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German Pages 144 Year 1973
Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft 13
Wolfgang Dressler
Einfuhrung in die Textlinguistik
2., durchgesehene Auflage
Max Niemeyer Verlag Tübingen 1973
ISBN 3-484-22014-7 © Max Niemeyer Verlag Tübingen 1973 Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen. Printed in Germany
Vorwort
Dieser Band ist als erste kurze und faßliche Einführung in wichtige Probleme der sprachwissenschaftlichen Erforschung übersatzmäßiger Beziehungen, ja ganzer Texte gedacht. Die durch diese Zielsetzung bedingte Knappheit in der Darstellung vieler Fragenkomplexe versuchen die Literaturangaben etwas abzugleichen. Der Band ist aus textlinguistischen Einführungskollegs erwachsen, die ich 1971 an der Ohio State University (Columbus) und an der Universität Wien gehalten habe. Für Kritik, die diesem Band zugute gekommen ist, danke ich vor allem meinen Hörern E.Chromec, R.de Cillia, S. Ebner, A.Eder, R.Leodolter, C.Prevratil, J. Reinhart, W.Wintersberger, R.Wojcik. Dankbar denke ich auch an die Diskussionen anläßlich von textlinguistischen Vorträgen in Berkeley, Bratislava, Chicago, Columbus, Heidelberg, Los Angeles, Rennes, Salzburg und Wien. Der T e x t wurde im wesentlichen Ende 1971 abgeschlossen. Wien, im Februar 1972
Wolfgang Dressier
Zur Zeichensetzung In den Beispielen ist inkorrekten Sätzen ein Sternchen (*) und fragwürdigen Sätzen oder Satzfolgen ein Fragezeichen (?) vorgesetzt. ( ) bedeutet fakultativ mögliche Wahl der eingeklammerten Wörter oder ihre Auslassung. Schrägstrich (/) bedeutet, daß entweder das oder die Wörter vor dem Schrägstrich oder die entsprechenden Wörter danach zu wählen sind, nach Punkt/Ausrufezeichen/Fragezeichen, daß die entsprechenden Sätze ausgetauscht werden können. V
Inhalt
I.
Einleitung 1. 2. 3. 4.
1
Fragengruppen Gliederung der Textlinguistik Forschungsgeschichte Logische Entwicklung der Textlinguistik
1 4 5 12
II. Textgrammatik
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1. Textsemantik und Textthematik 2. Thema von Text und Textstück 3. Kohäsion: Rekurrenz und Paraphrase 4. Koreferenz 5.1. Anaphora durch Proformen 5.2. Spezifität und Definitheit 5.3. Restriktionen der Anaphora 5.4. Anaphorische Ellipse 6. Logische Inklusion und Implikation 7. Semantische Kontiguität 8. Semantische Basisstruktur, Rekurrenz und Thema 9. Handlungsrollen und dramatis personae 10. Perspektive und Reliefgebung (Tempus, Aspekt) 11. Reliefgebung durch Hervorhebung und Funktionelle Satzperspektive 12. Texterwartung 13. Textanfang - Textschluß 14. Semantische Entwicklung und Abgrenzung 15. Satzzusammenhang und Konjunktionen, andere Konnektoren, Parataxe und Hypotaxe 16.1. Oberflächenstruktur: Wortstellung und Reihenfolge 16.2. Phonologie und Phonetik, Sprachmelodie 16.4. Graphemik und Schriftlichkeit 17. Dialog 18. Direkte und indirekte Rede
16 17 20 22 25 27 29 32 36 38 40 42 47 52 55 57 63 66 73 75 80 83 88
III. Textpragmatik 2. 3.
92
Konversationspostulate Angemessenheit, Situation, Modalitäten
94 95 VII
4. 5.
Intention Präsuppositionen
IV. Zur interdisziplinären Rolle der Textlinguistik 1. 2. 3. 5. 8. 10. 11.
Kommunikationstheorie Soziologie, Soziolinguistik Literaturwissenschaft, 4. Stilistik Folkloristik, 6. Theologie, 7. Rhetorik Logik, 9. Psychologie Dokumentationsanalyse, Inhaltsanalyse Ubersetzungswissenschaft, Unterricht
97 98 102 102 103 105 108 109 111 113
Bibliographie
116
Nachtrag
125
Sachindex
126
Terminologisches Register
134
VIII
I. Einleitung
1. Textlinguistik oder auch Grammatik von Texten ist etwas, wovon man in der Schule 1 nichts hört. Der Begriff Text, worunter wir vorerst einmal eine abgeschlossene sprachliche Äußerung verstehen wollen, 2 kommt in einer Schulgrammatik nicht vor, außer in der Bedeutung von Buch oder, noch allgemeiner, von etwas in Worten Geschriebenem. Was ist also Textlinguistik, diese relativ junge, umfassendste und interdisziplinär wichtigste Sparte der Sprachwissenschaft? Definitionen und Problemkataloge wurden schon oft aufgestellt. 3 Hier seien nur einige wichtige Gruppen von Fragen aufgezählt, wie sie sich die Textlinguistik in einer solchen Weise zu stellen versucht, daß sie sie allein oder in Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaften zu lösen hoffen kann. 1.1. Was ist ein Text? Wodurch wird ein Text konstituiert und wodurch unterscheidet er sich von einer (u. U. zufällig zustande gekommenen) Satzmenge? Z.B. was verbindet den isolierten Ausruf (1) Hilfe! Feuer! mit Dante's Divina Commedia und trennt beide Texte von einem PseudoText, wie ihn ein Lexikon darstellt? 4 1.2. Wann ist ein Text abgeschlossen? Wodurch unterscheidet sich ein vollständiger von einem unfertigen oder verstümmelten Text? Dies hängt nicht
1 2
3 4
Außer vielleicht seit 1971 in Nordrhein-Westfalen dank der Kurse der Universität Bielefeld. Eine genauere Definition wäre: Text ist eine nach der Intention des oder der Sender und Empfänger sprachlich abgeschlossene Spracheinheit, die nach den Regeln der Grammatik der jeweils verwendeten Sprache gebildet ist. Doch vgl. I.4.4ff. Hartmann 1968 und passim; Isenberg 1971; Wunderlich 1971. Zu einem Bekannten sagte einmal ein Nachbar, von allen Autoren schätze er am meisten Meyer, nämlich wegen dessen ungeheurem Wissen, er habe auch schon den ersten Band (von Meyer's Konversationslexikon) ausgelesen, nur hätte Meyer einen Nachteil: „Es fehlt mir irgendwie der rote Faden!". Eine linguistische Texttheorie muß also sowohl den Zusammenhang von Sätzen als auch von Satzgruppen und größeren Textstücken erklären.
1
davon ab, ob alle Sätze abgeschlossen sind: z.B. Rilke's G e d i c h t , S a n k t Christoferus' ist ein vollständiger Text, obwohl es den unvollständigen Satz enthält: (2) Was sollte auch ein Kind . . . ? 1.3. Was ist der Sinn eines Textes? Wie wird er vom Empfänger des Textes (Hörer/Leser) verstanden? Was behält er davon im Kurz- und Langzeitgedächtnis (ein psychologisches Problem)? 1.4. Wozu äußert man einen mündlichen oder schriftlichen Text? Wenn z.B. nur aus Schwatzlust, so wird ein solcher Text nicht sehr hoch bewertet. 1.5. In welchem außersprachlichen, gedanklichen und gesellschaftlichen Kontext ist ein bestimmter Text erst sinnvoll? Dies ist das Problem der Sprechsituation, vgl. etwa D.Bolinger's Satz 5 (3) I'm the soup geäußert von dem nur für die Suppe verantwortlichen Koch inmitten einer Schar anderer Köche in einer Großküche. Oder vgl. den „unlogischen" Ausruf eines Gastes (4) Hier ist der Kaffee! mit dem ein Kellner darauf aufmerksam gemacht werden soll, daß dieser Gast seinen Kaffee noch nicht bekommen hat, daß der Kaffee eben noch nicht hier ist! 1.6. Inwiefern ist jeder Satz eines Textes unvollständig und sein notwendiger Bezug auf den Gesamttext erkennbar? Wie hängen Sätze im Text miteinander zusammen? Die grammatikalische Korrektheit oder wenigstens die Annehmbarkeit eines Satzes kann erst im Rahmen des Textes festgestellt werden. Z.B. ist der Fragesatz (5a) Ich hier? als Gegenfrage auf Sätze wie (5b) Du warst in diesem Zimmer! annehmbar, in Isolation aber nicht. Versuche 6 haben gezeigt, daß Versuchspersonen in der Lage sind, Sätze eines Textes, die willkürlich chaotisch durcheinander gemischt wurden, wieder in die richtige Ordnung zu bringen und zu erkennen, ob ein Satz der erste Satz eines Absatzes ist oder nicht. 1.7. Wie wird ein Text von seinem Sender (Sprecher/Schreiber) programmiert und realisiert? D. h. wie viel weiß der Sender im vorhinein und nach welchen Regeln linearisiert er sein Redeprogramm, so daß ein korrekter Satz entsteht? 5 6
Lingua 21 (1968) 38. S. Pfafflin - P. Parsons - G.Di Donato, LRIP 565.
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1.8. Welche Funktion haben die verschiedenen Sprachelemente im Text? Bei vielen läßt sich die Funktion im Rahmen des Einzelsatzes nicht klären, z.B. bei Artikel, Konjunktion, Pronomen, Wortstellung, Intonation ist dies besonders deutlich. 1.9. Welche Relationen bestehen zwischen Text und Satz u n d welche hierarchische Zwischenstufen gibt es? Kandidaten sind etwa Kapitel, Absatz, Paragraph, Abschnitt, Äußerung, Periode, Satzgruppe. 1.10. Welche Texttypen (Textsorten) gibt es und wie kann man sie voneinander abgrenzen? Welche Änderungen widerfahren einem gegebenen Text, wenn sich sein jeweiliges schriftliches oder mündliches Trägermedium bzw. seine schriftliche/mündliche Konzipierung ändern? Man denke etwa an die schriftliche Fassung eines mündlichen Vortrags, an die Dramatisierung oder Verfilmung eines Romans. 1.11. Welche sprachlichen Gesetze lenken den Ablauf einer Konversation? Warum sind etwa die beiden folgenden Kurzdialoge keine erfolgreichen Texte? (6) Wo warst du? — Irgendwo. (7) Warum ißt du nicht? - Du Idiot! Können unsere Intuitionen darüber in sprachwissenschaftliche Gesetze formuliert werden? 1.12. Welche Rolle spielt die Ebene des Textes beim kindlichen Spracherwerb, beim Fremdsprachenlernen, bei der pathologischen Sprache von Geistesgestörten und Gehirnverletzten? Welche Rolle spielt sie beim Übersetzen? 1.13. Welche textlinguistischen Gesetzmäßigkeiten und Regeln ändern sich nicht in der historischen Entwicklung der Sprachen, sind also invariant? Wie ändern sich die anderen? 1.14. Diesen Problemen nähert sich die Textlinguistik mit der Voraussetzung, daß der Text das primäre sprachliche Zeichen, die grundlegende Einheit der Sprache sei, daß der Mensch'nicht in Sätzen, sondern in Texten schreibe oder spreche. Die Textlinguisten glauben, daß die frühere, auf die Satzgrammatik beschränkte Sprachwissenschaft sehr viele Probleme überhaupt nicht lösen oder sogar nicht einmal sehen konnte. Denn es gibt wenige Probleme in der Grammatik, die keinen Bezug zur Textlinguistik haben; ausgenommen sind weite Teile von Morphologie, Phonologie u n d Lexikologie. Der naive Glaube, man könne eine Sprache, wenn man genügend Vokabeln weiß und sie deklinieren, konjugieren und aussprechen kann, hat irgendwie auch die Sprachwissenschaft beeinflußt u n d ist dafür mitverantwortlich, daß sich erst in den beiden letzten Jahrzehnten u n d zuerst sehr langsam eine Textlinguistik herauszubilden begonnen hat. 3
2. Bevor wir aber in die Forschungsgeschichte eingehen, soll ein kurzer Überblick über den Aufbau der Textlinguistik und die Gliederung dieses Buchs folgen. Die Teilgebiete der Textlinguistik ergeben sich aus den Antworten auf folgende Fragen: 2.1. Was ist die Bedeutung eines Textes und wie konstituiert sie sich? Dies ist der Bereich der Textsemantik. Was ist die Funktion eines Textes im (außersprachlichen) Kontext? — eine Aufgabe der Textpragmatik. Wie wird die Bedeutung eines Textes syntaktisch ausgedrückt und wie kann sie ausgedrückt werden? - eine Aufgabe der Textsyntax. Eng mit ihr verwandt ist die Textphonetik, die sich, analog zur Satzphonetik, mit phonetischen Charakteristika und Signalen der syntaktischen Textgestaltung beschäftigt. Was kann die Textlinguistik zu nicht-linguistischen Nachbardisziplinen beitragen und wie wird sie ihrerseits von diesen gefördert? Dies ist die interdisziplinäre Rolle der Textlinguistik. 2.2. Da die Pragmatik nicht allgemein zur Linguistik gerechnet wird, empfiehlt sich eine Zusammenfassung der Textsemantik und Textsyntax als Textgrammatik (im eigentlichen, puristischen Sinn). Der Aufbau einer Textgrammatik muß je nach der sprachwissenschaftlichen Schule, zu der sich ein Textlinguist hingezogen fühlt, verschieden aussehen. Ein Strukturalist kann den Text als Zeichen fassen, dessen (bedeutungserfüllte) Inhaltsseite von der Textsemantik und dessen (formale) Ausdrucksseite von der Textsyntax beschrieben wird. Ein Anhänger einer Ebenengrammatik kann von einer textsyntaktischen Realisierung der höheren textsemantischen Ebene reden. Ein Generativist kann Formationsregeln für den Basisteil einer Textgrammatik und textsyntaktische Transformationsregeln und/ oder Einschränkungen (constraints) aufstellen. 2.3. Im Hinblick auf die heutige wissenschaftstheoretische Situation und auf mutmaßliche Vorkenntnisse und Interessen der Leser werde ich hier, ohne dogmatisch zu sein, oder Formeln auszubreiten, der generativistischen Strömung den Vorzug geben, und im Rahmen der verschiedenen Schulen der generativen Grammatik der intuitiv am einleuchtendsten Richtung, der von der Bedeutung ausgehenden generativen Semantik, der sich immer mehr Sprachforscher Europas und Amerikas anschließen bzw. sie weiterführen. 7 Dementsprechend hat eine textsemantische Repräsentation den Basisteil der Textgrammatik abzugeben, wovon textsyntaktisch die korrekt segmentierten und textuell wohlgeformt verbundenen Sätze des
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In den USA z.B. G.& R.Lakoff, J.McCawley, J.Ross, D.Perlmutter, P.Kiparsky, P.Postal, jetzt auch Ch.Fillmore; in Europa H.Brekle, C.Rohrer, D.Wunderlich, W.Kummer, J.Petöfi, Ö.Dahl usw.
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jeweiligen aktuellen Textes abzuleiten sind. Scharfe Grenzen zwischen Semantik und Syntax sind zwar willkürlich, doch ist als Ausgangspunkt der Grammatik die Bedeutung anzusehen; zur Frage, ob Bedeutung nicht pragmatisch zu begründen sei, siehe Abschnitt III. Für ein so reich differenziertes Modell, wie es eine generative Textgrammatik liefern soll, stellt sich ein zweites Abgrenzungsproblem: Wo und wie kann man Textgrammatik und Satzgrammatik trennen? Leichter ist dies auf Ebenen, wo der Text in Sätze segmentiert ist, d.h. auf der Ebene der syntaktischen Ausgabe (Oberflächenstruktur) und, schon schwieriger, auf der Ebene der phonetischen Ausgabe (phonetische Repräsentation, aktuelle Aussprache). Dazu muß es aber noch eine Ebene geben, auf der die Satztrennung vorherbestimmt wird (erst in der Seichtstruktur (shallow structure), einer nicht weit hinter der Oberfläche angesetzten zugrundeliegenden Struktur?). Auch wenn wir, um Konfusionen auszuweichen, annehmen wollen, daß der jeweilige Ausgangspunkt jedes Satzes (Satzbasis, Thema) bereits in der Basisstruktur angelegt und damit der Umfang (oder präziser: der Anfang) der aktuellen Oberflächensätze determiniert ist, werden Text- und Satzgrammatik einander immer überschneiden.
Forschungsgeschichte 3.1. Als Vorläufer der Textlinguistik sind vor allem drei geistige Strömungen zu nennen. Die älteste ist die von den Griechen über die Römer ins Mittelalter und in die Neuzeit überlieferte R h e t o r i k (vgl. Lausberg 1960). Zwei wichtige Aufgaben des Redners fallen (zumindest teilweise) in den Bereich der Textlinguistik: die Anordnung der Gedanken oder Disposition und die sprachliche Formulierung oder Elokution. Freilich war und ist die traditionelle Rhetorik weitgehend präskriptiv und an der Alltagssprache ganz uninteressiert; wichtig sind die Vorbilder der (jeweils) klassischen Schriftsteller. In dispositio, elocutio und in der Lehre von den Gedankenoder Redefiguren und vom kunstvollen Periodenbau hat die Rhetorik auch Gebiete der späteren Stilistik umfaßt. Bei der mittelalterlichen Einteilung der Freien Künste in Rhetorik, Grammatik und Dialektik (Logik) usw. fiel das heutige Gebiet der Textlinguistik also im wesentlichen der Rhetorik zu. Im Gegensatz zur Rhetorik kann sich die Textlinguistik nicht auf die Untersuchung schriftstellerisch, juristisch oder politisch konzipierter Texte beschränken. 3.2. Aus Rhetorik, Grammatik und Philologie gespeist entstand ein zweiter
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Vorläufer der Textlinguistik, die S t i l i s t i k . Bis vor kurzem galt ganz allgemein der Satz als oberste sprachliche Einheit. Konsequenterweise mußten daher alle übersatzmäßigen Beziehungen Gegenstand der Stilistik sein. Während also auf der Ebene des Satzes die Stilistik auf die Grammatik aufbauen konnte, blieb die Ebene des Textes, wenigstens theoretisch, ganz der Stilistik vorbehalten. Heute muß hingegen die Linguistik der Stilistik auf den Ebenen des Satzes und des Textes die notwendigen sprachwissenschaftlichen Grundlagen liefern, z.B. in der Frage, inwiefern die Verwendung eines textlinguistischen Elements von der Textgrammatik gefordert ist oder dem Stilwollen des Autors entspringt. 3.3. Wichtige Impulse empfängt die Textlinguistik immer wieder von einer dritten Strömung, die erst in unserem Jahrhundert entstanden ist, nämlich der strukturellen Analyse der Aufbauschemata von Erzählungen, besonders in der Volksdichtung und im Mythos. Als Vertreter für viele seien die russischen Formalisten V.Propp, V.Sklovskij, 8 R.Jakobson (wenn man ihn auch dazu rechnen darf) und der französische Strukturalist und Ethnologe C.Levi-Strauss genannt. 3.4. Daneben gab es aber auch unter Sprachwissenschaftlern Vorläufer der Textlinguistik im engeren Sinn. Besonders die Vertreter der Funktionellen Satzperspektive ( I M 1.) zitieren gerne H.Weil (1887), der die Wortfolge auf die Gedankenfolge bezog und von der Grammatik absetzte: seine Einstellung zu beiden zeigt sich deutlich am Ratschlag (S. 26), bei der Übersetzung lieber die Wortstellung als die Grammatik beizubehalten. Ganz in Vergessenheit geraten ist hingegen die Dissertation I.Nye's (1912), die in ihrem Streben, die offenen und sichtbaren Anzeichen der Zwischenbeziehungen verbundener Sätze festzustellen, zwei wichtige textuelle Prinzipien entdeckte: Unvollständigkeit und Wiederholung; d.h. ein Satz ist unvollständig, weil er Textbezug hat, und er wiederholt Material aus anderen Sätzen. Dabei hat sie implizit Textsyntax auf Textsemantik zurückgeführt. 3.5.1. Den ersten Anstoß zur Entwicklung der heutigen Textlinguistik hat Z.S.Harris (1952) gegeben, und zwar mit seiner berühmten „Discourse Analysis", in der er die strukturellen Methoden des amerikanischen Distributionalismus 9 von der Phonologie, Morphologie und Syntax auf die Textebene ausdehnte. Dabei segmentiert er den Text in Sequenzen, die gewöhn-
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Vgl. W. Harkins, Slavic Formalist Theories in Literary Scholarship. Word 7 (1951) 1 7 5 - 1 8 5 . Richtung des prägenerativen amerikanischen Strukturalismus, der die mögliche Verteilung (Distribution) im Satz als wichtigstes Charakteristikum jedes Sprachelements ansah.
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lieh Teiisätzen (Haupt-, Nebensätzen) entsprechen, und stellt auf Grund semantischer oder formaler Ähnlichkeiten Äquivalenzen zwischen diesen Sequenzen auf. Durch paraphrasierende Transformationen regularisiert er den Text, d.h. er erhöht die semantischen und formalen Äquivalenzen so, daß alle Sätze eines gegebenen Textes Äquivalenzklassen zugeordnet werden können. Nach den Kriterien dieser ziemlich oberflächlichen Prozedur würde, wie Bierwisch (1965) in seiner treffenden Kritik hingewiesen hat, die folgende Satzanhäufung einen regulären Text darstellen: (8) Es gibt niemanden, den ihr Gesang nicht heißt Josephine. Gesang ist ein Wort mit rinnen machen viele Worte. 10 Eine nähere Zusammengehörigkeit dieser Sätze ter dem Titel „Sätze aus dem Wortfeld singen"
fortreißt. Unsere Sängerin fünf Buchstaben. Sängewäre allenfalls als Zitate undenkbar, vgl. 11.7.2.
3.5.2. Organisch behandelt in ihrem Modell die T a g m e m i k K.Pike's" die Ebene des Textes. So wie Worte Positionen in Syntagmen ausfüllen, Syntagmen in Teilsätzen (clauses), Teilsätze in komplexen Sätzen, ebenso füllen auch Sätze Positionen in Paragraphen und diese in Texten (discourses) aus. Höchste Einheit ist allerdings das „composite verbal-nonverbal behavioreme", d.h. die Verhaltenseinheit (Beispiele: Fußballspiel, Frühstück, Sonntagsmesse), womit der pragmatische Situationsbezug berücksichtigt ist. Zwar kümmern sich die Tagmemiker wenig um sprachtheoretische Forderungen wie die nach Wohlgeformtheitsbedingungen und betreiben manchmal eine eher vage rhetorische Analyse, andererseits haben sie aber eine große Zahl textlinguistischer Beschreibungen geliefert. 3.5.3. Ähnlichen Zielen streben mit im Prinzip ähnlichen Mitteln die Stratifikationalisten zu. 1 2 3.6. In Europa wurde Textlinguistik implizit oder explizit (z.B. Danes 1970) in der Prager Schule der F u n k t i o n e l l e n S a t z p e r s p e k t i v e betrieben (s. II. 11.). Denn die Unterscheidung von Thema als dem Bekannten und Rhema als der neuen Information ist nur in übersatzmäßigem Rahmen möglich. 13 Die Ideen der Funktionellen Satzperspektive sind auch in anderen Schulen wirksam geworden, so bei Halliday und manchen Generativisten (Palek, Nickel, vgl. auch Sgall, Isacenko). 10 Eine offensichtliche Äquivalenz besteht in diesem Pseudotext in der Beibehaltung der Bedeutungseinheit singen in Subjektsposition. Harris ging es freilich nicht um Erzeugung, sondern um Analyse korrekter Texte. 11 Z.B. Eastman, Klammer-Compton, Longacre, Pickett, Pike ( 1 9 6 7 , 1 4 5 f f , 4 8 4 f f ) , Waterhouse, Wheeler. 12 Vgl. I. Fleming, Stratificational Theory. An Annotated Bibliography. Journal of English Linguistics 3 ( 1 9 6 9 ) 3 7 - 6 6 . 13 Vgl. den Band und die Bibliographie am Dressier 1972b a.O. und „Tschechische Beiträge zur Textlinguistik". Postilla Bohemica, Zeitschrift der Konstanzer HusGesellschaft 1, 2 ( 1 9 7 2 ) . Ί
3.7. In Deutschland hat die Textlinguistik zunächst in Münster starke Beachtung gefunden (Hartmann, Harweg, 14 Koch 1 5 ). Im Gefolge von P. Hartmann's Übersiedlung nach Konstanz bildete sich dort eine Gruppe von Textlinguisten (z.B. Stempel, Ihwe, Rieser, zeitweilig Petöfi 1 6 ). Ein größeres Zentrum befindet sich auch in Bielefeld (z.B. Gülich, Raible, jetzt auch der Texttheoretiker S.Schmidt, s. III. 1.2.), zurückgehend auf die Forschungen H.Weinrich's (s. 11.10.). 3.8. Für die Namen anderer, mehr oder weniger isoliert arbeitender Textlinguisten sei auf die Bibliographie verwiesen. 17 Doch soll zum Abschluß dieses kurzen Abrisses der Forschungsgeschichte die Stellung der g e n e r a t i v e n Grammatik erwähnt werden. In Deutschland wurde die Notwendigkeit einer Textgrammatik schon früh erkannt, zunächst in der Ostberliner Arbeitsstelle für Strukturelle Grammatik, und zwar sowohl in der Form allgemeiner Forderungen und Behauptungen (Bierwisch, Mötsch, Härtung, Heidolph, Isenberg, Steinitz) als auch in Detailuntersuchungen (vor allem Isenberg zum Spanischen). Später folgten in der Bundesrepublik u.a. Wunderlich, Thümmel, Vater, Kummer, Rieser, in Schweden (jetzt Deutschland) Petöfi, in Holland van Dijk. Hingegen klammerten die amerikanischen Generativisten zuerst die Text-Ebene bewußt aus dem Bereich der Grammatiktheorie aus, so Chomsky (passim), Katz-Fodor, Moore und besonders explizit Bever-Ross (1965). Bestenfalls wurden Regeln der Satzgrammatik auf übersatzmäßige Zusammenhänge ausgedehnt, wobei die Begriffe der Koreferenz (s. II.4.) und der Präsupposition (s. III.5.) eine besondere Rolle spielten. Doch lassen Publikationen der Siebzigerjahre eine Änderung in der Position vieler amerikanischer Generativisten als möglich erscheinen (zuerst Sanders 1970). 3.9. Zum Abschluß der Forschungsgeschichte seien die vermutlich am weitesten entwickelten textgrammatischen Systeme (Rieser, Petöfi, van Dijk) ganz kurz skizziert, soweit man sie aus bisherigen Publikationen beurteilen kann. 1 8 14 Harweg geht vom Begriff der logischen Substitution aus: Ein Element eines Vorgängersatzes wird im Folgesatz ersetzt, z.B. Ein Mann . . . . Der Mann/Dieser/Er. .. 15 Der Textsemantiker, -stilist und -semiotiker Koch hat die Harris'sche 'discourse analysis' fortgeführt und verfeinert, vgl. jetzt seine Gesammelten Aufsätze zur Semantik des Texts „Das Textern" (Hildesheim, Olms 1973). 16 Die drei zuletzt genannten arbeiten generativ. 17 Petöfi ( 1 9 7 1 b , 1 9 1 f f ) berichtet in seiner Forschungsgeschichte ausführlich über die Generativistik, Thema-Rhema-Relation, W.A. Koch, R. Ingarden, R. Harweg, Z.S. Harris, über seine eigene Theorie (s.u.I.3.10.). 18 Leser, die in modernen Grammatiktheorien nicht bewandert sind, mögen die Knappheit dieser Skizze (1.3.9.-11.) damit verzeihen, daß sie für das weitere Verständnis dieses Buches nicht wesentlich ist und überschlagen werden kann. Ihr
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Eine in K o n s t a n z u n t e r der Leitung von H. R i e s e r s t e h e n d e G r u p p e 1 9 erarbeitet ein generatives Modell einer S y n t h e s e g r a m m a t i k , die im wesentlichen eine P h r a s e n s t r u k t u r g r a m m a t i k für schriftliche T e x t e ist. Binäre k o n t e x t f r e i e Regeln (angeblich schon weit über 2 0 0 0 ! ) ergeben die textsyntaktische B a s i s k o m p o n e n t e , die durch eine interpretative Semantikk o m p o n e n t e Bedeutung erhält und gefiltert wird. Eine wichtige Rolle spielen V e r k n ü p f u n g s o p e r a t i o n e n . Über den T r a n s f o r m a t i o n s t e i l u n d die Satzsyntax ist noch nichts ausgesagt. Dieses Modell ist also m i t den Vorstellungen der aus C h o m s k y ( 1 9 6 5 ) entwickelten Schule der Interpretivisten zu vergleichen und scheint wie diese den Vorteil einer großen Zahl nachprüfbarer, aber nur in a b s t r a k t e n , idealisierten R e d e s i t u a t i o n e n a n w e n d b a r e r syntaktischer Regeln zu zeigen und wird voraussichtlich auf ganz ähnliche Schwierigkeiten wie die Interpretivisten bei Semantik, Pragmatik und Perf o r m a n z stoßen. 3 . 1 0 . J. S. P e t ö f i , 2 0 der jetzt ebenfalls an der Universität K o n s t a n z wirkt, erstellt ein bidirektionales Modell für K o m p o s i t i o n ( K o d i e r u n g , Generierung) 2 1 und D e k o m p o s i t i o n (Dekodierung, Analyse). Die B a s i s k o m p o n e n t e ist semantisch (im Sinne der generativen S e m a n t i k u n d der semantischen S y n t h e s e von Zolkovskij - Mel'cuk), bildet allerdings eine u n g e o r d n e t e Menge, nicht eine lineare Kette, und hat E l e m e n t e der Thesaurus-Konzeption der D o k u m e n t a t i o n s t h e o r i e einbezogen. Die Transformationsregeln sind in der Textbasis als I n f o r m a t i o n s b l o c k angelegt, der die Linearisierung u n d Beziehung zur O b e r f l ä c h e n s t r u k t u r herstellen soll. Zwischen oberfläc h e n s t r u k t u r e l l e n S a t z s e q u e n z e n und dem T e x t k e r n d e r Basis liegen verm i t t e l n d e K o m p o s i t i o n s e i n h e i t e n . Der T e x t k e r n enthält alle nicht-komm u n i k a t i v e n (d.h. nicht p e r f o r m a t i v e n , m o d a l e n , t e m p o r a l e n , konnektiven) Prädikate, die eine Reihe t h e m a t i s c h e r Netze bilden, w o b e i jedes Netz aus allen Prädikaten mit einem identischen Argument b e s t e h t . Ein Textkern ist ko-textuell kontinuierlich, w e n n alle t h e m a t i s c h e n N e t z e einander überschneiden, was d u r c h ein Relationsdiagramm ausgedrückt wird. K o m m u n i k a t i v e Netze e n t h a l t e n alle übrigen (= k o m m u n i k a t i v e n ) Prädikate. D i l F o r m a t i o n s r e g e l n für Sätze sind ko-text-sensitiv.
Zweck ist es, Kennern generativer Satzgrammatiken schon hier eine Vorstellung von möglichen generativen Textgrammatiken zu geben. 19 Vgl. van Dijk & alii 1971, 4ff (schwer verständlich). 2 0 1971 a,b,c; 'Generativity' and Text-Grammar. Gothenburg Papers in Theoretical Linguistics 9 (december 1971); van Dijk & alii 1971, 22ff. 21 Generativ bedeutet hier aber nicht, daß mit einem Anfangssymbol T(ext) begonnen wird.
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3 . 1 1 . Τ. A. v a n D i j k 2 2 geht ebenfalls von einer semantischen Textbasis aus. Diese zugrundeliegende Basis besteht aus einer Proposition mit nichtk o m m u n i k a t i v e m Prädikat u n d Argumenten ( A k t a n t e n ) als gebundenen Variablen. Die Proposition wird durch performative u n d modale Operatoren modifiziert, die Variablen durch Quantifikatoren gebunden. Diese vorgeschlagene Formalisierung entspricht in etwa der in diesem Buch vorgeschlagenen textthematischen Basis. Durch welche Steuerungsmechanismen aus einer solchen Basis die k o m p l e t t e semantische Repräsentation entsteht, hat auch van Dijk n o c h nicht gelöst. Zwischen Basisstruktur u n d Oberfläc h e n s t r u k t u r k a n n ein Dependenzverhältnis angesetzt werden; für die Oberflächenstruktur erwägt van Dijk mathematische Modelle (z.T. nach d e m Vorbild von Palek 1970). Weitere Modelle sind von G. Brettschneider (Köln), W. K u m m e r (Westberlin), E. Lang (Ostberlin), W. Thümmel (Göttingen) angekündigt w o r d e n . 4 . 1 . In der „ l o g i s c h e n " (z.T. auch historischen) Entwicklung der Textlinguistik kann m a n drei Stufen der Reflexion unterscheiden. A u f einer ersten wird der S a t z als höchste sprachliche Einheit angesehen, 2 3 d.h. die Sprache als S y s t e m (langue, in der K o m p e t e n z des Sprechers) bestehe aus einer S u m m e von Sätzen oder Satzbauplänen, ein T e x t sei eine lose A n e i n a n d e r h ä u f u n g von Sätzen. Wenn dabei Regularitäten a u f t r e t e n , so seien sie von einer „linguistique de la p a r o l e " oder von der Stilistik zu untersuchen, denn Textregularitäten gehören nicht der sprachlichen Kompetenz (in C h o m s k y ' s Sinn), sondern der Performanz an (vgl. Moore 1967). Eine Einschränkung der G r a m m a t i k auf Satzgrammatik hat aber wenigstens zwei ungünstige Konsequenzen in Bezug auf die Erklärung offensichtlicher übersatzmäßiger Regularitäten: 1) kann m a n einen Text als einen einzigen langen Satz auffassen, der hierarchisch in Teilsätze zerfällt; 2 4 dies ist aber bei einem Dialog unmöglich. 2) können Kontextbedingungen für den Gebrauch u n d die Annehmbarkeit von Sätzen aufgestellt werden. Dadurch wird die sprachliche, textuelle 22 Ich halte mich an seinen vorabgedruckten Beitrag "Models for Text Grammars" für die 11. Sektion des 4. Intemat.Congress for Logic, Methodology and Philosophy of Science (Bukarest 1971) und seine in der Bibliographie angegebenen Arbeiten. 1972 ist jetzt erschienen: Some Aspects of Text Grammars. A Study in Theoretical Linguistics and Poetics. Haag, Mouton. 23 Vgl. Lit. bei Hendricks 1967,12ff; Pike 1967,145ff und in PICL 9 (1964) 283; Dressier 1970a. 24 So J.Katz-J.Fodor, Lg 39 (1963) 490f, cf. Palek 1970,130ff.
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(ko-textuelle, textinterne) Umgebung mit der außersprachlichen, kontextuellen Situation, in deren Rahmen Sätze geäußert werden, gleichgestellt. 2 4 3 Von einem Satz vorausgesetzte tatsächlich gesprochene Vorgängersätze k ö n n e n dann von vorausgesetzten unausgesprochenen G e d a n k e n nicht klar geschieden werden ( G u n t e r 1966). Damit wird die Domäne der Linguistik willkürlich eingeschränkt, denn warum soll die Untersuchung sprachlicher Einheiten jeweils bei einem Punkt, Fragezeichen, Rufzeichen usw. aufhören? In der Textlinguistik wird man heute konsequenterweise den Begriff K o n t e x t auf den außersprachlichen K o n t e x t einschränken u n d so kontextuelle außersprachliche von textuellen (oder ko-textuellen) sprachlichen Bedingungen für die Wohigeformtheit, Adäquatheit und A n n e h m b a r k e i t (Akzeptabilität) von Sätzen zu scheiden suchen. Die kontextuelle Auffassung der eben skizzierten Reflexionsstufe spiegelt sich auch in der häufigen Unterscheidung von unabhängigen und abhängigen Sätzen wieder. So gelten Einleitungs- u n d Fragesätze als unabhängig, Folgesätze u n d A n t w o r t e n als abhängig. 2 5 Alleinstehende Einleitungssätze ohne darauf folgende weitere Sätze (Folgesätze) oder echte Fragen ohne darauf folgende Antworten sind jedoch zumindest sehr unbefriedigende Äußerungen, vgl. etwa einen angenommenen Einsatztext (9) Es war einmal ein König ein offensichtlich unvollständiger T e x t , durch den sich ein Hörer oder Leser zu Recht gefoppt fühlen würde. In Wirklichkeit ist nur ein solcher Satz textuell unabhängig, der für sich einen ganzen Text bildet, 2 6 also z.B. einsätzige Definitionen, Sprichwörter, Aphorismen, Sentenzen, Kurzmitteilungen, Inschriften oder Aufschriften. Aber selbst solche T e x t e sind kontextuell abhängig, wie denn überhaupt jeder Satz kontextuell abhängig ist, entweder direkt oder indirekt vermittels anderer Sätze desselben Texts, mit denen er in Beziehung steht. 4 . 2 . Auf einer zweiten Entwicklungsstufe wird die Einheit der Ä u ß e r u n g (engl, utterance, frz. enonce, russ. vyskazyvanie) erkannt, die aus einem oder mehreren Sätzen besteht. Als minimale kommunikative Einheit besteht sie aus dem kontinuierlichen Ausspruch einer Person, am Anfang u n d Ende d u r c h das Schweigen dieser Person abgegrenzt oder durch den Übergang der Rede von oder zu einer anderen Person. 2 7
24a z.B. Slama-Cazacu 1961; Bever-Ross 1965; Benes 1968 und 1970. 25 Pickett 1960; Waterhouse 1963; Pike 1967,148; BeneS 1968. 26 Vgl. Bene? 1970,1023; Dressler 1970b. 27 Dane? 1964,228; Hausenblas 1964,71; Dressler 1970a,205ς Koch (passim) spricht von uttereme. 11
Falls die Ä u ß e r u n g als oberste Einheit b e t r a c h t e t wird, dann k a n n der Dialog, der aus Ä u ß e r u n g e n m e h r e r e r Personen b e s t e h t , keine linguistische Einheit sein; b e s o n d e r s schwierig wäre die Analyse, w e n n m e h r e r e P e r s o n e n einander u n t e r b r e c h e n und gleichzeitig reden. In der m ü n d l i c h e n R e d e wäre die o b e r s t e Einheit der Ä u ß e r u n g in der Regel relativ k u r z ; was soll aber der Ä u ß e r u n g in schriftlichen S p r a c h f o r m e n e n t s p r e c h e n ? E t w a eine so lange abgeschlossene Einheit wie ein ganzes Buch? 4 . 3 . Auf einer d r i t t e n Reflexionsstufe ist also als h ö c h s t e sprachliche Einheit der T e x t (engl, discourse, frz. discours, it. discorso, russ. t e k s t ) zu suc h e n . 2 8 Der Mensch redet und schreibt in T e x t e n , o d e r z u m i n d e s t intendiert er es; sie sind die primären sprachlichen Zeichen, in denen er sich ausdrückt. Erst der T e x t als ganzes h a t einen abgeschlossenen Sinn u n d ist daher auch für eine Übersetzung die geeignete Einheit, d e n n es gibt zwar interlingual a n n ä h e r n d bedeutungsgleiche T e x t e , aber n u r durch die Vermittlung von T e x t e n interlingual bedeutungsgleiche Sätze. 4 . 4 . A u c h bei d e n T e x t e n müssen wir zwischen der Einheit des Sprachsystems (Textern, P o t e n t i a l t e x t , emischer T e x t ) 2 9 u n d aktuell g e ä u ß e r t e n T e x t e n ( e t i s c h e n T e x t e n ) unterscheiden. D e m strukturellen Begriff Textern entspricht in einer generativen Darstellung ein A n f a n g s s y m b o l Τ ( T e x t ) der Basisstruktur, von dem aktuelle T e x t e der O b e r f l ä c h e n s t r u k t u r abzuleiten sind. D e m g e m ä ß sind T e x t d e f i n i t i o n e n , die nur etische T e x t e in Bet r a c h t ziehen, ungenügend, so w e n n Ungeheuer ( 1 9 7 0 ) von Redestücken spricht, „die n a c h d e m K o m m u n i k a t i o n s g e b a r e n des A u t o r s keinen linguistischen K o n t e x t h a b e n " . Häufig wird als A b g r e n z u n g s k r i t e r i u m die Pause o d e r K o m m e n u n d Gehen des Sprechers bzw. der Sprecher angegeben.30 Beide Definitionsrichtungen versagen bei der A n e k d o t e von A n t o n i n Dvorak's E i s e n b a h n f a h r t von Prag nach Wien: Als zu ihm w ä h r e n d d e r F a h r t d u r c h d a s südböhmische Seengebiet ein mitreisender F r e u n d eine B e m e r k u n g ü b e r die entsetzliche Mückenplage m a c h t e , a n t w o r t e t e ihm der K o m p o n i s t erst nach der A n k u n f t in Wien m i t ( 1 0 ) Das k o m m t von den Teichen. Pausen u n d Schweigen können eben die verschiedensten Motivationen hab e n (II.16.2.5.). A u c h bei m a n c h e n schriftlichen T e x t e n versagt die A b g r e n z u n g m i t t e l s Pausen b z w . S p a t i e n oder durch das K o m m u n i k a t i o n s g e b a r e n . Man d e n k e 28 Man könnte daher einfach Text als das größte sprachliche Zeichen definieren. 29 Emisch, -em meint immer die strukturelle Einheit im Sprachsystem (langue), etisch die tatsächlich auftretende Einheit in der Realisierung (parole). 3 0 Vgl. Lit. bei Dressler 1970a § 6.
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etwa an Fortsetzungsromane oder Rahmenerzählungen wie die Märchen aus Tausendundeiner Nacht oder Bocaccio's Decamerone. Oder wenn ein Autor einen Roman Stück für Stück schreibt, so würde der Text von Mal zu Mal wachsen, was zwar im banalen Sinn stimmt, aber die auf Vollständigkeit des Texts gerichteten Intentionen 3 1 des Schriftstellers vernachlässigt. 4.5. Ein emischer Text (Textern) kann also m.E. nur als die durch die Intentionalität seines Autors (Senders) bzw. seiner Autoren bestimmte Grundstruktur eines Textes gefaßt werden, etwa als abgeschlossene semantische Basis, d.h. die Summe aller Bedeutungsinhalte eines Textes, von der sich der aktuelle Text in seiner syntaktischen und phonetischen Form ableiten läßt. Freilich m u ß beim Prozeß der Texterzeugung der Textschluß noch keineswegs feststehen, wie so o f t bei Dialogen und Fortsetzungsromanen. Anstelle derartiger vager Definitionsversuche sollte ein emischer Text besser als ein Undefinierter Ausgangspunkt des sprachlichen Prozesses dienen; etwa in einer generativen Darstellung als Symbol T, von dem sich eine abgeschlossene semantische Textbasis ableitet, die ihrerseits die Eingabe für das textsyntaktische und satzsyntaktische Regelwerk ist. So besehen wäre nach der Differenzierung Karttunen's (1968a) ein Text eine Folge „semantischer Repräsentationen" (d.h. der semantischen Basis von Sätzen und Äußerungen), nicht aber eine Verkettung von Tiefenstrukturen oder Oberflächenstrukturen (so bei Z. Harris) 32 oder gar ein Strom von Sätzen in ihrer phonetischen Form, wie es zum Pausenkriterium passen würde. Wenn man freilich als kleinste Texteinheit einfache semantische Basissätze ansieht, 3 3 die fast so zahlreich sind wie die entsprechenden Wörter der Oberflächenstruktur, dann vergrößert sich das Gebiet der Textlinguistik fast schon auf das Gesamtgebiet der Grammatik. 4.6. Wem eine Definition des Textes durch die aus ihm nach Regeln ableitbaren Ketten nicht genügt, der mag Text mittels eines kommunikativen Oberbegriffs wie Situationem (Koch 1970) oder Behaviorem (Pike) definieren, doch müßten dann die Beschränkungen für die Ableitung vom Text aus Situationem genau angegeben werden. D.h. wie muß ein Text aussehen, damit er in eine gegebene Situation paßt? Jedenfalls kann ein Text weder syntaktisch noch phonetisch hinreichend definiert werden, sondern 31 Die Intention kann sich freilich im Lauf der Realisierung des Textes ändern. 3 2 Eine Mittelstellung nimmt Sevbo ( 1 9 6 9 ) ein, für die ein Text aus durch Regularisierung vereinfachten Sätzen besteht, die jeweils einen Elementargedanken wiedergeben. 33 Explizit Frankenberg ( 1 9 7 1 ) , der z.B. die Nominalphrase Pariser Krankenhaus auf den Basissatz Paris hat ein Krankenhaus zurückführt.
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höchstens semantisch oder kommunikativ (pragmatisch). Dies zeigt sich auch an aktuellen Texten, die Textstücke in mehreren Sprachen enthalten, wie bei Ulysses von James Joyce, wissenschaftlichen Texten mit fremdsprachigen Zitaten oder auch bei der mündlichen Rede von Alt-Preßburgern, die ununterbrochen Slovakisch, Ungarisch u n d Deutsch vermischen, wobei oft der Wechsel mitten im Satz erfolgt. Auch Texte mit Stilmischung gehören hierher. Da nun höchstens Pragmatik oder Kommunikation interlingual invariant sind, schon kaum mehr Semantik, keinesfalls aber Syntax und phonetische Ausgabe, so müßten solche Texte mit Sprachmischung syntaktisch und phonetisch als Nicht-Texte klassifiziert werden. 4.7. Wenn wir Bemerkung und Antwort in der Dvofak-Anekdote als einen einzigen Text auffassen, so erhebt sich die Frage wie man von Beziehungen zwischen Teilen derartig diskontinuierlicher Texte Bezüge abgrenzt, die von einem gegebenen Text zu Vorgänger- oder Folgetexten bestehen. 3 4 Wenn z.B. Eltern ihren Kindern jeden Abend regelmäßig eine Einschlafgeschichte erzählen, so entstehen dadurch naturgemäß Querverbindungen zwischen den einzelnen Geschichten. Ein rein empirischer Unterschied zwischen beiden Fällen könnte im Vorhandensein bzw. Fehlen anderer Redestücke zwischen den aufeinander bezogenen Äußerungen gesehen werden. Doch kann man leicht Gegenbeispiele finden oder erfinden. Schließlich ist auch zu bedenken, daß der Grad der Einheitlichkeit bzw. Homogenität von Texten variiert, vgl. etwa das Schicksal der Aristotelischen Einheiten von Handlung, Zeit und Ort in der Theatergeschichte (vgl. auch Harweg 1969). 4.8. Eine weitere textlinguistische Aufgabe liegt in der Aufstellung von Textsorten oder Texttypen, wie mündlicher Erzählung, Bericht, Anekdote oder, bei schriftlichen Texten, Gedicht, Drama, Roman usw., usf. Doch sind solche Unterteilungen zu sehr von pragmatischen, soziologischen und kulturhistorischen Gegebenheiten abhängig, als daß hier ein Versuch der Aufzählung sinnvoll wäre. 35 Andererseits sind Texttypen oder -sorten bei der Zerlegung von Texten in Textteile wichtig. So kann z.B. Pike's (1967, 147) Fünfteilung a n n o u n cement, introduction, body, conclusion, closing' keineswegs Allgemeingültigkeit beanspruchen. Mündliche Texte wird man am besten hierarchisch in thematisch abgegrenzte Frage-Antwort-Einheiten, weiter in Äußerungen, Satzgruppen u n d Sätze untergliedern, schriftliche Texte etwa in Kapitel, Paragraphen, Absätze, Satzgruppen, Sätze. Manche der schwierigen Pro-
34 Vgl. Harweg 1969; Longacre 1970,203. 35 Vgl. außer literaturwissenschaftlichen und rhetorischen Abhandlungen Pickett 1960; Longacre 1970; Taber 1968,80ff; Rheda.
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bleme, die sich mit der Definition solcher Textstücke verbinden, werden in den folgenden Kapiteln zur Sprache kommen. 4.9. Zusammenfassend kann man sagen: Die Entwicklung der Textlinguistik erfolgte in zwei Linien: 1) stieß man vom Satz über immer größere Einheiten bis zum Text vor. Daraus erklärt sich die Beliebtheit der,Satzpaarmethode': Man untersucht aus Einfachheitsgründen jeweils die Beziehungen zwischen zwei Nachbarsätzen. 3 6 Diese Methode wie auch die systematische Untersuchung der Unterschiede zwischen Ein-Satz- und MehrSatz-Texten 3 7 ist auch heute noch nützlich. 2) ging man von der Syntax zur Semantik über, und heute auch schon von der Semantik zur Pragmatik. Da aber viele Textlinguisten die Pragmatik noch nicht berücksichtigen, ja eine wirkliche Textpragmatik noch gar nicht begründet ist, wollen wir diesen letzten Schritt erst in einem späteren Kapitel (III) tun.
36 Z.B. Isacenko 1965; Harper 1965, Harper-Su 1969; Harweg 1968a, 210 („kontakttopologische Substitution"). 37 s. Dressler 1970b, d.
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II. T e x t g r a m m a t i k
1 . 1 . In diesem Kapitel wollen wir d e n Begriff der T e x t t h e m a t i k e i n f a h r e n ( l . f , 8.), wichtige P r o b l e m e von T e x t s e m a n t i k u n d T e x t s y n t a x g e m e i n s a m behandeln (3.—16.1.), daran T e x t p h o n e t i k u n d T e x t g r a p h e m i k schließen ( 1 6 . 2 . f f ) u n d mit der Exemplifizierung an zwei besonders wichtigen Textt y p e n e n d e n (Dialog, direkte/indirekte R e d e , 17.f). A u f g a b e d e r T e x t s e m a n t i k ist d i e D a r s t e l l u n g d e r B e d e u t u n g s s t r u k t u r 3 8 eines T e x t e s oder Textstücks u n d insbesondere der semantischen Relation e n . die über die B e d e u t u n g s s t r u k t u r e n d e r E i n z e l s ä t z e h i n a u s g e h e n . D i e s ist d a s g r u n d l e g e n d e P r o b l e m d e r s e m a n t i s c h e n K o h ä r e n z d e s T e x t e s b z w . der semantischen Kohäsion der Sätze untereinander.39 1 . 2 . 1st d i e s e m a n t i s c h e K o h ä r e n z n i c h t g e g e b e n , ist d e r T e x t k a u m k o r r e k t , e t w a in G r e e n ' s ( 1 9 6 8 ) B e i s p i e l : ( 1 1 ) * 1 w r o t e m y g r a n d m o t h e r a l e t t e r y e s t e r d a y , a n d s i x m e n c a n sit in the back of a Ford. Diese semantische K o h ä r e n z unterscheidet T e x t e von P s e u d o t e x t e n wie Wörterbüchern, Konversationslexika und Zitatensammlungen; das Extrem b i l d e n a s e m a n t i s c h e P s e u d o t e x t e , z . B . d u r c h ein Z u f a l l s v e r f a h r e n m e c h a n i s c h h e r g e s t e l l t e A n e i n a n d e r r e i h u n g e n b e z i e h u n g s l o s e r W ö r t e r (vgl. a u c h Bense 1962, 1 3 4 f f ) . Morgenstern's G e d i c h t ,,Das g r o ß e Lalulä", das aus Nonsens-Wörtern besteht, (12) Kroklokwafzi?
Semememi!
Seiokronto — prafriplo: . . . ist a l s o t e x t g r a m m a t i s c h h o c h g r a d i g a b w e i c h e n d , w e n n a u c h p r a g m a t i s c h als T e x t i n t e n d i e r t , w i e s c h o n d i e I n t e r p u n k t i o n z e i g t . D i e s e m a n t i s c h e K o h ä r e n z ist a l s o e i n e n o t w e n d i g e B e d i n g u n g d e r T e x t k o n s t i t u t i o n , a b e r sie ist k e i n e h i n r e i c h e n d e , w i e w i r 1 . 3 . 4 . a n l ä ß l i c h v o n
38 Mit Bedeutung ist hier abstrakt-semantischer Inhalt gemeint, ohne Berücksichtigung der Pragmatik der Anwendung, da wir aus Gründen der Darstellung die Pragmatik vorerst nicht zur Grammatik rechnen. 39 Hasan 1967, 1968; Dressler 1970e.
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(8) gesehen haben. Dort fehlen pragmatische Voraussetzungen. Da eine verbindliche Trennung von Semantik gegen Pragmatik einerseits, Syntax andererseits schwer fällt, wollen wir eine Definition der semantischen Kohärenz durch aufzählende Beschreibung anstreben. 1.3. Veranschaulichen wir uns zunächst einmal den Erzeugungsprozeß eines Textes. 4 0 Der Sender (Sprecher/Schreiber) hat vor der aktuellen Erzeugung des Textes ein wenigstens rudimentäres semantisches Programm: Er weiß erstens, worüber er sprechen will, und auch ungefähr, womit er beginnen will. Er muß aber noch nicht wissen, womit er enden will. Nichtsdestoweniger weiß er, wohin er hinaus will, auch wenn sich im Lauf der Erzeugung des Textes Änderungen im semantischen Programm ergeben können. M.a.W. er weiß zweitens, wozu er den Text äußern will. Dieses zweite Wissen werden wir im Kapitel über Textpragmatik (III) beleuchten, das erste stellt eine Grundtatsache der textsemantischen Kohärenz dar. 4 1
Thema von Text und Textstück 2.1. Bei der ersten Konzipierung eines mündlichen oder schriftlichen Textes stellt sich der Sprecher oder Schreiber keineswegs die gesamte semantische Basis, d.h. alle Bedeutungsinhalte des zu erzeugenden Textes vor, er weiß aber zumindest das Thema oder mehrere Themen, über die er sich äußern will. Als Kern der semantischen Basis eines Textes oder Textstücks wollen wir also jeweils ein Thema 4 2 annehmen. 2.2. Ein Thema ist am besten in Form eines einfachen oder komplexen Basis-Satzes zu repräsentieren 4 3 (vgl. 1.3.11.). So ist etwa nach Koch (1966,33f) das Thema von Goethe's .Wandrers Nachtlied' („Über allen Gipfeln ist Ruh . . . ") (13) Everything, and man is not excepted, gets its time of biological inactivity 40 Auch wenn man ein Kompetenzmodell der Textgrammatik anstrebt, darf man Performanzmodelle nicht außer Acht lassen, da nur in bezug auf sie ein Kompetenzmodell anwendbar ist. 41 Ein Beispiel: Der Schriftsteller Peter von Tramin hat mir versichert, daß für ihn vor dem Beginn des Schreibens Inhalt und Handlungsablauf des Textes weitgehend feststehen, ebenso von Einzelabschnitten, was im Vordergrund, was im Hintergrund stehen, wo beschleunigt, wo retardiert werden soll, ferner Elemente von Dialog und Reflexionen der Personen der Handlung. 42 Vgl Hasan 1967; topic nach Koch passim. Vgl. Pike (1967,612ff) zu „hypermeaning". 43 VgL die langen barocken Buchtitel in Satzform oder die römische Sitte, Titel in Form von daß-Sätzen (Acl) oder indirekten Fragesätzen zu geben.
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wobei der parenthetische Satz m . E . noch weggelassen werden k a n n , weil er ein N e b e n t h e m a darstellt, das aus dem H a u p t t h e m a entwickelt ist (cf. II.14.). 4 4 Oder als Thema dieses Buches k ö n n t e gelten (14) Die Hauptprobleme der Textlinguistik sind Textsemantik, Textsyntax, Textpragmatik u n d ihr Zusammenhang mit anderen Wissenschaften. 4 5 2.3. Aus den b e k a n n t e n Schulaufgaben, zu einem gegebenen T h e m a einen Aufsatz zu schreiben oder zu einem gegebenen Text(stück) einen passenden Titel 4 6 zu finden, k ö n n e n wir folgendes e r k e n n e n : Es gibt in der Praxis kein eindeutiges Verhältnis T h e m a — Text, d . h . kein eindeutig richtiges T h e m a zu einem Text uijd u m g e k e h r t . Es ist noch keine verbindliche Entdeckungsprozedur bekannt, ja seit N . C h o m s k y ist m a n der Meinung, daß es eine solche in der Linguistik (wenigstens h e u t e ) gar nicht geben k a n n . 4 7 Andererseits vermuten wir Grade der Richtigkeit in der Beziehung zwischen Thema u n d T e x t , die zwar eine Grundlage für die Notenskala im Schulunterricht sind, aber von der Linguistik noch nicht erforscht w u r d e n . Ein textsyntaktischer Ausdruck des T e x t t h e m a s kann die Überschrift sein, nicht notwendigerweise, wie einerseits nichtssagende, irreführende, parodistische Titel, andererseits titellose T e x t e zeigen. Eine a d ä q u a t e Überschrift ist semantisch gesehen eine reduzierte Paraphrase d e s folgenden Textes, u n d zwar in der syntaktischen F o r m von Sätzen o d e r aus Sätzen transformierten Nominalphrasen oder elliptischen Schlagworten 4 8 oder aus Sätzen extrahierten Eigennamen. Entgegen der Meinung Harweg's (loc.cit.) stehen Überschriften nicht außerhalb des Textes, wie auch Bet o n u n g u n d Artikelselektion zeigen (vgl. Harweg 1968a und 1971,151). Allerdings h a b e n Überschriften u n d Titel eine eigene pragmatische Funktion, die das T e x t t h e m a selbst nicht besitzt (II.13.2.1.).
44 Mit dieser Paraphrase ist der dichterische Aspekt nicht erfaßt; dies könnte nur textpragmatisch geschehen. 45 Daß damit W.Dressler eine Deutsch verstehende Leserschaft 1972 einführen will, und was sich etwa bei einer Ubersetzung in eine andere Sprache ändern würde, ist wiederum Anliegen der Textpragmatik, vgl. III.l.l. mit (197). 46 Mit „Thema-Überschrift" bezeichnet Sandig (1971,38f,106ff) etwas mißverstandlich die anregenden oder orientierenden Überschriften ohne Satzwert, z.B. (15a) Fatal, (b) Auf Parkinsons Spuren, (c) Kein Ende in Sicht. Sie sagen nämlich gerade über das Thema weniger aus als andere Überschriften. 47 Die Erstellung brauchbarer Entdeckungsprozeduren im Sinne faustregelartiger praktischer Anweisungen wäre aber für Sprachunterricht und z.B. automatische Inhaltswiedergabe (abstracting, indexing) wünschenswert. Vgl. zur Kondensierung Greimas 1971,65 f. 48 Hausenblas 1964,75; Harweg 1968a, 156, 297ff; van Dijk 1969,35; Karisen 1959, 111; Sandig 1971. 18
2 . 4 . Wie ein Basis-Satz, der ein T e x t t h e m a r e p r ä s e n t i e r e n soll, a u s z u s e h e n h a t , ζ. B. w e l c h e Satzglieder er explizit o d e r implizit e n t h a l t e n soll, ist n o c h k a u m u n t e r s u c h t . E i n m a l w i r d dies vielleicht n a c h T e x t s o r t e n v e r s c h i e d e n sein. D a n n stellt sich die F r a g e , o b n e b e n d e m p r a g m a t i s c h e n Bezug e t w a ein P r ä d i k a t , ein O b j e k t u n d / o d e r Agens, Z e i t , O r t u n d a n d e r e H a n d l u n g s rollen ( M i t s p i e l e r ) a n g e g e b e n w e r d e n sollen (vgl. II.9.). G r i m e s ( 1 9 7 0 , 2 3 ) p o s t u l i e r t für einen gewissen E r z ä h l t y p die E l e m e n t e H a n d l u n g ( p l o t ) , Akteure (participants), Hintergrund, Erzählsituation. Man k a n n a u c h als E l e m e n t e d e s Basis-Satzes die T e i l t h e m e n des Textes, z . B . die T h e m e n d e r e i n z e l n e n K a p i t e l a n s e t z e n , 4 9 so d a ß sich eine A r t I n h a l t s v e r z e i c h n i s e r g i b t . W e n n m a n für j e d e s T e i l t h e m a e b e n f a l l s solche Basis-Sätze a u f s t e l l t , k a n n m a n relativ leicht v o m T h e m a d e s Gesamtt e x t e s ü b e r die T h e m e n der K a p i t e l , P a r a g r a p h e n , S a t z g r u p p e n z u den Them e n d e r S ä t z e gelangen. 2 . 5 . Ein a n d e r e r Weg, d e n T e x t v o m T h e m a a b z u l e i t e n , ist das P r i n z i p d e r P a r a p h r a s e (vgl. U n g e h e u e r 1 9 6 9 ) , ein z e n t r a l e s P r o b l e m d e r S e m a n t i k u n d a u c h d e r T e x t l i n g u i s t i k . 5 0 S o wie die p a r a p h r a s i e r e n d e R e d u k t i o n eines T e x t e s z u r I n h a l t s a n g a b e u n d Ü b e r s c h r i f t f ü h r t , k a n n sich ein T h e m a d u r c h s e m a n t i s c h e E x p a n s i o n zu w e i t e r e n T h e m e n u n d schließlich z u m G e s a m t t e x t e n t f a l t e n . Dies m a g e h e r ein k o m m u n i k a t i v e s P r o b l e m sein, es b l e i b t a b e r für die B e u r t e i l u n g s e m a n t i s c h e r B e z i e h u n g e n zwischen T e x t s t ü c k e n u n d der T e x t e n t w i c k l u n g ( s . I I . 1 4 . ) wichtig. 2 . 6 . Wie w e r d e n — a b g e s e h e n v o n Ü b e r s c h r i f t u n d U n t e r t i t e l n — T h e m a u n d T e i l t h e m e n eines T e x t e s signalisiert? In d e r s ü d a m e r i k a n i s c h e n Ind i a n e r s p r a c h e Siona w e r d e n sie n a c h Wheeler ( 1 9 6 7 ) d u r c h e n k l i t i s c h e P a r t i k e l n b e z e i c h n e t , die d i e A u f m e r k s a m k e i t d e s H ö r e r s d i r e k t auf d a s jeweilige T h e m a ( t a g m e m i s c h , , f o c u s " ) l e n k e n . In a n d e r e n S p r a c h e n m ö g e n die p r o s o d i s c h e n Mittel d e r I n t o n a t i o n u n d des A k z e n t s eine R o l l e spielen (vgl. I I . l 1.). Viel w i c h t i g e r sind a b e r die M i t t e l d e r s e m a n t i s c h e n K o h ä s i o n im e n g e r e n Sinn. D a s T e x t t h e m a s t e h t also m i t d e r G e s a m t b e d e u t u n g des T e x t e s ( t e x t s e m a n t i s c h e Basis) d u r c h t h e m a t i s c h e b z w . s e m a n t i s c h e E n t w i c k l u n g u n d d u r c h s e m a n t i s c h e K o h ä s i o n (im e n g e r e n S i n n ) in Beziehung. Die k o m m u n i k a t i v e S t e u e r u n g dieser B e z i e h u n g e n ist n o c h k a u m e r f o r s c h t .
49 Grimes (1970) zerlegt so das Element „Handlung" in Unterelemente. 50 Nach Jones (1967,12) besteht ein wichtiges Merkmal eines korrekten Textes darin, daß eine verständliche Inhaltsangabe möglich ist: Dann muß das Thema der Inhaltsangabe mit dem Textthema identisch sein.
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Mittel der semantischen Kohäsion: Rekurrenz und Paraphrase. 3.1.1. Das einfachste Mittel der semantischen Kohäsion ist die R e k u r renz in Form einer Wortwiederholung (Repetition), z.B. (16) Ich sah ein Auto. Das Auto war blau. Inwiefern ist aber exakte Wiederholung von größeren Strukturen wie Sätzen möglich? Nach Green 51 ist (17) John ran home and John ran home inakzeptabel. Derartige Folgen sind aber u.a. möglich als 1) Bestätigung, wenn der Sprecher redselig bzw. redundant ist oder wenn er meint, der Hörer habe nicht verstanden oder glaube ihm nicht, also z.B. (17a) Hans lief weg. Ja, Hans lief weg. Damit kann 2) Emphase zusammenhängen, ausgedrückt durch Akzentverschiebung (18)Häns lief weg. Hans lief weg. u.a. 3) Intensivierend ist die Wiederholung in (18a,b) vor folgendem (18c): (18a) Hans lief und lief .,„ . (18b) Hans lief. Und Hans lief. ° 8 c ) A b e r 65 " U t Z t e m c h t S ' 4) In der schönen Literatur ist Wiederholung auch ein Mittel, den Text ausklingen zu lassen: Gunter (loc.cit.) zitiert Frost's Gedicht „Stopping by Woods on a Snowy Evening", das mit zweimaligem (19) endet: (19) And three miles to go before I sleep. Ferner kann man die Äußerung (z.B. den Gruß) eines Gesprächspartners wiederholen, um sie 5) zu verspotten (mit oder ohne Änderung der Intonation), oder 6) weil man sie nicht verstanden hat oder 7) nicht glaubt (vgl.u. II. 17.9.). 8) Bei Eiden und Gelöbnissen ist eine exakte Wiederholung sogar notwendig. 9) kann in einer Antwort Material aus der Frage zitiert oder wörtlich wiederholt werden. 3.1.2. Wie schon die Bezeichnungen der 9 Untertitel zeigen, ändert sich aber in der semantischen bzw. pragmatischen Basisstruktur sehr wohl etwas, so als ob bei der Wiederholung im Stillen hinzugefügt würde (als performativer Hypersatz (s.III. 1.1.)) (20) Ich bestätige/beteure/bekräftige, daß . . . /ich glaube dir nicht, daß . . . / Wiederhole mir, daß . . . ! Das Grundgebot jeder korrekten Konversation (cf. II. 12.2., III.2.) „Nichts wird gesagt, was im Verhältnis zu vorangegangenen Stücken desselben Textes überhaupt keine neue Information bringt" durchbricht
51 1968,22; vgl. Wunderlich 1970,65ff; anders Gunter 1966,172.
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also nur der redselige, redundante Sprecher: Deswegen ist er auch normalerweise kein beliebter Gesprächspartner. 3.1.3. Der Mangel an Information in Ritualen und in stereotypen Gesprächen 52 ist hingegen nur im Verhältnis zu früher aktualisierten Texten gegeben; die unmittelbar folgende Wiederholung eines Satzes unterliegt hier denselben Beschränkungen wie in anderen Texten. Wieder anders steht es mit der Wiederholung im Refrain, in der persischen Gedichtform der Gasele und in der in der ältesten griechischen Literatur und z.B. in der mittelirischen Lyrik beliebten Ringkomposition, wo die Rede am Ende zu ihrem Ausgangspunkt zurückkehrt: 5 3 Hier spielt neben den Prinzipien der Bestätigung, Erklärung und semantisch-paraphrastischen Expansion auch der Gegensatz von Vorder- und Hintergrund (s.u. 11.10.) eine Rolle. 3.1.4. Die Repetition von Wörtern, Satzteilen oder Sätzen (in ihrer Oberflächenform) kann so ein Thema oder Teile eines Themas im Sinne der semantischen Kohäsion ausbreiten. Andere Typen der Rekurrenz sind phonetische (z.B. Reim, Alliteration), grammatische (z.B. paralleler Satzbau), musikalische, vgl. u. 11.16. 3.2. In der P a r a p h r a s e 54 wie in weiteren Typen der semantischen Kohäsion finden wir auch gewissermaßen „Rekurrenz". Es werden aber die Bedeutungsinhalte nicht in der Form identischer Wörter, Satzteile oder Sätze wiederholt. Hingegen wird z.B. ein Wort durch ein Synonym ersetzt (z.B. ein Auto - der Wagen), analog ein Satzglied in (21) Er wohnt bei mir zuhause. Unter meinem Dache . . . oder durch pragmatische Totalvariation: (22) Ich bin hungrig. Beeile dich also mit dem Essen! Eine syntaktische Transformation liegt vor im bekannten lateinischen Typ der collectio (23) Regem occidunt. Occisum sepeliunt „Sie töten (töteten) den König, den getöteten begraben (begruben) sie". 55 Eine semantische Paraphrase stellt auch die Rekapitulation dar, z.B. nach
52 Also in B.Bemstein's „restringiertem Code", in dem der Ablauf des Textes ziemlich genau vorhergesagt werden kann. 53 Z.B. ein mittelirisches Gedicht beginnt mit Kunde (habe) ich für euch und endet mit Dies (ist) meine Kunde. Vgl. II.14.3.3. 54 Ungeheuer 1970. Hier wie II.2.5. ist Paraphrase nicht mit Synonymie zu verwechseln, grundsätzliche Bedeutungs- oder Bezeichnungsidentität also nicht angenommen. 55 Diese Figur ist in vielen Sprachen (z.B. den indischen) häufig, die Gerundialkonstruktionen des Typs getötet habend, genommen habend. . . lieben, cf. Grimes 1970,41 Off.
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einer Abschweifung, oder die leitmotivartige Wiederholung von Gedanken. 56 Rekurrenz und Paraphrase, als elementare Mittel der semantischen Kohäsion, bedingen gewöhnlich Bezug auf identische Elemente in verschiedenen Sätzen: Damit ergibt sich das Problem der Koreferenz.
Koreferenz 4.1. Einer der am meisten debattierten Problemkreise der Textgrammatik kann mit den Termini Koreferenz (d.h. gemeinsame, identische Referenz von Wörtern), Substitution, 57 Anaphora umrissen werden. Zunächst zu den semantischen Bedingungen der Koreferenz. Basis der Koreferenz ist die Referenz, die direkte bzw. indirekte Beziehung von Wörtern oder Lexemen (lexikalischen Morphemen) oder LexikonEintragungen auf die außersprachliche Welt. 58 Nach Ogden und Saussure bezieht sich der Bedeutungsinhalt eines Wortes direkt oder über den Sprecher auf die Außenwelt, nach Heger (1971,27ff) vermittelt dazwischen noch der Begriff als übersprachliches, gedankliches Phänomen; 59 die Sprache ist eben keineswegs ein direktes Abbild der Welt. Nichtsdestoweniger bezieht der Sprecher im aktuellen Redevorgang (Searle 1969, de Mauro) den Bedeutungsinhalt eines Wortes oft auf ein ganz spezifisches Ding der Außenwelt bzw. auf seine begriffliche Vorstellung (Denotat). Wenn er dasselbe Wort nochmals auf dasselbe Denotat beziehen will, dann erwarten wir Koreferenz. Wenn sie möglich ist, kann syntaktisch Anaphora (Verweis rückwärts von der Folgeform [= Subsequens] auf die Vorgängerform [= Antezedens]) oder auch Kataphora (umgekehrte Richtung: Verweis vorwärts) eintreten. Ein Beispiel:
56 Weiteres siehe unter Thematischer Progression, Logische Beziehungen, Bedeutungsfelder, (Kontiguitäts) substitution, Semantische Entwicklung, Semantische Merkmale. 57 Harweg (1968a) versucht alle textuellen Beziehungen auf Substitutionen zurückzuführen, d.h. auf den Ersatz eines Elements eines Satzes (Substituendum) durch ein sich darauf beziehendes Element eines anderen (Substituens). 58 Damit ist nicht „Deixis", die ostensive Beziehung, das Zeigen auf ein in der konkreten Redesituation gegebenes Objekt zu verwechseln. Wenn man auf einen Hund zeigt und sagt „Dieser Hund", so ist Hund nur indirekt durch dieser deiktisch; wenn man hinzufügt „Er ist schön", so ist er mit dieser Hundkoreferent, er aber nicht mehr deiktisch, sondern anaphorisch (s. sofort). 59 Palek (1970) verwendet für Wort bzw. Bedeutungsinhalt "naming unit", für Begriff "denotation" und fur die Wechselbeziehung zwischen beiden "reference"; wir vereinfachen hier.
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(24) Peterj sah diesj: ,(Ein Hund verfolgte eine Katze^'j. Diesej, rettete eq Die mit den identischen Referenzindices i,j,k bezeichneten Elemente beziehen sich jeweils auf dasselbe Denotat und sind koreferent: dies^ ist kataphorisch, weil es sich auf den folgenden Satz bezieht, diese^ (=Katze) und erx (=Peter) anaphorisch. 4.2.1. Wir erwarten, daß bei gleichem Denotat Koreferenz vorliegt und umgekehrt ohne Denotatsgleichheit Koreferenz unmöglich ist. Dem ist aber nicht immer so. Daraus ergeben sich die beiden Hauptprobleme: 1) Identität der Denotate, aber keine Koreferenz; 2) Koreferenz ohne Identität der Denotate. Wie besonders zum ersten Fall Lakoff (1968a,b) und Karttunen (1968, 1969) betont haben, hängt die Koreferenz von der Welt des Sprechers ab. Wenn er im Gespräch von der Welt der Wirklichkeit in die der Fiktion (Gedachtes, Erwünschtes, bloß Mögliches, Unmögliches) übergeht, bleibt Koreferenz möglich, nicht aber in der umgekehrten Richtung. Richtig ist z.B. (25a), aber nicht (25b) (25a) He will catch a fish. He wants to eat it at noon. (25b) He wants to catch a fish.* He will eat it at noon. D.h. der Übergang vom Sicheren zum Möglichen ist bei Koreferenz erlaubt, nicht aber umgekehrt. 6 0 Dabei wurde jedoch übersehen, daß sich dies in der Vergangenheit, die Koreferenz begünstigt, ändert. Daher ist korrekt (25c) Gestern wollte ich einen Fisch fangen. Heute aß ich ihn bereits. 4.2.2. Koreferenz zwischen zwei identischen Denotaten wird auch durch Negation des ersten Wortes zerstört: (27a) Ich habe keinen Wagen. *Er/Der Wagen ist blau. Wird hingegen das zweite Wort verneint, ergibt sich nur eine merkwürdige und unbefriedigende Satzfolge: (27b) Ich habe einen Wagen ? Nicht er/der Wagen ist blau. In (27a) ist mein Wagen nicht wirklich; wie sollte ich mich also auf ihn in der Welt der Wirklichkeit beziehen? Hingegen ist möglich (27c) Ich möchte einen Wagen. Er muß/sollte/würde blau sein wobei ich in der Welt der NichtWirklichkeit bleibe. Die Verneinung (27d) Ich möchte keinen Wagen. Er müßte/sollte/*muß/*würde blau sein ist nur in den beiden ersten Varianten möglich und nur dann, wenn es kei60 Korrekt wäre allerdings die folgende vormittags vor einem mit Forellen gefüllten Aquarium eines Restaurants geäußerte Satzfolge: (26) Er will eine Forelle herausangeln. Er wird sie zu Mittag essen. Hier wissen Sprecher und Hörer, daß das Fangen einer dieser von ihnen beobachteten Forellen gelingen muß, vgl. III.5.2.1.
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ne blauen Wägen zu kaufen gibt, ich mich aber auf einen solchen versteife. Gut ist (27e) Ich habe keinen Wagen mehr. Er war blau denn nicht mehr impliziert Existenz in der Vergangenheit. 4.2.3. Weniger wichtig sind die von G. Lakoff und J.Morgan (CLS 6 und 7) genannten Fälle von Persönlichkeitsspaltung im Traum oder durch Amnesie, wozu noch Schizophrenie und der folgende Fall hinzugefügt werden könnte: Während einer Periode der Zwischenkriegszeit war Schober österreichischer Bundeskanzler, Polizeipräsident von Wien und Chef der gesamten Polizei und Gendarmerie von Österreich und er liebte es, als Bundeskanzler dem Polizeipräsidenten, als Polizeipräsident dem Bundeskanzler usw. Briefe zu schreiben: Fehlende Koreferenz (etwa uns, dem χ und y statt mir als χ und y, und analog bei übersatzmäßiger Koreferenz) hing dabei von der Intention Schobers ab. 4.3.1. Tritt Koreferenz bei nichtidentischen Denotaten ein, so haben wir gewissermaßen eine nachlässige Identifizierung 61 vor uns. Ein Beispiel aus einem Kochbuch: 62 (28) Die Torten . . . sind . . . Mägen zugedacht, die es heute eigentlich nicht mehr gibt, von ihnen aber doch verdaut werden. Wer verdaut (ihnen)! Die früheren, besseren Mägen oder ihre ausnahmsweise doch noch übriggebliebenen Vertreter (am ehesten) oder die jetzigen schlechten Mägen?63 4 3 . 2 . Zwei Lesarten hat die folgende Satzfolge: (29) I love my wife. So does Harry. Entweder (a) liebt Heinz meine Frau (Koreferenz im engeren Sinn) oder die seine (b: sloppy identity). Im Russischen wird hier beim Possessivum (des ersten Satzes!) unterschieden (29') Ja ljublju moju (a: „meine")/ svoju (b: „die eigene") zenu. Genrik toze. 64 Identität kann eben auch nur Identität des Wortes und der Bedeutungskategorie bedeuten. 4.4. Wenn nur die Wörter, nicht aber die Denotate identisch sind, bedienen sich die Sprachen, wie im zitierten russischen Fall, syntaktischer Mittel der
61 "Sloppy identity/coreference, identity of sense anaphora", vgl. Grinder-Postal 1971 und III.5.2.1. 62 L.Plakolb, Die weltberühmte Wiener Küche. München, Heyne 1968. 127. 63 Vgl. auch die Ersetzung von eigentlich nicht durch genaugenommen, im Prinzip, in der Regel, im Grunde genommen, größtenteils, kaum; vgl. 11.17.5.2. 64 Dahl (1970 mit L i t ) führt den Unterschied richtig auf den Basissatz χ liebt die Frau des χ (φ des yj zurück. Zu do so vgL Bouton 1970.
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D i f f e r e n z i e r u n g , 6 5 wozu ein anderer, der andere, verschieden, die übrigen, der Rest, ähnlich, Ordinalia, Komparativ, Superlativ, sowie negierte Formen wie nicht derselbe usw. zählen. Dougherty (1970,880) spricht bei Differenzierung von „complement expression . . . indicating a non-identical reference with its antecedent". Auch die Demonstrative dieser, jener werden verwendet, um zwischen verschiedenen Vertretern derselben Klasse zu unterscheiden. Das Eintreten von Koreferenz hängt also auch von anderen semantischen und von pragmatischen Bedingungen ab. Soll die durch Wort-Identität nahegelegte Interpretation der Koreferenz vermieden werden, so greifen alle natürlichen 66 Sprachen zum Mittel der Differenzierung.
Anaphora durch Pro-Formen 5.1.1. Eine syntaktische Realisierung des Rückbezugs (Anaphora) besteht im Ersatz eines bereits erwähnten Worts oder komplexen Elements (Antezedent, Substituend) durch eine Pro-Form: So steht ein Pronomen für ein Nomen (vgl. 25—27), wenn es sich nicht deiktisch auf die im Sprechakt gegenwärtige außersprachliche Welt bezieht (so immer die Pronomina der 1. und 2. Person, außer vielleicht btiyou „man"). 6 7 Dabei wird in der Regel von links nach rechts pronominalisiert, d.h. von zwei koreferenten Nomina zweier Sätze wird die Folgeform (Subsequens) durch ein Pronomen ersetzt. 68 5.1.2. Neben den Pronomina gibt es auch andere Pro-Formen, etwa ProVerba, 69 ζ. B. engl, to make, do = ital. fare70 = deu. machen, tun, ζ. B. (30) Schnarcht Paul? - Ja, das tut er. In der Regel wird jedoch nicht das Verb allein durch ein Pro-Verb ersetzt, sondern die ganze Verbalphrase, daher gut (31a), kaum (31b): 65 Nach Palek (1970) "alteration"; vgl. Nye 1912,5. 66 Moravcsik (1969,64) berichtet von der erfundenen Sprache, die Istvan Fekete in seinem Roman „Der schlaue Fuchs" verwendet, wo keine Differenzierung eintritt. 67 Für Anaphora und Pronominalisierung im allgemeinen vgl. die verschiedenen Theorien bei Harweg 1968a; Palek 1970 Kapitel I ("cross-reference"); Lakoff 1968a,b; Dougherty 1969; Vanek 1969; Heger 1971,62; Grosu 1971. 68 Anders im Samoanischen nach Chapin 1970. Bei Teilsätzen eines Satzgefüges gilt die Reihenfolge der Basis- nicht der Oberflächenstruktur, daher möglich Als er eintrat, fand Paul. . . Zur literarischen Kataphora vgl. u. II 13.1.6., 13.3.2. 69 Karisen 1959,124ff; Roggero 1968; IsaSenko 1965,172f. 70 Weder anaphorisch noch kataphorisch verwendbar ist ital. cosare, das an Stelle irgendeines Verbums gebraucht wird, das dem Sprecher im Moment nicht einfällt.
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( 3 1 a ) He s m o k e d a pipe. I did it t o o . / S o did I./I did the same. (31 b) He s m o k e d a pipe. I did it/so w i t h a cigarette. Besser ist hingegen ( 3 1 c ) Er schnarchte laut. Sie tat es leise d e n n hier kontrastieren die Adverbia, nicht direkte Objekte. 5 . 1 . 3 . Pro-Adverbia 7 1 sind z.B. darauf, scher Verwendung), damals, dabei,
danach,
so, anders,
dort, hier{in
stimmter (genereller, unspezifischer) ist (irgendjwoanders, where t i o n do
else gegenüber elsewhere.
nicht-deikti-
aber auch anderswo-,
unbe-
vgl. engl,
some-
Viel debattiert ist die englische Konstruk-
so.72
5 . 1 . 4 . Solcher,
engl, such werden o f als Pro-Adjektive b e z e i c h n e t , 7 3 freilich
ist hier auch Koreferenz des determinierenden N o m e n s (bzw. der Klasse), also der gesamten Nominalphrase n o t w e n d i g , daher: ( 3 2 a ) Paul sah einen schwarzen Dackel. Er liebte solche H u n d e / D a c k e l / Tiere. ( 3 2 b ) Paul sah einen schwarzen Dackel. *Hans einen solchen Pudel. 7 4 D e n n Dackel gehören zur Klasse der H u n d e und Tiere, aber nicht zu der der Pudel. Solcher
ist also ein adjektivisches Pronomen, das ein Attribut
in einer koreferenten Nominalphrase (inklusive ,,sloppy i d e n t i t y " ) ersetzt. 5 . 1 . 5 . Pro-Eigennamen sind selten: Isenberg ( 1 9 7 1 , 1 5 7 ) erinnert an das Verhältnis von spanisch fulano
„Herr x " u n d mengano
kann nicht o h n e oder vor fulano
„Herr y " :
mengano
verwendet werden, während diese Be-
schränkung bei Herr x, Herr y (ital. tizio,
caio) nur in geringem Maße gilt.
5 . 1 . 6 . S c h o n mehr zu den Pronomina gehören p s e u d o p r o n o m i n a l e N o m i n a wie das Ding, engl, the thing,
frz. ce true, ce machin,
und besonders pejorative wie the (that)
lat. res, russ. delo
idiotjfool/bastard,75
deren Ver-
w e n d u n g freilich nicht nur semantisch ( z . B . [+menschlich]), sondern auch pragmatisch eingeschränkt ist, da solche pejorative F o r m e n nur bei bes t i m m t e n Einstellungen des Sprechers und Hörers möglich sind. 5 . 1 . 7 . Allen Pro-Formen ist zweierlei gemeinsam: 1) haben sie einen größeren Bedeutungsumfang und einen kleineren Bedeutungsinhalt als die S p r a c h e l e m e n t e , für die sie stehen; so sind Auxiliarverba und Pronomina ziemlich bedeutungsleer. 2) sind die Pro-Formen zumeist auch kürzer. 7 6 71 72 73 74
Steinitz 1969, 148ff. s. Bouton 1970. Hasan 1968, 78;Palek 1970, 61,64; Figge 1971,175. Möglich ist jedoch einen ebensolchen Pudel: Ebensolcher bezieht sich auf Attribute eines Nomens. 75 Hasan 1968, 94f; Green 1968,25; Dougherty 1969,513f. 76 Was zu „ Z i p f s Gesetz" paßt (vgl. G.K.Zipf, The psycho-biology of language.
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Auch können Pro-Formen hierarchisch ranghöhere Elemente ersetzen, nicht aber umgekehrt. So kann eine Nominalphrase einen ganzen Satz anaphorisch wieder aufnehmen, aber nicht umgekehrt, z.B. (33) Erich rauchte Marihuana. Diese Sache/Dies 77 mißfiel ihr. Überhaupt gibt es keine Sätze als Pro-Formen; etwa (34a) Sie tat es ist keine einzige Pro-Form, sondern besteht aus zwei oder drei Pro-Formen, wie man bei Vertauschproben sofort sieht, z.B. (34b) Die Frau tat es/dies/das. (34c) Sie kochte das Fleisch/es. Es gibt nicht nur Satzpronominalisierung, 77 sondern auch eine Pronominalisierung einer Satzgruppe, eines Absatzes, einer Äußerung. So kann sich (33') (All) dies mißfiel ihr auf viele Sätze, die z.B. von Erich ausgesagt werden, beziehen. Nachdem wir die verschiedenen zur Anaphora verwendeten Pro-Formen kurz besprochen haben, wollen wir uns speziellen Problemen der Pronomina näher zuwenden.
Spezifität und Definitheit 5.2.1. Bei der pronominalen Anaphora, wozu wir auch die Artikelwahl rechnen können, ist es wichtig, ob das Antezedent, auf das sich die Anaphora bezieht, spezifisch ist oder nicht, da davon die Form der Anaphora abhängt. Wenn Pfeife in (35a) spezifisch ist, ist (35b) in beiden Varianten möglich: (35a) Hans suchte eine Pfeife, (b) Schließlich fand er sie/die Pfeife. Hier hat Hans eine spezifische (partikuläre, singuläre, individuelle, nichtgenerelle) Pfeife im Sinn, die er dann auch findet. Ist Pfeife aber in (35a) unspezifisch, d.h. wenn Hans irgendeine Pfeife im allgemeinen, irgendeinen Vertreter der Klasse Pfeife sucht, dann muß der entsprechende Zweitsatz lauten: (35b') Schließlich fand er eine (Pfeife)/irgendeine. In den Zweitsätzen wird eine Pfeife von (35a) entweder durch ein jeweils definites oder indefinites Pronomen ersetzt oder es tritt vor das Substantiv jeweils ein definiter oder indefiniter Artikel. In allen Fällen muß Koreferenz im engeren Sinn (identisches Denotat) oder .sloppy identity' Houghton-Mifflin 1935), wonach u.a. Grad des Bedeutungsinhalts, Häufigkeit der Verwendung und Ausmaß des Wortkörpers korrelieren; cf. Roggero 1968. 77 Zur Satzpronominalisierung vgl. Wunderlich 1 9 7 0 , 6 4 ; Bouton 1970.
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(Wort-, Klassenidentität) vorliegen (s.o. II.4.2—3.). In beiden Zweitsätzen (35b, 35b') ist Pfeife vorerwähnt (mentioned), 78 in (35a) natürlich nicht, zumindest wenn es sich um wirkliche Erstsätze eines Textes handelt. Während also Vorerwähntheit von der linearen textsyntaktischen Abfolge abhängt, ist Spezifität ein Problem der Satzsemantik. 79 Oder anders ausgedrückt (pragmatisch): Die Referenz einer definiten Nominalphrase ist Sprecher und Hörer bekannt, die Referenz einer spezifischen indefiniten nur dem Sprecher, die Referenz einer unspezifischen nicht dem Sprecher, vielleicht aber dem Hörer, der dann freilich den Sprecher verbessern kann oder soll, vgl. den Dialog (35c) Hans suchte eine Pfeife. Er fand keine. — Nein, irgendeine Pfeife hätte er schon gefunden, aber er suchte ja seine Meerschaumpfeife. 5.2.2. Doch spielt hier wieder der Begriff der Welt des Sprechers (s. II.4.2.1.) eine Rolle. So kann sich in der nicht-wirklichen Welt ein definites Pronomen auf unspezifische Antezedenten anaphorisch beziehen, so in Befehlen, Wünschen u.a., z.B. (36) Bitte, kauf mir (eine) Schokolade. Vergiß nicht, sie mir mitzubringen .'/Vergiß sie nicht. Ebenso in generellen Aussagen wie (37a) Ein Buch ist unser bester Freund. Es hilft uns immer. (37b) Bücher sind Sie helfen 5.2.3. Semantisch zu erklären (Karttunen) sind Beispiele von Koreferenz bei Iterativität, vgl. (38) Harvey courts a girl at every convention. She is always pretty. Hier kann es sich immer um dasselbe Mädchen handeln (She is pretty), oder jedesmal um ein anderes (=They are pretty). „Unlogisch" ist definite Anaphora in der Antwort von (39a) Do you have fleas and lice? — (b) (Yes) I have them. Hier besteht ein gewisser Bedeutungsunterschied gegenüber der Antwort (39b') Yes, I have some. Bei definitem Pronomen scheint die Flöhe- und Läuseplage als bekannter vorausgesetzt zu werden, bei some handelt es sich zudem um einzelne Tierchen. 80 Der Begriff der Spezifität ist also viel problematischer, als viele zu glauben scheinen. 78 Heidolph 1966; Moravcsik 1969; Isenberg 1971. 79 Vendler 1967,61ff; Isenberg 1968,259; Karttunen 1968,1969 usw.; Dougherty 1970,868ff; Wunderlich 1971,160f; T.Kaneko und Kummer 1971 in Stechow 1971; Ebert 1971. 80 Zur Relativität des Unterschieds von definiten und indefiniten Pronomina vgl. Dressier 1970e,203-205.
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Restriktionen der Anaphora 53.1. Postal (1969) hat den Begriff der anaphorischen Insel (anaphoric island) geprägt: Ein Pronomen kann sich nur auf ein Nomen der Oberflächenstruktur anaphorisch beziehen; ein Element in der Basisstruktur ist kein hinreichendes Antezedent. (40a) Maxens Eltern sind tot. Er vermißt sie tief ist korrekt. Das Wort Waise mag nun in der semantischen Basis auf dessen Eltern tot sind zurückzuführen sein, dennoch ist unmöglich (40b) Max ist eine Waise. *Er vermißt sie sehr. Warum ist dann aber ein Satz wie (41) The British claim to defend themselves is patriotic möglich, obwohl British in der Oberflächenstruktur ein Adjektiv ist, das aus einem Substantiv abgeleitet ist, auf welches sich das Reflexivpronomen bezieht? Ein weiteres Gegenbeispiel liefert die Reklame der Ohio Bell Telephone Company: (42) Calling long distance is the next best thing to being there. Hier bezieht sich there offensichtlich auf den Ort, wohin man ein Überlandgespräch führen will; eine solche Richtungsangabe ist aber nur in der semantischen Basisstruktur von calling longdistance (bzw. noch in der „shallow structure"?) gegeben. 53.2. Das Deutsche erlaubt nicht die Aufeinanderfolge von zwei Pronomina es (Isacenko 1965,970f). Der Reklametext der portugiesischen Fluggesellschaft TAP (43) Portugal ist das bestgehütete Geheimnis Europas. TAP ermöglicht es zu entdecken kann also nicht durch Hinzufügung eines zweiten es regularisiert werden, es sei denn, wenn zwischen beide Vorkommen von es eine deutliche Pause oder ein Wort wie Ihnen eingeschaltet wird. Gegen Harweg (1968a) und Postal 81 dürfen definite Artikel nicht als definite anaphorische Pronomina angesehen werden. So kann der definite Artikel in (44) Wir sahen eine Fabrik. Der Schlot rauchte nicht durch ein Anaphorikum (sie, er) ersetzt werden, wohl aber durch ein Possessivum, wenn es definit ist, wie im Deutschen immer Ihr Schlot', im Italienischen könnte man aber il suo und un suo unterscheiden. Auch im Beispiel (39) der Flöhe- und Läuseplage kann them nicht durch eine definite Nominalphrase ersetzt werden. Vendler (1967,5 Iff) fuhrt definite 81 1966,178ff; cf. Moravcsik 1969.
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Nominalphrasen auf Nominalphrasen mit abhängigen restriktiven Relativsätzen, die im Fall von Anaphora den Vorgängersatz rekapitulieren, zurück, z.B. (45b) auf (45a): (45a) I see a man. The man I see wears a hat. (45b) I see a man. The man wears a hat. 53.3. Fragwürdig ist Lakoffs (1968a) postulierte anaphorische Hierarchie, d.h. eine Beschränkung der Aufeinanderfolge koreferenter definiter Nominalphrasen: 1) Personenname, 2) definite Beschreibung, 3) pseudopronominales Nomen, 4) Pronomen. Ein Element mit höherer Rangnummer könne nicht vor einem solchen mit niedrigerer stehen, z.B. ist möglich (46) Napoleonj entered the room. 2) The emperor j announced . . . 3) The bastardj 4) He; Erstens besteht diese Beschränkung nur, wenn nicht mehr als zwei koreferente Nominalphrasen aufeinander folgen (so alle Beispiele Lakoffs) und auch dort m.E. zweitens nicht bei 3) und 4), z.B. geht (47) Er ging weg und der Dummkopf war nicht einmal angezogen. Dies mag aber damit zusammenhängen, daß erstens der zweite Teil von (47) dem ersten Teil logisch vorausgeht, zweitens, daß 2) und besonders 3) und 4) in nicht-deiktischer Verwendung reine Folge-Formen sind. Grundlage von Lakoffs Hierarchie ist die gewöhnliche Asymmetrie in der Aufeinanderfolge koreferenter Elemente verschiedenen Bedeutungsumfangs (vgl. II.5.1.7. und 6.1.f)· 53.4. Gewisse Wortarten sind inhärent definit, weil sie spezifisch und bekannt (known) sind, so Eigennamen, Unika (z.B. die Sonne)?2 Personalpronomina der 1. und 2. Person, Vokative, die Adverbia hier, jetzt.83 Doch muß ihre Deixis in der Situation klar sein, wie man aus den folgenden Telephon-Antworten ersieht. (48a) Wer spricht? - Hans ist ein unglücklicher Dialog, wenn mehrere Hänse gleicherweise in Frage kommen, und hier in (48b) Hier ist Hans verdeutlicht nur, wenn der Bezug von hier klar ist (bekanntlich ist bei
82 Man könnte behaupten, daß die Definitheit von die Sonne situativ begründet ist, insofern wir von „unserem Sonnensystem" sprechen. Eher sollte man aber von der Fach- die Alltagssprache unterscheiden, in der sich die auf- und untergehende Sonne als Unikum erhalten hat, vgl. Robert Musil's (Mann ohne Eigenschaften) Reflexionen zur Verwendung von pfeilschnell im technischen Zeitalter. 83 Moravcsik 1969; Ebert 1971; zu Voraussetzungen für definite Referenz s. Searle 1969,82ff.
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Überlandtelephonaten oft zu Beginn des Gesprächs die Identifizierung des Anrufenden schwierig). Die Antwort (48c) Ich bin es ist nur glücklich (happy), 8 4 wenn der betreffende an der Stimme eindeutig zu erkennen ist oder aus anderen Gründen sonst niemand in Frage kommt. 5.3.5. Paduceva (1970) hat drei einleuchtende Prinzipien der Anaphora aufgestellt: 1) Unzweideutigkeit: z.B. in einer Erzählung mit mehreren Helden kann sich bei der Folge Hans - Peter - Paul - er das Anaphorikum schwerlich auf Peter beziehen: die Identifizierung muß dem Hörer durch ein spezifisches Anaphorikum wie der zweitgenannte oder durch eine Charakteristik ermöglicht werden, vgl. auch das Prinzip der recoverability (II.5.4.2.) und III.5.2.1.2) Sparsamkeit: Statt ein Mann - der Mann wird für das Subsequens meist er/der verwendet (vgl. II.5.1.7.). 3) Variation: z.B. im ebengenannten Beispiel oder in L a k o f f s Hierarchie (II.5.3.3.). Zur Bedeutung von Intonation s. II.16.3., Wortstellung II.16.1., 11.3.3.. Emphase II. 1 l . l f . , 16.3., Beschränkung in Erstsätzen (Textanfang) und Kataphora 11.13., Relativsätzen II.15.4.2f. 5 3 . 6 . In den meisten Sprachen, die Artikel kennen, steht ein definiter Artikel dem indefiniten gegenüber, welcher spezifisch oder unspezifisch sein kann: in den meisten keltischen Sprachen bzw. Sprachstufen gibt es nur einen einzigen Artikel, der spezifisch, aber nicht notwendigerweise definit ist (Dressler 1972a); im Nordfriesischen gibt es hingegen drei Artikel (Ebert 1971), da dort ein indefiniter spezifischer mit einem indefiniten unspezifischen Artikel kontrastiert. 8 5 An Bestimmtheitsformen außerhalb der Domäne von Artikeln, Demonstrativen und anderen Pronomina wäre das bestimmte (definite) Adjektiv des Litauischen und Konjugationsformen des Verbums, die nur bei Bezug auf definites direktes oder indirektes Objekt möglich sind (Indianersprachen, Ungarisch), zu erwähnen. In diesem Fall ist Anaphora nicht auf der Oberflächenstruktur, sondern nur in einer tieferen Struktur pronominal. Die folgende Erscheinung der anaphorischen Ellipse ist hingegen nicht auf Pronomina beschränkt, sondern kann auch für andere Pro-Formen gelten.
8 4 Zum Begriff der "happiness" (pragmatische Adäquatheit, Angemessenheit, Erfolg) und ihren Bedingungen s. Austin 1962. 85 Vgl. z.B. im Französischen die Partitivkonstruktion donnez moidu pain und Artikellosigkeit (z.B. bei Abstrakta) als Möglichkeiten neben definitem und indefinitem Artikel.
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Anaphorische Ellipse 5.4.1. Pro-Formen sind in der Regel kürzer als ihre Antezedenten (II.5.7.); das Extrem bilden anaphorische Nullformen. Karisen86 möchte den Begriff der Ellipse auf Fälle einschränken, wo eine Pro-Form einsetzbar ist, z.B. (49) Peter came. I suppose you know wo it oder this hinzugefügt werden könnte. Die Ellipse ist hier an die Verbalbedeutung „wissen" gebunden, bei der Bedeutung „kennen" wäre him (=Peter) nicht auslaßbar. Davon trennt Karisen Null-Konnexion (Null-Substitution), die dann vorliegt, wenn keine explizite Pro-Form einsetzbar ist, z.B. (50) Now I don't know that I ever questioned the fact that I should get rheumatism. I simply didn't care. Hier sei ein indirekter Fragesatz wie whether I got rheumatism or not ausgelassen (Karisen 86 ff)· Aber dieser könnte sehr wohl durch die Pro-Formen about it/that ersetzt werden, zweitens handelt es sich höchstens um sehr oberflächliche, sprachspezifische syntaktische Defizienzen, die eine grundsätzliche Unterscheidung von Ellipse und Nullsubstitution nicht rechtfertigen. 5.4.2. Grundvoraussetzung der Ellipse ist die Wiederherstellbarkeit (recoverability) der ausgelassenen87 Pro-Form oder des zu wiederholenden Antezedenten (Gunter 1963), ein Prinzip, das nach Chomsky (1965,144f) für Tilgungstransformationen (deletion transformations) im allgemeinen gilt. Es darf also nur etwas eben Erwähntes oder entweder allgemein oder aus der gegebenen Situation Bekanntes getilgt werden. Die Tilgung von Bekanntem ist ein spezieller Fall des Prinzips der sprachlichen Kommunikation, daß dem Sender und Empfänger gemeinsame Voraussetzungen nicht geäußert werden müssen (vgl. III.2., IV. 1.2.). Textgrammatisch im eigentlichen Sinn ist nur die anaphorische, d.h. durch textsyntaktischen Rückbezug bedingte Ellipse. Zum Unterschied von Anaphora durch Pro-Formen darf bei Interpretation der Ellipse (bzw. bei Restitution des Getilgten) Zweideutigkeit bestehen, insofern die möglichen Antezedenten einander überlappen oder alle nach der Intention sinnvoll sind. Eines von Karlsen's Beispielen (S. 106ff) ist 86 1 9 5 9 . 3 1 f f . 8 6 f f ; cf. Isaienko 1965; Gunter 1 9 6 3 ; Crymes 1968; Dressler 1 9 7 0 c , 6 8 f f ; d , 6 8 f ; 1972a. 87 Bzw. durch eine Transformation in der Seichtstruktur (shallow structure) getilgt (G. Lakoff) ?
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(51) The prompter spoke, but she did not hear. Hier kann sie entweder den Souffleur nicht gehört haben oder das Faktum, daß er sprach. In solchen Fällen muß man freilich syntaktische Argumente zur Frage suchen, ob nicht einfach eine semantische Vagheit des Gebrauchs vorliegt. In (51) könnte z.B. entweder das direkte Objekt him/her bzw. it ausgelassen sein oder intransitiver Gebrauch des Verbums vorliegen, so wie es bei Verben des Denkens und Wahrnehmens oft eintritt. 5.4.3. Das Ausmaß erlaubter Ellipsen ist oft sprachspezifisch und satzsyntaktisch geregelt. In der Antwort des Dialogs (52) Wirst du die Aufgabe machen? - Ja, ich werde sie machen kann man z.B. im Deutschen, Englischen und Französischen die Pronomina nicht auslassen, zum Unterschied vom Lateinischen, den slavischen und keltischen Sprachen (Dressler, zuletzt 1972a). Anaphorisch-elliptische Tilgung behindert Anaphora auf das getilgte Element nicht, sofern es eindeutig wiederherstellbar ist, vgl. Postal-Grinder (1971), z.B. (53) Max didn't buy an egg, but Sheila did, and it was rotten. Hier bezieht sich it natürlich auf das Ei, das Sheila kaufte, und nicht auf das unspezifische Ei, das Max nicht kaufte. 5.4.4.1. Die von Gunter (1963,140ff) als telegraphisch bezeichnete Ellipse hat verschiedene Voraussetzungen: 1) gibt es bewußte Ökonomie wie bei Telegrammtexten des Typs Ankomme morgen. Hier hängt das Ausmaß der Ellipse vom Ausmaß der dem Sender und Empfänger (nach der Kalkulation des Senders) gemeinsamen Voraussetzungen ab. Den Extremfall zeigt der Witz vom Juden, der seiner Frau ein leeres Telegramm sendet, weil sie sich ohnehin denken könne, von wem es kommt, daß es seine Rückkehr meldet, und welcher Tag und welche Stunde in Frage kommen: Hier hat sich der Sender auf die Pragmatik beschränkt und den semantischen Inhalt (im engeren Sinn) ausgelassen. „Telegraphische" Kürzungen sind auch bei jeder Art von schnellem Ausfragen möglich (z.B. Quiz, rasch geführte Prüfung, Verhör). 5.4.4.2. Soziolinguistisch zu interpretieren wären elliptische Sätze in familiärer Konversation wie (54a) Bin heute weggegangen. (54b) Kennen wir doch. Solche Ellipsen sind Stilschichten zugeordnet und gehen Hand in Hand mit phonologischen Schnellsprechregeln. So kann der Einwurf Ich verstehe das zuerst zu Ich verstehe und dann zu Ich versteh und schließlich Versteh gekürzt werden, während mir eine Zwischenform Verstehe mit syntaktischer, aber ohne phonologische Kürzung unnatürlich erscheint. 5.4.4.3. In das Gebiet der literarischen Stilistik gehen Fälle über wie 33
Goethe's Heidenröslein (55) Sah ein Knab ein Röslein stehn. . . : War so jung und morgenschön. Die Ellipse von Es wirkt hier einerseits archaisch, andererseits volkstümlich naiv. Sie erinnert auch an kindliches Sprechen, denn gerade kleine Kinder lassen Formwörter wie es gerne aus. Man könnte also parallel zur Anschauung D.Stampe's über die Phonologie von Kleinkindern (CLS 5,1969,443ff) behaupten, daß Kleinkinder die Ellipsenregel am stärksten durchführen und erst im weiteren Verlauf des Spracherwerbs nach dem Vorbild der jeweiligen Erwachsenensprache einschränken. Die Ellipsenregel ist dann eine Regel, die man nicht neu lernen muß, sondern sie geht auf das offensichtlich angeborene Prinzip zurück, semantisch Selbstverständliches auszulassen. Zu lernen sind nur die einzelsprachlichen Beschränkungen bei der Handhabung dieses Prinzips. 88 5.5. Mit Ellipse verwandt sind Reduktionen im Satzzusammenhang, die von Dougherty (1971,315) als .conjunction rule' und von Tai 89 als .coordination reduction' zusammengefaßt wurden. Die wichtigsten von amerikanischen Generativisten diskutierten Tilgungsregeln sind: 5.5.1. .conjunction reduction', die den ersten von zwei parallelen Sätzen reduziert. Z.B. wird (56a) zu (56b), [aber auch zu (56c)!]: (56a) Hans ißt Fleisch und Maria ißt Fleisch. (56b) Hans und Maria essen Fleisch (56c) Hans ißt Fleisch. Maria auch. Conjunction reduction' (56b) zeigt nähere Zusammengehörigkeit an, weshalb (57a) und (57b) nicht bedeutungsgleich sind: (57a) Hans wird singen und spielen oder er wird nach Hause geschickt werden. (57b) Hans wird singen und er wird spielen oder nach Hause geschickt werden. 5.5.2. .respectively — transformation', 90 die an genaue Beibehaltung der Wortstellung gebunden ist, damit (58a) zu (58b) werden kann: (58a) John eats meat and Mary eats fish. (58b) John and Mary eat meat and fish respectively. 5 . 5 3 . Bildung von vice versa,91 z.B. in (59) Hans schlägt Maria und umgekehrt. 88 Parallelen zur „telegraphischen Ellipse" der Kindersprache finden sich bei Aphatikem. 89 Tai 1969; cf. R.S.Jackendoff, Gapping and Related Rules. LInq 2 (1971) 2 1 - 3 5 . 90 Vgl. z.B. Anderson 1970. 91 J.McCawley, L I n q l (1970)278-280.
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(60) New Yorkers like Chicago and vice versa. Während (59) im Englischen und Deutschen gleich ist, kann (60) kaum ins Deutsche übersetzt werden: Umgekehrt würde hier bedeuten, daß die Stadt Chicago New-Yorker gerne aufnimmt, nicht aber, daß Chicagoer New York gerne mögen. 5.5.4. ,gapping', wobei im Englischen, Deutschen usw. der zweite Satz durch Verlust des Verbums reduziert wird. Ein extremes Beispiel findet sich in einem Bericht über eine Aufführung von Brecht's „Mutter Courage": 9 2 (61) It is a story of someone trying to achieve something (Mother Courage survival) „ . . . (Mutter Courage versucht das Überleben zu erreichen)" Bei all diesen Reduktionen müssen die beiden Sätze oder Teilsätze weitgehend syntaktisch parallel sein; unannehmbar ist daher (62) *Hans mag Fisch und Maria jetzt den Pudding 9 3 es sei denn, aus dem Zusammenhang würde klar, daß im ersten Satz keine generelle Vorliebe und kein unbestimmtes Objekt gemeint ist. 5.5.5.,sluicing', womit J.R.Ross die Ellipse in abhängigen Nebensätzen oder aus Sätzen abgeleiteten Elementen meint, z.B. (63) John is busy looking at the girls. I imagine (he is busy looking) at the pretty ones, primarily. Bei diesen Tilgungen stellt sich die Frage, inwiefern sich Sätze mit und ohne Tilgung voneinander semantisch bzw. stilistisch unterscheiden; man könnte hier am ehesten an verschieden sorgfältige Langsam- und Schnellsprechstile denken. 5.6. Im Unterschied zu Latein, baltoslavischen und anderen indogermanischen Sprachen 9 4 ist Präfix-Ellipse (Ellipse des Präfixes bei Wiederholung eines zusammengesetzten Verbums) im Deutschen beschränkt auf Fälle wie (64) Er soll herkommen/weggehen! Wenn er nicht k o m m t / g e h t . . . Die anaphorischen Ellipsen sind extreme Formen der Anaphora. Damit haben wir aber die Abschnitte über Koreferenz, textgrammatische ProFormen und Anaphora als textsyntaktische Mittel der Kohäsion noch nicht beendet, wie wir sofort bei den jetzt zu besprechenden semantischen Beziehungen sehen werden.
92 The Ohio State Lantern, 30.10.1970.p.9. 93 Oder mit Punkt statt und; vgl. auch zur Asyndese II.15.3.2. 94 C.Watkins, Harvard Studies Class.Phü. 71 (1966) 115ff; J.Puhvel, Class.Philology 65 (1970) 5 Of; W.Dressler, Zeitschrift Vgl. Sprachforschung 85 (1971) 21.
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Logische Inklusion und Implikation 6.1. Unter den weiteren semantischen Beziehungen zwischen Sätzen sticht der logische Einschluß eines Begriffs unter einen anderen (Inklusion) hervor, der eine Rolle bei der Koreferenz spielt. 95 Wenn von zwei Wörtern, zwischen denen eine Inklusionsbeziehung besteht, das mit größerem Bedeutungsumfang ausgestattete Wort folgt, so ist Koreferenz und Anaphora möglich, ζ. B. (65) Peter sah ein Motorrad. Das Fahrzeug blitzte in der Sonne. In der lexikalisch-semantischen Basisstruktur ist eine Definition 96 Ein Motorrad ist ein Fahrzeug oder eine Klassifizierung der Inklusion durch ein Merkmal [+Fahrzeug] bei der Lexikoneintragung von Motorrad anzunehmen. 6.2.1. Wenn der umfangreichere Begriff vorausgeht, so ist Anaphora unüblich. So würde man bei (66) Peter sah ein Fahrzeug. Das Motorrad blitzte in der Sonne einen Zwischensatz wie Es war ein Motorrad vermissen. Anaphora ist also bei semantischer Erweiterung, ohne einen Zwischengedanken aber nicht bei semantischer Verengung erlaubt. Bei dieser ist eine neuerliche Prädikation notwendig. Semantische Erweiterung und Verengung sind wichtige Mittel der Textentwicklung. 6.2.2. Wenn der umfangreichere Begriff vorausgeht, ist oft keine Koreferenz gegeben, aber dennoch semantische Kohäsion: Syntaktisch sind dann Mittel der Differenzierung (s.II.4.4.) erforderlich. Einen Typ bildet die Zerlegung einer Klasse von Gliedern: (67) Peter sah mehrere Fahrzeuge. Eines (von ihnen) war ein Motorrad, ein anderes ein Fahrrad. Die übrigen waren Autos. Oder aber ein neues Mitglied der Klasse kommt im Folgesatz hinzu: (68) Peter kaufte ein Auto. Ein zweites schenkte ihm sein Vater. Diese Satzfolge zeigt, daß gemeinsame Klassenzugehörigkeit verschiedene textgrammatische Möglichkeiten offen läßt, vgl. auch ( 6 9 ) ? Siehst du am Himmel den Kometen. Vor 4000 Jahren ist ein anderer am Mars vorbeigerast. Die gemeinsame Klassenzugehörigkeit macht also eine Satzfolge noch nicht annehmbar, so fehlt in (69) die richtige Perspektive (s. ILIO.). Außerdem ist zu beachten, ob die gegebene Klasse in der Sprechsituation offen oder geschlossen ist. So ist die Satzfolge 95 Palek 1970,42,64,120; Steinitz 1969,145f. 96 Vgl. Golopenjia-Eretescu 1971,182; vgl. Frankenberg 1971.
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(70a) Peter kaufte ein Auto. Das zweite schenkte ihm sein Vater nur bedingt möglich, z.B. wenn ein durch Akzent und Intonation hervorgehoben ist bzw. ein weiterer Satz folgt wie (70b) Ein drittes/Das dritte, das er bis zu seinem Tode fuhr . . . oder wenn Sprecher und Hörer sonstwie die Zahl der Autos wissen. Die Verwendung einer definiten Nominalphrase ist daran gebunden, daß sie die Klasse abschließt, oder daß das-definite Element kataphorisch (s. II.4.1., 13.1.5.) gebraucht wird. 6.3. Der Oberbegriff verbindet zwei Begriffe in der Satzfolge (71) Hier stehen zwei Motorräder. Das dritte Fahrzeug ist ein Motorroller. Dieser Typ grenzt an Weiterführung durch semantische Kontiguität (s. II.7.). 6.4. Doch davor seien noch kurz logische (semantische) Implikationen erwähnt. Ein Text entwickelt sich nur ausnahmsweise in Form von logischen Schlußfolgerungen ä la (72a) Auch ein Diktator ist nur ein Mensch, (b) Da alle Menschen sterben müssen, wird auch er einmal sterben. Wird der letzte Teilsatz von (72b) durch (72b') wird auch seine Diktatur ein Ende finden ersetzt, so liegt bereits eine unausgesprochene Implikation vor, denn explizit müßte es zumindest heißen ( 7 2 b " ) wird auch er und damit seine Diktatur enden. Doch auch in dieser Fassung liegt noch eine weitere Implikation vor: Die Wahrheitswerte von enden (bei belebtem Subjekt) und sterben implizieren einander gegenseitig: Wenn ein Lebewesen stirbt, so endet es und umgekehrt. 6.5. So kann man sich die gesamte textsemantische Basisstruktur von einem Netz von Definitionen (II.6.1.), Implikationen (Dorofeev 1969) oder Präsuppositionen (s.u. III.5.) durchzogen denken und die gesamte semantische Kohärenz auf logische Schemata zurückzuführen suchen. Inwiefern dies möglich ist, interessiert uns fast weniger, da heute die logische Basis der Semantik anerkannt, wenn auch nicht gelöst 97 ist, als inwiefern dies unmöglich ist, d.h. inwiefern die Textsemantik von der Logik abweicht (s.u. II. 15.2.6.). Abweichungen von der Logik sind freilich meistens unmöglich. So zitiert Thümmel (1968,146) die inkorrekte Äußerung (73)* Er leert den Papierkorb und er ist voll. 97 Textsemantisch arbeiten Petöfi und Frankenberg 1971.
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die inkorrekt bleibt, auch wenn man das zweite er durch der ersetzt. Diese Folge widerspricht der logischen Implikation, daß ein geleerter Behälter leer sein muß. Freilich gehen die Implikationen des Alltagslebens über logische Implikationen hinaus, man denke etwa an vorschnelle Schlüsse oder intuitive Assoziationen. Für mythisches Denken gelten überhaupt andere Gesetze, weshalb in einem Märchen die Satzfolge (74) Er leert den Eimer. Der bleibt doch immer voll denkbar wäre. Nicht anstößig ist auch der Vers, den in Goethes Faust I Mephisto zu Marthe sagt (75) Ihr Mann ist tot und läßt Sie grüßen. Die Unterscheidung von klassischer Logik und Semantik ist auch auf dem Gebiete der Inklusion und Implikation noch durchzuführen. Damit haben wir die Besprechung von Koreferenz, Pro-Formen und Anaphora abgeschlossen, noch nicht aber die von Rekurrenz und Kohärenz (Kohäsion).
Semantische Kontiguität 7.1. Semantische Kontiguitätsbeziehungen sind die schwächste, zugleich aber auch die grundlegendste Form der semantischen Kohärenz, die in der Rekurrenz semantischer Merkmale besteht. Diese „semantische Rekurrenz" ist m.E. allgemeiner als „begriffliche Nähe" oder „Berührung" (Kontiguität). In diese Problematik soll ein Beispiel Karttunen's (1968a, 14ff) einführen: (76) I was driving on the freeway when suddenly the engine began to make a funny noise. I stopped the car and when I opened the hood I saw that the radiator was boiling. Die Erwähnung einer Fahrt auf der Autobahn impliziert, bereits im ersten Satz, daß es sich um ein Kraftfahrzeug und hier mit größter Wahrscheinlichkeit um ein Auto handelt; da zu einem Auto ein Motor, eine Motorhaube und fakultativ eine Wasserkühlung gehören, ist dieses Textstück korrekt. Freilich wäre dieses Textstück unglücklich formuliert, wenn sowohl Sprecher als auch Hörer Motorradfanatiker sind. Zur Interpretation dieses Beispiels meint Karttunen, daß bei Erwähnung eines Autos alle seine Teile impliziert sind, so daß eben auf sie im weiteren (mit definitem Artikel, bzw. teilweise durch Possessivpronomina) rückverwiesen werden kann. Diese Implikationen beruhten auf dem gemeinsamen Vorauswissen von Sprecher und Hörer und könnten in logischen Formeln dargestellt werden, die auf Haben-Relationen {Ein Auto hat einen Motor) oder Teil-von-Relationen aufbauen. Hier handelt es sich aber nicht 38
um unveräußerlichen Besitz (inalienable possession), da ein Auto auch ohne gewisse Bestandteile fahren kann und verschiedenartige Autos verschiedenartige Bestandteile haben. Andererseits dürfen exotische Bestandteile seltener Autotypen nicht zum allgemeinen Vorauswissen gerechnet werden. 7.2. Statt aufzuzählen, welche Bestandteile ein Auto haben kann, ist auch ein anderer Weg möglich, nämlich von den Bestandteilen auszugehen und sie mit semantischen Merkmalen wie [+Fahrzeug, +technisch | zu versehen. Semantische Anaphora (Dressler 1970e, 205) wäre dann zwischen Wörtern möglich, die identische semantische Merkmale aufweisen. Dies ermöglicht eine interessante Perspektive für die Zusammenarbeit mit der semantischen Komponentialanalyse, vor allem auch im Hinblick auf die Hierarchie semantischer Merkmale: Besonders allgemeine Merkmale wie [-(-belebt] oder gar syntaktische wie [+feminin] sind eben für semantische Anaphora kaum hinreichend. Unter Kontiguität zweier Wörter verstehen wir hier das Vorhandensein identischer semantischer Merkmale. Wie aber Assoziationen zeigen, muß es auch eine pragmatische Kontiguität geben. Ein Text bedarf zwar eines Netzes semantischer Beziehungen in Form von Rekurrenz semantischer Merkmale (van Dijk 1969,1971), aber dies ist nur eine notwendige Bedingung, keineswegs aber eine hinreichende, wie Bierwisch's (1965) Kritik (1.3.4.) an Beispiel (8) zeigt. Eine Satzfolge wie (77) Ich fahre in einem blauen Auto. Er hat grüne Hosen ist nur möglich, wenn ein metasprachliches Thema „Farbnamen" gegeben ist. Hier kommt es aber auch auf die Intention des Empfängers an (s.u. III.4.). 7.3. Eine Taxonomie der Kontiguitätsbeziehungen hat Harweg (1968a, 192ff) aufgestellt. Er unterscheidet logisch, ontologisch, kulturell und situationeil begründete Kontiguitätssubstitutionen. 7 3 . 1 . Logisch begründete seien fakten-unabhängige Verknüpfungsrelationen, also z.B. Beziehungen zwischen Wörtern desselben Wortfelds. Unterarten 9 8 sind synonyme oder homoseme (Brille - Augenglas), paraseme (Hengst - Stute), hyperseme (Pferd — Hengst), antiseme oder antonyme (Sieg - Niederlage), also Kontrast, der ja an die Gemeinsamkeit gewisser semantischer Merkmale gebunden ist. Dazu kommt noch eine offene Liste weiterer Relationen wie Teil—Ganzes—, Teil—Teil—, Actio—Agens—Relationen usw. (Harweg 1968a, 195f). Mehrere semantische Relationen können zugleich auftreten. 7 3 . 2 . Ontologisch begründete Kontiguitäts-Beziehungen beruhen auf einer naturgesetzlichen Verknüpfung wie z.B. zwischen Blitz und Donner. 98 Cf. Koch 1966b,388; Loriot 1970,57ff.
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Auch hier liegen gemeinsame semantische Merkmale vor. Ebenso bei kulturell begründeter Kontiguität, z.B. Kirche - Turm. 7.3.3. Besonders schwach sei die situationeil begründete Form der Kontiguität, die schon als Nicht-Kontiguität angesprochen werden könne. Harweg rechnet dazu fakultative, ungewöhnliche Haben-Relationen wie ein Mann - das lose Sporthemd (adaptiert aus dem 4. Absatz von Thomas Mann's „Der Tod in Venedig"). Auch alle auf gemeinsamer persönlicher Kenntnis eines Individuums beruhenden Relationen gehören hierher. Derartige Kontiguitäten sind nur korrekt, wenn dem Leser oder Hörer der Bezug auf ein gemeinsames Thema desselben Textstücks klar ist. Hier muß der Sprecher/Schreiber die semantischen Erwartungen über mögliche Folgeelemente, die ein Antezedent beim Hörer/Leser hervorruft, einkalkulieren. 7.4. Harweg (1968a, vgl. Karisen 1959,26) nimmt bei Kontiguitätsrelationen Interpolationen vor. Er würde also etwa zwischen den beiden Sätzen (78) Auf dem Platz steht eine Kirche. Der Turm ist gotisch den Satz Die Kirche hat einen Turm interpolieren, da jede definite Nominalphrase eine koreferente Nominalphrase in einem Vorgängersatz voraussetze. Diese Praxis nähert sich letztlich dem Postulat, daß in der Basisstruktur sämtliche logischen und semantischen Beziehungen aufgezählt sein müssen. Einfacher erscheint hier das Operieren mit semantischen Merkmalen (Dressler 1970e,205), die ja auf jeden Fall angenommen werden müssen, und mit einer pragmatischen Komponente, die die Beziehungen des Sprechers zu Hörer und Situation berücksichtigt."
Semantische Basisstruktur, Rekurrenz und Thema 8.1. Semantische Rekurrenz wurde als notwendiges, aber nicht hinreichendes Element der Textbildung bezeichnet (1.3.4., II.1.2., 7.1.). Dadurch stellt sich sofort die Frage, welche Rolle die Rekurrenz in der semantischen Basisstruktur eines Textes spielt. Hier müssen wir zwei Arten von Basisstruktur unterscheiden. Einmal die voll entwickelte semantische Basisstruktur, zu deren Wohlgeformtheit semantische Rekurrenz notwendig ist. Andererseits kann man die semantische Rekurrenz als etwas Abgeleitetes auffassen und annehmen, daß in der Basis die Glieder einer durch se99 Interpolationen sind hingegen oft bei Textnormalisierungen (Regularisierungen) notwendig, die Harris (vgl. Sevbo) in Form von Oberflächentransformationen durchfuhrt, die die Oberflächenstruktur eines gegebenen Textes in einen durch keine Unregelmäßigkeiten gestörten kanonischen Text verwandeln sollen. Solche Techniken sind für die Dokumentationsanalyse von Bedeutung.
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mantische Rekurrenz gebildeten Äquivalenzklasse möglichst nur ein einziges Mal vorkommen sollen (vgl. die Matrizen von Z.S.Harris); diese Art von Basisstruktur kommt aber dem nahe, was wir als Thema eines Textes, als seine reduzierte Paraphrase bezeichnet haben (II.2.). Eine solche thematische Textbasis unterscheidet sich also von einer Inhaltsangabe dadurch, daß diese in ihrer syntaktischen Oberflächenstruktur und voll entwickelten Bedeutungsstruktur (semantische Repräsentation) semantische Rekurrenz enthalten muß, die thematische Textbasis aber nicht enthalten darf. Semantische Rekurrenz wird aus der thematischen Textbasis durch Kopierung abgeleitet, d.h. durch eine semantische Transformation, die ein semantisches Merkmal oder einen Merkmalkomplex auf die lineare Textfolge distribuiert. Wie dies geschieht, ist ein Problem der semantischen Entwicklung (s.u.II. 14.), die erst nach Erörterung der weiteren grundlegenden Bestandteile der thematischen Textbasis eingehender besprochen weiden sollen. 8.2. Neben dieser semantischen kann der Terminus Thema noch zwei weitere Bedeutungen haben (vgl. Fries 1971,229). In der Terminologie der Funktionellen Satzperspektive (s.II.l 1.3.) kann Thema erstens soviel wie Ausgangspunkt oder Basis des Satzes bedeuten, ähnlich dem topic der meisten amerikanischen Linguisten. Uns interessiert hier aber mehr die kontextuelle bzw. ko-textuelle (textuelle, textinterne) Bedeutung von Thema als das Bekannte oder Gegebene im Gegensatz zu Rhema als der neuen Information. Ein Thema wird also kontextuell aus der Situation oder ko-textuell aus einem vorangegangenen Textstück (desselben Textes) durch Kopierung gewonnen (vgl. II.8.1. und Vendler 1967,23). Im zweiten Fall gehört das Thema also dem Bedeutungsfeld (Wortfeld) eines oder besonders des vorangegangenen Satzes an. 8.3. Diesen Typ der Entwicklung semantischer Rekurrenz hat Danes (1970) thematische Progression genannt. Er unterscheidet dabei folgende Subtypen: 8.3.1. Lineare Progression: Das Rhema (= neue Information) eines Satzes wird zum Thema des nächsten (= einfache Anaphora): (79) Ich habe einen Hund. Er heißt Rex. 8.3.2. Das Thema bleibt konstant, z.B. (80) Mein Hund heißt Rex. Er ist ein Pudel. Ihn übertrifft kein anderer Hund an Klugheit. 8.3.3. Die Themen werden von einem Hyperthema abgeleitet (= hypersemische Beziehung), z.B. könnte man (79,80) fortführen mit (81) Sein Schwanz ist kurz. Das Fell ist schwarz. 8.3.4. Rahmenprogression: Ein Rhema wird in mehrere Themen aufgespalten (vgl. zur Differenzierung o.H.4.4.) z.B. 41
(82) Wir trafen zwei Soldaten. Der eine . . . , der andere . . . 8.3.5. Bei einem thematischen Sprung wird ein Glied in der Kette der thematischen Progression ausgelassen (vgl. II.6. zur Implikation), das aus dem Kontext heraus ergänzt werden kann (recoverability). 8.3.6. In der cechischen Fassung 100 berücksichtigt Danes noch synonymische und paraphrastische Relationen, Kontrastthemen, Hintergrund, Parenthese. Man könnte ζ. B. noch den Fall hinzufügen, daß sich das Thema (oder Hyperthema) erst am Schluß als Resultat aus Teilthemen summativ ergibt. Vgl. die erste Strophe des Rilke-Gedichtes „Buddha in der Glorie": (83) Mitte aller Mitten, Kern der Kerne, Mandel, die sich einschließt und versüßt, — dieses alles bis an alle Sterne ist dein Fruchtfleisch: Sei gegrüßt." Hier werden 1) u.a. die nominalen Einzelthemen der Anrufungen (Vokative) durch Fruchtfleisch zusammengefaßt; 2) wird der Sinn der Anrufungen erst durch den Imperativ Sei gegrüßt klar. Wir sehen also, daß die „thematische Progression" auf alle Arten semantischer Rekurrenz ausgedehnt werden kann. 8.4. Bisher besprachen wir vor allem, wie nominale Elemente rekurrieren, pronominalisiert, erweitert oder in der Oberflächenstruktur getilgt werden (elliptische Anaphora). Wir haben also eine Vorstellung davon, wie nominale Elemente aus der thematischen Textbasis kopiert werden und sich weiter zur vollständigen semantischen Textbasis entwickeln (vgl. 11.14.). Welche Funktionen haben aber solche nominalen Elemente überhaupt in der thematischen Basis des Textes oder von Textstücken? Dies zeigt der folgende Abschnitt.
Handlungsrollen und dramatis personae 9.1. Ein wichtiger Bestandteil der thematischen Textbasis sind die Rollen der Akteure und die dramatis personae. Beide Termini werden oft gleichgesetzt. Wir wollen unter dem zweiten Terminus (dramatis personae) Eigennamen identischer Entitäten und koreferente Handlungsmitspieler bzw. Requisiten und Lokalitäten verstehen, deren jeweilige Handlungsrollen natürlich wechseln können. 101
100 Slovo a Slovesnost 29 (1968) 1 2 5 - 1 4 1 . 101 Stennes (1969) unterscheidet zwischen relationalen „Rollen" und koreferenten "participants" bzw. "circumstantials".
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9.2.1. Was die Handlungsrollen betrifft, so postuliert Burke (1969,XVff, 443) als elementare Denkformen fünf oder sechs „key terms of dramatism" und zwar tfcf „Handlung", scene „Handlungsort", agent „Agens", purpose „Zweck", agency „Mittel, Instrument", wovon u. U. attitude „Art und Weise" getrennt werden kann. Als Beispiele diene Burke's (1969,XX) Inhaltsangabe eines typischen Handlungsablaufs: (84) Der Held (agent), mit Hilfe eines Freundes (co-agent), überlistet den Schurken (counter-agent) durch Verwendung einer Feile (agency), mit der er seine Fesseln sprengt (act), um zu entfliehen (purpose), und zwar aus dem Raum, in dem er gefangen gehalten wurde (scene). Die Überschneidung dieser Rollen ergebe dramatische Konsistenz. Freilich handelt es sich hier eher um rhetorische als linguistische Rollen. 9.2.2. Pike (1964,9ff) gibt eine andere, unvollständige Liste von „situational roles", wie er die Handlungsrollen nennt: actor, goal, action, causer, place, instrument, enabler, time, beneficiary. Oder Longacre (1970,197) findet in philippinischen Jagdgeschichten drei Hauptrollen: 1) initiator (Jäger, Held, Sprecher), 2) objective (das Wild), 3) props „Requisiten" (Ausstattung, Ort, Operationsstelle). 102 Bekannter sind die „Aktanten" der französischen strukturalistischen Mythen-, Märchen- und Literaturforschung wie Adressant, Adressat, Adjuvant, Opponent. 103 9.2.3. Um eine wohlgeformte Basisstruktur erstellen zu können, ist aber eine vollständige und universelle Liste von Handlungsrollen notwendig, diese müssen voneinander abgegrenzt und ihre Abgrenzung begründet werden, d.h. es muß linguistische Argumente geben, warum gerade diese und nicht andere Rollen mit diesem und keinem anderen Bedeutungsgehalt gewählt werden. Am adäquatesten werden solche Handlungsrollen sein, die sich auch als Tiefenkasus von Satzstrukturen (oder Argumente von Propositionen) bewähren. Im folgenden seien Ch.J.Fillmore's Tiefenkasus nach einer Fassung von 1970 vorgeführt (wo freilich Orts- und Zeitbestimmung zu wenig eingearbeitet sind): 104 1) Agens = Funktion des Täters, der für eine Handlung verantwortlich ist (normalerweise: belebt). 2) Patiens = Erleider der Handlung (= objective, object). 3) Instrumental = Mittel der Handlung (gewöhnlich unbelebt). 102 Eine stratifikationelle Taxonomie bietet Stennes 1969. 103 s. Greimas 1971,157ff. 104 Vgl. auch das Modell der Aktanten-Funktionen bei Heger 1971,74ff. Zu Ch. Fillmore vgl. die Zusammenfassung bei Petöfi 1971b und WPIL 10 (1971).
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4) Experiencer = belebtes Wesen, das von einer Handlung innerlich affiziert oder durch einen Zustand charakterisiert wird (z.B. ich 'mich bin traurig)· 5) Goal = Direktiv, Richtungskasus (auch Dativ in Ergab es ihm). 6) Source = Ausgangspunkt der Handlung (auch Dativ in Er stahl mir ein Buch). 7) Possessor = belebtes Wesen, das etwas zumindest zeitweilig besitzt. Wichtig ist die Beobachtung, daß mehrere Tiefenkasus in einem aktuellen Oberflächenkasus zusammenfließen können (case conflation). So ist in Ich gehe weg das Subjekt ich zugleich Agens und Patiens der Handlung, wie z.B. die französische Übersetzung Je m'en vais zeigt, wo der Agens als je, der Patiens als me (und Source als en) realisiert sind. 9.2.4. Den Begriff von Handlungsrollen im Textthema hat bereits die Rhetorik vorgebildet. So unterscheidet J.Hübner 1 0 5 folgende circumstantiae mit einem aktuellen Beispiel: einmal die circumstantiae historicae; antecedens (eine Beschimpfung), concomitans (hauen und stechen), consequens (Gefängnis und Strafe); dann die circumstantiae morales nach dem bekannten lateinischen Merksprüchlein: quis „wer" (der Sohn), quid „was" (hat den Vater geschlagen), ubi „ w o " (in seiner Stube), quibus auxiliis „womit" (mit einem Prügel), cur „warum" (weil er ihm kein Geld geben wollte), quomodo „wie" (halb tot), quando „wann" (da der Vater bald siebentzig Jahr alt ist). 9.3.1. Wenn das Textthema eine einzige Proposition ist, so besteht eine eindeutige Beziehung zwischen den realen Entitäten oder dramatis personae (Personen, Dinge, Ort, Zeit) als referenzidentische Denotate und den Handlungsrollen. Bei mehreren Propositionen, Sätzen, oder Teilung des Textthemas in Themen von Textstücken kann eine dramatis persona (z.B. der Hauptheld) verschiedene Handlungsrollen annehmen. Bei der hierarchischen Unterteilung des Textes in immer kleinere Teile kann daher die wechselnde Zugehörigkeit einer koreferenten dramatis persona zu Handlungsrollen ein Einteilungskriterium sein. Die Aufeinanderfolge dieser Identifizierungen von Rolle und dramatis persona ergibt das Handlungsgerüst, vgl. etwa Sevbo (1969, 52ff), die nur drei einfache Schemata aufstellt und praktisch Handlungsrolle nicht von grammatischer Funktion unterscheidet: 1) parallele unidirektionelle Einwirkung, z.B. (85) Vanja erblickte den Hasen. Er lief ihm nach. Er ergriff ihn . . . 2) Wechselwirkung, z.B. 105 Oratoria (Leipzig, Gleditsch 1 7 2 1 ) I 5 Of.
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(86) Peter erblickte Boris. Boris erblickte Peter. Peter rief Boris. Boris rief Peter . . . 3) Parallele Tätigkeit, z.B. (87) Maria brachte Pilze. Peter brachte Nüsse. Maria streute die Pilze aus. Peter streute die Nüsse aus . . . 9.3.2. Wenn Pronominalisierung eintritt, so zeigt sie Kontinuität einer dramatis persona an, zugleich aber oft auch (besonders bei den anaphorischen Pronomina) Kontinuität der Funktionen, 1 0 6 vgl. (88a) Hans traf Peter. (Und) er war ein schöner Mann. (88b) Hans traf Peter. (Und) der war ein schöner Mann. In (88a) ist Hans ein schöner Mann, in (88b) Peter, da er eben auf syntaktische Identität hinweist. Hier handelt es sich freilich um grammatischen Parallelismus, insofern als in (88a) Hans Subjekt bleibt, während sich die Rolle ändert (Agens und Patiens). Ein weiteres Argument liefert die (wenn auch unschöne) Passivierung: (89) Hans; wurde von Peterj getroffen. (Und) eq war schön. Immerhin ist die Zuweisung von er zu Hans nicht für alle Sprecher völlig eindeutig, denn der eigentliche Grund liegt in der Funktionellen Satzperspektive (vgl. II. 11.3.), bei der auch die Intonation eine Rolle spielt (vgl. Dressler 1972b und II.11.3.5.). In dieselbe Kerbe schlägt auch Thomas Mann's Kritik 1 0 7 an Ricarda Huch's Satz (90) Er sprach so liebenswürdig gegen Papa, daß er ganz angeregt wurde. T. meint: „Soll heißen, daß der ganz angeregt wurde". Pronominalisierung hat also nicht 108 mit Handlungsrollen zu tun, sondern nur mit den dramatis personae und dem Filter Grammatik im Sinne von Funktionen wie Subjekt und der Funktionellen Satzperspektive. 9.3.3. Die Handlungsrollen sind in der Basis kaum näher spezifiziert; höchstens können sie nach G.Lakoff auf zugrundeliegende abstrakte Prädikate zurückgeführt und mit ganz wenigen semantischen Merkmalen versehen werden: So ist Agens „der etwas verursacht", Instrumental ,,was dabei benützt wird", wobei die erste Rolle mit dem Merkmal [+belebt], die zweite mit dem Merkmal [ - b e l e b t ] ausgezeichnet werden könnte. 9.4.1. Die dram ati s p e r s o n a e sind hingegen mit mehr oder weniger zahlreichen Qualifikationen bereits in der thematischen Basis versehen. In kleinem Rahmen ist dies schon in Personenverzeichnissen von Theater-
106 Vgl. Stennes 1969. 107 Brief vom 2 7 . 1 . 1 9 5 4 . 108 Gegen Taber 1 9 6 6 , 1 1 3 f f ; Gleason 1 9 6 8 , 5 3 f f .
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stücken (die auch über Ort und Zeit der Handlung Aussagen machen) gegeben; so finden wir in Nestroy's „Lumpazivagabundus" (91) STELLARIS, Feenkönigin; FORTUNA, Beherrscherin des Glücks, eine mächtige Fee; BRILLANTINE, ihre Tochter; AMOROSA, eine mächtige Fee, Beschützerin der wahren Liebe; MYSTIFAX, ein alter Zauberer;. . . PANTSCH, Wirt und Herbergsvater in Ulm . . . (Die Handlung spielt teils in Ulm, teils in Wien, teils in Prag, teils im Feenreich). Hier finden wir zwei Typen von Qualifikationen: 1) relationelle Qualifikationen, Bezüge auf andere dramatis personae (wozu auch der Ort der Handlung und gleichbleibende Requisiten zu rechnen sind), z.B. ihre Tochter, Feewkönigin, Wirt in Ulm. 2) Angabe von Eigenschaften in Form von Zuweisung zu einer Klasse wie [+alt, +Zauberer, +mächtig]. 9.4.2. Wir können nun annehmen, daß in einer thematischen Basisstruktur noch viel mehr Qualifikationsmerkmale des Typs 2) enthalten sind, z.B. alle für den Text relevanten Charaktereigenschaften. Dadurch unterscheidet sich eine solche Basis sehr von den vagen Angaben eines Personenverzeichnisses oder einer Inhaltsübersicht. Die reiche Merkmalklassifizierung des Themas steht dann mit dem Text in einem Abbildverhältnis, so z.B. vollbringt eben ein Zauberer Zauberhandlungen oder droht sie an oder zeigt zumindest Eigenschaften eines Zauberers. Hierhei gehören auch die „schmückenden Beiwörter" (Epitheta ornantia) epischer Dichtung, die das invariante Wesen der Figuren charakterisieren. Nach der Terminologie der generativen Grammatik könnte man diesen Abbildungsprozeß „Merkmalausbreitung" (feature spread) nennen, d.h. ein Merkmal der thematischen Basis entwickelt sich zu einem oder mehreren Oberflächenelementen variablen Umfangs im Text. Damit kommen wir zu Koreferenz, Anaphora und semantischer Rekurrenz zurück. Möglichkeiten einer Merkmalausbreitung zeigt die Theatergeschichte in der Frage, wie der Charakter einer Person dargestellt wird; ζ. B. kann er in der Exposition durch sie selbst oder durch eine andere Person geschildert werden oder, häufiger, indirekt aus ihren Handlungen hervorgehen. Zumindest das griechische frühe Drama stimmte auch darin zu diesem einfachen Abbild-Schema, als nicht nur die aristotelische Einheit des Ortes, sondern auch die der Charaktere der Personen gewahrt bleibt. Hier muß die gesamte Handlungsweise einer Person zu ihren Charaktermerkmalen passen, um die Konsistenz des Textes zu bewahren. Wenn sich dagegen Handlungsweise und damit auch Charakter einer Person ändern, wenn auch nur durch Verteilung der Handlungszeit in genügend getrennte Zeitabschnitte, 46
so tritt eine semantische Entwicklung ein (s.II.14.), die der Hörer/LeserErwartung (s.II. 12., III.3.1., III.4.) plausibel erscheinen muß, soll die Konsistenz gewahrt bleiben; so kann der jugendliche Held und Liebhaber des ersten Akts zu einem müden, abgekämpften Greis des letzten Akts werden. Dies gilt ähnlich für alle der Entwicklung und Veränderlichkeit unterworfenen dramatis personae (inklusive Lokalitäten und Requisiten).
Perspektive und Reliefgebung (Tempus, Aspekt) 10.1. Unsere bisherigen Ausführungen beschränkten sich fast ausschließlich auf den nominalen Bereich. Zur gesamten thematischen und semantischen Textbasis gehört aber auch der verbale Bereich, der der Exponent der Modi, Tempora und Aspekte ist. Textlinguistisch handelt es sich zunächst um die Frage, welchen Standpunkt der Autor eines Textes zum Inhalt des Textes einnimmt, um seine Sprechhaltung oder Darstellungsform. Dazu gehört Weinrich's (1971) Unterscheidung von Besprochener und Erzählter Welt, 109 aber auch die Pragmatik der Modalitäten (s.u. III.3.3f.), die die Funktion eines Textes und seiner Teile wesentlich mitbestimmt. 10.2. Unbeschadet der einzelnen Tempora, die in einem Text verwendet werden, hat der Text in seiner Gesamtheit (d.h. etwa in seinem Thema) eine „Zeit". Wenn er nicht ,verzeitet' ist, dann behandelt er z.B. allgemeine, „zeitlose" Probleme wie Naturgesetze oder ewige religiöse Wahrheiten. Das Haupttempus, 110 ist dann das neutralste (unmarkierteste) Tempus kombiniert mit neutralem Modus und, wenn vorhanden, Aspekt. In den europäischen Sprachen sind dies Präsens, Indikativ und in den slavischen Sprachen dazu noch imperfekter Aspekt, im Englischen simple form z.B. in einer astronomischen Abhandlung überwiegen Sätze wie (92a) The planets orbit the sun. = Die Planeten umkreisen die Sonne, nicht aber in expanded (progressive) form (92b) *The planets are orbiting the sun. Diese Form paßt, wenn etwas Gegenwärtiges geschildert wird, wenn also der Text verzeitet und in der Zeit des gegenwärtigen Erlebens des Autors
109 Den Unterschied sieht Weinrich (1971,36) etwas vage im Gegensatz von gespannter, engagierter Rede über Dinge, die Sprecher und Hörer betreffen (besprechende Sprechhaltung) gegenüber dem "recit fondamental dans lequel baigne notre vie entiere" (Erzählsituation nach M. Butor). 110 Vgl. den Begriff Tempus-Dominanz bei Weinrich 1971,17ff,39ff.
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angesiedelt wird. Eingeschobene, nichtpräsentische Tempora charakterisieren Sätze in der Regel als nebensächlich. 10.3.1. Enthält der Text vor allem Vergangenes, so kann in den meisten Sprachen der Autor zwischen wenigstens zwei Tempora oder zwei Aspektgruppen 1 1 1 wählen. Was die Aspekte betrifft, so kann theoretisch auch der imperfektive Aspekt, der ein Ereignis oder einen Zustand der Vergangenheit als verlaufend oder unvollendet schildert, ohne Beginn oder Ende der Handlung (des Zustandes) ins Auge zu fassen, Hauptaspekt sein. Söll (1968,165) erinnert an die Tropismes von Nathalie Sarraute, die im imparfait, der französischen Entsprechung des imperfektiven Aspekts, abgefaßt sind: diese Gedichte vermitteln den Eindruck des Unvollständigen, ja Schwebenden, da das auf den Abschluß hinweisende passi simple (als Vertreter des perfektiven Aspekts) fehlt. 1 1 2 10.3.2. In der Regel ist für in der Vergangenheit situierte Texte der perfektive Aspekt charakteristisch, da er die vollendete (bzw. vollendet gedachte), abgeschlossene, ganzheitlich gefaßte Handlung ausdrückt und so zur Wiedergabe sukzessiv aufeinander folgender Handlungen (oder auch Zustände) prädestiniert ist; im Englischen entspricht wieder die simple form von Vergangenheitstempora. In Erzählungen füllen daher die Vertreter des perfektiven Aspekts den Vordergrund der Handlung aus, die Vertreter des imperfektiven Aspekts weisen prinzipiell ein Ereignis oder einen Zustand dem Hintergrund zu, 1 1 3 z.B. als vorbereitendes imparfait im sogenannten Inzidenzschema, 1 1 3 3 wofür ein Beispiel W.Pollak's genannt sein soll: (93) L'ordre semblait regner. Tout ä coup une revolution eclata. Der Ausbruch der Revolution (passe simple) ist das Hauptereignis, das den vorher im imparfait geschilderten Zustand der scheinbaren Ordnung zunichte macht. Ein imparfait114 oder ein slavischer imperfektiver Aspekt oder eine englische expanded form eines Vergangenheitstempus hat eine vorbereitende oder einleitende Funktion, wenn sie vorausgehen (vgl. das präludierende imparfait d'ouverture).
111 Vgl. dazu die grundverschiedenen Ansichten von Weinrich ( 1 9 7 1 ) , der die Aspekte leugnet, und von W. Pollak in seiner Rezension der ersten Auflage Weinrich's in Zeitschrift Roman. Phü. 84 (1968) 3 8 0 - 4 8 0 (mit reicher Literatur), vgl. Dressler 1970c, 73f; d , 7 0 . 112 Nur Tropisme XVIII ist im Präsens, und die direkten Reden enthalten immer auch andere Tempora. 113 Vgl. Weinrich 1 9 7 1 , 9 I f f . 113a Kritik daran bei H. Weinrich, Zur Textlinguistik der Textübergänge. Linguistik und Didaktik 3 ( 1 9 7 0 ) 2 2 2 - 2 2 7 . 114 Gehört nach Weinrich (1971) ebenfalls zur erzählten Welt.
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10.3.3. Nach dem passe simple kann das imparfait de rupture oder de cloture stehen, das in der neueren französischen Literatur eine Nachzeitigkeit im Verhältnis zur Haupthandlung angibt oder auch ein irreführendes Schlußsignal (Trugschluß) sein kann (Weinrich 1971,108ff), z.B. in Maupassant's Novelle „Le Lit" (94) Elle le vit, se montra, sourit. Le soir meme, il etait son amant. „Sie sah ihn, zeigte sich, lächelte (ihm zu) [passes simples]. Noch am selben Abend war [imparfait] er ihr Geliebter". Hier erwartet man auf Grund des imparfait eigentlich schon ein aber dann. . . Sonst kann der imperfektive Aspekt auch die Haupthandlung (im perfektiven Aspekt) als Hintergrund (background, setting) einrahmen. Wechsel zwischen beiden Aspektgruppen dient also der Reliefgebung. 115 D.h. der Hauptaspekt leitet sich vom Aspekt der thematischen Textbasis ab, der andere Aspekt tritt dazu in Gegensatz. So gliedert die Konstanz bzw. Variation der Aspekte den Text und jedes Textstück in aspekteinheitliche Unterabschnitte. 10.3.4. In den romanischen Sprachen, im Lateinischen und z.B. Altgriechischen ist der Aspekt in die grammatische Kategorie des Tempus eingeordnet. Wie schon angedeutet, übernehmen dort die Vergangenheitstempora die Funktionen des Aspekts in der Vergangenheit, so Imperfekt und Plusquamperfekt die des imperfektiven Aspekts, wobei das erste Tempus gleichzeitige, das zweite vorzeitige Nebenhandlungen bezeichnet. Aber selbst in Sprachen wie dem Deutschen, wo man beim besten Willen keinen grammatischen Aspekt feststellen kann, erfüllen Präteritum, Perfekt 116 und Plusquamperfekt die Funktionen der Reliefgebung. Man wird also in der Bedeutungsstruktur zwischen drei Kategorien unterscheiden können, der Verzeitung, der letztlich pragmatischen Sprechhaltung 117 und dem Verbalaspekt. Wenn z.B. in der Textsemantik ^Vergangenheit], in der Pragmatik [+perfektiver Aspekt, +erzählende Sprechhaltung] angesetzt werden, ergäbe dies im Französischen als Haupttempus das passe simple, im Deutschen das Präteritum (vgl. II.10.5.). 118
115 Vgl. das Grammatikerwort Perfecto procedit, imperfecto insistit oratio „Im Perfekt schreitet die Handlung fort, im Imperfekt bleibt sie stehen". 116 Vgl. die Werkanalysen und Schriftstellerinterviews zum Unterschied beider deutscher Tempora in: P. A. Bloch ed., Der Schriftsteller und sein Verhältnis zur Sprache. Bern, Francke 1971. 117 In Anlehnung an Weinrich (1971), vgl. Wunderlich 1970. 118 Bei dieser Dreiteilung ergäben sich einige Redundanzen und Kombinationsbeschränkungen. Vgl. zu den Erzähltempora Weinrich (1971) mit Pollak's Rezension (s.Fn. 111); Longacre 1970; Wunderlich 1970,139ff; Stempel 1971,217ff.
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10.3.5. Viele Sprachen unterscheiden in der Sprechhaltung zwei perfektivische Tempora der Vergangenheit, so die romanischen, etwa das Französische zwischen passe simple (je fis) und passe composi119 (j'aifait), das Italienische zwischen passato remoto (feci) und passato prossimo (ho fatto), zumindest z.T. in der literarischen Sprache. Englisch und ähnlich Altgriechisch unterscheiden zwischen in die Gegenwart fortwirkender (I have been = besprochener) und nicht-fortwirkender Handlung (I was = erzählt), was ebenfalls auf der Textebene genutzt wird. Natürlich sind in der Nebenhandlung auch Bezüge auf Gegenwart und Zukunft im Präsens bzw. Futurum möglich. In beide Tempora kann ein Text in seiner „Moral" gipfeln. Umgekehrt kann in prophetischen Texten mit Futurum als Haupttempus auf Gegenwart oder Vergangenheit rückgeblendet werden. 10.4. Eine Reihe spezifischer Tempora oder Verwendungsweisen von Tempora ist fest im Textzusammenhang verankert, so die tempora consecutiva des Hebräischen und afrikanischer Sprachen, 120 mit denen ein Text nicht begonnen, sondern nur fortgesetzt werden kann; oder im älteren Latein sind historisches Präsens und historischer Infinitiv gipfelbildende Tempora, da sie an Höhepunkten der Handlung verwendet werden, von Anfang und Ende eines Textes oder Absatzes aber ausgeschlossen sind. Nur der Textzusammenhang läßt erkennen, ob ein imparfait wie (95) Des gens se noyaient ein „konatives" Imperfekt ist („Leute waren am Ertrinken", aber sie ertranken nicht) oder ein wiederholtes bzw. gewöhnliches Ereignis bezeichnet. 10.5. Ähnlich wie bei den dramatis personae und den mit ihnen verbundenen Handlungsrollen breiten sich auch die Verba (Prädikate) des Textthemas in ihrer Semantik und in ihrer aspekto-temporellen Perspektive durch semantische Kopierung bzw. Entwicklung auf die einzelnen Textabschnitte bis zur vollständigen semantischen Basisstruktur aus. Nehmen wir z.B. den Titel einer Fußballreportage (96a) Italien siegte im Europacup dann könnte dazu das folgende Textthema (in angedeuteter Formalisierung) gehören: 121
119 Weinrich (1971) hält ersteres für das erzählende, das zweite für das besprechende Tempus. 120 Vgl. Harweg 1968a,284; Dressler 1970c,72. 121 Der Titel (Überschrift) könnte auch in einer anderen Reduktion des Themas bestehen, z.B. (96b) Italien - England 2 : 0.
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(96c) Text textpragmatische Komponente (darunter: [+perfektiv] [+erzählende Sprechhaltung])
Prädikat I besiegen [+Vergangenheit] Handlungsrollen:
Agens
dramatis personae:
italienische FußballNationalmannschaft
Patiens I englische FußballNationalmannschaft
Instrumental I zwei Tore
Durch semantische Kopierung und Entwicklung würden aus den dramatis personae die einzelnen Fußballspieler, aus dem Prädikat besiegen die einzelnen Aktionen (z.B. stürmen, verteidigen, stoppen, zuspielen, schießen usw.) abgeleitet, verteilt und miteinander in Beziehung gebracht werden. Die einzelnen Prädikate erhielten nach den Gegebenheiten der Reliefgebung ihre faktischen Tempora. 1 2 2 Die Aufeinanderfolge der Prädikate ergibt die Handlungslinie, 123 die wichtiger als die Linie der einzelnen Handlungsrollen (z.B. Folge der Agentes) und ihrer jeweiligen Identifizierungen mit den dramatis personae ist. Dies ist natürlich nur eine Möglichkeit, eine Textthematik aufzubauen und sie mit der Textsemantik (im eigentlichen Sinn) in Beziehung zu setzen (vgl. auch 1.3.1 Of.), außerdem ist sie noch ganz vage; aber es ist notwendig, sich einmal eine Gesamtvorstellung von der Textbasis zu machen. 10.6. Damit haben wir die textthematische Basis und ihre Kopierung in die semantische Textbasis besprochen. Es bleibt noch übrig, die semantische Entwicklung von textthematischer zu textsemantischer Basis näher zu beleuchten (11.14.). Da die semantische Entwicklung zugleich aber auch ein Mittel der Abgrenzung ist, muß zuvor Textanfang und Textschluß behandelt werden, und um diese Problematik zu verstehen, zuerst die Funktionelle Satzperspektive. 122 Zur rein temporalen Seite (ohne Aspekt) s. Wunderlich ( 1 9 7 0 ) , der auch Zeitadverbier einbezieht, w o z u auch Weinrich 1 9 7 1 , 2 3 2 f f . 123 Vgl. die Begriffe "event line, event clusters, story line" bei Taber ( 1 9 6 6 , 8 8 f f ) , Gleason ( 1 9 6 8 , 4 8 , 5 0 f f ) . Die zeitliche Ereignissequenz (event line) ist natürlich nicht mit der Reihenfolge der Sätze und Textstücke identisch, vgl. Wunderlich 1970,103ff.
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Reliefgebung durch Hervorhebung und Funktionelle Satzperspektive 11.1. In amerikanischen und indo-pazifischen Sprachen 1 2 4 können enklitische Partikel oder andere segmentale Morpheme dazu dienen, einerseits das rekurrente Thema, 1 2 5 andererseits emphatisch hervorgehobene Elemente zu bezeichnen, d.h. Morpheme oder Wörter, auf die der Sprecher innerhalb eines Textstücks besonderes Gewicht legt. Diese Elemente werden gewöhnlich auch durch begleitende Mimik oder Gestik hervorgehoben. 11.2. Emphatische Hervorhebung kann, aber muß nicht mit dem Moment der Überraschung zusammenstimmen. Im Spanischen (Isenberg 1968,228f) werden gewisse unerwartet verwendete Nominalphrasen, wenn sie die grammatische Funktion des direkten Objekts ausfüllen, mit der Präposition a 1 2 6 versehen, vgl. die Satzfolgen: (97a) Pedro entro en un restaurante. (b) Allί viö perros./(b') Alli viö a elefantes. „Peter trat in ein Restaurant. Dort sah er Hunde/Elefanten" (98a) Pedro entro en un circo. (b) Alli viö elefantes. „Peter trat in einen Zirkus. Dort sah er Elefanten". Hunde in einem Restaurant und Elefanten in einem Zirkus sind nichts Ungewöhnliches oder Unerwartetes, wohl aber Elefanten in einem Restaurant: Daher wird nur in (97b') α gesetzt. 11.3. In den anderen europäischen Hauptsprachen gibt es keine derartigen segmentalen Mittel, eher dienen Wortstellung und Intonation im weitesten Sinn (Stärke des Akzents, Zeitdauer der Silben und Laute, Verlauf der Satzmelodie) zur Hervorhebung. Thematische (besonders anaphorische) Elemente wie er, der Mann sind z.B. gewöhnlich unbetont oder schwach betont, hervorgehoben erhalten sie hingegen Kontrastbetonung. Mit diesen Problemen haben sich schon lange die zur Prager Schule gehörigen Theoretiker der F u n k t i o n e l l e n S a t z p e r s p e k t i v e beschäftigt, 1 2 7 dabei aber die Textebene zu sehr außer Acht gelassen (Dressler 1972b). 11.3.1. Die funktionelle Satzperspektive (Functional Sentence Perspective, aktuelle Satzgliederung, Mitteilungsperspektive) betrifft den Aufbau des Satzes im Kommunikationsakt im Hinblick auf Ausgangspunkt und Ziel 124 Pike 1964; Wheeler 1967. 125 Dafür, aber auch fur Rhema wird "focus" verwendet, vgl. II.2., 8.2f. 126 Isenberg's Monographie (1968) ist zur Gänze dem Gebrauch von α beim spanischen direkten Objekt gewidmet. 127 Firbas 1964, 1968; Dane? 1964; B e n d 1968, 1970; Svoboda 1968; Sgall 1967; Kirkwood 1969; vgl. auch Halliday 1967,200ff. Eine Zusammenfassung bietet Fries 1971,225 ff.
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der Äußerung. Dieser ist von der „kommunikativen Dynamik" (communicative dynamism) der Satzglieder bestimmt, die angeben soll, in welchem Grad jedes Satzglied die Kommunikation vorantreibt. 1 2 8 11.3.2. Der Teil des Satzes mit der geringsten Dynamik wird als Thema (topic) bezeichnet, der mit der größten als Rhema (comment). 1 2 9 Wenn die kommunikative Dynamik auch innerhalb von Thema und Rhema wechselt, wird von Kern des Themas bzw. Rhemas als den Extrempunkten der Dynamik gesprochen. Das Rhema bezeichnet also die neue oder unerwartete Information, während unter Thema sowohl die zum Ausgangspunkt des Satzes gewählte Basis als auch das aus der Situation oder aus vorangegangenen Teilen des Textes Bekannte verstanden werden kann (vgl. Benes, Halliday, Dressler locc. citt.). Die Textlinguistik betrifft hauptsächlich die letzte Auffassung von Thema. 11.3.3. Beide Auffassungen von Thema fallen zusammen im Zweitsatz von (98a) Gestern besuchte ich einen Freund. Er kam mir auf der Treppe entgegen. Er ist sowohl bekannt als auch Ausgangspunkt; dasselbe gilt von mir, wenn wir die Wortstellung des Zweitsatzes umstellen zu (98b) Mir kam er auf der Treppe entgegen. In beiden Zweitsätzen sind er und mir gleicherweise durch den Erstsatz (allgemeiner: Vortext) vorgegeben: Welches von beiden thematischen Wörtern zum Ausgangspunkt (Basis) des Satzes gewählt wird, ist eine rein satzgrammatische Entscheidung. Soweit es die sprachspezifische Satzgrammatik erlaubt, wird das bereits Bekannte, das immer ganz oder zum Teil durch eine Pro-Form ersetzbar ist {er = der/dieser Freund), vor dem Unbekannten, der neuen Information (Rhema) geäußert; zumindest in den slavischen, germanischen und romanischen Sprachen ist dies ein wichtiges Prinzip der Wortstellung. In denjenigen slavischen Sprachen, die keinen Artikel kennen, ist — stärker als im Latein und im homerischen Griechisch — die Wortstellung ein Mittel, definite und indefinite Nominalphrasen zu unterscheiden, indem diese als rhematisch nach jenen (thematisch) stehen. Ebenso fällt der Satzakzent auf das Rhema oder auf den Kern des Rhemas. 11.3.4. Wenn man den Zweitsatz von (98) umstellt zu (98c) Schon auf der Treppe kam er mir entgegen so ist das Rhema als Ausgangspunkt gewählt. 130 In dieser Form des Zweit128 Der Grad der kommunikativen Dynamik verhält sich also zur Kontextabhängigkeit des jeweiligen Wortes indirekt proportional. 129 Zur Behandlung von "topic" und " c o m m e n t " in anderen Theorien vgl. Petöfi 1971b,200ff. 130 Solche Sätze, die eine „Rhematisierung" enthalten, werden auch "second instance sentences" genannt.
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satzes erhält die erste Silbe von Treppe einen Kontrastakzent, der gewöhnlich die Stärke des Satzakzents in (98a,b) deutlich übertrifft. 131 Dasselbe Wort kann gleichzeitig durch den Melodieverlauf (d.h. Änderung der Tonhöhenkurve) und durch Längung der ersten Silbe (von Treppe) hervorgehoben werden. 11.3.5. Rhematisierung ist auch für die Anaphora von Bedeutung. So bezieht sich im Deutschen der demonstrativ verwendete Artikel auf das Rhema des vorangegangenen Satzes, 132 z.B. in den folgenden Sätzen: (99a) Die Herrin, machte mit ihrer Hündinj eine Spazierfahrt^. Die^ war sehr schön. Bei Rhematisierung durch Änderung der Wortstellung wird der Bezug mehrdeutig: (99b) Eine Spazierfahrt^ machte die Herrin, mit ihrer Hündinj. Diej ^ war sehr schön. (99c) Eine Spazierfahrt^ mit ihrer Hündinj machte die Herrinj. Die, ^ war sehr schön. Hier kann nur der größere Kontext semantisch (d.h. nach Wahrscheinlichkeiten des Bezugs) oder ein besonders deutlicher emphatischer Akzent disambiguieren. Ohne diesen haben (99b,c) zwei Satzakzentgipfel, und zwar auf dem jeweils ersten und dritten Nomen, weil das eine Rhema, das andere Thematisiert ist. Als Regel für (99) und II.9.3.2f. können wir formulieren: Die anaphorischen Pronomina er, sie, es beziehen sich auf das Thema, die demonstrativen Artikel auf das Rhema. Ein weiteres Argument liefert die Fortsetzung von (100a) wo König Rhema ist: (100a) Es war einmal ein König. Die Fortsetzung (100b) ist korrekt, (100c) für viele Sprecher unannehmbar: (100b) Der hatte zwei Söhne. (100c) ? Er hatte zwei Söhne. 11.3.6. Wenn man Thema und Rhema sowie Emphase in der Basisstruktur ansetzt 133 oder von anderen Elementen der Basisstruktur wie dem Merkmal [+vorerwähnt] ableitet (Heidolph 1966), kann man im Zusammenspiel mit der sprachspezifischen Satzgrammatik Wortstellung und Intonation 131 Kontrastakzent (contrastive stress) wird am besten in einer engeren Bedeutung verwendet, wenn nämlich das hervorgehobene Wort oder Morphem mit einem anderen im Text vorkommenden paradigmatisch und syntagmatisch kontrastiert, d.h. wenn das andere Wort/Morphem im selben oder in einem benachbarten Satz vorkommt (syntagmatischer Kontrast) und mit dem hervorgehobenen Element semantisch kontrastiert (paradigmatisch), vgl. Taber 1966,125. 132 Vgl. I I . 9 . 3 . 2 . , Dressier 1972b § 7.3. 133 Petöfi 1971b,20ff; Sgall 1967.
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voraussagen. Schwierig bleibt es jedoch, aus einer Oberflächenstruktur bei der Dekodierung Thema und Rhema herauszufinden und voneinander abzugrenzen, ein Problem, das auch für die anderen Begriffe der Funktionellen Satzperspektive gilt.134 11.4. Die Funktionelle Satzperspektive macht zumindest bisher keine Aussage über eventuelle Textrhemata, z.B. ein Wort, das in einem Absatz besonders hervorgehoben wird und/oder auf das der ganze Absatz zielt. 135 Longacre (1970,6) äußert sich kurz zur climax und zur entgegengesetzten anticlimax. Mit climax (gradatio) wird in der Rhetorik eine Figur der semantischen Steigerung bezeichnet, z.B. im lateinischen Beispiel (101) Si stas, ingredere, si ingredere, curre, si curris advola! „Wenn du stehst, geh los; wenn du (schon) gehst, lauf; wenn du (schon) läufst, flieg (stürz) herbei!" Hier reicht die Skala der Schnelligkeit der Fortbewegung zu Fuß in vier Stufen vom absoluten Nullpunkt zum höchstmöglichen Grad. 136 Vgl. noch Cicero, Catilinarische Rede 2,1: (102) Abiit, excessit, evasit, erupit. „Er ging fort, er entfernte sich, er entschlüpfte, er brach aus". 11.5. In jedem Satz wird also die in bezug auf Text oder Kontext neue Information (Rhema) durch verschiedene Mittel (Intonation, Akzent, Wortstellung, Artikelwahl) hervorgehoben. Hervorhebung im engeren Sinn erfolgt meist durch kontrastiven oder emphatischen Akzent; auch diese Hervorhebung ist text- oder kontextbezogen. Sie hat mit der Erwartung des Hörers über die Textfortsetzung bzw. mit der Kalkulation der Hörererwartung durch den Sprecher zu tun.
Texterwartung 12.1. Begriffe der Funktionellen Satzperspektive wie gegebene (=alte) und neue Information, kommunikative Dynamik, Rhema(tisierung), aber auch Hervorhebung können nur sinnvoll verwendet werden, wenn nicht nur der Standpunkt des Sprechers (oder Schreibers) berücksichtigt wird, sondern auch der Erwartungshorizont des Hörers. Diese Problematik ist auch für viele andere textlinguistische Fragen von grundlegender Wichtigkeit. 137
134 135 136 137
Sgall loc.cit.; Dressler 1972b § 3 - 6 . Einige Bemerkungen zur Lage des "peak" (Gipfel) gibt Longacre 1970,110. Vgl. Lausberg (1960,220ff) zur "amplificatio". Für den Bereich Tempus und Zeit vgl. Wunderlich 1970, cf.u.III.4.
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Mit dem ersten Satz des Textes, den der Hörer vernimmt, stellen sich bei ihm Erwartungen über die Fortführung des Textes ein, die der Sprecher in verschieflenem Grad erfüllen oder enttäuschen kann. Zu einfach stellt es A.Hill 138 dar: „when a hearer perceives the start of an utterance, he begins to form a silent sentence as nearly as possible like the one he is hearing. He matches the two, step by step, keeping within the limits of greatest probability . . . When a match between internal sentence and heard sentence is reached, the understanding has taken place." 139 Diese Darstellung widerspricht dem elementaren Faktum, daß der Hörer sehr oft auf die Fortsetzung sehr gespannt ist, weil er noch gar keine näheren Vorstellungen über das hat, was folgen wird (z.B. notwendig beim Erzählen eines Witzes). Ebenso richtet sich die Strategie des Sprechers nicht nur nach dem, was der Hörer erwartet, sondern auch nach dem, was dieser nach der Erwartung des Sprechers nicht erwartet. Wenn der Hörer vermutet, daß seine Spannung 140 nicht befriedigt wird, sei es daß die Spannung voraussichtlich nicht gelöst wird oder daß der gehörte Text spannungslos ist, wird er entweder Zwischenfragen stellen oder die Produktion bzw. Rezeption des Textes zu unterbrechen oder abzubrechen suchen. 12.2. Wenn also ein Text gar keine neue Information bringt, so erfüllt er die Erwartungen des Hörers/Lesers vollständig bis auf eine, nämlich die pragmatische Erwartung, daß ein Text neue Information bringen soll (vgl. II.3.1.2.). Wir werden also schon deshalb zwischen semantischen und pragmatischen Erwartungen unterscheiden müssen. Letztere beziehen sich auf den Charakter des Sprechers oder des Texttyps. Dazu kommen noch die satzsyntaktischen Erwartungen, auf die A.Hill's Charakterisierung (II. 12.1) am ehesten zutrifft. Ein Text 141 ohne Informationsfortschritt ist streng genommen unannehmbar. Sehr wohl möglich sind aber Texte, in denen die mit dem ersten Satz beginnenden semantischen Erwartungen des Hörers völlig erfüllt werden. Das andere Extrem bilden Texte, wo jeder Satz die semantischen Erwartungen, die der oder die vorausgehenden Sätze erweckten, enttäuscht. 138 Zitiert von Wackernagel-Jolles 1 9 7 1 , 9 5 . 1 3 9 Ganz anders E.Coseriu bei Stempel 1 9 7 1 , 2 0 0 . 140 Dieser Begriff ist zentral bei K. Boost, Neue Untersuchungen zum Wesen und zur Struktur des deutschen Satzes. Der Satz als Spannungsfeld 5 (Berlin 1 9 6 4 ) , bei dem viele Parallelen zur Doktrin der Funktionellen Satzperspektive zu finden sind. Zum Gegensatz von Spannung und Rekurrenz vgl. zuletzt J.& J.Fönagy, Ein Meßwert der dramatischen Spannung. LiLi 1,4 ( 1 9 7 1 ) 7 3 - 9 8 . 141 Ja sogar ein Satz, wenn man vielleicht von Beispielen wie dem folgenden von G.Stein absieht: (102) A rose is a rose is a rose is a rose.
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Solche T e x t e pendeln zwischen den E x t r e m e n d e r M o n o t o n i e u n d der Unverständlichkeit o d e r Absurdität. 12.3. Das Wesen der semantischen E r w a r t u n g (vgl. Stempel 1971,61 ff, 2 0 0 f f ) besteht in der semantischen I s o t o p i e , 1 4 2 d . h . in der gegenseitigen Verträglichkeit semantischer Einheiten. Diese Verträglichkeit hängt wieder vom Maß der semantischen I d e n t i t ä t bzw. K o n t i g u i t ä t ab. Koch ( 1 9 6 5 , 7 ) spricht von semantischen Äquivalenzen und b e t o n t richtig ( 1 9 6 8 , 1 8 7 u n d 194), d a ß d e r , , F o c u s " (vgl. 11.11.) mit der Erregung der A u f m e r k s a m k e i t des Hörers mit z u s a m m e n h ä n g t , m . a . W . der Grad der k o m m u n i k a t i v e n D y n a m i k ist dem Grad an semantischer K o n t i g u i t ä t sozusagen indirekt proportional. K a n n man diesen Grad der Isotopie quantifizieren und e t w a an der Zahl gemeinsamer und nicht gemeinsamer semantischer Merkmale abmessen? Erwartungen wären dann die graduell verschieden wahrscheinlichen Implikationen, die einem geäußerten Satz zugeschrieben werden k ö n n e n . Eine wesentliche Rolle spielt auch die F r e q u e n z der V e r b i n d u n g semantischer Einheiten: Auf der einen Seite stehen abgegriffene Textklischees u n d aneinandergereihte G e m e i n p l ä t z e , auf der anderen Seite originelle, n e u e Bilder oder Fügungen. So definiert Weinrich 1 4 3 die Metapher t e x t s e m a n tisch als ein Wort in einem k o n t e r d e t e r m i n i e r e n d e n K o n t e x t . Wenngleich eine graduelle Skala der Erfüllung von Erwartungen an Hand semantischer K o m p o n e n t e n plausibel erscheint, ist eine Abgrenzung von befriedigter u n d unbefriedigter Erwartung u n d Überraschung wegen des E l e m e n t s des Vergnügens sicher schwierig. 12.4. Abschließend sei noch einmal auf die bereits ö f t e r g e b r a u c h t e n Begriffe A n a p h o r a u n d K a t a p h o r a (11.4.1.) verwiesen: K a t a p h o r a erweckt Erwartungen, A n a p h o r a erfüllt Erwartungen. Die T e x t e r w a r t u n g ist also ein Begriff, der für die gesamte T e x t g r a m m a t i k wichtig ist. Wie steht es dam i t bei den E x t r e m p u n k t e n des Textes, Anfang u n d Schluß, sowie w e n n A n f a n g und S c h l u ß im Ein-Satz-Text z u s a m m e n f a l l e n ?
Textanfang — Textschluß 13.1.1. Für die äußeren T e x t g r e n z e n ist der E r w a r t u n g s h o r i z o n t des E m p fängers besonders wichtig. Der T e x t a n f a n g ist grundsätzlich k a t a p h o 142 Vgl. Greimas ( 1 9 7 1 , 6 0 f f , 7 8 f f , besonders 8 2 f f ) zur Geschlossenheit des Textes. 143 Poetica 2 ( 1 9 6 8 ) 1 0 0 , 1 0 7 ; anders Harweg 1968a, 185. Vgl. die Dissertation von D. M. Lambert, The Semantic Syntax of Metaphor: A Case Grammar Analysis. Univ. of Michigan, Ann Arbor 1969.
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risch, er erweckt Erwartungen und dies in mehrfacher Hinsicht. Nehmen wir den Textanfang ( 1 0 3 ) Es war einmal ein König. Dieser Satz weckt die pragmatische Erwartung (cf. III.4.2.) auf Textfortsetzung — sollte der Erzähler nicht fortsetzen, so würde sich der Hörer zu Recht g e f o p p t fühlen. Diese pragmatische Erwartung auf F o r t s e t z u n g ist die Voraussetzung für das Entstehen semantischer Erwartungen, in diesem Fall der Erwartungen, daß man etwas über einen König, sein Reich, seine Zeit und über etwas, was sich dort ereignete, erfahren wird. 13.1.2. Warum erwartet man sich nach diesem Satz unbedingt eine Fortsetzung, während dies nach der folgenden tirolischen Grabinschrift eines Organisten nicht der Fall ist? ( 1 0 4 ) Hier liegt Martin Krug, der Kinder, Weib u n d Orgel schlug. Zunächst liegt ein syntaktischer G r u n d vor: ( 1 0 4 ) enthält kein kataphorisches Element. Wie andere t e x t h o m o n y m e Sätze 1 4 4 kann sie auch kein anaphorisches Element enthalten, da ja kein Satz vorausgeht, wohl aber deiktische Elemente zur Situationseinbettung, nämlich hier, vgl. Inschriften des Typs ( 1 0 5 ) Dieses Haus hat XY errichtet. ( 1 0 6 ) Ich bin der Weinpokal des X Y . 1 4 5 ( 1 0 7 ) XY starb im Jahre Z. ( 1 0 8 ) Hans Müller 1 8 9 6 - 1 9 3 2 . Die Grabinschriften ( 1 0 7 f ) enthalten eine deiktische Ellipse eines Elements wie der hier begraben liegt, das pragmatisch rekonstruiert werden kann (recoverability). Solche t e x t h o m o n y m e Sätze dürfen per definitionem weder kataphorische noch anaphorische Elemente enthalten, wohl aber deiktische. Außerd e m enthalten solche einsätzige Inschriften an referentiellen Elementen Eigennamen in den Nominalphrasen, die keine weiteren Nominalphrasen dominieren. In (106) m u ß der Eigenname dalier in der dominierten, nicht in der dominierenden Nominalphrase stehen. Der Eigenname kann nicht durch ein deiktisches Element ersetzt werden, daher pragmatisch unann e h m b a r (da tautologisch) (109a) Ich bin dieser (=der) Weinpokal. ( 1 0 9 b ) Ich bin ein Weinpokal ist nur eine beschränkt wohlgeformte Aufschrift, etwa als Material im Sprachunterricht (vgl. 11.13.15. mit Fn. 149). Auch im Jahre Ζ ist ein 144 Einsätzige Texte, vgl. Dressler 1970b; Bene? 1 9 6 8 , 2 6 7 ; Harweg 1968a, 175. 145 Ein in der Antike gängiger T y p von Gefaßaufschriften.
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Eigenname, vgl. auch (108). Hingegen könnten sich einsätzige Sprichwörter des Typs (110a) Der falsche Freund ist der wahre Feind (110b) Ein unbekannter Freund ist auch ein Freund auf die dem Leser/Hörer gleichfalls bekannte semantische Klasse der Freunde und Feinde beziehen, wobei die Wahl des Artikels für die jeweils erste Nominalphrase gleichgültig ist (vgl. Weinrich 1969). 13.1.3. Sprichwörter sind nur in beschränktem Maß als abgeschlossene Texte zu verstehen: 146 Sie werden immer nur im Zusammenhang gebraucht, z.B. als Moral. Ein für sich geäußertes Sprichwort oder eine Ansammlung von Sprichwörtern (außer als Nachschlagwerk) hat kaum Informationswert. Allerdings sind Sprichwörter relativ abgeschlossene Textstücke, was sich dann zeigt, wenn ein aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat zu einem selbständigen Sprichwort wird. So sagt Cicero in der Rede für Milo (4,10) ( l i l a ) Silent enim leges inter arma ,,Es schweigen nämlich die Gesetze im Waffenlärm" mit anaphorischer Anfangsstellung des Verbums (s. II. 13.1.4. mit Fn.147) und mit Konjunktion; als isoliertes Sprichwort wird aber oft zitiert (11 lb) Inter arma silent leges ,,Im Waffenlärm schweigen die Gesetze". 13.1.4. Die Sätze am Textanfang (112a) Es war einmal ein König (112b) War einmal ein König sind hingegen syntaktisch kataphorisch, nämlich durch die Wortstellung, die nur in Sätzen möglich ist, die noch eine Fortsetzung haben, 1 4 7 vgl. kaum annehmbar (113,114a) gegenüber (114b,c) als einsätzige Aufschriften: (113) ? Es hat dieses Haus der XY errichtet. (114a) ? Es wird hier Englisch gesprochen. (114b) Hier wird Englisch gesprochen. (114c) English spoken, (mit deiktischer Ellipse) Anfangsstellung des Verbums (mit platzhaltendem Es im deutschen Standard) ist eben kataphorisch oder anaphorisch. Zum Unterschied von ( 1 0 5 - 1 0 8 , 1 1 3 - 1 1 4 ) enthält (112) weder ein deiktisches Element noch ein Thema (gegen Firbas 1964,268): Es war einmal ist zwar ein Signal der Verzeitung und Perspektive, das das Folgende in der Vergangenheit situiert, das ist aber noch kein Thema. Andere kataphorische Formen wären folgender, der folgende und in schriftlichen Texten unten, siehe sofort (vgl.u. II.16.4.2.). Alle Sätze, 146 Vgl. Dressler 1970b, 13f. 147 Vgl. Dressler 1970b; d,69f.
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die k a t a p h o r i s c h e Elemente e n t h a l t e n , müssen Vorgängersätze sein, d . h . Sätze, auf die wenigstens ein weiterer, sich darauf b e z i e h e n d e r Satz (Folgesatz) folgen m u ß . 1 3 . 1 . 5 . 1 s t jede indefinite Nominalphrase k a t a p h o r i s c h ? 1 4 8 Man k ö n n t e dies selbst bei ( 1 0 9 b ) u n d ( 1 1 5 ) Bring mir ein Glas Bier! b e h a u p t e n , insofern als beide Sätze eine nicht-sprachliche K o n s e q u e n z auslösen wollen (einen L e r n p r o z e ß 1 4 9 oder die Erfüllung der A u f f o r d e r u n g ) . D o c h b e z w e c k t j e d e pragmatisch akzeptable Ä u ß e r u n g einen nicht-sprachlichen E f f e k t — sonst wäre sie nicht geäußert w o r d e n . Im Anfangssatz ( 1 1 2 ) trägt der indefinite Artikel nichts zur K a t a p h o r a bei, vgl. ( 1 1 0 b ) u n d die isoliert ( t e x t h o m o n y m ) u n m ö g l i c h e n Sätze ( 1 1 6 ) Es hat einmal den Kaiser F r a n z J o s e p h gegeben. ( 1 1 7 ) Es war einmal das Wetter trüb u n d schwül. ( 1 1 8 ) Es h a t einmal (der) F u r t w ä n g l e r gesagt. I m m e r k a t a p h o r i s c h sind hingegen I n t e r r o g a t i v p r o n o m i n a , z u m i n d e s t in echten Fragen. Das Unterlassen einer A n t w o r t ist e n t w e d e r eine stillschweigende A n t w o r t o d e r u n a n n e h m b a r ( z u m i n d e s t u n h ö f l i c h ) , vgl. zur Pragmatik der K o n v e r s a t i o n II. 17., III.2. Es gibt auch k a t a p h o r i s c h e Ellipse, ζ. B. im Satz ( 1 1 9 ) Sagen Sie mir: w o die I n t e r p u n k t i o n ( D o p p e l p u n k t oder Beistrich) den Wert einer Katap h o r a h a t , die die Kataphora des Imperativs u n t e r s t r e i c h t . 13.1.6. Die Artikel sind auch in einer anderen Beziehung nicht so eindeutig, wie o f t a n g e n o m m e n wird. So k a n n die B e h a u p t u n g , 1 5 0 ein T e x t beginne (abgesehen von satzgrammatischen E r f o r d e r n i s s e n u n d Deixis) mit einem i n d e f i n i t e n , nicht einem definiten Artikel o d e r P r o n o m e n , nicht aufrecht erhalten w e r d e n . Etwa das erste Wort von T h o m a s M a n n ' s E r z ä h l u n g „Das Gesetz" ( 1 2 0 ) Seine G e b u r t war u n o r d e n t l i c h . . . ist k a t a p h o r i s c h , auch wenn ein solcher definiter Artikel oder d e f i n i t e s Possessivum ein literarisches Mittel zur E r w e c k u n g von S p a n n u n g sein mag, das T h o m a s Mann auch sonst gerne a n w e n d e t ( T o n i o Kröger, Das Wunderk i n d etc.). Die R e t t u n g in die stilistische U n t e r s c h e i d u n g n o r m a l e r u n d abn o r m a l e r T e x t a n f ä n g e ist nur ein Regreß.
148 Weinrich 1969; Harweg (1969) spricht immerhin von Substituenda, vgl. II. 13. 3.2. 149 Ζ. B. können sich in einem Kinderstück die Kulissen und Requisiten in direkter Rede vorstellen. 150 Harweg 1968a; Moravcsik 1 9 6 9 , 6 5 ; Karttunen 1 9 6 8 , 8 .
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1 3 . 1 . 7 . D e r A n f a n g s s a t z ( 1 1 2 ) ist n o c h a u s e i n e m w e i t e r e n G r u n d k a t a p h o r i s c h : E r ist p r a k t i s c h z u e i n e r t r a d i t i o n e l l e n E i n l e i t u n g s f o r m e l g e w o r d e n . Vgl. a u c h russisch ( 1 2 1 ) u n d zigeunerisch ( 1 2 2 ) : ( 1 2 1 ) B y l , n e b y l , , E s w a r , es w a r n i c h t " . ( 1 2 2 ) „ E s w a r u n d e s w a r n i c h t ; w ä r e es n i c h t g e s c h e h e n , s o w ü r d e m a n es n i c h t e r z ä h l e n " Ä h n l i c h e k a t a p h o r i s c h e Einleitungen sind G r u ß f o r m e l n wie ( 1 2 3 ) G u t e n Tag. Grüß G o t t . die z u m i n d e s t eine identische A n t w o r t (mit geänderter I n t o n a t i o n ) verlang e n . K e i n e A n t w o r t z u g e b e n ist u n h ö f l i c h , g e n a u d i e s e l b e E i n l e i t u n g s - I n t o n a t i o n zu imitieren, s p ö t t i s c h , ironisierend o d e r g e d a n k e n l o s . Viele Sprachen k e n n e n auch andere typische Einleitungsformeln.151 W u n d e r l i c h ( 1 9 7 0 , 9 5 f ) w e i s t I n t r o d u k t i o n s f o r m e l n die w i c h t i g e R o l l e z u , b i s a u f w e i t e r e s g e l t e n d e S i t u a t i o n s t y p e n z u f i x i e r e n (vgl. 1 1 . 1 3 . 1 . 4 . ) . 1 3 . 1 . 8 . Weitere ( z . T . p r ä s u p p o s i t i o n e l l b e g r ü n d e t e ) Initial- u n d Sequentialf o r m e n z ä h l t H a r w e g ( 1 9 7 0 a ; b , 2 0 2 f f ) a u f , z . B . krank
- gesund
in:
( 1 2 4 a ) H a n s ist k r a n k . ( 1 2 4 b ) H a n s ist g e s u n d . ( 1 2 4 a ) k a n n e i n T e x t a n f a n g s s a t z s e i n , ( 1 2 4 b ) n u r d a n n , w e n n H a n s gew ö h n l i c h k r a n k ist. 1 3 . 2 . 1 . Wie s c h o n I I . 2 . 3 . b e m e r k t , g e h ö r t e i n e Ü b e r s c h r i f t b e r e i t s z u m T e x t ; sie ist ein f a k u l t a t i v e r T e x t b e s t a n d t e i l . D e n n b e z ü g l i c h d e r A r t i k e l s e l e k t i o n ist sie e i n T e x t a n f a n g s s a t z : E i n d e f i n i t e r A r t i k e l ist k a t a p h o r i s c h ; e r soll d i e S p a n n u n g e r w e c k e n , 1 5 2 e i n e H a u p t a u f g a b e e i n e s g u t e n T i t e l s . D i e s gilt n i c h t n u r f ü r Z e i t u n g s ü b e r s c h r i f t e n , s o n d e r n a u c h f ü r D r a m e n t i t e l w i e Die Räuber
von Schiller.153
1 3 . 2 . 2 . O f t w i r d f r e i l i c h in Z e i t u n g e n d e r T i t e l a u s d e m A n f a n g s s a t z z u r W i e d e r h o l u n g h e r a u s g e z o g e n , w a s d e n A n f a n g s s a t z des T e x t e s selbst uni n t e r e s s a n t e r m a c h t , ζ. B. (125a: Überschrift) Gefährlicher Einbrecher gefaßt. ( 1 2 5 b : f o l g e n d e r T e x t ) G e s t e r n g e l a n g es d e r P o l i z e i , e i n e n g e f ä h r l i c h e n E i n b r e c h e r zu fassen . . . m i t i n d e f i n i t e m A r t i k e l b z w . g e t i l g t e m i n d e f i n i t e m A r t i k e l . Dieses Beispiel zeigt a u c h , d a ß die Ü b e r s c h r i f t bezüglich d e r I n t o n a t i o n ein V o r g ä n g e r s a t z ist. W ü r d e ζ. B. d i e Ü b e r s c h r i f t l a u t e n
151 Pickett 1960,86f; Waterhouse 1 9 6 3 , 5 3 ; Taber 1966,80ff; Longacre 1970 passim. 152 Vgl. Sandig ( 1 9 7 1 , 1 0 6 0 zur anregenden Funktion. 153 Brecht's szenische Zwischenüberschriften haben hingegen den spezifischen Zweck, die Spannung des Zuschauers vom was auf das wie abzulenken. 61
(125a') Großer Erfolg der Polizei 154 so wäre akzentuelle und intonatorische Hervorhebung der indefiniten Nominalphrase in (125b) viel deutlicher. 13.3.1. Harweg's Behauptung (1968a, 170ff), ein T e x t s c h l u ß könne nicht definiert werden, kann auf Mängeln seines Substitutionsmodells beruhen. 1 " 13.3.2. Natürlich versagt wieder das Kriterium des indefiniten Artikels (vgl. II.13.1.5.), vgl. den möglichen Textschlußsatz (126) Und so fand er ein schönes Ende. Ein Schlußsatz darf keine kataphorischen Formen enthalten wie folgender oder Begrüßungsformeln oder eine Frage wie (127) Und was tat er dann? Merkwürdig wäre auch die Einführung einer neuen Person: (128) Und dort traf er einen alten Freund/Herrn X. Das Fehlen kataphorischer Elemente ist freilich keine hinreichende Definition. 13.3.3. Fakultative Schlüsse sind auch geantwortetes Auf Wiedersehen, drucktechnisch abgesetztes Ende oder Finis oder Formeln wie (129) Das wär's./ Und damit Schluß./ Amen die besonders in den Sprachen überseeischer traditioneller Gesellschaften sehr häufig sind. 156 13.3.4. Hingegen ist analog zur Textanfangsintonation die TextschlußIntonation wichtig (s.II.16.3.6.). Und schließlich muß wieder auf den Erwartungshorizont hingewiesen werden: Mit dem Schlußsatz müssen wesentliche durch den Vortext erweckte Erwartungen erfüllt und befriedigt sein (cf. III.4.2.), was aber noch nicht untersucht ist. Wesentlich für den Textschluß ist wieder die Intention des Autors. — Zu französischen Eröffnungs- und Schlußsignalen s. Gülich (1970).
154 Der definite Artikel ist deiktisch. Es handelt sich um „unsere", d.h.um die sowohl dem Journalisten als auch dem Leserkreis gleichermaßen bekannte und zugeordnete Polizei. 155 So R.Posner, Replik 1/2 (1968) 58f, der bemerkt, daß aus Harweg's Modell z.B. folgt: „Kein Text ist je als abgeschlossen anzusehen, solange noch ein Mensch lebt, der seine Sprache spricht. Denn sobald er zufällig einen der in dem Text behandelten Gegenstände erwähnt, werden die Sätze des Texts automatisch Zuwachs erhalten." 156 Vgl. Pickett, Waterhouse, Longacre locc. citt
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Semantische Entwicklung und Abgrenzung 14.1. Bisher hatten wir bei der Textsemantik nur die Rekurrenz in ihren verschiedenen Formen näher betrachtet, die durch die semantische Kopierung aus dem Textthema (thematische Textbasis) zustande kommt. Ein Text muß aber gegenüber dem Thema auch etwas Neues enthalten, d.h. semantisches Material hinzufügen. Dieser semantischen Entwicklung können wir uns mit dem bereits besprochenen Begriff der semantischen Kontiguität (s. II.7.) nähern und versuchen, die Möglichkeiten der Gedankenentfaltung durch das Prinzip der Kompatibilität zu umgrenzen. Unmittelbar aufeinanderfolgende und von demselben Thema abgeleitete Textstücke müssen semantisch vereinbar sein. Man vergleiche damit aus der Satzgrammatik etwa Begriffe der Generativisten wie Subkategorisierung und Selektion, 1 5 7 Projektion u n d Verkettung, 1 5 8 wodurch Sätze wie (130) *Die Katze erschreckt den Tisch ausgeschlossen werden. Die Präzisierung analoger Beschränkungen auf der Textebene wird aber dadurch erschwert, daß einmal mit Metaphorisierung zu rechnen ist, vgl. die mögliche Personifizierung von Tisch in (130), oder weil die Intention des Autors trotz mangelhaften semantischen Zusammenhangs eine pragmatische Beziehung herstellt (s.u.III.4:), z.B. o f t in Wilhelm Busch's Tieralphabet. Regeln für eine pragmatische Kompatibilität oder Isotopie dürften aber schwierig zu erstellen sein. 14.2. Schwierig ist es auch, sämtliche Typen der semantischen Entwicklung aufzuzählen oder voneinander abzugrenzen. Die Textlinguistik ist hier über die Rhetorik noch nicht hinausgekommen, ja hat viele rhetorische Begriffe 159 noch überhaupt nicht einbezogen. So unterscheiden etwa Harper-Su (1969,26) nur neun Typen der Expansion oder Progression: 14.2.1. ,progress from the general to the specific' (selten umgekehrt), also semantische Erweiterung oder Verengung. 1 6 0 Isenberg (1971) spricht von Spezifizierung, z.B. in 157 s. Chomsky ( 1 9 6 5 , 1 1 § 2 . 3 . 4 . , 4 . 2 f . , IV § 1.2); J. Bechert - D.Clement W.Thümmel - K.H.Wagner, Einführung in die generative Transformationsgrammatik (München, Hueber 1 9 7 0 ) 5 3 f f . 158 Vgl. U. Weinreich, Explorations in Semantic Theory, in: Current Trends in Linguistics III (Haag,Mouton 1 9 6 6 ) 3 9 5 - 4 7 7 , übersetzt als: Erkundungen zur Theorie der Semantik. Tübingen, Niemeyer 1970. 159 Vgl. Lausberg 1 9 6 0 ; Hübner am Fn. 105 a.O.; Burke 1969. 160 Dazu gehören die rhetorischen Begriffe der „illustratio" und „exemplificatio"; dazu vielleicht auch II. 2 . 2 . m i t (13).
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(131) Gestern ist ein Unglück geschehen. Peter hat sich den Arm gebrochen. 14.2.2.,progress from whole to part' 1 6 1 14.2.3. ,progress from past action to present'. 14.2.4. .progress from „other" to „present" agent'. 14.2.5.,progress from „ o t h e r " to „present" place'. 1 6 2 14.2.6.,progress from cause to effect' (selten umgekehrt). 1 6 3 14.2.7. ,progress from action to purpose'. 14.2.8. ,progress of means', wo wie bei II. 14.2.1—2. die Zuordnung zu Danes's thematischer Progression mit einem Hyperthema (II.8.3.3.) möglich ist. 14.2.9. ,simple rephrasing' (= semantische Anapher oder Rekurrenz), wozu auch Präzisierungen gehören. 164 In der Syntax können sich dabei Wortart u n d grammatische Funktion ändern, z.B. (132) Die Linguistik kann man zu den progressiven Wissenschaften zählen. Die Sprachwissenschaft ist ein Element des Fortschritts. 14.3.1. Hinter Harper-Su's (1969) Aufzählungsversuch möglicher Textübergänge steckt die Hoffnung, Texte automatisch erzeugen zu können (vgl. IV. 10.2.), wobei die Übergangswahrscheinlichkeit eine Rolle spielt. 165 Solche Bestrebungen sind aber deswegen sehr schwierig, weil die semantische Entwicklung letztlich eine textthematische Entwicklung ist, die von den Satzverbindungen nicht in einfacher Direktheit abgebildet sein muß. 14.3.2. Ein Beispiel dafür liefert die Unterbrechungstechnik in Erzählungen: 1 6 6 Eine Digression unterbricht den thematischen Zusammenhang, der jedoch nach der Abschweifung wieder aufgenommen wird. Dichterische Unterbrechungstechnik ist z.B. für Ovid in seinen Metamorphosen typisch: Etwa in der Geschichte von Narcissus folgt auf die Erzählung, wie er seine Verehrerinnen verschmähte und wie eine von ihnen dafür Strafe von den Göttern verlangte, unvermittelt die Schilderung einer Quelle (III 407): (133) Fons erat i n l i m i s . . . „Es war eine Quelle, rein von Schlamm . . " Und ebendort vollzieht sich dann die Bestrafung des Narcissus (Vers 4 1 3 f f ) , als er sein eigenes Bild im Wasser erblickt. Oder vgl. Goethe's 161 Vgl. den rhetorischen Begriff der „distributio": z.B. wird eine ganze Aktion in Teilaktionen zerlegt. 162 II. 1 4 . 2 . 3 . - 5 . sind im rhetorischen Begriff der Antithese vereint. 163 Vgl. die rhetorische Folge "antecedens - consequens" 164 Vgl. den Begriff der Transformation bei Harris, Koch, Sevbo. 165 Vgl. Fischer 1965,51,60. 166 Vgl. A.Rohde, De Ovidi arte epica (Berlin 1929) lOf. Etwas anderes meinte Gülich 1970,171ff.
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Schilderung des „ U n s i n n s des Prinzen P a l l a g o n i a " ' 6 7 m i t d e m einleitenden und u n t e r b r e c h e n d e n dritten Absatz ( 1 3 4 ) Wenn ein Lustschloß in diesen Gegenden m e h r oder weniger in der Mitte des ganzen Besitztums liegt . . . Zu Parenthesen vgl. u. 11.15.4.3.3. 14.3.3. Dadurch k ö n n e n diskontinuierliche T e x t a b s c h n i t t e e n t s t e h e n , o h n e daß der T e x t z u s a m m e n h a n g auf der thematischen Ebene aufgehoben wäre. M.a.W. es gibt nicht nur Beziehungen zwischen b e n a c h b a r t e n Sätzen, sondern auch Distanzbeziehungen etwa in der R i n g k o m p o s i t i o n (vgl. II.3.1.2. mit F n . 5 3 ) , wo der G e d a n k e n g a n g am Ende in einer Schleife zu seinem Ausgangspunkt z u r ü c k k e h r t . 1 6 8 Ein anderer T y p besteht im Bezug thematischer Anfangssätze von Absätzen aufeinander, wie es bei A u f z ä h l u n g e n üblich ist (vgl. auch Longacre 1 9 7 0 , 9 f f ) . Auch in einer anderen Weise kann in der semantischen Entwicklung der Übergang von einem T h e m a zum anderen indirekt erfolgen, nämlich durch eine Überleitung, z.B. wenn ein neuer Abschnitt einen Einleitungssatz erhält, der auf einen früheren Abschnitt zurückverweist. 1 6 9 14.3.4. Davon zu t r e n n e n sind satz- u n d wortsemantisch g e f o r d e r t e „Übergangsverba" (Grimes 1 9 7 0 , 4 1 3 f f ) , die z.B. für die sogenannte „enumerative R e d e w e i s e " mancher afrikanischer Sprachen typisch sind, etwa wenn ( 1 3 5 a ) nur durch ( 1 3 5 b ) ausgedrückt werden k a n n : 1 7 0 ( 1 3 5 a ) Er gab ihr einen Hut. ( 1 3 5 b ) Er nahm einen Hut. Er b r a c h t e ihn. Er überreichte ihn ihr. 14.3.5. J e d e Art der U n t e r b r e c h u n g der semantischen E n t w i c k l u n g ist ein Indiz für die Abgrenzung von T e x t t e i l e n , sowohl von zusammengehörigen Satzgruppen als auch von A b s ä t z e n oder Paragraphen, Kapiteln usw. Das Vorhandensein von Übergängen erschwert freilich das präzise E r k e n n e n der genauen Grenzen von T e x t a b s c h n i t t e n . Z u d e m ist der A u f b a u von T e x t a b s c h n i t t e n , wie z.B. von Paragraphen sehr verschieden je nach Sprache, K u l t u r , Stil u n d T e x t g a t t u n g , 1 7 0 a so daß Verallgemeinerungen schwierig sind. Entscheidend ist die relativ größere semantische Kohärenz, die Sätze desselben T e x t s t ü c k s m i t e i n a n d e r haben, als mit Sätzen außerhalb der Grenzen des b e t r e f f e n d e n Textstücks. Diese K o h ä r e n z 167 Italienische Reise, Palermo, Montag d e n 9. April. 1 6 8 In der europäischen Literatur seit der ältesten griechischen Poesie u n d Prosa bek a n n t ; zu mündlichen Erzählungen in Philippinen-Sprachen vgl. Longacre 1970 169 Vgl. Christensen 1 9 6 7 , 1 2 6 f f ; Grimes 1 9 7 0 , 4 1 1 . 170 Eine grammatische bzw. psychologische Erklärung gibt W. Havers, H a n d b u c h der erklärenden S y n t a x (Heidelberg, Winter 1 9 3 1 ) 15 bzw. 114. 170a Vgl. ζ. B. Christensen 1967; Sevbo 1 9 6 9 , 8 f , 2 4 f f ; Longacre 1970; Grimes 1970; J . G r i m e s , Huichol S y n t a x (Haag, M o u t o n 1964) 73.
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dürfte weniger in semantischer Kontiguität der Einzelsatze als im Bezug auf ein gemeinsames Thema des Abschnitts begründet sein. Wieder liegt die Einheitlichkeit nicht an der Oberfläche. Die von Gülich (1970) ausfuhrlich behandelten Gliederungssignale wie Adverbien, Interjektionen, Parenthesen, Pausen, Melodieverlauf sind ja zum größten Teil fakultativer Natur. Eine Untersuchung der semantischen Entwicklung verspricht also nur dann Erfolg, wenn Thematik und Pragmatik berücksichtigt werden und wenn man bedenkt, daß semantische Entwicklung zugleich Zusammenhang stiftet und Abgrenzungen herbeiführt. Semantische Rekurrenz und Entwicklung ermöglichen Satzzusammenhänge, wie sind diese aber selbst beschaffen und wie werden sie syntaktisch ausgedrückt?
Satzzusammenhang und Konjunktionen 15.1. Distanzbeziehungen (vgl. II.14.3.4.) sind weitaus schwieriger zu überschauen als die einfachste Form der semantischen Entwicklung und Verbindung, die in der Beziehung benachbarter Sätze liegt. Die Arten des Satzzusammenhangs wurden oft, aber immer unvollständig aufgezählt. So unterscheidet Koch (1966b, 388) Gesetz-Konnexe (z.B. durch engl, therefore ausgedrückt), Raum-Zeit-Konnexe (after, afterwards), Deskriptionskonnexe {and), Äquivalenzkonnexe (like, likewise). Nork (1965) untersucht die Rolle der Intonation bei Aufzählung, Gegenüberstellung, ergänzendem Anschluß und Erklärung. Van Dijk (1970,30) erinnert an die Relationen der Ursache, Folge, Konzession, Opposition, Posteriorität, Anteriorität, Temporalität, Identität, Unmittelbarkeit usw. Isenberg (1971) nennt mit Beispielen: Thematisierung nicht-neuer Gegenstände (ein — der, s.o. II.5.2.), Kausal- und Motiv-Anknüpfung (beides durch Jen« ausdrückbar), 171 diagnostische Interpretation (denn im Sinne von „Man erkennt die Richtigkeit des Vorgängersatzes am Folgesatz"), 172 Spezifizierung (s. II.14.2.1.), Metasprachliche Einordnung, etwa durch einen Abschlußsatz wie (vgl. III.4.1.). (139) Ich erfuhr diese Ereignisse der Vordersätze a,b,c gestern. Weiters nennt Isenberg Temporale Verknüpfung (einfache zeitliche Folge, 171 Isenberg's Beispiele sind respektive: (136) Die Lampe brennt nicht. Die Stromleitung ist unterbrochen. (137) Hans ist in den Keller gegangen. Er will Kohle holen. Die Unterscheidung von (136) und (137) ist fragwürdig. 172 Isenberg's Beispiel ist ohne Konjunktion: (138) Es hat Frost gegeben. Die Heizungsröhren sind gesprungen.
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dann), Anknüpfungen von Voraussetzungen (Der Vorgängersatz ist nur möglich wegen des Folgesatzes = Umkehrung des daher-Verhältnisses), Adversative Kontrastierung (hingegen), Frage-Antwort-Korrespondenz (vgl. 11.17.), Korrektur {nein: = das ist nicht wahr: . . .). Aber Isenberg hat damit weder alle zuvor genannten Relationen erfaßt, noch die Beziehungen der Alternierung, Analogie bzw. des Vergleichs, des begleitenden Umstands (vgl. ο. II. 10. zu Vorder- und Hintergrund) usw. Bei Betrachtung dieser Aufzählungen stellen sich sofort folgende Fragen wie: Wie viele Verknüpfungsrelationen gibt es? Wie grenzt man sie voneinander ab? Wie bestimmt man, ob jeweils eine einheitliche oder zwei verwandte, aber doch verschiedene Verknüpfungsrelationen vorliegen? Kann eine aktuelle Satzverknüpfung mehrere Verknüpfungsrelationen zugleich ausdrücken? 15.2.1. Ein Versuch, diese Fragen zu lösen, kann zwei sehr verschiedene Wege gehen. Man kann einmal versuchen, deduktiv alle möglichen logischen Verknüpfungsrelationen abzuleiten. Oder man hält sich induktiv an das augenfälligste Ausdrucksmittel der Verknüpfungsrelationen, an die Konjunktionen und andere Konnektoren. Konjunktionen drücken Verknüpfungsrelationen aber keineswegs eindeutig aus, wie wir gerade bei denn gesehen haben. Man muß also den jeweiligen semantischen Gehalt der durch eine Konjunktion ausgedrückten Verknüpfungsrelation genau prüfen. 15.2.2. Wer z.B. Semantik nach dem Muster der Prädikatenlogik betreibt, wird die Konjunktionen auf logische Prädikate zurückführen, wie es mehrere Autoren 173 nach dem Vorbild der Logik getan haben, wenn etwa und aufgefaßt wird als „wird hinzugefügt zu". Diese Erklärung ist nicht unnatürlich, wie die Sprachgeschichte zeigt; so ist z.B. norwegisch og „und" etymologisch verwandt mit deutsch auch und lat. augere „wachsen". Oder während, währenddessen gehören zum Verbum währen, genauso wie die Übersetzungen ital. durante, breton. e-pad zu ital. durare = breton. padout „dauern"; d.h. Satz a. Währenddessen Satz b = Satz a und b „währen"gleichzeitig. M.W. wurden bisher aber nur ganz wenige Konjunktionen wie engl, and, or, but, too, either (vgl. z.B. Green 1968) in der Linguistik mit Hilfe der Prädikatenlogik analysiert. 15.2.3. Wie schwierig dies ist, möge an der scheinbar einfachsten und zugleich am meisten behandelten Konjunktion und gezeigt werden. In der generativen Grammatik wurde zunächst wortverbindendes und satzver173 Z.B. McCawley, Lakoff, Green, Fillmore, aber auch Harris, Grimes, Frey, vgl. u. 11.15.2.5.
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bindendes und in gleicher Weise als Verbindung zweier Sätze der Tiefenstruktur aufgefaßt. Es wurde also (140a) auf (140b) zurückgeführt: (140a) Hans und Anna gingen. (140b) Hans ging und Anna ging. Trotz darauffolgender Verbesserungen 174 konnte Harweg (1970b) gegen allzugroße Vereinfachungen der Generativisten polemisieren und zeigen, daß es wenigstens sieben verschiedene und gibt: 1) intensivierend, z.B. Hans lief und lief (vgl.o. II.3.1.1.), 2) zum Ausdruck einer bloßen Menge, 3) in einer getrennt, nicht-reziprok agierenden oder fungierenden Gruppe, z.B. (140a) Felix und Peter rauchen. (140b) Felix raucht. Und Peter raucht auch. 4) in einer getrennt-reziprok agierenden/fungierenden Gruppe, z.B. (141) Felix und Peter schlagen einander. 5) in einer gemeinsam agierenden/fungierenden Gruppe, z.B. (142) Felix und Peter schlagen zusammen den Feind. 6) in einem Produkt, ζ. B. (143) Zink und Kupfer ergibt Messing. Diese Unterscheidung hat Harweg durch Vertauschproben und Beachtung der Intonation erhärtet. 15.2.4. An satzverknüpfendem und kommt aber noch dazu: Die Unterscheidung zwischen gleichzeitigem und nachzeitigem und, die bestimmt, ob die Satzfolge α und b mit b und α logisch äquivalent ist, und ob die Reihenfolge von α und b vertauscht werden kann (vgl.o. II.6.5.). Beide Entscheidungen sind nicht identisch, denn bei Wiederholung der Ereignisse, die in den Sätzen α und b ausgedrückt werden, ist Vertauschung der Reihenfolge auch bei einem Nachzeitigkeitsverhältnis möglich, z.B. ist die Satzfolge (144) Es donnerte. Und es blitzte. bei der Beschreibung eines großen nächtlichen Gewitters angängig, kaum aber, wenn es nachts nur einmal geblitzt und gedonnert hat, es sei denn, der zweite Satz von (144) sei ein Nachtrag, der nach einer längeren Pause zum ersten Satz hinzugefügt wird, was den Punkt zwischen beiden Sätzen unbedingt notwendig macht. In diesem Beispiel ist auch die Kenntnis des kausalen (physikalischen) Zusammenhangs von Bedeutung. Kausales undlls finden wir deutlicher bei
174 Z.B. Gleitman 1965; Dougherty 1970; Tai 1969; weiteres bei Harweg 1970b. 175 Vgl. die Inferenz der natürlichen Logik; "Post hoc, propter hoc".
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(145) Er studierte ohne Unterlaß. Und er bestand die Prüfung gut. Ein konditionales und liegt vor in (146) Nimm das und du wirst gesund. Viele Sprachen kennen das phraseologische und von (147) Er ging und kaufte Fleisch = Er ging Fleisch kaufen. 15.2.5. Schließlich sind noch die Unterschiede zu bedenken, die Coseriu (1968) bei lat. et, -que, atque gefunden hat und mit den Begriffen der Addition (reine Hinzufügung), Gradation (gleichzeitig Steigerung) und Äquivalenz (Gleichheit der durch und verbundenen Elemente) umschrieben hat. Es ist daher keineswegs möglich, jedes und als „zweistelliges reflexives Prädikat" 1 7 6 zu bezeichnen. 15.2.6. Ein zusätzliches Problem besteht darin, daß die jeweilige Bedeutung von und vom unmittelbaren oder größeren Kontext mitbestimmt wird (vgl. z.B. das iterative, kausale und konditionale und). Diese Bedingungen sind aber wieder nicht einfach logischer Natur: So haben M.L. Geis und A.M.Zwicky 1 7 7 daraufhingewiesen, daß zwischen den beiden Teilsätzen von (148) Martha observed the children at play and smiled with pleasure keine zwingende kausale Beziehung besteht, eine kausale bzw. konsekutive Interpretation aber nahe gelegt wird. Denn irgend etwas müssen ja die Bedeutungen der beiden Teilsätze miteinander zu tun haben! Ist also die Bedeutung von und vage oder haben wir es mit homonymen, aber bedeutungsverschiedenen Konstruktionen zu tun? Wenn man eine Konjunktion als Prädikat auffaßt, so kann man auch einem solchen Prädikat Selektionsbeschränkungen zuschreiben, wie es bei normalen Verben in der klassischen generativen Grammatik geschieht, oder man teilt dem Prädikat Argumente (= ungefähr: Handlungsrollen) zu, wie es in der Prädikatenlogik und, mutatis mutandis, in Dependenzgrammatik bzw. Valenztheorie geschieht.
Andere Konnektoren 15.3.1. Zusammen mit den Konjunktionen haben wir bereits Wörter wie deshalb, ebenso, danach, daher, hingegen, währenddessen erwähnt, die nach der gewöhnlichen Einteilung der Wortarten als Adverbia oder Par-
176 D . h . daß zwei Sätze für einander reziprok relevant sind, vgl. F r e y (1966,439f)> Green (1968,22f). 177 On Invited Inferences. WPIL 8 ( 1 9 7 1 ) 1 5 1 - 1 5 5 , vgl. II.6.5,.
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tikeln, aber nicht als Konjunktionen bezeichnet werden. Diese Unterscheidung hat im Deutschen auch eine satzsyntaktische Begründung: Konjunktionen wie und ändern die Wortstellung nicht, Konnektoren wie dann, denn schon (Härtung 1966,8f). Sind also Satzpartikeln wit doch, ja Konjunktionen, nur weil sie die Wortstellung nicht ändern? Die meisten der genannten Konnektoren werden aus Pronomina und/ oder Präpositionen gebildet. Dies ist aber nur ein Unterschied der historischen Tiefe, denn auch deu. und, aber, lat. et, sed stammen aus Präpositionen oder Adverbia, lat. -que kommt von einem Pronominalstamm usw. Dies stützt die textlinguistische Auffassung, daß Konjunktionen und andere Konnektoren wie die genannten Pronominaladverbia parallele Mittel der Satzverknüpfung sind. Nickel (1968) stellt beide zu den „ungesättigten Zeichen", die eine Sättigung bzw. Ergänzung durch einen anderen Satz desselben Textes verlangen. 178 Dies gilt auch für Überschriften des Typs (149) Und die Bibel hat doch recht die zwingend eine weitere Ausführung im Text verlangen. Zugleich bezieht sich dieser Titel auf andere Texte. Ähnlich zu beurteilen ist der berühmte Ausspruch (150) Eppur si muove „Und sie bewegt sich doch" den Galilei bei oder nach Abschwörung seiner Lehre getan haben soll: Hier weisen im Italienischen eppur und die Ellipse des Subjekts über den Satz hinaus, im Deutschen und, doch und das Pronomen sie. Zu den Satzkonnektoren gehören aber auch andere Adverbia wie wieder (Harweg 1969) oder ähnlich, anders in (151) Ähnlich/Anders geht Chomsky vom Satz als der höchsten Einheit aus. 15.3.2. Eine Verbindung von Sätzen ist aber auch bei Konjunktionslosigkeit oder Fehlen von konnektierenden Adverbia möglich. Die Gleichwertigkeit dieser sogenannten Asyndese 179 mit der Verwendung von Konjunktionen zeigt sich z.B. bei Isenberg's zwölf Vertextungstypen (s.o. II. 15.1.), wo wir Isenberg's asyndetische Beispiele durch die Setzung von Konnektoren verdeutlicht haben. In der antiken Rhetorik unterschied man hingegen hauptsächlich nur zwischen einer appositionellen, explikativen und adversativen Asyndese. 180 178 Dies läuft wieder auf die Auffassung von Konnektoren als Prädikate hinaus, s. o. II. 15.2. 179 Vgl. Karisen 1959; Nye 1912; Dougherty (1970,893ff) spricht von "conjunction erasure". 180 Vgl. noch Lausberg 1960,353ff.
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Asyndese kann in mündlichen Texten weit weniger zu Mißverständnissen führen als in schriftlichen, da diesen die Intonation (Prosodie) fehlt. 181 Manche Sprachen wie z.B. das Deutsche sind durch die zahlreichere Existenz enklitischer modaler Satzpartikeln wie ja, doch, nun, denn weniger auf die Intonation angewiesen als z.B. das Englische (Schubiger 1965). Die Möglichkeit der Asyndese ohne Beseitigung der Restituierbarkeit (recoverability) des Sinns der Satzverbindung zeigt, daß Konjunktionen zur Satzverbindung viel weniger leisten als die semantischen Beziehungen zwischen den Sätzen selbst, die wir unter Schlagwörtern wie Kohärenz, logische Beziehungen, Verknüpfungsrelationen behandelt haben. Die Asyndese gehört also zu jenen Tilgungstransformationen, die den Sachverhalt verschleiern, aber nicht unverständlich machen, vgl. aus der Satzgrammatik Werbeschlagzeilen des Typs (152) Diese Wundermedizin hilft immer wo semantisch und vor allem pragmatisch ergänzt werden kann, wem sie wobei helfen soll. Damit vergleichbar ist die begründende Asyndese im Chor aus Schiller's „Braut von Messina" (155f) (153) Weisere Fassung ziemet dem Alter; ich, der Vernünftige grüße zuerst. Die Setzung von Konjunktionen verdeutlicht also, erhöht die Redundanz und verringert dadurch die Gefahr von Mißverständnissen. Ähnlichen Zielen dient die Interpunktion in schriftlichen Texten (s.u. II.6.4.5.). Zudem gliedern Konjunktionen und andere Konnektoren Satzmengen, indem sie die engeren von den weniger engen Beziehungen absetzen können (vgl. Gülich 1970 und ο. II.5.5.1.). Konjunktionen und andere Konnektoren sind nur der äußere Ausdruck semantischer Satzverknüpfungsrelationen, sie sind z.T. redundant, z.T. nur präzisierende, fakultative Elemente. Da die Satzverknüpfungsrelationen selbst noch kaum untersucht sind, sind alle bisherigen Aussagen über Konjunktionen und andere Konnektoren sehr provisorisch. Im folgenden werden wir die Konjunktionen als Mittel der Unterscheidung von Bei- und Unterordnung wiederfinden.
Parataxe und Hypotaxe 15.4.1. Das Studium der Satzverknüpfung kann auch durch den Vergleich von Beiordnung (Parataxe) und Unterordnung (Hypotaxe) gefördert wer181 Vgl. Härtung 1 9 6 6 , 6 f f , und s.u. II. 1 6 . 3 f f .
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den, denn beigeordnete Hauptsätze sind in ihrer Bedeutung und Funktion untergeordneten Nebensätzen oft sehr ähnlich, weshalb man beiordnende mit unterordnenden Konjunktionen vertauschen kann, so z.B. in den beiden vorangegangenen Teilsätzen dieses Satzes denn mit weil und weshalb mit daher, kürzere Sätze auch mit Präpositionalphrasen (z.B. mit wegen).162 Die Entscheidung, ob ein Satz in der Oberflächenstruktur Hauptsatz oder Nebensatz wird, liegt m.E. am Grad der Hervorhebung, mit der er in der Bedeutungsstruktur der Basis versehen ist. D.h. jedem Satz bzw. jeder Proposition der Basisstruktur müßte eine Markierung der Reliefgebung zugeordnet sein, die bestimmt, ob der betreffende Satz in einen anderen Satz eingebettet wird und ob als Nebensatz oder als Parenthese oder als Präpositionalphrase oder als Kompositionsglied. 183 Auch historisch gesehen gehen oberflächenstrukturell die meisten Nebensätze nachweislich auf Hauptsätze zurück. Zu erwähnen wäre noch die ,Parahypotaxe' alter indogermanischer Sprachen, wo ein Hauptsatz nach einem Nebensatz mit und eingeleitet wird. 15.4.2. Als Beispiel für das Verhältnis von Parataxe und Hypotaxe seien hier nur die R e l a t i v s ä t z e genannt. Die Relativpronomina der indogermanischen Sprachen gehen auf Interrogativa (z.B. welcher) oder Demonstrative (ζ. Β. der) zurück. Synchron sind wenigstens die sog. appositiven (deskriptiven, nichtrestriktiven) Relativsätze auf einen koordinierten Hauptsatz zurückzuführen, 1 8 4 vgl. die relative Synonymie von (154a) und (154b): (154a) Gestern traf ich Hans, der sich ein Fahrrad gekauft hat. (154b) " — , und er hat sich ein Fahrrad gekauft. 1 8 5 Der restriktive (selektive, definierende) Relativsatz in (154c) Gestern traf ich den/jenen/denjenigen Hans, der sich ein Fahrrad gekauft hat kann nicht so paraphrasiert werden. 186 182 Vgl. S a n d m a n n 1969; Härtung 1 9 6 6 , 6 2 f f ; Thümmel 1968; Koch 1 9 6 8 ; Dressler 1 9 7 0 a , 208f § 12 (mit weiterer Lit.); C. R o h r e r , F u n k t i o n e l l e Sprachwissenschaft u n d t r a n s f o r m a t i o n e l l e Grammatik (München, Fink 1971) 1 8 3 f f . 183 Vgl. zur k o m m u n i k a t i v e n Dynamik S v o b o d a 1968. V o n Topikalisierung spricht H . E . Brekle, Generative Satzsemantik u n d transformationelle S y n t a x im System der englischen N o m i n a l k o m p o s i t a (München, Fink 1970). 184 T h ü m m e l 1 9 6 8 , 1 4 6 ; Nickel 1970a; E b e r t 1 9 7 1 , 1 6 4 f f ; vgl. S a n d m a n n 1 9 6 9 , 1 6 7 f f ; R o h r e r , o p . c i t . 2 0 4 f f u n d die Logiker P. G e a c h und Z . V e n d l e r . 185 Im Neugriechischen u n d Bretonischen k ö n n e n z.B. beide Sätze identisch sein. 186 Vgl. d a s Bach-Peters'sche Paradox von zwei restriktiven Relativsätzen mit sich k r e u z e n d e r K o r e f e r e n z , ζ. B. im Satz ( 1 5 5 ) The girLwho was asking f o r hiirij finally f o u n d the m a n . she. wanted. Zuerst bei Ε. Bach, LInq 1 (1970) 1 2 1 f . Vgl. L . K a r t t u n e n , F o u n d a t i o n s of lg. 7 (1971) 157-182.
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15.4.3.1. Die Richtigkeit der Rückführung appositiver Relativsätze auf koordinierte Hauptsätze erhellt auch aus folgenden drei textlinguistisch relevanten Phänomenen. Einmal aus dem in vielen Sprachen verbreiteten relativen Anschluß: D.h. ein Relativsatz fungiert als selbständiger Satz, ζ. B. lateinisch (156) Quod erat demonstrandum „Was zu beweisen war = Das war zu beweisen". 15.4.3.2. Psycholinguisten der University of Illinois (Urbana) haben festgestellt, daß in der Sprache von Tauben which durch and ersetzt werden kann, wodurch folgender Satz entsteht (157) The boy saw the ball and rolled away. 15.4.3.3. Nur ein appositiver Relativsatz kann mit einer Parenthese (ohne Relativsatz) vertauscht werden, 1 8 7 vgl. mit (154) (158) Hans — (und) er hat sich übrigens ein Fahrrad gekauft — traf ich gestern. Ja der Zweitsatz von (154b) könnte als nachgestellte Parenthese bezeichnet werden. Auch andere Parenthesen sind Nebensätzen sehr ähnlich: Sie haben o f t die Form von Nebensätzen und können zu Präpositionalphrasen oder Adverbien reduziert werden oder bei Änderung der Hervorhebung zu Hauptsätzen avancieren, 188 vgl. (159) Ich vermute, daß . . . ~ , wie ich vermute, % , vermute ich, « nach meiner Vermutung =» vermutlich. 15.4.5. Die Vertauschbarkeit von Haupt- und Nebensätzen, Parenthesen, Präpositionalphrasen und Adverbien ist zum Teil schon längst erkannt, aber in der Sprachtheorie bisher nur in Teilaspekten behandelt worden. Diese Vertauschbarkeit unter Änderung der Hervorhebung ist im Sprachunterricht ein Mittel, die Ausdrucksfähigkeit zu steigern.
Weiteres zur Oberflächenstruktur: Wortstellung u n d Reihenfolge 16.1.1. Eine grundlegende Aufgabe der Syntax und damit auch der Textsyntax ist die endgültige Linearisierung des Bedeutungsinhalts. Ein kommunikatives Prinzip ist die Tendenz, die Disambiguierung zweideutiger Sätze möglichst rasch durchzuführen (Jones 1967,1 Of); ein strukturell zweideutiger Satz, dem noch nicht durch Anfangssignale des Texts oder
187 Vgl. Postal 1 9 6 8 , 1 7 8 f ; J.Grinder, Linguistic Notes from La Jolla 2 ( 1 9 6 9 ) 49. 188 Sitta 1970; vgl. Pickett 1 9 6 0 , 8 3 .
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Textstücks oder durch die Bedeutung von Vorgängersätzen eine einzige Lesart (aktuelle Bedeutung) zugewiesen worden ist, erhält diese möglichst schon durch den unmittelbar darauffolgenden Satz. 16.1.2. Über gewisse textlinguistische Prinzipien der W o r t s t e l l u n g wurde schon anläßlich von Anaphora, Kataphora, Funktioneller Satzperspektive und Konjunktionen gesprochen. Die textlinguistischen Mittel der Wortstellung können von segmentalen Mitteln (Wahl der Morpheme und Wörter) nicht scharf getrennt werden. Dies zeigt auch die historische Entwicklung: So führte die kataphorische Anfangsstellung des Verbums in lateinischen Konzessivsätzen dazu, daß die Verbalform licet „Es mag sein, daß . . . " zu einer Konjunktion „obgleich" erstarrte. Oder im Albanischen erstarrte die Verbalform ish(te) „war" in anaphorischer Anfangsstellung in Parenthesen des Typs „X, (er) war (früher) Diplomat" zum Präfix „ex", z.B. in ish-dipllomat „Exdiplomat". 16.1.3. Die Reihenfolge der Antezedenten kann die Folge der Anaphorika bestimmen, so bei den Sätzen mit respectively (s. II.5.5.2.) etwa (160) May I introduce you to Mr. X and Mrs. X? He and she (=they) are a philosopher and a doctor respectively. An die Reihenfolge der Antezedenten gebunden ist auch die Verwendung von dieser, jener, der erste, zweite, letzte usw. 16.1.4. Dazu kommt der öfters beobachtete 189 „grammatische Parallelismus". Wenn in aufeinanderfolgenden Sätzen dieselbe dramatis persona vorkommt, so tendiert sie dazu, im selben Tiefenkasus (Handlungsrolle) und/oder in derselben grammatischen Funktion (z.B. Subjekt) aufzutreten. Besonders bei Kindern kann im Rahmen der Einübung grammatischer Elemente syntaktischer Parallelismus ein Motiv der Textkonstitution sein (Weir 1962,144f). Dazu kommen zwei weitere Fälle: 1) Dieselbe dramatis persona perseveriert und hält sich an derselben Satzstelle (vgl. die ,Anaphora' der klassischen Rhetorik), 2) Benachbarte Sätze zeigen grammatischen Parallelismus auch ohne Identität der dramatis personae. Diesen Typ analysiert jetzt H.Weinrich 190 nach seinem Modell der „Textpartitur", die Beibehaltung und Änderung syntaktischer Konstruktionen in Nachbarsätzen angibt. Dabei hat Weinrich erstaunlich viel grammatischen Parallelismus gefunden. Ist dies eine autonome syntaktische Strategie der Rekurrenz? 16.1.5. Sachliche Motive für die Reihenfolge spielen z.B. bei einfachen Erzählungen eine Rolle, die die zeitliche Abfolge der Ereignisse sprach-
189 Nye 1912,14; Harper 1965,3; Koch 1966a, 1 Off, 19. 190 Thesen zur Textsorten-Linguistik. Rheda.
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lieh abbilden (vgl. II. 15.2.4.). Rückblendung und Vorausschau sind textuelle Transformationen, die schon in der thematischen Struktur eines Textes eingesetzt werden. Eine Geschichte kann thematisch auch ,νοη hinten nach vorne' erzählt werden: Die dazu notwendigen Umstellungstransformationen komplizieren die Realisierung einer solchen Erzählung aber so sehr, daß eine solche gewöhnlich gar nicht realisiert wird. 191 Zu transformationellen Umstellungen und Verschachtelungen thematischen Materials in moderner Literatur vgl. I.T.Piirainen.' 92 Die Reihenfolge des Alphabets ist das Motiv für Wilhelm Busch's Tieralphabet, ebenfalls ein Prinzip der Themastruktur,' 93 allerdings in übertragenem Sinn durch Bezug auf die lautliche, statt auf die semantische Ebene. Während daher gewöhnlich bei einer Übersetzung die thematische Struktur ganz, die semantische zum größten Teil unverändert erhalten bleibt, ist beides bei einer Übersetzung von Busch's Tieralphabet unmöglich. Ähnlich stünde es mit Nestor's „Ilias mit Buchstabenauslassung" (Ilias leipogrammatos), wo in Buch Α kein Wort mit A, in Buch Β keines mit Β verwendet wird usw. Zu verweisen wäre auch auf die Gedichtformen des Akrostichons und Telestichons, wo die Anfangs- bzw. Endbuchstaben der Verse ein oder mehrere Wörter ergeben.
Phonologie und Phonetik 16.2.1. Damit sind wir bereits beim textlinguistischen Beitrag von Laut und Schrift angelangt. Da die Laute in erster Linie dazu dienen, Wörter und Formen voneinander zu unterscheiden, ist direkter Bezug zur Textebene sehr selten. Koch (1970,494) erinnert an den Schnalzlaut [j], der meist mit ts graphisch wiedergegeben, aber eben beim Einatmen gebildet wird, und (besonders in den Mittelmeerländern), allein oder gehäuft, Mißbilligung ausdrückt. Im Deutschen ist auch [m], (aspiriertes m), graphisch meist hm, eine beliebte Antwortäußerung der Zustimmung oder Unentschlossenheit usw. (je nach Intonation), die oft engl, well entspricht. 16.2.2. Beide Laute unterscheiden sich nur dadurch von den gewöhnlichen I n t e r j e k t i o n e n , daß diese (z.B. ah, oh) Laute verwenden, die auch sonst 191 Vgl. Lausberg (1960,245ff) zur Unterscheidung von "ordo naturalis" und "ordo artificialis" in der antiken Rhetorik. 192 Textbezogene Untersuchungen über „Katz und Maus" und „Hundejahre" von Günter Grass, Bern, Lang 1968. 193 Anders Figge 1971,172.
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in der deutschen Sprache verwendet werden, d.h. in Wörtern und Formen vorkommen. Interjektionen sind von der Sprachwissenschaft bisher sehr stiefmütterlich behandelt worden, weil ihre Funktion eben ohne Textlinguistik nicht gefunden werden kann. So dienen Interjektionen, wie schon der Name andeutet, fakultativ zur Gliederung eines Textes, aber auch zu dessen Abgrenzung: so mancher amerikanische linguistische Vortrag beginnt mit Well und endet mit O.K. Zur Gliederungsfunktion von frz. ah, eh bien, euh, hein, hm, oh s. Gülich (1970) vgl. zum Englischen D. James in CLS 8 und 9. 16.2.3. Ein sprachtheoretisch ebenfalls zu wenig behandeltes Element ist der Rhythmus, der in der Textgestaltung gleichfalls eine Rolle spielt. Einerseits geht die Verteilung der relativen Dauer der Silben mit Pausensetzung (s.u. II.2.4.f), Betonung und der Intonation (s.u. II.16.3.) zusammen, andererseits kann Tempowechsel für sich allein Gliederungsfunktion haben (Koch 1970,494) oder die Reliefgebung ausdrücken. So hat oft der Vordergrund langsameres Sprechtempo als der Hintergrund (z.B. Parenthesen). 16.2.4. Lange Zeit überschätzt wurde die Rolle der P a u s e n . 1 9 4 So wie bei den Wortfugen hängt ihre Realisierung von der Schnelligkeit der Rede ab. Auf jeden Fall sind aktuelle Pausen nur zum Teil mit den potentiellen Pausen identisch, wie sie die syntaktische Struktur bestimmt, z.B. können in (161) Wer will, kann gehen. Ich hindere niemanden, die durch Beistrich und Punkt symbolisierten Pausen gleich oder verschieden stark oder schwach oder gar nicht realisiert werden, obwohl syntaktisch die Pause nach gehen stärker sein sollte. Es können nicht nur Pausen übergangen werden und sekundär durch Störungen (Ablenkung, Unterbrechung, Gedächtnislücken usw.) grammatisch unmotivierte Pausen gesetzt werden, sondern syntaktische und phonologische Einheiten stimmen in ihrer Ausdehnung grundsätzlich nicht immer überein. Gleichgültig wie man das (lexikalische) Wort semantisch, syntaktisch oder morphologisch definiert, 195 es muß nicht mit dem phonologischen Wort übereinstimmen. 196 I.Lehiste 1 9 7 hat experimentalphonetische Unterschiede zwischen der Ausdehnung syntaktischer und phonologischer Einheiten wie Morpheme, Wörter und Phrasen nachgewiesen. Eine Verallgemeinerung auf größere Einheiten wie Sätze und Textabschnitte liegt nahe. So hat Wackernagel-Jolles (1971) die Nichtidentität von Leseabschnitten und Sprechbögen mündli194 Gülich 1 9 7 0 , 2 3 2 f f und Dressler 1 9 7 0 a , 1 9 8 mit Lit., cf. 1.4.4. 195 Vgl. jetzt Heger 1971. 196 Vgl. N.Chomsky-M. Halle, The Sound Pattern of English (New York, Harper & Row 1 9 6 8 ) 366ff. 197 Einstweilen WPIL 4 (1970) 9 6 - 1 1 4 .
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eher Rede (S. 152f) sowie von syntaktischen Satzgrenzen und ihrer phonetischen Realisierung (S. 138ff) festgestellt. Wie schon aus der antiken Metrik bekannt ist, kann die Pause im Rhythmus als Länge oder Kürze mitzählen. 16.2.5. Vollends mehrdeutig ist das Schweigen: es kann unter anderem bedeuten 1) Textende, 2) der Sprecher braucht Zeit zur Überlegung, 3) ist redefaul (schweigsam cf. 1.4.4.), 4) hat das Interesse an der Fortführung seiner Rede verloren, 5) kann, 6) will keine Antwort geben (z.B. weil er sich nicht selbst offen bloßstellen will), 7) verschweigt etwas absichtlich, was man aus Gründen der Höflichkeit, des Rituals u.ä. nicht sagt. Interessant sind Punkt 6) und 7) insofern, als Zuhörer den semantischen oder wenigstens den thematischen Gehalt des Verschwiegenen rekonstruieren können, z.B. der Richter das Schweigen des Angeklagten auf seine Frage. 1 9 8 Bei Drohungen kommt A p o s i o p e s e (absichtliches Verschweigen) häufig vor, z.B. (162) Wenn du das tust, dann . . . Der thematische Inhalt einer solchen Drohung ist zumindest ungefähr klar, denn Rückfragen wie (162a) Was geschieht dann? sind mehr ein Ausdruck der Entschlossenheit, sich nicht einschüchtern zu lassen, als reine Wißbegierde. Aposiopesen entstehen eben durch pragmatischen Ersatz sprachlicher durch nicht-sprachliche Elemente ohne Verlust des thematischen Gehalts. 16.3.1. Unter A k z e n t wollen wir Hervorhebung eines Wortes (selten eines Morphems) durch Betonung verstehen, wobei die betonte Silbe durch eine wahlweise Verbindung von größerer Lautstärke, geänderter Tonhöhe, längerer Dauer, benachbarter Pause hervorgehoben wird. Wir wollen hier unterscheiden zwischen Textakzent, Satzakzent, Kontrastakzent, emphatischem Akzent, obwohl in einem aktuellen Text alle vier Unterarten zusammenfallen können. 16.3.2. Der m.W. bisher nicht untersuchte und auch schwer zu untersuchende Textakzent ist der Betonungsgipfel in einer Gruppe von Sätzen und kann offensichtlich den Zentralbegriff eines nicht zu langen Textabschnitts hervorheben: Als Kontrast- oder Emphaseakzent kann er sich wegen der Beschränkung des menschlichen Gedächtnisses nämlich nur von zeitlich nicht zu entfernten Akzenten abheben.(vgl. ο. II. 11.1.) 16.3.3. Der Satzakzent fällt in Sätzen auf das Rhema, 1 9 9 nach Heidolph
198 „Wer schweigt, scheint zuzustimmen" ist schon ein römischer Grundsatz. 199 Vgl. II. 1 1 . 3 . 2 . ; Nickel 1970; Harweg 1971a und ebenda S . 2 5 9 f f die Diskussion.
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(1966, 275ff) im Deutschen genauer auf das letzte nicht bereits erwähnte Satzglied. Thematische Teile des Satzes sind relativ unbetont, doch kann ein thematisches Satzglied durch Kontrastakzent hervorgehoben werden. Z.B. hat der folgende Erstsatz nur einen Satzakzent('), der Zweitsatz Satz- und Kontrastakzente (") : (163) Ich gehe zu Piter. P£ter habe ich gern. Häns nicht (Hans nlfcht) Der Kontrastakzent ist also stärker als der Satzakzent, so daß dieser oft gar nicht wahrgenommen werden kann (vgl. Dressier 1972b §5.2.). 16.3.4. Der Geltungsbereich {scope, Skopus) des Kontrastakzents ist begrenzt. Der Gegensatz ist binär und zwischen nicht-koreferenten Elementen möglich. Während in (163) Peter und Peter koreferent sind, ist dies in den folgenden Sätzen nur bei (166) der Fall: (164)*Hans erblickte Peterj und bestaunte P£terj (165)*Hans erblickte PSter, und bestaunte Peterj (166) Hans erblickte P e t e r j und bestaiinte P e t e r j . (164) und (165) sind irregulär, weil dem Hörer kein Hinweis gegeben wird, wer Peterj und Peterj ist (regulär Peter Meier - Peter Hüber) während Peter^ eben der (einzige) gut bekannte oder eben erwähnte Peter ist. Die Binarität des Gegensatzes erhellt aus folgenden Beispielen: (167) Hans erblickte Peter, aber bestaunte Franz und Karl. ist korrekt, weil Franz und Karl als Gruppe zu Peter kontrastieren. Hingegen ist dies bei Franz und Karl im folgenden Beispiel nicht der Fall: (168a) Maria liebt nicht Franz. (b) Sie liebt Peter, (c) Karl liebte sie nicht./(d) Sie liebte nicht Karl. In (c) ist Karl Subjekt, nicht Objekt, (d) verlangt eine Fortführung. Karl kann nur dann dieselbe Rolle wie Franz spielen, wenn man in (c) und (d) auch hinzufügt: auch ist aber eine Verkürzung von und Franz bzw. Franz und, wodurch in der Basisstruktur der Fall (167) wiedergestellt ist. (c) und (d) können aber auch nicht einfach durch Hinzufügung von und Franz bzw. Franz und regularisiert werden, da dies dem obengenannten Prinzip der Nicht-Koreferenz widerspräche. Wenn man hingegen (d) durch (d') Sie liebt nicht Franz. ersetzt, also mit Koreferenz, so liegt eine Wiederholung des ersten Satzes der Satzfolge vor, (vgl.o. II.3.1.1.) was bei (d") Sie liebte nicht Franz und Ka'rl. nicht der Fall ist. Wenn in Satz (166) Peter Kontrastakzent hat, so muß Kontrast zu einem nicht ausgesprochenen Element vorliegen, d.h. die Nennung Peters überrascht in der Situation (vgl. II. 11.2.). Satz (166) entspricht also 78
(166a) Es war Peter, den Hans erblickte und bestaunte mit dem impliziten Gegensatz und kein anderer o.ä. Ein solcher impliziter Gegensatz ist auch in Pronominal-Frage und Antwort mitverstanden (168) Wer war es? - Peter. Hingegen sagt der Satz ohne Kontrastakzent (169a) Gestern sah ich Peter, anders als (169b) Gestern sah ich Peter, keineswegs aus, daß ich nur oder vor allem oder überraschenderweise Peter gesehen hätte. 16.3.5. Wenn man emphatischen Akzent von Kontrastakzent trennt, so meint man damit die zusätzliche Hervorhebung einer bereits durch SatzKontrast- oder Textakzent betonten Silbe aus emotionellen expressiven oder impressiven Gründen. Wie bei allen affektiven Sprachelementen ist eine Untersuchung schwierig. 200
Sprachmelodie 16.3.6. Der Tonhöhenverlauf hat im Text distinktive und delimitative Funktion, wobei es weniger auf die absolute Tonhöhe (Frequenz) als auf den Wechsel der Tonhöhe und seine Abruptheit ankommt. 2 0 1 Distinktiv ist die Sprachmelodie insofern, als sie Satztypen voneinander abgrenzt, 2 0 2 was auch von textlinguistischer Bedeutung ist. Delimitativ ist der Tonhöhenverlauf, 203 weil er Textabschnitte abgrenzt. So senkt sich die Stimme stärker am Ende eines Absatzes und hebt sich stark zu Beginn eines neuen Absatzes (Morgan 1967,124). Besonders ausgeprägt ist dies am Anfang und Ende eines ganzen mündlichen Textes. 2 0 4 So hört man, wenn man jemandem zuhört, schon viele Silben, ja o f t Wörter und Satzglieder vor dem Ende der Äußerung, ob diese ihrem Ende entgegengeht oder ob noch ein weiterer Satz geplant ist. Natürlich täuscht man sich als Hörer in dieser 2 0 0 Zur Isolierung des emphatischen Akzents vgl. Heidolph 1966; Nickel 1 9 6 8 , 2 1 ; 1970b; Harweg 1971a (und ebenda S. 2 5 9 f f ) · Weiteres zum Akzent bei Gleitman 1 9 6 5 , 2 6 8 , 2 7 1 ; Postal 1 9 6 8 , 2 1 0 f f ; Harweg 1969; Dressler 1972b; zu Präsuppositionen Schmerling 1971. 201 Vgl. O.von Essen, Grundzüge der hochdeutschen Satzintonation (Ratingen 1964); Nork 1965; Schubiger 1965; H.Wode, Englische Satzintonation. Phonetica 15 ( 1 9 6 6 ) 1 2 9 - 2 1 8 ; Firbas 1968; Nickel 1 9 7 0 b ; I.Lehiste, Suprasegmentale. Cambridge, M.I.T.Press 1970, besonders Kapitel III. 2 0 2 Vgl. noch Greenberg 1969; Dressier-Gabriel 1970. 2 0 3 Genaue Beschreibungen zu französischen Texten liefert Gülich 1 9 7 0 , 2 3 2 f f . 204 Dressier 1970a, 198f mit Lit.; cf. Grimes 1 9 7 0 , 4 1 6 .
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Erwartung, wenn dem Sprecher noch etwas einfällt, er also den geplanten Text noch erweitert, oder wenn er einfach falsch intoniert; Überraschung oder/und Ungeduld sind dann häufige Hörerreaktionen. Thomas Mann hat die Bedeutung der Textschlußintonation in seinem Roman „Der Zauberberg" 2 0 5 angedeutet, wenn er von Hans Castorp sagt (170) Er sprach seinen Part zu Ende, ließ die Stimme sinken, machte P u n k t u m und ging seines Weges wie ein Mann. Schwierig ist wieder die emotionale Seite der Betonung (vgl. Greenberg 1969,75ff), die in schriftlichen Texten verbalisiert wird: (171) sagte/fragte er erstaunt/zweifelnd/ungläubig/drohend/skeptisch 206
16.3.7. Zum Abschluß des Abschnitts über Textphonologie und -phonetik m u ß hervorgehoben werden, daß im Prinzip die lautliche Form des Textes eine durch die Syntax vermittelte Auswirkung der Bedeutungsstruktur ist, daß aber diese Lautform nur vorausgesagt werden könnte, wenn man zumindest Stilistik, Pragmatik und Psychologie einbezieht. Im Augenblick ist aber noch nicht einmal die phonologische Klassifizierung, d.h. die strukturelle Untersuchung der lautlichen Textphänomene weit genug gediehen, noch weniger als ihre experimental-phonetische Untersuchung, zumindest auf dem Gebiet der Intonation (cf. Greenberg, Lehiste opp.citt.). Bei den Phänomenen der Reihenfolge (Wortstellung) ist die Ableitung aus der Basisstruktur einfacher (s.o. 11.16.1.).
Graphemik und Schriftlichkeit 16.4.1. Schriftlichen Texten fehlt die Intonation gesprochener Sprache. Graphische Mittel sind dafür nur ein höchst unzureichender Ersatz. Die typographische Handhabung von Spatien, um den Text in Absätze zu gliedern, folgt o f t nicht dem thematischen Zusammenhang, sondern rhythmischen bzw. optischen Gesichtspunkten, z.B. soll ein Absatz nicht zu lang sein. 16.4.2. Überschriften, Titel und Zwischentitel werden ebenfalls durch Spatien abgesetzt, 2 0 7 wie sie denn überhaupt ein charakteristisches Merkmal 205 Taschenbuchausgabe (Frankfurt, Fischer 1967) 617 im 7. Kapitel (Mynheer Peeperkorn, des weiteren), vgl. S.213 im 5.Kapitel (gegen Ende von „Ewigkeitssuppe . . . "). 206 Vgl. Wackernagel-Jolles (1971,121ff) mit weiteren Bemerkungen und Lit.; solche Verbindungen von Verb und Adverb gehen auf die Kombination zweier performativer (kommunikativer) Prädikate im Hypersatz zurück. 207 Vgl. noch Hausenblas 1964,69.
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schriftlicher Texte sind, da sie nur in wenigen nicht schriftlich konzipierten Texten auftreten. Überhaupt nur auf schriftliche Texte beschränkt sind Fußnoten sowie die folgenden Anaphorika bzw. Kataphorika: oben = engl, above = lat. supra = frz. ci-dessus, unten = engl, below = lat. infra = frz. ci-dessous, obig = obengenannt = obenerwähnt = obenstehend = engl. the above = frz. susmentionne, siehe = engl, see - frz. voir = lat. vide, usw. Zu nennen sind ferner Abkürzung, ornamentale Vergrößerung und Verzierung der Anfangsbuchstaben von Texten und Textabschnitten usw. 16.4.3. Die Verwendung von Fett-, Kursiv- und Sperrdruck zur Kennzeichnung hervorgehobener oder thematischer Elemente des Textes ist inkonsequent und ungeregelt. Da die Sprachwissenschaft bis heute mit Vorliebe schriftliche Texte untersucht, ist dies mit ein Grund für die späte und unvollständige Entdeckung von Textregularitäten des thematischen Aufbaus und der Hervorhebung. 16.4.4. Da auch Akzentzeichen nur selten zur Bezeichnung von Hervorhebung verwendet, Melodiekurven gar nicht bezeichnet werden, enthalten schriftliche Texte oft Zweideutigkeiten. Zu ihrer Vermeidung muß die Wortstellung schriftlicher Texte starrer sein als die mündlicher. Zitate werden durch verschiedenen Druck oder durch Anführungszeichen abgesetzt, was einerseits bei mündlicher Wiedergabe schriftlicher Texte durch (172) Zitat (Anfang, Ende), ich zitiere ersetzt wird, andererseits in wirklich mündlicher Rede prosodischen Mitteln entspricht, z.B. der Veränderung der Stimmlage und des Rhythmus (vgl. II. 18.2. mit Fn. 226). Die Behandlung von Zitaten ist somit ein Gradmesser der Mündlichkeit einer Rede. Auf mündliche Reden im formalen Sinn beschränkt ist das merkwürdige Anaphorikum (mein) Vorredner bzw. in der Reaktion auf solche Reden dein/Ihr Vorredner. Nachredner, ? Vor-, Nachsprecher, Vor-, Nachschreiber, Vorsänger, Vorbeter, usw. bedeuten bzw. würden etwas ganz anderes bedeuten. 16.4.5. Die Funktion der Intonation, Sätze und Teilsätze voneinander zu trennen und Satztypen zu unterscheiden, erfüllt die I n t e r p u n k t i o n nur sehr unvollkommen. Der nichtfallenden Endmelodiekontur des Befehlssatzes und der hohen Endkontur des Fragesatzes entspricht die Setzung von Ruf- und Fragezeichen am Ende von Sätzen (außer im Spanischen j . . . ! , < , . . . ? ) . Aber die Rufzeichen werden auch für exklamative Sätze verwendet und Sätze, die zugleich Frage- und Aussagesätze, Frage- und Befehlssätze sind, 208 können nicht eindeutig bezeichnet werden, es sei denn
2 0 8 Vgl. Dressler-Gabriel 1 9 7 0 ; J. Sadock (CLS 7 , 1 9 7 1 , 2 2 3 f f ) spricht von "Queclaratives, Whimperatives" usw.
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d u r c h Verbalisierungen wie „sagte sie fragend, fragte er in b e f e h l e n d e m T o n " usw. Die delimitative Funktion des Punktes h a t Palek ( 1 9 7 0 , 1 3 5 f f ) beleuchtet. Er hilft Zweideutigkeiten vermeiden: Z.B. w e n n sich ein vm7-Satz zwischen zwei H a u p t s ä t z e n befindet, zeigt die Verwendung von P u n k t u n d Beistrich, auf welchen Hauptsatz sich der we/7-Satz bezieht. Wenn ein A u t o r wie J e r z y Andrzejewski in seinen „ P f o r t e n des Paradieses" auf P u n k t u n d Beistrich verzichtet, so verfolgt er damit einen literarischen Zweck, der in der Einleitung zur dtv-Ausgabe 1967 so umrissen wird: „ E r fügt den S t o f f in eine große rhythmische Einheit. Die Sprache wird so zum dichterischen Bild für das ständige Vorwärtsdrängen der jugendlichen K r e u z f a h r e r . " Der Doppelpunkt hat kataphorischen Wert: Er erweckt die Erwartung auf eine nähere Spezifikation, wozu auch die Wiedergabe direkter Rede gehört (s.u. 11.18.). Der Strichpunkt k ö n n t e systematisch dazu verwendet werden, um Satzgrenzen in Satzgruppen zu bezeichnen, die aus eng zusammengehörigen Sätzen bestehen. 16.4.6. Die Rechtschreibreform ist immer wieder ein beliebtes T h e m a heftiger Diskussionen, die sich aber leider weitgehend auf Fragen der Großoder Kleinschreibung oder auf Fortlassung, Ä n d e r u n g oder Neueinführung von Buchstaben zu beschränken scheinen. Die I n t e r p u n k t i o n wird k a u m reformiert oder gar verbessert, typographische Mittel nicht einmal normiert, außer willkürlich in wissenschaftlichen oder amtlichen Publikationen ohne Vereinheitlichung für alle schriftlichen T e x t e eines Sprachgebietes. Auch die Wissenschaft beschäftigt sich wenig mit G r a p h e m i k u n d w e n n , dann nicht mit Interpunktion. Dabei k ö n n t e n allein schon empirische Untersuchungen darüber, ob eine I n t e r p u n k t i o n , die die syntaktischen Verhältnisse wiederspiegelt, m e h r zur leichteren Lesbarkeit beiträgt als eine I n t e r p u n k t i o n , die der Intonation folgt, Rückschlüsse auf das Verhältnis von S y n t a x u n d Phonologie zulassen. Auch dazu ist eine bessere Erforschung der T e x t g r a m m a t i k notwendig. Erst wenn die Ableitung der textsyntaktischen O b e r f l ä c h e n s t r u k t u r auf thematischer u n d semantischer Textbasis präziser vorausgesagt werden k a n n , sind Ä n d e r u n g e n beim Übergang zur Textphonologie klarer zu fassen u n d kann genauer bestimmt werden, wann diese direkt von der Textsemantik abgeleitet werden m u ß . Z u m Abschluß des textgrammatischen Teils sollen zwei bzw. drei Textt y p e n für sich b e h a n d e l t werden: Der Dialog sowie das gegenseitige Verhältnis von direkter u n d indirekter Rede. Dabei wird n o c h einmal das Zusammenwirken der verschiedenen Elemente der T e x t g r a m m a t i k zum Aus-
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druck kommen und sich die Notwendigkeit der im nächsten Kapitel zu behandelnden Textpragmatik stärker abzeichnen.
Dialog 17.1. Beim Dialog zeigt sich die Unmöglichkeit einer rein satzsyntaktischen Analyse besonders klar; so ist es ganz unmöglich, einen Dialogtext als einen einzigen langen Satz zu behandeln, 2 0 9 denn eine sprachliche Interaktion mehrerer Personen kann nicht auf die Mitteilung einer einzigen Person reduziert werden (zur direkten Rede vgl. 11.18.). Hier ist eine textlinguistische Behandlung unumgänglich, obwohl sich sofort folgendes Problem ergibt: Wir hatten (II.2.,8.) eine eigene thematische Textbasis angenommen, die sowohl das Thema eines Textes angibt als auch zu Beginn der Texterzeugung dem Sprecher als Redeprogramm gegenwärtig ist. Diese Hypothese scheint beim Dialog besonders fragwürdig zu sein, da doch ein Sprecher zu Beginn kaum wissen kann, was der von ihm mit einem oder mehreren Gesprächspartnern begonnene Dialog inhaltlich enthalten wird. Äußerungen eines Dialogs sind ja grundsätzlich auf einen Partner gerichtet (Harweg 1971b). 17.2. Ein Sprecher kann jedoch sehr wohl eine thematische Übersicht über den folgenden Dialog haben, wenn er selbst das Gespräch beginnt u n d es mehr oder weniger allein lenkt, besonders dann, wenn nur er Fragen stellt und der Dialogpartner nur antwortet, also z.B. bei einem Verhör 2 1 0 oder einer Prüfung. Aber auch der Lehrer in einem klassischen Lehrgespräch oder ein Diskussionsleiter hat ein thematisches Programm für den Dialog. 17.3. Selbst in Dialogen, wo die Rollen des Fragenden u n d Antwortenden wechseln, hat derjenige, der das Gespräch beginnt, sehr o f t ein weitreichendes Redeprogramm: Er will einen Sachverhalt erfahren, er will mit jemandem über ein bestimmtes Thema diskutieren, er ist nicht früher zufrieden, als bis der ihm vorschwebende Fragenkomplex hinreichend behandelt ist usw. Wenn der Angeredete das Thema akzeptiert — was nicht nur bei Prüfung, Lehrgespräch und geleiteter Diskussion Voraussetzung für einen erfolgreichen Dialog ist — hat der Dialog einen auf ein Thema eindeutig bezogenen Zusammenhang. 2 1 1 Ein Dialog, wo man nicht weiß, worüber man reden soll, ist unbefriedigend. 209 Vgl. allgemein die Polemik Palek's (1970,130ff) gegen Katz-Fodor. 210 Vgl. Borodulina-Minina 1965,213. 211 In der Sprachpsychologie unterscheidet man zwischen initiativem und reaktivem
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Sehr oft entwickelt sich aber ein Thema aus einem anderen derart, daß der Dialog ganz anders endet, als beabsichtigt war . Dies ist aber nur graduell von der semantischen Entwicklung (s.o. 11.14.) von einem Thema zu einem anderen verschieden, wie sie in einheitlich konzipierten Texten zu beobachten ist. Besonders Gegenfragen und Korrekturen des Gesprächspartners können dem Dialog eine neue Wendung geben. 17.4. Welche Probleme des Dialogs haben nun Textsemantik und Textsyntax unter anderem zu klären? Etwa die Form von Antworten auf vorgegebene Fragen, wie z.B. die Möglichkeit elliptischer Antworten 212 in folgenden Beispielen: (173a) Wer ist gekommen? — (b) Peter (ist gekommen). Nach emphatischer Frage auch: (173b') Peter ist's./Es war Peter. (174a) Ist Peter gekommen? - (b) Ja, (Peter (ist gekommen))./Ja, er ist gekommen./* Ja, er .φ Nein(. . . ) (174aj) Ist Peter nicht gekommen? - ( b j ) Ja, (er ist gekommen). φ Nein, (er ist nicht gekommen). (174a2) Ist Peter nicht gekommen? — (b2) Nein/*Ja (er ist nicht gekommen). φ Doch (er ist gekommen). 213 (175a) Warum ist Peter nicht gekommen? — (b) (Er ist nicht gekommen,) weil er krank ist./Wegen seiner Krankheit./Er ist krank. (176a) Ist Peter gekommen oder nicht? — (b) *Ja/*Nein/Er ist nicht gekommen./^Das zweite (trifft zu). Die möglichen Antworten auf Wortfragen (173a, z.T. 175a), Satz- oder Entscheidungsfragen (174), disjunktive Doppel- oder Wahlfragen (176a) sind also durchaus verschieden, wobei die jeweiligen Möglichkeiten wiederum in verschiedenen Sprachen unterschiedlich sind. Dazu kommen noch Probleme der Intonation (vgl. Gülich 1970) und der Funktionellen Satzperspektive (s.o. II. 11.), wie denn überhaupt alles bisher Besprochene auch für den Dialog von Bedeutung ist. Der Gebrauch von doch in (174b2) ist jedoch mit den bisher besprochenen textlinguistischen Mitteln ebensowenig zu beschreiben wie die negative Antworterwartung auf lateinische Sprechen. P.Ziff, Semantic Analysis (Ithaca, Cornell Univ.Press 1960) 79f, unterscheidet zwischen situationalen und Antwort-Äußerungen. 212 An Literatur zur Frage-Antwort-Responsion wären ferner zu nennen: Berkner 1962; Gunter 1963, 1966; IsaSenko 1965; Halliday 1967,210ff; Fillenbaum 1968; Ultan 1969; Wunderlich 1969b; Dressier 1970a, 205f; c , 6 8 - 7 2 ; Longacre 1970,160ff; C.Garvey, The Structure of a Conversation Type. LSAMH 1970, 8 3 - 8 5 ; Pope 1971; Rohrer 1971; R.Lakoff 1972. Nicht mehr berücksichtigen konnte ich Ε. A. Moravcsik, Some Cross-Linguistic Generalizations about Yes-No Questions and their Answers. WPLU 7 (december 1971) 4 5 - 1 9 3 . 213 Vgl. frz. si, ital. si, si; certo.
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Fragen mit num „etwa gar?" und die positive bei nonne „nicht?". 214 Im Englischen entspricht die tag-question (174a' j) Peter came, didn't he? (174a'2) Peter didn't come, did he? Vgl. auch die schwer zu trennenden Suggestivfragen215 und Vergewisse· rungsfragen (vgl. II. 17.8.). 17.5.1. Dazu ist der bereits in das Gebiet der Pragmatik reichende Begriff der Präsupposition notwendig (vgl. III.5.). Präsuppositionen sind die stillschweigenden Voraussetzungen, die ein Sprecher beim Äußern eines Satzes annimmt. 216 So ist ein Fragesatz nicht nur Ausdruck echter oder gespielter Unwissenheit, sondern es wird zumindest die Existenz der erfragten Nominalphrasen vorausgesetzt: z.B. in der Frage (174a) wird die Existenz eines dem Sprecher und dem Angesprochenen bekannten Peter vorausgesetzt und die Möglichkeit, daß er gekommen ist. In (173a) wird vorausgesetzt, daß jemand gekommen ist. 17.5.2. Daß die Aufdeckung der Präsuppositionen gar nicht so einfach ist, zeigt Rohrer's (1971) Behandlung der Anfrage an Radio Jerewan, (177a) ob es wahr sei, daß Gagarin in Moskau einen Moskwitsch gewonnen habe mit der Antwort: (177b) Im Prinzip ja. Es war aber nicht Gagarin, sondern sein Bruder, außerdem war es nicht in Moskau, sondern in Minsk. Ferner war der Moskwitsch gar kein Moskwitsch, sondern ein Fahrrad, und der Bruder Gagarin's hat es nicht gewonnen, sondern es wurde ihm gestohlen. Nach Rohrer (1971,114) werden in der Antwort „die gesamten Präsuppositionen des Fragenden als falsch bezeichnet". M.E. wird jedoch die Existenz von Gagarin, Moskau, der Automarke Moskwitsch und der Möglichkeit, ein solches Auto zu gewinnen, keineswegs geleugnet, sondern nur die gefragte Relation zwischen diesen vier präsupponierten Elementen. Eine Leugnung der Präsuppositionen würde nämlich durch Gegenäußerungen erfolgen wie (177b j) Wer ist Gagarin? (b2) Ich kenne keinen Gagarin, ( b j ) Einen Moskwitsch kann man doch nicht gewinnen, usw. Ein Problem bietet auch die Form der Antwort (177b): Eigentlich/Im 214 Im Deutschen entspricht einerseits (174a2) mit fallender Endintonation, andererseits (174aj), s. Dressler-Gabriel 1970. 215 Wie ist z.B. die Göbbels'sche Suggestivfrage zu fassen: (177) Wollt ihr Butter oder Kanonen? 216 Zu Fragesätzen s. Ultan 1969,51; Rohrer 1971; R.Lakoff 1972, vgl. u. III.5.
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Prinzip ja, aber... , die weitgehend dasselbe wie Eigentlich nein, denn.. . bedeutet. Derartige Antworten scheinen nur möglich zu sein, wenn der Antwortende ähnliche wie die erfragten Relationen annimmt. 217 Mit der Frage Wo warst du? setzt der Fragende voraus, daß der Gefragte sich an einem anderen Ort als jetzt befunden hat ; eine Antwort Irgendwo ist daher nicht informativ, eine Antwort Hier überraschend, sofern das hier des Antwortenden mit dem hier des Fragenden identisch ist. 17.6.1. Bisher haben wir die Verneinung der erfragten Relation zwischen präsupponierten Elementen und die Verneinung der Präsuppositionen des Fragenden besprochen. Dazu kommt noch ein weiterer Typ negativer Antworten oder Gegenäußerungen wie (178a) Ist Peter gekommen? - (b) Ich verweigere die Antwort, (c) Sie haben kein Recht zu dieser Frage, (d) Das wissen Sie doch selbst, (e) Sie Dummkopf! (f) Heute fragen Sie mich das! (g) Hier dürfen Sie doch nicht von Peter reden! (h) Wie soll ich das wissen? (i) Nicht so laut/Pst! usw. Alle diese Antworten leugnen die Angemessenheit der Frage im Mund des Fragenden (b,c,d,e) an den Gefragten (b,h) zu diesem Zeitpunkt (b,f) oder an diesem Ort (b,g) oder in dieser Form (i). Das ist aber ein Problem der Pragmatik der aktuellen Sprechsituation (s. Ill.lf.). 2 1 8 Diese Sprechsituation könnte verbalisiert werden durch (179) Ich frage Sie hier jetzt (usw.), ob . . . ^ Ich möchte . . . von Ihnen wissen, ob . . . « Sagen Sie mir . . . , ob . . . ! 17.6.2. Ein pragmatisches Problem ist auch die Koreferenz von Sprecher und Hörer im Dialog, 219 z.B. im Telefongespräch (180) Bist duj jetzt dortj? - Ja, ichj bin hierj. 17.7. Textlinguistisch zu behandeln sind aber auch u.a. nichtkategorische Antworten wie (181) Vielleicht./Ich hoffe./Kann sein. (182) Ich weiß (es) nicht, Ausweichende Antworten, wenn z.B. die Antworten (181f) nicht ernst gemeint sind; Mehrfachfragen 220 wie (183a) Wer hat wen wo gesehen? — (b) Hans Maria in München. Die elliptische Antwort (183b) muß die Wortfolge der Frage imitieren. Er217 Zu im Prinzip, eigentlich, genaugenommen vgl. auch ο. II. 4.3.1. 218 Die Ablehnung einer Präsupposition sollte von der Zurückweisung der Angemessenheit (im Sinne von Austin's "happiness") möglichst geschieden werden; anders Wunderlich 1969b, 277. 219 Thümmel 1968,147; Wunderlich 1971. 220 Von Wunderlich (1969b, 285 Fn. 23a) irrig als inkorrekt angesehen.
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weiternde (und oft zugleich elliptische Antworten) wie (184) Ist er hier? - (Ja, aber) nur kurz. Gegenäußerungen können nicht nur auf Fragen, sondern auch auf Befehle und Behauptungen hin erfolgen. Dann könnte man statt von Antworten besser von Stellungnahmen sprechen, vgl. (185) Er ist hier. — ((Ja) aber) nur kurz. 17.8. Fragen können zugleich Befehle, Aussagen Befehle oder Fragen sein. 221 So verbindet sich in den rhetorischen Fragen 222 Behauptung und Frage: Vom Gesprächspartner erwartet der Fragende keine Antwort, da sie implizit bereits in der rhetorischen Frage gegeben ist, z.B. auf einem Tiroler Grabkreuz (186) In diesem Grab liegt Anich's Peter Die Frau begrub man dann erst später Man hat sie neben ihm begraben Wird er die ewige Ruh nun haben? Der Fragende kann aber selbst antworten, wodurch (meist!) keine neue Information vermittelt wird, z.B. auf einem anderen Tiroler Grabkreuz: (187) Hier liegt begraben unser Organist. Warum? Weil er gestorben ist. Wenn eine rhetorische Frage gegen die Absicht des Fragenden vom Gesprächspartner beantwortet wird, liegt eine Korrektur oder Bestätigung seiner impliziten,Behauptung vor, so als nach der Landung der Alliierten in Italien der noch immer monarchistische Philosoph Benedetto Croce seiner Zuhörerschaft die rhetorische Frage (188) Wollen wir also die Wiedereinsetzung des Königs? stellte und unerwartet die donnernde Antwort Nein! erhielt. 17.9. Gegenäußerungen können auch Frageform haben, 223 z.B. Rückfragen wie Warum?, die pragmatischer Natur ist. Eine Echofrage liegt vor in (189a) Du hast heute nichts gegessen! — (b) Ich habe (heute) nichts gegessen? Hier richtet sich die Frage gegen die Behauptung des Partners, während die unwillige Gegenfrage (189b') Ich soll (heute) nichts gegessen haben? auch die pragmatische Angemessenheit der Behauptung in Frage stellt Wie kommen Sie darauf?!). Eine Papageienfrage 224 liegt vor in 22T 222 223 224
Vgl. Sadock 1 9 7 0 ; Dressler-Gabriel 1 9 7 0 . Vgl. Gülich 1 9 7 0 , 2 2 2 f f . Vgl. Berkner 1 9 6 2 , 2 0 8 f f . Sadock 1 9 6 9 , 3 3 3 f f , w o auch über Echo- und Papageien-Imperative und -Behauptungen; vgL noch Bally 1 9 3 0 , 3 3 3 f .
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(190) Du hast heute nichts gegessen! — Du hast heute nichts gegessen? wo der zweite Sprecher das du nicht durch koreferentes ich ersetzt, weil er z.B. die Frage nicht verstanden hat. Bei Echo- und Papageienäußerungen kann bzw. muß z.T. auch die Intonation imitiert werden. Die Problematik, wozu man überhaupt ein Gespräch führt., ist eindeutig eine pragmatische (s. I l l . l f . ) .
Direkte u n d indirekte Rede 18.1. Direkte und indirekte Rede sind die Wiedergabe mindestens einer (meist vergangenen) Äußerung mindestens einer Person (die mit Sprecher oder Hörer identisch sein kann). In der Schulgrammatik wird, wie es unserem natürlichen Empfinden entspricht, angenommen, daß die indirekte aus der direkten Rede abgeleitet bzw. transponiert wird. Bei dem Versuch einer exakten Transposition der direkten in die indirekte Rede stößt man aber auf große Schwierigkeiten, 225 wie die folgenden Berichte Maria's über Peter in direkter und indirekter Rede zeigen: (191a) Peter sagte: „Ich kann den Kerl nicht ausstehen. Er ist widerlich". (191b) Peter sagte, daß er Hans nicht mag./ Er möge Hans nicht. Denn er sei widerlich. (192a) Als er merkte, daß das von ihnen gekaufte Landhaus viel kleiner ist, als er es erwartete, sagte Peter: „Uff! Klein, aber mein. Das tut weh". (192b) . . . sagte Peter, *daß Uff! Klein aber mein. Das täte weh/daß das weh tut. (192c) zeigte sich Peter erstaunt und schmerzlich berührt, auch nicht getröstet durch den Gedanken, daß eigener Besitz, auch wenn er klein sei, etwas schönes wäre. (191b) wird als korrekte indirekte Wiedergabe von (191a) empfunden, (192b) ist unmöglich, (192c) eine Paraphrase von (192a). 18.2. Direkte Rede sowie wörtliches Zitat beanspruchen, den Wortlaut der gehörten oder gelesenen Äußerung wiederzugeben, d.h. die textsemantische Basis oder die Bedeutung der vernommenen Rede soll in der Wiedergabe vollständig bewahrt bleiben. Zugleich schlüpft der Sprecher in die Rolle des anderen. 2 2 6 Wenn man eine eigene, früher geäußerte Rede wiedergibt, 225 Gallagher 1970; Lee 1970;Sadock 1970,233f; Wunderlich 1971,172; Weinrich 1971,176ff. 226 Man versucht sogar oft, die Intonation zu ändern und individuelle oder dialektale
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wird ebenfalls die frühere Sprechsituation berücksichtigt, so daß zwei Sprechsituationen übereinander liegen. Z.B. in den eben genannten Beispielen könnte man durch Gebrauch sog. performativer Verben, die den Kommunikationsakt ausdrucken, folgendermaßen verbalisieren: (193) Ich (=Maria) sage Euch jetzt, daß Peter zum Zeitpunkt Λ: am Ort y zu ζ sagte, daß . . . dabei wird gewöhnlich das untergeordnete performative Verbum und die gesamte untergeordnete Sprechsituation viel eher verbalisiert als die übergeordnete. 227 Indirekte Rede beansprucht nicht, den Wortlaut getreu wiederzugeben, sondern nur den Sinn, wozu sowohl das Thema und die thematische Basis als auch der Zweck, die Pragmatik der wiedergegebenen Rede zu rechnen sind. 228 Dies ist ein weiteres Argument für die Annahme einer textthematischen Basis, denn nur so kann die behauptete Transposition der indirekten aus der direkten Rede aufrecht erhalten werden. Natürlich liegt nicht eine Transposition der aktuellen direkten Rede in ihrer äußerlichen Oberflächenform vor. Sondern die indirekte Rede wird unmittelbar aus der textthematischen Basis der direkten Rede abgeleitet oder aus einer Zwischenstufe zwischen dieser Basis und der Oberflächenstruktur. 18.3.1. Gegner einer solchen Ableitung übersehen oft zweierlei: 1) ist auch oft bei direkter Rede der Anspruch der wortgetreuen Wiedergabe nicht aufrecht zu halten: so werden in historischen Werken, die vor der Zeit der modernen Geschichtsschreibung verfaßt worden sind, oft direkte Reden eingestreut, ohne daß sie wortgetreu sein können. Dasselbe gilt auch von Zeugenaussagen, die infolge der Begrenztheit des Gedächtnisses oft nicht den genauen Wortlaut gehörter Äußerungen in direkter Rede reproduzieren? 283 18.3.2. Es gibt Zwischenstufen zwischen direkter und indirekter Rede, besonders die .erlebte Rede' (style indirect libre). 229 Wenn z.B. jemand an der Türe oder am Telephon nach der Frau des Hauses mit den Worten (194a) Ich wünsche die gnädige Frau zu sprechen, verlangt, so wird ihr dies kaum in direkter Rede mitgeteilt, d.h. Sprechweise nachzuahmen. Wenn man eine eigene, früher geäußerte Rede wiedergibt, wird ebenfalls die ursprüngliche Sprechsituation berücksichtigt. 227 Vgl. auch Wunderlich 1971,168ff, 181; 1969a, 101; Kummer 1968,60ff. 228 Vgl. Wunderlich 1971,179. 228a Vgl. A. Trankell, Der Realitätsgehalt von Zeugenaussagen. Göttingen, Vandenhoeck 1971. 229 Bally 1930; H. Seidler, Allgemeine Stilistik (Göttingen, Vandenhoeck 1963) 309ff; L.DoleSel, Vers la stylistique structurale. TLP 1 (1964) 2 5 7 - 2 6 6 (260ff); E. Cane, II discorso indiretto libero nella narrativa italiana del Novecento. Milano, Silva 1969; Wunderlich 1969a, 100; Weinrich 1971,177f.
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(194b) Draußen/Am Telephon ist ein Herr, der sagt: „Ich wünsche die gnädige Frau zu sprechen". Etwas häufiger mag schon die indirekte Rede (194d,e) verwendet werden: das normale wird aber die erlebte Rede sein: (194c) Draußen am Telephon wünscht ein Herr dich/Sie/die gnädige Frau zu sprechen. Hier ist die Grenze zum erzählenden Bericht bzw. zur Paraphrase, wo der Anspruch auf Worttreue wegfällt, oft schwer zu ziehen. Ein Kriterium ist die Intonation, je nach dem ob sie nur die des Berichtenden ist oder ob dieser den ursprünglichen Sprecher imitiert. 18.3.3. Aber es gibt auch andere Kriterien, die Mischformen von direkter zu indirekter Rede abzustufen, z.B.: Werden fremdsprachige Zitate ganz oder teilweise in der Originalsprache wiedergegeben oder übersetzt? z.B. (195) Saussure sagte, die Sprache sei ein System / systeme oü tout se tient. Dieses Beispiel ist ein Teilzitat. 2) Wird in Sprachen wie im Deutschen und z.T. in romanischen Sprachen der Indikativ durch den Konjunktiv ersetzt? 230 (194d) Ein Herr sagt, er wünscht/wünsche,dich zu sprechen. 3) Wieweit tritt Pronominalverschiebung ein? 231 Beim Beispiel (194e) Ein Herr sagt, er wünsche die gnädige Frau zu sprechen ist ich zu er verschoben, gnädige Frau aber nicht in dich/Sie verwandelt. Wenn der Berichterstatter die verlangte Frau des Hauses sonst mit du oder Sie anredet, so ist die Beibehaltung von gnädige Frau ein (u.U. auch durch Intonation unterstrichenes) Zitat. 4) Werden weiters auf Sprecher und Angesprochenen bezügliche (pragmatische) Elemente verschoben, z.B. hier - dort oder kommen (meist zum Sprecher hin) — gehen? Gleason (1968,49) zitiert das folgende Gespräch zwischen Vater, Mutter und Kind: (196) Father: ,Go to mother' - Child: ,What did he say?' Mother: ,He said, come to me'. 5) In der Basisstruktur ist jede direkte Rede ein Ergänzungssatz (z.B. daßSatz) zu einer expliziten oder impliziten Redeeinleitung durch ein Verbum des Kommunizierens. 232 230 Härtung 1964,103ff; H. Krenn, Die sprachwissenschaftliche Frage der Semantik und Funktion, erörtert an den Gegebenheiten der consecutio temporum im Italienischen. Diss., Frankfurt/Main 1966. 231 Wunderlich 1969a, lOOff; Jäger 1970; Postal 1970,493; Pike-Lowe 1969. 232 Sadock 1969; Härtung 1964,103ff; Wunderlich 1969a.
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In manchen Sprachen kann sich dies auch in der Oberflächenstruktur auswirken. So kann, aber muß nicht im Altgriechischen auch eine lange mehrsätzige direkte Rede durch höti „daß" eingeleitet werden, was gewissermaßen einen Übergang zur indirekten Rede herstellt. Ähnliche Phänomene gibt es im Altindischen, Altirischen und Hethitischen. 6) Bis zu welchem Grad ist vom Wortlaut der ursprünglichen Äußerung abstrahiert? 7) Vokative, Interjektionen, Satzwörter (z.B. Feuer]) scheinen auf die direkte Rede (im strikten Sinn) beschränkt zu sein. 8) Bei einer generativen Darstellung kann man diese Abstufung dadurch beschreiben, daß man anzugeben versucht, auf welcher Zwischenstufe der Ableitung der direkten Rede zwischen thematischer Basis- und Oberflächenstruktur die indirekte Rede hergeleitet wird.
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III. T e x t p r a g m a t i k
1.1. In diesem Buch wurde schon o f t auf die Textpragmatik als die hinter der Textgrammatik (im engeren Sinn) stehende Ebene der Textkonstitution verwiesen. 233 Die Pragmatik behandelt die Beziehung eines sprachlichen Elements zu seinen Erzeugern, Verwendern und Empfängern in der Kommunikationssituation. 2 3 4 Eine textpragmatische Behandlung dieses Buches (vgl. II.2.2.mit (14)) müßte also zumindest behandeln, was sein Autor damit bezweckt, an wen er sich wendet (intendierter Empfänger) und in welcher Absicht, in welcher Situation er dies tut, welche impliziten Voraussetzungen (Präsuppositionen) angenommen werden, welches Trägermedium (z.B. billiges Sachbuch) gewählt wird usw. Die einfachste Darstellung würde durch einen performativen Hypersatz (vgl. 11.18.2.(193)) des Textthemas erfolgen, und zwar in simplifizierter F o r m (197) Hyperproposition des Textes
textthematische Basisproposition es enthält
die Textlinguistik
(Teilthemen des Buches)
233 ζ. Β. II. 1.2f., 2 . 2 . , 3.1.3., 3.2., 4 . 2 . 1 . mit Fn.60, 4 . 2 . 3 . , 5 . 1 . 6 . , 5 . 2 . 2 . , 5 . 3 . 4 . , 5 . 4 . 2 . , 5 . 4 . 2 . , 5 . 4 . 4 . 1 . , 7.1., 7.3.3., 10.1., 10.3.4., 11.2f, 12., 14.1. (Ende), 16.1.1., 1 6 . 2 . 5 . , 16.3.5f, 17.5f, 18.2. Zu Vorläufern in der antiken Rhetorik s. Lausberg 1960,52,375ff. 234 Wunderlich 1971; Kummer 1968, 1971a, b; G.Klaus, Die Macht des Wortes 5 (Berlin, VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften 1969); J. Habermas, Vorbe-
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Ä h n l i c h k ö n n e n a u c h m ü n d l i c h e T e x t e analysiert w e r d e n , sogar G e s p r ä c h e , s o w e i t ein G e s p r ä c h s p l a n vorliegt (II. 17.2.). E i n e V e r b e s s e r u n g d e r D a r s t e l l u n g k a n n d a n n e r r e i c h t w e r d e n , w e n n im p e r f o r m a t i v e n H y p e r s a t z n o c h w e i t e r e T i e f e n k a s u s o d e r H a n d l u n g s r o l l e n (vgl. I I . 9 . 2 f , 10.5.), z.B. Ziel (goal, p u r p o s e ) u n d I n s t r u m e n t a l ( T r ä g e r m e d i u m u n d nicht-verbale Begleith a n d l u n g ) u n d d r a m a t i s p e r s o n a e angesetzt w e r d e n . 1.2. N a c h W u n d e r l i c h ( 1 9 7 1 , 1 7 7 f ) e n t h ä l t die k o m m u n i k a t i v e S i t u a t i o n jed o c h viel m e h r E l e m e n t e : S e n d e r , E m p f ä n g e r , 2 3 5 S e n d e z e i t , 2 3 6 Ort u n d W a h r n e h m u n g s r a u m des S e n d e r s , die Ä u ß e r u n g in ihrer s y n t a k t i s c h p h o n o l o g i s c h e n F o r m , k o g n i t i v e r I n h a l t , 2 3 7 V o r a u s s e t z u n g e n in Wissen u n d F ä h i g k e i t e n des S e n d e r s , in seinen A n n a h m e n über diejenigen d e s E m p f ä n g e r s u n d über dessen O r t u n d W a h r n e h m u n g s r a u m , in d e n sozialen B e z i e h u n g e n z w i s c h e n S e n d e r u n d E m p f ä n g e r , f e r n e r die I n t e n t i o n d e s S e n d e r s u n d die I n t e r r e l a t i o n z w i s c h e n S e n d e r u n d E m p f ä n g e r . 2 3 8 In das z e n t r a l e P r o b l e m der T e x t g r a m m a t i k f ü h r t W u n d e r l i c h ' s Beh a u p t u n g , zu d e n V o r a u s s e t z u n g e n g e h ö r e a u c h das V e r s t ä n d n i s vorausgegangener Ä u ß e r u n g e n . Dies b e d e u t e t implizit, d a ß es n i c h t e i n e eigene t e x t g r a m m a t i s c h e E b e n e gebe, s o n d e r n d a ß die P r a g m a t i k eines T e x t e s die S u m m e d e r S a t z p r a g m a t i k e n o d e r d o c h d e r P r a g m a t i k e n e i n z e l n e r Sprecha k t e d a r s t e l l e . 2 3 9 Dies b e d e u t e t p r a k t i s c h eine e r w e i t e r t e W i e d e r h o l u n g der p r ä t e x t l i n g u i s t i s c h e n A n s i c h t , ein T e x t sei die S u m m e seiner S ä t z e . Es wird d a b e i vergessen, d a ß ein T e x t als ganzes e i n e B e z i e h u n g zu s e i n e m A u t o r u n d E m p f ä n g e r h a t , d a ß m i t i h m als g a n z e m e t w a s b e z w e c k t w i r d
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reitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, in: J. Habermas - N.Luhmann, Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie (Frankfurt, Suhrkamp 1971) 1 0 1 - 1 4 1 ; Joas-Leist 1971; G.Wotjak, Zu einer Begriffsbestimmung der Pragmatik (Thesen). Linguist. Arbeitsberichte 4 (Leipzig 1971) 5 4 - 6 1 ; älteres zum Kontext bei Slama-Cazacu 1961. Beide identisch beim Selbstgespräch; ebenso beim egozentrischen Sprechen des Kleinkinds (vgl. Weir 1962 zu kindlichen Monologen)? Bei Buch und Schallplatte oft von der Empfangszeit weit getrennt, vgl. auch Wunderlich 1970, 96ff. D.h. die Pragmatik enthält in sich die Semantik, diese wieder die Syntax, diese wieder die Phonologie. Dazu gehört die Klassifikation der kommunikativen (performativen) Prädikate: Will der Sender den Empfänger durch den Text informieren (Darstellungsfunktion), präskriptiv zu einer Wertung oder zu einem Verhalten veranlassen (Auslösungsfunktion) oder selbst etwas bewerten (Bewertungsfunktion) oder seine Gefühle ausdrücken (Kundgabefunktion): Von diesen kommunikativen Prädikaten leiten sich Modalitäten ab (III. 3. ). Implizit so die meisten Generativisten und viele Anhänger der Funktionellen Satzperspektive, vgl. noch W.Kummer, Rheda.
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(illocutionary force nach Austin 1962). Die Kodierung und Sendung eines Textes ist eine intentionale, finale kommunikative Handlung. 240 Petöfi (passim) hat hingegen die Notwendigkeit erkannt, einen eigenen textpragmatischen performativen Hypersatz für den ganzen Text anzunehmen. Ähnliches plant jetzt T.vanDijk, der bisher (vgl. 1969) als höchste Ebene die Textsemantik (inklusive Textthema) angesetzt hat: Dies mag noch eher für Textanalyse (als Interpretation) als für ein Studium der Textkomposition hinreichen. 1.3. Nehmen wir als Beispiel das folgende Satzpaar (198) Ich verspreche Ihnen, bald mit diesem Kapitel fertig zu sein. Ich werde nur noch wenige Seiten brauchen. Nicht nur gilt für beide Sätze dieselbe kommunikative Situation zwischen Autor und Lesern, sondern sie haben auch dieselbe illokutionäre Funktion (illocutionary force), sofern der zweite Satz ebenfalls ein Versprechen ist (besonders wenn verstärkt durch wirklich) und nicht eine erklärende Feststellung oder Vorausschau (verdeutlicht durch denn, nämlich).241 D.h. es gelten für beide Sätze die pragmatischen Bedingungen für Versprechen, wie sie z.B. Searle (1969,54ff) beschrieben hat, z.B. daß der Empfänger es vorzieht, daß der Sender das Versprechen erfüllt und nicht das Gegenteil, ferner daß der Sender dies voraussetzt, weiters daß es Empfänger und Sender nicht klar ist, daß der Sender die versprochene Handlung normalerweise ohnedies durchführen würde usw. 2. Ebenso gelten die besonders von H.P.Grice 242 untersuchten Konversations- und Handlungspostulate 243 für ein ganzes Gespräch oder einen großen zusammenhängenden oder auch unterbrochenen Teil davon, ζ. B. die Erwartung, daß es 1) der Gesprächspartner ernst meint (sincerity condition) — außer wenn dieser verbale oder nicht-verbale Lügensignale 2 4 0 S.Schmidt ( 1 9 7 1 ) sowie LBer 2 ( 1 9 6 9 ) 6 4 - 6 9 und Rheda, entwickelt eine Handlungstheorie der Sprache, deren Grundeinheit Texte sind. Vgl. zur Dialoglogik I V . 8 . 2 . , und G.Gebauer, Wortgebrauch, Sprachbedeutung. München, Bayer. Schulbuch-Verlag 1971. Nach Schmidt sind soziale Interaktionsmuster grundlegender als die Pragmatik. 241 Obwohl er auch in diesem Fall auf den Leser als Versprechen wirkt ("perlocutionary force" nach Austin 1962). 2 4 2 The logic of conversation (1968,Mimeo). Einige seiner Maximen, nach denen sich der Sprecher zu richten hat, lauten: "Make your contribution as informative as is required! Try to make your contribution o n e that is true! Avoid obscurity of expression! Avoid ambiguity! Be brief! Be orderly!" Diese Postulate müssen aber noch soziologisch differenziert und linguistisch ausgearbeitet werden! 2 4 3 s.D. Gordon-G. Lakoff, Conversational Postulates. CLS 7 ( 1 9 7 1 ) 6 3 - 8 4 ; Habermas (am F n . 2 3 4 a.O.) 118f; weiteres bei R.Lakoff 1 9 7 1 , 1 2 f ; cf. II.3.1.2.
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sendet 244 —, 2) daß er einen Grund für seine geäußerten Behauptungen, Fragen, Aufforderungen usw. hat (reasonableness condition) — außer er ist oder spielt verruckt —, 3) daß er die gesamte für die Konversation relevante Information vermittelt (cooperative principle). Dagegen verstößt z.B. ein Zeuge eines Mordes, wenn er (199a) statt (199b) oder (199c) sagt: (199a) Jemand versuchte Herrn X zu töten. (199b) Jemand tötete Herrn X. (199c) = (199a) + Und es gelang ihm auch. Derartige Verstöße sind aber wieder für die Äußerungen eines Schuldigen im Verhör, überhaupt für ausweichende Antworten 245 und für Untertreibungen (understatements) typisch. Ferner erwartet man vom Gesprächspartner 4), daß seine Handlungen intentional sind — außer etwa bei Sprechen im Trancezustand oder unter Zwang, wo aber z.B. geäußerte Versprechen auch nicht als verpflichtend gelten —, 5) daß er Normen folgt, die ihm gerechtfertigt erscheinen, was sich mit 2) berührt. Die Erfüllung oder Nicht-Erfüllung solcher Postulate ist charakteristisch für ganze Textsorten und für durch große Textstücke hindurch konstant gehaltene Sprechhaltungen. M.a.W. nur eine Textpragmatik scheint die Grundlage für eine Typologie der Textsorten abgeben zu können. 246 3.1. Textpragmatische Angemessenheit (vgl. II. 17.6.1.) wäre dann zu fassen als Übereinstimmung des Gesamttextes in seinem Typ und in seiner aktuellen Ausformung mit den allgemeinen und spezifischen pragmatischen Bedingungen. Nicht-wohlgeformt wäre etwa eine Gerichtsrede als persuasorischer Text, die entweder die Geschworenen beleidigt und vor den Kopf stößt oder Argumente gegen den eigenen Standpunkt einflicht, ohne sie zu widerlegen. Das pragmatische Prädikat des Überzeugens (Ich versuche euch zum Glauben zu bringen, daß) wäre im ersten Fall durch ein untaugliches, ja gegenwirkendes Mittel paradox geworden, im zweiten Fall an den betreffenden Textstellen nicht einmal durchgehalten. 3.2. Ein weiteres Argument für eine textpragmatische Basis ist die Existenz textpragmatischer Austauschbarkeit oder kommunikativer Totalvariation (Ungeheuer 1969) in starrem Kontextrahmen. 244 s. H.Weinrich, Linguistik der Lüge (Heidelberg, Schneider 1970). Alle fiktionalen Texte (Theater, Roman, Novelle, Erzählung, Legende usw.) gehören auch hierher. 245 Hier gilt die aus 3) abzuleitende Erwartung, daß der Gesprächspartner zum Thema spricht, außer wenn er den Ubergang zu einem anderen Thema signalisiert. 246 Vgl. Rheda. Auch das Trägermedium (gesprochene Sprache, Schrift, Denken, mit Unterteilungen) spielt dabei eine Rolle, s. Wackemagel-Jolles 1971,84ff.
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In seinem Roman „Das Ministerium für Sprichwörter" (Frankfurt, Fischer 1970) erfindet Otto Grunmandl einen Konverterraum, in dem Situationen produziert und fixiert werden, um in ihnen Sprichwörter auszutauschen, und gibt als Motto (S.64): „Die Gegenüberstellung von Sprichwörtern, die das Gleiche auf so verschiedene Weise besagen, daß es nicht mehr das Gleiche bleibt. Der kategorische Imperativ oder Was du nicht willst, daß man dir tu, das füg auch keinem anderen zu oder Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. " (vgl. S. 121 f). - Als Warnung an jemanden, der einem anderen etwas antun will, mögen die beiden Sprichwörter und der kategorische Imperativ Kant's (freilich mit bedeutendem Stilunterschied) dieselbe pragmatische Funktion haben, und zu gewissen Adressaten geäußert austauschbar sein, obwohl thematischer und semantischer Gehalt ebenfalls verschieden sind. Das zweite Sprichwort mag ζ. B. als Warnung ausgesprochen den Sinn (illocutionary force) eines Imperativs haben, es ist aber kein kategorischer, so.ndern ein hypothetischer Imperativ, da es den pragmatischen Sinn Tu dies nicht, weil direkt mit zu erwartenden Folgen begründet. 3 3 . Eine „fixe" Situation mit pragmatischen und sozialen Bedingungen gilt für eine ganze Konversation zwischen gleichbleibenden Sprechpartnern. Der relative soziale Status der Sprechpartner zeigt sich ζ. B. in den Höflichkeitsformen: 247 müssen ist als Zwang an und für sich unhöflicher als dürfen. Wenn aber eine Gastgeberin zu einem Gast sagt (200a) Du mußt ein Stück Torte nehmen so ist dies höflicher als (200b) Du darfst ein Stück Torte nehmen. (200b) ist nämlich herablassend, macht den Gast zu einem untergebenen Abhängigen und setzt voraus, daß die Gastgeberin die selbstgemachte Torte für sehr gut hält und dies offen zum Ausdruck bringt, und daß der Gast sich danach drängt, von der Torte zu nehmen, was ihn für unhöflich halten heißt und daher wieder selbst unhöflich ist. 248 Ganz anders verhält es sich mit (200a) und (200b), wenn eine Mutter diese Sätze zu ihrem kleinen Kind sagt: (200b) ist dann normal, denn das Kind ist abhängig und wird für gefräßig gehalten; (200a) bedeutet einen unangenehmen Zwang, der dem unwilligen, vielleicht auch schon satten Kind aufgenötigt wird. Wieder anders steht es mit (200a,b) in einem Ge2 4 7 s. R.Lakoff 1971. Zum Sietzen, Dützen u.ä. im Russischen vor und nach der Oktoberrevolution vgl. P.Friedrich, Structural Implications of Russian Pronominal Usage, in: W.Bright, ed. Sociolinguistics (Haag, Mouton 1 9 6 6 ) 2 1 4 259. 2 4 8 Vgl. R.Lakoff 1 9 7 1 , 5 f f .
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sprach unter besonders vertrauten Freunden, die sich miteinander gerne auf witzelnd ironische Weise unterhalten. Sowohl in diesem Fall als auch bei der Anrede an das Kind ist der natürliche Tonfall jeweils anders als bei der anfangs erwähnten Party-Situation. 3.4. Wir sehen also, wie der Gebrauch der Modalitäten, 249 die aus jeweils verschiedenen performativen Hypersätzen abgeleitet werden (s.o.III. 1.1.,11. 18.2.,17.6.1.), von der Sprechsituation abhängt. Daher können Modalitäten nicht ohne weiteres miteinander verbunden werden. Richtig sind ζ. B. (201a) Ich gehe weg. (b) Bleibst du hier? (202a) Ich gehe weg. (b) Bleib du doch hier! aber nicht (203a) Ich gehe weg.*(b)Und/Oder/Aber bleibst du hier? / Und/Oder bleib du doch hier! Die Variante von (203b) Oder bleibst du hier? ist nur möglich, wenn mit der Frage zugleich die Annahme verbunden ist, daß der Angesprochene nicht da bleiben wird (vgl. II. 16.4.5. Fn.208). Eine ähnliche Erwartung ist notwendig bei (203b') Und du bleibst hier? Dabei ist der Übergang von der sicheren zur bloß möglichen Welt, wie wir schon bei der Koreferenz gesehen haben (s. II.4.2.1.) noch leichter als umgekehrt. So kann, wenn ich mich nicht recht täusche, zwischen (204a) und (204b) (204a) Bleibst du hier? /Bleib doch hier! (b) Ich gehe weg. niemals eine der Konjunktionen und, oder, aber gesetzt werden, höchstens im Fall, daß der Angesprochene auf (204a) zustimmend/bejahend reagiert und der erste Sprecher darauf schuldbewußt (o.ä.) ausruft (exklamativ): (204b') Und ich gehe weg! 4.1. Modalitäten binden also Sätze zu Textstücken zusammen. 250 Dieselbe Funktion hat, viel allgemeiner, die Intention des Senders und Empfängers des Textes. So ist es die einigende Intention des Autors, 251 die dafür verantwortlich ist, welche Sätze überhaupt in einem Text stehen, besonders deutlich dann, wenn einzelne Sätze nicht genügend miteinander zusammenhängen oder einander sogar zu widersprechen scheinen. Das andere Extrem sind stereotype Abfolgen von Klischees. 249 Vgl. II.4.2.1. mit Fn. 60, II. 5.2.2. Es kommt immer nur auf die jeweilige für den Text relevante Welt des Sprechers und seine Vorstellung von der Welt des Hörers an, vgl. Ebert 1971,17lf; Lakoff 1968b; Searle 1969. 250 Vgl. Dressler 1970e § 4.3. 251 s. Palek 1970,142; cf. Harweg 1969 zu monotopen und polytopen Texten.
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Andererseits gibt es auch eine Empfängerintention. Der Leser erwartet, daß die ihm in einem Text vorgesetzten Sätze irgendwie miteinander zusammenhängen. Die normale Aufgabe des Autors ist es, den Textzusammenhang in einer Weise aufzuzeigen, die die Erwartungen (vgl. 11.12.) des Lesers befriedigt. Als Beispiel diene der erste Absatz von Robert Musil's „Mann ohne Eigenschaften". (205a) Über dem Atlantik befand sich ein barometrisches Minimum; e s . . . Die Isothermen und Isotheren taten ihre Schuldigkeit. Die Lufttemperatur stand . . . Der Auf- und Untergang der Sonne . . . Der Wasserdampf in der L u f t . . . war gering. Obwohl semantische Kohärenz (s.II.1.,7.) und identische Erzählperspektive (s.II. 10.) gegeben sind, bleibt das Thema noch unklar, denn um einen Wetterbericht kann es sich nach Hörererwartung und Stil nicht handeln; auch müßte man zumindest wissen, für wen wo welches Wetter beschrieben wird. Das Thema des Abschnitts wird erst mit dem Schlußsatz des Absatzes (vgl. II. 15.1. mit (139)) gegeben: (205b) Mit einem Wort,. . .: Es war ein schöner Augusttag des Jahres 1913. 4.2. In der Beziehung Sender-Empfänger kommt dem Textanfang eine besondere Rolle zu (vgl. II. 13.1 f., 13.3.4.): Er erweckt spezifische Erwartungen im Empfänger und steckt den pragmatischen Rahmen ab. So spielt die Rücksicht auf den Empfänger eine besondere Rolle beim Briefanfang, aber auch bei Überschriften, besonders wenn Titel besondere Spannung erwecken sollen (vgl. Sandig 1971); bei Übersetzungen ändern sich daher oft Titel völlig. 5.1. Bereits im Zusammenhang mit Fragesätzen (II.17.5.) wurden die Präsuppositionen behandelt (vgl. auch schon in diesem Kapitel). Sie sind Sprecherannahmen 2 5 2 über Kontextbedingungen und müssen wahr sein, damit ein geäußerter Satz überhaupt wahr oder falsch sein kann. 2 5 3 Textlinguistisch sind sie in dreifacher Hinsicht relevant: 1) Gibt es Präsuppositionen für ganze Texte? 2) Wie entstehen und ändern sich Präsuppositionen im Verlauf eines Texts? 3) Inwiefern beeinflussen Präsupposi-
2 5 2 Die Annahmen des Hörers müssen vom Sprecher ebenfalls berücksichtigt werden. 2 5 3 Vgl. G. Lakoff, Linguistik und natürliche Logik (Frankfurt, Athenäum 1971) 3 8 f f (übersetzt aus: Linguistics and Natural Logic. Synthese 2 2 ( 1 9 7 0 ) 1 5 1 - 2 7 1 ) ; Schmerling 1971; Kummer 1971a; W.Hass - R.Wall, LSAMH 1 9 7 0 , 7 3 f ; weiteres bei C. Rohrer, Kann man mit Montagues System die Präsupposition erfassen? 6.deutsches linguist. Kolloquium, Kopenhagen; A.von Stechow, Zur Theorie der Präsupposition. MPL 1 (1971) 1 - 1 8 . Ganz anders Heger 1 9 7 1 , 2 1 6 f f , 2 2 8 f f .
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tionen textgrammatische Regularitäten? Alle drei Fragen hängen eng miteinander zusammen. 5.2.1. Beginnen wir mit der dritten an Hand von Koreferenz (s. II.4.) und Aspekt (s.ll. 10.). Grosu 254 hat gesehen, daß die folgenden Beispiele textgrammatische (nicht-pragmatische) Regeln für Pronominalisierung und Koreferenz fragwürdig erscheinen lassen: (206a) * John and Bill entered the room, and he took off his coat. (206b) John and Napoleon/Napoleon and John entered the room, and h0 said he was going to make war on Russia. (206b) ist zum Unterschied von (206a) nur möglich, weil wir nur in (206b) die Referenz von he finden können. Daß wir aber als Antezedens von hi in (206b) Napoleon identifizieren, folgt nur aus der dem Sprecher und Hörer von (206b) gemeinsamen Präsuppositionen: (207a) Napoleon made war on Russia. (207b) John didn't make war on Russia. Vgl. noch das Beispiel (206c) Hans und Napoleon betraten das Zimmer und er sagte, auch er wolle Krieg mit Rußland führen. Wegen der Präsupposition (207a) [und (207b)? ] sind beide Pronomina er mit Hans koreferent. 2 5 5 5.2.2. Beispiel für den Aspekt sei die zweifache russische Übersetzung von Ich öffnete das Fenster: (208a) Ja otkryl okno. (perfektiver Aspekt) (208b) Ja otkryval okno. (imperfektiver Aspekt) (208a) kann verwendet werden, wenn das Fenster zur Sprechzeit noch offen ist, (208b) wenn es bereits wieder geschlossen wurde. Die Handlung des Schließens kann durch einen expliziten Satz (im perfektiven Aspekt) Aber dann Schloß ich es wieder wiedergegeben werden. Dann hätten wir eine Art von Inzidenzschema vor uns (s. II. 10.2.3.). Wenn nur Satz (208b) geäußert wird, hätten wir eine Art implizites Inzidenzschema vor uns: Der inzidierende perfektivische Satz ist dann eine Präsupposition. 5.3. Frage 2) erlaubt eine kurze Antwort: Im Text entstehen neue Präsuppositionen dadurch, daß ein Vorgängersatz oder ein Teil eines Vorgängersatzes die Präsupposition für einen Folgesatz darstellt. Dieses Phänomen haben wir bereits II.6. unter dem Titel „logische Beziehungen zwischen 254 1 9 7 1 , 4 2 5 f ; cf. Y. Bar-Hillel, LInq 2 ( 1 9 7 1 ) 4 0 6 . 255 Dies gilt jedenfalls nicht, wenn im Vortext Karl XII von Schweden oder gewisse Mongolenfürsten erwähnt sind, denn dann kontrastiert Napoleon mit diesen und nicht Hans mit ihm.
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Sätzen" angeschnitten. Es zeigt sich besonders klar in expliziten Argumentationen. Außerdem entstehen Präsuppositionen durch Wahrnehmung und Analyse nicht-verbalisierter Ereignisse während der „Sendezeit" des Textes 5.4. Die Beantwortung von Frage 1) folgt aus Frage 2). Alle zur Erklärung eines beliebigen Satzes notwendigen Präsuppositionen, die nicht im Verlauf der Textproduktion entstanden sind, gehören der Klasse der Textpräsuppositionen an, also ζ. B. die für den Gesamttext relevante soziale Stellung von Sender und Empfänger oder die Konstanten der Sprechsituation. Es muß hier zwischen latenten Präsuppositionen, die praktisch dem gesamten Vorauswissen des Senders gleichkommen und die Menge der Sätze und Texte, die von ihm geäußert werden können, abgrenzen, und den für den gegebenen Text relevanten Präsuppositionen unterschieden werden. 5.5.1. Hier erheben sich m.W. bisher 2 5 6 kaum gestellte Fragen, ζ. B.: Wie lange ist die Lebensdauer einer Präsupposition? Dies hängt einerseits ζ. T. von der individuellen Gedächtniskapazität ab, andererseits von der Fähigkeit, inhärente Widersprüche zu erkennen. Drittens können Präsuppositionen durch eine Korrektur aufgehoben werden; in der Literatur oder im Film kann dies auch durch Signale erfolgen, die den Übergang von einer Traumwelt in die Welt der Wirklichkeit angeben. Viertens könnte man für wohlgeformte korrekturlose Textstücke in Anlehnung an C.Gutknecht 2 5 7 behaupten, daß kein Satz der Präsupposition eines anderen Satzes widersprechen darf. Fünftens scheinen vor Beginn des Textes bestehende Präsuppositionen langlebiger zu sein als durch Sätze des Textes entstehende. 5 . 5 3 . Bei schriftlich konzipierten Texten können Zeit der Abfassung und Zeit der Sendung (ζ. B. der Lektüre) weit auseinander liegen. Dadurch ändern sich die latenten Präsuppositionen des Empfängers, mit denen der Autor kaum rechnen kann. Falls ein solcher Text verlesen oder auswendig rezitiert wird, kommen noch die Präsuppositionen des Interpreten hinzu, die sich in der Intonation auswirken. D. h. der Text erhält dadurch zwei Sender. Wird der Text in mehreren Etappen konzipiert und umgearbeitet, ändern sich ebenfalls Präsuppositionen. Daher könnte die Art des Zusammenhangs der Präsuppositionen ein Kriterium der Texttypologie sein. 5.6. Die Textpragmatik stellt also den Text in seine kommunikative Situation. Bei dieser Situationseinbettung k o m m t es aber nur auf die jeweils
2 5 6 Erst nach Niederschrift dieses Kapitels fand ich z.T. ähnliche Gedanken bei Heger 1971,229ff. 257 C.Gutknecht, Präsupposition als ein Kriterium für Grammatikalität von Sätzen. LBer 15 ( 1 9 7 1 ) 3 2 - 3 9 .
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relevanten S i t u a t i o n s e l e m e n t e a n ; 2 5 8 auf sie allein weisen deiktische E l e m e n t e hin. Die Schwierigkeit der Analyse liegt darin, diesen Situationsk o n t e x t genügend zu spezifizieren. Es genügt nicht, mit Pike von Behaviorem o d e r mit Firth von " c o n t e x t of s i t u a t i o n " zu sprechen. A u c h Hasan's ( 1 9 6 8 , 6 f f ) Dreiteilung in 1) "relation t o h u m a n e x p e r i e n c e " , 2) "setting" Sprechsituation), 3) " p u r p o s e and s c o p e " Textfunktion) ist n o c h zu allgemein. Mit der Pragmatik verläßt der Sprachwissenschaftler zu einem Gutteil a n g e s t a m m t e n Boden und steht daher vor n o c h größeren Problemen als sonst in der Textlinguistik. Hier müssen K o m m u n i k a t i o n s theorie u n d andere Wissenschaften zu Hilfe k o m m e n und ζ. B. entscheiden, ob etwa ein folgendes S t e m m a sinnvoll ist: (209) K o m m u n i k a t i o n s a k t (Behaviorem)
Voraussetzungen
Text
Funktion(en)
2 5 8 In der Prager Schule der Funktionellen Satzperspektive spricht man von "narrow scene".
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Zur interdisziplinären Rolle der Textlinguistik
1.1. Bereits bei der Textpragmatik haben wir die Interdependenz mit der K o m m u n i k a t i o n s t h e o r i e gesehen. Ich denke hier weniger an die Informationstheorie, die die Frequenz von Textelementen, die Redundanz und Entropie in Texten untersucht, 2 5 9 sondern an Kommunikationswissenschaft im Sinne von Ungeheuer (1970): Sie läßt einen Text als sprachlich formulierten Gedankengang mit Thema und kommunikativer Intention auffassen und untersucht ganz allgemein das Wesen von Interaktionen zwischen den Kommunikationspartnern, ζ. B. ob Interaktionen symmetrisch oder asymmetrisch sind ( wichtig für den Dialog, 11.17.), wie es um die Rückkoppelung zwischen Sprecher- und Hörererwartungen steht, wie diese bestätigt oder korrigiert werden, wodurch Mehrdeutigkeiten entstehen usw. 2 6 0 Dabei können Übergangswahrscheinlichkeiten und Prognosen über die Textfortsetzung aufgestellt werden; ζ. B. ist eine Antwort-Äußerung umso länger, je länger die Frage-Äußerung ist. 261 1.2. Beim Dialog, ζ. B. beim Problem des Sprecherwechsels, spielen nicht nur sprachliche Mittel, sondern auch emotionaler Gesichtsausdruck (Mimik), Blickbewegung und -richtung, Gestik und Körperhaltung (Kinesik), interpersonale Distanz (Proxemik) und räumliche Orientierung 2 5 9 s. C.E.Shannon-W. Weaver, The Mathematical Theory of Communication. Urbana, Univ. of Illinois Press 1949 (Paperback 1963); G. Herdan, The advanced theory of language as chance and choice. Berlin, Springer 1966; C.Cherry, Kommunikationsforschung - eine neue Wissenschaft. 2 Frankfurt, Fischer 1967; W.Mcyer-Eppler, Grundlagen und Anwendungen der Informationstheorie 2 . Berlin, Springer 1969. 2 6 0 s. zu diesen Fragen P.Watzlawik-J.Beavin-D. Jackson, Menschliche Kommunikation. Formen, Störungen, Paradoxien z . Bern, Huber 1971 (übersetzt aus; Pragmatics of Human Communication. New York, Norton 1967); S. 138ff werden die Kommunikationsstrukturen des an kommunikativen Spielregeln überaus reichen Theaterstücks "Who is afraid of Virginia Woolf? " beleuchtet. Zu A.Hoppe's kommunikativer Grammatik s. seine Festschrift „Grammatik, Kybernetik, Kommunikation" ed.K.G. Schweisthal (Bonn.Dümmler 1971) mit Bibliographie (S. 228ff)- Vgl. jetzt auch L. L. Barker-R. J. Kibler edd., Speech Communication Behavior. Englewood Cliffs, Prentice-Hall 1971. 261 Vgl. Κ. Scherer, Non-verbale Kommunikation (Hamburg, Buske 1 9 7 0 ) 31 f.
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eine Rolle. 262 Diese w e r d e n — anders als beim Schauspielunterricht, der empirische E r f a h r u n g s w e r t e vermittelt — bereits seit m e h r als zwanzig J a h r e n wissenschaftlich e r f o r s c h t , besonders vom Kinesiker R. L. Birdwhistell. 2 6 3 Die U n t e r s u c h u n g der nicht-sprachlichen Begleitelemente eines geschlossenen mündlichen T e x t e s ist freilich schwierig, w e n n m a n b e d e n k t , daß die Analyse von je einer S e k u n d e A u f n a h m e z e i t anfangs h u n d e r t S t u n d e n , j e t z t aber noch immer eine S t u n d e d a u e r t . Bedauerlicherweise scheinen bisher die Kinesiker n u r m i t deskriptivistischen Linguisten z u s a m m e n g e a r b e i t e t zu h a b e n , die w e d e r die heutigen A d ä q u a t h e i t s f o r d e r u n g e n ( b e s o n d e r s d e r generativen Gramm a t i k ) n o c h Pragmatik o d e r Textlinguistik genügend b e a c h t e t e n . Gerade der T e x t als primäres sprachliches Zeichen m ü ß t e in seiner Pragmatik, T h e m a t i k und S e m a n t i k im Mittelpunkt solcher U n t e r s u c h u n g e n stehen. So f o r d e r t S . S c h m i d t ( s . I I I . 1 . 2 . F n . 2 4 0 ) die K o n z e n t r a t i o n auf T e x t e als E i n h e i t e n der Sprache, die nach ihm nur S o n d e r f o r m menschlichen Handelns ist, eine A n s c h a u u n g , die mit marxistischer Philosophie vereint werden kann. Die Voraussage von sprachlichem gegenüber nicht-sprachlichem K o m m u n i k a t i o n s v e r h a l t e n wäre a u c h für die Frage wichtig, u n t e r welchen Bedingungen gemeinsame Voraussetzungen geäußert werden (z.B. in einer b e l e h r e n d e n D e d u k t i o n , vgl. II.5.4.2.) 1.3. Für die Textlinguistik weniger relevant zu sein scheint die klassische S e m i o t i k oder Semiologie ( Z e i c h e n t h e o r i e ) , 2 6 4 besonders w e n n sie das Zeichen abgesondert von K o m m u n i k a t i o n u n d I n t e r a k t i o n b e t r a c h t e t . 2 6 5 2.1. Mit ganz ähnlichen Fragen wie K o m m u n i k a t i o n s w i s s e n s c h a f t u n d Textp r a g m a t i k beschäftigt sich auch die S o z i o l o g i e , allerdings u n t e r Hervork e h r u n g der gesellschaftlichen E i n b e t t u n g . Besonders im Dialog sieht m a n deutlich, von welcher B e d e u t u n g die gesellschaftliche Rolle ist, die j e d e r Dialogpartner h a t (Statusrolle), bzw. die er im jeweiligen Dialog zum ande-
2 6 2 Vgl. Scherer o p . c i t . ; V.H. Yngve, On Getting a Word in Edgewise. CLS 6 ( 1 9 7 0 ) 567-578. 2 6 3 Kinesics and Context. Essays on Body Motion Communication. Philadelphia, Univ. of Pennsylvania Press 1970; vgl. Langages 1 0 ( 1 9 6 8 ) , ed. A.J.Greimas "Pratiques et langages gestuels". 264 Vgl. ζ. B. L. J. Prieto, Messages et Signaux. Paris, Presses Universitaires de France 1966. Zur logischen und philosophischen Semiotik vgl. I. Bochenski, Die zeitgenössischen Denkmethoden 5 (München, Francke 1971) 37ff. Zu spät wurde ich auf W.A.Koch, Varia Semiotica (Hildesheim, Olms 1 9 7 1 ) aufmerksam, der staunenswert reiches Material aus den verschiedensten Bereichen der Semiotik verarbeitet hat. 265 Vgl. die Kritik A. S c h a f f s , Einfuhrung in die Semantik (Frankfurt, Europäische Verlagsanstalt 1 9 6 9 ) 145ff. (übersetzt aus Wstep d o semantyki. Warschau 1960).
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ren gerichtet einnimmt (Positionsrolle), ebenso aber auch die gegenseitigen Rollenerwartungen, Rollenvorstellungen u n d Rollenvorschriften? 6 6 Manche Autoren 2 6 7 lösen den Rollenbegriff in Bündel von Verhaltenserwartungen und Verhaltensnormierungen auf; hier wäre eine Verbindung soziologischer „Rollenmerkmale" (Rollensegmente) und textpragmatischer Merkmale wünschenswert. Textpragmatisch relevant sind die engverwandten amerikanischen Theorien des symbolischen Interaktionismus, der auf G.H.Mead zurückgeht, 2 6 8 und der "Strategie Interaction". 2 6 9 Beide Richtungen erkennen die enge Verbindung von Bedeutung und Interaktion, was sowohl an L.Wittgenstein's Konzept des Sprachspiels als auch an S.Schmidt's Handlungstheorie der Sprache gemahnt. 2.2. Wie andere Gesellschaftswissenschaften sollte auch die Soziologie von der Textlinguistik Notiz nehmen, ζ. B. bei der Ausarbeitung von Fragebögen und Vorbereitung von Interviews. 2 7 0 Nur zu o f t sehen Soziologen und Psychologen die einzelnen Fragen oder Gruppen zusammenhängender Fragen als isolierte Äußerungen an, die sie allein nach Prinzipien der Zufallsverteilung am Fragebogen anordnen können, ganz abgesehen davon, daß die Interviewer selbst nicht zwischen Suggestiv-, Vergewisserungs-, rhetorischen Fragen usw. zu unterscheiden lernen. Ein Fragebogen ist nun zumindest ein Quasi-Text, in dem sich textlinguistische Prinzipien auswirken. 2.3. Mit s o z i o l i n g u i s t i s c h e n Arbeiten zu textlinguistischen Fragen (ζ. B.
266 s. A.V.Cicourel, Messung in der Soziologie (Frankfurt, Suhrkamp 1 9 7 0 ) 1 3 0 f f (übersetzt aus: Method and Measurement in Sociology. Free Press of Gleeve 1964); B.Badura, Sprachbarrieren. Zur Soziologie der Kommunikation (Stuttgart, Frommann 1 9 7 1 ) 153ff; Joas-Leist 1 9 7 1 , 4 7 f ; S.M.Ervin-Tripp, An Analysis of the Interaction of Language, Topic and Listener, in: J. A.Fishman, ed. Readings in the Sociology of Language (Haag, Mouton 1970) 1 9 2 - 2 1 1 , und weitere Beiträge in dieser Sammlung; C. Β.Cazdu, The Situation. A Neglected Source o f Social Class Differences in Language. Journal of Social Issues 26,2 ( 1 9 7 0 ) 3 5 - 6 0 ; N.Dittmar, Möglichkeiten einer Soziolinguistik: Zur Analyse rollenspezifischen Sprachverhaltens. Sprache im technischen Zeitalter 38 ( 1 9 7 1 ) 8 7 - 1 0 5 . 267 R.Leodolter verweist mich besonders auf H.Popitz, Der Begriff der sozialen Rolle als Element der soziologischen Theorie. Tübingen, Mohr 1967; R.Dahrendorf, H o m o Sociologicus. Ein Versuch zur Geschichte, Bedeutung und Kritik der Kategorie der sozialen Rolle 3 . Köln-Opladen, Westdeutscher Verlag 1961. 2 6 8 Vgl. die Aufsatzsammlung von H. Blumer, Symbolic Interactionism. Englewood Cliffs, Prentice Hall 1969. 2 6 9 s. E.Goffman, Strategie Interaction. Philadelphia, Univ. of Pennsylvania Press 1969. 2 7 0 s. Cicourel, Badura opp.citt.; R.Atteslander, Methoden der empirischen Sozialforschung. Berlin, de Gruyter 1969.
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Dialogsyntax, Erzählanalyse) ist besonders W.Labov hervorgetreten. 2 7 1 2.4. P o l i t i k o l i n g u i s t i k wollen wir hier nicht eigens behandeln, da sie mit Mitteln der Soziolinguistik, Rhetorik und Inhaltsanalyse arbeitet. Bei der Analyse politischer Texte ist es ζ. B. nicht gleichgültig, welche Texteinheit als Analyseeinheit genommen wird. 2 7 2 3.1. Für die Textlinguistik spielen literarische Texte eine große Rolle, da von einem sprachmächtigen Dichter/Schriftsteller textlinguistisch optimale oder zumindest extreme Texte erwartet werden können. Daher ist die Beziehung zwischen Textlinguistik und L i t e r a t u r w i s s e n s c h a f t besonders wichtig und schon am längsten e r k a n n t . 2 7 3 Die Literatur dazu ist sehr umfangreich und zumindest für den Autor unüberschaubar. 2 7 4 Schon bald nach den ersten Anfängen der Textlinguistik entstand eine auf die Literatur bezogene Texttheorie, etwa bei Max Bense, 275 der die Wichtigkeit von Kommunikationstheorie, Textsemiotik und Textsemantik hervorhob und von den mathematischen Wissenschaften Aspekte der Informationstheorie, Statistik, Mengenlehre, Algebra, Automatentheorie, Topologie (= allgemeine Theorie des Benachbartseins) in seine (leider konkret oft nicht sehr weit führende) Texttheorie einbezogen hat. Den bei Bense fehlenden soziologischen Aspekt betonte u. a. E. Leibfried, 2 7 6 der dabei zwischen Soziologie des Textes (S. 172: „Wer liest was wann und warum? ") und Textsoziologie (erfaßt soziologisch relevante Strukturen eines Textes, S.274) unterscheidet. 3.2. Mit eigentlich textlinguistischen Methoden behandelte W.A.Koch 2 7 7 271 s. The Study of Language in its Social Context. Studium Generale 23,1 (1970) 3 0 - 8 7 (besonders 78ff). 272 VgL A.Grey - D.Kaplan - H. D. Lasswell, Recording and Context Units Four Ways of Coding Editorial Content, in: H. D. Lasswell - Ν. Leites edd., Language of Politics, Studies in Quantitative Semantics (Cambridge, M.I.T.Press 1965) 1 1 3 - 1 2 6 . 273 Vgl. schon bisher ζ.Β. 1.3.2., 11.1.2., 3.1.3., 5 . 4 . 4 . 3 . , 9.4. l . f , 10.3.1., 10.3.3., 10.3.4.Fn. 116, 16.1.5., ΙΙ1.4.1., 5.5.1., IV. 1.1. Fn. 260. 274 Vgl. die (schon überholten) Ausführungen und bibliographischen Angaben bei J.Ihwe, Linguistik und Literaturwissenschaft: Bemerkungen zur Entwicklung einer strukuralen Literaturwissenschaft. LBer 3 (1969) 3 0 - 4 4 , und seine mehrbändige Aufsatzsammlung: Literaturwissenschaft und Linguistik. Frankfurt, Athenäum 1971 f. - Für die adäquate Abfassung von Kapitel IV wäre überhaupt ein enzyklopädisches Wissen notwendig gewesen. 275 Theorie der Texte. Köln, Kiepenhauer 1962; Einführung in die informationstheoretische Ästhetik. Grundlegung und Anwendung in der Texttheorie. Hamburg, Rowohlts deutsche Enzyklopädie 1969. 276 Kritische Wissenschaft vom Text. Stuttgart, Metzler 1970. 277 Vgl. besonders 1966a mit den ausführlichen Rezensionen von S. R. Levin (Lg 44, 1 9 6 8 , 4 3 6 - 4 4 2 ) und A.A.Hill (Lingua 2 2 , 1 9 6 9 , 2 4 4 - 2 4 8 ) .
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literarische Texte, indem er auf Z.S.Harris aufbauend die Theorie der Rekurrenzen weiter entwickelte (vgl. sofort). Der gemeinsame Ausgangspunkt von Textlinguistik und Literaturwissenschaft ist der Textbegriff. So faßt der von Textlinguistik noch nicht beeinflußte H.-P. Bayerdörfer 2 7 8 die Texteinheit als Ganzheit einer monologischen Äußerung mit Anredebezug und sagt (S. 140): „Der übergreifende Sinn der Redeabsicht (setzt sich) in mehrfacher Brechung bis in die Gestaltung aller Einzelheiten durch", ein Programm, das textpragmatisch und textthematisch durchzuführen ist. Das umfassendste, aber noch zu wenig detaillierte Konzept findet sich bei S.J.Schmidt, 2 7 9 nach dem Texte Einheiten kommunikativen Handelns sind, die sich durch Polyfunktionalität bzw. Mehrdeutigkeit auszeichnen. Besonders klar ist dies bei „doppelbödigen T e x t e n " oder z.B. Briefen, wo man „zwischen den Zeilen lesen m u ß " , um den Sinn zu verstehen. 2 8 0 Zu konkreteren Resultaten k o m m t bereits T.van Dijk, 281 der bisher besonders die thematische und semantische Textverkettung in literarischen Werken untersucht hat. Ein Zentralbegriff ist für ihn die semantische Isotopie, die er definiert (1970,131): „Eine Sequenz ist isotop, iff 2 8 2 für jeden ihrer Sätze gilt, daß er zumindest ein Sem/Klassem 2 8 3 enthält, das auch in anderen Sätzen enthalten ist." Damit greift er auf A.J.Greimas (1971) und die französischen Strukturalisten zurück. 3.3. Für die narrative Analyse 284 der französischen Strukturalisten (T. Todorov, A.Greimas, C.Bremond, R.Barthes, J.Kristeva u.a.), die nachhaltig vom russischen Formalismus, vom Saussure'schen Strukturalismus u n d von der Pragmatik (z.T. soziologischer und ideologiekritischer Natur) geprägt sind, ist die linguistisch inspirierte Kompositionsanalyse typisch. 2 8 5 So unterscheidet J.Kristeva 2 8 6 in Anlehnung an Saumjan's Sprachtheorie zwischen 'Geno-Text' als der „Ebene, auf der der Text gedacht, transfor2 7 8 Poetik als Sprach theoretisches Problem (Tübingen, Niemeyer 1 9 6 7 ) 131. 2 7 9 1 9 7 1 ; vgl. in seiner Sammlung: Text, Bedeutung, Ästhetik (München, Bayer. Schulbuchverlag 1 9 7 0 ) sowie: Ästhetizität. Philosophische Beiträge zu einer Theorie des Ästhetischen (ebenda 1971) und Rheda. 2 8 0 Vgl. V. Skaliika, Text, Kontext, Subtext. Slavica Pragensia 3 ( 1 9 6 1 ) 7 3 - 7 8 . 2 8 1 1969, 1970; vgl. M.Ivanovä-Salingovä, Model semantickej Itruktury bäsne. Theory of Verse 2 (Brno 1968) 3 9 - 4 5 . 2 8 2 wenn und nur wenn. 2 8 3 semantische Merkmale oder Komponenten. 2 8 4 Eine Verwertung ist in Aussicht gestellt bei van Dijk & alii 1971. 2 8 5 Vgl. s e h e n d e n TitelT.Todorov's "Lagrammaire du recit". Langages 12 ( 1 9 6 8 ) 9 4 - 1 0 2 . 2 8 6 Probleme der Textstrukturation. Ihwe 1 9 7 1 , 4 8 4 - 5 0 7 (übersetzt aus: Problemes de la strueturation du texte, in: Linguistique et litterature (La Nouvelle Critique 1968) 5 5 - 6 4 .
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miert, produziert, generiert w i r d " und dem Phäno-Text als dem vollendeten und tatsächlich vorliegenden Text. T.Todorov's 'Grammatik' generiert Propositionen, die aus Aktanten und Prädikaten bestehen, und Sequenzen von Propositionen, 2 8 7 wobei auf die Aktanten (Handlungsrollen u.ä.,s. II.9.) 2 8 8 besonderes Gewicht gelegt wird. 3.4. Mehr als von einer Kompositionsanalyse erwarten sich andere Forscher von einer Rezeptionsanalyse: 2 8 9 Die Finalität des literarischen Textes wird in den Verstehensprozeß des Lesers hineingelegt bzw. in die 'Programmierung' dieses Prozesses durch den Autor; nach E. Wolff 2 9 0 k o m m t es auf die Leseridee an, „die sich im Geiste des Autors bildet". Und damit sind wir wieder bei der Textpragmatik angelangt, die die Basis für die Unterteilung von Texten in Texttypen oder Textsorten bzw. Literaturgattungen bildet. 2 9 1 4. In Anbetracht der Entwicklung der Textlinguistik verlangt die S t i l i s t i k eine neue Abgrenzung ihrer Domäne. Denn jetzt gehört nicht mehr alles Sprachliche, das über die Grenze des Satzes hinausgeht, in ihren Bereich: Textgrammatik muß von Textstilistik unterschieden werden. Stilistische Varianten sind höchstens als denotativ (d. h. begrifflich-bezeichnend) gleichwertig zu betrachten, weshalb P. Hartmann (1968,75) die Stilistik die Lehre von der innersprachlichen Übersetzung nennen konnte. Sowohl wenn ein Stilelement von einer bestimmten Textgattung gefordert wird, als auch wenn die Autorintention Stilwechsel im selben Textstück und T e x t t y p verursacht, muß Stil pragmatisch begründet sein, weshalb eine Verankerung der Stilistik in der Pragmatik zu versuchen ist. 292 Ein wichtiges textpragmatisches Element ist dabei das Trägermedium (cf. Wackernagel-Jolles 1971), vgl. mündlichen, fernmündlichen, Buch-, Brief-, Telegramm-Stil usw. Ein bewußt textstilistisches Modell stammt von G. Wienold. 2 9 3 287 z.B. in Grammaire du Decameron (Haag, Mouton 1969) und die Rezension W. A. Koch's in P o e t i c a 4 ( 1 9 7 1 ) 565ff. 2 8 8 ζ. B. Greimas 197 1 , 1 5 7 f f und La structure des actants du recit. Lssai d'approche generative. Word 23 ( 1 9 6 9 ) 2 2 1 - 2 3 8 . 289 Koch opp.citt., M. Riffaterre, Bayerdörfer o p . c i t . 2 0 2 f f ; deutlich G. Wienold, Poetica 4 ( 1 9 7 1 ) 5 6 3 f i n seiner Rezension von J. Trabant's Zur Semiologie des literarischen Kunstwerks (München, Fink 1970), vgl. Rheda. In Wien arbeitet A. Eder daran (vgl. wiener linguistische gazette 2, 1972, 2 1 - 2 8 ) . 2 9 0 Der intendierte Leser. Poetica 4 ( 1 9 7 1 ) 1 4 1 - 1 6 6 . 291 Vgl. Hausenblas 1964; Leibfried (am F n . 2 7 6 a.O.) 24Cff; H.F.Plett, Das Studium der Textwissenschaft. Die Neueren Sprachen 1 9 7 1 , 3 6 0 - 3 7 0 ; K.Reiß, Möglichkeiten und Grenzen der Übersetzungskritik. München, Hueber 1971; Rheda. 2 9 2 Vgl. W.Abraham-K. Braunmüller, Stil, Metapher und Pragmatik. Lingua 28 ( 1 9 7 1 ) 1-47. 2 9 3 Formulierungstheorie - Poetik - Strukturelle Literaturgeschichte (am Beispiel der altenglischen Dichtung). Frankfurt, Athenäum 1971.
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5. Auf G r u n d der gemeinsamen Wurzel im russischen F o r m a l i s m u s lassen sich auch h e u t e noch Parallelen zwischen der narrativen Analyse der französischen S t r u k t u r a l i s t e n und der M a k r o s t r u k t u r f o r s c h u n g in d e r F o l k l o r i s t i k f i n d e n , wie sie besonders in A m e r i k a b e t r i e b e n wird. 2 9 4 Ein Hauptvertreter dieser R i c h t u n g ist A . D u n d e s . 2 9 5 Die narrative S t r u k t u r in ihrer Szenen- u n d Motivfolge und in den Rollen ihrer Helden bleibt selbst in sehr verschiedenen Fassungen von M y t h e n im wesentlichen gleich. Wie weit ist eine solche 'grammaire d u r e c i t ' ü b e r h a u p t sprachspezifisch? Wenn sie so allgemein g e f a ß t ist, daß sie nur u n t e r die T e x t t h e m a t i k fällt, d a n n ist Sprachspezifität eher als Kulturspezifität im R a h m e n statischer, konventioneller K u l t u r e n gegeben. 6. Die T e x t t h e o r i e hat in jüngster Zeit auch ein großes E c h o in der T h e o l o g i e g e f u n d e n , nämlich in der Bibelexegese: Einerseits gibt es strukturelle Erzählanalyse; 2 9 6 andererseits v e r t r e t e n E . G ü t t g e m a n n s u n d seine Mitarbeiter in der Zeitschrift "Linguistica Biblica" (Bonn 1 9 7 I f f ) und im F o r s c h u n g s t e a m „Generative Poetik des N e u e n T e s t a m e n t s " die Ansicht, d a ß die Textlinguistik ü b e r h a u p t die G r u n d l a g e der Theologie darstelle, da ihre O b j e k t e nur sprachlich k o n s t i t u i e r t seien (eben die Bibelt e x t e ) u n d die Theologie selbst als Wissenschaft v o n der Rede v o n G o t t zu definieren w ä r e . 2 9 7 7. Bereits m e h r f a c h 2 9 8 sind wir auf die R h e t o r i k zu sprechen g e k o m m e n , die in vielem V o r l ä u f e r der Textlinguistik ist. 2 9 9 V o m textlinguistischen S t a n d p u n k t aus ist R h e t o r i k 3 0 0 o f t schwer einerseits von Literaturwissenschaft, andererseits von K o m m u n i k a t i o n s t h e o r i e zu t r e n n e n ; d e m U m f a n g ihres Forschungsbereichs nach steht sie zwischen b e i d e n : Alles Literarische k a n n auch rhetorisch behandelt werden, alles R h e t o r i s c h e auch k o m m u nikativ, aber n i c h t umgekehrt.
294 Auch in die "anthropology" hinüberreichend, s. W.O.Hendricks, Folklore and the Structural Analysis of Literary Texts. Lg. & Style 3 ( 1 9 7 0 ) 8 3 - 1 2 1 (mit Lit.). 295 Doch vgl. in Frankreich C. Levi-Strauss und an neuerer russischer Literatur z.B. D. Μ. Segal, Ο svjazi semantiki teksta s ego formaTnoj strukturoj. Poetics 2 (Haag-Warschau 1966) 1 5 - 4 4 . 296 z.B. C.Chabrol-L.Marin edd., Semiotique narrative: recits bibliques. Langages 6,22 (1971). 297 Vgl. Ε. Güttgemanns, Rheda. 298 Besonders 1.3.1., II. 9.2.1., 9 . 2 . 4 . , 11.4., 1 5 . 3 . 2 . , 1 6 . 1 . 4 f . 299 s. Lausberg 1 9 6 0 ; Burke 1969. 3 0 0 Falls sie nicht restriktiv auf die Lehre der (persuasorischen) Redekunst eingeengt wird, was selbst für die Antike nicht recht möglich ist.
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Die sogenannte „Neue Rhetorik" 3 0 1 ist sowohl von der Inhaltsanalyse beeinflußt als auch von linguistischen oder texttheoretischen Ansätzen. So finden sich in Steinmann's Sammlung Beiträge zur tagmemischen und „generativen" (Christensen 1967) Beschreibung von Textstücken. Dubois et alii (op.cit.) wenden Tilgungs- und Hinzufiigungstransformationen (suppression, adjonction) an und besprechen (S. 159ff) die pragmatischen Figuren der Dialogpartner (interlocuteurs), wozu etwa die textlinguistisch relevante Verwendung der 3. statt der 1. Person in den 'Memoiren' Xenophon's, Caesar's und De Gaulle's zu rechnen ist; S. 190ff geben sie eine narrative Analyse (nach Szenen, dramatis personae und Aktanten). Ihre Beziehung zur Literaturwissenschaft beleuchten ihre Bezeichnungen (S. 27) itude des structures formelles für Rhetorik und transrhetorique bzw. seconde rhetorique für Poetik. 8.1. Vor der stürmischen Entwicklung der linguistischen Semantik und Pragmatik der letzten Jahre wurde die Logik in der modernen Linguistik sehr wenig berücksichtigt. Rühmliche Ausnahmen unter den Textlinguisten waren Harweg (1968) und Palek (1970). Dieser weist zu Recht darauf hin, daß die Logiker Satzkonnexionen oder Texte gewöhnlich nicht behandelt haben. So werden etwa Konsequenz-Relationen zwischen Sätzen nur als logische Ableitung eines Satzes aus einem anderen behandelt, nicht aber auch bezüglich der aktuellen Aufeinanderfolge im Text. Die textlinguistisch relevanten Begriffe der Quantifikation und der Operatoren werden nur in ihrer Bedeutung für Einzelsätze untersucht. Ähnliches gilt für de Morgan's Gesetze über die Verbindung von und und oder.302 8.2. Textlinguistisch wichtig sind die neueren Richtungen der Modallogik 303 und der Interrogativlogik 304 Besonders fruchtbar könnte eine Zusammenarbeit mit der Textlinguistik auf dem Gebiet der „Dialoglogik" sein, die P.Lorenzen und K.Lorenz seit dem Ende der Fünfzigerjahre (von den Linguisten so gut wie unbemerkt) entwickeln: 305 Logik könne nur in der 301 s. M. Steinmann ed., N e w Rhetorics. New York, Schribner 1967; N.Maccoby, Die neue „wissenschaftliche Rhetorik", in: W.Schramm ed., Grundfragen der Kommunikationsforschung (München, Juventa 1964) 5 5 - 7 0 ; J.Dubois & alii, rhetorique generale. Paris, Larousse 1970; vgl. auch J.Dubois-J. S u m p f edd., L'analyse du discours. Langages 13 ( 1 9 6 9 ) . 3 0 2 Vgl. z.B. das von Linguisten o f t benützte Werk von H. Reichenbach, Elements of Symbolic Logic. New York, Free Press 1947 (besonders Kapitel VI). 3 0 3 Z.B. J.Hintikka, Models for Modalities. Selected Essays. Dordrecht, Reidel 1969. 3 0 4 D.Harrah, Communication: A Logical Model. Cambridge, Μ.I.T.Press 1963 (Kapitel 7 , 8 ) ; F. Loeser, Interrogativlogik. Berlin, VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften 1968. 305 s.K. Lorenz, Dialogspiele als semantische Grundlage von Logikkalkülen. Archiv für mathemat.Logik und Grundlagenforschung 11 ( 1 9 6 8 ) 3 2 - 5 5 , 7 3 - 1 0 0 ;
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dialogischen Redesituation begründet werden, die Wahrheitstheorie sei auf Dialogspielen aufzubauen, die die Behauptungen der Proponenten, die Angriffe der Opponenten und die Verteidigungen der Proponenten, sowie allgemeine Spielregeln und Gewinnregeln enthielten. Diese intuitionistische Grundlegung der Logik bezieht sich also auf textgrammatische Strukturen. Auch die Theorie der Argumentation ist für Logiker und Textlinguisten interessant. 9.1. Von noch viel größerer Bedeutung für die Textlinguistik ist die P s y c h o l o g i e . Ohne sie kann man ζ. B. das Substrat der Texterzeugung, die (unausgesprochene) innere Sprache des Menschen 306 überhaupt nicht erfassen. Für die Aufhellung der Rolle des Kontexts wäre die Unterscheidung von innersprachlichem und völlig außersprachlichem Kontext sehr wünschenswert. Auch jegliche Untersuchung von Textperformanz ist ohne Psychologie unmöglich, z.B. das Problem der Textlänge oder das Problem, wie weit anaphorische und kataphorische Relationen reichen können, 307 oder wie durch Gedächtnislücken oder Ablenkung entstandene Pausen oder Lücken im Kommunikationsprozeß überbrückt werden (vgl. Gülich 1970, 300); dies ist eine Sprecherstrategie. Hörerstrategien wurden bereits von T. G. Bever linguistisch untersucht, vgl. Grosu (1971), der (S. 425) anläßlich der Pronominalisierung (cf.o.111.5.2.1.) das Perzeptionsprinzip vorschlägt: "Sentences containing pronouns are incomprehensible, if the antecedent of a pronoun cannot be discovered by any means whatsoever, 308 or if there are two or more equivalent candidates for the position of the antecedent." 9.2. Von Psychologen werden und wurden bereits viele textlinguistisch relevante Untersuchungen durchgeführt, z.B. zur Entwicklung von Frage und Antwort in der Kindersprache; 3083 über das Verständnis zusammenW. Kamlah-P. Lorenzen, Logische Propädeutik oder Vorschule des vernünftigen Redens (Mannheim, Bibliograph. Institut 1967) 196ff; K.Lorenz, Elemente der Sprachkritik. Frankfurt, Suhrkamp 1970. Vgl. schon die Sophisten. 306 Abgesehen von W.Wundt („Sprechmotive") wäre hier der frühverstorbene Russe L. S. Vygotskij zu erwähnen. In der Textlinguistik nur von Wackernagel-Jolles (1971) in Betracht gezogen. 307 Vgl. Thümmel 1968,146; Weinrich 1971,12f. Oder auf wie weit entfernte Abschnitte (welcher Größe? ) kann sich siehe unten/oben beziehen? 308 Textlinguistisch gesehen geht dieser Fall auf den folgenden zurück, denn in Anbetracht vorhergehender Textstücke oder früherer Texte gibt es immer mögliche (wenn auch nicht immer wahrscheinliche oder einleuchtende) Antezedenten. 308a S.Ervin-Tripp, Discourse Agreement: How Children Answer Questions, in: J.R.Hayes ed., Cognition and the Development of Language (New York, Wiley 1970) 7 9 - 1 0 7 ; noch allgemeiner zur Dialoganalyse R.Blaisdell, LR1P 758.
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hängender Rede wird viel gearbeitet, 309 wobei sich ergibt, daß dabei die thematische Organisation eine große Rolle spielt: Mosburg-Shima (loc.cit. 17) messen die 'topicality' ("refers to the organization of the passage around a theme, to how tightly a passage is structured around the subjectmatter") an der Stärke der Wort-Assoziationen. 310 Andere Untersuchungen behandeln die semantische Entwicklung 311 oder Pause und Tempo. 312 9 3 . Seit R. Jakobson's Untersuchungen über Kindersprache und Aphasie 313 weiß man, daß Aphatiker Sprachelemente in der umgekehrten Reihenfolge ihrer Erlernung abbauen; der Extrempunkt ist bei Kleinkind und Geistesgestörtem der Einworttext. Beim Aufbau einer hierarchischen Textgrammatik sind Kindersprache und Aphasie daher unbedingt zu beachten, um die Natürlichkeit textgrammatischer Ansätze zu gewährleisten. So wäre z.B. der folgende Satz Jakobson's (op.cit.85) einer genauen Überprüfung wert: "the dynamic disorder affects only those units of speech which go beyond the limits of sentences, namely extensive utterances, especially monologues." 10.1.1. Besonders fur die Textthematik interessant ist die D o k u m e n t ationsanalyse, 3 1 4 die die automatische maschinelle Herstellung von Inhaltsangaben anstrebt. Da ein solches Abstrahieren noch nicht beherrscht wird, begnügt man sich meist mit der Extraktion besonders repräsentativer Einzelsätze eines Textes. Diese werden durch eine statistische Textanalyse ermittelt. 315 So werden bei der Analyse wissenschaftlicher Texte zunächst auf Grund der Frequenz des Vorkommens Schlüsselwörter des gegebenen 3 0 9 L.Mosburg-F. Shima, Comprehension of Connected Discourse. SWRL, TR 12 (1969); F. Shima, Research on Word Association in Connected Discourse. SWRL, TR 24 ( 1 9 7 0 ) ; E.J.Crothers, LR1P 903; J.Dooling, LRIP 1054; vgl. noch R. Lachman, LRIP 4 3 0 ; D. & N.King,LRIP 1020. 3 1 0 Vgl. zum Redethema noch A . C o h e n , 18.Internat.Congress of Psychology (Moskau 1966), Symposium 23 (Leningrad 1 9 6 6 ) 'Models of· Speech Perception' 138ff. Zu Assoziationen, die für das Studium der semantischen Kontiguität aufschlußreich sind, vgl. J.Laffal, LRIP 266; L.S.Golub & alii, LRIP 7 9 1 . 311 E.Crothers, LRIP 903. 3 1 2 D.C.O'Connell-S.Kowal-H. Hörmann, LRIP 901. 3 1 3 Zuletzt in seinen gesammelten Aufsätzen: Studies on Child Language and Aphasia. Haag, Mouton 1971. Zur Sprachpathologie vgl. noch Watzlawick (am Fn. 2 6 0 a. Ο.) 7 2 f f . Interessante Texte von Aphatikern bei A. Kotten, Sprache und Kommunikation bei Aphatikern. Hamburg, Buske 1972. 3 1 4 Für Anregungen und Informationen bin ich hier W. Wintersberger (Wien) zu Dank verpflichtet, der an einer Dissertation über die linguistischen Grundlagen der Textreduktion arbeitet. 315 Pionier war H.P. Luhn, The automatic creation of literature abstracts. IBM Journal of Research and Development 2,2 ( 1 9 5 8 ) ; vgl. R.E.Wyllys, Extracting and Abstracting by Computer, in: H.Borko ed., Automated Language Processing (New York, Wiley 1968) 127- 179.
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Textes gesucht; als besonders repräsentative Sätze gelten dann jene Sätze, die die größte Zahl von Schlüsselwörtern enthalten. Weiters werden auch Überschriften und Zwischentitel berücksichtigt und der Text nach Stichwörtern, die in einem eigenen Wörterbuch wissenschaftlicher Termini gesammelt sind, abgesucht. 10.1.2. Eine ambitioniertere Methode berücksichtigt Syntax und Semantik. So will Sevbo (1969) im Gefolge der Harris-Schule zunächst den Text normalisieren, d.h. in eine Form einfacher Sätze ohne Anaphora bringen, bei denen die semantische Rekurrenz so klar hervortritt, daß eine automatische Textreduktion (Kompression, Kondensierung) möglich wird. S.N.Jacobson 316 möchte hingegen besonders Haupt- und Nebeninformation trennen; die Methoden sind freilich ζ. T. noch sehr roh. So berichtet B.C. Vickery, 317 daß man etwa nur Subjekte herausgreifen soll, oder daß sich ein Thema mit 85% Wahrscheinlichkeit im Anfangssatz eines Absatzes befindet. Linguistische Untersuchungen über Perspektive (s.II.10.) und Hervorhebung (s.II.l 1.) könnten hier der Dokumentationsanalyse helfen, Haupt- und Nebeninformation zu scheiden. 10.2. Manche Computerlinguisten sind freilich sehr optimistisch (vgl. II. 14.3.1.). So hat Sh. Klein (LRIP 896B) bereits einen plot generator und einen automatic novel writer entworfen. Fischer (1965) dachte an einen Wahrscheinlichkeitsautomaten, der die Textübergänge steuert. Die FrageAntwort-Relationen (vgl. 11.17.) werden für Konversationsmaschinen untersucht. 318 10.3. Ein Vorläufer der automatischen Dokumentationsanalyse besteht mit eigenen Zielen noch immer, die I n h a l t s a n a l y s e (content analysis), 319 die nach drei Inhaltskategorien zu extrahieren trachtet: 1) Textthematik, 2) Einstellungen des Autors des Texts, also eine pragmatische Kategorie, die ζ. B. für die Ideologiekritik wichtig ist, 3) Einordnung der Textinformation in umfassende Zusammenhänge: Hier geht es um Beziehungen zwischen verschiedenen Texten (Textkosmos).
3 1 6 A Modifiable Routine for Connecting Related Sentences of English Text, in: P. L. Garvin-B. Spolsky edd., Computation in Linguistics (Bloomington, Indiana Univ. Press 1 9 6 6 ) 2 8 4 - 3 1 1 . 3 1 7 Dokumentationssysteme 2 (München, Verlag Dokumentation 1 9 7 1 ) 1 0 2 bzw. 27. 3 1 8 Vgl. R . F . Simmons, Answering English Questions by Computer, in: Borko (am F n . 3 1 5 a.O.) 2 5 3 - 2 8 9 . 3 1 9 Vgl. die Sammlung Lasswell-Leites (am F n . 2 7 2 a.O.); l . d e Sola Pool ed., Trends in Content Analysis. Urbana, Univ. of Illinois Press 1959; G.Ungeheuer, Inhaltliche Grundkategorien menschlicher Kommunikation. Überlegungen zur Inhaltsanalyse. Fs.Hoppe (am F n . 2 6 0 a.O.) 1 9 1 - 2 0 1 .
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11.1. Zum Abschluß seien als besonders wichtige Zweige der A n g e w a n d t e n S p r a c h w i s s e n s c h a f t die Übersetzungswissenschaft und die Sprachunterrichtsforschung genannt. In der Ü b e r s e t z u n g s w i s s e n s c h a f t müssen Übersetzungskritik und Bestrebungen, die Übersetzungen zu optimieren, die Textlinguistik zur Kenntnis nehmen; 3 2 0 beim Dolmetschen treten Unterschiede zwischen Simultan- und Konsekutivdolmetschen in textlinguistischer Hinsicht auf. K.Reiß (am Fn.291 a.O.) hat dargelegt, daß die Adäquatheit von Übersetzungen von den pragmatisch zu bestimmenden Textsorten abhängt, hat sich aber dabei nur auf die drei Sprachfunktionen K. Bühler's beschränkt. Bei der Übersetzungskritik ist es nützlich, 321 zwischen folgenden Ebenen zu unterscheiden, die nach ihrer absteigenden Wichtigkeit für das Übersetzen angeordnet sind: Textpragmatik, -thematik, -semantik, -syntax, -phonetik, -graphemik. 11.2. G u t übersetzen zu können, ist auch ein Ziel des F r e m d s p r a c h e n u n t e r r i c h t s . Hierbei ist zu beachten, daß Textpragmatik und -thematik nicht vergessen werden dürfen, d.h. der Schüler muß die Funktion und die Thematik jedes gelesenen Textstücks erarbeiten und verstehen; ein Ausspruch eines Schülers wie „Wenn ich übersetze, kann ich nicht d e n k e n " entlarvt den Widersinn einer noch nicht in allen Fremdsprachenfächern ganz überwundenen, einseitig an der Syntax orientierten Übersetzungspraxis. Ferner sollte der Lehrer möglichst nicht Einzelsätze übersetzen lassen, sondern nur zusammenhängende Textstücke; oder Einzelsätze sollten in einem klaren und natürlichen Kontextrahmen stehen. Man vergesse nicht, daß auch das Kleinkind seine Muttersprache in natürlichen Redesituationen und in zusammenhängenden Texten erlernt. Um ein Verständnis zu erzielen, müssen wenigstens gewisse Hörer/Leser-Erwartungen erfüllt werden: Dementsprechend sollte es vermieden werden, daß ein Schüler einen Text in einer ihm noch ungenügend bekannten Fremdsprache ohne irgendwelche richtige Erwartungen (oder gar mit falschen) lesen und übersetzen soll. Das noch öfters proklamierte Ziel der wörtlich genauen Übersetzung ist sinnlos. Auch bei der Maschinenübersetzung, die das Satz-für-Satz-Übersetzen als großen Fortschritt gegenüber dem Wort-für-Wort-Übersetzen preist, wird die Textlinguistik auf die Dauer nicht zu umgehen sein. 11.3. Der Fremdsprachenunterricht umfaßt aber bei weitem nicht nur das Übersetzen, vgl. zu häufigen textlinguistischen Fehlern des programmierten Unterrichts G.Nickel. 3 2 2 Wenig zielführend ist H.W.Seliger. 323 Von der Text3 2 0 Vgl. Dressler, 1970c und F n . 3 2 1 ; Söll 1968. 321 s. W. Dressler, Textgrammatische Invarianz in Übersetzungen ? Rheda. 3 2 2 1 9 6 8 , 2 1 , 2 5 ; vgl. J.Cassidy, LRIP 994; R.Lachman, L R I P 4 3 0 ; D. & N. King, LRIP 1020. 3 2 3 The Discourse Organizer Concept as a Framework for Continued Discourse
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pragmatik her ist zu fordern, daß im Fremdsprachenunterricht die Landesund Kulturkunde eng mit dem Unterricht durch und in schriftlichen u n d mündlichen Texten verbunden wird: Nur so wird die Funktion von Texten klar, nur so lernen die Schüler die richtige Verbalisierung von Kontext, das Sichzurechtfinden in fremdsprachigen Situationen und die korrekte pragmatische Steuerung ihrer Textproduktion. 3 2 4 Die Wichtigkeit des Dialogs legt es nahe, Borodulina-Minina's (1965) Rat, den Dialog erst bei fortgeschrittenen Sprachkenntnissen zu unterrichten, nicht Folge zu leisten. 3 2 5 Es darf natürlich nicht verschwiegen werden, daß die Existenz textgrammatischer Regularitäten erfahrenen Unterrichtspraktikern immer schon implizit selbstverständlich war; man vergleiche etwa bei A.Bohlen 3 2 6 die Abschnitte über direkte und indirekte Rede (S. 83ff), Precis-Writing (S. 153ff), Streitgespräch (S. 166f). 11.4. Auch beim einsprachigen Ausländerunterricht sind diese Forderungen zu beachten. Deshalb kann der auf Drillsystem beruhende Englischlehrgang von E . R a n d 3 2 7 nicht befriedigen. Ebenso unbefriedigend ist ζ. B. die Untersuchung R.Hok's, 3 2 8 weil sie die Artikelfrage nur satzgrammatisch behandelt. Gewiß lehrte man schon immer Fremdsprachen durch Konversationsübungen. Wie unnatürlich diese aber oft sind, erhellt schlagartig aus dem Umstand, daß Eugene.Ionesco zu seinem aus absurden Dialogen bestehenden absurden Theater durch die Lektüre solcher Fremdsprachen-Konversationslehrbücher inspiriert worden ist. 329 11.5. Bei jedem S c h u l u n t e r r i c h t ist zu berücksichtigen, daß sich die Sprechsituationen notwendigerweise o f t von außerschulischen unterscheiden, da die Kommunikationsbeziehungen auch dann asymmetrisch bleiben, wenn sich die Rolle des Lehrers zu der des großen Bruders oder älteren Beraters wandelt. Asymmetrische Kommunikationsbeziehungen,
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Practice in the Language Classroom. Internat. Journal for Applied Linguistics 9 (1971) 1 9 5 - 2 0 7 . K.Ingenkamp-E.Pany, (Handbuch der Unterrichtsforschung 3. Weinheim, Beltz 1971. 2 7 9 f f ) berichten über Untersuchungen H.Kupfer's, der Text bzw. Sprechsituation als Ausgangspunkt des Sprachunterrichts annimmt. (Darauf machte mich Dr. J.Thonhauser aufmerksam) Vgl. etwa auch I.Camutaliovä, Some Principles of Stylizing a Dialogue for Foreign Language Teaching, in: The Prague School of Linguistics and Language Teaching (London, Oxford Univ. Press 1 9 7 2 ) 1 6 0 - 1 8 1 . Methodik des neusprachlichen Unterrichts 5 . Heidelberg, Quelle & Meyer 1966. Constructing Dialogs. New York, Holt, Rinehart and Winston 1969. The Concept of General-Specific to TESOL Problems with Particular Attention to the Teaching of "the/a" and "some/any". Educational Research Information Center (Bethesda,Md.) ED 0 3 1 6 9 1 - A L 0 0 1 7 8 4 . Vgl. C. Audry, Einleitung (S. 11) zu Ε. Ionesco, Le roi se meurt. Paris, Nouvelles Classiques Larousse 1968. Vgl. auch Ionesco's Stück "La Lecon".
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b e i d e n e n n i c h t alle K o m m u n i k a t i o n s p a r t n e r d i e gleiche M ö g l i c h k e i t h a b e n , das K o n v e r s a t i o n s p r o g r a m m zu s t e u e r n , b e d i n g e n a b e r a n d e r e Dialogt y p e n ; 3 3 0 e t w a b e i m L e r n e n einer F r e m d s p r a c h e w ü r d e s t a r k e s Z u r ü c k t r e t e n s y m m e t r i s c h e r I n t e r a k t i o n s t y p e n d e n Schüler n i c h t g e n ü g e n d a u f reale S p r e c h s i t u a t i o n e n v o r b e r e i t e n . Der L e h r e r m ü ß t e U n t e r s c h i e d e z w i s c h e n b e i d e n I n t e r a k t i o n s g a t t u n g e n k e n n e n , z.B. v e r s c h i e d e n e F r a g e t y p e n ( ζ . B. Vergewisserungs- u n d S u g g e s t i v f r a g e n ) , ihre P r ä s u p p o s i t i o n e n , p r a g m a t i s c h e n F u n k t i o n e n u n d A u s d r u c k m i t t e l in W o r t s t e l l u n g u n d Intonation. Sogar die T e x t s t i l i s t i k spielt eine R o l l e : Z e i c h e n eines l e h r e r z e n t r i e r t e n U n t e r r i c h t s k a n n allein die H ä u f i g k e i t b e s t i m m t e r F r a g e t y p e n sein, an die sich d e r Schüler erst g e w ö h n e n m u ß , o h n e d a ß diese G e w ö h n u n g e i n e n d a r ü b e r h i n a u s w e r t v o l l e n L e r n e r f o l g d a r s t e l l t : ζ. B. w e n n ein S c h ü l e r daran g e w ö h n t ist, d a ß ein L e h r e r in S c h ü l e r a n t w o r t e n d e n G e b r a u c h v o n S u p e r l a t i v e n s c h ä t z t , so w i r d er ( 2 0 9 a ) „ r i c h t i g " m i t ( 2 0 9 b ) b e a n t w o r t e n : ( 2 0 9 a ) L e h r e r : Was ist die Z u g s p i t z e ? — Schüler: D e r h ö c h s t e Berg Deutschlands. 1 1 . 6 . I n d e r D i s k u s s i o n u m S p r a c h b a r r i e r e n ist d e u t l i c h g e w o r d e n , d a ß die Basis der S p r a c h b e h e r r s c h u n g im K l e i n k i n d a l t e r gelegt w i r d u n d d a h e r d e r S p r a c h u n t e r r i c h t m ö g l i c h s t f r ü h b e g i n n e n sollte. D a z u m u ß a b e r e r s t die t e x t l i n g u i s t i s c h e S e i t e der K l e i n k i n d e r s p r a c h e viel b e s s e r u n t e r s u c h t w e r d e n : Bei Weir ( 1 9 6 2 ) f i n d e n sich i n t e r e s s a n t e B e o b a c h t u n g e n z u r T e x t b i l d u n g u n d i h r e n f o r m a l e n K r i t e r i e n , z u r T e x t f u n k t i o n e i n g e ü b t e n n e u erworbenen Sprachmaterials usw.331 Aus Untersuchungen über den kindlichen S p r a c h e r w e r b w i r d ihrerseits die T e x t l i n g u i s t i k r e i c h e n N u t z e n ziehen können.
330 Vgl. ο. II. 17.2f und R.Lakoff 1972; O.F.Bollnow, Sprache und Erziehung. Stuttgart, Kohlhammer 1966 (Urbanbücher 100). 331 Vgl. (zur Intonation) Wackernagel-Jolles 1971,121f; M.S.Holzmann, Ellipsis in discourse: implications for linguistic analysis by computer, the child's acquisition of language, and semantic theory. Lg & Speech 14 (1971) 8 6 - 9 8 ; R.Blaisdell, LRIP 758.
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124
Nachtrag
Seit dem Abschluß des Manuskripts für die 1. Auflage sind viele neue Arbeiten zur Textlinguistik erschienen, davon einige wichtige in der neuen Zeitschrift „Poetics" (Haag, Mouton) und in der neuen Reihe „Papiere zur Textlinguistik" (Hamburg, Buske). Ferner seien hervorgehoben: Der von W. A. Koch herausgegebene Sammelband „Textanalyse". Hildesheim, Olms 1972 (mit in der Originalsprache wiederabgedruckten Beiträgen); die handliche kommunikationstheoretische Zusammenfassung: S. J. Schmidt, Texttheorie. München, Fink 1973. J. S. Petöfi hat in zahlreichen Arbeiten sein Modell weiter ausgebaut, vgl. demnächst im Sammelband: J. S. Petöfi — H. Rieser edd., Studies in Text Grammar. Dordrecht, Reidel. In Amerika sind erschienen: E. Moravcsik, Some cross-linguistic generalizations about yes-no questions and their answers. WPLU 7 (1971) 54—193; J. E. Grimes, The thread of discourse. Ithaca, Cornell University 1972. Wegen der auf die Analyse mündlicher Erzähltexte sehr gut anwendbaren Methodik ist nachzutragen: W. Labov-J. Waletzky, Oral versions of personal experience. In: J. Helm ed., Essays on the verbal and visual arts (Seattle-London, American Ethnological Society 1967) 12—44. Von der schwer zugänglichen russischen Literatur wäre besonders zu verweisen auf: S. I. Gindin, Ontologiceskoe edinstvo teksta i vidy vnutritekstovoj organizacii. Masinnyj perevod i prikladnaja lingvistika 14 (1971) 114—135.
125
Sachindex Autoren nur genannt, wenn genauer charakterisiert oder in extenso aus ihnen zitiert. F = F u ß n o t e
Abgrenzung 76 Absatz 3, 14, 80 abstracting 111 f, F 47 Abschnitt 3, 98 agency 43 Agens 43, 45 agent 4 3 Akrostichon 75 Aktant 43, 107 aktuelle Satzgliederung 52 Akzent 77ff Albanisch 74 Altgriechisch 50, 53, 91 Altirisch 91 Anaphora 2 5 f f , 5 7 f f , 110 semantische 39, 64 Anaphorikum 29, 31, 45, 54, 81 anaphorische Insel 29 anaphorische Hierarchie 30 Anfangsstellung des Verbums 59, 74 Anfangssignale des Textes 7 3 Angemessenheit 86, 95 Antezedens 22, 25, 27ff, 74, 99 Antiseme 39 Antonym 39 Antwort 60, 75, 84, 85 ausweichende 86, 95 elliptische 84, 86 nicht-kategorische 86 Antworterwartung 84 Argumentation 100 aristotelische Einheit 46 Artikel 27, 29, 31, 38, 54, 59, 60, 61, 62,114 Äquivalenzen 7, 66, 69 Äquivalenzklassen 7 , 4 1 Aphasie 111, F 88 Aposiopese 77
126
Aspekt 47 ff, 99 Asyndese 70f, F 93 Ausgangspunkt des Satzes 5 , 4 1 , 5 3 Ausklang 20 Äußerung 3, l l f , 14 Aufzählung 65 Autorintention 107 Bach-Peters'sches Paradox F 186 Basis-Satz 17, 19 Basisstruktur, semantische 4 0 textpragmatische 95 textsemantische 37, 88f, 91 textthematische 41, 45, 51 Bedeutungsfeld 41 Berührung, s. Kontiguität Begrüßungsformel 62 Behaviorem 13, 101 Beiordnung 71 bekannt 30, 52f Besprochene und erzählte Welt 47 Bestätigung 87 Bestimmtheitsformen 31 Bibelexegese 108 Birdwhistell, R.L. 103 Bielefeld 8, F 1 Bierwisch M. 7, 8 Bretonisch 67, F 185 Burke K. 43 case conflation 44 Chomsky Ν. 18 climax 55 co-agent 43 collectio 21 comment 53 communicative dynamism, s. Dynamik composite verbal-nonverbal
behavioreme 7 Computerlinguistik 112 conjunction reduction 34 content analysis, s. Inhaltsanalyse cooperative principle 95 Coseriu E. 69 counter-agent 43 Dahl Ö. F 64 Danes F. 41 Darstellungsform 47 definit 27ff, 37f, 40, 53, 60, 61 Definition 36f, Deixis 30, 60, 58f, 101, F 58, 154 delimitativ 82 Denotat 22f Deskriptivisten 103 diagnostische Interpretation 66 Dialog 3, 10, 12, 30, 83ff, 102f, 114 Dialoglogik 109 Dialogtypen 115 Dialogspiel 110 Differenzierung 25, 36, 41 Digression 64 Dijk Τ.A. van 10, 94, 106 direkte Rede 88f Disambiguierung, s. Unzweideutigkeit discours(e) 12f diskontinuierlich 14, 65 Disposition 5 Dokumentationstheorie 9, 111, 112, F 99 Dolmetschen 113 Doppelpunkt 82 dramatis personae 4 2 f f , 51, 93 Dougherty R. 25 Dynamik, kommunikative 53, 57, F 183 Ebenengrammatik 4 Echoäußerung 88 Echofrage 87 Einleitungsformel 61 Einleitungssatze 11 Ein-Satz-Text 11, 1 5 , 5 8 Einworttext 111 Ellipse 18, 32, 34, 70, 84, 86 anaphorische 3 I f f deiktische 58f
telegraphische 33 Elokution 5 emisch F 29 emotional 80 Empfanger, intendierter 92 Emphase 20, 52, 5 4 , 7 9 , 84 Endmelodiekontur 81, F 214 enonce 11 Entdeckungsprozedur 18 Entwicklung, semantische 41, 47, 5Of 6 3 f f , 84 enumerative Redeweise 65 erlebte Rede 89, 90 erwähnt, s. mentioned Erwartung 40, 55ff, 80, 98, 113 Erwartungshorizont 55, 57, 58, 62 Erweiterung, semantische 36, 63 Erzählanalyse 6, 105 ff Erzählperspektive 98 etisch F 12 Expanded (progressive) form 47, 48 Expansion (semantische) 19, 21, 63 experiencer 44 fiktional F 244 Fillmore Ch. J. 4 3 Firth J. 101 Frankenberg H. 13 Französisch 33, 48, 50, 76, 81, F 85 F 213 focus 19, F 125 Folge, zeitliche 66 Folgeform 22, 2 5 , 6 1 Folgesatz 11, 60, 99 Folgetext 14 Folkloristik 108 Formalismus 6, 106, 108 Fortsetzung 56, 58f, 102 Forschungsgeschichte 5 Frage-Antwort-Einheiten 14, 67, 83ff, 112, F 212 Fragebogen 104 Frage 60 emphatische 84 rhetorische 87 Fremdsprachenunterricht 113, 114 Funktionelle Satzperspektive 6, 7, 41, 4 5 , 5 2 , 5 5 , 8 4 , F 239, F 258
127
gapping 35 Gegenäußerung 85, 86, 87 Gegenfrage 2, 84, 87 generative Grammatik 4, 8f, 43, 46, 67, 91, 103, 109, F 239 passim generell 27f Geno-Text 106 Gespräch 90, 93, 94, 114 Gesprächsplan 93 Gleason H. 90 gleichzeitig 68 Gliederung eines Satzes 76 Gliederungssignale 66 glücklich 31, 38 goal 44 Gradation 55, 69 Graphemik 82 Grice H.P. 94 Grimes J. 19 Grosu A. 99 Grünmandl O. 96 Grußformeln 61 Haben-Relationen 38, 40 Handlungslinie 51 Handlungsrollen 19, 51, 42, 43, 44, 45,74,93 happy, s. glücklich Harris Z.S. 6, 1 3 , F 9 9 Hartmann P. 8, 107 Harweg R. 8, 18, 39, 61, 68, F 57 Hasan R. 101 Haupttempus 47 Hauptthema 18 Hauptsatz 72 Hebräisch 50 Heger K. 22 Hethitisch 91 Hervorhebung 52ff, 55, 72f, 112 Hill A. 56 Hintergrund 2 1 , 4 2 , 48, 76 Höflichkeit 77, 96 Homogenität von Texten 14 homosem 39 Hörerstrategie 110 Hörererwartung 55 Hübner J. 44 Hypersatz F 207
128
hypersem 3 9 , 4 1 Hyperthema 41, 42, 64 Hypotaxe 71 Identifizierung 24, 44, 51 Identität 23f Ideologiekritik 106, 112 Illocutionary force 94 imparfait 48ff Implikation 36, 37, 38, 42, 57 indefinit, s. definit indexing F 47 indirekte Rede 88, 89, 90, 91, 114 Information 20f, 56, 59, 86, 112 Informationstheorie 102, 105 initiatives Sprechen F 211 Inhaltsanalyse 105, 109, 112 Inhaltsangabe 111, F 47, 50 Inklusion 36 Innere Sprache 110 Initialformen 61 Instrumental 43, 45 intensivierend 20, 68 Intention 13, 24, 62, 93, 97f, 102 des Autors (Senders) 97 des Empfängers 39, 98 Interaktion 102, 103, 104, 115 Interjektion 75, 76, 91 Interpolation 4 0 Interpunktion 71, 8 t f Interview 104 Intonation 71, 76, 90 Introduktion 61 Inzidenzschema 48, 99 Isenberg H. 8, 26, 52, 66, Isotopie 5 7 , 6 3 , 106 Italienisch 29, 50, 67, 70, F 213 Jones K. F 50 Kapitel 3, 14, 19 Karisen R. 32 Kaittunen L. 13, 23, 28, 38 Kataphora 22, 37, 57ff, 74, 82, 110 Kataphorika 81 Kausal-Anknüpfung 66 Keltisch 31, 33 key terms of dramatism 4 3
Kindersprache 34, 74, 110, 111, 115, F 88, F 235 Kinesik 102f Klassenidentität 28, 36 Koch W.A. 8, 13, 17, 57, 60, 105 Kodierung 94 Kohärenz, (Kohäsion), semantische 16f, 19ff, 36, 65, 98 Kommunikationsakt 89 Kommunikationsgebaren 12 Kommunikationspartner 102, 115 Kommunikationssituation 92ff Kommunikationstheorie 102f, 105, 108 Komponentialanalyse, semantische 39 Kompatibilität, s. Isotopie Kompositionsanalyse 106, 107 Konjunktion 59, 67, 69, 71, 72, 97 Konjuktionslosigkeit 70 Konnektoren 69, 70 Konsequenzrelationen 109 Konsistenz 46f Kontext 10, 54f, 110, 114, F 128 Kontextuell 11, 41 Kontiguität 38ff, 57, 63, 66 Kontrast 39, 42, 79 Kontrastakzent 54, 77ff, F 131 Kontrastierung 67 Konversation 3, 20, 60, 96, 112, 114, 115 Konversationspostulate 94f Kopierung 41, 63 Koreferenz 22ff, 36, 40, 42, 46, 78, 86, 88, 97, 99 Korrektur 67, 84, 87, 100, 102 ko-textuell 9, 10 Lakoff G. 23, 30 Lakoff R. F 247 Latein 21, 33, 35, 49, 50, 53, 55, 59, 64, 67, 70, 73, 7 4 , 8 1 , 8 5 , F 43 Lebensdauer einer Präsupposition 100 Leibfried E. 105 Leseabschnitt 76 Leseridee 107 Lexikon 1, 16 Linearisierung 9, 73 Litauisch 31 Literaturwissenschaft 33, 105, 108, 109
Logik 37, 69, 109, 110, F 14 Longacre R. 43 Mann T . 4 5 , 8 0 Mehrdeutigkeit 32, 106 mentioned 28, 32, 54 Merkmale, semantische 39f, 57, F 283 Merkmalausbreitung 46 Metapher 57, 63 Metasprachliche Einordnung 66 Mimik 102 Mitspieler 19, 42 Mitteilungsperspektive 52 Modalität 97 Motiv-Anknüpfung 66 Mündlichkeit 7 1 , 8 1 Nachtrag 68 nachzeitig 68 narrativ 106, 108, 109 narrow scene F 258 Nebensatz 72f Nebenthema 18 Negation 23 neue Information 20 „Neue Rhetorik" 109 Neugriechisch F 185 nicht-sprachliche Konsequenz 60 Nomen, pseudopronominales 26, 30 Nonsens-Wörter 16 Non-verbale Kommunikation 102 Nordfriesisch 31 Norwegisch 67 Null-Substitution 32 Nye I. 6 Oberflächenstruktur 29, 31, 55, 73, 89, 91 Ostberliner Gruppe 8 Paduceva E. 31 Palek B. 82, F 82 Papagaienäußerung 88 Papagaienfrage 87 Paragraph 3, 7, 14 Parahypotaxe 72 Parallelismus, grammatischer 45, 74 Paraphrase 7, 19, 21, 22, 42, 88, 90
129
reduzierte 18f, 4 1 Parasem 39 Parataxe 71f Parenthese 42, 72ff, 76 passe simple 48ff Patiens 4 3 Pause 12f, 76, 111 pejorativ 26 Performanz 10, 110 perfomativer Hypersatz 20, 92, 94, 97 Periode 3 Perspektive 36, 47, 59, 98, 112 Petöfi J.S. 9, 94 Phäno-Text 107 Phonologie 33, 35, 75 Pike K. 7, 1 3 , 4 3 , F 42 plot 19 Politikolinguistik 105 Possessor 44 Postal P. 29 Prädikate, kommunikative (performative) 89f, F 238, konnektive 9 Präfix-Ellipse 35 Prager Schule 7, 52, F 258 Pragmatik 14ff, 18, 20, 25f, 28, 3 3 , 4 0 , 66, 77, 80, 85ff, 92f, 98, l O l f f , 103, 106, 107, 112f Präsupposition 37, 61, 85, 86, 92, 98, 99, 100, 107, 115 perlocutionary force F 241 Pro-Adjektiv 26 Pro-Adverb 26 Pro-Eigenname 26 Pro-Formen 25ff, 32, 53 Programm, thematisches 83 Progression, thematische 41f, 64 progressive form, s. expanded Pronomen 25, 27, 29, 30f, 70, 99 Pronominal-Adverb 70 Pronominalverschiebung 9 0 Pronominalisierung 25, 27, 45, 99, 110, F 67 Proposition 44 Pro-Verbum 25 Proxemik 102 Pseudotext 1, 16
130
Punkt 82 purpose 4 3 Qualifikationsmerkmale 46 Quasi-Text 104 Rahmenprogression 41 reaktives Sprechen F 211 reasonableness condition 95 recoverability 31 f, 4 2 , 5 8 , 7 1 Redeabsicht 106 Redeprogramm 2, 17, 83 Redesituation, s. Sprechsituation Referenz 22, 28 Referenzidentität 44 Referenzindices 23 Regularisierung 13, F 99 Reihenfolge 74 Rekapitulation 21 Rekurrenz 20, 21, 22, 39, 5 2 , 74, 106 semantische 40f, 46 relativer Anschluß 73 Relativsatz 30, 72f Reliefgebung 47, 49, 51, 52, 72, 76 Requisiten 42f, 46f respectively 74 Restituierbarkeit, s. recoverability restringierter Code F 52 Rezeptionsanalyse 107 Rhema 7, 41, 53, 54, 55, 77, F 125, F 130 Rhetorik 5, 43f, 55, 74, 63, 64, 7 0 , 1 0 5 , 108, 109, F 191 Rhythmus 76f, 81 Rieser H. 9 Ringkomposition 21, 65 Rohrer C. 85 Rolle 103f Riickblendung 75 Rückbezug, s. Anaphora Rückfrage 87 Russisch 24, 61, 99 Sandig B. F 46 Satzakzent 53, 77 Satz als höchste sprachliche Einheit 6, 10 Satzanhäufung 1, 7, 10 Satzbasis, s. Ausgangspunkt
Satzgruppe 3, 14, 82 Satzpaarmethode 15 Satzpartkeln 71 Satzperspektive 6 Satztypen 79 Satzwörter 91 Scene 43 Schlußfolgerung 37 Schlüsselwörter l l l f Schmidt S. 8, 103, 106, F 240 Schnalzlaut 75 Schnellsprechstile 33, 35 Schriftlichkeit 71, 80f, 100 Schulunterricht 114 Schweigen 11, 12, 77 Searle J. 94 Seichtstruktur 5, 29, 32 Semiotik (Semiologie) 103 Sequenzialform, s. Folgeform Sevbo I. 32,44 simple form 47 sincerity condition 94 singulär, s. spezifisch Siona 19 Situation 30, 40 Situational roles 43 Situationem 13 Situationseinbettung 58, 100 Situationskontext 101 shallow Structure, s. Seichtstruktur Slavisch 33, 35, 48, 53 Sloppy identity 24, 26, 27 sluicing 35 source 44 Soziolinguistik 33, 105 Soziologie 103ff Spanisch 26, 52 Spannung 56, 60f Sparsamkeit 31 spezifisch 27f, 30f Spezifizierung 66, 82 Spracherwerb, s. Kindersprache Sprachgeschichte 67, 70, 72, 74 Sprachmelodie 79 Sprachspiel 104 Sprechbogen 76 Sprecherwechsel 102 Sprechstrategie 110
Sprechhaltung 47, 95 Sprechpartner 96, 109 Sprechsituation 9, 29, 36, 86, 89, 97, 100, 110, 113f Sprichwort 59, 96 Sprung, thematischer 42 Steigerung, s. Gradation Stellungnahme 87 Stilistik 6, 33, 35, 60, 80, 98, 107 strategic interaction 104 Stratifikationalismus 7, F lOlf, F 123 Strichpunkt 82 Struktur, thematische 75 Strukturalismus 4, 41, 106 style indirect libre 89 subsequens 22, 25, 31 Substituend(um) 25, 57, F 148 Substituens F 57 Substitution 22, 62, F 14 Subtext F 280 Suggestivfrage 85, F 215 summa tiv 42 symbolischer Interaktionismus 104 synonym 21, 39, 42 Synthesegrammatik 9 Tagmemik 7, 13, 19, 43, 101, 109 Teilthemen 19 Teilzitat 90 Tempo 76, 111 Tempora 47ff tempora consecutiva 50 Tempusdominanz F 110 Text 3, 12, 13, 16, F 50 mündlicher 71 schriftlicher 71, 80f schriftlich konzipierter 100 Textabschnitt 14, 65, 79 Textakzent 77 Text als ein einziger langer Satz 10 Text als Summe seiner Sätze 93 Textanfang 57, 58, 59, 60, 98 Textanfangsintonation 62, 79 Textanfangssatz 61 Textbasis 10, 13, 51 Textdefinition 12f, F 2 Textern 12, 13 Textentwicklung 19, 36
131
Texterzeugung 13, 17, 101 Textfortsetzung 55 Textfunktion 114f Textgrammatik 4f, 92 Textgrenzen 57 texthomonymer Satz, s. Ein-Satz-Text Tex tinform ation 112 Textkern 9 Textkosmos 112 Textlänge 110 Textpartitur 74 Textphonetik 4 Textpragmatik 4, 83, 92ff, 100, 104, 114 Textpräsupposition 100 Textreduktion F 314 Textrhemata 55 Textschluß 13, 62 Textschlußintonation 62, 79, 80 Textsemantik 4, 16, 51, 84 Textsemiotik 105 Textsorten 14, 19, 95, 107, 113 Textsoziologie 105 Textstilistik 107, 115 Textstück 97 Textstücke in mehreren Sprachen 14 Textsyntax 4, 84 Textthema 17, 19, 44, 50, 63, 83, 92, 94, 111 Textthematik 51, 108, 112 Texttheorie 105 Texttypen, s. Textsorten Textübergänge 64, 112 textuell 10 Textzusammenhang 65 Thema 5, 7, 18, 40, 41, 46, 53, 54, 59, 79,83, 84, 102 metasprachliches 39 Thematik 66 Themastruktur 75 Thematisierung 66 Theologie 108 Tiefenkasus 43, 44, 74, 93 Tiefenstruktur 68 Tilgungstransformation 32, 71 Titel 18,61,70, 80, F 43, F 121 topic 41, 53, F 4 2 Topikalisierung F 183
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Topologie 105 Totalvariation, pragmatische 21 (kommunikative 95) Trägermedium 3, 92, 107, F 246 Tram in P. von F 41 Trugschluß 49 typographisch 80, 82 Übergangsverba 65 Übergangswahrscheinlichkeit 64, 102 Überleitung 65 Überraschung 52, 57, 78, 80, 86 Übersetzung 6, 12, 98, 113 Übersetzungskritik 113 Überschrift 18, 61, 70, 80, 98 Unabhängige und abhängige Sätze 11 und 67, 68, 69, 79, 109 understatement 95 Ungarisch 31 Ungeheuer G. 12,102, F 54 ungesättigt 70 Unterbrechung 65 Unterbrechungstechnik 64 Unterordnung 71 Unvollständigkeit 2, 6 Unzweideutigkeit 31, 73 Vagheit, seman tische 33 Variation 31 Vendler Z. 29 Veränderung der Stimmlage 81 Verengung, semantische 36 Vergewisserungsfrage 85 Verhaltenseinheit 7 Verknüpfungsrelationen 67, 71 Verzeitung 47, 59 vice versa 34 Vokativ 91 Voraussetzung 32, 38, 67, 85, 93 Vorausschau 75 Vorauswissen 38 Vordergrund, s. Hintergrund vorerwähnt, s. mentioned Vorgängerform, s. Antezedens Vorgängersatz 40, 60, 61, 74, 99 Vorgängertext 14 Vortext 53
Wackernagel-Jolles Β. 76 Weil Η. 6 Weinrich H. 8, 4 7 , 4 9 , 74 WeirR. 115 Welt des Sprechers 23, 28, 97, 100 Wiedergabe, wortgetreue 89 Wiederholung 6, 20f Wienold G. 107 Wohlgeformtheit 7 Wortstellung 6, 53, 54, 59, 70, 74, 81, 86 Wunderlich D. 61, 93
Zeugenaussage 89 Zigeunerisch 61 Zipf G.K. F 76 Zitat 7, 81, 88, 90 Zwicky A.M. 69 Zwischenfrage 56 Zwischentitel 80 Zwischenstufen 3
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Terminologisches Register enthält nur Termini, die nicht im Text erklärt werden; zu diesen vgl. den Sachindex
Aktant = eine mit einem Prädikat verbundene Handlungsrolle in Syntax oder Thematik. Argument = in der Logik ein Gegenstandsbegriff, der der Wirkung eines Operators (** Prädikats) ausgesetzt ist; in einer prädikatenlogisch formulierten generativen Semantik meist die Entsprechung von Fillmore's Tiefenkasus. Basis-Satz = (formalisierter) Satz, der den Inhalt einer Basis(struktur) ausdrückt. Basiskomponente (Basisstruktur): besteht in der generativen Standardtheorie N.Chomsky's aus syntaktischen Formationsregeln (s.d.), Subkategorisierungsregeln (die grammatische Kategorien in Unterklassen zerlegen) und dem Lexikon; sie enthält keine Transformationsregeln. In der generativen Semantik versteht man darunter die satzsemantische Grundlage eines Regelsystems, das die sinntragenden Grundeinheiten einer Sprache erzeugt. Basisstruktur wird hier ausgeweitet auf die Erzeugung der pragmatischen, thematischen bzw. semantischen Struktur eines Textes. binär (binary) = Klassifizierung nach Zuordnung zu einem Merkmal oder einer Klasse mit „ + " oder „ - " . Gegensatz: multivalent (n-ary) Delimitative Funktion = Funktionen der Abgrenzung oder Grenzsignalisierung zwischen Segmenten, zum Unterschied von der distinktiven Funktion (s.d.). Dependenzgrammatik = auf L. Tesniere zurückgehende Abhängigkeitsgrammatik, nach der alle Glieder eines Satzes oder einer Proposition vom Prädikat dominiert werden. Sie hat auch z.T. Fillmore's Tiefenkasusgrammatik und die generative Semantik beeinflußt. Disambiguierung (disambiguation) = Vereindeutigung eines mehrdeutigen Ausdrucks, Distinktive Funktion = Fähigkeit, allein Segmente voneinander zu unterscheiden, besonders hinsichtlich ihrer Bedeutung und durch das Mittel der Vertauschprobe. Distributionalismus = Richtung des (besonders amerikanischen) Strukturalismus, dessen wichtigstes Kriterium die Verteilung von Sprachelementen innerhalb größerer sprachlicher Einheiten ist, und der die Bedeutung weitgehend vernachlässigt. Ebenengrammatik = Grammatik, die mehrere Ebenen beinhaltet ζ. B. des Subphonems, Phonems, Morphems, Wortes, der Phrase, des Satzes, (Textes), und ihnen einen theoretischen Status zuweist, in dem signifikante Generalisierungen über die Sprache ausgedrückt sind. Für die verschiedenen Ebenen werden Termini wie level, stratum, rank verwendet. Einschränkung (constraint) = nichttransformationelle Wohlgeformtheitsbedingung über möglichen Strukturen in Eingabe, Ausgabe, oder Ableitung. enklitisch = betonungslos; von Wörtern verwendet, die sich an ein vorausgehendes betontes Wort „anlehnen" und mit ihm eine Betonungseinheit bilden. Entropie = Informationsgehalt eines Segments, in der Informationstheorie abhängig
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vom Durchmischungsgrad (positiv) und von der Redundanz (negativ). enumerative Redeweise: zerlegt jede Handlung in ihre einzelnen Teile, die sie als eigene Sätze darstellt. Formationsregeln = in der generativen Standardtheorie N. Chomsky's syntaktische Erzeugungsregeln, die taxonomische Strukturen, ohne diskontinuierliche Elemente, Tilgungen und andere Transformationen, generieren. generative Semantik = Gegensatz zur interpretativen Semantik (s. Interpretivisten, vgl. Argument, Basiskomponente, performative Verba, Prädikatenlogik, Proposition, Quantifikator, Satz). Hypersem = semantisch übergeordneter Begriff. Interpretivisten = Schule der generativen Grammatik, die die Standardtheorie N.Chomsky's weiterentwickelt und der Semantik eine interpretierende, keine generierende Rolle zuweist; Gegensatz: generative Semantik. Inzidenzschema = Aufeinanderfolge von vorbereitendem imperfektiven und unterbrechendem perfektiven Aspekt. Iterativität = Bezeichnung einer sich wiederholenden Handlung, die sich in der Zeit oder auch im Raum verteilt. Komponentialanalyse = Zerlegung von Elementen in ihre Bestandteile, besonders von Lexemen in ihre semantischen Merkmale. Konnektor = jedes Element, das andere Elemente, besonders Sätze und Propositionen, miteinander verbindet; in der Prädikatenlogik und generativen Semantik als Prädikat daxstellbar. Lexem = jede kleinste bedeutungstragende Einheit des Wortschatzes, die ihren Platz im Wörterbuch, nicht in der Grammatik hat. Gegensatz: Morphem als kleinste morphologische Einheit (z.B. „Schaf-e" besteht aus einem Lexem und einem Morphem). Linearisierung = Verteilung von sprachlichem Material auf das Nacheinander (Hintereinander) des Sprachkontinuums. Oberflächenstruktur (surface structure) = Ausgabe (output) der syntaktischen Komponente einer generativen Grammatik, in N. Chomsky's Standardtheorie durch Transformationen aus der Tiefenstruktur abgeleitet. Operator = in der Logik jede Kategorie, die auf ein Argument wirkt (z.B. Prädikat, Quantifikator, Negation) und Objekten ihres Definitionsbereichs weitere Objekte zuordnet. Parasem = semantisch nebengeordneter Begriff. Performanz (performance) = tatsächlicher Gebrauch der Sprache, Anwendung des in der Kompetenz verankerten Sprachsystems. Performative Verba = abstrakte Verba (Prädikate) der semantischen bzw. pragmatischen Basiskomponente, deren Subjekte die von ihnen ausgedrückte Handlung vollfuhren müssen, wenn sie sie verwenden (z.B. versprechen, wünschen, befehlen). Phonologie = Wissenschaft von der systemhaften Funktion der Laute und der Lautstruktur einer Sprache, bzw. diese Struktur selbst. Prädikatenlogik = Logik, bei der das Prädikat-Argument-Verhältnis bestimmend ist; wird oft zur formalen Darstellung einer generetiven Semantik benützt. Pro-Form = Variable, die für eine andere Form anaphorisch, kataphorisch oder deiktisch eintritt. Proposition = Satzbegriff, der Argumente und Prädikat umfaßt, ohne Modalität, Quantifikation, Negation.
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Quantifikator (quantifier) = Operator, der die Quantität und / oder Bestimmtheit von Argumenten ausdrückt. Rhematisierung = Übertragung einer rhematischen Funktion auf ein thematisches Element (s. Thema, Rhema im Sachindex) Satz: dreideutig: 1) = clause (Teilsatz, Gliedsatz, einfacher Satz), 2) = sentence: ein oder mehrere clauses, kann also komplex sein, jedoch keine Satzgruppe. 3) in der Basisstruktur = Ausgangsbegriff, aus dem über Nominalphrase und Verbalphrase (Chomsky), Verbum und Tiefenkasus (Fillmore), Prädikat und Argumente (generative Semantik) die grammatischen Strukturen abgeleitet werden; vgl. Proposition. Segment = diskrete (wohlabgegrenzte) sprachliche Einheit beliebigen Umfangs (und Komplexität). Segmentierung = Gliederung des Sprechkontinuums in Segmente. Selektionsbeschränkung = Restriktion der Verbindbarkeit von Elementen, besonders von Verbum mit Nomina in der generativen Grammatik (vgl. das Zentralproblem der Abhängigkeit in der Dependenzgrammatik). Sequentialform = Folgeform, d.h. eine Form, die einen Antezedenten (Vorgängerform) im selben Text voraussetzt. Standardtheorie, generative = Theorie von Chomsky (1965). Stratifikationalismus = Ebenengrammatiktheorie S. Lamb's. Synthesegrammatik = Grammatiktyp, der sich auf den Kompositions- und Erzeugungsprozeß konzentriert. Gegensatz: Analysegrammatik. Tagmemik = Ebenengrammatiktheorie K. Pike's. Taxonomie = klassifikatorisches Inventar von Segmenten und Regeln. Textbasis = (paradigmatische, thematische, oder semantische) Basis-Komponente eines Textes. Texthomonymer Satz = einsätziger Text, d.h. Satz und Text sind homonym. Thesaurus = in der Dokumentationstheorie, ein Arrangement von Wörtern oder Deskriptoren (Beschreibungsklassifikatoren), das auf den Assoziationen zwischen Wörtern basiert und der automatischen Informationsauffindung (information retrieval) dient. Tiefenstruktur = in der generativen Standardtheorie Ableitungsstufe, die nur durch die Basiskomponente erzeugt wird, also noch ohne Transformationen und semantische Interpretation. Tiefenkasus (deep cases, vgl. Handlungsrollen, Aktanten, Argumente): Funktionen von Nomina in der Basis, bilden in Fillmore's Theorie zusammen mit dem Verbum eine Proposition. Tilgungstransformation (deletion transformation) = Transformation, die im Lauf der Ableitung eines Satzes aus der Basisstruktur ein Element löscht, sodafe es in der Oberflächenstruktur nicht mehr aufscheint. Transformationsregeln = Regeln die eine Struktur durch Umstellung, Einfügung (Insertion) oder Tilgung verändern; in der generativen Standardtheorie leiten sie die Oberflächenstruktur aus der Tiefenstruktur ab. Valenztheorie = Theorie von der Wertigkeit der Verben (vgl. Dependenzgrammatik); beschreibt, mit wie vielen Kasus (Aktanten) ein Verbum konstruiert wird. Wohlgeformt = grammatikalisch korrekt (im Sinne der generativen Grammatik).
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