Einheit der Kirche als dogmatisches Problem bei Edmund Schlink 9783666562747, 3525562748, 9783525562741


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German Pages [304] Year 1993

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Einheit der Kirche als dogmatisches Problem bei Edmund Schlink
 9783666562747, 3525562748, 9783525562741

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V&R

J O C H E N EBER

Einheit der Kirche als dogmatisches Problem bei Edmund Schlink

VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN

Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie Herausgegeben von Wolfhart Pannenberg und Reinhard Slenczka Band 67

Die Deutsche Bibliothek -

CIP-Einheitsaufnahme

Eber, Jochen: Einheit der Kirche als dogmatisches Problem bei Edmund Schlink / Jochen Eber. • Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1993 (Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie; Bd. 67) Zugl.: Erlangen, Nürnberg, Univ., Diss., 1990 ISBN 3-525-56274-8 NE: GT

Dissertation Erlangen 1990 © 1993 Vandenhoeck & Ruprecht, 37070 Göttingen. Printed in Germany. - Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gesamtherstellung: Hubert & Co., Göttingen.

Inhalt

1. TEIL Kapitel 1. Einleitung

11

Kapitel 2. Zur Biographie

18

2.1 2.2 2.3 2.4 2.5

18 28 39 43 46

Unterwegs zum Thema »Einheit der Kirche« Der ökumenische Aufbruch nach dem Zweiten Weltkrieg . . . Mitarbeit auf den Weltkonferenzen Das Zweite Vatikanische Konzil Die Phase der »Ökumenischen Dogmatik«

2. TEIL Kapitel 1. Schlinks ökumenische Methode 1.1 Grundlegung der ökumenischen Methode in den Hochschulschriften 1.1.1 Die beiden Dissertationen 1.1.2 Die Habilitationsschrift 1.1.2.1 Der Stellenwert anthropologischer Untersuchungen für die Theologie 1.1.2.2 Der Ertrag für die Frage der ökumenischen Methode . 1.2 Grundprobleme und Arbeitsschritte ökumenischer Methode . . 1.2.1 Grundformen der theologischen Aussage 1.2.2 Strukturprobleme der dogmatischen Aussage 1.2.3 Die Einheit der dogmatischen Aussage 1.3 Durchführung des methodischen Ansatzes in der Ökumenischen Dogmatik 1.3.1 Der Begriff des »Ökumenischen« 1.3.2 Zum Aufbau 1.3.3 Das methodische Vorgehen bei den einzelnen Themen . . . . 1.4 Würdigung

51 52 52 53 55 58 59 61 67 68 70 70 72 74 75 5

Kapitel 2. Gesetz und Evangelium

79

2.1 Zur Einordnung der wichtigsten Veröffentlichungen 2.2.1 Zur Schriftbegründung von Gesetz und Evangelium 2.2.1.1 Das alttestamendiche Gesetz und das neutestamentliche Evangelium 2.2.1.2 Gottes Zuspruch und Anspruch im alttestamentlichen Gesetz 2.2.1.3 Gottes Zuspruch und Anspruch in neutestamentlichen Evangelium Exkurs: Einheit und Unterscheidung von Gesetz und Evangelium 2.2.2 Zwischenkirchliche Differenzen und die methodische Bearbeitung von Problemen der Lehre von Gesetz und Evangelium . . . . 2.2.2.1 Die »Verwandlung in Gottes Ebenbild« als ein Begriff für das Geschehen des Evangeliums 2.2.2.2 Die Bußlehre: Der Ruf zur Buße als Ereignis der Mahnung 2.3 Würdigung

79 82

Kapitel 3. Die eine Taufe der Kirche

97

83 83 84 85 88 89 93 95

3.1 Die Schriftbegründung der Taufe und die kirchengeschichtlichen Differenzen 98 3.2 Die Einheit der Taufe und die Konsequenzen für Unterschiede zwischen den Kirchen 100 3.3 Würdigung 105

Kapitel 4. Das Herrenmahl

108

4.1 Die Begründung des Herrenmahls im Befehl des irdischen Jesus 108 4.1.1 Die Selbsthingabe Jesu und die Struktur der Spendeworte . . . 110 4.1.2 Die Struktur des eschatologischen Wortes 112 4.1.3 Der Wiederholungsbefehl »Das tut zu meinem Gedächtnis« . . 1 1 3 4.1.4 Die eucharistisch-anamnetische Anerkennung der Gegenwart Christi 115 4.2 Bearbeitung von Strukturverschiebungen im Laufe der Kirchengeschichte 115 4.2.1 Die Realpräsenz Christi 115 4.2.1.1 Das räumliche und zeitliche Problem der Präsenz Christi im Herrenmahl 116 4.2.1.2 Das Verhältnis von Brot und Leib Christi und von Wein und Bundesblut Christi 117 4.2.2 Der Wiederholungsbefehl 119 4.3 Das Problem der Abendmahlsgemeinschaft heute 122 4.4 Würdigung 125 6

Kapitel

5. Die eine Kirche und die trennenden

Traditionen

. . . .126

5.1 V o r b e m e r k u n g e n 126 5.2 D e r Ansatz bei den ekklesiologischen Grundstrukturen des N e u e n Testaments 127 5.2.1 Die Vielfalt neutestamentlicher Begriffe für die eine Kirche . . 1 2 8 5.2.2 Die zwischenkirchlichen Unterschiede auf dem Hintergrund des Neuen Testaments 129 5.2.3 Die Identität der einen Kirche: Gruppen ekklesiologischer Grundstrukturen im N T und in den Kirchen 131 5.2.4 Konsequenzen für die Beurteilung der Erfahrung der Einheit . 133 5.3 D a s » Volk Gottes « als ekklesiologischer Leitbegriff 136 5.3.1 Trinitarische Grundlegung und Ausrichtung der Ekklesiologie: Vom Ursprung der einen Kirche in Gottes Werk 136 Exkurs: Der Dissens in der Eschatologie in Evanston 1954 138 5.3.2 Das Gottesvolk in der doppelten Bewegung von Sammlung und Sendung 143 5.3.3 Die Mitte der Kirche: die gottesdienstliche Versammlung . . . 147 5.3.3.1 Zum Begriff des »Gottesdienstes« 147 5.3.3.2 Das Wesen des Gottesdienstes als Dienst Gottes und Dienst für Gott 147 5.3.3.3 Die vor Ort versammelte Gemeinde und die Universalkirche 148 5.4 G r u n d s t r u k t u r e n der einen Kirche: weitere Begriffe und Synonyme 149 5.4.1 Die Ekklesia Gottes 149 5.4.2 Der Leib Christi 150 5.4.3 Der Tempel des Heiligen Geistes 151 5.4.4 Die Braut Christi 152 5.4.5 Die Gemeinschaft der Heiligen 152 5.5 Die vier Kennzeichen der Kirche 153 5.5.1 Die Einheit der Kirche 154 5.5.2 Die Heiligkeit und Katholizität der Kirche 155 5.5.3 Die Apostolizität der Kirche 155 5.6 Die E r h a l t u n g der Kirche und ihre Zertrennung durch Traditionen 156 5.6.1 Der Grund der Erhaltung der Kirche: Christi Verheißung ihrer Unzerstörbarkeit 157 5.6.2 Die Differenzierung von »Tradition« und »Traditionen« . . . 1 5 8 Exkurs: Die »TRADITION« und die Traditionen im Bericht von Montreal 1963 159 5.6.3 Trennungsfaktoren und das Verhältnis von Schrift und Tradition 161 5.7 W ü r d i g u n g 166

7

Kapitel 6. Stadien der Vereinigung und das Ziel der Einheit der Kirchen 168 6.1 Die Erkenntnis der Einheit 6.1.1 Die Buße des einzelnen im Blick auf seine Kirche 6.1.2 Die Buße im Blick auf andere Kirchen: die »kopernikanische Wende« im ekklesiologischen Denken 6.1.3 Der Dialog

6.2 Die Darstellung der Einheit 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.4 6.2.5

169 169 171 173

175

Konsens im Bekenntnis 176 Die Anerkennung der Ämter 177 Die Aufhebung der Anathematismen 177 Die Einheit der Kirchen: Aufnahme der Gottesdienstgemeinschaft 178 Freiheit für weitergehende Einigung 180

6.3 Würdigung

181

Kapitel 7. Schritte zu einer ökumenischen Sicht von Amt und Charisma 182 7.1 Die grundlegende Funktion des Aposteldienstes 7.2 Charisma und Beauftragung zum kirchlichen Amt 7.3 Ein ökumenischer Lösungsvorschlag für die apostolische Sukzession 7.4 Das Papstamt als ökumenische Frage 7.4.1 Der Ort des Papstamtes in der »Hierarchie der Wahrheiten« 7.4.2 Die Buße des Papstes als Voraussetzung kirchlicher Einheit?

183 185 190 193 . 194 . 195

7.5 Würdigung

197

Kapitel 8. Einheit im Bekenntnis

199

8.1 Die Wichtigkeit des Nicaeno-Constantinopolitanums für die Ökumene 8.1.1 Strukturvergleich mit neutestamentlichen Bekenntnisformeln 8.1.2 Das Constantinopolitanum als ökumenische Glaubensformulierung

200 . . 200 202

8.2 Der ökumenische Beitrag der Confessio Augustana 8.3 Bekenntnisbindung und Ökumene 8.4 Würdigung

203 207 209

Kapitel 9. Die Bedeutung der Ostkirchen fur die Ökumene

210

9.1 9.2 9.3 9.4 9.5 8

Der Gottesdienst in der orthodoxen Kirche 211 Zur Struktur des ostkirchlichen Dogmas 212 Die Zuordnung von Amt und Gemeinde 213 Fehlender dogmatischer Fortschritt in den Ostkirchen? . . . . 2 1 4 Würdigung 215

Kapitel 10. Der römisch-katholische Ökumenismus

217

10.1 Voraussetzungen des römisch-katholischen Okumenismus: Die Einheit der Kirche und die Zertrennung der Kirchen . .218 10.2 Vereinigung der Kirchen: Die Anweisungen zum ökumenischen Verhalten 221 10.3 Einheit in der römisch-katholischen Kirche als Ziel des Ökumenismus 222 10.4 Würdigung 224

3. TEIL 1. Die Bedeutung von Schlinks Vorgehensweise für die ökumenische Methodik 2. Zusammenfassung und Ergebnis 3. Die Problematik des Schriftprinzips im ökumenischen Gespräch 4. Reformationsgeschichtliche Rückfrage 5. Epilog

227 233 235 244 254

Literaturverzeichnis

255

1. Veröffentlichungen Schlinks 2. Sekundärliteratur

255 264

Bibliographie E. Schlink in chronologischer Reihenfolge

274

1. 2. 3. 4. 5. 6.

274 288 290 291 295 296

Bücher und Aufsätze Forschungsberichte und Rezensionen Herausgeber, Mitherausgeber Veröffentlichte Predigten Rezensionen zur Ökumenischen Dogmatik Weitere Titel zu Schlinks Biographie (Anhang: Lebenslauf) . . .

Namensregister

299

9

Abkürzungen Abkürzungen werden nach dem Abkürzungsverzeichnis der TRE (IATG, Berlin: WdG, 1976), zusammengestellt von Siegfried Schwertner, zitiert. Abweichend davon werden verwendet: Die am häufigsten zitierten Werke Schlinks: (vgl. das Literaturverzeichnis) BKW KC NDK ÖD TBSLK

Bekennende Kirche und Welt Der kommende Christus und die kirchlichen Traditionen Nach dem Konzil Ökumenische Dogmatik Theologie der lutherischen Bekenntnisschriften

Weitere Abkürzungen: BK BTE dT eT IT bes. dass. ORK SS WS

10

Bekennende Kirche Barmer Theologische Erklärung deutscher Text englischer Text lateinischer Text besonders dasselbe Ökumenischer Rat der Kirchen Sommersemester Wintersemester

1.

1.

TEIL

KAPITEL

Einleitung Wir leben am Ende des 20. Jahrhunderts in einer Zeit, die in einem populären Handbuch der Dogmen- und Theologiegeschichte theologisch mit dem Stichwort der »Ökumenizität« charakterisiert wird 1 . Der Aufbau des Werkes läßt vermuten, daß der Herausgeber die geschichtliche Lehrentwicklung von den Anfängen der urchristlichen Lehre bis zur ökumenischen Gegenwart als einen notwendigen Prozeß interpretiert. Im Verlauf dieses Prozesses werden die epochalen theologischen Rahmenbedingungen der »Katholizität« und der »Konfessionalität« vom neuzeitlichen Rahmen der »Ökumenizität« abgelöst 2 . Diese Aussage über die Gegenwart und die Zukunftserwartungen der Kirche, vorwiegend auf der Grundlage des ökumenischen Fortschritts im Gespräch der Exegeten formuliert 3 , kann weitgehenden Konsens für sich beanspruchen, wenn auch die ökumenische Praxis derzeit von Schwierigkeiten, ja von Stagnation geprägt ist4.

1 Handbuch der Dogmen- und Theologiegeschichte ( H D T h G ) , hg. v. Carl Andresen. 1. Nachdr. d. Studienausg. Göttingen: V&R 1989. Zur Verwendung von Kurztiteln: Kurztitel für Veröffentlichungen Schlinks werden kursiv ohne Verfassernamen angeführt Ebenfalls kursiv angegeben werden Kurztitel anderer Verfasser (unter Angabe des Namens) und Abkürzungen für Lexika. Zur Unterscheidung von Schlinks Schriften sind die Titel von Werken mit mehreren Verfassern oder korporativen Herausgebern (im Text ohne Verfasserangabe) nicht kursiv gedruckt. Vgl. auch das Literaturverzeichnis S. 272. 1 Vgl. HDThG 2, XXIV. Die Ausweitung des Begriffes »Ökumenizität« auf die gesamte neuzeitliche Theologiegeschichte, beginnend schon mit Humanismus und Antitrinitarismus, wird mit der Toleranz begründet, die durch »die Weitung konfessioneller Bekenntnistreue zur ökumenischen Zeugnisverpflichtung aller christlichen Kirchen gegenüber der Menschheit« (ebd.) Voraussetzung der Begegnung der Kirchen geworden sei. J Vgl. HDThG t , XVI. 4 Vgl. K. Raiser, Ökumene im Übergang, Teil 1, bes. 11-14; Fries, Rahner, Einigung der Kirchen, 10: »Man pendelt sich gegenwärtig auf den Status quo ein [...]«.

11

Edmund Schlink war eine der führenden Persönlichkeiten, die den ökumenischen Aufbruch in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg prägten 5 . Das Werk des Heidelberger Professors wurde deshalb als Gegenstand der Untersuchung ausgewählt, weil es einen eigenständigen Entwurf ökumenischer Theologie in lutherischer Verantwortung darstellt. Als Hauptthema seiner Arbeit - und deshalb auch dieser Untersuchung - bietet sich seine Sicht der Einheit der Kirche an; sein Lebenswerk ist von der Voraussetzung geprägt, daß »ökumenische Theologie« nur von einem Standort aus betrieben werden kann, der konfessionell bestimmt ist. Die Gliedschaft in der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche des Glaubensbekenntnisses ist nur möglich, indem der einzelne einer konkreten sichtbaren Kirche angehört 6 . Durch seinen Neuansatz hat Schlink einen spezifischen Beitrag zum Problem der ökumenischen Methode im Gespräch der Gegenwart geleistet. Die bisher einzige Arbeit des römischen Katholiken German Schwenzer SS. CC. reicht aus mehreren Gründen nicht aus, um Schlinks Arbeit angemessen zu würdigen 7 : Schwenzer berücksichtigt nur die Veröffentlichungen bis 1967; dem ersten Teil seiner Arbeit über die Rechtfertigungslehre legt er vor allem Aussagen der Theologie der lutherischen Bekenntnisschrifien zugrunde, die Schlink jedoch von seiner eigenen dogmatischen Bearbeitung des Themas abhebt 8 ; die Lehre von Charisma und Amt wird in einer für Schlinks Werk unzulässigen Weise in zwei separaten Kapiteln behandelt 9 ; schließlich hat Schwenzer nicht durchgehend Schlinks methodischen Ansatz in seiner Bedeutung für alle Teile der Ekklesiologie herausgearbeitet, auch seine geschichtlichen Voraussetzungen blieben unberücksichtigt 10 . Allein schon auf Grund dieser Schwierigkeiten in Schwenzers Darstellung ist eine erneute wissenschaftliche Bearbeitung von Schlinks Veröffentlichungen gerechtfertigt. Die Analyse von Schlinks Gesamtwerk im Blick auf das ökumenische Problem ist notwendig. Leitfrage der folgenden Untersuchung ist die Auswirkung von Schlinks methodischem Ansatz auf seine Behandlung wichtiger Themen 5 Vgl. G. Gaßmann, »Schlink, Edmund«. Ökumene-Lexikon, 2. Aufl. 1084. ' Vgl. Aufgaben einer ökumenischen Dogmatik 9 2 - 9 3 , Kirche in Gottes Heilsplan 652, TBSLK 302. 7 German Schwenzer, Die großen Taten Gottes und die Kirche: Zur Ekklesiologie Edmund Schlinks. K K T S 23. Paderborn: Bonifacius, 1969. Vgl. auch seinen Aufsatz Relation. Schlinks Besprechung und Kritik zu Schwenzers Buch: »Zum ekklesiologischen D i a l o g zwischen römisch-katholischer und evangelisch-lutherischer Theologie«. ThLZ 96 (1971): 5 6 1 - 5 6 8 . Da nur diese Arbeit zu Schlinks Werk vorliegt, erübrigt sich ein Forschungsbericht. ' Vgl. Zum ekklesiologischen Dialog 565-566. ' Vgl. Schwenzer, Kap. 7 und 10 und unten Teil 2, Kap. 7. Hier zeigt sich die Wirkung der ekklesiologischen Voraussetzungen des Verfassers. 10 Natürlich ist er sich der Bedeutung von Schlinks methodischem Ansatz bewußt, vgl. Schwenzer, ebd. 4 5 - 5 0 , er arbeitet sie jedoch nicht in jedem Fall heraus.

12

des ökumenischen Gesprächs. Die Arbeit geht von der Hypothese aus, daß Schlinks Äußerungen zur Struktur der theologischen Aussage 11 zentrale Bedeutung für seine dogmatische Lehre von der Einheit der Kirche haben. Die in der vorliegenden Untersuchung angewandte Methode ist von der Eigenart von Schlinks Schriften zur kirchlichen Einheit bestimmt. In den seltensten Fällen macht er Literaturangaben zu den Quellen, aus denen er seine Gedanken bezieht; auch die in seiner Argumentation abgelehnten Gegenpositionen identifiziert er in der Regel nicht. Es kann nicht die Aufgabe dieser Arbeit sein, Ursprünge und Frontstellungen seiner ökumenischen Theologie herauszuarbeiten, da er selbst auf dieses geschichtliche Umfeld keinen Wert zu legen scheint. Eine Ausnahme wurde nur dann gemacht, wenn Schlink - wie zum Beispiel in der Methodenfrage auf verwendete Quellen ausdrücklich hinweist Die angewandte Methode ist aus diesem Grund die der werkimmanenten Interpretation, die Schlinks Aussagen in ihren eigenen Begründungszusammenhängen unter Voraussetzung des Gesamtwerks als Quelle seines Denkens systematisch-theologisch interpretiert. Hierbei werden die Schwerpunkte seiner Schriften, die die Ökumene betreffen, im Aufbau der Arbeit berücksichtigt und im Gesamtzusammenhang seines Denkens interpretiert. Die vorangestellte Biographie entwirft ein Bild von Schlink, in dem er nicht nur als Theologe, sondern auch als Zeuge erkennbar wird 12 . Die Arbeit hat das begrenzte Ziel, Schlinks Ausführungen zur Einheit der Kirche systematisch darzustellen, Stärken und Probleme seines Ansatzes hervorzuheben und die Bedeutung seines Entwurfs für den Gang der wissenschaftlichen Bemühung um die Einheit der Kirche in der Gegenwart zu würdigen. Die reichlich vorhandenen Rezensionen zu seinen Veröffentlichungen zeigen, daß Schlink oft mißverstanden wurde, weil der Rezensent die Besonderheit seines Ansatzes nicht wahrgenommen hatte. Es kam auch vor, daß das Gesamtwerk auf Grund der theologischen Position des Urteilenden falsch interpretiert wurde. Deshalb ist Schlinks theologisches Gesamtwerk aus sich selbst heraus und als homogene Einheit zu interpretieren: schon die frühesten biographisch nachweisbaren Äußerungen zur Einheit der Kirche deuten die Richtung an, die Schlink seiner ökumenischen Theologie nach dem zweiten Weltkrieg gibt. Um seine eigenen Äußerungen angemessen zu Gehör zu bringen, wird das theologische Urteil auf den dritten Teil der Arbeit beschränkt oder auch in deutlich abgegrenzten Anfragen in Anmerkungen und in die Würdigungen der einzelnen Themen eingebracht, die den 11 12

Vgl. unten Teil 2, Kap. 1. Vgl. dazu unten S. 14-15.

13

Ertrag der Kapitel des zweiten Teils im Blick auf die Anwendung von Schlinks Methode vorläufig zusammenfassen. Schlink behandelt das Verhältnis von Dogmatik und Ökumene in zweifacher Hinsicht, weshalb es auch zwei Möglichkeiten für den Aufbau der Arbeit gibt. (1) Einmal fragt er nach dem Ort des ökumenischen Problems in der Dogmatik, speziell in der Ekklesiologie; (2) zum zweiten fragt er weiter, wie die Inhalte der Dogmatik zu formulieren sind, daß sie kein Hindernis für die Einheit der Kirche darstellen. Die Arbeit könnte (2) der Ökumenischen Dogmatik folgen, alle Themen der Dogmatik, die Schlink mit seiner speziellen Methode aus ökumenischer Perspektive bearbeitet hat, darstellen und darüber urteilen, ob er seine Methode folgerichtig angewendet h a t Schwierig ist an diesem Verfahren, daß es nicht die eigentlichen Schwerpunkte der Arbeit widerspiegelt, die Schlink einesteils zusammenfassend in die Ökumenische Dogmatik eingearbeitet, andernteils wegen seines methodischen Ansatzes auch nicht eingebracht hat. Zudem mußte er manche Themen im Rahmen einer »regulären«13 Dogmatik bearbeiten, obwohl sie ihm in seiner Arbeit nicht so wichtig erschienen. Bei dieser Vorgehensweise könnten Themen wie der römisch-katholische Okumenismus, der ökumenische Beitrag der orthodoxen Kirchen und das Problem des Papstamtes nicht berücksichtigt werden, weil diese Fragen durch den methodischen Ansatz der Dogmatik ausgeschlossen sind. Es wäre auch eine Beschränkung der Fragestellung (1) auf den O r t des ökumenischen Problems in der Ekklesiologie möglich. Dieser Ansatz hat jedoch wie der vorhergehende den Nachteil, daß einige Schwerpunkte von Schlinks Lebenswerk nicht zur Sprache kämen. In der Arbeit wird aus den genannten Gründen ein dritter Weg eingeschlagen, der die schwerpunktmäßige Behandlung des Themas in der Ekklesiologie mit der Darstellung wichtiger dogmatischer loci in ökumenischer Perspektive verbindet. Zuerst wird nach Schlinks Methode als dem Schlüssel zum Verständnis seiner Aussagen über die Einheit der Kirche gefragt. Danach sind Hauptthemen des ökumenischen Gesprächs und die Ekklesiologie - einschließlich des Konzeptes der Vereinigung der Kirchen - darzustellen. Die Arbeit ist wie folgt aufgebaut: Die Biographie wird im ersten Teil vorangestellt (Teil 1, Kap.2), weil es für das Verständnis der dogmatischen Frage nach der Einheit erhellend ist, wie Schlink durch die Erfahrung der Einheit der Kirche im Kirchenkampf und im Krieg zur Teilnahme an der ökumenischen Bewegung fand 1 4 . An ihr wird auch die enge Verbindung von praktischem Einsatz, publizistischer Tätigkeit und Zum Begriff vgl. Barth, KD 1,1,292-293. Eine ausführliche Biographie Schlinks gibt es bisher noch nicht, vgl. jedoch Slenczka, »Edmund Schlink« und Gaßmann »Schlink, Edmund«. 13

14

14

ökumenischer Gesprächsbereitschaft sichtbar, die nicht getrennt voneinander verstanden werden können. Mit der Biographie soll ein Stück kirchlicher Zeitgeschichte, besonders aus der Kirchenkampfzeit und aus der Gründungszeit des Ökumenischen Rates der Kirchen, festgehalten werden, das die jüngere Generation fast nur noch aus den Geschichtsbüchern, jedoch kaum durch persönliche Begegnungen und aus den Originalquellen kennt. Veröffentlichungen und Archivmaterialien, die überwiegend biographisch-zeitgeschichtliche Aspekte des Themas behandeln, werden nur in diesem Teil angeführt. Nur in besonderen Fällen, wo es die Sache erfordert und die biographischen Quellen wirklich Neues zum systematischen Hauptteil der Arbeit beitragen, werden sie auch dort eingebracht. Das Verhältnis von Biographie und systematischer Analyse ist dahingehend zu bestimmen, daß Schlinks Denken über die Einheit der Kirche nicht von den Entwicklungen seiner Zeit her erklärt werden kann; vielmehr weisen auch seine Erfahrungen kirchlicher Einheit auf den Konferenzen auf die wesenhaft vorgegebene Einheit der Kirche in der Vielfalt ihrer neutestamendichen Bezeugung, die für das Ganze der Dogmatik fruchtbar gemacht werden muß. Teil 2 stellt die eigentliche Bearbeitung des Themas dar. Hier wird Schlinks Methode der Strukturuntersuchung theologischer Aussagen als Schlüssel zur Bearbeitung des Problems kirchlicher Einheit vorangestellt (Kap. 2.1). Schlink macht die Erkenntnis der Form der theologischen Aussage und der ursprünglichen Aussagesituation mit ihren Frontstellungen gegen Irrlehren fruchtbar für die Frage nach der kirchlichen Einheit. An der Ökumenischen Dogmatik ist Schlinks methodisches Vorgehen zu verifizieren (Kap. 2.1.3). Da sich die eine Kirche auf das apostolische Evangelium gründet, das zu allen Zeiten ihr normatives Gegenüber ist, ist die Lehre von Gesetz und Evangelium an erster Stelle zu behandeln (Kap. 2). In der Frage der Taufe besteht nach Schlink schon Einheit im Blick auf ihr Wesen und die in ihr gespendet Gabe (Kap. 3), durch die Taufe wird der Mensch Glied der einen Kirche. Sie begründet nicht nur die Ekklesiologie, sondern auch die Forderung der gegenseitigen kirchlichen Anerkennung des Herrenmahls (Kap. 4), die im Rückgriff auf die vielfältige apostolische Überlieferung von der Einsetzung des Herrenmahls erreicht werden soll. Schlinks Lehre von der Einheit der Kirche hat ihren theologischen Ort in der Ekklesiologie, die er als Verhältnis Gottes zu seinem Volk definiert (Kap. 5). Das Gottesvolk wird in seinem Wesen durch die doppelte dynamische Bewegung, von Sammlung und Sendung bestimmt. Die Mitte des kirchlichen Lebens und der Ekklesiologie ist die gottesdienstliche Versammlung der Gemeinde. Wenn der Begriff des Volkes Gottes dogmatischer Leitbegriff der Ekklesiologie ist, dann schließt dies die Fülle 15

der anderen Begriffe für die Kirche ein (Kap. 5.4). Die vielfältigen Grundstrukturen biblischer Ekklesiologie begründen die Mannigfaltigkeit der Kirchen. Die kirchlichen Traditionen, Faktoren ihrer Zertrennung, sind auf diese Grundlage des apostolischen Glaubens zurückzuführen und als dessen Entfaltung zu erkennen (Kap. 5.6). In der sichtbaren Darstellung, die auf die Erkenntnis der gegebenen Einheit folgt, wird die Einheit verwirklicht (Kap. 6). Ziel der Vereinigung ist die volle Kirchengemeinschaft. D a ß sich einige Themen der Arbeit in diesen Stadien der Vereinigung wiederfinden, ist sachlich in Wiederholungen in Schlinks Werk begründet: eine zweifache - oder sogar mehrfache - Behandlung desselben Themas in verschiedenen systematischen Zusammenhängen kann auch er nicht vermeiden 15 . In den Wiederholungen und Verweisen auf sachliche Parallelen zeigt sich die komplexe Struktur des ökumenischen Problems. Eine Lösung für das letzte hier zu nennende größere ekklesiologische Problem, die gegenseitige Anerkennung der Ämter, will Schlink durch den Rtickbezug des Amtsbegriffs auf die neutestamentliche Grundstruktur der speziellen Sendung in den Dienst erreichen (Kap. 7). Dem Konsens im Bekenntnis kommt große ökumenische Bedeutung zu, ist doch die Kirche nur dort anzuerkennen, wo Einheit im Bekenntnis vorausgesetzt wird (Kap. 8). Die Rezeption des Nicaeno-Constantinopolitanums als ökumenische Glaubensformel stellt für die Kirchen eine besondere Verpflichtung dar, wenn auch der Konsens in verschieden formulierten Bekenntnissen gefunden werden kann. Die Theologie der Ostkirchen hat für Schlink paradigmatische Funktion, da ihr Dogma seinen ursprünglichen Sitz im Gottesdienst weithin noch nicht verloren hat (Kap. 9). Vom römisch-katholischen Okumenismus ist dagegen in seiner durch das Ökumenismusdekret festgelegten Gestalt kein Fortschritt in der Vereinigung der Kirchen zu erwarten, da Kirchengemeinschaft nach römischem Verständnis in der Gemeinschaft der Gläubigen mit dem Heiligen Stuhl besteht. Dennoch ist die auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil erfolgte Öffnung des römischen Katholizismus für die ökumenische Bewegung und die Rückkehr zu den biblischen Grundlagen der Einheit der Kirche positiv zu werten (Kap. 10). Im Schlußteil (Teil 3) der Arbeit werden die in den vorangegangenen Teilen gewonnenen Erkenntnisse über die Einheit der Kirche, ihre Zer15 So ist z.B. das Bekenntnis als Grundform der theologischen Aussage ein zentrales Moment der Darlegung von Schlinks Methode (Teil 2, Kap. 1); Einheit im Bekenntnis ist jedoch auch abgesehen von dieser paradigmatischen Bedeutung für die Methode ein Schritt auf dem Weg der Vereinigung der Kirchen (Kap. 6) und selbständiges Thema der systematischen Erörterung (Kap. 8). Vgl. als Parallelen in ÖD: 38-40; Kap Χ, XVII, XXIV; Kap. XXI B; XXVI.7; als Schritt der Vereinigung: 701-703.

16

txennung und Vereinigung zusammengefaßt, der Ertrag von Schlinks Methode gewürdigt und ihre Bedeutung für die wissenschaftliche Bemühung um kirchliche Einheit herausgestellt. Der Frage des dogmatischen Lehrurteils bei bestehenden Konsens in Grundfragen der Lehre sowie der Frage des Verhältnisses von Grundkonsens und Lehrentscheidung in theologischen Einzelfragen soll abschließend nachgegangen werden, da sich in diesen Fragen die Problematik von Schlinks methodischem Vorgehen konzentriert. Die Arbeit schließt mit dem Literaturverzeichnis der verwendeten Bücher und Schlinks Bibliographie. Als Quellen für die Darstellung kommen primär Schlinks Veröffentlichungen, die in den bisherigen Teilbibliographien von Slenczka, Gaßmann und Plathow aufgeführt sind, in Frage 16 . Sie wurden zusammengefaßt und vervollständigt; Ergänzungen und Korrekturen wurden eingetragen. Auch Texte aus Schlinks Heidelberger Rektoratszeit, die bisher nicht aufgenommen waren, Meldungen des Evangelischen Pressedienstes und Interviews aus der Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils werden aufgeführt. Archivmaterial wird in der Bibliographie separat aufgeführt. Es ist davon auszugehen, daß der Quellenwert der veröffentlichten Texte am höchsten ist. Als primäre Quellen sind Bücher und die Aufsätze anzusehen, die in wissenschaftlichen Zeitschriften erschienen sind. Als sekundär einzuschätzen sind andere, die - etwa Interviews auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil - mehr ein Stimmungsbild zeichnen. In den erhaltenen Briefen, die Schlink von Konferenzen nach Hause geschrieben hat, kann er sich oftmals kritischer als in den Veröffentlichungen über den fehlenden Fortschritt im Gespräch oder über verhärtete Fronten äußern. Dieser Aspekt seines dogmatischen Urteils über ökumenische Bestrebungen ist dort berücksichtigt, wo die Darstellung aus den Veröffentlichungen allein ein falsches Bild ergäbe. Nicht alle fremdsprachigen Abdrucke von Schlinks Aufsätzen konnten bisher bibliographisch vollständig verifiziert werden. Die veröffentlichten Predigten sind vollständig in einem separaten Verzeichnis angegeben. Es ist nicht möglich, alle Rezensionen zu Werken Schlinks, die ja für die Kritik seines theologischen Ansatzes bedeutend sind, lückenlos zusammenzustellen. Nur für die Ökumenische Dogmatik wurde es versucht, da sie als abschließende Zusammenfassung seines Lebenswerkes verstanden werden kann.

" Slenczka, »Bibliographie Edmund Schlink zum 60.Geburtstag am 6.März 1963«. ThLZ 88 (1963): 469-474. Gaßmann, »Bibliographie Edmund Schlink zum 65.Geburtstag am 6.März 1968«. ThLZ 93 (1968): 315-318. Plathow »Bibliographie Edmund Schlink II«. ThLZ 111 (1986): 635-639.

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2 . KAPITEL

Zur Biographie 2.1 Unterwegs zum Thema »Einheit der Kirche« 1 Edmund Schlink wurde am 6. März 1903 in Darmstadt als Sohn des Hochschulprofessors D.Dr. Wilhelm Schlink und seiner Ehefrau Ella (geb. Heuser) geboren 2 . D a der Vater einen Ruf als Professor der Mechanik an die Technische Hochschule in Braunschweig erhielt, verbrachte Edmund Schlink seine Kindheit von 1906 an in dieser Stadt Infolge einer neuerlichen Berufung von W. Schlink zog die Familie 1921 wieder nach Darmstadt. Dort legte Edmund Schlink 1922 sein Abitur ab 3 , nachdem er von 1909 bis 1913 die Bürgerschule und von 1913 bis 1921 das Wilhelmgymnasium in Braunschweig besucht hatte. Schlink, der in der Berufswahl unschlüssig war 4 , orientierte sich anfangs an dem naturwissenschaftlichen Fach seines Vaters und studierte im Sommer 1922 in Tübingen, dann vom Wintersemester 1922/23 an bis Februar 1924 in München interdisziplinär die Fächer Mathematik, Philosophie und Naturwissenschaft mit Schwerpunkt Physik 5 . Die Neigung zur Philosophie ging schon auf Schlinks Schulzeit in Darmstadt zurück, in der er Dostojewski, Nietzsche und Schopenhauer las. Rückblickend (1979) sah er sich in jener Zeit von der Frage »Wozu überhaupt das Leben?« bewegt 6 . Seine Schwester Klara berichtet in ihrer Autobiographie: »Stark angeregt durch meinen Bruder Edmund, der dann auch Philosophie studierte, las ich - nach W a h r h e i t suchend - in vielen philosophischen W e r k e n wie Schopenhauer und anderen [ . . . ] Ich sehe mich noch in jener Zeit mit 1 Edmund Schlink war während seiner Studienzeit - soweit dies heute noch rekonstruiert werden kann - zwar an katholischer Theologie, aber noch nicht am ökumenischen Dialog interessiert. Erst während des zweiten Weltkrieges wurde das Augenmerk des Dogmatikers verstärkt auf die Frage der Kircheneinheit gerichtet (vgl. den persönlichen Beitrag in: Männer der Evangelischen Kirche in Deutschland 206-207). Doch ist die biographische und theologische Entwicklung Schlinks vor dem Krieg, auch in der Zeit des Kirchenkampfes, für seine weitere Arbeit maßgeblich. 2 Emotionale Gotteserlebnisse 169. 1 Persönlichkeitsänderung 218. 4 Lebenslauf vom 17.1.1951. 5 Nebenher hat er auch Vorlesungen in Jura, Kunstwissenschaft und Religionsgeschichte gehört. ' Gespräch am 6.6.1973 im Ökumenischen Institut Heidelberg.

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meinem Bruder Streifzüge durch die Buchhandlungen in Darmstadt machen, um alle Bücher, die irgendwelche weltanschaulichen Fragen beantworteten, herauszufinden.« 7

Schlink wollte die »Sinnfrage des Lebens«8 beantwortet bekommen. Deshalb studierte er verschiedene Fächer, seine Fragen wurden aber immer weniger beantwortet. Dadurch wurde er in eine tiefe existentielle Krise geführt. Er hatte im Sommer 1924 in Kiel weiterstudiert, ging aber schon zum Wintersemester 1924/25 nach Wien. Im Dezember unterbrach er sein Studium bis zum Januar 1926, war aber wieder ab Dezember 1925 (und bis Sommersemester 1927) in Marburg immatrikuliert. Über diese Unterbrechung »aus gesundheitlichen Gründen« bzw. »zwecks praktischer Arbeit in landwirtschaftlichen Betrieben«9 in Schlesien hat er später nur wenig mitgeteilt. Aus Mitteilungen aus dem Verwandtenkreis wird deutlich, daß Schlink in dieser Zeit seine Lebenskrise durch den christlichen Glauben überwunden hat. Nach seiner Rückkehr nach Hause und nach einem Gespräch mit Pfarrer Carl Eichhorn 10 - das ihm die Mutter vermittelt hatte - entschloß er sich, ab Ostern 1926 Theologie zu studieren 11 . Das Theologiestudium wollte er sofort beginnen, hatte im Sommer 1926 aber noch die hebräische Sprachprüfung nachzuholen. Er fühlte sich nach seiner Krise noch nicht leistungsfähig genug für den Studienabschluß, beendete aber sein philosophisches Studium im Oktober 1927 mit der Promotion zum Doktor der Philosophie über das Thema »Persönlichkeitsänderung« bei E.RJaensch 12 . Für seine Untersuchung wertete Schlink über 3700 Seiten Protokolle, Tagebücher und andere Aufzeichnungen aus, die er bei der Arbeit mit 36 Versuchspersonen im Wintersemester 1926/27 am psychologischen Institut der Universität Marburg und aus Berichten aus der »Rettungsarche« in Möttlingen gewonnen hatte13. Grundanliegen seiner Arbeit war es, Persönlichkeitsänderungen, die

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Schlink, Klara [Mutter Basilea] 26. Gespräch vom 6.6.1973 im Ökumenischen Institut Heidelberg. ' Persönlichkeitsänderung 218, Emotionale Gotteserlebnisse 169. Vgl. auch den Brief an die Eltern, Marburg, 3.1.1926 und die Zeugnisse von Bierei und Stegemann im Nachlaß. 10 Vgl. Kapplers Biographie Pfarrer Dr. Carl Eichhorn. Eichhorn war vom März 1923 bis April 1926 am Flensungerhof in Hessen tätig, wo ihn Schlink kennenlemte, ebd. 9, 87-88. Vgl. den Brief der Eltern, Darmstadt, 25.3.1935. 11 Er schreibt an seine Eltern: »[...] zur Theologie als Berufsstudium habe ich mich nun endgültig entschlossen«: Brief an die Eltern, Marburg, 3.1.1926. 12 »Persönlichkeitsänderung in Bekehrungen und Depressionen: Eine empirisch-religionspsychologische Untersuchung. Nebst kasuistischen Beiträgen zur Psychologie des Gotteserlebens als Anhang.« [Masch.-sehr.] Diss. Marburg 1927. Teilabdruck mit veränderter Einleitung im Archiv fiir die gesamte Psychologie, Band 70, 1929, H e f t 1 / 2 , 81-118. 11 Persönlichkeitsänderung 7-9. Zum volksmissionarisch ausgerichteten Gäste- und Seelsorgehaus »Rettungsarche« im wtirttembergischen Dorf Möttlingen vgl. die Zeitschrift des Nürnberger Stadtpfarrers und Förderers des Werkes, Karl Wirth, Jesus ist Sieger 1924-1938. Außerdem dessen Abhandlung Im Anbruch einer neuen Zeit. Die Publikationen dienten vor 8

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religiös bedingt sind, verstehen zu lernen. Schlink stellte in den persönlichen Berichten, die ihm mitgeteilt wurden, Gesetzmäßigkeiten fest und arbeitete psychologische Zusammenhänge zwischen der Stimmungslage der Versuchspersonen und der christlichen Religion sowie deren Realitätsgehalt heraus 14 . Nach dem Abschluß des Philosophie- und Psychologiestudiums in Marburg erwog Schlink zuerst Bethel als weiteren Studienort, ging dann aber nach Münster, da der bekannte Professor Karl Barth dort lehrte 15 . Bei Barth ist er - nach späteren Aussagen - auch zum ersten Mal auf die ökumenische Frage in Form kontroverstheologischer Polemik gestoßen worden, als dieser in einer Vorlesung 1927 als Reformierter gegen die lutherische Christologie Stellung bezog 16 . In Münster war seines Erachtens auch die Exegese besser als in Bethel vertreten, außerdem gab es eine »ausgezeichnete katholische theologische Fakultät« 17 . Dort besuchte er auch Vorlesungen und beschäftigte sich so mit der ökumenischen Thematik in kontroverstheologischer Sicht18. Mit 31 Wochenstunden begann er sein Theologiestudium, schränkte sich aber wegen Uberforderung bald wieder ein19. Nach vier Semestern in Münster reichte er am 1.4.1930 bei Karl Barth seine Dissertation zur Genese von Gotteserfahrungen Emotionale Gotteserlebnisse: Ein empirisch-psychologischer Beitrag zum Problem der Natürlichen ·Religion ein20. Am 19. Juli 1930 bestand er sein erstes theologisches Examen »vorzüglich« und legte kurz darauf die mündliche Lizentiatenprüfung ab21; die Promotion folgte am 21. Februar 1931 mit einer Vorlesung Zum Begriff des Teleologischen und

allem der Veröffentlichung von Bibelarbeiten und Erfahrungsberichten aus Möttlingen. Der Gründer und langjährige Leiter des Werkes, F. Stanger, wurde vorwiegend durch seine Verkündigung und durch Glaubensheilungen bekannt, vgl. Wirth, Anbruch, 7-9. In Schlinks Blickfeld kam die Möttlinger Arbeit wegen der Gotteserfahrungen, die dort gemacht wurden, vgl. ebd. 13. 14 Vgl. Persönlichkeitsändemng 88-99, 162-186. 15 Brief an die Eltern, Bethel, 27.10.1927. 16 Gespräch am 6.5.1979 im Ökumenischen Institut Heidelberg. 17 Brief an die Eltern, Bethel, 27.10.1927: ebd. 18 Abschied und Dank 6. " Brief an die Eltern, Münster, 12.9.1927. 20 Gedruckt: Leipzig: Barth, 1931. Schlink wertet hier wieder Material aus seinen Marburger Untersuchungen aus und erschließt daraus emotional-religiöse Gesetzmäßigkeiten in Heils- und Unheilserfahrungen. 21 Abschrift des Zeugnisses, Münster, 27.8.1930. Emotionale Gotteserlebnisse 169 (Lebenslauf im Anhang der Arbeit). Barth schrieb sein Gutachten zu Schlinks Arbeit Emotionale Gotteserlebnisse: Ein empirisch-psychologischer Beitrag zum Problem der natürlichen Religion am 13.6.1930 in Bonn: »Der Verfasser führt uns zunächst wie es sich gehört unter Aufgebot der ganzen Technik der Naturwissenschaft ein Stück Natur vor, um uns zum Schluss durch dessen Konfrontierung mit der Gnade zu verraten, dass er weiss, dass Natur - eben N a t u r ist, und um sich eben damit nachträglich auch mit seiner Naturwissenschaft als Theologe zu bekennen«.

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seiner augenblicklichen Bedeutung für die Theologie21. Vom Herbst 1930 an besuchte er das Predigerseminar der hessisch-nassauischen Kirche in Friedberg. Im Dezember 1931 wurde Schlink ordiniert und begann seine Tätigkeit als Pfarrassistent (Pfarrverwalter) in Buchschlag (und bis 15.10.1932 auch im Nebenort Sprendlingen) bei Frankfurt. Dazu kam vom 15. Oktober 1932 an für ein Jahr das Hochschulpfarramt an der Technischen Hochschule in Darmstadt 23 . Als Hochschulpfarrer sollte er Studenten und Professoren, Dozenten und Assistenten zur Verfügung stehen. Er hielt Vorträge zu Grundfragen des christlichen Glaubens, zum Problem des Verhältnisses von Christ und Technik und er ging auf die Fragen ein, die im Zusammenhang mit der völkischen Bewegung auf die Studenten zukamen 24 . Vor Beginn seiner Dienstzeit war zwischen der Kirchenleitung und der theologischen Fakultät in Gießen vereinbart worden, daß Schlink ab Oktober 1933 eine Stelle als Fakultätsassistent (Repetent) übernehmen und die Möglichkeit zur Habilitation erhalten sollte. Damit endete die Dienstzeit in Buchschlag, wo er auf Grund seiner Weigerung, das von ihm geleitete Winterhilfswerk aufzulösen und den Bestrebungen der Partei einzugliedern, zunehmend Schwierigkeiten mit dem nationalsozialistischen Ortsgruppenleiter bekommen hatte. Schlink kam durch seine Berufung »relativ ungeschoren«25 weg. Seine berufliche Veränderung war auch im Sinne der NSDAP, die seine Entlassung aus dem Pfarramt gefordert, aber nicht erreicht hatte. Schon im Juli 1934 habilitierte sich Schlink mit einer Arbeit, die später - um zwei Teile erweitert - unter dem Titel Der Mensch in der Verkündigung der Kirche: Eine dogmatische Untersuchung26 veröffentlicht wurde. Im Wintersemester 1934/35 nahm er in Gießen seine Vorlesungstätigkeit auf. Bereits nach fünf Wochen kam es zu einer Konfrontation mit der Geheimen Staatspolizei: Er wurde im November nach Verlassen der Vorlesung abgeholt und zu einer Vernehmung geführt, weil er wegen seiner Tätigkeit in der Bekennenden Kirche beim Reichsstatthalter denunziert worden war. In Friedberg hatte er einen Gottesdienst der Bekennenden Kirche gehalten, in welchem er die Christen vor den Gefahren eines nationalsozialistisch überfremdeten Christentums gewarnt hatte 27 : "

ZSTh 10 (1933): 94-125. Anfang 3. Vgl. den Brief des Landeskirchenamtes in Darmstadt vom 21.9.1932. " Ebd. " Gespräch am 6.6.1973 im Ökumenischen Institut Heidelberg. " München: Kaiser, 1936. Vgl. dazu im 2. Teil der Arbeit Kap. 1.1.2. " Gespräch vom 6.6.1973, vgl. Brief an Hofmann, Heidelberg, 25.2.1982. Es handelt sich hierbei um dieselbe Predigt, die am 10. November im Gießener Universitätsgottesdienst gehalten und am 2. Dezember umgearbeitet als Referat über Pflicht und Versuchung christlichen Bekennens vor Studenten aller Fakultäten in Godesberg vorgetragen wurde: »Damals haben einige Studenten aus der Predigt die Konsequenz gezogen, daß sie wenige Tage 23

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»Jesus sandte seine Jünger in einer ähnlichen Stunde aus w i e der unsrigen. Es ging d a m a l s darum, o b G o t t in Israel eine Stätte behalten w ü r d e o d e r nicht [ . . . ] A b e r s o w i e damals über der G a b e der allwirkende G e b e r vergessen w u r d e im R u h m der eigenen Gerechtigkeit, s o w i r d auch heute d e r dreieinige göttliche G e b e r vergessen über seinen G a b e n , und die G e s c h i c h t e wird anstelle Christi, u n d Blut und Rasse w e r d e n anstelle des H e i l i g e n Geistes gerühmt und geehrt. D i e s e s H e i d e n t u m ist in die d e u t s c h e evangelische Kirche selbst eing e b r o c h e n , und oberste amtliche Stellen w u r d e n [ . . . ] z u Mithelfern und Exp o n e n t e n dieses H e i d e n t u m s . « 2 8

Seinen Protest gegen die Reichs&rcAenregierung hatte man als Protest gegen die nationalsozialistische Regierung ausgegeben29. Weitere Denunziationen wegen staatsfeindlicher Äußerungen in Predigten durch die deutschchristliche Kirchenbehörde folgten in den nächsten Monaten 30 . Neben seiner Vorlesungstätigkeit begann Schlink die private Arbeit mit hessischen Theologiestudenten. In Hessen wurde im November eine Bruderschaft von Jungtheologen der Bekennenden Kirche gegründet, die sich um Belange von Studenten, Kandidaten und Vikaren kümmern sollte31. Ein eigenes Predigerseminar der Bekennenden Kirche sollte in Gießen (später in Frankfurt) eröffnet werden, in dem u. a. auch Schlink als Mitglied des Lehrkörpers vorgesehen war. Gemeinsam mit P. Brunner hatte er schon im Dezember 1934 für Vikare im Predigerseminar Friedberg einen Kreis gegründet, in dem man sich vorwiegend mit den Bekenntnisschriften beschäftigte 32 . Da Schlinks venia legendi vom Ministerium nicht bestätigt wurde, und weil sich in dieser Situation niemand fand, der sich für ihn einsetzen wollte, mußte er schon am Ende des Semesters im März 1935 seine Tätigkeit als Dozent in Gießen aufgeben 33 . In dieser Situation erging an Schlink der Ruf als Dozent an die Theologische Schule in Bethel, die vom Staat und von der deutsch christlichen Kirchenleitung unabhängig war 34 . Die Lehrtätigkeit in Bethel war für Schlink »sehr beglückend«, darauf in die >Städte und Märkte« ihrer Heimat zogen, um dort die Gemeinden zu warnen und in ihnen zu bekennen«. Vorwort zu Pflicht und Versuchung (nur in T E H 20: 3). " Pflicht und Versuchung, ΒKW 10. " Vgl. den Brief an Karl Barth, der Pflicht und Versuchung in die Reihe T E H aufnehmen wollte: »Inzwischen hat das Manuskript eine Irrfahrt gemacht, indem es [ . . . ] als Beweismaterial in die H ä n d e der Geh. Staatspolizei übergegangen ist. Darum verzögert sich leider die Absendung etwas [...]«, Gießen, 31.12.1934. ,0 Lebenslauf vom 17.1.1951, 2. " Vgl. das Jb. der Hessischen Kirchengeschichtlichen Vereinigung 40 (1989): 158-161, eine Ansprache von Schlink bei einer Jungtheologentagung 1939. " Vgl. H o f m a n n , Dokumentation zum Kirchenkampf, Band 3: 108, 244, 395, 397, 404. Band 4: 30, 34, 37. " Lebenslauf 1946, Anlage 1. Als Habilitand wäre er auf jeden Fall an eine andere Universität versetzt worden: Vgl. den Abschiedsbrief vom 20.3.1935 bei H o f m a n n , Dokumentation zum Kirchenkampf, Band 4, 57-58. » Slenczka, Edmund Schlink 156, vgl. JK 3 (1935): 433; Frick in: Ruhbach, Hg., 99; 22

da die Dozentenschaft geschlossen der Bekennenden Kirche angehörte und auch die Studentenschaft zum größten Teil aus der Bekennenden Kirche aller Teile des Reichs stammte35. Vorwiegend aus der Betheler Zeit stammt die Vorlesung über die Theologie der lutherischen Bekenntnisschriften als Prolegomena zur (schon angekündigten) Dogmatik 36 . Im Frühjahr 1940 waren die letzten Manuskriptseiten für den Druck fertiggestellt37. In der Betheler Zeit war Schlink auch Mitglied der Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche und ständiger Berater der westfälischen und der hessisch-nassauischen Leitung der Bekennenden Kirche38. Schlink war Teilnehmer des »Oeynhausener Theologenkonvents«, der am 13. August 1935 zu einer Arbeitstagung zusammentrat, wobei Iwand gemeinsam mit Schlink die Aufgabe des Arbeitskreises formulierte39. An der vierten Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche in Bad Oeynhausen vom 17. bis 22.2.1936 nahm Schlink als Mitglied aus Westfalen teil und wurde auch in den Theologischen Ausschuß berufen 40 . Schon bei der dritten Bekenntnissynode der DEK in Augsburg vom 3. bis Ruhbach Die Kirchliche Hochschule Bethel 115; Jahrbuch der Theologischen Schule Bethel 6 (1935): 142 werden Schlink* Vorlesungen und Übungen im Sommersemester 1935 aufgeführt. Die Anstellung erfolgte als »Vereinsgeistlicher der Inneren Mission«, vgl. ebd. ΙΣΟΙ 21, 126. Schlink kehrte zum Pfingstgottesdienst anläßlich der Freilassung Peter Brunners aus dem KZ Dachau (und zu verschiedenen Fortbildungstagungen für Pfarrer) nach Hessen zurück. Seitdem war er mit Brunner »aufs engste« freundschaftlich verbunden. Vgl. Schlinks Predigt in der Trauerfeier fiir D. Peter Brunner 4; Brief an Hofmann vom 25.2.1982; Hofmann Bd.3, 495, 497, 501; A. Peters, Ringen 201-202; Pöhlmann, Peter Brunner in memoria,m (1900-1981) 1. 55 Lebenslauf von 1946, 2. Dozenten waren in dieser Zeit u.a. G. Merz (seit 1930), V. Herntrich (seit 1934) und G. Bornkamm (seit 1937): Vgl. Ruhbach, Hg., Kirchliche Hochschule Bethel 255-256. " München: Kaiser, 1940. (Ankündigung der Dogmatik: 22.) - Sie wurde als Vorlesung schon in der Gießener Zeit begonnen. - Vgl. Jahrbuch der Theologischen Schule Bethel 7 (1936): 170. In Bethel behandelte Schlink im dogmatischen Hauptseminar das Problem der Union (WS 1937/38) und die Rechtfertigungslehre der römischen und der lutherischen Kirche (SS 1938). Außerdem hat er in einer dogmatischen Sozietät (WS 1938/39) die Abendmahlslehre behandelt. " Brief an die Eltern, Bethel, 4.5.1940. Vgl. TBSLK 22. Die Bekenntnisschriften erwiesen sich in der Zeit des Kirchenkampfes als große Hilfe in der Situation, in der aktuelles Bekennen gefragt war. Bekenntnis des einzelnen und Bekenntnis der Kirche gehören zusammen (Vowort zur englischen Ausgabe V). Die Aufgabe der TTieologie der Bekenntnisschriften liegt darin »[...] daß sie in aller Bescheidenheit des Hörens und Lernens die Aussagen der Bekenntnisschriften in systematischer Ordnung zusammenfaßt und wiedergibt« ( T B S L K 15). Die Bekenntnisschriften sind Lehraussagen der einen Kirche. In ihnen legt die Kirche ihren Gliedern die Schrift aus. Diese Schriftauslegung ist zur Kenntnis zu nehmen, bevor man »selbst lehrend die Stimme erhebt« (ebd. 14-15; vgl. 398-422). 18 Lebenslauf von 1946, 2; Vgl. Brief an Heinzerling, Bethel, 19.4.1935; JK 4 (1936): 231. " Niemöller, G., AGK 5, 120 und 124. 40 Niemöller, W., AGK 7, 103, 204. 23

6. Juni 1935 war Schlink als Mitglied der Synode für Hessen-Nassau anwesend und als »Lutheraner der Union« Mitglied im Theologischen Ausschuß 41 . Schlinks Bußtagspredigt von 194342 gibt ausschnittweise das Wort zum Bußtag 1943 der Breslauer Bekenntnissynode der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union wieder 43 . Er war auch an der Ausarbeitung der Denkschrift des Altpreußischen Bruderrates Von rechter Kirchenordnung (verabschiedet im Januar 1945) maßgeblich mitbeteiligt44. Ein Brief an die Eltern bezeugt, daß Schlink auch schon vor dem zweiten Weltkrieg Interesse an der ökumenischen Bewegung hatte: »Nächsten Montag und Dienstag sind de Quervain und Schlier bei uns zu Gast zur ökumenischen Arbeitsgemeinschaft (für Oxford 1937, Fortsetzung von Stockholm) über das christliche Menschenverständnis, die ich zu leiten habe« 45 . In einem Lebenslauf schreibt Schlink, daß er sowohl die Oxford-Konferenz der Bewegung für Praktisches Christentum als auch die Edinburgh-Konferenz der Bewegung für Glauben und Kirchenverfassung wissenschaftlich mit vorbereitet hat. Die Ausreise für Edinburgh wurde nicht erlaubt 46 . Allerdings nahm Schlink heimlich an einer theologischen Arbeitsgemeinschaft mit Karl Barth Anfang Juli 1938 in Utrecht teil und hielt dort den Vortrag: »Gesetz als Form des Evangeliums?«47 Im März 1939 wurde die Theologische Schule in Bethel von der Geheimen Staatspolizei geschlossen. Schlink war weiterhin in der Anstalt Bethel bei Pastor v. Bodelschwingh als Vereinsgeistlicher angestellt, bis er im November 1939 von der Bekennenden Kirche in Hessen-Nassau als Mitglied des Bruderrates zum Visitator gemacht wurde. In dieser Eigenschaft besuchte er die pfarrerlosen Gemeinden der Bekennenden Kirche, diente ihnen mit der Wortverkündigung und schulte Laienkräfte für den Dienst in der Gemeinde 48 . Doch auch in dieser Aufgabe konnte

" Niemöller, W., AGK 20, 71-72. Am 6.Juni hielt Schlink die Morgenandacht, ebd. 266-269. " BKW 94-98. 43 Ebd. 95-96, vgl.: Um Verkündigung und Ordnung der Kirche 109-110. Zu Schlinks Mitarbeit in der BK der Altpreußischen Kirche und der damals stark diskutierten Problematik von Bekenntnis und Kirchenunion: Stupperich, Dibelius 343. 14 Stein 166-169, vgl. Meier, Der evangelische Kirchenkamp>f, Bd. 3, 643-644. 45 Brief an die Eltern, Bethel 1936. 46 Lebenslauf 1946, 2. Vgl. Gespräch vom 6.5.1979. Die Reichweite der »Vorbereitung« ist unklar: Schlink wird z.B. nicht als Teilnehmer des Zoellner-Stählin-Arbeitskreises genannt, der die Edinburgh-Konferenz in Deutschland vorbereitete, vgl. Die Kirche Jesu Christi und das Wort Gottes. 47 Anlage 4 zum Lebenslauf von 1946, vgl. Boyens Kirchenkampf und Ökumene 216. Die in der Frage implizierte Kritik an Barth läßt die Annahme zu, daß dieser Vortrag in den Aufsatz Gesetz und Paraklese einging, vgl. ebd. 239 f, 252-259. 48 Slenczka, Edmund Schlink 156. »Es waren oft seltsame Situationen, in denen wir im Dritten Reich die Gottesdienste der Bekennenden Kirche feierten: Bespitzelt, von Rede-

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Schlink nur für kurze Zeit bleiben, bis ihm durch ein Redeverbot im April 1940 die Tätigkeit in Hessen-Naussau von der Bielefelder Gestapo-Dienststelle untersagt wurde49. Nach der Ausweisung aus Hessen kehrte Schlink wieder in die Westfälische Kirche zurück, die auch seine Freistellung vom Militär erreichte50. Er bemühte sich um eine Pfarrstelle, was aber von der Gestapo immer wieder verhindert wurde: Sie veranlaßte das Reichskirchenministerium dazu, Schlink nicht als Pfarrer zu bestätigen. So war er zuerst Pfarrverwalter der Marienkirche und der St. Reinoldikirche in Dortmund (Mai 1940 bis November 1941 )51. Danach verwaltete er die Neustädter Marienkirche in Bielefeld (November 1941 bis September 1945)52. Aus dieser Zeit sind mehrere eindrucksvolle Predigten überliefert 53 . Schlink deutet Gottes Handeln in Gericht und Gnade an seiner Kirche; durch diese Zeit der Anfechtung hindurch will Gott seine Gemeinde retten auf ihre zukünftige Vollendung hin: »In aller Todesangst aber ist die eigentliche Unruhe die Angst vor dem auf uns zukommenden göttlichen Gericht. [...] Da ruft der Apostel uns zu: Wisset ihr nicht, daß ihr schon gestorben seid? Der Tod ist nicht eure Zukunft, sondern eure Vergangenheit! [ . . . ] Wisset ihr nicht, daß ihr schon begraben seid? [ . . . ] Wisset ihr nicht, daß das göttliche Gericht an euch schon vollstreckt ist?«54 Nach einer Darlegung der Wirkung der Taufe fährt er fort: »Im Glauben aber sind aber wir Getauften gänzlich geborgen in Jesus Christus. In ihm sind wir frei von der Sklaverei des Todes und der Angst. Gott ist nicht mehr unser Richter, sondern unser Vater. Er ist nicht unser Feind, sondern unser Freund. Sein Gericht über uns ist schon vollstreckt. [ . . . ] Die Leiden dieser Zeit haben für die Glaubenden einen ganz anderen Charakter als für die Nichtglaubenden. Sie sind Vorzeichen der Erlösung, die Vorzeichen der Auferstehung, die Wehen der Geburt, in der wir zum eigendichen Leben wiedergeboren werden«. 55

Einer Berufung durch die lutherische Kirche im Elsaß als Studiendirektor an das Thomasstift nach Straßburg wollte Schlink nicht folgen; er hätte verboten und Verhaftungen bedroht, von der Verbindung mit anderen Gemeinden oft abgeschnitten und o f t in großer Einsamkeit. In dieser jahrelangen Situation wurde uns neu bewußt, was im Gottesdienst nach Gottes Verheißung geschieht: Christus ist gegenwärtig«: Predigt in der Trauerfeier fiir D. Peter Brunner 5. " Vgl. Brief an H o f m a n n vom 25.2.1982. 50 Lebenslauf von 1946, Anlage 1 und Brief vom 22.2.1941, Dortmund, an die Eltern. 51 In diese Zeit fällt auch das Erscheinen der ersten Lieferung von Verkündigung und Forschung. Schlink war als Mitherausgeber aus dem Kreis der neugegründeten Gesellschaft f ü r Evangelische Theologie tätig. Schon nach dem ersten H e f t hatte die Zeitschrift 1200 Abonnenten. (Vgl. die Briefe an die Eltern vom 4.5.1940 und vom 22.2.1941.) " Vgl. den Lebenslauf von 1946. " Vgl. Β KW und die Bibliographie Schlink, Teil 4: Predigten. Hier wird nur eine Predigt als Beispiel zitiert. M Vgl. BKW 99. " Vgl. BKW 101-102.

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die Ausweisung aus dem Elsaß befürchten müssen, wenn er dort ansässig geworden wäre und sich polizeilich gemeldet hätte. In dieser Frage gab ihm Bonhoeffer in Berlin anläßlich einer Tagung der Gesellschaft für Evangelische Theologie im November 1942 den entscheidenden Hinweis. Bonhoeffer hielt es schon zu dieser Zeit für ausgeschlossen, den Krieg noch zu gewinnen und das Elsaß zu halten 56 . So reiste Schlink im November 1942 und von Mai 1943 bis Oktober 1944 in der Regel monadich einmal für vierzehn Tage nach Straßburg, um dort für den elsässischen Theologennachwuchs theologische Vorträge und Predigtübungen abzuhalten 57 . Er bezeugt in einem Lebenslauf, daß er hier mitten im Krieg echte ökumenische christliche Gemeinschaft »auch mit frankophilen Pfarrhäusern« erleben konnte 58 . Aber auch in der Aufgabe im Pfarramt in Bielefeld wurden die Konfessionsgrenzen relativiert 59 : »Ich konnte nicht vergessen die demütigen Gesichter der zwangsverpflichteten orthodoxen Arbeiterinnen aus der Ukraine, die in Bielefeld an den Altar der evangelisch-lutherischen Marienkirche traten und denen ich das Sakrament nicht verweigern konnte. Ich konnte auch nicht vergessen, was auf den Schlachtfeldern und in der Heimat im Angesicht des Todes an Gemeinschaft zwischen evangelischen und katholischen Christen sichtbar geworden war. War das nur die Erfahrung in einer Grenzsituation, die für das normale kirchliche Leben und für das dogmatische Verständnis der Kirche bedeutungslos ist? Oder war es gar ein Irrtum? Oder besteht nicht vielmehr die Verpflichtung, das, was in jenen Tagen mit allen Zeichen einer echten pneumatischen Unausweichlichkeit in elementarer Weise für uns aufgebrochen war, in aller Sorgfalt auf seine ekklesiologische Bedeutung hin zu durchdenken und in der Begegnung der Konfessionen bewußt zu erhalten?« 60 - Hinzu kam noch die Erfahrung, daß Schlink und seine evangelischen und römisch-katholischen Kollegen in Bielefeld nach den Fliegerangriffen durch den Bürgermeister gezwungen worden waren, die vielen nicht mehr identifizierbaren Toten in Massenbeerdigungen zu begraben 61 . Direkt nach dem Krieg erschienen die kleineren Schriften Schlinks Die Gnade in Gottes Gericht (1946), entstanden aus Bielefelder Kriegspre56

Gespräch am 6.6.1973 im Ökumenischen Institut Heidelberg. " Lebenslauf 1946, 3. Vgl. auch die aussagekräftige ungedruckte Predigt über l . K o r 1,21-33 zum Beginn des Sommersemesters 1944. - Gelegendich nahm Schlink in den letzten Kriegsmonaten an Treffen teil, die Bischof Wurm nach Korntal einberufen hatte. Vgl. Thielicke Zu Gast 239; Brief an Wurm, Komtal, 6.12.1944. Schlinks Arbeitsvolumen in der Zeit des Kirchenkampfes wird an einer Anmerkung deutlich, womit er die Veröffentlichungsliste seines Lebenslaufs schließt: »Nicht mit aufgeführt sind Predigten, Bibelstunden und gottesdienstliche Ansprachen, sowie Predigtvorbereitungen (Meditationen) auf Pfarrkonferenzen und laufende Berichterstattungen über den Stand des Kirchenkampfes in Gemeindeversammlungen und Pfarrkonventen«. 58 Ebd. " Schlink, Persönlicher Beitrag 206. ω Schlink, ebd. 206-207. " Gespräch am 6.5.1979 im Ökumenischen Institut Heidelberg.

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digten und Der Ertrag des Kirchenkampfes (1947). Ebenfalls erschien der Aufsatz und Predigtband Bekennende Kirche und Welt (1947), der sich auf die Zeit des Kirchenkampfes bezieht. Nur das Buch Der Ertrag des Kirchenkampfes geht auf die Frage der Einheit der Kirche ein: In der Verfolgung wurde gerade die fehlende Einheit in der Kirche sichtbar. Es kam zur Scheidung zwischen Kirche und Nicht-Kirche. Eine neue Einmütigkeit im Glauben, der aus dem Evangelium lebte, wurde in der Gemeinschaft der Brüder in der Bekennenden Kirche erlebt 62 . Diese erlebte Bruderschaft ging aber über diesen engeren Kreis hinaus. Christi Gegenwart konnte in der wechselseitigen Tröstung der Brüder neu erlebt werden. Die Entdeckung der Einheit der Kirche blieb nicht auf die eigene Unionskirche beschränkt: »Brüder wurden auch außerhalb derselben dort sichtbar, wo wir sie bisher nicht gesucht; und der Zuspruch des Trostes wurde auch von dorther vernommen, wo man ihn bisher nicht erwartet«63.

Die Entdeckung der Brüder hob nicht die Unterschiede zwischen den Konfessionen auf, jedoch »es verschoben sich Akzente und verblassten Antithesen gegenüber der Wirklichkeit des Herrn, der größer ist als unsere Erkenntnis und gnädiger als jedes Dogma von der Gnade« 64 . Kirchenkampf und Ökumene sind in Schlinks Werk aufeinander bezogen, weil hier wie dort die Frage nach der eschatologischen Wirklichkeit der einen Kirche gestellt ist65, die in der Gemeinschaft im Gottesdienst und im Bekennen offenbar wird: »Größer als die Unterschiede wurde die Kraft des gemeinsam bezeugten Namens Jesus Christus. Wir werden es nie vergessen können, daß wir in großer Not den Trost des Evangeliums auch aus dem Mund solcher Brüder vernahmen, die zu Kirchen gehörten, in denen die reine Lehre des Evangeliums verdunkelt ist« 66 .

Im Gottesdienst wurde - bei wachsender Einsamkeit der Gemeinden und der einzelnen - die eine Kirche aller Orten und Zeiten gewiß. Man nahm alte Kirchengebete wieder auf und fand darin Stärkung. Eine »gesunde« liturgische Erneuerung wurde geschenkt67. Das Bekenntnis geschah neu im Bewußtsein der Gemeinschaft der Brüder und der Väter. Durch das aktuelle Bekennen wurde jeder Christ in seiner Kirche zu einer neuen Bindung an die Bekenntnisschriften geführt 68 . " "

Ertrag 11-12. Vgl. Ursprung und Wesen der Liturgie 8. Ertrag 20. 44 Ebd. Vgl. Christentum (720) und die Flugblätter der Bekennenden Kirche Nr. 4 und 5: »Verkündigung und Ordnung* und »Die Versuchungsstunde der Bekennenden Kirche*. Sie sind in das zitierte Werk eingearbeitet worden. " Vgl. Slenczka, Edmund Schlink 159. " Ertrag 20. " Ebd. 21. " Ebd. 34, vgl. 71. Schlink stellt in diesem Zusammenhang heraus, daß die Barmer

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2.2 Der ökumenische Aufbruch nach dem Zweiten Weltkrieg Die Phase des Wiederaufbaus und der Neuordnung der Kirche nach dem Krieg war in vielfältiger Weise vom verstärkten ökumenischen Bewußtsein und von ökumenischen Aktivitäten geprägt. Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches wurde Schlink in die neugebildete westfälische Kirchenleitung berufen69. Außerdem übernahm er die Leitung des westfälischen Predigerseminars auf dem Kupferhammer bei Bielefeld. Dabei stand ihm Hans Heinrich Wolf als Seminarinspektor zur Seite70. Schon in der Frühzeit des Predigerseminars konnten Vikare aus verschiedenen kirchlichen Traditionen die gottesdienstliche Gemeinschaft, auch im gemeinsamen Gebet, erfahren: »Es ergab sich, wie in der ökumenischen Arbeit, daß das gemeinsame Beten auch in bisher ungewohnten Formen einer der wichtigsten Zugänge zur Gemeinschaft theologischen Denkens und Handelns Uber konfessionelle Grenzen hinaus ist« 71 . Hiermit hing auch die Erfahrung zusammen, » [ . . . ] daß die Kirche neu als Gemeinschaft mannigfacher Geistesgaben und in diesem Sinne als Einheit verstanden wurde, - also nicht als Einheit im Sinne einer Uniformität, sei diese vom Führerprinzip oder vom demokratischen Gleichheitsprinzip her verstanden« 72 .

Schlink bereitete die »Konferenz der evangelischen Kirchenführer« (27.31.8.1945) mit vor, zu der Wurm nach Treysa eingeladen hatte, und war als Referent über Fragen der Theologenausbildung vorgesehen 73 . Weitreichende Wirkung hatte ein Vortrag, den er am 16. Oktober 1946 vor dem »Bruderrat der Evangelischen Kirche in Deutschland« über » Verkündigung und Ordnung« hielt74. Der Vortrag wurde erweitert unter

Theologische Erklärung (BTE) kein doxologisch-gottesdienstliches Bekenntnis ist, sondern » [ . . . ] nüchterne, klare Lehre im Ereignis der Schriftauslegung. Als solche wurde sie f ü r die Folgezeit des Bekenntniskampfes grundlegend nicht nur als vorbildliches Ereignis aktuellen Bekennens, sondern auch als vorbildliche inhaltliche Weisung«. (Ebd. 37) Eine Grenze der BTE liegt in der fehlenden Sakramentenlehre. Sie bezeichnet sich auch nicht als Bekenntnisschrift und hat für die beteiligten Kirchen nicht dieselbe Bedeutung. Besonders wegen der fehlenden Sakramentenlehre ist die BTE nach dem Verständnis der Barmer Synode und nach ihrem Inhalt kein kircheneinendes Bekenntnis. Auch eine Kirchenunion w a r in Barmen nicht beabsichtigt. " Vgl. dazu auch Stupperich, Dibelius 389. 70 Errichtung des Predigerseminars 19-21. 71 Ebd. 23. 72 Ebd. 75 Ebd. 19. Meier, Der evangelische Kirchenkamp>f, Band 3, 578. Brief an Köhnlein, Bethel, 24.7.1945. Vgl. auch Joachim Mehlhausen, »Die Konvention von Treysa: Ein Rückblick nach vierzig Jahren. ÖR 34 (1985): 468-483. 74 Vgl. Verkündigung und Ordnung ( = Gedanken zur Ordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland) 1, 6.

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dem Titel Der Ertrag des Kirchenkampfe $ herausgegeben und erreichte so eine breite Leserschaft. Schon das Flugblatt der Bekennenden Kirche Gedanken zur Ordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland hatte eine Auflage von 30.000 Exemplaren. In ihm fordert Schlink die Neuordnung der Kirche in Lehre, Gottesdienst und Amt in der doppelten Bewegung, die sich im Kirchenkampf vollzog: Auf das Bekenntnis und auf die Ökumene hin. »Einerseits wurden wir wieder neu Schüler der reformatorischen Bekenntnisschriften und begannen von hier aus die Folgerungen für die Neuordnung der Kirche zu ziehen. In dieser Bewegung müssen wir fortfahren, auch wenn die Unterschiede zwischen lutherischer und reformierter Kirchenordnung dadurch wieder stärker hervortreten sollten. Denn ohne daß eine jede evangelische Kirche wieder neu Schüler wird bei der Schriftauslegung ihrer Reformatoren, werden wir den Neuprotestantismus nicht überwinden« 75 . »Andererseits begannen wir neu, über die Grenzen der evangelischen Einzelkonfession hinaus aufeinander zu hören und haben gegenüber der anüchrisdichen Bedrohung in gemeinsamer Beugung unter Gottes Wort bekannt und gelehrt. Auch in dieser Belehrung haben wir in Bereitschaft zu weiterem gemeinsamem Lehren und Handeln fortzufahren. Es gilt nicht nur, die gemeinsame Entscheidung der Barmer Bekenntnissynode nicht zu vergessen, sondern auf dem Weg jenes gemeinsamen Bekennens fortzuschreiten. Nur so werden wir den Gefahren einer selbstgenügsamen konfessionalistischen Verhärtung im Sinn einer scheinorthodoxen Repristination entgehen« 76 .

Die beiden in Schlinks Vortrag aufgewiesenen Ausrichtungen erkannte der Bruderrat als Konzeption für die Arbeit der EKD an. Jeder Landeskirche wird die Freiheit gegeben, sich von ihrem Bekenntnis her zu ordnen. Die EKD ist als »ein Bund von bekenntnisbestimmten evangelischen Kirchen« anzusehen 77 . Eine gemeinsame Erklärung soll die Abendmahlsgemeinschaft der evangelischen Kirchen ermöglichen 78 . Die Aufgaben Schlinks in der Kirche waren in jener ersten Zeit nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches vielfältiger Art. In Bethel waren Kurse für westfälische Theologen, die aus der Gefangenschaft zurückkehrten, zu halten. Die vorläufige westfälische Kirchenleitung hatte Schlink mit dem Referat für Aus- und Fortbildung der Pfarrerschaft beauftragt. Nach der Wiedereröffnung der theologischen Schule in Bethel im Oktober 1945 arbeitete Schlink auch dort mit79. So ist es verständlich, 75

Verkündigung und Ordnung 4. " Ebd. 4. 71 Ebd. 6. Vgl. Ertrag 72-75. Die umfangreiche Problematik der Entstehung der EKD und der Frage der Kirchenunion kann hier nur angedeutet werden. Vgl. Schlinks Stellungnahme für Asmussen und gegen dessen Rücktritt als Präsident der Kirchenkanzlei: Besier, Kirchenversammlung, 255. " Vgl. Ertrag 75; Verkündigung und Ordnung 6. " Vgl. Frick in: Ruhbach, Hg., 102. »In Bethel warten auf mich zum 1. November über 100 Studenten der Theologie, zum Teil auch gar nicht junge Männer, die jahrelang draußen

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daß er sich gegenüber einem Ruf nach Heidelberg, der schon im Juli 1945 erging, abwartend verhielt 80 . Erst zum 1. Februar 1946 folgte Schlink dem Ruf und zog nach Heidelberg. Seine erste Vorlesung war die »Lehre von der Kirche«, das erste Seminar hatte die Rechtfertigungslehre als Thema 81 . Außer der Nähe der Stadt zur Heimat und zur hessischen Heimatkirche spielte für Schlink bei dieser Entscheidung die Möglichkeit eine Rolle, dort die lebendige Begegnung mit anderen Fakultäten zu suchen. »Seit Jahren schwebt mir als eine der wichtigsten Aufgaben der systematischen Theologie die Bemühung um die theologische Grundlegung der außertheologischen Wissenschaften vor, - eine Grundlegung, die nicht aristotelisch-scholastisch, sondern vom Rechtfertigungsglauben her zu erfolgen hätte«82. Schlink intensivierte in Heidelberg sein ökumenisches Engagement aus der Betheler Zeit. W. Stählin hatte ihn kurz nach dem Krieg auf dem Kupferhammer in Brackwede besucht und zur ersten Vorbesprechung des (seit 1968 so genannten) ökumenischen Arbeitskreises katholischer und evangelischer Theologen nach Werl (2.-4.4.1946) eingeladen 83 . Die Teilnehmer der ersten Tagung beschlossen, zwei ökumenische Arbeitskreise zu gründen, einen evangelischen und einen katholischen, die sich dann zu einer ersten Arbeitstagung über die TTiemen Kirche und Bekenntnis (vom 2.-5.9.1946) im Kloster Hardehausen bei Scherfede/Westf. trafen84. im Feld waren«: Abschiedspredigt in der Neustädter Marienkirche in Bielefeld am 30.9.1945, 5. 80 Brief an Köhnlein, Bethel, 24.7.1945. Vgl. aber Peter Brunners Brief vom 16.10.1945: »Ich könnte es gut verstehen, wenn Du nach Heidelberg gingst« " »Die Lehre von der Rechtfertigung, 5 - 6 s t « [!] Verzeichnis der Vorlesungen und Übungen in der Theologischen Fakultät im Wintersemester 1945/46, hektographiert. 82 Brief an Köhnlein, Bethel, 24.7.1945. Vgl. die Antrittsvorlesung über das Szepter der Universität Heidelberg, die K. Barths freudige Zustimmung fand: »eine wirklich würdige Vertretung der christlichen Position an dem Ort, w o vor 40 Jahren, zu meiner Studentenzeit, Troeltsch der grosse Mann gewesen ist«: Brief Barths vom 4.3.1950. Vgl. zum Inhalt auch Deutscher Evangelischer Theologentag 263: »Wir haben nicht in Unterwerfung unter vortheologische Allgemeinbegriffe die Dogmatik philosophisch zu begründen, sondern müssen heute vielmehr von der Dogmatik aus vorstoßend umgekehrt eine theologische Begründung der anderen Wissenschaften (Philosophie, Recht usw.) geben. Die lebendigen Christen in anderen Fakultäten fordern das auch [ . . . ] Statt Apologetik also ist der Versuch einer theologischen Enzyklopädie der Wissenschaften und einer theologischen Begründung der Arbeit in den verschiedenen Berufszweigen der heutigen Welt die Aufgabe«. 83 Abschied und Dank 7. Vgl. Henrich, Der Ökumenische Arbeitskreis 258, H ö f e r UnaSancta Bewegung; Katholische Kirche Augsburgischen Bekenntnisses und die unten angeführten Veröffentlichungen von Mumm. Nach den Vorsitzenden des Kreises wurde dieser auch »Jaeger-Stählin-Kreis« genannt. Weitere prominente Mitglieder der Anfangszeit waren J. Lortz, J. Pieper, H . Schlier, G. Söhngen, H. Volk: Vgl. Henrich, ebd. 277-288. 84 Vgl. Abschied und Dank 8; Pro Veritate 387. Vgl. zu den Tagungen Schlinks Veröffentlichungen: Pneumatische Erschütterung und Zum gegenwärtigen Stand. Zu den Themen: Pro Veritate 387-395; Abschied und Dank 21-24; Henrich, Der Ökumenische Arbeitskreis 258-277. Zur Geschichte des Arbeitskreises: Slenczka, »Das evangelisch-katholische Ge-

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Schlink war auf evangelischer Seite wissenschaftlicher Leiter des Arbeitskreises von 1949 bis 197985. Es war auch ein Ausdruck von Schlinks ökumenischem Interesse, daß er 1946 das erste ökumenische Universitätsinstitut in Deutschland gründete, das zunächst in einem Raum in der Heidelberger Akademie der Wissenschaften untergebracht war86. » D i e s e s Institut hat die wissenschaftliche U n t e r s u c h u n g der Ü b e r e i n s t i m m u n gen und U n t e r s c h i e d e zwischen den christlichen Kirchen und der zahlreichen Einigungsbestrebungen innerhalb der Christenheit zur A u f g a b e . So dient es nicht nur d e m wissenschaftlichen Gebiet der Symbolik und K o n f e s s i o n s k u n d e , die im w e s e n d i c h e n konfessionsvergleichender Art sind, sondern darüber hinaus der t h e o l o g i s c h e n und praktischen Annäherung der Kirchen, w i e sie h e u t e insbesonderheit im O e k u m e n i s c h e n Rat der Kirchen stattfindet [ . . . ] « 8 7 .

An der Universität Heidelberg bot sich nun die Möglichkeit, im Rahmen des akademischen Lehrbetriebs ökumenische Themen zu bearbeiten. Z.B. behandelte er im Hauptseminar die Abendmahlslehre (SS 1947), in einem ökumenischen Seminar den Sozialismus im Zusammenhang der evangelischen, römisch-katholischen und der orthodoxen Kirche (SS 1948). Das Seminar über die Lehre von der Kirche im gleichen Semester ging ausführlich auf das Thema Einheit der Kirche ein. Im ökumenischen Seminar im Wintersemester 1948/49 wurde »Die Kirche zwischen Ost und West« behandelt. Nicht nur in der Lehre, sondern auch in kirchlicher Verantwortung arbeitete Schlink mit, indem er in Hessen-Nassau und Baden Aufgaben bei der Neuordnung der Kirche wahrnahm 88 . In Baden wurde er in den Bruderrat der Bekenntnisgemeinschaft und ins Kuratorium des Theologischen Studienhauses berufen 89 . Am 19. Februar 1947 folgte die Berufung ins »Theologische Amt« der Kirche durch Landesbischof Bender, am 26. Januar 1948 die Berufung in die erste spräch« 817-818; Mumm, »Der Evangelische und Katholische Ökumenische Arbeitskreis«; »Gemeinsame Teilhabe am Reichtum Christi«; 30 Jahre evangelisch-katholischer Dialog; Volk, H. »Das theologische Gespräch zwischen den Kirchen«. 15 Vgl. Henrich, Der Ökumenische Arbeitskreis 286. 86 Vgl. Plathow, Das Ökumenische Institut/Studentenwohnheim der Universität Heidelberg 115; Slenczka, Ökumenisches Institut der Universität Heidelberg, 64-65. Unbeachtet blieb bisher die Tatsache, daß er sich gleichzeitig für die Gründung des missionswissenschaftlichen Lehrstuhls eingesetzt hat: »[...] it had been the >ecumenist< himself, the late Professor Edmund Schlink, who had insisted on the new chair, and his support proved invaluable in developing a concept of mission studies that would be accepted by the whole faculty as a theological requirement of the first order«, Hans-W. Gensichen, »My pilgrimage in mission«. International Bulletin of Missionary Research 13 (1989): 169. " Schlink, Neubau des Ökumenischen Instituts 4. Vgl. auch unten S. 38. Wissenschaftliche Monographien aus der Arbeit des Instituts erschienen von 1962 an in der Schlink herausgegebenen Reihe Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie (V&R). " Im Folgenden wird nur seine Mitarbeit in der unierten badischen Landeskirche skizziert. »' Brief von Dürr, 4.9.1946. Brief von Oesterreicher, 25.9.1946.

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badische Landessynode 90 . Allerdings konnte Schlink an der ersten Session nicht teilnehmen, weil er im Februar und Anfang März Gastvorlesungen an der Kirchlichen Hochschule in Berlin und Vorträge auf Pfarrkonventen in der damaligen »Ostzone« hielt 91 . Vorträge vor Studenten und Pfarrern gehörten auch in Baden zu Schlinks Aufgaben neben der Lehrtätigkeit 92 . Schließlich folgte noch ein Ruf in den Verfassungsausschuß der badischen Landeskirche, der am 27.5.1948 in Freiburg zum ersten Mal tagte 93 . Auch diese Arbeit hat ökumenische Bedeutung, weil hier sowohl die Probleme der Gottesdienstgestaltung und des Pfarrerinnen- (»Vikarinnen-«Gesetzes als auch des Bekenntnisstandes der badischen Unionskirche verhandelt wurden. Deutlich unter Schlinks Einfluß entstanden sind der Vorspruch und die ersten Paragraphen der Grundordnung; sie ordnen die badische Kirche in der doppelten Bewegung, die der Bruderrat der EKD im Anschluß an Schlinks Vortrag über Verkündigung und Ordnung vorgeschlagen hatte 94 . Die Kirchenkanzlei der EKD lud 1947 zu einem ersten verbindlichen theologischen Gespräch über die Abendmahlslehre im Hinblick auf die Kirchengemeinschaft in der EKD ein95. Am 30.9. und 1.10. fand dann in Frankfurt-Niederrad ein erster Austausch der neugegründeten Theologischen Kommission der EKD für das Abendmahlsgespräch statt. Schlink war an diesem Gespräch von Anfang an beteiligt96. Die Ergebnisse der Tagung wurden nach einiger Zeit - Schniewind war am 7.9.1948 gestorben, das Gespräch konnte erst im April 1951 fortgesetzt

Brief von Bender, Karlsruhe, 13.2.1947. Brief von Schlink, Heidelberg, 30.1.1948. Brief von Schlink an die badische Kirchenleitung, Heidelberg, 30.1.1948. »Am Freitag war ich in Berlin [ . . . ] Diese zerstörte Innenstadt wirkt noch eindringlicher als jede andere, da hier fast jedes H a u s ein Zentrum der M a c h t gewesen ist. Es ist geradezu unbegreiflich, d a ß hier Menschen weiterleben, ohne Gottes Gericht zu erkennen und Buße zu tun«, Brief aus Ostberlin, Februar 1948. Freunde in Berlin waren Martin Fischer und Heinrich Vogel; vgl. ebd. und den Brief vom 23.2.1948. ,2 Vgl. den Anfang 1947 gehaltenen Akademievortrag Ursprung und Wesen der Liturgie und den Brief vom 20.3.1948 an Maas. " Vgl. den Brief vom 12.5.1948 an Friedrich, Brief vom 14.6.1948 an Hof. Vgl. den Vorspruch und die Paragraphen 1 und 2 der G r u n d o r d n u n g der Evangelischen Landeskirche in Baden, Kirchliches Gesetzes, und Verordnungsblatt der Evangelischen Landeskirche in Baden (1977): 36 f. 95 Vgl. Schlinks Vorwort zu Schniewind, Sommerlath, Abendmahlsgespräch 3; Kirchliches Jahrbuch der E K D 1945-1948, hg. V.J.Beckmann, Gütersloh 1950, 85; Sasse, Corpus Christi 126-128. * Brief der EKD-Kanzlei, Schwäbisch G m ü n d , 13.8.1947. Teilnehmer waren G. Bornkamm, Delekat, Käsemann, Schniewind, Sommerlath, Stauffer, Vogel und Weber, außerdem der Präsident der Kirchenkanzlei H. Asmussen (Schlink, Vorwort zu Schniewind, Sommerlath 4-5). "

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werden - von Schlink veröffentlicht97. Die erste Tagung beschäftigte sich vorwiegend mit der exegetischen Grundlegung des Themas im Neuen Testament und mit der Frage nach der personhaften, leibhaften Anwesenheit Christi im Abendmahl. Das Abendmahlsgespräch der EKD wurde nach der Veröffentlichung der Dokumente des ersten Gesprächs mit einer Sitzung in Hannover (im Oktober 1952) fortgeführt. Bei der sechsten Zusammenkunft in Amoldshain (1.-2.11.1957) war Schlink auch zugegen, nachdem er in der Zwischenzeit Mitglied der Heidelberger Unterkommission gewesen war. Auf der Arnoldshainer Tagung wurden die später als Arnoldshainer Thesen bekannt gewordenen acht gemeinsam formulierten Sätze über das heilige Abendmahl von allen Anwesenden »einmütig angenommen«98. Am 25. Juli 1958 wurde dem Rat der EKD Bericht über Gang und Ergebnis der Kommissionsarbeit erstattet. Der Rat beschloß, die Thesenreihe der Öffentlichkeit von Kirche und Gemeinde zu übergeben, »[...] damit sie in gründlicher Besinnung und Bemühung bedacht werden und das Abendmahlsgespräch zum Segen der Kirche Jesu Christi in Deutschland und in der Welt fruchtbar fortgesetzt wird«99. Die Arnoldshainer Abendmahlsthesen lösten auch in der Ökumene eine intensive Diskussion über das Abendmahl aus100. Doch war dies nicht Schlinks einziger und auch nicht sein erster Beitrag zur internationalen ökumenischen Diskussion. In dem bald nach Kriegsende eröffneten Ökumenischen Institut in Bossey arbeitete er als Kuratoriumsmitglied mit; er war auch Mitglied der Studienabteilung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Genf und der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung101. 1946 hatte der vorläufige Ausschuß des ÖRK zur Teilnahme an der Gründung eines ökumenischen Rates der Kirchen eingeladen. Im Einladungsbrief klang schon das Thema der Amsterdamer 1. Vollversammlung von 1948 (die Unordnung der Welt und Gottes Heilsplan) an: »Das Heilmittel für die Übel, welche die Welt bedrohen, steht nicht bei uns, sondern bei Gott«102. An den Vorbereitungen der Arbeit in der ersten

" Schniewind, Julius; Sommerlath, Ernst, Abendmahlsgespräch. H g . E. Schlink. Berlin: Töpelmann, 1952. 5 4 S . Vgl. Brunner, Grundlegung 11. '* Zur Lehre vom Heiligen Abendmahl 13. Sommerlath, der nicht zugegen war, wollte allerdings nicht zustimmen, vgl. Lehrgespräch über das Heilige Abendmahl 7 5 - 8 9 . " Zur Lehre vom Heiligen Abendmahl 7, 1 3 - 2 1 . Zur theologischen Aufarbeitung der Kritik vgl.: D a s Mahl des Herrn 6 9 - 7 6 . Gottfried Niemeier, H g . , Lehrgespräch über das Heilige Abendmahl. ,M Das Mahl des Herrn 69. 101 Mitglied des Kuratoriums der Graduate School Bossey war Schlink von 1954-1975, u. a. gemeinsam mit W. A. Visse^t H o o f t . 102 Texte zur Geschichte der ökumenischen Bewegung 89.

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Sektion der Vollversammlung (Die Kirche in Gottes Heilsplan) nahm Schlink teil103. Auf der Vollversammlung in Amsterdam hielt er einen Vortrag über den deutschen Kirchenkampf, der inhaltlich die Gedanken seiner Veröffentlichung über den Ertrag des Kirchenkampfes aufnahm104. Schlinks Veröffentlichungen und seine Briefe aus Amsterdam zeigen, wie er sich als Lutheraner zur Frage der Begnung der Kirchen im ökumenischen Rat stellte: »Auf jeden Fall ist entscheidend für die ökumenische Begegnung: Die Freiheit in der Gemeinschaft und die Gemeinschaft in der Freiheit [...] Entscheidend in der ökumenischen Arbeit ist, daß wir uns mitverantwortlich wissen für die Gewissen der anderen. Als Ziel muß uns dabei vorschweben eine sich einander öffnende Mannigfaltigkeit der Kirchen, der die Abendmahlsgemeinschaft und die gegenseitige Anerkennung der Amter mehr und mehr geschenkt wird [...]«, »nicht eine Aufhebung der Konfessionen, sondern [...] eine Gemeinschaft der Konfessionen«1 °5. Daß dieses Ziel durchaus von einer konfessionalistischen lutherischen Position aus ins Auge gefaßt wird, wird an Briefen Schlinks aus Amsterdam deutlich, in denen er seine Sicht der anderen Kirchen in Anlehnung an Löhe schildert: »Meine Bekanntschaft mit Zander106 und Florovsky107 erweist sich nun als sehr hilfreich und ich sehe deudich, daß die lutherische Kirche die Mitte ist«108. »Mir hat sich auch voll bestätigt, daß ich in konfessioneller Hinsicht io) V g l - : »Kirche und Ökumene: Bericht über die Vorarbeiten der I. Kommission für die Weltkirchenkonferenz in Amsterdam«. ELKZ 2 (1948): 128-131. Die Konferenz hinterließ einen starken Eindruck bei den Teilnehmern: »Gestern war der Eröffnungsgottesdienst, in dem wir Delegierten in feierlichem Zuge ein- und auszogen. Ein buntes Bild! Es war zugleich so ergreifend [...]: Christen aus aller Welt, aller Konfessionen (außer röm.kath.), aller Rassen, in ihrem mannigfaltigen Gewändern, in denen sie zu Hause Gottesdienst feiern.« 104 Zeugnis der deutschen Kirche im Kampf. Vgl. Kirche in Gottes Heilsplan 648. In Amsterdam war Schlink als Delegierter, war Mitglied des Drafting Comittee der ersten Kommission und arbeitete in der Kommission für die Botschaft der Vollversammlung mit In dieser Zeit veranlaßte er die Arbeit von W. Schweitzer über Schrift und Dogma in der Ökumene, vgl. ebd. 9. 105 Kirche in Gottes Heilsplan 651. Lev Alexandrovitsch Zander (19.2.1893-17.12.1964), seit 1925 Professor für Philosophie, Pädagogik und Konfessionskunde am StSergius-Institut in Paris, ein im ökumenischen Gespräch führender Theologe der russisch-orthodoxen Kirche in der Emigration. Vgl. »Leo Zander zum Gedächtnis«. ÖÄ 14 (1965): 157-159. »Geleitwort« zu L.A. Zander, >Einheit ohne VereinigungLeisetreterei< der Augsburgischen Konfession ist nicht nur negativ zu beurteilen, sondern auch Ausdruck einer ebenso behutsamen wie beharrlichen Bemühung um die Einheit«112. Sehl ink kommt zu dem Schhiß, daß von dem Kirchenbegriff der Confessio Augustana »stets und notwendig stärkste Impulse zur Vereinigung der Glaubenden« ausgehen113. Eine starke Erschütterung in dieser aufbrechenden ökumenischen Diskussion nach dem Krieg stellte die Dogmatisierung der leiblichen Himmelfahrt Mariens 1950 dar. Rückblickend äußert sich Schlink über die gemeinsame Arbeit im Ökumenischen Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen: »Unsere Gespräche gerieten in eine gewisse Krise, als Papst Pius XII. das neue mariologische Dogma promulgieren wollte und dann auch promulgiert hat«114. Schlink war maßgeblicher Autor des Gutachtens evangelischer Mitarbeiter des Ökumenischen Arbeitskreises zur Dogmatisierung der leiblichen Himmelfahrt Mariens115. Da die leiborthodoxen Kirchen auf der Konferenz. Es wurde erst im Lauf der Vollversammlung deutlich, daß die anwesenden orthodoxen Kirchen beim ökumenischen Rat bleiben würden. 109 Schlink, Amsterdam, 29.8.1948. Vgl. Löhes Hauptwerk, die Drei Bücher von der Kirche GW 5,1,162-166. Ahnlich drückt sich Schlink im letzten Abschnitt seiner Amsterdam-Bewertung aus, wenn er schreibt, daß die Una Sancta »für mich als Lutheraner« schon Wirklichkeit ist, nämlich »Wirklichkeit in der Kirche Augsburgischen Bekenntnisses«. Er fährt fort: »in ihr glaubend, lebend, bekennend schaue ich nach der Kirche in den anderen Konfessionen, suche und erkenne sie hier und dort wieder am Evangelium und an den Sakramenten« (Kirche in Gottes Heilsplan 652). 110 KC 106-115. 111 Ebd. 110. 112 Ebd. 111. 115 Ebd. Abschied und Dank 9. 115 Evangelisches Gutachten zur Dogmatisierung der leiblichen Himmelfahrt Mariens, 3. Aufl., München 1951. Vgl. auch »Die leibliche Himmelfahrt Mariens«. In diesem großen 35

liehe Himmelfahrt der Maria nicht Inhalt der apostolischen Lehre ist, würde eine Dogmatisierung - so das Gutachten 1950 - Auswirkungen auf die Ökumene haben. Die Zahl der Unterschiede zwischen römischkatholischer und evangelischer Kirche würde vergrößert Die Annäherung der Kirchen, die in der Verfolgungszeit zustandegekommen war, würde schwer getroffen 116 . Eine Dogmatisierung der Assumptio könnte nur »durch eine autoritative Ausserkraftsetzung von allgemein anerkannten wissenschaftlichen Ergebnissen« zustande kommen. Antiökumenische Gruppen würden Auftrieb erhalten117. Auch die weltweiten kirchlichen Annäherungsbestrebungen würden behindert 118 . Obwohl das Dogma promulgiert wurde, wurde das Gespräch im Ökumenischen Arbeitskreis fortgesetzt, vor allem auf Grund der Bitte von Lorenz Kardinal Jaeger: »Sie haben damals sehr deutlich geltend gemacht, daß eine solche Krise nichts Endgültiges zu sein braucht, und daß auch der Kurs des Vatikan sich ändern kann. Sie haben manches richtiger gesehen als wir Jüngeren, die viel ungeduldiger waren und sich damals fragten, ob die Fortsetzung des Gesprächs nach dem ungeheuren ökumenischen Rückschlag, den dieses Dogma bedeutet hat, noch sinnvoll sei«119. Neben dem ökumenischen Dialog ging auch Schlinks praktisches Engagement in dieser Zeit voran. Gemeinsam mit dem Missionswissenschaftler

Beitrag zum Sonntagsblatt geht Schlink 1950 im letzten Abschnitt auf das zu jener Zeit stark umstrittene Entmythologisierungsprogramm Bultmanns ein, ohne dessen Namen zu nennen. Es fällt auf, daß Schlink nie mit einer Veröffentlichung an der seit 1948 wieder aufgeflammte Diskussion um Bultmanns Theologie teilgenommen hat. Einen frühen Hinweis auf Schlinks und P. Brunners Bultmann-Kritik gibt A. Peters (Ringen um die einigende Wahrheit 214): »Bereits auf der Alpirsbacher Tagung noch im Kriege, auf der Bultmann die Thesen zur Entmythologisierung erstmals vortrug, widersprachen ihm Peter Brunner und Edmund Schlink leidenschaftlich«. Indirekte Äußerungen Schlinks gibt es nur in dem genannten Artikel in Liljes Sonntagsblatt (11), in der Rezension »Offenbarung und Metaphysik« (203) und im gesamten Inhalt des Aufsatzes »Die Bedeutung der Auferstehung Jesu Christi«. Ein Brief an K. Barth läßt erkennen, daß er Bultmanns Ansatz als Angriff auf die reformatorische Theologie beurteilt, der Versöhnungslehre und Eschatologie und damit zugleich die Rechtfertigungslehre in Frage stellt (Brief an Barth, Heidelberg, 10.11.52). Im Sonntagsblatt erhebt Schlink gegen die römische Kirche den Vorwurf, daß sie »einen Mythus durch Dogmatisierung zur Heilstat Gottes erhebt« und damit die geschichtlichen Heilstaten Gottes dem Verdacht aussetzt, auch Mythen zu sein. Prinzipiell den gleichen Vorgang sieht Schlink darin, daß »evangelische Theologen« Auferstehung und Wiederkunft Christi als mythologische Rede bezeichnen, die entmythologisiert werden müsse. Schlink sieht die Parallele zwischen beiden Vorgängen darin, daß es »kein grundsätzlicher Unterschied« sei, »ob man Heilstaten Gottes auf bloße Bedeutungen reduziert oder ob man Bedeutungen als angebliche Heilstaten Gottes dogmatisiert« (ebd.). Dagegen sei »das Evangelium von Gottes geschichtlicher rettender Tat festzuhalten« (ebd.). 116 Evangelisches Gutachten 18, vgl. 20. 117 Ebd. 19, vgl. 23. ll « Ebd. 20. Abschied und Dank 9.

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Walter Freytag gründete er 1950 den Deutschen Ökumenischen Studienausschuß (DÖSTA), dessen Vorsitzender er bis 1961 war120. Ebenfalls arbeitete er im Kreis der Mitherausgeber der seit 1952 erscheinenden Ökumenischen Rundschau121 gemeinsam mit Walter Freytag, Karl Hartenstein, Werner Küppers, Hanns Lilje, Martin Niemöller und J. W. Ernst Sommer122. Die erste deutschsprachige ökumenische Zeitschrift sollte umfassend über das ökumenische Geschehen in aller Welt Bericht erstatten und den deutschen Beitrag zum internationalen theologischen Gespräch hervorheben123. Herausgestellt wurde der Zusammenhang von ökumenischer und missionarischer Aufgabe der Theologie 124 . Schlinks Mitarbeit in weiteren Kommissionen, Gesellschaften und Arbeitsgemeinschaften nahm stetig zu. Z.B. bereitete er als Mitglied der Weltkirchenratskommission der 25 das Thema der zweiten Vollversammlung in Evanston (1954) mit vor und nahm an der Zentralausschußsitzung in Rolle (Schweiz, 20.30.7.1951) teil125. 120 Vgl. Gaßmann, Schlink, Edmund 1085. Schlink wurde am 6.6.1950 in den DÖSTA berufen. Er sagte am 19.6. zu, worauf M. Niemöller W. Menn mitteilte: »Von Schlink erhielt ich die professoral verklausulierte Zusage, die ich als komplett betrachte« (Brief Niemöllers, Wiesbaden, an Menn, 22.8.). Menn empfahl daraufhin Schlink als Vorsitzenden des DÖSTA (vgL den Brief von Wilhelm Menn an Quiring, Frankfurt, 22.6.1951. Vgl. die DÖSTA Protokolle 1-30 (1950-1968) in der Ökumenischen Centrale und Harling Die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland 362). 121 W. Menn schlägt in Briefen vom 8.10.1951 an Bischof Sommer, 14.10.1951 an M. Niemöller und 15.10.1951 an Bischof Lilje Schlink als Mitherausgeber der Ö R vor. 122 Prof. W. Freytag (28.5.1899-24.10.1959) vgl. RGG 3. Aufl. Reg. 65-66; Triebel, Johannes. Bekehrung in der Theologie W. Freytags und im ökumenischen Gespräch. Erlangen: Ev.Luth. Mission, 1975. Prälat K. Hartenstein (25.1.1894-1.10.1952) vgl. RGG 3. Aufl. 3,80-81; Schwarz, Gerold. Mission, Gemeinde und Ökumene in der Theologie Karl Hartensteins. Stuttgart: Calwer, 1980. Prof. W. Küppers (1.11.1905) vgl. RGG 3. Aufl. Reg. 135. Bischof H. Lilje (20.8.1899-6.1.1977) vgl. RGG 3. Aufl. 4,378. Kirchenpräsident M. Niemöller (14.1.1892-6.3.1984) vgl. RGG 3. Aufl. 4,1472-1474; Bentley, James. M. Niemöller: Eine Biographie. München: Beck, 1985. 125 Vgl. die Verlegerbeilage zum ersten Heft der ÖR, Archiv der ÖC. 124 Vgl. ebd.: »Nicht zufällig wird die Ökumenische Rundschau als Schwesterzeitschrift der Evangelischen Missionszeitschrift unter der Verantwortung ihres Herausgebers, Prof. D. Dr. Walter Freytag, erscheinen. Die innere Zusammengehörigkeit von Ökumene und Mission, die bereits zu enger Zusammenarbeit von Ökumenischem Rat und Internationalem Missionsrat geführt hat, soll auch auf diese Weise sichtbaren Ausdruck finden.« 125 Stand der ökumenischen Verhandlungen: ÖR 1 (1952): 53-55. Die Morgenandacht am 24.7.1951: ebd. 61-63. Der Themenvorschlag des Zentralausschusses auf seiner Sitzung in Toronto 1950 lautete: »Jesus Christus unser Herr, die einzige Hoffnung der Kirche und der Welt«. Es seien »viele erschrocken, als sich bei den Vorarbeiten [...] ergab, daß dieses Thema unumgänglich als eschatologisches Thema behandelt werden muß, wenn es biblischtheologisch ernst genommen werden soll« (Aufgabe der lutherischen Theologie 98). Die Kommission änderte ihn folgendermaßen: »Der gekreuzigte Herr, die Hoffnung für die Welt«. An der ursprünglichen Formulierung wurde die Tatsache bemängelt, daß man das Thema »allgemein« und als »positive Schlagzeile« formuliert hatte, ohne daran zu denken, daß damit die christliche Eschatologie thematisiert wird. Hoffnung und Wiederkunft gehören

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In Heidelberg initiierte er die interdisziplinären Arbeitsgemeinschaften, zu denen die Theologischen Fakultät der Universität einlud 126 . Jeweils im Wintersemester fand in der Stiftsmühle Ziegelhausen eine Freizeit statt, an der Dozenten aller Fakultäten teilnahmen, »um mit ihnen gemeinsam Fragen zu durchdenken, die alle Fakultäten angehen« 127 . Im Februar 1952 war das Verhältnis von Gnade und Recht Thema des Gesprächs mit Juristen. Schlink hielt das theologische Referat über Gerechtigkeit und Gnade 128 . Nicht alle Vorträge des interdisziplinären Dialogs in Heidelberg sind publiziert worden 129 .

zusammen. An dieser Schwierigkeit wird für Schlink deudich, »wie schmal die christologische Basis des Ökumenischen Rates ist« (ebd. 53). Mit der neuen Themenformulierung hoffte man, die Schwierigkeiten überwunden zu haben, wenngleich hinter den Spannungen im Verständnis der Eschatologie Differenzen im Verständnis des Kreuzes sichtbar wurden. »Die Verweldichung der Eschatologie bedeutet zugleich eine Abschwächung des Wortes vom Kreuz, während die Erkenntnis der Abgründigkeit des Kreuzesereignisses notwendig eschatologische Erwartung fordert« (ebd. 54). 126 VgL dazu oben S. 30 den Brief an Köhnlein, wo Schlink seine Absicht zu interdisziplinärer Arbeit kundtut. - Die Geschichte der interdiziplinären Arbeit in Deutschland ist bisher nicht ausreichend erforscht Harold Nebelsick hat die Göttinger Gespräche zwischen Naturwissenschafdem und Theologen in seinem Werk Theology and Science in Mutual Modification kurz dargestellt (159-172). Er verweist (ebd. 168) auf die Evangelische Studiengemeinschaft, deren Forschungsstelle sich in Heidelberg befindet. Schlinks interdisziplinäre Arbeit wird nur beiläufig wahrgenommen (135; 148, Anm. 109) und seine Trennung von Naturwissenschaft und Theologie kritisiert Daß diese »isolierte Abgeschiedenheit« der Theologie von den Wissenschaften (so Nebelsicks Kritik) bei dem naturwissenschafdich vorgebildeten Theologen Schlink gerade durch ihre Trennung auch ihre richtige Zuordnung ermöglicht, scheint Nebelsick nicht gesehen zu haben. Wemer Krusche, »Gespräch über Gnade und Recht« 38. " · Text: KuD 2 (1956): 256-288. Vgl. zu Schlinks interdisziplinärer Arbeit u.a. seine Abhandlung über das Szepter der Universität Heidelberg und über das theologische Problem des Naturrechts, die Thesen über Theologie und Naturwissenschaften sowie seine Veröffendichung »Zum Gespräch des chrisdichen Glaubens mit der Naturwissenschaft«. Außerdem: »Die Atomfrage in der kirchlichen Verkündigung«. Atomzeitalter - Krieg und Frieden. Forschungen und Berichte der Ev. Studiengemeinschaft 17. Witten: Luther, 1959. 204-225. Ebenfalls in: Politik und Ethik. In Gemeinschaft mit T. Strohm hg. v. H. D. Wendland. WdF 139. Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft 1969. 413-437. Weiteres Quellenmaterial über Gespräche zwischen Juristen und Theologen finden sich in Begründungen des Rechts, hg.v. Ulrich Nembach, Göttingen: V&R, 1979; Begründungen des Rechts II, hg.v. Konrad von Bonin, Göttingen: VscR, 1979. Die Anfänge des Gesprächs gehen zurück bis in die Nachkriegszeit, vgl. die Dokumente Kirche und Recht; Ein vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland veranlaßtes Gespräch über die christliche Begründung des Rechts, Göttingen: V&R, 1950; Die Treysa-Konferenz 1950 über das Thema Gerechtigkeit in biblischer Sicht, Genf: Studienabt des ORK, 1950 (zu den Vorarbeiten der Konferenz vgl. ebd. 11-14; zu Schlinks Beitrag vgl. 25,40,42-43; Recht und Institution; Eine Fortsetzung des Göttinger Gesprächs von 1949 über die christliche Begründung des Rechts hg.v. Hans Dombois, Glaube und Forschung 9, Witten: Luther, 1956. 38

2.3 Mitarbeit auf den Weltkonferenzen Die dritte Vollversammlung der Bewegung für Glauben und Kirchenverfassung in Lund (15.28.8.1952) bildet einen Meilenstein in Schlinks Biographie. Hier tritt er erstmals auf einer Vollversammlung mit einem Hauptreferat hervor und bestimmt dadurch die ökumenische Theologie seiner Zeit wesentlich mit. Im Vortrag über Das wandernde Gottesvolk - auf der Eröffnungssitzung am 17.8. gehalten - betont Schlink die eschatologische Ausrichtung der Kirche auf ihrem Weg durch die Zeit zwischen dem ersten Kommen Christi und seiner Wiederkunft. Die gegenwärtigen Kirchentrennungen werden eschatologisch relativiert; sie verblassen gegenüber der der Scheidung des jüngsten Gerichts, die der eine wiederkommende Herr der Kirche durch alle Kirchen hindurch bewirken wird. Das Gericht ist nicht nur zukünftig, sondern ergeht jetzt schon über die Kirche in den Katastrophen und Verfolgungen der Gegenwart In dieser Sichtungszeit werden aber zugleich »die Trennungswände, die zwischen den Konfessionskirchen stehen, eigentümlich transparent«130. Unter Anspielung auf Solovjevs131 Kurze Erzählung vom Antichrist stellt Schlink fest: »Diese Einheit des Gottesvolkes wird überall da, wo sie in großen Nöten in Erscheinung tritt, erfahren als eine von Gott geschenkte Wirklichkeit, nämlich als die Wirklichkeit des gegenwärtigen Christus«132. Sein Vortrag endet in einem Appell, auf dem Weg dem kommenden Christus entgegen nicht stehen zu bleiben. Mit dem Blick nach vorne, weg von den sichtbaren Trennungen, sollen diese in ihrer Vorläufigkeit erkannt werden. So werden Probleme der Vergangenheit, wie die Kirchenspaltung, in ein neues Licht gestellt Auch die neutestamentliche Botschaft wird erst im Blick auf Christi Kommen richtig verstanden, da auch sie nach vorne weist. Aus der Rückbesinnung auf die Bibel soll der wahre Fortschritt der Kirche erfolgen133. Auf der zweiten Vollversammlung des ÖRK (vom 15.-31.8.1954) in Evanston (Illinois/USA) hielt Schlink einen der beiden Hauptvorträge zum Konferenzthema, dessen Wortlaut »Christus - die Hoffnung für die Welt« erst nach langen kontroversen Verhandlungen in der Kommission

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KC 203. Vgl. Rückblick auf Und 254. Wladimir Sergejewitsch Solovjev (16.1.1853-31.7.1900) russischer Schriftsteller und Religionsphilosoph. Vgl. Martin George. Mystische und religiöse Erfahrung im Denken Vladimir Solov'evs; FSÖTh 54, Göttingen: VicR, 1988. 152 KC 204. Die ökumenische Bewegung wird auch in dem Manuskript Eine systematische Vorbesinnung Uber Aufgabe, Ansatz und Gliederung des Gesamtwerks: Die Christenheit auf Erden; Handbuch der Konfessionskunde (vgl. ebd. 2) in engem Zusammenhang mit den Christenverfolgungen des 20. Jahrhunderts gesehen. " J Ebd. KC 210. Um die echte Einheit 467. 1,1

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der 25 zustande kam 134 . Provokativ beginnt Schlink seinen Vortrag in Evanston, indem er die Vorarbeiten der Kommissionstagung zur Eschatologie aufnimmt: »Fragen wir nach der Zukunft der Welt, so stoßen wir in den neutestamentlichen Schriften unübersehbar auf die Ankündigung des Endes der Welt. [...] Wo von dem kommenden Christus als der Hoffnung die Rede ist, ist immer auch die Rede vom Ende der Welt«135. Bei diesem Thema darf es nicht nur um den Bestand der bedrohten Welt gehen, um Angst vor menschlichen Taten, die das Ende herbeiführen könnten. Als Gottes Tat am Tag des göttlichen Gerichts muß man das Ende verstehen 136 . Diese Aussagen zur Eschatologie sollen für viele Delegierte »unverständlich und geradezu schockierend« gewesen sein und es wird von einem amerikanischen Delegierten berichtet: »Dazu bin ich wirklich nicht zweitausend Meilen gereist, um hier eine Theologie zu hören, der ich schon vor vierzig Jahren glücklich entronnen bin!«137 Auch in Deutschland wuchs Schlinks Wirksamkeit - wie die Arbeit in internationalen Kommissionen und auf Konferenzen 138 - in diesen Jahren ständig. 1953-54 amtierte er als Rektor der Universität Heidelberg. Die Rektoratsrede (29.3.1953) mit dem Thema Weisheit und Torheit widmete sich Luthers Heidelberger Disputation von 1518139. Die Rede erschien als erster Aufsatz der neuen Zeitschrift Kerygma und Dogma. Sie wurde u. a. von Schlink als Redaktionsmitglied und Herausgeber mitverantwortet. In Kerygma und Dogma hatten die Herausgeber von Anfang an die aktuelle dogmatische Arbeit auf dem Grund der kirchlichen Lehrentscheidungen der Alten Kirche und der Reformation ohne konfessionalistische Ausrichtung zur Zielsetzung gemacht. »Der Titel dieser Zeitschrift umreißt den Bereich der Probleme, deren Klärung sie dienen will. KERYGMA U N D D O G M A will nicht als Organ einer theologischen Schule oder gar einer kirchenpolitischen Richtung verstanden wer114

Vgl. Stand der ökumenischen Verhandlungen 53-55. Wegener-Fueter, Kirche und Ökumene 73-80 zur Ekklesiologie in Evanston; Anm. 76, S. 263 zu Schlinks Einfluß in Sektion 1 der Vollversammlung, vgl. ebd. 100-104. 155 Christus - die Hoffnung, KC 211. Vgl. Christliche Hoffnung als weltpolitischer Faktor 28. Christliche Hoffnung für die Gesellschaft 84. Vgl. auch Aufgabe der lutherischen Theologie 107: »Die lutherischen Theologen werden sich [...] in Evanston dafür einsetzen müssen, daß die biblische Substanz des vorbereitenden Berichtes festgehalten und nicht abgeschwächt wird«. »6 v g l. dazu unten den Exkurs in Teil 2, Kap. 5.3.1 zum Konflikt um Christologie und Ekklesiologie in Evanston. 117 Slenczka, Edmund Schlink 162. Vgl. FOP 27, 4 und FOP 33, 9-10: Dort spricht sich Schlink für eine intensivere Beteiligung der römisch katholischen und orthodxen Kirchen an der Arbeit der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung aus; Faith and Order würde als rein »pan-protestantische« Bewegung mißverstanden (FOP 27, 4). Vgl. dazu Edgar Thaidigsmann, »Kreuz und Wirklichkeit: Zur Aneignung der Heidelberger Disputation« Luthers«, LJ 48 (1981): 80-96, bes. 87-90.

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den. D i e Zeitschrift ist entsprungen aus der Gemeinschaft, die seit dem Ende des zweiten Weitkrieges in mannigfachen und beglückenden Begegnungen, zumal zwischen deutschen und skandinavischen Theologen, darüber hinaus aber zwischen kontinentalen Theologen überhaupt neu gewachsen ist. Sie ist von den Herausgebern gegründet als Organ dieses Austausches und der gemeinsamen Bemühung, den Kirchen durch streng wissenschaftliche Arbeit bei der systematischen Klärung der Fragen zu dienen, die ihrer Verkündigung heute aufgegeben sind« 1 4 0 .

Auch die ökumenische Diskussion soll durch die Zeitschrift gefördert werden: » [ . . . ] Darüber hinaus aber schließt die Bemühung um die kirchliche Lehre die Verpflichtung in sich, sich der Kritik zu stellen, die von anderen Konfessionen her begegnet, und gründlich zu erwägen, was aus anderen Kirchen mit dem Anspruch schriftgemäßer Erkenntnis lautwird« 141 .

Im Dezember 1957 konnte der Neubau des Ökumenischen Instituts und Studentenwohnheims der Universität Heidelberg in der Plankengasse neben dem theologischen Seminargebäude eingeweiht werden. Studenten aus verschiedenen Ländern, Fakultäten und Kirchen sollten sich hier nach dem Krieg freundschaftlich begegnen können 142 . Dies sollte auf »überkonfessioneller, christlicher Grundlage« geschehen, damit »den Insassen dieses Studentenheims [...] auch die Möglichkeit geboten wird, sich morgens und abends in einer Hauskapelle zum gemeinsamen Gebet zu versammeln«143. Aus dieser Zeit stammt auch Schlinks wichtiger Aufsatz über die Struktur der dogmatischen Aussage als ökumenisches Problem. Schlink hat ihn erst 1957 veröffendicht 144 , Von einer »umfassenden wissenschaftlichen Bemühung«145 erwartet er die Klärung der Einheit dogmatischer Aussagen; vorerst konnte er sich allerdings noch nicht an die Lösung dieser Aufgabe in Gestalt einer ökumenischen Dogmatik machen, weil ihn das von der katholischen Kirche angekündigte Konzil in Anspruch nahm. Zu Schlinks wichtiger Arbeit in der Kommission für das Abendmahlsgespräch der EKD kam von 1957 an der Dialog mit den orthodoxen Kirchen des Ostens 146 . Innerhalb kurzer Zeit veröffentlichte Schlink fünf 140

Verlegerbeilage zu Kerygma und Dogma, Heft 1, Jg. 1, 1955. Ebd. Vgl. weiter »Uber die künftige Aufgabe von >Kerygma und Dogma< in einer veränderten theologischen und kirchlichen Situation«, KuD 19 (1973): 2-9, bes. 6-9. 142 Vgl. Neubau des Ökumenischen Instituts 3. Vgl. Slenczka, Edmund Schlink 162f; Ökumenisches Institut der Universität Heidelberg, 64-65. Plathow, Das ökumenische Institut/Studentenwohnheim der Universität Heidelberg 115. 143 Neubau des Ökumenischen Instituts 3. 144 KuD 3 (1957): 251-306. Abdruck in: Der kommende Christus und die kirchlichen Traditionen 24-79. KC 78. 146 Dem offiziellen theologischen Gespräch der EKD mit der russisch-orthodoxen Kirche gingen schon 1949 und 1950 Begegnungen mit russisch-orthodoxen Emigranten in 141

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Aufsätze zum ökumenischen Gespräch mit der Orthodoxie 147 . Eine dreiwöchige Reise (26.3.-16.4.1958) 1 4 8 in kirchliche Zentren der Sowjetunion (Moskau, Sagorsk, Kiew, Leningrad, Riga und Mitau) bildete den Auftakt für die Gespräche zwischen dem Moskauer Patriarchat und der EKD (Arnoldshainer Gespräche)149. Im August 1958 fand auch ein Gespräch zwischen Moskau und dem Ökumenischen Rat über die Frage einer zukünftigen ökumenischen Zusammenarbeit statt150, die theologische Arbeit wurde 1959 begonnen 151 . Auf der Zentralausschußtagung des Ökumenischen Rates der Kirchen auf Rhodos hielt Schlink den vielbeachteten Vortrag über die Bedeutung der östlichen und westlichen Traditionen fiir die Christenheit152. Seine Hochschätzung der orthodoxen Theologie und Frömmigkeit erwarb ihm außerordentliche Verehrung unter Theologen der Ostkirche153.

Heidelberg und Hemer voraus, bei denen auch einzelne griechisch-orthodoxe Christen und russische Theologen aus den Vereinigten Staaten anwesend waren. Vgl. Basdekis, Die theologischen Gespräche zwischen der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Orthodoxie, bes.224-230. Slenczka, 25 Jahre Gespräch mit der Russischen Orthodoxen Kirche 450. Besier, »Zum Beginn des theologischen Gesprächs zwischen der EKD und der Russischen Orthodoxen Kirche nach dem Zweiten Weltkrieg« 73-90. Kretschmar, »Tausend Jahre Nachbarn: Stationen der Begegnung zwischen unseren Kirchen und Völkern«. Tausend Jahre Kirche in Rußland 64-92, bes. 87-89. Vgl. die Begleittexte zu den Bildern der Ausstellung: ebd. 208-213. 147 » Wandlungen im protestantischen Verständnis der Ostkirche« (ausgearbeitete Gastvorlesung am 31.3.1958 in der Geistlichen Akademie im Troize-Sergijewo-Kloster, Sagorsk); »Zur neuesten ökumenischen Stellungnahme des Moskauer Patriarchats« (1958); »Der ökumenische Beitrag der russisch-orthodoxen Kirche« (1958); »Die Bedeutung der östlichen und westlichen Traditionen für die Christenheit« (Zentralausschußsitzung des ÖRK am 20.8.1959 in Rhodos) und die erst spät (1961) veröffentlichten » Thesen jur ein Gespräch zwischen orthodoxen und evangelischen Theologen über das Problem der Tradition« (Arnoldshain 1959, KC 196-202). " · Teilnehmer waren u. a.: E. Wilm, A. Wischmann, H. J. Iwand, H. Vogel, vgl. Zur neuesten ökumenischen Stellungnahme 130. Vgl. Zur neuesten ökumenischen Stellungnahme 130; Gespräch mit den orthodoxen Kirchen 12-13. Basdekis, »Die theologischen Gespräche zwischen der EKD und der Orthodoxie« 223-253. Ohme, »Die theologischen Gespräche der EKD mit Orthodoxen Kirchen« 229-277, bes. 229-260. H. J. Held »Der Zusammenklang von kirchlichem Besuch und theologischen Gespräch im Dialog zwischen der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Russischen Orthodoxen Kirche« ( K u D 29, 115-126), stellt in seiner Erinnerung das 1981 im Anschluß an den Dialog stattfindende Gespräch im Hause Schlink heraus; es habe gezeigt, daß es »zu einem wirklichen Dialog und Einklang der Herzen gekommen ist«: ebd. 116. (Dass, in Beih. ÖR 49, 10, Anm.55). 150 Zur neuesten ökumenischen Stellungnahme 135. 151 Vgl. Kretschmar, 88; Slenczka 2.5 Jahre theologische Gespräche 447. Teilnehmer waren u. a. H. J. Iwand, E. Wolf, G. Harbsmeier, L. Goppelt, A. Wischmann, H. Schaeder, vgl. ebd. 447 f. KC 232-240. ι« v g l . Minutes and Reports of the Twelth Meeting of the Central Committee, Rhodes, Greece, August 19-27, 1959, 12: »Prof. Istavridis referred to Prof. Schlink's paper as an

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Schlinks Beitrag zur Dritten Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Neu Delhi 1961 bestand vorwiegend in der kontinuierlichen Mitarbeit in der dritten Sektion (Einheit)154. Als offizieller Delegierter nahm Schlink zugleich als Mitglied des Arbeitsausschusses der Faith-and- CWer-Kommission teil155. In wissenschaftlichen Veröffendichungen hat er sich nicht weiter mit Neu Delhi beschäftigt156. Die Vorbereitung des Zweiten Vatikanischen Konzils nahm sein Interesse in Anspruch.

2.4 Das Zweite Vatikanische Konzil Schlinks Beteiligung am II. Vatikanischen Konzil (11.10.19628.12.1965) als offizieller Beobachter der Evangelischen Kirche in Deutschland war der Höhepunkt seiner Tätigkeit im Dialog mit der römisch-katholischen Kirche nach dem Krieg157. Im Herbst 1961 war Schlink zum ersten Mal im Auftrag der EKD beim Sekretariat zur Förderung der Einheit der Christen in Rom zu Besuch. Das erste Treffen example of the fact that often those outside of a house can describe it better than the insiders«. Ebenfalls die redaktionellen Bemerkungen im Anschluß an Η. Asmussens Artikel (»Die Einheit der Christenheit und der Osten«, bes. 221-222), der allerdings kritisch die Differenzen zwischen lutherischer und orthodoxer Lehre hervorhebt Nicht nur Asmussen, sondern auch Niemöller distanzierte sich kritisch von Schlinks und P. Brunners ökumenischen Bemühungen, vgl. Lehmann, Asmussen 72,76, 231. 154 Neben Schlinks Diskussionsbeiträgen in der Aussprache zur Sektionsarfoeit (vgl. Neu Delhi 101, 150) fällt im Bericht von der Vollversammlung insbesondere ein Abschnitt aus Visser*t Hoofts Ansprache Der Auftrag des ökumenischen Rates der Kirchen auf (ebd. 24-34). Im Blick auf die Beziehung der Vollversammlung zum kommenden katholischen Konzil zitiert der damalige Generalsekretär aus einem Aufsatz Schlinks: »Zweifellos würde es für die Christenheit und die Welt schon viel bedeuten, wenn an den beiderseitigen Beschlüssen sichtbar würde, daß beide Konzile nicht gegeneinander tagen, und daß ein jedes von ihnen nicht sich selbst sucht, sondern allein dem Herrn Jesus Christus dienen will« (ebd. 31, ökumenische Konzilien einst und heute, KC 271). 155 Neu Delhi 402, 438. 156 Die einzige Ausnahme bildet die Erörterung des konziliaren Charakters der Vollversammlung von Neu Delhi und des zweiten Vatikanums im Vergleich mit den altkirchlichen Konzilien: VgL Ökumenische Konzilien einst und heute, KC bes. 241, 269-271. 147 Vgl. Wolfgang Dietzfelbinger, »Evangelische Berichterstattung vom Zweiten Vatikanischen Konzil«, bes. 431-433. Als Gründe für die Wahl Schlinks nennt Dietzfelbinger: »wissenschaftliche Qualifikation, kirchliche Bindung und ökumenische Erfahrung«, ebd. 431. Das Konzil war ebenfalls ein Höhepunkt seiner publizistischen Tätigkeit: »Im Verlauf der vergangenen vier Jahre habe ich an den Herrn Ratsvorsitzenden 60 Berichte mit ca. 400 Anlagen und Analysen der verschiedenen Fassungen der Konzilsvorlagen gesandt, und nach dem Abschluß einer jeden Sitzungsperiode habe ich vor dem Rat oder vor der Kirchenkonferenz sowohl im westlichen als auch im östlichen Teil der Evangelischen Kirche in Deutschland einen ausführlichen mündlichen Bericht vorgetragen«. Bericht 235; vgl. Dietzfelbinger, Evangelische Berichterstattung 431. 43

m i t K a r d i n a l B e a h a t Schlink tief b e e i n d r u c k t , so d a ß e r z u m G e d ä c h t n i s d e s T o d e s v o n B e a a m 1 6 . 1 1 . 1 9 6 8 schrieb: » [ . . . ] in ihm brannte die Liebe zu allen, die den Christusnamen bekannten, und diese Liebe öffnete ihm die Augen für die Möglichkeiten, die das so weitgehend fixierte Dogma seiner Kirche für die Annäherung zwischen den getrennten Kirchen offenließ« 1 5 8 . Als B e o b a c h t e r d e r E K D w a r Schlink im M ä r z 1 9 6 2 n o c h einmal v o r d e r K o n z i l s e r ö f f n u n g in R o m , u m in vielen Begegnungen, u. a. m i t P r o f e s s o r e n d e r Päpstlichen U n i v e r s i t ä t G r e g o r i a n a , G e s p r ä c h e zu führen 1 5 9 . E i n e r P r e d i g t in d e r evangelisch-lutherischen K i r c h e in R o m am S o n n t a g n a c h d e r feierlichen E r ö f f n u n g des K o n z i l s legt e r l . K o r 3 , 1 1 - 1 3 zug r u n d e 1 6 0 . D i e G e g e n s ä t z e zwischen den K i r c h e n sieht Schlink u m k l a m m e r t von C h r i s t i erstem u n d zweiten K o m m e n : »Alle K i r c h e n u n d j e d e r C h r i s t w e r d e n so in F r a g e g e s t e l l t Sie w e r d e n gefragt: Nimmst du den Grund und das Ziel und Ende der Kirche wirklich ernst oder benutzt du diesen Grund zum Selbstruhm? [ . . . ] Darum gilt einem jeden Christen das Gebot, das kirchliche Bauen darauf zu prüfen, ob es dem Grund und dem Ziel der Kirche gemäß ist [ . . . ] In der Buße aber muß jede Kirche bei sich selbst anfangen.« 1 6 1 D i e B e o b a c h t e r wählten ihn z u m S p r e c h e r ihrer G r u p p e 1 6 2 ; das b r a c h t e z u s ä t z l i c h e A r b e i t mit sich: » H i e r kam wieder viel auf mich zu. So am Mittwoch abend eine Zusammenkunft der Beobachter, die ich leiten mußte. Heute nachmittag eine Sitzung des Ausschusses der Beobachter, die ich zu leiten hatte und in der es um einen Empfang des Sekretariats durch die Beobachter geht [ . . . ] Dann waren wieder morgens die Sitzungen, die doch ungewöhnlich anstrengend sind durch das Latein und seine so verschiedene Aussprache.« - Es gab aber auch humorvolle Situationen bei den Sitzungen: »Dabei ereignete sich heute, daß ein jugoslawischer Bischof sich für eine stärkere Verehrung des J o s e f im Kirchenjahr aussprach und darüber so allgemeine Unruhe unter den Bischöfen entstand, daß der Vorsitzende ihm das Wort entzog mit den Worten: >Ich zweifle nicht, daß es in Jugoslawien große Frömmigkeit gibt, trotzdem peto, ut concludas tuum sermonem piissimum< (Großes Gelächter).« 1 6 3

"* Kardinal Augustin Bea zum Gedächtnis 70. Vgl. Augustin Kardina Bea, hg. v. Maria Buchmüller, 357. Vgl. ebd. 358: »Manche standen vor dieser Persönlichkeit wie vor einem Rätsel - schon allein angesichts der ungeheuren Arbeitsleistung, die von ihm in wenigen Jahren bewältigt worden ist«. Schlink, Rom, 15.3.1962. 160 Umklammerung der Gegensätze 35-39. Vgl. ebd. 37, 38. 162 Vgl. Dietzfelbinger, Evangelische Berichterstattung 431; Schmidt Augustin Bea, 574. Vgl. Brief Schlinks aus Rom, 10.10.1962. Die Angelegenheit hatte noch ein Nachspiel: »Im letzten Brief schrieb ich von dem Zwischenfall wegen Josef. Nun hat der Papst 44

Die Briefe ans Rom erleuchten kritisch den Hintergrund für die endgültige Fassung der Konzilsdokumente, das konziliare Ringen um die Texte und den Einfluß des Papstes auf die vorangehende Diskussion: »Auch die Diskussion des Kirchenschemas brachte trotz mancher guter Änderungsvorschläge keinen wirklichen Durchbruch.« 164 »Es scheint mir, daß nachdem die nichttheologischen Faktoren sich ausgetobt haben gegen die Kurie - deutlich wird, daß die theologischen Gegensätze [zwischen konservativen und progressiven Vertretern des römischen Katholizismus] jedenfalls nicht so tief gereicht haben, daß nun ein entscheidender Schritt auf die übrige Christenheit hin möglich wäre.« 165 »Es geht jetzt [in der vierten Konzilsperiode] um das Aushandeln der Kompromißformeln, der bei der Schlußabsümmung möglichst viele zustimmen können. Da der Papst Formulierungen und Abstimmungen wünscht mit nur wenigen Neinstimmen, bedeutet dies die Notwendigkeit einer Rücksichtnahme auf die Konservativen [...]« 1 6 6

Der Vortrag vor dem Konzilspressezentrum über das Schema De Ecclesia rief durch seine Kritik aus evangelischer Sicht Bestürzung bei etlichen katholischen Konzilsvätern hervor, die sich die Vereinigung der Kirchen offensichtlich als Rückkehr zu römischen Kirche vorgestellt hatten 167 . Schlink mißt dem Zweiten Vatikanischen Konzil - wie sein Buch Nach dem Konzil zeigt - große Bedeutung für die römisch-katholische Sicht der Ökumene bei168. Die Selbstverständlichkeit, mit der man bisher die eigene Kirche als die eine heilige Kirche gesehen hatte, die dann auch zum Maßstab für die Beurteilung der anderen Kirchen gemacht wurde, ist erschüttert worden. Auch in den anderen Kirchen handelt Christus. Es sind in ihnen nicht nur Elemente der eigenen Kirche vorhanden. Das Kirchenbewußtsein wurde auch durch die Erfahrung der Unzulänglichkeiten der eigenen Kirche erschüttert, wie sie in Zeiten des Umbruchs und der Verfolgung gemacht wurden 169 . Direkt aus der Arbeit auf dem Konzil erwuchs die im Februar 1965 gestern angeordnet, daß Josef in Zukunft zwischen Maria und den Aposteln im Meßkanon genannt wird.« Brief Schlinks aus Rom, 13.10.1962. Vgl. LThK 14, 632, zum 13.11.62. " 4 Brief Schlinks aus Rom, 5.10.1963. 165 Brief Schlinks aus Rom, 7.10.1963. Brief Schlinks aus Rom, 25.9.1965. Vgl. die Briefe Schlinks aus Rom vom 25.10.1963 und vom 29.10.1963. Vgl. Diskussion 103-105, Dietzfelbinger, Evangelische Berichterstattung 431: »Auch wer sich Schlinks theologischen Bewertungen, die immer deutlich waren und auch gelegentlich als schroff empfunden wurden, nicht anschließen konnte, mußte erkennen, daß sie aus seiner lutherisch-ökumenischen Einstellung sachlich begründet und persönlich verantwortet waren.« Dietzfelbinger rühmt (ebd. 432) Schlinks »wache Präsenz« und sein »unbestechliches Urteil«. 168 »Man hat es das Meisterstück innerhalb der gesamten deutschen Konzilsliteratur genannt«, Dietzfelbinger 433. Es fand auch K. Barths Zustimmung, vgl. Brief an Schlink, Basel, 21.10.1966 [abgedruckt in GA Abt. V, Briefe 1961-1968, Nr. 232, 363 f]. Schlinks Antwortschreiben an Barth, Heidelberg, 24.4.1967. Vgl. ebd. 237-238. 45

gegründete Gemeinsame Arbeitsgruppe zwischen dem O R K und der römisch-katholischen Kirche (Joint Commission), die mit Delegierten des römisch-katholischen Einheitssekretariats und der ÖRK-Mitgliedskirchen besetzt war 1 7 0 . »Diese Arbeitsgemeinschaft hatte die Aufgabe, zu prüfen, wie die Zusammenarbeit des Oekumenischen Rates und der römisch-katholischen Kirche enger gestaltet werden könnte. Ich habe dort in den ersten Jahren mit grosser Freude ein echtes Suchen nach neuen Möglichkeiten bei den katholischen Vertretern angetroffen.« 171 G e g e n Ende des Il.Vatikanums entstand der Gedanke, ein Ökumenisches Institut in Jerusalem zu gründen. Als Ökumenisches Institut fiir fortgeschrittene theologische Studien wurde es in Tantur bei Jerusalem im September 1971 eröffnet. Schlink war von Anfang an bis 1980 Mitglied in seinem Akademischen Senat 1 7 2 . D a s Thema der Forschungsarbeit sollte »das Geheimnis des Heils« sein 1 7 3 . M i t theologischen Fakultäten in aller W e l t sollte es als selbständige Einrichtung in Verbindimg stehen und von der Jurisdiktion der Kirchen unabhängig sein 1 7 4 .

2.5 Die Phase der »Ökumenischen Dogmatik« Schon in der T h e o l o g i e der lutherischen Bekenntnisschriften hatte Schlink 1940 die Veröffendichung seiner D o g m a t i k angekündigt 1 7 5 . Kontinuierlich hatte er die Vorlesungsmanuskripte weiterhearbeitet 1 7 6 . 1965 170 Zu den Anfängen vgl. Vischer, Die eine ökumenische Bewegung, 6-10, 58-62. Dort führt er die Kommissionsmitglieder auf: 63, 115. Nichtkatholische Teilnehmer neben E. Schlink waren u. a.: W. A. Vissert Hooft, E. C. Blake, V. Borovoy, N. Nissiotis, O. S. Tomkins, P. Verghese, L. Vischer. 171 Zehn Jahre nach dem Konzil 18. 17J Vgl. die Jahrbücher des Instituts. Am 19.10.1972 hielt Schlink eine öffentliche Vorlesung über die »Hierarchie der Wahrheiten«, als er sich anläßlich der Tagung des Akademischen Senates des Instituts in Jerusalem aufhielt. 173 Vgl. Ökumenisches Institut 8. 174 Vgl. ebd. 8. Der ökumenische Charakter der Einrichtung wurde dadurch gefährdet, daß Tantur nach dem Sechstagekrieg 1967 nicht mehr auf jordanischem, sondern auf israelischem Territorium lag. So konnten Bischöfe aus arabischen Ländern nicht mehr einreisen, ohne sich politischen Verdächtigungen ausgesetzt zu sehen (vgl. ebd. 9). Die thematische Arbeit konnte später allerdings nicht in dem geplantem Maß durchgeführt werden, da nie ausreichend theologische Fachkräfte für ein ganzes akademisches Jahr zur Verfügung standen. Dazu kam noch das finanzielle Problem der kirchenunabhängigen Arbeit, das 1980 zu Integration des Instituts in die katholische Universität von Notre Dame (Indiana/USA) führte. (Vgl. die Rundbriefe von Hesburgh, Notre Dame, 1.7.1980 und 5.3.1981 an Schlink.) Der Name wurde geändert in Ecumenical Institute for Theological Research. 175 TBSLK 22, vgl. oben S 19. 176 Ein erster Entwurf der Disposition der »Evangelischen Dogmatik« vom Februar 1944 ist im Nachlaß erhalten. Voran ging dieser Disposition der handschriftlich erhaltene Aufbau

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veröffentlicht Schlink seine programmatische Abhandlung über die Aufgaben einer ökumenischen Dogmatik177. Der »Vollzug oekumenischer Gemeinschaft dogmatischen Denkens und Aussagens« soll die behauptete Ökumenizität der Dogmatik ablösen178. Die Arbeit an der Ökumenische Dogmatik kann nach diesem Aufsatz mit Recht als prägender Faktor der Lebenszeit Schlinks nach dem Zweiten Vatikanum angesehen werden. Neben der Beschäftigung mit der Ausarbeitung des Lehrbuches liefen Schlinks andere Verpflichtungen weiter: die akademische Lehraufgabe (bis zur Emeritierung 1971) und die Mitarbeit in ökumenischen Kommissionen des Weltkirchenrates und in Deutschland. 1968 nahm Schlink an der vierten Vollversammlung des ÖRK in Uppsala teil179. 1969 erschien seine Lehre von der Taufe im Handbuch Leiturgia. Auch nach Beendigung seiner akademischen Lehrtätigkeit arbeitet Schlink als Emeritus ζ. B. in der Heidelberger dogmatischen Sozietät weiter in einer Zeit, in der man vom »Stillstand« in der Ökumenischen Bewegung bzw. von ihrer »Krise« sprach180: Nach langjähriger Arbeit erschien 1973 das Memorandum der Arbeitsgemeinschaft ökumenischer Universitätsinstitute Reform und Anerkennung kirchlicher Ämter.181 Unter Schlinks Federführung war als Vorstudie des Heidelberger Ökumenischen Instituts Die Apostolische Sukzession und die Gemeinschaft der Ämter entstanden 182 . Die Bemühung um die gegenseitige Anerkennung der kirchlichen Ämter in der evangelischen und katholischen Kirche blieb

der Dogmatikvorlesung von 1937/38 in Bethel. In Heidelberg trägt Schlink seine Dogmatik dann unter dem Titel »Evangelische Dogmatik in ihrer Mitte und in ihren Umrissen« vor. Die Disposition der 1951-53 vorgetragenen »Dogmatik-Vorlesung« ist in weiten Teilen als Vorläufer der Ökumenischen Dogmatik erkennbar. In der Festschrift für Peter Brunner Zur Auferbauung des Leibes Christi 84-93. Vgl. ebd. 85 und unten Teil 2, Kap. 1.3. ,7 ' Vgl. das Epd-Interview und den Bericht Heiliger Geist und die Katholizität der Kirche. Offene Fragen in der theologischen Arbeit des ORK sieht Schlink in Uppsala - wie schon auf der vorangegangenen Sitzung der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung in Bristol 1967 - in der Eschatologie und in der Bestimmung des Verhältnisses von Kirche und Welt. Vgl. Heiliger Geist und die Katholizität der Kirche, bes. 13-14,15-16; Zu Bristol: Slenczka, HDThG 3, 567. 1.0 Dies hing auch damit zusammen, daß 1971 endgültig klar war, daß die römischkatholische Kirche nicht dem ÖRK beitreten würde. Vgl. Ökumenischer Stillstand 16 und Bedeutung von Faith and Order 145-148. Bekennntnisbestimmte Kirche 184. 10 Jahre nach dem Konzil 19. Die Leuenberger Konkordie (1973) hat Schlink begrüßt, vgl. seine Stellungnahme zum Entwurf: Bekenntnisbestimmte Kirche, bes. 183. 1.1 München; Mainz 1973. Ebenfalls in dem Sammelband Um Amt und Herrenmahl; Dokumente zum evangelisch/römisch-katholischen Gespräch, hg.v. G. Gaßmann u. a. ö k u menische Dokumentation 1; 2. Aufl. Frankfurt a.M.: Lembeck; Knecht, 1974. 1.2 Abgedruckt im gleichen Band, 123-162.

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allerdings ohne Erfolg. Von römisch-katholischer Seite wurde die Arbei: mit Zustimmung begrüßt, aber auch heftig kritisiert 183 . Schon lange, zumindest seit der Zeit vor dem Konzil, bewegt Schlink das Problem des zu reformierenden Papstamtes. Anstoß für das 1975 unter dem Pseudonym »Sebastian Knecht« veröffentlichte Buch Die Vision des Papstes war der ausgebliebene Fortschritt in den ökumenischen Beziehungen zwischen der evangelischen und der katholischen Kirche. Unter dem Eindruck der Reformen auf dem zweiten Vatikanischen Konzil hatte Schlink für einige Zeit den Gedanken zurückgestellt, dieses Buch zu schreiben, obwohl es für ihn noch immer aktuell war 184 . In romanhafter Form schildert Schlink, wie ein Papst in seiner Amtsführung durch Krankheit hindurch das Wort der Heiligen Schrift entdeckt und dadurch in Konflikt mit der Kurie kommt 185 . Durch eine Vision wird ihm die Zertrennung des Leibes Christi offenbart 1 8 6 . Er erkennt in Buße, d a ß die Einigung der Kirchen, des zertrennten Leibes Christi, seine wichtigste Aufgabe werden muß 1 8 7 . Durch einen Pilgerbesuch im Heiligen Land, den der Papst inkognito unternimmt, wird sein ökumenisches Streben bekräftigt 1 8 8 . Der Papst verrichtet Gebete in der Grabeskirche und nimmt am orthodoxen und am evangelischen Abendmahl teil 189 . So kommt es zum entscheidenden Durchbruch im ökumenischen Gespräch. Zielvorstellung des ökumenischen Strebens des Papstes ist die Einheit in der Mannigfaltigkeit 1 9 0 . Auf Patmos treffen sich die getrennten Kirchen zu einem gemeinsamen Pfingstfest 191 . Schlink schrieb deshalb unter Pseudonym, weil er damit bessere Zugänge zur katholischen Leserschaft zu bekommen hoffte. Das Buch hat aber letztlich gerade deshalb nicht die Beachtung gefunden, die es verdient hätte, weil er zu Lebzeiten das Pseudonym nicht preisgeben wollte 192 . Der Roman wurde auch ins Französische und ins Italienische über1,3 Vgl. G. Gaßmanns Einführung in dem Sammelband um Amt und Herrenmahl 147 und die Bibliographie über die Anfänge der Diskussion über das Memorandum ebd. 164. 184 Brief Schlinks aus Rom, 7 . 1 0 . 1 9 6 3 . Die Idee eines Papa angelicus begleitet die Papstgeschichte durch die Jahrhunderte hindurch in verschiedenen Gestalten. In ihrem Wesen blieb sie jedoch dieselbe » [ . . . ] nämlich die Idee eines Nachfolgers Petri, durch dessen D i e n s t die eigentliche Bestimmung der Kirche erfüllt und die Sehnsucht der Menschheit gestillt würde«, Vision des Papstes 147. D a diese Veröffentlichung wenig bekannt ist, werden hier ihr Inhalt und ihre Wirkung ausführlicher als bei anderen Werken dargestellt 185 Vgl. ebd. 14. 186 Auch Papst Johannes XXIII. führte die Einberufung des zweiten vatikanischen Konzils auf eine göttliche Anregung während eines Gebets zurück, vgl. NDK 28. Vgl. ebd. 34. 188 Vgl. Schmidt ( 5 9 5 - 6 0 2 ) und Lengsfeld ( 1 2 6 f ) zur Pilgerfahrt Papst Pauls VI. ins Heilige Land sowie oben S. 43 zu Schlinks Jerusalem-Kenntnissen. "" Vgl. Vision des Papstes 92 und 128. 1.0 Vgl. ebd. 120. 1.1 Vgl. ebd. Kap. XVTII. 1.2 Schlink wollte nicht, daß seine in der Arbeit befindliche Ökumenische Dogmatik von

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setzt 1 9 3 . Von der Wirkung der französischen Ausgabe ist nichts b e k a n n t Auf die italienische Übersetzung kam eine Besprechung in der Zeitschrift der Waldenserfakultät. D e r Rezensent, Vittorio Subilia, vermutete Jürgen Moltmann als Urheber des Pseudonymen Werkes 1 9 4 . U n t e r den Rezensionen und Dankesbriefen an den Verlag für ein Leseexemplar der deutschen Ausgabe fallen die Briefe von H . Küng, W. Stählin, L. Vischer, v. Allmen und B. Giertz auf: Küng antwortete zustimmend auf »Knechts« Darstellung: »Sehr vieles würde ich ähnlich sehen: Die Ambivalenz des Vatikanum II, die Rolle einer opportunistischen Politik, der Widerstand d e r Kurie überhaupt, aber auch das Positive: die Einheit, die größer ist als die Verschiedenheit zwischen den Kirchen; die Erfahrung der Einheit im Gottesdienst, die die Möglichkeiten der Theologie übersteigt; die großen Möglichkeiten eines Papstes, wenn er ernsthaft ökumenisch tätig sein wollte usw« 1 9 5 . W. Stählin schreibt: »Ich [...] bin sehr beeindruckt von der Kühnheit der Gedanken, die in diesem Buch einen originellen Ausdruck gefunden haben [...]« Der Inhalt des Buches entspricht - so Stählin - »[...] dem Glauben und der Hoffnung ungezählter Christen und ist wohl geeignet, eine Entwicklung in der Richtung dieser Zukunft schon in Gang zu bringen und zu fördern« 196 . Lukas Vischer interpretiert »Knechts« Absicht folgendermaßen: »Die Zukunft die Sie schildern, ist eine überaus zutreffende Analyse der Gegenwart, des Kairos, der der Kirche angeboten ist und den sie Gefahr läuft, unergriffen verstreichen zu lassen. Ich verstehe ihre Erzählung als ein Gebet darum, daß der Kirche die Kraft geschenkt wird, aus der Verstrikung der Geschichte auszubrechen. Ob durch einen papa angelicus? Oder durch eine andere Gabe des Geistes? Wer kann es jetzt wissen?« Jean-Jaques von Allmen stimmt dem Entwurf freudig zu: »[...] je vous dis que je partage sur toute la ligne votre position« [...] »Vous avez vraiment ecrit un tres grand livre. On voudrait qu'il en pleuve des centaines d'exemplaires sur le Vatican, mais aussi sur les autres burocraties confessionelles et oecumeniques pour que ceux qui devraient le lire, le mediter et en accepter l'invitation le fassent« 197 . der Vision des Papstes her interpretiert würde: »Auch scheint es mir für die Wirkung meiner Ökumenischen Dogmatik nötig, dass die Identität des Verfassers der beiden Veröffentlichungen nicht bekannt wird, da ich die Dichtung viel stärker von den inneren Voraussetzungen der römisch-katholischen Kirche aus entworfen habe, als ich dies in meiner Dogmatik tun könnte«. Brief an A. Ruprecht vom 26.10.1975. Frau Irmgard Schlink hat nach dem Tod ihres Mannes die Erlaubnis gegeben, das Buch als sein Werk bekannt zu machen. 1,1 La visione del Papa, Racconto, Brescia 1978. Un Pape, un jour..., redt oecumenique, Chevetogne 1977. 1.4 Vittorio Subilia, »Sebastian Knecht, La visione del Papa, Racconto« Protestantesimo 34 (1979): 152-157, Anführung auf Seite 153. 1.5 Küng, Brief an S.Knecht, Tübingen, 7.5.1975. Brief von W. Stählin an Knecht, 8.4.1975. 1,7 J.J.v. Allmen, Neuchatel, 11.4.1975. Harding Meyer übermittelte Frau Schlink die

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Bischof Bo Giertz teilte 1978 dem Verleger Arndt Ruprecht folgendes mit: »Die Vision des Papstes fesselte mich sehr. Als Roman ist es zu abstrakt, aber der geistige Gehalt kann niemand unberührt lassen. Vielleicht gibt es noch andere als mich, die seufzen: Ach wäre es doch nur möglich! Auf mich macht es dennoch den Eindruck eines Wunschtraums, der unsere Stinde nicht richtig ernst nimmt Es bedarf mehr als guten Willens und eines beherzten Engagements, um die Folgen jahrhundertealter Sünden auszurotten. Und an dem Punkt gibt das Buch kaum eine Antwort.« 198 Schlinks letzte Lebensjahre sind vor allem durch die intensive Arbeit an der Ökumenischen Dogmatik geprägt 199 . Das Werk konnte schließlich im Dezember 1983 erscheinen. Wie Strahlen in einem Brennglas gebündelt werden, so faßt die Dogmatik Schlinks vorhergehende systematischtheologische Tätigkeit an verschiedenen Themen, die als Vorarbeiten mit in das Werk eingegangen sind, zusammen. Die zweite Auflage seines Werkes - schon nach eineinhalb Jahren - konnte Edmund Schlink nicht mehr miterleben. Am 20.5.1984 wurde er von Gott heimgerufen.

folgende nette Begebenheit: »Gerade in allerletzter Zeit habe ich mehrfach beobachtet, welch große Wirkung dieses Buch auf seine Leser hat [...] Im vergangenen November sah ich einen Schweizer katholischen Theologiestudenten das Buch auf einer Busfahrt von der Dormition Abbey in Jerusalem nach Tabgha geradezu verschlingen, so daß ihm die Landschaft rechts und links darüber versank«: Brief von H. Meyer an I.Schlink, Straßburg,

12.8.1986. l

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Aus einem Brief von A. Ruprecht an den Verfasser, 1.4.1987. " Vgl. zur Ökumenischen Dogmatik unten Teil 2, Kap. 1.3.

2. TEIL

1. KAPITEL

Schlinks ökumenische Methode These: Schlink stellt den Grundbestand seines dogmatischen Verfahrens schon in seiner Habilitationsschrift dar. Seine Methode wird dort am theologischen Problem der Anthropologie entwickelt und sinngemäß auf die Frage der Einheit der Kirche angewendet. Durch die Integration struktureller und historischer Beobachtungen in die methodische Bearbeitung dogmatischer Probleme soll die Einheit der dogmatischen Aussage auch in verschieden lautenden Formulierungen gefunden und somit der ökumenische Lehrkonsens festgestellt werden. Der Aufgabe umfassender Feststellung schon bestehender Lehreinheit widmet sich die

Ökumenische Dogmatik.1

Schlink hat ein spezifisches Vorgehen in der ökumenischen Frage entwickelt, das hier an erster Stelle darzulegen ist: mit Hilfe dieser Methode bearbeitet er nicht nur kontroverstheologisch umstrittene Aspekte des zwischenkirchlichen Gesprächs, sondern konsequent in der Ökumenischen Dogmatik auch das Ganze der christlichen Lehre. Eine hervorragende Quelle bildet hierfür die ausführliche Abhandlung von 1957 zur Struktur der dogmatischen Aussage als ökumenisches Problem2. Der Inhalt dieses allein auf das ökumenische Problem abhebenden Aufsatzes von 1957 über die »Struktur« theologischer Aussagen ist nicht neu. Er ergibt sich vielmehr aus Gedanken von Schlinks Hochschulschriften, die - zu einem früheren Zeitpunkt entstanden - die Probleme der natürlichen Gotteserkenntnis und der Zuordnung von Theologie und Anthropologie zum Gegenstand hatten. Grundsätzliche Überlegungen dieser Schriften werden zur Klärung der ökumenischen Frage herangezogen, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg in besonderer Dringlichkeit stellt. Um 1 In den Thesen, die den Kapiteln des Hauptteils vorangestellt sind, wird Schlinks Sicht des Themas, nicht jedoch eine - möglicherweise notwendige - Kritik seiner Lehre zusammengefaßt. 2 Abgedruckt in KC 24-79, im Folgenden auch »StrukturaufsatzDogmatik der Gesetze emotionalen Heils- und Unheilserlebensneuen Himmel und einer neuen ErdeGrundzüge< einer ökumenischen Dogmatik erfolgte in diesem Kapitel ganz bewußt eine Beschränkung auf die Herausarbeitung der Grundstrukturen des Verhältnisses von Kirche, Amt und apostolischer Sukzession. Eine ausgeßihrte ökumenische Dogmatik müßte auf die Geschichte dieses Verhältnisses und auf die sehr verschiedenen Gestalten eingehen, in denen dieses Problem bei der Entstehung der verschiedenen Kirchenordnungen und Kirchentrennungen behandelt worden ist« ÖD 621. 43 Vgl. ebd. 615: Apostolische Sukzession des Amtes kann bedeuten: (1) »die Fortsetzung des apostolischen Dienstes durch das Amt«; (2) die Tradierung der apostolischen Lehre bei der Berufung in ein Amt; (3) die Folge der Handauflegungen bei der Ordination und (4) besonders die kontroverstheologisch am ausführlichsten behandelte Folge der bischöflichen Handauflegungen. Die Apostolizität der Kirche kann meinen: (1) die Anerkennung des Dienstes der Apostel als historischen Grund der Kirche; (2) die Erhaltung der Lehre der Apostel in der Kirche; (3) die verpflichtende Forderung an die Kirche, den Aposteln nachzufolgen; (4) die Wirklichkeit der Kirche, die durch die apostolische Sukzession der Amter bestimmt ist. Jede 41

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Den dogmatischen Begriff der apostolischen Sukzession entwickelt Schlink aus dem Neuen Testament im Rückgriff auf seine Ausführungen zum Amt der Apostel und zum kirchlichen Amt44: (1) Die apostolische Sukzession des kirchlichen Amtes ist gewährleistet, wenn es wie der Dienst der Apostel in Verkündigung, Kirchengründung und -leitung vollzogen wird. (2) Sie vollzieht sich weiter, wenn die Hirten in der Gemeinschaft der begnadeten Sünder mit den Gemeindegliedern, ihren Gaben und Diensten ihre Aufgabe verrichten, indem sie als Gesandte Christi der Gemeinde gegenübertreten45. (3) Der Begriff der apostolischen Sukzession ist nicht nur auf die Sukzession des kirchlichen Amtes zu beschränken: Nachfolge wird von der Kirche, von jedem ihrer Glieder gefordert Schlink begründet diesen Anspruch mit der paulinischen Aufforderung: »Werdet meine Nachahmer«46. (4) Die Folge von Handauflegungen - in der Regel durch Ordinierte - als Zugang zum kirchlichen Amt interpretiert Schlink als Hilfe und Zeichen, daß Kirche und Ämter in der apostolischen Sukzession bleiben47: Schlink argumentiert auch hier ausgehend vom Neuen Testament Dieses hat zwar Interesse an der Tradierung der apostolischen Lehre, nicht aber an einer Folge von Handauflegungen. Apostolische Sukzession verstanden als eine Folge von Weihen ist für die ersten Jahrhunderte der Kirche nicht nachweisbar, das Interesse galt vielmehr auch in dieser Zeit der Kontinuität der apostolischen Lehre48. Aus diesen historischen Beobachtungen zieht Schlink die Schlußfolgerung, daß der dogmatische Begriff der apostolischen Sukzession im wesentlichen nicht von der ununterbrochenen Folge von Handauflegungen bestimmt sein darf 49 . der aufgeführten vier Möglichkeiten läfit weitere dogmatische Konkretionen zu: vgl. Apostolische Sukzession und die Gemeinschaft der Ämter 138. 44 Vgl. ÖD 616-618. 45 Vgl. oben S. 199, 200. 46 Bei Luther »Nachfolger«, 1. Kor 4,16; l.Thess 1,6: Vgl. ÖD 617, Apostolische Sukzession, KC 192, Apostolische Sukzession und die Gemeinschaft der Ämter 147-149. Ebd. 148: »Apostolizität und apostolische Sukzession gehören sowohl für das Amt wie für das Ganze der Kirche untrennbar zusammen.« 47 Er unterscheidet drei Wege in das kirchliche Amt (ÖD 619): eine Sendung durch Ordinierte, eine Sendung durch nicht ordinierte Kirchenglieder und die Anerkennung eines charismatischen Hirtendienstes durch Ordinierte und andere Kirchenglieder. Da die Erhaltung der apostolischen Tradition mit zunehmender zeitlicher Distanz von den Aposteln wichtiger wurde, hat sich der erste Weg nach und nach durchgesetzt und sollte nach Schlink auch weiterhin als Regelfall eingehalten werden. In der apostolischen Sukzession sind denn nicht die beiden anderen Wege ins Amt auszuschließen; ihre ökumenische Bedeutung zeigt sich an geistgewirkten Durchbrachen in der Kirchengeschichte (vgl. ebd.). 48 Nach Schlink ist erst bei Cyprian das Interesse an einer Folge von Weihen nachweisbar, vgl. ebd. 618. " Schlinks Begründung: »Das gilt nicht nur wegen der Fragwürdigkeit der historischen Faktizität einer solchen Folge, sondern gerade auch deshalb, weil die Konzeption einer in der Folge von Weihen bestehenden apostolischen Sukzession sich weder in den ursprüng-

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Das Verständnis der Folge von Handauflegungen als Hilfe für das Bleiben der Kirche und ihrer Amter in der apostolischen Sukzession begründet Schlink aus der Ordination, die in der Regel durch Ordinierte durchgeführt wird50. Als Zeichen weist die Folge »[...] selbst wenn sie nicht historisch auf eine Handauflegung der Apostel zurückzuführen ist, doch auf die zeitumfassende Einheit der apostolischen Kirche hin«51. Sie bezeichnet jedoch nicht nur die Einheit der Kirche in der Zeit, sondern auch in der räumlichen Ausdehnung der Kirche, da in der Regel bei der Ordination Hirten anderer Gemeinden assistieren. Als Zeichen in dieser räumlichen und zeitlichen Dimension sollte die Folge der Ordinationen auch kirchenrechtlich gesichert werden52. Als Zeichen kann es nicht von der Sache, der Tradierung der apostolischen Lehre und dem Akt der apostolischen Verkündigung und Tat getrennt werden. Die faktische Sukzession der Kirche und der Ämter ist vielmehr für Schlink entscheidend: »Hier fällt die Entscheidung darüber, ob die Kirche und ihre Ämter wirklich in der apostolischen Nachfolge stehen«53. Die ökumenisch umstrittene Frage des Verständnisses apostolischer Sukzession als ununterbrochene Folge bischöflicher oder auch als Folge presbyterialer Handauflegungen löst Schlink unter Hinweis auf ihre historische Entstehung54: Das dreifach gegliederte kirchliche Amt ist nicht in der Urchristenheit belegt und auch nicht von den Aposteln angeordnet. »Die Bischöfe der apostolischen Zeit waren Leiter einer Orfikirche. [ . . . ] Der spätere Bischof als Leiter einer Territonalkirche mit mehreren Ortsgemeinden und die späteren Presbyter als Leiter einer Ortsgemeinde bedeuten eine erhebliche Veränderung gegenüber den Bischöfen und Presbytern der ersten Zeit, vollends aber gegenüber den freien charismatischen Diensten der paulinischen Gemeinden.« 55

Weiter gab es bis ins Mittelalter anerkannte Ordinationen von Nicht-Bischöfen; das Verhältnis von Priester- und Bischofsweihe war in der Kirchengeschichte nicht immer gleich. Diese historischen Erkenntnisse sind dogmatisch ernstzunehmen: Presbyteriale und episkopale Handauflegung stehen im gleichen Verhältnis zur apostolischen Sukzession. »Die Ordination in der Folge bischöflicher Handauflegungen stellt in keine andere apostolische Sukzession hinein als die Folge presbyterialer Handaufle-

lichen apostolischen Zeugnissen noch in den kirchlichen Überlieferungen der ersten Jahrhunderte nachweisen läßt«, ebd. 618. 50 Vgl. oben Anm. 3. » Vgl. ÖD 619. " Vgl. ebd. und KC 194. » ÖD 621. M Diese Unterscheidung ist letztlich ein kirchenrechtlicher, kein dogmatischer Unterschied innerhalb der apostolischen Sukzession, vgl. ebd. 621. » Ebd. 619. Vgl. oben S.204.

192

gungen.«56 Da der Bischof das Band der Gemeinschaft zwischen vielen Ortskirchen ist, hält Schlink die bischöfliche Weihe zwar für das deutlichere Zeichen der universalen Einheit der Kirche, sie ist aber nicht die exklusive Realität der Sache, der apostolischen Sukzession57. Er relativiert diese Aussage jedoch mit der Feststellung, daß jeder Leiter einer Ortskirche Bischof in frühkirchlichem Sinn ist58.

7.4 Das Papstamt als ökumenische Frage59 Das Papstamt und sein Verhältnis zur Aufgabe der universalen kirchlichen Einheit hat Schlink in der Rückführung dieser Frage auf die Grundlegung des kirchlichen Amtes im Aposteldienst des Neuen Testaments (im Rahmen der einheitsstiftenden Bedeutung des Amtes und im Dienst des Petrus) behandelt. Die Ökumenische Dogmatik kennt keine andere Lösung für dieses Problem als die im Rahmen der Strukturuntersuchung vorgegebene methodische Rückbesinnung auf das neutestamendiche Zeugnis. Dieser Problematik, die in seiner ökumenischen Dogmatik von ihrem Ansatz her ausgeschlossen wird, ist Schlink in der ökumenischen Begegnung nicht ausgewichen60. In seinem Vortrag über Grundfragen eines Gesprächs über das Amt der universalen kirchlichen Einheit hat Schlink den römisch-katholischen Gesprächspartnern den Vorschlag gemacht, das Problem in seinem systematisch-theologischen Stellenwert im Rahmen der Hierarchie der Wahrheiten zu sehen61. Des weiteren hat er die Buße eines Papstes in seiner Erzählung Die Vision des Papstes geschildert. Dort wird dem Papst das Amt der universalen kirchlichen Einheit angetragen, nachdem er seine Einstellung zur Einheit der Kirche radikal

* Ebd. 620. " Vgl. ÖD 620. Schlinks Ekklesiologie kommt auch hier zum Tragen: »Auf keinen Fall darf vergessen werden, daß auch die Ortskirche durch die Gegenwart Christi voll und ganz Kirche und daß ihr Hirte voll und ganz Bischof im frühkirchlichen Sinn ist«, ebd. 621. Das Memorandum Reform und Anerkennung kirchlicher Amter (22 a,e) kommt zum gleichen Ergebnis. " Vgl. ebd. 621. 5 ' Hier soll nur erörtert werden, wie Schlink mit dem ökumenische Problem des Papstamtes methodisch verfährt; zum Papstamt als Voraussetzung des römischkatholischen Ökumenismus vgl. unten Kap. 10.1. 40 Die Frage, weshalb Schlink das in der Ökumenischen Dogmatik übergeht, wird noch dadurch verschärft, daß er bei anderen theologiegeschichtlichen Problemen die Rückführung kirchlicher Traditionen auf das neutestamentliche Zeugnis bzw. ihre Nichtvereinbarkeit mit diesem ja feststellt. 61 Der Vortrag eröffnete das Symposium Papsttum als ökumenische Frage. Er bietet viele Vorschläge Schlinks, wie im Gespräch verfahren werden soll, aber trägt wenig zur Lösung des Problems bei.

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geändert hat 62 . Die beiden unterschiedlichen Ansätze, die zur Rückführung des Themas auf seine neutestamendiche Grundlage in der Ökumenischen Dogmatik hinzukommen, rechtfertigen seine erneute Aufnahme.

7.4.1 Der Ort des Papstamtes in der »Hierarchie der Wahrheiten« Die Erörterung der ökumenischen Frage des Papstamtes kann exegetische Ergebnisse zugrunde legen, die bei Protestanten und Katholiken gleichermaßen anerkannt sind63: Von der Sonderstellung des Petrus im Jüngerkreis ist auszugehen, womit ihm jedoch keine Vollmacht über die anderen gegeben ist Ebenfalls ist eine mutmaßliche Leitung der Gesamtkirche oder sein Bischofsdienst in Rom nicht nachweisbar. So kann das Petrusamt nicht als ein jure divino eingesetztes und in seinem gegenwärtigen Dienst begründetes Amt angesehen werden64. Dennoch bleibt »der Petrus der neutestamentlichen Überlieferung für die Christenheit aller Zeiten ein immer neu zu bedenkendes Urbild für die Auferbauung und die zu wahrende Einheit der Kirche, und zwar in den Grundstrukturen seiner Zuordnung zum Herrn, zu den Aposteln und zur Kirche, wie sie im Neuen Testament überliefert sind«65. Schlink sieht klar, daß diese exegetischen Konvergenzen im neueren ökumenischen Dialog über den Petrusdienst und das Papstamt nicht ausreichen, um die Einheit in der Anerkennung des Papstamtes als Amt der ökumenischen Einheit zu finden. Sie dürfen auch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Frage des päpstlichen Unfehlbarkeitsanspruchs und seines Verhältnisses zur Jurisdiktionsgewalt bisher in der Diskussion umgangen wurde66. Zwar sei »die reformatorische Bezeichnung des Papstes 62 Vgl. Vision des Papstes 144-145. Der Papst der »Vision« schlägt jedoch das Angebot aus, weil die Alte Kirche auch ohne ein solches Amt ausgekommen sei. " Grundfragen eines Gesprächs 15-16, vgl. oben Kap. 7.1. " Vgl. ebd. 17 und die in dem Aufsatz Zur Unterscheidung von ius divinum und ius humanuni (235) genannten Schwierigkeiten, die der ökumenischen Anerkennung dieser Begrifflichkeit im Weg stehen. 65 Ebd. 18. 64 Schlink nimmt vor allem auf folgende Dokumente Bezug: Das Malta-Dokument (dt.: Dokumente wachsender Übereinstimmung 248-271); den US-amerikanischen Konferenzbericht Peter in the New Testament (1973, dt: Der Petrus der Bibel - Eine ökumenische Untersuchung, hg. v. R. E. Brown, Κ. P. Donfried und J. Reumann, Stuttgart 1976) und Papal Primacy and the Universal Church. Lutherans and Catholics in Dialogue V, hg. v. P. C. Empie, T. A. Murphy, Minneapolis 1974. (Dt Auszug: »Amt und universale Kirche: Unterschiedliche Einstellungen zum päpstlichen Primat« Das kirchenleitenden Amt: Dokumente zum interkonfessionellen Dialog über Bischofsamt und Papstamt hg. v. G. Gaßmann und H. Meyer. Ökumenische Dokumentation 5. Frankfurt/M. 1980, 49-97. [Vgl. Ökumenische Perspektiven 7, 91-140]).

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als Antichrist verschwunden«67, die Unfehlbarkeit jedoch sei als Gesprächsthema nicht auszuschließen. Den systematisch-theologischen Ort des Papstamtes lokalisiert Schlink anhand des vom Ökumenismusdekret geprägten Begriffs der »Hierarchie der Wahrheiten«68. Da das Ökumenismusdekret selbst keine untergeordneten Wahrheiten nennt69, unterscheidet Schlink selbst fünf Rangstufen70: An erster Stelle stehen das trinitarische und christologische Bekenntnis. Den zweiten Platz nimmt das Geschehen »für euch«, »für dich«, »für mich« der einmaligen Heilstaten Gottes ein, wo Gott in Wort und Sakrament gegenwärtig handelt; darauf folgt die Kirche, die als Ganzes Wirkung und Werkzeug des Heilshandelns Gottes ist An vierter Stelle stehen die kirchlichen Amter der Orts und Regionalkirchen. Erst an diese schließt sich das Amt der geeinten universalen Kirche, d. h. das Papstamt an. Infolge dieser Stellung in der Rangordnung theologischer Wahrheiten fordert Schlink den Konsens zuerst in den Themen, die dem Amt der universalen kirchlichen Einheit vorangehen; hierbei wird der Konsens im trinitarischen und im christologischen Dogma vorausgesetzt Der systematische Rang und die Dringlichkeit der Bearbeitung der Themen Evangelium, Sakramente und Ämter der Kirche sind wichtiger als die Klärung der Problematik des Papstamtes71. Auf Grund dieser Einordnung des Papstamtes fällt neues Licht auf die Frage, weshalb Schlink in der Ökumenischen Dogmatik zum Papstamt schweigt. Dieses Schweigen kann nicht nur als Verlegenheit oder als methodische Strenge gedeutet werden, in der Schlink die neutestamentliche Basis der Lehraussagen zum Apostolat erhebt; es kann vielmehr auch von der systematisch-theologischen Rangordnung aus, den das Thema in der »Hierarchie der Wahrheiten« einnimmt, begründet werden. Erst von einem theologischen Konsens und der umfassenderen gegenseitigen Anerkennung der Ämter aus ist auch die Übereinstimmung in der Frage des gemeinsamen leitenden Amtes der Christenheit zu erwarten.

7.4.2

Die Buße

des Papstes

als Voraussetzung

kirchlicher

Einheit?

Daß die theologische Einordnung des Papstamtes in der »Hierarchie der Wahrheiten« seiner faktischen Bedeutung im Blick auf Veränderungen in der römisch-katholischen Kirche nicht entspricht, ist Schlink natürlich 67

Grundfragen eines Gesprächs 20. " Vgl. ebd. 30-31, dazu Schlinks Aufsatz Die >Hierarchie der Wahrheiten< und die Einigung der Kirchen. Dazu oben Kap. 1.2.3 und Kap. 6.1.3. " Vgl. Hierarchie der Wahrheiten 1. 70 Grundfragen eines Gesprächs 30. 71 Vgl. ebd. 31.

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nicht verborgen geblieben: »Das päpstliche Amt kann in der Christenheit in starkem Maße Hoffnungen und Impulse zurückdrängen oder freisetzen« 72 . Die Spannung in Schlinks Einheitskonzeption zwischen theologischer Bewältigung der Aufgabe der Einheitsfindung und dem pneumatischen Charakter der Einheit als Gabe der Heiligen Geistes findet ihren Niederschlag in der Differenz zwischen den Erwartungen, daß einmal die theologische Bearbeitungs des Problems des Papstamtes (Kap. 7.4.1), ein anderes Mal die Buße des Papstes den ökumenischen Fortschritt bringen soll73. Mit der Buße des Papstes als Ausgangspunkt der veränderten Haltung des römischen Katholizismus zur Ökumene ist jedoch ein methodisches Vorgehen gegeben, das nicht mit Schlinks Gesamtkonzept der Schritte auf dem Weg zur Einheit übereinstimmt. Hier tritt die Person des Papstes als Förderer der kirchlichen Einheit besonders hervor. Das umfangreiche gegenseitige Kennenlernen, das Schlink für eine wirkliche ökumenische Begegnung der Konfessionen für nötig hält, spielt dagegen eine sekundäre Rolle. Die nötigen Erkenntnisschritte in den theologischen Gebieten, wo kirchlicher Konsens dringender gefordert ist als in der Frage des Amtes universaler kirchlicher Einheit, holt der Papst der Erzählung für sich privat in theologischen Studien nach; die ganze Kirche wird in den Anfang dieses Prozesses bei dem großen ökumenischen Osterfest auf Patmos hineingenommen 74 . Daß der Papst gegen die durch die Kurie verkörperten antiökumenischen Kräfte kämpfen muß, da sie noch nicht vom Geist der Buße ergriffen sind, zeigt das Grundproblem des Ansatzes bei der Buße des Papstes an. Vom Papst in der Gestalt eines papa angelicus wird verlangt, was ohne eine curia angelica praktisch und kirchenrechtlich kaum durchsetzbar zu sein scheint: Kann ein einzelner " Grundfragen eines Gesprächs 29. Man vergleiche die bedeutende Funktion, die Papst Johannes XXIII. bei der Öffnung der katholischen Kirche für den Okumenismus zukam: Er rief das Sekretariat für die Einheit der Christen ins Leben, ließ erstmals römisch-katholische Beobachter auf eine Weltkirchenkonferenz entsenden und lud Beobachter des O R K und der Konfessionskirchen zum Zweiten Vatikanischen Konzil ein. Er hat auch die Ausrichtung des Konzils auf die christliche Einheit und das Schema über den Ökumenismus wesentlich gefördert, vgl. LThK 13, 11-14.20; Dekret 198-199; Ringen 170, NDK 28. " Vgl. in dem Werk Vision des Papstes das auslösende Moment der Aufnahme der Abendmahlsgemeinschaft mit der Orthodoxen Kirche in der Jerusalemer Grabeskirche und mit den Lutheranern in der Erlöserkirche (Kap. XII, 98 und 101). Hier soll nicht der theologische Gehalt des ganzen Werks diskutiert werden, sondern nur die Grundthese, daß die Erneuerung der Kirche mit einem zur Einheit der Kirche »bekehrten« Papst beginnen müsse. Zur Buße von ganzen Kirchen als ersten Schritt und somit primäre Voraussetzung der Suche nach kirchlicher Einheit vgl. oben Kap. 6.2.1. " Vision des Papstes 143: »Waren auf Patmos zunächst nur diejenigen Konfessionen versammelt gewesen, die die Verantwortung für die tiefgreifendsten und folgenschwersten historischen Spaltungen zu tragen hatten, so griff die Flamme nun auch auf die vielen anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften über, die sich wiederum abgespalten hatten [...].«

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bußfertiger Reformpapst die römisch-katholische Kirche erneuern? Würde nicht gerade - wie in den historischen Wurzeln der Legende vom papa angelicm - ein Ausscheiden aus dem Amt nötig? Wäre nicht vielmehr eine Erneuerung der römischen Kirche von der Wirkung des Geistes an den Bischöfen zu erwarten, weil sie ja nach dem Zweiten Vatikanum in Gemeinschaft mit dem Papst die Kirche leiten? Schlinks Ansatz bei der Buße des Papstes scheint ebenso fragwürdig zu sein wie die Erwartung, daß von den Bischöfen die Erneuerung der Kirche ausgeht, wenn die Erneuerung nicht als Tat Gottes und pneumatisches Ereignis verstanden wird: steht doch die hierarchische Organisation des römischen Katholizismus als eine theologisch und kirchenrechtlich abgesicherte Möglichkeit der Ekklesiologie einer Reform dadurch im Wege, daß sie sich als die notwendige Verfaßtheit der Kirche una sancta darstellt.

7.5 Würdigung Schlinks Bearbeitung der Theologie des Amtes ist von dem Anliegen bestimmt, die neutestamentliche Vielfalt der Charismen, Amter und Dienste auch als dogmatische Notwendigkeit aufzuzeigen. Sie muß von ihren konkreten Ausformungen in kanonischen Texten unterschieden werden. In der grundlegenden Unterscheidung zwischen dem Amt der Apostel und dem kirchlichen Amt wird die Apostolizität der Kirche als wichtigste nota ecclesiae bestätigt. Die dreifache Grundstruktur des Aposteldienstes wird von allen Kirchen, auch bei unterschiedlicher Auslegung, anerkannt. Schlinks Ämterlehre zeichnet sich besonders dadurch aus, daß er die neutestamentliche Vielfalt der Charismen nicht als Gegensatz zum dogmatischen Begriff des Amtes versteht, sondern die Gemeinsamkeit der Gaben und Amter betont. So wird auf Grund der neutestamentlichen Vielfalt von Ämter- und Kirchenordnungen die Mannigfaltigkeit der Ordnungen im Lauf der Kirchengeschichte dogmatisch als richtig erkannt. In der Amtsfrage eine Ordnung verbindlich zu machen, wäre gegen die apostolische Botschaft. Die neutestamentliche Grundstruktur der besonderen Sendung in den Dienst faßt die besonderenr Beauftragungen von Christen im N T zusammen und hebt sie von den Charismen ab. Der dogmatische Begriff des kirchlichen Amtes wird von der Leitung des Gottesdienstes her bestimmt; es kann in verschiedenen Gestalten differenziert werden und so in den Kirchenordnungen wiedergefunden werden. (1) Eine Schwierigkeit ergibt sich aus Schlinks methodischem Ansatz bei den vielfältigen Traditionen über das Amt, die als Entfaltungen des 197

Schriftzeugnisses angesehen werden sollen: Schlink kann von seinem Ansatz in der Ökumenischen Dogmatik her über die historisch gewordene Gestalt des Papstamtes kein dogmatisches Urteil fällen, da eine Antwort auf dieses Problem nicht direkt aus dem neutestamentlichen Zeugnis über den Petrusdienst abgeleitet werden kann. Die Einordnung des Papstamtes innerhalb einer dogmatischen Rangfolge wie der »Hierarchie der Wahrheiten« läßt allerdings auch eine Lösung im Sinne von Schlinks methodischem Vorgehen zu. (2) Die christologische Begründung der Einheit der Kirche in der Einheit ihres Herrn steht in nicht vermitteltem Widerspruch zur behaupteten Einheit durch das Band der Apostel. Die Einheit der Apostel bzw. Bischöfe der Kirche ist durch die Vielfalt der apostolischen Missionsaktivitäten und durch die Auseinandersetzungen der Apostel untereinander und mit falschen Aposteln im wesentlichen für die Welt unsichtbar; sie kann nicht als vermeintlich »aufweisbare« Einheit die Gegenwart Christi bei seiner Kirche - und damit die Gegenwart ihrer Einheit - ersetzen 75 . (3) Dasselbe Problem stellt sich mit dem Papstamt als Amt der universalen kirchlichen Einheit: Steht die Anerkennung dieser Funktion des Papstamtes nicht im Widerspruch zur Präsenz des Heiligen Geistes in der Kirche, der die Einheit verbürgt?76 Wäre nicht vielmehr - um die wahren Kriterien der Einheit der Kirche in rechter Verkündigung des Evangeliums und in einsetzungsgemäßer Spendung der Sakramente zu stärken - gerade auf eine einheitliche Leitung der Kirche zu verzichten und der Vielfalt in gegenseiter Anerkennung Raum zu geben?

" Vgl. zu dieser Argumentation Eiert, Der christliche Glaube (434-438). Eiert hebt die Kirche als »Tatbestand« eigener Art, (en dynamei, vgl. die Belegstellen ebd. 434-435) ab von dem behaupteten Tatbestand der Spaltungen (als Argument gegen die Kirche bei Kirchengegnern und als apologetische Begründung der ökumenischen Aufgabe). Die Erkenntnis der kirchlichen Einheit als Erkenntnis des Wirkens Christi ist bei Eiert nur durch die Gabe der Geisterunterscheidung möglich (vgl. ebd. 435). " Vgl. Eph 4,3 f.

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8 . KAPITEL

Einheit im Bekenntnis These: Die Einheit im Bekenntnis ist notwendige Voraussetzung der Einheit der Kirchen. Mit dem Nicaeno-Constantinopolitanum liegt ein Glaubensbekenntnis vor, das alle Kirchen in gemeinsamem Bekennen verbinden kann. Das Augsburgische Bekenntnis ist auf Grund seines ökumenischen Anspruchs und Inhaltes eine Herausforderung für die lutherische Kirche.

Das Bekenntnis ist die grundlegende Glaubensäußerung, in der die anderen Glaubensantworten: Gebet, Zeugnis, Doxologie und Lehre zusammenfallen1. Deshalb ist die Einheit des Bekenntnisses eine grundlegende Frage kirchlicher Einheit2. Ist die Begründung der Einheit der Kirche in Gottes Beziehung zu seinem Volk die objektive Seite des Themas, so ist die Einheit im Bekenntnis als Antwort der Kirche seine subjektive Seite: Im Bekenntnis äußert sich der Glaube der einen Kirche, die unter der Herrschaft des einen Herrn Christus steht Mit der Confessio Augustana hat sich Schlink immer wieder beschäftigt3; ebenfalls nimmt das Nicaeno-Constantinopolitanum als das einzige Bekenntnis, das in der orthodoxen Kirche, der römisch-katholischen Kirche und in den Reformationskirchen gleichermaßen verbreitet ist, bei ihm - wie in der ökumenischen Diskussion - einen wichtigen Platz ein4. 1 Vgl. oben Kap. 1.2.1 und den Strukturaufiatz, KC 33-35. Schlink will - im Gegensatz zu Löhe (Drei Bücher von der Kirche 129) - die Bekenntnisschriften zwar nicht als dritte nota ecclesiae neben Wort und Sakrament anführen, kann sie jedoch als »nota ecclesiae im abgeleiteten Sinne« bezeichnen (vgl. Weite 112). Bekenntnisschriften sind nicht an sich Merkmal der einen Kirche; vielmehr macht das Ereignis der schrift-und bekenntnisgemäßen EvangeliumsverkUndigung und Sakramentsspendung die Erkenntnis der wahren Kirche möglich: »Das Bekenntnis ist Kennzeichen der Kirche in den alleinigen beiden Kennzeichen der Evangeliumspredigt und Sakramentsverwaltung. Da die Bekenntnisschriften wesensgemäß der Erhaltung der Evangeliumspredigt und der rechten Sakramentsverwaltung in der Kirche zu dienen haben, sind sie nota ecclesiae in diesem ihrem Dienst. Die Bekenntnisschriften sind insofern also keine Kennzeichen der Kirche, als diese nota mit den beiden ersten notae ecclesiae zusammenfällt und nur in ihnen als nota ecclesiae erkannt werden kann« (Weite 113). 1 Vgl. auch oben Kap. 6.2.1, wo die Frage des Konsensus im Bekenntnis als ein Schritt der Darstellung der Einheit der Kirche erörtert wird. 5 Vgl. TBSLK und die Aufsätze Weite, Aufgabe und Gefahr (21-22), Ökumenischer Charakter und Anspruch, Kriterien der Einheit. ' Vgl. Biblische Grundlage 139, zur Diskussion in der Kommission fur Glauben und Kirchenverfassung: ebd. 151-152; zum Nicaeno-Constantinopolitanum in der ökumenischen

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Unter Voraussetzung des in Kap. 2 über die theologische Aussagestruktur des Bekenntnisses Gesagten ist nach der ökumenischen Bedeutung des Nicaeno- Constantinopolitanums zu fragen, das in der Ökumenischen Dogmatik grundlegende Bedeutung hat5 (Kap. 8.1). Weiter klärt Schlink den ökumenischen Beitrag der Confessio Augustana (8.2). Schließlich stellt sich angesichts der ökumenischen Herausforderung der Kirche das Problem der Bekenntnisbindung (8.3).

8.1 Die Wichtigkeit des Nicaeno-Constantinopolitanums für die Ökumene 8.1.1 Strukturvergleich mit neutestamentlichen

Bekenntnisformeln

Schlink vergleicht das Constantinopolitanum mit den urchristlichen Bekenntnissen hinsichtlich seiner Struktur und seiner Funktion im kirchlichen Leben, um so vom Neuen Testament her dieses Glaubensbekenntnis, das alle Kirchen verbindet, beurteilen zu können6: Im urchristlichen Bekenntnis sind im Lobpreis Christi und in seiner Bezeugung vor den Menschen die verschiedenen Antworten des Glaubens auf Gottes Anrede konzentriert. In Lob und Zeugnis gibt sich der Bekennende selbst Christus hin und stimmt zugleich in das Bekenntnis der Kirche ein. Inhaltlich ist das urchristliche Bekenntnis christologisch geprägt, wobei das Bekenntnis zu Gott, dem Schöpfer, implizit enthalten ist; der Heilige Geist ist nicht genannt, aber als Urheber des Bekenntnisses gesehen.

Dogmatik vgl. ÖD 755-760. Als gültige Lehrnorm ist das Bekenntnis auch in den kleineren orientalischen Kirchen und bei den Altkatholiken anerkannt. 5 Schlink geht in der Ökumenischen Dogmatik auf das Constantinopolitanum als Bekenntnis zum dreieinigen Gott am Ende seiner Darstellung der Trinitätslehre ein (ÖD Kap. XXVI, 7). Schon die vorhergehenden Teile der Dogmatik schließen jeweils mit einem Abschnitt des Bekenntnisses zu Gott dem Schöpfer, Erlöser und Neuschöpfer, das auf der Erkenntnis seiner Taten in Schöpfung, Erlösung und Neuschöpfung beruht und als Glaubensantwort auf Formulierungen des Nicaeno-Constantinopolitanums zurückgreift (Vgl. oben Kap. 1.3.2 und ÖD 206, 524, 720, vgl. Vorwort V. O f t wird auf das im Gottesdienst aller Kirchen bekannte Constantinopolitanum verwiesen: 255, 269, 408, 530-531, 585-586, 649, 651, 735.). Das Constantinopolitanum bedeutet demnach eine adäquate Ausdrucksmöglichkeit des ökumenisch formulierten Glaubensinhalts im Bekenntnis des einzelnen. Schlink zitiert auch oft das Apostolikum. Dieses ist - dem Wortlaut nach - nur in den westlichen Kirchen verbreitet; sein Inhalt ist mit dem Glauben der Ostkirchen identisch. Dort ist es jedoch nicht in Gebrauch, ja fast nicht bekannt, vgl. ÖD 755. ' Während oben in Kap. 1.2.1 das Bekenntnis vorwiegend im Blick auf seine Aussagestruktur betrachtet wurde, ist hier - vom Constantinopolitanum her - auch nach seinem Inhalt und nach seiner Geltung zu fragen. Die Überlegungen zur Struktur werden nur kurz dargestellt. Vgl. Biblische Grundlage 140-143.

200

Die Struktur der Geltung des urchristlichen Bekenntnisses weist eine über den Bekenntnisakt hinausgehende Geltung auf, die eschatologische Dimension der Rettung aus dem Gericht oder auch des Bleibens unter dem Gericht: »Im Bekenntnis geht es [...] um die Entscheidung über Leben und Tod, über Heil und Verdammnis«7. In der gegenseitigen Anerkennung der inhaltlichen Ubereinstimmung verschiedener Bekenntnisformeln fand der urchristliche Konsens seine spezifische Struktur 8 . Im Vergleich mit den urchrisdichen Voraussetzungen des Bekenntnisses stellt Schlink beim Nicaeno-Constantinopolitanum zwar eine veränderte kulturgeschichtliche Situation und andere theologische Fronten fest, der dreigliedrige Aufbau des Credo entspricht jedoch der urchristlichen Taufformel »im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes«; auch strukturell blieb das Bekenntnis seinen Ursprüngen verwandt. Inhaldiche Parallelen bestehen in der zentralen Stellung der christologischen Aussagen; hier und in der Pneumatologie wurden auf Grund der neuen Frontstellung und des doxologischen Charakters des Credo Erweiterungen vorgenommen9. Gerade in seiner christologischen Konzentration hält das Bekenntnis »den Raum für die trinitarische Lehrentfaltung offen« 10 , es besitzt hinsichtlich seines Bekenntnisaktes, seiner Struktur und seines Inhalts ein »hohes Maß« an »dynamischer Kontinuität« mit den urchrisdichen Bekenntnissen11. Im Blick auf die Geltung des Bekenntnisses ist für Schlink wichtig, daß trotz textlicher Veränderungen gegenüber dem Nicänum der nicänische Glaube als gültig anerkannt wurde. Die Durchsetzung des Constantinopolitanums als einer universal gültigen Bekenntnisformel, die die frühere gegenseitige Anerkennung regionaler Bekenntnisformeln ersetzte, vollzog sich im Lauf der Kirchengeschichte relativ schnell. Durch diese Vereinheitlichung im Bekennen mit ein und derselben Formulierung fand gegenüber dem urchristlichen Bekenntnis eine strukturelle Verschiebung in der Form der Anerkennung statt.

7

Biblische Grundlage 142 und TBSLK 50-51, Bezug auf Lk 12,8f und Mt 10,32f. « Vgl. Biblische Grundlage 143. ' »[...] im pneumatologischen Teil überhaupt die Tatsache, daß nicht nur im Hl. Geist, sondern der Hl. Geist bekannt wird und somit das Geisteswirken im Menschen in einer gewissen Objektivierung als gegenüber zum Menschen bezeugt ist« Ebd. 147. Fehlende dogmatische Aussagen des Bekenntnisses sind auf Grund seines Sitzes im Gottesdienst und seines Charakters als Zeugnis für die theologische Mitte des Glaubens nicht überzubewerten: vgl. ebd. 147-148. 10 Ebd. 149. 11 Vgl. ebd. 152.

201

8.1.2 Das Constantinopolitanum als ökumenische Glaubensformulierung Dem allgemeinen Bekenntnis des christlichen Glaubens mit den Worten des Nicaeno-Constantinopolitanums steht die Unterschiedenheit der Kirchen in der Frage des »filioque« entgegen. Mit diesem theologischen Unterschied ist auf orthodoxer und römisch-katholischer Seite der Häresievorwurf verknüpft. Um wieder die Gemeinschaft im Bekennen der Kirchen, die dieses Bekenntnis als Norm ihrer Lehre anerkennen, zu erreichen, bearbeitet Schlink das Problem historisch, indem er die wichtigsten theologiegeschichtlichen Situationen, die im Jahr 1054 zur Trennung von Ostkirche und Westkirche führten, aufzeigt und die Diskussion der theologischen Frage bis zur Gegenwart verfolgt 12 . Dabei werden zwei theologische Probleme des Schismas deutlich: das eigentliche dogmatische Problem der processio des Heiligen Geistes und das damit verbundene kanonistische Problem der universalen Kirchenleitung, das sich in der Änderung des Textes durch den Papst äußert. Schlink entscheidet sich für die Bearbeitung allein der dogmatischen Frage 13 : Die Hauptschwierigkeit für das ökumenische Gespräch über das dogmatische Problem des ewigen Hervorgehens des Heiligen Geistes sieht er in dem Faktum, daß das Neue Testament die ewige Beziehung zwischen Christus und dem Heiligen Geist nicht direkt anspricht. Die Beziehung zwischen Christus und der Sendung des Geistes ist dagegen gut bezeugt, wobei der Unterschied zwischen dem irdischen und dem erhöhten Christus zu berücksichtigen ist: Der irdische Jesus wird als Empfänger des Heiligen Geistes verkündigt, der Erhöhte als derjenige, der Gottes Geist in die Welt sendet. Dogmatisch wirksamer als die Auslegung neutestamentlicher Texte sind für die Unterschiede in der Filioque Frage jedoch die Differenzen zwischen Ost- und Westkirche (a) im Verständnis des trinitarischen Dogmas und (b) der geschichtlichen Offenbarung Gottes im Verhältnis zu seiner ewigen Göttlichkeit 14 . Schlink verweist auf die Struktur dieser beiden Probleme, die sich kirchentrennend ausgewirkt haben, um so die Differenz zu lösen: Da diese Prämissen ihrerseits schon die Form theologischer Folgerungen besitzen, die aus dem biblischen Zeugnis gezogen wurden, können sie nicht zur Grundlage weiterer Konklusionen gemacht werden, die dann zum Dogma mit kirchentrennender Wirkung erklärt werden. Zur Bekräftigung seiner Argumentation führt Schlink den ursprünglich nicht kirchentren12

Vgl. ÖD 756-757 und den Artikel Trinität 1037 f. Der Anspruch des Papstamtes auf Unfehlbarkeit und auf universale Jurisdiktionsgewalt in der Kirche wird in der Ökumenischen Dogmatik nicht weiter untersucht. Vgl. jedoch oben Kap. 7.4. 14 Vgl. ÖD 758. 11

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nenden Charakter an, den theologische Unterschiede zwischen den Kappadoziern und Augustin in der Trinitätslehre und der Unterschiede im Verständnis der geschichtlichen Offenbarung Gottes hatten. So sollten auch die weiteren Folgerungen aus diesen theologischen Lehrunterschieden nicht zur Kirchentrennung führen15. Ein gemeinsames Bekenntnis des Glaubens wäre somit möglich, weil die Inhalte des Nicaeno-Constantinopolitanums bis heute als »lebendige Aussagen des Glaubens« in den Kirchen bezeugt werden: Das Glaubensbekenntnis ist noch heute »ökumenisch maßgebend sowohl durch den Wortlaut, in dem es von den Vätern formuliert worden ist, als auch durch den geschichtlichen Akt des Formulierens, durch den es in Abgrenzung gegenüber den Irrtümern seiner Zeit entstanden ist.«16 Es ist sowohl hinsichtlich der Wahrheit seiner Aussagen wie auch als Vorbild des Aussagens anzuerkennen: »Kein Bekenntnis der Kirche ist allein dazu da, immer wieder rezitiert zu werden, sondern es nimmt die Kirche zugleich in die Pflicht, wachsam zu sein und im Bekennen fortzufahren, nämlich dieselbe eine Wahrheit gegenüber neuen Irrlehren vor Gott und den Menschen zu bezeugen.«17 Schlink sieht durch die Einheit des Bekennens mit dem Wortlaut des Nicaeno-Constantinopolitanums nicht sein Konzept der gegenseitigen Anerkennung verschiedener Bekenntnisformeln gleichen Inhalts gefährdet18: Die Einheit im Bekennen stellt vielmehr für die Gläubigen eine Stärkung und Hilfe dar, da nicht nur inhaltlich, sondern auch in der Bekenntnisformel Ort und Gliedschaft der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche sichtbar werden19.

8.2 Der ökumenische Beitrag der Confessio Augustana Dem Augsburgischen Bekenntnis mißt Schlink auch heute noch ökumenische Bedeutung zu, weil es für die einundzwanzig Lehrartikel beansprucht, von den Schriften der katholischen, ja sogar der römischen Kirche nicht abzuweichen20. Deshalb ist das ökumenische Ziel der CA Wederherstellung der Einigkeit in der Wahrheit und die Anerkennung der Reformationskirchen durch die römische Kirche als Teil der römischen bzw. katholischen Kirche21. Dieses Ziel bedeutet für Schlink eine öku15

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Vgl. ebd. 759. Ebd. 760. Biblische Grundlagen 152. Vgl. oben Kap. 6.2.1. Vgl. Biblische Grundlagen 152-153. BSLK 83c, 7-11 (IT). Ökumenischer Charakter und Anspruch 13. 203

menische Verpflichtung der lutherischen Kirche. Er will das Bekenntnis in seinem Gehalt als ökumenische Lehrformulierung ernstnehmen und nach dem Beitrag des geschichtlichen Bekenntnisses für den Dialog der Gegenwart fragen 22 . Die Confessio Augustana erlaubt nicht nur, sondern »gebietet« nach Schlink geradezu, die Kirche auch dort zu suchen, wo die Einheit in Predigt und Sakramentsverwaltung auf der Grundlage des Evangeliums mit der Kirche des Augsburgischen Bekenntnisses gegeben ist23. Ihr ökumenische Verpflichtung konzentriert sich auf das Handeln Gottes am Menschen im Rahmen des gottesdienstlichen Geschehens der Verkündigung und Sakramentsspendung 24 . So erklärt sich, daß wichtige Voraussetzungen (das Amt, die Heilige Schrift und die Bekenntnisse) nicht als Kriterien der Einheit genannt werden 25 . Consensus de doctnna lautet die entscheidende Formulierung, die die gesuchte Einheit charakterisiert. Im Ereignis der einmütigen Evangeliumspredigt und der richtigen Sakramentsverwaltung wird die »eine heilige christliche Kirche« erkannt 26 . Schon in der Vorrede zum Augsburger Bekenntnis kommt diese von den Unterzeichnern intensiv gesuchte Einheit zum Ausdruck, indem erklärt wird, daß auf dem Weg der Unterredung die Vereinigung angestrebt werden soll. So soll eine wahre Religionseintracht wiederhergestellt werden, die die Uneinigkeit überwindet 27 . Den ökumenischen Charakter des Augsburger Bekenntnisses erarbeitet Schlink nicht nur aus dessen verpflichtendem historischen Anspruch, sondern auch aus dem Inhalt seiner Lehre, die der evangelischen und der katholischen Kirche gemeinsam ist: Das Bekenntnis behauptet die aktuelle Übereinstimmung in der Lehre der evangelischen Gemeinden mit der katholischen Kirche und hält an der zeitübergreifenden Identität der Lehre mit den Aposteln und Kirchenvätern fest. Zum Beweis für die Lehrkontinuität mit der einen wahren Kirche wird im ersten Artikel der CA das Constantinopolitanum zitiert, dessen Trinitätslehre übernommen wird. Im dritten Artikel wird auf die Christologie des Apostolikums, speziell auf die Zweinaturenlehre, Bezug genommen. Die allgemein verbreitete heilsgeschichtliche Abfolge der Artikel 1-27 und die ausgesprochenen Verwerfungen sind der CA mit verschiedenen Lehrtraditionen der römisch-katholischen Kirche gemeinsam, wobei reformatorische " Die Confessio Augustana ist in ihrer ökumenischen Absicht gescheitert, weil ihr katholischer Anspruch von Kaiser Karl V. nicht anerkannt wurde, vgl. ebd. 14. 25 Vgl. TBSLK 281, Anm. 17; CA 7: BSLK 60, 1 - 6 (IT). 24 Vgl. zum Gottesdienst als O r t des Bekennens Mildenberger, Theologie 23. 25 Vgl. Kriterien der Einheit 111. 26 CA 7, 1. Vgl. Kriterien der Einheit 109, 114: Das Kennzeichen der Apostolizität der Kirche wird zwar nicht genannt, aber vorausgesetzt. 27 Vgl. BSLK 46, 11-25 (dT), Ökumenischer Charakter und Anspruch 3.

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Schwerpunktverlagerungen erkennbar sind28. Der behaupteten Kontinuität in der Lehre widersprechen auch nicht Änderungen, die in den evangelischen Kirchen vorgenommen wurden, denn sie geschahen in Ubereinstimmung mit Gottes Gebot und im Widerspruch zu Lehre und Praxis der römischen Kirche29. Die »Mißbräuche« widersprechen den als gemeinsam vorausgesetzten Artikeln von der Rechtfertigung, dem Abendmahl und der Buße (CA 4, 10, 12)30. Melanchthons Zurückhaltung in der Diktion des Bekenntnisses, seine oft zitierte »Leisetreterei«, sieht Schlink nicht in der Angst vor der kaiserlichen Macht begründet. Sie ist dogmatisch vielmehr als Verantwortung für die Einheit der Kirche zu deuten: »Sehr viel näher liegt die Annahme, daß der entscheidende Grund für die unverkennbare Zurückhaltung in der Polemik gegen die römische Kirche in der Sorge um den Verlust der Kircheneinheit lag und daß der im Vorwort von Kanzler Brück ausgesprochene Wille zur Einheit für das Ganze des Bekenntnisses bestimmend war« 31 . Die Unvollständigkeit der Aufzählung in den Lehrartikeln und in den Artikeln von den Mißbräuchen begründet Schlink einerseits aus dem Wesen des Bekenntnisses, andererseits aus seinen apostolischen Voraussetzungen: Das Bekenntnis argumentiert von der Mitte des Glaubens und der Lehre aus. Es muß deshalb nur die wichtigsten Lehrabweichungen von dieser Mitte aufzählen und um des Bekenntniskonsens willen manche Aussagen allgemeiner formulieren als theologische Schriften einzelner Reformatoren 32 . Außerdem findet er die Zurückhaltung der CA in den Schriften des Neuen Testaments, die sie voraussetzt, bestätigt: zum einen in den Fragen des Verhältnisses der Elemente zu Leib und Blut Christi, der Zahl und des Wesens der Sakramente, zum anderen in der Ämterordnung, die auch im N T nicht überall gleichförmig durchgeführt ist, ja erhebliche Unterschiede aufweist; schließlich in der behaupteten Einsetzung der sieben Sakramente und der drei Ämter der Kirche durch Christus »iure divino«, die heute als widerlegt angesehen wird 33 . Die Unvollständigkeit der CA in den umstrittenen Fragen der Ämter- und Sakramentenlehre ist somit neutestamentlich begründet; das Bekenntnis ist auf das Handeln Gottes durch das Wort, die Taufe und das Abend28

Vgl. Ökumenischer Charakter und Anspruch 5-8. Vgl. BSLK 84, 15 (dt) in der Einleitung zu CA 22 - 28. 30 Vgl. Ökumenischer Charakter und Anspruch 9. 51 Ökumenischer Charakter und Anspruch 11. 32 Vgl. ebd. 11 und 12-13. Das Schweigen über das Papstamt führt Schlink einerseits auf den fehlenden Konsens zwischen Luther und Melanchthon in dieser Frage zurück, andererseits auf die implizite Behandlung des Themas in der ganzen CA, vgl. ebd. 13. 33 Kriterien der Einheit 113-114. Vgl. zum Inhalt des ius divinum, der in den getrennten Kirchen unterschiedlich bestimmt wird: Zur Unterscheidung von ius divinum und ius humanum 235. "

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mahl konzentriert. Gegenüber der Tatsache des Handelns Gottes haben Überlegungen zur Durchführung der Ordination und der Ämterordnung in der Kirche theologisch sekundären Charakter. Schlink deutet seine Beobachtungen zur Unvollständigkeit des Augsburger Bekenntnisses als reformatorisches Urteil über den theologischen Stellenwert des Bekenntnisinhalts: »Die Unvollständigkeit der Lehrartikel ergibt sich aus dem reformatorischen Verständnis der Rangordnung der Lehraussagen und der Lebensfunktionen der Kirche«3*. Die Reihenfolge der Lehraussagen und Lebensfunktionen der Kirche impliziert, daß die Einheit menschlicher Traditionen, Riten und Zeremonien für die gegenseitige Anerkennung als Kirche nicht notwendig ist. Die CA befürwortet folglich die ekklesiologische Konzeption, die heute »Einheit in der Mannigfaltigkeit« genannt wird 35 . Gleichförmige Zeremonien befördern nach den Aussagen der Apologie zwar die Einheit und gute Ordnung der Kirche, sie sind jedoch nicht den theologischen Elementarforderungen kirchlicher Einheit, der evangeliumsgemäßen Predigt und der stiftungsgemäßen Sakramentsausteilung, als gleich nötig beizuordnen 36 . Den ökumenische Beitrag der Confessio Augustana zum ökumenischen Gespräch der Gegenwart sieht Schlink in der Wiederentdeckung ihrer ökumenischen Bedeutung, vor allem durch römische Katholiken, bei gleichzeitiger Erkenntnis der historischen Differenz 37 : Bedeutsam ist ihre Sonderstellung gegenüber den anderen lutherischen Bekenntnisschriften. Auf Grund der modernen historisch-kritischen Forschung wird ihre Apostolizität und die Katholizität des Glaubens auch von römischer Seite bestätigt 38 . Gleichzeitig ist aber der Unterschied in der heutigen ökumenischen Situation gegenüber dem 16. Jahrhundert festzuhalten: Damals waren die Kirchen noch nicht getrennt, heute sind sie vollständig getrennt; damals war die Einheit bedroht, heute ist sie neu zu suchen 39 . Schlink stellt sachlich fest, daß es »im Augsburgischen Bekenntnis keine expliziten Anweisungen für das ökumenische Verhalten der evangelisch lutherischen Kirche zu anderen Kirchen« gibt, die direkt auf die Gegenwart übertragen werden könnten 40 . Eine Vermittlung des ökumenischen Anspruchs der CA mit dem gegenwärtigen ökumenischen Dialog leistet Schlink jedoch, indem er Prin34

Kriterien der Einheit 113. Vgl. Kriterien der Einheit 115. 56 Vgl. Apologie VII, 33: BSLK 242, 31-243, 2. 17 Vgl. Kriterien der Einheit 20-21. Die Wertschätzung der Confessio Augustana führte römisch-katholische Theologen in einigen Fällen bis zur Anerkennung der Artikel 1-20 als Ausdruck katholischen Glaubens, vgl. ebd. 21. " Vgl. Ökumenischer Charakter und Anspruch 20-21. " Vgl. Kriterien der Einheit 117. 40 Ökumenischer Charakter und Anspruch 2. 55

206

zipien ökumenischen Verhaltens aus der CA erhebt, die für den Theologen lutherischen Bekenntnisses auch in der neuen Situation verpflichtend sind. Sie gehen von zwei grundlegenden dogmatischen Voraussetzungen aus: von dem Bekenntnis zur einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche und von den Aussagen, die CA 7 über die notwendigen theologischen Kennzeichen kirchlicher Einheit macht. Die Prinzipien für die Erkenntnis und Darstellung der Kircheneinheit ermöglichen ökumenische Arbeit, die trotz verschiedener Situationen in Kontinuität mit dem Bekenntnis des 16. Jahrhunderts steht Sie sollen hier nicht vorgestellt werden, weil sie sachgemäß in Schlinks Äußerungen über die Stadien der Vereinigung der Kirchen in Erkenntnis und Darstellung der Einheit gehören und deshalb ihren systematischen Ort in der Ekklesiologie haben 41 .

8.3 Bekenntnisbindung und Ökumene Das Wort »Bekenntnis« findet Schlink in den lutherischen Bekenntnisschriften in dreifacher Bedeutung verwendet: für das Sündenbekenntnis, für eines der guten Werke, die dem Glauben folgen und für die Bekenntnisschrift Alle drei Dimensionen des Begriffs sind vom Heiligen Geist gewirkte Antwort des Gläubigen auf die göttliche Offenbarung im Wort und zugleich Lobpreis Gottes 42 . Wenn eine Kirche durch die Ordination zur Bekenntnistreue verpflichtet, was heißt es dann, in der ökumenischen Situation der Gegenwart bekenntnisbestimmt Theologie zu treiben? Die ökumenische Ausrichtung der kirchlichen Lehre und Praxis macht für Schlink das Bekenntnis der Kirche nicht überflüssig: Ihre Bekenntnisbindung - im Fall der lutherischen Kirche an die Confessio Augustana - ist zugleich »stärkste Befreiung zur Vereinigung mit anderen Kirchen« 43 . Durch die Bindung an die CA wird die lutherische Kirche gerade nicht nur formal im Sinne eines Besitzes bestimmt. Sie ist vielmehr an das Evangelium gebunden, das als Norm des Bekenntnisses die Wirklichkeit der Kirche ständig in Frage stellt; von ihm aus wird der Blick für die eine Kirche geöffnet, die über die Grenzen der lutherischen Kirche hinausgeht 44 . Da das ursprüngliche Christusbekenntnis im Lauf der Kirchengeschichte in verschiedenen Frontstellungen entfaltet wurde, ist die Unter41

Vgl. oben Kap. 6. " Vgl. Wesen 167, TBSLK 35-36. " Vgl. Weite, KC 114. Auch Mildenberger (Theologie 15) stellt heraus, daß die Bindung an das Bekenntnis - einschließlich seiner Abgrenzungen in der Lehre - keinen Gegensatz zur ökumenischen Aufgabe bildet; vielmehr soll die ökumenische Intention »in der verstehenden Aneignung des Erbes« (ebd.) in die ökumenische Bewegung eingebracht werden. " Vgl. Weite, KC 114-115. 207

suchung der Grundstruktur des entfalteten Bekenntnisses notwendig, auf das der Theologe verpflichtet wird. Bekenntnisverpflichtung bedeutet dann: » [ . . . ] die Verpflichtung zu einem hermeneutischen Prozeß der Klärung des Verhältnisses einzelner Aussagen zur christologischen Mitte, zur Bewußtmachung der historischen Fronten, in denen die Aussagen entstanden sind, und der Aussagestrukturen, in denen sie formuliert sind, sowie zu ihrer Überprüfung an der Heiligen Schrift.«·45

Durch diese wissenschaftliche Bemühung wird das Bekenntnis gerade nicht in seiner Geltung geschmälert, sondern die Bekenntnisverpflichtung erst richtig wahrgenommen; es kann »nur aufgrund dieses Prozesses deutlich werden, zu welchem Reden und Tun das von den Vätern überkommene Bekenntnis die Kirche gegenüber den veränderten Fronten heute verpflichtet«46. Bekenntnisbindung des Theologen zeigt sich deshalb nicht nur in der Wiederholung der Bekenntnissätze der Kirche, sondern im eigenen Bekennen in einer Herausforderung durch die gegenwärtige Situation. Gerade wenn sich eine Kirche auf die »Unantastbarkeit« des »Bekenntnisstandes« beschränkt, sieht sie Schlink nicht durch das Bekenntnis bestimmt: »Die Verpflichtung auf das Bekenntnis schließt somit die Verpflichtung zu einem dauernden Umgang mit dem Bekenntnis und zur immer neuen Aktualisierung desselben ein«47. Als Aktualisierungen des Bekenntnisses kommen bei Schlink nicht nur Predigt, Gebet und Lehre der Kirche in Betracht, sondern auch weitere präzisere verbindliche Formulierungen des Bekenntnisses48. Differenzen im Wortlaut der Bekenntnistexte in verschiedenen Kirchen bedeuten für Schlink nicht, daß in der anderen Kirche nicht die Kirche Christi erkannt werden kann. Das Ereignis »bekenntnisgemäßer« Predigt und Sakramentsverwaltung als Kriterien der einen Kirche nach CA 7 bedeutet ja, daß Predigt und Sakramente in der Kirche an der Norm des Evangeliums, das die Mitte der Heiligen Schrift ist, gemessen werden49. Es ist auch mit der Möglichkeit zu rechnen, daß Kirche dort zu erkennen ist, wo keine Bekenntnisschriften anerkannt werden, die Predigt jedoch schriftgemäß gehalten und die Sakramente entsprechend gespendet werden50. So wird im Geschehen des Gottesdienstes, in Verkündigung und Sakramentsspendung der Glaube bekannt, an dem die Kirche, die Gemeinschaft der Christen, erkannt wird. 44

" 47 48

" 50

208

Bekenntnisbestimmte Kirche 181. Ebd. 181-182. Ebd. 182. Vgl. Weite, KC 114. Vgl. Bekenntnisbestimmte Kirche 182, Weite, KC 114. Vgl. Weite, KC 114; TBSLK 281. Vgl. Weite, KC 112-113.

8.4 Würdigung Zusammenfassend ist festzuhalten, daß Schlink das Problem der Bekenntnisbindung als Bindung an das apostolische Evangelium versteht. Von diesem Evangelium als Mitte der schriftlichen und mündlichen Bekenntnisse aus konstituiert sich das Bekenntnis, auch bei bleibender ökumenischer Verpflichtung und in der Annäherung der Kirchen. Die Übereinstimmung im Inhalt des Bekenntnisses auf Grund von Strukturvergleichen ihrer Aussagen ist eine wichtige Voraussetzung für die gesuchte Einheit der Kirchen: Kirchen können sich nicht in der Aufnahme der Abendmahlsgemeinschaft vereinigen ohne den Konsens in der Lehre 51 . Durch die methodische Wahrnehmung der Strukturverschiebungen, der historischen Situation und der Gemeinsamkeiten des Nicaeno-Constantinopolitanums mit dem urchristlichen Bekenntnis wird die Identität desselben Glaubens sichtbar. Einem gemeinsamen Glaubensbekenntnis mit den Worten des Constantinopolitanums steht auch nicht das filioque- Problem entgegen, das infolge des sekundären theologischen Charakters der vorausgesetzten dogmatischen Differenzen nicht kirchentrennend wirksam sein muß. Der von ostkirchlicher und reformatorischer Seite geltend gemachte kanonische Trennungsfaktor des historisch gewordenen Papstamtes wird in diesem Zusammenhang nicht erörtert. Die Confessio Augustana wird auf Grund ihres Inhalts als Bekenntnisschrift mit ökumenischer Zielrichtung offenbar; auch ihre Zurückhaltung in einzelnen Themen ist aus der Absicht zu erklären, die Einheit der Kirche zu erhalten. In der Frage der Abgrenzung gegenüber der römischkatholischen Lehre wird die Ubereinstimmung mit der Norm der Heiligen Schrift wirksam. Aus der CA, d.h. in der Bindung an das Bekenntnis und doch im Wissen um die Differenz in der ökumenischen Situation, entwickelt Schlink Strukturen ökumenischen Verhaltens, die den Weg der Vereinigung der Kirchen vorzeichnen. Bindung an das Bekenntnis kann für die lutherische Kirche in der Gegenwart nicht heißen, die Bekenntnisse der Kirche zu wiederholen und in konfessioneller Positionalität zu verharren. Aus der methodischen Wahrnehmung der historischen Differenz und auf Grund einer Strukturuntersuchung des Bekenntnisses muß vielmehr gefolgert werden, daß das Bekenntnis in neuen geschichtlichen Frontstellungen neuer Aktualisierung bedarf. Bekenntnisbindung als Bindung an das Evangelium fordert gerade von CA 7 her die Erkenntnis der Weite der Kirche, die über die eigene Konfession hinausgeht.

51

Vgl. oben Kap. 6.2.1.

209

9 . KAPITEL

Die Bedeutung der Ostkirchen für die Ökumene T h e s e : D i e T h e o l o g i e der Ostkirchen ist davon geprägt, d a ß in ihr der Inhalt der theologischen Aussage, seine ursprüngliche Aussageform und sein ursprünglicher theologischer Ort in der Feier des Gottesdienstes nicht in d e r Weise auseinanderfallen, w i e dies im Westen der Fall i s t

Das Gespräch mit den Ostkirchen war neben dem Dialog mit der römisch-katholischen Kirche ein Schwerpunkt in Schlinks ökumenischen Begegnungen. Es ist deshalb berechtigt, nach dem theologischen Ertrag seiner Gespräche mit den Ostkirchen, besonders mit der russisch-orthodoxen und der griechisch-orthodoxen Kirche seit Ende der sechziger Jahre zu fragen1. Diese Begegnung war ihm eine wichtige Bestätigung seiner Anschauungen über die Strukturverschiebung in der theologischen Aussage. Schlink sieht das theologische Verständnis der Ostkirchen im zwanzigsten Jahrhundert in einem radikalen Wandel begriffen2: Die neuprotestantische Geringschätzung des geistlichen und theologischen Standes der Ostkirche wird durch eine neue Sicht abgelöst. Wichtige Faktoren, die diesen Vorgang beeinflußten, waren die Christenverfolgungen im bolschewistischen Rußland, die Begegnungen mit emigrierten orthodoxen Theologen und Laien und vor allem das neue Verständnis der Orthodoxie durch den Kirchenkampf im Dritten Reich3. Den Ertrag des Kirchenkampfes für das Verständnis der Ostkirche sieht Schlink besonders in der Erfahrung der Einheit der Kirche auch über die Zeiten hinweg. Sie fand ihren Ausdruck in der Aufnahme des 1 Vgl. oben Teil 1, Kap. 2 und 3. Schlink spricht immer im Singular von der »Ostkirche«. Diese Begriffswahl setzt die dogmatische Entscheidung voraus, daß nicht Einzelheiten der Lehre, Ordnung und des Lebens in den orthodoxen Kirchen wahrgenommen werden sollen, sondern die ihnen zugrundeliegenden Strukturen, vgl. Wandlungen, KC 222. 2 Vgl. ebd., KC 221-222. Als erste Kontaktaufnahme zwischen der griechisch-orthodoxen Kirche und der evangelischen Kirche erwähnt Schlink die griechische Übersetzung der Confessio Augustana, die Melanchthon 1559 mit einem Begleitbrief an den Ökumenischen Patriarchen Joasaph II. nach Konstantinopel schickte und im weiteren den zwischen 1573 und 1581 stattfindenden Briefwechsel zwischen Tübinger Theologen und dem Ökumenischen Patriarchen Jeremias II. Vgl. Schlinks Abhandlung: Ökumenischer Charakter und Anspruch 16-17, Bedeutung, KC 233 und die Rezension Wort und Mysterium. 3 Vgl. Wandlungen, KC 221 und Themen 167, Diskussion 102. Als Beispiel für die neuprotestantische Sicht wird Harnack angeführt: vgl. Wandlungen, KC 221.

210

altkirchlichen Bekenntnisses und der Liturgie: »Der altkirchliche Zusammenhang zwischen Dogma und Liturgie wurde wieder sichtbar«4. Die Erfahrung der "Wirklichkeit kirchlicher Einheit mit der Ostkirche reflektiert Schlink dogmatisch hinsichtlich der theologischen Grundstrukturen> die sich in ihr äußern. Schwerpunktmäßig behandelt er in seinen Untersuchungen vier Themen, die wichtige Strukturen ostkirchlichen Lebens und Denkens aufzeigen5: (1) der Gottesdienst in der orthodoxen Kirche (Kap. 9.1); (2) die spezielle Form des ostkirchlichen Dogmas (9.2); (3) die Zuordnung von Amt und Gemeinde (9.3) und (4) die Widerlegung des Vorwurfs, in den Ostkirchen fehle der dogmatische Fortschritt (9.4).

9.1 Der Gottesdienst in der orthodoxen Kirche Der Gottesdienst der Ostkirche ist in hervorgehobener Weise gegenüber den anderen Kirchen von der Grundstruktur des Hymnus und der Anbetung geprägt: Gott werden seine großen Taten im Lobpreis der Kirche dargeboten. Nicht nur sie, und im besonderen seine Heilstat in Christus, werden ihm dargebracht, sondern er selbst ist Gegenstand der Verherrlichung in der Doxologie. Die Heilstaten der Vergangenheit und die Vollendung der Welt und der Gemeinde werden im Gottesdienst der Ostkirche als gleichzeitig erfahren 6 . »In keiner Kirche wird die in Jesu Auferstehung angebrochene Verwandlung des Menschen und die von seiner Parusie erwartete Vollendung des Menschen so universal und triumphierend als schon geschehen bezeugt wir in der Ostkirche. Die ganze Menschheit, ja der ganze Kosmos ist schon erneuert Denn Christi Sieg ist endgültig und das All umfassend. In der Heiligen Liturgie werden die Glaubenden in diesen Sieg hineingenommen. In dieser Gewißheit des endgültigen Sieges und der das All umfassenden Verwandlung bekommen die Kämpfe dieser Welt und auch die Gegensätze zwischen den Kirchen einen vorläufigen und vergänglichen Charakter. In der Doxologie sind sie bereits überwunden.«7

Der ostkirchliche Gottesdienst trägt zu Schlinks Ekklesiologie den Gedanken der Einheit des wandernden und des vollendeten Gottesvolkes bei; hier findet er auch die eschatologische Ausrichtung seiner Ekklesio4

Wandlungen, KC 222. Da diese Themen zum Teil schon in ihren systematisch-theologischen Bezügen angesprochen wurden, ist hier nur zu erörtern, was als hauptsächlicher Ertrag von Schlinks Beschäftigung mit den Ostkirchen festgehalten werden kann. 6 Vgl. Bedeutung der orthodoxen Kirche 432; Bedeutung, KC 234. Schlink sieht auch eine mögliche Bereicherung der Arbeit des Ökumenischen Rates, wenn sich die orthodoxe Kirche mit ihren Gottesdiensten in den Weltrat der Kirchen einbringt (was dann auch 1961 in Neu Delhi geschehen ist): Ökumenischer Beitrag 211. 7 Bedeutung der orthodoxen Kirche 432. 5

211

logie auf das Kommen Christi und die Erneuerung von Himmel und Erde bestätigt 8 . Von besonderer Bedeutung für Schlinks Theologie ist die Erkenntnis der ursprunghaften Einheit von Dogma und Liturgie, die er für die ökumenische Methode fruchtbar macht.

9.2 Zur Struktur des ostkirchlichen Dogmas Das Dogma der Ostkirche zeichnet sich dadurch aus, daß das Moment der Doxologie und damit die Verbindung des Dogmas mit der Liturgie im Vordergrund steht. Es kommt in der gottesdienstlichen Versammlung in Doxologie und Bekenntnis zum Ausdruck. Schlink stellt mit Recht fest, daß die Ostkirche diesen »Sitz im Leben« des Dogmas nicht aufgegeben hat, denn ihre dogmatischen Aussagen blieben in der Aussagestruktur der Anbetung Gottes. Die Ostkirche unterscheidet sich auch darin von der Kirche des Westens, daß sie keine Dogmen definiert hat, die nicht diese doxologische Struktur besitzen9. Diese Armut an weiteren Dogmen könnte als eine Schwäche der Ostkirche ausgelegt werden. Schlink will diesen Mangel jedoch als den eigentlichen Reichtum der Ostkirche und den dogmatischen »Reichtum« der westlichen Kirchen als ihre Armut verstehen, denn die ostkirchliche »Armut« an Dogmen ist verheißungsvoll für die ökumenische Arbeit 10 : Da die dogmatische Arbeit der Ostkirche nahe beim gottesdienstlichen Geschehen geblieben ist, kann sie im ökumenischen Gespräch die trennenden Dogmen von ihrer ursprünglichen Bedeutung in der Liturgie und der Verkündigung der Kirche her verstehen. Die Beschränkung auf die christologischen und trinitarischen Dogmen ermöglicht gerade die vielfältige Entfaltung des Schriftzeugnisses in der missionarischen Ausbreitung der Kirche, worin sich die wahre »Katholizität theologischen Denkens und kirchlichen Zeugnisses« zeigt".

' Vgl. oben Kap. 5.3.2. ' Vgl. Bedeutung, KC 235; Bedeutung der orthodoxen Kirche 432-433; Wandlungen, KC 223 und 230. Ökumenischer Beitrag 206. 10 »[...] Zurückhaltung in dogmatischen Formulierungen braucht an und für sich ebensowenig eine Schwäche zu bedeuten, wie ein ständiges Fortschreiten zu neuen, immer detaillierter werdenden Dogmatisierungen ein Zeichen geistlicher und theologischer Kraft zu sein braucht. Es könnte sehr wohl genau das Gegenteil der Fall sein«, Wandlungen, KC 228. 11 Vgl. Wandlungen, KC 228-229, Zitat 228; Ökumenischer Beitrag 211. Schlink verspricht sich von der orthodoxen Beteiligung am ökumenischen Gespräch eine Intensivierung der Arbeit von Faith and Order. Vgl. Wandlungen, KC 228.

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9.3 Die Zuordnung von Amt und Gemeinde Die orthodoxe Kirche trägt zum ökumenischen Gespräch auch den Gemeinschaftsgedanken ihrer Kirchenordnung bei12. Schlink stellt die Struktur der Gemeinschaft heraus, die die Ostkirche auch nach der Durchführung ihrer Metropolitan- und Patriarchatsordnung festgehalten hat13. Trotz Anerkennung der hierarchischen Ordnung der apostolischen Sukzession ist der Gemeinschaftsgedanke in der Form der Kirchengemeinschaft orthodoxer Kirchen mit gegenseitiger Anerkennung sichtbar. Dies zeigt sich in der kirchlichen Verfassung, deren oberste Instanz die ökumenische Synode ist, deren Beschlüsse in der Kirche rezipiert werden müssen14. Die kanonischen Definitionen der Grenzen der Kirche halten Christsein und gültige kirchliche Amtshandlungen außerhalb der orthodoxen Kirche für möglich15. Die Gemeinschaftsstruktur der orthodoxen Ekklesiologie ist »von großer paradigmatischer ökumenischer Bedeutung«, denn eine Einigung jetzt noch getrennter Kirchen ist nur - wie in der Orthodoxie - als »Anerkennung der Einheit in der Mannigfaltigkeit« denkbar 16 . Auch im Gottesdienst stellt Schlink die Gemeinschaftsstruktur der Kirche fest, da Amt und Gemeinde trotz ihres Gegenübers stärker von der Gemeinschaft und damit vom Priestertum aller Gläubigen bestimmt sind als in den meisten westlichen Kirchen17. Unterschiede zwischen der römisch-katholischen Kirche und den Reformationskirchen und evangelischen Freikirchen im Westen können neu unter Berücksichtigung der ekklesiologischen Grundstrukturen der Ostkirche untersucht werden18.

12 Da sich Schlink mit der orthodoxen Kirche literarisch vorwiegend vor dem zweiten Vatikanischen Konzil auseinandergesetzt hat, kann er noch nicht berücksichtigen, wie stark der Gemeinschaftsgedanke auf dem Konzil auch Eingang in die lehramtlichen Dokumente der römisch-katholische Kirche gefunden hat, vgl. Ökumenischer Seitrag 206. 13 Bedeutung der orthodoxen Kirche 434. »Bei aller Betonung der Hierarchie ist dieses Verhältnis doch nicht nur durch Über- und Unterordnung bestimmt Alle Über und Unterordnung ist vielmehr bestimmt von der Gemeinschaft Das Verhältnis von Amt und Gemeinde ist zugleich ein Miteinander.« Bedeutung, KC 235. 14 Vgl. Bedeutung, KC 235; Bedeutung der orthodoxen Kirche 434; Ökumenischer Beitrag

206. 15 Vgl. Ökumenischer Beitrag 207. »Aber auch die kanonischen Bestimmungen über die Grenzen der Kirche sind in der Orthodoxie an wichtigen Punkten immer wieder eigentümlich wenig starr gehandhabt worden, scheinbar inkonsequent und doch zugleich insofern dem Wesen der Kirche gemäß, als in dem kanonischen Begriff der Oikonomia dem Wirken der Liebe ein Raum für die Anerkennung anderer Christen und der an ihnen außerhalb der orthodoxen Kirche geschehenden kirchlichen Handlungen gewährt wird«. Ebd. 16 Bedeutung der orthodoxen Kirche 434. 17 Vgl. Ökumenischer Beitrag 206. " Vgl. ebd.

213

9.4 Fehlender dogmatischer Fortschritt in den Ostkirchen? Schlink weist den Vorwurf zurück, die dogmengeschichtliche Entwicklung in der orthodoxen Kirche sei zum Stillstand gekommen, obwohl weitere dogmatische Entscheidungen nötig gewesen seien. Als entscheidenden Grund für die Kontinuität dogmatischer Aussagen in der Ostkirche führt er die »liturgische Bindung der dogmatischen Aussagen« an 19 , die eine weitere Dogmenbildung verhindert hat, die aber auch den Vorwurf der »Hellenisierung« des Dogmas neu verstehen lernt: »Vielmehr zeigt sich in dem Aufhören weiterer Dogmatisierungen, daß die Ostkirche in eben derselben Struktur dogmatischer Aussagen bleiben wollte und geblieben ist, in der die dogmatischen Entwicklung der alten Kirche begonnen hatte: in der Struktur der doxologischen Homologie, die die im Gottesdienst versammelte Gemeinde anstimmt und Gott darbringt«20.

Der doxologischen Aussagestruktur eignet schon in der Bibel »eine deutliche Affinität zu ontologischen Aussagen«, so daß die spätere Ontologisierung theologischer Begriffe und die Verwendung ontologischer Begriffe in der ostkirchlichen Dogmatik nahelag 21 . Gerade deshalb ist Schlink die dogmatische Berücksichtigung des gottesdienstlichen Sitzes im Leben dieser Begriffe wichtig: »Das Dogma ist vor allem Anbetung Gottes [...] Die metaphysischen Begriffe haben sich [...] in der Theologie keineswegs ungebrochen durchgesetzt, sondern sie haben bei dieser Indienstnahme für die gottesdienstliche Homologie erhebliche Veränderungen durchgemacht« 22 . Ein weiterer Einwand folgt aus dem Vorwurf, daß in der Ostkirche eine dogmengeschichtliche Entwicklung fehle: Die Ostkirche setze sich nicht mehr mit aktuellen Fragen späterer Zeiten auseinander. Schlink entgegnet dieser These mit der Feststellung, die theologische Arbeit sei weiter betrieben worden, auch wenn die Ergebnisse der Erörterungen nicht dogmatisiert wurden 23 . Dabei liege auf Seiten der Ostkirche die Gefahr der traditionalistischen Verhärtung nahe. Dagegen sieht Schlink die Gefährdung der Kirche im Westen in der Uniformität und rechtlichen Verbindlichkeit ihrer theologischen Entscheidungen, die gerade Trennungen hervorriefen. Das grundsätzliche Problem der Gefahren, denen eine bestimmte Tradition erliegen kann, besteht seines Erachtens immer im Zusammenhang mit der behaupteten Exklusivität des Wahrheitsanspruchs für die eigene Tradition 24 . Auch das Problem des vermeintlich

"

Wandlungen, KC 226. Ebd.; vgl. Bedeutung, KC 237-238. " Vgl. Wandlungen, KC 223. 12 Wandlungen, KC 223. " Vgl. Bedeutung, KC 238. " Vgl. ebd. 238-239. 20

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fehlenden Fortschritts durch Beharren bei den Grundstrukturen der Glaubensaussage in der Ostkirche sieht Schlink in der ökumenischen Begegnung behoben: »[...] die Grundstrukturen der Verkündigung und der Doxologie, der geschichtlich personalen und der ontologischen Aussage gehören zusammen, wie auch die Erwartung des kommenden Christus und die Gewißheit der Gegenwart seiner Zukunft. Darum bin ich überzeugt, daß östliche und westliche Traditionen sich in wesentlichen Punkten ergänzen und sich gegenseitig vor ihren spezifischen Gefahren warnen und schützen können«25.

9.5 Würdigung Aus der Darstellung von Schlinks grundlegenden Äußerungen über die Ostkirchen ist die Bedeutung ihrer Theologie für die Ausarbeitung seiner spezifischen ökumenischen Methode und für das Gespräch zwischen den Kirchen festzuhalten: Der ostkirchlichen Theologie kommt für Schlinks Methode paradigmatische Bedeutung zu, da er an ihr die ursprüngliche Einheit von Dogma, Gottesdienst und entsprechenden theologischen Aussageformen verdeutlichen kann. Für den interkonfessionellen Dialog stellt die Ostkirche eine Bereicherung dar, da sie durch einen Grundbestand christologischer und trinitarischer Dogmen die Entfaltung des kirchlichen Dogmas möglich macht; zugleich ist ihre Gemeinschaftsstruktur Modell für die Einheit, die in der ökumenischen Bewegung gesucht wird. Schlinks Würdigung der ostkirchlichen Theologie ist sowohl aus den strukturanalytischen Beobachtungen zu erklären, die für die ökumenische Bewegung von paradigmatischer Bedeutung sind als auch aus der Frontstellung gegenüber ihrer neuprotestantischen Geringschätzung. Wie es in seinem methodischen Ansatz angelegt ist, versteht er die Ostkirche als Dialogpartner von der Mitte des in ihr bezeugten trinitarischen Glaubens aus und setzt mit der Sicht dieser Kirche bei der Buße ein: Er tut Buße im Blick auf die eigene Kirche, die in ihrer neuprotestantischen Vergangenheit die Ostkirche falsch verstand; er tut Buße im Blick auf die andere Kirche, indem er sie nicht von den Randphänomenen aus im Vergleich mit der eigenen Kirche erfaßt, sondern von ihrer Mitte aus, dem in ihr bezeugten Glauben. So ist nicht nur die ostkirchliche Theologie ein Paradigma für seine Methode, auch seine Sicht der Ostkirche ist paradigmatisch für den Umgang mit der ekklesialen Realität der anderen Kirchen. Die zahlreichen Verweise auf die Ostkirche in Schlinks Schrifttum belegen seine dogmatische Würdigung dieser Kirche. Allerdings ist auch

" Ebd. 239.

215

festzustellen, daß bei Schlink aufgrund seiner Strukturuntersuchung die Auseinandersetzung mit den Vorstellungen ostkirchlicher Theologen und offiziellen Äußerungen über die bestehende Einheit der wahren Kirche, die Zertrennung der Kirchen, über Wege und Zielvorstellungen der Kirchenvereinigung zurücktritt. Diese Klärung mag angesichts der Erkenntnis des gemeinsamen Glaubens nicht mehr als notwendig oder aus arbeitsökonomischen Gründen als zu umfangreich erscheinen. Seiner anerkennenden Beurteilung der ostkirchlichen Theologie fehlt aber doch der Bezug auf die Probleme des ökumenischen Dialogs mit diesen Kirchen, die Schlink allerdings auch kennt 26 .

26 Vgl. oben Kap. 3.3 die Nennung des Problems gegenseitiger Anerkennung der vollzogenen Taufe oder auch die Bemerkung zur Methode des Dialogs: Es gehe primär nicht darum, die Prinzipienfragen des Verhältnisses von Schrift und Tradition zu klären, sondern um den Konsens in den elementaren Aussagen des Credo »Nur von hier aus lassen sich die in der heutigen Christenheit so verworrenen Prinzipienfragen in rechter Weise in Angriff nehmen, nicht aber umgekehrt.« Wort und Mysterium 50.

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1 0 . KAPITEL

Der römisch-katholische Okumenismus These: Der römisch-katholische Okumenismus erweist sich aufgrund seiner dogmatischen Bindungen als spezifisch römischer Beitrag zum ökumenischen Gespräch. D a seine Zielvorstellung von der Einigung der Kirchen enger oder weiter interpretiert werden kann, empfiehlt Schlink, sich an die 'Wirklichkeit der römischen Kirche zu halten.

In der ökumenischen Begegnung hatte für Schlink das Gespräch mit der römisch-katholischen Kirche, noch vor den orthodoxen Kirchen, Priorität. Die römisch-katholische Kirche ist über Jahrzehnte hinweg der hauptsächliche Gesprächspartner bei allen behandelten Themen, auch in der Frage der ökumenischen Methode1. Ein Thema wurde in der bisherigen Erörterung kaum berührt, das Konzept des römisch-katholischen Okumenismus. Diese wichtige Frage hat Schlink vor allem in der Auswertung der Ergebnisse des Zweiten Vatikanischen Konzils beschäftigt Seine Publikationen heben sich methodisch von seinen übrigen ab: Der methodische Ansatz bei der Strukturuntersuchung theologischer Aussagen besitzt hierbei nicht die tragende Bedeutung, die ihm bei anderen Themen zukommt; Schlink vermerkt jedoch strukturelle Beobachtungen - oder auch ihr Fehlen - in den untersuchten Dokumenten. Als Quellen interpretiert er vorwiegend das Ökumenismusdekret Unitatis redintegratio im Kontext anderer Konzilsdokumente und der ihnen vorausgehenden Schemata. Angesichts des erheblichen Wandels in der Haltung der römischen Kirche zur ökumenischen Bewegung2 fragt er nach den Voraussetzungen des Ökumenismus im Verständnis der Einheit der Kirche und der Trennung der Kirchen 1 Vgl. dazu den Aufsatz Methode 205-211 bzw. Hermeneutik 14-22 und oben Kap. 6.1.3 die Beachtung der Rangordnung theologischer Aussagen. 2 Der Begriff des Ökumenismus wurde erstmals auf den Zweiten Vatikanischen Konzil Gegenstand einer positiven, nicht ablehnenden Erörterung durch den römischen Katholizismus. Diese Öffnung hin zu den anderen Kirchen bewirkte Papst Johannes XXIII, der auch die Gründung des Sekretariats für die Einheit der Christen veranlaßte (vgl. LThK 13, 11-12) und Beobachter zur Vollversammlung des Weltrates der Kirchen sandte. Seine Amtsvorgänger verhielten sich gegenüber der ökumenischen Bewegung ganz ablehnend. Das Zweite Vatikanum war nicht nur insofern »ökumenisch«, als die römisch-katholische Kirche diese Bezeichnung formalkirchenrechtlich für ihre Konzile beansprucht, sondern auch deshalb, weil die Zuwendung zu den anderen Kirchen das Konzil von Anfang an geprägt hat, vgl. NDK 7.26-27, Themen 168. Zur Geschichte römisch-katholischer Äußerungen zum Ökumenismus vgl.: Bericht Tib, Dekret 197-198, Ergebnis 191, Themen 168.

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(10.1), nach den methodischen Anweisungen für das ökumenische Verhalten (10.2) und nach dem Ziel (10.3) des neuen römisch-katholischen Ökumenismus.

10.1 Voraussetzungen des römisch-katholischen Ökumenismus: Die Einheit der Kirche und die Zertrennung der Kirchen Wenn Schlink nach den Voraussetzungen des römisch-katholischen Ökumenismus fragt, meint er damit die systematisch theologischen, nicht die geschichtlichen Grundlagen des römischen Einheitsstrebens3. Dem Selbstverständnis der römisch-katholischen Kirche als der einen Kirche kommt für ihren Okumenismus entscheidende Bedeutung zu 4 . Am Kirchenschema und dann auch an der dogmatischen Konstitution Uber die Kirche Lumen Gentium weist Schlink einerseits einen Wandel in der katholischen Ekklesiologie nach: An die Stelle des noch in der Enzyklika Mystici Corporis dominierenden »societas*-Begriffs ist die neutestamentliche Vielfalt der Begriffe und Bilder für die Kirche getreten: Sie ist »Christi Leib«, »Volk Gottes«, seine »Herde« und sein »Weinberg«, um nur einige Bezeichnungen zu nennen5, die im Kontext der geschichtlichen Taten Gottes gemacht werden. In dem heilsgeschichtlich-trinitarischen Ansatz der Ekklesiologie erkennt Schlink eine Übereinstimmung mit den Reformationskirchen, der orthodoxen Kirche und den Vollversammlungen des

3 Zu den geschichtlichen Voraussetzungen zählt Schlink vor allem: »daß alle Kirchen in gleicher Weise durch die zunehmende Säkularisierung der Menschheit, durch die rapiden Umbrüche der Strukturen der Gesellschaft, durch die atomare Bedrohung aller Völker, durch den totalitären Machtanspruch des Atheismus der östlichen Länder, sowie durch die über alles Frühere hinausgehenden Christenverfolgungen dieses Jahrhunderts in Frage gestellt und zu gemeinsamem Zeugnis und Handeln aufgerufen sind - die Tatsache femer, daß in allen Kirchen die Sehnsucht nach der Einheit [...] lebendig geworden ist« [...] und den persönlichen Einsatz von Papst Johannes XXIII: Ringen 172. 4 Voraussetzung und - das im engeren Sinn interpretierte - Ziel des Okumenismus sind identisch: Die Einheit in der Gemeinschaft mit der römischen Kirche, vgl. Kap. 10.3, unten S. 242ff. Als zentraler Punkt in Schlinks Argumentation soll hier das römisch-katholische Selbstverständnis als Maßstab für die Beurteilung nichtrömischer Kirchen herausgearbeitet werden. Im römischen Selbstverständnis ist der päpstliche Primat mit enthalten; als Voraussetzung liegt es der Beurteilung der Zertrennung der Kirchen zugrunde. Die Bedeutung des römisch-katholischen Selbstverständnisses zeigt sich auch an Schlinks Interpretationsgrundsatz für den Okumenismus des Dekrets, daß dieser nicht isoliert von den Aussagen anderer Konzilstexte, besonders der Kirchenkonstitution, zu interpretieren sei, vgl. Dekret 201-202, Ergebnis 178. - Wiederum wird die Wirkung des Ökumenismus auf andere Konzilsbeschlüsse in Okumenismus 191-193 aufgezeigt. 5 Vgl. Vatikanisches Konzil 1245-1246, Ringen 173, Dekret 218, Diskussion 102-103, Zum ökumenischen Dialog 590-593.

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Ökumenischen Rates der Kirchen6. Er meldet schon beim Kirchenschema generell Kritik an der Art und Weise des Schriftgebrauchs an: »So sehr den evangelischen Theologen die Aufnahme biblischer Gedanken in manchen wichtigen Aussagen des Schemas beglückt, so hat er doch aufs Ganze gesehen den Eindruck, daß hier primär nicht von der Hl. Schrift, auch nicht von der frühkirchlichen Tradition, sondern vom gegenwärtigen Zustand der römischen Kirche und der Notwendigkeit bestimmter Verbesserungen ausgegangen ist. Für die Begründung dieser Verbesserungen wird die Hl. Schrift in Anspruch genommen, aber es wird nicht von der Hl. Schrift aus das Ganze der gegenwärtigen kirchlichen Wirklichkeit überprüft«. 7

Andererseits ist die Identifikation der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche mit der römisch-katholischen Kirche in hohem Maße exklusiv verstanden8. Zwar wurde die Gleichung: die römische Kirche ist die una sancta gelockert, als das »est* durch ein »subsistit in« ersetzt wurde, doch zeigt der weitere Fortgang des Satzes, daß außerhalb der römischen Kirche nicht die eine, heilige Kirche erwartet wird, sondern nur »Elemente der Heiligung und Wahrheit« zu finden sind9. Schlink stellt einerseits die Tendenz fest, »die Einheit der Kirche in der Richtung auf die Mannigfaltigkeit hin zu entfalten und somit das uniforme Verständnis der Einheit aufzulockern«10, indem die kanonische Vielfalt der Teilkirchen und ihrer Überlieferungen hervorgehoben wird. Die Einheit ist andererseits durch die Forderung, den päpstlichen Primat und einheitliche dogmatische Formeln anzuerkennen, begrenzt11. So sieht Schlink im Kirchenbegriff der Enzyklika ungeachtet der Änderungen auch gegenüber dem Kirchenschema eine dogmatische »Enge«, die in ihren methodischen und sachlichen Schwächen begründet ist12. * Vgl. Zum ökumenischen Dialog 591. I Diskussion 104. Vgl. im Rückblick auf das Konzil: »Die Bibel wurde aufs Ganze gesehen mehr apologetisch und illustrativ als konstitutiv verwendet«, Dekret 229. ' Vgl. Dekret 219. ' Vgl. ebd., LThK 12, 172. Als Gaben der Kirche Christi drängen diese Elemente auf die katholische Einheit hin. Vgl. auch Dietzfelbinger, Die Grenzen der Kirche nach der dogmatischen Konstitution >De ecclesia< 168 f. 10 Zum ökumenischen Dialog 594. Dietzfelbinger (Grenzen 170): »Was hier bemerkenswert und [...] absolut neu ist, liegt [...] darin, daß diese Gnade jetzt in sichtbarer Form ausgesagt wird«. " Vgl. Zum ökumenischen Dialog 594. Das Verständnis der päpstlichen Primates als Voraussetzung des römisch-katholischen Okumenismus hängt mit dem im wesentlichen hierarchisch verstandenen Kirchenbegriff zusammen, vgl. Ringen 175-177 und Dekret 219: »Das Kirchenverständnis dieser Konstitution bleibt so auf Kosten der Pneumatologie in hohem Maße juristisch, nämlich der Versuch einer dogmatischen Rechtfertigung der bestehenden und durch das Konzil nur wenig veränderten Rechtsordnung der römisch-katholischen Kirche [...]«. II Schlink nennt mehrere Schwierigkeiten: Die urchristliche und altkirchliche Form der Kircheneinheit wurde nicht verarbeitet; Aussagen Uber die Kirche gehen zu einseitig von substantivischen Begriffen und Metaphern aus; die Kirche wird noch zu einseitig von der

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Das kirchliche Selbstverständnis ist in erster Linie der Maßstab, mit dessen Hilfe die Zertrennung der Kirchen beurteilt wird: »Maßstab ist nicht die urchristliche Kirche oder die Kirche der ersten Jahrhunderte als solche, sondern nur insoweit, als sie mit der gegenwärtigen römischen Kirche identisch ist, d. h. in ihr zur Darstellung kommt.« 13 Schlink nennt die Weise der Beurteilung anderer Kirchen »quantifizierend«, da sie von der Quantität der mit Rom gemeinsamen konstitutiven Elementen römisch-katholischer Kirche ausgeht14. In der grundsätzlichen Bestimmung der Kirchen sieht Schlink die Bedeutung des cyprianischen Satzes, daß außerhalb der Kirche kein Heil sei, abgemildert; bestimmend ist aber noch immer die mit der Theorie des votum implicitum Ecclesiae behauptete Sehnsucht der von Rom getrennten Christen nach der römisch-katholischen Kirche15. Grundlegend ist die Anerkennung der Heilswirksamkeit der richtig vollzogenen Taufe 16 . Die Kirchenkonstitution kennt außerhalb der eigenen Kirchengrenzen nur Personen der nichtkatholischen Christen; das Ökumenismusdekret dagegen »Kirchen« und »kirchliche Gemeinschaften«, wobei das ekklesiologische Problem dieser Aussage nicht weiter geklärt ist17. Aus der Beurteilung am eigenen Maßstab folgt die für den römischen Katholizismus neuartige Tendenz, in der konkreten Beurteilung der zertrennten Kirchen das Positive bei den von Rom getrennten Christen zu suchen und hervorzuheben, wo Gemeinsamkeiten erkennbar sind. So wird auch die klassische Unterscheidung zwischen schismatischen und häretischen Kirchen nicht mehr verwendet. Schlink gibt jedoch zu bedenken, daß sie dem Anschein nach in der Unterscheidung von »Kirchen« und »kirchlichen Gemeinschaften« weiterlebt 18 .

Hierarchie her und in ihrer Beziehung zu Christus, anstatt auch im Gegenüber zu ihrem kommenden Richter, gesehen. Schließlich wurde das freie Wirken des Heiligen Geistes zu wenig berücksichtigt. Vgl. Zum ökumenischen Dialog 597-601. 15 Ringen 179. 14 Vgl. ebd. und Dekret 227. Er stellt jedoch auch einen begrenzten methodischen Fortschritt fest, da es Aussagen gibt, die das quantifizierende Denken durchbrechen: Vgl. Ringen 180 und Dekret 227. 15 Vgl. Dekret 222; DS 3870. " Vgl. Lehre von der Taufe 744 und die oben in Kap. 3.2 angeführen Belege. 17 Vgl. Dekret 223. M a n bedenke vor allem, daß infolge des bei den kirchlichen Gemeinschaften fehlenden Weihesakraments behauptet wird, daß die ursprüngliche und vollständige substantia des eucharistischen Mysteriums nicht bewahrt worden sei: LThK 13, 118, vgl. Dekret 225-226. " Vgl. ebd. 224 und Ringen 178.

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10.2 Vereinigung der Kirchen: Die Anweisungen zum ökumenischen Verhalten Die Bedeutung der Ratschläge des zweiten Kapitels des Okumenismusdekrets reicht für Schlink weit über die römische Kirche hinaus zu allen, die am Dialog teilnehmen19. Unverzichtbar für jeden katholischen Christen sind die folgenden Schritte in der Begegnung mit anderen Christen20: (1) Die geistliche Erneuerung des Menschen 21 , (2) das Gebet um die Einheit, (3) die wahre Erkenntnis der getrennten Brüder, (4) der Dialog mit den getrennten Brüdern auf der Grundlage der Gleichberechtigung 22 , (5) die Forderung der ökumenischen Zusammenarbeit auf sozialem Gebiet und in der gemeinsamen Bezeugung des Glaubens 23 . Weitere Schritte der Darstellung der Einheit, die den weiteren Weg der Vereinigung der Kirchen bis zum Ziel ihrer Einheit klären könnten, sind im römisch-katholischen Konzept des Ökumenismus, wie er sich im Dekret ausdrückt, nicht vorgesehen. Schlinks Urteil über die genannten Schritte, die der praktischen Verwirklichung des Okumenismus dienen sollen, zeigt, daß er sie nur für erste Stufen auf dem Weg der Vereinigung hält:

" »[...] sie formulieren in der Tat das, was im Verkehr der getrennten Brüder miteinander als erstes nottut - das, was unter Christen selbstverständlich sein sollte, aber leider nicht überall selbstverständlich ist. [...] Dieses Kapitel läßt in besonderer Weise die Ernsthaftigkeit des ökumenischen Wollens deutlich werden, von dem das Sekretariat für die Einheit und darüber hinaus viele Konzilsväter bestimmt sind.«: Dekret 206, vgl. Ringen 182, Ergebnis 193. 20 Vgl. Dekret 206-208, Ringen 183-184, Ergebnis 193. Die Schritte auf dem Wege der Vereinigung der Kirchen stehen in Parallele zu den Vorschlägen Schlinks über die »Erkenntnis der Einheit« (vgl. oben Kap. 6.2) und auch zur Dialogpraxis des Ökumenischen Rates der Kirchen (vgl. ÖD 694, Ringen 182, Dekret 232-233). Hier werden sie deshalb nur kurz aufgeführt Er schätzt die methodischen Übereinstimmungen zwischen der römischen Kirche und dem Ökumenischen Rat als um so bedeutsamer ein, als das Vorgehen aus der ökumenischen Sehnsucht auf römisch katholischer Seite entspringt, Römisch-katholischer Ökumenismus 615. " Der Ansatz des wahren Okumenismus in der Buße des einzelnen ist auch Schlinks erster Schritt der Erkenntnis der Einheit " Hierbei ist primär an den Dialog zwischen Theologen, an »gemeinsame Forschungsarbeit mit den getrennten Brüdern«, nicht zwischen den Kirchen, gedacht. Methodisch wichtig ist für Schlink die Empfehlung, beim Vergleich der Lehren miteinander die »Rangordnung der Wahrheiten« zu berücksichtigen, die als Rangordnung der inhaltlich-systematischen Gültigkeit, nicht der verpflichtenden Geltung der Dogmen zu verstehen ist Vgl. Dekret 207-208, LThK 13, 86-88. Schlink sieht die Bedeutung dieser ersten vier ökumenischen Ratschläge besonders in der Tatsache, daß ihre Verwirklichung schon auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil begonnen hat, obwohl die römische Kirche bis kurze Zeit vor dem Konzil Zurückhaltung übte. 23 »Die Bereitschaft des Konzils zum gemeinsamen Christuszeugnis mit der nichtrömischen Christenheit ist von ganz besonderer Bedeutung«: Dekret 208.

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» S o beschränken sich die Anweisungen d e s D e k r e t e s für das ö k u m e n i s c h e Verhalten z u n ä c h s t auf die allerersten Schritte. D i e s e A n w e i s u n g e n sind z w e i fellos v o n großer, ja für viele katholische T h e o l o g e n und Laien g e r a d e z u v o n revolutionärer Bedeutung. A b e r z w i s c h e n diesen ersten Schritten und der angestrebten Einigung bleibt d o c h ein weiter A b s t a n d « 2 4 .

Die Anweisungen für den Ökumenismus von römisch-katholischer Seite beurteilt Schlink als nicht ausreichend, da sich die Kirchen nur vereinigen können, wenn zuvor die schwersten Belastungen des kirchlichen Zusammenlebens beseitigt sind25. Er hat sich weitere Fortschritte in diese Richtung von weiteren Konzilsbeschlüssen erhofft

10.3 Einheit in der römisch-katholischen Kirche als Ziel des Ökumenismus Das Ziel des römischen Okumenismus ist die Einigung der getrennten Kirchen mit der katholischen Kirche auf Grund ihrer mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil beginnenden Erneuerung, es wird als Folge von einander zugeordneten Zielen entfaltet: auf die Erneuerung der römischkatholischen Kirche soll die Entfaltung ihrer Katholizität folgen; dadurch wird ein überzeugenderer Eindruck bei den von ihr getrennten Brüder hervorgerufen, der diese auf den Weg zur Einigung führt 26 . Auf dem Weg zur Einigung ist die Erneuerung der römisch-katholischen Kirche das erste Teilziel. Das Ökumenismusdekret ruft die ganze römische Kirche zur dauernden Reformation 27 . Die angefangene Erneuerung der katholischen Kirche erweist sich auf dem Konzil im Ringen um eine kollegiale und mannigfaltige Gestalt der Kirche, die an die Stelle von Zentralismus und Uniformität treten. Schlink sieht allerdings auch, daß die Erneuerung beim Dogma der Kirche stillstand28: Sowohl die

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Ebd. 210. Vgl. ZumAbschluß 160. Als vordringliche Forderungen erwähnt er Regelungen in der Mischehenpraxis, in der chrisdichen Missionsarbeit und in der im römischen Katholizismus weitläufig geübten Konditionaltaufe. Vgl. Dekret 209. 26 Dekret 210. Ringen 186. 27 Vgl. Dekret 210-211, Text: LThK 13, 70: »Ecclesia in via peregrinans vocatur a Christo ad hanc perennem reformationem qua ipsa, qua humanum terrenumque institutum, perpetuo indiget«. (De Oecumenismo Art. 6) 2 * Die Konzilsväter bekannten sich im Konzilseid und mit der Feier zum Gedenken an das tridentinische Konzil zu allen Dogmen der Kirche und den darin enthaltenen Anathematismen: »Die Gegensätze der im Dogma enthaltenen Glaubensaussagen und die damit verbundenen Anathematismen aber sind die tiefste Hindernis der Einigung«, Ringen 187, vgl. Zum Abschluß 162, Rückblick 31. Die Dogmen wurden nicht historisch hermeneutisch untersucht und neuinterpretiert, sie wurden auch nicht vom Christusbekenntnis her dogmatisch gewichtet und eingeordnet, vgl. Ringen: ebd. 25

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Anathematismen des Tridentinums als auch die Meßopferlehre, die mariologischen Dogmen und die Ablaßpraxis wurden nicht geändert 29 . Das zweite Teilziel ist die Entfaltung der Katholizität der römisch-katholischen Kirche. Katholizität im Rahmen der eigenen Kirche zu suchen heißt für die Katholiken, verschiedenen Formen des kirchlichen Lebens und der Lehre mehr Freiraum zu geben. Im Blick auf die Kirchen, die vom Stuhl Petri getrennt sind, bedeutet dies, die Reichtümer des geistlichen Lebens der nichtrömischen Kirchen zu entdecken. Als Beispiele nennt Schlink die Übernahme evangelischer Choräle in katholische Gesangbücher, die Einführung der Methoden und Ergebnisse protestantischer Bibelexegese und die Aufnahme von Themen und Fragestellungen der systematischen und ökumenischen Theologie 30 . Das Ziel der Einigung der getrennten Kirchen setzt auf katholischer Seite voraus, daß die Einheit in der römischen Kirche gegeben ist31. Die erstrebte vollkommene Gemeinschaft der nichtrömischen Christen mit der römisch-katholischen Kirche muß in allen Bereichen hergestellt werden: »Zur vollkommenen Gemeinschaft gehört das Bekenntnis des einen Glaubens, die gemeinsame Feier des götdichen Kultes (die Gemeinschaft also des sakramentalen Lebens) und die Eintracht in der Leitung, und zwar in der Anerkennung der vollen Primatialgewalt des römischen Bischofs in Sachen des Glaubens und der Disziplin gemäß dem I. Vatikanum«.32 Für das Ziel der Vereinigung der Kirchen wird auch der Begriff der »Rückkehr* zur katholischen Kirche noch gebraucht 33 . Doch erlaubt die Formulierung des Ziels des römischen Ökumenismus, so interpretiert Schlink, verschiedene Auslegungsmöglichkeiten: (1) Grundlage der ersten ist das Verständnis der römischen Kirche in ihrem gegenwärtigen Zustand als erneuerte und katholische. Daraus folgt, daß die Einigung bevorzugt als Rückkehr verstanden wird 34 . (2) Wird das Konzilsgeschehen jedoch nur als Anfang, nicht als realisierte Erneuerung gesehen, desto mehr wird die Einigung als Ergebnis beiderseitiger Wandlung der Gesprächspartner erwartet, »[...] nicht als Rückkehr, sondern als Versöhnung, nicht als Unterwerfung, sondern als wechselseitige Aufnahme der Gemeinschaft, nicht als einseitiges Geben, sondern als wechselseitiges Geben und Empfangen« 35 . In dieser Interpretation des Zieles wird ein " Vgl. Dekret 212 und Rückblick 32. 30 Vgl. Dekret 213. " Vgl. ebd. 213-214, Ringen 188 und LThK 13, 64: Die Einheit wird gesucht, die Christus seiner Kirche von Anfang an geschenkt hat, von der die Katholiken glauben, daß sie unverlierbar in der katholischen Kirche besteht »quamque inamissibilem in Ecclesia catholica subsistere credimus«. (De Oecumenismo Art. 4) " Dekret 214. 33 Vgl. Ringen 189, Dekret 214. 34 Vgl. Dekret 214-215. 35 Ebd. 215.

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Raum freigehalten für zunehmende Annäherungen, wobei sich beide Seiten der Führung des Heiligen Geistes anvertrauen müssen. Ebenfalls ist wie bei der vorhergehenden Auslegung die Unveränderlichkeit des Dogmas und des päpstlichen Primates vorausgesetzt, ihre Neuinterpretation jedoch nicht ausgeschlossen36. (3) Schließlich wir das Ziel der geeinten Christenheit von manchen römisch-katholischen Theologen und Laien ekklesiologisch nicht in der Form festgelegt, die die katholische Kirche im Ökumenismusdekret und in der dogmatischen Konstitution über die Kirche ausgesprochen hat. Das Ziel wird als Tat des Heiligen Geistes erwartet, es wird ohne festgelegte Einigungskonzeption in gemeinschaftlichem gegenseitigem Geben und Nehmen der Kirchen erreicht37. Nach Schlinks Urteil macht das Okumenismusdekret vor allem Aussagen im Sinne der zweiten Zielformulierung, wobei auch die strengere erste Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden kann. Auch die Vertreter der dritten Interpretation können, so urteilt Schlink, »für ein Teilstück der Wegstrecke zur Einigung geduldet werden«, wenn der Ökumenismus des Dekrets diese Auffassung auch am wenigsten widerspiegelt38. Dem Spektrum möglicher Konkretionen des Zieles des Ökumenismus entspricht das Problem, daß das Verhältnis zwischen Konvertitenarbeit und Ökumenismus nicht geklärt wird39. Schlink will für die Zukunft ein weiter gefaßtes Einigungsverständnis der römisch-katholischen Kirche im Sinne der zweiten oder dritten Auslegungsmöglichkeit nicht ausschließen, rät aber dazu, sich an die Wirklichkeit zu halten und zu sehen, »daß die Anerkennung aller römisch-katholischen Dogmen, und zwar auch des päpstlichen Primats in der vollen Bedeutung der Unfehlbarkeitserklärung des I. Vatikanischen Konzils die römische conditio sine qua non für die Einigung ist«40.

10.4 Würdigung Zusammenfassend ist festhalten, daß der römisch-katholische Ökumenismus aufgrund seiner dogmatischen Bindungen klar ausgeformte Vorstellungen von der Einheit und der Trennung voraussetzt, so daß die Schritte der Vereinigung der Kirchen und das Ziel kirchlicher Einheit

» Vgl. ebd. 215. " »In dieser Sicht werden auch Änderungen in dem dogmatischen Verständnis und in der zentralistischen Ordnung für möglich gehalten, die faktisch nicht mehr nur Neuinterpretationen, sondern Korrekturen der bestehenden Dogmen wären.« Ebd. 215. 38 Dekret 216. 59 Vgl. LThK 13, 64. 40 Dekret 216, vgl. Ringen 189.

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innerhalb der durch alle noch gültigen Dogmen markierten Grenzen zu verstehen sind 41 . Im Vergleich mit der von Schlink dogmatisch gewürdigten Vorbildlichkeit ostkirchlicher Theologie fällt sein Urteil über den römischen Katholizismus deutlich negativer aus: Hier findet er das eigene römische Selbstverständnis als Maßstab für die quantifizierende Beurteilung der Wirklichkeit anderer Kirchen, anstatt daß die Gemeinschaft in gegenseitiger Anerkennung der Kirchen gesucht wird; einheitliche dogmatische Formulierungen werden auch über die christologischen und trinitarischen Grundentscheidungen hinaus als verbindlich für die Einheit angesehen; die vorgeschlagenen methodischen Schritte auf dem Weg der Vereinigung sind nur erste Handlungshinweise für mehr Gemeinsamkeit, die weitere Interpretationen des Vereinigungsprozesses zulassen. So kommt er zu dem Ergebnis, daß die Wirklichkeit des römischen Katholizismus Ansatz und Ziel seines Ökumenismus prägt. Obwohl die römisch-katholische Ekklesiologie im Einsatz bei dem allen Kirchen gemeinsamen Evangelium zu Erkenntnissen kam, die auch mit Schlinks Sicht der Kirche übereinstimmen, wurde doch die Uberwindung der dogmatischen Gegensätze mit Hilfe der historischen Hermeneutik und auf der Grundlage des urchristlichen Einheitsverständnisses nicht versucht. Haupthindernis auf dem Weg zur Vereinigung sind die für alle Christen verbindlichen dogmatischen Definitionen der römisch-katholischen Kirche, bei denen die Frage nach ihrer Schriftgemäßheit gestellt werden muß 42 .

41 42

Vgl. zum römisch-katholischen Einheitsverständnis auch Maron, 272-273. Vgl. oben Kap. 1.4 zur Mariologie und Kap. 7.4 zum Papstamt

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3.

TEIL

1. Die Bedeutung von Schlinks Vorgehensweise für die ökumenische Methodik In einer abschließenden Einordnung von Schlinks Ansatz soll die Tragweite seiner methodischen Berücksichtigung der Strukturen theologischer Aussagen mit wichtigen Entwürfen ökumenischer Methodik verglichen und der positive Ertrag von Schlinks Vorgehen für andere Ansätze herausgestellt werden. Schlinks Vorgehensweise hebt sich ab von der rein komparativen Methode, die die Arbeit der Bewegung für Glauben und Kirchenverfassung in ihren Anfängen prägte. Sie bestand in der Feststellung von Übereinstimmungen und Verschiedenheiten und war - zumindest in der Ekklesiologie einiger Teilnehmer - mit der Zielvorstellung eines vollständigen Konsensus oder einer wiedervereinigten Kirche verbunden1. Schlinks Methode setzt das vergleichende Vorgehen als ein Vorstadium ökumenischer Methodik voraus; in der exakten Wahrnehmimg der Gestalt der anderen Kirchen hat es eine begrenzte bleibende Funktion innerhalb seiner Arbeitsweise2. Von dieser vergleichenden Betrachtung, die die Wirklichkeit anderer Kirchen quantifizierend am Maßstab der eigenen Kirche mißt, ist jedoch zur vertieften historischen, strukturellen und theologischen Betrachtung der Kirchen durchzustoßen. Die vergleichende Methode wurde modifiziert, indem die theologischen Traditionen, die den Dialogpositionen zugrundeliegen, in die theologische Arbeit einbezogen wurden. Von einer Aufarbeitung der Ursachen der Entzweiungen und von der Beseitigung ihrer historischen Konsequenzen erhoffte man sich die Vereinigung der Theologien, bevor die Kirchenvereinigung vollzogen werden sollte. Unter den Ursachen der Entzweiung werden auch die nichttheologischen bzw. anthropologischen 1 Vgl. Geschichte der ökumenischen Bewegung Bd. 2, 26; Slenczka, »Dogma und Kircheneinheit«, HDThG 3, 469-488, bes. 470f, 473; Gaßmann, Konzeptionen 65f, 71 f, 74; Raiser, Ökumene im Übergang 28. 2 Vgl. ÖD 695-696 und den Strukturaufiatz, KC 77-78; Bemerkungen zur Arbeitsmethode 387.

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Faktoren der Kirchenspaltungen aufgeführt 3 . Dieser erweiterte Vergleich erinnert in seinem historisch-hermeneutischen Ansatz unter Berücksichtigung des außertheologischen Elements an Schlinks Vorgehen, nicht zuletzt in der vorausgesetzten pneumatischen Erfahrung der Wirklichkeit der einen Kirche4. Er unterscheidet sich von Schlinks Strukturuntersuchung jedoch darin, daß dieser die anthropologischen Grundformen, in denen die Ursachen der Spaltung gesucht werden, auf das Evangelium zurückbezieht: Sie werden durch das Evangelium beurteilt (»zerbrochen«) und mit neuem Inhalt gefüllt Ihre Wirksamkeit innerhalb der Theologie ist somit begrenzt, was allerdings nicht ausschließt, daß die Aufgabe der »Ubersetzung« von einer theologischen Aussageform in eine andere geleistet werden muß. Schlinks Einfluß ist es zu verdanken, daß in der Arbeitsmethode der Kommission von Glauben und Kirchenverfassung auf der dritten Weltkonferenz in Lund eine Neuorientierung erfolgte 5 . Der nicht hinreichende Ansatz beim bloßen Vergleich von Positionen wurde abgelöst von der methodischen Ausrichtung des Gesprächs auf die Wirklichkeit des Herrn der einen Kirche, Christus. Dieses gemeinsame Christusbekenntnis sollte in seinen ekklesiologischen Implikationen entfaltet, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede vom Christuszeugnis der Heiligen Schrift aus verstanden werden 6 . D i e »Lunder

Methode*

der gemeinsamen ( c o m m o n ) - an-

1 Diese Erweiterung der komparativen Methode besonders in der Vorbereitung und der Durchführung der zweiten Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung 1937 im Gespräch, vgl. Slenczka, HDThG 3, 489; Gaßmann, Konzeptionen 209-220. Frieling, Bewegung, 204, betont stärker die Kontinuität in der Vorgehensweise zwischen den Konferenzen von Lausanne und Edinburgh. 4 In der neueren Methodendiskussion hat die »Kollusionstheorie« von P. Lengsfeld als Theorie ökumenischer Prozesse die Aufmerksamkeit auf sich gezogen und den Anstoß zu einem Arbeitspapier des DÖSTA gegeben. (Vgl. Ökumenische Theologie, P. Lengsfeld, Hg., 36-68. DÖSTA, Theolog ie der Ökumene - Ökumenische Theoriebildung, 205-221, bes. 219-221.) Mit dem Stichwort »Kollusion« wird »das >ZusammenspieI< vieler unterschiedlicher Faktoren bzw. Faktorengruppen im zwischenkirchlichen Interaktionsprozeß« bezeichnet (Lengsfeld 45). Die alte Frage nach den nichttheologischen Faktoren in der Theologie wird demnach bei Lengsfeld wieder aufgenommen. Sie ist jedoch nicht hinsichtlich der historischen Genese theologischer Differenzen gestellt; vielmehr wendet sich die Aufmerksamkeit der psychologischen Untersuchung kollusiv wirkender Faktoren im ökumenischen Gespräch der Gegenwart zu. Vgl. auch Schlüter, Grunddifferenz, bes. 304-315, der die Debatte um eine zwischenkirchliche Grunddifferenz mit Hilfe der Kollusionstheorie deutet; Mildenberger, Debatte (bes. 151-155) zur Reflexion der geschichtlichen Erfahrungen, dogmatischem Denken und hermeneutischen Vorentscheidungen als Voraussetzung des Urteils über den Ökumenischen Rat der Kirchen. s Vgl. Slenczka, Edmund Schlink 160-161. 4 Vgl. Geschichte der ökumenischen Bewegung, Bd. 3, 200 f., 207; Slenczka, HDThG 3, 560 f. Bemerkungen zur Arbeitsmethode 387. Da das bilaterale Lehrgespräch mit der römisch-katholischen Kirche von der Rückkehr zur vergleichenden Methode geprägt ist, empfiehlt Raiser (Ökumene im Übergang 31-32) wieder eine entschlossene Selbstrelativierung und christologische Ausrichtung der Kirchen; dies wäre durchaus im Sinne Schlinks.

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statt einer vergleichenden Ekklesiologie (comparative ecclesiology) - wurde vertieft, indem auch die Vielfalt des neutestamentlichen Zeugnisses über die Kirche in den Blick genommen wurde, dessen Verhältnis zur Vielfalt der Kirchen zu bestimmen ist7. Die christologische Grundlegung und eschatologische Ausrichtung der ökumenischen Arbeit sowie die Berücksichtigung des neutestamentlichen Zeugnisses in seiner Mannigfaltigkeit sind Aspekte methodischen Vorgehens, die Schlinks Ansatz prägen. Allerdings ist das Vorgehen von Faith and Order insofern begrenzt, als die neutestamentliche Vielfalt nicht direkt den Unterschieden zwischen den Kirchen heute entspricht, da sie nicht im gleichen geschichtlichen Zeitraum entstanden sind: »Es bleibt ein Hiatus zwischen der urchristlichen Mannigfaltigkeit und den heutigen Unterschieden, der eine direkte Übertragung der neutestamentlichen >Einheit in der Mannigfaltigkeit auf die heutige Situation der Kirchen unmöglich macht«8. Diese Differenz überbrückt Schlinks Lehre von den Grundstrukturen kirchlichen Lebens und theologischer Lehre, die die inhaltliche Übereinstimmung der Vielfalt kirchengeschichtlicher Gestalten der Kirche auf der Grundlage des vielfältigen neutestamentlichen Zeugnisses feststellt9. Das neuere ökumenische Gespräch ist durch eine Vielzahl von Lösungsvorschlägen in den offenen Fragen des Lehrkonsensus und seiner Rezeption, ja sogar durch »methodische Unsicherheit« gekennzeichnet10. In der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung und im Ökumenischen Rat der Kirchen ist in neuerer Zeit eine Hinwendung zur »interkontextuellen Methode« zu verzeichnen, die den Kontext der Theologie als konstitutiven Faktor methodisch in die theologische Überlegung einbezieht11. Diese Ausweitung des Bezugsrahmens bisheriger Methode hat Schlink insofern nicht direkt im Blick, als sein Verständnis der Aufgabe dogmatischer Theologie die »kontextuelle« Berücksichtigung der Wissenschaften schon von Anfang an impliziert; die Gefahr eine Verselbständigung des Kontextes war ihm als dogmatisches Problem schon immer deutlich. Der Kontext gewinnt in seinem theologischen Werk allerdings keine konstitutive Bedeutung12. Die - in der Anwendung der 7

Vgl. Bemerkungen zur Arbeitsmethode 387-389; Slenczka HDThG 3, 565. * Bemerkungen zur Arbeitsmethode 389. ' Vgl. ebd. 389 f. 10 Raiser, Ökumene im Übergang 31. Vgl. als einen maßgeblichen römisch-katholischen Vorschlag Lengsfelds (unten S. 252) angeführte Kollusionstheorie. Zur Rezeptionsproblematik ökumenischer Theologengespräche vgl. Fahlbusch, der die Schwierigkeit anhand der Diskussion um die Lima-Erklärungen erörtert. 11 Vgl. Slenczka, HDThG 3, 599-601 und 569-570. 12 Man vergleiche besonders die Untersuchung Der Mensch in der Verkündigung der Kirche, in der Schlink die kontextuelle Berücksichtigung anthropologischer Wissenschaft als Forderung in Anerkennung des göttlichen Gesetzes auffaßt Vgl. oben 2. Teil, Kap. 1.1.2; Mensch 238.

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kontextuellen Methode implizierte - Zuordnung des kerygmatischen Auftrages zum Dienst der Kirche an der Welt steht für ihn ebenfalls nicht in Frage und wird deshalb auch nicht besonders thematisiert13. Angesichts der gegenwärtigen Diskussion über den Grundkonsens oder die behauptete Grundverschiedenheit der Kirchen ist zu fragen, inwiefern Schlinks methodisches Vorgehen einen Fortschritt im ökumenischen Gespräch über dieses Thema bewirken könnte 14 . Eine »Grundverschiedenheit* zwischen evangelischen und römisch-katholischen Christen, die von Einzeldissensen zu unterscheiden ist, wird in verschiedenen Bereichen der Lehre vorgefunden. Das französische Comite Mixte konstatiert eine Grunddifferenz in der Ekklesiologie, die in der unterschiedlich definierten Stellung des gerechtfertigten Menschen vor Gott und der Übertragung dieser Bestimmung auf die Kirche begründet ist15. »Katholiken und Evangelische reagieren auf unterschiedliche Weise, wenn es darum geht, die Rolle der Kirche und ihrer Institutionen bei der Weitergabe von Gottes Heil an die Menschen zu definieren [ . . . ] Die Differenz besteht nicht im Verständnis der Rechtfertigung des Sunders, sondern in der Stellung des gerechtfertigten Menschen vor Gott und in der Art und Weise, wie diese Stellung auf die Kirche als solche angewandt wird. Diese Grunddifferenz trennt die Kirche noch in ihrem ekklesiologischen Ausdruck. [ . . . ] Die Beteuerung eines Grundkonsenses, der die heute bestehende Situation nicht tnfft, reicht nicht aus.«16

13 Vgl. Thesen zur Methodik, 90; Bedeutung von Faith and Order 147; Bekenntnisbestimmte Kirche 82; Heiliger Geist und die Katholizität der Kirche 16; ÖD 706-707, vgl. ebd. 395. 14 Vgl. zur neueren Literatur die oben angeführten Veröffendichungen von Schlüter und des DÖSTA, außerdem: Meyer, Grundverschiedenheit - Grundkonsens; Rezeptionsproblematik und Konsensstruktur 201-206; Sündige Kirche. Schütte, Ziel: Kirchengemeinschaft 73-97. Handbuch der Ökumenik I I I / l , Kap. V (bes. 247-260). Herms, Einigkeit im Fundamentalen. »Zum Verhältnis Grundkonsens - Grunddifferenz: Der Text des französischen Comite Mixte«. In diesen Erörterungen geht es primär um die Frage konfessioneller Positionalität und nicht um die Unterscheidung von wahrer und falscher Kirche. Zur Geschichte des Problems seit Beginn des 19. Jahrhunderts vgl. Meyer, Grundverschiedenheit - Grundkonsens (349). Beinert »Konfessionelle Grunddifferenz: Ein Beitrag zur ökumenischen Epistemologie (II)«, Catholica 34 (1980): bes. 39-47. Er behauptet, die Frage der Grunddifferenz zwischen den Konfessionen sei erst spät aufgekommen (ebd. 39). E. Kinder (vgl. Der evangelische Glaube 54, 76, 210) betont die Notwendigkeit einer Grundentscheidung in der Ekklesiologie und führt sie bis auf Luther zurück. Calvin (Institutio rV,2,l) sieht die entscheidende Differenz zwischen der wahren und der falschen Kirche in den Kennzeichen der wahren Kirche, dem Verkündigungsdienst und der stiftungsgemäßen Spendung der Sakramente. 14 »Zum Verhältnis Grundkonsens - Grunddifferenz: Der Text des französischen Comite Mixte« 224-228. Vgl. dazu Meyer, Sündige Kirche 405-408; zum Begriff der »Verschiedenheit« und des »Grundkonsens«, ders.: Rezeptionsproblematik und Konsensstruktur 202-204, 206. " Ebd. 229-230.

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Auf katholischer Seite sieht Yves Congar die Grundverschiedenheit letztlich in der Christologie; Heribert Mühlen benennt das Verständnis von Person als eigentliches Problem; O.H. Pesch findet die Differenz in den unterschiedlichen Denkformen17. Auf evangelischer Seite lokalisiert Ellert Herms den Grunddissens im Offenbarungsbegriff bzw. auch allgemeiner in der Erfassung der fundamentalen Einigkeit im Medium von gültigen Gestalten kirchlicher Lehre18. Jörg Baur findet die Grunddifferenz in der Christologie, Η. M. Müller, E. Jüngel und R. Frieling nennen Fragen der Ekklesiologie19. H. Meyer spricht zusammenfassend von einer »Unscharfe« der Versuche, die eine Grunddifferenz herausarbeiten wollen; »kirchentrennende Schärfe« kann er keiner Formulierung der Grunddifferenz zuerkennen20. Von einem Grundkonsens, der vom Konsens in Einzelfragen zu unterscheiden ist und keine weitere Trennung der Kirchen auf Grund von Lehrfragen impliziert, wird allgemein - aber auch exakter - im Blick auf das gemeinsame Festhalten an den altkirchlichen Symbolen und hinsichtlich des gemeinsamen Verständnisses des Glaubens bzw. der Rechtfertigung gesprochen21. Auch Schlink spricht von einem bestehenden Konsens zwischen den Kirchen, den er näher als das gemeinsam verbliebene Dogma oder auch das gemeinsame Credo bestimmt Von diesem Konsens aus sollen die dogmatischen Gegensätze und ihr Gewicht im Ganzen des christlichen Glaubens neu verstanden werden22. Allerdings geht Schlinks Ansatz über die Feststellung eines Grundkonsens im Fundamentalen und von Divergenzen in Einzelthemen hinaus; seine Vorgehensweise könnte die Diskussion um Grundkonsens und Grunddifferenz zwischen katholischer und evangelischer Lehre einer Lösung zuführen: (a) In ihrem bisherigen Verlauf beschränkt sich die Erörterung der Frage eines Grundkonsens auf den Lehrvergleich zwischen den getrennten Kirchen. Ein Vergleich des ganzen kirchlichen Lebens und des darin zum Ausdruck kommenden Reichtums verschiedener Glaubensgestalten auf der Grundlage des Evangeliums sollte den Vergleich der Lehre er17

Vgl. Meyer, Grundverschiedenheit - Grundkonsens 349. " Vgl. Herms, Einheit der Christen in der Gemeinschaft der Kirchen, Kap. 3; Einigkeit im Fundamentalen 57-58. Vgl. zu Herms: Schütte, Ziel Kirchengemeinschaft 74-76. " Vgl. Meyer, Grundverschiedenheit - Grundkonsens 351-352; Sündige Kirche 397-398. Schütte, Ziel: Kirchengemeinschaft 76-91. M. Seitz hat unlängst auf die spirituelle Grunddivergenz aufmerksam gemacht: Einheit der Kirche: Klausurtagung der Bischofskonferenz der VELKD 1984, 117. M Vgl. Meyer, Sündige Kirche 408. 21 Vgl. Meyer, Grundverschiedenheit - Grundkonsens 347. Zum Verhältnis Grundkonsens - Grunddifferenz 222. »Justification By Faith.« Hg. v. Lutheran-Roman Catholic Dialogue Group in the United States. Origins: National Catholic News Documentary Service 13 No. 17, Oct. 6 (1983): 277. Schütte, Ziel: Kirchengemeinschaft 67-72. » Vgl. ÖD, Vorwort V-VI. 231

ganzen und falsche Ergebnisse korrigieren. Die von Herms geforderte »Selbstkonkretisierung« 23 der Kirchen wird nach Schlink in ihrer Betrachtung von der christologischen Mitte der »Lebensganzheit« der Kirchen her nicht eine Grunddifferenz offenbaren; sie wird vielmehr die Quellen erschließen, aus denen jede Kirche eigendich lebt. (b) Die Strukturuntersuchung theologischer Aussageformen muß nicht nur in der Exegese und der Dogmatik, sondern auch in theologischen Äußerungen im Gottesdienst, in Gebet, Doxologie, Verkündigung und Bekenntnis durchgeführt werden. Diese Arbeit wird zu dem Ergebnis führen, daß der inhaltliche Konsens in manchen Aussagestrukturen umfangreicher ist, als das von kirchentrennenden Formulierungen in der Lehre aus zu erwarten wäre. (c) Eine Übersetzung von theologischen Inhalten aus einer Struktur, in der ihre Formulierung kirchentrennende Folgen hatte, in die grundlegende neutestamentliche Aussagestruktur oder auch in eine andere gottesdienstliche Aussageform kann kontroverstheologische Frontstellungen transparent machen. Gemeinsamkeiten werden sichtbar, die auch bis in die dogmatischen Gegensätze hineinreichen. So könnte Schlink die behaupteten »Grunddifferenzen« in Frage stellen, noch stärker als dies H. Meyer schon auf Grund seiner bisherigen Forschungen tun zu können meint: »Sie erscheinen eher als hermeneutische Formeln, die man - gleichsam ad usum delphini - durchaus gebrauchen kann, die aber dort ihre Funktion verlieren, wo es um die exakte Identifizierung und um die theologische Überwindung derjenigen Fragen geht, die unsere Kirchen in der Vergangenheit getrennt haben und auch heute noch trennen. Diese Fragen liegen nun einmal nicht auf der Ebene allgemeiner >Grund-Einzeldifferenzen«< 24 .

Auf der Grundlage von Schlinks methodischem Vorgehen - unter Voraussetzung des Konsensus im gemeinsamen Bekenntnis - ist auch seine Zustimmung zum »Rahner-Plan« für die Einigung der Kirchen zu verstehen. »Ich finde Ihrer beider Schrift als starke Ermutigung und als einen kräftigen Impuls in der gegenwärtig so stagnierenden ökumenischen Luft. Ich finde in diesem Buch das Beste gegenwärtig, was in den letzten Jahrzehnten zwischen unseren Kirchen aufgebrochen ist [ , . . ] « 2 5 .

Die in Rahners Konsensdokument geforderte »erkenntnistheoretische Toleranz« in der Anerkennung kirchlicher Lehre durch die Christen würde für Schlink auf Grund der Ergebnisse seiner Methode nicht notwendig, wegen ihrer Grundlage jedoch auch nicht möglich sein 26 . Vgl. Henris, Einigkeit im Fundamentalen 61, 63. Meyer, Sündige Kirche 408. " Sie findet sich in einem Brief, den Fries im Anhang des Buches wiedergibt: ebd. 160. 24 Vgl. Fries, Rahner, Einigung der Kirchen - reale Möglichkeit 47. Zur Kritik der Formel

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2. Zusammenfassung und Ergebnis Der Ertrag von Schlinks methodischer Arbeit am dogmatischen Problem kirchlicher Einheit soll hier im Überblick zusammengefaßt werden. Seine Deutung der gegebenen Einheit der Kirche, ihrer Zertrennung und Vereinigung mit dem Ziel der Kirchengemeinschaft konzentriert sich in der Ekklesiologie. Sie wird deshalb der Auswertung zugrunde gelegt. Schlinks Ausgangspunkt für seine Bemühungen um die Vereinigung getrennter Kirchen ist die in ihrem Wesen begründete Einheit der Kirche27, deren ursprüngliche Wirklichkeit von der Schrift bezeugt wird. Er sieht in der Vielfalt des neutestamentlichen Zeugnisses innerhalb des Kanons nicht eine Vielfalt der Konfessionen, die im Widerspruch zu ihrer Einheit steht, angelegt. Vielmehr besteht die legitime Vielfalt der Kirchen des Neuen Testaments in ihrer Einheit, die die Einheit desselben Gottes ist Die dynamische Grundstruktur der neutestamentlichen ekklesiologischen Aussagen, ihre Begründung im ersten Kommen Christi und ihre eschatologische Ausrichtung auf sein noch ausstehendes Kommen, wird von Schlink ebenso methodisch berücksichtigt wie die biblische Vielfalt der Begriffe für die Kirche. Gegensätze, die die Zertrennung der Kirchen verursacht haben, werden als trennende »Traditionen« vorwiegend auf verschiedene geschichtliche Fronten oder theologische Einseitigkeiten zurückgeführt. Die dogmatische Unterscheidung von Irrtum und Wahrheit tritt dagegen zurück, weil die Gegensätze historisch verständlich werden. Die in Schlinks Ansatz postulierten anthropologischen Differenzen sind in ihrer Bedeutung als kirchentrennende Faktoren gegenüber anderen historischen Einwirkungen und inhaltlichen Aussagen, die für Kirchenspaltungen verantwortlich zu machen sind, gering einzuschätzen. Auch die formalen Beobachtungen zur ursprünglichen Struktur der theologischen Aussagen besitzen in der Ekklesiologie nicht den Stellenwert, den man - von Schlinks programmatischen Äußerungen zur Methode im Strukturaufsatz ausgehend - erwartet hätte. Größere Bedeutung als die Überlegungen zur Form der theologischen Aussage gewinnen dagegen die aus dem Neuen Testament erhobenen inhaltlich bestimmten ekklesiologischen Grundstrukturen. Sie verbürgen die Identität der Vielfalt verschiedener Gestalten der Kirche in ihren geschichtlichen Ausformungen mit der Una Sancta. Verschieden stark prägen sie die Lebensganzheit der einzelnen Kirchen; durch verschiedene Schwerpunkte in der Ausformung ekklesiologischer Grundstrukturen sol»erkenntnistheoretische Toleranz« als Grundlage der Glaubens- und Lehreinheit: vgl. Herms, Einheit der Christen 14-38. " Vgl. zur Lehre von der wesentlichen Einheit der Kirche bei Luther: A. Buchrucker, Wort, Kirche und Abendmahl bei Luther 154-168.

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len sich die Kirchen nicht voneinander abgrenzen, sondern gegenseitig bereichern und den eigenen Mangel einsehen. Im Evangelium haben sie die Grundlage, aber auch die Norm ihrer Einheit 28 . So kommt es, daß Schlink Mannigfaltigkeit und Gegensätze in kirchlichen Ordnungen und in der Lehre als legitime Vielfalt stehen läßt, wenn sie als Entfaltung des Evangeliums aus dessen Vorstoß in immer neue geschichtliche Räume hinein verstanden werden können. Schlinks Methode kommt in seinem Entwurf der Vereinigung der Kirchen besonders in der Durchführung des Dialogs zum Tragen. Im Dialog werden die Arbeitsschritte durchgeführt, die eine Überprüfung des Wahrheitsgehaltes der gegebenen Lehre und ihre Neuinterpretation möglich machen. Die weiteren Stadien der Vereinigung der Kirchen und das Ziel der Einheit als Kirchengemeinschaft in der Anerkennung inhaltlicher Identität verschiedener Lehrformulierungen ergeben sich konsequent als praktische Folgerungen aus den Ergebnissen des Vorgehens im ökumenischen Gespräch. Das Ziel der Kirchengemeinschaft wird von der methodisch erhobenen neutestamentlichen und altkirchlichen Gemeinschaftsstruktur bestimmt, deren Mitte die Abendmahlsgemeinschaft im Gottesdienst ist Als Ergebnis ist festzuhalten, daß die in der Einleitung zur Arbeit aufgestellte Hypothese von der zentralen Bedeutung der Methode Schlinks für seine Bearbeitung der Ekklesiologie, aber auch der anderen Themen, bestätigt wurde. Indem Schlink bei Gottes Tat am Menschen in seiner Anrede durch das Evangelium einsetzt, auf die Grundformen der Glaubensantwort und Grundstrukturen der Kirche bezogen werden, kann er kirchentrennende theologische Unterschiede, die sich durch Strukturveränderungen aus diesen Grundformen und Grundstrukturen entwickelt haben, als sekundäre kirchengeschichtliche Fragen einstufen; ihre kirchentrennende Wirkung wird durch Rückführung auf das Evangelium zumindest relativiert, wenn nicht gar beseitigt. Eine Änderung der Kirchen erwartet Schlink allerdings nicht pragmatisch als Folge dieser Erkenntnis und als menschliche Aktion. Sie ist vielmehr pneumatisch, als Wirkung des Heiligen Geistes, zu erwarten und als Darstellung der geistgewirkten Erkenntnis der Einheit.

M Die Forderung und Behauptung der Apostolizität kirchlicher Traditionen auf der Grundlage des Evangeliums dominiert gegenüber der kritischen Geltendmachung seiner Normativität, die in Aussagen Uber kirchliche Lehre und Praxis auch ausgrenzen milßte, was nicht mehr als Entfaltung des apostolischen Zeugnisses angesehen werden kann.

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3. Die Problematik des Schriftprinzips im ökumenischen Gespräch Bei allen vorzüglichen Ergebnissen, die Schlinks methodischer Ansatz zeitigt, sind auch die Schwierigkeiten deutlich, die eine historische Herleitung der Genese späterer kirchlicher Traditionen aus der ursprünglichen apostolischen Botschaft mit sich bringt Das im reformatorischen Sinne verstandene Schriftprinzip und seine Funktion bei der Unterscheidung von wahrer und falscher Lehre - und im Zusammenhang damit: der Unterschied von wahrer und falscher Kirche - treten im ökumenischen Gespräch in den Hintergrund; bestimmte dogmatische Kontroversfragen, denen in der Gegenwart auf Grund der kanonischen Bindung der Kirchen und frömmigkeitsgeschichtlicher Entwicklungen doch erhebliche Bedeutung beikommt, werden nicht direkt beurteilt29: In der Untersuchung von Schlinks Theologie zeigte sich das Problem etwa an der »umstrittenen« Ablaßpraxis der römisch-katholischen Kirche und der Lehre vom Purgatorium, die damit verbunden ist30. Man denke auch an die »Entwicklungen« in der Marienverehrung, an die kanonische Stellung des Weihesakraments oder des Jurisdiktionsprimates des Papstes in der römisch-katholischen Kirche. Diese ungelösten kontroverstheologischen Aufgaben - um nur einige zu nennen - sind auf Grund ihres theologisch und kirchengeschichtlich sekundären Charakters bei strenger Anwendung von Schlinks Methode - wie etwa in der Ökumenischen Dogmatik - zum einen von der Untersuchung ausgeschlossen. Zum anderen erwartet Schlink ihre Änderung durch die Buße und Se/£ifkorrektur der Kirchen in der zukünftigen Einheit; die Buße der eigenen Kirche im Blick auf andere Kirchen soll ja nicht beim dogmatischen Urteil über verwerfliche Einzelphänomene stehenbleiben, sondern zur Mitte des Lebens einer Kirche im apostolischen Christuszeugnis durchdringen. Schlinks Äußerungen zur Buße im Blick auf andere Kirchen zeigen beispielhaft das dogmatische Problem seiner Methode, das aus seiner Einführung traditionsgeschichtlicher Überlegungen in den Prozeß dogmatischer Urteilsfindung resultiert31. Daß durch diesen Vorgang bei Schlink ein differenzierteres dogmatisches Urteil ermöglicht wurde, ist oben gezeigt worden; der Konsens der Kirchen reicht auch bis in die dogmatischen Gegensätze hinein. Daß das Lehrurteil in divergierenden 2

' Vgl. Seitz zum Problem der spirituellen Übereinstimmungen und Verschiedenheiten: Einheit der Kirche: Klausurtagung der Bischofikonferenz der VELKD 1984, 116-118. 50 Vgl. ÖD 468-469, CIC (1983) can. 992-997 und oben Kap. 2.2.2.2 und 2.3. 31 Dieses Problem stellt sich nicht nur in Schlinks Werk, sondern allgemein in der jüngeren Geschichte der ökumenischen Bewegung. Oeshalb soll es unten ausführlicher dargestellt werden.

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Einzelfragen jedoch auch verhindert werden kann, erweist sich an der geforderten Buße im Blick auf andere Kirchen 32 : Schlink fordert für die Beurteilung anderer Kirchen, die zur Buße und zur »kopemikanischen Wende« in ihrer Betrachtung führen soll, die Sicht der getrennten christlichen Gemeinschaft als einer »Lebensganzheit« 33 . Unter Voraussetzung des Maßstabs der apostolischen Überlieferung, der sich alle Kirchen unterwerfen, ist nach der Mitte dieser Kirche, nach den Christuszeugnissen und den wirkenden Geistesgaben zu fragen, von denen aus ihre Randphänomene und fehlende Äußerungen des Glaubens und der Liebe einzuordnen sind34: »Letzdich entscheidend jedoch ist, daß wir die Geschichte und Gegenwart auch dieser [der römisch katholischen, J.E.] Kirche nicht isoliert betrachten, sondern zurückgehen zu den neutestamentlichen Zeugnissen [ . . . ] « . 3 5

Abgrenzung ist nicht das Ziel dieser Hinwendung zur anderen Kirche, sondern Öffnung, Lernen und Empfangen. Ausdrücklich ausschließen will Schlink eine Deutung, die gegenwärtige »Mängel« an der anderen Kirche sieht und bestehende Trennungen rechtfertigt; auch geschichtliche »ererbte Vorurteile« könnten die Sicht für die gegenwärtige Gestalt der Kirche verschließen und sind deshalb abzulegen 36 . Die Geschichte des Ungehorsams und der menschlichen Trennungen tritt zurück hinter die Erkenntnis der geistlichen Wirklichkeit einer kirchlichen Gemeinschaft. Für die Sicht der gegenwärtigen römisch-katholischen Kirche und ihrer Geschichte bedeutet dies: »Der Blick auf die römische Kirche darf nicht bei legalistischen, ritualistischen und abergläubischen Phänomenen stehenbleiben, sondern muß auf das Ganze des kirchlichen Lebens und gerade auf die Erneuerung gerichtet werden, die sich dort im Gottesdienst, in bibelwissenschaftlicher und dogmatischer Arbeit, im Verhalten zur übrigen Christenheit und zur Welt vollzieht. Ebenso darf im geschichtlichen Rückblick nicht bei der Gestalt Stehengeblieben werden, sondern es müssen auch die großen geschichtlichen Durchbrüche gesehen werden, die sich zu verschiedenen Zeiten [ . . . ] vollzogen haben.« 37

Folgende Beobachtungen zur Methode lassen sich am Beispiel der Buße im Blick auf andere Kirchen machen: (1) Das dogmatische Urteil über schriftgemäße Traditionen und andere, die der vorausgesetzten Normativität der Heiligen Schrift widersprechen, wird traditionsgeschichtlich durch eine quantifizierende Begriffswahl auf die Frage nach »vorhandenen« und »fehlenden« Traditionen, die das apostolische Zeugnis entfal52

Das Problem wird im Folgenden anhand wichtiger Äußerungen Schlinks entfaltet, auf die oben (Kap. 6.1.2) schon einmal kurz hingewiesen wurde. » Vgl. ÖD 695. » Vgl. ebd. » NDK 227. " Vgl. ÖD 695. » NDK 227. 236

ten, reduziert. (2) Die apostolische Überlieferung wird als gültige Norm aller Kirchen vorausgesetzt; sie bezieht sich auf das Ganze aller kirchlichen Lebensäußerungen einschließlich der Lehraussagen. Ob es sich bei der vorausgesetzten faktischen Gültigkeit der Schrift um eine petitio ρήηcipii handelt, muß erst im Rückbezug der Traditionen auf die Grundlage erwiesen werden. (3) Einzelthemen, die berechtigter Gegenstand dogmatischer Kritik sind, werden als »Phänomene« bzw. »Randphänomene« nicht danach beurteilt, ob sie wahr oder falsch sind, sondern nach dem Maß der sichtbaren Verwirklichung des unsichtbaren Wesens bzw. nach ihrer Distanz zur tragenden Mitte der Kirche. (4) Das im Lauf der Kirchengeschichte gefällte dogmatische Urteil über andere Kirchen wird historisierend und psychologisierend mit dem Ausdruck des ererbten »Vorurteils« interpretiert. (5) Die andere Kirche soll gar nicht Gegenstand der Abgrenzung, sondern Objekt eines neuen Verstehens und des Lernens sein. So wird die Aufgabe des dogmatischen Urteils in der Ekklesiologie - eine kritische Selbstprüfung ausgenommen, die der Buße des einzelnen überlassen wird - im Sinne eines Prozesses rezipierender Hermeneutik interpretiert. Schlinks methodischer Ansatz, der kirchengeschichtliche kontroverse Frontstellungen historisch auflöst und die weitestgehende Legitimation aller Traditionen aus der Mitte der apostolischen Botschaft sucht, ist im Grunde nicht darauf ausgerichtet, Häresien festzuschreiben und Grenzen der Kirche festzulegen. Die Hoffnung auf geistgewirkte Einsicht der Partner im zwischenkirchlichen Gespräch und auf folgende Buße der Kirchen läßt es Schlink gar nicht zu, Dialogpartner auf Positionen festzulegen, die doch von der Mitte des Evangeliums her in Bewegung geraten sollen. Wenn man die Frage stellt, wo in Schlinks Gesamtwerk das Problem des Schismas oder der Häresie als Bestimmung der Grenzen einer Kirchengemeinschaft durch die Unterscheidung von wahrer und falscher Lehre vorkommt, fällt der Blick auf die Bekenntnissituation im Kirchenkampf während des Dritten Reichs38. Im Kirchenkampf entlarvt das Wort Gottes die natürliche Theologie, die in vielfältiger Weise Gegenstand der evangelischen Predigt geworden war 39 , dort wurde zwischen wahrer und falscher Kirche gerungen. Schlink erinnert »an die Scheidung zwischen der Bekennenden Kirche und den Deutschen Christen. Diese mußte sein, so einschneidend sie war; denn hier ging es um die gebotene Scheidung zwischen Kirche und Nichtkirche.« 40 In den Ausführungen über das Bekenntnis im Dritten Reich wird als ein Moment dieses Begriffs die Trennung explizit: »Das Bekenntnis ist die Abgren-

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Vgl. besonders Bekennende Kirche und Welt und Der Ertrag des Kirchenkampfes. " Vgl. dazu Ertrag 15. 40 Ertrag 11-12.

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zung der Kirche von den Herrschafts ansprächen der Welt und ihren selbstgemachten Göttern. Bekenntnis als Bezeugung der Herrschaft Jesu Christi ist immer zugleich Verwerfung der Irrlehren der jeweiligen Zeit. In dieser Abgrenzung erfolgt zugleich immer neu die Sammlung der Glaubenden« 41 .

Beim Thema Ökumene dagegen hält sich Schlink in seinem dogmatischen Urteil zurück. So fragt er nicht explizit nach dem Wahr-oder Falschsein der anderen Kirchen, und es bleibt undeutlich, für welche konkreten Fehler denn die anderen Kirchen Buße tun sollen und wie etwa die oben genannten vorkommenden abergläubischen Praktiken zu beurteilen sind. Es ist dagegen auch evident, daß er Lehrurteile direkt oder indirekt dort fällt, wo eine Entscheidung über Kirchen- und Abendmahlsgemeinschaft ausgesprochen wird: (a) Mit seiner Analyse des römisch katholischen Ökumenismus hat Schlink ein Lehrurteil getroffen, (b) ebenfalls mit der Klärung des Problems der Abendmahlsgemeinschaft, (c) Auf dasselbe Lehrurteil weist die Forderung des Lehrkonsens als ein Schritt der Vereinigung der Kirchen, (d) Zu nennen wären weiter das Evangelische Gutachten zur Dogmatisierung der leiblichen Himmelfahrt Märiens, aber auch (e) Schlinks Wissen um das eschatologische Gericht, das sich schon jetzt an der Kirche und in der Selbstkritik des einzelnen in der Buße vollzieht 42 . (f) Im Bekenntnis zu Gott vollzieht sich implizit die Verwerfung der entgegenstehenden Lehre, (g) Man könnte auch in Aussagen über den sekundären Charakter theologischer Probleme ein Lehrurteil sehen; dieses wäre jedoch ein historisches, nicht ein dogmatisches Urteil. Es würde die Transsubstantiationslehre ebenso treffen wie Luthers Ubiquitätslehre. Aus dem angeführten Material ist zusammenfassend zu schließen: Das Zurücktreten des Lehrurteils auf Grund der konsequenten Anwendung der Methode in Schlinks Ökumenischer Dogmatik stellt sich als ein vielschichtiges Problem dar; Lehrurteile finden sich nicht nur dort, wo theologische Aussagen explizit als dogmatisch richtig oder falsch qualifiziert werden. Sie können vielmehr auch in anderen Aussagen enthalten sein. In diese Richtung weist auch schon Schlinks Formulierung in der Ökumenischen Dogmatik, daß die eine Kirche in der uneinigen Christenheit zu erkennen sei43. Das Problem des zurücktretenden Lehrurteils scheint nicht nur bei Schlink, sondern auch in der neueren Geschichte der ökumenischen Bewegung durch die Einführung der historischen Schriftauslegung bedingt zu sein. Die traditionsgeschichtliche Aufarbeitung des ökumenischen Problems hat dazu geführt, daß die dogmatische Unterscheidung von 41 42 45

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Ebd. 33. Vgl. auch BKW 9-14 u.ö. Vgl. die Lehre vom Anathema, ÖD Kap. XIV Β 8. Vgl. ÖD 683.

wahrer und falscher Kirche, durch die Heilige Schrift als Norm kirchlicher Lehre gewirkt, zugunsten historisch hermeneutischer Verständigung über die Bedeutung von Texten in ihrem historischen Kontext und in der Gegenwart in den Hintergrund tritt. Bei Schlink ist davon auszugehen, daß er das Schriftprinzip als pneumatisches Kriterium im ökumenischen Gespräch versteht; die Schrift ist nicht allein historische Norm, auch wenn sie historisch untersucht und die Vielfalt ihres Zeugnisses historisch herausgearbeitet wird. Das Evangelium ist vielmehr »Gottes tätiges Wort« 44 , nicht nur Botschaft von dem geschichtlichen Menschen Jesus von Nazareth: »Indessen verkündigt das Evangelium nicht nur Gottes einst geschehene Tat an Jesus und durch Jesus. Vielmehr ist das Evangelium zugleich Gottes Tat an denen, die diese Botschaft hören. Das Evangelium ist auch nicht nur der Bericht von der Geschichte Jesu, sondern es ist zugleich das Wort, durch das Jesus Christus heute als der Lebendige handelt Es ist nicht nur die Botschaft von der Errettung durch ihn, sondern durch das Evangelium geschieht die Rettung.« 45

Das Gesetz ist wie das Evangelium Gottes Anrede und Tat: »Durch Gesetz und Evangelium redet und handelt der Erlöser« 46 . Gott wirkt auf eine doppelte Weise durch das Wort der Schrift am Menschen, indem er in zweifacher Anrede am Menschen handelt: »[...] Durch das Gesetz kündigt er dem Sünder das Gericht an; durch das Evangelium verkündigt er ihm das von Christus durchlittene Gericht als Freispruch. Durch das Gesetz deckt Gott die 'Wirklichkeit des Sünders auf; durch das Evangelium bekleidet er den Sünder mit der Gerechtigkeit Christi. Dies sind nicht nur verschiedene Wirkungen desselben Gotteswortes, sondern verschiedene Worte, durch die Gott die von ihnen verkündigten Taten des Richtens und Freisprechens, des Tötens und Lebendigmachens vollzieht.« 47

Schlinks methodischer Ansatz darf nicht einfach als Übertragung der formgeschichtlichen Methode auf die ökumenische Fragestellung verstanden werden 48 . Er rechnet nicht damit, daß sich die Einheit der Kirche aus der Aufarbeitung historischer Differenzen ergibt. Nicht aus der Klärung geschichtlicher Ereignisse, sondern als Tat Gottes im Transparentwerden der Wände zwischen den Konfessionen unter der Verkündigung des Evangeliums wird die Kirche in ihrer Einheit erkannt. - Sein Verständnis des Evangeliums steht im Gegensatz zum Verständnis des Evangeliums, das im Bericht der ersten Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung seinen Ausdruck fand 49 . Da im Bericht II der Lausanner ÖD 3. Ebd. 3. 46 Ebd. 521. 47 ÖD 522. Vgl. schon TBSLK 114, 150. 4» Vgl. oben Teil 2, Kap. 1.2 und 1.4. 4 ' Die Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung. Deutscher amtlicher Bericht 44 45

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Konferenz die Gnadenmittel, durch die der Geist gegeben wird, und die Unterscheidung von Gesetz und Evangelium nicht erwähnt werden, wird das Evangelium einseitig als Kraftquelle sozialer Erneuerung verstanden; es ist die Antwort auf die Probleme der Menschen in ihrer Zeit 50 . Bei Schlink dagegen wird das Evangelium effektiv als Grundlage und Heilsmittel der Kirche verstanden, der Begriff ist durch die Unterscheidung von Gesetz und Evangelium soteriologisch gefüllt. - Diese Fakten in Schlinks ökumenischer Konzeption müssen in Erinnerung gebracht werden, wenn die Integration der traditionsgeschichtlichen Betrachtungsweise in die Methodik des ökumenischen Dialogs untersucht wird: Die Frage des Schriftprinzips und der Tradition wird auf der 4. Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung in Montreal Gegenstand eines Sektionsberichts 51 . Die bisherigen Verhältnisbestimmungen von Heiliger Schrift und Tradition: ihre Antithese auf evangelischer Seite und das Verhältnis von Heiliger Schrift und heiliger Überlieferung auf römisch-katholischer Seite werden im Bericht des zweiten Sektion von Montreal durch die Unterscheidung von TRADITION, Tradition und Traditionen abgelöst. »Wir möchten [ . . . ] das Problem »Schrift und T R A D l i i O N < , oder besser: das Problem »TRADITION und Schrift< in unserer heutigen Situation neu durchdenken [ . . . ] Wir gehen davon aus, daß wir alle in einer Tradition leben, die auf unseren Herrn selbst zurückgeht und ihre Wurzeln im Alten Testament hat, und daß wir alle dieser Tradition insofern verpflichtet sind, als wir die geoffenbarte Wahrheit, das Evangelium empfangen haben, wie es von Generation zu Generation weitergegeben wurde.« 52

Die TRADITION, das Evangelium, wird in der Schrift »bezeugt« und in der Kirche und durch die Kirche übermittelt. TRADITION in diesem Sinn wird nach dem Sektionsbericht »aktualisiert« {actualized) oder auch »interpretiert« (interpreted) im Predigen des Wortes, in der Sakramentsverwaltung und im Gottesdienst, in der christlichen Lehre und Theologie, in der Mission und in dem Christuszeugnis, das die Kirchenglieder durch ihr Leben ablegen53. Die Interpretation hat das Ziel, das Evangelium der Welt so verständlich zu machen, daß es für sie eine

über die Weltkirchenkonferenz zu Lausanne 3.-21.8.1927, hg.v. H . Sasse. Berlin: Furche, 1929, 532 f. (Lausanne 1927). Vgl. HDThG 3,482-485. 50 Vgl. HDThG 3,483. 51 Vgl. den Bericht der zweiten Sektion von Montreal 1963, 42-53 (dT). Vgl. auch den Aufsatzband der europäischen Sektion: Schrift und Tradition: Untersuchung einer theologischen Kommission. Die oben im 2. Teil, Kap. 5.6.2 im Vergleich mit Schlinks Traditionsbegriff dargestellte Unterscheidung von T R A D I T I O N und Traditionen in den Dokumenten von Montreal ist hier im Blick auf das Thema auszuwerten. " Vgl. Montreal 1963 43. " Vgl. ebd. 43-44 und 44-45; eT: FOP 99, 20;21.

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Herausforderung darstellt. Das Verhältnis von TRADITION und den verschiedenen Traditionen der Christenheit wird auch als »Verkörperung« der TRADITION in den Traditionen beschrieben; in den verschiedenen historischen Traditionsformen wird die Verwirklichung der Wahrheit und Wirklichkeit, die Christus ist, gesehen54. Man kann mit Recht die These aufstellen, daß das Schriftprinzip hier »auf den Ursprung zurückgenommen« wird, »während durch seine Differenzierung der Traditionsbegriff die gesamte Vermittlung der christologisch-pneumatischen Wirklichkeit in der Kirche und der Geschichte der Kirchen umschließt«55. Schrift, Überlieferung und verkündigende Kirche werden als Teile eines historischen Kontinuums verstanden, das Schriftprinzip kann nicht ohne die Auslegungsgeschichte der Schrift gesehen werden. Die Geschichtlichkeit als Deutungsrahmen der Schriftlehre, der Schriftauslegung und ihrer Verkündigung macht die historische Methode der Erforschung von Bibel und Kirchengeschichte zum bevorzugten Arbeitsinstrument auf dem Wege der ökumenischen Verständigung über kontroverse Themen56. Für die evangelischen Gesprächsteilnehmer bedeutet dies, daß das Gegenüber von Gotteswort und menschlichen Traditionen, das mit dem Schriftprinzip ursprünglich gemeint war, entfällt Durch die historische Interpretation der Schrift und der Lehrentscheidungen in der Kirchengeschichte tritt das spezifisch reformatorische Verständnis der Schrift als Appellationsinstanz im innerkirchlichen Autoritätenkonflikt57 in den Hintergrund; der Begriff der Tradition, verstanden als Auslegungs- und Überlieferungsgeschichte der Schrift im jeweiligen historischen Kontext, bildet den Konvergenzpunkt, der die Verständigung ehemals getrennter Kirchen möglich macht.

" Vgl. ebd. (eT) FOP 99, 21: »But this Tradition, which ist the work of the Holy Spirit, is embodied in traditions [...] They are the expressions and manifestations in diverse historical forms of the one truth and reality which is Christ« 55 Slenczka Schrift-Tradition-Kontext 44. " Vgl. Montreal 1963: »Die neuere Bibelforschung hat bereits viel dazu beigetragen, die getrennten Kirchen zusammenzubringen, indem sie sie zum Zentrum der Heiligen Schrift und damit zur TRADITION leitete« (dT 45). 57 Vgl. zur ursprünglichen Intention des reformatorischen sola scriptura Slenczka SchriftTradition-Kontext 45: »Sola scriptura ist im reformatorischen Ursprung nicht ein neues Lehrstück, das es vorher nicht gegeben hätte, oder eine Erkenntnisquelle, die bisher nicht bekannt gewesen oder benutzt worden wäre. Vielmehr handelt es sich um eine Appellationsinstanz im innerkirchlichen Autoritätenkonflikt D.h. es ging nicht [...] um die theoretische Behauptung einer Suffizienz der Schrift, sondern um die Entscheidung, was überhaupt in der Kirche Anspruch auf eine die Gewissen in absoluter Weise bindende Autorität erheben darf«. Weiter bedeutet die reformatorische particula exclusiva, daß die Schrift »für jede Zeit in gleicher Weise bleibende Norm« ist, die recht verstanden nicht eine historische, sondern eine pneumatische Norm darstellt, die am Menschen durch Gesetz und Evangelium wirkt (ebd. 46).

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Das Verhältnis von Schrift und Tradition findet sich wieder in der Studie der Faith and Order Kommission »Die Bedeutung des hermeneutischen Problems fiir die ökumenische Bewegung« (Bristol 1967). Über die Notwendigkeit der historischen Methode zur Bibelerforschung besteht weitgehender interkonfessioneller Konsens 58 . Die historische Schriftforschung hat zwar nicht zu dem erhofften Resultat geführt, die Bibel in den Kirchen zunehmend in gleicher Weise zu lesen; die Entdeckung der Mannigfaltigkeit des biblischen Zeugnisses jedoch erweist sich nicht als Grund, die Ziele der ökumenischen Bewegung aufzugeben. Von besonderer Bedeutung für die Vielfalt der konfessionellen Traditionen ist die historische Erkenntnis, daß dieselbe Vielfalt schon in der Heiligen Schrift zu finden ist und sich zum Teil auch auf die Schrift zurückführen läßt59. Die historische Erforschung der Schrift wird in Angriff genommen, ohne das Wort Gottes als geistliche Norm in den Blick zu bekommen, die zwischen den Traditionen unterscheidet, die sich zu Recht auf die Bibel berufen können, und den Traditionen, die im Widerspruch zum Schriftzeugnis stehen. So führt auch die hermeneutische Bemühung nicht zu dem erhofften Ergebnis, durch Aufarbeiten der historischen Differenzen zur kirchlichen Einheit zu gelangen. Auch der Bericht der Faith and Order-Kommissionssitzung über »Die Autorität der Bibel« (Löwen 1971) stellt keinen Fortschritt gegenüber der in Montreal vorgenommenen Verhältnisbestimmung von Schrift und Tradition dai*°. Die Ereignisse der Bibel »sind gleichsam stumm und bedürfen der Interpretation, um in ihnen Gottes Stimme vernehmen zu können.« 61 Auslegung der Schrift wird von »der Herausforderung der jeweiligen Situation«62 bestimmt, so daß sich dann aufgrund verschiedener kontextueller Ergebnisse die Frage von Einheit und Vielfalt in ganz neuer Weise stellt63. Ein neues Ver" Bristol 1967, 47-54, formuliert eine ökumenische Vorgehensweise der historischen Schrifterforschung. FOP 99 (eT) 33-37. " Vgl. ebd. (dT) 48 f; 58: »Aber insoweit sich unsere konfessionellen Spaltungen auf das unterschiedliche Verständnis der Schrift beziehen, hilft uns das hermeneutische Gespräch zu erkennen, daß ähnliche Unterschiede bereits innerhalb der kanonischen Bücher selbst vorhanden sind.« FOP 99 (eT) 40. 60 Vgl. Löwen 1971, 9 und Bristol, 1967, 55: Die Montreal-Formulierung »Wir können sagen, daß wir als Christen durch die TRADITION des Evangeliums (die Paradosis des Kerygmas) existieren, wie sie in der Schrift bezeugt und in der und durch die Kirche kraft des Heiligen Geistes übermittelt worden ist« (Montreal 1963, 43) wir auf den folgenden Kommissionstagungen zum Ausdruck für den gefundenen Konsens in der ehemals umstrittenen Frage von Schrift und Tradition. " Löwen 1971, 14. " Vgl. ebd. 21. " Vgl. ebd. 21: »Wird die aktuelle Situation auf diese Weise in den Prozeß der Auslegung der Bibel einbezogen, so ist deutlich, daß Ubereinstimmende Regeln der Auslegung keineswegs zu gemeinsamen Ergebnissen führen müssen. Die von allen anerkannte Autorität der Bibel ist keine Garantie der Einheit der Kirche. Aber diese gegenwärtige Interpretation ist ja nur die Verlängerung jenes interpretativen Prozesses, der in der Bibel selbst beginnt. 242

ständnis der Einheit scheint unausweichlich, es ist als Ergebnis konvergierender Bibelinterpretationen zu erwarten 64 . In einem neueren Bericht von einer Studientagung des DÖSTA 1982 findet das seit Montreal eingeführte dogmatische Verhältnis von Schrift und Tradition seine Bestätigung65. Die Frage von »Schrift und Tradition« ist - so Kertelge resümierend - nicht mehr die große Schwierigkeit im ökumenischen Gespräch: »Das reformatorische Schriftprinzip des >sola scriptura< muß doch auch im wohlverstandenen Sinn der reformatorischen Theologie nicht als tiberlieferungsfeindlich interpretiert werden; vielmehr wird auch von evangelischen Theologen und Kirchen anerkannt, daß das Schriftzeugnis Überlieferung voraussetzt und auf lebendige Überlieferung bezogen bleibt Und die Lehre des II. Vatikanums hat >Überlieferung< nicht einfach gleichrangig neben die Heilige Schrift gestellt, sondern auf das Schriftzeugnis bezogen und mit ihm zu vermitteln gesucht. In der Dualität von Schrift und Tradition kommt nicht eine Doppelheit von >Offenbarungsquellen< zum Ausdruck, sondern eher der dialogische* Vorgang der Erschließung des Schriftzeugnisses im Raum der vom Heiligen Geist geleiteten Kirche«66.

Die Übereinkunft in der Frage von Schrift und Tradition kam nach Aussage von Brosseder zustande, indem in der ökumenischen Forschung sachlich die Breite des neutestamentlichen Überlieferungsbegriffs wiedergewonnen wurde; die »Engführung« der kontroverstheologischen Gegensätze in der Frage von Schrift und Tradition sei damit überwunden worden 67 . Brosseder nennt unter anderen die evangelischen Forscher Ebeling, Pannenberg, Skydsgaard, Joest und Schlink, die an dieser theologischen Entwicklung maßgeblich beteiligt waren. An dieser Stelle ist nochmals daran zu erinnern, daß die Einführung des neutestamentlichen Traditionsbegriffs bei Schlink ohne sein effektives Verständnis des Evangeliums und der Heiligen Schrift nicht adäquat erfaßt wird. Die ausgewerteten Dokumenten scheinen dieses nicht mit ihm zu teilen, wenn es ihnen vorrangig um die Überwindung des geschichtlichen Abstands der Bibeltexte, ihr Verstehen in der heutigen Zeit und um ethische Zielsetzung der Bibellektüre geht68. Nur in der ständigen neuen Auslegung bleibt die eine Botschaft lebendiger Geist und wird nicht toter Buchstabe.« 44 Vgl. HDThG 3, 575. " Karl Kertelge, Hg. Die Autorität der Schrift im ökumenischen Gespräch. ÖR Β 50. Frankfurt a.M.: Lembeck, 1985. 44 Kertelge ÖR Β 50, 6. 67 Vgl. Kertelge, ÖR Β 50, 55. Ebd. 57: »Die Exegese hat durch die Literarkritik den Blick freigelegt auf eine lebendige und vielgestaltige Überlieferungsgeschichte des Evangeliums von Jesus dem Christus. Sie hat damit der Theologie als ganzer die Einsicht vermitteln können, daß die Heilige Schrift Ergebnis, Folge, Niederschlag ihr selbst vorausgehender apostolischer Überlieferung, apostolischer Predigt ist« M Vgl. Löwen 1971 10,20; HDThG 3, 576.

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4. Reformationsgeschichtliche Rückfrage Die aktuelle Frage nach dem bestehenden Grundkonsens69 zwischen den Kirchen ist Anlaß zur Rückfrage an die Reformationszeit, inwiefern damals ungeachtet der zuerst drohenden und dann vollzogenen Kirchenspaltung die Einheit und die Grenze der wahren Kirche bestimmt wurde. Im folgenden soll skizziert werden, wie in Entscheidungen der Reformationszeit eine Antwort auf das Problem von Grundkonsens und Grunddissens gegeben wird. Daraus sollen Schlußfolgerungen für Schlinks Konzept und für die Frage nach Kirchentrennung und Kircheneinheit in der Gegenwart gezogen werden. Theologen der Reformationszeit sahen im Bekenntnis des Glaubens mit den Worten der altkirchlichen Bekenntnisse eine Übereinstimmung zwischen der römisch-katholischen und der protestantischen Kirche: Calvin weiß sich im Bekennen mit Worten des Apostolikums mit der gesamten Kirche verbunden70. Die drei altkirchlichen Symbole bilden den Ausgangspunkt des Konkordienbuches; von ihnen wird gesagt, daß sie in der Kirche »einträchtiglich gebraucht« werden71. Luther konkretisiert in den Schmalkaldischen Artikeln den Konsens auf die Lehre von der Dreieinigkeit, von Gottvater und der Person Jesu Christi. Dabei zögerte er bekanntlich in der Frage, ob die beiden Glaubensartikel von den römischen Katholiken nur bekannt oder auch geglaubt würden72. Die entscheidende Lehrdifferenz findet er in der Lehre vom Werk Christi 73 . Als Hauptartikel steht die Lehre von der Rechtfertigung des Menschen durch den stellvertretenden Opfertod Christi ohne Gesetzeswerke durch den Glauben auch in den Glaubensgesprächen des Konzils nicht zur Disposition74; er bildet vielmehr die materiale Urteilsgrundlage für die Kritik von Mißbräuchen, die im Widerspruch zur Rechtfertigung durch Christi Heilswerk stehen75. Das Urteil gründet auf Belegstellen im Alten und

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Vgl. oben S.230f. Vgl. J. Calvin, Institutio Chris tianae religionis 1. Aufl. Opera Selecta 1, hg. v. P. Barth, München: Kaiser, 1926, 68; Le Catechisme de l'Eglise Je Geneve, BSKORK 4, 26-30. 71 Vgl. BSLK 19, vgl. CA 1: BSLK 50. 71 BSLK 415,2. Vgl. Mildenberger, Theologie (120): »Nur wo die Soteriologie im reformatorischen Sinn erfaßt ist, ist zugleich Gott in seinem dreieinigen Leben, und ist die Menschwerdung des Gottessohnes richtig erfaßt.« Luthers Korrektur zeigt einen theologischen Aspekt auf, der in der Debatte um den Grundkonsens wenig beachtet wird: Das öffentliche Bekennen einer Lehrformulierung kann nicht mit der Einheit im Glauben gleichgesetzt werden. Vielmehr geht es im Entscheidenden um das richtige Verständnis des Werkes Christi, das im Glauben angenommen wird. Zu Luthers differenziertem Urteil Uber die römisch-katholische Kirche vgl. auch Maron 268-271. " Vgl. BSLK 415,6. " Vgl. Mildenberger, Theologie 120. " Vgl. BSLK 415,22-416,4. 70

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Neuen Testament76. Eine Deutung