Einführung in die Schematherapie aus psychodynamischer Sicht: Eine integrative, schulenübergreifende Konzeption [1 ed.] 9783666405747, 9783525405741


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Einführung in die Schematherapie aus psychodynamischer Sicht: Eine integrative, schulenübergreifende Konzeption [1 ed.]
 9783666405747, 9783525405741

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Stephan Bender

Einführung in die Schematherapie aus psychodynamischer Sicht Eine integrative, schulenübergreifende Konzeption

V

Herausgegeben von Franz Resch und Inge Seiffge-Krenke

Stephan Bender

Einführung in die Schematherapie aus psychodynamischer Sicht Eine integrative, schulenübergreifende Konzeption

Vandenhoeck & Ruprecht

Mit 3 Abbildungen und 1 Tabelle Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-666-40574-7 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de Umschlagabbildung: Paul Klee, Feuer bei Vollmond, 1933/INTERFOTO/A. Koch © 2017, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen / Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Satz: SchwabScantechnik, Göttingen

Inhalt

Vorwort zur Reihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Vorwort zum Band . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Teil A: Theorie: Schematherapeutisches Modell 1 Warum Schematherapie? Geschichte der Entstehung der Schematherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 1.1 Besonderheiten der Schematherapie im Vergleich zur kognitiven Verhaltenstherapie . . . . . . . . 14 1.2 Was kann Schematherapie nicht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2 Schematherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.1 Was sind Schemata? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.2 Wie entstehen Schemata? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 3 Das Moduskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3.1 Kindmodi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3.2 Maladaptive Bewältigungsmodi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3.3 Dysfunktionale Elternmodi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 3.4 Der gesunde Erwachsene, das altersangemessene Kind oder der altersangemessene Jugendliche . . . . . . . . . 37 4 Fallkonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 5 Situation in der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie

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Teil B: Wie funktioniert Schematherapie? Therapeutische Verfahren und Techniken 6 Phase eins: Diagnostik und Psychoedukation/Etablierung des Störungsmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 7 Phase zwei: Veränderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 7.1 Therapeutische Haltung, Beziehung zwischen Therapeut und Patient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 7.2 Allgemeiner Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 7.3 Kognitive Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 7.4 Emotionsfokussierte Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 7.5 Aufbrechen von Verhaltensmustern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 8 Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 8.1 Schematherapie mit Kindern und Jugendlichen . . . . . . . . 62 8.2 Schematherapie mit Erwachsenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 9 Evidenz, Wirksamkeit, Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

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Inhalt

Vorwort zur Reihe

Zielsetzung von PSYCHODYNAMIK KOMPAKT ist es, alle psychotherapeutisch Interessierten, die in verschiedenen Settings mit unterschiedlichen Klientengruppen arbeiten, zu aktuellen und wichtigen Fragestellungen anzusprechen. Die Reihe soll Diskussionsgrund­lagen liefern, den Forschungsstand aufarbeiten, Therapieerfahrungen vermitteln und neue Konzepte vorstellen: theoretisch fundiert, kurz, bündig und praxistauglich. Die Psychoanalyse hat nicht nur historisch beeindruckende Modellvorstellungen für das Verständnis und die psychotherapeutische Behandlung von Patienten hervorgebracht. In den letzten Jahren sind neue Entwicklungen hinzugekommen, die klassische Konzepte erweitern, ergänzen und für den therapeutischen Alltag fruchtbar machen. Psychodynamisch denken und handeln ist mehr und mehr in verschiedensten Berufsfeldern gefordert, nicht nur in den klassischen psychotherapeutischen Angeboten. Mit einer schlanken Handreichung von 60 bis 70 Seiten je Band kann sich der Leser schnell und kompetent zu den unterschiedlichen Themen auf den Stand bringen. Themenschwerpunkte sind unter anderem: ȤȤ Kernbegriffe und Konzepte wie zum Beispiel therapeutische Haltung und therapeutische Beziehung, Widerstand und Abwehr, Interventionsformen, Arbeitsbündnis, Übertragung und Gegenübertragung, Trauma, Mitgefühl und Achtsamkeit, Autonomie und Selbstbestimmung, Bindung. ȤȤ Neuere und integrative Konzepte und Behandlungsansätze wie zum Beispiel Übertragungsfokussierte Psychotherapie, Schematherapie, Mentalisierungsbasierte Therapie, Traumatherapie, internet7

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basierte Therapie, Psychotherapie und Pharmakotherapie, Verhaltenstherapie und psychodynamische Ansätze. Störungsbezogene Behandlungsansätze wie zum Beispiel Dissoziation und Traumatisierung, Persönlichkeitsstörungen, Essstörungen, Borderline-Störungen bei Männern, autistische Störungen, ADHS bei Frauen. Lösungen für Problemsituationen in Behandlungen wie zum Beispiel bei Beginn und Ende der Therapie, suizidalen Gefährdungen, Schweigen, Verweigern, Agieren, Therapieabbrüchen; Kunst als therapeutisches Medium, Symbolisierung und Kreativität, Umgang mit Grenzen. Arbeitsfelder jenseits klassischer Settings wie zum Beispiel Supervision, psychodynamische Beratung, Arbeit mit Flüchtlingen und Migranten, Psychotherapie im Alter, die Arbeit mit Angehörigen, Eltern, Gruppen, Eltern-Säuglings-Kleinkind-Psychotherapie. Berufsbild, Effektivität, Evaluation wie zum Beispiel zentrale Wirkprinzipien psychodynamischer Therapie, psychotherapeutische Identität, Psychotherapieforschung.

Alle Themen werden von ausgewiesenen Expertinnen und Experten bearbeitet. Die Bände enthalten Fallbeispiele und konkrete Umsetzungen für psychodynamisches Arbeiten. Ziel ist es, auch jenseits des therapeutischen Schulendenkens psychodynamische Konzepte verstehbar zu machen, deren Wirkprinzipien und Praxisfelder aufzuzeigen und damit für alle Therapeutinnen und Therapeuten eine gemeinsame Verständnisgrundlage zu schaffen, die den Dialog befördern kann. Franz Resch und Inge Seiffge-Krenke

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Vorwort zur Reihe

Vorwort zum Band

Die Schematherapie wurde aus der Denkwelt der kognitiven Verhaltenstherapie heraus entwickelt, da in der Praxis – gerade bei Patienten mit komplexen Störungen der Persönlichkeitsentwicklung – oft Schwierigkeiten auftraten, sich auf Therapieziele zu einigen, oder die Motivation und Mitarbeit der Patientinnen und Patienten sich als sehr unstet erwiesen. Schemata repräsentieren dabei stabile Reaktionsund Verhaltensmuster, die im Lebenslauf erworben wurden und aktuell als Störelemente die Gestaltung der therapeutischen Beziehung erschweren können. Die Schematherapie fokussiert also – anders als sonst in der Verhaltenstherapie üblich – explizit auf die therapeutische Beziehung und ihre Ausgestaltung. Ob die Schematherapie sich wirklich als »theoretischer Rahmen für die Integration verschiedener therapeutischer Ansätze« eignet, wird der Leser, die Leserin nach der Lektüre des Buches für sich selbst entscheiden können. Stephan Bender gibt eine gut verständliche Einführung in die zentralen Konzepte und theoretischen Annahmen der Schematherapie. Als Ausgangspunkt für die Entwicklung dysfunktionaler Schemata gelten unbefriedigte Grundbedürfnisse, die wiederum aus der Motivationspsychologie abgeleitet sind. Vier »toxische« Erfahrungen des Kindesalters werden beschrieben, aus denen 18 maladaptive Schemata abgeleitet werden. Die Schemata werden durch klinische Beispiele illustriert und auch kritisch beleuchtet. Da bei strukturschwachen Patienten oft mehrere Schemata gleichzeitig aktiviert sind, wurde der Begriff des »Modus« entwickelt, in dem unterschiedliche Schemata regelhaft zusammenwirken. Vier Arten von Modi werden hervorgehoben. Schließlich wird auf technische Einzelheiten und Vorgehens9

weisen im Rahmen der Schematherapie eingegangen. Ein eigener Abschnitt ist der therapeutischen Haltung gewidmet. Weiterführende Literatur und Daten zur Wirksamkeit beschließen das Buch. Franz Resch und Inge Seiffge-Krenke

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Vorwort zum Band

Einführung

Ziel dieses Buches ist es, für alle therapeutischen Professionen einen Überblick darüber zu bieten, ȤȤ worin die Schematherapie besteht, ȤȤ wie sie nicht nur im Erwachsenenbereich, sondern auch für Kinder und Jugendliche gewinnbringend eingesetzt werden kann und ȤȤ wie der schematherapeutische Ansatz nicht nur eine weitere Therapieschule darstellen kann, sondern sich als theoretischer Rahmen für die Integration verschiedener therapeutischer Ansätze, insbesondere der kognitiven Verhaltenstherapie und tiefenpsychologischer Verfahren, eignet. Dabei werden im Kinder- und Jugendlichenbereich auch systemische Aspekte berücksichtigt, und die Schematherapie beinhaltet darüber hinaus Elemente aus weiteren Verfahren, etwa der Gestalttherapie. Das Buch ist insbesondere für Personen geeignet, die aufgrund ihrer bisherigen Ausbildung einen Hintergrund in tiefenpsychologisch fundierten Therapieverfahren mitbringen und nun nach Möglichkeiten suchen, verhaltenstherapeutische Verfahren wissenschaftlich fundiert und nicht nur rein willkürlich elektiv in ihre Therapien zu integrieren. Selbstverständlich ist auch der umgekehrte Weg genauso gangbar, in einen verhaltenstherapeutischen Hintergrund Aspekte wie das Arbeiten mit der Biografie des Patienten oder die Arbeit mit der therapeutischen Beziehung verstärkt zu integrieren, die sonst überwiegend in der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie im Vordergrund stehen.

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Teil A: Theorie: Schematherapeutisches Modell

1 Warum Schematherapie? Geschichte der Entstehung der Schematherapie

Die kognitive Verhaltenstherapie hat sich für psychiatrische Störungen auf der ersten Achse des multiaxialen Klassifikationsschemas als effektiv erwiesen. Diese psychiatrischen Krankheitsbilder zeichnen sich durch einen im Idealfall klar umschriebenen Therapieauftrag aus (z. B. das Überwinden einer sozialen Phobie). Nach einer Aufklärung über das Krankheitsmodell wird ein Therapieplan schrittweise gemeinsam erarbeitet und umgesetzt. Probleme treten hingegen in der Behandlung von Persönlichkeits(entwicklungs)störungen auf. Die Schwierigkeiten bestehen vor allem bei mangelnder Motivation und Mitarbeit der Patientinnen und Patienten, wenn kein klar definiertes und konsequent durch den Patienten verfolgtes Therapieziel existiert, bei Schwierigkeiten in der therapeutischen Beziehung und wenn sich veränderungsresistente, situationsübergreifende stabile kognitive Muster in der sozialen Interaktion und emotionalen Verarbeitung zeigen. Vor diesem Hintergrund wurde die Schematherapie durch Jeffrey Young in Philadelphia aus der Schule der kognitiven Verhaltenstherapie (Aaron Beck) heraus entwickelt.

1.1 Besonderheiten der Schematherapie im Vergleich zur kognitiven Verhaltenstherapie Aus der kognitiven Verhaltenstherapie ist die Bedeutung automatischer Gedanken und Bewertungen gut bekannt. Schemata stellen eine Erweiterung dieser Konzepte dar und repräsentieren stabile Reaktionsmuster, die im Laufe des Lebens entstanden sind. Insofern wird 14

in der Schematherapie die Biografie der Patienten im Sinne des Verstehens der Entwicklung dieser Reaktionsmuster einbezogen. Weiterhin zeigen sich Parallelen zwischen aktiven Bewältigungsstrategien und aus der Tiefenpsychologie bekannten Ich-Funktionen sowie Abwehrmechanismen. Es werden imaginative Verfahren und andere emotionale Techniken eingesetzt, um Veränderungen hervorzurufen. Die therapeutische Beziehung tritt, anders als sonst bei der Verhaltenstherapie üblich, als ein wichtiger aktiv eingesetzter Faktor in der Therapie auf. Weiterhin werden Elemente aus der Bindungstheorie, systemischen Therapieansätzen und der Gestalttherapie einbezogen. In der Summe könnte man durchaus postulieren, dass die Schematherapie viele der klassischen tiefenpsychologischen Konzepte (z. B. psychisches Strukturmodell, Abwehrmechanismen, biografische Arbeit, durch Bedürfnisse entstehende intrapsychische Konflikte) sowie emotionale Techniken etwa aus der Gestalttherapie nutzt, um diese in Termini zu übersetzen, sodass sie in den Rahmen der kognitiven Psychologie und der kognitiven Verhaltenstherapie zu einem stimmigen Gesamtkonzept integriert werden können.

1.2  Was kann Schematherapie nicht? Schematherapie eignet sich nicht zur Therapie situationsbedingter Problematik, wenn die Ursache nicht in den Reaktionsmustern des Patienten, sondern in aktuell vorliegenden zu stark belastenden Umweltfaktoren zu suchen ist. Dann wäre es fatal, den Patienten selbst für seine Schwierigkeiten verantwortlich zu machen und dysfunktionale Interaktionsmuster zu suchen, anstatt die realen Probleme durch eine Veränderung der Situation zu lösen. Das ist vor allem für stark belastende familiäre Situationen bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen wichtig. Akute psychiatrische Achse-I-Störungen sollten behandelt werden, bevor weitere Symptome schematherapeutisch angegangen werden, wobei die Schematherapie zunehmend auch für die Behandlung von Warum Schematherapie?

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verschiedenen Achse-I-Störungen in verschiedenen Adaptationen eingesetzt wird. Wenn biologische Faktoren direkt zur Symptomausprägung führen (z. B. im Sinne von Eigenschaften aus dem Bereich des Autismusspektrums), ist klar zu differenzieren, dass hier die Ursache nicht in einer Reaktion auf mangelnde Bedürfnisbefriedigung, sondern direkt in der Verhaltensbiologie zu sehen ist. Im Gegensatz dazu sind allerdings die sekundären Probleme zu unterscheiden, die wiederum aus der biologisch bedingten konfliktbeladenen Eltern-Kind-Interaktion heraus zusätzlich auftreten können – auf dem Boden der rein biologisch bedingten initialen Symptomatik.

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Teil A: Theorie: Schematherapeutisches Modell

2 Schematherapie

2.1  Was sind Schemata? Schemata sind Kombinationen aus Gedächtnisspuren, Emotionen, Kognitionen und Körperempfindungen. Sie beziehen sich auf den Betreffenden und seine sozialen Interaktionen mit anderen Personen. Schemata entstehen in der Kindheit und Adoleszenz. Ursprünglich stellen sie eine adaptive Problemlösungsstrategie (»Abwehrmecha­ nismus«) dar, sind aber nun für das Hier und Jetzt dysfunktional geworden. Schemata basieren auf Grundannahmen über sich selbst, über andere und über zwischenmenschliche Beziehungen. Schemata bilden sich auf neuronaler Ebene aus und haben ein (hypothetisches) neuronales Korrelat in den Netzwerken im Gehirn unter Einbezug des limbischen Systems. Ein Reiz bzw. eine Auslösesituation aktiviert automatische Kognitionen, Erinnerungen und Bewertungen, die wiederum Emotionen und Körperreaktionen auslösen, die mit einem bestimmten Verhaltensmuster in sozialen Situationen verbunden sind, welche das Schema wiederum als selbsterfüllende Prophezeiung bekräftigen. Beispiel (Schema Verlassenheit/Instabilität): Ausgelöst durch das elterliche Verhalten einer instabilen Zuwendung mit einem unvorhersehbaren Wechsel zwischen Zuwendung und Alleinlassen, wird die automatische Kognition beim Patienten etabliert, dass er immer alles wieder rasch verlieren wird, sobald es ihm gut geht. Dies führt zur Aktivierung einer emotionalen Reaktion von 17

Eifersucht und Ängstlichkeit, die sich auch körperlich manifestieren kann. Jede soziale Situation, in der es dem Patienten gut geht, triggert eine ängstliche und eifersüchtige emotionale Reaktion, die eine erlernte stereotype soziale Interaktion auslöst, um den negativen Affekt zu begrenzen, zum Beispiel dass von vornherein nur Beziehungen zu Menschen gesucht werden, die schwer erreichbar sind, oder dass Freundschaften aus Eifersucht und Verlassensangst so kontrolliert geführt werden, dass am Ende jede Freundschaft tatsächlich mit dem Verlassenwerden endet, da die übersteigerte Kontrolle den Beziehungsabbruch selbst induziert (Schemabestätigung als selbsterfüllende Prophezeiung durch Induktion des befürchteten Verhaltens).

2.2  Wie entstehen Schemata? Ausgangspunkt für die Entwicklung von Schemata sind unbefriedigte Grundbedürfnisse. Diese Grundbedürfnisse erinnern an die psychodynamische Triebtheorie, werden in der Schematherapie jedoch aus der Motivationspsychologie abgeleitet. 2.2.1 Grundbedürfnisse Es werden fünf Grundbedürfnisse angenommen: 1. Sichere Bindung (Sicherheit, Akzeptanz, Zuwendung, Versorgung, Stabilität): Ein Kind möchte von seiner Umwelt zuverlässig beachtet werden, sich sicher und geborgen fühlen. Die Bezugspersonen stehen im benötigten Ausmaß zur Verfügung, das Kind ist gut integriert. 2. Autonomie (Kompetenz, Identität): Mit zunehmendem Alter möchte das Kind sich seiner eigenen Fähigkeiten/Kompetenzen und seiner von anderen Menschen unterschiedlichen Identität immer mehr bewusst werden und muss sich dafür von anderen Menschen auch abgrenzen (Was kann ich allein? Wer bin ich?). Diese Abgrenzung verhindert, sich von anderen als abhängig, schwach und diffus zu erleben. 18

Teil A: Theorie: Schematherapeutisches Modell

3. Freier Ausdruck von Emotionen: Eigene Gefühle müssen ausgedrückt und korrekt wahrgenommen werden, validierende Rückmeldungen machen dabei einen freien Ausdruck erst möglich. 4. Realistische Grenzen und Selbstkontrolle: Um nicht in eine verwöhnte, grenzenlose Anspruchshaltung zu verfallen und sich selbst gezielt steuern zu können, ist auch wichtig, dass nicht alle Wünsche erfüllt werden, sondern angemessene Grenzen gesetzt werden, sodass das Kind lernt, mit Frustrationen umzugehen und sein Verhalten kontrolliert zu steuern. 5. Spontaneität und Spiel: Kreativität und Raum zum spielerischen Ausdruck (im Gegensatz zur Regeleinhaltung und Selbstkontrolle) ergänzen die Bedürfnisliste. Diese Grundbedürfnisse können anhand zweier Achsen systematisiert werden: 1. soziale Integration und Bindung versus Individuation und Autonomie; 2. freier Ausdruck von Emotionen versus Selbstkontrolle und Grenzeinhaltung. Dabei scheinen die Konstrukte Spontaneität und Spiel und der freie Ausdruck von Emotionen verwandte Aspekte darzustellen (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Grundbedürfnisannahmen in der Schematherapie

Schematherapie

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Im Unterschied zu freudianischen Konzeptionen gibt es keinen Bezug zur Sexualität, Aggression oder Bezüge zu primären Bedürfnissen/ Trieben (Hunger, Durst), stattdessen wird auf soziale Bedürfnisse im Hinblick auf interpersonelle Interaktion (Grundbedürfnisachse 1) und die intrapsychische Selbstregulation (Grundbedürfnisachse 2) abgehoben. 2.2.2 Moderierender Faktor: Das Temperament des Kindes In Kindheitserfahrungen werden emotionale Kernbedürfnisse verletzt, nicht befriedigt. Die Schemata entstehen in der Interaktion zwischen Bedürfnis (entspricht dem psychodynamischen »Es«) und dem biologisch determinierten Temperament des Individuums, das versucht, die Probleme in Bezug auf die unbefriedigten Bedürfnisse zu bewältigen (entsprechend psychodynamischen Abwehrmechanismen und Ich-Funktionen). Die Erklärung erinnert somit an Abwehrmechanismen und Ich-Funktionen in der psychodynamischen Literatur, die darauf abzielen, Konflikte auf der Triebebene zu »lösen«. In Bezug auf die Reaktionsbereitschaft des Organismus versucht die Schematherapie den Einbezug der individuellen Psychologie und spricht von mehreren Temperamentsfaktoren: labil – nicht reaktiv, dysthym – optimistisch, ängstlich – ruhig, zwanghaft – ablenkbar, schüchtern – gesellig, reizbar – heiter etc. Dabei beinhaltet diese Liste einige überlappende Konstrukte und wurde für eine mangelnde Systematisierung kritisiert. 2.2.3  Toxische Erfahrungen Es gibt in der schematherapeutischen Theorie vier Arten von »toxischen« Erfahrungen in der Kindheit: 1. die Frustration oder Nichterfüllung eines Bedürfnisses, 2. Traumatisierung/Missbrauch/Misshandlung, 3. zu viel des Guten (im Sinne von überbehütenden oder verwöhnenden Eltern), 4. Identifizierung und Internalisierung von Elternanteilen (vgl. Über-Ich). 20

Teil A: Theorie: Schematherapeutisches Modell

Dies soll im Folgenden anhand eines Beispiels verdeutlicht werden: Ein Grundbedürfnis ist das Bedürfnis nach Zuwendung. Dieses Bedürfnis wurde bei Niklas durch wiederholte Nichterfüllung frustriert, da er kaum die Erfahrung machte, dass seine Eltern ihm Aufmerksamkeit schenkten. Sie fragten ihn nicht, wie es ihm ging; selbst wenn er mit seinem Spielzeugauto ankam und präsentierte, was er alles konnte, ging seine Mutter rasch wieder zu ihrer Arbeit über, »weil sich das Geld nicht von allein verdient«. Niklas sehnte sich danach, wahrgenommen zu werden und einen Spielpartner zu haben. Geschwister hatte Niklas nicht. Niklas stand nun vor der Wahl, die toxische Erfahrung der Nichterfüllung seines Grundbedürfnisses nach Zuwendung zu erdulden und »still zu leiden« und traurig zu werden. Alternativ dazu hätte Niklas Situationen dieser Art völlig vermeiden können und sich lieber eigenbrötlerisch mit Interessen beschäftigt, für die er niemand anderen brauchte. Niklas entschied sich aber, da er ein extrovertiertes Temperament hatte, gegen den Mangel an Zuwendung zu rebellieren, und probierte verschiedene Möglichkeiten dazu aus: Er holte sich Zuwendung darüber, dass seine Mutter sich aufregte, wenn er etwas angestellt hatte. Das funktionierte recht gut, so gewann er Kontrolle über das Ausmaß an Zuwendung, das er erhielt. Außerdem merkte er, dass er der Stärkste in seiner Klasse war, und setzte körperliche Gewalt gezielt ein, sodass er eine Stellung erhielt, in der die anderen Kinder auf ihn achten mussten (Überkompensation).

Man erkennt, dass durch Bedürfnisse, Umwelteinflüsse und die Reaktion des Kindes ein mächtiges Erklärungssystem entsteht, das alle denkbaren Konstellationen erfassen kann. Darin besteht eine Problematik des Modells, dass es im konkreten Behandlungsfall falsifizierbare konkrete Hypothesen braucht, Vorhersagen, die aus dem Erklärungsmodell abgeleitet werden, ansonsten bleibt die Erklärung im Modell ohne echte Konsequenz. Deshalb braucht es für jeden konkreten Behandlungsfall eine aus dem Modell abgeleitete Hypothese, die dadurch getestet wird, ob sie für den Patienten hilfreich ist, Schematherapie

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sich emotional vom Problemverhalten zu distanzieren und zukünftig effektiv andere Lösungen umzusetzen. Wenn im oben dargestellten Fall der Therapeut Niklas und seine Mutter empathisch damit konfrontiert, dass Niklas durch seine konsequenten Regelverstöße im Streit die Nähe provoziert, die er im harmonischen gemeinsamen Miteinander schmerzlich vermisst, und es gelingt, damit eine emotionale Reaktion auszulösen, sodass Niklas und seine Mutter ihre gegenseitigen Aggressionen und Vorwürfe begraben können und positive Spielzeiten wieder möglich werden, dann zeigt sich in den ausgelösten emotionalen Reaktionen und den Konsequenzen im Verhalten die Bestätigung der Hypothese, dass eine Auflösung des unbefriedigten Grundbedürfnisses bei Niklas zu einer Symptomreduktion (weniger Streit in der Familie) führt.

Würde dagegen eine derartige Konfrontation ohne nennenswerte Reaktion verpuffen, dann muss die Hypothese im Therapieprozess so lange weiter modifiziert werden, bis sie sich als effektiv und zutreffend erweist. Auch rein biologische Faktoren (z. B. bei psychopathischen oder autistischen Patienten) sind angemessen zu berücksichtigen und nicht zu »psychologisieren«. Jede heftige emotionale Reaktion, auch eine initial vehemente Verneinung, kann bedeuten, dass an einer Hypothese »etwas dran ist«. Eine Hypothese sollte deshalb bei vehementer Verneinung nicht sofort verworfen werden, sondern es sollte nach der Ursache der emotionalen Reaktion geforscht werden. 2.2.4  Die 18 maladaptiven Schemata Für die fünf Grundbedürfnisse entstehen durch die genannten vier toxischen Erfahrungen (Frustration, Trauma, zu viel des Guten, Elterninternalisierung) unter Berücksichtigung der temperamentsabhängigen Bewältigungsstrategien die folgenden 18 Schemata (je nach spezifischer Art der toxischen Kindheitserfahrung und der Bewältigungsstrategien), die nach den zugehörigen Grundbedürfnissen gruppiert werden können: 22

Teil A: Theorie: Schematherapeutisches Modell

Domäne I (Grundbedürfnis Bindung)

Verlassenheit/Instabilität (toxische Erfahrung: unvorhersehbar alleingelassen werden durch die Bezugspersonen, Unzuverlässigkeit der Bezugspersonen): Kinder und Jugendliche, die ihre sozialen Kontakte nach dem Schema Verlassenheit/Instabilität gestalten, können schlecht allein sein und leben in ständiger Abhängigkeit von anderen Personen. Ihre Angst vor dem Verlassenwerden ist riesig, sie können kaum Vertrauen in sich und ihre Gegenüber entwickeln, dass emotionale Verbundenheit zuverlässig ist. Typische Eigenschaften und Merkmale für dieses Schema sind: ȤȤ an nahestehende Menschen aus Verlustangst anklammern; ȤȤ Angst, von wichtigen Bezugspersonen verlassen zu werden; ȤȤ Verzweiflung, wenn sich jemand entfernt, Gefühl des Angewiesenseins; ȤȤ andere werden aus Angst weggestoßen, um dem Verlassenwerden zuvorzukommen. Misstrauen/Misshandlung (toxische Erfahrung: Misshandlung; belogen, betrogen, manipuliert, gedemütigt werden): Kinder und Jugendliche, die ihre sozialen Kontakte nach dem Schema Misstrauen/Misshandlung gestalten, gleichen einem Kaktus, der seine Schale nie ablegt und immer kampfbereit oder sehr verschlossen ist, um nicht verletzt zu werden. Es besteht immer die Angst und Erwartung, dass andere einem wehtun wollen. Charakteristische Eigenschaften und Überzeugungen sind: ȤȤ Ich darf meinen Schutzschild nie ablegen, ich muss immer auf der Hut sein; ȤȤ andere werden mich hintergehen und verraten; ȤȤ Erfahrungen von körperlichen oder seelischen Misshandlungen oder Erfahrungen von sexuellem Missbrauch. Emotionale Entbehrung (toxische Erfahrung: durchgehend emotional nicht verfügbare Bezugsperson, mangelnde Wärme): Schematherapie

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Kinder und Jugendliche, die ihre sozialen Kontakte nach dem Schema emotionale Entbehrung gestalten, haben das Gefühl, dass sie bei ihren Eltern zu kurz gekommen sind, und leiden unter der Überzeugung, benachteiligt und leer zu sein. Daraus kann eine Rechtfertigung für das eigene aktuelle (z. B. dissoziale) Verhalten abgeleitet werden. Oder es kann die Anleitung fehlen, wie Kinder mit anderen umgehen oder sich vor ihnen schützen können. Typische Überzeugungen sind: ȤȤ Ich habe zu wenig Liebe und Aufmerksamkeit bekommen; ȤȤ niemand hat mir verlässlich Ratschläge gegeben, ist auf meine Gefühle und Bedürfnisse eingegangen, wollte gerne Zeit mit mir verbringen. Unzulänglichkeit/Scham (toxische Erfahrung: entwertende Kritik): Kinder und Jugendliche, deren soziale Kontakte durch das Schema Unzulänglichkeit/Scham geprägt sind, haben ein tiefes Selbstwertproblem und können sich auf Beziehungen nicht einlassen, weil sie davon ausgehen, dass jeder andere Mensch von ihnen abgestoßen sei, wenn er sie wirklich kennenlernt. Es besteht eine Rückzugsneigung. ȤȤ Kein Junge/Mädchen könnte mich lieben, wenn er/sie mich kennen würde, wie ich wirklich bin; ȤȤ ich bin Aufmerksamkeit, Respekt und Liebe nicht wert; ȤȤ andere dürfen nicht mitbekommen, wie ich wirklich bin, weil ich inakzeptabel bin. Soziale Isolierung/Entfremdung (toxische Erfahrung: Ausgrenzung, Mobbing, Migrationshintergrund): Kinder und Jugendliche, deren soziale Kontakte durch das Schema soziale Isolierung/Entfremdung geprägt sind, tun sich sehr schwer, in Gruppen hineinzufinden und sich als Teil einer Gemeinschaft zu fühlen. Aus negativen Beziehungserfahrungen oder Isoliertheit heraus entsteht ein Gefühl, dass andere Menschen fremd sind, »als ob man von einem anderen Planeten käme«. Dieses Schema entsteht häufig, wenn Familien isoliert von der übrigen Gesellschaft sind und wenig Außenbezüge aufweisen. 24

Teil A: Theorie: Schematherapeutisches Modell

ȤȤ Gefühl, nicht zu anderen Kindern bzw. Jugendlichen zu passen; ȤȤ grundsätzlich anders sein als die anderen, außerhalb der Gruppe stehen; ȤȤ Einzelgänger sein, nicht dazugehören, sich fremd fühlen. Domäne II (Grundbedürfnis Kontrolle nach außen/Autonomie)

Abhängigkeit/Inkompetenz (toxische Erfahrung: zu wenig Selbstwirksamkeitserfahrung): Kinder und Jugendliche, die ihre sozialen Kontakte nach dem Schema Abhängigkeit/Inkompetenz gestalten, haben die Befürchtung, dass sie ihr Leben nicht »auf die Reihe bekommen« und mit ihren Entwicklungsaufgaben überfordert sind. Deshalb treffen sie keine Entscheidungen und sind unsicher. Gerade bei jüngeren Kindern kann sich dies in einer Trennungsängstlichkeit zeigen und wird durch wenig eigene Erfahrungen vermittelndes Erziehungsverhalten gefördert. Typische Eigenschaften und Überzeugungen sind: ȤȤ hilflos sein, keine eigene Meinung haben; ȤȤ ich kann meine alltäglichen Probleme nicht allein lösen, kann mich nicht allein um mich kümmern; ȤȤ auf mein Urteil kann ich mich nicht verlassen. Anfälligkeit für Schädigungen und Krankheiten/Verletzbarkeit (toxische Erfahrung: zu wenig Sicherheitsgefühl/überprotektiv-ängstliches Verhalten der Bezugspersonen): Kinder und Jugendliche, deren soziale Kontakte durch das Schema Verletzbarkeit geprägt sind, gehen immer vom Schlimmsten aus – nicht beim Gegenüber, sondern dass ihnen selbst etwas Schlimmes passieren wird. So leben sie in ständiger Angst und Vorsicht, ohne Zutrauen in die eigene Stärke und Robustheit. Typische Befürchtungen und Ängste sind: ȤȤ Eine Katastrophe wird passieren; ȤȤ ich verliere für mich wichtige Dinge, ich werde überfallen; ȤȤ ich werde schwer erkranken (obwohl es keinen medizinischen Hinweis darauf gibt). Schematherapie

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Verstrickung (toxische Erfahrung: zu wenig Autonomie/Abgrenzung der Personen im Bezugssystem): Kinder und Jugendliche, die ihre sozialen Kontakte nach dem Schema Verstrickung gestalten, lassen sich nur auf sehr enge Beziehungen ein, in denen sie dem Gegenüber keinen Freiraum gewähren. Durch die dauernde Enge und den Wunsch, alles zu teilen und auszudiskutieren, entstehen Konflikte in der Verstrickung. Eine unabhängige, eigenständige Identität ist nicht gegeben und wird dem Gegenüber auch nicht zugestanden. ȤȤ Keine altersadäquate Ablösung von den Eltern; ȤȤ keine Geheimnisse vor den Eltern haben, ohne sich schuldig zu fühlen; ȤȤ keine eigene Identität unabhängig von der Familie. Versagen (toxische Erfahrung: zu wenig Erfolgserlebnisse bei Aufgaben, zu hohe Leistungsansprüche): Die sozialen Kontakte von Kindern und Jugendlichen, bei denen das Schema Versagen dominiert, sind durch Leistungsängste gekennzeichnet und durch die Überzeugung, dass sie die geforderten Leistungen nicht erbringen können. Überkritische Rückmeldungen und überzogene Leistungsansprüche fördern dieses Schema. ȤȤ Schlechtere Noten als die anderen; ȤȤ die anderen sind besser, begabter; ȤȤ ich bin weniger intelligent als andere. Domäne III (Grundbedürfnis Selbstkontrolle und Grenzen)

Anspruchshaltung/Grandiosität (toxische Erfahrung: permissives Elternverhalten, mangelnde Grenzsetzung): Kinder und Jugendliche, die ihre sozialen Kontakte nach dem Schema Grandiosität ausrichten, halten sich nicht an soziale Normen und Regeln. Dabei kann die Ausprägung je nach Temperament gefühlskalt und berechnend oder impulsiv ausfallen. Typische Überzeugungen und Eigenschaften sind: ȤȤ Schwierigkeiten, ein Nein zu akzeptieren; 26

Teil A: Theorie: Schematherapeutisches Modell

ȤȤ ich bin etwas Besonderes und sollte nicht eingeschränkt werden; ȤȤ ich muss mich nicht an Regeln und Konventionen halten; ȤȤ ich bin von höherem Wert als andere. Unzureichende Selbstdisziplin/-kontrolle (toxische Erfahrung: mangelnde Förderung/Forderungen): Soziale Kontakte von Kindern und Jugendlichen, die vom Schema unzureichende Selbstkontrolle dominiert werden, sind durch scheinbare Bequemlichkeit, mangelnde Anstrengungsbereitschaft und eingeschränkte Gefühlsregulation geprägt. Es besteht ein Überlappungsbereich mit Symptomen des Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndroms; die Selbststeuerungsfähigkeit im Hinblick auf Verhalten und Emotionsregulation ist eingeschränkt. Typische Eigenschaften sind: ȤȤ Ich kann mich für Routineaufgaben nicht zusammenreißen; ȤȤ leicht frustriert sein, leicht aufgeben; ȤȤ kein Aufschub gegenwärtiger Impulse für langfristige Ziele; ȤȤ ich kann mich nicht dazu zwingen, Dinge zu tun, die keinen Spaß machen. Domäne IV (Grundbedürfnis Emotionsausdruck  Selbstwert­ erhöhung durch Fremdbezogenheit)

Unterwerfung (toxische Erfahrung: Bedürfnisse des Kindes wurden systematisch übergangen, starke externe Kontrolle): Kinder und Jugendliche, deren soziale Kontakte vom Schema Unterwerfung geprägt sind, halten eigene Bedürfnisse und Emotionen zurück, um anderen zu gefallen. Eigene Wünsche scheinen keine Rolle zu spielen. Dadurch angestauter Ärger kann sich beispielsweise in Wutausbrüchen Luft machen, wenn ein Betroffener »nicht mehr kann«. Typische Eigenschaften und Überzeugungen sind: ȤȤ Es gibt Ärger, wenn ich tue, was ich will; ȤȤ ich lasse die anderen bestimmen; ȤȤ Schwierigkeiten, die eigene Meinung und Gefühle einzubringen und durchzusetzen. Schematherapie

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Selbstaufopferung (toxische Erfahrung: Kinder werden für eigene Bedürfnisse der Eltern gebraucht): Soziale Kontakte von Kindern und Jugendlichen, die nach dem Schema Selbstaufopferung ablaufen, werden von diesen als wenig gewinnbringend erlebt, da eigene Bedürfnisse nicht nur anderen unterworfen werden, sondern der Anspruch besteht, ständig für andere zu sorgen. Im Extremfall entsteht ein »falsches Selbst«, sodass sich keine gesunde Identität der Betroffenen ausbildet, sondern ein Leben von anderen, für andere gelebt wird. ȤȤ Für andere sorgen statt für sich selbst; ȤȤ »Gutmensch«: keine Zeit für mich selbst, nur für andere da sein; ȤȤ Probleme anderer anhören. Streben nach Zustimmung und Anerkennung (toxische Erfahrung: Bezugspersonen fördern sozial erwünschtes Verhalten und zeigen keine Wertschätzung der Person des Kindes): Kinder und Jugendliche, deren soziale Kontakte durch das Schema Streben nach Anerkennung geprägt sind, vertreten keine eigene Position, sondern suchen immer nach der Zustimmung ihrer Gegenüber. Diese Zustimmung ist wichtig, da ansonsten der Selbstwert zusammenbricht. ȤȤ Selbstachtung basiert auf der Bewertung durch andere; ȤȤ ich wünsche mir, dass mich auch die Leute mögen, die ich nicht mag; ȤȤ Abhängigkeit von Lob und Komplimenten. Domäne V (Spontaneität/Spiel/positive Erfahrungen)

Negativität/Pessimismus (toxische Erfahrung: übermäßig eingrenzende und negative Erziehung, wenig positive Erfahrungen/Belohnungsmomente): Soziale Kontakte werden von Kindern und Jugendlichen nach dem Schema Negativität/Pessimismus übermäßig schlecht beurteilt. Sie erwarten einen schlechten Verlauf und glauben nicht an positive Entwicklungen. 28

Teil A: Theorie: Schematherapeutisches Modell

ȤȤ Es geht immer etwas schief; ȤȤ Fokus auf negativer Seite (»Glas halb leer«); ȤȤ ständig besorgt. Emotionale Gehemmtheit (toxische Erfahrung: harte Eingrenzung und Bestrafung, Emotionsvermeidung): Soziale Kontakte von Kindern und Jugendlichen, die nach dem Schema emotionale Gehemmtheit ablaufen, sind rational und durch Vermeidung von Gefühlsbeteiligung gekennzeichnet. Eltern, die lustfeindlich und emotionsvermeidend sind, fördern dieses Schema. ȤȤ Kontrolliert, keine Gefühle zeigen; ȤȤ nicht spontan, herzlich; ȤȤ für emotionslos/gehemmt gehalten werden. Überhöhte Standards (toxische Erfahrung: überhöhte Standards der Eltern, Perfektionismus): Soziale Kontakte von Kindern und Jugendlichen, die nach dem Schema überhöhte Standards ablaufen, sind dadurch gekennzeichnet, dass sie es allen recht machen müssen und alle Aufgaben immer perfekt als Bester erfüllen müssen. ȤȤ Ich muss immer der Beste sein; ȤȤ ich bin nie gut genug, wie sehr ich mich auch bemühe; ȤȤ alle Verpflichtungen erfüllen. Bestrafungsneigung (toxische Erfahrung: Fehlverhalten muss gnadenlos bestraft werden): Beziehungen von Kindern und Jugendlichen nach dem Schema Bestrafungsneigung sind durch die Überzeugung gekennzeichnet, dass keine Fehler (weder bei sich noch beim Gegenüber) vergeben werden dürfen und eine Bestrafung erfolgen muss. Ausnahmen oder Verzeihen werden nicht toleriert. ȤȤ Keine Entschuldigung für Fehler, Strafe muss sein; ȤȤ nicht vergeben und vergessen, Verantwortung muss übernommen werden. Schematherapie

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2.2.5 Bewältigungsstrategien In Abhängigkeit vom Temperament der Patienten können Schemata während ihrer Entstehung und nach ihrer Verfestigung mit drei verschiedenen Bewältigungsstrategien (erdulden, vermeiden, überkompensieren) beantwortet werden. Das bedeutet, dass die Schemata entweder passiv akzeptiert werden (erdulden), die Auslösesituationen oder damit verbundene Emotionen vermieden werden (vermeiden) oder gegen die Schemata aktiv angegangen wird (Überkompensation). Beispiele für Bewältigungsstrategien des Schemas Misstrauen/Misshandlung: Erduldung: Eine Frau, die als Kind misshandelt worden ist, reinszeniert ihre Misshandlungserfahrung später immer wieder, indem sie auf Partner fixiert ist, die ihre Bedürfnisse nicht respektieren und sie wieder misshandeln. Die Umgebung wird dauernd misstrauisch beäugt, da das Schema Misstrauen/Misshandlung und damit die Erwartungshaltung, dass alle anderen böse sind, beibehalten wird. Ein Versuch, aus diesem Kreislauf auszubrechen, findet bei der Erduldung nicht statt. Vermeidung: Da die Frau als Kind die Erfahrung gemacht hat, dass Nähe wehtut und sie am Ende vom Misshandler, Missbraucher verraten wird, vermeidet sie als Erwachsene jegliche Intimität und Beziehung. Es können gleichgeschlechtliche Beziehungen aufgenommen werden, um gegengeschlechtlichen Kontakt zu vermeiden. Sie lässt niemanden an sich heran, um erneute Misshandlungen von vornherein zu vermeiden. (Über-)Kompensation: Die Frau wird selbst zur Misshandlerin und versucht, den Spieß in ihren aktuellen Beziehungen umzudrehen. Durch die Ausübung von Kampfsport wird einem neuen Vorfall vorgebeugt. Dabei bleibt es allerdings nicht bei einer adaptiven Selbstverteidigung, sondern es kommt bei der Überkompensation zu einer generellen Angriffshaltung als Präventivschlag (auch verbal in normalen Interaktionen). Eine andere Art von Überkompensation wäre dagegen kontraphobisches Verhalten in dem Sinne, dass sich die 30

Teil A: Theorie: Schematherapeutisches Modell

Frau übermäßig vertrauensselig auf Beziehungen einlässt, um gegen ihre Angst vor erneuten Misshandlungen und negativen Beziehungserfahrungen vorzugehen.

2.2.6  Einige Kritikpunkte der Schematheorie Die Liste der Temperamentsfaktoren bei J. Young nimmt weder direkten Bezug auf die Big Five der differenziellen Psychologie noch auf die Modelle, die Novelty Seeking und behaviorale Inhibition einbeziehen. Sie scheint weder vollständig, noch scheinen die Faktoren komplett unabhängig voneinander, sondern es finden sich Überlappungen. Hier bleibt die Schematherapie angreifbar, da sich zunächst in einer Art Zirkulärschluss für jedes Problem eine Erklärung nach dem schematherapeutischen Modell finden lässt (auf eine Misshandlung, einen Missbrauch ist jede Art Reaktion durch Erduldung/Vermeidung/Überkompensation möglich). Eine direkt falsifizierbare einzige Hypothese zur Entstehung maladaptiver Muster findet sich nicht – was allerdings der Komplexität der Realität entspricht. Eine Stärke der Schematherapie besteht darin, dass die entwickelten Hypothesen zusammen mit dem Patienten daraufhin überprüft werden, ob sie hilfreiche Konstrukte für den Patienten darstellen, um mit seinen Schwierigkeiten effizienter umzugehen. Ansonsten müssen die Hypothesen in einem hermeneutischen Prozess, wie bereits beschrieben, angepasst werden. Hierin unterscheiden sich die verhaltenstherapeutische Verhaltensanalyse und schematherapeutische Fallkonzeptionen nicht. Ähnlich wie bei den Abwehrmechanismen in der psychodynamischen Literatur findet sich mit den Bewältigungsmechanismen ein aktiver Prozess, der Betreffende ist nicht nur passiver Rezeptor der Umweltfaktoren, sondern es bestehen intrapsychische Prozesse, die eine Flexibilität in der Reaktion und aktive Verarbeitung erlauben. Im Gegensatz zur Psychodynamik, die eine Reihe komplexer und elaborierter Abwehrmechanismen kennt, erfolgt hier eine starke Systematisierung und Beschränkung auf drei grundlegende Mechanismen (annehmen, vermeiden, dagegen ankämpfen), während die DifferenSchematherapie

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zierung auf der Ebene der jeweiligen verletzten Grundbedürfnisse und toxischen Erfahrungen erfolgt. Damit ist die Schematherapie weniger flexibel und erklärungskräftig als die Psychoanalyse. Der Vorteil der Beschränkung besteht darin, dass Hypothesen klarer formuliert und einfacher falsifiziert und verifiziert werden können, durch die sich gegenseitig ausschließenden drei grundlegenden Mechanismen. Auf eine detailliertere Beschreibung der intrapsychischen Vorgänge wird verzichtet, da der Fokus nicht auf einer möglichst genauen Rekonstruktion der zugrunde liegenden Symptomatogenese liegt, sondern lediglich auf der Etablierung eines Modells zur Erklärung der aktuellen Symptome, das dem Patienten eine (hinreichend ausdifferenzierte) Konzeptualisierung der psychischen Vorgänge erlaubt, um zukunftsgerichtet seine aktuellen emotionalen Erfahrungen und sein Verhalten zu ändern. Theoretisch wäre es an dieser Stelle möglich, auch weitere aus der psychodynamischen Literatur bekannte Abwehrmechanismen in die Theorie der Schematherapie als Bewältigungsmechanismen zu integrieren, wenn empirisch gezeigt würde, dass diese zusätzliche Ausdifferenzierung Vorteile im Hinblick auf die klinische Effektivität mit sich bringt. Ansonsten wird vor dem Hintergrund der Wissenschaftstheorie die Verwendung des einfachsten Modells, das ausreichend Erklärungsmöglichkeiten liefert, angestrebt und die Anzahl der Bewältigungsmechanismen minimiert.

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Teil A: Theorie: Schematherapeutisches Modell

3  Das Moduskonzept

Bei strukturschwachen Patientinnen und Patienten finden sich häufig sehr viele unterschiedliche Schemata gleichzeitig aktiviert und häufige Wechsel von einem in den anderen Zustand (keine stabilen, überdauernden Traits, sondern mehrere koexistierende States). Ein Modus stellt in diesem Konzept einen emotionalen Zustand dar, der Körperelemente, Gedanken und Verhaltensaspekte einschließt. Ein Modus kombiniert mehrere Schemata und stellt dissoziierte Anteile des Selbst dar. Patienten mit emotional-instabiler Persönlichkeitsstörung schwanken kontinuierlich zwischen verschiedenen Modi und können in einer Therapiesitzung sehr aggressiv und abweisend und in der nächsten Therapiesitzung ganz hilflos, traurig und verwundbar sein. Wichtig ist anzumerken, dass die Ableitung der Modi nicht eine simple Aufaddition verschiedener Schemata darstellt, sondern dass Modi sich sowohl von unbefriedigten Bedürfnissen ableiten können (hier kombinieren sich Schemata) als auch von internalisierten Elternanteilen und Bewältigungsstrategien (maladaptive Bewältigungsmodi). Somit besitzt das Moduskonzept eine andere Einteilung, die Parallelen zum Instanzenmodell der Psychoanalyse aufweist (Tabelle 1): Tabelle 1: Instanzenmodell der Psychoanalyse und Moduskonzept der Schematherapie Instanzenmodell

Schematherapie (Moduskonzept)

Über-Ich

Elternmodi

Ich/Abwehr

maladaptive Bewältigungsmodi

Es

Grundbedürfnisse/Schemata

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Es gibt vier verschiedene Arten von Modi, die im Folgenden dargestellt werden: Kindmodi, maladaptive Bewältigungsmodi, dysfunktionale Elternmodi sowie der Modus des gesunden Erwachsenen bzw. des altersangemessenen Kindes oder Jugendlichen.

3.1 Kindmodi Kindmodi stellen fortbestehende kindliche Zustände dar und weisen gewisse Verbindungen zum Konzept des »Es« und Primärprozessen auf. Kindmodi können sein: ȤȤ das verletzte Kind (ängstlich, einsam, verlassen, hilflos – vor allem Erduldung der Schemata aus Domäne I, II); ȤȤ das verärgerte/wütende Kind (vor allem Überkompensation der Schemata aus Domäne I, II); ȤȤ das impulsive/undisziplinierte Kind (Schemata Domäne III); ȤȤ das glückliche Kind.

3.2  Maladaptive Bewältigungsmodi Daneben gibt es weitere Modi (maladaptive Bewältigungsmodi  – Abwehr), die als Konsequenzen schädlicher Bewältigungsversuche verstanden werden können. Maladaptive Bewältigungsmodi können sein: Erduldung, Vermeidung und Überkompensation. 3.2.1 Erduldung Erdulder (angepasste Unterwerfung): In diesem Modus werden schemaübergreifend alle extern getriggerten Impulse ohne kritische Prüfung erduldet und der Betroffene, der Umgebung angepasst, unterwirft sich.

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Teil A: Theorie: Schematherapeutisches Modell

3.2.2 Vermeidung Distanzierter Beschützer (Vermeidung): Der distanzierte Beschützer wacht darüber, dass die Emotionen, die vor allem das verletzte Kind betreffen, nicht zutage treten. Er baut eine Mauer zwischen das Selbst und die Umwelt. Wenn Therapeuten das Gefühl haben, nicht an einen Patienten heranzukommen, der emotional nicht greifbar ist, dann stellt der »Distanzierte Beschützer«-Modus häufig den Widerstand dar, den der Patient dadurch bietet, dass er alle Versuche, an wahre (aber bedrohlich erlebte) Emotionen heranzukommen, abblockt. Die Schematherapie bietet Techniken an, um therapeutisch mit diesem Widerstand zu arbeiten. Wichtig ist dabei, zu validieren, dass der »Distanzierte Beschützer«-Modus lange eine sehr wichtige Aufgabe wahrgenommen hat und das verletzte Kind im Patienten erfolgreich beschützt hat. Es hätte möglicherweise ansonsten gar nicht überlebt. Gleichzeitig engt er die Kindmodi und echte Emotionalität des Patienten aber ein, wenn er diese weiter unter Verschluss hält, obwohl keine akute Bedrohung mehr besteht. Im Handpuppenspiel oder in Stühle-­Dialogen (siehe Abschnitt 7.4.2) wird versucht, diese Vermeidung bewusst zu machen, ihr einen Namen zu geben und einen bestimmten Platz (auf einem Stuhl oder in einer Puppe) zuzuweisen. Auf diese Weise dissoziiert der Bewältigungsmechanismus von den Emotionen, die er beschützt, und der Patient kann behutsam die Erlaubnis geben, dass jemand mit seinem inneren verletzlichen Kind Kontakt aufnimmt. Distanzierter Selbstberuhiger (Drogen, Selbstverletzungen): Der distanzierte Selbstberuhiger versucht ebenfalls, seine mit Kindmodi zusammenhängenden Emotionen zu vermeiden, benutzt dazu allerdings den Weg, einen Substanzabusus zu betreiben oder sich durch Selbstverletzungen abzulenken und zu beruhigen. Aggressiver Beschützer (Gegenangriff ist die beste Verteidigung): Der aggressive Beschützer vermeidet den Zugang zu eigenen Emotionen dadurch, dass er seine Interaktionspartner und damit auch den Therapeuten oder die Therapeutin angreift (»Sind Sie überhaupt qualifiziert für die Behandlung?«). Das Moduskonzept

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3.2.3 Überkompensation Selbsterhöher (narzisstisch): Der narzisstische Selbsterhöher stabilisiert seinen Selbstwert dadurch, dass er sich über Leistung und Machterwerb über andere stellt; er wirkt oft hochnäsig und arrogant. Schikanierer: Im schikanierenden Modus wird die eigene Position genutzt, um andere herumzukommandieren und sich über die eigene Macht zu freuen. Manipulierer: Im manipulierenden Modus wird die Manipulation der anderen zum Ausgleich und Überspielen der eigenen Defizite eingesetzt. Dies findet sich häufig bei emotional-instabilen Persönlichkeitsstörungen. Raubtier-/Killermodus: In diesem pathologischen Modus ist das Ziel die sadistische Vernichtung des Gegenübers. Misshandelnde Eltern befinden sich gegenüber ihren Kindern ggf. im Raubtier- oder Killermodus.

3.3  Dysfunktionale Elternmodi Zuletzt entstehen über internalisierte Elternanteile auch dysfunktionale Elternmodi (Über-Ich). Dysfunktionale Elternmodi umfassen den strafenden und den fordernden Elternteil (Schemata aus Domäne IV/V). Die strafenden und fordernden Tendenzen können sich jeweils nach innen an den Patienten oder nach außen richten: ȤȤ strafend, nach innen: Selbstbestrafung; ȤȤ fordernd, nach innen: überhöhte Anforderungen an sich selbst; ȤȤ fordernd, nach außen: Strenge bei anderen, überzogene Anforderungen an abhängige Personen; ȤȤ strafend, nach außen: Entwertung, maligne Bestrafung anderer (ehemalige Opfer werden zu Tätern).

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Teil A: Theorie: Schematherapeutisches Modell

3.4 Der gesunde Erwachsene, das altersangemessene Kind oder der altersangemessene Jugendliche Daneben gibt es den Modus des gesunden Erwachsenen, des alters­ angemessen handelnden Kindes oder Jugendlichen (Ich). Der gesunde Erwachsene repräsentiert eine gelungene, verantwortungsvolle Selbstkontrolle, die es schafft, gut und ausgewogen für sich zu sorgen. Eigene Bedürfnisse werden angemessen wahrgenommen und befriedigt, dabei werden allerdings soziale Regeln und Interessen anderer aufgrund der Selbstregulation angemessen berücksichtigt. Hier ist es ganz zentral, zu erwähnen, dass der »Gesunde Erwachsenen«-Modus in der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie (KJP) umso mehr nicht nur beim Kind liegt, sondern auf das gesamte familiäre System inklusive Eltern verteilt ist, je jünger das Kind ist. An die Stelle eines reinen Stühle-Dialogs muss hier eine Familienaufstellung (auch mit Stühlen durchführbar) treten, in der die relevanten Rollen nicht nur als »Stühle« intrapsychische (internalisierte) Selbstanteile der Erwachsenen verkörpern, sondern die echten Eltern ihre reale Funktion übernehmen können. Während ein Erwachsener für sich Verantwortung übernehmen und selbstständig zurechtkommen muss, kann dies nicht das Ziel der Therapie für einen Sechsjährigen sein. Dieser muss angemessen auf Grenzsetzungen seiner Eltern reagieren, er muss sich diese Grenzen nicht selbst setzen. Insofern sind die Eltern oder primären Bezugspersonen im KJP-Bereich unbedingt in die Therapie einzubeziehen – umso mehr, je jünger die Patientinnen und Patienten sind. Modi werden in der Therapie personalisierte Namen gegeben (»die verletzte Anna«), die dann auch im Rahmen von Stühle-Dialogen (siehe Abschnitt 7.4.2) zum Einsatz kommen. Therapieziel ist, den Modus des »gesunden Erwachsenen« bzw. des »gesunden Kindes oder Familiensystems« zu stärken und im Rahmen der Therapie einer Persönlichkeitsstörung eine Integration der dissoziierten Modi zu erreichen bzw. (im Rahmen eines neurotischen Konflikts auf höherem Strukturniveau) die Konfliktspannung zwischen verschiedenen Modi aufzulösen. Dazu werden die Modi zunächst Das Moduskonzept

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identifiziert (Modus-Fragebögen), und ähnlich wie bei der Schemakonzeption erfolgt auch hier eine Visualisierung im Sinne einer Moduskonzeption der aktuellen Problematik (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: Vereinfachte Fallkonzeption/Moduslandkarte (Kindes-/Jugendalter). Eckiger Kasten Mitte: Bewältigungsmechanismen (dysfunktional); Oval unten: »Inneres Kind-«/Bedürfnisebene; zwei kleine Ovale oben: Elternebene; kleinstes Oval: Ich-/ »Gesundes Kind«-Ebene. Das gesunde Kind schafft es, in altersangemessener Form die Anforderungen der Elternebene mit den (klein-)kindlichen Bedürfnissen in einen ausgewogenen Einklang zu bringen, ohne zu dysfunktionalen Schema-Bewältigungsmechanismen (Unterordnung, Vermeidung, Überkompensation) greifen zu müssen.

In der Modustherapie werden zur Integration der Modi und zum Aufbau des Modus des gesunden Erwachsenen die Imagination und die therapeutische Interaktion genutzt. Toxische Modi werden bekämpft, das verletzte Kind soll durch korrigierende emotionale Erfahrungen so weit möglich geheilt bzw. seine Wunden sollen abgemildert werden. In der Imagination (siehe Abschnitt 7.4.1) erfolgen Dialoge zwischen dem Therapeuten und den unterschiedlichen Modi des Patienten. Auch hier ist der Therapeut, die Therapeutin ein Modell für den gesunden Erwachsenen, das gesunde Kind bzw. Familiensystem. Es kommen Rollenspiele und Stühle-Arbeit zum Einsatz (je Modus ein Stuhl, siehe siehe Abschnitt 7.4.2). 38

Teil A: Theorie: Schematherapeutisches Modell

4 Fallkonzeption

In der Fallkonzeption wird eine Zusammenfassung der Zielproblematik von Patient und Therapeut gemeinsam erarbeitet, die beide als stimmig erleben. Dabei soll im Gegensatz zu den Schemamemos (siehe Abschnitt 7.3.5) keine möglichst konkrete einzelne Alltags­ situation erfasst werden, sondern es sollen die prototypischen Auslösesituationen bzw. Triggerfaktoren benannt werden, die den mutmaßlichen Kernkonflikt des Patienten hervorrufen. Dabei werden analog zum SORK-Schema (vgl. Abbildung 3) verallgemeinerte Situationsfaktoren benannt, allerdings auch – analog zur Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik – die zentralen Konfliktthemen, die zu emotionaler Ambivalenz führen, identifiziert. Als Zweites wird dann ebenso auf einer allgemeinen Ebene der intrapsychische Konflikt zwischen aktivierten Kindmodi (»Es«) und den inneren Eltern (»Über-Ich«) konzeptualisiert. Es wird aufgeschlüsselt, welche Bedürfnisse auf der Kindseite bestehen und welche Forderungen auf der Elternseite zu finden sind (OrganismusVariablen). Anstelle der Abwehrmechanismen werden als Nächstes dysfunktionale Bewältigungsversuche (Reaktion) im Sinne von Erduldung, Vermeidung und Überkompensation aufgeführt. Dabei können Felder für alle drei Strategien vorgesehen sein, da viele Patienten Anteile aus allen drei Strategien verfolgen; der entsprechende repräsentative Bewältigungsmodus (siehe Abschnitt 3.2) wird jeweils für alle drei Strategien eingetragen. Nun erfolgt eine Bewertung der Konsequenzen, also eine Bedürfnisbilanz, welche Vor- und Nachteile durch die Bewältigungsstrategien kurz- und langfristig entstehen. 39

Aus dieser Bewertung folgt zuletzt die Formulierung einer verbesserten Grundbedürfnisbefriedigung durch adaptive, »erwachsene« Lösungen anstelle der dysfunktionalen Bewältigungsstrategien. Verhaltenstherapie (SORK-Modell): Stimulus → Organismus → Reaktion → Konsequenz Schematherapeutische Fallkonzeption: Auslösesituation → Modusmodell/Konflikte → Bewältigungsstrategien → Konsequenzen Abbildung 3: SORK-Modell und Fallkonzeption

Die Fallkonzeption wird dem Patienten als ausgefülltes Formblatt mitgegeben. Sie soll ihm die rasche Einordnung verschiedener Auslösesituationen in die Fallkonzeption ermöglichen, sodass er im Alltag handlungsfähig wird und die erwachsenen Lösungen umsetzen kann. Wichtig ist deshalb, dass der Therapeut so lange weiter nachfragt, bis sich ein konsistentes Bild des Erlebens des Patienten oder der Patientin ergibt. Eine vereinfachte Fallkonzeption hat sich therapeutisch als hilfreich erwiesen (nach E. Roediger, z. B. 2011), es bestehen auch komplexere Versionen (nach J. Young), die die wichtigsten Lebensprobleme, zentrale Kindheitserinnerungen, unbefriedigte Grundbedürfnisse, wichtigsten Schemata mit Triggern und Bewältigungsstilen sowie Modi enthalten. Hier werden auch biologisch bedingte Temperamentsfaktoren, kognitive Grundannahmen, die Qualität der therapeutischen Beziehung und eine Skizze des weiteren Behandlungsplans beschrieben.

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Teil A: Theorie: Schematherapeutisches Modell

5 Situation in der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie

Schemata bilden sich erst in der Kindheit und Jugend aus. Ist deshalb nicht mit Schemata bei Kindern und Jugendlichen zu arbeiten? Nein! Zum einen erscheint eine Prophylaxe entscheidend, um während der Entstehung der Schemata einer Verfestigung vorzubeugen. Auch bei Kindern und Jugendlichen lassen sich bereits Schemata in weniger verfestigter Form in statu nascendi identifizieren. Zum anderen bestehen auch und gerade auf früheren Altersstufen neuronale Strukturen, die als kindliche Vorläuferversion eines erwachsenen Schemas zwar weniger verfestigt und stärker temporär ausgeprägt sind, die aber auf der jeweiligen Entwicklungsstufe eine Verknüpfung von charakteristischen Situationen, ausgelösten Emotionen, weniger elaborierten automatischen Gedanken und Bewertungen sowie Reaktionen auf Verhaltensebene in der sozialen Interaktionssituation darstellen. Aufgrund der bei Kindern geringer ausgeprägten exekutiven Kontrollfähigkeiten der Selbststeuerung besteht sogar noch eine stärkere Abhängigkeit von derartigen Mustern. Die andere Situation als im Erwachsenenalter macht jedoch eine Adaptation notwendig: Die Kinder und Jugendlichen befinden sich noch zum Teil in der Schema-bildenden oder Schema-verfestigenden Situation. Die Interaktion mit den Eltern ist noch vorhanden, deshalb ist es wichtig, die Eltern in die Therapie im Sinne einer systemischen Therapie und im Sinne eines Elterntrainings einzubeziehen. Die Schuldfrage ist vorsichtiger zu konzipieren als im Erwachsenenalter. Wird jedoch auch berücksichtigt, welche Schemata bei den Eltern aufgrund ihrer eigenen Vorerfahrung durch das Verhalten der Kinder ausgelöst werden und wie dieses Elternverhalten wiederum die Reak41

tion der Kinder und Jugendlichen beeinflusst, eignet sich der schematherapeutische Ansatz sehr gut für ein funktionelles Verständnis von Verhaltensauffälligkeiten und beginnende Persönlichkeitsstörungen im Kindes- und Jugendalter. Bei spezifischen Achse-I-Störungen finden sich vermehrt bestimmte Schemata, wie sie in »Störungsspezifische Schematherapie mit Kindern und Jugendlichen« (Loose, Graaf und Zarbock, 2015) im Detail vorgestellt werden. Erschwerend kommen die eingeschränkten Möglichkeiten der Kinder hinzu, ihre Situation zu verändern, da sie in gewisser Weise der Situation im Elternhaus ausgeliefert sind und weniger unabhängig als Erwachsene Entscheidungen treffen können, um ihre Situation zu verändern. Außerdem verfügen Kinder über geringere Fähigkeiten der Selbststeuerung, da sich die entsprechenden Hirnstrukturen im Präfrontalkortex erst im Laufe von Kindheit und Adoleszenz voll entwickeln. Daher ist der Einbezug der Eltern unerlässlich. Positiv ist zu erwähnen, dass bei Kindern nicht erst über Imagination eine frühere Erfahrung aktualisiert werden muss (sie befinden sich zum Teil noch im aktuellen Konflikt mit ihren Eltern, der ohne ausreichende Lösung zur maladaptiven Schemabildung führen würde) und die therapeutische Intervention auf weniger verfestigte neuronale Strukturen trifft. Für Jugendliche gelten zum Teil die für Erwachsene beschriebenen Herangehensweisen analog.

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Teil A: Theorie: Schematherapeutisches Modell

Teil B: Wie funktioniert Schematherapie? Therapeutische Verfahren und Techniken Es gibt zwei Phasen in der Schematherapie: ȤȤ Phase eins: Diagnostik und Psychoedukation/Etablierung des Störungsmodells; ȤȤ Phase zwei: Veränderung.

6 Phase eins: Diagnostik und Psychoedukation/Etablierung des Störungsmodells

Die Anamnese erfolgt problemorientiert mit der Intention, die Entstehungsgeschichte der Zielsymptome zu verstehen. Deshalb wird zeitlich rückwärts, von der Gegenwart beginnend und ausgehend von aktuellen Problemsituationen, nach weiter zurückliegenden Erfahrungen gefragt, die mit den aktuellen Problemen in Zusammenhang stehen. Dabei wird immer weiter zurückgegangen, bis hin zu Interaktionen mit den primären Bezugspersonen, meist aus der Kindergarten- oder Grundschulzeit (früheste reliabel erinnerte Situationen). Das Ziel ist die Identifikation von Schemata und Bewältigungsstilen. Auf den Einbezug von Ereignissen, die die Patienten nicht bewusst erlebt haben bzw. die vor der Ausreifung des episodischen Gedächtnisses lagen (z. B. Geburtstrauma), wird bewusst verzichtet. Im Sinne einer standardisierten und effizienten Vorgehensweise können Fragebögen zum Einsatz kommen. Der Young Schema Questionnaire (YSQ) existiert in einer Lang- und in einer Kurzform (­YSQ-L3, YSQ-S3) und besteht aus 18 × 4 Items, die sich auf die 18 Schemata beziehen. Im Young Parenting Inventory (YPI) geht es um elterliche Erziehungsstile. Mit dem Schema Modus Inventory – revised (SMI-r) werden bei schwerer beeinträchtigten oder strukturschwachen Patientinnen und Patienten (dies kann auch auf jüngere Kinder zutreffen) die sogenannten Modi erfasst. Darauf folgt die Vermittlung des Schematherapiemodells, um die unbefriedigten zentralen emotionalen Bedürfnisse zu klären und Überlebensstrategien (Schemata) zu identifizieren. Dabei werden im Erwachsenenalter Verfahren der Imagination (siehe Abschnitt 7.4.1 für eine detaillierte Beschreibung der Durchführung) eingesetzt, 44

um an Details in der Erinnerung zu kommen. An dieser Stelle eine kurze Zusammenfassung des Vorgehens in der Imagination: Bevor die Patienten Kindheitssituationen detailliert beschreiben und sich wieder in diese Situationen im Dialog mit dem Therapeuten begeben, werden Übungen zum sicheren Ort durchgeführt, um die starke emotionale Beteiligung, die hervorgerufen werden soll, auch wieder beenden zu können. In der Imagination wird erfragt, was sich die Patientinnen und Patienten als Kind gewünscht hätten, was die Bedürfnisse des Kindes waren. Dieses Erkennen emotionaler Bedürfnisse hinter Symptomen (z. B. der Wunsch nach Anerkennung durch einen Elternteil) soll Veränderungen ermöglichen, wo sonst direkte Interventionen auf Widerstand stoßen würden, weil die zugrunde liegenden Bedürfnisse immer noch frustriert sind. Großer Wert wird auch auf den Aufbau der therapeutischen Beziehung gelegt, die später in der Veränderungsphase bewusst eingesetzt wird. Es erfolgt eine visuelle Schemakonzeptualisierung der aktuellen Probleme mit drei Ebenen: ȤȤ Situationen früher als Kind, ȤȤ daraus entwickelte Schemata, ȤȤ aktuelle Probleme. Dabei werden Zusammenhänge der drei Ebenen grafisch erfasst. Die Schemahypothesen werden mit jeder Sitzung angepasst; wichtig ist dabei das gemeinsame Entdecken und dass der Patient den Ursprung seiner Probleme für sich rekonstruiert. Aus den einzelnen Schemata wird im Verlauf ein Modusmodell (siehe Kapitel 3) erstellt, was vor allem bei strukturell gestörten Patienten sehr hilfreich ist. In jedem Fall bekommt der Patient, die Patientin eine Fallkonzeption (siehe Kapitel 4) ausgehändigt, in der zentrale Hypothesen in allgemeiner Form zusammengefasst sind. Situation in der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie: Auch in der KJP lassen sich durchaus frühere Situationen als noch jüngeres Kind oder Kleinkind, so weit erinnerbar, einbeziehen. Fragebögen sollten zusammen mit den Kindern oder Jugendlichen ausgefüllt werPhase eins: Diagnostik und Psychoedukation

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den. Leider existieren bisher nur die Fragebögen, die aufgrund der im Erwachsenenalter empirisch erhobenen Faktorstruktur von Young und Kollegen erstellt wurden. Erhebungen und entsprechende Faktorenanalysen zu spezifischen kindlichen oder adoleszenten Schema­ inhalten fehlen leider bisher weitgehend. Zum Teil fließen frühere und aktuelle Situationen ineinander. Statt der früheren Situation ist es oft wichtig, die aktuelle Interaktion mit den Eltern besser zu verstehen (systemischer Ansatz: Welche Schemata bei den Eltern aktivieren welche Schemata bei den Kindern und umgekehrt?). Die frühzeitige Erkennung von sich selbst aufrechterhaltenden dysfunktionalen Regelkreisen erscheint von besonderer Bedeutung und der Einbezug der Eltern zwingend.

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Teil B: Wie funktioniert Schematherapie?

7  Phase zwei: Veränderung

In der Veränderungsphase kommen in der Schematherapie kognitive Techniken, emotionsfokussierte Techniken und Techniken zum Aufbrechen von Verhaltensmustern zum Einsatz.

7.1 Therapeutische Haltung, Beziehung zwischen Therapeut und Patient In der klassischen tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie stellt die Arbeit an und mit der Übertragung und Gegenübertragung einen zentralen Aspekt dar, das heißt, die maladaptiven Interaktionsmuster manifestieren sich in einer hochfrequenten Behandlungsintensität mit bis zu drei Sitzungen pro Woche in der Beziehung zwischen Patient und Therapeut. Mit Zuhörenkönnen, Empathie und Übertragungsdeutungen ermöglicht die Therapeutin, der Therapeut eine Umstrukturierung über implizite Lernvorgänge im Hinblick auf bislang ausgeübte Interaktionsmuster mit Induzierung bestimmter Rollenreaktionen beim Gegenüber. Dabei hat in der Geschichte der tiefenpsychologischen Psychotherapie bereits eine beachtliche Wandlung stattgefunden von der reinen Betrachtung der Übertragung als (hinderlichen) Widerstand auf dem Wege zur Einsicht in die frühkindlichen verdrängten Konflikte hin zu einer hilfreichen Reaktivierung und Reinszenierung der frühkindlichen Wünsche, die als (hilfreiches) »Schlachtfeld« zwischen Patient und Therapeut die Bearbeitung und Auflösung des neurotischen Konflikts ermöglichen. 47

Auch in der Schematherapie wird auf korrigierende emotionale Erfahrungen und Einsichten hingearbeitet. Dabei bleibt die Häufigkeit der therapeutischen Sitzungen jedoch geringer (z. B. einmal wöchentlich), und der Therapeut, die Therapeutin nimmt eine partnerschaftliche Rolle bei der Anleitung zur Entdeckung der hinderlichen Schemata ein. Intrapsychische Konflikte werden anstelle der Deutung der Übertragungsinteraktion zwischen Patient und Therapeut im Rollenspiel (Stühle-Dialoge, siehe Abschnitt 7.4.2) aktualisiert und bearbeitet. Funktionelle Lösungen werden mit Unterstützung des Therapeuten gesucht. Übung findet mehr zwischen den Sitzungen im Alltag statt – während die Patienten Tagebuch schreiben und erarbeitete Strategien mit Schemamemo-Kärtchen (siehe Abschnitt 7.3.5) versuchen umzusetzen – anstatt »auf der Couch« in der Interaktion zwischen Patient und Therapeut. Dabei ist fast überflüssig zu erwähnen, dass trotz des expliziten Fokus auf andere Techniken die Arbeit mit Übertragung und Gegenübertragung implizit auch in der Schematherapie immer stattfindet und gar nicht ausgeschaltet werden kann. Sie ist als Wirkfaktor somit auch in der Schematherapie enthalten, wird allerdings nicht explizit über Deutungen in den Bewusstseinsfokus gerückt. Stattdessen erfolgt über eine »Freundschaft« (Roediger, z. B. 2011) zwischen Therapeut und Patient eine Ressourcenaktivierung, unter deren Schutz eine emotionale Problemaktualisierung möglich wird. Im geschützten Rahmen der Therapie kann das Problem unter Anleitung des Therapeuten mit einer korrigierenden emotionalen Erfahrung geklärt und anschließend im Alltag bewältigt werden. Die Korrektheit therapeutischer Hypothesen wird zeitnah am Erfolg der Bewältigung im Alltag bemessen. Die Beziehungsgestaltung ist insgesamt ressourcenaktivierend (begrenzte elterliche Fürsorge, Übergangsobjekte). Dabei wird aber auch (im Hier und Jetzt) empathisch konfrontiert und es werden notwendige Grenzen gesetzt. In der Balance zwischen begrenzter elterlicher Fürsorge und empathischer Konfrontation spiegelt sich eine von der psychodynamischen abstinenten Haltung verschiedene Beziehung zwischen Therapeut und Patient wider. Jedoch bilden sich im Rahmen von Containment (begrenzter elterli48

Teil B: Wie funktioniert Schematherapie?

cher Fürsorge) und Deutung (empathischer Konfrontation) trotzdem korrigierende Übertragungsbeziehungen aus. Dementsprechend wird in der therapeutischen Ausbildung viel Wert auf die Selbsterfahrung gelegt, um eine Schemaaktivierung in der therapeutischen Beziehung zu erkennen und bearbeiten zu können (hier finden sich unverkennbare Parallelen zur Arbeit an Übertragung und Gegenübertragung). Es wird ein strukturierter Therapieeinstieg über Schemafragebögen gewählt (Identifikation der zu bearbeitenden Schemata, Erarbeitung der Moduslandkarte zur Entwicklung eines gemeinsamen Krankheits-/Symptommodells und -verständnisses). Es erfolgt eine Psycho­ edukation über das Verfahren der Schematherapie, die zu einer aktiven Beteiligung eines mündigen Patienten (adressiert an das altersangemessene Kind oder an den Jugendlichen bzw. gesunden Erwachsenen) führt, der sich selbst steuern lernt. Patient und Therapeut nehmen eine gemeinsame Forschungshaltung ein, es wird ein gemeinsamer Blick von außen auf eine Situation geworfen. So entsteht eine sachliche, partnerschaftliche Arbeitsbeziehung, um Kränkungen, Kritikempfindlichkeit und Abwehr so weit wie möglich zu reduzieren. Es erfolgt eine gemeinsame Besprechung der Fragebögen.

7.2 Allgemeiner Prozess ȤȤ Ressourcenaktivierung (ausreichend stabile therapeutische Beziehung, Diagnostikphase); ȤȤ Problemaktualisierung durch emotionale Exposition im Rahmen von Imaginationsübungen (vgl. Abschnitt 7.4.1), Stühle-Dialogen (vgl. Abschnitt 7.4.2); ȤȤ Problemklärung durch Mentalisierungsfähigkeit und Selbstreflexion (Übersetzung der Problematik in die Schema-/Moduslandkarte und Selbstkontrolle über diese kognitive Brücke, Verbalisierungsmöglichkeit, Ich-Funktion) in der schützenden therapeutischen Beziehung; ȤȤ verhaltenstherapeutisches Training in Alltagssituationen zur Stabilisierung der Problembewältigung. Phase zwei: Veränderung

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Die Schematherapie ist ein zukunftsorientiertes Therapieverfahren; die Vergangenheit dient nur zur Erklärung der heutigen Reaktionen und zum Aufbau eines kognitiven Modells, um die heutigen Reaktionen kontrollierbar zu machen. Primäres Ziel ist nicht die Bearbeitung der alten Erlebnisse, sondern das Ermöglichen einer Heilung durch funktionelles Verhalten und korrigierende Erfahrungen in der Gegenwart aufgrund des biografischen Verständnisses. Kritisch ist anzumerken, dass im ersten Schritt in der therapeutischen Beziehung selbstverständlich die alten Erlebnisse so weit bearbeitet werden müssen, bis sie ein entsprechendes Verstehen und Handeln zulassen. Der zukunftsgerichtete Gesamtfokus ist jedoch wichtig und ermöglicht in manchen schwierigen Fällen erst die Behandlung und teilweise Bearbeitung der als katastrophal und bedrohlich erlebten Vergangenheit.

7.3  Kognitive Techniken Mithilfe kognitiver Techniken werden nach der Identifikation der Schemata des Patienten die Wahrheit und Funktionalität jedes Schemas überprüft. Ziel ist, automatische Gedanken und Grundannahmen als dysfunktional zu erkennen und eine Motivation zur Korrektur zu entwickeln. 7.3.1 Pro-Kontra-Techniken Hierzu kommen Pro-Kontra-Techniken zum Einsatz. Eine alternative Sichtweise zum dysfunktionalen Schema wird explizit ausformuliert. Anschließend werden Argumente für und gegen beide Sichtweisen gesammelt und positive und negative Konsequenzen des Schemas gegeneinander abgewogen. Dabei ist es wichtig, die jeweiligen Argumente und Konsequenzen detailreich und konkret zu gestalten und auf die direkte Verknüpfung zwischen dysfunktionalem Schema und dem aktuell bestehenden Leidensdruck zu achten, um die Erkenntnis zu fördern: Zum Beispiel: »Ich nehme an, dass mich alle Menschen früher oder später verraten werden und mich niemand wirklich mag. 50

Teil B: Wie funktioniert Schematherapie?

Deshalb reagiere ich arrogant und aggressiv. Das führt dazu, dass ich tatsächlich keine Freunde habe, und das macht mich sehr unglücklich (kontra), auch wenn mir keiner wehtun kann (pro). Wenn ich Menschen Vertrauen schenke und liebenswürdig auf sie zugehe, werden mich zwar einige verraten, und das wird mich hart treffen (kontra), aber ich werde auch echte Freunde finden (pro), und das wird mich für die Verletzungen mehr als entschädigen (Abwägung).« 7.3.2 Selbstregulationstechniken Zur Verhaltensänderung wird ein Selbstregulationsansatz benutzt. Im ersten Schritt wird das Problem verbalisiert, und es findet eine emotionale Distanzierung statt (»Ich habe Angst« statt »Ich bin ängstlich«). Durch die Verbalisierung wird das Problem kognitiv steuerbar und die Formulierung und Ausführung alternativer, neuer Lösungsstrategien anstelle der automatisierten, dysfunktionalen Reaktionsmuster erst möglich. Damit nimmt der Patient eine verantwortungsvollere und explizit eine aktivere Haltung ein, da er selbst eine funktionale Lösung anstrebt und diese nicht in der Arbeit an der Übertragungsbeziehung durch den Therapeuten geformt werden muss. Selbstinstruktionen sind möglich. Zur besseren Verbalisierung und Selbststeuerung dient auch die Klassifikation der erlebten Vergangenheit in die Moduslandkarte und die gemeinsame Betrachtung des Modusmodells durch Therapeut und Patient. Hier verfolgt die Schematherapie einen kognitiv-verhaltenstherapeutischen Ansatz, der wesentlich direktiver und expliziter ausgerichtet ist als in der klassischen tiefenpsychologisch fundierten Therapie. Gerade in Kurzzeit- oder stationären Therapien ist dieser proaktive Ansatz ­aufgrund der geringeren Anzahl an benötigten Sitzungen von Vorteil. Für den Prozess der Therapie ist der Modus des gesunden Erwachsenen (entsprechend einem reifen Ich im psychodynamischen Sinne) von zentraler Bedeutung. Die Therapeutin oder der Therapeut bietet hierbei ein Modell für einen rationalen, emotional ausgewogenen Umgang mit Schwierigkeiten. Die Patienten sollen einen möglichst objektiven Überblick über ihre Situation gewinnen und lernen, kompetent selbstfürsorglich mit sich umzugehen. Phase zwei: Veränderung

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Auf dem Weg dahin spielt die empathische Konfrontation eine wichtige Rolle: Die Gründe für die Schemaentwicklung werden wertgeschätzt (= empathisch), ursprünglich stellte das Schema die einzig mögliche Überlebensstrategie dar, jetzt jedoch ist das Schema nicht mehr funktionell (= Konfrontation), sondern schädlich und muss deshalb modifiziert werden. 7.3.3 Schematagebuch Ein Schematagebuch dient im klassischen Sinne der Verhaltenstherapie dazu, Auslösesituationen, automatische Gedanken, Reaktionsmuster, Handlungen und Konsequenzen der Schemata zu erfassen. Der Therapeut kann zur Motivationssteigerung entsprechende Tagebücher bzw. Arbeitsblätter mit vorgedruckten Spalten (Auslösesituation, …) und Zeilen (bestimmte Uhrzeiten, Vormittag, Nachmittag, Abend …) verwenden, die bereits vorgestaltet sind.

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Teil B: Wie funktioniert Schematherapie?

Beispiel für ein Schematagebuch (individuell durch den Therapeuten anpassbar): Name:               Datum:  Tagesfazit (nach Roediger): 

Uhrzeit

Geplante Aktivität

Auslöser/ Beobachtung

Schema/ Reaktion automa­ tische Ge­danken

Konsequenz/ Effekt

Lernerfahrung

morgens

vormittags

mittags

nachmittags

abends

nachts

Dies fördert die Erinnerung insbesondere bei Patientinnen und Patienten, die eine derartige Strukturierung von selbst nicht schaffen können. In einem Tagebuch werden auch die Ergebnisse von Verhaltensexperimenten festgehalten.

Phase zwei: Veränderung

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7.3.4 Verhaltensexperimente In den Verhaltensexperimenten werden kognitive, emotionale und Handlungsprozesse zu neuen adaptiven Schemata zusammengeführt und über die Lernerfahrung verstärkt (siehe Abschnitt 7.5). Das Schema­tagebuch ist eine wichtige Hilfe zur bewussten Selbstreflexion und damit für eine verbesserte Regulation. Es fördert die Extraktion von neuen adaptiven Regeln und die positive Bewertung von Erfolgserlebnissen. Kleine Veränderungsschritte werden besser wahrgenommen. Das Tagebuch stellt auch ein wichtiges Übergangsobjekt dar, um in der letzten Sitzung erarbeitete Konzepte in den Alltag zu überführen. So erhält der Therapeut, die Therapeutin auch wichtiges Material für die nächste Therapiesitzung aus zuverlässigerer Quelle als aus dem frei erinnerten Bericht des Patienten. Es ist dem Therapeuten möglich, durch Anerkennung die Fortschritte und Veränderungen weiter zu verstärken. 7.3.5 Schemamemos Als Schemamemos werden Kärtchen bezeichnet, die die Patienten als Erinnerungshilfe mit sich führen. Auf den Kärtchen sind Auslösesituationen, Ursprünge des Schemas, die funktionale alternative Sichtweise und konkretes alternatives Verhalten notiert. Die Schemamemos kann sich der Patient oder die Patientin als Übergangsobjekt vor einer kritischen Situation nochmals ansehen. Mit Unterstützung der modernen Technik sind sogar Audio-/Videoaufnahmen auf Smartphones möglich, wobei die genannten Inhalte durch den Therapeuten oder den Patienten selbst vorgetragen werden.

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Teil B: Wie funktioniert Schematherapie?

Beispiel für ein Schemamemo –– Verbalisierung der aktualisierten Emotion und der Auslösesituation (entspricht dem Stimulus der Verhaltensanalyse nach dem SORKSchema): »Ich fühle            (Emotion), weil gerade                 (Auslösesituation/Trigger).« –– Emotionale Distanzierung (ich-dyston) von der automatisch akti­vierten Bewältigungsstrategie (Organismusvariable, biogra­ fi­ sche Erklärung der Lerngeschichte): »Ich weiß, dass dies mein               (Schema/Modus) ist, das ich durch               (Situation in der Vergangenheit) erlernt habe. Das löst bei mir               (Vermeidung/Überkompensation/Erduldung als Bewältigungsstrategie) aus.« –– Überprüfung der Funktionalität, bewusst regulierte funktionelle Alternative/Selbstregulationsstrategie (Reaktion, exekutive Kontrolle, die automatisierte, erlernte Prozesse überschreiben muss): »Obwohl ich glaube, dass                   (dysfunktionaler automatischer Gedanke), ist die Realität, dass                (funktionale Sichtweise). Konkrete Beweise für diese Realität: *  *  *  « –– Funktionales, alternatives Verhalten, motivierende Konsequenzen, Belohnungen: »Deshalb verhalte ich mich ab sofort genau so:                . (konkretes Verhalten, möglichst detailliert beschrieben, trotzdem nicht stereotyp, sondern sinngemäß und flexibel umzusetzen). Dann wird Folgendes passieren:                 (positive Konsequenzen, ggf. auch geringere negative Konsequenzen nicht verschweigen und entsprechend bewerten). Optional: Wenn ich es geschafft habe, mich so zu verhalten, wie ich wollte, gönne ich mir Folgendes:                 (motivierende Belohnung).«

Phase zwei: Veränderung

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7.4  Emotionsfokussierte Techniken Ein wichtiger Grundsatz in der Schematherapie ist, dass neue emotionale Erfahrungen notwendig für dauerhafte Veränderungen sind. Um dies zu erreichen, ist die Therapeutin oder der Therapeut nicht abstinent, sondern die therapeutische Beziehung ist eine »echte« (freundschaftliche, unterstützende) Beziehung mit klar definiertem Ziel und mit Grenzen. Es findet eine begrenzte Selbstöffnung des Therapeuten statt, der eigene Erfahrungen mit einbringt. Der Therapeut übernimmt im Rahmen einer Nachbeelterung (re-parenting) die Rolle eines guten Elternteils und erlaubt dem Patienten in der Imagination die nachträgliche Erfüllung von frustrierten Bedürfnissen. Der Therapeut übernimmt eine begrenzte elterliche Fürsorge für den Patienten. In der KJP stellt der Therapeut keine Konkurrenz zu den Eltern des Patienten dar; statt Nachbeelterung könnte der Begriff Ko-Beelterung geprägt werden. Im Sinne eines Großelternteils kann der Therapeut auch Eltern und Patient »coachen«. Der Therapeut, die Therapeutin bietet dem familiären System eine emotionale Erfahrung, die die nicht erfüllten zentralen Bedürfnisse begrenzt (!) befriedigt. Begrenzt deshalb, um eine Regression in Abhängigkeit zu vermeiden. Im Rahmen der Nach- oder Ko-Beelterung werden Imaginationsverfahren zur emotionalen Aktivierung und zum Re-scripting eingesetzt. Der Patient oder die Familie gehen in schwierige Situationen, um alternative Lösungen zu finden und korrigierende emotionale Erfahrungen zu machen. Dabei erfolgt implizit eine Deutung und Zurückführung der aktuellen Probleme auf frühere biografische Erfahrungen aus der Kindergarten- oder Grundschulzeit. 7.4.1 Imaginationsverfahren Durchführung von Imaginationsverfahren (vom Problem in die Vergangenheit und zurück): 1. Im Vorfeld von Imaginationsübungen sollten stets als Basis Übungen zur emotionalen Stabilisierung erfolgreich durchgeführt worden sein, um jederzeit die Möglichkeit zur Rückkehr aus der emo56

Teil B: Wie funktioniert Schematherapie?

tionalen Aktivierung in einen sicheren Hafen zu haben. Geeignet sind kognitive Methoden (»innerer sicherer Ort«, Meditationsmantras, Kopfrechnen), körperbezogene Methoden (progressive Muskelrelaxation nach Jacobson, starke körperliche Reize durch Eiswürfel in der Hand, Emotionsregulationsskills aus der Dialektisch-Behavioralen Therapie) oder Aufmerksamkeitslenkung auf Sinnesreize der Umgebung (Musik hören u. a.). 2. Hineinversetzen in eine aktuelle belastende Auslösesituation mit allen Sinnesqualitäten (akustisch, visuell, Körpererleben, Gedanken und Gefühle). Die Situation soll wie in einer virtuellen Realität möglichst lebendig wieder erlebt werden. Der Therapeut erfragt alle Details, die ihm zu einem intensiven Miterleben fehlen. Aktivierung des episodischen Gedächtnisses. 3. Nach der Benennung der aktivierten Emotion als zentrales Element sollen die Umgebungsreize wieder verblassen, aber die Emotion erhalten bleiben. 4. Bilder aufsteigen lassen (»visuelle freie Assoziation«), die mit dieser Emotion in der Vergangenheit verbunden waren. Von mehreren Bildern dasjenige auswählen, was den Patienten am stärksten berührt. Bilder aus der Grundschul- oder späteren Kindergartenzeit ermöglichen bereits eine recht zuverlässige Erinnerung, Szenen mit den primären Bezugspersonen und frühe Erfahrungen sind besonders wertvoll. 5. Nach dem Zurückgehen in der Zeit anhand der Emotion nun die Kindheitsszene in aktualisierter Form mit allen Sinnesqualitäten filmhaft ablaufen lassen (wieder konkret zurückversetzen) und auf die Gefühlsfacetten (verletztes/aggressives Kind) achten und validieren. Entscheidend ist nicht, ob die Ereignisse in der Vergangenheit tatsächlich so abgelaufen sind, sondern dass der Patient sie so wahrgenommen hat. In keinem Fall korrigieren (»So war das aber nicht«, »Deine Eltern haben mir aber erzählt, dass …«). 6. Identifikation der zugrunde liegenden Bedürfnisse im Kindmodus (»Was brauchst du jetzt?«, »Was würde dir helfen?«). Eine Phase zwei: Veränderung

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Ansprache als (kleines) Kind mit »Du« und dem Vornamen zur Verstärkung des Eindrucks ist möglich. 7. Veränderung der Situation durch Hinzuziehung des altersangemessenen Jugendlichen bzw. gesunden Erwachsenen, wobei der Patient selbst als Erwachsener mit sich als Kind sprechen kann oder (falls der Patient dies noch nicht durchführen kann) der Therapeut als »Hilfs-Ich« die Funktion des gesunden Erwachsenen übernimmt und mit den kindlichen Anteilen spricht. Der Patient soll sein Bedürfnis noch einmal klar gegenüber den Bezugspersonen deutlich machen und sich um sich kümmern. 8. Wahrnehmung des veränderten körperlichen und emotionalen Erlebens durch die imaginative Nach-/Ko-Beelterung. 9. Verblassenlassen der Kindheitsszene und Rückkehr in die ursprüngliche aktuelle Auslösesituation mit dem veränderten inneren emotionalen Erleben (selbstfürsorglicher Umgang mit den eigenen Bedürfnissen aus der Kindheitsszene). Deutlicher Ausdruck der eigenen Bedürfnisse in adaptiver Form gegenüber den aktuellen Bezugspersonen. Beobachtung der Veränderung der Reaktionen der aktuellen Bezugspersonen in der Imagination. 10. Vergleichen des Gefühls am Ende der Imagination mit dem Gefühl zu Beginn (Motivation zur Umsetzung der Veränderung in der Realität). Es erfolgen eine emotionale Aktivierung und zugleich eine Deutung der aktuellen Probleme als Konsequenz der früheren biografischen Erfahrungen. Dabei ist zum einen der Widerstand gegen die Deutung reduziert, da diese expliziter Bestandteil des vorher gemeinschaftlich vereinbarten Verfahrens ist. Zum anderen erfolgt eine Entschuldung des Patienten, der für eigenes Fehlverhalten nicht mehr allein verantwortlich ist, da er »Opfer der früheren Umstände« geworden ist. Somit wird eine Distanzierung vom dysfunktionalen Schema erleichtert und Widerstände werden abgebaut. Dies bedeutet nicht, dass der Therapeut, die Therapeutin ggf. den Eltern unbedingt entsprechende Vorwürfe machen muss, selbstverständlich bringen die Patientinnen und 58

Teil B: Wie funktioniert Schematherapie?

Patienten eigene Anteile und Verantwortung mit ein. Diese Schuldfrage ist für das therapeutische Prozedere allerdings irrelevant. Es sollte nur dem Patienten nicht suggeriert werden, dass er bestimmte Vorwürfe gegen seine Bezugspersonen erheben muss (ggf. sind hier familientherapeutische gemeinsame Sitzungen zum gegenseitigen Verständnis indiziert) – eine kognitive und emotionale Distanzierung vom dysfunktionalen Schema (ich verhalte mich so, weil …) ist ausreichend. Die Frage nach der Eigenverantwortung ist hier sekundär. 7.4.2 Stühle-Arbeit/Handpuppendialoge Sogenannte Stühle-Dialoge oder Finger-/Handpuppendialoge werden eingesetzt, um die verschiedenen Anteile bzw. unterschiedlichen Haltungen im Rahmen eines Schemas zusammen mit gesunden Anteilen dadurch deutlich zu machen, dass jede Position durch einen Stuhl, auf den sich der Patient setzen kann, repräsentiert wird. Der Patient wechselt zwischen den Stühlen, und es entstehen vom Therapeuten geleitete Dialoge. Stühle-Dialoge repräsentieren intrapsychische Konflikte, wie sie auf der Moduslandkarte deutlich werden. Sie lassen die Konflikte erleb- und spürbar und dadurch bearbeitbar werden. Als »Bühne« zur Bearbeitung wird dabei nicht die Übertragungsbeziehung genutzt, sondern die Inszenierung auf einer Zwischenebene zwischen innerem Dialog und interpersonellen Rollenspielen. Durchführung der »Stühle-Arbeit«/Konfliktinszenierung: 1. Es wird ein aktueller Konflikt aufgegriffen, und für die drei Instanzen (inneres Kind, Ich/gesunder Erwachsener, innere Eltern) werden drei Stühle aufgestellt. Der Patient nimmt auf dem Stuhl Platz, der im aktuellen Konflikt im Vordergrund steht (Eltern- oder Kindseite), und erläutert dem Therapeuten, was sein Anliegen ist. 2. Danach wechselt der Patient den Stuhl (Perspektivwechsel), und der Therapeut fragt den komplementären Teil, wie er das gerade Gesagte erlebt hat. Ggf. wechselt der Patient im Dialog mehrmals zwischen den Stühlen hin und her. Ggf. muss ein weiterer Stuhl für einen Bewältigungsversuch (z. B. distanzierter Beschützer, der Phase zwei: Veränderung

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Patient vermeidet den Kontakt mit seinen Emotionen/»Abwehrmechanismus«) hinzugenommen werden. 3. Wenn der Patient auf dem Stuhl des inneren Kindes sitzt, wird er ermutigt, seine Gefühle zuzulassen und zu benennen, ggf. werden hierzu die zensierenden Elternanteile symbolisch aus dem Raum »verbannt«. 4. Anschließend setzt sich der Patient erstmals auf den Stuhl des gesunden Erwachsenen bzw. des altersangemessenen Jugendlichen oder Kindes. Altes Verhalten wird als seinerzeit funktionaler Bewältigungsversuch validiert. Synthese der polaren Positionen aus Bedürfnis (Kindseite) und Über-Ich (Elternseite). Der gesunde Erwachsene kann auch Position beziehen und die Kindanteile nach-/ko-beeltern sowie unangemessene elterliche Forderungen zurückweisen. Dabei kann ihn der Therapeut unterstützen. Bei Schemaauslösung innerhalb der Therapiesitzung (»Übertragung«) nimmt der Therapeut eine Metaposition ein und versucht durch empathische Konfrontation, dem Patienten das schemabezogene Handeln bewusst zu machen. Dabei ist wichtig, dass der Therapeut seine eigenen Schemata kennt (Selbsterfahrung), um sich nicht in der Interaktion mit dem Patienten in die typischen schemainduzierten Konflikte verstricken zu lassen. Wenn bei Patienten emotionale Reaktionen im Hinblick auf ihre Eltern ausgelöst werden, die bestimmte Bedürfnisse nicht befriedigt haben, wird im Rahmen der Schematherapie oft ein Brief an die Eltern verfasst, der im Erwachsenenalter meist nicht abgeschickt wird. Erfahrene Schematherapeuten und -therapeutinnen berichten, dass konstruktive Konfrontationen der Eltern mit den Vorwürfen der Patienten im Erwachsenenalter nur in einer Minderzahl der Fälle möglich sind. Umso feinfühliger muss der Einbezug der Eltern im Kindes- und Jugendalter erfolgen.

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Teil B: Wie funktioniert Schematherapie?

7.5 Aufbrechen von Verhaltensmustern Zur Generalisierung der therapeutischen Fortschritte in der alltäglichen Praxis der Patientinnen und Patienten werden Verhaltensexperimente eingesetzt, in denen alternative Sichtweisen ausprobiert werden. Die Ergebnisse der Verhaltensexperimente werden im Schematagebuch festgehalten.

Phase zwei: Veränderung

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8  Weiterführende Literatur

Im vorliegenden Buch wird die Schematherapie als Konzept für eine theoretisch kohärente Möglichkeit, verschiedene therapeutische Schulen zu integrieren, vorgestellt und Parallelen zu tiefenpsychologischen und verhaltenstherapeutischen Vorgehensweisen werden aufgezeigt. Falls Sie sich gern näher informieren möchten, um schematherapeutisch zu arbeiten, sei auf die folgende weiterführende Literatur hingewiesen.

8.1  Schematherapie mit Kindern und Jugendlichen Eine ausführliche deutschsprachige Adaptation der Schematherapie für verschiedene Lebensalter in Kindheit und Jugend unter Berücksichtigung des Systems Familie findet sich in C. Loose, P. Graaf und G. Zarbock (2013), Schematherapie mit Kindern und Jugendlichen, erschienen im Beltz-Verlag, Weinheim. Es wird zum Beispiel auf die Arbeit mit Fingern und Handpuppen als Ersatz für die Arbeit mit verschiedenen Stühlen differenziert eingegangen. Wichtig ist, dass sich nicht nur das Medium ändert, sondern sich auch die Inhalte dem Entwicklungsstand entsprechend den Reflexions-, Selbststeuerungs- und kognitiven Kapazitäten anpassen müssen. Während Erwachsene die volle Verantwortung für sich allein übernehmen müssen, sollen Kinder lernen, altersangemessene Verantwortung zu übernehmen, und ansonsten muss das pädagogische und psychosoziale Setting so weit angepasst werden, dass Bezugspersonen in altersentsprechender Form in die Therapie mit einbezogen werden können, das heißt, dass beispielsweise Eltern lernen, wie im Erziehungskontext Kinder und Eltern wechselseitig Sche62

mata beim Gegenüber aktivieren, sich somit wechselseitig beeinflussen, und welche Verantwortung die Eltern als gesunde Erwachsene für eine erfolgreiche Veränderung haben bzw. welche Grenzen sie setzen und welche Anforderungen sie an ihr Kind richten müssen. C. Loose, P. Graaf und G. Zarbock haben 2015 den Band »Störungsspezifische Schematherapie mit Kindern und Jugendlichen«, ebenfalls im Beltz-Verlag, Weinheim, herausgegeben. Hier werden Besonderheiten im Hinblick auf die Anwendung der Schematherapie bei spezifischen kinder- und jugendpsychiatrischen Krankheitsbildern behandelt.

8.2  Schematherapie mit Erwachsenen Young, J., Klosko, J., Weishaar, M. E. (2008). Schematherapie. Paderborn: Junfermann. Young hat mit seinem Buch die Schematherapie begründet, insofern empfiehlt es sich, diesen Klassiker zu lesen, um auch die Entwicklung der Schematherapie nachvollziehen zu können. Roediger, E. (2011). Praxis der Schematherapie. Stuttgart: Schattauer. Eckhard Roediger, Präsident der ISST (International Society for Schema Therapy; www.schematherapysociety.org), stellt die Schematherapie vor dem Hintergrund der deutschsprachigen Psychotherapieforschung (u. a. K. Grawe) vor. Es bestehen in Deutschland mehrere von der ISST anerkannte Ausbildungsinstitute für Schematherapie, die über die Homepage der ISST in Erfahrung gebracht werden können. Wer eine Anpassung zur Verwendung im stationären Rahmen sucht, sollte einen Blick werfen auf: Reusch, Y., Valente, M. (2015). Störungsspezifische Schematherapie. Anwendungen im stationären Setting. Weinheim: Beltz-Verlag. Die Arbeitsgruppe um Arnoud Arntz ist ein wichtiger Vertreter der Schematherapie in Europa, sie hat vor allem einen wesentlichen Beitrag für die wissenschaftliche Evaluierung und Evidenz zur Wirksamkeit der Schematherapie geliefert (siehe Kapitel 9). Das Buch von G. Jacob und A. Arntz, Schematherapie in der Praxis, ist 2015 in 2. Auflage im Beltz-Verlag, Weinheim, erschienen. Weiterführende Literatur

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9  Evidenz, Wirksamkeit, Ausblick

Es gibt erste ermutigende Daten zur Wirksamkeit der Schematherapie, darüber soll hier ein kurzer Überblick gegeben werden. Der bisherige Evidenzgrad ist noch limitiert, weitere Studien, vor allem randomisiert kontrollierte Studien, sind notwendig. Große Beachtung fand dabei eine Studie aus der Gruppe von Arnoud Arntz, der viel zur Evaluation der Schematherapie beigetragen hat, in der die Schematherapie mit der Übertragungsfokussierten Psychotherapie nach Kernberg (Transference-Focused Psychotherapy, TFP) in der Behandlung von Borderline-Persönlichkeitsstörungen verglichen wurde. Dabei zeigte sich die Schematherapie der TFP signifikant überlegen: Giesen-Bloo, J., van Dyck, R., Spinhoven, P., van Tilburg, W., Dirksen, C., van Asselt, T., Kremers, I., Nadort, M., Arntz, A. (2006). Outpatient psychotherapy for borderline personality disorder: Randomized trial of schema-focused therapy vs transference-focused psychotherapy. Archives of General Psychiatry, 63, S. 649–658. Die Schematherapie zeigte sich auch in einer weiteren großen multizentrischen Studie als effektiv für die Behandlung von Persönlichkeitsstörungen: Bamelis, L. L., Evers, S. M., Spinhoven, P., Arntz, A. (2014). Results of a multicenter randomized controlled trial of the clinical effectiveness of schema therapy for personality disorders. The American Journal of Psychiatry, 171, S. 305–322. Die erwähnten Publikationen wurden in den angesehensten internationalen psychiatrischen Fachzeitschriften veröffentlicht. Eine weitere, neuere Studie legt nahe, dass die stationäre Schematherapie in der Therapie von Persönlichkeitsstörungen auch dann effektiv sein könnte, wenn diese Patientinnen und Patienten mit ande64

ren psychotherapeutischen Verfahren nicht erfolgreich behandelt werden konnten: Schaap, G. M., Chakhssi, F., Westerhof, G. J. (2016). Inpatient schema therapy for nonresponsive patients with personality pathology: Changes in symptomatic distress, schemas, schema modes, coping styles, experienced parenting styles, and mental well-being. Psychotherapy (Chicago, Ill.), May 12. Epub ahead of print. Die Schematherapie zeigte sich der Clarification-oriented Psychotherapy gegenüber in der Behandlung von Persönlichkeitsstörungen überlegen und erwies sich auch als kosteneffektiv: Bamelis, L. L., Arntz, A., Wetzelaer, P., Verdoorn, R., Evers, S. M. (2015). Economic evaluation of schema therapy and clarification-oriented psychotherapy for personality disorders: A multicenter, randomized controlled trial. The Journal of Clinical Psychiatry, 76, S. e1432–1440. Die Schematherapie wurde primär für die Behandlung komplexer Persönlichkeitsstörungen entwickelt und zeigt auf diesem Gebiet gute Ergebnisse. Daneben wird auch versucht, viele andere psychiatrische Krankheitsbilder, die der ersten Achse des multiaxialen Klassifikationssystems angehören, mit schematherapeutischen Verfahren zu behandeln. In direkten Vergleichen gegenüber der reinen kognitiven Verhaltenstherapie bei psychiatrischen Achse-I-Störungen zeigte sich eine gleiche Effektivität bei Binge Eating – McIntosh, V. V., Jordan, J., ­Carter, J. D., Frampton, C. M., McKenzie, J. M., Latner, J. D., Joyce, P. R. (2016). Psychotherapy for transdiagnostic binge eating: A randomized controlled trial of cognitive-behavioural therapy, appetite-focused cognitivebehavioural therapy, and schema therapy. Psychiatry Research, 240, S. 412–420 – und bei majorer unipolarer Depression: Carter, J. D., McIntosh, V. V., Jordan, J., Porter, R. J., Frampton, C. M., Joyce, P. R. (2013). Psychotherapy for depression: A randomized clinical trial comparing schema therapy and cognitive behavior therapy. Journal of Affective Disorders, 151, S. 500–505. Bis 2011 lagen zwölf größere Studien vor, die zumeist überraschend große Effektstärken für die Schematherapie zeigten: Masley, S. A., Gillanders, D. T., Simpson, S. G., Taylor, M. A. (2012). A systemEvidenz, Wirksamkeit, Ausblick

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atic review of the evidence base for schema therapy. Cognitive Behaviour Therapy, 41, S. 185–202. In der Zeitschrift, die bezeichnenderweise für kognitive Verhaltenstherapie steht, schlussfolgerten die Autoren auf dieser Grundlage: »The culminative message (both from the popularity of this model and the medium-to-large effect sizes) is of a theory that has already demonstrated clinically effective outcomes in a small number of studies and that would benefit from ongoing research.« Insbesondere ist bisher noch kaum untersucht, welche Bausteine der Schematherapie welchen Beitrag zur Effektivität leisten bzw. welche Bestandteile (abgesehen von allgemeinen Wirkfaktoren in der Psychotherapie) essenziell und wirksam sind. Im bis dato aktuellsten Review bezogen auf die Borderline-Persönlichkeitsstörung sind neben randomisiert kontrollierten Studien auch Fallserien/Fallberichte einbezogen: Sempértegui, G. A., K ­ arreman, A., Arntz, A., Bekker, M. H. (2013). Schema therapy for borderline personality disorder: A comprehensive review of its empirical f­oundations, effectiveness and implementation possibilities. Clinical Psychology Review, 33, S. 426–447. Insofern bietet die Schematherapie bisher zwar erst begrenzte fertig evaluierte Lösungen (vor allem im Bereich der Behandlung von Borderline-Persönlichkeitsstörungen), vor allem aber einen konzeptuellen Rahmen, der weitere differenzierte Psychotherapieforschung zur Integration von Elementen aus verschiedenen Therapieschulen in einer einheitlichen theoretischen Konzeptualisierung ermöglicht. Studien (randomized controlled trials) bei Adoleszenten und Kindern fehlen leider bisher.

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Teil B: Wie funktioniert Schematherapie?