglichkeiten bei der Zulassung von Abfallentsorgungsanlagen, 1993. 13 Forschungsvorhaben des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und des Umweltbundesamts „Verbesserung von Zulassungsverfahren für Abfallentsorgungsanlagen". Teil A - 1. Zwischenbericht: Grundlagen der Abfallentsorgungsplanung in der Bundesrepublik Deutschland, September 1989; Teil B - 2. Zwischenbericht: Analyse der Ursachen für Verzögerungen im Zulassungsverfahren. Erste Verbesserungsvorschläge, Dezember 1989; Stellungnahme des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 30.10.1989: Verkürzung von Verwaltungsverfahren bei genehmigungspflichtigen Vorhaben, LT-Drucks. 10/2415; Der Minister für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.), Bericht des MuRL zur „Beschleunigung von Genehmigungsverfahren", Stand Januar 1990, auch LT-Drucks. 10/2625; Bundesverband der deutschen Industrie, Stellungnahme vom 17.4.1989 zur Beschleunigung von Planfeststellungen und Genehmigungsverfahren (Maschinenschrift); Industrie- und Handelskammer Hannover-Hildesheim: „Schnellere und kalkulierbare Genehmigungsverfahren", Hannover 1988, auch NSt-N 1989, 233.
II. Notwendigkeit der Verfahrensbeschleunigung und -Vereinfachung
25
Von den Beschleunigungsmaßnahmen auf gesetzgeberischer Ebene wurden bereits das Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz 14 und das Investitionserleichterungs- und Wohnungsbaulandgesetz 1 5 erwähnt. Nach ersten Auskünften der mit der Anwendung des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes befaßten Behörden scheinen sich die gesetzlichen Beschleunigungsinstrumentarien zu bewähren 16 . Der Anwendungsbereich des Gesetzes ist allerdings weitestgehend auf die neuen Bundesländer beschränkt. Erfahrungen mit dem Investitionserleichterungs- und Wohnungsbaulandgesetz liegen dagegen noch nicht vor. Ähnliches gilt für Vereinfachungs- und Beschleunigungsmaßnahmen auf administrativer Ebene. Eine Evaluation etwa der VwV-Verfahrensbeschleunigung Umwelt wäre noch verfrüht.
3. Befund Durchgreifende Wirkungen der bisherigen Beschleunigungsmaßnahmen bei Planungsvorhaben in den alten Bundesländern lassen sich jedenfalls bislang kaum feststellen. Folglich gilt es zu klären, was weiter getan werden muß. Damit ist die Frage nach der Beschleunigungs- und Vereinfachungsnotwendigkeit angesprochen. Besteht weiterhin die Notwendigkeit zur Verfahrensbeschleunigung und -Vereinfachung, dann stellt sich die Anschlußfrage, was künftig zusätzlich (ggf. anders als bisher) getan werden kann. Diese Frage wiederum läßt sich nur beantworten, wenn die Ansatzpunkte für Beschleunigungs- und Vereinfachungsmaßnahmen aufgezeigt werden.
II. Notwendigkeit der Verfahrensbeschleunigung und -Vereinfachung 1. Verhältnis von Notwendigkeit und Möglichkeit Ausgangspunkt aller Reformüberlegungen ist die sachliche - verfahrensimmanente - Notwendigkeit der Verfahrensbeschleunigung und -Vereinfachung. Sachfremde konjunktur- oder finanzpolitische Erwägungen begründen für sich allein noch nicht die Notwendigkeit der Verfahrensbeschleunigung und -Vereinfachung im Anlagenzulassungsrecht.
14
Oben A.III.l.b.
15
Oben A.III.2.
16
Vgl. auch BVerwG, Beschl. vom 30.10.1992 - BVerwG 4 A 4.92.
26
1. Abschnitt: Grundlagen
Man mag Verfahrensbeschleunigungen und -Vereinfachungen aus vielerlei Gründen dringend für unerläßlich halten. Stehen ihnen unüberwindbare rechtliche oder sachliche Hindernisse entgegen, so sind sie nicht notwendig. Es wäre daher müßig, nach Beschleunigungs- und Vereinfachungsmöglichkeiten zu suchen, wenn die Planungs- und Zulassungsverfahren zwangsläufig so aufwendig sind, wie sie nun einmal sind, d.h. wenn die Verfahrensdauer aus rechtlichen und/oder tatsächlichen Gründen vorgegeben ist und die Verfahren deshalb nicht zu lange dauern. Um zu klären, ob die Verfahren in diesem Sinne zu lange dauern, ist nach Maßstäben für die Verfahrensdauer zu suchen.
2. Maßstab für die Verfahrensgestaltung und -dauer Vorgegebene Maßstäbe für die Verfahrensausgestaltung und -dauer im Anlagenzulassungsrecht existieren nicht. Allgemein kann aber festgestellt werden, daß ein Verwaltungsverfahren zu kompliziert ist, wenn unnötiger Aufwand getrieben wird, und daß es zu lange dauert, wenn der Zeitraum zwischen Beginn und Abschluß des Verfahrens (Sachentscheidung und Verfahrenserfolg) unnötig ausgedehnt ist. Ein Genehmigungsverfahren (für private Vorhaben) ist zu kompliziert, wenn der Verfahrensaufwand dem Verfahrensgegenstand nicht entspricht. Später als nötig erfolgt die Genehmigungsentscheidung, sofern das, was im Genehmigungsverfahren geklärt werden soll, hätte schneller geklärt werden können. Genehmigungsrechtliche Verfahren sind somit zu aufwendig und dauern zu lange, wenn sich der in der Genehmigungsentscheidung zum Ausdruck gebrachte Verfahrenszweck einfacher und schneller erreichen ließe. Entsprechendes gilt für staatliche Vorhaben. Auch der Staat darf Vorhaben planen und verwirklichen und zu diesem Zweck in die Umwelt eingreifen. Hierfür benötigt er grundsätzlich ebenfalls Genehmigungen. Da er dann aber zugleich in Rechte Privater (Eigentum) eingreift, müssen seine fachplanerischen Vorhaben zusätzlich gerechtfertigt und abgewogen sein. Vor allem Planrechtfertigung und Abwägungen sind aufwendig und beanspruchen Zeit. Dennoch gibt es auch für sie einen angemessenen sachlichen und zeitlichen Rahmen. Wird eine Planungsentscheidung über diesen zeitlichen Rahmen hinaus verzögert, läßt sich der genehmigte Eingriff in die Umwelt nur verspätet durchführen, so dauern auch diese Verfahren zu lange.
III. Schwachstellenanalyse
27
III. Schwachstellenanalyse 1. Daten Empirische Daten über den Aufwand und die Verfahrensdauer der Zulassung von privaten und staatlichen Großvorhaben liegen nicht vor. Immerhin gibt es einige Erfahrungswerte. Bei Verkehrsprojekten wird beispielsweise die Regeldauer „normaler" Verfahren auf 7 bis 8 Jahre angesetzt. Bei kontroversen Vorhaben läßt sich dieser Zeitrahmen selten einhalten. Planfeststellungsverfahren für Bundesfernstraßen liefern hierfür augenfällige Beispiele. Die Verfahrensdauer für Maßnahmen an Autobahnen und Bundesstraßen kann heute durchaus eine Länge von 20 Jahren und mehr erreichen 17 . Selbst unter Berücksichtigung der Komplexität von Verkehrsprojekten kann die Planung der Vorhaben einschließlich der Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen keinen derartigen Zeitaufwand beanspruchen. Noch auffälliger ist die lange Zeitspanne zwischen Erteilung der Genehmigung und Verwirklichung/Durchsetzung des Vorhabens. Für emittierende Anlagen liegen vergleichbare Erfahrungswerte vor. Es bedarf daher keiner näheren Begründung, daß kontroverse Planungsund Anlagenzulassungsverfahren länger dauern, als dies durch den Verfahrenszweck geboten wäre.
2. Gründe für einen unnötigen Verfahrensaufwand Ursachen für die Kompliziertheit und lange Dauer von Genehmigungsverfahren lassen sich in unterschiedlichen Verantwortungsbereichen feststellen.
a) Verantwortungsbereich des Antragstellers Einige Ursachen hat der Antragsteller zu verantworten. Zu erwähnen sind unklare Anträge, ungenaue oder unvollständige Antragsunterlagen, schlechte Terminplanung, nachlässige Bauausführung u. dgl.
17
Vgl. Zillenbiller, Straßenplanung im Konflikt öffentlicher und individueller Interessen, in: 27. Deutscher Verkehrsgerichtstag 1989, 1989, S. 246 ff. (247).
28
1. Abschnitt: Grundlagen b) Verantwortungsbereich der Behörden
Zum Aufwand und zur Dauer der Verfahren trägt die Vielzahl der zu beteiligenden Behörden ganz erheblich bei. Insbesondere besteht die Gefahr von Doppelprüfungen. Als Ursachen für die Verfahrenverzögerung im Verantwortungsbereich der Behörden wirken sich ferner Organisationsmängel oder personelle Engpässe, aber auch Einflußnahmen aus der politischen Ebene besonders nachteilig aus.
c) Prüfungsumfang In erster Linie gestalten sich die Verfahren komplex und zeitraubend, weil ein immenser Prüfungsaufwand infolge der kaum noch überschaubaren materiell-rechtlichen normativen Vorgaben betrieben werden muß. Die Entwicklung der immer differenzierteren normativen Vorgaben nahm ihren Ausgangspunkt in der Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe durch die Exekutive und vor allem durch die Rechtsprechung. Der Gesetzgeber übernahm zumeist diese Konkretisierungen bis hinein in die Formulierungen. Dies gilt für die §§ 4 ff. BImSchG wie auch für die Planfeststellungsund sonstigen Planungsvorschriften 18 . So liest sich die Auflistung des Abwägungsmaterials in § 1 Abs. 5 BauGB wie das Inhaltsverzeichnis der Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgerichts. An der Nahtstelle von Technik und Recht mußte der Gesetzgeber dennoch das Handtuch werfen. Auf die Verlegenheitsbegriffe „Stand der Technik" oder „Stand von Wissenschaft und Technik" konnte er nicht verzichten 19 . Dadurch wurde die Rezeption technischer Regelwerke über dogmatische Hilfsbrücken wie das antizipierte Sachverständigengutachten oder die normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften nötig. Für alle, also auch für technische Regelwerke ist der erwähnte Hang zum Perfektionismus charakteristisch. Namentlich die allgemeinen Verwaltungsvorschriften erzwingen einen Prüfaufwand, der sachlich kaum gerechtfertigt erscheint. Der internationale Vergleich läßt nämlich Zweifel aufkommen, ob perfektionistische Rechtsnormen, allgemeine Verwaltungsvorschriften und technische Regelwerke einen optimalen Umweltstandard gewährleisten. Mehr spricht dafür, daß auch bei einer Entfeinerung der Regelwerke die Umweltstandards zumindest gehalten werden könnten.
18 19
Einzelheiten in Abschnitt 2. Vgl. zuletzt Ebinger, Der unbestimmte Rechtsbegriff im Recht der Technik, 1993.
III. Schwachstellenanalyse
29
d) Verfahrensstruktur
Die Verfahrensdauer ist primär eine Folge der aufwendigen Ausgestaltung der Planungs- und Anlagenzulassungsverfahren. Die Ausgestaltung der Verfahren ist so aufwendig, weil Literatur und Rechtsprechung seit einigen Jahren dem Verwaltungsverfahren einen erheblichen Eigenwert zubilligen 20 . Üblicherweise wird in diesem Zusammenhang der effektive Rechtsschutz und der Grundrechtsschutz durch Verfahren angeführt. Nun bestreitet niemand, daß der Rechtsschutz zur Verhinderung vollendeter Tatsachen notfalls in das Verwaltungsverfahren vorverlegt werden muß. Die Rechtsschutzfunktion der Öffentlichkeitsbeteiligung in Planungs- und Genehmigungsverfahren für die Betroffenen kann nicht geleugnet werden. Jedoch ist auch die Realisierung privater Vorhaben ebenfalls verfassungsrechtlich gewährleistet (Art. 12, 14 GG). Selbst bestimmte staatliche Vorhaben auf dem Gebiet der Daseins- und Wachstumsvorsorge lassen sich verfassungsrechtlich abstützen. Die Rechtsschutzgarantie im Verwaltungsverfahren ist ambivalent, taugt folglich nicht als Instrument prinzipieller Verhinderungsstrategien.
e) Widerstand
Die Realisierung kontroverser Großvorhaben gestaltet sich oft mühsam und dauert vielfach so lange, weil die Vorhabengegner versuchen, das Vorhaben auf jede denkbare Weise zu verhindern und zu verzögern. Die Formen des Widerstands reichen vom legalen Widerstand durch Ausschöpfung aller Rechtsbehelfe gegen die Vorhaben über den begrenzten Konflikt bis zu Gewaltaktionen. Angriffsziel ist häufig nicht nur das konkrete Vorhaben, sondern die Staats- und Gesellschaftsordnung schlechthin21. Am effektivsten ist dabei der Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten22. Ob die Vorhabengegner letztlich unterliegen, spielt praktisch nur eine untergeordnete Rolle. Vielfach genügt es, durch Rechtsbehelfe die Verfahren so sehr in die Länge zu ziehen, daß sie scheitern. Obendrein wird mit dem Beschreiten des Rechtswegs ein Mechanismus in Gang gesetzt, der notwendig zu einer Verkomplizierung der Verwaltungsverfahren führt. Werden die Planungs- und
20
Nachweise bei Ronellenfltsch,
Reformen, Fußn. 1.
21
Näheres bei Ronellenfltsch, Die Durchsetzung staatlicher Entscheidungen als Verfassungsproblem, in: Börner (Hrsg.), Umwelt, Verfassung, Verwaltung (VEnergR, 50), 1982, S. 21 ff. 22 Vgl. Ossenbühl, Die gerichtliche Überprüfung der Beurteilung technischer und wirtschaftlicher Fakten in Genehmigungen des Baus von Kraftwerken (VEnergR, 41 / 42), 1978, S. 39 ff.
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1. Abschnitt: Grundlagen
Genehmigungsverfahren nur als Vorverfahren der gerichtlichen Auseinandersetzung betrachtet, so benötigen de facto alle wichtigen umweltrechtlichen Genehmigungen eine verwaltungsgerichtliche Bestätigung. Das gilt auch für Genehmigungen in der Form von Planfeststellungsbeschlüssen. Demzufolge sind die für die Zulassung der Vorhaben zuständigen Behörden gehalten, ihre Entscheidungen gerichtsfest abzufassen. Die behördliche Sachprüfung erstreckt sich dann auf Gesichtspunkte, die aus behördlicher Sicht unerheblich sind, auf die es aber in der gerichtlichen Auseinandersetzung ankommen könnte. Fernliegende Alternativen werden erwogen, Hilfsbegründungen werden gegeben, die an sich unnötig sind.
IV. Folgerungen Möglichkeiten der Verfahrensbeschleunigung und -Vereinfachung und gibt es überall, wo Schwachstellen in dem soeben umschriebenen Sinn ausgemacht werden können. Solche Möglichkeiten sollten umgehend ergriffen werden. Am raschesten greifen Maßnahmen de lege lata, die sofort umgesetzt werden können. Der Gesetzgeber muß erst dann handeln, wenn das geltende Anlagenzulassungsrecht zu einem unnötigen Aufwand zwingt. Jede fundierte Reformdiskussion setzt daher einen Überblick über das geltende Planungs- und Anlagenzulassungsrecht voraus, in den auch der Verwaltungsrechtsschutz einzubeziehen ist.
2.
Abschnitt
Überblick über das Planungs- und Anlagenzulassungsrecht I. Allgemeines 1. Maßgeblichkeit des Planungsrechts Anlagen sind, sofern es sich um Großvorhaben handelt, raumbezogen. Bei den Anlagengenehmigungen handelt es sich zwar um Unternehmergenehmigungen, doch weisen solche Unternehmergenehmigungen auch einen Planungsbezug auf: Entweder sind die Genehmigungsverfahren als echte Fachplanungsverfahren ausgestaltet, oder die Kontrollerlaubnisse haben zumindest einen fachplanerischen Einschlag23. Die Rechtsnormen, welche die raumbedeutsamen Planungen des Staates oder sonstiger Vorhabenträger zum Gegenstand haben, bilden in ihrer Gesamtheit das Planungsrecht14. Das Planungsrecht betrifft die Gestaltung aller strukturellen Verhältnisse in einem bestimmten Raum (Gesamtplanung) sowie die Zulassung einzelner raumrelevanter Vorhaben (Fachplanung). Etliche Großvorhaben auf dem Gebiet des Immissionsschutzrechts (z.B. Kraftwerke) sowie die meisten Vorhaben auf dem Gebiet des Abfallrechts sind Aufgabe sowohl der Gesamtplanung wie auch der jeweiligen Fachplanung. Bei der Anlagenzulassung ist folglich neben dem Anlagenzulassungsbzw. Fachplanungsrecht auch das Gesamtplanungsrecht einschlägig. Die Brücke zwischen Gesamt- und Fachplanungsrecht bildet vor allem das Raumordnungsverfahren.
23
Ronellenfitsch, Reformen, S. 15 f.
24
Vgl. Ronellenfitsch, Einführung in das Planungsrecht, 1986, S. 4.
32
2. Abschnitt: Planungs- und Anlagenzulassungsrecht 2. Gesamtplanungsrecht a) Grundlagen
Gesamtplanung ist die überfachliche Planung, welche die Gestaltung der strukturellen Gesamtverhältnisse (Industrieerschließung, Siedlungsentwicklung, Bevölkerungswachstum, Verkehrserschließung, Umweltschutz usw.) eines bestimmten Gebiets zum Gegenstand hat25. Mit Rücksicht auf die zwischen Bund und Ländern verteilten Gesetzgebungskompetenzen (Art. 74 Nr. 18, 75 Abs. 1 Nr. 3 GG) sind die örtliche städtebauliche Planung (Bauleitplanung) und die überörtliche Raumordnung26 zu unterscheiden. Rechtsgrundlage für die überörtliche Gesamtplanung bilden als Rahmengesetz das Raumordnungsgesetz (ROG) i.d.F. der Bek. vom 25. Juli 1991 (BGBl. I S. 1726, ber. S. 1883)27 sowie die Landesplanungsgesetze der Flächenstaaten, in Baden-Württemberg das Landesplanungsgesetz (LP1G) i.d.F. vom 8. April 1992 (GBl. S. 229). Die örtliche Gesamtplanung ist im Baugesetzbuch (BauGB) i.d.F. der Bek. vom 8. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2253)28 und den jeweiligen Ausführungsverordnungen geregelt.
b) Raumordnung und Landesplanung Mit Raumordnung kann ein Vierfaches gemeint sein: erstens der vorgegebene Zustand eines Gebiets, zweitens der nach bestimmten Zielvorstellungen erwünschte Zustand eines Gebiets, drittens die Tätigkeit zur Erreichung dieses Zustands und viertens schließlich das Produkt dieser Tätigkeit. Raumordnung ist dabei der häufig synonym gebrauchte Oberbegriff für die Bundesraumordnung und Landesplanung. Landesplanung kann dagegen nur auf Landesebene betrieben werden. Aufgabe der Raumordnung und Landesplanung ist gemäß § 1 Nr. 1 LP1G die übergeordnete, überörtliche und zusammenfassende Planung für die räum-
25
Ronellenfitsch, Einführung, S. 5. Umschrieben als „überörtliche und überfachliche Ordnung des Raumes aufgrund von vorgegebenen oder erst zu entwickelnden Leitvorstellungen"; vgl. BVerfGE 3, 407 (425). 27 Geändert durch Art. 4 Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz. 28 Zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes vom 11.1.1993 (BGBl. I S. 50) sowie durch Art. 1 Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz. 26
I. Allgemeines
33
liehe Ordnung und Entwicklung des Landes. „Übergeordnet" bedeutet, daß die Landesplanung gegenüber der Bauleitplanung und gegenüber den Fachplanungen Vorrang haben soll. „Überörtlich" heißt, daß der räumliche Bereich, auf den sich die Landesplanung bezieht, größer ist als der Bezirk der Gemeinden, und daß parzellenscharfe Festlegungen grundsätzlich ausscheiden. „Zusammenfassend" meint, daß alle raumrelevanten Aktivitäten auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen sind. Die Landesplanung betrifft die zentrale Landesplanung. Bezieht sie sich auf gemeindeübergreifende Teilflächen des Landes, so spricht man von Regionalplanung (§§ 8 ff. LP1G). Ausgangspunkt des materiellen Raumordnungsrechts sind die Aussagen zur Aufgabe und zu den Leitvorstellungen der Raumordnung in § 1 ROG. Diese Aussagen sind konkretisierungsbedürftig. Die Konkretisierung erfolgt in zwei Schritten. Der erste Schritt besteht in der Normierung von Grundsätzen der Raumordnung in § 2 ROG. Die Grundsätze gelten für alle unmittelbaren und mittelbaren Bundesbehörden bei raumbedeutsamen Planungen sowie für Landesbehörden, soweit diese Landesplanung betreiben, stellen jedoch lediglich - teilweise gegenläufige - Planungsmaximen dar. Sie müssen daher innerhalb des Rahmens von § 1 ROG gegeneinander und untereinander abgewogen und umgesetzt werden. Verwirklicht werden die Grundsätze im Rahmen der Landesplanung somit erst, wenn die Länder in einem zweiten Schritt Programme und Pläne aufstellen (§ 4 Abs. 3 ROG), welche das Ergebnis der Abwägung zum Ausdruck bringen. Diese Programme und Pläne enthalten dann Ziele der Raumordnung und Landesplanung (§ 5 Abs. 2 ROG). Mit den Zielen der Raumordnung und Landesplanung werden verbindliche Entscheidungen für die Ordnung und Entwicklung des Landesgebiets, seiner Teilräume und ggf. auch für Fachbereiche getroffen; denn sie sind nach § 5 Abs. 4 i.V.m. § 4 Abs. 5 ROG von den dort aufgeführten Stellen zu beachten, die Gemeinden haben ihre Bauleitpläne an die Ziele anzupassen, und der Bund kann sich von seiner Selbstbindung nur über § 6 ROG befreien 29 . Abweichungen sind nunmehr auch nach § 5 Abs. 5 ROG möglich. In Baden-Württemberg sind die Ziele der Raumordnung und Landesplanung im Landesentwicklungsplan (§ 3 Abs. 1 LP1G), in fachlichen Entwicklungsplänen (§ 4 LP1G) und in den Regionalplänen enthalten (§ 8 Abs. 1 LP1G).
29 Einzelheiten bei Ronellenfitsch, Einführung, S. 22 ff. Aus der Rechtsprechung zuletzt BVerwG vom 20.8.1992, BVerwGE 90, 329. 3 Ronellenfitsch
34
2. Abschnitt: Planungs- und Anlagenzulassungsrecht
c) Bauleitplanung Die Bauleitplanung wird zusammenfassend in der noch gesondert vorzulegenden weiteren Studie behandelt.
d) Anlagenplanung Bei Großvorhaben ist die Anlagenplanung integrierender Bestandteil der Gesamtplanung. Beispielsweise müssen die Standorte für Abfallentsorgungsanlagen in fachlichen Entwicklungsplänen dargestellt werden, die § 6 AbfG allerdings der Fachplanung zuordnet.
3. Grundlagen des Fachplanungs- und Anlagenzulassungsrechts a) Überblick Fachplanungen sind auf Grund besonderer Gesetze durchgeführte förmliche Planungen. Förmlich bedeutet, daß Planfeststellungsverfahren oder sonstige förmliche Verwaltungsverfahren vorgeschrieben sind. Eine allgemeine Regelung des Planfeststellungsverfahrens enthalten die §§ 7 2 - 7 8 der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder. Die wichtigsten Fachplanungen sind - die eisenbahnrechtliche Fachplanung30, - die straßenrechtliche Fachplanung31,
30 BVerwG vom 14.2.1969, BVerwGE 31, 263; vom 14.12.1979, BVerwGE 59, 253; vom 6.11.1981, Buchholz 442.08 § 36 BbG Nr. 6; vom 4.6.1982, BVerwGE 65, 346; vom 23.3.1984, Buchholz 442.08 § 36 BbG Nr. 8; vom 22.3.1985, Buchholz 442.08 § 36 BbG Nr. 10; vom 9.4.1987, Buchholz 442.08 § 36 BbG Nr. 11; vom 24.8.1987, Buchholz 442.08 § 36 BbG Nr. 12; vom 12.2.1988, UPR 1988, 261; vom 12.2.1988, Buchholz 316 § 75 VwVfG Nr. 3; vom 14.4.1989, NVwZ 1990, 561; vom 12.11.1992, DÖV 1993, 432. 31 BVerwG vom 14.4.1967, BVerwGE 26, 302; vom 24.10.1967, BVerwGE 28, 139; vom 10.4.1968, BVerwGE 29, 282; vom 17.11.1972, BVerwGE 41, 178 = ZfW 1973, 107 m. Anm. Zeitler; vom 14.2.1975, BVerwGE 48, 56 = NJW 1975, 1373; 1976, 159 m. Anm. Schwabe; vom 21.5.1976 - 4 C 24.75, BVerwGE 51, 35; - 4 C 80.74, BVerwGE 51, 15; 4 C 49-52.74, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 23; - 4 C 38.74, BVerwGE 51, 6; vom 15.4.1977 - 4 C 3.74, BVerwGE 52, 226; - 4 C 100.74, BVerwGE 52, 237; vom 14.4.1978, Buchholz 407.4 § 18 FStrG Nr. 7; vom 9.3.1979 - 4 C 41.75, BVerwGE 57, 297; - 4 C 100.77, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 28; vom 22.6.1979, BVerwGE 58, 154; vom 4.9.1979, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 31; vom 7.9.1979, BVerwGE 58, 281; vom 18.12. 1979, DÖV 1980, 416; vom
I. Allgemeines
-
die die die die
35
fernmelderechtliche Fachplanung32, personenbeförderungsrechtliche Fachplanung33, luftverkehrsrechtliche Fachplanung34, wasserwirtschaftliche Fachplanung35,
22.2.1980, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 33; vom 27.3.1980, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 34; vom 12.9.1980, BVerwGE 61, 1; vom 5.12.1980, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 36; vom 23.1.1981 - 4 C 4.78, BVerwGE 61, 295; - 4 C 68.78, BVerwGE 61, 307 = BayVBl. 1981, 307, 664 m. Anm. Engelhardt; vom 20.2.1981, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 39; vom 26.6.1981, BVerwGE 62, 342; vom 26.6.1981, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 41; vom 10.9.1981, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 43; vom 14.9.1981, NVwZ 1982, 502; vom 6.11.1981, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 44; vom 25.11.1981, NVwZ 1982, 435; vom 11.12.1981, BVerwGE 64, 270; vom 15.1.1982, BVerwGE 64, 325 = BayVBl. 1982, 344 m. Anm. Pausch; vom 11.8.1982, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 49; vom 24.9.1982, Buchholz 407.4 § 12 FStrG Nr. 2; vom 19.3.1983, BVerwGE 67, 74 = DVB1. 1983, 899 m. Anm. Schwabe = JA 1983, 548 m. Anm. Geiger, vom 12.8.1983, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 53; vom 11.11.1983, Buchholz 407.4 § 1 FStrG Nr. 5; vom 26.6.1984, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 56; vom 22.3.1985 - 4 C 63.80, BVerwGE 71, 150; - 4 C 15.83, BVerwGE 71, 166; - 4 C 73.82, BVerwGE 71, 163; vom 13.9.1985, Buchholz 407.4 § 18 FStrG Nr. 11; vom 11.11.1985, Buchholz 407.04 § 17 FStrG Nr. 55; vom 6.12.1985, BVerwGE 72, 282; vom 11.4.1986, Buchholz 407.4 § 18c FStrG Nr. 1; vom 4.6.1986, BVerwGE 74, 234; vom 6.12.1986, BVerwGE 72, 282; vom 22.5.1987 - 4 C 33-35.83, BVerwGE 77, 285; - 4 C 17-19.84, BVerwGE 77, 295; vom 14.9.1987, UPR 1988, 70; vom 14.9.1987 - 4 B 178.87, Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 149; - 4 B 179 und 180.87, NVwZ 1988, 363; vom 24.9.1987, Buchholz 407.4 § 18 FStrG Nr. 3; vom 18.12.1987 - 4 C 49.83, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 71; - 4 V 32.84, UPR 1988, 180; vom 25.2.1988, DVB1. 1988, 844; vom 4.5.1988, UPR 1988, 346; vom 25.3.1988, UPR 1988, 271; vom 1.7.1988, BVerwGE 80, 7; vom 7.9.1988, DVB1. 1988, 1167; vom 11.9.1988, NVwZ 1989, 255; vom 20.12.1988, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 79; vom 28.12.1988, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 80; vom 21.7.1989, ZfBR 1989, 276; vom 20.10.1989, BVerwGE 84, 31; vom 24.11.1989, BVerwGE 84, 123; vom 31.1.1990 - 4 B 167.89; vom 3.4.1990, Buchholz 407.4 § 17 FStiG Nr. 86; vom 27.4.1990, NVwZ 1990, 1165; vom 31.10.1990 4 C 25.90; vom 5.6.1992, UPR 1992, 348; vom 14.9.1992, BVerwGE 91, 17; vom 2.11.1992, DVB1. 1993, 161; vom 23.12.1992, DÖV 1993, 434; s.a. VGH BW vom 15.12.1987, NVwZ-RR 1989, 59; vom 23.6.1988, ESVGH 38, 280; vom 21.10.1988, DVB1. 1989, 683; vom 5.4.1990, DVB1. 1990, 241; vom 15.10.1990, VGH BW Rspr.-Dienst 1991, Beilage 2, 81; vom 17.2.1992, VB1BW 1992, 425. 32 § 7 TWG; hierzu BVerwG vom 29.6.1967, BVerwGE 27, 253; vom 18.3.1987, BVerwGE 77, 128 = ArchPF 1987, 432 m. Anm. Becker, Ronellenfitsch, Breitbandkabel und fernmelderechtliche Planfeststellung, VerwArch. 1988, 211 ff. m.w.N. 33
§§ 28 ff. PBefG; hierzu Ronellenfitsch,
Einführung, S. 135 ff.
34
§§ 6, 8 ff. LuftVG; BVerwG vom 5.10.1990, NVwZ-RR 1991, 118; vom 29.1.1991, NVwZ-RR 1991, 601; hierzu Schwenk, Handbuch des Luftverkehrsrechts, 1981, S. 280 ff. 35 § 31 WHG; hierzu Diekmann, Diss. Münster 1972.
Die wasserwirtschaftliche Planfeststellung, Jur.
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2. Abschnitt: Planungs- und Anlagenzulassungsrecht die wasserstraßenrechtliche Fachplanung 36 , die flurbereinigungsrechtliche Fachplanung 37 , die atomrechtliche Fachplanung 38 und die abfallrechtliche Fachplanung 39 .
Wenn im vorliegenden Gutachten lediglich die abfallrechtliche Fachplanung beispielhaft behandelt wird, so können doch rechtliche Erkenntnisse im Zusammenhang mit den anderen Fachplanungen - namentlich Gerichtsentscheidungen - sinngemäß herangezogen werden. Umgekehrt sind die nachfolgenden Betrachtungen zur abfallrechtlichen Fachplanung verallgemeinerungsfähig. Unternehmergenehmigungen mit fachplanerischem Einschlag sind Kontrollerlaubnisse, die ebenfalls ein förmliches Zulassungsverfahren erfordern. Bei der Erteilung der Genehmigung fließt in gewissem Umfang Planungsermessen in die Genehmigungsentscheidung ein. In Betracht kommen Genehmigungen - nach dem Atomrecht 40 , - nach dem Gentechnikgesetz 41 ,
36
§ 14 WaStrG; hierzu Ronellenfitsch, Einführung, S. 140 ff. § 41 FlurbG; hierzu BVerwG vom 6.2.1986, BVerwGE 74, 1; vom 6.3.1986, BVerwGE 74, 84; Ronellenfitsch, Zum Rechtsschutz gegen die flurbereinigungsrechtliche Planfeststellung, VerwArch. 1988, 323 ff.; Blümel/Ronellenfitsch, Die Planfeststellung in der Flurbereinigung, 1975. 38 § 9b AtG; hierzu Ronellenfitsch, Einführung, S. 174 ff. 39 Hierzu BVerwG vom 20.7.1979, Buchholz 451.22 AbfG Nr. 3; vom 1.12.1982, NVwZ 1983, 408; vom 10.2.1983, DÖV 1983, 599; vom 9.11.1984, BVerwGE 70, 242; vom 27.5.1986, Buchholz 451.22 AbfG Nr. 21; vom 3.9.1987, Buchholz 451.22 AbfG Nr. 23; vom 10.2.1989, NVwZ-RR 1989, 619; vom 9.5.1989, NVwZ 1989, 967; vom 24.10.1991, DÖV 1993, 126; vom 21.2.1992, BVerwGE 90, 42; vom 27.3.1992, NVwZ 1993, 364; hierzu Ronellenfitsch, Standortwahl bei Abfallentsorgungsanlagen: Planfeststellungsverfahren und Umweltverträglichkeitsprüfung, DÖV 1989, 737 ff.; Kleinschnittger, Die abfallrechtliche Planfeststellung, 1992; Kretz, Anlagenstandort - Bestimmung und Standortverantwortlichkeit in der abfallrechtlichen Planfeststellung, UPR 1992, 129 ff. 40 Hierzu Ronellenfitsch, Durchsetzung, S. 13 ff. 41 Vgl. VG Frankfurt vom 3.2.1989, NVwZ 1989, 1097; HessVGH vom 6.11.1989, ESVGH 40, 119; vom 23.5.1990, NVwZ-RR 1990, 458. Zum (abwegigen) Beschluß des HessVGH vom 6.11.1989 die überwiegend ablehnenden Stellungnahmen von Sendler, NVwZ 1990, 231 ff.; Deutsch, NJW 1990, 339 ; Rose, DVB1. 1990, 279 ff; Gersdorf, DÖV 1990, 514 ff.; ferner die unveröffentlichte Stellungnahme für den Hess. Minister für Umwelt und Reaktorsicherheit von Ronellenfitsch; zustimmend lediglich Bizer, KJ 1990, 127 ff., und wohl auch Eibele-Herrn, NuR 1990, 204 ff. 37
I. Allgemeines
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- nach dem Immissionsschutzrecht42, - sowie energiewirtschaftliche Freigabeentscheidungen43. Behandelt wird, wiederum exemplarisch, lediglich die förmliche Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz.
b) Eingriffsregelung
Raumübergreifende Vorhaben greifen in aller Regel in Natur und Landschaft ein; denn zumeist sind sie mit Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen verbunden, die die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich oder nachhaltig verändern können. Dem Verursacher solcher Eingriffe legen nun § 8 BNatSchG bzw. die Naturschutzgesetze der Länder44 bestimmte, in einer Stufenordnung stehende Verpflichtungen auf (Eingriffsregelung45). Materiellrechtlich setzt § 8 BNatSchG voraus, daß ein Eingriff in Natur und Landschaft vorliegt. Ob überhaupt ein Eingriff vorliegt, läßt sich häufig nicht eindeutig sagen. Bei Großvorhaben, die Anlagen nach dem Abfall- und Immissionsschutzrecht betreffen, wird zumeist unstreitig ein Eingriff in Natur und Landschaft zu bejahen sein. Verfahrensrechtlich knüpft § 8 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG an behördliche Entscheidungen oder wenigstens Anzeigepflichten an. Eingriffe von Behörden unterliegen nach § 8 Abs. 6 BNatSchG immer der Eingriffsregelung.
42
Hierzu weiter im Text.
43
Hierzu umfassend Ossenbühl, Rechtliche Probleme der Investitionskontrolle nach § 4 Energiewirtschaftsgesetz, 1988. 44
§§ 19, 11, 12 Bad. Württ. NatSchG; vgl. auch die Übersicht bei ser, Umweltrecht, 2. Aufl. 1990, Rdnrn. 1305 ff.
Bender/Sparwas-
45 Vgl. hierzu Bertenbreiter, Naturschutz und Naturschutzrecht bei der fachplanerischen Beurteilung von Vorhaben, Jur. Diss. München 1982; Ronellenfltsch, Rechtsund Verwaltungsaspekte der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung, NuR 1986, 284 ff.; ferner Ehrlein, Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung (§ 8 BNatSchG), VBLBW 1990, 121 ff.; Gaentzsch, Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, NuR 1986, 89 ff.; Paetow, Die gerichtliche Überprüfbarkeit der Entscheidung über die Zulassung von Eingriffen in Natur und Landschaft, NuR 1986, 144 ff.; Schink, Die Eingriffsregelung im Naturschutz- und Landschaftsrecht, DVB1. 1992, 1390 ff.; Schultze, Bundesfernstraßenbau und Verpflichtung des Bundes zu Kompensationsmaßnahmen nach dem Naturschutz- und Forstrecht der Länder, NuR 1986, 106 ff., 161 ff.; Uebersohn, Die Implementation der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung, NuR 1989, 114 ff.
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2. Abschnitt: Planungs- und Anlagenzulassungsrecht
Materielle Folgen des Eingriffs sind behördlich begründete oder festgesetzte Pflichten des Eingreifenden. Zunächst besteht das Gebot, vermeidbare Eingriffe zu unterlassen. Darin liegt kein rigides Verbot vermeidbarer Eingriffe; schließlich sind die Vorhaben an sich zulässig. Vielmehr handelt es sich lediglich um ein Minimierungsgebot 46 , das zudem dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterliegt. Unvermeidbare Eingriffe sind innerhalb einer zu bestimmenden Frist durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen17. Da ein realer „Ausgleich" faktisch immer ausgeschlossen ist, handelt es sich um einen im Lichte des § 8 Abs. 2 Satz 4 BNatSchG zu interpretierenden normativen Begriff. Hiernach reicht ein funktioneller Zusammenhang zwischen Eingriff und Ausgleich aus. Ist ein gleichwertiger Ausgleich ausgeschlossen, genügt ein gleichartiger Ausgleich; ist ein Vollausgleich ausgeschlossen, genügt ein Teilausgleich 48 . Wenn Beeinträchtigungen nicht zu vermeiden und im erforderlichen Maße auszugleichen sind, hat eine Abwägung zwischen den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege und den für das Vorhaben sprechenden Belangen stattzufinden. Nur wenn die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege überwiegen, ist der Eingriff zu untersagen. Gemeinnützige Fachplanungen unterliegen freilich dem Gebot der Planrechtfertigung. Dadurch erlangen sie eine derartige Bedeutung, daß allenfalls besonders gravierende Naturschutzbelange ihnen gegenüber vorrangig sein werden. Aber auch privatnützige Vorhaben sind regelmäßig grundrechtlich verbürgt (Art. 12, Art. 14 GG). Im Konflikt von Wirtschaftswachstum und Naturschutz ist letzterer nicht automatisch vorrangig, zumal der Umweltschutz eine gesicherte Ökonomie voraussetzt. Gerade deshalb ermächtigt § 8 Abs. 9 BNatSchG die Länder, Ersatzmaßnahmen der Verursacher vorzusehen. Das Land Baden-Württemberg hat von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht. Die Ausgleichsabgabe nach § 11 NatSchG B W wurde vom Bundesverwaltungsgerichts sogar für den Fall für bundesrechtskonform erklärt, daß der Bund Verursacher des Eingriffs ist49.
46
In der Tendenz bereits zutreffend die „Hinweise zur Berücksichtigung des Naturschutzes und der Landschaftspflege beim Bundesfernstraßenbau" - Ausgabe 1987 HNL-StB 87, 1.3.1.3. Ebenso BVerwG vom 21.8.1990, NuR 1991, 36; vom 27.9.1990, DVB1. 1991, 209 (213); VGH BW vom 14.11.1991, NVwZ 1992, 998. 47 § 8 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 BNatSchG. 48 Ronellenfitsch, NuR 1986, 287. 49 BVerwG vom 20.1.1989, BVerwGE 81, 220.
I. Allgemeines
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Erfolgt der Eingriff im Rahmen der Fachplanung, so sind die Ausgleichsmaßnahmen von Planungsträger gesondert im Fachplan oder in einem eigenen landespflegerischen Begleitplan50 darzustellen, der Bestandteil des Fachplans ist. Der Begleitplan hat per definitionem Prozeßcharakter; er begleitet die Projektplanung und besteht aus einem Bestands- und Konfliktplan sowie aus einem Maßnahme- oder Ausführungsplan 51 . Die naturschutzrechtlichen Entscheidungen werden nach § 8 Abs. 2 Satz 3 BNatSchG grundsätzlich von den Fachbehörden mitgetroffen („Huckepackverfahren"'). Bei planfeststellungsbedürftigen Fachplanungen versteht sich das von selbst. Daher ist jedenfalls in Planfeststellungsverfahren das in § 8 Abs. 5 BNatSchG vorgesehene Benehmen der für Naturschutz- und Landschaftspflege zuständigen Behörden die weitestgehende Mitwirkungsmöglichkeit. Entsprechendes gilt für Genehmigungsverfahren für Anlagen nach § 4 BImSchG (arg. § 13 BImSchG). Das ändert jedoch nichts an der Verpflichtung, die Naturschutzbehörden in allen Planungsphasen rechtzeitig zu beteiligen (§ 3 Abs. 2 BNatSchG). Den anerkannten Naturschutzverbänden ist nur in Planfeststellungsverfahren über Vorhaben, die mit Eingriffen in Natur und Landschaft im Sinne des § 8 BNatSchG verbunden sind, Gelegenheit zur Äußerung sowie Einsicht in die einschlägigen Sachverständigengutachten zu geben (§ 29 Abs. 1 Nr. 4 BNatSchG). Das Mitwirkungsrecht ist eine Folge der Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens, entsteht also erst, sobald ein Planfeststellungsverfahren stattfindet. Ein Anspruch auf Durchführung des „richtigen" Verwaltungsverfahrens besteht generell nicht52. Der Beschluß des VGH BadenWürttemberg vom 17. November 199253, wonach anerkannte Naturschutzverbände die Aufhebung einer abfallrechtlichen Plangenehmigung verlangen können, wenn für das Vorhaben ein Planfeststellungsverfahren durchzuführen war, ist daher unzutreffend und erfordert notfalls eine Korrektur durch den Gesetzgeber.
50 Vgl. Gassner, Der Grundsatz der Problembewältigung in der Praxis der landschaftspflegerischen Begleitplanung, DVB1. 1991, 355 ff. 51
HNL-StV 87 2.3.3.
52
A.A. von Danwitz, Zum Anspruch auf Durchführung des „richtigen" Verwaltungsverfahrens, DVB1. 1993, 422 ff. 53
DVB1. 1993, 163. Unzutreffend auch OVG Lüneburg vom 27.1.1992, NVwZ 1992, 903.
40
2. Abschnitt: Planungs- und Anlagenzulassungsrecht c) Umweltverträglichkeitsprüfung
Die Einführung der Umweltverträglichkeitsprüfung durch das im vorliegenden Zusammenhang allein interessierende Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) vom 12. Februar 1990 (BGBl. I S. 205)54 hat zwar keine bedeutsame Veränderung des bisherigen materiellen Umweltrechts gebracht, jedoch zu erheblichen Verfahrenserschwernissen geführt, zumal wenig Klarheit über die europarechtlichen Vorgaben besteht. Die Konzeption einer eigenständigen und formalisierten Umweltverträglichkeitsprüfung geht auf gesetzliche Regelungen in den USA zurück. In der Bundesrepublik Deutschland gab es seit 1971 Versuche, die in die gleiche Richtung zielten, aber mit Blick auf entsprechende Bestrebungen auf europäischer Ebene nicht mit Nachdruck verfolgt wurden. Am 1. Juni 1980 legte die Kommission dem Ministerrat erstmals einen Richtlinienvorschlag vor55. Am 27. Juli 1985 wurde die Richtlinie über die Umweltverträglichkeit bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten erlassen56. Die Richtlinie ist vorhabenbezogen. Die Mitgliedstaaten haben die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit vor Erteilung der Genehmigung die Projekte, bei denen insbesondere aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standortes mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Prüfung in bezug auf ihre Auswirkungen unterzogen werden (Art. 2 UVP-RL). Art. 4 UVP-RL definiert die umweltrelevanten Projekte. Projekte der in Anhang I der Richtlinie aufgeführten Klassen sind nach Art. 4 Abs. 1 UVP-RL grundsätzlich immer einer vollständigen Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen, es sei denn, die Mitgliedstaaten nehmen in Ausnahmefällen ein einzelnes Projekt ganz oder teilweise von den Bestimmungen dieser Richtlinie aus. Dann muß aber erstens eine alternative Form der Prüfung und Öffentlichkeitsbeteiligung erwogen, zweitens die Öffentlichkeit über die Ausnahme und die Gründe ihrer Gewährung informiert und drittens die Kommission ebenfalls über die Gründe der Ausnahme unterrichtet und wie die Staatsangehörigen des Mitgliedstaates über das Vorhaben informiert werden57. Vorhaben in den Klassen des Anhangs II werden nur dann einer UVP unterzogen, wenn nach Auffassung des Mitgliedstaates deren Voraussetzungen erfüllt sind.
54 Geändert durch Art. 11 des Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetzes. Zu den Änderungen Wagner, Umweltverträglichkeitsprüfung in der Bauleitplanung und im Raumordnungsverfahren, DVB1. 1993, 583 ff. 55 ABl. EG Nr. C 169 vom 9.7.1980, S. 14. 56 Zit.: UVP-RL. 57 Art. 2 Abs. 3 UVP-RL.
I. Allgemeines
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Abfallbeseitigungsanlagen zur Verbrennung, zur chemischen Behandlung oder zur Endlagerung von giftigem und gefährlichem Abfall sind Projekte nach Art. 4 Abs. 1 (Anhang I, Nr. 9). Ähnliches gilt für die wichtigsten genehmigungspflichtigen Anlagen nach § 4 BImSchG (Anhang I, Nr. 1 , 2 , 4 , 5, 6). Im übrigen findet Anhang II Anwendung. Verfahrensrechtlich ist die Umweltverträglichkeitsprüfung in drei Phasen gegliedert 58 . In der ersten Phase hat der Vorhabenträger Mindestangaben zu machen 59 , die eine medienübergreifende Prüfung ermöglichen. In der zweiten Phase sind die Angaben der Öffentlichkeit zu Informationszwecken möglichst frühzeitig zugänglich zu machen. In dieser Phase müssen die betroffene Öffentlichkeit 60 und die Behörden, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird 61 , Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Das Ergebnis der Umweltverträglichkeitsprüfung ist schließlich, da die Prüfung im Rahmen der bestehenden Projektgenehmigungsverfahren durchgeführt werden kann 62 , von der zuständigen Behörde bei ihrer Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens zu berücksichtigen 63 . Dies setzt in einer dritten und abschließenden Phase die Bewertung der eingeholten Angaben und die Erstellung eines Prüfungsberichts voraus. § 1 UVPG definiert den Gesetzeszweck in enger Anlehnung an die EGRichtlinie 64 . Nach § 3 UVPG ist die Anwendbarkeit des Gesetzes ebenfalls gegenständlich umschrieben. Der projektbezogenen Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegen nach § 3 Abs. 1 UVPG die in der Anlage zu diesem Gesetz aufgeführten Vorhaben, wobei die Bundesregierung durch zustimmungsbedürftige Rechtsverordnungen Erweiterungen und Einschränkungen vornehmen kann. Die Subsidiaritätsklausel des § 4 UVPG trägt der Tatsache Rechnung, daß in Deutschland vielfach schon früher der Sache nach Umweltverträglichkeitsprüfungen durchgeführt wurden. § 14 Abs. 1 UVPG erfaßt nur die Fälle des Art. 83 und 84 GG. Beim Landesvollzug von Bundesgesetzen ist die Regelung der Zuständigkeiten vor-
58 Vgl. Bartlsperger, Leitlinien zur Regelung der gemeinschaftsrechtlichen Umweltverträglichkeitsprüfung, DVBI. 1987, 4; Nisipeanu, Das Scoping-Verfahren nach § 5 UVPG, NVwZ 1993, 319 ff. 59 Art. 5 Abs. 2 UVP-RL. 60 Art. 6 Abs. 2 UVP-RL. 61 Art. 6 Abs. 1 UVP-RL. 62 Art. 2 Abs. 2 UVP-RL. 63 Art. 8 UVP-RL; vgl. auch § 20 Abs. la der 9. BImSchV. 64 Bunge, Die Umweltverträglichkeitsprüfung im Verwaltungsverfahren, 1986, S. 65 f.
42
2. Abschnitt: Planungs- und Anlagenzulassungsrecht
behaltlich der jeweiligen Fachgesetze Angelegenheit der Länder. Dem UVPGesetz liegt gleichwohl das Konzept zugrunde, die Umweltverträglichkeitsprüfung als unselbständigen Teil des ZulassungsVerfahrens zu behandeln. „Zuständige" Behörde ist nach § 12 UVPG die Behörde, die über die Zulassung des Vorhabens zu entscheiden hat. Die Verfahrensschritte der Umweltverträglichkeitsprüfung ergeben sich aus den §§ 5 ff. UVPG. Ein sog. Scoping (Untersuchung über den voraussichtlichen Untersuchungsrahmen) ist nur erforderlich, wenn der Träger des Vorhabens nicht Teil der Körperschaft ist, der die zuständige Behörde angehört65. Es folgen die Ermittlung und Beschreibung der entscheidungserheblichen Unterlagen66, die Behördenbeteiligung67 und die Öffentlichkeitsbeteiligung68. Die Ermittlung und Beschreibung der Umweltauswirkungen endet mit der zusammenfassenden Darstellung nach § 11 UVPG. Der letzte Schritt der Umweltverträglichkeitsprüfung besteht in der Bewertung der Umweltauswirkungen und Berücksichtigung bei der Entscheidungsfindung nach § 12 UVPG69. Laut Anlage zu § 3 UVPG ist die Umweltverträglichkeitsprüfung u.a. durchzuführen für: - Errichtung und Betrieb einer Anlage, die der Genehmigung in einem Verfahren unter Einbeziehung der Öffentlichkeit nach § 4 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bedarf und die im Anhang zu dieser Anlage aufgeführt ist, sowie die wesentliche Änderung der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs einer solchen Anlage, wenn von der Einbeziehung der Öffentlichkeit nach § 15 Abs. 2 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes nicht abgesehen wird und die Änderung erhebliche nachteilige Auswirkungen auf in § 2 Abs. 1 Satz 2 genannten Schutzgüter haben kann (Nr. 2); - Errichtung und Betrieb einer Deponie sowie die wesentliche Änderung einer solchen Anlage oder ihres Betriebes, die der Planfeststellung nach § 7 Abs. 2 des Abfallgesetzes bedürfen (Nr. 4).
65
BT-Drucks. 11/3919, S. 23.
66
§ 6 UVPG.
67
§§ 7, 8 UVPG; vgl. auch § 73 Abs. 2 VwVfG.
68
§ 9 Abs. 1 UVPG i.V.m. § 73 Abs. 3 - 7 VwVfG.
69
§ 12 UVPG.
I. Allgemeines
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4. Raumordnungsverfahren a) Grundlagen Die Programme und Pläne der Länder enthalten häufig zu Einzelprojekten nur ungenaue oder überhaupt keine Aussagen, weil die Landesplanung in Stufen zunehmender Konkretisierung erfolgt. Vor allem wenn Einzelprojekte erst nach der Aufstellung der Programme und Pläne geplant werden (oder wenn Programme und Pläne überhaupt fehlen), stellt sich die Frage, wie die Vorhaben in die Raumordnung eingepaßt und mit den sonstigen Fachplanungen abgestimmt werden können 70 . Zur Beantwortung der Frage dienen Raumordnungsverfahren als Vorstufe der Durchführungsplanung 7 1 . Die Raumordnungsverfahren bezwecken die Vermeidung von Fehlplanungen, die Abwehr oder Reduzierung von Eingriffen in schutzwürdige Bereiche sowie die Information anderer Planungsträger und nunmehr auch der Öffentlichkeit. Bundesrechtliche Grundlage der Raumordnungsverfahren war früher allein § 4 Abs. 5 ROG, der aber nur einen unverbindlichen Rahmen für die Landesgesetzgebung absteckte. Durch die Einfügung von § 6a ROG im Zuge der Novellierung von 1989 wurden die Flächenstaaten aber verpflichtet, Rechtsgrundlagen für das Raumordnungsverfahren zu schaffen. Zugleich wurde eine Umweltverträglichkeitsprüfung 1. Stufe in das Raumordnungsverfahren integriert. Die Neufassung des § 6a Abs. 1 ROG durch das Investitions- und Wohnbaulandgesetz ließ die Verpflichtung zur Durchführung einer stufenspezifischen Umweltverträglichkeitsprüfung indessen zu Recht wieder entfallen 72 . Lediglich die Kann-Bestimmung des § 16 Abs. 1 UVPG blieb beste-
70 Vgl. Ronellenfitsch, Energieversorgung und Raumordnung, WiVerw. 1985, 168 ff. (182). 71 72
Zur Terminologie Zoubek, Das Raumordnungsverfahren, 1978, S. 2.
Die Begründung des Regierungsentwurfs lautet: „Die Erfahrung hat gezeigt, daß die Verknüpfung des Raumordnungsverfahrens mit einer solchen Umweltverträglichkeitsprüfung nicht in jedem Fall geboten ist. Insbesondere die in § 6a erfolgte schematische Verbindung von Raumordnungsverfahren und Umweltverträglichkeitsprüfung wird den Erfordernissen der Praxis nicht gerecht. Dies gilt insbesondere, wenn die im Rahmen des Raumordnungsverfahrens durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung für ein nachfolgendes Zulassungsverfahren keine Bindungswirkung entfalten würde. Eine solche Bindungswirkung tritt beispielsweise nicht ein, wenn bei der raumordnerischen Begründung nicht gesondert - also unabhängig von der raumordnerischen Beurteilung - eine zusammenfassende Darstellung, Beschreibung, Bewertung der Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt einschließlich der Wechselwirkungen enthalten ist oder wenn beispielsweise einzelne Umweltaspekte im Hinblick auf die großmaßstäbliche Beurteilung der raumordnerischen Belange nicht geprüft wurden. Die Folge ist dann, daß die Umweltverträglichkeitsprüfung erneut durchzuführen ist einschließlich einer eventuell notwendigen Beteiligung der Öffentlichkeit. Dies ist
44
2. Abschnitt: Planungs- und Anlagenzulassungsrecht
hen. Darüber hinaus werden die Länder nicht gehindert, weitergehende Regelungen zu treffen bzw. bestehen zu lassen und Umweltverträglichkeitsprüfungen im Rahmen von Raumordnungsverfahren durchzuführen oder dies einem nachfolgenden Zulassungsverfahren zu überlassen. Daher ist einerseits nicht ausgeschlossen, daß die Länder das Raumordnungsverfahren in der Konzeption von 1989 mit integrierter Umweltverträglichkeitsprüfung beibehalten. Andererseits eröffnet § 6a Abs. 3 ROG Abweichungsmöglichkeiten vom Raumordnungsverfahren. In Baden-Württemberg ist das allgemeine Raumordnungsverfahren in § 13 LP1G geregelt. § 13 Landesgesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (LUVPG) vom 12. Dezember 1991 (GBl. S. 848) enthält eine dem § 16 Abs. 1 UVPG entsprechende Regelung. Die Pflicht zur Durchführung einer stufenspezifischen Umweltverträglichkeitsprüfung im Raumordnungsverfahren ist somit auch in Baden-Württemberg entfallen. Angesichts der negativen Erfahrungen mit der Konzeption des § 6a ROG von 1989 sollte auch BadenWürttemberg das Experiment einer in das Raumordnungsverfahren integrierten Umweltverträglichkeitsprüfung als gescheitert betrachten und den Status quo ante wiederherstellen. Hält man dagegen am Konzept eines Raumordnungsverfahrens mit integrierter Umweltverträglichkeitsprüfung fest, dann sollten vor einer endgültigen Neufassung des § 13 LP1G Erfahrungen mit dem gestrafften Raumordnungsverfahren gesammelt werden, wie es der Entwurf einer VwV-ROV vorsieht.
b) Anwendungsbereich Das Raumordnungsverfahren erfaßt raumbedeutsame Maßnahmen und Planungen im Sinne von § 3 Abs. 1 ROG. Auf der Grundlage von § 6a Abs. 2 Satz 1 hat die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Vorhaben bestimmt, für die wegen ihrer Raumbedeutsamkeit und möglicherweise erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt in der Regel ein Raumordnungsverfahren durchzuführen ist73.
als zu aufwendig befunden worden und wird auch von der Öffentlichkeit nicht verstanden. Insbesondere wird dadurch das Verfahren unangemessen verlängert, was notwendig werdende Investitionen verhindert" (BR-Drucks, 868/92, S. 143 f.). Vgl. auch Wagner, DVB1. 1993, 587 ff. 73
Verordnung zu § 6a Abs. 2 des Raumordnungsgesetzes (Raumordnungsverordnung - RoV) vom 12.12.1990 (BGBl. I S. 2766); vgl. auch BR-Drucks. 478/90.
II. Abfallrechtliche Fachplanung
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c) Zuständigkeit und Verfahren Zuständig für die Durchführung des Raumordnungsverfahrens ist die höhere Raumordnungsbehörde. Das Verfahren selbst wird von Amts wegen, sobald über seine Notwendigkeit innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Einreichung der erforderlichen Unterlagen entschieden wurde, eingeleitet. Ein Anspruch Privater oder von Gemeinden auf Einleitung besteht nicht 74 . Die Einholung der erforderlichen Angaben regeln die Länder (§ 6a Abs. 4 ROG). Zu beteiligen sind die öffentlichen Planungsträger 75 . Die Öffentlichkeit ist nach Maßgabe des Landesrechts einzubeziehen 76 . Nach Vorliegen der vollständigen Unterlagen ist das Raumordnungsverfahren innerhalb einer Frist von sechs Monaten abzuschließen 77 . Das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens ist ein verwaltungsinterner Vorschlag (gutachterliche Beurteilung, landesplanerische Stellungnahme), der bei der Entscheidung über die Zulassung des Vorhabens von der zuständigen Behörde im Rahmen des jeweiligen Fachplanungsverfahrens zu berücksichtigen ist78.
II. Abfallrechtliche Fachplanung 1. Überblick Die Abfallentsorgungsplanung ist als unechte mehrstufige Fachplanung konstruiert. Sie umfaßt die Abfallentsorgungspläne nach § 6 AbfG und die Zulassungsentscheidungen für die Entsorgungsanlagen. Die Abfallentsorgungspläne dienen hierbei als Vorstufe für die Planfeststellung oder Plangenehmigung.
2. Abfallentsorgungspläne Nach § 6 Abs. 1 AbfG stellen die Länder für ihren Bereich Pläne zur fallentsorgung nach überörtlichen Gesichtspunkten auf. Dadurch wird planerische Beschränkung auf Problemgebiete verhindert und über das stimmungsgebot eine länderübergreifende Abfallplanung ermöglicht.
74 75 76 77 78
BVerwG vom 21.2.1973, DVB1. 1973, 448 mit abl. Anm. Blümel. § 6a Abs. 4 Satz 1 ROG; § 13 Abs. 3 LP1G. § 6a Abs. 7 ROG. § 6a Abs. 8 Satz 2 ROG. § 6a Abs. 9 ROG.
Abdie AbAls
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2. Abschnitt: Planungs- und Anlagenzulassungsrecht
Mindestinhalt der Abfallentsorgungspläne sieht § 6 Abs. 1 AbfG die Festlegung geeigneter Standorte für die Abfallentsorgungsanlagen vor, die so genau angegeben werden müssen, daß sie in die Bauleitplanung übernommen werden können. Da die Standorteignung vom Anlagenkonzept abhängt, sind auch insoweit Festlegungen bundesgesetzlich vorgegeben. Im übrigen kommt es auf die Ausgestaltung der Abfallentsorgungsplanung durch den Landesgesetzgeber an. In Baden-Württemberg werden die Abfallentsorgungspläne nach § 1 0 Abs. 1 Gesetz über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen und die Behandlung von Altlasten in Baden-Württemberg vom 8. Januar 1990 (GBl. S. I)79 von der obersten Abfallrechtsbehörde im Einvernehmen mit der obersten Raumordnungs- und Landesplanungsbehörde aufgestellt. Der verbindliche Abfallentsorgungsplan ist gemäß § 10 Abs. 3 LAbfG ein fachlicher Entwicklungsplan in Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 LP1G. Für die Aufstellung und die Verbindlicherklärung gelten daher § 5 Abs. 2 - 5 , § 6 Abs. 1 - 3 und § 7 LP1G. Eine direkte Bürgerbeteiligung bei der Aufstellung des Abfallentsorgungsplans findet nicht statt. Dem Landtag ist jedoch Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die zu beteiligenden betroffenen Gemeinden und Landkreise verstehen sich zudem häufig als Interessenvertreter ihrer Bürger80. Außenwirkung entfalten die Abfallentsorgungspläne, wenn sie nach § 6 Abs. 1 LP1G als Rechtsverordnung für verbindlich erklärt werden.
3. Planfeststellung a) Allgemeines Bislang bedurften nach § 7 Abs. 1 Satz 2 AbfG die Errichtung und der Betrieb von ortsfesten Abfallentsorgungsanlagen sowie die wesentliche Änderung einer solchen Anlage oder ihres Betriebs der Planfeststellung durch die zuständige Behörde. Durch Art. 7 Nr. 1 Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz erhielt § 7 Abs. 1 AbfG folgende Fassung81: „Die Errichtung und der Betrieb einer ortsfesten Abfallentsorgungsanlage zur Lagerung oder Behandlung von Abfällen sowie die wesentliche Änderung einer solchen Anlage oder ihres Betriebs bedürfen der Genehmigung nach den Vor-
79
Zit.: LAbfG.
80
Vgl. Ronellenfitsch, DÖV 1989, 742.
81
Zur Übereinstimmung der Novelle mit der EG-Rahmen-Richtlinie über Abfälle 9 1 / 1 5 6 i.d.F. vom 18.3.1991 (ABl. EG Nr. L 78 S. 32 ff.) vgl. Fluck, Zum Abfallbegriff im europäischen, im geltenden und im werdenden deutschen Abfallrecht, DVB1. 1993, 590 ff.
II. Abfallrechtliche Fachplanung
47
Schriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes; einer weiteren Zulassung nach diesem Gesetz bedarf es nicht. § 6 findet Anwendung." Bereits begonnene Verfahren zur Zulassung von Abfallentsorgungsanlagen sind aber nach den Vorschriften des Abfallgesetzes und den auf das Abfallgesetz gestützten Rechtsverordnungen weiterzuführen, wenn das Vorhaben vor dem 1. Mai 1993 öffentlich bekanntgemacht worden ist. Für Deponien und sonst bereits mit Öffentlichkeitswirkung begonnene Abfallentsorgungsanlagen hat die abfallrechtliche Planfeststellung ihre Bedeutung behalten. Für das abfallrechtliche Planfeststellungsverfahren 82 sind nach § 7b AbfG die §§ 72 ff. VwVfG maßgeblich. Bei der Planfeststellung handelt es sich um eine mit bestimmten Rechtsfolgen versehene behördliche Feststellung eines Plans zur Errichtung konkreter Anlagen 83 . Als Besonderheiten der Planfeststellung gelten spezifische Wirkungen des Planfeststellungsbeschlusses. Wirkungen entfaltet ein Planfeststellungsbeschluß gegenüber dem Träger des Vorhabens, den Betroffenen und der Allgemeinheit. Ein Planfeststellungsbeschluß ersetzt alle an sich erforderlichen behördlichen Entscheidungen (Genehmigungen, Verleihungen, Erlaubnisse, Bewilligungen, Zustimmungen, Planfeststellungen) und regelt rechtsgestaltend alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger des Vorhabens und den durch den Bau Betroffenen (§ 75 Abs. 1 VwVfG). Ist der Planfeststellungsbeschluß unanfechtbar geworden, so sind Ansprüche auf Unterlassung des Vorhabens, auf Beseitigung oder Änderung der Anlagen oder auf Unterlassung ihrer Benutzung ausgeschlossen (§ 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG). Wesensmerkmal der Planfeststellung ist damit eine über die Zulassungswirkung hinausgreifende umfassende Konzentrations-, Gestaltungs- und Ausschlußwirkung. Die Durchführung der Planfeststellungsverfahren leidet
82 Hierzu Paetow, Zur Struktur der abfallrechtlichen Planfeststellung, in: FS für Sendler, 1991, S. 425 ff.; Hoppe/Beckmann, Planfeststellung und Genehmigung im Abfallrecht, 1990. 83 Blümel, Die Planfeststellung II, 1967, § 2, 1, S. 31; Blümel/Ronellenfitsch, Die Planfeststellung in der Flurbereinigung, 1975, S. 62; Ronellenfitsch, Die Planfeststellung, VerwArch. 1988, 92 ff. (93); ferner Breuer, Die hoheitliche raumgestaltende Planung, 1968, S. 61 ff.; Fickert, Planfeststellung für den Straßenbau, 1978, Nr. 1 Rn. 10; Hiddemann, Die Planfeststellung in der Flurbereinigung, 1970, S. 21 ff., 38; Karwath, Die Konzentrationswirkung der Planfeststellung nach dem Bundesfernstraßengesetz, 1968, S. 12 ff.; Kügel, Der Planfeststellungsbeschluß und seine Anfechtbarkeit, 1985, S. 28 f.; Kühling, Fachplanungsrecht, 1988, Rdnrn. 305 ff.; Manner, Die rechtsstaatlichen Grundlagen des Planfesstellungsverfahrens, Jur. Diss. München 1976, S. 2 ff.; Gerhard Meyer, Das Planfeststellungsrecht der Bundesbahn nach § 36 Bundesbahngesetz und sein Zusammentreffen mit Landesplanungsrecht, Jur. Diss. Köln 1960, S. 2 f; Busch, in: Knack, Verwaltungsverfahrensgesetz, vor § 72 Anm. 1 und 3.3.
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2. Abschnitt: Planungs- und Anlagenzulassungsrecht
häufig darunter, daß über die Reichweite der Konzentrationswirkung unterschiedliche Vorstellungen herrschen. Im Gegensatz zu den im Schrifttum entwickelten verwirrenden Theorien 84 vermeidet es die Rechtsprechung, sich festzulegen, da sich nicht pauschal sagen läßt, welches Verfahrensrecht und welche materiellrechtlichen Vorschriften beim Erlaß eines Planfeststellungsbeschlusses zu beachten sind. Auf alle Fälle müssen aber die Entscheidungszuständigkeiten bei der Planfeststellungsbehörde zusammengefaßt sein, wenn der Planfeststellungsbeschluß die nach anderen Gesetzen erforderlichen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen, Erlaubnisse, Bewilligungen, Zustimmungen und Planfeststellungen ersetzen soll (Zuständigkeitskonzentration) 85 . Darin erschöpft sich die Konzentrationswirkung in formeller Hinsicht freilich nicht, weil die Zuständigkeitskonzentration nicht durch Mitentscheidungsbefugnisse der verdrängten „an sich" zuständigen Behörden unterlaufen werden darf. Die „Theorie der Verfahrenskonzentration" 86 bleibt auf halbem Wege stehen. Auch in materieller Hinsicht konkurrieren das Fachplanungsrecht und das Recht der Einzelgesetze. Trifft das Fachplanungsrecht eine erschöpfende Regelung, wird auch das sachliche Recht der Einzelgesetze verdrängt. Allerdings ist das zumeist nicht der Fall. Auch lassen sich strikte Bindungen der Einzelgesetze nicht kurzerhand der planerischen Abwägung zuordnen und damit zur planerischen Disposition der Planfeststellungsbehörde stellen. Dennoch müssen die einfachgesetzlichen Regelungen daraufhin überprüft werden, ob sie zwingende Zulassungsvoraussetzungen für bestimmte Vorhaben normieren, ob sie Leitsätze für die Planung aussprechen oder ob sie nur sektorale Belange schützen, die im Rahmen der planerischen Abwägung lediglich mitzuberücksichtigen sind. Soweit sich die Einzelgesetze auf die planerische Abwägung beziehen, werden sie von der materiellen Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses erfaßt. Fachplanungsrecht und Enteignungsrecht sind eng miteinander verknüpft. So war das am Beginn des Planfeststellungsrechts stehende preußische Eisenbahngesetz als lex specialis im Verhältnis zum preußischen Enteignungsgesetz ausgestaltet. Eine Besonderheit der gemeinnützigen Planfeststellungsbeschlüsse ist seither weiterhin ihre enteignungsrechtliche Vorwirkung. Die
84
Vgl. Kügel, S. 45; Laubinger, Der Umfang der Konzentrationswirkung der Planfeststellung, VerwArch. 1986, 77 ff. 85 So Deppe, Die absorptiven Wirkungen der Planfeststellung im Bundesbahn- und Fernstraßengesetz und die bundesstaatliche Ordnung, Jur. Diss. Göttingen 1957, S. 26; Lang, Naturschutz und wasserrechtliche Planfeststellung, BayVBl. 1981, 679 ff. (681); Sieder/Zeitler, Bayerisches Straßen- und Wegegesetz. Kommentar, 3. Aufl. 1983 ff., Art. 36 Rdnr. 12. 86
So im Ergebnis Karwat, S. 78 ff.; Breuer, S. 93; Laubinger, VerwArch. 1986, 88 ff.
II. Abfallrechtliche Fachplanung
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Feststellung des Plans nach den Enteignungsgesetzen enthält als Teilakt der Enteignung den rechtsverbindlichen Ausspruch, daß bestimmte für das Vorhaben benötigte Grundstücksflächen der Enteignung unterworfen werden. Dieser Festsetzung ist der fachplanerische Planfeststellungsbeschluß zugrundezulegen. Der Planfeststellungsbeschluß ersetzt gewissermaßen den Enteignungsplan, weshalb bereits im Rahmen der Prüfung der Planrechtfertigung die Enteignungsvoraussetzungen mitzuprüfen sind. Im Enteignungsverfahren sind dann diese Fragen nicht mehr zu erörtern.
b) Zuständigkeit und Verfahren
Zuständig für die Planfeststellung als Planfeststellungs- und Anhörungsbehörde ist nach § 28 Abs. 4 LAbfG die höhere Abfallrechtsbehörde. Das förmliche Planfeststellungsverfahren beginnt damit, daß der Träger des Vorhabens den von ihm aufgestellten Plan bei der Anhörungsbehörde einreicht und so das Anhörungs verfahren einleitet87. Dritte - auch Naturschutz verbände - können die Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens selbst dann nicht erzwingen, wenn ihnen allein das Planfeststellungsverfahren Verfahrensrechte einräumt88. Das ist wichtig, wenn der Plan zu Unrecht unter Verzicht auf die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens genehmigt wurde. Die Anhörungsbehörde hat die Stellungnahmen der Drittbehörden, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird, einzuholen89. Daneben sorgt sie für die Öffentlichkeits- und Betroffenenbeteiligung. Im Regelfall wird die Öffentlichkeitsbeteiligung mit der Auslegung des Plans, in Ausnahmefällen mit der vereinfachten Bekanntmachung des Plans eingeleitet90. Die Auslegung findet für die Dauer eines Monats in den Gemeinden statt, in denen sich das Vorhaben voraussichtlich auswirken wird, und ist von diesen mindestens eine Woche vorher ortsüblich bekanntzumachen91. Die Berechnung der Auslegungsfrist erfolgt nach § 31 VwVfG i.V.m. § 187 Abs. 2
87
§ 73 Abs. 1 Satz 1 VwVfG. BVerwG, Urt. vom 22.2.1980 - 4 C 24.77, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 33; Urt. vom 8.10.1976 - VII C 24.73, Buchholz 442.01 § 28 PBefG Nr. 3 S. 6; Urt. vom 14.12.1973 - IV C 50.71, BVerwGE 44, 235 (240 f.); Broß, VerwArch. 1985, 337 ff. 88
89
§ 73 Abs. 2 VwVfG.
90
§ 73 Abs. 3 VwVfG.
91
§ 73 Abs. 5 VwVfG.
4 Ronellenfitsch
50
2. Abschnitt: Planungs- und Anlagenzulassungsrecht
BGB 9 2 . Die Einsichtnahme darf auf die für den Publikumsverkehr festgesetzten Amtsstunden beschränkt werden 93 . Bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist kann jeder, dessen eigene Belange durch das Vorhaben berührt werden, Einwendungen gegen den Plan erheben. Einwendungen sind „sachliches, auf die Verhinderung oder Modifizierung des beantragten Vorhabens abzielendes Gegenvorbringen", nicht dagegen der unspezifizierte Protest 94 . Eine Popularbeteiligung ist im allgemeinen Planfeststellungsrecht nicht vorgesehen. Für anerkannte Naturschutzverbände gibt es Sonderregelungen 95 . Die Einwendungsfrist hat Präklusionswirkung. Nach h.L. besteht bei der abfallrechtlichen Planfeststellung nur eine formelle Präklusion. Den Materialien zu § 73 Abs. 6 V w V f G kann in der Tat entnommen werden, daß der Gesetzgeber nur eine formelle Präklusion regeln wollte 96 . Dennoch bedeutet dies im Verhältnis etwa zur immissionsschutzrechtlichen Genehmigung einen Systembruch. Zum Ärgernis gerät leider häufig der weiter durchzuführende Erörterungstermin, der nach Ablauf der Einwendungsfrist stattfindet 97 . Hier erörtert die Anhörungsbehörde die rechtzeitig erhobenen und die zugelassenen verspäteten Einwendungen gegen den Plan und die Stellungnahmen der Behörden zu dem Plan mit dem Träger des Vorhabens, den Behörden, den Betroffenen sowie den sonstigen Einwendern (§ 73 Abs. 6 V w V f G ) . Über Sinn und Zweck solcher Termine herrschen die unterschiedlichsten Vorstellungen 98 . Verhandlungsleiter neigen oft dazu, die Einwender wie Zeugen zu vernehmen, den Einwendungsstoff zu strukturieren und Einwender nur zu den Themenkomplexen zuzulassen, zu denen sich die Einwender geäußert haben 99 . Der Informationsfluß ist dann einseitig, was zur mangelnden Befriedungsfunktion der Erörterungstermine und damit zu Akzeptanzdefiziten bei-
92 93
Vgl. GmS-OBG, Beschl. vom 6.7.1972 - GmS-OBG 2/71, BVerwGE 40, 363. BVerwG, DVB1. 1981, 99.
94 Vgl. auch Papier, Einwendungen Dritter in Verwaltungsverfahren, NJW 1980, 313 ff. (315 f.). 95 Zur Verbandsbeteiligung nach § 29 BNatSchG und den vergleichbaren landesrechtlichen Regelungen BVerwG vom 14.9.1987 - 4 B 178, 87, Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 149; vom 18.12.1987 - 4 C 9.86, BVerwGE 78, 347; Hess. VGH, Urt. vom 5.5.1987 - 2 UE 467/86, Beschl. vom 9.3.1988 - 3 NB 3703 und 3735/87; Beschl. vom 11.7.1988 - 2 TH 740/88. 96 97
Vgl. BT-Drucks. 7/910, S. 88.
Vgl. hierzu Ronellenfitsch, S. 342 ff.
Das atomrechtliche Genehmigungsverfahren, 1982,
98
Vgl. Lang, Funktionen und Rechtsgrundlagen der Öffentlichkeitsbeteiligung (Maschinenschrift), 1985. 99
Vgl. auch § 12 Abs. 2 AtVfV.
II. Abfallrechtliche Fachplanung
51
trägt. Abgeschlossen wird das Anhörungsverfahren durch eine Stellungnahme der Anhörungsbehörde zum Ergebnis des Verfahrens, welche möglichst innerhalb eines Monats nach Beendigung des Erörterungstermins mit dem Plan, den Stellungnahmen der Drittbehörden und den nicht erledigten Einwendungen der Planfeststellungsbehörde zugeleitet werden soll100. Übersicht
Verfahrensabschnitte des Anhörungsverfahrens Einreichung des Plans bei der Anhörungsbehörde § 73 Abs. 1 Satz 1 VwVfG
l
Bekanntgabe des Plans an • Drittbehörden • Betroffene • die interessierte Allgemeinheit § 73 Abs. 2 - 5 VwVfG
l
Erörterung der behördlichen Stellungnahmen und der Einwendungen Privater im Erörterungstermin § 73 Abs. 6 VwVfG
l
Stellungnahme der Anhörungsbehörde § 73 Abs. 9 VwVfG
c) Entscheidung
Die Feststellung des Plans erfolgt durch den Planfeststellungsbeschluß101. Ihn erläßt die Planfeststellungsbehörde, ohne an die Stellungnahmen der Anhörungsbehörde gebunden zu sein. Der Planfeststellungsbeschluß ist zu versagen, wenn einer der in § 8 AbfG genannten Gründe vorliegt. Im übrigen ist der Planfeststellungsbeschluß das
100 101
§ 73 Abs. 9 VwVfG. § 74 Abs. 1 Satz 1 VwVfG.
52
2. Abschnitt: Planungs- und Anlagenzulassungsrecht
Ergebnis eines Planungsprozesses 102 . Planungen dienen dazu, unterschiedliche Interessen zu gestalten, setzen daher planerische Gestaltungsfreiheit voraus103. Die Gestaltungsfreiheit schwächt die gerichtliche Kontrolle von Planungsentscheidungen, läßt sie aber nicht völlig entfallen. Denn Planungsentscheidungen berühren nicht nur das Gemeinwohl. Auf der Grundlage von gemeinnützigen Planfeststellungsbeschlüssen darf vielmehr sogar - notfalls mit enteignender Wirkung - in Rechte Dritter eingegriffen werden. Die planerische Gestaltungsfreiheit findet von daher ihre Schranken. Jede Planung muß erforderlich sein (Planrechtfertigung) und ist weiteren justiziablen Bindungen unterworfen. Neben den formellen Bindungen 104 sind inhaltliche Schranken für die planerische Gestaltungsfreiheit 105 : (1) (2) (3) (4)
der Zweck der jeweiligen Planung die Planungsleitsätze, -richtlinien oder -grundsätze das Abwägungsgebot das Abstimmungsgebot.
Im Planfeststellungsbeschluß entscheidet die Planfeststellungsbehörde über die nach dem Planfeststellungsverfahren noch strittigen Einwendungen. Sie hat ferner dem Träger des Vorhabens Vorkehrungen oder die Errichtung von Anlagen aufzuerlegen, die zum Wohl der Allgemeinheit oder zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer erforderlich sind106. Der Planfeststellungsbeschluß selbst ist ein rechtsgestaltender Verwaltungsakt, der grundsätzlich schriftlich erlassen und begründet sowie förmlich zugestellt und unter Wahrung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung bekanntgemacht werden muß. Wird mit der Durchführung des Planes nicht binnen fünf Jahren nach Eintritt der Unanfechtbarkeit begonnen, so tritt er außer Kraft 107 . Planänderungen vor Fertigstellung des Vorhabens bedürfen regelmäßig eines neuen Verfahrens. Nur bei unwesentlichen Änderungen gibt es Erleichterungen. Die Änderung eines ausgelegten oder festgestellten Planes erfordert nur dann eine erneute Betroffenenbeteiligung,
102
Aufschlußreich ist hier insbesondere die betriebswirtschaftlich orientierte Planungstheorie, die die Grobphasen der Planung herausgearbeitet hat; vgl. Wild, Grundlagen der Unternehmensplanung, 1974, S. 148 ff. 103 Grundsatzentscheidung: BVerwG, Urteil vom 12.12.1969, BVerwGE 34, 301. Der Senat führt aus, daß die Befugnis zur Planung „einen mehr oder weniger ausgedehnten Spielraum an Gestaltungsfreiheit einschließt und einschließen muß, weil Planung ohne Gestaltungsfreiheit ein Widerspruch in sich wäre." 104 Stichwort: Grundrechtsschutz durch Organisation und Verfahren. 105 Überblick bei Kiihling, Fachplanungsrecht, Rdnrn. 156 ff. 106 § 74 Abs. 2 Satz 1 und 2 VwVfG; § 8 Abs. 1 Satz 1 AbfG. 107 § 75 Abs. 4 VwVfG.
II. Abfallrechtliche Fachplanung
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wenn die Betroffenen nunmehr per saldo stärker in ihren Rechten berührt werden 108 .
4. Plangenehmigung Der Planfeststellungsbeschluß ist nicht die einzige Zulassungsform für Fachplanungen. In Ausnahmefällen kann der Zweck des Planfeststellungsverfahrens auch auf einfachere Weise erreicht werden. Zulässig ist dann ein Verzicht auf Planfeststellung 109 . Der Verzicht impliziert immer die fachplanerische Zulassung, ist also eine Genehmigungsentscheidung. § 7 Abs. 2 AbfG a.F. sah die an die Stelle eines Planfeststellungsbeschlusses tretende Plangenehmigung ausdrücklich vor. In der Praxis kam bisher dieser Zulassungsform nur geringe Bedeutung zu, weil ihr überwiegend die Konzentrationswirkung abgesprochen wurde 110 . § 7 Abs. 2 AbfG wurde als neuer Absatz 3 durch das Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz dem Wortlaut nach beibehalten 111 . Mehr oder weniger absichtlich könnte aber eine gravierende qualitative Veränderung eingetreten sein, wenn aus der Planungsentscheidung unter der Hand eine echte Unternehmergenehmigung wurde. Hierfür spricht, daß sich das Plangenehmigungsverfahren nach § 7 Abs. 3 AbfG n.F. nach dem Willen des Gesetzgebers nunmehr nach § 19 BImSchG i.V.m. der 9. BImSchV 112 richten soll113. Das ist konsequent, wenn man es mit der Abgrenzung von „Ablagerung" und „Lagerung" von Abfällen nicht so streng nimmt und auch Deponien unter die Spalte 2 der Nummern 8.9 bis 8.11 des Anhangs zur 4. BImSchV 114 fallen läßt. Was dann aber § 7 Abs. 3 AbfG n.F. überhaupt noch soll, bleibt fraglich. Der Grundgedanke, daß bei Deponien eine planerische Abwägung stattzufinden hat, wird jedenfalls aufgegeben. Die Genehmigung nach § 7 Abs. 3 AbfG blieb daher wohl eher eine echte abfallrechtliche Genehmigung, auf die die Verfahrensvorschriften des vereinfachten immissionsschutzrechtlichen Verfahrens allenfalls sinngemäß anwendbar sind. Auch wer dieser Interpretation
108
Ronellenfitsch, Einführung, S. 113.
109
Hierzu Ronellenfitsch,
Verzicht auf Planfeststellung, Die Verwaltung 1990, 323
ff. 110
Vgl. Ronellenfitsch, DÖV 1989, 747 mit Fußn. 139.
111
Vgl. BR-Drucks. 868/92, S. 157: „Absatz 3 entspricht im wesentlichen dem bisherigen § 7 Abs. 2 AbfG." 112
Vgl. unten mit Fußn. 121.
113
Das hat der Gesetzgeber klar erkannt; vgl. BT-Drucks. 12/4340.
114
Vgl. unten mit Fußn. 116.
54
2. Abschnitt: Planungs- und Anlagenzulassungsrecht
nicht folgen möchte, muß einräumen, daß im Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz - bezogen auf die Plangenehmigung - die Abstimmung von Abfallrecht und Immissionsschutzrecht nicht gelungen ist. Insoweit besteht Nachbesserungsbedarf.
III. Immissionsschutzrechtliche Genehmigung 1. Überblick Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung nach den §§ 4 ff. BImSchG ist an die Stelle der klassischen gewerberechtlichen Unternehmergenehmigung nach den §§ 16 ff. GewO getreten, die immer schon den Rahmen des Gewerberechts sprengte, weil sie nicht auf den Zweck, sondern auf das Gefährdungspotential sog. lästiger Anlagen abstellte 115 . Ähnlich wie früher im Gewerberecht werden die genehmigungsbedürftigen Anlagen im Gesetz selbst nur allgemein definiert (§ 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG). Welche Anlagentypen im einzelnen dem Genehmigungserfordernis unterliegen, regelt die auf der Grundlage von § 4 Abs. 1 Satz 3 BImSchG erlassene 4. BImSchV 116 . Die Änderungen des Abfallrechts durch das Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz fanden in Nr. 8 der 4. BImSchV ihren Niederschlag. Die Investitionserleichterung ist jedoch insofern noch unzulänglich, als es der Verordnunggeber bislang versäumt hat, durch die Einführung von Schwellenwerten den Anwendungsbereich förmlicher immissionsschutzrechtlicher Verfahren zu begrenzen. Der fachplanerische Einschlag der immissionsschutzrechtlichen Unternehmergenehmigung läßt sich aus den Betreiberpflichten des § 5 Abs. 1 BImSchG und aus § 6 Nr. 2 BImSchG ableiten. Sofern Planungsbedarf besteht, können emittierende Anlagen in eine mehrstufige Planung integriert werden. Bei den Abfallentsorgungsanlagen, die künftig nach dem BImSchG zu genehmigen sind, findet weiterhin § 6 AbfG Anwendung.
115 Die neue Fassung des § 4 Abs. 1 BImSchG legt erfreulicherweise die gewerberechtlichen Wurzeln des Immissionsschutzrechts wieder offen, auch wenn man über die Regelung in der Sache streiten mag. Ähnlich wie im Gentechnikrecht werden Anlagen, die nicht gewerblichen Zwecken dienen und die nicht im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden, der Genehmigungspflicht nur unterworfen, wenn sie in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen oder Geräusche hervorzurufen. Bei Anlagen zu Forschungszwecken schlägt somit die Quantität in Qualität um.
"'Zuletzt geändert durch Art. 9 Investitionserleichterungs- und Wohnungsbaulandgesetz.
III. Immissionsschutzrechtliche Genehmigung
55
2. Fachliche Entwicklungspläne Großvorhaben nach dem BImSchG, die für das Land von Bedeutung sind, können in Baden-Württemberg zum Gegenstand fachlicher Entwicklungspläne gemacht werden (§ 4 Abs. 1 Satz 2 LP1G). Zu denken ist in erster Linie an die Aufstellung von Standortsicherungsplänen"7. Auf der Ebene der Regionalplanung können Schwerpunkte für Industrie und Dienstleistungseinrichtungen ausgewiesen werden. Die Abfallentsorgungspläne haben auch dann die Wirkungen fachlicher Entwicklungspläne, wenn die Abfallentsorgungsanlagen immissionsschutzrechtlich zu genehmigen sind. Damit sind diese Abfallentsorgungsanlagen praktisch privilegierte Fachplanungen geblieben.
3. Genehmigung a) Gegenstand und Voraussetzungen Genehmigungspflichtig sind die Errichtung und der Betrieb der in der 4. BImSchV aufgeführten Anlagen. § 15 Abs. 1 Satz 1 BImSchG dehnt die Genehmigungspflicht auf die wesentliche Änderung der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs der genehmigungsbedürftigen Anlagen aus. Nach § 6 BImSchG ist die Genehmigung zu erteilen, wenn sichergestellt ist, daß die sich aus § 5 BImSchG und einer auf Grund des § 7 BImschG erlassenen Rechtsverordnung118 ergebenden Pflichten erfüllt werden und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen. In § 5 BImSchG sind das Schutz-, Vorsorge- und Entsorgungsprinzip statuiert. Schon das Schutzprinzip (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) ist auf Konkretisierung durch untergesetzliche Regelwerke angelegt (§ 48 BImSchG)" 9 . Im Zusammenhang mit dem Vorsorgegrundsatz (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG) verweist das Gesetz selbst auf den „Stand der Technik"120. Die Verordnungen nach § 7 BImSchG, die all-
117 § 4 Abs. 1 Satz 3 LP1G. Erinnert sei an den seinerzeit durch Verordnung vom 6.7.1976 (GBl. 1976, 545) verbindlich gemachten Fachlichen Entwicklungsplan „Kraftwerkstandorte"; hierzu Ronellenfitsch, Energieversorgung und Raumordnung, WiVerw. 1985, 168 ff. (174 f.). 1,8 Vgl. die Störfall-Verordnung (12. BImSchV) i.d.F. der Bek. vom 20.9.1991 (BGBl. I S. 1891) und die Verordnung über Großfeuerungsanlagen (13. BImSchV) vom 22.6.1983 (BGBl. I S. 719); hierzu Bender/Sparwasser, Umweltrecht, 2. Aufl. 1990, Rdnrn. 327 ff. 119 Vgl. TA Luft und TA Lärm; hierzu Bender/Sparwasser, auch BVerwG vom 24.9.1992, DÖV 1993, 255. 120
Legaldefinition in § 3 Abs. 6 BImSchG.
Rdnrn. 260 ff.; vgl.
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2. Abschnitt: Planungs- und Anlagenzulassungsrecht
gemeinen Verwaltungsvorschriften und die technischen Regelwerke, die von Antragsteller und Genehmigungsbehörde zu beachten sind, sind kaum noch überschaubar.
b) Zuständigkeit und Verfahren
Die Genehmigungsbehörden werden nach Landesrecht bestimmt. Rechtsgrundlagen des Verfahrens sind die §§ 9 - 1 4 , 19 BImSchG und die 9. BlmSchV121. Das förmliche Verfahren beginnt nach einer beratenden Vorlauf phase122 mit der Antragstellung und Einreichung der erforderlichen Unterlagen. Bei UVP-pflichtigen Vorhaben hat die Genehmigungsbehörde den Träger des Vorhabens über den voraussichtlichen Untersuchungsrahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung und über Art und Umfang der voraussichtlich beizubringenden Unterlagen zu unterrichten123. An dieser Stelle ist dem Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen Rechnung zu tragen, ohne Vorgaben des EG-Umweltrechts zu überdehnen124. Bei Anlagen, die der Störfall-Verordnung unterfallen, ist auch eine Sicherheitsanalyse beizufügen125. Einzelheiten der Einleitungsphase regeln die § § 2 - 7 der 9. BlmSchV. Sobald die zur Auslegung erforderlichen Unterlagen vollständig sind, wird das Vorhaben in dem amtlichen Veröffentlichungsblatt und außerdem in örtlichen Tageszeitungen, die im Bereich des Standortes der Anlage verbreitet sind, öffentlich bekannt gemacht126. Wie weit dieser Bereich reicht, ist unklar. Gemeint sein kann nach Sinn und Zweck der Vorschrift nur der voraussichtliche Einwirkungsbereich der Anlage127. Nach der Bekanntmachung beginnt - regelmäßig nach einer Woche128 - die einmonatige Auslegungs-
121
Verordnung über das Genehmigungsverfahren i.d.F. der Bek. vom 29.5.1992 (BGBl. I S. 1001) zuletzt geändert durch Verordnung vom 20.4.1993 (BGBl. I S. 494). 122
§ 2 Abs. 2 der 9. BImSchV.
123
§ 2a Abs. 1 Satz 3 der 9. BImSchV.
124
Zu weitgehend wohl von Schwanenflügel, Die Richtlinie über den freien Zugang zu Umweltinformationen als Chance für den Umweltschutz, DÖV 1993, 95 ff.; vgl. auch Knemeyer, Wahrung von Betrieb- und Geschäftsgeheimnissen bei behördlichen Umweltinformationen, DB 1993, 721 ff. 125
§ 4b Abs. 2 der 9. BImSchV.
126
§ 10 Abs. 3 Satz 1 BImSchG; § 8 Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV.
127
Seilner, Immissionsschutzrecht und Industrieanlagen, 2. Aufl. 1988, Rdnr. 134.
128
§ 9 Abs. 2 der 9. BImSchV.
III. Immissionsschutzrechtliche Genehmigung
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phase. Auszulegen sind der Antrag und die beigefügten Unterlagen zu den Auswirkungen der Anlage sowie ggf. zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bzw. Ersatzunterlagen im Sinn des § 4b Abs. 3 der 9. BImSchV. Die Auslegung erfolgt bei der Genehmigungsbehörde, bei einer geeigneten Stelle in der Nähe des Standorts des Vorhabens und bei UVPpflichtigen Vorhaben in den Gemeinden, in denen sich das Vorhaben voraussichtlich auswirkt129. In den Antrag und in die Unterlagen ist während der Dienststunden Einsicht zu gewähren130. Auf Anforderung eines Dritten ist diesem eine Abschrift oder Vervielfältigung der Kurzbeschreibung zu überlassen131. Spätestens gleichzeitig mit der öffentlichen Bekanntmachung des Vorhabens werden die nach § 10 Abs. 5 BImSchG zu beteiligenden Behörden aufgefordert, für ihren Zuständigkeitsbereich eine Stellungnahme zu den Genehmigungsvoraussetzungen innerhalb einer Frist von einem Monat abzugeben132. In der Praxis besteht die Neigung, das Kriterium der in „ihrem Aufgabenbereich berührten" Behörden weit auszulegen und vorsorglich alle in Frage kommenden Behörden zu beteiligen. Die grenzüberschreitende Behördenbeteiligung bei UVP-pflichtigen Vorhaben regelt § I I a der 9. BImSchV. Bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist ist jedermann befugt, bei der Genehmigungsbehörde oder bei der Stelle, bei der Antrag und Unterlagen zur Einsicht ausliegen, schriftlich Einwendungen gegen das geplante Vorhaben zu erheben. Die Einwendungsfrist hat materielle Präklusionswirkungl33, was bei mehrpoligen Rechtsverhältnissen verfassungsrechtlich unabweisbar ist. Folgerichtig sind die Einwendungen dem Antragsteller und den nach § 11 der 9. BImSchV beteiligten Behörden bekanntzugeben134. Nach Ablauf der Einwendungsfrist findet auch im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren ein Erörterungstermin statt, der in den §§ 1 4 - 1 9 der 9. BImSchV näher geregelt ist. Er dient nicht nur dazu, den Einwendern rechtliches Gehör zu gewähren, sondern soll dazu beitragen, Mißverständnisse auszuräumen und Akzeptanz zu schaffen.
129 § 10 Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV; § 9 Abs. 1 Satz 2 UVPG i.V.m. § 73 Abs. 3 Satz 1 VwVfG. 130 § 10 Abs. 1 Satz 4 der 9. BImSchV. 131 § 10 Abs. 2 der 9. BImSchV. 132 § 11 BImSchV. 133 § 10 Abs. 3 Satz 4 BImSchG. Hierzu unten 4. Abschnitt III.4.c.cc. 134 § 12 Abs. 2 Satz 1 der 9. BImSchV.
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2. Abschnitt: Planungs- und Anlagenzulassungsrecht
Im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG, welches durch Rechtsverordnung für Anlagen bestimmter Art und bestimmten Umfangs einschließlich der Abfallentsorgungsanlagen vorgeschrieben werden kann, ist die Öffentlichkeitsbeteiligung reduziert. Dadurch entfallen aber auch die Mitwirkungslasten der Betroffenen; die Vorschriften über die Präklusion und den Ausschluß privatrechtlicher Abwehransprüche gelten nicht. Bei kontroversen Vorhaben, die letztlich doch in eine gerichtliche Auseinandersetzung einmünden, stellt sich daher der Antragsteller günstiger, wenn ein förmliches Verfahren durchgeführt wird. Deshalb räumt ihm § 19 Abs. 3 BImSchG ein Wahlrecht bezüglich der Verfahrensart ein.
c) Entscheidung Sind alle Umstände ermittelt, so hat die Genehmigungsbehörde nicht nur unverzüglich zu entscheiden (§ 20 Abs. 1 der 9. BImSchV). Vielmehr ist jetzt über den Genehmigungsantrag nach Eingang des Antrags und der einzureichenden Unterlagen innerhalb einer Frist von sieben Monaten, im vereinfachten Verfahren innerhalb einer Frist von drei Monaten, zu entscheiden135. Die immissionsschutzrechtliche Unternehmergenehmigung ist trotz ihres planungsrechtlichen Einschlages ein gebundener Verwaltungsakt. Liegen die Genehmigungsvoraussetzungen vor, so besteht ein Rechtsanspruch auf die Genehmigung. Dies gilt auch dann, wenn eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist (§ 10 Abs. 10 Satz 2 BImSchG) 136 . Die Genehmigung kann unter Bedingungen und Auflagen erteilt werden 137 . Befristung und wohl auch Widerrufs vorbehält setzen einen entsprechenden Antrag voraus. Inhaltliche Beschränkungen und modifizierende Auflagen sind ebenfalls möglich138. Nachträgliche Nebenbestimmungen bedeuten in der Sache eine Teilaufhebung der ursprünglichen Genehmigung und sind nur unter den engen Voraussetzungen des § 17 BImSchG zulässig. Die Genehmigung entfaltet in dem durch § 13 BImSchG bezeichneten Umfang Konzentrationswirkung und gemäß § 14 BImSchG Ausschlußwirkung gegenüber privatrechtlichen Abwehransprüchen. Sie kann als Vollge-
135
§ 10 Abs. 6a BImSchG. Hierzu unten 3. Abschnitt II.2. Die von der Fraktion der GRÜNEN erfolglos angestrebte Einführung des Versagungsermessens (vgl. BT-Drucks. 11 / 5242) wäre verfassungswidrig gewesen. 137 § 12 Abs. 1 BImSchG. 138 Hierzu Pietzner/Ronellenfltsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, 8. Aufl. 1993, § 9 Rdnr. 10 ff. 136
IV. Gerichtliche Kontrolle
59
nehmigung erteilt werden oder - im gestuften Verfahren - als Teilgenehmigung oder Vorbescheid 139 . Die stufenförmige Planung 140 dient dazu, die bei einer Planung auftretenden Probleme schrittweise abzuarbeiten. Solche Probleme können sich aus der inner- und zwischenbehördlichen Koordination ergeben, aber auch auf das Außenverhältnis ausstrahlen. Echte gestufte Verfahren liegen nur vor, wenn auf der jeweiligen Stufe eine rechtlich verbindliche außen wirksame Regelung getroffen werden kann. Der Regelungsgehalt der Stufenentscheidung, insbesondere Rechtsnatur und Bindungswirkung des sog. vorläufigen Gesamturteils, sind auch nach dem Wyhl-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Dezember 1985141 noch nicht vollständig geklärt 142 . Der genehmigungsrechtliche und privatrechtliche Bestandsschutz wird im Falle notwendiger Erweiterungsbauten um einen eigentumsrechtlichen Bestandsschutz ergänzt 143 . Wegen der Möglichkeiten des vorzeitigen Beginns wird auf die Darstellung in der Vorstudie verwiesen.
IV. Gerichtliche Kontrolle 1. Problemstellung Der „legale Widerstand" gegen geplante Anlagen ist besonders wirksam. Gerichtliche Auseinandersetzungen können selbst rechtmäßige Vorhaben so lange verzögern, bis diese praktisch gegenstandslos geworden sind. Je nach Intensität der gerichtlichen Kontrolle der administrativen Zulassungsentscheidungen wird zudem massiv in die planerische Gestaltungsfreiheit der Vorhabenträger eingegriffen. Auch wenn man dem effektiven Rechtsschutz der Betroffenen gegen rechtswidrige Vorhaben den gebührenden Rang einräumt, ist nicht einzusehen, wieso manche Vorhaben über mehr als ein Jahrzehnt in
139
§§ 8, 9 BImSchG.
140
Hierzu Ronellenfitsch, Luftverkehrsrechtliches Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren, in: Blümel (Hrsg.), Die Vereinheitlichung des Verwaltungsverfahrensrechts, 1984, S. 125 ff. (135 ff.). Weitere Nachw. unten Fußn. 177. 141
BVerwGE 72, 300.
142
Vgl. Lothar Rudolph, Das vorläufige Gesamturteil im atom- und immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren, Jur. Diss. Göttingen 1991. 143 Ronellenfitsch, Bestandsschutz, in: Ossenbühl (Hrsg.), Eigentumsgarantie und Umweltschutz, 1990, S. 21 ff. (S. 25 ff. m.w.N.); Claudia Hülsebusch, Nachträgliche Anordnungen gem. § 17 Abs. 1 BImSchG unter eigentumsrechtlichen Gesichtspunkten, Jur. Diss. Bonn 1989.
60
2. Abschnitt: Planungs- und Anlagenzulassungsrecht
die Länge gezogen werden können. Klärungsbedürftig ist folglich, welche Gesichtspunkte für die gerichtliche Verfahrensdauer verantwortlich sind.
2. Individualrechtsschutz a) Konzeption der VwGO Als sich die deutsche Verwaltungsgerichtsbarkeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von einem Rechtsschutz auf dem Gebiet der Verwaltung zu einem Rechtsschutz durch besondere Verwaltungsgerichte entwickelte144, konkurrierten hinsichtlich der Ausgestaltung des Rechtsschutzes das der objektiven Rechtskontrolle verpflichtete preußische System145 mit der süddeutschen Lehre, für die der Schutz der Individualrechte im Vordergrund stand 146 . Spätestens mit Inkrafttreten des Grundgesetzes und Erlaß der VwGO ist die Entscheidung zugunsten der süddeutschen Lehre, d.h. zugunsten des Individualrechtsschutzes, gefallen147. Die Generalklausel des § 40 Abs. 1 VwGO führte zugleich zu einer Akzentverschiebung. Die Verwaltungsgerichte hatten nicht nur Rechtsschutz gegen enumerativ aufgeführte Maßnahmen der Verwaltung zu gewähren, sondern wurden zuständig in „allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art". Damit wurde die bipolare Sichtweise (Verwaltung / Bürger) verlassen und die Möglichkeit mehrpoliger Rechtsstreitigkeiten eröffnet. Die Zulassung von sog. „Drittinteressentenklagen", namentlich von Nachbarklagen, bedeutet zwar die konsequente Fortentwicklung des verwaltungsgerichtlichen Indivi-
144
Vgl. Seilmann, Der Weg zur neuzeitlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit — ihre Vorstufen und dogmatischen Grundlagen, in: Külz/Naumann (Hrsg.), Staatsbürger und Staatsgewalt, Bd. I, 1963, S. 25 ff.; Ritfher, Die Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, in: Jeserich/Pohl/von Unruh (Hrsg.); Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. II, 1984, S. 909 ff.; Bd. III, 1984, S. 678 ff.; Bd. IV, 1985, S. 1099 ff.; ders., Verwaltungsrechtsschutz in Preußen im 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: FS für Menger, 1985, S. 3 ff. 145 Gneist, Der Rechtsstaat, 1. Aufl. 1872, S. 270 f.; Zorn, Zum Problem der Verwaltungsgerichtsbarkeit, FS für Paul Krüger, 1911, S. 511 ff. 146 Grundlegend von Sarwey, Das öffentliche Recht und die Verwaltungsrechtspflege, 1880, S. 73, 79, 496; G. Meyer, Lehrbuch des Deutschen Verwaltungsrechts I, 1893, S. 46. 147 Schon vorher in diesem Sinne Bettermann, Verwaltungsakt und Richterspruch, in. GedS für W. Jellinek, 1955, S. 361 ff.; Menger, Rechtssatz, Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, DÖV 1955, 587 ff.; Becker/Rumpf, Verwaltung und Verwaltungsrechtsprechung, VVDStRL 14 (1956), 96 ff. (114); 136 ff. (159). Zusammenfassend Krebs, Subjektiver Rechtsschutz und objektive Rechtskontrolle, in: FS für Menger, 1985, S. 191 ff.
IV. Gerichtliche Kontrolle
61
dualrechtsschutzes; sie darf aber nicht über das Ziel hinausschießen. Entfernt sich das Interesse des Dritten (etwa von Naturschutzverbänden) vom subjektiven Recht, droht ein anachronistischer Rückfall in das objektive Beanstandungsverfahren.
b) Ausgestaltung Der Gesichtspunkt des subjektiven Rechtsschutzes kommt in der VwGO in zweifacher Hinsicht zum Ausdruck. - Erstens sind nach § 42 Abs. 2 VwGO Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen regelmäßig nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Das in der Klagebefugnism verankerte Erfordernis der eigenen Rechtsverletzung bedeutet den Ausschluß von Popularklagen149. Ist der angefochtene Verwaltungsakt bzw. ist die Ablehnung oder Unterlassung des begehrten Verwaltungsakts rechtswidrig, so gibt das Gericht der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage nur statt, wenn der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist ( § 1 1 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 VwGO). - Zweitens muß für jede Verfahrenshandlung ein allgemeines Rechtsschutzbedürfiiis bestehen150. Dadurch sollen Gerichte und Prozeßgegner (Arglistverbot151) vor überflüssigen, nutzlosen und mutwilligen Prozessen bewahrt werden. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt demnach, wenn der Kläger oder Antragsteller sein prozessuales Ziel sachgerechter erreichen könn-
148 BVerwG vom 6.10.1964, BVerwGE 19, 269. Zur dogmatischen Einordnung der Klagebefugnis vgl. Bettermann, Klagebefugnis und Aktivlegitimation im Anfechtungsprozeß, in: Staatsbürger und Staatsgewalt, Bd. II, 1963, S. 449 ff.; Skouris, Verletztenklage und Interessentenklage im Verwaltungsprozeß, 1979, Neumeyer, Die Klagebefugnis im Verwaltungsprozeß, 1979; Gierth, Klagebefugnis und Popularklage, DÖV 1980, 893 ff.; Achterberg, Die Klagebefugnis — eine entbehrliche Sachurteilsvoraussetzung?, DVB1. 1981, 278 ff.; Schröder, Die Klagebefugnis bei Anfechtungsund Normenkontrollklagen, JA 1981, 619 ff.; Rupp, Kritische Bemerkungen zur Klagebefugnis im Verwaltungsprozeß, DVB1. 1982, 144 ff.; Bleckmann, Die Klagebefugnis im verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsverfahren, VB1BW 1985, 361 ff.; Schwerdtner, Die Klagebefugnis — eine zu enge Sachurteilsvoraussetzung?, NVwZ 1990, 630 ff. 149
Vgl. bereits PrOVG vom 13.12.1872, PrOVGE 3, 186 (189).
150
Vgl. Bock, Das Rechtsschutzbedürfnis im Verwaltungsprozeß, Jur. Diss. Göttingen 1971. 131
Vgl. Zeiss, Die arglistige Prozeßpartei, 1967, S. 150 ff.
62
2. Abschnitt: Planungs- und Anlagenzulassungsrecht te152, die Ausübung der prozessualen Befugnisse die Rechtsstellung des Klägers oder Antragstellers nicht verbessern kann153, Klage oder der Antrag ausschließlich dazu dienen, den Gegner zu schädigen oder das Gericht zu behelligen 154 , oder die Rechtsmittel verfrüht sind155.
c) Mehrpolige Rechtsverhältnisse Ist der Kläger nicht Adressat der belastenden oder erstrebten Entscheidung und auch nicht Beteiligter des festzustellenden Rechtsverhältnisses, so hängt die Klagebefugnis vom Vorliegen einer Schutznorm ab. Im Anlagenzulassungsrecht gilt das insbesondere für die Nachbarklagen 156 . Nachbarschutz begehren diejenigen, in deren räumlicher Nähe eine störende Anlage oder ein sonstiges lästiges Vorhaben vom Staat zugelassen, geduldet oder selbst verwirklicht wird. Schutzgut im Nachbarstreit ist in erster Linie das Eigentum in allen Formen. Zum Kreis der Nachbarn zählen nur solche Berechtigten, die sich deutlich von der Allgemeinheit unterscheiden. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts müssen sie sich aus individualisierbaren Tatbestandsmerkmalen der Schutznorm ermitteln lassen157. Die Dogmatik des Nachbarstreits hat sich zwar schwerpunktmäßig im Baurecht entwickelt. Erfaßt wird aber erst recht das raumrelevante Anlagenzulassungsrecht; denn planfeststellungsbedürftige Vorhaben belasten die Umgebung noch stärker als bauliche Anlagen. Der Nachbarschutz gegen planfestgestellte bauliche Anlagen hängt vor allem von der Wirksamkeit des Rechtsschutzes gegen die Planung selbst ab. Was den Nachbarschutz gegen den „Betrieb" solcher Anlagen und Vorhaben angeht (Betrieb einer Mülldeponie), so gelten sinngemäß die immissionsschutzrechtlichen Grundsätze. Der Rechtsschutz gegen Zulassung planfeststellungsbedürftiger Vorhaben unterscheidet sich im Hinblick auf die Klagebefugnis nicht grundlegend von der Baunachbarklage. Die dem Planfeststellungsbeschluß eigene Konzentrations-, Gestaltungs- und Ausschlußwirkung beeinflussen aber auch den Rechtsschutz. Vor allem wird nicht die auf der Grundlage eines Konditionalprogramms ausgesprochene Genehmigung einer fertig konzipierten Anlage angegriffen, sondern eine final programmierte Planungsentscheidung, für die
132
BGH vom 20.1.1971, BGHZ 55, 201. BVerwG vom 31.7.1984, DVB1. 1985, 244 (245). 154 OLG Frankfurt, vom 6.3.1979, NJW 1979, 1613. 155 Martens, Die Praxis des Verwaltungsprozesses, 1975, S. 116. 156 Berger, Grundfragen umweltrechtlicher Nachbarklagen, 1982. 157 Vgl. Urt. vom 16.3.1989, BVerwGE 81, 329 (334). 153
IV. Gerichtliche Kontrolle
63
das Abwägungsgebot gilt. Das Abwägungsgebot besagt, daß alle für die Planung relevanten öffentlichen und privaten Belange untereinander und gegeneinander abzuwägen sind. Eine vollständige Abwägung liegt somit nur vor, wenn wirklich alle Belange berücksichtigt wurden. Daraus könnte man schließen, daß ein Kläger auch die Fehleinschätzung oder -gewichtung objektiver Belange rügen darf, weil dadurch möglicherweise die Abwägung seiner Belange nachteilig beeinflußt wurde. Von diesem Ansatz ist es aber nur ein Schritt zur objektiven Rechtskontrolle. Das Bundesverwaltungsgericht räumte daher zutreffend dem von der Planung Betroffenen mit dem Recht auf eine gerechte Abwägung zwar ein subjektives öffentliches Recht ein, das sich aber seinem Gegenstand nach nur auf die eigenen Belange des Betroffenen bezog158. Das Urteil vom 18. März 1983159 geht jedoch weiter: Solle die Planfeststellung dazu dienen, dem Kläger Grundeigentum notfalls im Wege der Enteignung zu entziehen, dann komme der Eigentumsschutz des Art. 14 GG voll zur Geltung. Das bedeutet, daß die Verletzung des Abwägungsgebots auch unter Berufung auf öffentliche Belange gerügt werden kann. Das ist folgerichtig. Ein Planfeststellungsbeschluß, der die Voraussetzung für eine Enteignung schafft, ist nur dann durch das Wohl der Allgemeinheit (Art. 14 Abs. 3 GG) gerechtfertigt, wenn er insgesamt gesetzmäßig ist160. Die Geltendmachung aller Abwägungsbelange muß aber auf den Schutz des Privateigentums beschränkt bleiben. Gemeinden können sich auch im Falle der Gemeindenachbarklage161 nur auf ihre Planungshoheit und einfachrechtliche Schutznormen berufen. Überörtliche Gesamtplanungen sind unter dem Aspekt des gemeindlichen Nachbarschutzes regelmäßig nicht an greifbar. Wehrfähig sind die Gemeinden dagegen gegen benachbarte Fachplanungen. Der Nachbarschutz der Gemeinden bleibt hier aber hinter dem allgemeinen Nachbarschutz zurück. Denn wie im Sasbach-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Juli 1982162 überzeugend dargelegt wurde, ist das privatrechtliche Eigentum der Gemeinden nicht grundrechtsgeschützt. Folglich scheidet für Gemeinden der Rückgriff auf Art. 14 GG aus, und auch auf das Gebot der Rücksichtnahme können sie sich allenfalls berufen, soweit sie in ihrer Planungshoheit berührt sind163. Gegen Raumordnungspläne, die die Bin-
158
BVerwG vom 14.2.1975, BVerwGE 48, 56.
159
BVerwGE 67, 74 = DVB1. 1984, 140 m. Anm. Schwabe und Broß, DÖV 1985, 253 ff. 160
Insofern richtig OVG Rh.-Pf. vom 30.10.1984, DÖV 1985, 157.
161
Fingerhut, Die planungsrechtliche Gemeindenachbarklage, 1976.
162
BVerfGE 61, 82. 163 Vgl. auch OVG NW vom 10.11.1982, ZLW 1983, 71 (78); VGH BW vom 10.12.1984-5 S 2203/84.
64
2. Abschnitt: Planungs- und Anlagenzulassungsrecht
dungswirkung des § 1 Abs. 4 BauGB entfalten, sind die Gemeinden immer wehrfähig 164 .
3. Kontrolldichte Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet effektiven und zu diesem Zweck umfassenden Rechtsschutz165. Dementsprechend ist die Kontrolldichte im Planungs- und Immissionsschutzrecht erheblich. Auf die Rechtsprechung zur planerischen Abwägung wurde bereits hingewiesen 166 . Im Anlagenzulassungsrecht ließen sich früher Verwaltungsgerichte in einer Weise in naturwissenschaftlich-technische Sachfragen ein, die massive Kritik hervorrief 167 . Das verbal aufrechterhaltene Dogma umfassender gerichtlicher Kontrolle aller umweltrelevanten Verwaltungsentscheidungen wurde brüchig, wie die Anerkennung des Verwaltungsvorbehalts im erwähnten Wyhl-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zeigt168. Hieran hat sich durch die beiden Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 17. April 1991 zum (fehlenden) Beurteilungsspielraum bei Prüfungsentscheidungen 169 nichts geändert. Denn für den vereinzelt vertretenen „Beurteilungsspielraum kraft Fachkunde" 170 hat sich das Bundesverfassungsgericht gerade im technischen Sicherheitsrecht eine Hintertür offengehalten 171 .
164
Vgl. Blümel, Rechtsschutz gegen Raumordnungspläne, VerwArch. 1993, 123 ff. BVerfGE 35, 263 (274); 35, 382 (401); 40, 272 (275); 46, 166 (178); 49, 220, 241; 51, 268 (279, 284); 53, 115 (127 ff.); 54, 39 (40 f.); vom 1.8.1980, DVB1. 1981, 374; vom 11.2.1982, BayVBl. 1982, 276; BVerfGE 69, 220 (227); 79, 69 (74); 80, 244 (252). 166 Vgl. oben Fn. 103, 105; ferner Pietzner/Ronellenfitsch, Assessorexamen, § 14 Rdnr. 24. 167 Vgl. Schwab, Möglichkeiten der Kontrollrestriktion und Verfahrensbeschleunigung bei der gerichtlichen Überprüfung der Genehmigung nach § 6 BImSchG — de lege lata und de lege ferenda, Jur. Diss. Münster 1986, S. 10 f. 168 Vgl. oben Fußn. 141. 169 BVerfGE 84, 34 und 59. 170 Vgl. Ronellenfitsch, Das besondere Gewaltverhältnis im Verwaltungsrecht, DÖV 1984, 781 ff. (787). 171 BVerfGE 84, 50; vgl. auch Pietzner/Ronellenfitsch, Assessorexamen, § 10 Rdnr. 9. 165
IV. Gerichtliche Kontrolle
65
4. Vorläufiger Rechtsschutz a) Allgemeines Die umfassende Rechtskontrolle ist bei komplizierten Planungs- und Anlagenzulassungsentscheidungen langwierig. Dadurch kann der effektive Rechtsschutz ebenfalls beeinträchtigt werden. Für die Effektivität kommt es nämlich in erster Linie auf den Zeitfaktor an172. Die Entscheidung, durch die einem Rechtsbehelf stattgegeben wird, ist nutzlos, wenn sie zu spät kommt, weil bereits vollendete Tatsachen geschaffen worden sind. Dem tragen die Bestimmungen der VwGO über den vorläufigen Rechtsschutz Rechnung173. Die Kollision zwischen umfassendem und zeitlich-effektivem Rechtsschutz wird dadurch aufgelöst, daß zwar auf Grund summarischer Prüfung eine gerichtliche Entscheidung ergeht, die Entscheidung aber noch nicht endgültig ist. Je nachdem, ob im Hauptsacheverfahren eine Anfechtungsklage oder eine sonstige Klage zu erheben bzw. ein Antrag im Normenkontrollverfahren zu stellen ist, unterscheidet die VwGO das Aussetzungsverfahren nach § 80 VwGO und das Anordnungsverfahren nach § 123 VwGO. Das Aussetzungsverfahren betrifft die Anfechtungsklage, bei der es zu verhindern gilt, daß der belastende Verwaltungsakt vollzogen wird oder vollzogen bleibt. Das Anordnungsverfahren bezieht sich auf alle übrigen Klage- und Verfahrensarten. Die Unterscheidung ist historisch bedingt und nicht zwingend. In der Rechtsprechung besteht denn auch eine Tendenz, das Aussetzungs- und Anordnungsverfahren einander anzugleichen174. Das ändert aber nichts daran, daß es einen beträchtlichen Unterschied ausmacht, ob der vorläufige Rechtsschutz über § 80 VwGO oder über § 123 VwGO läuft.
172 Vgl. Blümel, Planung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, DVB1. 1975, 695 ff. (701 ff.); ders., Raumplanung, vollendete Tatsachen und Rechtsschutz, in: FS für Forsthoff, 1967, S. 133 ff.; Degenhart, Vollendete Tatsachen und faktische Rechtslagen im Verwaltungsrecht, AöR 103 (1978), 163 ff.; vgl. auch Limberger, Probleme des vorläufigen Rechtsschutzes bei Großprojekten, 1985, S. 30 ff.; Schock, Vorläufiger Rechtsschutz und Risikoverteilung im Verwaltungsrecht, 1988, insbes. S. 154. 173
Vgl. insgesamt Schoch, pass.
174
Vgl. Kopp, Die Anordnung des Vorgehens gegen Dritte im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 V VwGO — VGH München, NJW 1983, 835, JuS 1983, 673 ff. (674). 5 Ronellenfitsch
66
2. Abschnitt: Planungs- und Anlagenzulassungsrecht
b) Mehrpolige Rechtsverhältnisse Im Subordinationsverhältnis mag die gängige Assoziationskette: „vorläufiger Rechtsschutz - effektiver Rechtsschutz - Verhinderung vollendeter Tatsachen" eine gewisse Berechtigung haben. Sie ist trotzdem zu eng. Art. 19 Abs. 4 GG erfaßt nur einen Teilaspekt des Rechtsstaatsprinzips. Die anderen Aspekte - etwa die Gewaltenteilung - dürfen nicht unter den Tisch fallen. Ein Rechtsschutz, dessen Hauptaugenmerk auf die Verhinderung vollendeter Tatsachen gerichtet ist, läuft leicht auf die ungerechtfertigte Privilegierung des Status quo hinaus, es sei denn, er berücksichtigt, daß auch durch Verzögerungen irreparable Verhältnisse herbeigeführt werden können. Hinzu kommt, daß im Verhältnis des Bürgers zur eingreifenden Verwaltung der effektive Rechtsschutz im Sinne des überkommenen Verständnisses der Verwaltungsgerichtsbarkeit schwerpunktmäßig gegen die Verwaltung ausgerichtet sein darf. In mehrpoligen Rechtsverhältnissen mit begünstigten und belasteten Privaten entfällt diese Stoßrichtung. Hier muß der Rechtsschutz ausgewogen sein175. Beim vorläufigen Rechtsschutz gegen planerische staatliche Maßnahmen besteht zwar der Unterschied, daß der Staat aus einer Position der Stärke heraus in Rechte der Bürger eingreift. Trotzdem darf auch hier die Effektivität des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zum Vehikel einer allgemeinen Verzögerungs- und Verhinderungsstrategie von letztlich rechtmäßigen Vorhaben werden. Auch der Staat hat Anspruch auf Eilentscheidungen, die im Interesse der Allgemeinheit zu einem ausgewogenen Ergebnis gelangen. Dies beeinflußt die Ausgestaltung des Suspensiveffekts. Der Suspensiveffekt des § 80 Abs. 1 VwGO erfaßt alle belastenden Verwaltungsakte, durch die verfügend, gestaltend oder feststellend die Rechtsstellung des Betroffenen beeinträchtigt oder geschmälert wird176 und verhindert die Verwirklichung des belastenden Verwaltungsakts 177 . Der Suspensiveffekt betrifft auch Verwaltungsakte mit Drittwirkung, weil der belastete Dritte in der Hauptsache Anfechtungsklage erheben muß178. Das war hinsichtlich der Baugenehmigung früher streitig, weil § 80 VwGO insofern nur eine unzulängliche Regelung traf. Die Einfügung von § 80a VwGO durch das Vierte Änderungsgesetz zur VwGO vom 17. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2809) hat aber Klarheit
175
Pietzner/Ronellenfltsch,
176
BVerwG vom 6.7.1973, DÖV 1973, 786.
177
Einzelheiten bei Pietzner/Ronellenfltsch,
178
Assessorexamen, § 51 Rdnr. 6. Assessorexamen, § 53 Rdnr. 2 ff.
Vgl. statt vieler BVerwG vom 5.10.1965, BVerwGE 22, 129 (131 f.); OVG NW vom 9.8.1966, OVGE 22, 247 (250); OVG Lüneburg vom 25.11.1965, OVGE 21, 450 (451 ff.).
IV. Gerichtliche Kontrolle
67
gebracht, ohne alle Ungereimtheiten zu beseitigen. So bestimmt § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO, daß Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben. Dem Gesetzeswortlaut nach entfalten jeder beliebige Anfechtungswiderspruch und jede Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Bei der Zulässigkeit von Widerspruch und Anfechtungsklage sind einige Verrenkungen nötig, um völlig widersinnige Ergebnisse zu vermeiden. Der Schutzzweck des Suspensiveffekts kann ferner nicht unbeschränkt gelten, da sich im Gemeinschaftsleben auch Situationen ergeben können, in denen die Behörden imstande sind, Sofortmaßnahmen zu ergreifen. § 80 Abs. 2 VwGO versucht zwischen dem Interesse am Schutz der Individualsphäre und dem öffentlichen Interesse an sofortiger Vollziehung einen tragfähigen Ausgleich zu finden179. Der Suspensiveffekt ist danach nur die Regel. In Ausnahmesituationen „entfällt" er. Eine völlige Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses liegt vor, wenn die aufschiebende Wirkung - von vornherein - kraft Gesetzes ausgeschlossen ist. Kraft Gesetzes entfällt die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage in den in § 80 Abs. 2 Nr. 1 - 3 und § 1 8 7 Abs. 3 VwGO genannten Fällen. Vorläufigen Rechtsschutz erlangt der Betroffene hier durch Anträge nach § 80 Abs. 4 und § 80 Abs. 5 VwGO. Schließt der Bundesgesetzgeber nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO durch formelles Bundesgesetz den Suspensiveffekt ausdrücklich aus, so ist er an die Systematik der VwGO nicht gebunden. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis ist insoweit kein starres Dogma. Bei der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO spielt es indessen eine große Rolle. Eine Verwaltungspraxis, die das Regel-Ausnahme-Verhältnis umkehrt, muß mit Beanstandungen des Bundesverfassungsgerichts rechnen180.
c) Rechtsbehelfe Trotz fehlenden Suspensiveffekts kann die Verwaltung die Vollziehung von Genehmigungs- und Planungsentscheidungen nach § 80 Abs. 4 VwGO aussetzen. Praktisch bedeutsamer ist der gerichtliche vorläufige Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO. Für Anträge auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gelten grundsätzlich die gleichen Anforderungen wie für Klagen in der Hauptsache. Anträge sind allerdings, von spezialgesetzlichen Ausnahmen abgesehen, an keine Frist gebunden. Maßstab für die gerichtliche Ermessensentscheidung ist die gesetzgeberische Wertentscheidung, die der Systematik des § 80 VwGO zugrunde liegt. Bei der Inter-
179 180
So die Begründung zum Reg.-Entw., BT-Drucks. III/55, S. 39. BVerfG vom 18.7.1973, BVerfGE 35, 382 (402).
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2. Abschnitt: Planungs- und Anlagenzulassungsrecht
essenabwägung zwischen Vollziehungs- und Verhinderungsinteresse hat sich der Gesetzgeber selbst in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO für das Vollziehungsinteresse entschieden. Mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung durchbricht das Gericht die Regel. Dies sollte nur zulässig sein, wenn begründete Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen181.
V. Folgerungen 1. Komplexität des Planungs- und Anlagenzulassungsrechts Aufwand und Verfahrensdauer bei den Anlagenzulassungen sind in erster Linie Folge der Komplexität des Verfahrensrechts und der materiellrechtlichen Anforderungen. Das Nebeneinander einer Vielzahl von Rechtsvorschriften und Verwaltungsverfahren, die Fülle der zu berücksichtigenden Belange, die zahlreichen Verfahrensstufen, die ausufernden Beteiligungen von Drittbehörden, Betroffenen, der Öffentlichkeit und der Verbände erfordern nicht nur einen immensen Aufwand, sondern stellen auch kaum vermeidbare Fehlerquellen dar. Dadurch bieten die Zulassungsentscheidungen zwangsläufig Angriffspunkte in den gerichtlichen Folge verfahren. Dies alles ist zum Teil unvermeidbar. Systemimmanente Verbesserungen sind dennoch nicht ausgeschlossen. Der Bestand der immissionsschutz- und abfallrechtlichen Normen und sonstigen planungsrechtlichen Bestimmungen ist keineswegs vorgegeben. Auch gibt es zahlreiche Einflußmöglichkeiten auf die Art und Weise des Normvollzugs. Reformen sind möglich und sogar erfolgversprechend, wenn einem klar ist, wo man anpacken muß und kann. Deshalb soll zum Abschluß des Überblicks über das Planungs- und Anlagenzulassungsrecht aufgezeigt werden, wo im einzelnen Ansatzpunkte für Reformen bestehen.
2. Gesamtplanung Das rechtliche Instrumentarium für eine bessere gesamtplanerische Absicherung von Investitionsvorhaben ist - jedenfalls auf gesetzgeberischer Ebene - vorhanden. In Baden-Württemberg wurde der Vorschlag realisiert182,
181
Pietzner/Ronellenfitsch,
182
Ronellenfitsch,
Assessorexamen, § 57 Rdnr. 34.
D Ö V 1989, 749.
V. Folgerungen
69
die Abfallentsorgungspläne in die Landesplanung zu integrieren183. Es besteht nämlich die Möglichkeit, Standort und Konzept von Abfallentsorgungsanlagen zu einem Ziel der Raumordnung und Landesplanung zu machen. Da dies auch gilt, wenn Abfallentsorgungsanlagen immissionsschutzrechtlich zu genehmigen sind, wäre es nur folgerichtig, zumindest die Standorte für andere Anlagen im Sinne der 4. BImSchV landesplanerisch zu sichern184. Die Möglichkeiten der Bauleitplanung bleiben in der vorliegenden Untersuchung ausgeklammert.
3. Fachplanungs- und Anlagenzulassungsrecht a) Parallelverfahren Im Fachplanungs- und Anlagenzulassungsrecht wirkt sich die große Zahl der parallel
verlaufenden
Zulassungsverfahren
besonders nachteilig aus. Die
Konzentrationswirkung im Planfeststellungsrecht bzw. nach § 13 BImschG kann Abhilfe schaffen, wenn sie nicht (zu Unrecht) zu eng verstanden wird. Jedenfalls verlangt das Konzentrationsprinzip eine interne Abstimmung der beteiligten Behörden, die bei gegenläufigen Interessen erhebliche Zeit beansprucht.
b) Interessenausgleich Zentraler Ansatzpunkt für Reformen sind die Mechanismen und Regelungen des Ausgleichs der durch ein Vorhaben berührten privaten und öffentlichen Belange. Problembewältigung besteht in der „Reduktion von Komplexität". Dementsprechend kann der Ausgleich ebenfalls nur schrittweise erfolgen. Nötig ist eine sinnvolle Verfahrensstufung. Die jeweiligen Fachplanungs- und Anlagenzulassungsvorschriften sehen Verfahrensabstufungen vor, werfen aber zahlreiche Zweifelsfragen auf.
c) Eingriffsregelung Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung führt leicht zu einer Überbetonung von Naturschutzbelangen gegenüber an sich zulässigen Vorhaben. Zu-
183 184
Oben II.2. Oben III.2.
70
2. Abschnitt: Planungs- und Anlagenzulassungsrecht
dem besteht die Gefahr, daß über eine extensive Auslegung des § 29 BNatSchG die allgemeine Verbandsklage durch die Hintertür eingeführt wird.
d) Umweltverträglichkeitsprüfung Über die Handhabung der Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen immer noch Unklarheiten. Die Diskussion um ihre Einführung weckte zudem unberechtigte Erwartungen, die der Gesetzgeber nicht erfüllen konnte und durfte. Daher besteht die Neigung, Wunschvorstellungen doch noch in das Gesetz hineinzulesen und immer mehr zu fordern. Die Umweltverträglichkeit ist keine zusätzliche Genehmigungsvoraussetzung. Gebundene Entscheidungen werden durch Umweltverträglichkeitsprüfungen nicht zu Ermessensentscheidungen. Mehrfache Umweltverträglichkeitsprüfungen zum gleichen Vorhaben sind nicht geboten.
e) Raumordnungsverfahren Raumordnungsverfahren können einerseits zu einer sinnvollen Verfahrensstufung beitragen, andererseits aber auch zu unnötigen Doppelprüfungen führen. Diese Gefahr bestand vor allem nach der Einfügung von § 6a ROG. Sie wurde indessen durch die Neufassung dieser Bestimmung entschärft. Zu Kontroversen kommt es dagegen immer wieder über die Frage, ob im Raumordnungsverfahren Standortalternativen zu prüfen sind 185 .
4. Abfallrechtliche Fachplanung a) Abfallentsorgungspläne Die Ausgestaltung der Abfallentsorgungsplanung in Baden-Württemberg ist sachdienlich. Allerdings eröffnet bei prinzipiellem Widerstand gegen bestimmte Vorhaben der Abfallentsorgungsplan einen zweiten Kriegsschauplatz. Die beste gesetzgeberische Lösung läuft ohne flankierende Maßnahmen zur Akzeptanzverbesserung leer.
185 Zutreffend abgelehnt von Hoppe, Rechtspflicht zur Alternativenprüfung im Raumordnungsverfahren, DVB1. 1992, 1203 ff.; vgl. aber auch Kretz, UPR 1992, 129 ff.
V. Folgerungen
71
b) Übergangsphase Die abfallrechtliche Planfeststellung betrifft künftig nur noch Deponien. Bereits begonnene und vor dem 1. Mai 1993 bekanntgemachte Verfahren zur Zulassung von Abfallentsorgungsanlagen sind aber nach den abfallrechtlichen Vorschriften fortzuführen. Hier könnten Zweifel auftreten, wenn bereits begonnene Vorhaben im Zuge des Zulassungsverfahrens wesentlich verändert werden. In der Übergangsphase ist daher mit rechtlichen Unsicherheiten zu rechnen.
c) Planfeststellung Das Planfeststellungsverfahren bietet zahlreiche Ansatzpunkte für Verfahrensverzögerungen. So sind Drittbehörden im Abstimmungsverfahren aus einer gegensätzlichen Interessenlage heraus häufig wenig geneigt, das Vorhaben durch rasche Abgabe der erforderlichen Stellungnahmen zu fördern. Namentlich die betroffenen Kommunen verstehen sich als Interessenvertreter ihrer Bevölkerung. Sektorale und lokale Belange gewinnen dadurch ein Gewicht, das ihnen in der Sache nicht zukommt. Durch den Mißbrauch der Einwendungsbefugnisse von Privaten lassen sich Verfahren ebenfalls verschleppen, durch Erörterungstermine kann der Verfahrensaufwand beträchtlich erhöht werden. Dennoch sieht das Abfallrecht nach h.L. keine materielle Präklusion vor. Die Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses schließlich ist im Hinblick auf § 14 WHG unklar186.
d) Plangenehmigung Der Plangenehmigung werden nach nahezu einhelliger Meinung die Wirkungen des Planfeststellungsbeschlusses vorenthalten, so daß dieses Rechtsinstitut die in es gesetzten Erwartungen187 nicht erfüllt hat.
186
Vgl. Schwermer, in Kunig/Schwermer/Versteyl,
48. 187
BT-Drucks. VI/2401, S. 14.
AbfG, 2. Aufl. 1992, § 7 Rdnr.
72
2. Abschnitt: Planungs- und Anlagenzulassungsrecht 5. Immissionsschutzrechtliche Genehmigung a) Fachliche Entwicklungspläne
Rechtliche Möglichkeiten der Landesplanung, bestimmten immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlagen einen privilegierten Status einzuräumen, sind gegeben.
b) Genehmigungspflichtige Anlagen Die Typisierung der genehmigungsbedürftigen Anlagen durch § 4 Abs. 1 Satz 3 BImSchG i.V.m. der 4. BImSchV ist reichlich schematisch, da individuelle Anlagenvarianten kaum berücksichtigt werden können188. Einen Ausweg bietet die Zulassung von Typengenehmigungen.
c) Genehmigung Nachteilig sind auch hier Doppelzuständigkeiten und redundante Verfahren. Die Verfahrensgestaltung wurde schon mehrfach im Beschleunigungsinteresse umgestaltet. Dennoch ist zweifelhaft, ob sämtliche Vereinfachungsmöglichkeiten ausgeschöpft wurden. Beispielsweise ist der Bereich der öffentlichen Bekanntmachung immer noch nicht präzisiert. Auch über die Ausgestaltung gestufter Verfahren bestehen Unsicherheiten. Vor allem wurde aber die Konkretisierung der materiellen Genehmigungsanforderungen in allgemeinen Verwaltungsvorschriften und technischen Regelwerken nur selten kritisch übeiprüft. Für die Behördenbeteiligung gilt das zum Planfeststellungsverfahren Ausgeführte. Zusätzlich erschwerend ist das gemeindliche Einvernehmen nach § 36 BauGB. Die Konzentrationswirkung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung wurde nicht auf wasserrechtliche Erlaubnisse erstreckt, weil man ansonsten eine Verlängerung der Verfahren befürchtete.
6. Rechtsschutz Die Bedeutung des Rechtsschutzes kann bei der Anlagenzulassung gar nicht hoch genug veranschlagt werden. Die gerichtliche Kontrolle strahlt auf
188
Härder, Das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren — ein bürokratisches Investitionshemmnis?, 1987, S. 11.
V. Folgerungen
73
die Verwaltungsverfahren aus. Es macht einen Unterschied, ob die Zulassungsbehörden eine Entscheidung unter dem - allein maßgeblichen! - Aspekt treffen, daß die Entscheidung aus ihrer Sicht rechtmäßig und zweckmäßig ist, oder ob die Entscheidung gerichtsfest gemacht wird. Aufgabe der Gerichte ist grundsätzlich keine objektive Rechtskontrolle, sondern Gewährleistung von individuellem Rechtsschutz. Der im Anlagenzulassungsrecht durch die Schutznormtheorie verkörperte Individualrechtsschutz droht seine Konturen zu verlieren. Hier gilt es, Fehlentwicklungen gegenzusteuern. Ansatzpunkte sind die Klagebefugnis, das Rechtsschutzbedürfnis und die Kontrolldichte. Beim vorläufigen Rechtsschutz verhindert der Suspensiveffekt im Regelfall belastende Eingriffsakte der Verwaltung gegen den Bürger vor der gerichtlichen Klärung der Rechtslage. In mehrpoligen Rechtsverhältnissen besteht eine völlig andere Situation. Hier können auch etwa durch die Verhinderung von Anlagen vollendete Tatsachen geschaffen werden. Orientierungsmaßstab für Reformmaßnahmen ist der ausgewogene Rechtsschutz.
3.
Abschnitt
Beschleunigungs- und Vereinfachungsmöglichkeiten de lege lata I. Grundlagen Zu einem guten Teil ist die Komplexität der Anlagenzulassungsverfahren durch zwingendes materielles Recht und Verfahrensrecht vorgegeben; ein Mindestaufwand muß insoweit betrieben werden. Das heißt aber nicht, daß keine Möglichkeiten der Verfahrensbeschleunigung und -Vereinfachung bestünden. Der Überblick über das Planungsrecht legt eher das Gegenteil nahe. Erwogen, vorgeschlagen und diskutiert wurden daher zahlreiche vorwiegend organisatorische und verfahrenslenkende Maßnahmen, die eine straffere Verfahrensführung bewerkstelligen sollen. Die Beschleunigungsdiskussion blieb nicht folgenlos 189 . In den letzten Jahren sind mit der Zielsetzung der Beschleunigung und Vereinfachung der Anlagenzulassungsverfahren zahlreiche gesetzliche Regelungen erlassen und administrative Maßnahmen ergriffen worden. Von den Maßnahmen ist an erster Stelle die Einführung von Regelfristen durch Abschnitt I Nr. 4 VwV-Verfahrensbeschleunigung Umwelt zu erwähnen. Die Regelfristen stellen nicht nur selbst Beschleunigungsmaßnahmen dar, sondern spiegeln zugleich den Ertrag aller bisherigen Beschleunigungsmaßnahmen wider. Auf ihnen baut nämlich ein Katalog für Regelfristen auf, die sich allenfalls dann einhalten lassen, wenn die bisherigen Beschleunigungsmaßnahmen wirklich greifen. Erweisen sich die bisherigen Beschleunigungsmaßnahmen als Fehlschlag, sind die „Zulassungsverfahren normalen Schwierigkeitsgrades" Utopie, wird die Regel zur Ausnahme. Anschließend wird deshalb untersucht, welche Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung und -Vereinfachung mit welchen voraussichtlichen Auswirkungen bereits getroffen wurden, welche weiteren Maßnahmen de lege lata möglich sind (II) und ob auf dieser Grundlage der erwähnte Katalog der Regelfristen realistisch ist (III). Daran knüpfen sich Folgerungen insbesondere für die Vorgehensweise de lege ferenda an (IV).
189
Vgl. bereits oben 1. Abschnitt I.
II. Aktuelle Maßnahmen zur Beschleunigung und Vereinfachung
75
II. Aktuelle Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung und -Vereinfachung Da für den unnötigen Aufwand und die überlange Dauer der Planungsund Anlagenzulassungsverfahren unterschiedliche Verantwortlichkeiten bestehen, muß auch bei den Reformmaßnahmen differenziert werden.
1. Verantwortungsbereich der Antragsteller und Vorhabenträger Verzögerungsgründen und Verfahrenserschwernissen im Verantwortungsbereich der Antragsteller und Vorhabenträger kann überwiegend bereits de lege lata begegnet werden.
a) Antragsberatung Verzögerungsgründe im Verantwortungsbereich der Antragsteller wirken sich vor allem vor und in der Antragsphase aus. Sie sind häufig zu beobachten in Genehmigungsverfahren für private Vorhaben, wenn mittlere und kleinere Unternehmen fachlich nicht beraten sind190. Bei staatlichen Projektträgern und größeren Unternehmen mit eigenen Fachabteilungen kommen dagegen unvollständige oder nicht prüffähige Anträge selten vor. Dennoch sind auch für sie Antragsvorberatungen nützlich191. Nun versuchen Wirtschaftsverbände und Behörden seit langem, sich die Verantwortung für die Antragsberatung gegenseitig zuzuschieben. Während Behörden Vertreter auf die fehlende personelle Ausstattung für eine intensive behördliche Antragsberatung verweisen, betonen die Wirtschaftsverbände das allein bei den Genehmigungsbehörden vorhandene Fachwissen192. Die Rechtslage stellt sich wie folgt dar: Nach § 25 VwVfG soll eine behördliche Beratung erfolgen. § 2 Abs. 2 der 9. BImSchV enthält eine vergleichbare konkretisierende Regelung. Die Annahme einer allgemeinen behördlichen Beratungspflicht - etwa unter Berufung auf eine Ermessensreduzierung auf Null - ist abzulehnen. Für eine derartige Annahme sind bereits
190
Vgl. BMI (Hrsg.), Beschleunigung, S. 15.
191
Für solche Vorberatungen hat sich offenbar die schiefe und irreführende Bezeichnung „Vorantragsberatung" eingebürgert. Ein Antrag vor dem förmlichen Antrag muß nicht gestellt werden. Zur terminologischen Erleichterung wird anschließend dem gängigen Sprachgebrauch gefolgt. 192
Ebd. S. 1 5 - 2 3 ; demgegenüber IHK-Hannover, S. 6.
76
3. Abschnitt: Beschleunigung und Vereinfachung de lege lata
die Bedürfnisse der Antragsteller zu unterschiedlich, so daß ein behördlicher Entscheidungsspielraum bestehen bleiben muß. Abschnitt I Nr. 6 VwV-Verfahrensbeschleunigung Umwelt regelt die Antragsberatung in der Weise, daß bei rechtlich und tatsächlich schwierigen Verfahren eine Vorantragsberatung stattfinden soll und bei den übrigen Verfahren eine Antragsberatung stattfinden kann. Für besonders schwierige und komplexe Vorhaben ist eine Vorantragskonferenz vorgesehen. Die Regelung ist grundsätzlich begrüßenswert. Sie greift indessen in zweifacher Hinsicht zu kurz. - So fiel erstens die Umschreibung des Beratungsinhalts undeutlicher aus als etwa die amtliche Begründung zur ursprünglichen Fassung des § 2 Abs. 2 der 9. BImSchV 193 . - Zweitens wurde die private Beratungsaufgabe nicht erwähnt. Die behördliche Beratungsfunktion schließt die Beratung durch örtliche Beratungsstellen der Industrie- und Handelskammern nicht aus. Empfehlenswert ist auch die Einrichtung privater Beratungsfirmen auf Kosten der Wirtschaftsverbände. Die Antragstellung durch einen Dritten auf Kosten des Antragstellers kann nunmehr durch den behördlichen Verfahrensbevollmächtigten angeregt werden194. Im Interesse einer Investitionsförderung sollte ferner die Beratung durch kommunale Beratungsstellen in größeren Städten oder auf Kreisebene erwogen werden. Die Beratung kann dann aber leicht in den Verdacht einer kommunalen Wirtschaftsförderung (Ansiedlungshilfe) geraten. Generell besteht bei Vorhabengegnern das von manchen Autoren geteilte Vorurteil195, die Vorberatungsphase erfolge einseitig im Realisierungsinteresse. Bei größeren Vorhaben bietet sich deshalb in der Tat die Beratung in Form einer Konferenz an, zu der auch potentiell Betroffene und Naturschutzverbände hinzugezogen werden können. Die Vorantragskonferenz bedarf aber der Vorberei-
193
BT-Drucks. 526/76, S. 3: „Die Beratung soll - soweit zu diesem Zeitpunkt möglich - ergeben, mit welchen Auflagen der Träger des Vorhabens bei dem gewählten Standort voraussichtlich rechnen muß. Auf die Möglichkeit einer beschleunigten Realisierung des Vorhabens durch Erteilung einer Teilgenehmigung oder eines Vorbescheids soll hingewiesen werden, sofern dies nach Art und Umfang der geplanten Anlage sachdienlich ist. Dies gilt auch für andere, die Anlage betreffende Entscheidungen, die nach § 13 BlmSchG nicht von der Genehmigung eingeschlossen werden. Der Träger des Vorhabens soll seinerseits dartun, durch welche Maßnahmen die Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen gesichert werden soll." 194 195
§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 der 9. BImSchV.
Vgl. nur Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981; ferner Hoffmann-Riem, Selbstbindungen der Verwaltung, VVDStRL 40 (1982), S. 187 ff.
II. Aktuelle Maßnahmen zur Beschleunigung und Vereinfachung
77
tung, so daß ihr letztlich doch ein Dialog zwischen Genehmigungsbehörde und Antragsteller vorausgehen muß. Der Verdacht eines Zusammenwirkens läßt sich folglich niemals vollständig ausräumen. Somit gilt: Eine effektive Antragsberatung erfordert eine sinnvolle Arbeitsteilung. Die behördliche Antragsberatung ist regelmäßig unverzichtbar. Zusätzlich zu ihr sollten aber alle Möglichkeiten der privaten Beratung ausgeschöpft werden.
b) Terminplanung und Baumaßnahmen Die behördliche und private Betreuungsfunktion beschränkt sich nicht auf die Antragsberatung. Sie sollte auch die Terminplanung umfassen und verfahrensbegleitend erfolgen. Der Fristenkatalog nach Abschnitt I Nr. 5 VwVVerfahrensbeschleunigung Umwelt ist hilfreich. Ablaufzeitpläne müssen aber flexibel sein, um speziellen Interessenlagen der Antragsteller (z.B. Konkurrentenschutz) besser Rechnung tragen zu können. Eine behördliche Hilfestellung bei der Durchführung der Baumaßnahmen ist demgegenüber abzulehnen. Die Realisierung des Vorhabens ist allein Aufgabe des Vorhabenträgers. Daher sollten die Zulassungsbehörden - ungeachtet der Pflicht, doppelte Gutachten zu vermeiden (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 der 9. BImSchV) - auch nicht Gutachten für die Vorhabenträger auf deren Kosten in Auftrag geben.
2. Verantwortungsbereich der Behörden a) Allgemeines Für Verfahrensverzögerungen im behördlichen Bereich wird regelmäßig auf personelle Engpässe hingewiesen. Bei der gegenwärtigen Haushaltslage bleiben hier Forderungen nach Personalaufstockungen jedoch unberücksichtigt. Es gilt, die Zulassungsverfahren mit dem zur Verfügung stehenden Personal zu beschleunigen. Schon allein deswegen sind Mehrfachprüfungen zu vermeiden, die den Verfahrensaufwand nur unnötig vergrößeren (b). Nachteilig ist generell eine sachwidrige Organisation. Die Aufbauorganisation läßt sich von den Ländern weitestgehend autonom gestalten. Anhaltspunkte dafür, daß die Zuständigkeiten für das Anlagenzulassungsrecht in Baden-Württemberg nicht sachadäquat ausgestaltet sind, bestehen nicht. Zweifelhaft ist dagegen, ob nicht die sächliche Ausstattung (mit geringem Kostenaufwand) verbessert werden könnte. Bedenken bestehen auch hinsichtlich der optimalen Aus- und Weiterbildung des Fachpersonals (c).
78
3. Abschnitt: Beschleunigung und Vereinfachung de lege lata
Die durch Bundesgesetze mitgeprägte Ablauforganisation wird nachfolgend unter dem Aspekt der Verfahrensstruktur gesondert gewürdigt (4).
b) Organisatorische Maßnahmen aa) Gestufte
Verfahren
Die Abfallentsorgungsplanung ist eine unechte mehrstufige Fachplanung. Ihre Ausgestaltung ist in Baden-Württemberg jedenfalls konzeptionell gelungen196. Zu Verzögerungen kann das Raumordnungsverfahren führen, dessen Ungereimtheiten aber durch die Neufassung des § 6a ROG abgemildert wurden. Insoweit (§ 6a Abs. 7 ROG) ist das gestufte Verfahren eine Angelegenheit de lege ferenda. Dies gilt auch für die Frage, ob für planfeststellungsbedürftige Abfallentsorgungsanlagen ähnlich wie bei den immissionsschutzrechtlichen Unternehmergenehmigungen echte Verfahrensstufen eingeführt werden sollten. In diesem Zusammenhang wird dann ferner zu erwägen sein, ob der Regelungsgehalt immissionsschutzrechtlicher Stufenentscheidungen über die Neufassung des § 8 BImSchG hinaus klarer gefaßt werden könnte.
bb) Parallele
Genehmigungsverfahren
Doppelprüfungen wirken sich immer nachteilig aus. Zu Doppelprüfungen kann es in erster Linie kommen, wenn für ein Vorhaben mehrere Genehmigungen erforderlich sind. Das ist im Anlagenzulassungsrecht häufig der Fall. Für die Errichtung und den Betrieb einer einzigen Anlage müssen dann zahlreiche Genehmigungen eingeholt werden (parallele Genehmigungsverfahren)191.
196 Vgl. oben 2. Abschnitt II.2. Daß eine optimale planerische Konzeption wenig hilft, wenn sie sich nicht umsetzen läßt, wurde bereits mehrfach betont. Dann sollte aber zunächst bei den Umsetzungsdefiziten angesetzt werden, ehe man die planerische Konzeption umstößt. 197 Vgl. Henseler, Kompetenzkonflikte paralleler Gestattungsverfahren am Beispiel der Genehmigung von Atomanlagen, DVB1. 1982, 390 ff.; Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, 1984; Gaentzsch, Konkurrenz paralleler Anlagengenehmigungen, NJW 1986, 2787 ff.; Michael Wagner, Die Genehmigung umweltrelevanter Vorhaben in parallelen und konzentrierten Verfahren, 1987.
II. Aktuelle Maßnahmen zur Beschleunigung und Vereinfachung
79
In Kreisen der Wirtschaft wird für Anlagengenehmigungen dennoch die Konzeption der Parallelgenehmigungen favorisiert 198 , da man das Gegenmodell: die für die Planfeststellung typische und im Immissionsschutzrecht ebenfalls zum Teil verwirklichte Einheitsgenehmigung mit Konzentrationswirkung, als zu schwerfällig betrachtet. In der Tat ist die Zuständigkeitskonzentration nur gerechtfertigt, wenn eine Kompensation durch die Beteiligung der verdrängten Drittbehörden erfolgt. Die verdrängten Behörden geben zu Angelegenheiten, über die an sich sie zu entscheiden hätten, wenigstens Stellungnahmen ab. Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses bzw. der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung und Beteiligung der Drittbehörden bedingen sich wechselseitig. Die Beteiligung der Drittbehörden führt zwangsläufig zu Reibungsverlusten, weil die Drittbehörden sich als Sachwalter derjenigen öffentlichen Belange verstehen, die in ihren Aufgabenbereich fallen. Dies ist auch sachgerecht, weil die Konzentrations Wirkung nicht eine Verschiebung des Gewichts öffentlicher und privater Belange bewirken kann. W o allerdings Drittbehörden nur beteiligt werden, um ihren Sachverstand einzubringen, namentlich in den „Huckepackverfahren", dürfte die Sachkunde der Planfeststellungs- oder Immissionsschutzbehörden jedoch mittlerweile so stark gewachsen sein, daß sich eine Beteiligung von zusätzlichen Behörden erübrigt. Das sind aber bereits Erwägungen de lege ferenda. Nach geltendem Recht vorgesehene Beteiligungsformen müssen eingehalten werden. Gegen die Konzeption der Einheitsgenehmigung sprechen sie nicht. Vielmehr sind diese Beteiligungsformen immer dann parallelen Genehmigungen vorzuziehen, wenn der Beteiligungsaufwand geringer ist als der Aufwand bei isolierten Genehmigungsverfahren. Der Vorteil paralleler Genehmigungsverfahren wird darin gesehen, daß solche Genehmigungsverfahren gleichzeitig, d.h. nebeneinander verlaufen können, während die Prüfvorgänge innerhalb eines Einheitsgenehmigungsverfahren angeblich linear, d.h. hintereinander ablaufen. Da letzeres aber, wie sogleich gezeigt wird, nicht notwendig der Fall ist, bleibt von den Vorteilen paralleler Genehmigungsverfahren nichts übrig.
cc) Koordinierte
Parallelprüfungen
Bullinger hat sich verschiedentlich für die Durchführung von Parallelprüfungen ausgesprochen 199 . Die Forderung ist nicht neu. Seit jeher war jedem für die Durchführung von Zulassungsverfahren Verantwortlichen klar, daß im
198
Vgl. Bullinger, Gutachten, S. 56. Vgl. zuletzt Bullinger, Beschleunigung von Investitionen durch Parallelprüfung und Verfahrensmanagement, JZ 1993, 492 ff. (495 ff.). 199
80
3. Abschnitt: Beschleunigung und Vereinfachung de lege lata
Planfeststellungs- und Anlagenzulassungsverfahren Prüfungen nicht aufeinander folgen sollten, wenn sie gleichzeitig erfolgen könnten. Hier ist das sog. Sternverfahren angezeigt, dessen Durchführung mittlerweile auch einige Gesetze und Verwaltungsvorschriften expressis verbis vorschreiben200 und das ohnehin schon lange praktiziert wird. Die Vorstellung, daß immer noch eine einzige Akte bei allen zu beteiligenden Behörden „linear" in Umlauf gebracht wird, ist im Zeitalter der Kopiergeräte grotesk. Andererseits eignet sich das Sternverfahren nicht als Patentrezept zur Verfahrensbeschleunigung in jeder Verfahrensstufe201. Es will sinnvoll gehandhabt werden, sonst kann es kontraproduktiv wirken. Überprüft jede Behörde isoliert die Antragsunterlagen, dann wird wiederum die einleitend erwähnte Gefahr der Doppelprüfungen heraufbeschworen. Verfehlt wäre es insbesondere, wenn die technische Begutachtung nicht einheitlich erfolgen würde. Bei Behörden mit verwandten Aufgabengebieten dürfte es zudem effektiver sein, in Teilbereichen ein lineares Prüfverfahren durchzuführen, damit eine Behörde zur Vermeidung von Doppelarbeit die Stellungnahme der anderen Behörde abwarten kann. Sachdienlich wird häufig eine Behördenkonferenz sein, wie sie schnitt I Nr. 9.2 VwV-Verfahrensbeschleunigung Umwelt vorgesehen alle Fälle erfordert die Parallelprüfung eine effektive Koordination, sich nur durch ein sogleich zu behandelndes Projektmanagement läßt.
in Abist. Auf welche erzielen
Fazit'- Ein reines Sternverfahren erscheint nicht immer sinnvoll. In Verbindung mit einem durchdachten Projektmanagement tragen Sternverfahren dagegen regelmäßig zur Verfahrensbeschleunigung bei.
dd) Projektmanagement Behördliche Koordinierungsschwierigkeiten sind in den meisten Fällen das Ergebnis von Kommunikationsmängeln. Kommunikationsmängel treten auf, wenn die sachlichen und personellen Voraussetzungen für Abstimmungen nicht ausreichen (z.B. fehlende Fachkunde).
200 Vgl. § 3 Abs. 1 Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz; § 11 Satz 2 der 9. BImSchV; Nr. I 10.3 VwV-Verfahrensbeschleunigung Umwelt. 201 Konsequent Nr. I 10.3 VwV-Verfahrensbeschleunigung Umwelt: Die Beteiligung erfolgt grundsätzlich sternförmig. Weniger glücklich, aber immer noch handhabbar § 11 Satz 2 der 9. BImSchV: Die Antragsunterlagen sollen sternförmig an die zu beteiligenden Stellen versandt werden.
II. Aktuelle Maßnahmen zur Beschleunigung und Vereinfachung
81
Eine Verbesserung verspricht in diesem Zusammenhang zunächst die Einrichtung von Projektgruppen. Die Einrichtung von Projektgruppen ist aber nur effektiv, wenn diese in der Lage sind, Teilfragen selbständig zu entscheiden. Zu diesem Zweck sollten die Projektgruppen möglichst hoch in der Verwaltungshierarchie angesiedelt sein. Bei Projektgruppen bestehen zwei Möglichkeiten, die Projektleitung zu gestalten: Entweder wird die Projektleitung einem Beauftragten übertragen, der keine Weisungsrechte gegenüber den im Projekt zusammengefaßten Mitarbeitern hat („Einfluß-Projektmangement"). Oder die Projektleitung wird einem weisungsbefugten Projektleiter anvertraut („Task-Force-Management"). Ergiebig ist nur die zweite Variante der Projektleitung 202 . Mit oder ohne Projektgruppe empfiehlt sich die Einrichtung eines Projektmanagers. Beim Projektmanagement ist das behördliche vom privaten Management zu unterscheiden 203 . Beim behördlichen Projektmanagement macht es weiter einen Unterschied, ob die Zulassungsbehörde (Planfeststellungsbehörde) gleichzeitig Vorhabenträger ist oder ob eine Drittbehörde für die Zulassungsentscheidung zuständig ist. Bei Identität von Vorhabenträger und Zulassungsbehörde liegt es auf der Hand, daß dieser Behörde auch das Projektmanagement obliegt. Bei der Zuständigkeit von Drittbehörden sollte diesen das Projektmanagement anvertraut werden 204 . Hier bieten sich der oder die für das Vorhaben zuständigen Sachbearbeiter an (Verfahrensbeauftragte). Die Vorgehensweise entspricht nicht den namentlich von Bullinger 205 vertretenen Vorstellungen, ist aber dennoch aus Effektivitätserwägungen empfehlenswert. Die Aufgabe des Projektmanagers wird nämlich mißverstanden, wenn man sie auf die Herstellung von Waffengleichheit reduziert. -
Das Projektmanagement durch Private kann erstens dergestalt erfolgen, daß eine von der öffentlichen Hand gebildete Gesellschaft des Privatrechts die Koordination des Verfahrens übernimmt. Bei größeren Vorhaben ist diese Vorgehensweise ratsam, verspricht aber nur Erfolg, wenn in die Gesellschaft Behördenvertreter eingebunden sind, die wiederum hohe Ränge in der Verwaltungshierarchie einnehmen. Aber selbst dann können von der öffentlichen Hand getragene private Gesellschaften keine Hoheitsfunktionen ausüben. Auf den behördlichen Projektmanager/Verfahrensbeauftragten kann somit auch hier schwerlich verzichtet werden.
202
Vgl. Bernd Becker, Öffentliche Verwaltung, 1989, S. 674. Bullinger (JZ 1993, 499 ff.) trennt vier Typen das Projektmanagements, die sich aber überschneiden. 204 Zutreffend Nr. I 3 VwV-Verfahrensbeschleunigung Umwelt. 205 JZ 1993, 499. 203
6 Ronellenfitsch
82 -
3. Abschnitt: Beschleunigung und Vereinfachung de lege lata Zweitens können private Sachverständige mit dem Projektmanagement betraut werden. In der Praxis scheint man sich von der Einschaltung privater Planungsbüros viel zu versprechen. Solchen Planungsbüros sollte in der Tat die Entwurfsplanung und Ausführungsplanung übertragen werden. Die Übertragung von Hoheitsrechten ist gleichwohl nicht ratsam. Die Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung kann Maßnahmen erfordern, die nicht einmal einem Beliehenen gestattet sind. Deswegen wird neben dem privaten Planungsbüro ebenfalls ein behördlicher Projektmanager/Verfahrensbeauftragter nötig sein.
-
Drittens kann man auch dem privaten Träger des Vorhabens Aufgaben des Projektmanagements übertragen (Modell: Vorhaben- und Erschließungsplan). Hier gilt aber erst recht, daß die hoheitlichen behördlichen Funktionen nicht übertragbar sind, so daß ohne ein zumindest ergänzendes behördliches Projektmanagement nicht auszukommen sein wird. - Viertens schließlich ist an einen behördlichen Verfahrensmittler zu denken. Die sog. Mediation wirft aber Sonderprobleme auf, die eine zusammenhängende gesonderte Würdigung verlangen 206 . Damit läßt sich festhalten: Zur Verfahrensbeschleunigung und -Vereinfachung ist es ratsam, behördliche Projektmanager und Projektgruppen einzurichten und ergänzend privatrechtliche Projektgesellschaften und Planungsbüros heranzuziehen. Der Projektmanager sollte aus dem Kreis der für das Vorhaben zuständigen Sachbearbeiter ausgewählt werden (Verfahrensbeauftragter), wie es die VwV-Verfahrensbeschleunigung Umwelt zutreffend vorsieht.
c) Sonstige Maßnahmen aa) EDV Der Einsatz moderner Informationstechniken stößt noch immer auf Vorbehalte. Oft beruhen die Vorbehalte jedoch auf Vorurteilen. Bei Verwaltungsentscheidungen richtete man sich schon immer nach Präzedenzfällen. Wenn schon zu Recht Musterverfahren und Standardisierungen angeregt werden 207 , dann liegt auch in der Verwendung von Textbausteinen keine ernsthafte Gefahr für einzelfallbezogene Entscheidungen. Eine dynamische Wirtschaftsordnung erfordert einen dynamischen Umweltschutz und damit einen besseren Zugang zu den Datenbanken 208 . Nicht nur Routinearbeiten (Ter-
206 207 208
Unten unter 5.b. Vgl. unten unter 4.a. Vgl. BMI, Beschleunigung, S. 74.
II. Aktuelle Maßnahmen zur Beschleunigung und Vereinfachung
83
minüberwachung, Erinnerungsschreiben) sollten daher durch den Einsatz moderner Informationstechniken erleichtert werden. Völlig zu Recht schreibt vielmehr Abschnitt I Nr. 10.6 VwV-Verfahrensbeschleunigung Umwelt vor, daß Stellungnahmen von Behörden möglichst über Kommunikationsdienste anzufordern und zu übermitteln sind.
bb) Aus- und
Weiterbildung
Was die Aus- und Weiterbildung der Verwaltungsbediensteten angeht, so sei der Hinweis gestattet, daß die Anlagenzulassung häufig aus rechtlichen Gründen verzögert und verhindert wird. Die schwerpunktmäßige Ausrichtung der Juristenausbildung auf den Justizdienst kann (auch) von daher nur als verfehlt bezeichnet werden. Der Grundstein für solide Kenntnisse im Anlagenzulassungsrecht muß bereits im Studium gelegt werden. Die durch die Prüfungsordnung vorgeprägte Juristenausbildung namentlich in Baden-Württemberg wird dem Bedarf einer modernen Industriegesellschaft an qualifizierten Verwaltungsjuristen und -juristinnen kaum gerecht.
cc)
Kontinuität
Nicht zuletzt weil eine große Nachfrage nach qualifiziertem Fachpersonal besteht, führt bei Großvorhaben die Fluktuation der Sachbearbeiter zu erheblichen Schwierigkeiten. Der gelegentlich erwogene Einsatz mobiler Teams bringt letztlich keine Lösung, weil die Zulassungsbehörden auf kontinuierlich vorhandenen Sachverstand angewiesen sind. Der einmalige Zeitgewinn rächt sich spätestens bei Folgeanträgen 209 . Deshalb wird bei der Bemessung von Regelfristen auch die eventuell notwendige Einarbeitungszeit von Nachfolgern der Sachbearbeiter zu berücksichtigen sein. Vor allem ist der Gesichtspunkt der Verfahrenskontinuität bei der Ausgestaltung des Projektmanagements und der Auswahl des Verfahrensbeauftragten zu berücksichtigen.
3. Prüfungsumfang Der Prüfungsumfang folgt aus den normativen Vorgaben. Dementsprechend läßt er sich nur durch gesetzgeberische Maßnahmen beschränken.
209
Ebd., S. 35, 93.
84
3. Abschnitt: Beschleunigung und Vereinfachung de lege lata 4. Verfahrensgestaltung
Die bisherigen Beschleunigungs- und Vereinfachungsmaßnahmen stellen die Struktur der Anlagenzulassungsverfahren, namentlich die Rechtsschutzfunktion der Öffentlichkeitsbeteiligung, nicht in Frage, versuchen aber gleichwohl, überflüssige Hemmnisse bei der Verfahrensgestaltung zu beseitigen.
a) Standardisierung und Musterverfahren Hemmnisse im Verwaltungsverfahren müssen schon frühzeitig angegangen werden. Auf die Antragsberatung wurde bereits hingewiesen210. Die Beratung hat sich auch darauf zu erstrecken, daß bei der Formulierung der Anträge und der Antragsunterlagen alle Standardisierungsmöglichkeiten (Merkblätter, Vordrucke, Checklisten, Ablaufschemata) 211 ausgeschöpft werden. Die Standardisierungsmaßnahmen setzen praktische Erfahrungen voraus. Praktische Erfahrungen lassen sich am besten in geeigneten Musterverfahren sammeln.
b) Behördenbeteiligung aa) Sachliche
Reichweite
In Verwaltungsverfahren schleifen sich gerne Beteiligungsroutinen ein. Insbesondere im Sternverfahren könnten daher leicht Behörden und Stellen beteiligt werden, deren Aufgabenbereich konkret nicht berührt wird. Daher muß die Beteiligung immer fallbezogen erfolgen. Abschnitt I Nr. 9.1 VwV-Verfahrensbeschleunigung Umwelt beschränkt in diesem Sinne den Kreis der zu beteiligenden Behörden und Stellen auf diejenigen, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird und deren Mitwirkung rechtlich und sachlich geboten ist. Eindeutiger ist nunmehr § 11 Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV. Danach haben die Drittbehörden „für ihren Zuständigkeitsbereich eine Stellungnahme" abzugeben. Im Beteiligungsverfahren soll die verfahrensleitende Behörde auf die Probleme hinweisen, die aus ihrer Sicht in den Stellungnahmen der Drittbehör-
210 211
Vgl. oben I.I.a. Vgl. Arbeitsgruppe Nds., Genehmigungsverfahren, S. 14 ff.
II. Aktuelle Maßnahmen zur Beschleunigung und Vereinfachung
85
den zu behandeln sind212, während die Drittbehörden ihre Anforderungen an das Vorhaben so konkret zu bezeichnen haben, daß sie von der verfahrensleitenden Behörde unmittelbar umgesetzt werden können. Unter verschiedenen fachlichen Gesichtspunkten beteiligte Kommunalverwaltungen sollten eine koordinierte Stellungnahme abgeben. Die Einrichtung eigener kommunaler Koordinierungsstellen dürfte jedoch nur die Verfahren verzögern.
bb) Fristen Die Beteiligung der Drittbehörden führt femer dann zu gravierenden Verzögerungen, wenn die behördlichen Stellungnahmen nur schleppend bei der Anhörungsbehörde eingehen. Durch Einführung von bestimmten Fristen für behördliche Stellungnahmen versucht man hier Abhilfe zu schaffen. Freilich sind die Hoffnungen auf eine Verfahrensbeschleunigung durch Fristsetzung häufig zu hoch gespannt213. Gesetzliche Fristen für die Anlagenzulassungsverfahren sind nämlich relativ leicht zu umgehen. So können immer noch Unterlagen nachgefordert oder Dritte vorgeschoben werden. Unterwirft der Gesetzgeber gleichwohl die Mitwirkung der zu beteiligenden Behörden und Stellen bestimmten Fristen, tritt der Konflikt spätestens dann ein, wenn eine Drittbehörde die Frist für ihre Stellungnahme doch nicht einhält. Eine Verfahrensbeschleunigung kann nur dann erzielt werden, wenn eine Sanktion für die Fristüberschreitung vorgesehen ist. Als wirksame Sanktion kommt nur in Betracht, verspätete Stellungnahmen zu ignorieren oder unterbliebene Stellungnahmen als Zustimmung zu dem Vorhaben zu behandeln. Eine „Hammerlösung"214 ist trotzdem ausgeschlossen. Denn sie kollidiert nicht nur mit dem Untersuchungsgrundsatz, sondern auch mit dem planerischen Abwägungsgebot oder - bei Unternehmergenehmigungen - mit dem Kontrollauftrag; im Planfeststellungsbeschluß sind grundsätzlich alle öffentlichen und privaten Belange zu würdigen, die für das Vorhaben bedeutsam sind, und auch die präventive Kontrolle darf nicht beschnitten werden. Obendrein wäre die Beteiligung der Betroffenen und der Öffentlichkeit defi-
212
Nr. I 10.4 VwV-Verfahrensbeschleunigung Umwelt.
213
Vgl. nur IHK Hildesheim, Genehmigungsverfahren, S. 8, 30; Nds., Empfehlungen 8, 17. - Der Hinweis auf das vom Staat New York 1977 erlassene Gesetz zur Verfahrensvereinheitlichung (The Uniform Procedures Act, Art. 70), wonach ein Genehmigungsverfahren nur 150 Tage dauern darf, ist wenig aussagekräftig. Zum einen machte man selbst in New York keine guten Erfahrungen mit den gesetzlich vorgeschriebenen Entscheidungsfristen. Zum anderen lassen sich Regelungen aus den USA nicht bruchlos in das deutsche Rechtssystem übertragen. 214
Bullinger, Beschleunigung, S. 46.
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3. Abschnitt: Beschleunigung und Vereinfachung de lege lata
zitär, wenn diesen an sich erforderliche behördliche Stellungnahmen vorenthalten bleiben. Ignoriert die Planfeststellungsbehörde verspätet eingegangene behördliche Stellungnahmen, läßt sie dort geäußerte öffentliche Belange unberücksichtigt, liegt ein Abwägungsdefizit vor, das in aller Regel zur gerichtlichen Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses führen wird. Entsprechendes gilt für öffentliche Belange, die nicht vorgebracht wurden. Eine etwaige Zustimmungsfiktion kann sich daher nur auf solche öffentlichen Belange beziehen, die von der Zulassungsbehörde auch ohne Mitwirkung der Fachbehörde gewürdigt wurden. Dies trifft vor allem für die im „Huckepackverfahren" zu prüfenden Belange (Eingriffe in Natur und Landschaft, Umweltbelange) zu. Eine gesetzliche Regelung, wonach Stellungnahmen der Drittbehörden nur innerhalb bestimmter Fristen eingeholt werden müssen und ansonsten unbeachtet bleiben, wäre unzulässig. Bei nicht rechtzeitig eingegangenen Stellungnahmen läßt sich aber immerhin die Zustimmung der Drittbehörden zu dem Vorhaben fingieren (konkludente Unbedenklichkeitserklärung). Dies entbindet die Verfahrensbehörde gleichwohl nicht von der Pflicht, sämtliche öffentlichen Belange zu würdigen bzw. eine vollständige Kontrolle durchzuführen sowie eine umfassende Information der Betroffenen und der Öffentlichkeit zu betreiben. Die Zustimmungsfiktion birgt daher immer das Risiko eines Abwägungsausfalls oder -defizits bzw. einer unzureichenden Kontrolle in sich. Die Normierung von sanktionslosen Fristen mit Signalwirkung ist dagegen zulässig und sinnvoll, auch wenn die von der Genehmigungsbehörde den zu beteiligenden Behörden nach § 11 der 9. BImSchV a.F. gesetzte Frist in der Praxis oft nicht eingehalten wurde215. Die Handhabung von § 11 der 9. BImSchV ist nach alledem problematisch. Die Ersetzung der von der Genehmigungsbehörde zu bestimmenden Frist durch die Einmonatsfrist in Satz 1 ist nur dann unbedenklich, wenn es sich um eine Signalfrist handelt. Nach Satz 3 kann die Genehmigungsbehörde im Falle des Unterbleibens einer Stellungnahme aber davon ausgehen, „daß die beteiligte Behörde sich nicht äußern will". Das heißt jedoch nicht, daß die fehlende Äußerung kurzerhand als Zustimmung gedeutet werden dürfte. Schließlich darf die Genehmigungsbehörde nicht „blind" gefährliche Vorhaben zulassen. Bei für die Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen unerläßlichen Stellungnahmen muß die Genehmigungsbehörde folglich selbst in eine Sachprüfung eintreten oder den beteiligten Behörden eine Nachfrist setzen.
215
BR-Drucks. 494/91, S. 70.
II. Aktuelle Maßnahmen zur Beschleunigung und Vereinfachung
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Die VwV-Verfahrensbeschleunigung Umwelt hat dieses Dilemma gesehen und bemüht sich um eine sachgerechte Regelung 216 . Was zu geschehen hat, wenn auf eine Stellungnahme nicht verzichtet werden kann, die Stellungnahme innerhalb der Nachfrist aber trotzdem nicht abgegeben wird, konnte auch die VwV-Verfahrensbeschleunigung Umwelt nicht regeln.
cc)
Öffentlichkeitsbeteiligung
Die Öffentlichkeitsbeteiligung in Anlagenzulassungsverfahren ist besonders aufwendig. Im Hinblick auf die Rechtsschutz- und Befriedungsfunktion der Öffentlichkeitsbeteiligung sind Maßnahmen der Verfahrensbeschleunigung und -Vereinfachung jedoch Grenzen gesetzt. Da Maßnahmen zur Akzeptanzverbesserung sich vorwiegend bei der Öffentlichkeitsbeteiligung niederschlagen, kollidieren an dieser Stelle obendrein unterschiedliche Reformkonzeptionen. Einerseits könnte sich eine Straffung der Öffentlichkeitsbeteiligung unter Akzeptanzgesichtspunkten als kontraproduktiv erweisen. Andererseits rechtfertigen illusorische Akzeptanzhoffnungen (bei Freund-Feind-Konstellationen) keinen unverhältnismäßigen Verfahrensaufwand. Zu klären ist daher jeweils, ob der Einsparungsgewinn durch Straffung der Öffentlichkeitsbeteiligung etwaige Einbußen bei der Akzeptanz rechtfertigt. Die Fristen für die Bekanntmachung der Vorhaben und Auslegung der Pläne, Anträge und Unterlagen dürften kaum für die lange Verfahrensdauer verantwortlich sein, weil sie ohnehin recht knapp bemessen sind. Rechtlich wäre es gewiß noch haltbar, die vierwöchige Auslegungsfrist um zwei Wochen zu verkürzen. Doch wäre das der Befriedungsfunktion der Öffentlichkeitsbeteiligung eher abträglich. Ein weiteres Beispiel liefert die vereinfachte Auslegung nach § 73 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 Satz 2 VwVfG, die gewiß ebenfalls zur Beschleunigung beitragen könnte. Bei ihr erfolgt innerhalb einer angemessenen Frist eine individuelle Planeinsicht durch die Betroffenen, die bei einer bestimmten Dienststelle die Planunterlagen einsehen können oder denen die Planunterlagen unmittelbar zugeleitet und erläutert werden 217 . Der Vorteil dieses Verfahrens liegt nicht nur im geringeren externen Verwaltungsaufwand (keine Auslegung in den betroffenen Gemeinden), sondern auch in der Akzeptanzverbesserung der Betroffenen. Die Akzeptanzverbesserung dürfte allerdings nur durch intensivere Erörterung des Vorhabens mit den Betroffenen zu erzielen sein, so daß die Zeitersparnis teilweise wieder verloren geht. Darüber hinaus setzt das vereinfachte Anhörungsverfahren
216
Nr. I 10.5.
2,7
Vgl. PlafeR Nr. 16 Abs. 1 Satz 4.
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3. Abschnitt: Beschleunigung und Vereinfachung de lege lata
voraus, daß alle Betroffenen sich zumindest ermitteln lassen 218 . Hinzu kommt, daß durch die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Akzentverschiebung eingetreten ist. Bei der Anhörung genügt nicht mehr die Auslegung der Unterlagen in einem Umfang, die den Betroffenen die Prüfung ermöglicht, ob ihre Belange von der Planung berührt werden219. Die Auslegung der Unterlagen in den Planfeststellungsverfahren dient vielmehr jetzt dazu, die Öffentlichkeit über die umweltrelevanten Auswirkungen des Vorhabens zu informieren. Deshalb ist zweifelhaft, ob das vereinfachte Anhörungsverfahren überhaupt noch einen nennenswerten Anwendungsbereich hat. Wichtiger als derart periphere Beschleunigungsinstrumentarien ist die Abstimmung der öffentlichen Bekanntmachung mit der Behördenbeteiligung. Grundsätzlich bringt es einen Zeitgewinn, wenn Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung zeitgleich verlaufen. Möglicherweise führen aber behördliche Stellungnahmen zu einer Modifikation des Vorhabens. Daß nur das modifizierte Vorhaben bekanntzumachen ist, versteht sich von selbst. Deshalb muß im Vorantragsverfahren geklärt werden, ob die zu beteiligenden Behörden und Stellen Änderungen des Vorhabens anregen werden. Ist dies nicht der Fall, dann können öffentliche Bekanntmachung und Behördenbeteiligung parallel verlaufen 220 . Ansonsten gibt es bei der Öffentlichkeitsbeteiligung noch einige Ungereimtheiten, die de lege ferenda ohne Akzeptanzeinbußen bereinigt werden könnten und sollten221.
dd)
Entscheidungsverfahren
Nachteilig ist nicht nur der erwähnte immense Prüfungsaufwand, der durch die Unübersichtlichkeit der für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsgrundlagen nicht gerade erleichtert wird, sondern auch die Überfrachtung der Zulassungsentscheidung mit Teilfragen, die sich von der Entscheidung in der Hauptsache trennen lassen (Nebenbestimmungen). Teilungsmöglichkeiten bestehen zwar schon de lege lata. Der Zwang zur verfrühten Regelung von Annexfragen (z.B. naturschutzrechtlicher Ausgleich) folgt daraus, daß die gerichtliche Aufhebung jedenfalls der Planfeststellungsbeschlüsse droht, so-
218 Das vereinfachte Verfahren wird etwa in Betracht gezogen bei Kurvenbegradigungen; vgl. Schroeter, in: Marschall/Schroeter/Kastner, FStrG, § 18 Anm. 7. 219 So noch BVerwGE 71, 150 (152 f.). 220 Nr. I 11 VwV-Verfahrensbeschleunigung Umwelt. 221 Vgl. unten 4. Abschnitt III.4.
II. Aktuelle Maßnahmen zur Beschleunigung und Vereinfachung
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fern nicht alle sich andeutenden Probleme und Konflikte bereits im Planfeststellungsbeschluß gelöst sind. Zeitgewinn brächte hier eine Reduzierung der richterlichen Kontrolldichte, die wiederum nur der Gesetzgeber bewirken kann.
5. Widerstand Der Widerstand von Betroffenen, Verbänden und Teilen der Öffentlichkeit gegen Vorhaben auf den Gebieten des Immissionsschutz- und Abfallrechts erhöht den Aufwand der Zulassungsverfahren beträchtlich und kostet vor allem Zeit. Der Widerstand kann und muß notfalls durch die rechtlich abgesicherte Durchsetzung der Vorhaben beantwortet werden. Auch und gerade die Durchsetzung solcher Vorhaben ist jedoch besonders langwierig, da den Vorhabengegnern zahlreiche, zumindest dilatorische Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen. Daher fragt es sich, ob nicht Bemühungen effizienter sind, die Gegner der Vorhaben dazu zu bewegen, daß sie die Vorhaben doch noch akzeptieren.
a) Maßnahmen zur Akzeptanzverbesserung Die Akzeptanzproblematik wurde bereits in der Vorstudie angesprochen222. Akzeptanz bedeutet die Bereitschaft, rechtmäßige Entscheidungen hinzunehmen, die man an sich nicht billigt. In sozialwissenschaftlichen Untersuchungen wird Akzeptanz häufig mit Konsens verwechselt. Da die soziologische Forschung von Hause aus auf einen Wandel der sozialen Verhältnisse und damit zugleich auf eine Veränderung des Normbestands angelegt ist, wird die fehlende Akzeptanz sozialer Verhaltensweisen als fehlende Akzeptanz der rechtlichen Billigung solcher Verhaltensweisen begriffen. Vorschläge zur Akzeptanzverbesserung laufen dann im Extremfall darauf hinaus, die Rechtsordnung per se in Frage zu stellen. Im vorliegenden Zusammenhang sind sie unerheblich. Werden demgegenüber sozialwissenschaftliche Vorschläge zur Verbesserung der gesellschaftlichen Akzeptanz kontroverser Vorhaben im juristischen Schrifttum aufgegriffen, so geschieht das unter der Prämisse, daß solche Vorhaben rechtlich an sich zulässig sind223. Der juristische Ansatz ist prägnant formuliert von Würtenberger224, der zutreffend
222
Unter B.II.l.
223
Vgl. nur die Beispiele bei Benda, Zur gesellschaftlichen Akzeptanz verwaltungsund verfassungsgerichtlicher Entscheidungen, DÖV 1983, 305 ff. 224
Akzeptanz durch Verwaltungsverfahren, NJW 1991, 257 ff. (259): „Akzeptanz
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3. Abschnitt: Beschleunigung und Vereinfachung de lege lata
ausführt, daß die Lösung politischer Konflikte auf parlamentarischer Ebene zu erfolgen habe, da sie sich in den Verwaltungsverfahren nicht einer akzeptanzfähigen Entscheidung zuführen ließen. Bei Polarisierungen werde dann allerdings die politische Kontroverse im Kampf gegen die Verwaltungsentscheidung fortgeführt 225 . Es komme somit darauf an, eine Polarisierung schon auf parlamentarischer Ebene zu vermeiden. Was die Akzeptanzverbesserung im Verwaltungsverfahren angeht, so schlägt Würtenberger eine bessere Öffentlichkeitsarbeit im Vorfeld der Verwaltungsentscheidungen vor. Dies ist im Ansatz richtig. Information der Öffentlichkeit bedeutet aber nicht automatisch Öffentlichkeitsbeto'/t'gMng. Der Übergang von der Information zur Beteiligung der Öffentlichkeit erfolgt bei Würtenberger zu unvermittelt226. Zwar sollte eine Beteiligung der Öffentlichkeit vor der administrativen Entscheidungsfindung erfolgen; die Betroffenenbeteiligung auf dieser Stufe ist zudem verfassungsrechtlich geboten. Es ist aber nicht einzusehen, warum außerdem verfahrensbegleitend eine Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt werden muß. Die Akzeptanz der Verwaltungsentscheidungen nimmt dadurch nämlich nicht zu. Werden die Betroffenen immer wieder mit dem gleichen Projekt konfrontiert, ist das für sie allenfalls lästig. Konsequenz von Beteiligungsrechten ist obendrein die unvermeidbare Annahme von Beteiligungslasten. Wer nicht unter dem Druck des Einwendungsausschlusses steht, hält seine Einwendungen nicht nur dem Träger des Vorhabens vor, sondern auch den anderen Einwendern. Für diese würde die frühzeitige Beteiligung ohne zureichende Informationsbasis zur Unzeit erfolgen. Eine Vorverlagerung der Betroffenen- und Öffentlichkeitsbeteiligung müßte daher die Vorverlagerung der Präklusion zur Folge haben. Eine Akzeptanzverbesserung wird daher aller Voraussicht nach durch die Ausweitung der Öffentlichkeitsbeteiligung nicht eintreten. Der Beschleunigungseffekt wäre ungewiß. Eher muß mit wesentlich größerer Gewißheit mit weiteren Verzögerungen gerechnet werden. Von einer völligen Eliminierung der Beteiligungsmöglichkeiten ist im Hinblick auf die Qualität der Planungsentscheidung dagegen abzuraten. Der regionale ökologische Sachverstand sollte nicht unterbewertet werden. Jeder Projektmanager tut somit gut daran, wenn er versucht, lokale Bürgerinitiativen in die Entscheidungsbildung einzubinden.
von Verwaltungsentscheidungen in einer pluralistischen Demokratie und in einem Milieu der Toleranz bedeutet damit: Auch deijenige, der aus besserer Einsicht die Verwaltungsentscheidung ablehnt, bleibt gleichwohl bereit, diese als noch vertretbare Problemlösung anzuerkennen." 225 Ebd. 226 NJW 1991, 260.
II. Aktuelle Maßnahmen zur Beschleunigung und Vereinfachung
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Somit gilt: Angesichts der in den vergangenen Jahren ausgeweiteten Betroffenen- und Bürgerbeteiligung und der offensiven Informationspolitik der Behörden kann man davon ausgehen, daß in der Öffentlichkeitsbeteiligung keine Ursachen für Akzeptanzdefizite mehr liegen müssen. Bei Fundamentalkonflikten besteht ohnehin keine Chance, Akzeptanz zu erzielen. Wichtig ist es aber, vorhandene Akzeptanzchancen nicht dadurch zu verspielen, daß man die Öffentlichkeitsbeteiligung im Interesse einer vordergründigen Verfahrensbeschleunigung und -Vereinfachung drastisch reduziert. Hilfreich ist in diesem Rahmen das von Würtenberger vorgeschlagene Akzeptanz-Management121, das in mancherlei Hinsicht wohl zu weit geht, konzeptionell aber zutreffend die Akzeptanzherstellung zur behördlichen Aufgabe macht. Problematisch ist diese Konzeption im Hinblick auf die verbreitete Skepsis gegenüber der Neutralität bei der Entscheidungsfindung. Wo Projektträger und Zulassungsbehörden identisch sind, entstehen Zweifel, ob die planerische Abwägung korrekt erfolgt und Interessenkonflikte sachgerecht gelöst werden. Die Akzeptanzverbesserung soll aus diesem Grund zunehmend durch das Modell des Konfliktmittlers erzielt werden.
b) Konfliktmittlung Die moderne Konfliktmittlung 228 stammt aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis (Mediation)229. Im deutschen Genehmigungs- und Planfeststellungsrecht fand sie ihren hauptsächlichen Protagonisten in HoffmannRiem230. Der der Konfliktmittlung zugrundeliegende Befund, daß der Staat
227 Würtenberger, Entwurf einer Empfehlung zur Verbesserung der Akzeptanz von Verwaltungsentscheidungen, o.J. 228
Einzelheiten bei Ronellenfitsch, Konfliktmittlung aus Anlaß von Genehmigungsund Planfeststellungsverfahren, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Bd. II, 1990, S. 185 ff. 229 Vgl. etwa Cormick, Environmental Mediation. An Effective Alternative, Konferenzbericht, Reston Virginia, Jan 1 1 - 1 3 , 1978. 230 Konfliktmittler in Verwaltungsverhandlungen, 1989, S. 1 ff.; ferner die Beiträge in den von Hoffmann-Riem und Schmidt-Aßmann Sammelbänden „Konfliktbewältigung durch Verhandlungen", 2 Bde., 1989 /1990, sowie Holznagel, Konfliktlösung durch Verhandlungen, Jur. Diss. Hamburg 1989; ders., Der Einsatz von Konfliktmittlern, Schiedsrichtern und Verfahrenswaltern im amerikanischen Umweltrecht, Die Verwaltung 1989, 421 ff.; Passavant, Mittlerunterstützte Kooperationsverfahren im öffentlichen Recht, JURA 1986, 614 ff.; ders.. Mittlerunterstützte Kooperation in komplexen Verwaltungsprojekten, DÖV 1987, 516 ff.; Brohm, Verwaltungsverhandlungen mit Hilfe von Konfliktmittlern, DVB1. 1990, 321 ff.; Kunig/Rublack, Aushandeln statt Entscheiden, JURA 1990, 1 ff.
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3. Abschnitt: Beschleunigung und Vereinfachung de lege lata
auf die Kooperation der Gewaltunterworfenen angewiesen ist und daß Befehl und Zwang häufig untaugliche Mittel zur Errichtung des gewünschten Erfolgs sind, ist sicherlich richtig. Im übrigen werden mit der Konfliktmittlung verschiedene Vorstellungen und Hoffnungen verbunden. Wer befürchtet, durch informelles Verwaltungshandeln könnten die ohnehin Unterprivilegierten zu kurz kommen, sieht im Einsatz von Verwaltungsmittlern eine Chance, Disparitäten auszugleichen 231 . Demgegenüber glauben Vorhabenträger, Antragsteller und Behörden, durch eine Schlichtung festgefahrene Fronten wieder in Bewegung setzen zu können. In den Vereinigten Staaten hat jedenfalls der Akzeptanzgesichtspunkt bei umweltpolitisch umstrittenen Vorhaben die Diskussion geprägt 232 . In Deutschland ist die Lage ähnlich. Hierdurch wird die Ausgestaltung der Konfliktmittlung beeinflußt. Als Konfliktmittler versteht man nämlich einen neutralen Dritten, dem die Aufgabe zukommt, in einem Konflikt die Entscheidungsfindung zu erleichtern. Eine eigene Entscheidungskompetenz soll dem Konfliktmittler dabei nicht zustehen233. Die Tätigkeit des Konfliktmittlers kann sich auf das Verfahren beschränken, in welchem die Auseinandersetzung abläuft (Verfahrensmittler, passiver Konfliktmittler2M). Vom Konfliktmittler im eigentlichen Sinne spricht man, wenn dessen Tätigkeit sich auf die Lösung des Konflikts in der Sache bezieht (aktiver Konfliktmittler2*5). Voraussetzung der Konfliktmittlung 236 ist, daß überhaupt ein Konflikt besteht, der Streit festgefahren ist, unterschiedliche Möglichkeiten der Konfliktlösung bestehen, eine Vermittlung noch in Betracht kommt, ein neutraler Konfliktmittler von den Konfliktparteien akzeptiert wird und die vermittelte Konfliktlösung die Konfliktparteien bindet. Das Fehlen eigener Entscheidungskompetenzen ist kein Wesensmerkmal des Konfliktmittlers, dem lediglich die eigentliche Sachentscheidung verwehrt ist. Die Aufgaben der Verfahrensstrukturierung, der Sachverständigenauswahl oder der Gutachtenfinanzierung können ihm übertragen werden. Der Ablauf der Konfliktmittlung soll, amerikanischen Modellen folgend, dreistufig erfolgen. Auf der ersten Stufe wird der Vermittler bestimmt, der mit den Beteiligten Verhaltens- und Verfahrensregeln bestimmt, auf der zweiten Stufe soll dann durch Verhandlungen Konsens erzielt werden. Dem
231
Hoffmann-Riem, Konfliktmittler, S. 32 f. Holznagel, Die Verwaltung 1989, 432, 434 ff. 233 Hoffmann-Riem, Konfliktmittler, S. 21. 234 Holznagel, Die Verwaltung 1989, 434 ff. 235 Ebd. 236 Ronellenfltsch, Konfliktmittlung, S. 189 f. 232
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schließt sich auf der dritten Stufe die Abwicklungsphase an. Bei Abwicklungsdefiziten tritt der Konfliktmittler im Rahmen von Nachverhandlungen wieder in Aktion. Zu klären ist nunmehr, ob zur Konfliktbewältigung aus Anlaß von Planfeststellungs- und Anlagengenehmigungsverfahren erstens überhaupt Konfliktmittler eingesetzt werden können und sollten; bejahendenfalls, zweitens in welchen Zusammenhängen Konfliktmittler eingesetzt werden können und sollen und drittens welche Aufgaben den Konfliktmittlern dabei zugedacht sind. Bei den Zulassungsverfahren für Großvorhaben liegen zumeist die allgemeinen Voraussetzungen für eine Konfliktmittlung vor: Die Vorhaben sind umstritten. Der Widerstand der Planungsbetroffenen verfestigt sich zumeist. Es bestehen noch unterschiedliche Möglichkeiten der Konfliktlösung. Gerade bei Müllverbrennungsanlagen kommen allerdings auch Alles-oder-NichtsKonstellationen vor. Wird dagegen um Einzelinteressen gestritten und besteht keine Fundamentalopposition, so ist eine Konfliktmittlung weiterhin realisierbar. Möglicherweise lassen sich auch neutrale Konfliktmittler finden, die von den Konfliktparteien akzeptiert werden. Bei immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen wird die Bindungswirkung der Konfliktlösung zudem durch die materielle Präklusion erleichtert. Prima facie ist dennoch eher die abfallrechtliche Planfeststellung für den Einsatz von Konfliktmittlern geeignet. Denn namentlich bei ihr bestehen Zweifel an der Neutralität der Behördenvertreter. Der Einsatz eines Verwaltungsmittlers wäre hier praktisch in allen Planungsphasen bis zum Erlaß des Planfeststellungsbeschlusses denkbar, vorwiegend bei der Ermittlung und Gewichtung des Abwägungsmaterials und bei der Abwägung selbst. An den Optimierungsaufgaben sollte der Konfliktmittler aktiv beteiligt sein. Sinnvoll wäre es auch, ihm die Abstimmung der behördlichen Belange zu übertragen. Interessant wäre die Konfliktmittlung auch für die Plangenehmigung. Ein Verzicht auf Planfeststellung ist nämlich grundsätzlich nur möglich, wenn kein Konflikt (mehr) zwischen den Trägern des Vorhabens, den potentiell Betroffenen und den zu beteiligenden Drittbehörden besteht. Die Einschaltung eines Konfliktmittlers könnte dazu beitragen, eine derartige Einigung herbeizuführen. Es wird indessen schwer sein, einen privaten Mittler zu finden, der die nötige Fachkunde besitzt. Daher bietet es sich an, bei der Auswahl des behördlichen Projektmanagers dessen Fähigkeit zur Streitschlichtung mitzuberücksichtigen. Dem Anliegen derjenigen, die den Behörden einen neutralen privaten Streitschlichter entgegensetzen wollen, ist diese Vorgehensweise allerdings diametral entgegengesetzt. Trotzdem sollte die Streitschlichtung
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3. Abschnitt: Beschleunigung und Vereinfachung de lege lata
durch einen von allen Beteiligten akzeptierten behördlichen Verfahrensbeauftragten nicht vorschnell verworfen werden. Rückt man indessen die Neutralität des Streitschlichters in den Vordergrund, so bestehen mit wachsender Distanz zwischen Vorhabenträger und Genehmigungsbehörde Zweifel an der Eignung der privaten Konfliktmittlung für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren. Die Genehmigungsbehörde ist ohnehin neutral und hat bei ihrer gebundenen Entscheidung wenig Handlungsspielraum. Dem steht auch nicht entgegen, daß im bipolaren Konflikt zwischen Vorhabenträger und Behörde über das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen unabhängige Sachverständige herangezogen werden. Diese „lösen" den Konflikt (z.B. über die Reichweite von Auflagen) nämlich kraft ihrer fachlichen Autorität und nicht durch die Verhandlungsführung. Eine Konfliktmittlung liegt somit in Wirklichkeit gar nicht vor. Entsprechendes gilt für die Hinzuziehung Dritter nach § 2 Abs. 1 Satz 2 der 9. BImSchV. Im mehrpoligen Konflikt kann dagegen ein privater Dritter durchaus zwischen Vorhabenträger und Drittbetroffenen vermitteln, etwa diese zur entgeltlichen Rücknahme von Einsprüchen veranlassen 237 . Behörden sollten sich an solchen Vereinbarungen nicht beteiligen, eben weil dadurch ihre Neutralität in Zweifel gezogen werden könnte. Fazit: Die Konfliktmittlung nach anglo-amerikanischem Vorbild läßt sich nur schwer auf das deutsche Planfeststellungs- und Anlagenzulassungsrecht übertragen. Die Übertragung von eigenständigen Konfliktlösungsaufgaben auf private Dritte ist grundsätzlich nicht zulässig. Im Anlagenzulassungsrecht darf die Kontrollfunktion der Genehmigungsbehörde nicht überschritten werden, im Planfeststellungsrecht muß die planerische Gestaltungsfreiheit dem Vorhabenträger oder der Planfeststellungsbehörde verbleiben. Das Anliegen der Konfliktmittlung: die Akzeptanzverbesserung durch Verhandlungslösungen unter der Leitung neutraler Verfahrensbeauftragter, läßt sich demgegenüber auch für das deutsche Verwaltungsverfahrensrecht fruchtbar machen. Deshalb muß bei der Auswahl des behördlichen Verfahrensbeauftragten auf dessen Fähigkeit als Konfliktmittler (Eignungskriterium) geachtet werden, und es müssen ihm Instrumentarien der Streitschlichtung zur Verfügung gestellt werden. Als Beispiel sei die erwähnte Empfehlung zum Akzeptanz-Management genannt. Auf private neutrale Dritte kann dann verzichtet werden.
237
Vgl. BGHZ 79, 131.
III. Katalog der Regelfristen
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III. Katalog der Regelfristen 1. Ausgangslage Der in der VwV-Verfahrensbeschleunigung Umwelt enthaltene Katalog der Regelfristen für die abfall- und immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren ist schon im Hinblick auf die Appellfunktion der Fristen begrüßenswert. Quantifizierbar trägt er freilich nur dann zur Verfahrensbeschleunigung und -Vereinfachung bei, wenn die Fristen auch wirklich eingehalten werden können und die innerhalb dieser Fristen getroffenen Entscheidungen einer gerichtlichen Überprüfung standhalten. Um zu klären, ob das zutrifft, muß der Katalog zunächst daraufhin überprüft werden, ob er in sich stimmig und realistisch ist. Sollte das nicht der Fall sein, so könnten die im Katalog vorgesehenen Regelfristen das Ergebnis der de lege lata möglichen Beschleunigungsmaßnahmen dennoch richtig wiedergeben. Die abschließende Bewertung der Regelfristen ist somit Bestandteil der Folgerungen des vorliegenden Abschnitts, die eine isolierte Würdigung des Katalogs voraussetzen. Die Würdigung des Katalogs wird erleichtert durch einen Vergleich der abfall- und immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren unter Einbeziehung der vereinfachten Verfahren. Danach stellt sich der Katalog wie umseitig dar.
2. Würdigung Der Katalog betrifft Regelfristen für die Durchführung von Zulassungsverfahren „normalen Schwierigkeitsgrades". Die Norm bilden dabei nicht etwa die einfachen Verfahren (allgemein akzeptierte Abfallentsorgungsanlagen; „harmlose" emittierende Anlagen), da für diese eigene Regelfristen vorgesehen sind, sondern offenbar die Routineverfahren.
a) Vorlaufphase Das Verfahren vor Antragstellung wird lediglich bei der abfallrechtlichen Planfeststellung und beim Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG in Form eines Klammerzusatzes erwähnt. Regelfristen sind für die Vorlaufphase nicht vorgesehen. Für den Verzicht auf Regelfristen spricht, daß ein informales Verfahren nicht in starre Fristen gezwängt werden sollte. Andererseits ist durch den Hinweis auf § 5 UVPG eine Teilformalisierung eingetreten, die
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3. Abschnitt: Beschleunigung und Vereinfachung de lege lata
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