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German Pages 213 Year 2017
Die Marburger Artikel als Zeugnis der Einheit
Wolf-Friedrich Schäufele (Hrsg.)
Die Marburger Artikel als Zeugnis der Einheit
EVANGELISCHE VERLAGS ANSTALT Leipzig
Gedruckt mit Unterstützung der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck.
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
© 2012 by Evangelische Verlagsanstalt GmbH · Leipzig Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Cover: Zacharias Bähring, Leipzig Coverbild: August Noack (1822–1905), Marburger Religionsgespräch (1869). Öl auf Leinwand, 217 x 282 cm. Universitätsmuseum für Kunst- und Kulturgeschichte Marburg. © Bildarchiv Foto Marburg ISBN 978-3-374-05432-9 www.eva-leipzig.de
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Die kleine oberhessische Universitätsstadt Marburg an der Lahn darf sich rühmen, als einziger Ort weltweit zugleich Luther- und Zwingli-Stätte zu sein. Bei dem berühmten Marburger Religionsgespräch Anfang Oktober 1529 trafen der Wittenberger und der Zürcher Reformator hier zum ersten und zum einzigen Mal persönlich zusammen. Doch nicht nur sie - für vier Tage war Marburg damals so etwas wie der Mittelpunkt der evangelischen Welt. Praktisch alle prominenten Vertreter der evangelischen Bewegung aus Deutschland und der Schweiz waren auf Einladung des hessischen Landgrafen auf dem Marburger Schloss versammelt. Nichts weniger als die theologische und die politische Einheit des eben erst auf dem Speyerer Reichstag als solchen konstituierten »Protestantismus« stand auf der Agenda. Es erscheint bezeichnend und bedauerlich zugleich, dass es nicht zuerst die Theologen waren, die dieses ambitionierte Ziel ins Auge gefasst hatten. Treibende Kraft hinter dem Religionsgespräch war der energische junge Landgraf Philipp von Hessen , das vielleicht größte politische Talent seiner Generation. Unter seiner Regierung war Hessen neben Kursachsen zur führenden protestantischen Macht im Reich geworden. Zwei Jahre zuvor, in einer Zeit, da der dramatische Einbruch der Studentenzahlen und der Zusammenbruch des Graduierungswesens an der Universität Wittenberg infolge der reformatorischen Neuerungen noch in frischer Erinnerung und die Zukunftsfähigkeit der Verbindung von Reformation und akademischem Bildungswesen noch keineswegs ausgemacht war, hatte Philipp von Hessen in seiner Geburtsstadt Marburg eine Landesuniversität gegründet, die als älteste evangelische Universität bis heute Studierende aus ganz Deutschland und aus dem Ausland anzieht. Die doppelte Orientierung nach Wittenberg und nach Zürich, wie sie exemplarisch beim Marburger Religionsgespräch zutage trat, war nicht (oder jedenfalls nicht nur) tagesaktueller Pragmatik geschuldet, sondern entsprach dem theologischen Standpunkt und dem evangelischen Selbstverständnis des Landgrafen. Neben Luther war stets auch Melanchthon, neben den Wittenbergern war auch Zwingli sein theologischer Gesprächspartner. Nach dem frühen Tod Zwinglis auf dem Schlachtfeld von Kappel rückte der Straßburger Martin Bucer, auch er bereits 1529 prominenter
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Teilnehmer des Marburger Religionsgesprächs, in diese Vertrauenspo sition ein. Insofern war das Marburger Gespräch in seiner Intention und mit der Liste der Eingeladenen Ausdruck ureigener Interessen des hessisch e n Fürsten, wie sie in der Folgezeit auch die weitere Ausgestaltung der Reformation in der Landgrafschaft bestimmt haben. Das eigentliche und wichtigste Ziel der Marburger Zusammenkunft im Oktober 1529 wurde bekanntlich nicht erreicht. Fine Einigung über da s Verständnis der Gegenwart Christi im Abendmahl, über die Luther ein er seits, die Sch,veizer und Oberdeutschen (Zwingli, Oekolampad, Bucer) andererseits bereits seit mehreren Jahren in einer heftigen literarisch en fehde gelegen hatten, wurde nicht erzielt; das auf dieser Basis erhofft e politische Bündnis konnte vorerst nur ,msatzweise verwirklicht werden. Es ist insofern berechtigt und hat sich :mch so eingebürgert, d:is Marhur ger Religionsgesprfü:h :ils einen Fehlschlag :inzusehen. Andererseits verdanken wir dem ambitionierten Unternehmen des hessischen Landgrafen eines der bemerkenswertesten Dokumente der Reformationsgeschichte. Die 15 sogenannten Marburger Artikel, die Luth er auf Verlangen Philipps von liessen niederschrieb, sind nicht nur eines der frühesten reformatorischen Bekenntnisse überhaupt, sie si ncl auch das einzige gesamtprotestantische Bekenntnis - tragen Sie doch als einzi ges Schriftstück des Reformationszeitalters zugleich die Unterschriften von Luther und von Zwingli, von Melanchthon, Oekolampad und ßucer und von fünf weiteren Theologen aus beiden reformatorischen Lagern. Das Original der hessischen Ausfertigung der Marburger Artikel mit den eigenhändi ge n Unterschriften zählt heute zu den Schätzen des Hessischen Staatsarchi vs Marburg. Selbstverständlich wird man die Marburger Artikel nicht überwert en dürfen. \Veder bilden sie die konkrete Gesprächsagenda des M:irbur ger Kolloquiums :ih noch können Sie als Niederschrift gemeinsam formulier te r Glaubensüberzeugungen gelten. Die Formulierungen gehen auf Luth er zurück, der sich fast durchweg an die Vorlage der später so genannte n »Schwabacher Artikel« anlehnte - ein g:inz anders motiviertes theol ogisches Papier für eine bündnispoJitische Konkurrenzveranstaltung des sächsischen Kurfürsten, das wenig später für Purore im protestantisch en Lager sorgen soUte. Dass sich gleichwohl beide Parteien durch Untersch rift zu den Matburger Artikeln bekannten, war nur möglich, weil etliche Sätze unterschiedli ch gedeutet werden konnten und von den Beteiligten au ch nachweislich unterschiedlich gedeutet wurden. Nicht zufällig waren bei de Seiten später überzeugt, in Marburg den Sieg davongetragen zu hab en . Und ebenso wenig ist es ein Zufall, dass die kirchengeschichtJiche und politische Entwicklung rasch über das Marburger Papier hinwegging; die
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von ihm ausgehenden Wirkungen waren im Wesentlichen von indirekter Natur. Und dennoch: Mit den Marburger Artikeln lag erstmals ein gemeinreformatorisches Bekenntnis auf dem Tisch. Die unterschiedlich geprägten evangelischen Aufbrüche in Wittenberg, Zürich, Basel, Straßburg und anderwärts hatten in wichtigen Punkten ihre inhaltliche Übereinstimmung demonstriert. Und die Tatsache, dass nach 1529 der Abendmahlsstreit zwischen Luther und Zwingli nicht wieder in der alten Heftigkeit aufflammte, mag mindestens zum Teil auch auf das Konto der Marburger Übereinkunft zu setzen sein. Die Marburger Artikel bieten uns heute die Gelegenheit, in der rückschauenden Betrachtun g Artikel für Artikel die reformatorischen Glaubensauffassungen am Ende der 1520er Jahre abzuschreiten und zu analysieren. Dabei treten die real existierenden Gemeinsamkeiten wie auch die offensichtlichen und latenten Differenzen zwischen den verschiedenen reformatorischen Richtungen hervor. Letzten Endes können uns die Artikel womöglich sogar Aufschluss darüber geben, ob und inwiefern von einer Gemeinsamkeit oder Einh eit ))der« Reformation gesproc hen werden kann und worin diese gegebenenfa lls best eht. In diesem Sinn e können die Marburger Artike l gleichsam als ein Schnappsch uss, gena uer : als eine Weitwinkel-Momentaufnahme mit Blitzlicht, das theologiegeschichtliche Fotoalbum der Reformationsepoche bereichern. Sie können uns aber auch als Folie zur Beschreib ung dessen dienen, was heute, fast 500 Jahre nach ))Marburg«, das Wesen evangelischen Glaubens ausmacht. Dies - nicht mehr, aber auch nicht weniger - ist mit der überraschenden, ja paradox anmut enden Titelformulierung des vorliegenden Samme lbandes: ))DieMarburger Artikel als Zeugnis der Einhe it((,geme int. Als sich im Herbst 2011 im Vorfeld des Reformationstages Marburg im Rahmen der ))Lutherdekade>Beichte«durch »Ratsuchung>Vondem eusserlichen wort«.' 9 Und dann heißt es weiter: »Zum achten, das der heilig gaist, ordentlich zu reden, niemants solchen glauben oder seine gabe gibt on vorgehend predigt oder muntlich wort oder euan gelion Christi, sondern durch und mit solchem muntlichen wort wirckt er und schaft den glauben, wo und in wilchem er will«.' 0
'' WA 30.III, 81 - 91: Schwabacher Artikel, 1529. lm Sommer 1529 entstand mit maßgebender Beteiligung von Melanchthon und Luther eine Reihe von Artikeln, welche die reformatorische Lehre zusammenfassten und am 16. bis 19. Oktober 1529 in Schwabach als Bekenntnisgrundlag e für das politische und militärische Bündnis der Protestant en dienen sollten. Siehe HANS VONSCHUBERT , Bekenntnisbildung und Religionspolitik 1529/30 ( 1524 - 1534). Untersuchung en und Texte, Gotha 1910 , 21 63; KÖHLER, Zwingli und Luther II (wie Anm. 7), 42 - 49 u. 164 - 166. '
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WA 30JII , 88,23 - 90,5.
WA 30 .lll , 163,7 - 14; Z VI.2, 521,30 - 522,3; MAY , Marburger Religionsgespräch (wie Anm. 23) , 68 (Art. 6).
'7
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WA 30.111, 88 ,14- 22.
WA 30.111, 164 , 15; Z VI., 522, 12; MAY, Marburger Religionsgespräch (wie Anm. 23), 68 (Art. 8).
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WA 30.111, 164 ,16- 165,6; Z VI.2, 522 ,13- 16; MAY, Marburger Religionsgespräch (wie Anm. 23), 68 (Art. 8).
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Zunächst wird hier der Heilige Geist und seine Gabe des Glaubens eng an das Wort gebunden. Ohne vorausgehende Predigt gibt der Heilige Geist niemandem den Glauben. Das mündliche Wort geht den Gaben des Geistes voraus. Die dreifache Umschreibung, nämlich Predigt, mündliches Wort und Evangelium Christi, unterstreicht den vorausgehenden mündlichen Akt der Verkündigung. Theologisch gewinnt Luther dadurch, dass die Vermittlung des Heils objektiv feststeht und damit die Heilsgewissheit der Gläubigen gestärkt wird. Zugleich wehrt er die willkürliche Vereinnahmung des Heiligen Geistes ab, es sei durch die römische Kirche mit Tradition und Lehramt, es sei durch spiritualisierende Kreise mit einem unmittelbaren Anspruch auf die Autorität des Geistes. Der entsprechende Schwabacher Artikel (Artikel 7) betont die Vorordnung allein des Wortes, indem er ausdrücklich festhält, dass es außerhalb oder vor dem mündlichen Wort »kein annder mittl noch weyß, weder wege noch stege« gebe, um den Glauben zu bekommen.'' Wie wichtig für Luther diese klare Vorordnung des mündlichen, äußeren Wortes war, zeigt auch der ausführliche Nachtrag, der in den Schmalkaldischen Artikeln von 1537 eingefügt werden sollte: »Und in diesen Stücken , so das mündlich , äußerlich Wort betreffen, ist fest darauf zu bleiben, daß Gott niemand seinen Geist oder Gnade gibt ohn [außer] durch oder mit dem vorgehend äußerlichem Wort ...«12 Die Einfügung ist im Artikel über die Beichte platziert und wehrt scharf sowohl enthusiastische Kreise als auch Anhänger des Papstes ab." Auch der Zusammenhang zwischen Glaube und Taufe wird ausdrücklich angesprochen: Wer vor der Taufe glaube oder in der Taufe gläubig werde, erhalte es durch das äußerliche, vorausgehende Wort. 34 Zwingli hat Artikel 8 der Marburger Artikel unterschrieben, obwohl er an der Vorordnung des Heiligen Geistes vor das Wort festhielt. Ihm war wichtig, dass der Heilige Geist den Glauben schafft mit und durch das mündliche Wort. In den Randbemerkungen zum vorliegenden Artikel unterstreicht Zwingli daher einerseits das gesprochene Wort, die Predigt des Evangeliums, mit zwei Bibelstellen, nämlich dem Befehl des Auferstandenen zur Verkündigung des Evangeliums und dem Hinweis des Paulus, dass der Glaube aus dem Hören, das Hören aber durch das Wort Christi komme,
WA 30.111 , 88,28 - 31: »Sonnst ist kein annd er mittl noch weyß, weder wege noch stege, den glauben zubekumen, dann gedann cken auss er oder vor den muntlichenn wort, wie heilig vnnd gut sie scheinen, seind sie doch eytel lugen vnnd Jrrthumb «. 31
)'
BSLK,453,l 6- 456,18; hier 453,16 - 19.
n
BSLK, 453, 19- 454, 12.
34
BSLK, 455 ,6- 9.
κατˀ ἔμφασιν
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Geist auch außerordentlich reden kann. Diese Variante würde den Schweizern entgegenkommen, die den Geist dem Wort vorordneten. Es ist daher erörtert worden, ob der Nebensatz von den Schweizern gewünscht worden sei, um den Hauptsatz einzuschränken und damit die Bindung des Geistes an das Wort zu relativieren.•' Allerdings ist auch die andere Variante möglich: Der Heilige Geist gibt, um ordentlich davon oder: darüber zu reden, niemandem den Glauben ohne vorausgehende Predigt. Logisches Subjekt wäre hier der Verfasser, der eine ordnungsgemäße, richtige Darlegung anstrebt. Diese Interpretation käme der Bindung des Geistes an das Wort entgegen.4' Sprachlich wäre der Infinitiv in beiden Varianten korrekt, doch ist die erste Variante naheliegender. 43 - Wie auch immer der Nebensatz sprachlich und inhaltlich verstanden wurde, er bietet erheblichen Interpretationsspielraum. »... sondern durch und mit solchem muntlichen wort ...« schafft der Heilige Geist den Glauben, was Zwingli in spezifischem Sinn verstand und unterschrieb. In der ersten Randnotiz zum vorliegenden Artikel hatte Zwingli mit zwei Bibelstellen zunächst bekräftigt, dass der Glaube aus dem Wort komme, um dann in der zweiten Randnotiz den Begriff des Evangeliums zu erläutern, worunter jede äußere Verkündigung gemeint sei. Und im vorliegenden Zusammenhang betont er in einer weiteren Randnotiz mit dem doppelten Subjekt den Heiligen Geist. Um diesen sensiblen Zusammenhang zwischen Wort und Geist besser zu verstehen, sind die Vorgespräche hilfreich, die Zwingli und Melanchthon vor den eigentlichen Verschränkung des Hauptsatzes und interpretiert mit »normalerweise«: Der Geist sei normalerweise an das Wort gebunden , aber es gebe Ausnahmen. BLANKE, Notae Zuinglii (Einleitung) (wie Anm. 17), 536, nimmt in den Erläuterungen zu den Randbemerkungen Zwinglis diese Linie wieder auf: Artikel 8 habe für Zwingli die unvermittelte Wirkung des Geistes offen gelassen, »sie war bloß nicht der normale Weg«. Die Vermutung, dass der Nebensatz ein Zusatz sei, der auf Wunsch der Schweizer eingefügt worden war, hatte schon Ono Sm z, WA 30.III, 164f., in der Erläuterung zu Artikel 8 vorgeschlagen. BLANKE,Marburger Artikel (Einleitung) (wie Anm. 40), 511, und BLANKE, Notae Zuinglii (Einleitung) (wie Anm. 17), 536, nahm diesen Vorschlag ausdrü cklich auf und unterstützt e ihn. Auch für KÖHL ER, Zwingli und Luther II (wie Anm. 7), II 122, war gesichert, dass der Zusatz von den Schweizern stammen musste. HAUSAMMANN , Marburger Artikel (wie Anm. 13), 298, weist zu Recht darauf hin, dass der Nebensatz nicht zwingend von den Schweizern stammen muss, denn schon die älteste Stufe der Autographen, die sogenannte Kasseler Handschrift, enthält den Einschub.
4'
VOLK ER LEPPl N, Reformation, KTGO III, Neukirchen-Vluyn 2005 , 167, übersetzt den Nebensatz neuhochdeutsch: »... wenn man es genau benennt ...«. 4'
Für Hinweise danke ich Hans Schneider, Marburg, und Barbara Mahlmann-Bauer, Bern.
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handlungen am Nachmittag des 1. Oktober miteinander führten. 44 Im Vordergrund dieser Gespräche stand die Lehre vom Abendmahl. Zugleich wurden vier weitere strittige Themen behandelt, nämlich die Erbsünde, das Wort, die Trinität und die Rechtfertigung. Allerdings protokollierte Zwingli lediglich die Unterredung über die Erbsünde und über die Bedeutung des Wortes." Der erste Satz des Protokolls hält fest: »Philippus concedit: Verba nihil aliud passe quam significare«.' 6 Mit verba sind nicht irgendwelche Worte gemeint, denn im Zusammenhang mit dem Streit um das rechte Verständnis des Abendmahls waren die Einsetzungsworte im Blick, was sich darin zeigt, dass sich Zwingli im Gespräch mit Luther über das Abendmahl explizit auf diese Vorgespräche mit Melanchthon bezog. Wenn das Wort: »Dies ist mein Leib«, gesprochen werde, sei, so meine Luther, der Leib da, wer auch immer das Wort spreche. Das aber entspreche nicht der Äußerung Melanchthons, dass die Worte lediglich »bedeuten«. 47 Die Übereinstimmung zwischen Zwingli und Melanchthon liegt darin, das die Einsetzungsworte nicht das Heil zu vermitteln vermögen. Zugleich hält Zwingli gegenüber Luther wiederum mit Bezug auf Melanchthon fest, dass diese Worte vielmehr den Willen des Vaters »bedeuten«. 48 Fritz Blanke fasst treffend zusammen: »Die Einsetzungsworte des Abendmahls sind nicht konsekratorisch zu verstehen, sondern sie haben lediglich hinweisenden Charakter>... es mag niemant got noch gottes wort recht vorstehen, er habs denn on mittel [unvermittelt] von dem heyligen geyst. Niemant kansz aber von dem heiligenn geist habenn, er erfaresz, vorsuchs und empfinds denn, unnd yn der selben erfarung leret der heylig geyst alsz ynn seiner eygenen schule, auszer wilcher wirt nichts geleret, denn nur schein wort unnd geschwetz«."
Obwohl in seiner Bibliothek nicht nachweisbar, dürfte Zwingli die Schrift über das Magnificat gekannt und gelesen haben , weil er ausdrücklich darauf verwies. 56 Mit Luther stimmte Zwingli in dieser Zuordnung des Geistes vor das Wort überein. Der Heilige Geist selbst war die Autorität, welche die Einheit von Lehre und Glauben sichern sollte. In der Ablehnung von Papst und Bischöfen als Autoritäten der Schriftauslegung waren sich Luther und Zwingli einig. Der Heilige Geist allein konnte die richtige Auslegung der Schrift sichern. In der Auseinandersetzung mit spiritualisierenden Kreisen aber schärfte Luther die Zuordnung von Wort und Geist: Gott handle mit seinem Evangelium auf zweierlei Weise an uns Menschen. Äußerlich handle er durch das mündliche Wort des Evangeliums und durch die leiblichen Zeichen der Sakramente. Innerlich handle er durch den Heiligen Geist und den Glauben. Doch die äußerlichen Stücke müssten vorausgehen. 57 Geist und Glaube gibt Gott allein durch die Mittel Predigt und Sakramente. 54
Z VI.2, 507, Anm. 2.
" WA 7, 538-604: Das Magnificat verdeutschet und ausgelegt, 1521, hier 546,2429. WALTHER KÖHLER, Huldrych Zwinglis Bibliothek, Neujahrsblatt auf das Jahr 1921. Zum Besten des Waisenhauses in Zürich, Bd. 84. Als Fortsetzung der Neujahrsblätter des Chorherrenstube, Nr. 143, Zürich 1921, S. * 25, Nr. 200; siehe den Verweis Zwinglis in: Z VI.2, 240, 13- 15 (Über D. Martin Luthers Buch, Bekenntnis genannt, zwei Antworten von Johannes Oekolampad und Huldrych Zwingli). Vgl. CHRISTOF GESTRICH, Zwingli als Theologe. Glaube und Geist beim Zürcher Reformator, SDGSTh 20, Zürich/S tuttgart 1967, 75-77.
56
WA 18, 37 - 214: Wider die himmlischen Propheten, von den Bildern und Sakramenten, 1525, hier 136,9- 15. Siehe REINHARD SCHWARZ, Luther, KIG 3/ 1, Göttingen 1986, 142f.; KARL-HEINZ ZURMÜHLEN, Martin Luther II. Theologie, in: TRE 21 (1991 ), 530-567, hier 549,47-550,29 (Wort und Geist); BERNHARD L0HSE,Luthers Theologie in ihrer historischen Entwicklung und in ihrem systematischen Zusammenhang, Göttingen 1995, 254-256.
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Zwingli hielt grundsätzlich an der Vorordnung des Geistes fest. Allerdings gibt es schon in seinen frühen Schriften Ansätze für den vorher erwähnten zweifachen Wortbegriff. 1522 entwickelte er in Von der Klarheit und Gewissheit des Wortes Gottes das Schriftprinzip. 58 Da der Mensch nach seiner Seele ein Bildnis Gottes sei und die Begierde nach Gott in sich empfinde, könne das Wort Gottes sich der Seele als Klarheit und Gewissheit mitteilen." Das Wort bringe Klarheit und Erleuchtung mit sich, welche die Seele erkennen könne. 60 Gottes Licht und Geist leuchte und atme in dessen Worten, so dass der Mensch Gottes Wort verstehen könne.6' Das Wort Gottes, das Gott selbst sei, erleuchte alle Menschen.6' Gegenüber den Täufern hat Zwingli immer wieder auf dieser Linie argumentiert, diese aber im Gegensatz zu Luther nicht ausgebaut. Wie zentral die Vorordnung des Geistes für Zwingli war, zeigt sich schließlich auch in seinen Randnotizen zum Artikel 15 der Marburger Artikel über das Abendmahl. Der erste Teil des Artikels hält die Übereinstimmungen fest, der zweite Teil nennt die bleibende Differenz. Der letzte Punkt der Übereinstimmungen lautet: >>... der brauch des sacraments wie das wort von got dem almechtigen gegeben und geordnet sey, damit di schwachen gewissen zu gleuben zu bewegen durch den heiligen gaist«.6' Zwingli fühlte sich in diesem Punkt offenbar zu zwei Randnotizen genötigt. Zum Abschnitt, »wie das wort von Gott [...] gegeben und geordnet sey«, erläutert er, dass damit die Einsetzungsworte Christi gemeint seien, die dazu mahnten, dass die Worte nicht verachtet , sondern gebraucht werden und der Tod des Herrn verkündigt werde. 64 Dieser Hinweis auf die Einsetzungsworte entspricht der ersten Erläuterung zu Artikel 8, mit der Zwingli
58
Z 1, 328- 384 (Nr. 14): Von Klarheit und Gewissheit des Wortes Gottes (1522).
ULRI CH GÄBLER , Huldrych Zwingli. Eine Einführung in sein Leben und Werk, München 1983, Zürich 3 2004, 58; MARTI N SALLM ANN , Zwischen Gott und Mensch. Huldrych Zwinglis theologischer Denkweg im De vera et falsa religione commentarius (1525 ), BHTh 108, Tübingen 1999, 100- 102. 59
60
z 1, 364,15- 18.
61
ZI , 365 , 14- 21.
62
z 1, 365 ,30- 32.
WA 30.III, 170, 1- 5 ; Z Vl.2, 523, 19- 22; MAY, Marburger Religionsgespräch (wie Anm. 23), 69f. (Art. 15).
63
Z Vl.2, 551,5 - 8: »Das wort von gott geben: hoc est, quomodo Christussuis verbis instituit. Hie religiomonet, ne verba Christivelimus contemnere, sed illis uti quomodo hactenususi sumus, deindeet mortemdominiannunciare«. 64
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an die Mahnung des Auferstandenen zur Verkündigung des Evangeliums erinnert. Die zweite Randnotiz setzt Zwingli zum Satzteil »di schwachen gewissen zu gleuben zu bewegen«, was durch das Wort von der Passion des Herrn geschehe. Dieses werde gepredigt, damit wir wüssten, dass Gott uns gnädig sei. Dann aber folgt die entscheidende Präzisierung: »Aber der heilige Geist ist es allein, der die Herzen erleuchtet und durch den Glauben rechtfertigt«. Deshalb hätten sie sich immer darum gekümmert zu erläutern, dass der Glaube von Gott allein sei. Der Sinn der Stelle sei also, dass der Brauch des Sakraments gehalten werden müsse, wie Christus es eingesetzt habe. Eingesetzt aber habe es Christus, damit wir eingedenk seien, dessen Tod zu verkündigen, Dank zu sagen sowie Lob und Ehre zu geben, weil er für uns gekreuzigt und gestorben sei. Natürlich sei es notwendig, dass der Tod des Herrn auch durch das äußere Wort (externo verbo) gepredigt werde, damit ein Teil gestärkt, ein anderer Teil zum Glauben unterrichtet werde. Und dann folgt erneut die bezeichnende Betonung: »Aber dies alles wird nicht durch unser Wort, auch wenn es ein Mittel ist, sondern durch göttliche Wirkung in den Herzen der Menschen vollbracht«!' Diese zwei Randnotizen zum Artikel 15 zeigen eindrücklich, dass Zwingli den Geist letztlich dem Wort vorordnet. Das äußere Wort der Verkündigung ist notwendig, weil es über das Heil informiert, die Einsetzungsworte sind notwendig, weil Christus sie sprach, und diese beide ermahnen zur Verkündigung und zur Feier des Abendmahls. Aber das Heilsgeschehen bewirkt letztlich allein Gottes Kraft im Inneren der Menschen. Zugleich enthalten die zwei erwähnten Randnotizen in nuce die Auffassung Zwinglis, nämlich das Abendmahl als Feier der Erinnerung, des Dankes und des Lobes der Gemeinde.
65 Z VI.2, 551 ,8- 21: »Die gwüssen zuglouben zu bewegen: verbo scilicet domini passionis.fllud enim in hoc predicatur,ut sciamus, deum nobis esse propitium,quandoquidem filium suum pro nobis in mortem tradidit. Sed solus spiritus sanctus est, qui cordailluminatet perfidem iustificat.fdcircoin huiusmodisempercuravimusaddi expositionem, qua intelligatur , fidem a solo deo esse. Est igitur huius loci sensus, usum sacramentihuius servaridebere,quomodoChristusinstituit.fnstituit autem, ut memores simus, hoc est, annunciemusmortemeius, hoc est, gratias agamus et laudem demus ac gloriampropterhoc, quod pro nobis est crucifixusac mortuus.!am nimirumnecessarium est, ut morsdomini externoquoque verbopredicetur.Haecpraedicatioin hocfit, ut pars confortetur,pars ad fidem informetur.Sed haec omnia non nostro verbo,etiamsi instrumentumsit, sed divina operationein mentibushominumperficiuntur«.
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Über die Zuordnung von Taufe und Heil Nach der Behandlung des Wortes schließt folgerichtig die Taufe als Heilsmittel an: »Von der taufe . Zum neundten, das die heilge taufe sey ein sacrament, das zu solchem glauben von got eingesetzt, und weil gots gebot: >ite, baptizate< [Mt 28, 19], und gots verheissung drynnen ist: >qui crediderit< [Mk 16, 16], so ists nicht allein ein ledig zeichen oder losung unther den christen, sonder ein zeichen und werck gottes, dorin unser glaube gefordert, durch welchen wir zum leben widergeporn werden«.66
Im vorliegenden Artikel sind die wichtigsten Punkte der Tauftheologie Luthers enthalten, die Einsetzung der Taufe, die Verheißung, welche die Taufe einschließt, und der Glaube, der die Taufe empfängt. Die Betonung liegt darauf , dass die Taufe ein Werk Gottes ist, durch das der Mensch der Verheißung teilhaftig wird. Durch die Taufe wird Gottes Gnade angeboten. Die Ablehnung, dass die Taufe lediglich ein leeres Zeichen oder eine Losung unter Christen sei, ist gegen die Täufer, aber auch gegen Zwingli gerichtet. 67 Diese sahen in der Taufe ein Zeichen, das zwar auf Gottes Heil in Jesus Christus und auf die Zugehörigkeit des Täuflings zu Gott hinweist, das Heil aber nicht mit sich bringt. Mit der Taufe wurden die einzelnen Menschen in die Gemeinde aufgenommen.6° Das Element Wasser behandelt der Artikel nicht, weil es für beide Seiten an dieser Stelle keine Missverständnisse geben konnte, denn getauft wurde mit gewöhnlichem Wasser. Zwingli annotierte den Artikel in charakteristischer Weise: Werk Gottes heiße die Taufe, damit niemand sie verachte.6 9 Gerichtet war dieser Hinweis gegen die Täufer. Zugleich aber verrät diese Randbemerkung, dass die Taufe nicht das Heil bringen kann. Auch für Zwingli ist zwar die Taufe von Gott eingesetzt und damit auch Gottes Werk, doch vermag sie
WA 30.III, 165,8- 166,2; Z VI.2, 522,18 - 24; MAY, Marburger Religionsgespräch (wie Anm. 23), 68f. (Art. 9).
66
Siehe ZUR MÜHL EN, Luther (wie Anm. 57), 553, 12- 45 (Taufe); LOHSE, Luthers Theologie (wie Anm. 57), 316-3 21. 67
Siehe GÄBLER, Huldrych Zwingli (wie Anm. 59), 114- 116; ADOLF FUGEL, Tauflehre und Taufliturgie bei Huldrych Zwingli, EHS.T 380, Bern/Frankfurt am Main/New York/ Paris 1989.
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Z Vl.2, 550, 11f.: (am Rand zu »werck Gottes«) »Werk gottes dictum est, ne quis
contemnat«.
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nicht die Seele von der Sünde zu reinigen. Kein äußeres Element kann die innere Seele reinigen , was allein der Gnade Gottes möglich ist. 70 Zum Glauben notierte Zwingli, dass entweder der Glaube des Täuflings oder der Glaube des Elternteils vorhanden sein müsse, so dass der Täufling entweder glaube und der Kirche eingeordnet werden wolle oder, wenn er heranwachse, über den Glauben belehrt werde. 7 ' Mit Glaube (fides) ist hier nicht der Glaubensakt (fiducia) gemeint, sondern die Zustimmung (assensus) zur christlichen Gemeinde und ihrem Glaubensbekenntnis. Bei Luther aber ist die fiducia gemeint, die der Verheißung anhängt und der Gnade Gottes vertraut. Durch diesen Glauben wird der Gläubige in der Taufe zu neuem Leben geboren. 7 ' Wiederum konnten hier beide Reformatoren dem Wortlaut zwar zustimmen, obwohl sie unterschiedliche Konzepte hatten. Die Taufe von Kindern, die in den Schwabacher Artikeln der Taufe beigeordnet ist (Artikel 9)/3 wird in den Marburger Artikeln mit einem eigenen Artikel behandelt und befürwortet: »Zum vierzehenden, das der kinder taufe recht sey und sie dadurch zu gottes gnaden und in di christenheit genommen werden« .74
Auch bei diesem zunächst unscheinbaren, kurzen Artikel werden die unterschiedlichen Auffassungen noch einmal deutlich. Nach Luthers Ansicht wurden die Kinder nicht nur in die christliche Gemeinde aufgenommen, sondern zugleich der Gnade Gottes einverleibt. Die Frage nach dem Glauben wurde nicht thematisiert, weil sie unter den Kontrahenten nicht strittig war. Zwingli sah sich zu einer Randbemerkung genötigt: Zur Wendung, dass die Kinder durch die Taufe »zu gottes Gnaden ... genommen werdenTröstung oder Evangeliumsverkündigung< benutzen. Deshalb werden hier gleichfalls beide Wörter gebraucht«.'' Die Änderung des von Luther entworfenen elften Marburger Artikels, der ursprünglich wie der entsprechende Schwabacher Artikel nur von Beichte und Absolution sprach, geht also auf Zwingli zurück. In der jetzigen Fassung ist von Beichte oder Ratsuchung und von Absolution oder Tröstung des Evangeliums die Rede. Hinter der unterschiedlichen Redeweise verbirgt sich somit eine theologische Differenz.
3. Von der Obrigkeit Der vierzehnte Schwabacher Artikel befasst sich mit der weltlichen Obrigkeit. Bis zur Parusie Christi zum Endgericht und der damit verbundenen Aufhebung aller Gewalt und Herrschaft ist man der weltlichen Obrigkeit und Herrschaft Gehorsam schuldig und soll man sie ehren. Denn es handelt sich bei ihr um einen Stand, den Gott verordnet hat, um die Frommen zu schützen und die Bösen zu steuern. Als biblische Belegstellen dienen Röm 13 und lPt 2. Wenn daher ein Christ in diesen Stand ordentlich berufen wird, so kann er ohne Gefahr für seinen Glauben und seine Seligkeit diese Berufung annehmen ." Der zwölfte Marburger Artikel greift auf diesen Schwabacher Artikel zurück und verändert auch hier nur leicht. Statt von weltlicher Obrigkeit und Herrschaft ist die Rede von »Oberkeit vnd weltliche gesetzte gericht oder ordnung« .14 Statt als ein von Gott verordneter Stand wird die weltliche Obrigkeit als »Ein Rechter gutter standt« bezeichnet.1' Mit dieser positiven Stellung zur weltlichen Obrigkeit verbindet sich die Kritik an deren Ablehnung durch Papisten und Täufer. Auch ist nicht mehr nur von Christen die Rede, die in diesen Stand ordentlich berufen, sondern auch von solchen, die in hineingeboren wurden. Wo entweder das eine oder das andere der Fall ist, kann ein Christ im Stand der weltlichen Obrigkeit ebenso durch den Glauben selig werden wie im Eltern- oder Ehestand. Diese positive Würdigung der weltlichen Obrigkeit findet sich sowohl in der Confessio Augustana wie auch in Zwinglis Fidei ratio und in der
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CR 93,11, 550,19 - 22.
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WA 30 JII , 90 ,12- 18.
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A .a.O., 167,5 - 7.
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A.a.O., 167,7f.
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Confessio Tetrapolitana. In der Confessio Augustana heißt es im sechzehnten Artikel, »daß alle Obrigkeit in der Welt und geordente Regiment und Gesetze gute Ordnung, von Gott geschaffen und eingesetzt seind, und daß Christen mögen in Oberkeit, Fürsten- und Richter-Amt ohne Sunde sein, nach kaiserlichen und anderen ublichen Rechten Urteil und Recht sprechen, Ubeltäter mit dem Schwert strafen, rechte Kriege fuhren, streiten, kaufen und verkaufen, aufgelegte Eide tun, Eigens haben, ehelich sein etc.«' 6 Das richtet sich gegen die Täufer, während anders als in den Marburger Artikeln von einer Kritik an den Papisten nicht mehr die Rede ist. Das Evangelium bezieht sich ausschließlich auf die innerliche Gerechtigkeit des Herzens und stößt das weltliche Regiment nicht um, sondern erkennt es als Gottesordnung an . Der Christ ist aufgefordert, unter dem weltlichen Regiment in seinem Stand und Beruf die christliche Liebe und Vollkommenheit zu üben. Daher muss er der weltlichen Obrigkeit untertan und ihren Geboten und Gesetzen gehorsam sein, soweit dies ohne Sünde möglich ist. Wo dies allerdings nicht möglich ist, gilt gemäß Act 5, dass man Gott mehr gehorchen soll als den Menschen. Die positive Haltung zur weltlichen Obrigkeit findet auch Eingang in Zwinglis Fidei ratio, sein zum Augsburger Reichstag von 1530 abgefasstes Privatbekenntnis. Dort heißt es im elften Artikel unter Verweis auf Röm 13, dass die rechtmäßig eingesetzte Obrigkeit Gottes Vertreterin ist. Was ihren göttlichen Ursprung angeht, unterscheidet sie sich nicht von dem im vorangegangenen Artikel behandelten Amt der Prophetie, also der öffentlichen Wortverkündigung. Wie der Prophet der Diener der himmlischen Weisheit und Güte ist, so ist die weltliche Obrigkeit Dienerin der Güte und Gerechtigkeit. Ihre Aufgabe ist es, der Güte dadurch zu dienen, dass sie sich um die Anliegen ihrer Untertanen kümmert, der Gerechtigkeit hingegen dadurch, dass sie gegen die Bösen vorgeht und die Unschuldigen beschützt. Gegenüber der täuferischen Kritik an der weltlichen Obrigkeit und ihren Institutionen betont Zwingli, und zwar wiederum unter Berufung auf Röm 13, die Rechtmäßigkeit der steuerlichen Abgaben für den obrigkeitlichen Schutz. Selbst wenn ein Fürst als weltliche Obrigkeit zum Tyrannen entartet, wird dadurch die Gehorsamspflicht des Christen nicht aufgehoben . Dies ist vielmehr erst dann der Fall, wenn Gott selbst eingreift und einen Herrschaftswechsel vornimmt wie etwa im Fall Sauls, der von ihm verworfen und durch David ersetzt wird. Nicht weniger positiv als Zwingli wertet auch die Confessio Tetrapolitana die weltliche Obrigkeit, von der sie in ihrem letzten Artikel handelt.
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BSLK, 70,9- 71,1.
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JAN ROHLS
Der Gehorsam gegenüber der weltlichen Obrigkeit wird hier als »der höchsten gutten werck eins« bezeichnet. 17 Das bürgerliche Gesetz werde sogar umso besser eingehalten, je stärker der Glaube des Christen sei. Das Amt der weltlichen Obrigkeit wird als das göttlichste Amt bezeichnet, das Gott dem Menschen verliehen hat, insofern es für das Gemeinwohl zuständig ist. Von der guten Ausübung dieses Amtes hängen daher Heil und Verderben ab. »Derhalben nieman billicher das ambt der Oberkeyt tregt, dann eben die aller Christlichsten und heiligsten leut«. 10 Von daher sei es zwar verständlich, weshalb die Kaiser den Bischöfen weltliche Ämter übertragen hätten. Aber letztlich sei es eine Unmöglichkeit, das Amt der weltlichen Regierung neben dem Amt der Wortverkündigung auszuüben, so dass die Confessio Tetrapolitana für eine Trennung der weltlichen und der geistlichen Gewalt plädiert.
4. Von der menschlichen Ordnung Der siebzehnte und abschließende Schwabacher Artikel befasst sich mit den kirchlichen Zeremonien. Diejenigen, die Gottes Wort widersprechen , soll man abschaffen. Bei den übrigen soll man hingegen ihren Gebrauch freistellen, wobei der Maßstab allerdings die Liebe sein soll, um jedes Ärgernis und jeden Anstoß zu vermeiden und den allgemeinen Frieden nicht unnötigerweise zu stören. Auch dieser Artikel begegnet in leichter Abwandlung im dreizehnten Marburger Artikel wieder. Statt von »Cerimonien der kirchen« ist hier von »tradition« im Sinne von »mentschlich ordnung jn gaistlichen oder kirchen gescheften« die Rede.19 Wo sie dem öffentlichen Wort Gottes nicht widersprechen, soll man sie entweder beibehalten oder unterlassen, je nachdem, wie die Gemeinde beschaffen ist. Dabei soll man jedes unnötige Ärgernis verhüten und Liebe gegenüber den Schwachen walten lassen und dem allgemeinen Frieden dienen. Wie zum elften findet sich auch zum dreizehnten Marburger Artikel eine Randbemerkung Zwinglis, die sich mit dem Begriff »unnötiges Ärgernis« befasst. >»Unnötig>Kauern'' kann nicht in geistlicher Weise geschehen , sondern muss ebenso real vorzustellen sein wie Leib und Blut real sind, ansonsten wäre die Gewissheit gefährdet. 26 Wenn nun in dem Marburger Artikel die Gegenwart des wahren Leibes und Blutes einerseits, andererseits aber der geistliche Genuss betont werden, so zeigt sich an dieser Stelle recht deutlich, wie wenig tragfähig eine solche Formel dauerhaft sein würde. Nicht dass nicht ein Zentrum lutherischer Überzeugung getroffen wäre, denn selbstverständlich gehören für
Anders dient der Begriff ihm in seiner adjektivierten Form wie der Tradition mehrfach dazu, das Verhältnis zwischen Gott-Vater und Gott-Sohn zu beschreiben.
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25
So »manducatio« wörtlich.
Vgl. dazu Vom Abendmahl Christi 1528, WA 26, 442,32 - 38: »Also fort an ists recht gered: Wer dis brod angreiffet, der greiffet Christus leib an, Und wer dis brod isset, der isset Christus leib, wer dis brod mit zenen odder zungen zu drueckt, der zu drueckt mit zenen odder zungen den leib Christi, Und bleibt doch allwege war, das niemand Christus leib sihet, greifft, isset odder zubeisset, wie man sichtbarlich ander fleisch sihet und zubeisset, Denn was man dem brod thut , wird recht und wol dem leibe Christi zu geeigent umb der sacram entlichen einickeit willen«. 26
DAS ABENDMAHL
- DIE LUTHERISCHE
POSITION
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ihn die geistliche und die leibliche Ebene zusammen''; aber es würde eben die leibliche Erfahrung fehlen, die für ihn eine wesentliche Rolle spielt. Bereits im Vorgespräch zwischen Melanchthon und Zwingli hatte sich die manducatio spiritualis als Formel herauskristallisiert, die für beide Seiten tragfähig war, aber durchaus unterschiedlich gefüllt werden konnte. Zwar hatte Melanchthon Zwinglis Ansicht des »edere est credere« anerkannt, aber wie Christus seinen »Leib« (nicht: »Fleisch«!) den Jüngern zu essen gab, gehörte für ihn in den Bereich der nicht weiter erforschbaren absconditas. In diesem Zusammenhang pochte Melanchthon wie Luther auf die Eindeutigkeit des Schriftwortes >>Hocest corpus meumfur Euch gegeben< und >vergossen zur Vergebung der Sundern. Welche Wort sind neben dem leiblichen Essen und Trinken als das Häuptstück im Sakrament. Und wer denselbigen Worten gläubt, der hat, was sie sagen und wie sie lauten, nämlich >Vergebung der sunden«Jch bin ein Gott von nahe und nicht von ferne, Denn hymel und erden fulle ich< &c. Diese weise ist uber alle mas uber unser vernunfft unbegreifflich und mus allein mit dem glauben ym wort behalten werden«. 18 Vgl. Vom Abendmahl Christi 1528, WA 26, 447 ,14- 34: »Denn ich habs versucht: Wenn gleich ym abendmal eitel brod und wein were, Und ich wolte doch von Just wegen versuchen , wie ichs aussprechen moecht, das Christus leib ym brod were, so kuendte ichs doch warlich nicht gewisser, einfeltiger und klerer sagen denn also: >Nemet, esset, Das ist mein leibDas ist mein leibym brod, mit brod, unter brodJm, Mit, Unter< ertichten , auch mit groesserm schein , Und viel weniger zu halten sein denn itzt, Noch duerffen sie sagen: Wo stehets geschrieben, das Christus leib ym brod sey? gerade als weren sie bereyt zu gleuben, wo wirs beweisen kuendten , Und wollen doch nicht gleuben, da wir beweisen wol mechtiger, das Brod sey der leib Christi, welchs ia stercker und klerer seinen leib dazu sein ausspricht denn dieser text >Jm brod ist mein leib>auszuteilenden« bzw. zu teilenden Elemente, sondern für die gesamte Bedeutung und Praxis der Abendmahlsfeier und für deren Ort in der christlichen Gemeinde soll die Intention und Funktion normativ sein, die ihr Christus selbst, im Zeugnis der neutestamentlichen Abendmahlsberichte, gegeben hat.6
schungsdiskussion ist im Blick auf diese Arbeit die Berücksichtigung der leider oft vernachlässigten späten Schriften Zwinglis zum Thema hervorzuheben. Eine sehr knappe , aber präzise Skizze sowohl der theologischen wie der historischen Dimension von Zwinglis Haltung am Marburger Religionsgesprä ch gibt GOTTFRI EDW. LOCHER, Die Zwinglische Reformation im Rahmen der europäischen Kirchengeschichte, Göttingen/Zürich 1979. Weiter seien noch erwähnt : Der Klassiker zum Thema: WALTHER KÖHLER, Zwingli und Luther. Ihr Streit über das Abendmahl nach seinen politischen und religiösen Beziehungen. Bd. 1: Die religiöse und politische Entwicklung bis zum Marburger Religionsgespräch 1529 , Leipzig 1924; Bd. 2: Vom Beginn der Marburger Verhandlung en 1529 bis zum Abschluss der Wittenberger Konkordie von 1536 , Gütersloh 1953. Lehrreich ist EBERHARDGRöT ZINGER, Luther und Zwingli. Die Kritik an der mittelalterlichen Lehre von der Messe - als Wurzel des Abendmahlstr eites, Zürich u.a. 1980. Zur Einschät zung des Ertrags: Sus1HAUSA MMANN, Die Marburger Artikel - eine echte Konkordie?, in: ZKG 77 ( 1966), 288 - 321. Zu Zwinglis Denken und dessen Entwicklung: BER NDTHAM M, Zwinglis Reformation der Freiheit, Neukirchen Vluyn 1988; ULRI CH GÄBLER, Huldrych Zwingli. Eine Einführung in sein Leben und sein Werk, Zürich ' 2004 . MAY, Marburger Religionsgespräch (wie Anm. 1), 69f. So deutet Zwingli die Wendung: »wie das wort, vonn gott dem allmaechtigen gegeben unnd geordnet sye« in se iner Randbemerkung , wohl nicht gan z im Sinne
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PETER ÜPITZ
Wenn sich Zwingli im Streit mit Luther dann auch bis zu einem gewissen Grade genötigt fühlte, sich auf das Minenfeld scholastischer Termini und Distinktionen zu begeben, so trugen diese doch nie das theologische Gewicht seiner Überzeugung. Schon aus diesem Grund war die Forderung einer Feier in beiderlei Gestalt gemäß der »Einsetzung Christi« für Zwingli eine Selbstverständlichkeit. Eine andere war die Ersetzung des Begriffs der Messe oder des »Altarsakraments« durch denjenigen des »Nachtmahls« im Anschluss an lKor 11,23, wie er im vorliegenden Satz vorgenommen ist. Es ist dies die für den Zürcher übliche Bezeichnung, die Luther an dieser Stelle tolerierte, während weiter unten wieder der traditionelle römische Ausdruck »Sakrament des Altars>Evangeliums«.Keinesfalls darf die Messe als Gott darzubringendes Opfer verstanden werden. Sie ist, genau umgekehrt - dies ist Luthers unmissverständlich klare, aber auch einzige Alternative - , eine durch die Menschen lediglich zu empfangende Zusage der Sündenvergebung und muss als eine ihnen geschenkte »Gnade und Gabe« verstanden werden, welche diese »von Gott annehmen und empfangen sollen«. 7 Das entsprechende Gefälle spiegelt sich auch in den angesprochenen Themen und der Gedankenfolge des fünfzehnten Marburger Luthers, mit den Worten: »hoc est, quomodo Christus sui verbis instituit (( (Z VI.2, 55 l,5f.). Auch dort, wo Luther auf »die erste Einsetzung der Messe und die Worte des Stifters(( rekurriert und die Abendmahlsp erikopen auslegt, reduziert er alle dort angesprochenen Aspekte auf sein Thema. So lautet das Zitat im Satzzusamm enhang: »Da siehst du, wie alle Worte der Meinung widerstehen, dass die Messe ein Gott dargebrachtes Opfer sei. Sie bringen vielmehr zum Ausdruck, dass sie eine den Menschen geschenkte Gnade und Gabe sei, welche sie von Gott annehmen und empfangen sollen((, LUTHER,Vom Missbrauch der Messe (1521), zitiert nach: KARIN B0RNKAMM/ GERHARDEBELI NG (Hrsg.), Martin Luther, Ausgewählte Schriften, Bd. 3, Frankfurt am Main/ Leipzig 1995, 124; vgl. den ganzen Argumentationsbogen, ebd. 113- 140 (= WA 8, 506- 537). Entsprechend zitiert Luther auch im Kleinen Katechismus lediglich die Einsetzungswort e und definiert das »Sakrament des Altarsmerungdes glaubens« dient, auf die Zwingli etwa in Aktion und Brauch des Nachtmals, entstanden im selben Jahr wie der Commentarius, hinweist."
42
Z IV, 17,21- l 8,26; 22,22 - 23,5.
Vgl. Z III, 758 ,15- 762 ,3 (ZS III, 230 - 235; 255). Es ist wohl der stark en Verbreitung dieser lateinischen Schrift und vielleicht auch ihrer gegenüber der kirchlichen Tradition provokativen Behandlung der Sakramentsl ehre zu verdanken , dass sie schon bald als maßgebliche, und in der Folge einzige, Quelle der »Zwinglischen« Abendmahlslehre betrachtet wurde. Schon Calvin weist sie aufgrund seiner beschränkten Kenntnis von Zwinglis Schrifttum zurück, ohne sich bewusst zu werden, wie sehr er selber theologisch vom »schweizerisch«-oberdeutsch en Geist lebte. Von einem wissenschaftlich ernst zu nehmenden Bezug auf Zwinglis Abendmahlsverständnis wäre allerdings zu fordern, dass er sich nicht auf das Zitieren weniger Sätze aus dem Commentariusbeschränkt. 41
Was im Zitat oben bei Anmerkung 11 (nach ZS II, 133) mit »Zusicherung « übersetzt wurde, heißt im Urtext »sichrung «; in der lateinischen Übersetzung von Zwinglis Auslegungder Thesendurch Leo Jud wird der Ausdruck mit »sigillum« wiedergegeben (vgl. Z II, 111,31 ). Damit ist aber eine präzisierende Interpretation vorgenommen, die bei Zwingli so noch nicht intendiert ist. Der sonstige Gebrauch von »sichrung « oder »versichrung « durch den Zürcher Reformator legitimiert die deuts che Übersetzung nach ZS: gemeint ist eine »Zusicherung«, Zusage, Versicherung des Heils. 44
45
Z IV, 14,12f. Vgl. auch Z Vl.5, 100,6f.; 158,12f.
DAS ABENDMAHL
- DIE REFORMIERTE
PERSPEKTIVE
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Die Glaubensstärkung, einschließlich der Förderung der Vergebungsgewissheit, erfolgt durch den Einbezug des Einzelnen in diese Gemeinschaft der Feiernden, denen sich Christus als in ihrer Mitte gegenwärtiger Herr und »Hirte« zugesagt hat und die Brot und Wein miteinander teilen, gemäß der durch den scheidenden Christus vorgenommenen Neuinterpretation der hebräischen Passahtradition. Es ist die ganze »Zeremonie« mit ihren verschiedenen Komponenten, in welcher eine umfassende glaubensstärkende Kraft zur Wirkung kommt. Die Sakramente »verkündigen« und »bezeugen«, und sie »stärken« den Glauben auch nach Zwingli nicht zuletzt durch die materiale Verfasstheit der Abendmahlselemente.4• Ihre sachgemäße »sakramentale« Trostfunktion für die »schwachen Gewissen« besteht nach ihm aber gerade in ihrer Verweisfunktion, ist doch nur Christus selbst das »Pfand« und reale Fundament der göttlichen Gnade. 47 Dahinter steht, über Zwinglis »humanistisch-philologische« Exegese der Abendmahlstexte und seinen im Vergleich zu Luther anders gelagerten biographisch-existenziellen Bezug zum »Altarsakrament« hinaus, auch ein anders nuanciertes Gottesverständnis, das nicht durch die Grundspannung zwischen dem gerecht richtenden »zornigen« und dem allein in Christus gnädigen Gott geprägt ist, sondern Gott als den »höchsten Guten« bzw. die »Quelle und den Ursprung alles Guten«40 bestimmt. Auch das Kreuzesgeschehen ist nach Zwingli letztlich die Durchführung des einheitlichen und uneingeschränkten göttlichen Liebeswillens - unter Einbezug seiner Gerechtigkeit.'• Auf dieser Grundlage spielt die »Anfechtung« - durch »Sünde, Tod und Teufel«, aber dahinter letztlich durch Gott selbst - nicht dieselbe konstitutive Rolle für den Glaubens- und Gottesbegriff wie dies bei Luther der Fall zu sein scheint. Nicht das angesichts des göttlichen Zorns über den Sünder trostbedürftige Gewissen des um sein individuelles Heil bangenden Menschen, sondern der »schwache« und »immer angefochtene«,'0 weil nicht allein auf den Gott vertrauende Glaube, der als Güte in Person Gerechtigkeit und Barmherzigkeit in sich vereinigt,'' steht beim
46
Vgl. Z IV, 14, 1 lf. ; Z Vl.5, 156,6- 9; 158, 12f. (ZS IV, 357f.).
47
Vgl. Z VI.5, 148,10f.16f.
48
Vgl. z. B. Z VI.1, 453 , 15 (ZS IV, 43).
49
Vgl. z. B. Z VI.1, 462 - 464 (ZS IV, 53- 55 ).
Auch Zwingli ist die innere wie äußere Anfechtung durch den Teufel keineswegs fremd, vgl. Z Vl.5, 158, 12- 159,8 (ZS IV, 358f.).
'
0
51
Vgl. z. B. Z VI.5, 63,10- 64 ,9.
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PETER ÜPITZ
Zürcher im Blick und bedarf der Stärkung durch die Feier des Abendmahls.''
6. »dass die geistliche Nießung ... vornehmlich notwendig« ist Mit dem Nachsatz, dass das »Bewegen zum Glauben« »durch den heiligen Geist« geschehen soll, vor allem aber mit der Aussage, dass es die »geistliche Nießung« des Leibes und Blutes Christi ist, die für jeden Christen »vornehmlich notwendig« sei," ist schließlich wieder ein Hauptanliegen Zwinglis und der Oberdeutschen genannt und in den Text der Marburger Artikel aufgenommen worden. An verschiedenen Stellen wird in der Schlussfassung der Marburger Artikel die Bedeutung des Geistes Gottes hervorgehoben. Es ist wohl diese explizite pneumatologische Prägung, welche es den Oberdeutschen ermöglich hat, die Artikel aus Überzeugung zu unterzeichnen. Bucer bemerkt rückblickend, man habe durch wenige Zusätze festgehalten, dass alle Frucht der Lehre und alle Gabe der Sakramente dem göttlichen Geist, und nicht menschlichen Worten oder Zeichen, zu verdanken sind. Und analog formuliert Zwingli, stets darauf geachtet zu haben, »dass der Glaube allein von Gott ist«." Gottfried Locher hat von einem »pneumatologischen Vorbehalt« gesprochen, den »die Zwinglianer auf der ganzen Linie ... in die lutherischen Formulierungen eingebaut« hätten .'' Zweifellos ging es Zwingli und den Oberdeutschen zum einen um die Wahrung Gottes als den im Gnadengeschehen frei handelnden Akteur. Christus allein ist »Hohepriester« und »Pastor« der Gemeinde im strengen Sinn und damit auch einladender Gastgeber des der Gemeinde zu feiern aufgetragenen »NachtmahlsVergegenwärtigung« Christi festgehalten haben.'•
So endet das Abendmahlsgebet vor den Einset zungsworten mit dem Satz: »Immer beten wir, Herr, mehre unseren Glauben, das von allen Zweifeln freie Vertrauen auf dich, der du lebst und regierst, Gott, in alle Ewigkeit«, Z Vl.5, 16f. (ZS IV, 3 19).
52
53
MAY,Marburger Religionsgesp räch (wie Anm. 1), 70, 69.
54
KÖHLER, Marburger
55
LOCHER, Zwinglische
56
Vgl. Z VI.2, 531, 1-5 . Luthers Beteuerung, dass es um Christi Worte, nicht um
Religionsgesp räch (wie Anm. 1), 141. Reformation (wie Anm. 4), 331.
eine Vollmacht des sie Sprechenden geht (MAY,Marburger Religionsgesp räch [wie
DASABENDMAHL - DIEREFORMIERTE PERSPEKTIVE 189
Demgegenüber muss in Zwinglis Sicht deutlich bleiben, dass der Pfarrer in Verkündigung und Ritus »Diener« des Wortes und der Selbstvergegenwärtigung Christi bleibt. 57 Dies allerdings ist die nach Zwingli seinem Amt übertragene Funktion und Würde. Entsprechend ging es den Oberdeutschen auch im Blick auf die »Mittel« Wort und Sakrament nicht um deren Vergleichgültigung, sondern im Gegenteil um ihre Würdigung als das, wozu sie von Christus »eingesetztpsychologischem Intentionen und Motiven hinter der Haltung des Wittenberger Reformators, der ja in anderen Fällen durchaus vom »einfachen Wortsinrn eines Schriftwortes abweichen konnte,"' fern. Nicht ohne Recht hat Ulrich Gäbler bereits den Status der Frage nach dem »Präsenzmodus« Christi im Abendmahl zwischen Luther und den Oberdeutschen als unterschiedlich verortet gesehen: Während Luther »von Anfang an die Auseinandersetzung mit Zwingli und den Seinen in den Horizont eines Kampfes gegen teuflische Mächte rückt> moderne Marburg« den Protestantismus bereichert hat : Das Vorverständnis für die Heilige Schrift" hat sich geändert. Sie wird nicht mehr als Quelle für Lehrsätze und Vorschriften, sondern als Begegnungs- und Lebensbuch gelesen. Und die Bibel zu lesen, bildet stets den inneren Kern des Evangelisch-Seins.
5. Was also ist heute »evangelisch«? Wir hörten: um die Wahrheit streiten, für die Einheit beten , die Vielfalt gestalten. Der Streit um die Wahrheit der Einsetzungsworte führte dazu, dass sie immer und immer wieder befragt und exegetisch, systematisch, praktischtheologisch beleuchtet und durchleuchtet wurden. Dieses ständige Fragen öffnete ein neues Verständnis. Das Beten für die Einheit hielt das Bewusstsein dafür wach, dass der Stachel schmerzt. Inständiges Beten schärft die Aufmerksamkeit für die strittige Sache und zugleich füreinander! Die Gestaltung der Vielfalt schließlich machte Ernst damit , dass die Einheit der Kirche nicht durch die Einheit ihrer Erscheinungsweise und ihrer Rituale, sondern allein durch Christus und sein Wort gewährleistet ist und dass dies nicht sehr wenig, sondern im Gegenteil gerade den ganzen Reichtum der Kirche darstellt. Die Aufgabe , Vielfalt zu gestalten, wie sie schon durch die Confessio Augustana beschrieben ist , öffnete den Weg für liturgische Veränderungen, in deren Folge so manches Undenkbare sich plötzlich als sehr wohl lebbar zeigte und in eine neue Tiefe des Verstehens der Heiligen Schrift verwies. Das sind gute Voraussetzungen für die nächsten ökumenischen Schritte. Wie - rückblickend betrachtet - nicht die Lutheraner und nicht die Reformierten »Recht« behielten, sondern sich die Fragestellung aus dem 16. Jahrhundert im 20. Jahrhundert wandelte und am Ende die Heilige Schrift neu gelesen wurde und ihrerseits Recht behielt, so wird es auch nicht darum gehen , ob die Evangelischen, die Römisch-Katholischen oder die Orthodoxen Recht behalten . Aber wir haben bei den ökumenischen Überlegungen zu Abendmahl und Eucharistie aus unserem eigenen Erfahrungsschatz eines jahrhundertelangen innerevangelischen Ringens viel beizutragen. Die bleibende Modernität des Protestantismus zeigt sich in seiner Fähigkeit, den Diskurs nicht nur als notwendiges Übel zu ertragen, sondern Vgl. RUDOLFBULTMANN,Das Probl em der Herm eneutik (1950) , in: DERS. , Glauben und Verstehen, Bd. 2, Tübin gen ' 1968 , 211 - 235.
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als für uns Menschen wesentlich zu begreifen. Damit wehrt er alle Fundamentalismen und Totalitarismen, aber auch jegliche Resignation ab und ruft auf zur aktiven Einmischung in die Welt - die Welt verstanden als der Ort, in den hinein Gott sein Wort spricht, um sie mit sich zu versöhnen.
Dieses Wort von der Versöhnung einer Welt voller Dissense zuzumuten, ist der Kern des bleibenden Auftrags. Das hat eine deutlich geistliche, aber darin eben auch politische und kulturelle Komponente. Streiten - Beten - Vielfalt gestalten: Hier wird kein Inhalt, keine Lehre beschrieben, sondern ein Prozess, jenseits von Harmoniesucht und Einheitsgerede IndividualWit und Gemeinschaftlichkeit zu ermöglichen und zu gewährleisten. Das ist heute so evangelisch wie damals und heute so nötig wie damal s - vielleicht sogar, angesichts der sich verhärtenden fronten in Zeiten von Krisen, noch nötiger als vor bald fünfhundert Jahren. Ein sich seiner selb st
bewusster Protestantismus kann dann seinen Beitrag zur Gestaltung der Ökumene leisten, wenn er sich nicht vor seiner eigenen Modernität fürchtet. Die Reformatoren jedenfalls haben unter ihren Bedingungen dazu gestanden, haben die Offenheit und Unabgeschlossenheit ausgehalten - und das war, aufs Ganze gesehen, richtig!
REGISTER
Agricola, Johann 52 Agricola, Johannes 80, 116, 173 Agricola, Stephan 48 Althamer, Andreas 87 Anselm von Canterbury 91 Apollinaris von Laodicea 75 Aquila, Caspar 80, 116 Arius 50, 72f., 84 - 87 Athanasius 72, 90, 92 Augustinus 75, 84, 87, 90f., 96 - 98, 100, 183
Besserer, Bernhard 58 Bizer, Ernst 193 Blanke, Fritz 14, 123f., 191 Blarer, Ambrosius 46f., 197 Boethius 90 Boyneburg, Siegmund von 58f. Brenner,Oskar 14,31, 54 Brenz,Johannes 48, 85,98 Brück, Gregor 59 Brunner, Leonhard 44 Bucer, Martin 5, 6, 43f., 46 - 48, 50, 53, 70, 85, 88 - 93, 105, 115, 188, 193, 196f. Bugenhagen, Johannes 92
Bullinger, Heinrich 82f., 196 Burchard, Franz 80 Calvin, Johannes 46, 186 Camerarius, Joachim 79 Campanus, Johannes 70, 81, 93 Capito, Wolfgang 43, 88 Cassiodor 72, 94 Collin(us), Robert 82, 97 Dalferth, Ingolf 102 Delius, Hans-Ulrich 14 Dülfer, Kurt 14 Eck, Johann 86 Engelhardt, Eduard 31
Erasmus von Rotterdam 86, 93, 200 Farel, Guillaume 89f. Feige, Johann 50, 83 Fortunatus 98 Froschauer, Christoph 13f., 53, 118 Fulgentius von Ruspe 96f. Gäbler, Ulrich 195 Georg der Bärtige, Hz. von Sachsen 49 Georg, Mgf. von Brandenburg-Ansbach 45,55 - 57
Gerbe], Nikolaus 87, 116 Gollwitzer, Helmut 155 Hardenberg, Albert 101 Hätzer, Ludwig 81 - 83, 85, 87 Hausammann , Susi 31, 48, 51 - 54, 123 Hedio, Caspar 26, 48, 83, 88, 96f., 105 Heinrich der Fromme, Hz. von Sachsen 49,81
Heppe, Heinrich 14 Hess, Conrad 87 Hieronymus 86 Hubmaier, Balthasar 87 Hut, Hans 88 Januarius 98 Johann der Beständige, Kf. von Sachsen 51, 55 - 57,59,80, 134, 212
Jonas, Justus 26, 48 Jud, Leo 186 Jüngel, Eberhard 112r., 156 Karl V., Ks. 61 Kaufmann, Thomas 86 Kautz, Jakob 88 Köhler, Walther 48, 64, 71, 85, 105, 123, 156, 165
Kolmatsch, Georg von 58 Krafft, Adam 8 Lambert, Franz 8 Latomus, Jacobus 86, 91
210
HFGISTf.TI
Lebkiic:hner, Anton 85 l.eppin, Volker 99, 123 Link, Wenzel 116 Locher, Gottfried 191 Luther, Katharina 173, 192 Luther, ,\1artin 5-7, 13, 31, 43-54, 575~ 61-6~ 70L, 73-78, 81-8~ 89101, 105L, 11~ 11~ 115-11~ 119121, 124-12~ 129-13~ 13~ 142, 14~ 153-18~ 186-19~ 192-19~ 198, 200f., 205
Macedonius, llf. von Konstantinopel 73 Mahlmann, Theodor 200 Markell von Ankyra 73 JV!aurer,Wilhelm 76 May, Gerhard 9, 14, 66, 85 Melanchthon, l'hilipp 5f., 45, 48-50, 53, 56f., 61, 64f., 70, 79-83, 85, 87, 93-9~ 100[, 10~ 12~ 123-125, 133,165 Melander, l)ionysius 88 Myconius, Friedrich 8 \oack, August 8 Oberman, 1leiko A. 190
Oekolampad, Johannes 6, 43-46, 485~ 5~ 62, 8~84f~96-9~ 116,126, l 93f. Osiander, Andreas 13, 26, 48, 85, 97f., 194f. Paul von Samosata 81 Petrus Lombarclus 183
Peypus, Friedrich 13 Pfarrer, .VIath i s 58 Philipp, Lgf. von Hessen 5f., 8, 13, 435 l, 53-59, 106,117,119, 133f., 173, 193,197,203,211,213 Photin von Sirmium 73
Propst, Jakob 116f., 173 Heublin, Wilhelm 88 Rhocle,Franz 13 Roscelin von Compiegne 9 1 Sabellius 75 Saltzmann, Thomas 87 Sam, Konrad 92 Schirlentz, \ikolaus 13 Schleiermacher, Friedrich 200 Schnepf, Erhard 8, 44, 47 Schradinus, Johannes 85, 98 Schubert, Hans von 54, 61, 63 Seebaß, Gottfried 61 Seitz, Otto 14, 31, 123 Servet, Michael 70, 93 Staedtke, Joachim 14, 152, 161 Strauss, Jakob 184 Stupperich, Robert 15 Sturm, Jakob 45, 50, 85, 105 Theodosius I., Ks. 95 Llrich, Hz. von Württemberg 44 Lsteri, Johann Martin 14 Ltinger, l leinrich 118 Vadian, Joachim 54, 82, 1l 7f. Valla, Lorenzo 89 Vigilius von Thapsus 92 Westphal, Joachim 46 !.eil, Matthias 88 Zwingli, Hul