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German Pages 60 Year 1950
EINFÜHRUNG IN DIE TECHNISCHE MATHEMATIK
VON
DR. PHIL. HORST VON SANDEN o. Professor an der Technischen Hochschule Hannover
Mit 42
Abbildungen
Zweite, d u r c h g e s e h e n e A u f l a g e
W a l t e r d e G r u y t e r & Co.,
Berlin
vormals G. J . Gdschen'sche Verlagshandlang — J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J . Trübner — Veit & Comp.
I960
A l l e R e c h t e , n a m e n t l i o h d a s Üb e r i e t x n n g sr e c h t , von der Verl a g s h a n dlnn g v o r b e h a l t e n
Archiv-Nr. 12 13 50 Gedreckt im Druokhat» Tampelhof, Berlin Printed in Cennany
Inhaltsverzeichnis I. Vektoren 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Betrag eines Vektors Gleichheit zweier Vektoren Addition von Vektoren Multiplikation mit einer Zahl Das innere Produkt Das äußere Produkt Statik und Vektorrechnung
5 5 5 6 6 9 12
IL Vektoren und Koordinaten. Analytische Geometrie 1. 2. 3. 4. 5.
Grundvektoren Inneres und äußeres Produkt in Koordinaten Addition in Koordinaten Analytische Geometrie in der Ebene Analytische Geometrie im Raum
15 16 16 16 25
DI. Integral- und Differentialrechnnng 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
Begriff der Funktion Das bestimmte Integral Die Integralfunktion und der DiSerentialquotient Differenzieren und Integrieren einiger Funktionen Einführung einer neuen Integrationsvariablen Der natürliche Logarithmus Schreibweise der Integralfunktion Differenzieren von Vektoren
28 29 32 36 43 47 50 62
IV. Komplexe Zahlen Komplexe Zahlen
53
Sachverzeichnis
59
Vorwort zur 1. Auflage Bei diesem kleinen Buch habe ich zunächst an Studenten gedacht, die nicht Mathematik studieren wollen, sondern andere Wissenschaften, bei denen aber höhere Mathematik ein unerläßliches Hilfsmittel ist. Dabei kommt es vielfach vor, daß etwa in den Anfangsvorlesungen über Mechanik und Physik einiges aus der höheren Mathematik bereits früher gebraucht wird, als es in den mathematischen Vorlesungen behandelt wird. Um dem Anfänger die dadurch nötig werdende Auslese in mathematischen Lehrbüchern, die ihm aus mannigfachen Gründen nicht leicht wird, zu ersparen, sind hier einige mathematische Dinge zusammengestellt, die zur Einführung in die Mechanik und Physik nötig sind. Eine gründliche Beschäftigung mit Mathematik soll dadurch keineswegs überflüssig gemacht werden. Das Buch mag auch manchen Lesern willkommen sein, die höhere Mathematik überhaupt nicht brauchen, aber doch einmal einen Einblick gewinnen wollen, was da gemacht und gedacht wird. Bei der Infinitesimalrechnung habe ich den engen Zusammenhang zwischen der Integral- und Differentialrechnung besonders hervortreten lassen. Nach meinen Erfahrungen wird er nicht immer klar genug erkannt, wenn in Vorlesungen und Lehrbüchern die Differentialrechnung getrennt von der Integralrechnung behandelt wird. Die Folge davon pflegt eine schwer ttberwindliche Scheu vor dem Integral zu sein, da dessen Begriff hinter dem analytischen Formelapparat zu verschwinden droht. Die geometrisch-anschauliche Einführung der komplexen Zahl, wie sie hier geboten wird, soll dazu beitragen, daß endlich auch bei Nichtmathematikern die noch weit verbreitete Meinung vor der mystischen Unbegreiflichkeit der imaginären Zahlen verschwindet. Dem Verlag bin ich zu Dank verpflichtet, daß er das Erscheinen des Buches trotz aller Schwierigkeiten der jetzigen Zeit ermöglicht hat. Hannover, im Januar 1947. v. Sanden.
Vorwort zur 2. Auflage Die zweite Auflage ist ein unveränderter Abdruck der ersten, bei dem lediglich einige Druckfehler berichtigt wurden. Hannover, Mai i960. v. Sanden.
I. Vektoren Als Vektor bezeichnet man eine Strecke, bei der Anfangs- und Endpunkt unterschieden werden, wodurch sie einen Kichtungssinn erhält. Der Endpunkt soll durch eine Pfeilspitze bezeichnet werden. Der Vektor ist also ein neues geometrisches Gebilde, das dazu dienen kann, Kräfte, Geschwindigkeiten, elektrische und magnetische Feldstärken und andere physikalische Größen zu kennzeichnen, bei denen es nicht genügt, durch eine einzige Zahl ihre Intensität anzugeben, sondern bei denen auch die Angabe der Richtung, in der sie wirksam sind, notwendig ist. Aber auch in der Geometrie selbst führt die Benutzung von Vektoren zu einer erheblichen Vereinfachung bei der Auffassung und Darstellung der Erkenntnisse. Für die Kombination von zwei und mehr Vektoren werden neue Regeln festgesetzt. Da diese mit den gewohnten Rechenregeln gewöhnlicher Zahlen gewisse Analogien zeigen, werden die Worte Addition und Multiplikation auch bei Vektoren benutzt; ebenso die Zeichen = -| . Doch erhalten sie bei Vektoren eine neue Bedeutung. Die Vektoren selbst werden durch kleine oder große deutsche Buchstaben bezeichnet. Die gewöhnlichen Zahlen sollen durch kleine römische oder griechische Buchstaben bezeichnet werden. Um den Gegensatz zwischen Vektoren und Zahlen zu betonen, werden diese jetzt auch s k a l a r e G r ö ß e n genannt. 1. Ist 21 ein Vektor, so bedeutet das Zeichen 1911 seine, in einer verabredeten Längeneinheit (etwa cm) gemessene Länge. Diese, stets positive, Zahl wird der „Betrag des Vektors" genannt. Die Gleichung 191 ] = r sagt demnach aus, daß der Betrag des Vektors 91 die Größe r hat. Das Gleichheitszeichen wird hier in seiner gewohnten Bedeutung, nämlich zwischen zwei gleichen Zahlen stehend, gebraucht. 2. Zwei Vektoren werden als „gleich" angesehen, wenn ihre Richtungen parallel, ihre Beträge gleich groß sind und ihre Pfeile nach der gleichen Richtung weisen. Abb.l zeigt zwei einander gleiche Vektoren 2t und 93. In der Vektorgleichung 21 = 93 ist also das GleichheitsAbb. 1 zeichen in neuer Bedeutung gebraucht. Vektoren bleiben sich gleich, wenn sie parallel verschoben werden und ihr Richtungssinn sich nicht dabei ändert. 3. Die Addition zweier Vektoren 2t und ' 93 wird so festgesetzt, daß sie einen neuen Vektor 91 = 21+ 93 ergibt, der nach folgen^ / der Anweisung konstruiert wird (Abb. 2). ' Man bringe die beiden Vektoren in eine solche Lage, daß der Anfangspunkt des Vektors 93 zusammenfällt mit dem Endpunkt des Vektors 21. Dann führt der Vektor SR vom Anfangspunkt von 9t zum EndAbb. 2
Ol/ J^ £
'Ol
6
I. Vektoren
punktvon33. Wirsagenkürzer,daßder Vektor SB an den Vektor9t „angeheftet" wird, um den Endpunkt des neuen Vektors SR zu erhalten. Man kommt zu dem gleichen Vektor 31, wenn man 2t an 58 anheftet. Es ist also 9t = 9 t + 9 3 = 93 + 9t. Wir merken noch an, daß diese Vorschrift für die Addition zweier Vektoren auch dann gültig bleibt, wenn die Vektoren parallel sind. Mit diesem Additionsprinzip ist auch die Addition von mehr als zwei Vektoren festgelegt. Ist 9t = + + ... + so werden die n-Vektoren S 2 , . . . S^ 1 ) nacheinander aneinandergeheftet, wobei die Reihenfolge beliebig ist (Abb. 3)2). Ist 9t = + -f . . . + = 0, so bedeutet dies, daß der Endpunkt des letzten der aneinandergehefteten Vektoren mit dem Anfangspunkt des ersten zusammenfällt. In Abb. 4 ist SR =
6
I = 0. «= i (Lies: Summe der von 1 bis 6).
Abb. 3
4. Die Multiplikation eines Vektors mit einer positiven Zahl soll einen Vektor erzeugen, dessen Richtung die gleiche bleibt, dessen Betrag jedoch aus dem des ersten Vektors durch Multiplikation mit der Zähl hervorgeht. Multiplikation eines Vektors mit — 1 soll seine Richtung umkehren. Damit ist festgelegt, was für ein Vektor Z «-Vi 0, so hat die gleiche Richtung wie 9t; ist d < 0, die entgegengesetzte. Da der Vektor 9t senkrecht auf der Geraden g steht, bezeichnet man ihn als den Normalvektor der Geraden. Hat er den Betrag Eins, so wird er mit 9t° bezeichnet, und die Zahl d auf der rechten Seite der Vektorgleichung $ 9t° = d gibt dann den Abstand des Nullpunktes 0 von der Ge-
» 1°
9
O
Abb. 20
raden a n . H a t 9t nicht die Länge Eins, so kann man die Vektorgleichung
9? = d
durch K 9t 2 dividieren, um 91 zu einem Normalvektor vom Betrage Eins zu kommen. Setzt man dann 91° = - , —
d
VW
und d = y = , so lautet die Gleichung 5ß9t° = d, wobei d jetzt den Abstand der Geraden vom Nullpunkt angibt. Die Gleichung
91 = d der Geraden lautet in Koordinaten
a x + b y = d.
(I)
Dividiert man diese Gleichung durch Fa 2 + i 2 , so entsteht die Gleichung
ax + by Var+b2
d
= d, bei der d den Abstand der Geraden vom Nullpunkt angibt.
KO2+62
Dividiert man die Gleichung ( I ) durch d, so entsteht
(II)
d a
, d j
-j- + — = 1. Setzt man — = u und — = v,
d a
so erhält man die Gleichungsform (III)
u
v
Setzt man in dieser Gleichung x = 0, so erhält man y = v. Es ist v die «/-Koordinate desjenigen Punktes der Geraden, dessen »-Koordinate Null ist. Die Zahl v in der Glei2 Technische Mathematik
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II. Vektoren und Koordinaten. Analytische Geometrie
chung gibt also die Länge des Abschnitts an, der auf der Achse von der Geraden g abgeschnitten wird (Abb. 21). Mit y = 0 erhält man in u den Abschnitt auf der x-Achse. In der Abb. 21 ist u > 0 und v < 0. (IV)
Dividiert man die Gleichung ( I ) durch b und s e t z t = — p, so entsteht die b Gleichungsform y = p • x + v. Darin ist v wieder der Abschnitt auf der «/-Achse und p = tga. die Steigung der Geraden, wobei der Winkel in den Transformationsgleichungen ist jetzt 45°, und sin
o ) .
Das allgemeine Schema versagt hier. Nun ist aber x =rj2 gleichbedeutend mit der gegebenen Gleichung. Fassen iiiir daher x als Funktion von rj auf, so haben wir nach (1) dx ihren Differentialquotienten — = 2rj. drj X /| Y) Dies ist der Grenzwert v o n — . Der gesuchte Grenzwert von —- ist der Grenzwert Ar] Ax 1 1 dx von , also gleich , sofern — nicht Null wird, was durch die Bedingung Ax/Ar) dx/ drj dr} dr> 1 1 x > 0 ausgeschlossen wurde. Es ist demnach —- = — = • dx 2rj 2 Yx Diese drei Beispiele lassen sich auf eine einzige Formel bringen. Die Funktion tj = x" umfaßt mit n = 2; — 1 ; n = 1/2 alle drei Funktionen. Ihr Differentialquotient ist in allen drei Fällen rj' = n - x"—1. In der Differentialrechnung wird bewiesen, daß der Differentialquotient der Funktion rj = xn allgemein rj' = n • xn ~1 ist, welches auch der Wert des Exponenten n sein mag. (4) Ist r] = C, d. h. eine Konstante, so ist rj — rj (x + A x) — rj (x) = C — G = 0 und daher rj' = O.Mitn = 0 gehört auch diese Funktion zu den durch »j-= Ca;" gegebenen. (5) rj = sin x. Der Leser beachte, daß bei diesem Gedankengang J t + 0 bleibt. Man nennt ihn „ Grenzübergang".
III. Integral- nad Differentialrechnung Es wird A r)
sin (x-\-Ax)
A x
— sin x
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sin x • cos A x + cos x - sin A x — sin x
A-x
A x . sin A x sin x + cos x • . A x A x Der Grenzwert dieses Ausdrucks ist nicht mehr so einfach zu finden, wie in den . A x sm-— cos A x — 1
bisherigen Beispielen. Da
A x
= — sin — . 2
A x
ist, kommt es auf den
2 r. Grenzwert von
sin
X
an. x Wir müssen hier nachholen, was die Zahl x eigentlich in sin x zu bedeuten hat. Sie mißt den Winkel, von dem der Sinus genommen wird im sogenannten Bogenmaß.
Diese, der Mathematik eigentümliche Winkelmessung ist frei von der Willkür der sonst üblichen Winkelmaße, deren es ja eine ganze Menge gibt. Da ist der „Altgrad", von dem 90° auf den Rechten gehen; dann der „Neugrad", bei dem ein Rechter gleich 100« ist. Der Seemann mißt den Winkel in „Strich", von denen 32 auf den Kreisumfang gehen. So gibt es noch mehrere Winkeleinheiten. Den im Bogenmaß gemessenen Winkel legt man dadurch fest, daß man (Abb. 34) die Länge des Kreisbogens zwischen den Schenkeln des Winkels durch den Radius des Kreises dividiert, und diesen Quotienten x = — als die Größe des im Bogenmaß ger messenen Winkels festsetzt. Die Größe des Radius r ist dabei gleichgültig. Ebenso, in welcher Längeneinheit man die Länge von r und den Bogen 6 mißt. Da der Kreisumfang 2rn ist, bedeutet x — 2n einen Winkel von 360°; und weiter x = n den Winkel von 180°; x = n/2 den Winkel von 90° usw. Ein beliebiger Winkel
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III. Integral- und Differentialrechnung JJ
von a° bekommt im Bogenmaß die Größe x = — -a,0. Zur Umrechnung von Winkeln, 180 die mit a° durch Altgrade gegeben sind, ins Bogenmaß x und umgekehrt merke man sich für Kopfrechnungen: x • 57,30° = 1. Der Quotient ist also zwischen zwei cosa; sina: Zahlen eingeschlossen, von denen die eine kleiner und die andere größer als 1 ist, und die sich beliebig wenig von 1 unterscheiden, wenn x hinreichend klein wird. Daraus können wir.
III. Integral- und Differentialrechnung
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x sin x und auch beliebig wenig von 1 unterscheiden, wenn x Sinz x hinreichend klein ist. D. h. die beiden Quotienten haben den Grenzwert 1, wenn x nach A x sin — sinzl x 2 Null geht. Folglich unterscheiden sich die Quotienten — - — und —: bei hin-
schließen, daß sich
Zj X reichend kleinem A x beliebig wenig von 1; also
COS ^ X ~ 1
ZJ X
2 beliebig wenig von Null,
A x und mit rf = cos x haben wir den Differentialquotienten von rj — sin x gefunden. Wir schließen hiermit unseren Katalog von Funktionen und ihren Differentialquotienten ab. Drei allgemeine D i f f e r e n t i a t i o n s r e g e l n fügen wir noch hinzu, deren Beweis wir dem Leser oder den Vorlesungen überlassen. (1) Ist rj' der Differentialquotient einer Funktion rj = rj(x), so hat die Funktion C = C • rj(x)
den Differentialquotienten
= -— = C-rf. dx (2) Sind j^; rj2\ rj3 ... Funktionen, deren Differentialquotienten rj\\ rf2\ rj'a wir bereits kennen, und f = Cx • + C a • rj2 + Cs • r]3 + . . . , so ist
...
/(«) = ri'{a)— erfüllt.
rj'(a)=0
X
(3) Die Integralfunktion rj = J cos(q • x)dx ist zu ermitteln. Darin ist q eine gegebene Konstante. Im Katalog finden wir zunächst, daß cos x der Differentialquotient von sin x ist. Der Differentialquotient von sin(ga;) folgt daraus nach der Kettenregel zu q • cos (q x), wie auf Seite 39 gezeigt wurde. Folglich ist
eine Funktion, deren Differential0
_
sin fQ
quotient cos(a = 9?i werden, oder auch r3 = jAr^ und x = 0. Wir finden r3 — j / r x = [ / 4 = 2 , und