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German Pages 303 [304] Year 1981
Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft
Herausgegeben von Klaus Baumgärtner
Robert-Alain de Beaugrande/Wolfgang Ulrich Dressler
Einführung in die Textlinguistik
Max Niemeyer Verlag Tübingen 1981
Dieses Buch ersetzt das in 2. Auflage 1973 erschienene Buch „Einführung in die Textlinguistik" von Wolfgang Dressier.
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Beaugrande, Robert-Alain de: Einführung in die Textlinguistik / Robert-Alain de Beaugrande ; Wolfgang Ulrich Dressler. Tübingen : Niemeyer, 1981. (Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft ; 28) NE: Dressler, Wolfgang U.:; GT ISBN 3-484-22028-7
ISSN 0344-6735
© Max Niemeyer Verlag Tübingen 1981 Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomcchanischem Wege zu vervielfältigen. Printed in Germany. Satz: Williams, London. Druck: Sulzberg-Druck, Sulzberg im Allgäu
Inhaltsverzeichnis
Vorrede Zur Zeichensetzung
IX
0.
VORWORT
XI
I.
GRUNDBEGRIFFE
X
1
Textualität. Sieben Kriterien der Textualität: Kohäsion; Kohärenz; Intentionalität; Akzeptabilität; Informativität; Situationalität; Intertextualität. Konstitutive und regulative Prinzipien: Effizienz; Effektivität; Angemessenheit.
II.
DIE ENTWICKLUNG DER TEXTLINGUISTIK
15
Vorläufer der Textlinguistik: Rhetorik; Stilistik; Literaturwissenschaft; Kulturanthropologie; Tagmemik; Soziologie; Diskursanalyse; Funktionelle Satzperspektive. Deskriptive/Strukturelle Linguistik: Systemebenen; Harris' Diskursanalyse;Coserius Umfelder; Harwegs Substitutionsmodell;Text als übersatzmäßige Einheit. Transformationsgrammatik und ihre Folgen: Heidolphs und Isenbergs Vorschläge; Textgrammatik des Konstanzer Projekts; Petöfis Textstruktur/ Weltstruktur-Theorie; van Dijks Textgrammatiken; Mel'cuks Sinn ** Text-Modell; die Entwicklung des Transformationsbegriffs.
III.
DER PROZEDURALE ANSATZ
32
Pragmatik. Systeme und Systematisierung. Beschreibung und Erklärung. Modularität und Interaktion. Kombinatorische Explosion. Das prozedurale Wesen des Textes. Verarbeitungsleichtigkeit und Verarbeitungstiefe. Abschlußschwellen. Virtuelle und aktualisierte Systeme. Kybernetische Regulierung. Kontinuität. Stabilität. Problemlösung: Tiefe-zuerst-Suche, Breite-zuerst-Suche und Mittel-Zweck-Analyse. Abbildung. Prozeduranschluß. Mustervergleich. Phasen der Textproduktion: Planung; Ideation; Entwicklung; Ausdruck; grammatische Synthese; Linearisierung und Nachbarschaft. Phasen der Textrezeption: grammatische Analyse; Konzeptabrufung; Ideenabrufung; Planabrufung. Umkehrbarkeit von Produktion und Rezeption. Quellen
V
für prozedurale Modelle: Künstliche Intelligenz; Kognitive Psychologie. Operationstypen. IV.
KOHÄSION
50
Die Funktion der Syntax. Der Oberflächentext in aktiver Speicherung. Engmaschige Muster: Phrase, Teilsatz, Satz. Erweiterte Übergangsnetzwerke. Grammatische Abhängigkeiten. Regeln als Prozeduren. Mikro-Zustände und Makro-Zustände. Warteliste. Wiederholungsmuster: Rekurrenz; partielle Rekurrenz; Parallelismus; Paraphrase. Verdichtungsmuster: Pro-Formen; Anaphora und Kataphora; Ellipse; Gewinn-VerlustRelation zwischen Gedrängtheit und Klarheit. Signalisierungsrelationen: Tempus und Aspekt; Aufdatierung; Junktion: Konjunktion, Disjunktion, Kontrajunktion und Subordination; Modalität. Funktionelle Satzperspektive. Intonation. V.
KOHÄRENZ Sinn und Bedeutung. Nicht-Determiniertheit, Mehrdeutigkeit und Polyvalenz. Sinnkontinuität. Textwelten. Konzepte und Relationen. Verbindungsstärke: determinierendes, typisches und zufälliges Wissen. Zerlegung. Prozedurale Semantik. Aktivierung. Chunks und globale Muster. Aktivierungsverbreitung. Episoden-Gedächtnis und semantisches Gedächtnis. Ökonomie. Frames, Schemata, Pläne und Skripts. Vererbung. Primärkonzepte und Sekundärkonzepte. Operatoren. Aufbau eines Text-Welt-Modells. Inferenzziehung. Weltwissenskorrelat. Referenz.
VI.
INTENTIONALITÄT U N D AKZEPTABILITÄT Intentionalität. Reduzierte Kohäsion. Reduzierte Kohärenz. Der Begriff der Intention. Sprechakttheorie. Performative. Grices Konversationsmaximen: Kooperation, Quantität, Qualität, Relevanz sowie Art und Weise. Die Begriffe der Handlung und Diskurshandlung. Pläne und Ziele. Skripts. Interaktive Planung. Kontrolle und Vermittlung. Akzeptabilität. Beurteilung von Sätzen. Beziehungen zwischen Akzeptabilität und Grammatikalität. Billigung von Plänen und Zielen.
118
VII.
INFORMATIVITÄT
145
Aufmerksamkeit. Informationstheorie. Die Markov-Kette. Statistische und kontextuelle Wahrscheinlichkeit. Drei Stufen der Informativität. Trivialität, Defaults und Präferenzen. Aufwertung und Abwertung. Diskontinuitäten und Diskrepanzen. Motivationssuche. Direktionalität. Verbindungsstärke. Aufhebung und Wiederherstellung der Stabilität. Quellen der Erwartung: die reale Welt; Fakten und Glauben; Normalanordnungsstrategien; formale sprachliche Konventionen; Signalisierung der Informativität; Textsorten; unmittelbarer Kontext. Negation. Bestimmtheit. Ein Zeitungsartikel und ein Sonett. Erwartungen auf verschiedenen Ebenen. Motivationen für Unerwartetheit.
VI
88
VIII. SITUATIONALITÄT
169
Situationsmodelle. Vermittlung und Evidenz. Kontrolle und Lenkung. Dominanzen. Bemerken. Normalanordnungsstrategien. Frequenz. Auffälligkeit. Verhandlung. Exophora. Lenkung. Pläne und Skripts. Planroutinen und ihre Eskalation. Gewinn-Verlust-Relation zwischen Effizienz und Effektivität. Strategien der Situationslenkung und Situationskontrolle.
IX.
INTERTEXTUALITÄT
188
Textsorten und Sprachtypologie. Funktionell definierte Textsorten: Deskriptive, narrative und argumentative Texte; literarische und poetische Texte; wissenschaftliche und didaktische Texte. TextAnspielung. Konversation. Probleme und Variablen. Kontrolle und Lenkung. Reichmans Kohärenzbeziehungen. Diskurs-Welt-Modelle. Inhaltswiedergabe von Texten. Auswirkungen von Schemata. Abstrahierung, Konstruktion und Rekonstruktion von Spuren. Inferenzziehung und Aktivierungsverbreitung. Wechselwirkung von Textwissen und Weltwissen. Textualität bei Wiedergabe-Experimenten.
X.
FORSCHUNG UND INTERDISZIPLINÄRE ANWENDUNG . . . . 216 Kognitionswissenschaft: Fertigkeiten rationalen menschlichen Verhaltens; Intelligenz. Texte als Träger der Forschung: Soziologie; Kulturanthropologie; Psychiatrie und Neuropsychologie. Lesen und Lesbarkeit. Schreiben. Literaturwissenschaft: Deautomatisierung; Abweichung; generative Poetik; literarische Kritik als Abwertung und Aufwertung. Übersetzungswissenschaft: wörtliche und freie Übersetzung; Äquivalenz der Erfahrung; literarische Übersetzung. Kontrastive Linguistik. Fremdsprachenunterricht. Semiotik. Computerwissenschaft und künstliche Intelligenz. Verstehen verstehen.
Bibliographie Abkürzungsverzeichnis Personenregister Sachregister . . .
233 271 273 281
VII
Vorrede
Dieses Buch erscheint gleichzeitig mit der englischen Fassung, Introduction to Text Linguistics (London, Longman), wurde aber einige Monate später fertiggestellt und konnte weitere Literatur berücksichtigen. Ferner wendet sich diese deutsche Fassung bewußt an den deutschsprachigen Leser, wodurch der Anteil englischer Beispieltexte gegenüber der englischen Fassung stark zurücktritt. Für eine eingehendere Behandlung vieler grundlegender Probleme des Ansatzes dieses Buches verweisen wir auf Beaugrande, Text, Discourse, and Process (Norwood, New Jersey, Ablex, 1980). Hier versuchen wir in einer neuen Form auch den nicht spezialisierten Leser in das Gebiet der Textlinguistik im weitesten Sinn einzuführen, wobei wir die schon länger vertraute Linguistik übersatzmäßiger sprachlicher Beziehungen mit einem weiten Fächer interdisziplinärer Untersuchungen über die Produktion, die Rezeption und den Gebrauch von Texten in menschlicher Interaktion zu verbinden suchen. Der persönliche und briefliche Kontakt mit vielen hier zitierten Forschern hat uns sehr geholfen. Ebenso sind wir unseren Studenten an der Universität Bielefeld, an der University of Florida, Gainesville, und an der Universität Wien für Diskussion und Mitarbeit zu großem Dank verpflichtet.
IX
Zur Zeichensetzung
Sprachbeispiele werden in einfachen Anführungszeichen ohne zusätzliche Interpunktion gebracht (z.B. ,langsame Kinder') oder eingerückt, mit fortlaufend durchnummerierter Zahl des vollständigen Textbeispiels in runden Klammern, z.B. (1) LANGSAM SPIELENDE KINDER Andere Zitate werden in doppelten Anführungszeichen gesetzt (z.B.: „exakte" Wissenschaften). Hauptbegriffe werden in KAPITÄLCHEN eingeführt. Termini werden dann durch S p e r r d r u c k hervorgehoben, wenn wir damit unseren eigenen terminologischen Gebrauch betonen wollen. So weit wie möglich, haben wir dabei die Terminologie ausgeglichen, um nicht den Leser durch Anhäufung verschiedener Termini einzelner Forscher zu verwirren. In jedem der zehn mit römischen Ziffern bezeichneten Kapitel werden die einzelnen Paragraphen jeweils mit arabischen Ziffern durchgezählt, wodurch wir detaillierte Indices and Querverweise dem Leser an die Hand geben können.
X
0. Vorwort
1. Im Sommer 1976, während der Jahrestagung der Societas Linguistica Europaea in Salzburg, kamen wir überein, je eine englische und deutsche Neufassung von Dresslers Einßhrung in die Textlinguistik (1972a) zu schreiben. Beim genaueren Studium der seit 1972 erschienenen Literatur ergab es sich aber, daß neuere Forschungsrichtungen in ihrem Streben nach neuen Theorien und Methoden die Bedingungen für eine Wissenschaft von Texten wesentlich verändert haben. Diese Entwicklung ist durch eine viel stärkere interdisziplinäre Zusammenarbeit gekennzeichnet, als dies jemals zuvor in den Sprachwissenschaften der Fall war. 2. Dementsprechend entwickelten wir einen völlig neuen Plan und Aufbau für diese Einführung.1 Gleich zu Anfang möchten wir betonen, daß wir keineswegs eine erschöpfende oder endgültige Behandlung der besprochenen Probleme angestrebt haben. Oft hatten wir auch mit neu auftauchenden Fragen zu tun, deren Beantwortung langjährige gemeinsame Arbeit vieler Forscher erfordern wird. Dennoch hielten wir es für nützlich, solche Fragen zu erwähnen und vorläufige Antworten anzubieten. Wir wären hochzufrieden, wenn dieses Buch als Wegweiser in einer Zeit schneller Veränderungen der Forschungslage dienen könnte. 3. Jede derartige nicht-definitive Untersuchung fächerübergreifender Themen muß notgedrungen Widerspruch erregen: Eine Gruppe mag den Wert von Textlinguistik überhaupt abstreiten und darauf bestehen, daß nur der Satz, nicht der Text, der einzige einer Linguistik angemessene Untersuchungsbereich sei.2 Andere mögen die Untersuchung von Texten zulassen, ohne aber eine bereits anderswo etablierte linguistische Methodik ändern zu wollen.3 Sogar jene, die große Änderungen anzunehmen bereit sind, werden sich kaum 1
Bei unserer neuen Arbeitsteilung wurden Themenbereiche, die erst nach 1972 aufkamen, meist von Beaugrande behandelt, während sich Dresslers Beiträge weitgehend in den bereits in Dressier (1972a) berücksichtigten Bereichen, besonders der Kohäsion, befinden. 2 z.B. Dascal & Margalit (1974). 3 z.B. Ballmer (1975). XI
über die am besten einzuschlagenden Richtungen einigen.4 Unserer Meinung nach sollte sich die Entscheidung über die zu verwendenden Methoden nach dem Wesen des Textes als kommunikativen Ereignisses richten. Dabei soll der hier vertretene Ansatz bestehende Richtungen eher ergänzen als mit ihnen konkurrieren. Oft beschäftigen wir uns auch mit Problemen, die ältere Ansätze gar nicht zu erfassen behaupteten. 4. Insbesondere Thomas Kuhn (1970) hat in Wissenschaftlern und in wissenschaftlich interessierten Lesern das Bewußtsein dafür geweckt, daß Tätigkeiten im Rahmen der „normalen Wissenschaft" viel mehr durch Konventionen der Wissenschaftler als durch offenbare Wesensmerkmale der Untersuchungsgegenstände bestimmt werden. In dieser Lage befindet sich die Linguistik in ganz besonderem Maße, da ihre Forschungsobjekte so verschiedenartig und vielseitig sind. Denn es gibt kaum einen Gesichtspunkt menschlichen Denkens, Handelns und sozialer Interaktion, der nicht irgendwie von Sprache durchdrungen wäre. Wir können natürlich in unseren Theorien und Modellen Reduktionen und Idealisierungen nicht vermeiden. Aber wir müssen uns vor Augen halten, daß Reduktionen und Idealisierungen zwar notwendige, aber jeweils nur vorübergehende, letztlich unerwünschte Beschränkungen sind, die man so bald wie möglich beseitigen sollte. Ja es kann sich sogar ergeben, daß ein breiterer und vollständigerer Ansatz einfachere Beschreibungen und Erklärungen von Sprache erlaubt als ein engerer, fragmentarischer Ansatz. Konzentration auf exakte Detaildarstellung ist zwar berechtigt, darf aber nicht den Blick auf umfassende Beziehungen innerhalb des gesamten Spektrums von Sprache verstellen (vgl. X.29). 5. Eine verhältnismäßig junge Wissenschaft wie die Linguistik mag verständlicherweise danach trachten, sich nach älteren Wissenschaften wie Physik, Mathematik und Logik zu richten. Aber Kommunikation hat, wie jede menschliche Tätigkeit, in unübersehbarer Weise ihre eigenen spezifischen physischen, mathematischen und logischen Eigenschaften. Eine unangemessene starre Anwendung von Begriffen, die aus den „exakten" Wissenschaften stammen, könnte den Forschungsgegenstand so sehr aus seinem menschlichen Kontext entfernen, daß Untersuchungsergebnisse kaum mehr relevant sind. Dies gilt in gleicher Weise für alle anderen Geistes- und Gesellschaftswissenschaften. Auch ist ein Formalismus letztlich nur eine Darstellung oder ein „Diagramm" (im semiotischen Sinn), aber keine Erklärung, bzw. ein Mittel und kein Zweck. Die Analyse formaler Strukturen kann sehr wohl an Wesen und Funktion eines Objekts in seinem weiteren Kontext vorbeigehen. 4
Die Verschiedenheit der Standpunkte zeigt sich eindrucksvoll in den Überblicken bei Dressier (Hrsg. 1978) und in den Beiträgen zu Petöfi (Hrsg. 1980) und Allen (Hrsg. 1981). XII
6. Linguistische Termini und Begriffe zeigen oft das Streben nach naturwissenschaftlicher, logischer oder mathematischer Strenge. Aber dies allein genügt in der Textlinguistik nicht, da eine Wissenschaft von Texten eigene Termini und Begriffe braucht. Dabei sind, wie wir betonen möchten, probabilistische Modelle angemessener als deterministische·, Darstellungen der Dynamik strukturbildender Vorgänge sind fruchtbarer als Beschreibungen der Statik dieser Strukturen; wir sollten eher Regelmäßigkeiten, Strategien, Motivationen, Präferenzen und Standardfälle („defaults") als Regeln und Gesetze zu entdecken suchen; oft können Dominanzen realistischere Klassifikationen erlauben als strikte Kategorien , Akzeptabilität und Angemessenheit sind wichtigere Kriterien von Texten als Grammatikalität und Wohlgeformt· heit; Prozesse menschlichen Urteilens sind wesentlicher für die Verwendung und Mitteilung von Wissen als logische Beweise (was natürlich für die beschriebene Sprache, nicht für die Metasprache der Beschreibung gilt). Eine solche Unschärfe ihrer Untersuchungsgegenstände sollte von einer Wissenschaft systematisch dargestellt, nicht ignoriert oder wegdiskutiert werden. 7. Die gegenwärtige Textwissenschaft bietet keine „falsifizierbaren" Theorien im strengen Sinne. Noch haben qualitative Voraussagen eine höhere Priorität als quantitative. Als Hauptaufgabe der Forschung gilt daher das Entwerfen von Modellen, die die komplexen Verarbeitungsprozesse der Textproduktion und -rezeption (wie sie im Labor nicht ohne weiteres zu beobachten sind) darstellbar machen (vgl. Beaugrande, 1981a, 1981b). Die Befunde unserer Experimente könnten ohne eine Interpretation durch solche Modelle kaum ausgewertet werden. Hier hat eine Theorie nicht nur Voraussagen zu bieten, sondern auch den begrifflichen Rahmen einer allgemeinen Wissenschaft der Kognition und der Kommunikation, worin Voraussagen überhaupt sinnvoll sind. Im Hinblick darauf mag es einleuchten, daß unsere Einführung die Einheitlichkeit der Textlinguistik auf Kosten laufender Kontroversen hervorkehrt - eine Tendenz, die nach Kuhn (1970: 136—143) Lehrbüchern ganz allgemein anhaftet.
XIII
I. Grundbegriffe
1. Zunächst geben wir sechs Sprachbeispiele, die zum Teil ähnlich, zum Teil verschieden sind:1 (1) LANGSAM SPIELENDE KINDER (2) The King was in the counting house, counting all his money; The Queen was in the parlor, eating bread and honey; The Maid was in the garden, hanging out the clothes; Along came a blackbird and pecked off her nose. (3) Twenty-year-old Willie B. is a diehard TV addict. He hates news and talk shows, but he loves football and gets so excited over food commercials that he sometimes charges at the set, waving a fist. Says a friend: „He's like a little child " Willie B. is a 450-lb. gorilla at the Atlanta Zoo. In December a Tennessee TV dealer heard about Willie B.'s lonely life as the zoo's only gorilla and gave him a TV set. (4) Eine große schwarz-gelbe V—2 Rakete stand in der Wüste von New Mexico. Ihr Leergewicht betrug fünf Tonnen. Als Treibstoff hatte sie acht Tonnen Alkohol und flüssigen Wasserstoff geladen. 1
Die Beispiele (1) und (2) sind in Amerika als Straßenschild bzw. Kinderreim allgemein bekannt. Beispiel (3) stammt aus TIME magazine vom 22.1.1979. Beispiel (4) ist in seiner englischen Originalfassung aus „Booklet C" von McCall & Crabbs (1961) ausgewählt; nach seiner Verwendung in verschiedenen Studien (siehe V. Anm. 10) war es Textgrundlage für genauere englische und deutsche textlinguistische Untersuchungen (siehe Beaugrande, 1980a, 1980b, 1980c), worauf Simmons und Chester (1979) zurückgehen. Beispiel (5) stammt aus Milne (1928: 44f.) in der Übersetzung von Torris (1973: 164). Beispiel (6) ist aus Elisabeth Jennings (1967: 55, Poems 1967). Diese Beispiele werden alle im Lauf des Buches näher behandelt: (1) in 1.4-6 und 1.19-21; (2) in 1.11; (3) in VII.21 - 2 8 und VII.42; (4) in 111.26, IV.7-10, IV.24, IV.29, V.29-39 und IX.25-39; (5) in VI.29-32; (6) in VII.29-42. Mündliche Texte wurden hier bewußt nicht herangezogen, da ein wesentlicher Bestandteil mündlicher Texte, die Prosodie (Satzmelodie, Rhythmus usw.), nicht in genügend eindeutiger und allgemein verständlicher Form hätte wiedergegeben werden können.
1
Alles war vorbereitet. Wissenschaftler und Generale zogen sich in einige Entfernung zurück und gingen hinter Erdwällen in Deckung. Zwei rote Leuchtraketen stiegen auf als Signal zum Abfeuern der Rakete. Mit großem Getöse und Flammenauswurf stieg die riesige Rakete auf, zuerst langsam und dann immer schneller. Sie zog einen 20 Meter langen gelben Flammenschweif hinter sich her. Bald sah die Flamme aus wie ein gelber Stern. In wenigen Sekunden entschwand sie dem Blick, aber man konnte per Radar beobachten, wie sie mit einer Geschwindigkeit von 5.000 Kilometern pro Stunde davonraste. Wenige Minuten nach dem Abflug sah der Pilot eines Beobachtungsflugzeuges, wie sie mit einer Geschwindigkeit von 3.800 Kilometern pro Stunde zurückkehrte und 70 Kilometer vom Abflugort entfernt zur Erde niederstürzte. (5) HEFFALUMP (schadenfroh): Oho! FERKEL (unbesorgt): Tralala, tralala! HEFFALUMP (erstaunt und nicht mehr so selbstbewußt): Oho! FERKEL (noch unbesorgter): Tideldum, tideldum! HEFFALUMP (zu einem dritten „Oho!" ansetzend, das in verlegenes Husten übergeht): Ahem, ahem - was soll denn das bedeuten? FERKEL (überrascht): Ach, guten Tag! Das ist hier eine Falle, die ich gegraben habe, und jetzt warte ich darauf, daß ein Heffalump hineinfällt. HEFFALUMP (schwer enttäuscht): Oh! (Langes Schweigen) Weißt du das auch genau? FERKEL: Jawohl. HEFFALUMP: Ach... (unsicher) Aber ...aber...ich habe gedacht, es ist eine Falle, die ich gegraben habe, um Ferkel darin zu fangen. FERKEL (überrascht): Ausgeschlossen! HEFFALUMP: Oh! (verlegen) Dann muß ich mich geirrt haben. FERKEL: Ja, ich furchte, (höflich) Es tut mir sehr leid. (Trällert weiter.) HEFFALUMP: Ja...hm...na, dann gehe ich wohl am besten wieder nach Hause. FERKEL (zerstreut aufblickend): Ach, mußt du schon fort? Falls du übrigens Christoph Robin irgendwo sehen solltest, könntest du ihm ausrichten, daß ich ihn sprechen möchte. HEFFALUMP (beflissen): Aber gern. (Eilt davon.)
2
(6)
GHOSTS Those houses haunt in which we leave Something undone. It is not those Great words and silences of love That spread their echoes through a place And fill the locked-up unbreathed gloom. Ghosts do not haunt with any face That we have known; they only come With arrogance to thrust at us Our own omissions in a room. The words we would not speak they use, The deeds we dared not act they flaunt, Our nervous silences they bruise; It is our helplessness they choose And our refusals that they haunt.
2. Dies sind alles Beispiele von deutschen und englischen TEXTEN, die im DISKURS (engl, „discourse", frz. „discours") verwendet werden. Die verschiedenen möglichen Verwendungsweisen dieser Texte zeigen, daß sie zu verschiedenen TEXTSORTEN gehören: (1) Verkehrszeichen, (2) Kinderreim, (3) Zeitungsartikel, (4) wissenschaftliches Lehrbuch, (5) Dialog, (6) Gedicht. Man kann von einer Wissenschaft von Texten verlangen, die gemeinsamen Merkmale und die Unterschiede zwischen diesen Texten und Textsorten zu beschreiben oder zu erklären. Wir sollten herausfinden, welche Kriterien Texte erfüllen müssen, wie sie erzeugt und aufgenommen werden können, wie sie in einem gegebenen Kontext gebraucht werden, usw. Wörter und Sätze eines Textes auf dem Papier sind zuverlässige Anhaltspunkte, können aber nicht mit dem Gesamteindruck des Textes identisch sein. Dringender ist die Frage nach der FUNKTION von Texten in MENSCHLICHER INTERAKTION. 3. Wir definieren einen TEXT als eine KOMMUNIKATIVE OKKURRENZ (engl, „occurrence"), die sieben Kriterien der TEXTUALITÄT erfüllt. Wenn irgendeines dieser Kriterien als nicht erfüllt betrachtet wird, so gilt der Text nicht als kommunikativ. Daher werden nicht-kommunikative Texte als Nicht-Texte behandelt (vgl. III.8). Hier werden wir diese sieben Kriterien informell skizzieren, später aber jedem von ihnen ein eigenes Kapitel widmen. 4. Das erste Kriterium wollen wir KOHÄSION nennen. Es betrifft die Art, wie die Komponenten des OBERFLÄCHENTEXTES, d.h. die Worte, wie 3
wir sie tatsächlich hören oder sehen,2 miteinander verbunden sind. Die Oberflächenkomponenten hängen durch grammatische Formen und Konventionen von einander ab, so daß also Kohäsion auf GRAMMATISCHEN ABHÄNGIGKEITEN beruht. Wie Sprachwissenschaftler oft betont haben, können Oberflächenfolgen vieler Sprachen nicht drastisch verändert werden, ohne Verwirrung zu stiften. Wir würden z.B. keinen großen Kommunikatiönserfolg erzielen, wenn wir Beispiel (1) so umordnen: (1 a) Kinder spielende langsam und die Verkehrsbehörde ersuchen, diesen Text (la) auf Verkehrszeichen zu verwenden. Das Resultat ist so zusammenhangslos, daß Autofahrer nur mit Mühe sagen könnten, was womit zusammenhängt. Offensichtlich sind die grammatischen Abhängigkeiten im Oberflächentext Hauptsignale zur Erkennung von Bedeutung und Sprachgebrauch. Alle Funktionen, die man verwenden kann, um Beziehungen zwischen Oberflächenelementen zu signalisieren, fassen wir unter der Bezeichnung KOHÄSION zusammen.3 5. Unser Originalbeispiel (1) LANGSAM SPIELENDE KINDER könnte in verschiedene Abhängigkeiten zerlegt werden. Es wäre z.B. denkbar, daß jemand diesen Text als Bemerkung über ,träge Kinder', die ,beim Spielen langsam' sind,4 auffaßt, so daß wenig schmeichelhafte Schlußfolgerungen über die Intelligenz und Kondition der Kinder gezogen werden könnten. Aber die wahrscheinlichere Reaktion wäre es, den Text in ,langsam' und »spielende Kinder' zu unterteilen und anzunehmen, Autofahrer sollten die Geschwindig2
Die ,,Oberfläche" ist natürlich nicht wirklich das Rohmaterial von Klängen oder gedruckten Zeichen; sie setzt schon voraus, daß sprachliche Ausdrücke dargeboten und identifiziert wurden. Wie diese Identifizierung tatsächlich durchgeführt wird, ist natürlich ein wichtiges Problem für den prozeduralen Ansatz, welches wir aber hier nicht behandeln können; siehe Selfridge & Neisser ( 1 9 6 0 ) ; Sperling ( 1 9 6 0 ) ; Neisser (1967); Crowder & Morton ( 1 9 6 9 ) ; Woods et al. ( 1 9 7 6 ) ; Rumelhart (1977a) und Walker et al. (1978).
3
Der Terminus „Kohäsion" wurde durch Halliday in Umlauf gebracht, später durch seine Frau Hasan (vgl. Halliday, 1964; Hasan 1968; Halliday & Hasan, 1976). Vgl. auch Crymes ( 1 9 6 8 ) ; Palek ( 1 9 6 8 ) ; Harweg ( 1 9 6 8 ) ; Hobbs (1976); Webber ( 1 9 7 8 ) . Unser Gebrauch dieses Terminus ist sehr weit gefaßt, da er alle Mittel zur Signalisierung von Oberflächenabhängikeiten einschließt (vgl. Halliday 1964: 303).
4
Wir setzen alle Sprachbeispiele zwischen einfache Anführungszeichen und schließen alle Interpunktionen, die nicht Teil des jeweiligen Beispiels sind, aus. Für andere Zwecke verwenden wir doppelte Anführungszeichen und konventionelle Interpunktion.
4
keit reduzieren, um die spielenden Kinder nicht zu gefährden. Eine Textwissenschaft soll nun erklären, wie solche MEHRDEUTIGKEITEN (Ambiguitäten) an der Oberfläche möglich sind, aber ebenso, wie Sprachbenutzer meistens Mehrdeutigkeit ohne Schwierigkeit ausschließen oder aufheben. Wie wir sehen, entscheidet die Oberfläche von sich selbst nicht über den Sinn des Texts, dazu ist noch INTERAKTION zwischen Kohäsion und den anderen Kriterien von Textualität notwendig, damit die Kommunikation wirksam (effizient) wird (vgl. III.4). 6. Das zweite Kriterium wollen wir KOHÄRENZ nennen. Kohärenz betrifft die Funktionen, durch die die Komponenten der TEXTWELT, d.h. die Konstellation von KONZEPTEN (Begriffen) und RELATIONEN (Beziehungen), welche dem Oberflächentext zugrundeliegen, für einander gegenseitig zugänglich und relevant sind.5 Ein KONZEPT ist bestimmbar als eine Konstellation von Wissen (kognitivem Inhalt), welches mit mehr oder weniger Einheitlichkeit und Konsistenz aktiviert oder ins Bewußtsein zurückgerufen werden kann (vgl. V.4ff). RELATIONEN sind die BINDEGLIEDER (engl, „links") zwischen Konzepten, die in der Textwelt zusammen auftreten; jedes Bindeglied soll eine Bezeichnung des Konzepts tragen, mit dem es eine Verbindung herstellt: z.B. ist in ,spielende Kinder4 das Wort JCinder' ein Objektskonzept, »spielen' ein Handlungskonzept (engl, „action concept"). Dazu kommt die Relation „Agens-von", da die Kinder die Handlungsträger sind (vgl. V.26(b». Manchmal, aber nicht immer, sind die Relationen im Text nicht EXPLIZIT angeführt, d.h. sie werden nicht direkt durch Ausdrücke an der Oberfläche AKTIVIERT (vgl. V.4). Die Sprachbenutzer werden so viele Relationen beisteuern, als nötig sind, um den vorliegenden Text sinnvoll zu machen. So ergibt im Verkehrszeichen (1) .langsam' als „Quantität der Bewegung", die ein Textrezipient im Auto annehmen soll, mehr Sinn denn als „Eigenschaft" der Kinder bzw. des Spielens. 7. Kohärenz kann man besonders gut an Hand einer Gruppe von Relationen verdeutlichen, die unter dem Terminus KAUSALITÄT zusammengefaßt 5
Zu Kohärenz siehe Harweg (1968); Karttunen (1968); Bellert (1970); van Dijk (1972a, 1977a); Lang (1974); Kintsch (1974); Beaugrande (1980a). „Kohärenz" wird oft mit ,.Kohäsion" verwechselt oder zusammengefaßt, aber die Unterscheidung zwischen den Verbindungen der Oberfläche und des zugrunde liegenden Inhalts ist unentbehrlich (vgl. Widdowson, 1973; Coulthard, 1977; Beaugrande, 1980a, und den parallelen Unterschied zwischen Textsyntax und Textsemantik in Dressier, 1972a).
5
werden.6 Diese Relationen betreffen die Art und Weise, wie eine Situation oder ein Ereignis die Bedingungen für andere Situationen oder Ereignisse beeinflußt. In einem Beispiel wie (7) Hans fiel hin und brach sein Kinn ist das Ereignis .Hinfallen' die URSACHE für das Ereignis »Brechen1, weil das erste Ereignis die notwendigen Bedingungen für das spätere Ereignis erzeugt. Ein schwächerer Typ von Kausalität gilt für folgenden Ausschnitt eines bekannten Liedes: (8) Es schienen so golden die Sterne, Am Fenster ich einsam stand Und hörte aus weiter Ferne Ein Posthorn im stillen Land. (Eichendorff) Hier schafft das ,Stehen am Fenster' die hinreichenden, aber nicht notwendigen Bedingungen für das ,Hören' des .Posthorns' (d.h. macht es möglich, aber nicht obligatorisch); diese Relation kann ERMÖGLICHUNG (engl, „enablement") genannt werden. 8. Diese begrifflichen Relationen beinhalten nicht alle Möglichkeiten von Kausalität. In einem Beispiel wie (9) Fuchs, du hast die Gans gestohlen, Gib sie wieder her, Sonst wird dich der Jäger holen Mit dem Schießgewehr ist das , Holen' nicht tatsächlich durch das,Stehlen' verursacht oder ermöglicht, aber trotzdem ein sinnvolles und vorhersagbares Ereignis. Der Terminus GRUND kann für diejenige Relation verwendet werden, bei der eine menschliche Handlung als sinnvolle Reaktion auf ein vorhergegangenes Ereignis folgt. Im Gegensatz dazu war Hansens,brach sein Kinn' (7) unabhängig notwendig (wir würden nicht fragen: „Was wollte er damit erreichen?", vgl. Wilks, 1977b: 235f). 9. Ursache, Ermöglichung und Grund erfassen nicht die Relation im folgenden Kinderreim: (10) Der Herr der schickt den Jockel aus, Er soll den Hafer schneiden. Die Handlung des Herrn ermöglicht Jockels Handlung, aber es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen den Beispielen (8) und (10): In (10) spielt 6
Zu verschiedenen, aber weitgehend miteinander verträglichen Diskussionen über Kausalität vgl. Schänk (1975); Wilks (1977b). Wir erwähnen später (IV.46) einige typische „Junktive", die Kausalität signalisieren.
6
der PLAN des Agenten eine Rolle, während der Sprecher in (8) nicht am Fenster stand in der festen Absicht, ein Posthorn zu hören. Der Terminus ZWECK kann für ein Ereignis oder eine Situation verwendet werden, welches so geplant ist, daß dieses Ereignis bzw. diese Situation durch ein früheres Ereignis oder eine frühere Situation möglich wird. 10. Eine andere Betrachtungsmöglichkeit für Ereignisse oder Situationen ist ihre Anordnung in der ZEIT. Ursache, Ermöglichung und Grund sind vorwärts gerichtet, d.h. das frühere Ereignis bzw. die frühere Situation verursacht, ermöglicht oder begründet spätere Ereignisse oder Situationen. Zweck ist rückwärts gerichtet, d.h. bezüglich der Direktionalität ist das spätere Ereignis der Zweck des früheren. Zeitrelationen können sehr kompliziert sein und hängen von der Organisation der einzelnen berichteten Ereignisse oder Situationen ab. Wenn unser Beispiel (10) so weitergeht (11) Der Jockel schneidt den Hafer nicht und kommt auch nicht nach Haus, so sagt uns unser Weltverständnis, daß die verneinte Handlung des Rommens 1 später sein müßte als ein , Ausschicken' (zwischen beiden Handlungen liegt eine Ereignisgrenze) und in den gleichen Zeitraum fallen würde wie das Unterlassen des Schneidens. Solche Relationen der ZEITLICHEN NÄHE können auf verschiedene Arten präzisiert werden, je nach den Ereignisgrenzen (engl, „boundaries of events"). 7 11. Wir verschieben die Diskussion über andere Kohärenzrelationen auf Abschnitt V.24ff. Wir wollen hier nur hervorheben, daß wir uns schon etwas jenseits des tatsächlich in Klang oder Druck manifest gewordenen Textes bewegt haben. Kohärenz ist nicht bloß ein Merkmal von Texten, sondern vielmehr das Ergebnis kognitiver Prozesse der Textverwender. Die bloße Aneinanderreihung von Ereignissen und Situationen in einem Text aktiviert Operationen, welche Kohärenzrelationen erzeugen oder ins Bewußtsein zurückrufen. Wir können diesen Effekt im bereits angeführten Beispiel (2) feststellen: (2) The King was in the counting house, counting all his money; The Queen was in the parlor, eating bread and honey; The Maid was in the garden, hanging out the clothes. Im expliziten Text finden wir eine Reihe von Handlungen (,zählen', ,essen', ,aufhängen'); die gezeigten Relationen sind nur die LOKALISIERUNG (engl. 7
Einige „Junktive" für zeitliche Nähe werden in IV.47 gebracht. Über Ereignisgrenzen vgl. III.24.
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„location"), der AGENS und der HANDLUNGSGEGENSTAND (engl, „affected entity") jeder Handlung (zu diesen Termini vgl. V.26ff). Doch einfach schon aus der Anordnung des Textes ist ein Textrezipient wahrscheinlich zur Annahme fähig, daß in allen Fällen die Handlung der ZWECK des Aufenthalts in der jeweiligen Lokalisierung ist, daß diese Lokalisierungen nahe beieinander liegen, wahrscheinlich in oder um den königlichen Palast, und sogar, daß die ZEIT der Handlungen nahe beieinander liegt. Man wird wohl weiter annehmen können, daß die Handlungen ATTRIBUTE der Agenten signalisieren sollen (z.B. daß der König geizig ist, die Königin gefräßig, die Magd fleißig). Wenn eigenes Wissen hinzugefügt wird, um eine Textwelt zusammenzufügen, sprechen wir von INFERENZZIEHUNG (engl, „inferencing", vgl. V.32ff). 12. Kohärenz zeigt bereits die Natur einer Wissenschaft von Texten als menschlichen Aktivitäten. Ein Text ergibt nicht von selbst Sinn, sondern eher durch die Interaktion von TEXTWISSEN mit GESPEICHERTEM WELTWISSEN der jeweiligen Sprachverwender (vgl. Petöfi, 1974; I X . 2 4 - 4 0 ) . Folglich müssen Textlinguisten schon bei einer Grundfrage wie dem Sinn 8 eines Textes mit Psychologen zusammenarbeiten. Wir sehen auch, daß Theorien und Methoden eher auf WAHRSCHEINLICHKEIT als auf BESTIMMTHEIT ausgerichtet sein, d.h. eher PROBABILISTISCH als DETERMINISTISCH sein müssen, da sie eher darlegen müssen, was meistens als was immer der Fall ist. Verschiedene Sprachverwender können leicht voneinander abweichende Sinnschattierungen finden, aber es gibt einen gemeinsamen Kern möglicher Operationen und einen von allen Verwendern durchlaufend gefundenen gemeinsamen Inhalt, so daß der Begriff „Textsinn" nicht allzu unscharf wird (vgl. V.l.). 13. Kohäsion und Kohärenz sind iexf-zentrierte Begriffe, deren Operationen direkt das Textmaterial betreffen. Zusätzlich werden wir Verwender-zentrierte Begriffe benötigen, welche die Aktivität der Text-Kommunikation betreffen, sowohl hinsichtlich des Produzenten als auch des Rezipienten von Texten. Das dritte Kriterium der Textualität könnte dann INTENTIONALITÄT genannt werden: diese bezieht sich auf die Einstellung (engl, „attitude") des Text Produzenten, der einen kohäsiven und kohärenten Text bilden will, um die Absichten seines Produzenten zu erfüllen, d.h. Wissen zu verbreiten 8
In V . l . unterscheiden wir zwischen „Bedeutung" (engl, „meaning") als Potential sprachlicher Ausdrücke (oder anderer Zeichen) bedeutungsvoll zu sein und „Sinn" (engl, „sense") als tatsächlich durch Textausdrücke aktiviertes Wissen.
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oder ein in einem PLAN angegebenes ZIEL zu erreichen.9 Zu einem gewissen Grad könnten Kohäsion und Kohärenz selbst als operational Ziele betrachtet werden, ohne deren Erreichung andere Diskursziele blockiert wären. Textverwender üben jedoch normalerweise TOLERANZ gegenüber Erzeugnissen, denen es ihre Produktionsbedingungen schwer machen, Kohäsion und Kohärenz aufrecht zu erhalten (vgl. VI.2ff), besonders bei salopper Unterhaltung. Eine hybride Struktur wie die folgende (bei Coulthard, 1977: 72, belegte): (12) Nun wo wohn — in welchem Stadtteil wohnst du? stört Kommunikation nicht, wenn sie das wichtigste Ziel erreicht, nämlich die Adresse des Gesprächspartners zu erlangen, obwohl das untergeordnete Ziel, die Aufrechterhaltung von Kohäsion, nicht vollständig erreicht wurde. Sollte aber ein Textproduzent beabsichtigen, Kohäsion und Kohärenz zu mißachten, würde sich die Kommunikation bei der Verhandlung zwischen den Kommunikationspartnern verlangsamen (vgl. IX.15ff) und könnte schließlich ganz zusammenbrechen. 14. Das vierte Kriterium der Textualität ist die AKZEPTABILITÄT. Diese betrifft die Einstellung des Text-Rezipienten, einen kohäsiven und kohärenten Text zu erwarten, der für ihn nützlich oder relevant ist, z.B. um Wissen zu erwerben oder für Zusammenarbeit in einem Plan vorzusorgen.10 Diese Einstellung spricht auf Faktoren an wie Textsorte, sozialen oder kulturellen Kontext und Wünschbarkeit von Zielen. Hier könnten wir die Aufrechterhaltung von Kohäsion und Kohärenz auch als Ziel des Textrezipienten betrachten, insofern er selbst Material beisteuert oder Störungen, wenn erforderlich, überwindet. Die in 1.11 erwähnte Operation der INFERENZZIEHUNG zeigt eindringlich, wie Empfänger durch ihre eigenen Beiträge zum Textsinn die Kohärenz unterstützen.
9 „Intentionalität" wurde unter verschiedenen Bedingungen oft diskutiert, jedoch nicht mit überzeugenden Ergebnissen. Zu direkt anwendbaren Arbeiten siehe Wunderlich (1971); Hörmann (1976); Bruce (1977); van Dijk (1977a); Schlesinger (1977); Cohen (1978); McCalla (1978); Wilensky (1978a); Allen (1979); Beaugrande (1979a, 1979b, 1980a) (vgl. auch VI.6). Zu beachten ist, daß der Produzent eines Textes nicht immer mit demjenigen identisch ist, der ihn darbietet, z.B. im Fall von Schauspielern oder von beruflichen Verfassern von Reden anderer. Dieser Faktor fällt in den Bereich der Intertextualität (vgl. 1.22 über Parodie). 10 Über Akzeptabilität siehe Quirk & Svartvik (1966); Greenbaum (Hrsg.) (1977). Zur Annahme von Diskurszielen anderer Kommunikationsteilnehmer siehe Cohen (1978); McCalla (1978); Allen (1979).
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15. Falls die Akzeptabilität eingeschränkt wird, kann die Kommunikation erschwert werden. Es wird dementsprechend als Signal für mangelnden Zusammenarbeitswillen gewertet, wenn ein Textrezipient die Akzeptabilität in Frage stellt, obwohl die Intentionalität des Textproduzenten im wesentlichen klar ist, wie folgendes Beispiel (Dickens, 1947: 774 = Thanner, 1961: 990) 11 zeigt: (13) „Was wir brauchen, Sir, ist lediglich, daß Sie das bestatten lassen." „Bestätigen lassen, mein lieber Herr, bestätigen lassen", sagte Mr. Pell. „Auch gut, Sir", erwiderte Mr. Weiler etwas scharf, „bestatten und bestätigen, ich seh' nicht allzuviel Unterschied; wenn Sie mich nicht verstehen, Sir, kann ich bestimmt jemanden finden, der mich versteht." „Ist doch kein Grund, beleidigt zu sein, Mr. Weller, oder?4', sagte Mr. Pell demütig. 16. Textproduzenten spekulieren oft mit der Einstellung des Rezipienten Texte zu akzeptieren, und bieten Texte, die wichtige Zusätze durch den Rezipienten verlangen, um verstanden zu werden. So lautet eine Warnung der Bell Telephone Company an ihre Kunden in Übersetzung: (14) Rufen Sie uns an, bevor Sie graben. Später kommen Sie vielleicht nicht mehr dazu. Den Lesern bleibt die Inferenz überlassen, das Aufgraben ohne Anfrage könnte durch Durchtrennen eines Untergrundkabels die Leitung zerstören, die für einen Anruf notwendig wäre; oder der unvorsichtige Kunde könnte sogar einen Stromschlag erleiden und dann zu einem Anruf unfähig sein. Der Text (14) ist interessanterweise e f f e k t i v e r als eine e x p l i z i t e r ausgeführte Version (im Sinne von 1.6) wie: (14a) Rufen Sie uns an, bevor Sie graben. Bei Ihnen könnte ein Untergrundkabel liegen. Wenn Sie das Kabel durchreißen, haben Sie keinen Anschluß mehr und Sie könnten sogar einen heftigen Elektroschock erleiden. Dann wären Sie nicht mehr in der Lage uns anzurufen. Offensichtlich lassen sich Textrezipienten durch Inhalt, den sie selbst beisteuern, leichter überzeugen, fast als ob sie die Behauptung selbst aufstellen würden (vgl. VII.28; VII.42; VIII.20). Beispiel (14) ist i n f o r m a t i v e r als (14a), womit wir zum nächsten Kriterium der Textualität kommen.
17. Das fünfte Kriterium der Textualität nennen wir INFORMATIVITÄT und meinen damit das Ausmaß der Erwartetheit bzw. Unerwartetheit oder 11 In der Übersetzung aus The Pickwick Papers (Dickens, 1947: 774) sind natürlich Wortspiele schwer wiederzugeben, z.B.,probe - probate' als .bestatten - bestätigen'.
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Bekanntheit bzw. Unbekanntheit/Ungewißheit der dargebotenen Textelemente. 12 Im Beispiel (14) kommt die Behauptung, der Kunde könne zu einem Anruf unfähig sein, weit weniger erwartet als in (14a). Die Verarbeitung von hochgradig informativen Nachrichten ist anstrengender als von weniger informativen, ist dafür aber auch dementsprechend interessanter. Doch ist Vorsicht geboten, die Verarbeitung nicht so stark zu belasten, daß der Kommunikationserfolg gefährdet wird. Kohärenz erfordert eben die Wiederholung oder leichte Rekonstruierbarkeit von bekanntem Material. 18. Jeder Text ist schließlich irgendwie informativ: gleichgültig wie vorhersagbar Form und Inhalt sein mögen, es wird immer darunter variable, nicht völlig vorhersagbare Nachrichten bzw. Okkurrenzen geben. Besonders geringe Informativität wirkt leicht störend, da sie Langeweile verursacht oder sogar zur Ablehnung des Texts führen kann. Ein naturwissenschaftliches Lehrbuch beginnt 13 (in Übersetzung): (15) Das Meer besteht aus Wasser Die hier behauptete Tatsache ist jedermann so bekannt, daß es völlig zwecklos zu sein scheint, es noch einmal zu sagen. Diese Textstrecke ist klarerweise kohäsiv und kohärent (soweit dies bei einer so kurzen Passage überhaupt möglich ist) und zweifellos dazu bestimmt akzeptabel zu sein. Aber es ist trotzdem ein marginaler Text, da er so wenig informativ ist. Erst wenn wir uns die Fortsetzung (15a) ansehen, scheint der Text einen gesicherteren Status zu erlangen: (15a) Das Meer besteht aus Wasser nur in dem Sinn, daß Wasser die darin hauptsächlich vorkommende Substanz ist. Tatsächlich ist es eine Lösung aus Gasen und Salzen, dazu kommt noch eine riesige Anzahl lebender Organismen [...] Die Behauptung der offensichtlichen Tatsache in (15) bildet den Ausgangspunkt für informativere Behauptungen. Der Oberflächenhinweis tatsächlich' signalisiert, daß die gut bekannte „Substanz-von"-Relation (vgl. V.26(l)) nicht ganz richtig ist. Die darauffolgende Richtigstellung einer allgemeinen Ansicht ist weniger erwartet, so daß die Informativität der ganzen Passage aufgewertet wird (vgl. VII.16).
12 Zu Informativität siehe Shannon (1951); Weltner (1964); Grimes (1975); Loftus & Loftus (1976);Groeben (1978); Beaugrande (1978b, 1979e, 1980a). Unser Gebrauch des Terminus ist breiter und weniger formal als derjenige früherer Arbeiten (vgl. VII). 13 Dieser Auszug ist die erste Passage von Chanslor (1967: 9), ausführlicher besprochen in Beaugrande (1978b).
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19. Das sechste Kriterium der Textualität kann als SITUATIONALITÄT bezeichnet werden. Diese betrifft die Faktoren, die einen Text für eine Kommunikations-SITUATION RELEVANT machen. 14 Wir haben in 1.5 gesehen, daß man das Verkehrszeichen (1) LANGSAM SPIELENDE KINDER auf verschiedene Weise interpretieren könnte, aber der am wahrscheinlichsten intendierte Gebrauch war offensichtlich. Die Leichtigkeit, womit Sprachverwender über ein solches Problem entscheiden, ist auf den Einfluß der Situation zurückzuführen, worin der Text vorkommt. Im Fall von Beispiel (1) ist das Verkehrszeichen an einer Stelle piaziert, wo eine bestimmte Klasse von Rezipienten, nämlich motorisierte Verkehrsteilnehmer, um eine bestimmte Handlung gebeten werden. Die Vermutung ist viel vernünftiger, langsam' sei eher eine Aufforderung zur Geschwindigkeitsbeschränkung als eine Ankündigung über psychische oder physische Verfassung von Kindern. Fußgänger können erkennen, daß der Text für sie nicht relevant ist, weil ihre Geschwindigkeit niemanden gefährden könnte. Auf diese Weise wird Bedeutung und Gebrauch eines Textes über die Situation bestimmt. 20. Situationalität wirkt sich sogar auf Mittel der Kohäsion aus. Einerseits würde eine Textfassung wie (lb) Autofahrer sollen langsam fahren, da Kinder in der Nähe spielen und auf die Straße laufen könnten. Fahrzeuge können leichter angehalten werden, wenn sie langsam fahren, jeden Zweifel über Bedeutung, Gebrauch und intendierte Rezipientengruppe beseitigen. Andererseits wäre sie in einer Situation nicht angemessen, in der den Rezipienten nur beschränkte Zeit und Aufmerksamkeit zur Verfügung stehen, um sich während der anderen Geschehnisse des fließenden Verkehrs der Lektüre von Verkehrszeichen zu widmen. Diese Überlegung zwingt den Textproduzenten zu einem Maximum an Ökonomie; die Situationalität wirkt sich so stark aus, daß die Minimalversion (1) a n g e m e s s e n e r als die Version (lb) ist (vgl. 1.23), denn es wird vorausgesetzt, daß sich Verkehrszeichen primär an Autofahrer richten, für die zudem die Bedingungen von 1.21. gelten. 21. Das siebente Kriterium der Textualität nennen wir INTERTEXTUALITÄT. Diese betrifft die Faktoren, welche die Verwendung eines Textes von der 14 Situationalität wurde eigentlich weniger in der Linguistik als in der Soziolinguistik und Ethnomethodologie behandelt, siehe Gumperz & Hymes (Hrsg.) (1972); Baumann & Scherzer (Hrsg.) (1974). Einen Überblick über Soziolinguistik gibt Dittmar (1973).
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Kenntnis eines oder mehrerer vorher aufgenommener Texte abhängig macht. 15 Ein Fahrer, der das Verkehrszeichen (1) gesehen hat, wird möglicherweise etwas weiter ein zweites Verkehrszeichen sehen: (16) GESCHWINDIGKEITSBESCHRÄNKUNG AUFGEHOBEN Etwas, was vorher nicht getan wurde, kann nicht,aufgehoben 4 werden. Und die ,Geschwindigkeit', um die es hier geht, kann nur diejenige sein, die bestand, bevor das Verkehrszeichen (1) auftauchte und ihre Beschränkung verlangte. Klarerweise hängen Sinn und Relevanz von (16) vom Wissen über (1) ab. 22. Intertextualität ist, ganz allgemein, für die Entwicklung von TEXTSORTEN als Klassen von Texten mit typischen Mustern von Eigenschaften verantwortlich (vgl. IX.lff). Innerhalb einer einzelnen Textsorte kann das Vertrauen auf Intertextualität mehr oder weniger wichtig sein. In Textsorten wie Parodien, Kritiken, Entgegnungen oder Reportagen muß der Textproduzent fortwährend den vorherigen Text zu Rate ziehen, und der Textrezipient wird üblicherweise mit diesem vertraut sein müssen. Eine Anzeige, die vor einigen Jahren in amerikanischen Magazinen erschien, zeigte einen ausgelassenen jungen Mann, der zu jemand außerhalb des Bildes sagte: (17) As long as you're up, get me a Grant's. Ein Professor, der an einem Forschungsprojekt arbeitete, schnitt diesen Text aus, veränderte ihn leicht und hängte ihn an seine Bürotür: (17a) As long as you're up, get me a Grant. Im Originalkontext war (17) eine Bitte um ein Getränk der Marke Grant's. In der Neufassung scheint (17a) zunächst zwecklos zu sein: Forschungsgelder (,grants') werden nur nach umfänglichen Vorbereitungen vergeben, jedenfalls sicher nicht, während man durch einen Raum spaziert. Die Diskrepanz ist durch Wissen über den ursprünglich gebotenen Text (17) und dessen Absicht behebbar, während die Unerwartetheit der neuen Fassung (17a) diese informativ und interessant macht (vgl. 1.17.). Diese Erhöhung der Interessantheit gleicht den Mangel an unmittelbarer situationeller Relevanz aus, ebenso wie die unernste Absicht des neuen Textdarbieters (von (17a)). 23. Wir haben nun alle sieben Kriterien der Textualität kurz betrachtet: Kohäsion (1.4-5), Kohärenz (1.6—12), Intentionalität (1.13), Akzeptabilität (1.14-16), Informativität (1.17-18), Situationalität (1.19-20), und Intertextualität (1.21-22). Diese Kriterien fungieren als KONSTITUTIVE 15 Ein engerer Gebrauch von „Intertextualität" findet sich bei Kristeva (1968), uns näher steht Quirk (1978).
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PRINZIPIEN (nach Searle, 1969: 33f) von Kommunikation durch Texte: sie bestimmen und erzeugen die als Text-Kommunikation bestimmbare Verhaltensform, die zusammenbricht, falls sie zerstört werden. Ebenso muß es REGULATIVE PRINZIPIEN geben (wieder nach Searle), die die TextKommunikation nicht definieren, sondern kontrollieren. Wir stellen uns wenigstens drei regulative Prinzipien vor: Die EFFIZIENZ eines Textes hängt vom möglichst geringen Grad an Aufwand und Anstrengung der Kommunikationsteilnehmer beim Gebrauch des Textes ab. Die EFFEKTIVITÄT hängt davon ab, ob er einen starken Eindruck hinterläßt und günstige Bedingungen zur Erreichung eines Ziels erzeugt. Die ANGEMESSENHEIT (engl, „appropriateness") eines Textes ist die Übereinstimmung eines Textes zwischen seinem Kontext und der Art und Weise, wie die Kriterien der Textualität aufrecht erhalten werden. 16 24. In diesem Buch wird es unsere Aufgabe sein, sowohl den konstitutiven als auch den regulativen Prinzipien der Text-Kommunikation nachzugehen. Wir werden der Reihe nach einige, locker zu jedem der sieben Kriterien gruppierte Themen behandeln. Gleichzeitig werden wir uns damit befassen, wie die Gestaltung und der Gebrauch von Texten durch die Prinzipien von Effizienz, Effektivität und Angemessenheit kontrolliert werden. Es ist keine Uberraschung, daß uns unsere Diskussion in Bereiche außerhalb der traditionellen Grenzen der Linguistik führen wird; wir werden gezwungen sein auf beträchtliche Forschungsergebnisse in anderen Gebieten zurückzugreifen, besonders auf die KOGNITIONSWISSENSCHAFT (engl, „cognitive science"), ein neues Gebiet im Grenzbereich zwischen Linguistik, Psychologie und Computerwissenschaft (vgl. X.3 und, zu künstlicher Intelligenz, X.26ff). Die Kriterien von Textualität alleine ziehen, wie wir gesehen haben, Faktoren des Verstehens, Planens und der sozialen Umgebung nach sich. Doch ist es vielleicht nicht übermäßig optimistisch zu hoffen, daß die groben Umrisse unserer Skizze durch die Zusammenarbeit von Forschern allmählich gefüllt werden, welche sich dem Studium des Sprachgebrauchs als wesentlicher menschlicher Aktivität verpflichtet fühlen.
16 Wir kommen auf diese Begriffe unten in II.6, III.9, I V . l l , IV.28, IV.37, VII.28, V I I I . l l , I X . l l und X.16 zurück.
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II. Die Entwicklung der Textlinguistik
1. Während noch vor zehn Jahren der Begriff der „Textlinguistik" nur wenigen Forschern vertraut war, können wir jetzt auf eine eindrucksvolle Ausweitung textlinguistischer Arbeiten zurückblicken. Überblicke und Sammelbände sind reichlich vorhanden (siehe z.B. Stempel (Hrsg.) 1971; Dressler, 1972a; Fries, 1972; Schmidt, 1973; Dressler-Schmidt (Hrsg.), 1973; SittaBrinker (Hrsg.), 1973; Jelitte, 1973/74, 1976;Kallmeyer et al., 1974;Harweg, 1974, 1978; Hartmann, 1975; Schecker und Wunderli (Hrsg.), 1975; Danes und Viehweger (Hrsg.), 1976; Coulthard, 1977; Gülich und Raible, 1977; Jones, 1977; Dressier, 1978;Gindin, 1978;Grosse, 1978;Kuno, 1978;Nöth, 1978; Rieser, 1978). Das Bild, das aus diesen Arbeiten hervorgeht, ist diffus und nicht einheitlich, da es keine etablierte Methodologie für Texte gab, die mit den gängigen Methoden der Satzanalyse vergleichbar wäre. 2. Teun van Dijk (1979a) betont, daß „Textlinguistik" in der Tat keine Bezeichnung für eine einzelne Theorie oder Methode sein kann. Vielmehr bezeichnet es jedwede sprachwissenschaftliche Arbeit, die dem Text als primärem Forschungsobjekt gewidmet ist. Unser kurzer Überblick in diesem Kapitel wird sich einigen wenigen exemplarischen Studien zuwenden, die die graduelle Entwicklung von Theorie und Methode in Richtung auf eine unabhängige, auf den Gegenstand zugeschnittene Grundlage umreißen. Aber zuerst sollen einige wichtige historische Wurzeln erwähnt werden. 3. Die älteste Form der Beschäftigung mit Texten finden wir in der RHETORIK, von den alten Griechen und Römern, über das Mittelalter bis in die Gegenwart (über die gegenwärtige Renaissance der klassischen Rhetorik, siehe z.B. Lausberg, 1971; Winterowd (Hrsg.), 1975; Plett (Hrsg.), 1977, Brown & Steinmann (Hrsg.), 1979). Die traditionelle Auffassung der Rhetoriker war durch ihre Hauptaufgabe der Ausbildung öffentlicher Redner bestimmt. Gewöhnlich waren die Hauptgebiete folgende: inventio, das Entdecken passender Ideen; disposition die Anordnung der Ideen; elocutio, das Entdecken adäquater Ausdrücke für Ideen; sowie memoratio (Einprägen 15
im Gedächtnis) vor dem Vortrag (actio) beim tatsächlichen Redeanlaß. Im Mittelalter zählte die Rhetorik zum „Trivium" (drei Studien), gemeinsam mit Grammatik (formale Sprachmuster, besonders auf Latein und Griechisch bezogen) und Logik (Konstruktion von Argumenten und Beweisen). 4. Die Rhetorik teilt mehrere Anliegen unserer Auffassung der Textlinguistik (vgl. Spillner, 1977), speziell die Annahmen:1 a) Zugriff zu Ideen und ihre Anordnung kann systematisch kontrolliert werden. b) der Übergang zwischen Idee und Ausdruck kann bewußtem Training unterworfen werden; c) unter den verschiedenen Texten, die eine gegebene Anordnung von Ideen ausdrücken, sind einige qualitätvoller als andere; d) Texte können aufgrund ihrer Wirkungen auf die Zuhörerschaft beurteilt werden; e) Texte sind Träger zielgerichteter Interaktion. 5. Innerhalb bestimmter Grenzen können Forscher Laut- und Formeinheiten oder formale Satzmuster von einem relativ abstrakten Standpunkt aus betrachten. Aber viele Aspekte von Texten erscheinen nur dann systematisch, wenn man beachtet, wie Texte produziert, präsentiert und rezipiert werden. Während die konventionelle linguistische Frage (vgl. III.6) so lauten könnte: „Welche Strukturen kann die Analyse in einer Sprache entdecken?", wäre unsere Frage eher: „Wie werden manifeste Strukturen durch Entscheidungsund Auswahloperationen aufgebaut, und was sind die Implikationen solcher Operationen für die kommunikative Interaktion? " Es ist offensichtlich, daß die klassiche Rhetorik, trotz ihrer unterschiedlichen Termini und Methoden, lebhaft mit Antworten auf diese Fragen beschäftigt war. 6. Ähnlich kann man die traditionelle Domäne der STILISTIK beurteilen. Quintilian (1 .Jhd.n.Ch.) nannte vier Qualitäten des Stils: Korrektheit, Klarheit, Eleganz und Angemessenheit. Während Korrektheit von der Ubereinstimmung mit angesehenen Verwendungsnormen abhängt, und Angemessenheit vermutlich ähnlich unserer Begriffsauffassung (cf. 1.23) definierbar ist, scheinen die Begriffe der Klarheit und Eleganz zunächst zu vage und subjektiv zu sein, um verläßlich definiert und quantifiziert werden zu können. Sie sind mit unseren Begriffen der „Effizienz" und „Effektivität" verwandt, ohne jedoch identisch zu sein. Immerhin enthalten Quintilians Kategorien die 1
Darauf kommen wir noch im Abschnitt über Textproduktion (III.20-28) zurück.
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Annahme, daß Texte durch den Aufwand an Verarbeitungsmitteln, die zu ihrer Produktion verwendet werden, in ihrer Qualität differieren (vgl. III.28). 7. Die Vielfalt stilistischer Studien der Gegenwart ist sehr groß (cf. Sebeok (Hrsg.), 1960; Spillner, 1974). In jüngster Zeit wurde die Linguistik als Werkzeug zur Entdeckung und Beschreibung von Stilen (vgl. Enkvist, 1973) eingesetzt. Ungeachtet der Verschiedenheit der Ansätze, spiegeln nahezu alle Arbeiten die Überzeugung wider, daß Stil aus der charakteristischen Auswahl von Optionen zur Produktion eines Textes oder einer Menge von Texten resultiert. Daher können wir den Stil eines einzelnen Textes, den aller Texte eines Autors, den einer Gruppe von Texten von ähnlichen Autoren, von repräsentativen Texten einer ganzen historischen Periode, und sogar von Texten, die für eine gesamte Kultur und deren vorherrschende Sprache typisch sind, durchleuchten.2 Natürlich werden die methodologischen Schwierigkeiten bei größeren Domänen immer erheblicher. 8. Das neutralste Mittel zur Aufdeckung der in einem Text oder in einer Textfolge durchgeführten Selektionen ist die direkte statistische Aufzählung von Elementen (vgl. Kreuzer und Gunzenhäuser (Hrsg.), 1965; Dolezel und Bailey (Hrsg.), 1969). Diese Methode verschleiert doch manche wichtige Blickpunkte. Die relative Häufigkeit eines Elements ist oft weniger entscheidend als die unmittelbare Wahrscheinlichkeit seines Vorkommens in einem spezifischen Kontext (vgl. VII.5f). Was innerhalb der allgemeinen Normen der Sprache insgesamt zu erwarten ist, kann innerhalb eines gegebenen Kontextes unerwartet sein und umgekehrt (vgl. Riffaterre, 1959, 1960; Beaugrande, 1978a: 39f). Zusätzlich beeinflussen bestimmte Optionen die Identifizierung eines Stils in verschiedener Weise, z.B. durch ihre mehr oder weniger große Auffälligkeit. Aus den obigen Betrachtungen folgt, daß Stil wirklich nur in Bezug auf die von Produzenten und Rezipienten von Texten ausgeführten Operationen definierbar ist - ein Hauptanliegen unseres Buchs. 9. Als sich die moderne Linguistik zu konstituieren begann, war es üblich, die Untersuchungen auf den Rahmen des Satzes als die größte Einheit mit inhärenter Struktur zu beschränken (vgl. Bloomfield, 1933: 70). Alle übersatzmäßigen Strukturen wurden in die Domäne der Stilistik verwiesen. Diese 2
Daß eine ganze Sprache „Stil" haben soll, scheint fehl am Platz: wie kann das Repertoire selbst eine Selektion sein? Die Selektion, die hier gemeint ist, wären die charakteristischen Mittel, die eine Sprache unter dem Gesichtspunkt der prinzipiellen Totalität der Mittel anbietet. Hier ist die „vergleichende Stilistik" von Vinay und Darbelnet (1958) (cf. X.23) aufschlußreich.
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Trennung reflektiert eine fundamentale Eigenschaft von Sprache. Es ist viel einfacher, darüber zu entscheiden, was einen grammatischen oder akzeptablen Satz ausmacht, 3 als darüber, was grammatikalische oder akzeptable Satzfolgen, Absätze, Texte oder Diskurse 4 konstituiert. Wenn wir uns über die Satzgrenze hinausbegeben, betreten wir einen Bereich, der durch größere Freiheit der Selektion oder Variation und geringere Regelhaftigkeit charakterisiert ist. Beispielsweise kann man sagen, daß ein deutscher Aussagesatz zumindest eine Nominalphrase und eine übereinstimmende Verbalphrase enthalten muß, wie dieser linguistische Evergreen: (19) Der Mann traf den Ball. Aber wenn wir fragen, wie (19) in einen Text passen könnte, z.B.: (19a) Der Mann traf den Ball. Die Zuschauer feuerten ihn an. (19b) Der Mann traf den Ball. Er wurde von den Zuschauern angefeuert. (19c) Der Mann traf den Ball. Die Zuschauer feuerten den vielversprechenden Neuling an. ist es viel schwieriger zu entscheiden, welcher Ausdruck für „Mann" in einem nachfolgenden Satz (z.B. „ihn" vs. „diesen vielversprechenden Neuling"), verwendet werden sollte, und in welcher Form (z.B. Aktiv vs. Passiv). Sicher zwingen uns keine handfesten Regeln, genau die eine oder die andere Fortsetzung zu bevorzugen. 10. Für eine Wissenschaft von Texten als menschlichen Aktivitäten ist die soeben getroffene Unterscheidung nicht so wichtig. Wenn wir annehmen, daß Strukturen immer das Ergebnis intentionaler Operationen sind (vgl. II.5), dann entsteht auch der Einzelsatz eher durch Auswahl als durch Ableitung aus abstrakten Regeln. Darüber hinaus können viele Oberflächenbeziehungen (wie z.B., daß ein Pronomen einem Nomen folgt) sowohl innerhalb eines Satzes, als auch in ausgedehnten Satzfolgen vorkommen. Daher erscheint es sinnvoll, Satzlinguistik mit Stilistik zu verbinden, um eine Wissenschaft von Texten aufzubauen. 11. Texte waren immer schon ein Objekt der LITERATURWISSENSCHAFT, obwohl das Hauptaugenmerk auf bestimmte Texttypen beschränkt blieb (vgl. X.13-18). Wissenschaftler haben sich immer wieder auf folgende 3 4
Über die Beurteilung von Grammatikalität oder Akzeptabilität siehe VI.2Iff. Es nützt nichts, Texte oder Diskurse als überlange Sätze (vgl. Katz und Fodor, 1963; 11.28) oder als durch „Interpunktionsmorpheme" (Punkte) verbundene Satzsequenzen anzusehen (vgl. Ballmer, 1975). Sätze werden bezüglich ihrer Kohäsion beurteilt, während Texte und Diskurse all die Eigenschaften von Textualität besitzen müssen, die im I. Kapitel angeführt sind.
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Aufgaben eingelassen (ausführlicher in Beaugrande, 1981c): a) das Beschreiben der Prozesse zur Textproduktion und der Ergebnisse eines Autors, oder einer Gruppe von Autoren, in einer bestimmten Zeit oder Umgebung; b) das Auffinden problematischer oder anfechtbarer Bedeutungen von Texten; c) die Bewertung von Texten. Der Versuch, diese Aufgaben systematischer und objektiver zu gestalten, führte zur Anwendung linguistischer Methoden auf literarische Studien (vgl. Spitzer, 1948; Levin, 1962; Chatman und Levin (Hrsg.), 1967; Jakobson und Jones, 1970; Ihwe (Hrsg.), 1971; Koch (Hrsg.) 1972; van Dijk, 1972a, 1976b; Ihwe, 1972; Spillner, 1974; Kloepfer, 1975). Höchstwahrscheinlich kann man die Textlinguistik dank ihres erweiterten Gesichtskreises noch nützlicher anwenden als die konventionelle Methodologie der Beschreibung von Strukturen an sich: Wir versuchen über die Strukturen hinauszugehen und zu fragen, wie und warum Texte aufgebaut und verwendet werden (vgl. 0.6; X.16ff). 12. Texte waren und sind auch Gegenstand der KULTURANTHROPOLOGIE bei der Erforschung kultureller Artefakte (vgl. X.8). Bronislaw Malinowski (1923) betonte, daß Sprache als menschliche Aktivität zu begreifen sei, um Bedeutung studieren zu können. Vladimir Propp (1928) und später Claude Levi-Strauss (1960) und seine Schüler widmeten den Mythen und Volksmärchen besondere Aufmerksamkeit. Anthropologen wie diese entlehnten der Linguistik verschiedene Methoden der strukturellen Analyse und Beschreibung (vgl. auch Dundes, 1962; Bremond, 1964; Greimas, 1967; 2olkovskij und Sceglov, 1967; Colby, 1973a, 1973b). Der operational Ansatz, dem wir folgen, hat sich in den letzten Jahren immer mehr durchgesetzt (vgl. Beaugrande und Colby, 1979). 13. Anthropologische Untersuchungen wenig bekannter Kulturen erhielten massive Unterstützung durch die linguistische Methode der Tagmemik (hauptsächlich entwickelt durch Kenneth Pike, 1967; vgl. auch Longacre, 1964, 1970, 1976). Diese Methode verlangt die Sammlung und Analyse von Daten in der Form von Leerstellen („slots") und Füllern („fillers"'), d.h. der offenen Positionen innerhalb eines Textstückes, und der Einheiten, die diese Positionen ausfüllen können. Die Tagmemik überschreitet die Grenzen sowohl von Sätzen als auch Texten hinüber zu so großen Komplexen menschlicher Interaktion wie zu einem Fußballspiel oder einem Gottesdienst (diese obersten Einheiten werden „Behavioreme" genannt). Die „slot-and-filler"Methode, eine grundlegende Technik im Erschließen eines Code, ist bei der 19
Beschreibung von Sprachen nützlich, über die der Untersuchende kein Vorwissen besitzt. Der Untersuchende benützt das Mittel der sprachlichen „Elizitierung" (elicitation), die den native speaker zum Produzieren von Äußerungen eines bestimmten Typus veranlaßt. 14. Die Integration von Kulturanthropologie und Linguistik in der Tagmemik hat eine Dokumentation von unschätzbarem Wert über viele rasch verschwindende Sprachen in entlegenen Gegenden ermöglicht. Ihr Hauptbeitrag zu einer Wissenschaft von Texten liegt in ihrer systematischen Erfassung der Beziehungen zwischen Sprache und nichtsprachlichem Kontext der Kommunikation. Ein slot-and-filler-Ansatz ist jedoch zu rigid um Textualität zu erfassen, wie sie in diesem Band dargestellt ist; zuerst bedarf es operationeller Prozesse, bevor es überhaupt irgendwelche Anordnungen von zu füllenden Leerstellen geben kann. Wieder haben wir zwischen dem Finden oder Analysieren von Strukturen und den Verfahren, die Strukturen auswählen und aufbauen, zu unterscheiden (vgl. 0.6;II.5; III.6). 15. Die SOZIOLOGIE entwickelte Interesse an der Analyse von KONVERSATION als einer Form sozialer Organisation und Interaktion (vgl. X.8). So wurden z.B. Studien über die Sprecherabfolge durchgeführt (Sacks, Schegloff und Jefferson, 1974). Das Gebiet der Ethnomethodologie hinterfragt Korrelationen zwischen Sprachmustern, sozialen Rollen und sozialer Stellung (vgl. Gumperz und Hymes (Hrsg.), 1972; Baumann und Scherzer (Hrsg.), 1974): Wie passen Menschen ihr Sprachverhalten in Kontakten mit bestimmten Gruppen an; wie werden Sprechkonventionen aufgebaut oder verändert; wie offenbart sich soziale Dominanz beim Sprechen usw. 16. Das Studium der Konversation - manchmal auch DISKURS-ANALYSE genannt („discourse analysis", vgl. Sinclair und Coulthard, 1975; Coulthard, 1977) - ist von wesentlicher Bedeutung für eine Wissenschaft von Texten. Die Mechanismen, die TEXTE als einzelne Beiträge in Diskussionen zur Reihe von gegenseitig relevanten, aneinander gerichteten Texten kombinieren, verweisen auf wichtige Kriterien der Textualität. 5 5
Unsere eigene Verwendung des Begriffs „Diskurs" ist die hier aufgezeigte, und mit jener von Sinclair und Coulthards Arbeit eher vergleichbar, als mit der von Zellig Harris (1952), der diesen Begriff auch verwendet (vgl. 11.21-22). Wenn Diskurse, wie wir hier argumentieren, allen Maßstäben von Textualität entsprechen, könnten wir den Diskurs zu unserem zentralen Begriff machen (siehe z.B. „Diskursweltmodelle" vs. „Textweltmodelle", IX.23). Aber wir könnten dadurch einige Nachteile einhandeln, wenn wir dann einen einzelnen Text für sich allein behandeln wollen.
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Kohäsion wird unterstützt, wenn die Oberflächenstrukturen von verschiedenen Äußerungen der Gesprächsteilnehmer wiederaufgenommen werden (vgl. IV.33; VI.26). Die Kohärenz eines einzelnen Textes ergibt sich oft nur aus dem Blickwinkel des Gesamtdiskurses (vgl. IX.22f). Intentionalität zeigt sich im zielgerichteten Gebrauch von Konversation (vgl. VI.16ff; VIII.13ff), Akzeptabilität in der unmittelbaren Rückkoppelung (vgl. 1.15; VI.4). Die Situationalität ist besonders direkt (vgl. VIII. 13), und die gesamte Organisation der Konversation illustriert das Funktionieren der Intertextualität (vgl. IX.13ff). Die Auswahl von Konversationsbeiträgen kann durch die Anforderungen der Informativität kontrolliert werden (vgl. IX. 14). 17. Wir haben einige Disziplinen rasch durchstreift, die aus verschiedenen Gründen viele Anliegen mit einer Wissenschaft von Texten gemeinsam haben. Der in vergangenen Zeiten bedauerliche Mangel an Kooperation unter diesen Disziplinen ist wohl auf das Fehlen einer zentralen Textwissenschaft zurückzuführen. Wir werden uns nun genauer mit einigen der bisherigen Arbeiten im Bereich jener Linguistik befassen, in der der Text im allgemeinen so lange als eine Randerscheinung betrachtet worden ist, bis er nicht länger ignoriert werden konnte. 18. Einen frühen Meilenstein setzte die philologisch betriebene HISTORISCHE SPRACHWISSENSCHAFT, ein Vorläufer der modernen Linguistik, der sich mit der Organisation und Entwicklung von Sprachlauten und -formen in der Geschichte beschäftigte. Beim Vergleich der Wortfolgen in alten und modernen Sprachen erkannte Henri Weil (1844, 1887) ein weiteres Prinzip neben der Grammatik: Die Beziehungen von „Gedanken" zueinander beeinflussen offensichtlich die Wortstellung in Sätzen. Seine Untersuchungen wurden unter dem Begriff der FUNKTIONELLEN SATZPERSPEKTIVE (vgl. IV.51-53; VII.18.4) von tschechischen Linguisten (z.T. bereits der klassischen „Prager Schule") erneuert. Dieser Ansatz postuliert, daß Satzelemente auch die „Funktion" haben, bestimmtes Wissen in eine „Perspektive 4 von Wichtigkeit und Neuheit einzuordnen. So erscheinen in vielen Sprachen Elemente, die wichtiges, neues oder unerwartetes Material vermitteln, gegen Ende des Satzes (vgl. IV.52f). 19. Die allgemeinen Methoden der neuen linguistischen Untersuchungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden unter den Termini DESKRIPTIVE oder STRUKTURELLE LINGUISTIK subsumiert.6 Sprachproben 6
Später verwendeten die Transformationsgrammatiker, deren Arbeit auch die
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wurden gemäß den SYSTEMEN der MINIMALEINHEITEN gesammelt und analysiert. Lautliche Minimaleinheiten nannte man „Phoneme", solche der Form „Morpheme", solche der Wortfolge „Syntagmeme", jene der Bedeutung „Seme" oder Sememe" usw. Jedes System von Minimaleinheiten konstituiert eine EBENE,7 die man durch die OPPOSITION von Einheiten bzw. ihrer distinktiven Merkmale so organisierte, daß jede Einheit von allen anderen unterschieden werden konnte. Da ein „System" als eine „Anzahl von Elementen, wobei jedes Element eine bestimmte Funktion trägt", definiert wird (vgl. III.2), so wurden diese Systeme durch die Funktion der Distinktivität etabliert. Wenn die verschiedenen Systeme einer Sprache identifiziert und ihre Einheiten klassifiziert sind, so ist diese Sprache vollkommen beschrieben. 20. Schon diese kurze Skizze der deskriptiven strukturellen Methode dürfte zeigen, daß sie für das Studium von Texten nicht gut eingerichtet ist. Natürlich kann man einen Text nach Ebenen minimaler Einheiten analysieren, aber es gibt keine Garantie, daß wir damit die Natur des Textes bloßlegen. Im Gegenteil führt uns diese Heraushebung von kleinen Komponenten weg von der Betrachtung der wichtigen Zusammengehörigkeiten, die einen Text konstituieren. 21. Es überrascht nicht, daß frühere Arbeiten über Texte in dieser Tradition unterschiedlichen Charakters waren. Harris (1952, Reprint 1963) schlug die Analyse der Distribution von Morphemen in Texten nach „Äquivalenzen" (equivalences) vor, d.h. Ketten, in denen die Elemente gleich waren oder die gleiche Umgebung hatten. Um die Zahl der Äquivalenzen zu vergrößern und damit die Analyse effizienter zu gestalten, verwendete Harris den Begriff der „Transformation", der später von seinem Schüler Noam Chomsky aufgegriffen und modifiziert worden ist. Graduell ergibt sich durch diese Transformationen ein „Transform" mit einem Maximum an Äquivalenzen. Um z.B. ein äquivalentes Muster zu „you will be satisfied" zu erhalten, transformiert Harris einen früheren Textteil aus „satisfied customers" in „customers are satisfied" — eine dem heutigen Satzgrammatiker wohl bekannte Operation. Beschreibung von Strukturen miteinbezieht (eine sehr spezifische Anwendung des Begriffs „generativ", vgl. 11.30) fur diesen Ansatz die Bezeichnung „taxonomische Linguistik". Eine der detailliertesten taxonomischen Arbeiten ist Koch (1971a), der den Implikationen der Aufstellung von Taxonomien große Aufmerksamkeit schenkt. 7 Den Ausdrude ,.Ebene" (level) benutzen wir, um einen systemhaften, gleichzeitig kopräsenten Aspekt von Sprache oder Text (z.B. Laut, Syntax, Bedeutung usw.) zu bezeichnen, aber nicht die Größe von Einheiten (z.B. Morphem, Wort, Satz usw.): die letzteren nennt man besser „Ränge" (ranks).
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22. Obwohl das Konzept der Transformation enormen Einfluß ausübte, scheint Harris' Vorschlag für eine „Diskursanalyse" mit distributionellen Prinzipien relativ wenig Beachtung gefunden zu haben (siehe jetzt Prince, 1978). Es ist nicht ganz klar, was Harris' Methode entdecken soll. Während die deskriptive Linguistik ihr Hauptaugenmerk auf die Klassifikation von Einheiten richtete, war die Operation, „die Anordnung sukzessiver Vorkommensfälle („occurrences") von Mitgliedern einer Klasse zu repräsentieren", zuvor nicht angewendet worden (Harris, 1952: 8), Harris gibt selbst zu (1952: 493), daß die Strukturäquivalenzen zwischen Sätzen nichts über Bedeutungsbeziehungen aussagen (er will ja auch vermeiden, Bedeutung einzubringen); „man kann höchstens sagen, welche Kriterien ein neuer Satz erfüllen muß, um formal mit den Sätzen des Textes identisch zu sein". Wie Bier wisch (1965 a) in seiner Kritik an Harris zeigt, kann ein höchst zweifelhafter Text aufgestellt werden, der genauso die verwendeten Äquivalenzkriterien erfüllt. Dennoch ist die Arbeit von Harris ein interessanter Beweis dafür, daß die Kohäsion von Texten ein gewisses Ausmaß an Rekurrenz und Parallelität syntaktischer Muster von Satz zu Satz impliziert (vgl. IV.12ff). 23. Eugenio Coserius (1955-56, übersetzt 1975: 253ff) Studie „Determinierung und Umfeld" basiert auf ganz verschiedenen Überlegungen. Er betont, daß Sprachforschung nicht nur das Wissen eines Sprechers von einer Sprache untersuchen muß, sondern auch sein Wissen von den Techniken zur Umwandlung von linguistischem Wissen in linguistische Aktivität. Er verwendet den Begriff der „Determinierung", um zu zeigen, wie Wortbedeutungen angewendet werden können, z.B. mittels „Diskrimination" (das Auswählen unter den möglichen Referenten eines Ausdrucks), „Delimitierung" (Herausfiltern bestimmter Aspekte der Bedeutung) und „Aktualisierung" (potentielles Wissen wird aktiviert, vgl. III.12), wobei diese Typen in Subtypen zerfallen, die mit Identifizierungen, Individuierungen, Quantitäten, Klasseninklusionen, Spezifizierungen, Distinktionen und Spezialisierungen zu tun haben. So präsentiert er dann eine sorgfältig ausgearbeitete Klassifikation von „Umfeldern" (span, „entornos"), die auf Faktoren wie kultureller, sozialer, kognitiver und historischer Umgebung, dem Ausmaß an Vermittlung zwischen Text und Situation (vgl. VIII. 1) und dem betreffenden Inhaltsumfang basiert. 24. Es ist wirklich bedauerlich, daß Coserius Vorschläge zu ihrer Zeit unbeachtet blieben. Die Fragen, die er aufwarf, werden erst jetzt als signifikant für das empirische Studium sinnhafter Kommunikation erkannt. Bedeutungseinheiten stellen keine festen Partikel mit einer stabilen Identität, sondern eher unscharfe Agglomerate dar, die auf ihre Verwendungsbedingungen 23
ansprechen (vgl. V.4). Einige der bizarren Nebeneffekte späterer Versuche, Sprache isoliert von Verwendungen und Funktionen zu beschreiben, hätten verhindert werden können, wäre Coserius Ideen die verdiente Aufmerksamkeit entgegengebracht worden. 25. Roland Harweg (1968) verfaßte die erste großangelegte Untersuchung über die Organisation von Texten. 8 Er postulierte, daß Texte durch den Mechanismus der „Substitution" zusammengehalten werden (ein gleichbedeutender oder koreferenter Ausdruck [Substituens] folgt dem anderen [Substituendum] und bildet so eine kohäsive und kohärente Beziehung). Wie sein Kapitel über die „Phänomenologie der pronominalen Verkettung" (1968: 1 7 8 - 2 6 0 ) zeigt, ist sein Begriff der „Substitution" außerordentlich weit gespannt und komplex, da Beziehungen wie Rekurrenz (vgl. IV.12ff), Synonymie, Klasse/Fall (vgl. V.17), Unterklasse/Oberklasse (vgl. V.17), Ursache/Wirkung, Teil/Ganzes und viele mehr darunter subsumiert werden.9 Er betont die DIREKTIONALITÄT der Substitution, d.h. die Anordnung von Substituens und Substituendum. Obwohl unser eigenes Modell eine von Harweg verschiedene Organisation und Terminologie aufweist, werden wir uns mit vielen textuellen Beziehungen, die er beschrieb, befassen. 26. Es gab eine große Anzahl anderer Textstudien, die mehr oder weniger auf dem deskriptiven strukturellen Ansatz 10 basierten, doch die Haupttendenzen sollten nun klar sein. Der Text wurde als eine Einheit größer als der Satz definiert (vgl. Pike, 1967 ; Koch, 1971; Heger, 1976). Die Forschung ging in der Weise vor sich, daß Typen von Textstrukturen aufgefunden und in irgendeinem Schema klassifiziert wurden. Gelegentlich wurde der Rahmen dadurch erweitert, daß man Textsequenzen (oder Situationen, in denen sie auftreten) miteinbezog (z.B. in Coseriu, 1955—56; Pike, 1967; Harweg, 1968; Koch, 1971). Aber im allgemeinen wurden Strukturen eher als etwas Gegebenes und Manifestes aufgefaßt, denn als etwas, das durch menschliche Interaktanten mittels operationaler Prozeduren geschaffen wird. Wir erhalten zuletzt Klassifikationen, die sich in der Anzahl ihrer Kategorien und in ihrer Ausführlichkeit 8 Wie viele Marksteine in der Textlinguistik - Schmidt ( 1 9 6 8 ) , Koch ( 1 9 7 1 ) , Wienold ( 1 9 7 1 ) - war Harweg ( 1 9 6 8 ) eine Habilitationsschrift bei Prof. Peter Hartmann an der Universität Münster (BRD). Die Erscheinungsdaten sind alle wesentlich später als die Fertigstellung der Manuskripte. 9 Beim Zitieren verschiedener Quellen benutzen wir nach Möglichkeit nicht die Terminologie verschiedener Forscher, sondern, wenn es klare Korrespondenzen gibt, unsere eigene, um Konfusion zu vermeiden und Einheit zu gewährleisten. 10 Das meiste findet sich bei Dressier ( 1 9 7 2 a ) zitiert.
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unterscheiden, doch kein Bild davon, wie Texte bei sozialen Handlungen verwendet werden. 27. Sogar innerhalb ihrer eigenen Grenzen scheitert die deskriptive Methode früher oder später angesichts der KOMPLEXITÄT (wenn ein Sprachaspekt zu kompliziert und seine Konstituenten zu zahlreich und mannigfaltig fur eine vollständige Klassifikation sind) und der OFFENHEIT der SYSTEME (wenn ein sprachliches Phänomen eine Menge mit unbegrenzter Elementenzahl darstellt). Wir können unzählige englische Sätze als Distributionen von Morphemen klassifizieren und würden dennoch nicht die Muster aller möglicher Sätze erhalten. Das Sprachmodell der sogenannten „Transformationsgrammatik" wurde freudig begrüßt, da es eine Möglichkeit bot, Komplexität und offene Systeme zu behandeln: die unendliche Menge von möglichen Daten — im Standardmodell die Sätze einer Sprache — leitet man von einer kleinen Anzahl von Basismustern ab, vermittels einer Reihe von Regeln zur Manipulation und Generierung komplizierter Muster. 28. Dieser neue Ansatz fuhrt zu einem anderen Begriff des Textes. Statt den Text als eine dem Satz übergeordnete Einheit zu verstehen, betrachtet man ihn als eine Kette von aneinandergereihten wohlgeformten Sätzen. Zunächst argumentieren Katz und Fodor (1963), daß man den Text ebenso als einen superlangen Satz behandeln könnte, der zufällig durch Punkte und nicht durch Konjunktionen verbunden ist. Diese Möglichkeit wird durch die generative Standardgrammatik offengelassen, da es keine Grenze für die Satzlänge gibt. Aber es gibt einige Strukturen, die in Sequenzen von separaten Sätzen weniger typisch sind, als in einem einzelnen langen Satz. 11 Und die empirisch gegebenen Texte bestehen zweifellos aus Sätzen, weil die Form getrennter Sätze im strategischen Wissen des Sprechers über seine Sprache verankert ist. Katz — Fodors Vorschlag (1963) kann auf keine Weise Textualität (im hier verwendeten Sinn) erfassen. 29. Karl-Erich Heidolph (1966) bemerkt, daß Akzent, Intonation und Wortfolge innerhalb eines Satzes von der Organisation anderer benachbarter Sätze abhängen. Er schlug vor, ein Merkmal „vorerwähnt" vs. „nicht vorerwähnt" zur Regelung dieser Faktoren in die Grammatik einzuführen. Horst Isenberg (1968, 1971) folgt Heidolph mit einer weiteren Auflistung von Fragen, die nicht innerhalb der Grenzen des isolierten Satzes gelöst werden können, wie z.B. Pronomen, Artikel und Zeitfolgen. 11 Ein Beispiel ist „Kataphora", wo die Pro-Form dem Nomen oder der Nominalphrase vorausgeht (vgl. I V . 2 3 - 2 4 ) .
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Er fügt Merkmale hinzu, die den Status der Nominalphrasen bestimmen sollen, z.B. Bekanntheit, Identität, Identifizierbarkeit, Generalität und Kontrastivität. Dabei beruft er sich auch auf Kohärenzbeziehungen, wie Ursache, Zweck, Spezifikation und zeitliche Nähe. 30. Bald nachdem diese Linguisten für die Notwendigkeit einer Textlinguistik argumentiert hatten, kam eine Gruppe von Forschern in Konstanz zusammen, um gemeinsam an einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt zum Begriff „Textgrammatik" zu arbeiten. Diese Gruppe um Hannes Rieser, Wolfram Köck, Peter Hartmann, Jänos Petöfi, Teun von Dijk, Jens Ihwe usw. unternahm u.a. den Versuch eine abstrakte Grammatik und ein Lexikon zu formulieren, die Brecht's kurzen Text „Herrn K.'s Lieblingstier" generieren (d.h. die den Sätzen des Textes Strukturbeschreibungen zuordnen) würden. Die Ergebnisse des Projekts (einige von ihnen dargelegt in: van Dijk, Ihwe, Petöfi und Rieser, 1972) zeigen, daß die Unterschiede zwischen Satz- und Textgrammatik signifikanter sind, als man angenommen hatte. Trotz eines riesigen Regelapparats ergaben sich keine Kriterien zur Beurteilungeines Textes als „grammatisch" oder „wohlgeformt": 12 Warum sollen die Sätze nicht in einer anderen Form oder Anordnung stehen? Das Problem der gemeinsamen Referenz wurde nicht gelöst, sondern einfach in das Lexikon für den Text eingegliedert.13 Eine pointierte Debatte brach zwischen Werner Kummer (1972a, 1972b) und Mitgliedern des Projekts aus (Ihwe und Rieser, 1972), in deren Verlauf der Wert des ganzen Unternehmens in Frage gestellt wurde. 31. Das Konstanzer Projekt erinnert in mancher Hinsicht an die Harrissche (1952) „Diskursanalyse" (vgl. II.21f). Wieder wird eine grammatische Methode auf eine nicht vorgesehene Aufgabe angewendet, und wieder scheint sich nichts anderes herauszustellen, als daß Sätze strukturelle Eigenschaften innerhalb eines Textes gemeinsam haben, genauso wie in der Grammatik einer Sprache überhaupt. Zur Unterscheidung von Texten und Nicht-Texten wurden 12 Der Begriff der „Wohlgeformtheit" wurde ziemlich wahllos aus der Grammatik auf andere Bereiche übertragen, wo seine Anwendung eher zweifelhaft ist. Um weitere Verwirrungen zu vermeiden, verwenden wir den Begriff überhaupt nicht, indem wir annehmen, daß alle aktuell auftretenden Texte „wohlgeformt" sind, wenn sie als solche intendiert und akzeptiert werden. Diese können natürlich ineffizient, ineffektiv oder unangemessen sein (vgl. 1.23). Wir haben genug mit jenen wirklichen Beispielen zu tun und müssen nicht unbedingt absichtlich „schlechtgeformte" Texte ersinnen. Auch als heuristisches Mittel sind „Sternchensätze" in der Textlinguistik weniger sinnvoll als in der generativen Satzsyntax. 13 Zum Lexikon siehe 11.33.
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keine Kriterien gefunden. Die postulierten Regeln spiegeln sicher nicht die menschlichen Prozesse beim Produzieren oder Rezipieren eines Textes wider. Wie Kummer (1972a: 54) bemerkt, setzen die Forscher das „Generieren" des Textes voraus, statt es durch die Grammatik zu vollziehen. 32. Jänos Petöfi (1971) hatte die Schwierigkeiten bei der Anwendung der Transformationsgrammatik auf eine Texttheorie schon vorausgesehen. Er gab (1971) einen kritischen Überblick über die „generative Standardtheorie" (nach Chomsky, 1965), wonach zuerst die syntaktische Struktur generiert und dann eine ,,semantische Interpretation" durchgeführt wird, im Vergleich zur „Generativen Semantiktheorie" (vgl. die Beiträge in Steinberg und Jakobovits [Hrsg.], 1971), wo die Basisstruktur eine Repräsentation der Bedeutung ist, und die syntaktische Form später generiert wird. Petöfi fragt, ob es nicht nützlich sein könnte, eine Grammatik mit getrennten Kompetenzen für den Sprecher und den Hörer zu konstruieren. Während der Sprecher mit der Bedeutung beginnen und ein Sequenzmuster formen würde, würde der Hörer bei der fertigen Sequenz beginnen und sich zur Bedeutung zurückarbeiten. 14 33. Petöfis Band von 1971 leitete die Entwicklung einer breit ausgearbeiteten Texttheorie (oft „Textstruktur/Weltstruktur-Theorie" genannt, kurz TeSWeST) ein. Er unternahm den Versuch, die verschiedenen Aspekte von Texten über passende aus der formalen Logik abgeleitete Repräsentationsmittel zu verteilen. Während der Entwicklung der Theorie vergrößerten sich die Anzahl und Komplexität ihrer Komponenten stetig (siehe Petöfi, 1980, für die gegenwärtige Version). Der Trend geht dahin, immer mehr Faktoren, die sich eher auf die Benutzer von Texten als auf den Text als isoliertes Artefakt beziehen, zu integrieren. Z.B. wird das Lexikon, das ursprünglich wenig mehr als das für den vorliegenden Text definierte Vokabular enthielt (siehe van Dijk, Ihwe, Petöfi und Rieser, 1972), so angelegt, daß es ständig mehr „Alltagswissen4' über die Organisation der Welt im ganzen inkorporiert (vgl. Petöfi, 1978: 43). Der logische Status des Textsinns erscheint erst, wenn wir seine Interaktion mit dem Vorwissen der Benutzer berücksichtigen (siehe schon Petöfi, 1974). 34. In der Version von 1980 werden Komponenten zur Repräsentation eines Textes aus nahezu jeder Perspektive geboten. Um den Forderungen der 14 Dieses Modell befaßt sich aber nur mit einigen wenigen Aktivitäten von wirklicher Produktion und Rezeption von Texten und betont übermäßig die Probleme der Linearisierung (vgl. III.25f).
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logischen Basis gerecht zu werden, wird ein „kanonischer" Modus (ein regularisiertes, idealisiertes Korrelat) zusätzlich zu dem „natürlichen Sprachmodus", in dem der Text tatsächlich ausgedrückt wird, aufgestellt. Regeln und Algorithmen werden für Operationen wie „Formation", „Komposition", „Konstruktion", „Deskription", „Interpretation" und „Übersetzung" („Translation") bereitgestellt.15 Die Referenz des Textes für Objekte oder Situationen der Welt wird von einer „welt-semantischen" Komponente behandelt: zumindest eine gewisse Korrespondenz zwischen Text- und Weltstruktur wird postuliert. 35. Wenn wir die technischen Details von Petöfis sich in Entwicklung befindlichem Modell beiseite lassen, können wir es als Illustration der Fragestellungen betrachten, denen sich auf Logik basierende Texttheorien ausgesetzt sehen. Entweder werden etablierte Logiken benutzt, so daß viel von der Natur des Textes verloren geht; oder die Logiken werden modifiziert, um Texte adäquater erfassen zu können (Petöfi, 1978: 44f). Petöfl sieht komplizierte Mechanismen vor, die zwischen wirklichen Texten und logisch adäquaten Textversionen vermitteln. Ob dieses Unternehmen Erfolg haben wird, und ob es dann die interessanten Eigenschaften von Texten aufhellen kann, muß man erst sehen. Vielleicht könnte ein weniger rigoroser und formalisierter Ansatz der approximativen Art menschlichen Textgebrauchs in der Alltagskommunikation eher gerecht werden. 36. Teun von Dijks (1972a) monumentale Abhandlung über „einige Aspekte von Textgrammatiken" verfolgt eine ziemlich bunte Palette von Betrachtungen. Wie Heidolph (1966) und Isenberg (1968, 1971) rollte van Dijk die Argumente für Textgrammatiken von den Problemstellungen her auf, die Satzgrammatiken nicht befriedigend behandeln konnten. Sein Hauptstudienobjekt waren literarische und poetische Texte, die oft nicht mit den Konventionen von Grammatik und Bedeutung übereinstimmen, und dennoch zweifellos zur Menge der Texte einer Sprache gehören (vgl. IX.9). Daher Schloß er, daß es „literarische Operationen" geben muß, die auf Lautung, Syntax und Bedeutung angewendet werden müssen, um solche unkonventionellen Texte zu ergeben, z.B. Addition, Tilgung und Permutation (d.h. Einfügen, Auslassen oder Ändern des Basismaterials). Als Beispiel dienten literarische Metaphern. 15 Eine so umfangreiche Maschinerie ist wahrscheinlich für jedes auf Logik basierende Textmodell notwendig, das einen so weiten Bereich wie das von Peröfi umschließt. Petöfis Basisrepräsentation ist noch, vielleicht überraschend, ein Prädikatenkalkül erster Stufe. Eine ausführliche Behandlung bieten Biasci und Fritsche (Hrsg., 1978).
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37. Ein wichtiger Begriff, den van Dijk's Arbeit von sonstigen Studien über Satzsequenzen abhebt, ist der der MAKRO-STRUKTUR:16 eine großangelegte Aussage über den Inhalt eines gesamten Textes. Van Dijk überlegte, wie das Generieren eines Textes von einer Hauptidee ausgehen muß, die sich stufenweise zu den detaillierten Bedeutungen entwickelt, die in einzelne Textstrecken von Satzlänge eingehen. Wenn ein Text präsentiert wird, muß es Operationen geben, die in die andere Richtung gehen, um die Hauptidee wieder herauszufiltern, wie Tilgung (direkte Beseitigung von Material), Verallgemeinerung (Umsetzen von Material in eine allgemeinere Form) und Konstruktion (Schaffung neuen Materials, um die Präsentation kompakter darzustellen) (van Dijk, 1977a).17 Natürlich treffen Satzgrammatiken keine Vorkehrungen für solche Operationen der Makrostrukturierung, da ein solches Problem bei der Betrachtung isolierter Sätze einfach nicht vorkommt. Folglich wandte sich van Dijk der kognitiven Psychologie zu, um ein prozessorientiertes Modell des Textes zu finden. In Zusammenarbeit mit Walter Kintsch untersuchte er Operationen, die Versuchspersonen bei der Zusammenfassung längerer Texte, insbesondere Geschichten, verwenden (vgl. Kintsch und van Dijk, 1978; Kintsch 1981).18 Die typische Zusammenfassung eines Textes sollte auf seiner Makrostruktur basieren (siehe jetzt van Dijk, 1979b). Aber die Untersuchungen zeigten, daß die tatsächlichen Zusammenfassungen sowohl die Makrostrukturen des Textes, als auch vorhergespeicherte, auf dem Wissen über die Organisation von Ereignissen und Situationen in der realen Welt basierende Makrostrukturen aufweisen (vgl. unsere Diskussion von „Schemata" in IX.25—29). 38. Eine andere Richtung hat Igor Mel'cuk eingeschlagen (vgl. Mel'cuk, 1974, 1976; Mel'öuk und Zolkovskij, 1970). Er argumentiert, daß der Übergang zwischen „Sinn" (Russisch „smysl") und Text die zentrale Operation eines linguistischen Modelles sein sollte, d.h. wie Bedeutung in einem Text ausgedrückt oder durch einen Text aktiviert wird. Bedeutung muß sich also in der Fähigkeit des Sprechers „manifestieren", dieselbe Idee auf verschiedene Arten auszudrücken, und in der Fähigkeit des Hörers, äußerlich verschiedene synonyme Äußerungen als gleichbedeutend zu identifizieren (vgl. Mel'öuk und 2olkovskij, 1970: 11). Wie auf Grund dieser Erklärung erwartet werden 16 In van Dijk (1972a) benutzte er den Ausdruck „Tiefenstruktur", ersetzte ihn jedoch später, um Verwechslungen mit Chomskys Gebrauch vorzubeugen (vgl. van Dijk, 1979b). Siehe Anm. 19 dieses Kapitels. 17 Van Dijk versucht nicht, diese Begriffe mit ähnlichen Arbeiten von David Ausubel oder John Bransford zu vergleichen. Siehe auch die Diskussion in IX. 28. 18 Zum Verstehen von Geschichten siehe Kapitel IX, Anm. 22.
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kann, ist die Hauptstütze der Forschung die Konstruktion von „ p a r a p h i e renden Systemen" (über Paraphrase vgl. schon Ungeheuer 1969 sowie IV. 18— 19). 39. Mel'cuk stellt sich eine Bedeutungsrepräsentation mit ihrer eigenen „Syntax" vor: d.h., mit einer kontinuierlichen Anordnung, die nicht in der grammatikalischen Organisation sichtbar ist. Er gelangt zu einem Netzwerk, das in mancherlei Hinsicht den von uns in Kap. V diskutierten Netzwerken ähnelt, obwohl er Begriffe in einfachere Einheiten zerlegt. Die Einheiten werden einem „Tiefenlexikon" entnommen, in das Netzwerk überführt und dort dann in die Formen einer „Tiefensyntax" gebracht („tief in dem Sinn, daß sie statt aus Wörtern und Phrasen des Textes selbst aus primitiven Basiselementen besteht).19 Um akzeptable Paraphrasen zu bilden, werden bei der Selektion von Optionen „gewichtete Filter" eingebaut. 40. Petöfi, van Dijk und Mel'cuk sind typische Vertreter von „Textgrammatiken", die von der generativen Transformationsgrammatik angeregt wurden, aber in ganz andere Richtungen gegangen sind. Während die früheren Untersuchungen lediglich die gleiche Art von Strukturen zwischen Sätzen, wie diejenigen innerhalb von Sätzen postulierten und nur wenige Änderungen erlaubten (z.B. Heidolph, 1966; Isenberg, 1968, 1971; van Dijk, Ihwe, Petöfi und Rieser, 1972), zeigen die gegenwärtigen Richtungen die Suche nach einer fundamental eigenständigen Konzeption von Grammatik. Mel'cuks Modell adaptiert die Paraphrase, die potentiell im Begriff „Transformation" eingebaut ist (siehe Ungeheuer, 1969), um das Sprachmodell auf das „Imitieren menschlichen Verhaltens auf rein automatische Art" auszurichten (Mel'cuk und 2olkovskij, 1970: 10). Dazu schafft es eine neue Art der Bedeutungsrepräsentation, um kognitive Kontinuität zu erfassen (vgl. V.2). Petöfi verlagert die Transformationsoperationen von ihrer ursprünglichen Anwendung auf der syntaktischen Ebene und erlaubt Transformationen zwischen verschiedenen Ebenen, wodurch detaillierte Entsprechungen entwickelt werden können. Van Dijk erweitert Transformationen, um kognitive Prozesse zu beschreiben, die Texte „literarisch" machen oder Zusammenfassungen produzieren können.
19 In Transformationsgrammatiken sind „Tiefenelemente" meist Primitiva und zu weiterer Zerlegung unfähig, z.B. die Strukturkomponenten von Axiomen. Im prozeduralen Ansatz sind „Tiefenelemente" jene, die von der Oberflächenrepräsentation entfernt sind; „tiefere" Verarbeitung unterscheidet sich von „oberflächlicher" Verarbeitung durch weniger Identifizierung und mehr Integration und Organisation (vgl. III.9 und Anm. 6 zu Kap. III).
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41. Sehr wahrscheinlich werden praktisch alle Modelle von Texten und Textgrammatiken den Begriff der „Transformation" gebrauchen müssen, doch vermutlich nicht auf die Art von Chomsky-Grammatiken. Darüber hinaus werden zunehmend viele frühere Annahmen - wie die Autonomie der Syntax - fallen gelassen, zumal Anforderungen an die Modellierung menschlicher Kommunikation in realer Interaktion immer besser definiert werden. Die Arbeiten von Petöfi, van Dijk und Mel'cuk illustrieren diese Tendenzen in Theorie und Methode. 42. Dieses Kapitel sollte keinen erschöpfenden Überblick über die Textforschung geben. Wir versuchten lediglich einige repräsentative Arbeiten innerhalb und außerhalb der Linguistik zu nennen. Besonders wollten wir aufzeigen, wie verschiedene Ansätze bei der Untersuchung von Texten auf verschiedene Perspektiven und Motive zurückgehen. In den meisten Fällen war der darin auftauchende Begriff von „Text" enger gefaßt als der von uns vertretene (z.B. Einheit größer als der Satz; Distribution von Morphemen; Sequenz von wohlgeformten Sätzen), aber der Begriff weitet sich, wie Petöfi und van Dijk gezeigt haben, ständig aus. Folgerichtig betrachten wir unseren eigenen Ansatz als ein Ergebnis kontinuierlicher Entwicklung und nicht als Konfrontation oder gar Widerlegung vorangegangener Theorien und Methoden.
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III. Der prozedurale Ansatz
1. Viele Jahre wurden Syntax und Semantik kaum unter Berücksichtigung der Frage studiert, wie Sprecher Grammatik verwenden und wie sie in der realen Kommunikationssituation Bedeutung konstituieren. Der Sprachgebrauch wurde in den Bereich der PRAGMATIK bzw. der Performanz (oder „parole") verwiesen und blieb weitgehend unerforscht. Fassen wir hingegen den Text als prozeßhaftes Gebilde auf, so müssen wir alle Ebenen der Sprache in Bezug auf ihre Verwendung beschreiben. So gesehen ist Pragmatik der Bereich von PLÄNEN und ZIELEN, wobei die Fragen des Gebrauchs auch im Rahmen von Syntax und Semantik uneingeschränkt behandelt werden. Unsere Begriffe der „Kohäsion" und „Kohärenz" können beim Textstudium nur dann nützlich sein, wenn sie unter dem Gesichtspunkt erforscht werden, wie Verbindungen und Relationen tatsächlich zwischen kommunikativen Geschehnissen hergestellt werden. Die Belange der Pragmatik werden bei der Erforschung der Einstellung des Textproduzenten („Intentionalität"), des Rezipienten („Akzeptabilität") und des kommunikativen Rahmens („Situationalität") eingebracht. 2. Linguisten jedweder Provenienz scheinen darin übereinzustimmen, daß Sprache als SYSTEM1 aufzufassen ist, d.h. eine Menge von Elementen deren jede einzelne ihre Funktion als Beitrag zum Funktionieren der Gesamtheit hat. Diese Definition ist so allgemein gehalten, daß die aus der Sprachforschung erwachsenden Folgen von größter Vielfalt sein könnten. Die Forschung umfaßte z.B., wie in II. erwähnt, zunächst die Erarbeitung von Systemen kleinster Einheiten fur jeden Einzelaspekt einer Sprache; jede Einheit hatte die Funktion, distinktiv in Bezug auf alle anderen zu sein. Niemand würde jedoch ein so geartetes System mit den Operationen während des Kommunizierens gleichsetzen: Sprecher kombinieren keineswegs distinktive Einheiten in einer direkten oder irgendwie klar ersichtlichen Form. Empirische Tests 1
Siehe z.B. de Saussure (1916); Firth (1957); Hartmann (1963a, 1963b); Chomsky (1965); Bierwisch (1966);Coseriu (1975); Halliday (1976); Berry (1977).
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zeigen ja, daß viele abstrakte Unterscheidungen beim realen Sprechvorgang nicht erkennbar beibehalten werden, sondern nur aus dem Kontext abzuleiten sind (vgl. Pollack & Pickett, 1964; Woods & Makhoul, 1973; Walker et al., 1978). 3. Die Auffassung des Untersuchungsobjekts hängt von den wissenschaftlichen Zielen ab, die erreicht werden sollen. Die SYSTEMATISIERUNG des Gegenstands (Entdeckung oder Erstellung eines Systems in irgendeinem Untersuchungsbereich) — ein Begriff, der besonders von Carl Hempel 2 vorgeschlagen wurde — geht von der grundlegenden Annahme aus, daß Erscheinungen eher durch wohlgeordnete Prinzipien als durch Zufall gesteuert werden. Die BESCHREIBUNG eines Gegenstands erfordert, diese Prinzipien in dem Maß zu identifizieren, daß die Klassifikation von Beispielen objektiv und verläßlich vorgenommen werden kann. Andererseits erfordert die ERKLÄRUNG des Gegenstands die Aufdeckung der Prinzipien, durch die der Gegenstand seine Charakteristika erhält und durch die die beobachtbaren Beispiele erzeugt und verwendet werden. Eine Beschreibung einer Sprache kann durchaus unabhängig von irgendeiner ausdrücklich formulierten oder implizierten Erklärung erfolgen. Tatsächlich können Beschreibungen einfach gehalten werden, wenn man von vornherein viele Überlegungen ausklammert, die bei einer Erklärung notwendig wären. 4. Ein solcher Fall ist die Opposition von MODULARITÄT und INTERAKTION. Im Falle von Modularität werden die Komponenten als unabhängig voneinander gesehen, bei Interaktion sind sie miteinander gekoppelt und kontrollieren einander. 23 Modulare Systeme sind um vieles einfacher zu bilden und zu kontrollieren, da Erweiterungen und Veränderungen nur Einzelelemente betreffen, dafür sind Systemoperationen jedoch ungemein umständlich (vgl. Levesque & Mylopoulos 1979: 94). Deshalb geben weitgehend modulare Sprachmodelle, wie sie sowohl vom Strukturalismus als auch von der Transformationsgrammatik entwickelt wurden, nur sehr ineffizient arbeitende Systeme für den realen Sprachgebrauch ab. Sprecher und Hörer müßten dann sozusagen in einem unübersehbaren Meer winziger Strukturen der verschiedenen Sprachebenen treiben; wie nun aber Syntax 2 Zitiert bei Stegmüller (1969: 205). 2a Vgl. Sussmann (1973: 12f); Winograd (1975: 192). Vgl. auch das polyzentristische Modell Dresslers (1977, 1979b). Diese Problematik ist inzwischen auch von Anhängern der Generativen Grammatik beachtet worden, die die 5. Jahrestagung (April 1980) der „Generative Linguists of the Old Worlds" dem Thema „Modularity" gewidmet haben.
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und Grammatik mit Bedeutung und Zielsetzung zusammenspielen, bleibt unklar. 5. Zweifelsohne kann reales Kommunikationsverhalten nur erklärt werden, wenn Sprache als ein interaktives System betrachtet wird (vgl. Walker et al., 1978). Die Korrelation zwischen den Ebenen darf keineswegs außer Acht gelassen oder für die der eigentlichen Analyse nachgestellte Phase der „Interpretation" aufgeschoben werden. Tests zeigen, daß ein Sprachmodell, in dem die Syntax autonom ist, wegen der resultierenden KOMBINATORISCHEN EXPLOSION in der realen Kommunikation nicht funktionieren kann: Denn die Kommunikation würde eine enorme Überbeanspruchung durch die Kalkulation alternativer Strukturen und Lesarten erfordern, die zu einer ins Astronomische gesteigerten Analysezeit führen müßte. 3 Das Verstehen des Verkehrsschildes (1) (,Langsam spielende Kinder') — um ein sehr einfaches Beispiel zu wählen — würde einen zu großen Aufwand an Verarbeitung erfordern, wenn es unabhängig vom Kontext, in dem es auftritt, analysiert werden müßte (vgl. 1.19). Die Produktion und Rezeption eines Textes größeren Umfangs schiene, falls sie ohne das Zusammenspiel der Sprachebenen und kognitiven oder situativen Faktoren geschehen müßte, an ein Wunder zu grenzen. 6. Überlegungen dieser Art haben zur Erarbeitung eines PROZEDURALEN Ansatzes für das Studium von Texten in Kommunikation geführt. Obwohl noch immer ein zentrales Forschungsanliegen, ist die Auffindung von Einheiten und strukturellen Mustern hier nicht das eigentliche Ziel. Vielmehr bemühen wir uns um die Operationen selbst, die Einheiten und Muster während der Verwendung von sprachlichen Systemen regeln (vgl. II.5): Das aktuelle Ergebnis dieser Operationen nennen wir TEXT. So betrachtet darf ein Text also nicht als eine Gestalt von Morphemen oder Sätzen erklärt werden (vgl. Kap. II): Wir sind eher der Meinung, daß Morpheme und Sätze als operationale Einheiten und Muster zur Signalisierung von Bedeutungen und Absichten im Ablauf der Kommunikation wirken. Die Gründlichkeit, mit der Textproduzenten morphologisches und syntaktisches Material tatsächlich einordnen und gebrauchen, sollte ein unter realistischen Bedingungen zu untersuchendes Forschungsproblem und nicht eine aprioristische Annahme einer bestimmten Theorie sein.
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Die Wichtigkeit dieses Faktors ergab sich bei der Erstellung früher Computermodelle der Sprachverarbeitung, siehe z.B. Petrick (1965); vgl. Woods (1970).
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7. Wie Manfred Bierwisch (1966: 130) bemerkt, gibt es keine bestimmte Grenze fiir die Anzahl abstrakter Grammatiken, die man für eine Sprache erstellen könnte. Es war üblich, auf der Grundlage von Kriterien wie Einfachheit, Konsistenz und Allgemeinheit zugunsten der einen oder der anderen Grammatik zu argumentieren. Beim prozeduralen Ansatz müssen wir jedoch die Entscheidungskriterien Operationalität und Plausibilität miteinschließen.4 Die Intuitionen von Linguisten können bestenfalls heuristischen Stellenwert haben, jedenfalls konstituieren sie nicht das eigentliche Datenmaterial (siehe die Diskussion in Crystal, 1971: 105ff;Spencer, 1973;Ringen, 1975;Snow& Meijer, 1977). Die Gültigkeit von Theorien und Modellen muß an natürlichen menschlichen Aktivitäten demonstriert werden. 8. Eine so verstandene Forschung impliziert das Setzen neuer Prioritäten unter den Forschungsobjekten.5 So kann man etwa nicht ohne die Unterscheidung von Sätzen und Nicht-Sätzen auskommen, wenn es um die Erstellung einer abstrakten Grammatik geht, da diese Unterscheidung angibt, was die Grammatik zulassen soll oder nicht. Wenn aber die Sprecher nachweislich nicht imstande sind, solch eine Unterscheidung durchgehend zu machen (vgl. VI.23ff), so ist die Grammatikalität von Sätzen ein selbstverständlicher Standardfall (,DEFAULT") in einer Theorie von Sprache als menschlicher Tätigkeit, das heißt, etwas, das in Ermangelung gegenteiliger Angaben als gültig angenommen wird (vgl. III. 18). Ein Spracherzeugnis dürfte nur dann als Nicht-Text zurückgewiesen werden, wenn die Kriterien der Textualität so stark verletzt werden (z.B. durch völliges Fehlen jeglicher erkennbarer Kohäsion, Kohärenz und Situationsbezogenheit, etc.), daß kommunikative Verwendung ernstlich blockiert wird (vgl. 1.3). Solch eine Grenzlinie kann von textexternen Faktoren abhängen, wie z.B. Toleranz und Vorwissen der Anwesenden, oder verwendeter Textsorte. 9. In dem Maß, wie die Unterscheidung Satz/Nicht-Satz und Text/Nicht-Text an Bedeutung verliert, steigt die Bedeutung der Abstufungen von Effizienz, Effektivität und Angemessenheit (vgl. 1.23). Diese Faktoren steuern das, was man sagt, zumindest ebensosehr wie die abstrakten Regeln von Grammatik und Logik. Prozeßhaft gesehen, trägt die E f f i z i e n z zur Verarbeitungsleichtigkeit („processing ease") bei, d.h., zur Durchführung von Operationen mit geringer Belastung der Potentiale („resources") von Aufmerksamkeit und Zugriff. E f f e k t i v i t ä t bedarf der Verarbeitungstiefe („processing 4 5
Vgl. den Begriff der „prozeduralen Adäquatheit" bei Schänk & Wilensky (1977). Von Bedeutung ist auch der Begriff der „psychologischen Realität" (vgl. Dressler 1979b,c). Vgl. 0.6;X.6.
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depth"), d.h., der intensiven Verwendung der Potentiale von Aufmerksamkeit und Zugriff zum Material, welches nicht in der expliziten Oberflächenrepräsentation enthalten ist.6 A n g e m e s s e n h e i t ist ein Faktor, der die Korrelation zwischen dem jeweiligen Auftreten und den Kriterien der Textualität bestimmt, und zwar so, daß verläßliche Einschätzungen über die Verarbeitungsleichtigkeit bzw. -tiefe gemacht werden können. Man beachte, daß Effizienz und Effektivität dazu tendieren, gegeneinander zu arbeiten. Einfache Sprache und abgedroschener Inhalt sind sehr leicht zu produzieren und zu rezipieren, verursachen aber Langeweile und beeindrucken uns nur wenig. Im Gegensatz dazu üben schöpferische Sprache und ungewöhnlicher Inhalt eine starke Wirkung aus, können jedoch unverhältnismäßig schwierig zu produzieren und zu rezipieren sein. Daher muß Angemessenheit zwischen diesen einander entgegengesetzten Faktoren vermitteln, um das richtige Gleichgewicht zwischen dem Konventionellen und dem Nichtkonventionellen in jeder Situation anzuzeigen. 10. Die Bestimmung der Angemessenheit, Effizienz und Effektivität eines Textes entspräche dem Ausmaß an Verarbeitungspotential („processing resources"), das für seine Produktion und Rezeption aufgewendet wird (vgl. III.28). Grundsätzlich gibt es keinen Punkt, an dem die Produktion endgültig vollzogen ist, sondern höchstens eine ABSCHLUSS-SCHWELLE („threshold of termination"), an der der Textproduzent das Ergebnis als für den beabsichtigten Zweck ausreichend erachtet (vgl. Flower & Hayes, 1979: 17); so hing z.B. das Ausmaß, in dem Honore de Balzac an seinem Stil nachfeilte, oft von ganz äußerlichen Umständen ab. In ähnlicher Weise wird die Beurteilung der Textqualität durch die Textrezipienten auf das Ausmaß jener Potentiale Einfluß nehmen, die sie bereit sind, für die Textverarbeitung aufzuwenden. Es gibt schlechterdings keinen absoluten Abschluß der Rezeption, sondern eher eine Abschlußschwelle, an der das Textverständnis befriedigt; grundsätzlich könnte sich eine weitere Person finden, die den Text weiter umgestaltet oder ihn noch tiefgreifender analysiert.7 6
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Vgl. Craik & Lockhart (1972); Mistler-Lachman (1974). Wir geben nicht vor, sagen zu können, wie viele „Tiefen" es insgesamt gibt, aber die folgenden sind mit weitgehender Sicherheit gegeben: (1) Laut- bzw. Drucksubstanz; (2) lineare Oberflächenrepräsentation; (3) grammatikalische Abhängigkeitsstruktur; (4) konzeptuelle TextWelt-beziehungen; (5) Grundidee;(6) Plan. Diese „Tiefen" werden von der seichtesten (1) zur tiefsten (6) (mit Ausnahme von (1), vgl. Anm. 2 zum Kapitel I) im weiteren Verlauf des Kapitels diskutiert. Wie Peter Hartmann (persönliche Mitteilung an RdB) bemerkt, verfügen professionelle Sprachwissenschaftler über eine unverhältnismäßig hohe Verarbeitungsschwelle und
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11. Die von uns angestellten Überlegungen zeigen, wie schwierig es wäre, das Textstudium auf die Erzeugnisse des Sprechens oder Schreibens allein zu beschränken; diese Erzeugnisse sind in sich selbst unvollständig, sobald sie von den auf sie angewendeten Verarbeitungsoperationen getrennt werden. Wenn wir einen Text als ein Dokument von Entscheidungen, Auswahls- und Kombinationsvorgängen betrachten, dann sind viele Erscheinungsformen von Texten kraft der anderen Möglichkeiten bedeutsam, die an ihrer Stelle auftreten hätten können, aber nicht ausgewählt wurden. In vielen Fällen gibt die grundlegende Beschaffenheit von Sprache (ihre Regularitäten im Bereich der Lautung, Grammatik, des Lexikons etc.) keinen Ausschlag für die Auswahl. Wir müssen also stets danach trachten, die MOTIVATIONEN und STRATEGIEN zu entdecken und zu systematisieren, durch die Textproduktion und -rezeption in Gang gehalten werden. 12. Andererseits müssen wir darauf achten, daß der Text nicht vollkommen hinter die mentalen Prozesse zurücktritt. Neuere Diskussionen der Leserrolle zeigen die Gefahren der Annahme auf, daß Textrezipienten mit einer Textdarbietung tun können, was sie wollen.8 Wenn diese Auffassung zutreffend wäre, wäre Textkommunikation weitgehend unzuverlässig, ja sogar solipsistisch. Es muß bestimmte, wenngleich nicht absolute Kontrollen über die Möglichkeiten der Textrezeption durch verschiedene Textrezipienten geben (vgl. III.16). Beaugrande (1980a) schlägt vor, den Text selbst als ein System zu sehen, als eine Anordnung von Elementen, die eine Funktionsganzheit bilden. 9 Während die Sprache ein VIRTUELLES System von möglichen, aber noch nicht realisierten Auswahlmöglichkeiten ist, stellt der Text ein AKTUALISIERTES System dar, in dem Auswahlmöglichkeiten aus ihrem Repertoire genommen und verwirklicht wurden, um eine bestimmte STRUKTUR (eine Beziehung zwischen Elementen) zu bilden. Diese Strukturbildung wird mittels AKTUALISIERUNGSprozeduren geleistet.10 Dies bedeutet aber nicht, daß der eigentliche Untersuchungsgegenstand der Textlinguistik die Performanz (im Sinne von Chomsky, 1965, vgl. die parole bei de Saussure, 1916) sein soll;es geht nicht so sehr um die spezifischen Erzeugungs- und Verstehensvorgänge einer aktuellen Textdarbietung, sondern um die allgemeinen Prinzipien dieser Prozesse bzw. die Gemeinsamkeiten entdecken weit mehr Strukturen als normale Sprachverwender. Unglücklicherweise wurde die Analyse durch Linguisten allzuoft als Modell des Sprachverstehens betrachtet, am drastischsten von Transformationalisten. 8 Vgl. besonders die Arbeiten in Warning (Hrsg.) (1975). 9 Vgl. Hartmann (1963a: 65f);Oomen (1969); Fowler (1977: 69). 10 Zur Aktualisierung siehe bereits Coseriu ( 1 9 5 5 - 5 6 ) .
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individualler Textdarbietungen, d.h. um die Kompetenz in der Performanz (im Sinne Mel'cuks, 1974): Zwischen Chomskyscher Kompetenz und Performanz besteht eine große Kluft, da die Eigenschaften dieser Kompetenz bei der Performanz (auch nach Chomsky) gar keine Rolle spielen müssen. Hingegen ist Performanz in unserem Sinn eine Aktualisierung der Kompetenz der Performanz. 13. Da sowohl der Strukturalismus als auch die generative Grammatik virtuelle Systeme zum Gegenstand haben, waren die Forschungen, die sich auf Aktualisierungsprozeduren beziehen, — abgesehen von der Psycholinguistik — bis vor kurzem dünn gesät. Schon im gegenwärtigen Frühstadium der Forschung scheint es sich herauszustellen, daß die Aktualisierung in Formen organisiert ist, die sich nicht direkt auf virtuelle Systeme anwenden lassen. So dürfte es z.B. ein sehr hohes Maß von gegenseitiger Abhängigkeit zwischen Entscheidungen und Selektionen geben, sowohl auf ein und derselben Ebene als auch zwischen verschiedenen Ebenen. Diese gegenseitige Abhängigkeit übt eine starke Kontrolle über mögliche Variationen bei der Verwendung eines einzelnen Textes aus. Würde ein Kommunikationsteilnehmer einen uneingeschränkt idiosynkratischen Standpunkt Textphänomenen gegenüber einnehmen, so käme es zu einer schweren Störung der Verständigung. 14. Daraus folgert Beaugrande (1980a), daß ein Text ein KYBERNETISCHES System darstellt, welches ständig die Funktionen seiner laufenden Zustände steuert. 10a Wann immer ein Vorkommensfall aus den Wissenssystemen der Kommunikationsteilnehmer über die Sprache, den Inhalt und die Absicht herausfällt, ist die STABILITÄT des Textsystems gestört und muß durch REGULATIVE INTEGRIERUNG dieses Vorkommensfalls wiederhergestellt werden, z.B. mittels Hinzufügungen oder Umänderungen im Wissensspeicher. Textverwendung wird nur dann blockiert, wenn die regulative Integrierung versagt, d.h. wenn unauflösbare Diskrepanzen bestehen bleiben. Unter normalen Bedingungen erhalten die Kommunikationsteilnehmer die Systemstabilität, indem sie eine KONTINUITÄT kognitiver Erfahrung durch Entdecken von Beziehungen zwischen jedem sinnvollen Vorkommensfall und seinem Kontext aufrechterhalten. 11 Selbst wenn es mehrere konstruierbare mögliche Beziehungen gibt, sind 10a Vgl. jetzt Schweizer (1979). 11 Die entscheidende Bedeutung der Kontinuität wurde bei der Bemühung von Linguisten um die Gliederung in Einheiten und Konstituenten nur allzu oft übersehen. Alle Kriterien der Textualität stehen in enger Beziehung zur Kontinuität (vgl. z.B. III.16; IV.l; V. 2; VII.13;IX.29).
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einige von ihnen befriedigender oder wahrscheinlicher als andere und ihnen wird aus diesem Grund der VORZUG („preference") gegeben.12 In dem Maße, wie Präferenzwissen von einer Kommunikationsgemeinschaft geteilt wird (bzw. dieses Wissen zuletzt dazu dient, eine solche Gemeinschaft zu identifizieren), wird das Verarbeitungsergebnis für einen bestimmten Text bei nahezu allen Mitgliedern der Gemeinschaft ziemlich ähnlich sein. Jedes merklich idiosynkratische Ergebnis wird besondere Korrekturen nach sich ziehen, so daß das betreffende Mitglied der Gemeinschaft auf die Gemeinschaftspräferenzen immer stärker achten wird. 15. Das Bewußtsein des Präferenzwissens der Gemeinschaft ist aber keineswegs ein Zwang, mit ihm konform zu gehen. Ganz im Gegenteil würde ein Text, dessen Beschaffenheit und Inhalt sich völlig mit etabliertem Wissen deckt, einen extrem niedrigen Grad an Informativität im Sinn von I.17f (vgl. auch Kapitel VII.) bieten. Völlige Bekanntheit - oder kybernetisch ausgedrückt, totale Stabilität — ist für das menschliche Denken augenscheinlich uninteressant. Deshalb funktioniert Kommunikation als das konstante Aufheben und Wiederherstellen von Stabilität durch Unterbrechung und Wiederherstellung der Kontinuität des Textes und seiner Teile. Infolgedessen braucht das Bewußtsein des Präferenzwissens nicht die Kreativität in der Text-Kommunikation auszuschließen; im Gegenteiles ermöglicht den Kommunikationsteilnehmern lediglich eine Orientierung zur Kreativität zu finden und deren Motivationen innerhalb eines vorgegebenen Textsystems bereitzustellen oder aufzufinden. 16. Gemäß dieser Erklärungsskizze kann ein system theoretischer Ansatz das Dilemma lösen, wie menschliche Prozesse als Faktoren im Gebrauch oder in der Untersuchung von Texten eingebracht werden können. Die Systembenutzer müssen sich über die funktionellen Prinzipien des Systems im klaren sein, sonst wird der Gebrauch des Systems beeinträchtigt oder blockiert. Bestmimte Klassen von Vorkommensfällen, z.B. Mehrdeutigkeiten, Widersprüche oder Unvereinbarkeit, die den Gebrauch des Systems behindern oder schwer kontrollierbar machen können, bleiben deshalb speziellen Wirkungen vorbehalten (z.B. Witzen oder Aphorismen). Die Kriterien der Textualität, die wir in diesem Buch vorschlagen, sind alle ihrer Natur nach relational, d.h. sie betreffen die Frage nach der Verbindung im Text und zwischen Texten. Diese Verbindung besteht in grammatischen Abhängigkeiten auf der Oberfläche 12 Wir gebrauchen den Begriff Präferenz (Vorzug) in einem etwas weiteren Sinne als sein Urheber Yorick Wilks (siehe jetzt Witks, 1979).
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(Kohäsion); in konzeptuellen Abhängigkeiten in der Textwelt (Kohärenz); in der Einstellung zum Text (Intentionalität und Akzeptabilität); im Einbau des Neuen und Unerwarteten in das Bekannte und Erwartete (Informativität); im außersprachlichen Kontext (Situationalität); und in der wechselseitigen Beziehung verschiedener Texte (Intertextualität). 17. Da wir die Kontinuität von Beziehungen und Verbindungen betonen, können wir die Textualität und die Textverarbeitung unter dem Gesichtspunkt formaler PROBLEMLÖSUNG im Sinne von Newell und Simon (1972) studieren. 13 Ein PROBLEM wird bestimmt als ein Paar von Zuständen, deren Verknüpfung einem SCHEITERN („failure") ausgesetzt ist, wenn sie nicht gefunden oder identifiziert werden kann. Ein SCHWERES PROBLEM („serious problem") entsteht, wenn die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns signifikant größer als die des Gelingens ist. Das Problem wird als GELÖST betrachtet, wenn ein Verknüpfungsweg gefunden wird, der ohne Unterbrechung vom AUSGANGSZUSTAND („initial state") zum ZIELZUSTAND („goal state") führt. Sobald ein Punkt erreicht ist, an dem der Problemloser überhaupt keinen Fortschritt in Richtung Ziel machen kann, ist eine BLOCKADE („block") aufgetreten. Die maßgebliche Operation des Problemlösens ist die Suche nach der Verbindbarkeit von Zuständen. Drei Suchstrategien sollen erwähnt werden: 14 a) In der TIEFE-ZUERST-SUCHE („depth-first search") versucht der Problemloser das Ziel auf einem geraden Weg anzupeilen, ohne den Alternativen besondere Aufmerksamkeit zu schenken, solange ein Fortschreiten möglich ist. Stößt der Problemloser auf eine Blockade, tritt er gerade nur soweit zurück, wie es notwendig ist, um die Fortbewegung und das Anpeilen des Ziels wiederaufnehmen zu können. Die Tiefe-zunächst-Suche ist wenig zuverlässig, es sei denn der Weg ist offensichtlich und unbestritten. b) In der BREITE-ZUERST-SUCHE („breadth-first search") faßt der Problemloser nur ein naheliegendes Unteiziel ins Auge und wägt die verschiedenen dazu führenden Wege gegeneinander ab. Der beste Weg wird versuchsweise eingeschlagen, und — wenn er sich als erfolgreich erweist — wird das
13 Das „allgemeine Problemlösungsprogramm" („general problem-solver") war ein frühes Programm (Ernst & Newell, 1969), in dem höherstufige Operationen von den Einzelheiten der gestellten Aufgaben getrennt wurden. Unsere Behandlung ist wegen unserer Netzwerkrepräsentationen der von Winston (1977) ähnlicher. Siehe die folgende Anmerkung. 14 Siehe Winston (1977: 90ff; 130ff).
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Verfahren mit dem nächsten Unterziel wiederholt, solange bis das Hauptziel selbst erreicht ist. Die Breite-zuerst-Suche ist umsichtig und sicher, aber sie kann ineffizient und aufwendig sein, wenn der Weg von vornherein klar ist. c) In der MITTEL-ZWECK-ANALYSE („means-end analysis") identifiziert der Problemloser die Hauptunterschiede zwischen dem Ausgangszustand und dem Zielzustand und versucht, diese nach und nach zu verringern. Falls die Unterschiede zu groß erscheinen, mag zuerst ein dazwischenliegendes Unterziel zum Ausgleich herangezogen werden. Während die Tiefe-zuerst- und die Breite-zuerst-Suche bei vorwärts gerichteter Mittel-Zweck-Analyse zur Anwendung kommen können, kann höhere Wirksamkeit erreicht werden, indem man sowohl vom Ausgangszustand vorwärts als auch vom Zielzustand rückwärts schreitet, je nachdem wie es günstig erscheint. In der Tat könnte jeder am Weg liegende Zustand einen brauchbaren STEUERUNGSMITTELPUNKT („control center") abgeben, um von ihm ausgehend in jede Richtung vorzugehen. 15 18. Mit den hier bereits dargestellten Begriffen können wir nun ein Modell der Textproduktion und -rezeption skizzieren (vgl. Beaugrande, 1979c, 1981d, 1981e; Flower & Hayes, 1979; Meyer, 1979). Das Modell sieht eine locker sequentielle Anordnung von PHASEN DER VERARBEITUNGSDOMINANZ vor. Wir reden von Dominanz, weil die Annahme unnötig und unwahrscheinlich erscheint, daß die Vorgänge einer Phase diejenigen aller anderen Phasen stillegen; eher mag es eine Schwelle geben, bis zu der sich der Fokus der Verarbeitungspotentiale auf eine bestimmte Operationsphase richtet, während andere Operationen reduziert, aber nicht aufgehoben sind. Des weiteren hilft „Dominanz" den Gegensatz zwischen Modularität und Interaktion (III .4) aufzulösen, weil dadurch der Textverarbeitende seine Aktivitäten verschiedentlich aufteilen kann (siehe Winograd, 1975). Die Interaktion zwischen den Ebenen (Lautung, Syntax, Bedeutung usw.) wird durch eine Klasse von Operationen herbeigeführt, die wir ABBILDUNG („mapping") nennen: die Korrelation von Strukturen und Relationen verschiedener Typen. 1 6 Man kann jetzt noch nicht entscheiden, in welchem Maße auf einer einzigen Ebene die Organisationstätigkeit angesetzt werden muß, bevor eine Abbildung auf andere Ebenen möglich ist. So wird es oft ASYMMETRIE (das Fehlen einer 1-zu-lÜbereinstimmung) zwischen den verschiedenen Ebenen geben, jedoch helfen „DEFAULTS" (Standardfälle: selbstverständliche Annahmen werden 15 Der Begriff des „Control center" ist entscheidend für das Verständnis von Zugriffsprozeduren (vgl. z.B. IV.7; V . 2 4 ; V . 2 9 f ; Beaugrande, 1980a). 16 „Mapping" war ursprünglich ein Konzept der formalen Logik, aber es kann auch im prozeduralen Ansatz operationalisiert werden (vgl. Goldman, Balzer & Wile, 1977a).
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gemacht, wenn keine näheren Angaben verfügbar sind) und die PRÄFERENZEN (die Neigung zur Wahl einer Möglichkeit unter mehreren Möglichkeiten) die laufende Verarbeitungslast bei der Abbildung zu verringern (vgl. VII. 12). 19. Unter typischen Bedingungen sind Operationen dem individuellen Textmaterial wahrscheinlich nicht eigens zugeschnitten. Daher sollte es machtvolle und allgemein wirksame Verfahren geben, die sich einer großen Vielfalt von Daten und Geschehnissen anpassen können. Bobrows und Winograds (1977) Begriff das PROZEDURANSCHLUSSES („procedural attachment": Spezifizierung und Abänderung von Standardoperationen gemäß den aktuellen Bedürfnissen) scheint hier sehr wichtig. Diese Verfahren würden durch Mechanismen des MUSTERVERGLEICHS („pattern-matching") abberufen werden, die eine angemessene Übereinstimmung zwischen dem aktuellen und dem gespeicherten Material herstellen.17 Während die allgemeinen Prozesse laufen, können spezielle Details passend eingefügt werden. 20. Die erste Phase der Textproduktion kann normalerweise mit der PLANUNG eingesetzt werden (vgl. Flower & Hayes, 1979; Meyer, 1979). Der Textproduzent hat die Absicht, mittels des Textes irgendein Ziel zu verfolgen, z.B. sein Wissen weiterzugeben oder Zustimmung zu einem Plan zu erreichen (vgl. 1.13; VI.16ff). Dabei ist die Textproduktion sozusagen ein Unterziel auf dem Weg zum Hauptziel. Durch die Mittel-Zweck-Analyse (III. 17c) kann der Textproduzent abzuschätzen versuchen, welcher von mehreren Texten den größten Beitrag leisten könnte, um den Unterschied zwischen dem Jetztzustand und dem Zielzustand zu verringern. Ist diese Frage schwer zu beantworten, könnte man die B r e i t e - z u e r s t - S u c h e anwenden, indem man mehrere Texte nacheinander anbietet und hofft, daß einer von ihnen zum gewünschten Erfolg führt. Die Texte sind durch den PLANANSCHLUSS („plan attachment", ein Untertyp des Prozeduranschlusses von III.19) in den Plan integriert. 21. Der Zielsetzung und der Textsortenwahl folgt sofort (u.U. überlappend) die Phase der IDEATION (vgl. den rhetorischen Begriff der inventio „Ideenfindung"). Eine IDEE ist eine innerlich angelegte (also nicht umgebungsbedingt erzwungene) Gestaltung von Inhalt, die STEUERUNGSMITTELPUNKTE (z.B. Themen für schöpferisches, sinnvolles Verhalten einschließlich der Textproduktion) zur Verfugung stellt. Das Abbilden einer Planstruktur 17 Zum „pattern-matching" vgl. K. Colby & Parkinson (1974); Kuipers (1975); Pavlidis (1977); Rumelhart (1977a); Winston (1977).
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auf eine Idee (oder umgekehrt) ist zweifellos kompliziert, besonders wenn es nicht zweckmäßig ist, über den Plan offen zu sprechen. Z.B. dürfte das Ziel jemanden zu überzeugen eine umfängliche Suche nach den Ideen erfordern, die die vermutliche Weltanschauung der Zielgruppe bestätigen oder in geeigneter Form verändern (vgl. VI.16; VIII.l 7ff). Den Plan selbst würde der Textproduzent kaum der Zielgruppe bekanntgeben. 22. Der Ideation folgt eine Phase der ENTWICKLUNG, die dazu dient, die gefundenen Ideen zu erweitern, näher zu bestimmen, auszuarbeiten und untereinander zu verbinden. Entwicklung kann als ein Suchen nach gespeicherten WISSENSRÄUMEN („knowledge spaces") angesehen werden, d.h. innerlich organisierte Anordnungen von Inhalt im Speicher. Entwicklung kann zwischen den Extremen schwanken, einerseits mehr oder weniger intakte Wissensräume abzurufen, andererseits sehr unübliche Konstellationen aufeinanderzubeziehen. Die Problemlösung — die den Inhalt kohärent gestaltet, indem sie ihn mittels relationaler Bindeglieder (siehe Kapitel V) verbindet — müßte im letzteren Fall entsprechend intensiver sein. Falls der Text im Sinne von Kapitel VII informativ sein soll, müßte es dennoch zumindest einige neue Anordnungen in seiner Textwelt geben.18 23. Die Ergebnisse der Ideation und Entwicklung brauchen nicht an besondere Ausdrücke einer natürlichen Sprache gebunden zu sein (vgl. Flower & Hayes, 1979: 24). Sie können z.B. aus der bildlichen Vorstellung 19 von Szenen oder Ereignisabläufen zusammengesetzt sein. Es muß jedoch (als Teilentsprechung zur dispositio „Anordnung" der klassischen Rhetorik) eine Phase des Ausdrucks geben, an die der bisher angewachsene Inhalt weitergegeben wird. Die Suche nach Ausdrücken ergibt einen besonderen Fall von Problemlösung, indem Bindeglieder von der Organisation einer Ebene zu derjenigen einer anderen erstellt werden. Eine Hilfe für diese Suche bietet die — wie man es plausibel annehmen kann — Aktivierung geistigen Inhalts, die von sich aus schon nach Ausbreitung auf die typischen Ausdrücke strebt, die für diesen Inhalt gespeichert sind (vgl. V.l 2). Bereits aktivierte Ausdrücke würden dann als PRÄFERENZEN (im Sinn von III. 18) angenommen.
18 Die Frage des Ausmaßes, in dem eine Textwelt (vgl. 1.6; V. 2) dem gegebenen Vorwissen entsprechen bzw; sich von ihm unterscheiden muß, gehört mit zu den dringlichsten einer Wissenschaft vom Text. Siehe IX. 3Iff. 19 Bildliche Vorstellung („mental imagery") stellt ein außergewöhnlich schwieriges Problem dar (vgl. Paivio, 1971), das jedoch nicht unberücksichtigt bleiben darf (vgl. VI. 26; VII.10; IX. 32).
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24. Hier kann ein besonderes PROBLEM entstehen. Inhalt wie z.B. die geistige Vorstellung einer Szene oder einer Reihenfolge ablaufender Ereignisse könnte KONTINUIERLICH sein, während die Ausdrücke mehr oder weniger aus DISKRETEN Elementen bestehen - ein wichtiges Beispiel für A s y m m e t r i e (III. 18). Der Textproduzent muß sich über die Grenzlinien entscheiden, die er zwischen Szenenteilen oder Ereignissen ziehen will (vgl. Halliday, 1 9 6 7 - 6 8 ; Miller & Johnson-Laird, 1976;Talmy, 1978). Jeder der verschiedenen Ausdrücke wird häufig Ereignisgrenzen von jeweils größerer oder geringerer Ausdehnung und Bestimmtheit nahelegen. 25. Da die Textdarbietung auf sequentielle auditive Medien bzw. Druckmedien beschränkt ist, muß die letzte Phase der Textverarbeitung die GRAMMATISCHE SYNTHESE („parsing") sein: Die aus der vorhergehenden Phase weitergegebenen Ausdrücke werden in GRAMMATISCHE ABHÄNGIGKEITEN gebracht und in LINEARER Form im Oberflächentext angeordnet. Das Repertoire grammatischer Abhängigkeiten ist in einer Sprache wie Deutsch oder Englisch bedeutend weniger umfangreich als das Repertoire konzeptueller Relationen, das wir als notwendig erachten (vgl. IV.7ff vs. V.26), so daß wiederum Asymmetrie ins Spiel kommt. In Sprachen mit vielen grammatischen Kasus, die konzeptuelle Relationen signalisieren (z.B. Finnisch, Ungarisch, ostkaukasische Sprachen) 20 gibt es weniger Asymmetrie. 26. Die hervorstechendste Präferenz bei der L i η e a r i s i e r u η g ist diejenige der Nachbarschaft („adjacency"), d.h. Elemente, die in grammatischer Abhängigkeit stehen, werden kontinuierlich aneinander gereiht. Ein a k t i v e r S p e i c h e r (vgl. IV.2; V.4) wäre in der Lage, Abhängigkeiten auf einfachste Weise zu analysieren, solange die voneinander abhängigen Elemente in engverbundenen Gruppen bleiben. Jedoch gibt es viele Gründe für einen Umstoß dieser Präferenz. Sobald ein einzelnes Element in mehrere Abhängigkeiten innerhalb einer Phrase oder eines Satzes gerät, werden einige der mit ihm zusammenhängenden Elemente in eine gewisse Entfernung voneinander verschoben werden müssen. Zu Beginn des ,Raketen'-Textes aus 1.1 (in der englischen Fassung) enthält die Sequenz (4a) A great black and yellow V - 2 rocket 46 feet long ein Element,rocket', das in Abhängigkeit mit einem Artikel (,a l ) und fünf Modifikatoren (,great',,black', .yellow', ,V—2', ,long') tritt. Da nicht alle 20 Asymmetrie bedeutet Problemlösung durch Interaktion zwischen Einheiten und Pfaden verschiedener Größe, verschiedenen Wirkungsgraden und unterschiedlicher Beschaffenheit. Immerhin stützen einander die Ebenen zumindest zeitweise gegenseitig ab (vgl. V.30).
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diese abhängigen Elemente an das Hauptelement angrenzen können, werden Konventionen zur Anordnung von Typen der Eigenschaften verwendet (vgl. Vendler, 1968; Martin, 1969; Danks & Glucksberg, 1971; Hetzron, 1979), z.B. Ausdehnung vor Farbe. In einer anderen Sequenz aus demselben Text: (4b) With a great roar and burst of flame tritt Weltwissen ins Spiel, um anzuzeigen, daß ,great' sowohl ,roar' als auch ,burst' (wobei der Artikel nicht wiederholt wird), aber ,of flame' wohl nur ,burst' näher bestimmt. Im Gegensatz dazu würde die Sequenz von Beispiel (6) (6a) Great words or silences of love vorzugsweise so aufgefaßt werden, daß , great' und ,of love' sowohl von ,words' als auch von ,silences' abhängen. Wenn die Eigenschaften gegensätzliche Begriffe repräsentierten, wie z.B.: (6b) Great words or silences of smallest size würden wir jede Eigenschaft nur mit dem angrenzenden Element verbinden. Wir erkennen nun, daß Nachbarschaft eine zwar brauchbare, aber relativ schwache Präferenz bei der grammatischen Synthese darstellt. 27. Wir haben einen kurzen Überblick über die Phasen gegeben, die sinnvollerweise die Textproduktion konstituieren können: Planung, Ideation, Entwicklung, Ausdruck und grammatische Synthese. Wie wir bereits in III.18 zu bedenken gegeben haben, sollten die Phasen nicht so aufgefaßt werden, als ob sie innerhalb klar gesteckter Grenzen linear hintereinander abliefen. Es wäre durchaus vorstellbar, daß alle fünf Phasen mit schnell wechselnden Schwerpunkten zugleich ineinander wirken. Sobald schwer haltbare oder unbefriedigende Resultate in einer der Phasen auftreten, könnte die Schwerpunktsetzung auf eine ,tiefere' 21 Phase zurückschreiten (dJi. auf eine, die vom in Produktion stehenden Oberflächentext weiter abliegt), um neue Organisationsweisen zu finden. Spätere Entscheidungen können klar machen, daß vorangegangene nicht zielführend waren; so könnten z.B. Entwicklung und Ausdruck Änderungen in Planung und Ideation 22 notwendig machen. In der Tat könnte 21 Zu diesem Gebrauch des Begriffs „tiefer" siehe Anm. 6 zu diesem Kapitel und Anm. 19 zu Kapitel II. 22 Der Schriftsteller Peter von Tramin (persönliche Mitteilung an WD) versichert, daß fur ihn vor dem Beginn des Schreibens Inhalt und Handlungsablauf weitgehend feststehen, ebenso die Anordnung von Einzelabschnitten, ferner was im Vordergrund, was im Hintergrund stehen, wo beschleunigt, wo retardiert werden soll, ferner Elemente von Dialog und Reflexionen der Personen der Handlung. Solch ein Beispiel ist zweifellos ungewöhnlich: Entscheidungen der genannten Art dürften in der Mehrzahl der Fälle im Lauf des Schreibvorganges getroffen werden. Ein schwieriges Problem ist die Frage, wie andere Autoren jemandes eigene Entscheidung abwägen und Änderungen vorschlagen können, obwohl sie an der ursprünglichen Planung überhaupt keinen Anteil hatten (vgl. 111.28 und Anm. 22a zu diesem Kapitel).
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es etwas wie ein ,Textintentionsprinzip' geben, wobei die Textmaterialien im Verlauf der Produktion ihre eigenen Organisationstendenzen erkennen lassen bzw. diese, vorausgesetzt daß die Operationen nicht zu früh beendet werden, dem Textproduzenten aufdrängen (vgl. Iser, 1980, über Textintention vom Gesichtspunkt des Lesers). In III.10 nahmen wir an, daß Produktion ein Prozeß mit offenem Ende ist dessen Abschluß dann als gegeben betrachtet wird, wenn eine bestimmte Schwelle von Befriedigung erreicht ist. Möglicherweise könnte diese Schwelle durch das Auftreten von materialspezifischen Tendenzen (wie den von uns geschilderten) bedingt sein. Aber sogar in diesem Fall könnte ein gewisses Potential für immer weiteren Umbau übrigbleiben. 2 8 . Fortgesetzte Praxis in der Textproduktion könnte eine Ineinanderschiebung der einzelnen Phasen bewirken. Ein Kriterium von Textqualität, das früher einen großen Aufwand von Hin- und Herwechsel zwischen den Phasen zu Korrekturzwecken erforderte, könnte mit der Zeit durch einen eher geradlinig verlaufenden Arbeitsgang erreichbar sein. Talentierte oder versierte Schreiber oder Sprecher mögen Textproduktion fast mühelos leisten, aber es könnte auch sein, daß sie geringen Zeitaufwand durch entsprechend größere Verarbeitungsintensität ausgleichen. Sogar sie mußten sich vermutlich durch frühere Entwicklungsetappen von großem und bewußtem Verarbeitungsaufwand hindurcharbeiten. Die „Textintention" — sofern ein solcher Begriff berechtigt ist — könnte durch lange Erfahrung leichter erfaßbar werden. Dieser Effekt würde erklären, warum ein geübter Textproduzent Texte anderer (und nicht nur einfach seine eigenen) verbessern kann, ohne tatsächlich an deren geistigen Prozessen beteiligt gewesen zu sein. 2 2 3 2 9 . Die TEXTREZEPTION könnte als eine entsprechende Anordnung von Phasen der Verarbeitungsdominanz in entgegengesetzter Richtung angesehen werden. 23 Der Rezipient würde an der ,Oberfläche' mit der eigentlichen Textdarbietung beginnen und sich in „tiefere" Phasen „hinunter" weiterarbeiten. 24 Der Oberflächentext würde aus einer linearen Kette in 22a Ja Selbstkorrekturen erscheinen oft für den Texterzeuger selbst schwieriger zu sein, weil er bereits die beabsichtigten Ideen kennt und Fälle von ineffizientem Ausdruck, ja sogar richtiggehende Fehler übersieht, was für Fremdkorrekturen nicht gilt. 23 Ein umkehrbarer Formalismus, der den ,Raketen-Text' sowohl durch grammatische Analyse in eine Netzstruktur überführt als auch den umgekehrten Prozeß bewirkt, wird bei Simmons & Chester ( 1 9 7 9 ) angeboten (vgl. Beaugrande, 1981a). 24 Zur „Tiefe" siehe Anm. 6 zu diesem Kapitel.
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grammatische Abhängigkeiten analysiert werden (diese Operation skizzieren wir in IV.7ff). Die Elemente in diesen Abhängigkeiten sind die Ausdrücke, die geistig gespeicherte Konzepte und Relationen AKTIVIEREN — eine Phase, die wir KONZEPTABRUFUNGSPHASE („concept recovery phase", vgl. V.4) nennen könnten. Während sich die begriffliche Gestalt immer stärker herausbildet und Verdichtungen und Schwerpunkte zu erkennen gibt, können die wesentlichen Ideen in einer IDEENABRUFUNGSPHASE („idea recovery phase") festgestellt werden. Die Erkennung der PLÄNE, die der Textproduzent zu verfolgen scheint, würde im Zuge der PLANABRUFUNGSPHASE geleistet. Der Rezipient ist nun in der Lage, mögliche Handlungen und Reaktionen zu erwägen. 30. Da wir die Rezeptionsprozesse in den Kapiteln IV and V im einzelnen betrachten werden, wollen wir sie an dieser Stelle nicht ausführlich weiterverfolgen. Wir möchten jedoch daraufhinweisen, daß die Phasen der Rezeption ebensowenig wie die Phasen der Produktion durch strenge Grenzziehung getrennt sein müssen. Wahrscheinlicher ist es, daß es eine ausgedehnte Interaktion und gegenseitige Beeinflussung zwischen den Phasen gibt, besonders dann, wenn die Resultate irgendeiner der Phasen als zweifelhaft oder störend betrachtet werden. Es gibt auch Variationen in der Intensität und zeitlichen Erstreckung der Phasen, was von folgenden Faktoren abhängt: a) von der Beurteilung der Textqualität durch die Rezipienten (vgl. III. 10); b) vom Ausmaß, in dem der Inhalt des Textes in das System des Vorwissens des Rezipienten integriert werden soll (vgl. Spiro, 1977; Beaugrande, 1980c); c) von der kognitiven und emotionellen Anteilnahme des Rezipienten an der Kommunikationssituation. So könnte z.B. das Maß, in dem der Textrezipient I n f e r e n z e n zieht, beträchtlich variieren (vgl. 1.11; V.34). 31. Folglich enthält die Textrezeption eine ABSCHLUSS-SCHWELLE, an der das Verständnis und die Integrierung des Textes als befriedigend erachtet wird (vgl. III. 10). Wenn der Text für den Rezipienten wichtig ist, wird die Schwelle hoch liegen. So würde z.B. ein professioneller Literaturkritiker untypisch großen Verarbeitungsaufwand bestimmten literarischen Texten zuteilen, welcher nicht nur die wahrscheinlichsten und am leichtesten rekonstruierbaren Aspekte von Textaufbau und -inhalt umfassen würde, sondern dazu noch viele subtile Nebenaspekte. Ein wenigstens ebenso extremes Beispiel wäre die durch einen Sprachwissenschaftler geleistete Analyse, die nicht nur die tatsächlich beabsichtigte Organisation der Struktur des Textes freilegt, sondern viele mögliche Alternativen, die dem gewöhnlichen Textrezipienten wohl kaum auffallen dürften. 47
32. In mancherlei Hinsicht ist die Rezeption nicht die Umkehrung der Produktionsverfahren (vgl. III.29). Der Rezipient muß versuchen, die Tätigkeiten des Produzenten im voraus zu erkennen, um schnell und angemessen reagieren zu können. Hier hat das Rezipieren dieselbe Richtung (Direktionalität) wie das Produzieren, d.h. der Rezipient versucht, den Produktionsprozeß nachzuvollziehen25 und kommt so zu einer unmittelbaren Auffindung der wesentlichen Ideen und Pläne (III.29). Ohne die laufende Erstellung und Prüfung von Hypothesen über die Tätigkeit des Produzenten würde der Rezipient sich leicht in einer richtungslosen Masse von Alternativen und Unbestimmtheiten verfangen. Es gäbe eine KOMBINATORISCHE EXPLOSION von Strukturen und Beziehungen, die die Textverarbeitung kaum zeitgerecht in den Griff bekommen könnte (vgl. III.5). 26 33. Diese sehr grobe Skizze von Produktion und Rezeption soll in den folgenden Kapiteln einigermaßen verfeinert werden. Es handelt sich hierbei um einen schwierigen Untersuchungsgegenstand, weil viele Operationen schwer zu beobachten und in einer zuverlässigen Versuchsanordnung zu kontrollieren sind. Wir müssen PROZEDURALE MODELLE aufstellen, welche die Operationen der Schaffung und Verwendung von Texten beherrschen. Diese Modelle können auf zwei Arten überprüft werden: Erstens kann mit Hilfe von Computern ihr Funktionieren simuliert werden, wie es in dem Forschungsbereich der KÜNSTLICHEN INTELLIGENZ üblich ist (vgl. die Überblicke in Minsky & Papert, 1974; Goldstein & Papert, 1977; Winston, 1977; Winston & Brown, (Hrsg.), 1979; hier: X.26ff). 27 Terry Winograd (1972) hat gezeigt, wie ein Computer programmiert werden könnte, um mit einer Grammatik a la Halliday englische Äußerungen über das Bewegen von Blöcken auf einem Tisch zu verarbeiten. Roger Schank's Theorie der „konzeptuellen Abhängigkeit" („conceptual dependency") sieht Sprachverstehen als Anwendung von Wissen über Abfolgen von Ereignissen und Handlungen (vgl. Schänk et al., 1975; Schänk & Abelson, 1977). In dem Maße, wie sie Verarbeitungsaufgaben mit sich bringen, wurden einige Resultate der traditionellen Textlinguistik auf Computerbasis neu formuliert, so etwa der Gebrauch von Pronomina (vgl. Grosz, 1977; Webber, 1978;Hobbs, 1979). Obwohl der menschliche Geist Sprachprozesse nicht in der ganz gleichen 25 Eine .Analyse durch Synthese4 genanntes Verfahren (vgl. Neisser, 1967). 26 Zur „Explosion" vgl. Anm. 3 zu diesem Kapitel. 27 Unter „Intelligenz" versteht man hier eine der menschlichen ähnliche Fähigkeit, mit einer Vielfalt von verschiedenen Aufgaben und Eingaben („inputs") zurechtzukommen (im Unterschied zur sklavischen Abhängigkeit von vorgezeichneten Schritten und starrem Aufbau, wie sie bei Computern gegeben ist) (vgl. Lenat, 1977; Walker et al., 1978; Simon, 1979). Vgl. X.5;X.26.
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Weise wie Computer bewältigen dürfte, so kann dennoch nicht auf diese Maschinen verzichtet werden, wenn es darum geht, das Funktionieren komplexer prozeduraler Modelle zu untersuchen (vgl. X . 2 7 ) . 34. Ein weiterer Forschungsstrang entwickelt sich in der KOGNITIVEN PSYCHOLOGIE, demjenigen Zweig der Psychologie, der sich mit dem Erwerb, der Speicherung und der Verwendung von Wissen befaßt (Überblick bei Kintsch, 1977a). 2 8 Hier werden Modelle durch Vergleich mit dem kognitiven und sprachlichen Verhalten von Versuchspersonen bei Aufgaben wie Identifizieren und Erinnern von Gehörtem bzw. Gelesenem getestet. Obschon der größte Teil der Arbeit Sätzen gewidmet wurde (Überblick bei Clark & Clark, 1977), so rücken die Texte zunehmend in den Mittelpunkt des Forschungsinteresses. Wir werden einige Entwicklungen in diesem Bereich in I X . 2 4 f f besprechen. 35. Es wäre falsch, die Meinung aufkommen zu lassen, daß Textproduktion bzw. -rezeption zum gegenwärtigen Zeitpunkt hinlänglich erforscht sind. Wir erreichen im Gegenteil gerade erst allmählich eine Übereinstimmung darüber, worin die Probleme bestehen. Die tatsächliche K o m p l e x i t ä t der fraglichen Operationen übersteigt zweifellos um einige Größenordnungen die komplexesten der bisher entwickelten Modelle (vgl. X. 28). Fürs erste neigen wir zur Annahme, daß die Komplexität sich noch als bewältigbar erweist (vgl. X . 2 9 ) und zwar wegen Prinzipien wie Prozeduranschluß (III.19) und allgemeiner Problemlösung (III.17). Daher würde es trotz der Existenz einer großer Anzahl von Operationen der Textverarbeitung eine überschaubare Anzahl von Operations/ype« geben, wie etwa das Aufrechterhalten von Kontinuität und Konnexität, das Überprüfen von Hypothesen, den Mustervergleich, das Berechnen von Wahrscheinlichkeiten, das zielgerichtete Planen, das Problemlösen und so fort (vgl. X . 4 f ) . In der folgenden Diskussion der Kriterien der Textualität werden wir wiederholt auf diese Operationen zurückkommen.
28 Die Zusammenarbeit von kognitiven Psychologen und Computerfachleuten auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz („artificial intelligence") hat die Disziplin der „Kognitionswissenschaft" („cognitive science") hervorgebracht (vgl. 1.24; X. 3).
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IV. Kohäsion
1. In III.14 wurde behauptet, daß die STABILITÄT des TEXTES als SYSTEM durch eine KONTINUITÄT DER VORKOMMENSFÄLLE aufrechterhalten wird. Der Begriff der „Kontinuität", wie er auch hier gebraucht wird, beruht auf der Annahme, daß die verschiedenen Vorkommensfälle im Text und in seiner Situation der Darbietung sich aufeinander beziehen, oder kognitiv ausgedrückt: jeder Vorkommensfall verhilft zum ZUGRIFF zu zumindest einigen weiteren Vorkommensfallen. Am einleuchtendsten zeigt dies das Sprachsystem der SYNTAX, das dem OBERFLÄCHENTEXT seine Organisationsmuster auferlegt. Durch den Gebrauch des Begriffs „Kohäsion" (von lat. cohaerere ,beieinander kleben, zusammenstecken, -haften') möchten wir nachdrücklich diese Funktion der Syntax innerhalb der Kommunikation betonen.1 2. Der menschliche Geist ist ziemlich beschränkt in seiner Kapazität, Oberflächenmaterial lange genug für die Bearbeitung aufzuspeichern (vgl. Keele, 1973; Loftus & Loftus, 1976). Das Material ist in einem AKTIVEN SPEICHER, in einem „Arbeitsgedächtnis" niedergelegt, in dem das Verarbeitungspotential unter den Elementen einer Textdarbietung nach ihrer Wichtigkeit verteilt wird (vgl. Eisenstadt & Kareev, 1975: 338f; III. 26; V.4; V.10). Hier erhält ein nur sehr kurzlebiger Eindruck von visuell oder akustisch perzipiertem Material sehr schnell eine provisorische Organisation (vgl. Sperling, 1960;Neisser, 1967; Crowder & Morton, 1969; Rumelhart, 1970). Dieses provisorisch organisierte Material kann dann für längere Zeitperioden behalten werden, aber noch immer innerhalb bescheidener Grenzen. Das Verarbeiten von Text kann daher keinesfalls die weiten „Speicher von Weltwissen" der Kommunikationsteilnehmer sofort absuchen; es benötigt ein 1 Wie Johnson (1977:153) und Perlmutter & Postal (1978) zeigen, haben die StandardSatzgrammatiken, die Begriffe wie „Dominanz" und „Präzedenz" betonen, nur wenig aus der relationalen Verkettung und Abhängigkeit (Dependenz) gemacht. Die „Relationale Grammatik" wollte diese Vernachlässigung ausgleichen (vgl. Cole & Sadock (Hrsg.), 1978).
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davon untergeordnetes Organisationssystem mit weit begrenzteren Wahlmöglichkeiten und Mustern.2 In Texten natürlicher Sprache ist dieses System jenes der S y n t a x , die eine viel beschränktere Anzahl von Klassen und Strukturen besitzt als die Anzahl der Klassen und Strukturen für Konzepte und Relationen, obwohl die Syntax mancher Sprachen komplexer als die des Deutschen oder Englischen ist (vgl. III.25ff; V.30). Diese Einschätzung wird vom Befund unterstützt, daß nämlich Oberflächenstrukturen stärker im „Kurzzeitgedächtnis" bewahrt werden, Begriffsinhalt dagegen im „Langzeitgedächtnis" (Wright, 1968). 3. Die Funktionen der Syntax entsprechen diesen kognitiven Faktoren. Da nun grammatische Abhängigkeiten oft zwischen Elementen bestehen, die nicht direkt benachbart sind (III.26), muß die Syntax oft engmaschige Muster verschiedener Größe und Komplexität bereitstellen, in die Material laufend eingefugt werden kann. Deshalb sind die Haupteinheiten der Syntax Muster von deutlich markierten Abhängigkeiten: die PHRASE (eine Einheit mit einem Hauptelement, engl, „head", und zumindest einem abhängigen Element), der TEILSATZ (engl, „clause", eine Einheit mit zumindest einem Nomen oder einer Nominalphrase und kongruentem Verb oder Verbalphrase), und der SATZ (engl, „sentence", eine umgrenzte Einheit mit zumindest einem unabhängigen Teilsatz).3 Diese Einheiten können alle in einer kurzen Zeitspanne und mit wenig Verarbeitungspotential verwendet werden. Für ausgedehnte Textteile gibt es Mittel, die anzeigen sollen, wie die schon verwendeten Strukturen und Muster wiederverwendet, verändert oder zusammengefaßt werden können. Diese Mittel tragen zur STABILITÄT bei (vgl. III. 14) und, wo immer es möglich ist, zur ÖKONOMIE von Material und Verarbeitungsaufwand (vgl. V.15). REKURRENZ ist die einfache Wiederholung von Elementen und Mustern, während PARTIELLE REKURRENZ die Wiederholung von Wortkomponenten mit Wortklassenwechsel (z.B. ,er kam ... sein Kommen') bedeutet. Strukturen, die mit neuen Elementen wiederholt werden, konstituieren einen PARALLELISMUS (vgl. IV. 17); ein Inhalt, der mit neuen Ausdrücken wiedergebraucht wird, konstituiert eine PARAPHRASE (vgl. IV.18f). Der Ersatz bedeutungstragender Elemente durch kurze, begrifflich leere Platzhalter ergibt die Verwendung von PROFORMEN. Die ELLIPSE ist die Wiederholung von Struktur und Inhalt bei Auslassung einiger Oberflächenelemente. Die Beziehungen zwischen den Ereignissen und Situationen in der Textwelt können explizit signalisiert 2 3
Zum Mustervergleich siehe Anm. 17, Kap. III. Es gibt natürlich zahlreiche andere Definitionen des Satzes (Überblick in O'Connell, 1977).
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werden durch TEMPUS, ASPEKT und JUNKTION. Die Reihenfolge der Ausdrücke bringt eine FUNKTIONELLE SATZPERSPEKTIVE (11.18, IV. 5 Iff) hervor, in der die Wichtigkeit oder Neuheit eines Elementes seinem Platz innerhalb des Satzes entspricht. In gesprochenen Texten kann die INTONATION ähnliche Aufgaben erfüllen. 4. Die Kohäsion innerhalb von Phrase, Teilsatz und Satz ist offensichtlicher als die Kohäsion zwischen zwei oder mehr solcher Einheiten. Doch die Frage, wie diese Einheiten während des Sprachgebrauchs aufgebaut werden, ist keinesfalls einfach zu lösen. Prozeßhaft gesehen können die Basissätze z.B. des Englischen als Konfigurationen von Verbindungen zwischen Elementpaaren betrachtet werden (vgl. Perlmutter & Postal, 1978; Johnson & Postal, 1980). Die Frage ist dann: Wie und in welcher Anordnung werden diese Verbindungen geschaffen? 5. Abstrakte Grammatiken bieten verschiedene Antworten auf diese Frage, aber im allgemeinen waren menschliche Verarbeitungsprozesse im Zeitablauf nie ein besonderes Kriterium, um solche Grammatiken zu erstellen. Wir möchten auf eine andere Art von Syntax hinweisen, die sich am besten bei Sprachverarbeitung durch Computer bewährt hat: das ERWEITERTE ÜBERGANGSNETZ(WERK) (ATN = „augmented transition network") (vgl. Thome, Bratley & Dewar, 1968; D. Bobrow & Fräser, 1969; Woods, 1970; Christaller & Metzing (Hrsg), 1979). Dieses Netzwerk ist eine Konfiguration von Knoten (in diesem Fall von GRAMMATIK-ZUSTÄNDEN4), die durch KANTEN verbunden sind (in diesem Fall durch GRAMMATISCHE ABHÄNGIGKEITEN). Um von einem Knoten zum anderen zu gelangen, vollfuhrt der Verarbeiter einen ÜBERGANG über eine Verbindungskante. Diese Operation erfordert die Identifizierung einer Verbindungskante aus einem Repertoire von Abhängigkeitstypen, z.B. „Subjekt-Verb" oder „Modifikator-Hauptelement" („modifier-to-head"). Der Übergang kann durch jede Art von Such- oder Zugriffoperation ERWEITERT werden, z.B. 4
Der „Zustand" (engl, „state") eines Systems ist der Punkt, wo Operationen zu einer gegebenen Zeit lokalisiert werden. Wir können einen Makro-Zustand oder einen Mikro-Zustand erhalten, indem wir den Bereich unserer Operationen in Bezug auf Länge oder Kürze anpassen. Wir können auch verschiedene Typen von Zuständen haben: einen grammatischen Zustand in der Kohäsion (vgl. IV. 6), einen Wissenszustand in der Kohärenz (vgl. V.31), einen Planungszustand in der Intentionalität, einen Informationszustand in der Informativität, einen Zustand von Objekten und Kommunikation steilnehmern in der Situationalität usw. (vgl. Anm. 6, Kap. VII). Wie viele theoretische Begriffe stellt „Zustand" auch eine Einheit innerhalb der Textwelt dar (vgl. V. 26(a)).
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durch die nähere Bestimmung der exakten Kategorie, zu welcher der kommende Knoten gehört (Winston, 1977: 172). Eine bestimmte Art von Erweiterung könnte testen, welche konzeptuelle Relation der entstehenden grammatischen Abhängigkeit entspricht. 6. In einem Übergangsnetz werden die Strukturen von Phrasen und Teilsätzen als Mittel operationalisiert, um Hypothesen über Typen von verwendbaren oder erwartbaren Elementen aufzubauen und zu prüfen. Daher sollen diese Netze die grammatikalischen STRATEGIEN und ERWARTUNGEN der Sprachverwender erfassen und die Regeln der Grammatik als VERFAHREN (PROZEDUREN) für den Regelgebrauch ausdrücken (Rumelhart, 1977a: 122). Phrase, Teilsatz und Satz erscheinen als aktualisierte grammatische MAKROZUSTÄNDE, in denen einzelne Elemente MIKRO-ZUSTÄNDE des Textsystems sind.5 Die Kluft zwischen Performanz und Kompetenz (bei Chomsky, 1965) ist damit überwunden, weil die Regeln den TATSÄCHLICHEN und nicht den MÖGLICHEN Gebrauch grammatischer Abhängigkeiten darstellen (Zu „tatsächlich[aktuell]/möglich [virtuell]" siehe III.l 2).6 7. Wir können hier nur einen kurzen Blick auf die Anwendung des Übergangsnetzes werfen (weitere Einzelheiten bei Rumelhart, 1977a; Winston, 1977; Beaugrande, 1980a, 1980b). Wir wollen nun die Verarbeitung dieser vereinfachten Fassung des Anfangs von Beispiel (4) in 1.1 veranschaulichen: 7 (4.1 .a) A great black and yellow rocket stood in a desert. (Eine große schwarz-gelbe Rakete stand in der Wüste.) Wie wir in III.26 bemerkt haben, ist die lineare Sequenz teilweise irreführend, weil einige Modifikatoren ungleiche Abstände von ihrem Hauptelement ,rocket' aufweisen. Daher wird eine Hauptoperation darin bestehen, die 5
„Makro-Zustände" (engl, „macro-states") verbinden sich vermutlich, um eine „MakroStruktur" im Sinne van Dijks (1979b) hervorzubringen (vgl. 11.37). 6 Man beachte, daß die tatsächliche Verwendung des gleichen Elements in verschiedenen Abhängigkeiten unterschiedlich sein kann. So ist z.B. 4n der Wüste' ein „Modifikator" für das „Hauptelement" .stand4, aber ,Wüste' ist auch ein „Hauptelement" für den „Determinator" ,eine' (vgl. Abbildung 4). 7 Im Prinzip sollte das Übergangsnetz für Produktion und Rezeption von Texten gleich anwendbar sein, wie von Simmons und Chester (1979) mathematisch und logisch bewiesen wurde. Es würde einige offensichtliche Unterschiede der Art der S u c h e geben, da der Produzent die Originalentscheidungen trifft und der Rezipient sie nur nachvollzieht, aber in beiden Fällen müssen die Verbindungen (vgl. V.4f) gefunden und vor der Verwendung geprüft werden. Wir nähern uns hier der Problematik vorwiegend vom Standpunkt der Rezeption, da dies der Anwendungsbereich ist, für den dieser Formalismus ursprünglich entworfen wurde (siehe Zitate in IV.5).
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„Modifikator-zu-Hauptelement-Abhängigkeiten" 8 als direkte Verbindungskanten festzuhalten. Sobald der Determinator ,a' aufgestellt ist, geht der Verarbeiter in ein NOMINALPHRASENNETZ ein, dJi. in einen MakroZustand, in dem ein nominales Hauptelement zumindest ein von ihm abhängiges Element hat. Der Verarbeiter stellt das Ziel auf, zum Hauptelement Zugriff zu finden, daher wird das Hauptelement als STEUERUNGSMITTELPUNKT für den ganzen Makro-Zustand behandelt werden. 9 8. Abbildung 1 zeigt den Gang des Verarbeiters durch das Nominalphrasennetz. Er erwartet immer wieder das Hauptelement, findet aber statt dessen Modifikatoren vor. Vermutlich wird der Hypothese „Hauptelement" die
Abb. 1. det: Determinator; head: Hauptelement; mod: Modifikator; S: Zustand
PRÄFERENZ gegeben, aber die Hypothese „Modifikator" ist unmittelbar als nächste zu prüfen (die Reihenfolge der Präferenzen ist natürlich in verschiedenen Sprachen verschieden — wir verwenden hier nur Englisch und Deutsch für unsere Darstellungen). Wir zeigen diese Operationen mit einer gestrichelten Verbindungslinie für die fehlgeschlagenen Hypothesen und mit einer durchgehenden Verbindungslinie für die erfolgreichen. Wenn das J u η k t i ν ,and' erscheint,10 kann der Verarbeiter im Englischen mit größerer Sicherheit als im Deutschen vorhersagen, daß (a) ein weiterer Modifikator kommen wird, und (b) daß es der letzte Modifikator vor dem Hauptelement sein wird. Diese Voraussagen werden bestätigt, so daß das 8 Es mag besser sein, Modifikator-Typen zu unterscheiden, z.B. „Adjektiv, Adverb" usw.; diese Frage ist empirisch zu lösen: Machen Sprachbenutzer immer die Unterscheidungen? Und wenn ja, was tun sie in Fällen, die normale Sprecher schwierig zu entscheiden finden: z.B.: ,hell' in ,Der Mond scheint hell'. 9 vgl. Anm. 15 zu Kap. III. 10 Wie in IV.43 angemerkt wird, ist eine Beiordnung mit ,und' im wesentlichen additiv. sie verbindet gewöhnlich Elemente derselben Sorte oder Klasse.
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Hauptelement erreicht wird und Bindeglieder (d.h. Verbindungslinien oder -kanten) zwischen ihm und all seinen abhängigen Elementen eingesetzt werden können, wie im oberen Teil von Abbildung 1 gezeigt wird. Wir können die Operationen auch aus einer anderen Perspektive betrachten: Der Verarbeiter könnte jedes Vorkommen eines einzelnen Elements in einen KELLERSPEICHER FÜR TEILERGEBNISSE (oder „Warteliste" = engl, „hold stack") deponieren, bis der ganze Makro-Zustand konstruiert ist, und würde dann ein grammatisches ABHÄNGIGKEITSNETZ aus den Resultaten aufbauen. Ein solcher Kellerspeicher könnte als vorübergehender Stapelspeicher („pushdown storage") verwendet werden, in dem die Elemente in einer bestimmten Reihenfolge gelagert und in der umgekehrten Reihenfolge wieder abgerufen werden. Abbildung 2 veranschaulicht die Reihenfolge, in der man unsere Nominalphrase aufschichtet: Die „Eingangszeiten" sind ganz links außen, die Etiketten der Zustände („states") daneben, die Zustände selbst in der Mitte. Wenn das Hauptelement („head") gefunden ist, erzeugt der Verarbeiter die Netzstruktur auf der rechten Seite. Es ist anzunehmen, daß die Elemente aus dem Speicher in der umgekehrten Reihenfolge ihres Eingangs abgerufen werden. Die kleinen
kator; S: Zustand; T: Zeit
Ziffern entlang der Linien (Kanten) sollen die Reihenfolge der Verbindung gemäß diesem Prinzip aufzeigen. Jedoch dürften die tatsächlich während der Kommunikation verwendeten Verfahren viel variabler sein.11 9. Die weitere Verarbeitung des Beispiels würde als Konstruktion eines VERBALPHRASENNETZES ablaufen. Dieser Makro-Zustand wird erreicht, wenn man das Verb ,stood' antrifft, das schon als Hauptelement fungiert. Der Verarbeiter kann mit Sicherheit einen Modifikator erwarten, aber es wäre 11 Hier könnten z.B. verschiedene Übergänge parallel geprüft und durchschritten werden (Parallelverarbeitung); oder der Verarbeiter entscheidet sich aus früherer Erfahrung mit diesen oder ähnlichen Sätzen sofort für den richtigen Weg.
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hier nützlich, ein detailliertes Suchverfahren nach den Unterklassen von Modifikatoren einzusetzen, z.B. Adverb bzw. Präpositionalphrase. Ist das Adverb die bevorzugte Hypothese, so versagt diese, und die Präpositionalphrase (selbst ein Makro-Zustand innerhalb des umfassenden Verbal-PhrasenZustandes) kommt an die Reihe. Das Unterziel besteht darin, das Hauptelement der Phrase zu finden, das (,desert') in diesem Beispiel seinem Determinator (,a') unmittelbar folgt. Abbildung 3 zeigt die Satzanalyse der Verbalphrase als ein System von Zuständen, ähnlich Abbildung 1.
verb: Verb
10. So wird der Satz nicht als schlichte lineare Sequenz verarbeitet, sondern als etikettiertes Übergangsnetz: Die Knoten sind die grammatischen Zustände, die Verbindungskanten die Abhängigkeiten. Abbildung 4 veranschaulicht das Netz in dieser Weise.
Abb. 4. cj: Konjunktion; d: Determinator: h: Hauptelement; m: Modifikator; s: Subjekt; v: Verb
Die Rolle eines solchen Netzes besteht darin, die Oberflächenstruktur gemäß den möglichst direkten Zugangswegen so zu organisieren, daß der lineare Text während der Produktion daraus abgelesen werden kann. 12 Obwohl Produktionsforschung noch immer sehr spärlich ist, gibt es einige empirische 12 Siehe Anm. 7 zu diesem Kapitel.
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Ergebnisse zur Rezeption, welche das Modell des Übergangsnetzes stützen. Stevens und Rumelhart (1975) fanden heraus, daß syntaktische Voraussagen von Versuchspersonen darüber, wie Texte ab einer bestimmten Stelle weitergehen, ungefähr zu 75% übereinstimmten; und wenn Leser beim lauten /vorlesen den Text veränderten,13-stimmten ihre Änderungen zu 80% mit den in den anderen Versuchen festgestellten Erwartungen überein. Dieses Maß an Übereinstimmung ist recht eindrucksvoll und für den Bedarf eines funktionierenden Verarbeitens ausreichend. Die Anwendung von Erwartungen auf die tatsächliche Eingabe würde nur geringfügige Spezifizierungen und Veränderungen verlangen, wie sie der PROZEDURANSCHLUSS vorsieht (vgl. III. 19). In Form von Netzwerken könnten die Übergänge erweitert werden (vgl. IV.9). Die erwarteten Muster würden dem laufend vorkommenden Material weitgehend entsprechen. 11. In eng verbundenen Einheiten wie Phrasen, Teilsätzen und Sätzen wird die Kohäsion durch das Einfügen der Elemente in grammatische Abhängigkeiten aufrechterhalten. In längeren Textstrecken besteht die Hauptoperation darin, herauszufinden, wie schon verwendete Elemente und Muster wieder verwendet, verändert oder zusammengefugt werden können. Die in IV.3 aufgezählten Mechanismen erfüllen diese Funktion durch Wiederholung, Substitution, Auslassung und gegenseitige Beziehungen. Solche Mechanismen sind weit weniger obligatorisch als jene der eng verbundenen Einheiten, vermutlich weil die ausgelassenen Elemente in bezug auf die aktive Speicherung bemerkbarer und störender sind.14 Nichtvervollständigung eines Teilsatzes etwa stört mehr als NichtVerwendung von Rekurrenzen, ProFormen, Junktiven usw. Die über weite Entfernung eingesetzten Mechanismen tragen eher zur E f f i z i e n z bei, als daß sie grammatikalische Verpflichtungen wären (Beaugrande 1980a): sie machen den Gebrauch des Oberflächentextes stabil und ökonomisch (IV.3). 12. Die direkte Wiederholung von Elementen wird REKURRENZ genannt, da das ursprüngliche Element lediglich noch einmal erscheint („rekurriert") (vgl. Plett, 1975). Die Rekurrenz kann auf verschiedenen Ebenen vorkommen. 13 Diese Änderungen werden Fehlreize (engl, „miscues") genannt (vgl. Goodman & Burke, 1973). 14 Wir nehmen nicht an, daß Übergangsnetze für die grammatischen Abhängigkeiten ganzer Texte gebaut werden (man würde eher konzeptuell-relationale Netzwerke nach der Verarbeitung jeder Textstrecke aufbauen, vgl. Kap. V.). Aber der Verarbeiter könnte sehr wohl Spuren eines früher gebauten Netzwerkes hinterlassen, was einen Wiedergebrauch leichter als den Bau eines neuen Netzes machen würde.
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Weinrich ( 1 9 7 2 ) zeigt, daß grammatische Kategorien dazu neigen eher wiederzukehren als sich zu verändern — ein Ergebnis, das Harris (1952) mit einer älteren Methode ebenfalls erzielt hatte (vgl. II .21f). Van Dijk ( 1 9 6 9 , 1 9 7 0 ) meinte, daß Komponenten von Konzepten wiederkehren, um die Kohärenz eines Textes zu unterstützen. Aber wir wollen hier nur die lexikalische Rekurrenz beachten, also die Wiederholung derselben Wörter oder Ausdrücke, was am leichtesten bemerkt wird.15 13. Rekurrenz ist bei spontanem Sprechen häufig, da hier wenig Zeit für Planung zur Verfügung steht und der Oberflächentext rasch verloren geht. Nach einer plötzlich auftretenden Flut machte ein zerstreuter Bezirksbeamter folgende Bemerkung (Bericht in: Gainesville Sun, 20. Dez. 1978) [rekurrierende Elemente durchgehend in Kursivschrift]): (20) There's water though many homes — I would say all of them have water in them. It's just completely under water. Wenn mehr Verarbeitungspotential und mehr Zeit für die Textproduktion verfügbar ist, wird die Rekurrenz gewöhnlich in Grenzen gehalten. Wenn sie ungewöhnlich oft vorkommt, vermindert sie die Informativität (im Sinne von I.17f). Deshalb meint wohl Georgia Green (1968: 22), eine Äußerung wie (21) John ran home and John ran home. sei unannehmbar, da es sinnlos ist, genau dasselbe zweimal zu sagen. Rekurrenz wird jedoch besonders dann verwendet, wenn man seinen eigenen Standpunkt betonen und verstärken16 oder Überraschung über Ereignisse ausdrücken will, die mit dem eigenen Standpunkt in Konflikt zu stehen scheinen. Beide Gebrauchsweisen treten auf in: (22) ANNIE: Heut hab' ... ich gefühlt, daß es meine Bestimmung ist. ANATOL: Ihre Bestimmung! ... Hörst du, Max - ihre Bestimmungl ANNIE: Ja, so was ist auch Bestimmungl (Arthur Schnitzler [1962,1: 76], Anatol: Abschiedssouper). Anatol ist entrüstet, daß sich Annie in einen anderen verliebt hat, und wiederholt erbittert und verächtlich (ein zweites Mal an seinen Freund Max gerichtet) das Wort, mit dem Annie ihr neues Gefühl bezeichnet. Annie setzt sich dagegen mit einer neuerlichen Wiederholung zur Wehr. In ähnlicher Weise kann Rekurrenz in einer ZURÜCKWEISUNG gebraucht werden, wie es Halliday und Hasan (1976) formuliert haben: indem man 15 Zu Rekurrenzen anderer Art siehe V I I . 2 9 - 4 2 . 16 Natürlich machen begrenzte Repertoires von Sprachsystemen, besonders von Phonemen, eine bestimmte Anzahl von Rekurrenzen unvermeidlich (vgl. Werth, 1976; Beaugrande, 1978b). Solche Rekurrenzen werden kaum beachtet. Der Gebrauch der Rekurrenz zum Insistieren wird in VI.18 und VIII.26 wieder veranschaulicht.
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Material verwirft, das zuvor im Diskurs explizit oder implizit vorgebracht wurde. Ausdrücke werden dabei im Wortlaut wiederholt, um genau anzuzeigen, was zurückgewiesen wird, z.B. in folgender Stelle16a aus HerzmanovskyOrlando (1957: 99f, Der Gaulschreck im Rosennetz): (23) ,»Melde gehorsamst", berichtete der Wachmann, „ein nächtlicher Ruhestörer!" „Was, Sie Esel", schnaubte ihn der Kommissär an, „sehen Sie denn nicht, daß das gar kein Mensch ist, sondern ein Fuhrwerkl [...] marsch in den Kotterl" ,Jn den Kotter\ Nie!" brüllte jetzt Eynhuf [...] „ich bin kein Fuhrwerk, sondern ein als Schmetterling [...] ein als Schmetterling maskierter hoher Beamter!" Noch ein anderer kontextueller Faktor, der Rekurrenz hervorbringt, ist die Notwendigkeit, irrelevante Unterbrechungen zu überwinden und mit dem Text weiter zu kommen: (24) DER VATER: Und wie wir ihn glücklich wieder flott hatten, sagte er, mit so ganz tiefer, glücklicher Stimme, er hatte einen guten Baß und war in der Liedertafel, da gibt es auch eine kostbare Geschichte, also er sagte:— DIE MUTTER: Na, wie schmeckt der Fisch? Warum redet denn niemand? DER VATER: Ausgezeichnet! Also er sagte:— DIE MUTTER: Aber du hast ja noch keinen Bissen gegessen! DER VATER: Ja, jetzt esse ich. Aber er sagte:— DIE MUTTER: Jakob, nimm noch ein Stück! DER BRÄUTIGAM: Mutter, Vater erzählt doch! DER VATER: Danke. Also der Kabeljau, ach so, er sagte: (Brecht [1967: 2715f], Die Kleinbürgerhochzeit) 14. In poetischen Texten wird die Oberflächenorganisation des Textes oft durch bestimmte Entsprechungen zu Bedeutung und Zweck der gesamten Kommunikation motiviert.17 So in Rilkes bekanntem Anfang des Cornets: (25) Reiten, reiten, reiten, durch den Tag, durch die Nacht, durch den Tag. Reiten, reiten, reiten. Diese Rekurrenzen beschreiben die Endlosigkeit der Bewegung des Reitens 16a Die wienerische Ausdrucksweise des Polizeikommissärs ist hier aus Verständlichkeitsgründen verändert worden. 17 Wie in IX.9 bemerkt, sind poetische Texte gewöhnlich entsprechend ihrer Reorganisation der Abbildungsstrategie auf dem Oberflächentext definierbar. Deshalb konzentrieren die Rezipienten mehr Aufmerksamkeit auf Rekurrenzen dieser Art.
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in den Krieg. Ähnlich schließt Frost (1969: 224) ein Gedicht mit den Zeilen: (26) And miles to go before I sleep, And miles to go before I sleep. Dies geschieht wohl in der Absicht, die gleichmäßige, kontinuierliche Bewegung der Schlittenreise des Sprechers durch eine verschneite Landschaft in der Nacht heraufzubeschwören. Gebrauchsweisen wie diese sind Fälle von IKONIZITÄT; eine äußere, direkte Ähnlichkeit zwischen Oberflächenausdrücken und ihren Inhalten. 15. In all unseren Textbeispielen (20—26) behielt der rekurrierende Ausdruck jeweils die gleiche REFERENZ. D.h. er bezeichnete weiter dieselbe Einheit in der Textwelt oder Diskurswelt.18 Daher wurde Stabilität mit offensichtlicher Kontinuität aufrechterhalten (vgl. III.14). Wenn ein rekurrierender Ausdruck eine ganz andere Referenz hat, kann das Ergebnis störend sein, z.B.: Wilton Times (zitiert in: Levin & Goldman, 1978: 1): (27) The bad news didn't surprise Miss Ankrom, who is expecting a baby. She said she had been half expecting it. Hier ist lexikalische Rekurrenz nicht mit begrifflicher Rekurrenz korreliert, das Element,expect'wird in verschiedenem S i n n gebraucht (vgl. V.lf). 1 9 Das Pronomen ,it' ist unbestimmt und kann sowohl,news' als auch ,baby' weiterführen. Obwohl letztere Alternative sonderbar wäre, drängt sie sich dem Rezipienten wegen der Rekurrenz auf. 16. PARTIELLE REKURRENZ ist Verwendung desselben Wortmaterials mit Wortartveränderung (vgl. das Kunstmittel des jPolyptoton' in der klassischen Rhetorik). Auf diese Weise kann ein bereits aktivierter Begriff noch einmal gebraucht werden, während sein Ausdruck verschiedenen Kontexten angepaßt wird. Hier sind nun Beispiele aus der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung: (28.1) [...] to assume among the powers of the earth the separate and equal station [...] the causes which impel them to the separation. 18 Die philosophischen Diskussionen über Referenz sind sehr umfangreich, aber selten ergebnisreich (Überblick in: Lyons, 1977: 1 7 4 - 2 2 9 ) . Es besteht die Tendenz, alle Arten von Referenz auf Grund der wenigen Randfälle, die wir fest in den Griff gekommen können, erklären zu wollen, z.B. nach dem Muster der Benennung gegenwärtiger Objekte. Siehe V.40 zu einer anderen Betrachtungsweise, nach der Referenz eine Eigenschaft von Textwelten statt von Wörtern ist. 19 Der Sinn ist das aktualisierte Wissen, das von einem Textelement in der Kontinuität seiner Kohärenz übermittelt wird (vgl. V . l f ) . Eine zweifelhafte Referenz entsteht natürlich als Folge eines zweifelhaften Sinns, aber nicht notwendigerweise umgekehrt (vgl. Anm. 18 dieses Kap.).
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(28.2) Governments are instituted among men, deriving their just powers from the consent of the governed. (28.3) Mankind are more disposed to suffer, while evils are sufferable [...] Such has been the patient sufferance of these Colonies. In seinem Überblick derartiger partieller Rekurrenzen bemerkt Dressler (1979a), daß es das Auftreten des einen Ausdrucks dem anderen ermöglicht, selten oder ganz neuartig zu sein: Ein Beispiel dieses Gebrauchs stammt aus Die Walfische und die Fremde von Ringelnatz (1976: 144f): 2 0 (29) Der berühmte aus gerösteten 2?awflne«schalen hergestellte Wolkenkratzer [...] südlich vom Bananenkratzer Der Ausdruck ,Bananenkratzer' könnte kaum in dem hier gemeinten Sinn ohne Rekurs auf die koreferentiellen Ausdrücke davor verstanden werden. Dressier (1979a) führt auch eine Geschichte von Erich Fried an, in der der Titel Schildkrötenwende und der Ausdruck Schildkrötenwender zunächst ohne Erklärung eingeführt werden, worauf die Passagen folgen (Fried 1975: 76, 78): (30) Überall, wo er eine hilflos auf den Rücken gefallene Schildkröte sieht, dreht er sie um [...] und singt dann das [...] WendeMsd [...] „Du mußt sie alle, alle wenden\"20i 17. Wie in IV.13 ausgeführt wurde, hat die Rekurrenz den Nachteil, die Informativität zu reduzieren. Daher werden oft Techniken verwendet, in denen die gleichen Formen mit etwas verschiedenem Inhalt rekurrieren oder der gleiche Inhalt in verschiedenen Formen wiederkehrt. PARALLELISMUS hat die Wiederholung syntaktischer Oberflächenstrukturen zur Folge, füllt sie aber mit verschiedenen Ausdrücken aus.21 In der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung wird der englische König wie folgt beschrieben: (31) He has plundered our seas, ravaged our coasts, burnt our towns. Hier wird eine Reihe von ähnlichen, aber nicht identischen Handlungen in parallelen Satzteilen ausgedrückt (Verb - Possessivpronomen - direktes Objekt); dabei wiederholt sich in der Mitte jedes Satzteils das Possessivpronomen ,our'. In einer anderen Passage desselben Dokuments werden die verschiedenen Handlungen des Königs durch Präsens-Partizipien mit vorangestellter Präposition,for' ausgedrückt:
20 Der kreative Gebrauch der partiellen Rekurrenz stimmt mit der allgemeinen Theorie' der Kreativität bei Beaugrande (1979c) überein. 20a Mit einer Anspielung auf Ludwig Uhlands bekannten Vers „Nun muß sich alles, alles wenden" - ein Beispiel der Intertextualität. 21 Zur weiteren Veranschaulichung vgl. VII. 34.
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(32) For quartering large bodies of troops [...] For protecting them [...] For cutting off our trade [...] For imposing taxes [...] For depriving us [...] For transporting us [...] For abolishing the free System [etc.]. Hier wird wieder eine Verwandschaft zwischen diesen Handlungen (alle sind ein Mißbrauch von Macht) durch den formalen Parallelismus hervorgehoben (vgl. Jakobson, 1974). Dazu beschwört die Wiederholung von Konstruktionen die Wiederholung der Handlungen des Königs; und tatsächlich wird der Ausdruck ,wiederholte* selbst kurz darauf wiederholt: (33) Our repeated Petitions have been answered only by repeated injury. Auf dieselbe Weise kann eine Umkehrung der Form eine Umkehrung des Inhalts betonen (rhetorische Figur des Chiasmus), wie in den abschließenden Worten der zitierten Passage: (34) We must [...] hold them [...] Enemies in War, in Peace Friends. 18. Eine PARAPHRASE ist die Rekurrenz von Inhalt mit einer Änderung des Ausdrucks,22 wie in folgender Passage gezeigt wird (Fried [1975: 137], Die Konstrukteure): (35) Die Geschichte der „Werkzeugmacher" oder, besser gesagt, der „Konstrukteure", wie sie sich bald nach ihrer Gründung nannten. Während (35) die Paraphrase eines einfachen Begriffs zeigt, veranschaulicht (36) die Paraphrase einer komplexeren Struktur (Govinda, 1976: 206): (36) When God became conscious of his omniscience, he suddenly felt terribly bored, because, whatever happened, he knew the outcome. There was no more any surprise; there was nothing that was not known beforehand. Es ist nicht sicher, daß der Inhalt dieser kursiv gesetzten Abschnitte genau der gleiche ist. Das Wesen der Paraphrase geht in der viel debattierten Frage der SYNONYMIE auf. 23 Es scheint nur einige wenige Ausdrücke natürlicher Sprachen zu geben, deren v i r t u e l l e (potentielle) Bedeutung (Systembedeutung) identisch ist. Aber es gibt viele Fälle, wo der Kontext die a k t u e l l e Bedeutung (den Sinn, vgl. V.l) genügend determiniert, daß Synonymie gegeben scheint, z.B. in (35) und (36). 19. Die S i t u a t i o n a l i t ä t kann sich auf die Perspektive von Paraphrase und Synonymie auswirken. Juristische Sprache soll z.B. Verhalten über jeden möglichen Zweifel hinaus genau definieren; demnach wird die Paraphrase oft gebraucht, in der Hoffnung, alle möglichen Aspekte des beabsichtigten Inhalts 22 Weitere Beispiele in VII.37, VII.41 und VIII.24, vgl. Ungeheuer (1969). 23 Vgl. z.B. Hirsch (1975). Einige Beispiele werden in Kap. VII. 37 erwähnt.
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zu erfassen. Das Telefonbuch (1978-79: 16) von Gainesville führt die Gesetze Floridas an, die verbieten, das Telefon für (37) any comment, request, suggestion, or proposal which is obscene, lewd, lascivious, filthy, or indecent zu gebrauchen. Unter normalen Bedingungen müßte man meinen, daß die Reihen ,request/suggestion/proposal' und ,obscene/lewd/lascivious/filthy/ indecent' Elemente von ungefähr gleicher Bedeutung enthalten (tatsächlich wäre es ja schwierig, ein Glied einer solchen Reihe ohne den Gebrauch eines anderen zu definieren). Doch soll das Gesetz alle möglichen Nuancen eines solchen Verhaltens abdecken und bevorzugt daher, wenn nötig, Wiederholungen und Pedanterie. Shakespeares Constable Dogberry (oder Gerichtsdiener Holzapfel, wie ihn Tieck nennt) liefert eine unsterbliche Parodie dieser juristischen Tendenz: (38) Falschen Rapport haben sie begangen; überdem haben sie Unwahrheiten gesagt; andernteils sind sie Kalomnien; sechstens und letztens haben sie ein Fräulein verleumdet', drittens haben sie Unrichtigkeiten verifiziert·, und schließlich sind sie lügenhafte Spitzbuben. (Viel Lärmen um Nichts, V.l) Die Wirkung dieses Abschnitts beruht sowohl auf der Kenntnis der Textsorte, die verspottet wird (Intertextualität unterstützt die Parodie, vgl. 1.22), und auf dem Unvermögen des Gerichtsdieners, diese beizubehalten (indem er die Zahlen durcheinanderbringt oder mit einem nicht-juristischen Begriff endet: lügenhafte Spitzbuben'). Eine Text-Diskrepanz wird mit einer Diskrepanz, die normalerweise in der realen Welt akzeptiert wird, verbunden (vgl. IX.8; X.16). 20. Unsere Beispiele sollten auf typische Motivierungen hinweisen, die zu Rekurrenz oder partieller Rekurrenz, Parallelismus oder Paraphrase führen können. Im allgemeinen werden diese Techniken verwendet, um eine Verwandtschaft zwischen Elementen oder Inhaltszusammenhänge innerhalb des Textes zu unterstreichen, meistens ist es ÄQUIVALENZ (doch Gegensätze können auch betont werden, vgl. Beispiel (34)). 24 Daraus resultiert eine Verwendung dieser Techniken vor allem in Situationen, in denen Stabilität und Genauigkeit des Zusammenhangs wichtige praktische Konsequenzen haben können, wie in der Anwendung von Gesetzestexten auf das tägliche 24 „Äquivalenz" wai ein zentraler Begriff der deskriptiven Linguistik (vgl. II.21f und Jakobson, 1974). Nach unserer Auffassung ist die Äquivalenz normalerweise approximativ; der wichtigste Faktor ist die S t a b i l i t ä t eines aktuellen Systems, wenn Okkurrenzen (oder Blöcke von Okkurrenzen) zum selben allgemeinen Typus gehören. Ein solcher Fall liegt hier vor.
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Leben. Die Bemühungen von Textproduzenten, Texte mit voller Determiniertheit zu formulieren, sind daher immer dann verständlich, wenn eine mögliche Gruppe von Adressaten mit einiger Wahrscheinlichkeit einzelne Punkte anfechten könnte. Vgl. folgendes Zitat aus einer gewerkschaftlichen Vereinbarung: 25 (39) Except for discoveries or inventions made during the course of approved outside employment, a discovery or invention which is made in the field in which the investigator is employed by the university or by using university funds, facilities, materials, equipment, personnel, or proprietary technological information, is the property of the university and the inventor shall share in the proceeds therefrom. Wir sehen eine stattliche Ansammlung jener Mechanismen, die wir oben besprochen haben: Rekurrenz (,discoveries/discovery',,inventions/invention', ,made/made', .university/university/university'), partielle Rekurrenz (,invention/inventor'),,employment/employed'), und Paraphrase (,discovery/ invention',,investigator/inventor',,facilities/materials/equipment'). Eine noch präzisere Formulierung des Textes könnte durch Verwendung von Parallelismus erreicht werden: (39a) a discovery or invention which is made in the field [...] or which is made with the use of [...] 21. Die Alltagssprache benötigt nur selten diesen Grad von Genauigkeit. Viel öfter werden kohäsive Mittel gebraucht, die den Oberflächentext verkürzen oder vereinfachen, obwohl dabei ein bestimmter Verlust an Determiniertheit zu verzeichnen ist (vgl. IV.29; IV.37). Ein offensichtliches Mittel ist der Gebrauch von PRO-FORMEN: ökonomische, kurze Wörter ohne besonderen Inhalt, die für determinierte, inhaltsaktivierende Ausdrücke an der Oberfläche des Textes einstehen können (vgl. Karttunen, 1969; Paduceva, 1970; Dressler, 1972a: 27). Diese Pro-Formen erlauben Textbenutzern, den Inhalt im aktiven Gedächtnisspeicher handhabbar zu halten (vgl. IV. 2; V.4), ohne alles wiederholen zu müssen. Die bekanntesten Pro-Formen sind die PRONOMINA, die die Funktion von Hauptwörtern oder Nominalphrasen erfüllen, mit denen sie KOREFERIEREN (d.h. Referenz, im Sinne von IV. 15, gemeinsam haben). 26 Im bekannten Kinderreim: 25 Aus dem „Agreement between the Board of Regents, State University System of Florida and United Faculty of Florida, 1 9 7 8 - 1 9 8 1 " (o.J., o.O.). 26 Wir verwenden den Ausdruck „koreferieren", da er sehr gebräuchlich ist, aber mit den in Anm. 18 gemachten Vorbehalten. Vielleicht würde in gewissen Fällen „KoSinn" passender sein als ,,Κο-Referenz".
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(40) Hoppe Hoppe Reiter, wenn er fällt, dann schreit er. Fällt er in den Graben, fressen ihn die Raben ersetzen die Pronomina ,er, ihn' unnotwendige Wiederholungen von ,der Reiter'. 22. Das Beispiel (40) veranschaulicht eine ANAPHORA, den Gebrauch einer Pro-Form nach dem koreferenten Ausdruck (vgl. Postal, 1969; Bresnan, 1971; Edmondson, 1976; Hankamer & Sag, 1976; Kaplan, 1976; Bull winkle, 1977; Camarazza et al., 1977; Hinds, 1978, Webber, 1978). Die gebräuchlichste Koreferenzrichtung ist die Anaphora, insofern als die Eigenständigkeit des Begriffsinhalts, der aufrecht erhalten wird, im vornhinein klargestellt wird. 27 Eine Anaphora kann jedoch immer noch problematisch sein, wenn vor dem Auftreten der Pro-Form eine längere Textstrecke eingeschoben ist (vgl. V.36ff). In diesem Fall könnte der ursprüngliche Inhalt aus dem aktiven Gedächtnisspeicher verschwunden sein und es könnte auf andere Inhalte irrtümlich koreferiert werden (vgl. V.35). 23. Der Gebrauch der Pro-Form vor dem koreferenten Ausdruck wird KATAPHORA genannt (vgl. Harweg, 1968; Halliday & Hasan, 1976). Die Textverarbeitung würde die Schaffung vorübergehender Leerstellen erfordern - etwa im Sinne einer Position in einer Warteliste wie in IV.8 — bis der erforderliche Inhalt eingesetzt ist. Solch ein Mechanismus würde gut funktionieren, wenn der Abstand zwischen Pro-Form und dem koreferenten Ausdruck begrenzt gehalten wird, z.B. innerhalb der Grenzen eines einzelnen Satzes: (41) I don't know if he's serious, but my roommate wants to walk a tightrope over Niagara Falls. Beispiel (41) ist einem Studentenaufsatz entnommen und nicht die einzige Art einer Kataphora. Eine Pro-Form kann sich auf eine ganze Handlung oder ein ganzes Ereignis statt auf ein individuelles Objekt beziehen (vgl. Halliday & Hasan, 1976: 56), z.B. ,das' in: (42) Das ist der Weisheit letzter Schluß: Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, Der täglich sie erobern muß! (Goethe, Faust II, 5. Akt, Großer Vorhof des Palastes) Kataphoras können auch benützt werden, um Ungewißheiten zu erzeugen und dadurch das Interesse des Rezipienten zu verstärken (vgl. VII. 13). Erzählungen Thomas Manns zeigen öfters diese Technik (vgl. Harweg, 1968: 319f), z.B. beginnt Das Gesetz (Mann, 1967: 621) so: 27 Aber auch umgekehrt im Samoanischen, vgl. Chapin, 1970.
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(43) Seine Geburt war unordentlich, darum liebte er leidenschaftlich Ordnung, das Unverbrüchliche, Gebot und Verbot. Er tötete früh [...] Er war sinnenheiß [...] Bei den Midanitern [...] machte er die Bekanntschaft eines Gottes [...] Jahwe genannt, ein Gott unter anderen [...] Mose dagegen [...] war tief beeindruckt von der Unsichtbarkeit Jahwe's. Der Leser wird vier Absätze lang auf die Folter gespannt, bis er die Identität des Helden der Erzählung erfährt. Zunächst hat er nur ein PROBLEMATISCHES Wissen, da eine Anlehnung an das Wissen des Lesers schwierig erscheint (vgl. III.17). 28 Die Kataphora fügt ein momentanes Problem in die Oberfläche des Textes ein und spornt den Leser an, in die Geschichte weiter einzusteigen. 24. Zur Uberprüfung, ob dieser Effekt der Interessensweckung empirisch nachgewiesen werden kann, wurde ein Experiment mit dem ,Raketentext' durchgeführt (das ausführlicher in IX.25ff geschildert wird), wobei einer Gruppe von Lesern folgende Umformung des Originals vorgeführt wurde: (4c) Empty, it weighed five tons. For fuel it carried eight tons of alcohol and liquid oxygen. There it stood in a New Mexico desert: a great black and yellow V—2 rocket 46 feet long. Dadurch, daß der Satz, der im Original am Anfang stand (vgl. (4) in V.29), ans Ende des Absatzes versetzt wird, ist das Pronomen im neuen Anfang nunmehr kataphorisch. Die Erinnerungsprotokolle der Versuchspersonen zeigten einen eindrucksvollen Effekt. Während sich nur 30% der Leser des Originals an beide Treibstoffe erinnerten, erinnerten sich daran 80%, wenn sie statt dessen den umgeformten Text (4c) gelesen hatten. Andererseits erinnerten sich 80%, die das Original gelesen hatten, an die Farben, im Unterschied zu nur 30% der Leser der umgeformten Fassung (4c). Offensichtlich verursachte die Markiertheit des vertauschten Anfangs nur eine Neuverteilung statt eine absolute Steigerung der A u f m e r k s a m k e i t des Lesers. Dieses Ergebnis stimmt zu dem als „von-Restorff-Effekt" bekannten Mechanismus, der besondere Markiertheit betrifft (vgl. Wallace, 1965). Die Brauchbarkeit der Kataphora zur Erzeugung von Fokus fur bestimmte Inhaltsblöcke scheint evident 29 — in diesem Fall drängt sie den Leser dazu, den Inhalt am Anfang primär zur Suche nach dem Koreferenten von ,it' auszuwerten. 28 Die Tendenz, problematisches Wissen als Diskursmaterial vorzuziehen, wird in IV. 29; IX. 14 nochmals hervorgehoben. 29 Es können auch Anfänglichkeitswirkungen ( p r i m a c y effects: der Anfang einer Darbietung wird bevorzugt) vorliegen (vgl. Meyer, 1977: 3 0 8 f ) . Vgl. IX.37.5 und Anm. 23 zu Kap. IX).
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25. Andere Elemente neben Nomina und Nominalphrasen können mit ProFormen verbunden werden. Häufig wird das Verb ,tun' (engl. ,do', frz.,faire', ital. ,fare' usw.) als Pro-Verb verwendet, um den Inhalt eines stärker determinierten Verbs (oder Verbalphrase) präsent zu halten (vgl. Karisen, 1959: 124ff; Isacenko, 1965: 172f; Roggero, 1968; Haskeil, 1973; Vater, 1975: 37f;Halliday& Hasan, 1976: 125ff). Im Beispiel (44) (Brecht, 1967: 2727, Kleinbürgerhochzeit) (44) DIE SCHWESTER: Spielen Sie! DER MANN: Wenn ich steckenbleibe ... DIE FRAU: Das tust du immer, steht das Pro-Verb ,tun' für ,beim Spielen stecken bleiben'. Das Pro-Verb kann, wie wir sehen, mit einem beträchtlichen Inhaltsblock koreferieren. Im Text: (45) WALLENSTEIN: Du wurdest abgeschnitten auf dem Marsch, Von Hessischen umringt und schlugst dich durch, Mit hundertachzig Mann durch ihrer Tausend. GEFREITER: So ist's, mein General. (Schiller [1847, IV: 295], Wallensteins Tod 111,15) könnte man den Terminus Pro-Modifikator für ,so' im Beispiel (45) und (46a) verwenden, oder, noch spezieller, PRO-ADVERB (vgl. Steinitz, 1969: 148ff). Deutsch und englisch ,so* kann fur alle Modiflkatoren stehen, die in der ursprünglichen Verbalphrase mit dem Verb verbunden sind (vgl. Bolinger, 1970; Bouton, 1970). Im britischen Englisch wird ,so' öfter weggelassen als im amerikanischen. Im amerikanischen Englisch wäre die Antwort des Inspektors (Priestley 1950: 299): (46) MRS. BIRLING: I don't understand you, Inspector. INSPECTOR: You mean you don't choose to do, Mrs. Birling. wahrscheinlich eher: (46a) INSPECTOR: You mean you don't choose to do so, Mrs. Birling. Eine andere Pro-Form wäre das PRO-ADJEKTIV engl. ,such' (vgl. Hasan, 1968: 78;Palek, 1968: 61ff;Figge, 1971: 175) bzw. deutsch ,solch, so ein', wie in: (47) DIE BRAUT: Das von der jungfräulichen Braut hat er mit Fleiß gesagt [...] DER BRÄUTIGAM: Und dann die Zote! Weil er glaubte bei so einer macht es nichts. (Brecht [1967: 2735] Kleinbürgerhochzeit) Hier koreferiert ,so ein* mit dem genannten und den implizierten Modiflkatoren von ,Braut'.
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26. Es wäre falsch anzunehmen, daß Pro-Formen immer mit Elementen derselben grammatischen Klasse koreferieren müssen, z.B. Pronomen mit Nomen, Pro-Verb mit Verb, Pro-Adverb mit Adverb und Pro-Adjektiv mit Adjektiv. Solche Entsprechungen sind bestenfalls PRÄFERENZEN, die den Vorteil haben, bereits analysierte grammatikalische Rahmen wieder zu aktualisieren. Die Pro-Formen müssen auch in den grammatischen Kontext, in dem sie gebraucht werden, passen. Nehmen wir folgendes bekannte Zitat (Shakespeare, Julius Caesar, I,ii): (48) CÄSAR: Der Cassius dort hat einen hohlen Blick; [...] Er liest viel; Er ist ein großer Prüfer und durchschaut Das Tun der Menschen ganz; er liebt kein Spiel Wie du, Antonius; [...] Und solche Männer haben nimmer Ruh', solang sie jemand größer sehn als sich. Die Koreferenz von ,Cassius/er' ist ganz einfach. Das Pronomen folgt auf das Nomen, wobei beide in der Subjektposition ihrer betreffenden Sätze stehen. Im Gegensatz dazu nimmt der Pro-Modifikator ,solch' den Inhalt einer ganzen Reihe von Verbalphrasen auf. In einigen Untersuchungen (z.B. Lakoff, 1968) wurden ,Mann', engl. ,man' (vgl. (48)) auch als Pseudo-Pronomen oder Quasi-Pronomen klassifiziert, wo sie nur einen minimalen Inhalt von geringer Relevanz haben. Dieselben Kriterien gelten für engl.,thing', deutsch ,Ding, Sache', ital. und span. ,cosa', lat. ,res'usw.(vgl.Green, 1968: 25;Hasan, 1968: 94f; Dougherty, 1969: 513f). 27. Die Pro-Form bezieht sich noch dazu oft auf ganze Teilsätze (,clausal substitution' in Halliday & Hasan, 1976: 130-141). Die Pro-Form ,so' ist besonders vielseitig, etwa in folgendem Beispiel: (49) DER FREUND (wild): Sie tanzen herrlich. Schneller. DER BRÄUTIGAM: Fallt nur nicht um! DIE FRAU (zum Bräutigam): So darf ich nicht tanzen. (Brecht [1967: 2728], Kleinbürgerhochzeit) deckt ,so' den ganzen Inhalt der Bemerkung des Freundes. In der folgenden Verwendung: (50) „Of course you agree to have a battle?" Tweedledee said in a calmer tone. „I suppose so," the other sulkily replied. (Caroil [1960: 241], Through the Looking Glass, IV.) ist ,so* ein Zeichen der Bejahung, sein Gegenteil wäre ,not'. 30 Vielleicht 30 Zum vielfältigen Gebrauch engl. ,so' siehe Halliday & Hasan (1976: 140). Deu. ,so'
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werden in solchen Fällen weniger Teilsätze ersetzt als Wissensbestände, die durch (einen oder mehrere) Teilsätze signalisiert werden. 28. Der Gebrauch der Pro-Formen variiert auch im Hinblick ihrer Spezifizität. Lakoff (1968) nimmt an, daß die Folge gewöhnlich mit dem spezifischsten, determiniertesten Inhalt beginnt und beim anderen Extrem endet. Eine mögliche Folge wäre: (a) Eigenname, (b) spezifische Beschreibung, (c) allgemeine Klasse (Pseudo-Pronomen im Sinne von IV.26), und (d) Pro-Formen: Ein Beispiel wäre: (51) Napoleon kam im Schloß an. Der Sieger von Austerlitz war in sehr gehobener Stimmung. Ich sah noch nie einen so gut aufgelegten Mann. Er sprach ununterbrochen. Diese Abfolge ist eine sehr wahrscheinliche, da der Inhalt bei der ersten Verwendung vor weiteren Verwendungen am genauesten spezifiziert werden sollte. Eine Umstellung der Abfolge wäre jedoch ein treffendes Mittel, die Identität des Referenten nach und nach aufzudecken. Diese Taktik gebraucht Nikolaj S. Leskov in der Traumerzählung des Metropoliten (Der Verzauberte Pilger, Kap. I, Leskov, 1957: 388; wörtlich übersetzt von WD): (52) (Es) kommt (ein) Greis herein, (ein) gütiger, sehr gütiger, und (der) Metropolit erkannte ihn sofort, daß dies (der) Heilige Sergius (war). Während diese Taktik in der deutschen Übersetzung von Luther (1961: 10) nicht beibehalten ist, wird sie in einer englischen Übersetzung (Leskov, 1961: 55) noch gesteigert: (52a) Who should walk in but a venerable old man in whom His Grace immediately recognized one of the saints of the church, no other than the Right Reverend Sergius. Dieses Beispiel zeigt, wie die E f f e k t i v i t ä t gesteigert werden kann, indem die konventionellen Muster für E f f i z i e n z nicht eingehalten werden (vgl. 1.23; III. 9). 29. Das Kriterium der Effizienz wird bei Dressler (1979a) und Beaugrande (1980a) als primäre Motivation für Pro-Formen überhaupt gebraucht (vgl. IV.11). An einem bestimmten Punkt entsteht allerdings eine GEWINNVERLUST-RELATION (engl, „trade-off") zwischen Gedrängtheit und Klarheit. Eine Pro-Form verkleinert die Verarbeitungsmühe, da sie kürzer ist als der Ausdruck, den sie ersetzt. Wenn jedoch dieser ersetzte Ausdruck schwer zu finden oder zu rekonstruieren ist, geht dieser Gewinn wieder durch kann in einer Übersetzung von (50) nicht verwendet werden (Enzensberger [ 1963: 178] übersetzt z.B. ,1 suppose so' mit .meinetwegen').
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Such- und Abbildungsoperationen verloren. In unbestimmten Fällen können verschiedene Techniken angewandt werden. Chafe (1976: 47) nimmt an, daß ein Beispiel wie: (53) Ted sah gestern Harry. Er erzählte ihm vom Treffen. mit der Präferenz, die Subjekt-Rolle konstant zu halten, verarbeitet wird (Ted = er, Harry = ihm).31 Eine andere Strategie besteht darin, die Organisation von Situationen, Objekten oder Ereignissen in der Textwelt heranzuziehen. So steht in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung: (54) He has constrained our fellow Citizens [...] to become executioners of their friends and Brethren, or to fall themselves by their Hands. Hier wird der Bezug der Pro-Form .their' in rascher Folge von ,Citizens' zu ,friends and Brethren' geändert; jede andere Lesart würde den Ereignissen widersprechen. Der gleiche Faktor wird im „Raketen-Text" akut, der folgendermaßen beginnt: (4) Eine große schwarz-gelbe V—2 Rakete stand in der Wüste von New Mexiko. Ihr Leergewicht betrug fünf Tonnen. Im Hinblick auf die Syntax allein könnte ,ihr' mit ,Rakete' und ,Wüste' koreferieren. Das L e x i k o n wäre keine Hilfe, da keine normale Definition das Gewicht von Raketen und Wüsten angeben würde. Die Frage der Koreferenz findet ihre Lösung durch das Alltags wissen, daß das Gewicht eines fliegenden Objekts, wie einer Rakete, p r o b l e m a t i s c h 3 2 ist (es könnte den Fehlschlag eines Fluges verursachen, vgl. III. 17), so daß es relevant ist es zu erwähnen; hingegen werden Teile einer Landschaft selten fortbewegt, daher wäre ihr Gewicht für gewöhnliche Aufgaben irrelevant (und wohl kaum festzustellen). 30. Die Präferenz für problematisches Wissen im Diskurs ist ein durchgehendes Organisationsprinzip, weil es bestimmt, was Menschen als i n t e r e s s a n t und daher erwähnenswert betrachten (vgl. Schänk, 1977; Beaugrande, 1980a). Vgl. etwa folgender Ausschnitt aus einem Gespräch: (5 5) „Am nächsten Morgen steht der Patient auf, läßt sich ein schönes Feuer machen und für drei Schilling Mürbteigschnitten kommen, röstet sie sich,ißt sie alle auf und schießt sich eine Kugel in den Kopf." 31 Reichmann (1978) verweist auf einen interessanten Fall, wo ein Eigenname statt einer Pro-Form verwendet wird, obwohl keine Verwechslung möglich wäre, offensichtlich deshalb, da sich die erwähnte Person außerhalb der Hauptaufmerksamkeit (Fokus) befindet; die Person, der die Hauptaufmerksamkeit gewidmet wird, wird mit einer Pro-Form referiert. 32 Siehe Anm. 28 dieses Kap.
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„Warum hat er nun das getan9." rief Mr. Pickwick plötzlich, denn er war ein wenig erschrocken über das tragische Ende der Erzählung [dJi. Sams]. (Dickens, 1947: 617, Kap. 44 = Thanner, 1961: 794). Die Pro-Formen ,das getan' können sich auf jede der in Sams Geschichte erwähnten Handlungen beziehen (,steht auf', ,läßt sich ein Feuer machen' usw.); dennoch besteht kein Zweifel, daß sich Mr. Pickwicks Frage nur auf die zuletzt genannte bezieht. ,Sich eine Kugel in den Kopf schießen' ist bei weitem die problematischste Handlung, da hier kein klarer G r u n d dazu besteht, während Leute im täglichen Leben ohne weiteres,aufstehen',,Feuer machen', usw. 31. Das gleiche Prinzip kann dazu dienen, homonyme Wörter mit derselben phonologischen Form, jedoch mit verschiedenen Bedeutungen und Funktionen (wie die Pro-Form engl. ,one', deutsch ,ein' und das Zahlwort ,one' bzw. ,ein') auseinandeizuhalten. Die Pro-Form wird häufig für ein unspezifiziertes Element einer Klasse verwendet, z.B. (Dickens, 1948: 128, Kap. 10): (56) It's a very distressing case — very; I never knew one more so. wo ,one' irgendeinen unbekannten ,Fall' bezeichnet, auf den die Beschreibung .unglücklicher als den gegenwärtigen Fall' zutrifft. Allerdings besteht hier in mündlicher Rede ein Unterschied in der Aussprache von unbestimmtem Artikel und Zahlwort. Ähnlich gebraucht kann ,one' statt einer nicht näher gekennzeichneten Person stehen, z.B. (Govinda, 1976: 15): (57) One should not form judgements on the ground of such perceptions, nor should one allow one's thoughts to be determined and led by them. Man vergleiche nun folgende Zeitungsüberschrift (Gainesville Sun, 20.12. 1978): (58) San Juan Gunfire Kills One Leser werden ,one' kaum als nicht näher gekennzeichnete, unbestimmte Person auffassen, da dies nicht i n f o r m a t i v wäre: es resultierte daraus nichts Interessantes, da eine Schießerei in jeder Stadt fatale Folgen haben kann. Daher wird ,one' bevorzugt als Zahlwort aufgefaßt werden, als Anzahl der Leute, die von dieser besonderen Schießerei betroffen wurden. 32. Ein anderes kohäsives Mittel, das zur Verdichtung und Effizienz beiträgt, ist die ELLIPSE (vgl. Karlsen, 1959; Gunter, 1963;Isacenko, 1965; Crymes, 1968;Dressler, 1970;Halliday & Hasan, 1976;Grosz, 1977). Ein Vergleich der gerade zitierten Quellen würde eine tiefergehende Kontroverse über das Wesen der Ellipse aufzeigen. Die Debatte geht auf unterschiedliche 71
Anforderungen an eine Grammatik zurück. Wenn Kriterien der Wohlgeformtheit und logischen Strenge im Vordergrund stehen, wird eine große Anzahl wirklicher Texte elliptisch erscheinen. 33 Im hier vertretenen prozeduralen Ansatz müßte eine Ellipse eine wahrnehmbare Diskontinuität des Oberflächentextes während der Verarbeitung darstellen. Die Frage, ob ein gegebenes Beispiel wirklich elliptisch ist, muß letzten Endes empirisch entschieden werden (welche Oberflächenstrukturen empfinden Textbenutzer als diskontinuierlich?). 33. Im allgemeinen werden Ellipsen durch Gemeinsamkeit der Strukturkomponenten von Teilsätzen des Oberflächentexts charakterisiert. Der typische Fall ist die anaphorische Ellipse, dJi. die vollständige Struktur erscheint vor der elliptischen (vgl. IV.22): (59) Onkel August starb an [...] Wassersucht. Erst war es nur der Fuß, eigentlich nur die Zehen, aber dann bis zum Knie. (Brecht [1967: 2722], Kleinbürgerhochzeit) In (59) kann das Verbum ,war' des ersten Gliedsatzes den zweiten und dritten ^eigentlich... Zehen', ,aber... Knie') vervollständigen. Die vollständige Struktur sollte in solchen Fällen noch rekonstruierbar sein, weshalb die Distanz zur elliptischen Struktur begrenzt sein muß. Eine Ellipse erscheint häufiger in einer neuen Äußerung als in derselben: (60) Der Schrank ist doch hübsch? Besonders das Eingelegte! (Brecht [ 1967: 2724], Kleinbürgerhochzeit) Das kann auch bei Sprecher Wechsel vorkommen: (61) DER JUNGE MANN (zur Schwester): Sind Sie für das Romantische? DIE SCHWESTER: Ja. Sehr. Besonders für Heine. Der hat so ein süßes Profil. (Brecht [1967: 2716], Kleinbürgerhochzeit) Die Rekonstruktion der vollständigen Formen (»Besonders das Eingelegte ist hübsch', ,Ich bin besonders für Heine') ist nicht schwierig. 34. Die Ellipse ist besonders bemerkenswert, wenn in nachfolgenden Strukturen das identische Verb fehlt, eine Beziehung, die von Ross (1970) ,gapping' genannt wird, da, zumindest im Englischen, das Verb das am wenigsten entbehrliche Element eines Teilsatzes ist. Die Ellipse von Subjekten ist nicht ungebräuchlich, z.B. im Einwurf des 33 Besonders bei Harweg (1968). Die Frage ist: „Elliptisch verglichen womit?" (Coseriu, 1 9 5 5 - 5 6 ) . Aus diesem Grund war Alfred Whitehead geneigt „natürliche Sprache" zu verurteilen.
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Vaters, unmittelbar im Anschluß an die eben (61) zitierte Äußerung der Schwester über Heine: (62) DER VATER: Starb an der Rückenmarkschwindsucht. (Brecht [1967: 2716], Kleinbürgerhochzeit) Die Entbehrlichkeit von Subjekten kann auf Chafes Beobachtung (vgl. IV. 29) über Subjektrollen bezogen werden; die Leerstelle des Subjekts wird bevorzugt bei der Ergänzung elliptischer Strukturen wie ,starb' (62), da eine Stabilität der Subjektrolle gerne angenommen wird. Nichtsdestoweniger bemerken Leech und Svartvik (1975: 168), daß eine Ellipse von Subjekten in abhängigen Nebensätzen selten ist, z.B.: (63) He was so tired that went to sleep.333 obwohl das Subjekt leicht ergänzt werden kann. 35. Die Ellipse des Subjekts oder anderer entbehrlicher Elemente zeigt die Komplexität der Interaktion zwischen Kognition und syntaktischen Konventionen. Die Identität des fehlenden Subjekts steht in (63) außer Zweifel; trotzdem wird eine solche Konstruktion im Englischen und im Deutschen zum Unterschied von anderen Sprachen selten gebraucht. Ein p r o z e d u r a l e r A n s a t z beschäftigt sich mit dem Auffinden von Bedingungen, unter denen Ellipsen häufig vorkommen. Eine Situation wie das Absenden eines Telegramms wird stark elliptische Texte hervorrufen, die nichtsdestoweniger verständlich sind. Oder vgl. die bekannte Tiroler Grabinschrift mit einem Einwortsatz in fast jeder Zeile: (64) Aufigstiegen/Kirschen brockt/Abigfallen/Hingwesen. Aus dem Zusammenhang ist eindeutig rekonstruierbar, daß der hier Begrabene auf einen Kirschbaum hinaufgestiegen ist, um Kirschen zu pflücken (,brocken') dabei heruntergefallen und (sofort) tot (Jhin') gewesen ist. Besteht die Funktion der Syntax in der Kommunikationssituation darin (wie wir in IV.2ff dargelegt haben), eine Oberflächenstruktur herzustellen, die mögliche Hypothesen über die Organisation der zugrundeliegenden Konzepte und Relationen eingrenzt (ein System mit wenig Optionen, das wie ein Frühwarnsystem für ein System mit weit mehr Optionen verwendbar ist), dann könnte die Verkürzung der Syntax wie in (64) zu erhöhter Verarbeitungsmühe führen. Die Problemlösung, die einem Diskurs Kohäsion und Kohärenz auferlegt (s. III), würde sich ungewöhnlich anstrengend nach allen Richtungen hin ausweiten. 33a Eine solche Konstruktion kommt tatsächlich in Spensers Faerie Queene (1,1,42) vor: ,but he againe shooke him so hard, that forced him to speake.' Dillon (1978: 118) bezeichnet so einen Sprachgebrauch als „ungrammatisch".
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36. Da der wohlgeformte Satz üblicherweise als obligatorische Einheit für Sprachexperimente angesehen wurde, gibt es kaum Untersuchungen über die Verarbeitung elliptischer Texte. 34 Die beherrschende Rolle des Satzes in linguistischen Theorien hat die Meinung hervorgerufen, daß „vielleicht alle Äußerungen von impliziten vollständigen Sätzen abgeleitet sind" (R. Brown, 1973: 209). Diese These ist allerdings kaum überzeugend und sicherlich nicht empirisch bewiesen. Die Umwandlung eines Textes wie (64) in vollständige Sätze wäre nützlich, aber für die Verarbeitung nicht notwendig. Außerdem wäre es schwierig, eine bestimmte vollständige Fassung einheitlich auszuwählen. Möglicherweise umgeht die Verarbeitung so manche Verwendung der Syntax, wenn der Aufwand an Verarbeitungsmühe die Vorteile überwiegt; dann würde der Verarbeiter direkter versuchen, Kohärenz zu finden, indem er eine „unscharfe Analyse" der Oberfläche betreibt (vgl. Burton, 1976; VII.9). Ausgiebiger Gebrauch der Syntax wird immer dann nahegelegt, wenn andere Quellen sich als nicht schlüssig erweisen, z.B. bei Mehrdeutigkeiten. Bei schweren phonologischen und syntaktischen Störungen der sogenannten „motorischen Aphasie" verzichten Patienten nicht nur bei der Produktion weitgehend auf Syntax überhaupt (was den sogenannten Telegrammstil ergibt), sondern halten sich auch beim Sprachverständnis mehr an Kohärenz, Informativität und Situationalität als an Syntax (vgl. Peuser, 1978: 127ff). 37. Wie der Gebrauch der Pro-Formen, zeigt die Ellipse eine G e w i n n V e r l u s t - R e l a t i o n zwischen Gedrängtheit und Klarheit (vgl. IV.29). Der Gebrauch von Texten ohne Ellipse erfordert mehr Zeit und Energie. Am anderen Extrem machen sehr große Ellipsen jeden Zeit- und Energiegewinn zunichte, da sie intensivierte Suche und Problemlösung notwendig machen. Textbenützer müssen die A n g e m e s s e n h e i t einer Ellipse in einer Situation abwägen, um zu entscheiden, welches Ausmaß an Ellipse Effizienz eher nützt als schadet (vgl. III.9). Die Annahme eines solchen Abwägens kennzeichnet einen wichtigen Unterschied zwischen einem abstrakten syntaktischen System und einem prozeduralen Modell der Syntax, das die Interaktion mit anderen Faktoren der Textualität untersucht. 38. Kohäsion wird außerdem durch TEMPUS und ASPEKT gestützt (vgl. Reichenbach, 1957; Weinrich, 1964; Wunderlich, 1971;Dowty, 1972). 35 34 Die ,,cloze"-Prozedur, Versuchspersonen periodisch ausgelassene Worte ergänzen zu lassen, ist nicht wirklich mit dem Gebrauch der Ellipse in einem spontanen Diskurs, vergleichbar. 35 Im allgemeinen wird „Tempus" bei Verbalflexion verwendet, um die relative Zeit, d.h. die Zeitrelation zum Diskursakt oder Sprechakt anzuzeigen, während sich
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Diese Kategorien sind in verschiedenen Sprachen sehr verschieden organisiert (vgj. Dressler 1972a: 47ff). Gewöhnlich findet man Mittel zur Unterscheidung von: a) Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft; b) Kontinuität gegenüber einzelnen Punkten; c) vorhergehend gegenüber nachfolgend; d) abgeschlossen gegenüber unabgeschlossen. Manche dieser Unterscheidungen entstehen hauptsächlich aus der Perspektive der Textbenützer im Augenblick der Kommunikation (z.B. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind relativ zur Kommunikationssituation zu sehen), andere aus der gegenseitigen Organisation von Situationen oder Ereignissen der Textwelten. Wenn die Verbalsysteme solche Unterscheidungen nicht explizit ausdrücken, müssen Modifikatoren dazu verwendet werden. Fillmore (1977: 74) meint, daß „jedes einzelne Verbum oder andere Prädikat bei jedem Gebrauch eine gegebene Perspektive" in Bezug auf eine „Szene" einnimmt. Die Notwendigkeit sich „Szenen" vorzustellen, um sogar syntaktische Oberflächenkonstruktion (z.B. Anaphora) zu verstehen, wurde von Dillon (1978: 70ff) eindrucksvoll aufgezeigt. 39. Die Strategien der Textbildung besitzen einigen Einfluß auf die Anordnung von Tempus und Aspekt. Im Hebräischen gibt es eine Tempusfolge, die konsekutiv verwendet wird (Harweg, 1968: 284). Im Bahinemo, einer Sprache in Papua-Neuguinea, bestimmt das Verb eines einzigen am Beginn stehenden Teilsatzes die Zeit aller Ereignisse und Situationen desselben Absatzes (Longacre, 1970). Im Godie der Elfenbeinküste muß die Zeit nur einmal für einen gesamten Text mitgeteilt werden (Grimes, 1975: 232). Im brasilianischen Xavante werden verschiedene Aspektsysteme zur Unterscheidung von Ereignissen und Nichtereignissen verwendet (Grimes, 1975: 93). Im nigerianischen Mumuye und Longuda wird ein progressiver Aspekt für den erzählerischen Rahmen — im Gegensatz zur Folge der Hauptereignisse verwendet (Grimes, 1975: 234). 40. Diese auffällige Vielfalt zeigt die enorme Komplexität und Subjektivität auf, die bei der Organisation von Z e i t in einer Textwelt eine Rolle spielen (vgl. Bruce, 1972). Die Anschauung, daß die Zeit gleichmäßig vergeht (eine vor-Einstein'sche, aber allgemein verbreitete Anschauung), ist weit weniger entscheidend als die gegenseitigen Bezüge zwischen Situationen und Ereignissen, die nicht nur in ihrer Dauer, sondern ebenso in ihrer Struktur und Wichtigkeit unterschiedlich sind. Wie Talmy (1978: 21) betont, kann dasselbe Ereignis unter verschiedenen Perspektiven ausgedrückt werden, z.B.: „Aspekt" auf die Grenzen (Beginn, Vervollständigung) und die Dauer bzw. Wiederholung von Ereignissen bezieht, wie sie bei der Verbalflexion markiert werden.
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(65a) Das Signal leuchtete (auf). (65b) Das Signal leuchtete ständig (auf). (65c) Das Signal leuchtet fünfmal hintereinander (auf). In Satz (65a) wird das Ereignis als abgeschlossene Einheit zu einem einzigen Zeitpunkt gesehen. In Satz (65 b) ist das Ereignis eine vielteilige Einheit, die sich über eine unbegrenzte Zeitausdehnung erstreckt. In Satz (65c) ist das Ereignis eine vielteilige Einheit mit bestimmten Zeitgrenzen. 41. Dennoch könnten einige feste Prinzipien der Organisation von Zeit gefunden und zu den Tempus- und Aspektsystemen in Beziehung gesetzt werden. Falls, wie in III. 14 behauptet, Textualität auf K o n t i n u i t ä t beruht, würden die Textverwender natürlicherweise Ereignisse und Situationen der Textwelt in Beziehung bringen (vgl. 1.11). Erkennbare Lücken können durch AUFDATIERUNG (engl, „updating") gefüllt werden, d.h. dadurch, daß sie Inferenzen (im Sinne von 1.11; vgl. V.32—34) über die Entwicklung der Textwelt ziehen (vgl. Sacerdoti, 1977: 15; Winston, 1977: 386). Wenn z.B. im Beispiel (4) die Rakete .aufsteigt', dann können wir durch Aufdatierung ihre Lokalisierung von ,Wüste' auf,Himmel', die Treibstoffladung von ,acht Tonnen' auf weniger usw. ohne explizite Angaben umstellen. Einige weitere Prinzipien der Organisation von Zeit hat Leonard Talmy (1978) vorgeschlagen: a) Plexität (engl, „plexity") = die Fähigkeit, vielteilig zu sein; b) Begrenztheit (engl, „boundedness") = die Fähigkeit, erkennbare Grenzen zu haben; c) Geteiltheit (engl, „dividedness") = das Fehlen einer inneren Kontinuität, und d) Distribution = das Muster von Handlungen/Ereignissen innerhalb einer Zeiteinheit. Obwohl Halliday wie auch Talmy diese Prinzipien als „grammatikalische" Begriffe verstehen, sind sie eindeutig auf die menschliche Kognition von Ereignissen und Situationen zurückführbar (vgl. Miller & Johnson-Laird, 1976). Wie in vielen anderen Bereichen basiert die Κ ο h ä s i ο η des Oberflächentextes auf der Annahme von K o h ä r e n z der Textwelt (vgl. Morgan, 1978). 42. Ein deutliches Mittel, um die Relationen zwischen Ereignissen und Situationen zu signalisieren ist die JUNKTION, der Gebrauch von j u η k t i v e n A u s d r ü c k e n (in der traditionellen Grammatik werden alle unterschiedslos „Konjunktionen" genannt) (vgl. Gleitman, 1965;Dik, 1968; Tai, 1969; Harweg, 1970; Dougherty, 1970-71; Lakoff, 1971; Halliday & Hasan, 1976; Lang, 1976; van Dijk, 1977b). Zumindest vier Haupttypen sollten diskutiert werden: a) die KONJUNKTION (oft Beiordnung genannt) verbindet Dinge desselben Status, z.B.: beide Dinge sind innerhalb der Textwelt wahr. 76
b) Die DISJUNKTION verbindet Dinge mit alternativem Status, z.B.: zwei Dinge, von denen nur eines in der Textwelt wahr sein kann. c) Die KONTRAJUNKTION verbindet Dinge desselben Status, die jedoch innerhalb der Textwelt inkongruent oder unvereinbar erscheinen, z.B.: eine Ursache und eine nicht erwartete Wirkung. d) Die SUBORDINATION (oder Unterordnung) verbindet Dinge, bei denen der Status des einen von dem des anderen abhängt, z.B.: Dinge, die nur unter bestimmten Bedingungen oder aus bestimmten Motiven heraus wahr sind, z.B. Ursache — Wirkung, Voraussetzung — Ereignis, etc. 43. Diese Typen sind durch die jeweiligen Klassen von J u n k t i v e n als O b e r f l ä c h e n h i n w e i s e n (engl, „surface cues") erkennbar. Die KONJUNKTION wird meistens durch ,und' und weniger oft durch .außerdem', ,auch', ,dazu', ,daneben', ,überdies', usw. ausgedrückt. Die Konjunktion ist eine additive Relation, wenn sie z.B. zwei voneinander abhängige, innerhalb einer Sequenz erwähnte Ereignisse oder Situationen verbindet, sei es innerhalb eines Satzes, sei es über Satzgrenzen hinweg, z.B. in den Worten Anatols: (66) Auch ich war einmal gut — und voll Vertrauen — und es gab keinen Hohn in meinen Worten ... und ich habe manche Wunde still ertragen. (Schnitzler [1962: 46], Weihnachtseinkäufe) Die Konjunktion kann unvollständig gebildete Sätze verbinden, vorausgesetzt es besteht ein additives Verhältnis oder ein solches der gegenseitigen Abhängigkeit: (67) Ich mußte an sehr viel denken — und noch dazu meine Gemütsstimmung. (Schnitzler [1962: 263], Liebelei) Konjunktion ist der Standardfall der Junktion (engl, „default junction"), da Ereignisse und Situationen, falls nicht anders angegeben, in der Textwelt additiv kombiniert sind, vgl. (64). Es besteht kein Grund ,und', ,auch', ,dazu' etc. zwischen allen beigeordneten Sätzen oder Teilsätzen zu verwenden; ja ein solches Vorgehen macht den Text eher langweilig - außer für gelegentliche Effekte (vgl. das Stilmittel des .Polysyndeton' in der klassischen Rhetorik). Der Gebrauch solcher Junktive ist eher dann von Wichtigkeit und daher wahrscheinlich, wenn die Abhängigkeiten nicht ohne weiteres ersichtlich sind und betont werden müssen. 44. Die DISJUNKTION wird fast immer durch ,oder' (manchmal erweitert zu »entweder — oder', ,ob — oder nicht' etc.), daneben durch ,sonst' signalisiert. Gewöhnlich wird ,oder' innerhalb eines Satzes gebraucht, gehäuft etwa in der bei Nöth (1976: 2) behandelten Antwort einer Schizophrenen (mit Störung der Kohärenz, nicht aber der Kohäsion). 77
(68) Waren Sie denn im Dorf oder in der Stadt? Sind Sie im Dorf erzogen, bezogen, verzogen? oder sind Sie ein Reliquienstück oder was sind Sie eigentlich? oder welches Stück wollen Sie haben? Eine Rippe, Leber, ein paar Füße oder ein paar Eisbeine? Innerhalb eines Satzes verbindet ,oder' Alternativen, die beide in der aktiven Gedächtnisspeicherung zugegen sind, von denen sich aber nur eine in der Textwelt durchsetzt. Zwischen Sätzen neigt ,oder' eher dazu, einen nachträglichen Gedanken oder eine vorher nicht berücksichtigte Alternative auszudrücken, z.B. in: (69) „Es sei denn", fing der Herr mit dem Feldstuhl nochmals an, „es sei denn, Mr. Winkle fühlt sich durch die Herausforderung beschimpft. In diesem Fall, so muß ich zugeben, hat er natürlich das Recht, Satisfaktion zu fordern." Mr. Winkle erklärte mit großer Selbstverleugnung, daß er hinreichende Genugtuung erhalten habe. „Oder wäre es möglich", sagte der Herr mit dem Feldstuhl, „daß der Sekundant des Herrn sich durch einige Bemerkungen beschimpft fühlte." (Dickens, 1947: 31, Kap. 2 = Thanner, 1961: 50). Eine Disjunktion ist vermutlich nicht leicht zu verarbeiten, sofern die Textbenutzer laufend Alternativen weiterspeichern müssen, bis eine Entscheidung getroffen wird. »
45. Die KONTRAJUNKTION wird meist durch ,aber' und weniger oft durch »dagegen4, jedoch', ,doch', »nichtsdestoweniger4, .indessen' signalisiert. Es ist die Funktion der Kontrajunktion, problematische Übergänge an Stellen zu erleichtern, wo scheinbar unerwartete Kombinationen von Ereignissen oder Situationen auftauchen (vgl. auch Bublitz, 1977; Abraham, 1979). In einem Beispiel wie: (70) Der Primärtumor war ihnen zuvor chirurgisch entfernt worden; doch meist schreitet die Krankheit trotz der Operation weiter. (DER SPIEGEL, 9. Juni 1980) verwendet der Textproduzent ,doch', um die Leser daraufhinzuweisen, daß die erwartete Besserung bei Knochentumor leider meist nicht eintritt. Im Deutschen kann eine Kontrajunktion schon vorher ,kataphorisch' durch ,zwar' angekündigt werden, z.B.: (71) Häfele zwar behauptet, alle Sicherheitsfragen gelöst zu haben. Indessen zogen seine Mitarbeiter aus Karlsruhe das in Zweifel. (DER SPIEGEL, 9. Juni 1980). Eine solche Kataphora erleichtert die Speicherung der Kontrajunktion im 78
aktiven Gedächtnisspeicher und damit ihre Verarbeitung. Vgl. auch einerseits' — .andererseits'. 46. Die SUBORDINATION ist durch eine große Anzahl junktiver Ausdrücke vertreten, wie: ,weil', ,da', ,denn', ,daher', »deshalb', .während' usw. Subordinationsjunktive machen gebräuchliche Typen von KOHÄRENZRELATIONEN explizit, wie die in Kap. 1.6-11 angedeuteten (vgl. auch Kap. V.). Ein durch Junktive stark vertretener Typ ist .URSACHE' (notwendige Bedingungen, vgl. 1.7). Außer Nebensatzeinleitungen wie ,weil', finden wir auch Verbindungen zwischen ganzen Sätzen, z.B.: (72) Überdies fanden die Ludwigshafener keine geeigneten Lizenzpartner für ihr System. Denn nach einem Streit um die Aufteilung der Patente waren Bosch-Blaupunkt sowie Bell-Howell schon 1978 aus dem ursprünglichen Dreierbund ausgeschieden. (DER SPIEGEL, 9. Juni 1980). ,GRUND' (rationale menschliche Reaktion, vgl. 1.8) ist ebenso häufig, z.B.: (73) Noch allerdings möchten die BASF-Techniker ihre Videopläne nicht zu den Akten legen. Denn ihre Entwicklung hat nach Ansicht vieler Experten gegenüber allen bekannten Systemen einige unbestrittene Vorteile. (DER SPIEGEL, 9. Juni 1980) Die Folge von Wirkung und Ursache bzw. Grund kann linear umgekehrt sein: (74) Deshalb empfehlen die Rentschler-Pharmakologen, ihr Präparat intravenös zu spritzen. Dann freilich werden die Verunreinigungen durch Eiweißstoffe besonders unangenehm bemerkbar. (DER SPIEGEL, 9. Juni 1980) 47. Ebenso ist das Repertoire an junktiven Ausdrücken für Relationen der ZEITNÄHE (vgl. 1.10) groß: ,dann', ,darauf', ,zuvor/bevor', »nachher4, ,nachdem', ,seit', ,als', ,während(dessen)', .inzwischen' usw. Zeitliche Nähe kann sequentiell sein, wenn Ereignisse oder Situationen zeitlich aufeinander folgen, wie z.B. in folgender Tiroler Grabinschrift, wo der zweite Anzeiger zeitlicher Folge (.nun 4 ) zugleich eine (fragwürdige) Kausalität anzeigen soll: (75) In diesem Grab liegt Anich's Peter. Die Frau begrub man dann erst später. Man hat sie neben ihm begraben. Wird er die ewige Ruh nun haben? Ein Beispiel für zeitliche Überschneidung ist: (76) Enttäuscht über die zögernde Reaktion ihrer Alliierten [...] haben die USA ihre Verbündeten vor die Alternative gestellt: [...] Indessen haben die Besetzer der Teheraner US-Botschaft am Mittwoch mit der 79
sofortigen Tötung ihrer Geiseln gedroht. {DIE PRESSE, 10. April 1980). Zeitliche Nähe kann eine Verkettung beinhalten, bei der die Beendigung eines Ereignisses oder einer Situation mit dem Beginn des nächsten, möglicherweise mit zusätzlicher Kausalität, zusammenfällt: (77) Man hat Ihnen zuviel verschwiegen, als Sie junges Mädchen waren — und hat Ihnen zu viel gesagt, seit Sie junge Frau sind! (Schnitzler [1962: 47], Weihnachtseinkäufe) 48. Eine weitere Anwendung der Subordination dient zur Kennzeichnung der MODALITÄT, d.h. der Möglichkeit, Wahrscheinlichkeit oder Notwendigkeit (oder des jeweiligen Gegenteils) von Ereignissen oder Situationen (vgl. Reichenbach, 1976). Das Junktiv ,wenn' bezeichnet eine Bedingung, unter der ein Ereignis oder eine Situation wahr sein könnte. Ganz selten wird eine Bedingungsperiode auf zwei Hauptsätze aufgeteilt, z.B. in Catos Anweisung an Redner: (78) Rem tene, verba sequentur = beherrsche die Sache, die Worte werden folgen' = ,Wenn du die Sache beherrscht, werden die Worte folgen' Die Modalität spielt eine große Rolle bei PROJIZIERTEN Ereignissen oder Situationen, also bei solchen, die in der Textwelt eintreten könnten oder hätten können (vgl. V.28). Was die Vergangenheit betrifft, so kann das projizierte Ereignis meist nicht mehr stattfinden, wie im berühmten Satz aus Boethius {Tröstungen der Philosophie, 2,7) stammenden Satz: (79) Ο si tacuisses, philosophus mansisses = ,Oh wenn du geschwiegen hättest, wärst du ein Philosoph geblieben' 49. Die Knifflichkeiten der Junktion sind weitaus größer, als unsere Skizze andeuten könnte. Mit Ausnahme der Disjunktion ist die Verwendung von Junktiven als explizite Signale selten obligatorisch, da die Textbenutzer Relationen wie Additivität, Inkongruenz, Kausalität etc. schon durch Anwendung ihres Welt-Wissens erkennen können. Wir könnten die Junktive aus den Beispielen (66), (71), (72), (73) und, wie wir gesehen haben, in (78) (bei fallweiser Hinzufügung von Satzzeichen) entfernen, ohne die Texte dadurch unklar zu machen. Jedoch können die Textproduzenten durch den Gebrauch von Junktiven eine Kontrolle darüber ausüben, auf welche Weise Relationen von den Textrezipienten rekonstruiert und aufgestellt werden. So macht es z.B. der Gebrauch von ,doch' in Satz (70) klar, daß sich die Operateure eine Besserung des Krankheitsverlaufs erwarten und die Hoffnung nicht aufgeben; ohne ,doch' würde der chirurgische Eingriff leicht als ein sinnloses und 80
unverantwortliches Vorgehen erscheinen können; auf diese Weise kann der Textproduzent seine eigene Interpretation in die S i t u a t i o n s k o n t r o l l e mit einbringen (vgl. VIII. 1). 50. Unter diesem Gesichtspunkt zeigt die Junktion, wie die kommunikative Interaktion (und nicht allein obligatorische, grammatische Regeln) die von den Kommunikationsteilnehmern benutzten syntaktischen Konstruktionen mitbestimmt. Junktive können einfache Hilfsmittel für Rezipienten sein, die Effizienz des Textes zu steigern. Bezeichnenderweise werden Junktive in nachlässiger Rede (,casual speech') gerne ausgelassen (vgl. Drachman 1975). Ebenso können sie dem Textproduzenten während der Organisation und der Darbietung der Textwelt helfen. Sie können, wie wir in IV.49 gesehen haben, eine bestimmte Interpretation nahelegen oder aufdrängen. Dennoch werden sie selten bei allen Übergängen zwischen Ereignissen und Situationen einer vollständigen Textwelt gefunden. Offensichtlich wird ein gewisser Grad an I n f o r m a t i v i t ä t dadurch aufrecht erhalten, daß Junktive nicht ununterbrochen gebraucht werden. Es gibt andere Oberflächenkategorien, die dieselben Funktionen erfüllen können, z.B. der Gebrauch von kausativen Verbalformen (vgl. Grimes 1964, zum Vergleich von Huichol und Englisch) oder das Einfügen von Inteijektionen (vgl. Gülich, 1970;Franck, 1979) oder Intonation (s. IV.54-58). 51. Ein besonderer Aspekt der Interaktion zwischen Syntax, Informativität und kommunikativer Situation wurde bei der in 11.18. erwähnten FUNKTIONELLEN SATZPERSPEKTIVE hervorgehoben. Allein die Plazierung von sprachlichem Material an früheren oder späteren Stellen innerhalb des Teilsatzes oder des Satzes deutet auf die relative Vorrangigkeit und Informativität des zugrundeliegenden Inhalts hin (Zu Diskussionen und Überblicken, vgl.: Mathesius, 1928; Firbas, 1957,1962,1964,1966,1968,1974,1975; Halliday, 1967-68; Benes, 1968; Chafe, 1970, 1976;Sgall et al., 1973; Dahl (Hrsg.), 1974; Dane! (Hrsg.), 1974; Grossmann, San & Vance (Hrsg.), 1975; Grimes, 1975; Firbas & Golkovä, 1976; Li (Hrsg.), 1976; Jones, 1977). Das Ausmaß, wie dieser Aspekt die Syntax bestimmt, variiert entsprechend der Anzahl anderer anwendbarer Beschränkungen. Im Englischen und Französischen bedingt das Fehlen eines differenzierten Kasussystems in vielen Bereichen eine starke Beschränkung der Wortstellung. Im Tschechischen (und den meisten slavischen Sprachen) mit seinem reichen Kasussystem kann die Wortstellung treuer der funktionellen Satzperspektive folgen (Sgall et al., 1973) und dabei Unterschiede an Informativität ausdrücken, die in den germanischen und romanischen 81
Sprachen der Gegensatz von bestimmten und unbestimmten Artikeln ausdrückt.36 52. Da die Sprecher dazu neigen, eine Orientierungshilfe zu geben, bevor sie neue oder überraschende Dinge vorbringen, steigt die Informativität meistens gegen Ende eines Teilsatzes oder eines Satzes. Nehmen wir den Beginn des steirischen Kindermärchens Der bucklige Bauer:37 (80.1) Es war einmal ein Bauer, (80.2) der hatte einen großen Buckel. (80.3) Darob verspotteten ihn die Leute im Dorf und (80.4) der Bauer kränkte sich sehr. (80.5) Besonders sein reicher Nachbar, der ein Geizteufel und Hartherz war, höhnte den armen, buckligen Bauer bei jeder Gelegenheit. Der Text beginnt mit dem inhaltslosen Ausdruck ,Es war einmal', der nur die Existenz des Haupthelden behauptet und die Textsorte „Märchen" ankündigt. Der Beruf des Haupthelden wird auf das Ende des ersten Teilsatzes als neue Information aufgespart (80.1). Der zweite Teilsatz (80.2) kann nun mit dem Demonstrativum ,der' beginnen, das sich immer auf die neue Information des vorangegangenen Hauptsatzes bezieht, und die Haupteigenschaft des Bauern einfuhren. Natürlich hätte diese Eigenschaft schon im ersten Teilsatz genannt werden können, etwa: (80.1a) Es war einmal ein (überaus) buckliger Bauer. Dann wäre aber der Buckel, der im Märchen eine Hauptrolle spielen wird, weniger im F o k u s gestanden, und der Teilsatz (80.3), der den Buckel noch weiter in den Vordergrund spielt, hätte nicht an (80.1a) angeschlossen werden können, ebensowenig der Teilsatz (80.4), der die Wichtigkeit dieser Eigenschaft für den Haupthelden hervorhebt. Die Steigerung (vgl. die rhetorische Figur der „climax") geht aber in (80.5) noch weiter. Natürlich hätte der Inhalt von (80.5) auch schon im Teilsatz (80.3) eingepackt werden können, etwa: (80.3a) Darob verspotteten ihn die Leute im Dorf und besonders sein reicher Nachbar sehr. Dieses Verfahren hätte aber die Steigerung vorzeitig abgebrochen und den bösen Nachbarn zu wenig in den Fokus gestellt, zu dessen Ungunsten ja im weiteren Verlauf des Märchens der Bauer seinen Buckel verlieren wird. Durch diese vorliegende Erzählstrategie wird neue Information so geboten, daß 36 Zu vielen anderen Sprachen vgl. Grimes (1975); Li (Hrsg.) (1976); Grossman, San & Vance (Hrsg.) (1975); Grimes (Hrsg.) (1978). 37 Geramb (1946: 2 5 3 - 2 5 6 , 293), dessen Handlung dem Grimmschen Märchen „Der Berggeister Geschenke" gleicht.
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Hauptheld, Haupteigenschaft und Gegenspieler systematisch aufgebaut und noch dazu eine mehrstufige Steigerung erreicht wird. 53. In Kapitel VII werden wir uns mehr mit der Informativität beschäftigen. Hier wollten wir nur anfuhren, daß die Abfolgen des Oberflächentexts Signale über das gemeinsame während einer gegebenen Phase der kommunikativen Interaktion anzuwendende Wissen angibt, da die Kohäsion auf der Annahme einer zugrundeliegenden Kohärenz beruht (vgl. IV.41). So sind z.B. die Subjekte in englischen Sätzen, aufgrund des sprechstrategisch vorteilhaften Vorgehens,bekannte Informationen zuerst vorzubringen, oft (aber keineswegs immer) Ausdrücke, die einen bereits bekannten oder vorhersagbaren Inhalt vergegenwärtigen bzw. aktivieren (vgl. Firbas, 1966). Umgekehrt ist das spätere Satzstück des Prädikats bzw. der Verbalphrase für speziellen Fokus besonders geeignet. 54. Ein die Kohäsion gesprochener Texte unterstützendes System ist die INTONATION (Halliday, 1967; Crystal, 1969; Koch, 1970; WackernagelJolles, 1971; Lehiste, 1970, 1975, 1979; Brazil, 1975; Lehiste & Wang, 1977). Das gebräuchliche Muster im Englischen ist eine gegen Ende des Teilsatzes oder des Satzes steigende Intonation, die einen besonderen Gipfel auf dem letzten Ausdruck erreicht, der einen wesentlichen Inhalt vermittelt. Im Deutschen und in vielen slawischen Sprachen steigt die Intonation am Ende eines Nebensatzes, wenn ein weiterer Teilsatz darauf folgt, während sie am Ende eines ganzen Satzes sinkt, sofern es sich um einen Aussagesatz handelt (vgl. Nikolaeva, 1974). Anfang und Ende eines Satzes haben eine höhere Intonation als Anfang und Ende eines Absatzes (vgl. Lehiste, 1979, auch zu weiteren phonetischen Mitteln); deshalb können Hörer Absatzgrenzen erkennen, auch wenn ihnen die Semantik keine oder irreführende Hinweise gibt (Lehiste & Wang, 1977). Obwohl sich die Untersuchungen lange Zeit nur auf Teilsätze und Sätze konzentriert haben, hat kürzlich Brazil (1975) eine Untersuchung der englischen Intonation in ganzen Texten oder Diskursen vorgenommen. Er übernimmt Hallidays ,Töne' („tones") (1967), benennt sie aber neu, um auf die verschiedenen Arten der D i s k u r s h a n d l u n g e n hinzuweisen (vgl. VI.l 1). INVOZIEREN („invoking" oder „referring") tritt auf, wenn vorwiegend bekanntes oder erwartetes Material geboten wird, während INFORMIEREN (oder „proclaiming") in den Fällen auftritt, in denen der Sprecher irgendein neues, unerwartetes, korrigierendes oder widersprechendes Material vorbringt (vgl. VIII. 10). Deshalb folgen auf Informieren eher als auf Invozieren Antworten anderer Kommunikationsteilnehmer. Daneben gibt es 83
eine neutrale Möglichkeit, die nicht als eine der beiden Handlungen bewertet werden muß. 55. Der TON ist die steigende oder fallende Tendenz einer TONGRUPPE (einer als Einheit geäußerten Textstrecke). Die grundlegende Auswahl besteht zwischen einem fallenden und einem fallend-steigenden (zuerst fallend, dann steigend) Ton (in Hallidays Schema Töne 1 und 4). Der fallende Ton wird normalerweise beim Informieren, der fallend-steigende beim Invozieren gebraucht. Wenn wir nach unten (bzw. zuerst nach unten, dann nach oben) gerichtete Pfeile verwenden für „fallend" (bzw. „fallend-steigend"), so können wir vier Muster für dieselbe zweiteilige Äußerung haben, wie in Abb. 5 (Beispiel aus Brazil, 1975: 6).
[8l]d / / When I've finished Middlemarch 11 I shall read Adam Bede 11
\
*
[8l]fc / / When I've finished Middlemarch / / I shall read Adam B e d e '
[8l]c / / I shall read Adam Bede / / when I've finished Middlemarch / /
[%\]i 11 \ shall read Adam Bede / / when I've finished Middlemarch / /
Abb. 5. //: Grenzen von Tongruppen; Pfeile zeigen die Tonbewegung an
(81a) würde angewendet werden, falls beim Hörer zwar das Wissen angenommen werden kann, daß der Sprecher,Middlemarch' liest, nicht aber Wissen um die weiteren Pläne des Sprechers. (81b) wäre angebracht, wenn zwar das Lesen von ,Adam Bede' bekannt wäre, nicht aber geplanter Anlaß oder Zeit dafür. Eine lineare Umkehrung der Teilsätze würde daran nichts ändern: (81c) würde für (81a) passen, und (81d) für (81b). Offensichtlich läßt die kontrastierende Intonation der Teilsätze die steigend-fallende Intonation als Hintergrund-, die fallende als Vordergrundinformation erscheinen. 56. Darüber hinaus erkennt Brazil (1975: 7f) zwei markierte (oder intensivierte) Möglichkeiten, die eine zusätzliche Möglichkeit des Sprechers ausdrücken. Eine intensivierte Informierungshandlung hätte einen steigenden, dann fallenden Ton (Hallidays Ton 5). Wird steigend-fallender Ton auf 84
einleitende Nebensätze (81b) gelegt, würde er die Zeit der Vollendung des ,Middlemarch'-Lesens betonen (d.h. dann und erst dann, dann und keinen Augenblick früher, usw.). Auf ähnliche Weise hätte eine intensivierte InvozierHandlung einen einfachen steigenden Ton (Hallidays Ton 2). Angewandt auf den zweigeteilten Hauptsatz von (81b) hätte dies den Effekt, die Äußerung in eine Frage oder eine Behauptung zu verwandeln, die Bekräftigung bzw. Unterstützung vom Hörer erwarten läßt, da der Sprecher selbst unsicher ist. Besonders geeignet ist der steigende Ton bei einer eindringlichen, insistierenden Frage. Schließlich erkennt Brazil einen tiefen steigenden Ton („low rising") (d.h. der Ton steigt nur von einer niedrigen zu einer mittleren Tonlage, vgl. IV.57) als „neutrale" Möglichkeit, um die endgültige Einstufung auf einen bestimmten Typ von Diskurshandlungen zu umgehen (Hallidays Ton 3). 57. Dieses grundsätzliche Schema wird mit einer Unterscheidung von TONLAGEN („keys"), die bis auf Henry Sweet (1906) zurückgeht, kombiniert. Mittlere Tonlage wird als normale Tonhöhe bezeichnet, hohe bzw. tiefe als die über bzw. unter der Norm stehenden Tonlagen. Brazil argumentiert, daß die gebräuchliche Folge in einem Diskurs hoch-mittel-tief sei, da die hohe Tonlage die Intention zur Weiterfuhrung, die tiefe Lage diejenige zur Beendigung der gegenwärtigen Diskursstrecke nahelegt. Im besonderen findet die hohe Lage häufig Verwendung bei Kontrastierung und zwar entweder zwischen zwei vorgebrachten Informationsstücken oder zwischen dem bereits vorgebrachten Material und demjenigen, das erwartet werden könnte. Die tiefe Lage legt dagegen die Äquivalenz eines Stücks („chunk") mit einem früheren oder zu erwartenden nahe; eine S t a b i l i t ä t wird durch eine mit minimaler Anstrengung durchgeführte Artikulation signalisiert. In einem Dialog wie (Brazil, 1975: 28): (82.1) Where is he now? (82.2) In bed. würde eine in hoher Lage gehaltene Antwort annehmen lassen, daß der erwähnte Ort merkwürdig oder skandalös sei, während die tiefe Lage andeutet, daß alles Notwendige gesagt wurde. Die mittlere Lage ist neutral, d.h. diesbezüglich unverbindlich und somit dann anwendbar, wenn die Möglichkeit einer weiteren Unterhaltung darüber völlig offen gelassen werden soll. 58. Selbst unsere kurze Zusammenfassung von Brazils Schema sollte dessen große Bedeutung für die Untersuchung von Texten als menschlichen Diskurshandlungen klarmachen. Die Intonation verbindet nicht nur gesprochene Oberflächentexte; ebenso hilft sie die Zusammenhänge der Konzepte und Relationen sowohl innerhalb der Textwelt, wie auch zwischen Textwelt und dem gemeinsamen Vorwissen näher zu bestimmen. Man bedenke allein die 85
einfachen Mechanismen der in IV.12—19 bzw. IV.18—19 beschriebenen REKURRENZ und PARAPHRASE. Wenn ein Kommunikationsteilnehmer einen soeben von einem anderen Teilnehmer vorgebrachten Text wiederholt oder umschreibt, so hängt die weitere Entwicklung des Diskurses hauptsächlich von der Intonation ab. Eine in hoher Tonlage gehaltene Rekurrenz oder Paraphrase erfordert eine weitere Erklärung oder Rechtfertigung auch im Deutschen, etwa Anatols Ausruf Bestimmung!' im Beispiel (22). Eine in tiefer Lage gehaltene Rekurrenz oder Paraphrase würde nur anzeigen, daß der vorausgegangene Text gehört und verstanden wurde. Eine in mittlerer Lage gehaltene Rekurrenz oder Paraphrase überläßt die Entscheidung, ob etwas oder ob nichts mehr hinzugefügt werden muß, dem Produzenten des vorangegangenen Textes. Auf diese Weise ist die Wahl der Tonlage ein Maßstab der Intentionalität und Akzeptabilität, nach dem die Sprecher die K o h ä s i o n , K o h ä r e n z und I n f o r m a t i v i t ä t einschätzen. Daher haben Intonationskurven einen beachtenswerten Einfluß auf die S i t u a t i o n a l i t ä t (d.h. was geschieht innerhalb eines bestimmten kommunikativen Rahmens) und die I n t e r t e x t u a l i t ä t (d.h. wie wird der Text unter Berücksichtigung der Texte anderer Diskursteilnehmer gestaltet). Dazu kommt noch, daß jede Mißachtung des Bedarfs an E f f i z i e n z , E f f e k t i v i t ä t und A n g e m e s s e n h e i t sofort ausgeglichen werden kann; einer schweren Mißachtung wird eine Paraphrase in hoher Tonlage folgen, einer leichten eine Paraphrase in tiefer Tonlage. 59. Dieses Kapitel war den Faktoren der Textkohäsion gewidmet. Wir schlagen vor, kurze Oberflächentextstrecken als engmaschige Muster grammatischer Abhängigkeiten aufzufassen; lange Strecken („long-range stretches") dagegen könnten als eine Wiederverwendung vorangegangener Elemente oder Muster (bzw. wo das möglich ist, als Vereinfachung derselben) behandelt werden. Wir gingen von Fällen aus, in denen Oberflächenerscheinungen wieder auftreten, und kamen dann auf solche, wo eine größere Verdichtung erreicht wird. Eine REKURRENZ hat die exakte Wiederkehr des sprachlichen Materials zur Folge (vgl. IV.12—17). Die PARTIELLE REKURRENZ zeigt eine unterschiedliche Anwendung derselben grundlegenden sprachlichen Einheiten (Wort-Stämme oder Wörter) (IV. 16). Ein PARALLELISMUS liegt vor, wenn dieselben Strukturen, jedoch mit anderem sprachlichen Material wieder verwendet werden (IV. 17). Eine PARAPHRASE besteht bei einer ungefähren begrifflichen Äquivalenz zwischen nach außen hin unterschiedlichem sprachlichen Material (IV. 18-19). Wir argumentierten, daß diese vier Möglichkeiten vorzugsweise dann angewendet werden, wenn der Textproduzent Unsicherheit oder Streit ausschließen will.
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Im alltäglichen Gebrauch helfen andere Mittel, den Oberflächentext zu verdichten: PRO-FORMEN sind kurze, relativ inhaltsleere Elemente, die den Inhalt vollerer Elemente gegenwärtig halten und, wo zweckmäßig, Basisstrukturen (oder verdichtete Fassungen derselben) wiederverwenden (IV.21 — 31). Bei ELLIPSE läßt der Texterzeuger Strukturkomponenten weg, unter der Voraussetzung, daß eine vollständige Fassung der Strukturen irgendwo in der Nähe vorkommt (IV.32—37). Pro-Formen und Ellipse weisen dort eine Kompensation oder G e w i n n - V e r l u s t - R e l a t i o n auf, wo die Verdichtung so extrem werden könnte, daß überhaupt kein Aufwand eingespart wird, da viel Verarbeitungsenergie zur Rekonstruktion weggelassenen Materials aufgebraucht wird (IV.29ff; IV.37). 60. Dann gingen wir über zu Mitteln, welche Beziehungen innerhalb oder zwischen Ereignissen und Situationen der Textwelt explizit signalisieren. TEMPUS und ASPEKT können relative Zeit, Begrenztheit, Einheit, zeitliche Anordnung und Modalität von Ereignissen und Situationen signalisieren (vgl. IV.38-41). Die JUNKTION bietet explizite Merkmale für die Beziehungen der Additivität, Alternativität, Unvereinbarkeit und Unterordnung durch Kausalität, Zeit, Modalität etc. (IV.42—50). Wir schlossen mit einer Besprechung des Beitrags der FUNKTIONELLEN SATZPERSPEKTIVE als Wechselbeziehung zwischen den Prioritäten von Wissen oder Informativität und der Wortstellung in (Teil) Sätzen (IV. 51—53); und des Beitrags der INTONATION als Überlagerung von Texten durch charakteristische und hörbare Konturen von Ton und Tonlage in Diskursen, wobei Intonation wichtige Hinweise über Erwartungen, Einstellungen, Intentionen und Reaktionen bietet (IV.54-58). 61. Obwohl unser Überblick in keiner Weise vollständig oder erschöpfend ist, sollte er vor Augen führen, warum die Bezeichnung „Textkohäsion" wesentlich weiter als gebräuchliche Bezeichnungen wie „Textsyntax" oder „Textgrammatik" ist. Diese Erweiterung entsteht aus zwei Faktoren: der Operationalisierung syntaktischer oder grammatischer Strukturen in der realen Zeit und der Interaktion der Syntax oder Grammatik mit anderen Faktoren der Textualität. Die Syntaxtheorien der 50er und 60er Jahre waren nicht dazu gedacht, diese zwei Faktoren zu berücksichtigen, weshalb wir gezwungen sein könnten, eher neue Theorien zu entwickeln als bloß klassische Theorien zu revidieren oder zu erweitern. Zumindest hoffen wir einige Probleme der Art thematisiert zu haben, die jede neue Theorie der Textkohäsion behandeln müßte; und Gründe vorgebracht zu haben, warum solche Theorien im weiteren Kontext der menschlichen Interaktion aufzubauen sind. 87
V. Kohärenz
1. Wenn wir mit BEDEUTUNG (engl, „meaning") die Fähigkeit oder dasA?tential eines sprachlichen Ausdrucks (oder eines anderen Zeichens) bezeichnen Wissen (d.h. mögliche = virtuelle Bedeutung) darzustellen oder zu übermitteln, dann können wir mit SINN (engl, „sense", oft „aktuelle Bedeutung" genannt) das Wissen bezeichnen, das tatsächlich durch die Ausdrücke innerhalb eines Textes übermittelt wird. Viele Ausdrücke haben mehrere mögliche Bedeutungen, aber unter normalen Bedingungen im Text nur einen Sinn. Wenn der vom Sprecher intendierte Sinn nicht sofort klar wird, liegt UNBESTIMMTHEIT vor. Eine bleibende Unbestimmtheit kann MEHRDEUTIGKEIT (Ambiguität) genannt werden, wenn sie vermutlich nicht in der Absicht des Sprechers gelegen ist, oder POLYVALENZ, wenn der Texterzeuger wirklich mehrere Sinne zugleich übermitteln wollte (wie es besonders in der Dichtung der Fall ist). Die menschliche Fähigkeit, intendierte Sinne zu entdecken und Mehrdeutigkeit auszuschließen oder aufzulösen, ist zwar noch nicht hinreichend erklärt, aber jedenfalls eine der erstaunlichsten und komplexesten Kommunikationsprozesse (vgl. z.B. Hayes, 1977). 2. Ein Text „ergibt Sinn", weil es eine SINNKONTINUITÄT innerhalb des Wissens gibt, das durch Ausdrücke des Textes aktiviert wird (vgl. Hörmann, 1976, über „Sinnkonstanz"). Ein „sinnloser" oder „unsinniger" Text ist ein Text, in dem die Textempfänger keine solche Kontinuität entdecken können, gewöhnlich weil die Konstellation der ausgedrückten Konzepte und Relationen einerseits und das Vorwissen der Empfänger andererseits in gravierender Weise nicht übereinstimmen. Diese Sinnkontinuität möchten wir als die Grundlage der KOHÄRENZ ansetzen, welche ihrerseits den gegenseitigen Zugriff und die gegenseitige Relevanz von KONZEPTEN (Begriffen) und RELATIONEN (Beziehungen) innerhalb einer Konfiguration darstellt (vgl. 1.6). Diese dem Text zugrunde liegende Konstellation ist die TEXTWELT, die mit der gewöhnlich angenommenen „realen Welt", d.h. mit der von einer Gesellschaft oder sozialen Gruppe als gültig angesehenen Auffassung det menschlichen Lage, nicht unbedingt übereinstimmen muß (vgl. VII.18.1).
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Dabei ist zu beachten, daß die Textwelt mehr als den Sinn der Ausdrücke des Oberflächentexts enthält, denn kognitive Prozesse steuern ein gewisses Maß an ALLTAGSWISSEN bei, das von Erwartungen und Erfahrungen der Kommunikationsteilnehmer bezüglich der Organisation von Ereignissen und Situationen abgeleitet wird. Obwohl daher der Sinn der gebrauchten sprachlichen Ausdrücke den offenkundigsten und unmittelbarsten Beitrag zur Text weit leistet, ist er nicht alles. 3. W i s s e n ist mit der Bedeutung oder dem Inhalt sprachlicher Ausdrücke, die es darstellen oder übermitteln, keineswegs identisch, obwohl diese Begriffsverwirrung in linguistischer und psychologischer Literatur häufig anzutreffen ist.1 Diese Verwirrung stammt aus der enormen Schwierigkeit Wissen und Bedeutung sich vorzustellen und zu beschreiben, ohne andauernd auf sprachliche Ausdrücke zurückzugreifen. Viele Forscher sind sich über die Wünschbarkeit einer sprachunabhängigen Darstellung von Wissen oder Bedeutung einig (vgl. z.B. Schänk, Goldman, Rieger & Riesbeck, 1975). Aber bisher konnte keine Einigung über irgendeine vorgeschlagene (z.B. logische) Repräsentation gefunden werden. Diese Pattsituation ist kein Zufall: sie liegt im Wesen der Einheiten, die wir zu s y s t e m a t i s i e r e n versuchen (im Sinne von III.3). 4. Ein KONZEPT kann als eine Konstellation von Wissen definiert werden, welches mit mehr oder weniger Einheitlichkeit und Konsistenz aktiviert oder wieder ins Bewußtsein gerufen werden kann (vgl. 1.6). Dies ist eine operationale Definition und beruht auf der unbestreitbaren Tatsache, daß die meisten Sprachbenutzer, die einen bestimmten sprachlichen Ausdruck verwenden oder hören, ungefähr dasselbe Stück Wissen AKTIVIEREN, d.h. in den AKTIVEN SPEICHER des Gedächtnisses abrufen (vgl. III. 26; IV. 2).2 Variationen unter verschiedenen Sprachbenutzern scheinen dabei nicht so groß zu sein, daß dadurch oft Kommunikationsstörungen entstünden. Daraus sollte folgen, daß die (virtuelle) Bedeutung eines Konzepts mit der Summe seiner 1 Wir gebrauchen den Terminus „Wissen" (engl, „knowledge") durchgehend, um damit kognitiven Inhalt aller Art im Gegensatz zu „Bedeutung" und „Sinn" sprachlicher Ausdrücke zu bezeichnen (vgl. die Diskussion in V . l f ) . Wenn man eine derartige Unterscheidung verwischt, so vernachlässigt man die Frage, wie Wissen zunächst ausgewählt und verarbeitet wird, bevor es ausgedrückt und mitgeteilt wird. 2 Mit ,,Stück Wissen" übersetzen wir engl, „chunk of knowledge". Der Terminus „chunk" geht auf Miller (1956) zurück, der damit eine Wissenskonfiguration, die als einheitlicher Block verarbeitet wird, bezeichnet (vgl. V.10). Bock (1979) moniert mit Recht, daß psycholinguistische Theorien allzu oft Gedächtnisforschung kaum berücksichtigt haben.
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möglichen Verwendungsweisen gleichzusetzen wäre (so Schmidt, 1968). Leider passen sich so viele Konzepte so stark an verschiedene Umgebungen (Kontexte) an, daß ihre Bestandteile und Grenzen ziemlich UNSCHARF (engl, „fuzzy") bleiben. 3 Daher muß man bei der Definition von Konzepten WAHRSCHEINLICHKEITEN vergleichen, d.h. es ist jeweils mehr oder weniger wahrscheinlich, daß das betreffende Konzept ein bestimmtes Wissen einschließt, wenn es in einer Textwelt aktualisiert wird, also dort wo jedes Konzept in einer oder mehreren RELATIONEN zu anderen Konzepten auftritt, z.B. „Zustand von", „Eigenschaft von" usw. (vgl. V.26). Diese Relationen bilden die VERBINDUNG (engl, „linkage"), die den Stellenwert jedes Konzeptes eingrenzt. 5. Wenn Konzepte wirklich verschiedene Wissenselemente je nach den Bedingungen ihrer Aktivierung einschließen können, so sind sie keinesfalls primitive, monolithische Einheiten. Vielmehr müssen Konzepte Bestandteile enthalten, die selbst wieder durch eine besondere STÄRKE der VERBINDUNG zusammengehalten werden. Bestandteile, die für die Identität eines Konzeptes wesentlich sind, bilden DETERMINIERENDES Wissen (z.B. daß alle Menschen sterblich sind). Bestandteile, die in den meisten, aber nicht in allen Fällen der Verwendung eines Konzeptes zutreffen, bilden TYPISCHES Wissen (z.B. daß Menschen gewöhnlich in Gemeinschaft leben, also nach Aristoteles Gesellschaftstiere sind). Bestandteile, die wahllos zutreffen oder auch nicht, bilden ZUFÄLLIGES WISSEN (z.B. daß manche Menschen blond sind). 4 Aber auch diese Abstufung ist unscharf, wie Loftus und Loftus (1976: 134) gezeigt haben. Z.B. sind sehr wenige Bestandteile absolut determinierend: So sind Vögel, auch wenn sie nicht fliegen können oder wenn alle ihre Federn entfernt wurden, immer noch Vögel; Tische können die verschiedensten Formen und eine unterschiedliche Anzahl von Beinen haben usw. Oder als Labov (1973) die Grenzen untersuchte, die Versuchspersonen zwischen den Konzepten ,cup' (Schale), ,jar' (Krug) usw. zogen, wenn ihnen Gefäße verschiedener Formen zur Benennung 3
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Vgl. Rosch (1973); Kintsch (1977a: 2 9 2 f f ) . Ein wichtiger Beitrag der Theorie „unscharfer Mengen" (engl, „fuzzy set theory") liegt in der Behandlung unscharfer Begriffe (vgl. Zadeh, 1972, 1975, 1979; Eikmeyer & Rieser, 1979). Smith, Shoben & Rips (1974) verwenden in ähnlicher Weise die Termini „definierende Merkmale" (engl, „defining features") and „charakteristische Merkmale", obwohl sie auf einer mengentheoretischen statt einer netzwerktheoretischen Grundlage ihres Modells beharren (vgl. die Widerlegung bei Hollan, 1975). Rosch & Mervis (1975) machen sich dagegen fur die „Familienähnlichkeiten" stark, da „definierende Merkmale" oft schwer zu entdecken sind (vgl. V.18 und Anm. 23 zu diesem Kapitel).
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vorgelegt wurden, fand er nur eine begrenzte Übereinstimmung. Dennoch ist wahrscheinlich unsere Abstufung der Verbindungsstärke nötig, damit Konzepte operationalisiert werden können. Schließlich ist ein Konzept dazu da, Normal fälle abzudecken und nicht ausgefallene Gegenbeispiele, die jemand bei besonderen Gelegenheiten (wie z.B. Debatten von Philosophen) austüftelt. 6. Auch wenn Übereinstimmung darüber herrscht, daß Konzepte in kleinere grundlegende Einheiten zerlegt („decomposed") werden können, muß noch lange keine darüber bestehen, wie diese Einheiten aussehen sollten (vgl. le Ny, 1979).5 Sogar scheinbar einfache Fälle können in einem Gewirr unauflösbarer Debatten hängen bleiben. Z.B. sollte es ganz vernünftig sein, den Begriff ,töten' in .verursachen', ,werden', .nicht' und Je bendig' zu zerlegen; aber sogar hier herrscht ein heftiger Streit, und es gibt Texte, wo diese einfache Analyse völlig versagt, wie in den Versen Helenas: (83) Und töt' ich ihn nicht selbst, war ich doch Ursach', Daß solcher Tod ihn traf. (Shakespeare, Ende gut, alles gut, III,ii, 118f) Offensichtlich sind selbst die Bestandteile von Konzepten nicht ganz stabil, ob man sie nun „Merkmale", „Primitive", „Komponenten", „Seme", „Sememe" oder wie immer nennt. 6 7. Sogar wenn Übereinstimmung über die Einheiten, aus denen Konzepte bestehen, erreicht werden sollte, hätte man damit noch nicht bewiesen, daß die Zerlegung von Konzepten eine routinemäßige Tätigkeit der Textverarbeitung ist. Empirische Ergebnisse für solche Routinetätigkeiten sind im Augenblick noch gering (Kintsch, 1974: 242; J. Anderson, 1976: 74;HayesRoth & Hayes-Roth, 1977), und die ungelösten Fragen sind beunruhigend groß: Wie viele Einheiten braucht man für alle möglichen Konzepte? Kann man dieselbe Menge von Einheiten für Konzepte und für sprachliche Bedeutungen verwenden? Da der Zugang zur sprachlichen Bedeutung nur über sprachliche Ausdrücke erfolgt, wie werden Einheiten erworben? Wie kann 5
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Daß die anfänglichen Vorschläge zur semantischen Zerlegung bei Katz & Fodor (1963) unhaltbar sind, wurde oft dargelegt (vgl. Bolinger, 1965; Hörmann, 1976). Wir können uns des Verdachts nicht erwehren, daß jedes Unterfangen, Feststellungen über die Einheiten als solche zu treffen, aussichtslos ist; bestenfalls können wir uns auf Typen von Einheiten festlegen, z.B. „Eigenschaften". Siehe X.5 zu weiteren Folgerungen. Katz & Fodor (1963) benutzten die Termini „Merkmale" („features" bzw. „markers"); Wilks (1977a) „Primitive"; Greimas (1966) „Seme"; Koch (1971a) „Sememe". Vgl. einen allgemeinen Überblick in Schifko (1975); le Ny (1979).
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man die Einheiten definieren, ohne andauernd dieselben Arten von Ausdrücken oder Konzepten, die man zerlegen will, zu verwenden? Gibt es Einheiten, die man im Extremfall nur für ein einziges Konzept oder einen einzigen Ausdruck der gesamten Sprache braucht? 8. Vielleicht wäre es fruchtbar, in die andere Richtung vorzugehen: statt danach zu fragen, wie man Bedeutungen oder Konzepte in möglichst kleine Teile zerlegen kann, könnte man untersuchen, wie den sprachlichen Ausdrücken begrifflicher S i n n zugewiesen wird, und wie solche Sinne zu größeren Strukturen einer Τ e χ t w e 11 zusammengesetzt werden. Denn der Aufbau von Textwelten ist eine gut bezeugte Routinetätigkeit bei menschlicher Kommunikation. Wir versuchen dann weniger solche Fragen wie diejenigen von V. 7 a priori zu lösen als Fragen anzugehen, die man empirisch untersuchen kann (z.B. mittels Lesen und Nacherzählen von Texten, vgl. IX.24ff). Die Unschärfe und Unstabilität von Konzepten und ihrer möglichen Bestandteile sollte stetig abnehmen, wenn sie in immer bestimmteren Kommunikationskontexten auftreten. In dieser Perspektive kann man den Sinn eines sprachlichen Ausdrucks oder den Inhalt eines Konzeptes definieren als eine geordnete Menge von Hypothesen über den Zugriff und die Aktivierung kognitiver Elemente in einem gerade ablaufenden Muster. Um einen solchen Sinn oder Inhalt zu beschreiben, müßte man vom jeweiligen Punkt der Kommunikation innerhalb der Konfiguration von Konzepten und Relationen ausgehen und alle dort ansetzenden Pfade durchgehen (vgl. Quillian, 1966). 9. Das Studium sprachlicher Bedeutung gemäß diesem Ansatz ist das Anliegen einer ziemlich jungen Richtung der sog. PROZEDURALEN SEMANTIK (vgl. Winograd, 1976; Miller & John son-Laird, 1976; Johnson-Laird, 1977; Levesque, 1977; Schneider, 1978; Levesque & Mylopoulos, 1979). Anerkanntermaßen verlangt die Kommunikation neben DEKLARATIVEM Wissen (Aussagen über Tatsachen und Überzeugungen bezüglich der Organisation von Ereignissen und Situationen in der „realen Welt") auch PROZEDURALES Wissen (Tatsachen oder Überzeugungen in einem geeigneten Format für ganz bestimmte Gebrauchsweisen und Operationstypen) (vgl. Winograd, 1975; Bobrow & Winograd, 1977; Goldstein & Papert, 1977; Winston, 1977: 390ff). Bedeutung als Eigenschaft von Sprache in Texten ist nur ein besonderer Fall von Erwerb, Speicherung und Verwendung von Wissen in allen Arten von menschlicher Tätigkeit. Da Sprachgebrauch hochdifferenziert ist und durch soziales Übereinkommen gut geregelt wird, bietet dieser besondere Fall vielleicht den hoffnungsvollsten Zugang zum Allgemeinfall (vgl. X.7). 92
10. Wenn man sprachliche Ausdrücke kommunikativ verwendet, so AKTIVIERT man die entsprechenden Relationen und Konzepte in einem mentalen „Arbeitsraum", den wir nun AKTIVEN SPEICHER (des Gedächtnisses) nennen wollen (vgl. III.26;IV.2; V.4). George A. Miller (1956) zeigte, daß dieser Speicher auf ungefähr sieben gleichzeitig gespeicherte Einheiten beschränkt ist. Wie er bemerkte, ist der Wirkungsgrad eines solchen Speichers höher, wenn diese Einheiten wohlintegrierte Stücke (engl, „chunks") von Wissen wären anstatt einzelner, beziehungsloser Elemente. Folglich dürfte das der Textbenützung zugrundeliegende Wissen gewöhnlich in Form von GLOBALEN MUSTERN gestaltet sein, die nun in spezifisch angepaßter Form auf aktuelle Ausgaben (bei der Textproduktion) und Eingaben (bei Textrezeption) abgebildet werden (vgl. V.16). Die Schwierigkeit, unerwartete oder diskrepante Vorkommensfälle (vgl. VII.13) zu verarbeiten, entsteht vermutlich daraus, daß sie nicht als Teile wohlintegrierter gespeicherter Muster behandelt werden können, sondern einzeln im aktiven Speicher aufbewahrt werden müssen, bis sie eingepaßt werden können. 11. Diese Wissensmuster könnten sehr wohl je nach den Bedürfnissen der augenblicklichen Verarbeitungsaufgaben verschieden aussehen. Textrezipienten benutzen, wie wir annehmen, Muster für die Erstellung und Überprüfung von Hypothesen über den Haupt-TOPIK (vgl. V. 23) und die Organisation der Textwelt. Daher sollten sie Topik-Muster in größerem Maße benutzen als nebensächliche Muster (vgl. V.16). Eine weitere Skala regelt die unterschiedliche Bedeutung und Relevanz eines Textes für die S i t u a t i o n des Rezipienten: je höher diese beiden Faktoren, desto ausführlicher und gründlicher wird die Anwendung von Wissen (vgl. III.31). 12. Wenn eine Wissenseinheit aktiviert wird, so werden offenbar andere im Speicher eng verbundene Einheiten ebenfalls aktiv (obgleich vielleicht weniger aktiv als die ursprüngliche Einheit). Dieses Prinzip nennt man oft AKTIVIERUNGSVERBREITUNG (engl, „spreading activation") (s. Collins & Loftus, 1975); es vermittelt zwischen explizit aktivierten Konzepten oder Relationen und der Fülle an Details, die eine Textwelt aufnehmen kann. Bei der Produktion könnte Aktivierungsverbreitung nach außen von den Konzepten oder Relationen zu den sprachlichen Ausdrücken wirken, die vorzugsweise verwendet werden könnten (vgl. III.23). Bei der Rezeption ermöglicht es Aktivierungsverbreitung, ausführliche Assoziationen zu bilden, Voraussagen zu treffen, Hypothesen aufzustellen, gedankliche Vorstellungen zu entfalten usw., all dies freilich weit über die expliziten Aussagen des Oberflächentexts hinaus. DETERMINIERENDES und TYPISCHES WISSEN sollte bei 93
Aktivierungsverbreitung besonders wichtig sein (vgl. V.5), obwohl selbst ZUFÄLLIGES WISSEN u.U. einbezogen werden kann, wenn es sich in die Erfahrung des Textbenutzers stark genug eingeprägt hat. 13. Es bestehen offenkundig zwei unterschiedliche Prinzipien der Wissensspeicherung und -Verwendung. Zu ihrer Unterscheidung führte Endel Tulving (1972) die Termini EPISODENGEDÄCHTNIS (engl, „episodic memory") und SEMANTISCHES GEDÄCHTNIS (engl, „semantic memory") ein. Episodengedächtnis enthält die Erinnerungen an einige Erfahrungen (etwa ,was mir zugestoßen ist'); hingegen spiegelt semantisches Gedächtnis — zumindest in der ansprechendsten Bezeichnung dieses Terminus 7 — die inhärenten Muster der Wissensorganisation wider, d.h. die Strukturen von Ereignissen und Situationen (etwa ,was gilt für die Welt im allgemeinen und wie hängt alles miteinander zusammen?'). Natürlich münden die eigenen Erfahrungen andauernd in die allgemeinen Ansichten über die Welt, während diese wieder die Erfahrung mitorganisieren. Dennoch wird das episodische Wissen an den Kontext der spezifischen Umstände der jeweiligen Erfahrung stark gebunden sein und daher viele zufällige Züge enthalten. Dagegen wird semantisches Wissen vielmehr die allen Einzelfällen gemeinsamen Merkmale betonen. 14. Seit den vorsokratischen Philosophen Griechenlands ist über die relative Wichtigkeit der Erfahrung einerseits und der menschlichen Vernunftbegabung andererseits für den Wissenserwerb immer wieder heftig gestritten worden. Ob Konzepte unabhängig von den Einzelfällen ihres Auftretens existieren können (vgl. die platonischen Ideen) oder ob sie alle aus persönlicher Erfahrung abgeleitet werden müssen (wie Empiristen und Positivisten behaupteten), sind Fragen, die im Rahmen der üblichen Diskussionen vielleicht unlösbar sind. Jede Anschauung, die entweder die angeborene Vernunftbegabung des Menschen oder die Auswirkungen realer Erfahrung ganz leugnet, kann einer vorurteilslosen empirischen Untersuchung menschlichen Verhaltens schwerlich standhalten. Die Verwendung von Texten verlangt sicher dauernde Interaktionen und Kompromisse zwischen dem gerade dargebotenen Textmaterial und der vorausgehenden Disposition der Kommunikationsteilnehmer unter solchen Bedingungen, die zwar anpassungsfähig und variabel, aber keineswegs unsystematisch sind (vgl. die Diskussion in IX.37ff). 15. Gemäß dem prozeduralen Ansatz sollen sich Argumente für oder gegen 7
Zu einigen ungünstigen Verwendungen dieses Terminus vgl. Schänk (1975a); Kintsch (1979b). Der Terminus „Konzeptgedächtnis" (d.h. „conceptual memory") könnte eher nützlich sein (vgl. Rieger, 1975; Beaugrande, 1980a).
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ein bestimmtes Wissensmodell vorwiegend mit menschlichen Tätigkeiten u n d Operationen befassen. Nehmen wir z.B. das Problem der ÖKONOMIE: Auf der einen Seite könnte jede Wissenseinheit nur einmal im System gespeichert sein, gleichgültig wieviele Wissenskonfigurationen diese Einheit enthalten würde. Folglich müßten entweder die Konfigurationen sehr dicht verschachtelt sein oder es müßte jede Konfiguration jedesmal, wenn sie benötigt wird, neu zusammengestellt werden. Diese Art von System würde eine sehr sparsame oder ökonomische SPEICHERUNG haben, aber einen großen Aufwand bei der SUCHE erfordern. Auf der anderen Seite könnten Einheiten r e d u n d a n t in jeder der Konfigurationen, in denen sie enthalten sind, gespeichert sein. Ein solches System würde bei der Suche sehr schnell vorankommen, aber viel Platz bei der Speicherung verschwenden. Wie Walter Kintsch (1977a: 2 9 0 f ) bemerkt, findet diese G e w i n n - V e r l u s t - R e l a t i o n zwischen Ökonomie der Speicherung und Ökonomie der Suche wahrscheinlich einen Kompromiß zwischen beiden oben geschilderten Extremen. Oft gebrauchte Konfigurationen werden wahrscheinlich trotz etwaiger Redundanz als ganzes gespeichert; selten gebrauchte Konfigurationen werden wohl erst, wenn eine Gelegenheit auftritt, durch die Suche nach den einzelnen Bestandteilen zusammengestellt. 16. Einige Typen von g l o b a l e n Mustern dürften wegen ihrer vielseitigen Brauchbarkeit als vollständige Stücke („chunks") gespeichert sein. FRAMES („Rahmen") sind globale Muster, die Alltagswissen über irgendein zentrales Konzept, wie z.B. »Geburtstagsfeiern', umfassen (vgl. Charniak, 1975b; Minsky, 1975; Winograd, 1975;Petöfi, 1976;Scragg, 1976;Metzing [Hrsg.], 1979). „Rahmen" („frames") geben an, was im Prinzip zusammengehört, aber nicht in welcher Reihenfolge die zusammengehörigen Dinge getan oder erwähnt werden sollen. SCHEMATA sind globale Muster von Ereignissen u n d Zuständen in geordneten Abfolgen, wobei die Hauptverbindungen in zeitlicher Nähe u n d Kausalität bestehen (vgl. Bartlett, 1932; Rumelhart, 1975, 1977b; Kintsch, 1977b; Mandler & Johnson, 1977; Rumelhart & Ortony, 1977; Spiro, 1977; Thorndyke, 1977; Kintsch & van Dijk, 1978; Beaugrande & Colby, 1979). Anders als ein „ R a h m e n " ist ein Schema immer als Reihenfolge so aufgestellt, daß Hypothesen gebildet werden können, was in einer Textwelt als nächstes getan oder erwähnt werden wird. PLÄNE sind globale Muster von Ereignissen u n d Zuständen, die zu einem beabsichtigten ZIEL führen (vgl. Sussman, 1973; Abelson, 1975; Rehbein, 1977; Schänk & Abelson, 1977; Sacerdoti, 1977; Wilensky, 1978, 1980; Cohen, 1978; McCalla, 1978; Allen, 1979; Beaugrande, 1979a, 1979b). Pläne
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unterscheiden sich dadurch von Schemata, daß ein Planer (z.B. ein Textproduzent) alle Elemente danach beurteilt, ob sie das Ziel näherbringen. SKRIPTS sind stabilisierte Pläne, die häufig abgerufen werden, um die Rollen und die erwarteten Handlungen der Kommunikationsteilnehmer zu bestimmen (vgl. Schänk & Abelson, 1977;Cullingford, 1978;McCalla, 1978). Skripts unterscheiden sich also dadurch von Plänen, daß sie eine im voraus festgesetzte Routine haben (vgl. aber Kintsch, 1981). Die Wichtigkeit all dieser globalen Muster wurde beim P r o z e d u r a η s c h 1 u ß der Textproduktion und der Textrezeption erkannt, besonders bei Fragen, wie z.B. ein Topik entwickelt werden kann (in „frames"), wie eine Ereignisfolge abläuft (in Schemata), wie Textbenutzer oder Figuren in Dramen, Romanen usw. ihre Ziele verfolgen (durch Pläne), wie alltägliche Situationen so eingerichtet werden, daß bestimmte Texte im geeigneten Augenblick dargeboten werden können (durch Skripts). Verschiedene Sorten von Mustern mögen dasselbe grundlegende Wissen, aber mit verschiedener Perspektive enthalten, z.B. ein „Rahmen" für die »Struktur eines Hauses' gegenüber dem Plan ,ein Haus zu bauen'. Globale Muster verringern im Vergleich zu lokalen Mustern stark die Komplexität der Verarbeitung und gestatten es, viel mehr Material gleichzeitig im aktiven Speicher zu lagern. Dafür werden wir später Beispiele geben.8 17. Ein weiteres Problem prozeduraler Wissensmodelle ist die VERERBUNG (engl, „inheritance"), d.h. die Übertragung von Wissen zwischen Einheiten derselben oder ähnlicher Typen oder Subtypen (vgl. Fahlman, 1977; Hayes, 1977; Brachman, 1978;.Levesque & Mylopoulos, 1979). Wenigstens drei Arten von Vererbung seien erwähnt: 1) Ein REPRÄSENTANT (engl, „instance") kann alle Eigenschaften seiner Klasse9 erben, außer wenn sie explizit GETILGT (engl, „cancelled") werden (Fahlman, 1977). Wir nehmen z.B. an — um ein beliebtes Beispiel von Walter Kintsch zu übernehmen — daß Napoleon Zehen hatte, obwohl uns dies niemand (außer Kintsch) mitgeteilt hat (nicht einmal sein 8 9
Vgl. V l . l l - 2 0 ; V I I . 3 8 ; I X . 2 5 - 2 8 . Eine „Klasse" (engl, „class") ist eine Gruppe von Einheiten, die bestimmte Eigenschaften gemeinsam haben, während eine „Menge" (engl, „set") einfach durch die Zugehörigkeit ihrer Elemente (engl, „members") definiert werden („geordnete Mengen" dazu noch durch die Anordnung der in ihr zusammengefaßten Elemente). Die Mengenlehre wurde (z.B. von Smith et al., 1974) zur Grundlage der Bedeutungslehre erklärt, aber möglicherweise übergeht sie die wirklich grundlegende Frage, statt sie zu lösen, nämlich: Welche Klassifikationsverfahren werden verwendet, um Mengen überhaupt einmal zu bilden?
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Kammerdiener Constant in seinen Memoiren); aber wir werden in dieser Annahme nicht fehlgehen, weil Napoleon ein Repräsentant der Klasse Renschen' ist. Hätte er keine Zehen gehabt, so gäbe es sicher wenigstens eine anekdotische Uberlieferung, um unsere Annahme zu tilgen. 2) UNTERKLASSEN erben von OBERKLASSEN nur jene Eigenschaften, die die nähere Bestimmung (SPEZIFIZIERUNG) der Unterklassen erlaubt. Z.B. unterscheidet sich die Unterklasse der ,Strauße' von der Oberklasse ,Vögel· dadurch, daß ein Strauß nicht fliegen, dafür aber äußerst schnell laufen kann. 3) Einheiten können von anderen Einheiten erben, mit denen sie in einem ANALOGIE-Verhältnis stehen, d.h. diese Klassen von Einheiten sind verschieden, aber in gewisser, verwertbarer Hinsicht vergleichbar. Z.B. treffen zur Zeit Forscher in der kognitiven Wissenschaft und in der künstlichen Intelligenz Annahmen über das menschliche Denken durch Analogie mit dem Computer (vgl. X.26ff). Ohne behaupten zu wollen, daß menschliches Denken und Computerprozesse dasselbe sind, können wir doch vergleichbare Eigenschaften entdecken, die beim Aufbau komplexer Modelle der Erkenntnis nützlich sind. 18. „Vererbung" hat mit den in V.15 angeschnittenen Fragen der Ö k o n o m i e zu tun. Wenn das Wissen über Klassen und ihre Repräsentanten Unterund Oberklassen oder Analogien in scharfen Hierarchien gespeichert wäre, sollten Voraussagen über die Zeitspanne möglich sein, die für den Zugriff zu bestimmten Fakten nötig ist. Z.B. sollte eine Versuchsperson längere Zeit brauchen, um über das Beispiel (84a) das Urteil „wahr" oder „falsch" zu fällen als über das Beispiel (84b): (84a) Ein Huhn ist ein Tier. (84b) Ein Huhn ist ein Vogel. Denn die Oberklasse ,Tier' steht in der Hierarchie höher als deren Unterklasse ,Vogel· und daher würde die Verbindung von ,Huhn' und ,Tier' einen Schritt mehr erfordern als die Verbindung von ,Huhn' und ,Vogel·. Versuche, diese Voraussagen zu bestätigen, sind jedoch unbefriedigend verlaufen (vgl. Collins & Quillian, 1972). So wurde der folgende Satz (84c) Ein Rotkehlchen ist ein Vogel, regelmäßig schneller als ein wahrer Satz beurteilt als (84b), obwohl ,Huhn' und ,Rotkehlchen' auf derselben Hierarchie-Stufe stehen sollten. Smith, Shoben und Rips (1974) erklären dieses Ergebnis durch die Annahme von „Merkmalen" als grundlegenden Bestandteilen von Begriffen wie ,Vogel·: je determinierender und typischer die Merkmale (vgl. V.5) eines Repräsentanten oder einer Unterklasse sind, desto schneller wurden diese als Elemente einer Klasse 97
oder Oberklasse erkannt. Nun sind .Rotkehlchen', weil sie gut fliegen und singen, also typische Merkmale von Vögeln haben, leichter der Klasse ,'Vögel' zuzuordnen als .Hühner', für die beide Merkmale nicht zutreffen. In ganz ähnlicher Weise sind Versuchspersonen eher geneigt den Satz (84d) als den Satz (84e) fehlerhaft als wahren Satz zu bewerten. (84d) Eine Fledermaus ist ein Vogel. (84e) Ein Stein ist ein Vogel. Denn ,Vogel· und .Fledermaus' stehen in Analogie zueinander, weil beide .fliegen können'. Rosch und Mervis (1975) argumentieren hingegen, daß eher Familienähnlichkeiten als definierende Merkmale fur diese Versuchsergebnisse verantwortlich zu machen sind, weil es in vielen Fällen äußerst schwierig zu entscheiden ist, welche Merkmale jedes Element einer Klasse haben muß (vgl. die Beispiele in V.5). 19. Es ist leicht nachzuweisen, daß eine gegenseitige Abhängigkeit unter allen oben skizzierten Gedankengängen besteht; wir meinen die Überlegungen zu: Aktivierung (V.4; V.10), Verbindungsstärke (V.5), Zerlegung (V.6-7), Aktivierungsverbreitung (V.12), episodisches bzw. semantisches Gedächtnis (V.13), Ökonomie (V. 15), globale Muster (V.16) und Vererbung (V.17-18). Alle müssen sie nach dem (jeweils angenommenen) Format der grundlegenden Wissenseinheiten und -Operationen behandelt werden. Ein sehr simples, begrenztes Modell könnte die Versuchsergebnisse über die Beurteilung von Sätzen wie (84a) bis (84e) in sich fassen und doch sehr wenig über das Hauptproblem aussagen (Kintsch, 1979b). Für dieses Ungleichgewicht ist der Versuch bezeichnend, ein straff organisiertes „Lexikon" (oder „Wörterbuch") von Wörtern oder Begriffen vom ungeheuer großen und ungeordneten Irrgarten einer,,Enzyklopädie" von Weltwissen reinlich zu trennen (vgl. Smith, 1978). Kintsch (1979b) weist jedoch daraufhin, daß eine solche Trennung eine Arbeitshypothese darstellt, die die Entwicklung von wirklich erklärungskräftigen, allgemeinen Modellen behindert und letztlich doch angesichts des umfassenderen Bereichs realer Daten zusammenbricht. 20. Daraus können einige grundsätzliche Konsequenzen gezogen werden: Erstens sollten wir nicht versuchen, Sprache von allem anderen abzutrennen, sondern nach Modellen streben, in denen man den Gebrauch von Sprache in Texten in ähnlicher Form wie perzeptive und kognitive Prozesse im allgemeinen erklären kann (vgl. Minsky, 1975; Miller & Johnson-Laird, 1976; Rumelhart, 1977a; Kintsch, 1977a, 1980; Beaugrande, 1980a). Selbsteinschränkungen der Forschung, die alle Probleme auf Zeitunterschiede bei der Durchführung unrealistischer Aufgaben (einschließlich der in V.18 98
beschriebenen Satzbeurteilungen) reduzieren, laufen dem Hauptantrieb eines solchen Unternehmens zuwider. Wir müssen vielmehr eine Typenvielfalt von Experimenten anstreben, unter denen die alltägliche Textverwendung eine führende Rolle spielen muß (Beaugrande, 1980b). 21. Eine zweite Konsequenz: Die seit Aristoteles immer wieder festzustellenden Bestrebungen, die Erforschung von Text und Wissen in den Rahmen der Logik einzuschließen, sind möglicherweise fehl am Platz. Besser wäre es, umgekehrt zunächst gesellschaftswissenschaftlich plausible Modelle zu erstellen und erst dann Logiktypen als Grundlage brauchbarer Formalismen zu suchen (vgl. Petöfi, 1978: 44f). Menschen sind offensichtlich zu verwickelten Gedankengängen fähig, die die traditionelle Logik schlicht nicht erklären kann: übereilte Schlüsse oder subjektive Analogien zu ziehen, oder sogar ohne spezifisches Wissen zu urteilen (Collins, 1978) 9a Z.B.: Wenn man sich einem möglichen Tatbestand gegenübersieht, könnte man sich sagen: „Wenn dies wahr wäre, dann sollte ich es doch wissen; da ich es nicht weiß, ist es wahrscheinlich falsch" — d.i. die von Collins beschriebene Inferenz bei Nichtwissen. Das entscheidende Kriterium ist hier nicht, daß ein solches Verfahren logisch nicht stichhaltig ist, sondern daß es im Alltagsleben recht gut funktioniert. 22. Eine dritte Konsequenz: Wie wir schon in V.8 betont haben, sprechen Wissen und Bedeutung sehr stark auf die K o n t e x t e ihrer Verwendung an. Einige Folgen davon wollen wir anhand eines möglichen Modells der Textkohärenz verfolgen. Grundsätzlich kann das Verbinden von aktivierten Konzepten und Relationen als PROBLEMLÖSUNG im Sinne von III. 17 angesehen werden. Wenn einige unscharfe, unbeständige Einheiten von Sinn und Inhalt vorgegeben sind, so müssen Textbenutzer eine Konfiguration von Pfaden zwischen ihnen aufbauen, um eine TEXTWELT zu schaffen (V.2). Nur gewisse Eigenschaften oder „Merkmale" der betroffenen Konzepte sind für diese Operationen jeweils notwendig und relevant. Verfahren wie Zerlegung, Aktivierungsverbreitung, Inferenzziehung und Vererbung werden in Übereinstimmung mit den laufenden Verarbeitungsbedingungen durchgeführt. Die Hauptfrage ist dabei, wie diese Bedingungen klassifiziert und systematisiert werden sollen (und nicht, wie man beweisen kann, daß alle Textbenutzer immer dasselbe tun). Gemäß dieser Fragestellung könnten wir fragen: Wie holen Textrezipienten den Inhalt aus einem Text heraus und wie organisieren sie ihn für Speicherung und Erinnerung? Welche Faktoren der Interaktion 9a Vgl. den von der Logik abgelehnten Schluß der „Abduktion", den der große Semiotiker und Philosoph Peirce (1965) als das gewöhnliche Schlußverfahren des Menschen bezeichnet hat, nämlich von einem Einzelfall auf seine Erklärung.
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zwischen Textwissen und Vorwissen sowie Disposition der Textrezipienten beeinflussen diese Tätigkeiten? Welche Regelmäßigkeiten und Verallgemeinerungen kann man entdecken, wenn man solche Faktoren wie den Stil des Oberflächentexts oder die intendierte Textrezipientengruppe gezielt variiert? Welches ist die Rolle der Erwartungen von Textproduzenten und Textrezipienten? 23. Ein erster Schritt zur Erforschung dieser und ähnlicher Probleme ist es, für die Textkohärenz eine grundlegende Repräsentation zu finden. Wir werden einen möglichen Weg empfehlen, der unseren Vorschlägen zu einem prozeduralen Syntaxmodell (IV.5—10) gleicht. Wir werden Kohärenz als das Ergebnis einer Verbindung von Konzepten und Relationen zu einem NETZ betrachten, das aus WISSENSRÄUMEN mit den Haupt-TOPIKS in deren Mittelpunkt zusammengesetzt ist. Unser Beispieltext wird der ,Raketen'-Text (4) aus 1.1 sein, der bereits in unserer kurzen Besprechung der Kohäsion (IV.7ff; IV.24; IV.29) sowie in früheren Untersuchungen 10 verwendet wurde. 24. Bevor wir uns dem Text selbst zuwenden (V.29), sollten wir die Anforderungen an eine Repräsentation für die Textverarbeitung bedenken. Wir werden uns dabei mehr auf die Textrezeption als auf die Textproduktion konzentrieren, obwohl zweifellos Ähnlichkeiten zwischen beiden Operationen bestehen (vgl. III.29). Kohärenz wird einer Textstrecke nach den in III.29ff vorgeschlagenen Richtlinien zugewiesen: Der Oberflächentext wird in eine Struktur GRAMMATISCHER ABHÄNGIGKEITEN ANALYSIERT (wie in I V . 5 - 1 0 geschildert). Die Oberflächenausdrücke werden zugleich als Schlüsselreize für die AKTIVIERUNG von Konzepten genommen (V.4; V.10). Diese Phase kann kein einfaches Nachschlagen in einem mentalen „Wörterbuch" sein (vgl. V.19). Vielmehr funktionieren Konzepte als Schritte beim Aufbau einer S i n n - K o n t i n u i t ä t (V. 2), wobei der dazu nötige Verarbeitungsaufwand jeweils den Anforderungen und Zweckmäßigkeiten dieser Aufgabe entspricht. Besonders die Suche nach STEUERUNGSMITTELPUNKTEN, d.h. strategisch günstigen Punkten für Zugriff und Verarbeitung, steht im Vordergrund. 25. Die wahrscheinlichsten Kandidaten für Steuerungsmittelpunkte können PRIMÄRKONZEPTE genannt werden: 10 Vgl. McCall & Crabbs (1961); Miller & Coleman (1964); Aquino (1969); Kintsch & Vipond (1979); Beaugrande (1979f, 1980a, 1980b). Zu einer Behandlung in Form von komputistischer Logik vgl. Simmons & Chester (1979).
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(a) OBJEKTE: begriffliche Entitäten mit stabiler Beschaffenheit und Identität; (b) SITUATIONEN: Konfigurationen von aufeinander bezogenen Objekten in ihren gegenwärtigen Zuständen; (c) EREIGNISSE (engl, „events"): Vorkommensfälle, die eine Situation oder einen Zustand innerhalb einer Situation ändern; (d) HANDLUNGEN (engl, „actions"): Ereignisse, die ein Agens mit Absicht herbeiführt. 11 26. Alle anderen Begriffe finden in einer Typologie von SEKUNDÄRKONZEPTEN Platz. Die folgende Menge von Sekundärbegriffen stammt aus Beaugrande (1980a), wo eine ausführlichere Rechtfertigung geboten wird: (a) ZUSTAND (engl, „state"): die gegenwärtigen, nicht unbedingt typischen Umstände einer Entität; (b) AGENS: die kraftbesitzende Entität, die eine Handlung durchführt und so eine Situation ändert (vgl. V.25 (d)); (c) HANDLUNGSGEGENSTAND (engl, „affected entity"): die Entität, deren Situation durch ein Ereignis oder eine Handlung verändert wird, in der sie weder Agens noch Instrument ist; (d) RELATION: eine Restkategorie für übriggebliebene Detailbeziehungen wie ,Mutter-Kind-Beziehung',,Vorgesetzter-Untergebener' usw. 12 (e) EIGENSCHAFT (engl, „attribute"): ein charakteristischer Umstand einer Entität (vgl. „Zustand"); ( f ) LOKALISIERUNG (engl, „location"): räumliche Lage einer Entität; (g) ZEIT (engl, „time"): zeitliche Lage einer Situation (Zustand) oder eines Ereignisses (vgl. 1.10); (h) BEWEGUNG (engl, „motion"): Ortsveränderung; (i) INSTRUMENT: ein Objekt ohne eigene Absicht, das die Mittel für ein Ereignis bereitstellt; (j) FORM: Gestalt, Umriß, usw.; (k) TEIL (engl, „part"): Bestandteil oder Glied einer Entität; (1) SUBSTANZ: Materialien, aus denen eine Einheit zusammengesetzt ist; (m) ENTHALTENSEIN (engl, „containment"): die Lokalisierung einer Entität innerhalb einer anderen, aber weder als Teil noch als Substanz; (n) URSACHE (engl, „cause"): s. 1.7; 11 Klaierweise werden Objekte durch „Situationen" umfaßt, „Handlungen" durch „Ereignisse"; wir sprechen daher gewöhnlich von „Situationen und Ereignissen" als eine Gesamtbezeichnung für Primärkonzepte und ihre Organisation. 12 Bis jetzt konnten wir ohne diese vage Restkategorie auskommen, vgl. Anm. 21 zu diesem Kapitel.
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(ο) (ρ) (q) (r)
ERMÖGLICHUNG (engl, „enablement"): s. 1.7; GRUND (engl, „reason"): s. 1.8; ZWECK (engl, „purpose"): s. 1.9; APPERZEPTION: Operationen von mit Sinnesorganen ausgestatteten Entitäten, während derer diese Sinnesorgane Wissen aufnehmen; 123 (s) KOGNITION: Speicherung, Organisation und Gebrauch von Wissen durch eine mit Sinnesorganen ausgestattete Entität; (t) EMOTION: ein bezüglich Erlebnis oder Bewertung nicht-neutraler Zustand einer mit Sinnesorganen ausgestatteten Entität; (u) WOLLEN (engl, „volition"): Willens- oder Wunschtätigkeit einer mit Sinnesorganen ausgestatteten Entität; (v) ERKENNUNG (engl, „recognition"): erfolgreiche Abbildung von Apperzeption auf frühere Kognition und umgekehrt; (w) KOMMUNIKATION: Tätigkeit des Ausdrucks und der Übermittlung von Kognition durch eine mit Sinnesorganen ausgestattete Entität; (x) BESITZRELATION (engl, „possession"): Beziehung, bei der über eine mit Sinnesorganen ausgestattete Entität die Annahme (einschließlich Selbstannahme) eines Eigentums oder einer Herrschaft über eine andere Entität besteht; (y) REPRÄSENTANT (engl, „instance"): ein Element einer Klasse, das alle nicht-getilgten Eigenschaften dieser Klasse ererbt (vgl. V.17); (z) SPEZIFIZIERUNG (oder „nähere Bestimmung", engl, „specification"): Beziehung zwischen einer Oberklasse und einer Unterklasse mit einer Angabe der besonderen Eigenschaften der letzteren (vgl. V.17); (aa) QUANTITÄT: ein Konzept aus den Bereichen Zahl, Ausmaß, Abstufung oder Meßgröße ;13 (bb) MODALITÄT: ein Konzept aus den Bereichen Notwendigkeit, Wahrscheinlichkeit, Möglichkeit, Zulässigkeit, Verpflichtung oder deren Gegensätzen; (cc) SIGNIFIKANZ: eme einer Entität zugewiesene symbolische Bedeutung; (dd)WERT (engl, „value"): relative Einschätzung einer Entität gegenüber vergleichbaren Entitäten; (ee) ÄQUIVALENZ: Gleichheit, Ähnlichkeit, Entsprechung u.dgl.; ( f f ) GEGENSATZ (engl, „opposition"): das Gegenteil von Äquivalenz; (gg) KOREFERENZ: Beziehung, bei der verschiedene Ausdrücke dieselbe 12a Der Terminus „Apperzeption" anstelle von „Perzeption" soll besonders darauf hinweisen, daß die Wahrnehmung immer durch die Weltmodelle des Wahrnehmenden beeinflußt wird. 13 Es könnte sehr wohl in zukünftiger Forschung angebracht sein diese Kategorie in „Zahlausdrücke" und „Meßgrößen" unterzuteilen.
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Entität (oder Struktur von Entitäten) derselben Textwelt aktiviert (vgl. IV.21); (hh)REKURRENZ: die Beziehung, bei der derselbe Ausdruck ein Konzept neuerlich aktiviert, aber nicht notwendigerweise mit derselben Referenz auf eine Entität oder mit demselben Sinn (vgl. IV. 12-15). 1 4 27. Die meisten dieser Begriffstypen sind aus „Kasusgrammatiken" 15 bekannt, welche grammatische Beziehungen nach der Organisation von Ereignissen und Situationen klassifizieren (vgl. Fillmore, 1968, 1977; Chafe, 1970; Grimes, 1975; Longacre, 1976; Frederiksen, 1977; Abraham, 1978). Bei einem gewissen Punkt neigen diese Schemata dazu, in außersprachliche Klassifikationen von Wissen und seiner Organisation überzugehen (vgl. Kintsch, 1974; Charniak, 1975a; Schänk et al., 1975 ; Woods, 1975;Wilks, 1977b). Wir gliedern hier weitere Konzepte ein und zwar aus mentalen Operationen (Apperzeption, Kognition, Emotion, Kommunikation, Besitzrelation), Klasseninklusion (Repräsentant, nähere Bestimmung), ferner aus Bedeutungssystemen (Quantität, Modalität, Signifikanz, Wert, Äquivalenz, Gegensatz, Koreferenz, Rekurrenz). Wir behaupten keineswegs, daß diese Klassifikation erschöpfend oder vollkommen sei. Sie hat sich aber gerade für die Benennung von Verbindungen zwischen Konzepten nützlich gezeigt, z.B. daß ein Konzept der „Zustand" oder der „Agens" eines anderen ist usw.; schließlich können wir damit kombinatorisch die Konzepte anderer bisher aufgestellter Klassifikationen „einfangen". Natürlich kann man mehr oder weniger detaillierte Klassifikationen als unsere ohne Schwierigkeiten anwenden.16
14 In den meisten Fällen gibt es keinen besonderen Bedarf, „Koreferenz" und „Rekurrenz" in Textwelt-Modelle einzubeziehen, weil die fraglichen Knoten gewöhnlich ohnedies verschmolzen sind. Aber es mag nützlich sein diese Beziehungen zu kennzeichnen, wenn man Faktoren wie die Wirkung von Wiederholung und Variation in Oberflächenstruktur bei Verarbeitung und Erinnerung erforscht. Siehe Anm. 19 zu diesem Kapitel. 15 Der Begriff „Kasus" stammt aus Sprachen (Altgriechisch, Latein, Sanskrit), die die Rolle der Nomina in Phrasenstrukturen an der Oberfläche durch Flexion kennzeichnen. Oft gab es keine einheitlichen begrifflichen Kriterien für alle Gebrauchsweisen eines einzelnen grammatikalischen Kasus. Filimores ursprünglicher Begriff bestand (für Sprachen wie Englisch) darin, daß „Kasus" „zugrundeliegende" Merkmale von Nomina in Sätzen sind. Zu Filimores neuen Anschauungen vgl. Fillmore (1977). 16 Gewöhnlich haben linguistische Klassifikationen (z.B. Fillmore, 1968; Chafe, 1970; Longacre, 1976) weniger Kategorien als die unsere, diejenigen in der künstlichen Intelligenz mehr (z.B. Wilks, 1977a).
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28. Zusätzlich zu einer Klassifikation von Konzepten für die Benennung von Verbindungen, könnten wir eine Menge von OPERATOREN konstruieren, die den Status der Verbindung noch genauer bestimmen. Z.B. könnten wir Operatoren für die VERBINDUNGSSTÄRKE im Sinn von V.5 einführen: (a) ein DETERMINIERTHEITS-Operator [δ] für Bestandteile des Weltwissens, die für die Identität eines Konzepts notwendig sind (vgl. V.39); (b) ein TYPISCHKEITS-Operator [τ] (engl, „typicalness operator") für häufige, aber nicht notwendige Bestandteile. Außerdem könnten wir Operatoren für Verbindungen einführen, die G r e n z e n enthalten: (a) ein ANFANGS-Operator [t] (engl, „initiation operator") für eine Entität, die gerade erst geschaffen oder durchgeführt wird;(b) ein ABSCHLUSS-Operator [ t ] (engl, „termination operator") für das Gegenteil ;(c) ein EIN GANGSOPER ATOR [e] (engl, „entry operator") für eine Entität, die von selbst neu auftritt; und (d) ein AUSGANGSOPERATOR [χ] (engl, „exit operator") für das Gegenteil. Schließlich sind zwei Operatoren für die Behandlung von approximativer oder nicht-realer Verbindung: (a) der APPROXIMATIONS-Operator [π] (engl, „proximity operator") für vermittelte oder lockere Relationen (vgl. zur zeitlichen Nähe 1.10; zur lokalen Nähe und ungefähren Ursache V.36 usw.); (b) der PROJIZIERUNGS-Operator [p] (engl, „projection operator") für Relationen, die möglich, aber in der gegebenen Textwelt nicht wahr sind (vgl. IV.48). Um die Etiketten von Operatoren und von Verbindungen zu unterscheiden, verwenden wir hier für diese die beiden Anfangsbuchstaben der englischen Begriffsnamen (z.B. „ca" für „cause", „ti" für „time" usw.), hingegen griechische Buchstaben (die einem der ersten Buchstaben der englischen Bezeichnung entsprechen) für die Operatoren und verbinden sie durch das Zeichen ,,-r" mit den anderen Etiketten. 17 29. Motive und Anwendungen unserer oben vorgestellten Klassifikationen sollen vermittels einer Veranschaulichung durch den ,Raketen'-text klarer werden. Der erste Absatz lautet: 173 (4) (1.1) A great black and yellow V—2 rocket 46 feet long stood in a New Mexico desert. (1.2) Empty, it weighed five tons. (1.3) For fuel it carried eight tons of alcohol and liquid oxygen. Der STEUERUNGSMITTELPUNKT dieses Absatzes ist klarerweise das 17 Wir verwenden das Symbol „f" für „termination", um einen Unterschied zu „T" für „typisch" zu haben. 17a Eine deutsche Fassung des Textes wird in Kapitel IX.25ff gegeben und behandelt.
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Objektkonzept ,Rakete', dem die Eigenschaften ,groß', .schwarz', ,gelb', Jang'; die nähere Bestimmung ,V— 2' und der Zustand ,stand' mit seinen Lokalisierungen ,New Mexico',,Wüste' zugewiesen wird; die Eigenschaft Jang' hat die Quantitäten ,46' und ,Fuß' (vgl. Anm. 13 zu diesem Kapitel). Alle diese Konzeptrelationen können wir in ein Netz fugen wie in Abbildung 6. Verbindungsetiketten geben die Konzeptart an, die man erreicht, wenn man in den durch Pfeile angegebenen Richtungen vorgeht. long ( great yjzu»
Υ rockct J-
( k'ct ) q"
)
( New Mcxico )
( stand )
^
( desert )
Abb. 6*. at: Eigenschaft von; lo: Lokalisierung von; qu: Quantität von; sp: Spezifizierung von; st: Zustand von
Die Operationen sind mit denjenigen vergleichbar, die wir für die ÜBERGANGSNETZE in IV.5-10 geschildert haben. Der Verarbeiter geht von einem gegenwärtigen zum folgenden Zustand so vor, daß er die Art des zu erreichenden Knoten zu identifizieren versucht. Dabei werden Strategien der PROBLEMLÖSUNG (III. 17) angewendet, unterstützt von Aktivierungsverbreitung (V. 12), Inferenzziehung (V.32ff) und globalen Mustern (V.16). 30. Es ist wichtig das konzeptuelle Netz von Abbildung 6 mit dem grammatischen Netz von Abbildung 4 (in IV. 10) zu vergleichen. Obwohl wir in der Beschriftung von Abb. 6 noch immer englische Wörter verwenden, so stellen wir jetzt Konzepte und nicht mehr Oberflächenausdrücke dar. Es mag wünschenswert erscheinen, eine andersartige Darstellung zu haben, aber die Forscher sind derzeit offensichtlich nicht in der Lage, sich über eine Darstellungsform zu einigen. Man beachte, daß das allgemeine Muster beider Netze ähnlich ist; dies gilt etwa für die Z u g r i f f swege von einem Knoten zum anderen. Daher scheint es sinnvoll anzunehmen, daß die Textverarbeitung strukturelle Ähnlichkeiten verschiedener Ebenen, soweit vorteilhaft, gegenseitig auswertet (vgl. R. Bobrow, 1978; Walker et al., 1978; Woods & Brachman, 1978). Z.B. wird dabei eine Hypothese, daß grammatische Hauptelemente gewöhnlich Primärbegriffe sind, wohl oft genug bestätigt, um ihre allgemeine Anwendung zu rechtfertigen. Ähnlich könnte man vermuten, daß grammatische Modifikatoren für Eigenschaften,Zustände, Lokalisierungen usw. in einer bestimmten präferentiellen Reihenfolge stehen (zu Präferenzen vgl. III. 18), so wie es das Wesen des Primärkonzepts beim Steuerungsmittelpunkt Abkürzungen beziehen sich auf die englischen Konzeptbezeichnungen (s. S. 1 0 1 - 4 ) .
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angibt. Solche Hypothesen und Präferenzen könnten dazu dienen, die Ubergänge zwischen Knoten im Sinne von IV.5 zu ERWEITERN. Sooft es möglich ist, sollten Wechselbeziehungen zwischen der Entdeckung von grammatischen und von konzeptuellen Abhängigkeiten entstehen; oder diese Entdeckungsoperationen laufen eher parallel als in zwei getrennten Phasen ab. Allerdings gibt es wohl meistens eine ASYMMETRIE dazwischen (vgl. 111.18; III.25), weil das grammatische Inventar kleiner als das konzeptuelle ist. Mit anderen Worten: die Probleme der einen Ebene könnten mit Hilfe der leichter lösbaren oder schon gelösten Pfade der anderen Ebene behandelt werden. 31. Ein weiterer Unterschied zwischen den beiden oben besprochenen Netztypen ist die von ihnen dargestellte Text strecke. Es ist unwahrscheinlich, daß Textbenutzer grammatische Netze für ganze Texte (außer für sehr kurze) aufbauen würden.18 Das normale Verfahren baut grammatische Netze nur für eine Textstrecke auf, die bequem im aktiven Speicher behalten werden kann (IV.2), während das konzeptuelle Netz konstruiert wird; daher wurde hier nur das konzeptuelle Netz für den ganzen Text zusammengestellt. Der erste Absatz unseres ,Raketen'beispiels ergibt ohne weiteres einen kohärenten WISSENSRAUM - d.h. einen konzeptuellen MAKRO-Zustand, in dem die einzelnen Konzepte MIKRO-Zustände sind (vgl. IV.6) — denn das Konzept , Rakete' tritt als zentrale Entität in jeder Textstrecke auf. Daher verlangt die Hinzufügung von ,empty, it weighed five tons' und ,For fuel it carried eight tons of alcohol and liquid oxygen' nur den direkten Anschluß von weiterem Inhalt (z.B. Zuständen, Quantitäten, Inhalt, Substanzen usw.) an den bereits geschaffenen , Raketen'-knoten. Die Abbildungen 7a und b zeigen den Wissensraum zunächst mit getrennten Konfigurationen für satzlange Strecken, und dann als integrierte Einheit. Natürlich wird die Pro-Form ,it' sofort unterdrückt, weil ihr Inhalt vom Koreferenten ,Rakete' stammt. Möglicherweise wird ein 4t'-Knoten in solchen einfachen Fällen niemals erstellt, sondern das neue Material wird sofort mit dem passenden Knoten des Koreferenten verbunden.19 Auf diese Weise unterstützt Kohäsion Kohärenz (z.B. durch Pro-Formen). 32. Die Integrierung der zugrundeliegenden Konfiguration des zweiten Absatzes ist verwickelter: (4) (2.1) Everything was ready. (2.2) Scientists and generals withdrew to 18 Vgl. Anm. 14 zu Kapitel IV. 19 Wir verschmelzen nicht die beiden Vorkommensfälle von ,tons', obwohl wir vielleicht berechtigt wären es zu tun (vgl. Anm. 14 zu diesem Kapitel).
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( yellow)
(V-2)
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long )
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( lo
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( empty
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Ψ
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New Mcxico )
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tons ) — ^ ( " f i v c j
-( alcohol