Einführung in die Farbmetrik 9783110858266, 9783110082098


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German Pages 278 [284] Year 1981

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Table of contents :
1. Wesen der Farbe
2. Technik der additiven Farbmischung
3. Gesetzmäßigkeiten der additiven Farbmischung
4. Wirkungsweise des Auges
5. Der Farbreiz
6. Weiterer Ausbau der Farbvalenzmetrik
7. Die Spektralwerte
8. Virtuelle Farbvalenzen, Normvalenz-System
9. Zusammenhang zwischen Farbreiz und Farbvalenz
10. Bedingt-gleiche Farben
11. Sogenannte subtraktive Farbmischung
12. Optimalfarben
13. Komplementäre und kompensative Farben
14. Praktisch verwendete Farbmaß-Systeme
15. Farbmessung
16. Anschauliche Farbkennzeichnung
17. Höhere Farbmetrik
18. Farbenfehlsichtigkeit
19. Anwendung der Farbmetrik
Anhang 1: Die Mittelpunkts-Transformation (Zentrierung)
Anhang 2: Die (echte) von Kries-Transformation
Anhang 3: Die Berechnung der Strahlungsfunktionen für die Tageslicht-Phasen D
Ergänzungen zur 2. Auflage
Tabellenteil
A: Relative spektrale Strahlungsverteilung Sλ des Planckschen Strahlers bei fünf verschiedenen Temperaturen
B: Relative spektrale Strahlungsverteilung Sλ für drei D-Lichtarten und Xenon-Kurzbogenlampe
C: Normspektralwerte und Normspektralwertanteile für den 2°-Normalbeobachter CIE 1931
D: Normspektralwerte und Normspektralwertanteile für den 10°-Normalbeobachter CIE 1964
E: Farbörter einiger wichtiger Lichtarten
F: Zahlenwerte für das Farbsystem DIN 6164
G: Werte der Munsell-Funktion V in Abhängigkeit von den zentrierten Normfarbwerten X´, Y´, Z´
H: Hilfstabellen zur Berechnung der Tageslicht-Phasen D
Schrifttumsverzeichnis
Namen- und Sachregister
Bunttafeln A–D
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Einführung in die Farbmetrik
 9783110858266, 9783110082098

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Richter · Einführung in die Farbmetrik

Manfred Richter

Einführung in die Farbmetrik 2. Auflage

W DE

G_ Walter de Gruyter · Berlin · New York 1981

Manfred Richter Dr.-Ing. habil., apl. Professor an der Technischen Universität Berlin ehemals Leiter der Fachgruppe „ F a r b m e t r i k " an der Bundesanstalt für Materialprüfung Berlin

Das Buch enthält 98 Abbildungen und 4 Bunttafeln

CIP-Kurztitelaufnähme

der Deutschen

Bibliothek

Richter, Manfred E i n f ü h r u n g in die Farbmetrik / Manfred Richter. — 2. Aufl. — Berlin, New York: de Gruyter 1980. ISBN 3-11-008209-8

© Copyright 1981 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung, J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, Karl J . Trübner, Veit & Comp., 1000 Berlin 30 — Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. — Printed in Germany Satz und Druck: Mercedes-Druck, Berlin — Einbandentwurf: Wernitz & Wernitz, Berlin — Bindearbeiten: Dieter Mikolai, Berlin

Vorwort zur zweiten Auflage Die Farbmetrik hat sich in den letzten 50 Jahren allmählich zu einem selbständigen Wissenschaftszweig entwickelt und findet seit rund 20 Jahren praktische Anwendung in vielen Industriezweigen. Daher ist die Zahl derer, die sich für dieses relativ junge Gebiet interessieren, erheblich gewachsen. Dieses Buch will denen, die sich in die Farbmetrik einarbeiten wollen, ein zuverlässiger Führer sein; wer sich die Grundlagen schon in Vorlesungen oder Kursen erworben hat, dem wird das Buch die notwendige Hilfe zur Vertiefung des Stoffes bieten. Es möchte auch dazu beitragen, daß manche irrigen Vorstellungen über die Farbe, wie sie in den dem stofflichen Begriff der Farbe noch verhafteten Kreisen gewisser Praktiker, Kunsterzieher und Künstler herrschen und hartnäckig aufrecht erhalten werden, allmählich auch hier einer besseren Einsicht weichen. Deshalb habe ich mich bemüht, den Zugang zu dem Stoff so allgemeinverständlich wie nur irgend möglich zu gestalten; das bißchen Mathematik, das dabei nicht vermieden werden kann, ist in seinen Anfängen so primitiv, das wohl jeder die Rechnungen nachvollziehen kann. Der Text der ersten Auflage, die als Band der „Sammlung Göschen" erschienen war, ist bis auf notwendige Verbesserungen praktisch unverändert übernommen worden. Einige seitdem wichtig gewordene Entwicklungen sind in dem Abschnitt „Ergänzungen" (S. 223ff.) kurz zusammengefaßt. In den Tabellen sind die Spalten für die Zahlenwerte der DINFarbenkarte für Normlichtart D65 entsprechend der neuen Norm neu gesetzt worden. Vielen Fachkollegen und Institutionen habe ich für freundlich gewährte Hilfe zu danken, vor allem der Bundesanstalt

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Vorwort zur zweiten Auflage

für Materialprüfung in Berlin, der ich 32 Jahre angehört habe und wo ich die Fachgruppe Farbmetrik aufbauen durfte (insbesondere danke ich den früheren und heutigen Mitarbeitern dieser Fachgruppe), sowie dem Institut für Lichttechnik der TU Berlin, zu dessen Vorlesungsplan die Farbmetrik seit langem fest gehört. Für eine Reihe stilistischer Verbesserungsanregungen habe ich meinem Freund Dr. W. Tissot zu danken. Die Korrektur schon der ersten Auflage hat noch mit großer Sorgfalt die leider inzwischen verstorbene Sekretärin des Fachnormenausschusses Farbe (FNF) im DIN, Frau Li Fonndorf, gelesen, wofür ich ihr auch an dieser Stelle meinen Dank nachrufen möchte. Dem de Gruyter-Verlag bin ich für die Ausstattung des Buches, insbesondere für die neuen Bunttafeln in dieser zweiten Auflage, sehr verbunden. Berlin, im Januar 1980 Manfred

Richter

Inhalt 1. Wesen der Farbe 7 Begriff der Farbmetrik — Farbe eine Sinnesempfindung — Begriffsdefinition der Farbe — Bunt und Unbunt — Buntton — Gebrauch des Wortes „ F a r b e " 2. Technik der additiven Farbmischung 14 Mischung durch Übereinanderprojektion — Mischung nach dem Farbkreiselprinzip — Farbmischung durch Hastening — Autotypische Farbmischuug 3. Gesetzmäßigkeiten der additiven Farbmischung 21 Mischung mit zwei Komponenten — Farbgleichung — Vektor-Darstellung — Innere und äußere Farbmischung — Mischung mit drei Komponenten — Primärvalenz-Begriff — Erstes GraßmannecheB Gesetz — Vektorraum der Farben — Zweites Graßmannechee Gesetz — Färb metrisches Grundgesetz 4. Wirkungsweise des Auges 32 Lichtempfindliche Netzhautelemente: Stäbchen und Zapfen — Spektralworte — Farbe als Erregungssumme dreier Empfänger — Dreikomponenten-Thoorie — von Kriesscher Koeffizientensatz 5. Der Farbreiz 41 Strahlung als Farbreiz — Spektrale Zerlegung — Spektrale Strahlungsverteilung — PZancfcsches Strahlungsgesetz — Verteilungetemperatur, Farbtemperatur, ähnlichste Farbtemperatur — Farbreiz bei Selbstleuchtern und bei Körperfarben 6. Weiterer Ausbau der Farbvalenzmetrik 52 Rechnen mit Farbgleichungen — Transformationen (Wechsel der Primärvalenzen) — Schwerpunkts-Konstruktion, Farbtafel 7. Die Spektralwerte 62 Spektralfarbe — Spektralwcrt-Bestimmung — Spektralwert-Kurven — Spektralfarbenzug 8. Virtuelle Farbvalenzen, Normvalenz-System 68 Reelle und virtuelle Farbvalenzen — Wahl der Normvalenzen — Abneyechee Gesetz — Beziehung zwischen farbmetrischem und photometriechem Maßsystem — Grundvalenzen 9. Zusammenhang zwischen Farbreiz und Farbvalenz . . . . 79 Mannigfaltigkeit der Farben — Berechnung der Farbvalcnz bei Selbstleuchtern und bei Körperfarben 10. Bedingt-gleiche Farben 83 Begriff der bedingt-gleichen Farben — Metamerie-Index 11. Sogenannte subtraktive Farbmischung 87 Vorgang der sog. subtraktiven Farbmischung — Lambertsches Absorptions-Gesetz — Weersches Gesetz 12. Optimalfarben 91 Definition der Optimalfarben — Λιιί/ier-Maßzahlen — Eigenschaften der Optimalfarben — Rösch- und Lidher-Nyberg-F&Tbkörper — Momentsummenkurve 13. Komplementäre und kompensative Farben 104 Darstellung von Optimalfarben — Kompensationsfarbenpaare — Komplementärfarbenpaare

6

Inhalt

14. Praktisch verwendete Farbmaß-Systeme

107

2°- und 10c-Normvalenzsy6tem — UCS-Farbtafel — Hellbezugswert — HeiwiAoMs-Maßzahlen — Valenzmetrische Buntton-Maße

15. Farbmessung

123

Gleichheitsverfahren — Additive Nachmischung — Subtraktive Nachmischung — Spektralverfahren — Spektralphotometrie — spektrale Remissionskurve — valenzmetrischo Auswertung — Dreibereichsverfahren — Lulhcr-Ueäingung — Partialf ilterung — Meßgeometrie — Probenbeschaffenheit — Messung fluoreszierender Farben

16. Anschauliche Farbkennzeichnung

148

Buntton — Sättigung — Helligkeit — Farbtiefe — Farbenkarten AfwnseZZ-Farbsystem — ^daws-Farbsystem — Ostwalds Farbordnung — Farbsystem D I N 6164 — Grenzen der Farbsysteme

17. Höhere Farbmetrik

172

Metrik der Farbempfindungen — Linienclement — Unterschieds-Empfindlichkeiten — Mac A dam-Ellipsen — Farbabstandsformeln — Farbtolcranzen

18. Farbenfehlsichtigkeit

189

Farbennormalsichtigkeit — Spektralwert-Kurven — Dichromaten — Anomale Trichromaten — Häufigkeit — Erbgang — Prüfung auf Farbennormalsichtigkeit — Anomaloskop

19. Anwendung der Farbmetrik

203

Beschreibung einer Farbe durch Maß und Zahl — Farbabstandsbewertung — Farbwiedergabe — Farbrezeptierung — Physiologische Forschung — Künstlerische Anwendung

Anhang 1: Die Mittelpunkts-Transformation (Zentrierung) . .211 Anhang 2: Die (echte) von Äries-Transformation 215 Anhang 3: Die Berechnung der Strahlungsfunktionen für die Tageslicht-Phasen D 222 Ergänzungen zur 2. Auflage 223 Tabellenteil 228 A : Relative spektrale Strahlungsverteilung 8χ des Planckschen Strahlers bei fünf verschiedenen Temperaturen . . . 228 B: Relative spektrale Strahlungsverteilung 8χ für drei D-Lichtarten und Xenon-Kurzbogenlampe 230 C: Normspektralwerte und Normspektralwertanteile für den 2°-Normalbeobachter CIE 1931 232 D: Normspektralwerte und Normspektralwertanteile für den 10° -Normalbeobachter CIE 1964 235 Ε: Farbörter einiger wichtiger Lichtarten 238 F: Zahlenwerte für das Farbsystem D I N 6164 239 G: Werte der Munsell-Funktion V in Abhängigkeit von den zentrierten Normfarbwerten Χ', Υ', Z' 248 H : Hilfstabellen zur Berechnung der Tageslicht-Phasen D. . . 259 Schrifttumsverzeichnis 263 Namen- und Sachregister 273 Bunttafeln A—D hinter S. 278

1. Wesen der Farbe Farbmetrik ist die Lehre von den Maßbeziehungen der Farben untereinander. Sie setzt demgemäß voraus, daß man die Farben durch Maß und Zahl eindeutig beschreiben, und dies wiederum, daß man sie messen kann. Landläufig gilt j a die Farbe ebenso als eine physikalische Eigenschaft der Körper wie etwa ihr Volumen, ihre Masse oder ihre Temperatur. Gerade das aber ist nicht richtig. Farbe ist eine Sinnesempfindung, die im Regelfall von der Strahlung ausgelöst wird, die von den (selbstleuchtenden oder beleuchteten nichtselbstleuchtenden) Körpern in das Auge gelangt und hier von spezifischen Sinneszellen in Nervenerregung umgewandelt wird, die ihrerseits zum Gehirn geleitet und dort als Farbe ins Bewußtsein des Menschen tritt. Das ist ein komplizierter biologischer Vorgang, dessen Einzelheiten noch längst nicht alle erforscht sind. Der Physik im eigentlichen Sinne haben wir dabei nur die äußere Ursache zuzuordnen, die den ganzen Vorgang einleitet: die Strahlung. Aber dadurch ist nichts über die Farbe ausgesagt; denn dazu bedarf es der Betrachtung der Gesetzmäßigkeiten, denen die sinnesphysiologische Verarbeitung der Strahlung unterliegt. Das aber gehört an sich nicht mehr zur Physik. Eine Sinnesempfindung setzt voraus, daß ein lebender und der Empfindung fähiger Organismus vorhanden ist. Das Beispiel der Schmerzempfindung möge das verdeutlichen. Die physikalische Ursache für eine Schmerzempfindung kann etwa eine Nadelspitze sein. Stechen wir sie in ein Nadelkissen, so ereignet sich nichts weiter, als daß ein Loch entsteht, dessen Ränder die Nadel festhalten und das sich unter der Elastizität des Materials weitgehend wieder schließt, wenn wir die Nadel wieder herausziehen. Stechen wir dagegen die Nadel in unseren Handrücken, dann haben wir eine unangenehme Empfindung, einen Schmerz, denn die Sinneszellen im Gewebe des Handrückens werden durch das Eindringen der Nadelspitze gereizt und melden ihre Erregung an das Gehirn, wo uns die Nadelspitze schmerzhaft bewußt wird. Ein solcher Vorgang kann sich natürlich nur in einem leben-

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Wesen der Farbe

den Organismus abspielen: eine Leiche empfindet keinen Schmerz mehr. Aber auch, wenn wir die Einstichstelle vorher durch Lokal-Anästhesie unempfindlich gemacht haben, bleibt der Schmerz aus: ein empfindungsfähiges Organ ist eine weitere Voraussetzung für die Existenz einer Schmerzempfindung. Andererseits bleibt die Schmerzempfindung noch eine Weile erhalten, nachdem wir die physikalische Ursache, die Nadelspitze, wieder aus der Haut herausgezogen haben. Auf die Farbe als Sinnesempfindung übertragen bedeutet die Erkenntnis, daß es im allgemeinen einer physikalischen Ursache (nämlich der Strahlung) bedarf, um die für Strahlung in spezifischer Weise empfindlichen Sinneszellen (in der Netzhaut des Auges) zu reizen; diese Sinneszellen müssen funktionsfähig sein und einem lebenden Organismus angehören, dem die Erregung in der spezifischen Form einer Farbempfindung bewußt wird. Das Auge darf also nicht blind (also funktionsunfähig) sein, und der Mensch muß leben. Ohne diese biologischen Voraussetzungen existiert der Begriff „Farbe" überhaupt nicht \ Daß der Zusammenhang zwischen Strahlung und Farbempfindung recht kompliziert sein kann, mögen zwei Versuche zeigen, die jeder leicht anstellen kann. Das erste Experiment besteht einfach in der Betrachtung der Bunttafel A. Der Leser möge sie unvoreingenommen in Ruhe anschauen und sich selbst die Frage beantworten, wieviel verschiedene Farben in dieser Tafel zu sehen sind. Erst danach möge er die Unterschrift der Tafel lesen. — Das hier gezeigte Phänomen ist in Kunst, Kunstgewerbe und Gebrauchsgraphik in den vielfältigsten Variationen zu beobachten — teils bewußt, teils unbewußt angewandt. Es ist heute üblich, es als BezoldEffekt zu bezeichnen. Das zweite Experiment erfordert einen Kleinbild-Projektor, ein oder mehrere starkfarbige Gläser 5 x 5 cm (gelb, rot und grün eignen sich am besten) und mindestens ein BuntphotoDia, am besten eine Winterlandschaft mit viel Schneefläche zeigend. Man projiziert zuerst auf die weiße Bildwand mit

9

Wesen der Farbe

Hilfe eines der Farbgläser ein einheitlich buntes Feld. (Zweckmäßigerweise macht man auf die Mitte des Farbglases einen kleinen schwarzen Punkt als Fixiermarke.) Dieses bunte Feld muß man etwa 2 min lang anstarren, ohne den Blick schweifen zu lassen. Man blickt aber nur mit einem Auge, das andere deckt man die ganze Zeit über mit der hohlen Hand ab (nicht auf den Augapfel drücken, das Auge auch nicht zukneifen, sondern eben nur abdecken!). Nach diesen 2 min wird das Farbglas im Projektor rasch gegen das Bunt-Dia ausgewechselt und das projizierte Bild abwechselnd mit dem abgedeckt gewesenen Auge und mit dem nicht abgedeckt gewesenen betrachtet. Mit Erstaunen wird man feststellen, wie verschieden die Farben des gleichen Bildes für die beiden Augen empfunden werden. Freilich vergeht der Zustand (den man TJmstimmung des Auges nennt) ziemlich schnell, wenn wir nicht dauernd unter den umstimmenden Lichtverhältnissen bleiben, also uns z.B. längere Zeit in einem von Glühlampen beleuchteten Raum aufhalten. Die TJmstimmung ist eine Fähigkeit, die uns in den Stand setzt, die Farben der Umwelt trotz des Wechsels der Beleuchtung stets in etwa der gleichen Weise zu sehen; sie ermöglicht also eine gewisse Farbenkonstanz trotz der Verschiedenheit des natürlichen Tageslichtes oder der verschiedenen künstlichen Lichtarten. Diese beiden einfachen Versuche sollte jeder einmal angestellt haben, zeigen sie doch so recht eindringlich, daß Farbe ein durchaus subjektives

Sinneserlebnis

ist.

Wenn nun aber die Farbe eine Sinnesempfindung, ein Sinneserlebnis ist, wie ist es dann möglich, eine Farbe durch Maß und Zahl zu beschreiben, sie zu messen ? Wir wissen doch, daß man eine Empfindung als solche nicht messen kann; es ist ja nicht einmal möglich, einem anderen Menschen exakt die gleiche Empfindung zu übermitteln, die wir selbst haben oder gehabt haben. Aus diesem Dilemma führt uns bei den Gesichtsempfindangen (Farbe, Licht) ebenso wie bei den Gehörsempfindungen (den Tönen) das Grundprinzip jeglichen Messens. Jedes

10

Wesen der Farbe

Messen ist ein Vergleichen. Und vergleichen kann man nur Gleichartiges mit Gleichartigem, also Farben mit Farben. Das bedeutet, daß man Farben nicht mit Längen (auch nicht mit Wellenlängen!), nicht mit Massen, nicht mit Zeiten vergleichen kann, sondern eben nur mit Farben. Das „Meßinstrument" dazu ist das menschliche Auge, das aber (wie alle anderen Sinnesorgane) keines zahlenmäßigen Vergleichs fähig ist, sondern nur zur Feststellung einer Gleichheit zwischen zwei Farbempfindungen. Aber das genügt, um unter Zuhilfenahme geeigneter Vorrichtungen und auf der Grundlage der Gesetzmäßigkeiten, denen die Farbe gehorcht, Farben zu messen und somit also eine Farbmetrik aufzubauen. Was aber ist Farbe nun konkret ? Sie ist ein elementares Sinneserlebnis innerhalb unserer Gesichtswahrnehmungen. Man definiert den Begriff Farbe wie folgt: „Farbe ist diejenige Gesichtsempfindung eines dem Auge strukturlos erscheinenden Teiles des Gesichtsfeldes, durch die sich dieser Teil bei einäugiger Beobachtung mit unbewegtem Auge von einem gleichzeitig gesehenen, ebenfalls strukturlosen angrenzenden Bezirk allein unterscheiden kann." [147, Bl. 1] Wir wollen diesen Satz genauer untersuchen. Zunächst wird also auch hier festgestellt, daß „Farbe" eine Gesichtsempfindung ist. Da aber beim Sehen noc h anderes als Farbe wahrgenommen wird, grenzt dieser Satz die Gesichtsempfindung „Farbe" gegen alle anderen Sehwahrnehmungen ab. Zunächst ist von „strukturlos" die Rede. Wenn wir sehen, daß eine Fläche Rillen hat, daß sie ein Geflecht von sich kreuzenden Fäden (also ein Gewebe) ist oder daß sie sonst eine Beschaffenheit (Textur) besitzt, so gehört diese Wahrnehmung nicht zum Begriff „Farbe"; daher schließt unsere Definition zunächst die Strukturwahrnehmung aus dem Kreis der möglichen gleichzeitigen Gesichtswahrnehmungen aus. Weiterhin fordert die Definition „einäugige" Beobachtung mit „unbewegtem Auge". Es ermöglicht nämlich das beidäugige Sehen und das Sehen mit bewegtem Auge (einschließlich des Kopfes und des ganzen Körpers) die Raumwahrnehmung, das Erkennen der Dinge im Raum, auch der Richtung, in der wir unsere Farbflächen zu suchen haben, sogar ihre eventuelle Bewegung. Das alles aber hat ebenfalls nichts mit der Farbe zu tun. Aber diese Vorschrift will mit Recht auch noch eine andere Wahrnehmung aus-

Wesen der Farbe

11

schließen, die gern mit der Farbe in Zusammenhang gebracht wird, nämlich den Glanz. Solange wir einäugig auf eine unbewegte Fläche mit unbewegtem Auge blicken, nehmen wir keinen Glanz wahr. Glanz ist nämlich ein Helligkeits-Kontrast-Phänomen, das entsteht, wenn dieselbe Gesichtsfeldstelle gleichzeitig für beide Augen (oder bei Bewegung für ein Auge kurz nacheinander) eine merklich verschiedene Helligkeit hat.

Wenn wir trotz Ausschaltung der eben genannten Wahrnehmungen an zwei so beobachteten benachbarten Flächenteilen einen Unterschied (und mithin eine mehr oder minder scharfe Grenze) sehen, so kann dieser Unterschied eben nur noch von der verschiedenen Farbe beider Flächenteile verursacht sein. Wir bemerken übrigens, daß zwei Flächen also auch dann verschiedene Farben zeigen, wenn sie sich „nur" in ihrer Helligkeit voneinander unterscheiden. Das mag manchem auf den ersten Blick absonderlich vorkommen. Wenn er aber erst einmal die Erfahrung macht, daß ein gewisses Braun sich von einem gewissen Orange nur durch seine geringere Helligkeit unterscheidet (d.h. das Orange einfach durch Abdunkelung jenem Braun genau gleich gemacht werden kann), wird er die Richtigkeit der Behauptung einsehen, daß zwei Flächen verschiedener Helligkeit eben zwei verschiedene Farben zeigen, denn wer wird Orange und Braun als zwei gleiche Farben bezeichnen ? So sind denn auch zwei verschieden helle Grau zwei verschiedene Farben. Viele Menschen mögen Grau, Weiß und Schwarz aber gar nicht zu den Farben rechnen. So auch Goethe, der Grau als Unfarbe bezeichnet. Zweifellos aber erfüllen auch weiße, graue und schwarze Flächen die oben zitierte Definition. Auch sind die Grenzen zwischen einem Grau und einem „farbigen" Grau so fließend, daß man in Verlegenheit käme, hier eine Grenze zwischen Farbe und Nicht-Farbe ziehen zu wollen. Da also auch Weiß, Grau und Schwarz zu den Farben gerechnet werden müssen, gilt es, nach einer Kennzeichnung für diese offensichtlich besondere Gruppe unter den sonstigen Farben zu suchen. Es hat sich eingebürgert, sie als unbunte

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Wesen der Farbe

Farben zu bezeichnen (im Goethe sehen Wort Unfarbe schon fast vorweggenommen). Den Gegensatz zu dieser kleinen Gruppe der unbunten Farben bilden die bunten Farben, deren wir wohl eine Million oder noch mehr unter günstigen Bedingungen unterscheiden können. Was die bunten Farben den unbunten voraus haben, ist das Merkmal „Buntton"1. (Der Physiologe E. Hering bevorzugte daher auch den Ausdruck tonfreie Farben für die unbunten.) Das Merkmal Buntton kann in verschiedener Stärke auftreten, von einer ebenmerklichen Spur {Farbstich) bis zu einem (durch die Natur unseres Farbensehens bedingten) Höchstwert. Man pflegt von verschiedenem Sättigungsgrad, von verschiedener Reinheit oder Buntheit zu sprechen. Unbunt hat demgemäß den Sättigungsgrad Null; bei jeder bunten Farbe hat er einen endlichen Wert. Wenn wir also das Wort Farbe gleicherweise für unbunte und bunte Farben verwenden müssen, so ist es nicht möglich, es dann doch wieder gelegentlich allein im Sinne von bunter Farbe zu benutzen. So sollten wir konsequenterweise auch von ifanifernsehen, von der .Btmiphotographie und vom .Bvnidruck sprechen, denn Farben (nämlich die unbunten) zeigen auch die sog. ,Schwarz-Weiß-Bildröhre', die herkömmliche ,Schwarz-Weiß-Photographie'. Aber was das sog. Farbfernsehen vom Schwarz-Weiß-Fernsehen unterscheidet, ist ja eben die Wiedergabe der Szenen in bunten Farben. Freilich sollte man endlich das Wort bunt von dem Odium des Tadelnswerten, der geschmacklosen Vielfarbigkeit befreien. Die Redeweise „Farbig ja, bunt nein" gibt heute keinen Sinn mehr.

Wir sprechen im Alltag ganz richtig von der Farbe des Himmels, einer Blume, eines Kleides, einer Leuchtstofflampe und meinen damit ganz im Sinne unserer Definition zweifelsfrei 1

Seit über 100 Jahren hat man dieses, die bunten Farben von den unbunten unterscheidende Merkmal „Farbton" genannt. Die neuere Entwicklung [147] hat aber dazu geführt, es von nun an folgerichtig „Buntton" zu nennen, zumal es trotz allen Bemühungen nicht gelungen ist, aus der Sprache gewisser Industrie- und Handwerkskreise die Benutzung des Wortes „Farbton" (dort als Gegensatz zu dem nur stofflich verstandenen Wort „Farbe") zu verbannen.

Wesen der Farbe

das Aussehen, die optische Erscheinung, empfindung.

13 eben die* Farb-

Nun sprechen wir aber auch von der Farbe, die der Malermeister in seinem Eimer einrührt oder mit der sich der spielende Junge vollgeschmiert hat. Hier verwenden wir das Wort Farbe für etwas Stoffliches, das wir allgemein besser Farbmittel nennen sollten. Es ist schwer, hier eine saubere sprachliche Trennung durchzusetzen, denn die gewachsene Sprache will sich nicht zwingen lassen. Aber wir sollten dennoch, wo es die klare Unterscheidung nötig macht (und das ist fast immer der Fall, wo von Farbe und Farben gesprochen und geschrieben wird), das Wort Farbe allein im Sinne der optischen Erscheinung, der Gesichtsempfindung gebrauchen und uns für das Stoffliche einen anderen Ausdruck suchen. So wird das Pulver, das mit einem Bindemittel versetzt wird, um es auf einer anderen Unterlage haften zu lassen und diesem Untergrund eine neue Farbe (d. h. ein anderes Aussehen) zu verleihen, also dieses Pulver wird Pigment genannt. Das Pigment ist in seinem Bindemittel (z.B. Leim, Firnis, öl, Kunstharz) praktisch ungelöst; die Mischung ergibt dann auf der Unterlage einen Farbfilm. Wenn das Bindemittel getrocknet ist, haftet er fest. Je nach Zweck (und damit nach Zusammensetzung) heißt die Mischung Anstrichfarbe, Malfarbe, Künstlerfarbe, Druckfarbe, Schminke, aber auch Wasserfarbe, Deckfarbe. Lasurfarbe usw. Immer lassen diese Bezeichnungen das Stoffliche erkennen, so daß die Benutzung des Wortes Farbe in solchen Zusammensetzungen unbedenklich bleibt. Jenes andere Pulver aber, das sich leicht in einem Lösungsmittel auflösen läßt und dann zum Färben geeigneter Stoffe dient, die die Lösung leicht aufnehmen (vor allem Textilfasern, Papier u. dgl.), heißen Farbstoffe; die (heiße) Farbstoff-Lösung, in der Textilien gefärbt werden, wird als Farbflotte bezeichnet. Auch in diesen Verbindungen ist herkömmlich der Wortstamm Färb- im Sinne eines die Farbe eines Gegenstandes verändernden Stofflichen gebraucht; auch hier gilt aber, daß das Wort in solchen Verbindungen unbedenklich verwendet werden kann.

Den Begriff Farbe wollen wir aber auch nicht mit dem Begriff der Strahlung verwechseln. Was außerhalb unseres Sinnesorgans vorgeht und mit Farbe zu tun hat, ist nur Strah-

14

Technik der additiven Farbmischung

lung — Strahlung, die von einer Lichtquelle ausgeht, die von den Körpern in unserer Umwelt (meist nach Streuung und Verschluckung eines Teiles der Strahlung) zurückgeworfen wird. Was an solcher Strahlung in unser Auge gelangt, wird zum Farbreiz (denn diese Strahlung erregt die Sinneszellen in unserem Auge) und damit Anlaß einer Farbempfindung. Außerhalb des Auges ist Strahlung eben nur Strahlung. Deshalb kann das Prisma nicht „das Licht in seine Farben" zerlegen, sondern nur die Strahlungen nach ihrer Wellenlänge sortieren. Und daher kann eine Farbe auch nicht, wie man immer wieder gesagt und geschrieben findet, einfach durch die Wellenlänge beschrieben werden; daß dazu mehr gehört, werden wir bald sehen. Da wir also die Farbe als eine optische Erscheinung betrachten müssen, so müssen wir auch nach solchen Gesetzmäßigkeiten Ausschau halten, die sich eben allein auf die optische Erscheinung beziehen. Man hat solche grundsätzliche Gesetzmäßigkeiten im 19. Jahrhundert beim Studium der additiven Farbmischung gefunden. Darunter versteht man das Zusammenwirken mehrerer verschiedener Farbreize, deren jeder für sich je zu einer bestimmten Farbe führt, die aber beim Zusammenwirken eine neue Farbe, die Mischfarbe, ergeben. Zunächst soll zum besseren Verständnis die Technik der additiven Farbmischung besprochen werden; sodann wollen wir uns mit den dabei erzielbaren Erkenntnissen befassen.

2. Technik der additiven Farbmischung Bildet man mit einem Lichtbildgerät eine runde Öffnung auf einem weißen Bildschirm ab (Abb. 1), so erscheint das Bild, ein runder Fleck, hell und in der Farbe der verwendeten Lichtquelle, die i.a. eine Glühlampe sein wird. Dem runden Fleck kann man eine beliebige andere Farbe geben, indem man vor das Objektiv ein Färb glas setzt. Es möge z.B. grün sein. Bildet man jetzt mit einem zweiten Bildwerfer auf den grünen etwa einen roten runden Fleck ab, so sieht man jetzt

Technik der additiven Farbmischung

15

Bi

Abb. 1. Additive Farbmischung auf einem Bildschirm mit drei Bildwerfern B x , B 2 , B 3

dort, wo sich die beiden Flecken überdecken, eine neue Farbe, eine gelbliche Farbe. Besitzen die Bildwerfer-Objektive je eine Irisblende, dann kann man das grüne und das rote Licht praktisch von Null bis zu dem gegebenen Höchstwert regeln und auf diese Weise nicht nur jenes Gelb, sondern alle „zwischen" dem Rot und dem Grün liegenden Tönungen erzeugen: von Grün allein über ein gelbliches Grün, ein ziemlich reines Gelb, ein Orange bis zum Rot allein. Bei diesem Versuch addieren sich also zwei Farbeindrücke unmittelbar, und deshalb spricht man bei dieser Technik von einer additiven Farbmischung. (Sie wird auch als „optische Farbmischung" bezeichnet.) Diese Farbmischtechnik beruht darauf, daß jeweils die gleiche Netzhautstelle

im A u g e (s. K a p . 4) gleichzeitig

die Strah-

lungen der zwei (oder mehr) Bildwerfer nach Remission an der Bildwand zugeführt erhält. Für quantitatives Arbeiten ist es günstiger, die Lichtströme nicht auf einem ebenen Bildschirm zu überlagern, sondern sie in eine innen mattweiß gestrichene Hohlkugel (,, Ulbrichtsche Kugel") zu leiten und eine nicht vom direkten eingestrahlten Licht getroffene Stelle der Kugelwand zu beobachten, ζ. B. aus der Richtung Ok (Abb. 2). Ebenfalls eine additive Farbmischung durch gleichzeitige Beleuchtung der gleichen Netzhautstelle erzielt man mit folgenden drei Techniken. Erstens dadurch, daß man eine möglichst strukturlose Fläche hoher Leuchtdichte durch ein Linsensystem so beobachtet, wie dies Abb. 3 zeigt: Die gleichmäßig leuchtende Fläche L wird durch die Linse Ox in die Linse 0 2 abgebildet, die ihrerseits die Blende Β vor der Linse 0 X

IG

Technik der additiven Farbmischung

Ok ^ Abb. 2. Additive Farbmischung mit drei Lichtströmen in einer Ulbrichtschen Kugel UK. Das Auge betrachtet durch die Öffnung A eine nicht von den Lichtströmen direkt getroffene Stelle der Kugelwand in die Augenpupille AP abbildet (sog. Maxwelhche Beobachtung; s. Kap. 15). Die Fläche dieser Blende Β wird durch Farbfilter (in Abb. 3 sind drei Filter angenommen) bedeckt. Das Auge, das sich so einstellt, daß die Fassung der Linse 0 2 scharf auf der Netzhaut Ν abgebildet wird, sieht die Öffnung der Linse 0 2 (und damit auch die Fläche L) in der additiven Mischfarbe der drei Farbfilter. Da die Blende Β und mit ihr die Farbfilter in die Augenpupille AP abgebildet sind, erscheint 0 2 bzw. L völlig gleichmäßig gefärbt. Die Mischfarbe läßt sich durch Veränderung der Flächenanteile der Farbfilter in der Blendenöffnung stetig verändern. (Die Aufteilung der Eintrittspupille der Anordnung mittels eines Kreuztisches läßt sich übrigens auch mit einer Ulbrichtschen Kugel wie in Abb. 2 kombinieren. Die Eintrittsöffnung der Kugel ist dann an die Stelle L' in den in Abb. 3 gezeichneten Strahlengang zu setzen. Diese Anordnung erlaubt ein besseres quantitatives Arbeiten als die direkte Aufteilung der Augenpupille, weil diese nie genau die gleiche Lage innehalten kann und oft kleine trübende Teilchen enthält.) Für die Mischung von nur zwei Komponenten eignet sich auch der halbdurchlässige Spiegel (Lambertscher Spiegel), Abb. 4; die Klarglasplatte Ρ kann zur Veränderung der Mischfarbe um eine waagerechte Achse geneigt werden, wobei natürlich auch das Beobachterauge Ok mitgehen muß, um das Spiegelbild von F 2 zu erblicken.

Technik der additiven Farbmischung

17

Abb. 3. Aufteilung der Augenpupille als Mittel zur additiven Farbmischung L gleichmäßig leuchtendes Flächenelement; 01 Kondensor; 0 2 achromatische Linse; Β Blendenöffnung, vor der auf einem Kreuztisch drei verschiedene Farbfilter verschoben werden können und die in die Augenpupille AP scharf abgebildet wird ; Ν Netzhaut mit Bild 0'2 der Objektivöffnung 0 2

/

Ρ / /

/

/ \

\

/

/

Ζ7 /Ok

\

Abb. 4. Planglasplatte Ρ als FarbmischVorrichtung (Lambertscher Spiegel). Ok Auge des Beobachters. F x Farbfläche, deren Bild vom Spiegelbild der Farbfläche F , überlagert wird W fi

A Ok

Ft Abb. 5. Additive Farbmischung mittels Doppelbrechung. W WollastonPrisma, Α Analysator (z.B. Polarisationsfolie), Ok Beobachterauge •2 Richter, Farbmetrik

18

Technik der additiven Farbmisehung

Schließlich kann man auch die Doppelbrechung z . B . in einem Wollaston-Prisma W zur Überlagerung der Bilder zweier Farbflächen benutzen (Abb. 5). Da die von den beiden Farbflächen F x und F 2 kommenden Strahlungen durch das Wollaston-Prisma senkrecht zueinander linear polarisiert werden, kann man die Mischfarbe durch Drehen eines eingeschalteten Analysators Α verändern {Ostwald).

Aber man kann eine additive Farbmischung auch anders bewirken, nämlich indem man der gleichen Netzhautstelle nicht gleichzeitig, sondern in raschem periodischem Wechsel die verschiedenen Strahlungen zuführt. Ist die Frequenz dieses Strahlungswechsels ausreichend hoch (mindestens in der Größenordnung von 25 Hz), so liefert uns das Auge einen konstanten, einheitlichen Farbeindruck, eben wieder die Mischfarbe. Daß diese Technik zu genau dem gleichen Ergebnis, also zur gleichen Mischfarbe führt wie die vorher beschriebene, kann man mit Bildwerfern, die man einerseits gleichzeitig, andererseits rasch abwechselnd aufleuchten läßt, leicht nachweisen. Die additive Farbmischung mittels raschen periodischen Wechsels läßt sich besonders einfach mit dem sog. Farbkreisel durchführen. Das ist eine Kreisscheibe mit verschiedenfarbigen Sektoren, die bei rascher Umdrehung die Mischfarbe der Sektorenfarben entsprechend deren Winkelanteilen zeigt. U m verschiedene Mischfarben mit denselben Ausgangsfarben erzeugen zu können, macht man die Sektoren durch die von Maxwell angegebene Technik variabel: Man steckt einfach mehrere verschiedenfarbige, längs eines Radius aufgeschlitzte Pappscheiben ineinander (Abb. 6) [72]; so kann man jede gewünschte Sektorgröße für jede Mischungskomponente bequem einstellen.

Neben diesen beiden, für das Experiment besonders geeigneten grundsätzlichen Verfahren gibt es für die additive Farbmischung noch eine dritte Möglichkeit, deren Bedeutung vor allem auf dem Gebiet der technischen Farbreproduktion liegt. Bietet man dem Auge verschiedene nebeneinander liegende Farbpunkte an, die so klein sind und so eng benachbart liegen, daß das Auge sie nicht mehr aufzulösen vermag, dann entsteht der Eindruck einer gleichmäßig gefärbten Fläche, deren Farbe die additive Mischfarbe der nicht mehr aufgelösten Flächenelemente ist. Hier wird nicht die gleiche Netzhautstelle, sondern es werden eng benachbarte Teile der

Technik der additiven Farbmischung

19

Abb. 6. Farbkreisel a) Motor mit Kreiselscheiben, deren Sektor-Größen nach Lösen der Flügelmutter leicht verstellbar sind b) Ineinanderstecken der radial geschlitzten Kreiselscheiben (Nach [72]) c) Beispiel einer Einstellung der Farbsektoren zur additiven Nachmischung der Farbe der inneren Kreiselscheibe (mit Schwarzsektor zum Helligkeitsabgleich)

d) Werkstatt-Zeichnung für eine bewährte Farbkreisel-AufstockVorrichtung. (D = Durchmesser der Motorwelle)

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Technik der additiven Farbmischung

Netzhaut gleichzeitig von verschiedenen Strahlungen getroffen. Diese Methode, Mischfarben zu erzeugen, machen sich der Buntdruck in Büchern und Zeitschriften und das Buntfernsehen zur wirtschaftlichen Erzeugung der großen Vielfalt der darzustellenden Farben aus wenigen (meist drei) Grundfarben zunutze, indem sie die Bilder als Raster wiedergeben. Abb. 7 zeigt oben ein vergrößertes Schema eines gerasterten Bildelements beim Buntfernsehen; unten ist ein Flächenclement eines im Buchdruck hergestellten Buntbildes vergrößert gezeigt; man sieht, daß sich die mit den drei Druckfarben Gelb, Cyan ( = Blaugrün) und Magenta ( = Purpurrot) gedruckten Rasterpunkte zum Teil überdecken und dadurch noch vier weitere Farben liefern,

Abb. 7. Oben: Vergrößerung eines Flächenstückes einer Buntfernsehröhre Unten: Vergrößerung eines Flächenstückes eines Mehrfarbendruckes

Gesetzmäßigkeiten der additiven Farbmischung

21

so daß an der optischen Mischung, am Gesamtfarbeindruck des Bildelementes zusammen mit dem Papierweiß schließlich acht Komponenten (bei nur drei Druckfarben!) beteiligt sind. Man spricht in diesem Falle von autotypischer Farbmischung.

3. Gesetzmäßigkeiten der additiven Farbmischung Welche Erfahrungen macht man nun mit der additiven Farbmischung? Das Experiment allein kann uns darüber belehren. Wir wollen uns dazu der zuerst beschriebenen, in Abb. 1 dargestellten Technik bedienen, weil hier die Zusammenhänge besonders leicht zu erkennen sind. (Für das Experiment in kleinerem Kreis eignet sich indessen der Farbkreisel oft besser, weil er weniger aufwendig und außerdem sehr instruktiv ist.) Der Projektionsversuch wird zweckmäßig in folgender Weise durchgeführt: Die Farbfläche soll ein kreisrunder Fleck von vielleicht 30 cm Durchmesser sein, der von drei Bildwerfern deckungsgleich erzeugt wird. Mit einem vierten Bildwerfer wird ein weißes Umfeld (Abb. 8a) projiziert, bei dem aber die Mitte genau in der Größe des beabsichtigten Farbflecks mit Hilfe einer geeigneten Maske ausgespart ist. (Auf scharfe Abbildung sowohl der Aussparung als auch des Farbflecks und gute Deckung ohne hellen oder dunklen Rand muß geachtet werden.) Jeder der drei Farbprojektoren möge mit einer Irisblende oder einem Paar von Polarisationsfiltern ausgestattet sein, um die Beleuchtungsstärke auf dem Bildschirm kontinuierlich regeln

a

b

Abb. 8. Infeld und Umfeld Links: Einheitliches Infeld Rechts: Zweiteiliges Infeld

22

Gesetzmäßigkeiten der additiven Farbmischung

zu können2. Das Umfeld bleibt von Anfang an unverändert hell und wird zweckmäßig so eingestellt, daß es etwa halb so hell ist wie das Infeld, wenn dort alle drei Projektoren gleichzeitig voll wirksam sind. Das Experiment beginnt mit dem Aufblenden eines der drei InfeldBildwerfer, sagen wir des mit einem Rot-Filter versehenen. Zunächst sieht das Infeld schwarz aus und nimmt mit zunehmendem Aufblenden erst eine schwärzlich-rote Farbe an, die allmählich in ein helleres Rot übergeht, bis bei vollem Aufblenden dieses Bildwerfers das maximale Rot erreicht ist, das mit der Anordnung erzielt werden kann. Offensichtlich haben sich all diese Farben des Infeldes nur durch ihre Helligkeit (gegenüber dem Umfeld!) voneinander unterschieden. Man nennt eine solche Familie von Farben, die nur durch ihre Helligkeit voneinander verschieden sind, Farben gleicher Farbart. Eine entsprechende Reihe von artgleichen Farben kann man auf diese Weise mit dem grün oder blau gefilterten Bildwerfer vorführen. Jede Stellung der Aufblendung können wir zahlenmäßig dadurch festhalten, daß wir den Photostrom eines im Infeld angebrachten (am besten vorklappbaren), linear arbeitenden Photoelemcnts ablesen, wobei man den Höchstwert bei jedem der drei Bildwerfer willkürlich gleich 100 setzt. (Auf diese Einheiten sollen die im folgenden erwähnten Ablesungen bezogen sein.) Man benutzt also ein relatives Maß für die Beleuchtungsstärke im Infeld 3 . Läßt man nun gleichzeitig zwei Bildwerfer (z.B. den blauen und den roten) das Infeld beleuchten, dann ergibt sich je nach dem Verhältnis der blauen zur roten Beleuchtungsstärke eine blauviolette bis purpurrote Mischfarbe. Sie wird sehr dunkel erscheinen, wenn beide Bildwerfer nur wenig Licht hergeben, und also um so heller werden, je mehr Licht aufgewendet wird. Wird bei der Aufhellung das Beleuchtungsstärke-Verhältnis Blau zu Rot konstant gehalten (ex2

Bei Farbfiltern mit nicht allzu breitem spektralen Durchlaßgebiet kann die Abdunkelung der Bildwerfer, ohne daß man schwerwiegende Fehler macht, bei diesen Versuchen auch durch Herabsetzung der Lampenspannung bewirkt werden [111].

3

Die theoretisch gegebene Möglichkeit, die Öffnung der Iris-Blende bzw. die Stellung der Polarisatoren zueinander bzw. den Lampenstrom oder die Lampenspannung zur Definition der Infeldhelligkeit zu benutzen, ist praktisch einerseits wegen zu geringer Genauigkeit und andererseits wegen des nicht-linearen Zusammenhanges mit der Infeld-Beleuchtungsstärke schlecht verwendbar.

Gesetzmäßigkeiten der additiven Farbmischung

23

perimentell schwierig!), so bleibt die Farbart und damit der Buntton (d.h. die Art des Violott oder Purpur) ebenfalls konstant, während die Helligkeit zunimmt. Wird aber das Rot stärker vermehrt als das Blau, so wird die Mischfarbe zunehmend rötlicher, der Farbton wandert nach Rot hin. Das Entsprechende geschieht natürlich bei relativer Vermehrung des Blau.

Man erhält also mit zwei unabhängig voneinander regelbaren Komponenten eine zweidimensionale Mannigfaltigkeit von Mischfarben, die im Buntton zwischen dem Rot des einen und dem Blau des anderen Bildwerferlichtes variieren können und deren Helligkeiten zwischen Null und dem apparativ möglichen Höchstwert eingestellt werden können. Jede dieser Mischfarben kann man eindeutig beschreiben, indem man die relativen Beleuchtungsstärken angibt, mit denen die beiden Komponenten an der Mischung beteiligt sind. Da sich zeigt, daß die additive Farbmischung den Regeln der Vektoraddition gehorcht, hat E. Schrödinger die vektorielle Darstellung eingeführt [123]. Jeder Farbart wird ein vom Schwarzpunkt ausgehender Ortsvektor zugeordnet mit der Festsetzung, daß jeder Farbart eine eigene Richtung zukommen soll. Die Länge des Vektors stellt den Farbwert dar. Jeder so entstandene Vektor beschreibt eine Farbvalenz (Näheres über diesen Begriff siehe weiter unten). Eine Mischfarbe -äft aus Rot und Blau wäre also dann durch die (vektorielle) Farbgleichung 9R = ÄM 91 + 5 M 93

(1)

beschrieben. Darin sind RM bzw. i?M die Farbwerte, mit denen das Rot 91 bzw. das Blau 33 an der Mischung beteiligt sind. Die Farbwerte sind in unserem Experiment durch die relativen (auf den Höchstwert 100 bezogenen) Beleuchtungsstärken dargestellt; beim Experiment mit dem Farbkreisel würden sie die Sektoren-Winkel der roten und blauen Kreiselscheibe sein (die man ebenfalls zweckmäßig auf den Winkel 2 π ^ 100 bezieht). Für die graphische Darstellung mittels Vektoren wählt man in der Zeichenebene willkürlich zwei vom Schwarzpunkt S

24

Gesetzmäßigkeiten der additiven Farbmischung

ausgehende verschiedene Richtungen und setzt ebenso willkürlich für jede Richtung je eine bestimmte Länge als Farbwert-Einheit (bzw. für 100 Einheiten) fest (Abb. 9). Der Mischfarbe ist dann also ein neuer Vektor in der Ebene 9Ϊ93 eindeutig zugeordnet. Man sieht, daß eine gleichzeitige proportionale Änderung von iüM und Bu die Richtung des Mischfarbenvektors nicht ändern wird, sondern daß nur seine Länge im gleichen Maß wie die Farbwerte wächst oder schrumpft: die Farbart bleibt erhalten, allein die Helligkeit der Mischfarbe hat sich geändert 4 . Eine Änderung des Verhältnisses von i?M zu Byi aber ergibt neue Richtungen für andere Vektoren 9J1 zum Zeichen dafür, daß dann auch die Farbart verändert ist.

S Abb. 9. Vektorielle Darstellung der inneren additiven Mischung zweier Komponenten. Vektor der Mischfarbe Wl = + i?M©

Ändert man nun die in Abb. 8a gegebene Versuchsanordnung dadurch ab, daß man im Infeld jetzt links zwei (später drei) Halbkreise und mit einem vierten Projektor rechts ein genau gleich großes, scharf angrenzendes Halbfeld projiziert 4

Beim Farbkreisel muß die Verkleinerung der Farbwerte durch Einfügen eines tiefschwarzen Sektors vorgenommen werden. (Schwarz hat den Farbwert Null, ist aber natürlich eine Farbe ebenso wie Grau oder Weiß!)

Gesetzmäßigkeiten der additiven Farbmischung

25

(Abb. 8b), dann kann man versuchen, z.B. ein rechts gezeigtes Violett SS aus 9t und S3 links nachzumischen. Hat man S3 richtig gewählt, so wird die Einstellung auf völlige Gleichheit (dies ist wichtig!) gelingen, und man kann in Gl. (1) die für das Violett SS gültigen Zahlenwerte einsetzen bzw. in Abb. 9 den für S3 zutreffenden Vektor leicht konstruieren. (Beim Farbkreisel-Versuch setzt man eine kleinere Scheibe mit der Farbe SS auf und stellt außen die Sektoren so ein, daß Gleichheit zwischen der kleineren Farbscheibe und dem sichtbaren Ring der größeren Scheiben 9t und S3 empfunden wird.) Hat man für S3 ein etwas rötliches Blau gewählt, so wird es ein anderes Blau (£ geben, das mit 9i gemischt die Farbe S3 ergibt. Der Vektor für Κ ist dann (Abb. 10) mit 91 und S3 komplanar; man findet ihn, nachdem man durch das Experiment die Farbgleichung für © ermittelt hat: Ε + B c 9t = B c S3 (£ = Bc S3 - Bo 9t

(2)

Im Gegensatz zur Mischfarbe 9D1?, die direkt aus und S3 gemischt worden ist, war das bei © nicht möglich, wohl aber ergab eine Mischung von 9t und der neuen Farbe (£ eine Farbe der gleichen Farbart wie S3. Da im ersten Fall der Vektor ΨΙ im Inneren des von 91 und S3 gebildeten Winkels liegt, spricht man hier von einer inneren Farbmischung, im Fall der Farbe © aber von einer äußeren Farbmischung. Man sieht, daß sich dieser Fall in der Farbgleichung dadurch anzeigt, daß einer der Farbwerte negativ ist. Aus 9t und S3 (oder (S) kann man freilich nur eine begrenzte Zahl von Farben erzeugen: rotviolette bis blauviolette, die noch in der Helligkeit stetig verändert werden können. Ein Gelb oder Grün wird man, wie leicht einzusehen ist, niemals auf diese Weise erhalten. Aber auch die äußere Farbmischung muß hier versagen, denn es kann z.B. niemals aus Grün und Rot ein Blau ermischt werden. Die Zahl der nachmischbaren Farben wird jedoch sehr erhöht, wenn man eine dritte Komponente einführt, z.B. ein

26

Gesetzmäßigkeiten der additiven Farbmischung

Rc Abb. 10. Yektorielle Darstellung der äußeren additiven Mischung zweier Komponenten Aus der experimentellen Gleichung RQ^H + G = -ßc^ folgt® = Bc58 - i?c3f{

Grün (($). Dann erhält man aus 9t und @ gelbliche Töne, aus S3 und © blaugrüne und (wie bisher) aus 9Ϊ und 93 violette Farben. Dazu kommen aber die Mischfarben aus allen drei Komponenten. Zeigt man in der rechten Feldhälfte (Abb. 8 b) bzw. als kleinere Kreiselscheibe z.B. ein Graubraun (,Lehmfarbe' £), so findet man nach kurzem Probieren eine gleichaussehende Mischung aus 9t, © und 93 und erhält die Farbgleichung £ = ÄL3H-ÖL© + ÖL®

(3)

H a t man jedoch ein kräftiges Gelb (9)) statt £ gewählt, so gelingt die Nachmischung mit den drei Komponenten 9t, QJ, 93 nicht — das Gelb D bleibt viel farbkräftiger (,gesättigter') als jede Mischung. Man kann jedoch auch in diesem Fall den Weg der äußeren Farbmischung gehen. Dreht man das halbkreisförmige Diapositiv im S3-Projekt or um 180°, so wird dieses Blau 9t jetzt rechts zugemischt 5 . Dann findet man wieder durch Probieren eine Einstellung, bei der die beiden

Gesetzmäßigkeiten der additiven Farbmischung

27

Infeld-Hälften gleich aussehen und damit zunächst die Farbgleichung 7 ? ) + BY%

= RYK

+ £γ9ϊ

und daraus 9 =

+

(4)

Es gelingt also in jedem Fall, wie auch eine vorgelegte Farbe ^ aussehen mag, entweder mit Hilfe der inneren (d.h. direkten) Nachmischung (Fall £) oder, wenn das versagt, mittels äußerer Farbmischung (Fall ?)) eine eindeutige 6 Zahlenbeziehung zwischen der Farbvalenz und drei beliebig gewählten, aber dann festgehaltenen ,,Primärvalenzen" 7 (z.B. 9Ϊ,©, 93) herzustellen: $ =

+

+

(5)

Diese Erkenntnis enthebt uns der Notwendigkeit, mehr als drei Komponenten einzuführen. Natürlich erweitern sich die Möglichkeiten, neue Mischfarben durch direkte (innere) Nachmischung zu erzeugen, mit der Benutzung von mehr als drei Komponentenfarben; aber jede über die drei ursprünglichen hinaus neu hinzugenommene Komponente läßt sich nach Gl. (5) als (innere oder äußere) Mischung der ursprünglichen Komponenten darstellen. Daher genügen tatsächlich 5

Beim Farbkreiselversuch muß eine Blauscheibe desselben Durchmessers wie die kleine, innen aufzusetzende Gelbscheibe 9) vorbereitet sein. Das Blau muß genau das gleiche sein, wie sonst außen verwendet, und wird zu der Gelbscheibe gesteckt. 6

Eindeutig im strengen Sinne sind Farbgleichungen (die ja auf dem Urteil der visuellen Gleichheit beruhen) stets nur für ein und denselben Beobachter. Aber rund 95% der Bevölkerung stimmen praktisch in ihrem Urteil überein. 7

Diese Bezeichnung wird im folgenden grundsätzlich benutzt; sie ist allgemeiner als Grundfarben, denn diese könnte man nicht willkürlich wählen, sondern wären irgendwie theoretisch oder praktisch begründet, was für die Primärvalenzen nicht zutrifft.

28

Gesetzmäßigkeiten der additiven Farbmischung

drei Primärvalenzen zur Erfassung aller denkbaren Farbvalenzen. Es gilt also der Satz: Zwischen je vier Farbvalenzen besteht immer eine eindeutige lineare Beziehung (Erstes Graßmannsches Gesetz, von dem Mathematiker H. Graßmann 1853 aufgestellt [32; 38]). In anderer Formulierung: Jede Farbvalenz ist stets eindeutig auf einen gewählten Satz von drei Primärvalenzen beziehbar. Eine Farbvalenz braucht daher zu ihrer Beschreibung stets drei voneinander unabhängige Bestimmungsstücke; die Farbe ist also eine dreidimensionale Größe.

Abb. 11. Vektorielle Darstellung der inneren additiven Mischung dreier Komponenten 3f = Ä p 9t + GP@ + 5 f 9 3 (Die Vektoren © und % liegen nicht in der Zeichenebene!) Für die vektorielle Darstellung der Dreikomponenten-Mischung darf der Vektor der dritten Komponente auf Grund der schon bei Abb. 9 und 10 angestellten Überlegungen nicht mit denen der beiden anderen Komponenten komplanar sein. Man muß also zu einer räumlichen Konstruktion übergehen. Abb. 11 zeigt die Darstellung der inneren Nachmischung, Abb. 12 die der äußeren. Der Vektor der dritten Komponente, ist dabei nach vorn oder hinten aus der Zeichenebene herausragend zu denken; daher liegen auch in den Abbildungen die Vektoren bzw. © nicht in der Zeichenebene (9123). Die willkürlich wählbaren Lagen der Vektoren der Primärvalenzen und deren ebenso

Gesetzmäßigkeiten der additiven Farbmischung

29

willkürlichen Maßeinheiten definieren den jeweiligen Farbenraum, in dem alle denkbaren reellen und virtuellen Farben (Farbvalenzen, s. u.) ihren eindeutigen Farbort haben. Freilich ist diese räumliche Darstellung im praktischen Gebrauch unbequem, und deshalb benutzt man häufig eine ebene Darstellung, wobei man natürlich eine Dimension verliert; über diese Darstellungsart wird weiter unten gesprochen.

Am Beispiel einer gegebenen Farbe und ihrer mittels unserer Projekt or-Vorrichtung erzeugten Nachmischung läßt sich sehr einfach zeigen, daß sich beide Feldhälften (die ja gleich aussehen) bei der Mischung mit einer neuen Farbe 3 völlig

©

Abb. 12. Vektorielle Darstellung der äußeren additiven Mischung dreier Komponenten Aus g + .B e 93 = BEDI +

®=

+ Ge© -

GE&folgt

BeS8

gleich verhalten, obwohl sie ganz verschieden zusammengesetzt sind: links eine Mischung aus 9t, 93, rechts eine einheitliche Farbe Projiziert man nämlich die Farbe 3 mit dem Umfeld-Projektor gleichmäßig über beide Feldhälften, dann nehmen diese zwar eine neue Farbe an, aber die Feldhälften bleiben einander gleich: RFifi +

+ Bss& + 3 = g +

3

30

Gesetzmäßigkeiten der additiven Farbmischung

Mit dem Farbkreisel kann man diese Tatsache ebenfalls demonstrieren, freilich etwas umständlicher 8 . Dieses Experiment liefert uns einen weiteren wichtigen Erfahrungssatz: Für das Ergebnis einer additiven Farbmischung ist ausschließlich das Aussehen der Komponenten maßgebend, nicht ihre Zusammensetzung. (In der Sprache der modernen Farbmetrik heißt das: F ü r das Ergebnis einer additiven Mischung sind die Farbvalenzen maßgebend.) Dieser Satz wird auch oft folgendermaßen ausgesprochen: Gleichaussehende Farben geben mit einer dritten Farbe stets gleichaussehende Mischungen (Zweites Graßmannsches Gesetz). Wenn bei diesen Versuchen vom Aussehen der Farben, von der Farbempfindung die Rede ist, so gilt das freilich mit einer Einschränkung: Die Farben, deren Gleichheit oder Ungleichheit (zu mehr ist das Auge im quantitativen Sinn nicht fähig!) beurteilt werden soll, müssen gleichzeitig, möglichst eng benachbart und in gleicher Umgebung gesehen werden, natürlich vom gleichen Beobachter. Ein weiterer Versuch wird deutlich machen, daß es dabei aber gar nicht auf die jeweilige Farbempfindung ankommt, sondern daß uns diese nur Mittel zum Zweck sein kann.

Es möge eine Gleichheitseinstellung zwischen einem nicht zu stark gesättigten Orange und seiner Nachmischung aus den drei Primärvalenzen zunächst bei dunklem Umfeld gegeben sein. Sobald wir ein helles weißes Umfeld dazuschalten, geht sofort die Farbempfindung Orange in die Empfindung Braun über. An der Gleichheit der beiden Feldhälften ändert sich dabei aber nichts. Machen wir das Umfeld grün, so wird dieses Braun zu Rotbraun; bei rotem Umfeld wird das Infeld gelblich-braun wirken. Geben wir ein kräftiges Blau als Umfeld, wird das Braun farbiger, mehr dem Orange zuneigend gesehen, aber bei starkfarbigem Gelborange wird das Infeld trüb-braun wirken. I n allen diesen Fällen bleibt

8

Beim Farbkreisel darf man natürlich keine Farbe darüber projizieren, sondern muß außen und innen einen gleich großen Sektor der Farbe 3 einfügen; dabei muß man das Verhältnis der 9Ϊ, 0J, 33-Sektoren unverändert lassen!

Gesetzmäßigkeiten der additiven Farbmischung

31

aber die Gleichheit der beiden Infeld-Hälften erhalten, d.h. das Mischungsverhältnis der Primärvalenzen erfordert keine Änderung, um die Gleichheit zu bewahren. Machen wir jetzt den im ersten Kapitel beschriebenen Umstimmungsversuch. Wir benutzen wieder die Farbgläser, den Projektor und die Technik mit dem abgedeckten Auge. Betrachtet man einmal mit dem umgestimmten Auge und dann mit dem abgedeckt gewesenen Auge eine Farbgleichheitseinstellung, so werden wir einerseits wieder die Verschiedenheit der Farbeindrücke für die beiden Augen vom gleichen Objekt feststellen, andererseits bleibt aber zu unserem erneuten Erstaunen für jedes Auge für sich die einmal eingestellte Farbgleichheit richtig. Die Umstimmung hat also auf die Gleichheit zweier Farbfelder keinen Einfluß (Persistenz der Farbgleichungen nach J. von Kries), ebenso wenig wie ein Wechsel des Umfeldes, wie oben beschrieben. Die auf irgendwelche Primärvalenzen bezogenen Farbwerte beschreiben also nicht die Farbempfindung, sondern sozusagen eine physiologische Vorstufe dazu, die heute ,,Farbvalenz" genannt wird. Die Farbvalenz ist diejenige Eigenschaft einer (ins Auge einfallenden) Strahlung („Farbreiz"), die das Verhalten dieses Farbreizes in der additiven Mischung mit anderen Farbreizen bestimmt·, sie beschreibt die „Wertigkeit" der Strahlung für die additive Mischung. Gleichheit zweier (gleichzeitig wahrgenommenen) Farbempfindungen bedeutet auch Gleichheit der Farbvalenzen; daher können wir Farbvalenzen mittels des Gleichheitsurteils über Farbempfindungen zahlenmäßig beschreiben und so zu einer Farbmessung und zu einer Farbmetrik kommen, die insoweit eine Farbvalenzmetrik ist. (Inhaltlich hat den Begriff der Farbvalenz zuerst R. Luther [63] klar definiert; die jetzige Bezeichnung ist später eingeführt worden [106].) Die hier beschriebenen, vielfach bestätigten Erfahrungstatsachen ermöglichen die Formulierung eines farbmetrischen Grundgesetzes (Μ. Richter [103]). Dieses Grundgesetz enthält die oben genannten Graßmannschen Gesetze; es ist als deren Zusammenfassung zu verstehen. Es lautet:

32

Wirkungsweise des Auges

Das helladaptierte trichromatische Auge bewertet die einfallende Strahlung nach drei voneinander unabhängigen spektralen Wirkungsfunktionen linear und stetig, wobei sich die Einzelwirkungen zu einer untrennbaren Gesamtwirkung addieren. Dabei sind unter den Wirkungsfunktionen die spektralen Empfindlichkeitskurven 9 des Auges zu verstehen, wie sie im nächsten Abschnitt erläutert werden. Daß die Bewertung linear erfolgt, ist eine Erfahrungstatsache, die den Aufbau der Farbvalenzmetrik außerordentlich vereinfacht. Linearität der Bewertung bedeutet, daß das „Gewicht" (d.h. die Farbwertsumme) einer Farbvalenz für die Mischung genau proportional zur Reizgröße (bei unveränderter spektraler Zusammensetzung) zunimmt. Die Linearität läßt sich leicht experimentell nachprüfen, indem man die in Kap. 5 beschriebenen Rechnungen mit den Farbgleichungen ausführt und sie mit dem Ergebnis des Experimentes vergleicht. Wäre die Bewertung nicht linear, würden die auf Grund der Linearitätsannahme durchgeführte Rechnung und das Experiment zu eklatant verschiedenen Resultaten führen!

4. Wirkungsweise des Auges Zum Verständnis des farbmetrischen Grundgesetzes (aus dem z.B. die oben schon genannten Graßmannschen Gesetze folgen) muß etwas über Bau und Wirkungsweise des Auges gesagt werden. Abb. 13 zeigt einen Schnitt durch den Augapfel, der im Prinzip eine Kamera darstellt: Die abbildende Optik baut sich aus den brechenden Flächen der Hornhaut und der Kristallinse auf, deren Brechkraft sich durch Ver9

Die spektrale Empfindlichkeits-Kurve (oder -Verteilung oder -Funktion) gibt die Stärke des Ansprechens (die Wirkung) eines (physikalischen oder biologischen) Strahlungsempfängers auf Strahlung der verschiedenen Wellenlängengebiete wieder, wenn die einwirkende Strahlungsleistung in jedem gleich breiten Wellenlängengebiet Δ λ („gleiche Bandbreite") gleich groß ist. Man pflegt dann (allerdings unexakt) zu sagen, die Kurve gelte für das „energiegleiche Spektrum". Meist (und für die Farbmetrik stets ausreichend) werden die Kurven in relativem Maße (z.B. mit dem Maximum willkürlich gleich 1 oder 100 gesetzt) angegeben.

33

Wirkungsweise des Auges Hornhaut Regenbogenhaut-^^

Pupille

vord. Augenkammer

Augenlinse

Aderhaut—Μ

I

Lederhaut

Glaskörper

Netzhaut-

Blinder Fleck

ψ

Gelber Fleck mit Netzhautgrube

Sehnerv

Abb. 13. Horizontalschnitt durch den Augapfel

änderung der Flächenkrümmungen der Entfernung des abzubildenden Objekts anpaßt (Akkommodation). Der Mattscheibe oder Filmebene entspricht die Netzhaut (Retina), auf der die Augenoptik ein scharfes Bild des angeblickten Gegenstandes entwirft. Diese Netzhaut ist ein feingegliedertes Häutchen, das sich aus den lichtempfindlichen Sinneszellen, den Stäbchen und den Zapfen und den zugehörigen Nervenelementen aufbaut (Abb. 14). Die Umwandlung der einfallenden Strahlungsleistung in Nervenerregungen findet in diesen Stäbchen und Zapfen durch Zersetzung von lichtempfindlichen Farbstoffen (den Sehstoffen) statt. Die Stäbchen sind alle mit einem einheitlichen Sehstoff, dem sog. Sehpurpur, gefüllt; die spektrale Empfindlichkeit V'(X) der Stäbchen entspricht der spektralen Absorption des Sehpurpurs (Abb. 15). Die Absolutempfindlichkeit der Stäbchen ist sehr hoch; schon 2—3 eingefangene Lichtquanten scheinen zur Erregung einer Lichtempfindung zu genügen. Wie Photozellen antworten die Stäbchen mit einer von Bestrahlungsstärke und Wellenlänge abhängigen Wirkung, nämlich mit einer Nervenerregung und einer dadurch bewirkten Lichtempfindung, denn die lichtempfindlichen Netzhautelemente sind durch die Fasern des Sehnerven mit dem Sehzentrum im Gehirn verbunden. Diese Nervenerregung (und damit

34

Wirkungsweise des Auges

Nervenfaser-1 Ganglien schicht ' Zellen

Λ Schicht i

Körner der J. de,[. Sehzellen amakrinen\bipolaren Zellen

Stäbchen

PigmentEpithel

Abb. 14. Aufbau der menschlichen Netzhaut

die zugehörige Lichtempfindung) kann aber nur quantitativ verschieden sein, also hellere oder weniger helle Empfindungen bewirken. Da die im lebenden Auge zur Aufrechterhaltung des Sehvermögens nötige laufende Regeneration des zersetzten Sehstoffes eine gewisse Zeit benötigt, tritt bei dem hochempfindlichen Sehpurpur bei höheren Bestrahlungsstärken, wie sie im Sehen bei normaler Tageshelligkeit auftreten, bald der Zustand einer Erschöpfung ein, der die Stäbchen aus dem Sehvorgang ausschaltet: die Stäbchen sind die Organe für das Sehen bei geringen Leuchtdichten, wie sie in der Nacht auftreten — sie sind die Organe für das Nachtsehen (skotopisches Sehen). Die Zapfen mit ihrer wesentlich geringeren Empfindlichkeit übernehmen bei größerer Helligkeit die Vermittlung der Seheindrücke, sie sind die Elemente des Tagessehens (photopisches Sehen), für das die in Abb. 15 ebenfalls eingezeichnete spektrale Empfindlichkeitskurve ν(λ), die Kurve des „spektralen Hellempfindlichkeitsgrades für Tagessehen", gilt. Der Zwischenbereich, in dem Stäbchen und Zapfen gleichzeitig in Funktion sind (Dämmerungssehen), also bei Leuchtdichten etwa zwischen 0,1 und 30 cd/m 2 , wird als mesopisches Sehen be-

Wirkungsweise des Auges

1.0

^

0.8

$

-

1 Q6 !-

« »
λ oder von der Strahlstärke/ β)λ in der gleichen Weise ableiten11. In jedem Falle bleibt die Dimension der normierten Größe erhalten, Avas man gegebenenfalls beachten muß. Im allgemeinen lassen wir es bei 8χ offen, welche Strahlungsgröße damit gemeint sein soll und sprechen daher einfach von der spektralen Strahlungsverteilung 8χ. In der Farbmetrik haben wir es freilich meist mit der Strahldichte Le bzw. mit der Leuchtdichte L zu tun, weil wir die (selbstleuchtende oder nichtselbstleuchtende) Fläche direkt anschauen, wenn wir ihre Farbe beurteilen wollen.

Die relative spektrale Strahlungsverteilung Sx ist f ü r jede Lichtquellenart charakteristisch. Sie wird für die einzelnen Lichtquellen durch Tabellen beschrieben und/oder graphisch (Sx über λ) dargestellt. Dabei bevorzugt man heute die Treppenkurven-Darstellung, bei der die relative Strahlungsleistung in Bänder gleicher spektraler Bandbreite (meist 10 nm, seltener 5 nm) zusammengefaßt wird. Meist wird dabei dem Band mit der mittleren Wellenlänge λ = 560 n m willkürlich der Inhalt 100 zuerteilt und alle anderen Bandinhalte darauf bezogen, wie oben bereits erwähnt. Die physikalischen Vorgänge in den Lichtquellen bestimmen die relative spektrale Strahlungsverteilung (es war ja oben schon von ,,Temperaturstrahlern", „Gasentladungslampen", 11

Über die verschiedenen Strahlungsgrößen siehe z.B. das einschlägige Normblatt [146; Bl. 1] oder andere Literatur über Strahlungsmessung, z.B. [21; 96].

46

Der Farbreiz

„ L e u c h t s t o f f l a m p e n " die Rede). U m 8λ zu kennen und damit rechnen zu können, muß man diese Größe im allgemeinen messen, wozu m a n eine Kombination von Spektralapparat u n d Strahlungsmeßgerät, also ein Spektroradiometer, verwenden muß. (Näheres darüber lese m a n in Sachbüchern über Strahlungsmessung nach, z . B . [21].) Abb. 20 zeigt die relative spektrale Strahlungsverteilung einer typischen Leuchtstofflampe 1 2 in der erwähnten Treppendarstellung. 300

ί

200

Sx Γ

100

—λ

J u 400

L ηΉ Γ

500

600

700nm

Abb. 20. Typische spektrale Strahlungsverteilung 8 λ einer Leuchtstofflampe (Die im Handel befindlichen Leuchtstofflampen weisen im einzelnen recht verschiedenartige Strahlungsverteilungen auf; die hier gezeigte Verteilung wird zur Berechnung des Metamerie-Index [153] verwendet) An Leuchtstofflampen werden von den einzelnen Herstellern verschiedene Typen in den Handel gebracht, um den unterschiedlichen Wünschen nach Lichtfarbe, Lichtausbeute und FarbwiedergabeEigenschaften Rechnung zu tragen. Die Abb. 20 soll lediglich ein Beispiel für den Verlauf der spektralen Strahlungsverteilung bei einer Leuchtstofflampe sein. Für die Kurven der einzelnen Typen muß auf die Firmenprospekte verwiesen werden. 12

Der Farbreiz

47

Die , Schornsteine' (mit Ausnahme des bei 650 nm) rühren von den Quecksilberiinien der primären Gasentladung her, die durch den Leuchtstoff, der das Kontinuum liefert, hindurch wirksam sind; ihre Strahlungsleistungen, die an sich auf die Wellenlängen 405, 436, 546 und 578 nm konzentriert sind, erscheinen bei der Treppendarstellung einfach als Beitrag zu den 10 nm breiten Bändern. Besonderes Interesse haben natürlich Lichtquellen, deren spektrale Strahlungsverteilung berechnet werden kann. Eigentlich gibt es nur eine einzige Gruppe solcher Strahlungsquellen, bei der das aufgrund der Theorie des Strahlungsvorganges möglich ist: das sind die sog. Schwarzen oder Planckschen Strahler, hoch erhitzbare schwarze Hohlräume (sog. schwarze Körper), deren Strahlung durch eine vergleichsweise kleine Öffnung austreten kann. Für solche Strahler kann man die spektrale StrahlungsVerteilung nach dem Planckschen Strahlungsgesetz berechnen. Für die spektrale Strahlungs Verteilung, bezogen auf Wellenlängen, lautet dieses Gesetz

mit λ in cm, Τ in Κ und mit der Konstanten c1 — 3,7415 X 10~16 W · m 2 . Der Wert der Konstanten c 2 hat sich durch Verbesserung der Möglichkeiten ihrer experimentellen Bestimmung in den letzten 50 Jahren mehrfach geändert; gegenwärtig gilt als bester Wert c 2 = 1,4388 cm · Κ ; Ω0 = 1 sr. In der Farbmetrik wird fast ausschließlich die relative spektrale Strahlungsverteilung Sx benutzt, da hier eben stets nur relative Werte gebraucht werden. Dabei wird meist der Wert bei 560 nm gleich 100,0 gesetzt. Es ist also Sx = 100 · Le_λ (λ, T)/Le x (560, Τ)

(8b)

Für einige in der Farbmessung auftretende Temperaturen Τ (1900 Κ, 2360 Κ, 2856 Κ, 3200 Κ, 5000 Κ) sind die relativen spektralen Strahlungsverteilungen im Anhang in Tab. Α angegeben; graphisch sind sie in Abb. 21 dargestellt.

Der Farbreiz

48

Abb. 21. Spektrale Strahlungsverteilung $ λ verschiedener

Planckschev Strahlungen

a) 1900 Κ ( = Lichtart P) b) 2360 Κ ( = Lichtart G) c) 2856 Κ ( = Normlichtart A)

d) 3200 Κ e) 5000 Κ

Die Plancksche Strahlung hat indessen in der Farbmetrik eine wichtige Bedeutung. Praktisch geben viele technische Temperaturstrahler eine Strahlung ab, deren spektrale Strahlungsverteilung nicht nennenswert von der des Schwarzen Körpers abweicht; man kann dann diejenige Temperatur des Planckschen Strahlers angeben, bei der er die gleiche spektrale Strahlungsverteilung hat wie der betreffende technische Strahler. Man nennt diese Temperatur des Schwarzen Strahlers die Verteilungstemperatur Ty des betreffenden technischen Strahlers. (Sie liegt tiefer als die wahre Temperatur des technischen Strahlers.) Auf diese Weise ist eine bequeme (und anschauliche) Kennzahl für die spektrale Strahlungsverteilung solcher technischer Strahler (wozu vor allem die Wolfram-Glühlampen zu zählen sind) gewonnen, von der man gern Gebrauch macht. Die Möglichkeit, eine Verteilungstemperatur anzugeben, ist aber, wie wir nochmals ausdrücklich betonen wollen, auf solche Strahler beschränkt, die wirklich eine einer PZemc&schen Verteilung entsprechende relative spektrale Strahlungsverteilung besitzen.

Der Farbreiz

49

Die Plancks che Strahlung zeigt aber auch infolge der verschiedenen von der Temperatur bedingten Strahlungsverteilungen verschiedene Farben: wohl jeder weiß, daß ein bei niedriger Temperatur glühender Körper rot aussieht, während er bei steigender Temperatur gelblich und später ausgesprochen weiß glüht. Das gilt auch für den Planckschen Strahler; er durchläuft bei steigender Temperatur eine eindeutige Farbfolge. [Dies drückt sich in der in Kap. 8 zu besprechenden Normfarbtafel (Abb. 32) durch einen Kurvenzug, den sog. Planckschen Kurvenzug aus.] Aber auch andere als Plancksche Strahler können eine Farbe erzielen, die (mehr oder weniger zufällig) der des Planckschen Strahlers bei einer gewissen Temperatur gleicht. Man kann dann die Farbe jenes anderen (technischen) Strahlers durch die Temperatur Tt des Planckschen Strahlers beschreiben, bei der dieser farbgleich zu jenem technischen Strahler strahlt. Man nennt diese Temperatur Tt des Planckschen Strahlers die Farbtemperatur des betreffenden technischen Strahlers. (Wie wir in Kap. 10 sehen werden, ist das nicht davon abhängig, daß beide Strahler die gleiche spektrale Strahlungsverteilung haben! Es ist hier nur von Farbgleichheit die Rede.) Mit der Angabe der Farbtemperatur haben wir also ein bequemes Mittel in der Hand, die Farbe gewisser Lichtquellen durch eine einzige Zahlenangabe zu beschreiben. Von dieser Möglichkeit macht man gern Gebrauch. Aber man muß stets beachten, daß die Farbtemperatur nichts über die spektrale Strahlungsverteilung des betreffenden Strahlers aussagen kann, denn sie bezieht sich nur auf die Farbgleichheit! Leider wird das in der Praxis (vor allem von Photographen) viel zu häufig mißachtet. In den seltensten Fällen wird freilich eine Lichtquelle, der man keine Verteilungstemperatur zuordnen kann (z.B. eine Leuchtstofflampe), eine Farbe zeigen, die genau mit der eines Schwarzen Strahlers übereinstimmt; streng genommen darf man ihr dann gar keine Farbtemperatur zuordnen. Aber oft wird ihre Farbe in der Nähe einer Planckschen

50

Der Farbreiz

Farbe liegen. Man kann dann diejenige der Planckschen Farben aufsuchen, die ihr am ähnlichsten ist. Und diese Temperatur des Planckschen Körpers nennen wir die ähnlichste Farbtemperatur Tn. Das ist aber nur sinnvoll, wenn der Farbunterschied nicht zu groß ist. Daher wird man z.B. der Natrium-Niederdrucklampe, die ein gesättigtes Gelb zeigt, weil sie praktisch nur die Na-Doppellinie bei 589 nm ausstrahlt, keine ähnlichste Farbtemperatur zuordnen. Für Licht höherer Farbtemperaturen, wie sie beim natürlichen Tageslicht oder bei Lichtquellen mit künstlich (z.B. durch Lichtfilter) veränderter Strahlung vorkommen, kann man heute auch spektrale Strahlungsverteilungen berechnen. Die Grundlage dazu ist freilich nicht so streng theoretisch wie das Plancksche Gesetz, sondern aus empirischen Messungen gewonnen. Wir meinen die (theoretischen) Tageslichtphasen D, deren Berechnung im Anhang 3 beschrieben ist; sie erfordern mehr farbmetrische Kenntnisse, als wir an dieser Stelle schon voraussetzen können. Beispiele für spektrale Strahlungsverteilungen, die auf dieser Grundlage berechnet sind, finden Sich in Abb. 22 für die ähnlichsten Farbtemperaturen Tn = 5500 K, 6500 Κ und 7500 K. — In Tab. Β sind die Zahlenwerte für diese Verteilungen angegeben.

Der Farbreiz ist also durch die spektrale Strahlungsverteilung des Lichtes gegeben, das jeweils auf die Netzhaut

Abb. 22. Spektrale Strahlungsverteilung 3χ der drei Lichtarten D55, D65 und D75

51

Der Farbreiz

unseres Auges von dem betreffenden Gegenstand gelangt, dessen Farbe wir betrachten. Schon oben, in Gl. (6), haben wir den Farbreiz mit dem Formelzeichen φ λ gekennzeichnet. Für den Fall einer Lichtquelle (oder Selbstleuchters) dürfen wir also schreiben Ψλ =

s

\

(9a)

In der Praxis der Farbmetrik sind jedoch weit häufiger als die Farben von Lichtquellen die Farben von nichtselbstleuchtenden Objekten zu beurteilen, also von solchen Objekten, die erst einmal beleuchtet werden müssen, um überhaupt sichtbar zu werden (und damit eine Farbe zu zeigen). Wir fragen uns deshalb hier, wie wohl in einem solchen Fall, bei einer „Körperfarbe", die Farbreiz-Funktion φλ zustande kommt. Primär wird die Strahlung von der Lichtquelle geliefert, die den betreffenden Körper beleuchtet; sie ist durch S λ charakterisiert. Aber sie kommt ja meist erst dadurch ins Auge, daß sie von einem Körper zurückgeworfen, remittiert wird. Dabei aber erleidet sie Änderungen in mehrfacher Hinsicht: erstens wird sie (zu einem kleinen Teil) an der Oberfläche selbst mehr oder weniger regelmäßig reflektiert (,, Glanz licht"), ein wesentlicher Teil dringt in die Oberfläche ein, wird in der Oberflächenschicht hin- und herreflektiert und tritt schließlich geschwächt irgendwann und in irgendeiner Richtung wieder aus. Dies ergibt eine mehr oder weniger gleichmäßige Streuung des Lichtes. Auf dem Wege im Inneren der Oberflächenschicht erleidet aber zweitens die Strahlung Absorption, die für die einzelnen Wellenlängen meist sehr verschieden ist. Dadurch ist die wieder austretende Strahlung auch in ihrer Zusammensetzung wesentlich geändert. Die Fläche des Körpers wirkt also selektiv, und die Selektivität bedingt, daß das vom Körper schließlich zurückgeworfene Licht eine ganz andere Farbreizfunktion φ λ hat als das beleuchtende Licht. Die Änderungsfunktion beschreiben wir als die spektrale Funktion des ,,Leuchtdichtefaktors" oder ,,Remissionsgrades" β {λ) der Fläche [147, Bl. 7; 148, Bl. 2], Sie ist unabhängig von der Quantität und Bei*

52

Weiterer Ausbau der Farbvalenzmetrik

schaffenheit des auffallenden Lichtes, also eine konstante Eigenschaft des betreffenden Körpers, solange der molekulare Aufbau der für die Selektivität verantwortlichen Pigmente und Farbstoffe sich nicht ändert (was freilich über längere Zeit gesehen vielfach eintritt, z.B. beim Ausbleichen). Beispiele von Remissionskurven siehe Abb. 38. Da diese physikalische Funktion β (λ) einerseits für das farbige Aussehen (zwar nicht allein, aber doch wesentlich mitbestimmend) verantwortlich ist und andererseits eine Eigenschaft der Körper ist, betrachtet der Unbefangene oft die Farbe als eine physikalische Eigenschaft der Dinge. Wir haben aber schon eingesehen, daß die Farbe ein Werk unseres Sinnesorgans ist. Der Farbreiz, der von einem Nichtselbstleuchter ausgeht, ist also einerseits von der beleuchtenden Lichtquelle (spektrale Strahlungsverteilung Sx), andererseits von der Remissionseigenschaft β (λ) des Körpers bestimmt: Ψχ = ^λ-β(λ)

(9b)

Das gilt, wenn es sich um einen im zurückgeworfenen Licht betrachteten Körper handelt (Aufsichtfarben). Bei klar durchsichtigen (nicht lichtstreuenden) Schichten tritt an die Stelle des Remissionsgrades der Begriff des spektralen Transmissionsgrades τ (λ). (Imfolgenden wird stillschweigend vorausgesetzt, daß bei einer Durchsichtfarbe überall τ (λ) zu denken ist, wo hier der Einfachheit halber immer nur β(λ) erwähnt wird.)

6. Weiterer Ausbau der Farbvalenzmetrik Wir hatten schon im Kap. 3 die Beschreibung einer Farbvalenz durch eine Farbgleichung und ihre Darstellung durch Vektoren kennengelernt. Die Vektordarstellung wird vor allem durch die Tatsache nahegelegt, daß jede Farbvalenz als Summe dreier vorgegebener Farbvalenzen, der sog. Primärvalenzen, beschrieben werden kann (wobei gelegentlich negative Summanden auftreten können). Diese Primärvalenzen können beliebig gewählt werden; sie müssen nur

53

Weiterer Ausbau der Farbvalenzmetrik

der Bedingung genügen, daß keine aus den anderen beiden ermischbar sein darf; daher sind die Vektoren eines beliebigen Primärvalenz-Tripels niemals komplanar, sondern bilden im dreidimensionalen Raum ein ebenfalls willkürlich wählbares Dreibein. Außer den Vektorrichtungen der Primärvalenzen können wir auch die Einheitslängen für jede Richtung gesondert wählen. Lediglich Zweckmäßigkeitsgründe legen es uns nahe, die Winkel zwischen den Vektoren möglichst nicht größer als 90° und die Einheitslängen nicht gar zu verschieden zu nehmen. Haben wir aber für die von uns benutzten Primärvalenzen die Vektoren und ihre Einheiten festgelegt, so kommt in diesem Farbenraum einer beliebigen vierten Farbvalenz ein neuer Färbvektor eindeutig zu. Dementsprechend finden wir für die additive Mischung zweier Farbvalenzen einen Vektor, der sich aus der geometrischen Addition der beiden Komponenten· Vektoren ergibt. Es ist sehr lehrreich (weil es die Additivität der Farbvalenzen bestätigt), eine aus den Komponenten vorberechnete Farbgleichung einzustellen und zu betrachten. Haben wir z.B. durch das Experiment für die Farbvalenzen und folgende Farbgleichungen ermittelt: ^

= R^

+ Qx® + Β

=

+ G2% +

B^

so muß das Experiment auch zeigen, daß etwa 0,4 ^ + 0,6 %2 = (0,4

+ 0,6 R2) m + (0,4

+ 0,6 G2) ©

+ (0 4 Bx + 0,6 B2) ebenfalls eine Gleichheitseinstellung ist. Das Gelingen dieses Versuches beweist, daß man tatsächlich mit den Farbgleichungen rechnen darf wie mit linearen Vektorgleichungen. Wollen wir aus irgendeinem Grunde von einem gewählten Primärvalenz-Tripel (z.B. 90Ί) auf ein beliebiges anderes (z. U, SS, SS) übergehen, so müssen wir zunächst die Färb-

54

Weiterer Ausbau der Farbvalenzmetrik

gleichungen der neuen Primärvalenzen in bezug auf die alten kennen bzw. ermitteln. Allgemein werden wir finden: U = ΚΌ® + Lv2

+

ΜυΤΙ

SS = Ky® + Ly2 + MyWl SB =

+ L^Q +

(10)

Mwm

In Matrizenform geschrieben sieht Gl. (10) folgendermaßen aus: 'U\ /Ä S5 I = S t · ( ß vsB/ Wy mit

(10a) /Kv Lv Mv\ 9t = I Ky Ly My ) \K~W Myjl

Die Farbgleichungen der alten Primärvalenzen im System der neuen lauten dann: £ = UKU + FK$B + TTK3B fl = U-jJX + FL$ +

TfL®

(11)

= C7 m U+ F m SS + TFmSB Danach lassen sich nach Gl. (10) bzw. (10a) die UK ... Wu durch die K v ... M w ausdrücken 13 : 13

Der Abkürzung halber ist hier von der Determinanten-Schreibweise Gebrauch gemacht. Für damit nicht bewanderte Leser genügt hier der Hinweis, daß eine zweispaltige Determinante

Oj a2

= ax ai — a2 a3

a3 a4 «i «2 a3

«4 a5 ae a7 aa cig bedeutet.

:a

und eine dreispaltige

l (a5 a9 — a6 a8) + a% (αβ α7 — ®4 α9) + «3 (α4 α8 — α5 α?)

55

Weiterer Ausbau der Farbvalenzmetrik

UK = Ly My : D F K = LWMW :DWK LWMW Lv Μ υ

= Lv Μ υ : D Ly My MVKV :D My Ky

UL = My Ky : D FL = M^Kyf MWKW ΜυΚυ Uu

:D = Ky Ly : D F m = Kw Lw :D Wu = K\s Ky Ly Kv Lu

(Ha)

mit Kv Lv Μ υ D = Ky Ly My Kw Lw i¥w

Kürzer schreibt sich die zu (10) bzw. (10a) inverse Formel in Matrizenform: £ Ι = 9l-i Ι SM

(12}

W

MJ

worin 9ί _ 1 die zu 3t inverse Matrix ist. Wollen wir eine beliebige Farbvalenz, deren Farbgleichung im alten System bekannt ist, jetzt durch die Farbgleichung im neuen System II, SS, SG3 beschreiben, also G =

+

LFQ

+

MFWL =

UFU

+

FF58

+

WFW

so finden wir die neuen Farbwerte UF, VF, WF durch die Gleichungen (13): UF = KF · Ly My :D + LwMy?

Lf- My Ky : D -f- Mf · Ky Ly : D Myf Kyj K-wLyj

VF = KF · Lw Mw :D + L υ Μυ

Lf·

WF = KF · Lv Mv :D + Ly My

Lf. ΜυΚυ My Ky

Μ υ Kv

:D +

Mf- Kyj Lw : D Κ υ Lυ

:D +

Mf> Κ υ LJJ :D Ky Ly

[D besitzt den gleichen Wert wie in Gl. ( I I a ) ]

(13)

56

Weiterer Ausbau der Farbvalenzmetrik

Auch dies schreibt sich kürzer in Matrizenform: U VF

= («')-i

L

(14)

Entsprechend gilt das Inverse: (15) St' ist die transponierte Matrix zu St, (9ί') _1 die zu St' inverse Matrix oder die transponierte Matrix zu 9t _1 . Man sieht also, daß sich die Vektoren (Primärvalenzen) und die Maßzahlen (Farbwerte) kontravariant und kontragredient transformieren. Gl. (15) schreibt sich übrigens durch Berücksichtigung der Gl. (13) einfach KF = KVUF

+ Ky F F + Kw WF

LF

= LVUF

+ LV VF

ΜF

= Mv UF + My

FF

+ LW WF +

(15a)

WF

Der Anschaulichkeit der hier geschilderten Rechenoperation f ü r die Auswechselung der Primärvalenzen ist es sehr dienlich, f ü r einen konkreten Fall den Übergang von einem Primärvalenzsystem zu einem anderen durchzurechnen und das Ergebnis am Experiment zu prüfen. Mit dem Farbkreisel läßt sich das verhältnismäßig einfach machen. Wir wählen uns zwei Sätze von Primärvalenzen, z.B. Rot, Grün, Blau (9t, ©, 33) und Gelb, Violett, Blaugrün (U, SB, 28) und stellen die Farbgleichungen für U, SS und SS im System 91, S3 fest; damit haben wir die Gl. (10) gewonnen. Dann berechnen wir mit diesen Gleichungen die auf U, SS, SS bezogene Farbgleichung für eine Farbvalenz die wir vorher experimentell im System S3 ermittelt haben. Wir

Weiterer Ausbau der Farbvalenzmetrik

57

berechnen also nach Gl. (13) die Farbwerte UF, W Diese Werte vergleichen wir mit denen, die wir experimentell für $ mit den Farbvalenzen II, 33, 28 als neuen Primärvalenzen finden. Im Rahmen der bei solchen Experimenten möglichen Genauigkeit werden wir die berechneten Werte bestätigt finden. Wem dieser Aufwand für eine Demonstration zu zeitraubend ist, kann die Prüfung auch mit der Auswechselung nur einer Primärvalenz (z.B. des Grüns (3$ gegen ein merklich anderes Grün durchführen. So anschaulich die gedankliche Einordnung der Farbvalenzen in den Vektorraum auch ist, sie bleibt schwierig in ihrer räumlichen Darstellung. Deshalb benutzt man gern eine ebene Darstellungsweise. Diese geht schon auf Newton zurück und ist unter der Bezeichnung Schwerpunkts-Konstruktion bekannt. Dabei ordnet man den Primärvalenzen (z.B. 9t, 33) je einen Punkt in der Ebene zu und denkt sich senkrecht zu dieser Ebene Gewichte angreifen, die proportional zu den jeweiligen Farbwerten RF, GF, BF einer Farbvalenz ^ sind. Dann ist die masselos gedachte Farbtafel im Gleichgewicht, wenn sie genau im Schwerpunkt unterstützt wird. Dieser Schwerpunkt ist dann der Farbort F der Färb valenz Abb. 23 stellt den Fall für zwei Primärvalenzen und in der zur Farbtafel senkrechten Ebene dar. Wir sehen, daß sich der Farbort F nach dem Hebelgesetz bestimmt: Ä p - ( l - r P ) = 6?F-(l-flrF) (16) wenn für rF und gF die Strecke R G als Einheit genommen wird. Natürlich finden wir den gleichen Farbort F für eine Färb valenz, deren Farbwerte Η · RF und Η · GF sind: durch die Schwerpunktsdarstellung verlieren wir eine Dimension, nur noch die Verhältnisse werden veranschaulicht, oder wie wir sagen, die Anteile rF bzw. gF, mit denen die Komponenten 9t und © an der Mischung beteiligt sind: rF = RF/(RF + GF) und gF = GF/(RF + G w ). Mithin ist rF -f gF = 1. Abb. 24 zeigt den Zusammenhang zwischen der Farbortfindung nach der Schwerpunktsregel und dem VektorDiagramm für den Fall von zwei Mischungskomponenten.

58

Weiterer Ausbau der Farbvalenzmetrik

-U-rF)-

R?

Gr

Abb. 23. Darstellung der additiven Farbmischung aus zwei Komponenten nach der Schwerpunktsregel r

F

== R y j ( R F + G - p ) ; g

F

= G $ / ( R Y + GF)

Wenden wir das gleiche Prinzip auf die Mischung von drei Komponenten an, so müssen wir der dritten Primärvalenz 95 einen neuen, beliebigen Punkt in der Farbtafel-Ebene zuweisen. Dieser Punkt darf nur nicht auf der Geraden liegen, die durch R und G geht (entsprechend dem KomplanaritätsVerbot der Primärvalenz-Vektoren.) Es entsteht also ein Dreieck (Abb. 25), dessen Ecken die Primärvalenzen 91,

Abb. 24. Zusammenhang zwischen der Farbortfindung nach der Schwerpunktsregel mit der Vektor-Darstellung

59

Weiterer Ausbau der Farbvalenzmetrik G

ß

R

Abb. 25. Darstellung der additiven Farbmischung aus drei Komponenten nach der Schwerpunktsregel (Farbtafel-Konstruktion)

S3 darstellen. Für jede Farbvalenz, die direkt aus 93 nachgemischt werden kann, finden wir den Farbort F im Inneren dieses Dreiecks (daher die Bezeichnung innere Farbmischung für diese direkte Nachmischung!). Nach der Schwerpunktsregel findet man die Lage von F mit Hilfe der Dreieckskoordinaten, wie in Abb. 25 eingezeichnet: rF

=

RF/(RF

+

GF

+

bF

— Bf/(Rf

+

Gf

-f-

BF); ΒF)

gF

=

GF!(RF

+

GF

+

Bv);

(17a)

Die Dreieckskoordinaten sind also als Farbwertanteile einfach zu bestimmen. Immer ist daher r g b = ί; es genügt daher, zwei dieser Farbwertanteile zu berechnen. Auch hier gilt, daß jeder Farbort F nicht nur für eine Farbvalenz mit den Farbwerten RF, GF, Bp gilt, sondern ebenso auch für alle anderen Farbvalenzen mit den Farbwerten η · RF, η · Gf, η · BF. Allen diesen Farbvalenzen η · ^ (für 0 < η < max) schreiben wir die gleiche Farbart zu. In der Farbtafel können wir also nicht die Farbvalenzen selbst, sondern nur deren Farbarten durch die Farbörteru darstellen. Eine Farbart ist also durch zwei der drei Farbwertanteile ausreichend definiert. Können wir eine Farbvalenz β nur durch äußere Farbmischung zu den gewählten Primärvalenzen in Beziehung Diese Pluralform entspricht der der Sternörter, geometrischen örter usw. 14

60

Weiterer Ausbau der Farbvalenzmetrik

Abb. 26. Anwendung der Schwerpunktsregel bei äußerer additiver Farbmischung aus drei Komponenten

setzen (wie oben beschrieben), so sind die Färb wertanteile in der gleichen Weise wie bei innerer Farbmischung zu berechnen, natürlich unter Beachtung der Vorzeichen. Dadurch findet man (Abb. 26) für (£ einen außerhalb des Dreiecks RGB gelegenen Farbort C, weil (in diesem Falle) B c und damit auch &c negativ ist. In diesem Beispiel sehen wir deutlich auch den tatsächlichen Nachmisch-Vorgang widergespiegelt: Das Experiment liefert unmittelbar nämlich nur eine Farbgleichung für die Mischfarbe 9)1: Bcgt

+ öc© = e + -ßc» =

m

aus der wie oben folgt: 6 = Rc$l

+ Gc® -

BCS&

und mithin rc = Rd{Rc

+ Oc-

Bc);

gc=

ocl(Rc

+ G

und

g

-

Bc)

(17 b) bc = -

BC/(RC

+ GC-

Bc)

(Auch im Falle der äußeren Farbmischung gilt natürlich r + g + b = 1.) Der Farbort für 50? liegt natürlich auf der Linie RG; er muß aber auch auf der Linie BC liegen; damit ist die Richtung, in der der Punkt C liegen muß, bestimmt. Die Strecke MC, an der wir uns ja in Β das Gewicht Bc und in C das Gewicht Rc + Gc — Bc angreifend denken müssen, bestimmt sich wieder nach dem Hebelgesetz.

Weiterer Ausbau der Farbvalenzmetrik

61

Die Beziehung der Farbtafel zum Vektorraum (Abb. 27) ist sehr einfach. Sie ist die Ebene, die durch die Endpunkte der Primärvalenz Vektoren gleichen Farbwertbetrages (ζ .B. 100) definiert ist. Für einen beliebigen anderen Farbwertbetrag wird eine parallele, höher oder niedriger gelegene Ebene definiert. Die Farbörter in der Farbtafel sind die Durchstoßpunkte der Farbvektoren durch diese Ebene; dies gilt für die Primärvalenzen ebenso wie für beliebige andere Farbvalenzen. (Auf die weiter unten noch zu besprechende Möglichkeit, auch durch den Schwarzpunkt S eine parallele Ebene zu legen, sei hier zunächst nur hingewiesen.)

s

E s mag vielleicht nützlich sein, hier die Transformationsformeln für die Farbwertanteile zu bringen, auch wenn sie sich leicht aus den Gl. (10) bis (15) ableiten lassen. Mit den Konstanten der genannten Gleichungen werden die Farbwertanteile k, l KuUF

(KV

+

LJJ

+

+ KyVF + KwWF MJJ) ÜF (Ky + Ly + My) VF + + (Zw + L* + Mw) WF

+

(18a) LVUF

~~

(KJJ

+ L + MJJ) V

+ LyVF

+ LyWF

UF + (Ky + Ly + My) VF + + (Zw + + Mw) WF

62

Die Spektrahverte

oder direkt aus u, υ h

(KV

(Ky -KW)U+ (Ky - Kw) V + Kw + Ly + My) U + (Ky + Ly + My) V + + (Kw + + Mw) (1 - u

-

V)

(18b) l =

{Ly — Lw) U + {Ly — Lw) ν + Lw (.KV + LV + i¥u) u + {Ky + Ly + My) V +

+

+^ +

υ)

7. Die Spektralwerte Wie für jede beliebige Farbvalenz $ muß es nach dem oben zitierten Gesetz möglich sein, auch für eine spektrale Farbvalenz f (λ) experimentell die Farbgleichung zu ermitteln. Als Farbreiz einer spektralen Farbvalenz (Spektralfarbe) gilt in der Farbmetrik ein schmaler Ausschnitt aus dem Spektrum mit der Bandbreite Δ λ, wenn sich die Farbart dieses Bandes mit den Grenzwellenlängen λ ± λ nicht wahrnehmbar von der Farbart der Wellenlänge λ unterscheidet. Erfahrungsgemäß gilt das bereits selbst für kritische Gebiete im Spektrum, wenn Δ λ = 5 nm genommen wird. Selbst bei Δ λ — 10 nm erhält man meist durchaus befriedigende Ergebnisse. Die Wahl eines genügend breiten Spektralausschnittes ist aus energetischen Gründen geboten, da man mit den üblichen Lichtquellen bei zu kleiner Wahl von Δ λ praktisch die für das visuelle Experiment notwendige Leuchtdichte nicht erreicht. Für ein Spektralband der Breite Δ λ und der mittleren Wellenlänge λ wollen wir also die Farbgleichung in der auch sonst benutzten Technik bestimmen, um den Zusammenhang mit den Farbgleichungen für die Farbvalenzen komplexer Farbreize nicht zu verlieren. Da wir spektrale Farbreize aus technischen Gründen nur in der Form von Strahlung erzeugen können, eignet sich zur Nachmischung nur eine Apparatur, bei der auch die Primärvalenzen in Lichtform

63

Die Spektralwerte

dargeboten werden. (Ein Farbkreisel mit remittierenden Farbscheiben ist also hierfür schlecht verwendbar.) Für die exakte Durchführung solcher Messungen sind von verschiedenen Autoren spezielle Spektralfarben-Mischapparate verwendet worden. So hat ζ. Β. A. König f ü r seine berühmt gewordenen Messungen [56] den Apparat nach Helmholtz-König [57] entworfen; W.O. Wright [136] hat zu demselben Zweck eine interessante Apparatur konstruiert, und W. S. Stiles [127] hat dafür eine besonders aufwendige Anordnung gebaut, die er „Trichromator" genannt hat. Wie man derartige spektrale Farbgleichungen im einfachen Demonstrationsversuch einstellen und auf diese Weise einem größeren Hörerkreis das Wesen dieser Messungen anschaulich vorführen kann, hat der Verfasser an anderer Stelle beschrieben [115]. Die Spektralwerte sind die Farbwerte in den Farbgleichungen für die spektralen Farbvalenzen. Sie beziehen sich also wie die Farbwerte anderer Färbvalenzen jeweils auf ein bestimmtes System von Primärvalenzen. Für irgendeine Spektralvalenz f (λ) erhält man zunächst eine Farbgleichung der Form f ( j ) = 22(A) «ft +

+ Β(λ) 95

Diese experimentell gewonnene Gleichung bezieht sich auf eine Spektralvalenz λ ± Δ λ/2, die bei der Messung zufällig mit der (von der Meßanordnung bedingten) spektralen Strahldichte $ Λ angefallen war. Den Wert Sx muß man gesondert messen, entweder mit einem aselektiven Empfänger (z.B. mit einem Thermoelement) oder mit einem anderen Strahlungsempfänger, dessen relative spektrale Empfindlichkeitsverteilung s(X) durch sorgfältige Eichung bekannt ist. U m eine einheitliche Basis für alle spektralen Farbgleichungen der gleichen Meßserie herzustellen, rechnet man die Werte auf eine einheitliche Strahldichte um, indem man die Farbwerte durch Sx dividiert. Die Farbgleichungen beziehen sich dann alle auf die gleiche relative Strahldichte 1,0; man sagt, sie gelten für das energiegleiche Spektrum. (Dieser Ausdruck ist zwar historisch bedingt, aber nicht so treffend: erstens

64

Die Spektralwerte

handelt es sich nicht um ,Energie', sondern um Strahlungsleistung, und zweitens kommt darin nicht zum Ausdruck, daß es sich um eine Strahlungsverteilung handelt, bei der in gleich breiten Spektralgebieten im Wellenlängenmaß (Δ λ = = const) gleiche Strahlungsleistung vorhanden ist — für gleich breite Frequenzgebiete trifft das nicht zu.) Man hat also die für die einzelnen Wellenlängen erhaltenen Farbgleichungen auf einheitliche Strahlungsleistung zu reduzieren, d.h. die Farbwerte R{X), Ο {λ), Β (λ) durch 8λ zu dividieren. Dann erhält man für jede Wellenlänge, bei der man die Messung durchgeführt hat, eine Gleichung der Einheitsform f t f ) = r(A)»i + 0 ( A ) @ +5(A) ö

(19)

Diese Werte f(X), g{X), δ (λ) nennt man die Spektralwerte bezüglich des gewählten Primärvalenztripels 91, S3. Sie ergeben drei stetige Kurven nach der Art der Abb. 28, die Spektralwert-Kurven.

Die in Abb. 28 gezeigten Kurven beziehen sich auf drei spektrale Primärvalenzen [91 = 700 nm mit £(700) = 72,096; © = 546,1 nm mit £(546,1) = 1,379; S3 = 435,8 nm mit

V

ί

0,1

0

~0,1

rn

500

600

700 nm

λ.

Abb. 28. Spektralwertkurven, bezogen auf die drei im Text genannten reellen Primärvalenzen 31,

Die Spektralwerte

65

$(435,8) = 1,000], wie sie von der CIE15 im Jahre 1931 bei der Festlegung des „farbmetrischen 2°-Normalbeobachters 1931" primär (s. Kap. 8) verwendet worden sind. Man sieht, daß überall (außer bei den Wellenlängen der spektralen Primärvalenzen und am langwelligen Ende) jeweils ein Spektralwert negativ ist. Das zeigt [gemäß Gl. (4)] an, daß alle diese Farbgleichungen nur durch Anwendung der äußeren Farbmischung eingestellt werden können. Nimmt man keine Spektrallichter als Primärvalenzen, sondern z.B. durch Farbfilter vor einer Glühlampe erzeugte Primärvalenzen, so liefern grundsätzlich alle Spektralfarben Farbgleichungen mit mindestens einem negativen Farbwert, einige sogar mit zweien. Solche Spektralwert-Kurven haben grundsätzliche Bedeutung für das Verständnis des Zusammenhanges zwischen dem physikalischen Farbreiz φ χ und der zugehörigen Farbvalenz Denn jeder Farbreiz kann als Summe einzelner lückenlos aneinander anschließender schmaler Spektralbänder Δ λ verstanden werden, wobei jedem Spektralband eine (relative) spektrale Strahldichte ψχΔλ zukommt. Folglich kann man auch die zugehörige Farbvalenz $ als Summe ( = additive Mischung) der Farbvalenzen f (A) der einzelnen engen Spektralbänder Δ λ mit der jeweiligen relativen Strahldichte ψχΔλ auffassen: % = Σ \{λ) • ψχΔλ-, nach den oben erkannten Rechenregeln findet man aber die Farbwerte einer additiven Mischung als Summe der Farbwerte der Komponenten: i?F —Σφλ · f(A) · Δ λ; Qf = Σφλ · g{X) · Δ λ; Β¥=Σφλ-5(λ)

• Δλ

(20a)

Nimmt man Δ λ hinreichend eng, so kann man statt der Summen die Integrale schreiben: L

L

Rf = f φλ f{X) άλ; 0F=f Κ

L

φλ §{λ) άλ; BF = / φχ 5(λ) άλ (20b) Κ

κ

(Praktisch rechnet man freilich einfach mit den Summen!) 15

CIE ist die Abkürzung für Commission Internationale de VEclairage. Im Komitee Farbmessung dieses Gremiums werden die internationalen Vereinbarungen über die farbmetrischen Grundlagen getroffen.

66

Die Spektralwerte

Die Spektralwertkurven beschreiben also die Fähigkeit unseres Auges, der physikalischen Strahlung, dem Farbreiz φλ, eine Farbvalenz zuzuordnen. Sie sind nach der Natur ihrer Entstehung individuell, dem jeweiligen Beobachter zugehörig. Man könnte sie als spektrale Empfindlichkeitskurven des jeweiligen Auges deuten, wenn sie nicht in ihrer Form von der willkürlichen Wahl der Primärvalenzen abhingen und wenn sie nicht die unvermeidlichen negativen Äste zeigten. Es wird indessen in Kap. 8 gezeigt werden, daß man die Willkürlichkeit der Wahl der Primärvalenzen einschränken kann und auch solche findet, bei denen jene im Negativen verlaufenden Kurventeile verschwinden. So kann man in der Tat die experimentell gefundenen Spektralwertkurven so umformen, daß sie dann als die wahren spektralen Empfindlichkeitskurven der drei in Kap. 4 besprochenen Zapfenarten erscheinen. Zunächst aber liegt die farbmetrische Bedeutung der Spektralwert-Funktionen in der Erkenntnis, daß wir gemäß Gl. (20) mit ihrer Hilfe für jeden durch die Farbreiz-Funktion Ψ χ gegebenen Farbreiz im Primärvalenz-System 93 die Farbwerte seiner Farbvalenz berechnen können, ohne jedesmal die Farbgleichung für seine Farbvalenz durch eine Farbgleichheitseinstellung mühsam bestimmen zu müssen. (Wir kommen in Kap. 15 bei der Besprechung der technischen Meßverfahren noch einmal darauf zurück.) Hat man die Farbwerte der einzelnen spektralen Farbvalenzen bestimmt, so können wir genau so wie für jede andere Farbvalenz die Farbvektoren im Farbenraum angeben. Vor allem aber können wir nun auch die Farbörter der Spektralfarben in der Farbtafel finden. Wir berechnen die Farbwertanteile nach Gl. (17) und tragen mit diesen Werten als Dreieckskoordinaten nach Abb. 25 die Farbörter in die Farbtafel ein. Dort ordnen sich die Farbörter zu einem stetig gekrümmten Kurvenzug, dem Spektralfarbenzug (Abb. 29), der überall nach innen konkav ist und nur im Gebiet der Spektrumsenden geradlinig verläuft. Die beiden Endpunkte Κ und L liegen voneinander entfernt entspre-

Die Spektrahverte

67

,700

L

Abb. 29. Spektralfarbenzug, in einer Farbtafel mit den reellen Primärvalenzen 9ΐ, 93 konstruiert Κ kurzwelliges, L langwelliges Spektrumsende. KL Purpurgerade

chend der Tatsache, daß das kurzwellige Ende (um 400 nm) eine ganz andere Farbe, nämlich Blauviolett, zeigt als das langwellige Endgebiet (um 700 nm), das bekanntlich rot aussieht. Der Spektralfarbenzug ist also nicht geschlossen. Jede Farbvalenz, die wirklich aufzeigbar ist, hat ihren Farbort im Inneren des vom Spektralfarbenzug umschlossenen Gebietes, höchstens aber auf dem Spektralfarbenzug, denn sie m u ß ja durch spektrale Strahlungen erzeugt werden, wenn wir sie wahrnehmen wollen. Daher kann m a n den Spektralfarbenzug durch Verbindung der Farbörter der Spektrumsenden durch eine gerade Linie abschließen, denn es ist höchstens eine additive Mischung der Spektrumsenden als Farbvalenz herstellbar; die Mischung mit einer unsichtbaren Strahlung (die übrigens überhaupt keinen Farbort haben kann!) liefert keine neue Farbvalenz. Die in Abb. 29 gestrichelt eingezeichnete Linie stellt also die Farbörter aller Mischungen aus den Spektrumsenden dar, also von Blauviolett und Hochrot; da dies purpurfarbige Mischungen ergibt, nennt man diese Abschlußgerade die Purpurlinie oder Purpurgerade. 5*

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Virtuelle Farbvalenzen, Norm Valenz-System

Abb. 30. „Farbtüte" der Spektralvalenz-Vektoren, von der Farbtafelebene geschnitten

Die Vektoren der Spektralvalenzen bilden eine zusammenhängende Fläche (Abb. 30). Die Spektralvektoren haben verschiedene Länge entsprechend der von Null an den Spektrumsenden nach der Mitte hin zunehmenden Farbwertsumme. Verlängert man sie bis zum Schnitt mit der Farbtafelebene und ergänzt man sie durch die Vektoren, die nach der Purpurlinie zielen, so entsteht eine Fläche, die einem Kegelmantel ähnelt und die Schrödinger treffend als Farbtüte bezeichnet hat. Innerhalb der von der Farbtüte begrenzten Raumecke ist jedem Vektor eine Farbvalenz zugeordnet, die sich reell durch eine geeignete Strahlungskombination erzeugen läßt. Entsprechend bedeuten alle Punkte, die in der Farbtafel innerhalb der vom Spektralf arbenzug und der Purpurgeraden umschlossenen Fläche liegen, Farbörter reell darstellbarer Farbarten. 8. Virtuelle Farbvalenzen, Normvalenz-System Natürlich läßt sich auch ein beliebiger außen liegender Vektor in Komponenten nach den Richtungen der PrimärvalenzVektoren zerlegen. Mit anderen Worten: Wir können auch

Virtuelle Farbvalenzen, Normvalenz-System

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für eine gedachte, konstruierte Farbvalenz eine Farbgleichung angeben, obwohl diese Farbvalenz (weil ihr Vektor außerhalb der Farbtüte liegt) gar nicht reell aufgezeigt werden kann. Wir nennen solche nur zahlenmäßig konstruierbaren Farbvalenzen virtuell (so wie wir in der Optik ein nach Lage und Größe nur berechenbares, aber nicht auf einer Mattscheibe auffangbares Bild virtuell nennen). Wir können mit virtuellen Farbvalenzen

ebenso rechnen wie mit reellen. Z . B .

können wir eine beliebige reelle Farbe als additive Mischung zweier oder dreier virtueller Farbvalenzen beschreiben. Wir können also als Primärvalenzen (d.h. als Bezugsfarbvalenzen) ebensogut ein Tripel virtueller Farbvalenzen wählen, wie wir reelle nehmen können. Wir müssen nur die Verbindungsgleichungen zwischen einem Satz reeller Primärvalenzen (die wir zum Aufbau des Systems durch wirkliche Herstellung von Farbgleichungen zunächst nicht entbehren können) und den virtuellen Primärvalenzen kennen. Diese Gleichungen können wir ganz willkürlich oder unter Berücksichtigung zusätzlicher Bedingungen aufstellen und können dann alle Farbgleichungen nach den Formeln (10—15) für das neue, virtuelle Primärvalenz-System angeben. Den Vorteil eines solchen Vorgehens, das auf den ersten Blick völlig unnötig und kompliziert erscheint, sehen wir durch folgende Überlegung leicht ein. Betrachten wir in Abb. 29 den Farbort C, so sehen wir, daß die Farbvalenz (5 zu ihrer Nachmischung einen negativen Farbwert Β c benötigt; der Farbwertanteil b c wird also ebenfalls negativ. Gehen wir aber vom System 9t, 33, © zu einem System virtueller Primärvalenzen U, SS, 2S über (Abb. 31), so liegt C jetzt im Inneren des neuen Primärvalenzdreiecks UVW, und mithin sind alle seine Farbwertanteile positiv. Das ist für das praktische Arbeiten von großem Vorteil, denn dann braucht niemand mehr auf das Vorzeichen zu achten. Viel wichtiger ist aber noch der Umstand, daß solche Primärvalenzen U, SS, 2S überall in der Welt in der gleichen Weise benutzt werden können, wenn man sich darauf einmal geeinigt hat. Die reellen Primärvalenzen 5R, 58 hingegen sind durch die experimentellen Hilfsmittel bestimmt, die dem jeweiligen

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Virtuelle Farbvalenzen, Normvalenz-System

Abb. 31. Übergang zu einer Farbtafel mit virtuellen Primärvalenzen XL,

3B

Experimentator gerade zur Hand waren (z.B. durch die Lichtquellen in den Bildwerfern mit den zugehörigen Filtern oder durch das zufällige Farbscheiben-Sortiment beim Farbkreiselversuch). So wie wir die Farbtafel in Abb. 31 angelegt haben, sind II, SS, SB vollkommen willkürlich gewählt worden; ohne besonderen Grund haben wir den neuen virtuellen Primärvalenzen folgende Farbgleichungen zugeordnet: U = + 0,853ΐ - 32,10© + 81,2533 SS = - 29,809t + 92,40© - 12,60® SB = + 84,909t - 8,05© - 26,86® (Die Farbvalenz (£ in Abb. 31 hat dadurch im neuen PrimärvalenzSystem U, SS, SB die Färbwertanteile u = -f 0,137, υ = + 0,468 und mithin w = 0,395 erhalten, also alle drei positiv.)

Es ist klar, daß man die Willkür durch zusätzliche Bedingungen einschränken kann. Z.B. kann man fordern, daßW

Virtuelle Farbvalenzen, Normvalenz-System

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auf der Verlängerung des geradlinigen Astes des Spektralfarbenzuges am langwelligen Ende liegen soll. Ferner kann man vorschreiben, daß die Dreieckseite UV den Spektral farbenzug berühren soll; die Lage von V möge so eingerichtet werden, daß das Dreieck UVW einen möglichst kleinen Flächeninhalt habe. Schließlich kann man für die Lage der Seite UW eine ganz bestimmte Vorschrift treffen. Alle diese Bedingungen sind mit der ursprünglichen Forderung, das Dreieck UVW soll den Spektralfarbenzug samt Purpurlinie umhüllen, durchaus verträglich. In der Tat hat man in der CIE im Jahre 1931 eine solche Abrede getroffen, und seitdem beziehen wir jede Farbvalenz auf ein System von genormten Primärvalenzen, die mit D> Β bezeichnet werden und die (gemäß D I N 5033) die Normvalenzen heißen. In diesem Normvalenzsystem ist also eine Farbvalenz % durch die Farbgleichung (21)

3 = XK3e+ 7 f ? ) + 3 F 3

dargestellt. Meist begnügt man sich mit der Angabe der Normfarb werte Χ, Υ, Z, wie man sie allgemein schreibt. Zur Eintragung des Farbortes in die Normfarbtafel dienen die Normfarbwertanteile, die sich wie in Gl. 17 errechnen: z = X / ( X + Y + Z); ζ = Z/(X

+Y

+ Z)

y=

Y/(X+

Y +

Z); (21a)

wobei ζ höchstens zur Kontrolle mit gerechnet wird, denn es ist ja χ -j- y + ζ = 1· Die Farbtafelform, die sich ergibt, wenn man für das Normvalenz-Dreieck die Form eines rechtwinklig-gleichschenkligen Dreiecks wählt (was eine erlaubte Willkür bedeutet, die heute allgemein üblich ist), ist in Abb. 32 gezeigt. Als Dreieckskoordinaten erscheinen bei dieser Form die Normfarbwertanteile x, y als rechtwinklige Koordinaten, so daß ein Farbort mit Hilfe der kartesischen Koordinaten x, y eingetragen werden kann.

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Virtuelle Farbvalenzen, Normvalenz-System

Farbort der Mittelpunktsfarbart Ε (Unbuntpunkt) und der Plancksche Kurvenzug mit einigen Temperaturangaben. (Bunttafel D im Anhang gibt eine Anschauung über die Verteilung der Farbarten in der Normfarbtafel.)

Für die Wahl der Normvalenzen sind tatsächlich die oben angegebenen Bedingungen aufgestellt worden, wobei als Grundlage Farbmessungen (Spektralwertbestimmungen) genommen worden sind, die von den Engländern Guild und Wright [99; 137] unabhängig voneinander mit 17 Beobachtern durchgeführt worden sind. Die Spektralwertbestimmungen sind dann international als Definition des „farbmetrischen 2°-Normalbeobachters 1931" vereinbart worden [147, Bl. 2; 144]. Sie sind aus den mit den in Kap. 7 erwähnten reellen Primär valenzen gewonnenen SpektralwertKurven (Abb. 28) durch folgende Gleichungen abgeleitet: £ = + 0,41845 91 — 0,09116 © + 0,00092 $ = _ 0,15865 9fi + 0,25242 ® — 0,00255 3 = _ 0,08283 dl + 0,01571 & + 0,17859 $

(22 a)

Virtuelle Farbvalenzen, Normvalenz-System

SR = + 2,7689 X + 1,0000 $ + 0,0000 3 © = + 1,7518 3£ + 4,5907 ?) + 0,0565 3 S3 = + 1,1302 £ + 0,0601 ?) + 5,5943 3

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(22b)

Dabei sind die Einheiten der drei Normvalenzen zueinander so festgelegt worden, daß der F a r b a r t des energiegleichen Spektrums drei gleiche Farbwerte zukommen (-X" = Y = Z), so daß der Farbort Ε dieser Farbart im P u n k t χ = y = ζ — 1/3, also im Schwerpunkt des Dreiecks X Y Z liegt. F ü r die Umrechnung der Farbwerte E, G, Β einer Farbvalenz in die Farbwerte Χ, Γ, Ζ gelten gemäß Gl. (13) die Gleichungen X = + 2,7689 Ε + 1,7518 G + 1,1302 Β Y = + 1,0000 Ε + 4,5907 Q + 0,0601 Β Ζ = + 0,0565 G + 5,5943 Β

(23 a)

Ε = + 0,4185 Χ - 0,1587 Υ - 0,0828 Ζ G = - 0,0912 Χ + 0,2524 Υ + 0,0157 Ζ Β = + 0,0009 Χ - 0,0026 Υ + 0,1786 Ζ

(23 b)

Zur Errechnung der f ü r das Normvalenzsystem gültigen Spektralwertkurven, der Normspektralivertkurven sc (λ), y{X), ζ (λ), dient die gleiche Umrechnungsformel (23 a). Dazu sind f ü r die Farbwerte E, G, Β die Spektralwerte f (λ), Q{?>.), Β(λ) nach Gleichung (19) einzusetzen. Diese Normspektralwertkurven sind in Abb. 33 gezeigt. Da die Zahlenwerte dieser Funktionen f ü r alle praktischen Rechnungen auf dem Gebiet der Farbmetrik gebraucht werden, sind sie im Anhang in Tab. C f ü r Wellenlängenabstände von 5 n m wiedergegeben. Ein Wort ist noch über die Festlegung der Linie X Z zu sagen. Es war oben gesagt worden, daß die Farbtafel-Ebene durch die Punkte gleicher Farbwerte auf den Primärvalenz-Vektoren definiert ist. Nun besitzt aber jede reelle Farbvalenz stets eine endliche Leuchtdichte. Nimmt m a n als FarbwertMaß die Leuchtdichte (was durchaus möglich ist, sich aber als unpraktisch erwiesen hat), so wird eine andere Ebene durch die E n d p u n k t e von Farbvektoren gleicher Leucht-

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Virtuelle Farbvalenzen, Normvalenz-System

V

a» ι-

I

11,0 Je tu

r

§

0,5

0 400

500

600 Κ



nm

700

-

Abb. 33. Normspektralwertkurven χ (λ), y{X), ζ (λ)

dichte definiert. Diese Ebene ist dadurch ausgezeichnet, daß in ihr alle Färb Vektoren der gleichen Leuchtdichte enden. Sie ist (im Sprachgebrauch der Farbmetrik) eine Ebene konstanter Helligkeit. Sie liegt zu jeder anderen Farbtafelebene schief, schneidet sie also in einer geraden Linie. Konstruiert man solche Helligkeitsebenen für eine Reihe gleichabständiger Leuchtdichten (z.B. 1, 2, 3 . . . η LeuchtdichteEinheiten), so entstehen (Abb. 34) in der Farbtafelebene Schnittlinien (Spuren), die untereinander parallel sind (weil die Helligkeitsebenen untereinander parallel sind) und wegen der Linearität der Leuchtdichtebewertung in gleichen Abständen verlaufen. So kann man dann auch leicht die Spur der Helligkeitsebene für die Leuchtdichte 0, die AlychnenEbene, durch Extrapolation finden (Alychne = die Lichtlose). Diese Ebene verläuft zwar außerhalb des Raumes der reellen Farben, weil jede reelle Farbvalenz auch eine von Null verschiedene Leuchtdichte hat. Aber ihre Lage ist durch die anderen Helligkeitsebenen und durch die Tatsache, daß sie den Schwarzpunkt enthalten muß, eindeutig definiert. Sie liefert in der Farbtafel eine Spur, die Alychnen-Oerade, die das Gebiet der reellen Farbarten nicht schneidet.

Virtuelle Farbvalenzen, Normvalenz-System

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Abb. 34. Farbenraum mit Farbtafelebene und Ebenen konstanter Leuchtdichte (Isolychnen). Diese schneiden die Farbtafelebene in parallelen Spuren. Die durch den Schwarzpunkt gehende Ebene ist die Alychne (L' = relative Leuchtdichte)

Man hat nun festgelegt, daß die Normvalenzen £ und 3 i n der Alychnen-Ebene liegen sollen. Damit liegen die Farbörter X und Ζ in der Farbtafel auf der Alychnen-Geraden. Mit dieser Maßnahme hat man erreicht, daß die Komponenten 3£ und 3 keinen Beitrag zur Leuchtdichte der zu kennzeichnenden Farbvalenz liefern, so daß der Normfarbwert Y (und nur dieser) proportional zur Leuchtdichte L der Farbvalenz ist. Das vereinfacht die praktische Rechnung sehr, da man diesen Wert sonst (als zusätzliche Information oft benötigt) nach dem Abneyschen Gesetz berechnen müßte: L = L%R + LaG + LbB

(24)

Dies ist einfach der Ausdruck dafür, daß jeder Farbwert einer Primärvalenz einen Beitrag zur Gesamtleuchtdichte der Farbvalenz liefert, und zwar proportional zur Größe des Farbwertes. Der jeweilige Proportionalitätsfaktor ist die Leuchtdichte des Einheitsbetrages der betreffenden Primär-

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Virtuelle Farbvalenzen, Normvalenz-System

valenz; er wird Leuchtdichte-Beiwert genannt. Im Normvalenzsystem sind die Leuchtdichte-Beiwerte Lx = 0; LY = 1; Lz = 0. Diese Wahl ist ein Merkmal des Systems und macht dessen Gebrauch besonders bequem. Die Anwendung des Abneyschen übrigens

Gesetzes auf Spektrallichter ergibt

F(A) = Lj> ρ{λ) + Lo d{X) + Lr^t (λ)

(25)

Die in Kap. 4 behandelte relative spektrale HellempfindlichkeitsFunktion V(X) erweist sich also als eine dreigliedrige Summenfunktion, der keine einheitliche physiologische Realität zukommt, mit der aber in der Photometrie und Lichttechnik, wo es nur auf den Helligkeitseindruck ankommt, nicht auf die Farbe, operiert werden darf. — Da im Norm valenz-System, wie erwähnt, = L z = 0 und Σγ = 1 sind, gilt hier V W = y{k)

(26)

Im Sinne des schon durch Gleichung (20 b) Gesagten kann man mit Hilfe der Normspektralwertkurven χ{λ), ν{λ), ζ(λ) aus den physikalischen Daten des Farbreizes φ λ die Normfarbwerte Χ, Υ, Ζ direkt berechnen, ohne auf die (wegen der virtuellen Normvalenzen unmittelbar gar nicht möglichen) Farbgleichheitseinstellungen für die einzelnen Farben zurückgreifen zu müssen: X = k· f οο ©

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