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Sebastian Scharff
Eid und Außenpolitik Studien zur religiösen Fundierung der Akzeptanz zwischenstaatlicher Vereinbarungen im vorrömischen Griechenland
Alte Geschichte Franz Steiner Verlag
Historia – Einzelschriften 241
Sebastian Scharff Eid und Außenpolitik
historia
Zeitschrift für Alte Geschichte | Revue d’histoire ancienne |
Journal of Ancient History | Rivista di storia antica
einzelschriften
Herausgegeben von Kai Brodersen, Erfurt |
Mortimer Chambers, Los Angeles | Mischa Meier, Tübingen | Bernhard Linke, Bochum | Walter Scheidel, Stanford Band 241
Sebastian Scharff
Eid und Außenpolitik Studien zur religiösen Fundierung der Akzeptanz zwischenstaatlicher Vereinbarungen im vorrömischen Griechenland
Franz Steiner Verlag
Umschlagabbildung: Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2016 Druck: Offsetdruck Bokor, Bad Tölz Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-11203-1 (Print) ISBN 978-3-515-11207-9 (E-Book)
INHALTSVERZEICHNIS Vorwort ............................................................................................9 I.
EINLEITUNG ...............................................................................11
I.1.
I.3.
Οἱ θεῶν ὅρκοι. Forschungskontext, Gegenstand und Fragestellung der Untersuchung .............................................11 Von leichtfertigen, aufgeklärten, machthungrigen und flexiblen Griechen. Vier Perspektiven der altertumswissenschaftlichen Eidesforschung ................................18 Die Sprache der Eide und der Diplomaten. Methodik und Grobgliederung der Untersuchung .........................................22
II.
ΔΙOΣ OΡΚΙΑ. VERTRAGSEIDE IN DER HOMERISCHEN WELT – EIN CHRONOLOGISCHES VORSPIEL ......................27
II.1. II.2. II.3. II.3.1. II.3.2. II.4. II.5. II.6.
Homerische Fragen ........................................................................27 Ein frühes Verfahren von Bündnisschluss und Streitbeilegung: das Eidritual ...................................................................................28 Religiöse Vorstellungen hinter dem Vertragseid ............................36 Die besondere Verbindung zwischen Zeus und Eiden...................36 Die Erinnyen als Rächerinnen des Eidbruchs................................38 Frühe Probleme mit der Bindekraft von Eiden ..............................39 Der Eid als Mittel interpersonaler Diplomatie ..............................43 Zwischenzusammenfassung ..........................................................44
III.
DAS KONZEPT DER GÖTTLICHEN VERGELTUNG ALS RELIGIÖSES FUNDAMENT GRIECHISCHER EIDE......46
III.1. III.2. III.3.
Zeus Horkios als Rächer des Eidbruchs ........................................46 Erinnyen, Praxidikai und der ‚Sohn des Eides‘ als strafende Mächte ...........................................................................................49 Das Eidritual als Inszenierung der ‚Unwiederbringlichkeit‘ und des ‚prägenden Schreckens‘ ...................................................58
I.2.
6 IV. IV.1. IV.1.1. IV.1.2. IV.1.2.1. IV.1.2.2. IV.1.2.3. IV.1.3. IV.1.4.
Inhaltsverzeichnis
EMPIRISCHER TEIL. ‚GLEICHE‘ UND ‚UNGLEICHE‘ EIDE: VERTRAGSEIDE AUS CHRONOLOGISCHER, GEOGRAPHISCHER UND TYPOLOGISCHER PERSPEKTIVE .............................................................................65
Vertragseide in archaischer und klassischer Zeit ...........................68 Der Amphiktyoneneid....................................................................68 Die antipersischen Eide .................................................................77 Die eidliche Bekräftigung des Hellenenbundes.............................77 Der ‚Eid von Plataiai‘ ....................................................................79 Die Besicherung des Delisch-Attischen Seebundes ......................88 Elische Vertragseide und das Zeusheiligtum von Olympia ...........93 Attische Vertragseide aus der Zeit der beiden Seebünde: Religion und Herrschaft...............................................................102 IV.1.4.1. Eid und Religion. Die religiöse Absicherung ‚erzwungener Eide‘ im Delisch-Attischen Seebund ...........................................104 IV.1.4.2. Eid und Herrschaft. Die ‚ungleichen Eide‘ aus der Zeit des Ersten Seebundes als politisches Herrschaftsinstrument der Athener ..................................................................................108 IV.1.4.3. Der Vertrag mit den Korkyraiern – ein Paradigma für die Verträge aus der Zeit des Zweiten Seebundes ..................112 IV.1.4.4. Zwischenzusammenfassung ........................................................117 IV.2. Hellenistische Vertragseide..........................................................118 IV.2.1. Kretische Vertragseide .................................................................118 IV.2.2. „Daher halte ich es für gut, dass ihr schwört den Eid, den wir geschickt haben.“ Hellenistische Vertragseide unter Beteiligung griechischer Alleinherrscher ...........................129 IV.2.2.1. Alleinherrscher und Söldner ........................................................131 IV.2.2.1.1. Eupolemos und die Theangeleer..................................................131 IV.2.2.1.2. Ptolemaios I. und die Iaseer .........................................................137 IV.2.2.1.3. Eumenes I. und seine Söldner......................................................142 IV.2.2.2. Alleinherrscher und griechische Poleis .......................................151 IV.2.2.2.1. Lysimachos und die Messenier ....................................................154 IV.2.2.2.2. Seleukidische Vertragseide ..........................................................156 IV.2.2.2.3. Eide von Alleinherrschern vom Rande der griechischen Staatenwelt...................................................................................158 IV.2.2.3. Hellenistische Könige als Begründer multilateraler Friedensordnungen. Der Vorbildcharakter des Gründungseides des Korinthischen Bundes ................................162 IV.2.3. Hellenistische Vertragseide zwischen griechischen Poleis ..........166 IV.2.3.1. Vertragseide unter Bewahrung der territorialen Unabhängigkeit der Vertragspartner. ...........................................166 IV.2.3.2. Sympolitie- und Bürgereide.........................................................168 IV.2.3.2.1. Eid und Stasis: Amnestieeide ......................................................169 IV.2.3.2.1.1. Die ‚Amnestie der Dikaiopoliten‘ ...............................................171
Inhaltsverzeichnis
7
IV.2.3.2.1.2. IV.2.3.2.2. IV.2.3.2.3. IV.2.3.2.3.1. IV.2.3.2.3.2. IV.2.3.2.3.3. IV.2.3.2.3.4. IV.2.3.2.3.5. IV.2.3.2.3.6. IV.2.3.2.3.7. IV.2.4. IV.2.5.
Der ‚Bürgereid der Telier‘ ...........................................................178 Typische Merkmale des Formulars von Amnestie- und Bürgereiden...........................................................................182 Sympolitieeide .............................................................................184 Orchomenos und Euaimon ..........................................................185 Herakleia am Latmos und Pidasa ................................................187 Teos und Kyrbissos ......................................................................190 Smyrna und Magnesia am Sipylos ..............................................195 Kos und Kalymna ........................................................................199 Milet und Pidasa ..........................................................................202 Zwischenzusammenfassung ........................................................205 Hellenistische Vertragseide unter Beteiligung griechischer Bundesstaaten ..............................................................................206 Vereinheitlichung und Standardisierung in den hellenistischen Schwurgötterlisten – ein Zwischenergebnis ................................209
V.
DER EID ALS ARGUMENT IN DER ZWISCHEN STAATLICHEN KOMMUNIKATION.......................................214
V.1. V.2. V.3.
Religiöse Argumente in der zwischenstaatlichen Kommunikation und das Prinzip der ‚überbietenden Vergeltung‘...............214 War der Eid ein ‚religiöses Argument‘? Definitionen, Fragestellung und Gegenstand des Kapitels ................................222 Der Eid als Argument an den besonders betonten Stellen einer Rede ....................................................................................225 Eidargumente in verschiedenen Gattungsdiskursen ....................231 Unterschiedliche Spielarten von Eidargumenten in den Reden der Historiographie ................................................231 Das Konzept der göttlichen Vergeltung (Typ I) ...........................231 Die Schwurgötter als Chiffre (Typ II)..........................................237 Alte Eide (Typ III) .......................................................................239 Die gemeinsame Eidesleistung (Typ IV) .....................................242 Die Größe und Bedeutung eines Eides (Typ V) ..........................243 κατὰ τοὺς ὅρκους – παρὰ τοὺς ὅρκους. Der Eid als Richtschnur für das Handeln (Typ VI) ...................................244 Informelle Eide (Typ VII) ............................................................246 Der Eid als Argument in der Rhetorik. Eine Gegenprobe ...........249 Das Eidargument im Kontext: das spartanische Strafgericht über Plataiai .................................................................................253 „Only the usual things“? Zum Verhältnis von Häufigkeit und Relevanz des Eidarguments ..................................................258
V.4. V.4.1. V.4.1.1. V.4.1.2. V.4.1.3. V.4.1.4. V.4.1.5. V.4.1.6. V.4.1.7. V.4.2. V.5. V.6.
8
Inhaltsverzeichnis
VI.
VERTRAGSEIDE ZWISCHEN GRIECHEN UND NICHTGRIECHEN ...........................................................263
VI.1. VI.2. VI.3.
Die Wahl der Opfertiere...............................................................264 Die Wahl der Schwurgötter..........................................................269 Zu dem Ausmaß gegenseitigen Vertrauens bei Vertragseiden zwischen Griechen und Nichtgriechen ........................................282
VII.
RESÜMEE...................................................................................294
VIII.
APPENDICES .............................................................................301
Appendix I: Der Vertrag der Eleuthernaier und Rhaukier ...........301 Appendix II: Die ‚Amnestie der Dikaiopoliten‘ – Text und Übersetzung .................................................................................305 Appendix III: Ephebeneide ..........................................................311
IX.
TABELLEN .................................................................................317
Tabelle I: Schwurgottheiten in griechischen Staatsverträgen ......317 Tabelle II: Häufige Klauseln in Bürger- und Sympolitieeiden ....323 Tabelle III: Übersicht zu den im Eid Hannibals (Pol. VII 9) angerufenen Gottheiten................................................................327
X.
BIBLIOGRAPHIE.......................................................................328
X.1. X.2.
Quellenübersetzungen .................................................................328 Sekundärliteratur .........................................................................329
XI.
INDICES .....................................................................................367
XI.1. XI.2.
Index locorum ..............................................................................367 Allgemeiner Index .......................................................................375
XII.
TAFELN ......................................................................................387
VORWORT Bei der vorgelegten Untersuchung handelt es sich um die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im Dezember 2012 von der Prüfungskommission der Philosophischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster angenommen wurde. Später erschienene Arbeiten wurden so weit wie möglich eingearbeitet. Es bleibt die angenehme Pflicht, denjenigen den gebührenden Dank abzustatten, die zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben. An erster Stelle ist mein Doktorvater Peter Funke zu nennen, der stets ein offenes Ohr für die Fragen seines Doktoranden hatte und das Thema der Arbeit mit angeregt hat, die größtenteils als eigenständiges Teilprojekt innerhalb des Projektes C2 „Parteiische Götter – konkurrierende Götter. Die Rolle von Kulten und Heiligtümern in antiken Staatsverträgen“ des Münsteraner Exzellenzclusters „Religion und Politik“ entstanden ist. Die offene und wissenschaftlich anregende Atmosphäre an seinem Lehrstuhl wird mir immer als beispielgebend vor Augen stehen. Klaus Zimmermann (Münster) danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens, Christian Mann (Mannheim) dafür, dass er mir den Freiraum gewährt hat, die Überarbeitung dieser Untersuchung trotz neuer Verpflichtungen in Mannheim fertigzustellen. Die anonymen Gutachter der Historia-Einzelschriften haben hilfreiche Denkanstöße geliefert. Ihnen wie den Her ausgebern der Einzelschriften, insbesondere Kai Brodersen (Erfurt), bin ich für die Aufnahme in die Reihe zu Dank verpflichtet. Einzelne Aspekte der Arbeit konnte ich mit Hans Beck (McGill), Angelos Chaniotis (Princeton) und Kurt Raaflaub (Providence) diskutieren. Matthias Haake, Michael Jung und Katharina Knäpper (alle Münster) haben verschiedene Kapitel gelesen und wertvolle Hinweise beigesteuert. Kay Zenker (Münster) danke ich für den interdisziplinären, Katarina Nebelin (Rostock) für den fachinternen ‚Brückenaustausch‘. Unnötig zu erwähnen, dass alle verbliebenen Fehler ausschließlich meine eigenen sind. Mein größter Dank aber gilt meiner Frau Anne-Katrin Scharff, die nicht nur die Mühen mehrfachen Korrekturlesens auf sich genommen und dabei so manche Stilblüte beseitigt hat, sondern mir zusammen mit meiner Tochter Elisabeth immer zugleich Stütze und Ansporn war und ist. Gewidmet sei dieses Buch meiner Mutter Inge Scharff und dem Andenken meines Vaters Alexander Scharff, der mich mit seinen Geschichten als erster für die Geschichte begeistert hat.
I. EINLEITUNG „There is need for a study of diplomatic oaths.“ (Pritchett [1974], 56, Anm. 101).
I.1. ΟI ΘΕῶΝ OΡΚΟΙ. FORSCHUNGSKONTEXT, GEGENSTAND UND FRAGESTELLUNG DER UNTERSUCHUNG „Sehr fruchtbar, aber noch keineswegs umfassend ausgeführt, sind Forschungsansätze zur sakralen Dimension von Außenpolitik. (…) Auf diesem Feld besteht noch Forschungsbedarf.“1 Mit diesen Worten weist Ernst Baltrusch in einer aktuellen Überblicksdarstellung zu Außenpolitik2 und zwischenstaatlichen Beziehungen3 in 1
2
3
Baltrusch (2008), 82; s. auch 106 f. In dieselbe Richtung deutet indirekt schon Mosley (1979), 210 in seinem vor über 30 Jahren verfassten Forschungsüberblick „zur Diplomatie im Klassischen Griechenland“, in dem er ausdrücklich auf die Bedeutung der Religion für die zwischenstaatlichen Beziehungen verweist, ohne dabei bereits existierende Untersuchungen anzuführen. Der Begriff der ‚Außenpolitik‘ ist in seiner Anwendbarkeit auf die antiken Verhältnisse umstritten. Er wird gleichwohl im Folgenden – nicht zuletzt aus forschungspraktischen Gründen – durchgehend verwendet. Zwar mangelt es der Begrifflichkeit an einer originären Entsprechung in der antiken Terminologie (vgl. Baltrusch [2008], 1, 3; anders Koehn [2007], 10, Anm. 3), auch ist sie inhaltlich in der Hinsicht problematisch, dass eine institutionelle Ausdifferenzierung in einzelne Politressorts noch nicht stattgefunden hatte, dass das Äußere noch keinen in sich abgeschlossener Politikbereich mit eigenem Personal wie Außenminister oder Botschafter darstellte (vgl. zur Verquickung von Außen- und Innenpolitik exemplarisch Funke [1980]) und „eine ständige diplomatische Repräsentanz eines Staates in einem anderen“ (Gizewski [1997], 683 f.) noch nicht vorhanden war. Dennoch gab es eine Vorstellung von einem ‚Außen‘ im Gegensatz zu einem ‚Innen‘, wie etwa Plat. polit. 307e, Pol. V 34,2–5 und Dion. Hal. ant. I 8 bezeugen; v. a. aber existierten de facto auswärtige Beziehungen zwischen den griechischen Mächten: Sie führten nicht nur miteinander Krieg, sondern schickten und empfingen Gesandtschaften, stellten gegenseitig proxenoi und schlossen untereinander wie mit auswärtigen Mächten Verträge. Auch der Terminus der ‚zwischenstaatlichen Beziehungen‘ ist für die Antike aufgrund des in ihm enthaltenen Staatsbegriffs in Zweifel gezogen worden: vgl. Winterling (1995), 316, der in Anlehnung an Meier (1969), 372 und Manicas (1982), 677 stattdessen den Begriff „interpolitische Beziehungen“ vorschlägt. Dies kann allerdings nicht überzeugen, „da er (sc. der Begriff ‚interpolitisch‘) auf die Beziehungen außerhalb des griechischen Raumes und der klassischen Epoche“ aufgrund seiner Fixierung auf den Polisbegriff „keine Anwendung finden kann“, wie Baltrusch (2008), 2 mit Recht kritisiert. Der Terminus ist zudem wenig zweckmäßig, da er von dem Alltagsverständnis des in ihm enthaltenen Adjektivs ‚politisch‘ abweicht. Vgl. zur Anwendbarkeit des Staatsbegriffes auf die Antike ferner Walter (1998). Vermieden wird in dieser Untersuchung der falsche Assoziationen weckende Terminus der ‚internationalen Beziehungen‘, da dieser eine Spezifizierung des Staatsbegriffs beinhaltet, „die gänzlich außerhalb antiker Denkweise steht“ (Baltrusch [2008], 2).
12
I. Einleitung
der griechisch-römischen Antike auf eine Forschungslücke hin. Eine detaillierte Studie über den Zusammenhang von Kult und Religion auf der einen und Außenpolitik auf der anderen Seite stellt für den Bereich der griechischen Geschichte tatsächlich ein Desiderat der Forschung dar.4 Beide Gegenstände sind zwar jeweils für sich genommen recht gut erforscht,5 es ist aber bisher noch nicht unternommen worden, sie zusammenzuführen und dabei dezidiert nach der Bedeutung der Religion6 für die zwischenstaatlichen Beziehungen innerhalb der griechischen Poliswelt zu fragen.7 Die vorliegende Studie mag dazu beitragen, diese Lücke zu schließen, indem sie sich einem spezifischen Fallbeispiel zuwendet, bei dem beide Themenbereiche besonders virulent überlappen. Es handelt sich um die in der Antike weit verbreitete Sitte, den Abschluss eines Vertrags durch die Leistung eines Eides zu bekräftigen, zu dessen Absicherung bestimmte Schwurgötter angerufen wurden.8 Gegenstand der Untersuchung ist dabei mit dem Vertragseid ein ganz bestimmter Eidtyp. In der griechischen Antike existierten sehr verschiedene Kontexte, in denen die Leistung eines Schwures als notwendig angesehen wurde und die von der Vereidigung neuer Polisbeamter, über den Parteieneid vor Gericht bis zum Treueeid gegenüber einem Herrscher reichten. Die altertumswissenschaftliche Forschung hat diese Schwüre in der Regel auf drei Typen reduziert und mit Lykurg. 79 den po4 5
6
7 8
Vgl. etwa Baltrusch (2008), 82, 106–110. Zur griechischen Religion von der archaischen bis zur hellenistischen Zeit vgl. nur Nilsson (31967), (31974), 1–309, Burkert (1985), Bremmer (1994), Bruit Zaidman – Schmitt Pantel (³1999), Sourvinou-Inwood (2000a), (2000b), Burkert (²2011) und Kindt (2012); zu Außenpolitik und zwischenstaatlichen Beziehungen innerhalb der griechischen Staatenwelt s. Phillipson (1911), Martin (1940), Kienast (1973), Adcock – Mosley (1975), Bederman (2001), Giovannini (2007), Hall (2007), Low (2007) und Baltrusch (2008). Auch die Anwendbarkeit des Religionsbegriffs ist in Bezug auf die Antike aufgrund einer „Prädominanz ritueller Akte gegenüber Glaubensinhalten“ (Freitag – Funke – Haake [2006], 9) infrage gestellt worden. Statt von ‚Religion‘ müsse man eigentlich von ‚Kult‘ sprechen, da die Dogmatik einer Religion genauso wenig eine Rolle spiele wie das, was der Einzelne ‚glaubte‘. Begriffe wie ‚Innerlichkeit‘ oder ‚individuelle Frömmigkeit‘ seien daher als Kategorien der Beschreibung griechischer Religiosität ungeeignet (zu gleichwohl möglichen „Loyalitätskonflikten“ bei der Auswahl der jeweils zuständigen Gottheit s. Gladigow [1990]). Die zentrale Funktion antiker Religion ist tatsächlich unzweifelhaft eine gemeinschafts- oder identitätsstiftende. Kult und Religion waren, in den Worten von Bremmer (1994), 2, „totally embedded in society“. Dennoch muss man deshalb den Begriff der ‚Religion‘ nicht vollständig aus der Beschreibung antiker Verhältnisse verbannen: Dass mit dem Kult(ischen) ein Bereich der Religion in der Antike vorherrschend ist, bedeutet nicht, dass es in der Antike keine ‚Religion‘ gegeben habe. Der Oberbegriff der ‚Religion‘ wird ja nicht einfach obsolet, wenn nicht alle Elemente, die unter ihm theoretisch subsumierbar wären, gleichzeitig vorkommen. Die Verbindung von Religion und Krieg haben untersucht Popp (1957), Lonis (1979) und Pritchett (1979). Diese Sitte brach auch nach dem Ende der Antike nicht ab und lässt sich bis ins späte 18. Jahrhundert nachverfolgen. Das chronologisch letzte, dem Verfasser bekannte Beispiel für einen Staatsvertrag, zu dessen Absicherung ein Schwur geleistet wurde, stellt der französischschweizerische Bündnisvertrag von 1777 dar, der feierlich in der Ursenkathedrale von Solothurn beschworen wurde (die Bestimmung über die Eidesleistung ist in Art. XXI der „BundsArtickeln. Entzwischen der Krone Frankreich, und der Löbl. Eydgnoßschaft“ festgehalten; vgl. Parry [1969], 263–276). S. dazu auch Wheeler (1984), 253, Anm. 5.
I.1. Οἱ θεῶν ὅρκοι. Forschungskontext, Gegenstand und Fragestellung
13
litischen neben den Gerichts- und Privateid gestellt.9 Das Phänomen stellt sich bei genauerer Betrachtung allerdings noch wesentlich vielfältiger dar. So lassen sich die drei genannten Typen alle in verschiedene Untergattungen einteilen, von denen die Gerichtseide besonders zahlreich sind. Der Vertragseid bildet eine Untergattung des ersten Typs und ist mit dem Beamten- und Bürgereid dahingehend verwandt, dass er seine Wirkung im politischen Feld entfaltet.10 Griechische Eide lassen sich damit primär nach dem Bereich oder Sektor unterscheiden, in dem die Eidesleistung erfolgte. Dies impliziert gelegentlich allerdings auch eine Aussage über ihren Formalitätsgrad: So sind Privateide in der Regel informelle Eide, die – etwa in der Form eines ‚beim Zeus‘ (μὰ Δία) – unvermittelt in eine Rede eingeschoben, nicht zwangsläufig mehr bedeuteten als ein rhetorisches Mittel des Sprechers, Redners oder Autors. Eine insbesondere in der Rechtswissenschaft übliche, moderne Klassifikation von Eiden, die am römischen Recht entwickelt worden ist,11 trennt dagegen nach der sprachlichen Form des Eides: Während eine Bekräftigung einer in der Vergangenheit unternommenen Handlung als ‚assertorischer‘ Eid bezeichnet wird, firmiert ein Versprechen für die Zukunft als ‚promissorischer‘ Eid. Vertragseide sind anders als etwa Zeugeneide vor Gericht in der Antike immer promissorische Eide.12 Dies gilt aber auch für Beamteneide, die zu Beginn eines Amtsjahres geleistet wurden. Die streng juristischen Kriterien sind daher nicht geeignet, zu einer näheren Eingrenzung des Gegenstandes beizutragen. Hilfreicher ist eine Differenzierung, die ausdrücklich danach fragt, wer durch den Eid jeweils gebunden werden sollte. Hier liegt der entscheidende Unterschied zwischen Vertragseiden und allen anderen genannten Schwurtypen: Allein Vertragseide verpflichten nicht bloß Einzelne, sondern ganze Kollektive.13 Es geht somit um Eide, die nicht nur in einem außenpolitischen Kontext geleistet wurden, sondern die v. a. nicht individuell gedacht sind. Man kann Vertragseide daher als diejenigen Schwüre definieren, die ein Versprechen für die Zukunft beinhalten, sich in einem zwischenstaatlichen Kontext finden und ganze Kollektive verpflichten. 9
Bei Lykurg. 79 heißt es: τρία γάρ ἐστιν ἐξ ὧν ἡ πολιτεία συνέστηκεν, ὁ ἄρχων, ὁ δικαστής, ὁ ἰδιώτης. τούτων τοίνυν ἕκαστος ταύτην πίστιν δίδωσιν. Er unterscheidet damit streng genommen den Beamten-, Richter- und Privateid. Vgl. zu dieser Dreiteilung etwa Ziebarth (1905), 2079–2083 und Plescia (1970), der diese Dreiteilung der Gliederung seiner Arbeit zugrundelegt: 15–24 (Vertragseid), 24–31 (Beamteneid), 32–57 (Gerichtseid) und 58–74 (wieder Vertragseid). 10 Es steht hier somit wie bei Paolo Prodis 1992 veröffentlichter instruktiver Studie zur Institutionengeschichte des politischen Eides in der Neuzeit die politische Valenz des Eides im Mittelpunkt. Der Begriff des „politischen Eides“ bildet auch den Fokus der einflussreichen Untersuchung von Friesenhahn (1928), bes. 13–17. 11 Vgl. etwa Friesenhahn (1928), 18–22, Dilcher (1971), 866, Friesenhahn – Gründel – Peters (71986). 12 Daneben wird für Gerichtseide gelegentlich auch ein dritter oder gar vierter Eidtyp unterschieden. Vgl. zu diesen Hirzel (1902), 1–7 und Plescia (1970), 13 f. („declatory“ bzw. „decisory“). 13 Plut. q. Rom. 44 kann vom Eidbruch daher als einer „öffentlichen Gefahr“ (κοινὸς ὁ τῆς ἐπιορκίας κίνδυνος) sprechen: Der Meineidige bedroht durch sein Handeln nach griechischer Vorstellung eben nicht nur sich selbst, sondern die gesamte Bürgerschaft.
14
I. Einleitung
Die Verpflichtung wird dabei ganz selbstverständlich auch gegenüber den Göttern eingegangen, die in der Antike immer Teil der Definition von Eiden sind. So konnten Schwüre geradezu als οἱ θεῶν ὅρκοι14 apostrophiert werden; oder, wie es in den Worten der pseudo-aristotelischen Rhetorik an Alexander heißt: „Ein Eid ist eine Bekräftigung ohne Beweiskraft, begleitet von einem Anruf der Götter.“15 Die Anrufung von Schwurgottheiten ist damit conditio sine qua non eines jeden griechischen Eides – das wird zumindest bei Vertragseiden auch durchgehalten.16 Dasselbe gilt, sofern man die informellen Eide einmal beiseite lässt, auch für die Fluch- und Segensformel, die in keinem offiziellen Eid von einer gewissen politischen oder rechtlichen Relevanz fehlen durfte.17 Götteranruf und Fluchformel stellten damit konstitutive Elemente eines griechischen Eides dar.18 Auf diese Weise lassen sich Eide auch von bloßen Versprechen abgrenzen, da letzteren die religiöse Fundierung fehlte.19 Alle griechischen Eide waren – mit Ausnahme der informellen – nach demselben Bauprinzip zusammengesetzt: Auf die invocatio der Götter folgte der Eidestext, der immer in der ersten Person, in den meisten Fällen der ersten Person Singular, gehalten war. Den Abschluss bildete die Exsekrations- und Segensformel, die eine bedingte Selbstverfluchung des Schwörenden für den Fall der Übertretung des Eides darstellte, die auch auf kommende Geschlechter ausgedehnt werden konnte.20 Begleitet wurde der derart strukturierte Sprechakt der Eidesleistung zumindest bei
14 Xen. an. II 5,7 (Hervorhebung v. Verf.). 15 Rhet. Alex. 17,1: ὅρκος δ᾽ἐστὶ μετὰ θείας παραλήψεως φάσις ἀναπόδεικτος. 16 Zwar können die Eidgottheiten im privaten Raum gelegentlich durch einen für den Schwörenden besonders wertvollen Gegenstand ersetzt oder ergänzt werden (vgl. hierzu ausführlich Hirzel [1902], 11–22, der dieses Phänomen mit dem griechischen Begriff der αἰδώς zu erklären versucht); allerdings stand in diesen Fällen immer die Vorstellung dahinter, dass den angerufenen Gegenständen – wie etwa dem ‚Szepter des Agamemnon‘ oder dem ‚Herd des Odysseus‘, bei dem die homerischen Helden gelegentlich schwören – eine übermenschliche Kraft oder Bedeutung innewohnte. Der Gegenstand wird jedenfalls ganz wie eine Schwurgottheit angerufen. 17 Ausdrücklich bezeugt wird dies von Plut. q. Rom. 44: πᾶς ὅρκος εἰς κατάραν τελευτᾷ τῆς ἐπιορκίας – „jeder Eid endet mit einem Fluch gegen Meineid.“ Man beachte auch, dass das griechische Adjektiv ἐναγής sowohl die Bedeutung ‚fluchbeladen‘ annehmen als auch ‚eidgebunden‘ heißen konnte. 18 Dies hebt auch Fletcher (2012), 2 f. hervor, die definiert: „an oath is a promise guaranteed by invoking the gods and offering an implicit or explicit conditional self-curse.“ 19 Vgl. Plescia (1970), 59 und bes. Hornblower (2007), 46: „(…) the weaker and non-religious word ὑποσχόμενοι, ‘promising’ (…).“ Allerdings existiert mit den inschriftlich überlieferten Amtseiden amphiktyonischer Beamter (Syll.³ 145) ein singuläres Zeugnis, in dem ein Eid nicht „geschworen“, sondern „versprochen“ wird. Dort heißt es in Z. 8: [οὕτως ποὶ] / τ[ο̑] Ἀπόλλωνος τοῦ Π[υ]θίου καὶ τᾶς Λατο̑ς καὶ τᾶς Ἀρτάμι[τος ὑπίσχομαι, und in Z. 11 f. liest man: οὕτως ὑπί̣σχ[ο]μα̣[ι ποὶ το̑ Ἀππόλωνος το̑ Πυθίο καὶ τᾶς Λα]το̣̑ς̣ καὶ τᾶς Ἀρτάμιτος. Im zwischenstaatlichen Bereich findet sich eine derartige Ausdrucksweise aber nirgends. 20 Vgl. zu den einzelnen Strukturelementen griechischer Eide Plescia (1970), 1–13, Giovannini (2007), 232–235 und Fletcher (2012), 2–11.
I.1. Οἱ θεῶν ὅρκοι. Forschungskontext, Gegenstand und Fragestellung
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allen Vertragseiden von unterschiedlichen Schwurritualen, zu denen in vielen Fällen Trankspende und Tieropfer gehörten.21 Vertragseide stellen damit einen besonders günstigen Untersuchungsgegenstand für die übergeordnete Fragestellung nach der Rolle von Kult und Religion in den zwischenstaatlichen Beziehungen dar, da sie schon per definitionem immer einen Bezug auf die sakrale Ebene beinhalteten. Sie wurden regelmäßig über einen längeren Zeitraum geleistet und kamen in einem zentralen Bereich zwischenstaatlicher Politik, dem Vertrags- und Bündniswesen, zum Einsatz. Zudem steht die grundsätzliche Bedeutung des Eides als einem wichtigen Fundament sozialer Beziehungen in der griechischen Antike außer Frage.22 Sie wird von den antiken Quellen immer wieder hervorgehoben und auch von der modernen Forschung nicht in Zweifel gezogen.23 Allerdings betonen die antiken Quellen dabei regelmäßig den Zusammenhang zwischen Eidestreue und Staatswohlfahrt in einem ausdrücklich innenpolitischen Kontext. So heißt es in einem berühmten Chorlied aus der Antigone des Sophokles in Bezug auf das Verhalten eines idealtypischen und hochangesehenen Bürgers (ὑψίπολις), der mit einem ἄπολις, einem vaterlandslosen Gesellen und schlechten Politen, kontrastiert wird: Wer seines Lands Satzung ehrt und Götterrecht schwurgeweiht, gilt im Staate.24
Ein guter Bürger muss demnach sowohl die althergebrachten Satzungen der Polis (νόμοι) als auch das göttliche Recht (θεῶν δίκα) in Ehren halten. Letzteres ist gerade durch die Institution des Eides (ἔνορκος) religiös fundiert. Dem Eid wird damit eine zentrale Rolle nicht nur für den Status des einzelnen, sondern auch für das Funktionieren des gesamten Gemeinwesens zugeschrieben. 21 Solche Schwurzeremonien wurden auch bei besonders wichtigen Gerichtseiden – so etwa bei Mordprozessen im Areopag (Demosth. or. 23, 68) – und bei zahlreichen Beamteneiden durchgeführt. Vgl. Sommerstein – Bayliss (2013), 111–115. 22 Sie spiegelt sich auch in einem sehr breiten Wortfeld wider, das das Griechische für ‚Eid und Schwur‘ entwickelt hat und zu dem mit ὁρκωμόσιον sogar ein eigenes Wort für den ‚Ort, wo ein Vertrag oder Bündnis beschworen wurde‘, gehörte. Die starke Ausdifferenzierung des Wortfeldes zeigt sich im Besonderen an den Verba des Schwörens: So existierten im Griechischen neben ὄμνυμι mit ὁρκίζω und ὁρκόω zwei Verben, die die Bedeutung ‚einen Eid abnehmen‘/ ‚vereidigen‘/ ‚schwören lassen‘ trugen. Poetisch wurde ὁρκωμοτέω für ‚einen Eid schwören‘ verwendet. Daneben finden sich mit den Komposita ὁρκιατομέω (aus ὁρκιατόμος, τέμνω = ‚unter Eidesleistung ein Bündnis schließen‘), εὐορκέω, ἐπιορκέω und ἐμπεδορκέω (von ἔμπεδος [‚fest im Boden stehend‘/ ‚unerschütterlich‘]: ‚fest bei seinem Schwur verharren‘) Verben, die auf das Schwurritual bzw. die Qualität des Schwörens Bezug nehmen. Ganz abgesehen sei dabei noch von den zahlreichen unterschiedlichen Bezeichnungen für spezielle Eide, wie sie vor Gericht geleistet wurden, wie ἀντωμοσία, διωμοσία, ὑπωμοσία, ἐξωμοσία und πρόκλησις εἰς ὅρκον (vgl. zu diesen Martin [2009], 252–264; zur ἐξωμοσία: Martin [2008]; s. zu Gerichtseiden ferner Plescia [1970], 33–57, Mirhady [1991], [2007], Gagarin [2007] und Sommerstein – Bayliss [2013], 57–119). 23 Vgl. nur Burkert (1985), 244 („wichtigste Intervention der Religion in die Alltagspraxis“) und (22011), 381 („Fundament der staatlichen, rechtlichen und wirtschaftlichen Organisation“). 24 Soph. Ant. 368–370: νόμους παρείρων χθονὸς / θεῶν τ’ ἔνορκον δίκαν / ὑψίπολις.
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I. Einleitung
Noch deutlicher wird dieser Zusammenhang zwischen Eid und Staatswohlfahrt in einem vielzitierten Diktum Lykurgs aus dessen Rede Gegen Leokrates aus dem 4. Jahrhundert.25 Dort heißt es: „Das, was die Demokratie zusammenhält, ist der Eid.“26 Der Eid wird bei Lykurg somit als der wichtigste Integrationsfaktor innerhalb einer Polis angesehen. Das Funktionieren der Verfassungsform und damit des ganzen Staates wird unmittelbar mit der Institution des Eides verknüpft. Für Plutarch schließlich ist der Eid neben anderen religiösen Institutionen noch im 1. Jahrhundert n. Chr. unverzichtbare Voraussetzung und konstitutives Element für die Existenz einer Polis: So seien zwar Gemeinwesen ohne die eigentlich typischen äußeren Merkmale wie Stadtmauern, Theater, Gymnasien und Häuser zu finden, auch solche ohne feste Staatsform und Privatbesitz oder den Gebrauch von Schrift und Geld, nicht aber ohne die Ausübung von Kult und Religion. Eine siebenteilige Liste, die spezifiziert, welche religiösen Handlungen damit gemeint sind, nennt die Eide noch vor Orakeln und Opfern.27 Stärker kann man die Religion im Allgemeinen – und den Eid im Besonderen – als integralen Bestandteil eines Gemeinwesens kaum hervorheben. Kritische Stimmen gegenüber der Bedeutung eines Eides traten dagegen eher vereinzelt auf und wandten sich nicht gegen das Instrument des Eides an sich, sondern nur gegen den gegenwärtigen Umgang mit ihm.28 Man wird daher nicht fehlgehen, zu konstatieren, dass die Griechen selbst dem Eid eine große integrative Kraft für den Bestand eines Gemeinwesens zuerkannten. Was passierte nun aber, wenn der Eid die Grenzen einer Polis überschritt?29 Zwar hebt die althistorische Forschung auch für diese Fälle in der Regel die Bedeutung des Eides als einem Fundament der zwischenstaatlichen Beziehungen hervor,30 25 Antike Jahreszahlen verstehen sich, wenn nicht anders angegeben, immer als v. Chr. 26 Lykurg. 79: τὸ συνέχον τὴν δημοκρατίαν ὅρκος ἐστί. Eine ganz andere Perspektive auf die Bindekraft und Bedeutung von (Vertrags-)Eiden findet sich – wenig überraschend – beim ‚Alten Oligarchen‘, der die Vertreter von demokratischen Regimen generell für weniger vertrauenswürdig hält als diejenigen von oligarchisch verfassten Stadtstaaten (Ps.-Xen. Ath. pol. II 17). 27 Plut. adv. Col. 1125d-e: εὕροις δ’ ἂν ἐπιὼν πόλεις ἀτειχίστους, ἀγραμμάτους, ἀβασιλεύτους, ἀοίκους, ἀχρημάτους, νομίσματος μὴ δεομένας, ἀπείρους θεάτρων καὶ γυμνασίων· ἀνιέρου δὲ πόλεως καὶ ἀθέου, μὴ χρωμένης εὐχαῖς μηδ’ ὅρκοις μηδὲ μαντείαις μηδὲ θυσίαις ἐπ’ ἀγαθοῖς μηδ’ ἀποτροπαῖς κακῶν οὐδείς ἐστιν οὐδ’ ἔσται γεγονὼς θεατής. – „Als Reisender magst du Gemeinwesen ohne Stadtmauern, ohne Schrift, ohne König, ohne Häuser, ohne Besitz finden; solche, die kein Geld benötigen, weder Theater noch Gymnasien kennen. Jedoch Gemeinwesen ohne Heiligtümer, ohne Götter, ohne den Gebrauch von Gebeten, ohne Eide, ohne Orakel, ohne Opfer für Wohltaten, ohne Riten, die Schlechtes abwehren, solche hat keiner jemals gesehen.“ Dass Plutarch dabei als delphischer Apollonpriester dazu neigte, Kult und Religion eine besonders große Bedeutung zuzuschreiben, lässt sich nicht bestreiten, schmälert aber nicht den Quellenwert der Passage, da der ursächliche Zusammenhang zwischen Kultausübung und Staatswohlfahrt in der gesamten paganen Antike nie ernsthaft in Frage gestellt worden ist. Vgl. zu der Passage Lang (2002), 33. 28 Vgl. etwa Plat. leg. 948d. 29 William Kendrick Pritchett hat schon vor bald 40 Jahren ausdrücklich auf die Notwendigkeit einer umfassenden Studie zu diesem Thema hingewiesen (vgl. Pritchett [1974], 56, Anm. 101). 30 Vgl. etwa die Urteile von Phillipson (1911), 389 („It may in truth be said that the oath is, in a
I.1. Οἱ θεῶν ὅρκοι. Forschungskontext, Gegenstand und Fragestellung
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allerdings wird auch des Öfteren auf die besonderen Schwierigkeiten hingewiesen, mit denen der Eid gerade in der zwischenstaatlichen Praxis zu kämpfen hatte.31 Bei der Überwindung dieser speziellen Probleme war man ganz auf die sakrale Dimension eines Eides angewiesen, da eine übergeordnete zwischenstaatliche Instanz, die Vertrags- und damit Eidbruch wirksam hätte sanktionieren können, nicht zur Verfügung stand. Eine Untersuchung, die sich mit griechischen Vertragseiden beschäftigt, muss daher dieser sakralen Dimension, mithin der religiösen Absicherung von Vertragseiden, besondere Aufmerksamkeit schenken. Der Gegenstand lässt sich zudem in neuere Studien zur griechischen ‚Polisreligion‘ einbetten: War doch die Frage, bei welchen Göttern ein Eid geleistet werden sollte, im antiken Griechenland nicht einheitlich geregelt. Stattdessen hatte jede Polis zunächst einmal ihre eigenen Schwurgötter, die aber nicht automatisch mit den jeweils höchsten Polisgottheiten identisch sein mussten. Anhand der in einem Vertrag angerufenen Eidgötter lässt sich damit ein Aspekt en detail untersuchen, der spätestens seit den einflussreichen Arbeiten von Christiane Sourvinou-Inwood Konsens in der althistorischen Forschung ist, nämlich die Beobachtung, dass griechische Religiosität primär auf die Polis bezogen war.32 In den Worten Sourvinou-Inwoods: „The polis provided the fundamental framework in which Greek religion operated.“33 Doch obgleich die Polis die wichtigste Bezugsgröße für die griechische Religion darstellte, konstatiert Sourvinou-Inwood doch auch: „Each polis was a religious system which formed part of the more complex world-of-the-polis system, interacting with the religious systems of the other poleis and with the panhellenic religious dimension.“34 Gerade ein solches Zusammenspiel verschiedener ‚Polisreligicertain sense, the underlying basis of the whole body of the ancient law of nations.“), Plescia (1970), 71 („Oaths, in fact, were the main guarantee of the fulfillment of the conditions of treaties.“), Lonis (1980), 268 („la garantie la plus sûre“), Bederman (2001), 61 („Ancient treaties were, as a matter of definition, an exchange of oaths.“), Knippschild (2002), 9 („die eigentlich konstitutiven Elemente der Staatsverträge des Altertums“) und Giovannini (2007), 45 („Deux principes, surtout […] ont servi de fondements à ces relations de la cité avec l’extérieur: le devoir d’hospitalité et le respect des serments.“). 31 Zu diesen spezifischen Problemen gehörten: 1. der besonders prekäre Kontext von Krieg und Bürgerkrieg, in dem Vertragseide immer geschlossen wurden, 2. die exzeptionell lange Dauer, die Vertragseide halten sollten, da sie anders als etwa Beamteneide bis auf ewige Zeit geleistet werden konnten, 3. die Tatsache, dass die Schwörenden aufgrund des jährlichen Wechsels der Polisbeamten nicht immer mit denjenigen identisch waren, die den Vertrag einhalten sollten, 4. das Fehlen einer neutralen und übergeordneten Instanz, die Eidbruch hätte wirksam sanktionieren können und 5. die Tendenz, dass sich der Bezugs- und Interaktionsrahmen griechischer Diplomatie erweiterte, da in klassischer Zeit nicht mehr persönliche Bindungen einzelner Aristokraten entscheidend waren, sondern ganze Stadtstaaten miteinander in Beziehung traten, die als Kollektiv durch einen Eid schwerer zu binden waren als Einzelpersonen. Vgl. zu dieser Liste Bolmarcich (2007a), 26 f. und Scharff (2009), 330 f.; zu dem letzten Punkt auch Baltrusch (1994), 4 f., 14, 18, 61. Mit Sommerstein – Bayliss (2013), 236–240, 324 lässt sich dieser Liste jetzt noch eine sechste Schwierigkeit hinzufügen: das in der zwischenstaatlichen Sphäre besonders häufige Problem der Eideskollisionen („conflicting oaths“). 32 Vgl. Sourvinou-Inwood (2000a) und (2000b). 33 Dies. (2000a), 13 und an anderer Stelle (22): „The Greek polis articulated religion and was itself articulated by it; religion became the polis’ central ideology.“ 34 Dies. (2000a), 13.
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I. Einleitung
onen‘ untereinander und mit der panhellenischen Ebene griechischer Religiosität lässt sich besonders gut anhand der zwischenstaatlichen Eidespraxis in den Blick nehmen, war es doch bei jedem Vertragsabschluss nötig, sich gemeinsam auf die Gottheiten zu verständigen, welche zur Absicherung der Vereinbarung angerufen werden sollten. Damit lässt sich zugleich eine in der althistorischen Forschung aufgeworfene Forderung umsetzen, nach der für eine Analyse der zwischenstaatlichen Beziehungen im antiken Griechenland weit stärker die spezifischen Elemente polytheistischer Religion nutzbar gemacht werden müssten.35 I.2. VON LEICHTFERTIGEN, AUFGEKLÄRTEN, MACHTHUNGRIGEN UND FLEXIBLEN GRIECHEN. VIER PERSPEKTIVEN DER ALTERTUMSWISSENSCHAFTLICHEN EIDESFORSCHUNG Forschungsgeschichtlich ist der griechische Eid, wenn er denn bisher überhaupt in Form einer Monographie behandelt worden ist, nur als Gesamtphänomen untersucht worden.36 Dem Vertragseid selbst wurde dagegen noch kein monographisches Interesse zuteil.37 Eine systematische Analyse der griechischen Vertragseide,
35 Vgl. Baltrusch (2008), 107. 36 Zu nennen sind die Arbeiten von von Lassaulx (1844), Ziebarth (1892), Ott (1896), Hirzel (1902), Usener (1903), Plescia (1970), Sommerstein – Bayliss (2013) und Sommerstein – Torrance (2014). Nicht eingesehen werden konnte die unpublizierte Dissertation von Piolot, L., Le serment en Grèce ancienne (aspects religieux et sociaux), Diss. Rennes 1999, auf die Graf (2005), 237 verweist. Es ist mithin eine frühe Konzentration in der deutschsprachigen Forschung des ausgehenden 19./ frühen 20. Jahrhunderts zu erkennen. Von den neueren Arbeiten zum Thema interessiert sich Plescia (1970), wie schon im Vorwort deutlich zum Ausdruck gebracht wird (ebd., V), insbesondere für die rechtlichen Aspekte griechischer Eide und vernachlässigt die religiöse Dimension der Schwurleistung. Der Stand der Forschung wird aktuell repräsentiert durch drei Untersuchungen, die aus der Arbeit des Nottinghamer OathProject hervorgegangen sind. Während der Sammelband Sommerstein – Fletcher (2007) mit den Beiträgen von Sarah Bolmarcich und Simon Hornblower nur zwei Aufsätze beinhaltet, die sich ausdrücklich mit Vertragseiden befassen, und Sommerstein – Torrance (2014) sich nur en passant mit Vertragseiden beschäftigen, ist die als Überblicksdarstellung konzipierte Studie von Sommerstein – Bayliss (2013) erstens aufgrund der gewählten Beschränkung auf die archaisch-klassische Zeit etwas atheno- bzw. sparta-zentrisch, schenkt zweitens den Vertragspartnern, mithin den Trägergruppen der Vereinbarung zu wenig Beachtung und ist drittens nicht primär an dem Einfluss der Religion auf die zwischenstaatlichen Beziehungen interessiert (vgl. dazu ausführlich Scharff [2014]). Zudem ist das Bild einer weitgehend eidesfreien Diplomatie in der Archaik, dem eine explosionsartige Entwicklung in Bezug auf die Verwendung von Vertragseiden in klassischer Zeit folgte (ebd., 324), nicht zu halten. Gleichwohl bildet der zweite, als „Oaths and interstate relations“ betitelte Teil der Untersuchung (ebd., 145–325), eine aktuelle und verdienstvolle Überblicksdarstellung zu zwischenstaatlichen Eiden. 37 Noch am ausführlichsten werden die Vertragseide und Schwurgötterlisten in der genannten Monographie von Ziebarth (1892), 14–27 behandelt.
I.2. Von leichtfertigen, aufgeklärten, machthungrigen und flexiblen Griechen
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die ausdrücklich auch die wichtigen Entwicklungen in hellenistischer Zeit miteinbezieht, stellt mithin ein Desiderat der Forschung dar.38 In den bisherigen Arbeiten zu griechischen Eiden lassen sich v. a. vier Großthesen finden: Die erste stellt die Mär von einer generellen Leichtfertigkeit der Griechen im Umgang mit Eiden dar, wie sie insbesondere von der älteren deutschsprachigen Forschung vertreten worden ist.39 Die Richtung wurde dabei schon von Moritz Hermann Eduard Meier vorgegeben, der im Jahre 1830 eine Studie mit dem programmatischen Titel „Quanta levitate Graeci jusiurandum violaverint“ veröffentlichte.40 Aufgegriffen wurde die Idee später besonders von Rudolf Hirzel, der, orientiert am römischen Recht und ausgehend von einem dezidiert christlichen Wertmaßstab, griechisches Laisser-faire mit römischer Eidestreue kontrastierte.41 So sei eine „ängstliche Buchstabentreue“, ja gar eine „Buchstabenknechtschaft“42 im Umgang mit Eiden für die Griechen typisch gewesen, ganz im Gegensatz zu den Römern, dem „Volk des Rechts“.43 Diese Abwertung des griechischen Eides ist aber nicht nur etwas pauschal, sondern es wird bei genauerem Hinsehen auch deutlich, von welchem Standpunkt aus sie erfolgte. So heißt es bei Hirzel einmal: „Damit war in der Beurtheilung des Meineids eine Höhe des sittlichen Standpunkts erreicht, die man christlich nennen möchte (…).“44 In einer solchen Perspektive wird die griechische Eidespraxis an einem explizit christlichen Standpunkt gemessen, der der Innerlichkeit und dem Gewissen einen Stellenwert einräumt, der den Verhältnissen griechischer Religiosität nicht gerecht wird, unter denen Kult und Religion stets einen primär öffentlichen Charakter hatten.45 Dem stehen drei weitere noch in jüngerer Zeit vertretene Thesen gegenüber, deren erste als ‚Säkularisierungs‘- oder besser ‚Verfallsthese‘ anzusprechen ist. Nach dieser in der Forschung immer noch erstaunlich präsenten Meistererzählung hätten Eide ursprünglich in archaischer Zeit eine große religiöse Bindekraft entfaltet, die im Laufe der klassischen Epoche aufgrund einer sog. ‚Aufklärung des 5. Jahrhunderts‘ zunehmend nachgelassen habe, da diese einen Rückgang des Glaubens an die Götter bewirkt habe.46 Bei Ernst Baltrusch etwa ist wörtlich 38
So schon Pritchett (1974), 56, Anm. 101, dessen Forderung nach einer solchen Untersuchung bisher unerfüllt geblieben ist. Vertragseide wurden stattdessen allein in Aufsatzform untersucht. Zu nennen sind Lonis (1980), Bolmarcich (2007a) und Scharff (2009). 39 Vgl. Hirzel (1902) sowie die angelegentlichen Äußerungen von Latte (1968) und Burckhardt (2005), 327–331. 40 Vgl. Meier (1830), 1. 41 Hirzel (1902) spricht zweimal (22, 86) dezidiert von einer „Leichtfertigkeit“ der Griechen im Umgang mit Eiden. 42 Hirzel (1902), 52, Anm. 1. 43 So Hirzel (1902), 47 f.: „Die Römer erscheinen auch hier als das Volk des Rechts, mit dem ja auch ihre Sprache den Eid auf’s Engste verknüpft (jus und jurare) und das sie in, dem Buchstaben sich anschmiegender, aber nicht willkürlicher Auslegung so reich entwickelten; die Griechen dagegen finden wir schon von den Anfängen ihres geistigen Lebens her auf dem Wege, dermaleinst das classische Volk der Sophistik zu werden.“ (Hervorhebungen v. Verf.). 44 Hirzel (1902), 79 (Hervorhebungen v. Verf.). 45 Vgl. zu diesem Aspekt Scharff (2009), 322 f. 46 Die Verfallsthese findet sich nicht nur in den älteren Arbeiten von Ott (1896), 37, Usener (1903), 22, Martin (1940), 402 („La force du sentiment d’obligation que peut susciter un en-
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von „Säkularisierung“47 die Rede. Er postuliert zudem gar eine „aufgeklärte sich von religiösen Zwängen lösende Politik“48, die sich auch im Eidesformular von Symmachieverträgen niedergeschlagen habe: In diesen werde nämlich πίστεις καὶ ὅρκους ἀλλήλοις διδόναι zu πίστεις διδόναι reduziert, wobei er πίστεις als zusätzliche Garantien verstanden wissen will, die über die religiöse Verpflichtung hinausgingen. Daher sei „die religiöse Sphäre (…) gegenüber dieser Garantie zunehmend in den Hintergrund“49 getreten. Eine solche Erkenntnis gewinnt Baltrusch allerdings nicht aus dem Inschriftenmaterial, sondern aus den in literarischen Zeugnissen verwendeten Termini. Da aber nicht einfach davon ausgegangen werden kann, dass diese literarischen Zeugnisse wörtlich aus den Urkunden zitieren, ist eine solche Argumentation mit dem Eidesformular wenig aussagekräftig. Erst recht gilt es, die pauschal behauptete ‚Säkularisierung‘ und ‚Aufklärung‘ des 5. Jahrhunderts zu hinterfragen: So lässt sich nicht ernsthaft behaupten, dass selbst das Athen des 5. Jahrhunderts auf einmal nur noch von ‚aufgeklärten Philosophen‘ bevölkert gewesen wäre. Begriffe wie ‚Säkularisierung‘ und ‚Aufklärung‘ wecken für das 5. Jahrhundert nicht nur falsche Assoziationen, sondern gehen an der Lebenswirklichkeit der meisten Griechen vorbei: Auch im 5. und 4. Jahrhundert begann jede Volksversammlung mit einem Opfer, wie es auch vor jeder Schlacht durchgeführt wurde. Es kann daher nicht verwundern, dass Jon D. Mikalson sein Diktum von der „Priority of the divine“50 gerade erst in Bezug auf das 4. Jahrhundert entwickelt hat. Der Stellenwert des Religiösen im öffentlichen Diskurs hat von der archaischen zur klassischen Zeit nicht abgenommen. Kurz: Die ‚Säkularisierungs- oder Verfallsthese‘ – so viel kann vorweg genommen werden – ist eine Chimäre der altertumswissenschaftlichen Forschung. Davon abzugrenzen ist eine dritte These, die implizit – und gut thukydideisch – von einer ‚realistischen‘ Theorie zwischenstaatlicher Beziehungen ausgeht und religiös-fundierte und damit als ‚weich‘ gedeutete Instrumente wie den Vertragseid
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gagement contracté dans ces conditions dépend naturellement du degré d’intensité de la croyance à des puissances surnaturelles et à leur intervention dans la vie des peuples.“), Plescia (1970), 59 („a decline of concern in public religion“), 71 f. („So the parties began more and more to feel the need of military and police actions to supplement divine justice; and, consequently, the oaths, ceasing to be merely rigid ritualistic formulae, grew into veritable legal charters.“) und Mosley (1979), 215 („Bis zur Klassik war der Einfluß der Religion auf die Bräuche bei der Aufnahme eines Fremden stark, ebenso auf die Eide, die einen Vertragsabschluß begleiteten, […].“), sondern auch noch in den neueren Artikeln und Untersuchungen von Baltrusch (1994), 61, Anm. 334, Thür (1997), 909 („In der archaischen Gesellschaft mit ihren starken religiösen Bindungen spielte der Eid im Staats- und Rechtsleben eine zentrale Rolle, die in klassischer Zeit immer mehr verblaßte.“), Baltrusch (2008), 26–29, Scheibelreiter (2008a), 186 m. Anm. 108 (hier ist von einer „schleichenden Säkularisierung der Gesellschaft“ die Rede), (2008b) und Heitsch (2010), 168 („Macht und Wirkung, die der Eid in frühen Zeiten gehabt hat, sind, […] spätestens schon in spätarchaischer Zeit verloren gegangen.“). Baltrusch (2008), 28, so auch Scheibelreiter (2008a), 186, Anm. 108. Baltrusch (2008), 29; von „Auklärung“ spricht auch Heitsch (2010), 164, 169. Baltrusch (1994), 61, Anm. 334. So Mikalson (1983), 13 in der Überschrift seines zweiten Kapitels. An etwas späterer Stelle stellt er lapidar fest: „Or, to put it more simply, the gods came first.“
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für wenig geeignet hält, die Gewalt in einem Bereich wie der zwischenstaatlichen Politik einzuhegen, in dem es letztlich allein um die Macht gehe. In Bezug auf den Vertragseid hat diese These mit Nachdruck Raoul Lonis vertreten.51 Er berücksichtigt allerdings zu wenig, dass den Vertragseiden trotz aller Schwierigkeiten, mit denen sie gerade im zwischenstaatlichen Verkehr zu kämpfen hatten, eben doch auch eine konflikteinhegende Wirkung zukam. Allein die Tatsache, dass man zumindest versuchte, eine gemeinsame Akzeptanzebene bei der Absicherung von Verträgen nicht nur zu finden, sondern diese auch religiös zu fundieren, zeigt, dass mit dem Melierdialog allein griechische Außenpolitik nicht hinreichend verstanden werden kann. In jenem konnte das Recht des Stärkeren zwar ganz offen zur Handlungsmaxime erklärt werden, dies ist aber eben nicht in gleicher Weise typisch für alle Epochen der griechischen, ja nicht einmal der athenischen Geschichte.52 Eine vierte und letzte These hebt dagegen gerade ausdrücklich einen solchen gewalteindämmenden und konflikthemmenden Effekt religiös-fundierter Institutionen wie dem Vertragseid hervor, indem sie sich der Frage nach der Haltbarkeit von Eiden von einem optimistischeren Standpunkt aus nähert. Eine solche These wird aktuell häufig vertreten und ist etwa von Sarah Bolmarcich in einer Serie von Artikeln vorgebracht worden, die viele sehr treffende Beobachtungen zu griechischen Vertragseiden beinhalten.53 Bolmarcich hebt mit Recht hervor, dass die Griechen klar zwischen dem offenen Bruch eines Eides und dem bloßen Verstoß gegen den Sinn eines Vertrages unterschieden.54 Allerdings sucht die Autorin gelegentlich auch dort eine von den Akteuren angeblich bewusst in das Vertrags- und Eidesfor-
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Lonis (1980), ähnlich in Bezug auf die Hierosylie Trampedach (2005). Walter (2009) weitet die These auf die zwischenstaatlichen Beziehungen bei den Griechen insgesamt aus. Der antike Referenzautor für derartige Ansätze ist selbstverständlich Thukydides, dessen Werk auch heute noch den Ausgangspunkt für jede Einführung in die Disziplin der Internationalen Beziehungen darstellt. 52 Schon im Zweiten Seebund gerieren sich die Athener ja ganz anders. Es ist in gewisser Weise paradox, dass es mit den Seleukiden vielleicht gerade eine hellenistische Dynastie ist, die in ihrer Vertragssprache von den Fehlern der Athener am meisten gelernt hat. Zu der die eigentlichen Machtverhältnisse geschickt verschleiernden Vertragssprache, auf die die Seleukiden bei Verträgen mit den griechischen Poleis zurückgriffen, vgl. die beeindruckende Studie von Ma (22002). 53 Vgl. insbesondere Bolmarcich (2005), (2007a), (2007b) und (2008). So schreibt sie etwa dezidiert: „Oaths in the sphere of Greek diplomacy (…) could be quite problematic. To date, what scholarship there has been on oaths in Greek treaties has focused on their negative aspects – e. g. how easily broken they were and, consequently, how little trust there apparently was between Greek states. This article takes a more positive approach.“ (dies. [2007a], 27; anders jetzt [2012]). Bolmarcich befindet sich mit dieser positiveren Sichtweise griechischer Diplomatie, die von einem ‚idealistischen‘ Verständnis zwischenstaatlicher Beziehungen ausgeht, ganz im Einklang mit der übrigen anglophonen Forschung neuerer Provenienz: s. etwa Bederman (2001), bes. 11–15, 48–87, der ein griechisches Völkerrecht rekonstruiert, Lendon (2006), der in Xen. Kyr. III 1,14–31 dezidiert Ansätze zu einer ‚idealistischen‘ Theorie zwischenstaatlicher Beziehungen ausmacht, Low (2007) und Hunt (2010); so auch vonseiten der italienischsprachigen Forschung Piccirilli (2002). 54 Bolmarcich (2007a), 38.
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mular integrierte Flexibilität der Eidesformeln zu erkennen,55 wo diese nicht ohne weiteres angenommen und allenfalls postuliert werden kann.56 Während die erste These von der generellen Leichtfertigkeit der Griechen im Umgang mit Eiden heute als erledigt zu gelten hat und die Verfallsthese leicht falsifiziert werden konnte, gilt es im Folgenden, insbesondere die beiden zuletzt angeführten Forschungspositionen, die eine noch im Fluss befindliche Debatte repräsentieren, zusammenzubringen. Steht es doch zu vermuten, dass man dem Phänomen des griechischen Vertragseides weder von einer ausschließlich ‚realistischen‘ Theorie zwischenstaatlicher Beziehungen her noch durch einen allzu ‚idealistischen‘ Ansatz voll gerecht wird. I.3. DIE SPRACHE DER EIDE UND DER DIPLOMATEN. METHODIK UND GROBGLIEDERUNG DER UNTERSUCHUNG Besser geeignet erscheint dagegen ein Ansatz, der – zunächst ganz im Sinne einer ‚realistischen‘ Theorie zwischenstaatlicher Beziehungen – von einer essentiellen Bedeutung der Analysekategorie ‚Macht‘ für jede Geschichte des Politischen ausgeht.57 Macht ist in politischen Beziehungen immer vorhanden; sie stellt allerdings, anders als von einer traditionellen Sichtweise angenommen, keine Konstante, sondern eine Variable dar, die immer wieder sowohl Ergebnis als auch Teil von Aushandlungsprozessen ist.58 Jede Herrschaft ist daher immer von der Legitimation bei den Beherrschten abhängig.59 Mit einem so verstandenen Machtbegriff lassen sich ‚idealistische‘ und ‚realistische‘ Ansätze zwischenstaatlicher Beziehungen zusammenbringen, indem einerseits die große Bedeutung dieser Analysekategorie für das Verständnis zwischenstaatlicher Beziehungen betont, andererseits aber auch ihr flexibler Charakter hervorgehoben wird. Der Machtbegriff bildet damit gleichsam das Bindeglied zwischen beiden Ansätzen. 55 Bolmarcich (2007a), 27 selbst spricht diesbezüglich von einer „built-in flexibility“. 56 Vgl. dazu ausführlich Scharff (2009), 324 f. 57 Vgl. zu diesem Aspekt eine jüngst unter Fachvertretern der Frühneuzeitforschung geführte Kontroverse über die Bedeutung der genannten Analysekategorie für eine (Kultur-)Geschichte des Politischen. Die ‚Frontlinien‘ der Debatte, die durch einen Aufsatz von Mergel (2002) ausgelöst wurde, werden dabei durch die Beiträge von Landwehr (2003), (bes. 111: „Macht fließt.“) einerseits und Nicklas (2004) bzw. Kraus – Nicklas (2007), (bes. 2: „Rang eines Essentials“) andererseits abgesteckt. Vonseiten der Alten Geschichte wird die Debatte bei Weber (2007), 427, Anm. 14 rezipiert. 58 Ein so verstandener Machtbegriff geht auf Foucault (1992), 114 zurück, der darauf insistierte, dass Macht nicht von einer Institution besessen werde, sondern erst im heterogenen Verhältnis von Instanzen existiere („Macht ist nicht eine Institution, ist nicht eine Struktur, ist nicht eine Mächtigkeit einiger Mächtiger. Die Macht ist der Name, den man einer komplexen strategischen Situation in einer Gesellschaft gibt.“); dazu Paris (1998), 7 und Landwehr (2003), 111 f. 59 Ein Gedanke, der in dieser Radikalität originär auf Max Weber zurückgeht (vgl. Weber [51980], 122), der im Rahmen seiner Herrschaftssoziologie Herrschaft erstmals „nicht von den Herrschenden, sondern von den Beherrschten aus konstruierte“ (Gotter [2008], 174 f.). Vgl. auch Landwehr (2003), 111.
I.3. Die Sprache der Eide und der Diplomaten
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Konkret in Bezug auf die Vertragseide bedeutet das, dass ihre Form und Funktion zwar von den jeweiligen Machtverhältnissen zwischen den Vertragsparteien abhing, dass die aus diesen Machtverhältnissen resultierenden Einflüsse auf die Eide aber durch den historischen Kontext der Eidesleistung und durch die politischgesellschaftlichen Rahmenbedingungen in den Staaten der Vertragspartner bedingt waren: Während die Athener im 5. Jahrhundert ihre Bündner durch ungleiche Eide verpflichteten, nahmen viele hellenistische Alleinherrscher demonstrativ Rücksicht auf die Belange ihrer polisgriechischen Vertragspartner.60 Die Sprache der Eide spiegelte die Machtverhältnisse zwischen den Vertragspartnern nicht einfach eins zu eins wider, sondern konnte diese auch bewusst verschleiern. Ob die Vertragseide bewusst elastisch mit einer gewissen „built-in flexibility“61 ausgestattet wurden oder durch besonders scharfe Klauseln jeden Interpretationsspielraum gerade ausschließen sollten, hing vom jeweiligen historischen Kontext der Eidesleistung und den konkreten Intentionen der Vertragspartner ab. Es gilt daher in methodischer Hinsicht, die Sprache der Eide so genau wie möglich zu analysieren und zugleich sowohl die Machtverhältnisse zwischen den Vertragspartnern als auch deren jeweilige politische Verfasstheit miteinzubeziehen. Steht doch zu vermuten, dass es auch in Bezug auf die religiöse Absicherung einer Vereinbarung einen Unterschied darstellte, ob diese Vereinbarung allein zwischen zwei griechischen Poleis oder beispielsweise mit einem Alleinherrscher geschlossen wurde. Es wird daher im Folgenden von einer akteurszentrierten Perspektive ausgegangen, die der Frage, wer einen Eid leistete bzw. wer gerade mit einem solchen argumentierte, eine große Bedeutung beimisst.62 Die Methodik der hier vorgelegten Arbeit lässt sich mithin als eine akteurszentrierte Sprachanalyse charakterisieren. Die besondere Bedeutung der Sprache für diese Untersuchung ergibt sich dabei aus einer simplen Überlegung: Das Medium, in dem Eide für den Althistoriker greifbar werden, ist die Sprache. Eide sind nicht nur sprachlich überliefert, ihre bloße Existenz ist untrennbar mit dem Mittel der Sprache verbunden: Ohne Sprache kann es keine Eide geben. Ja, der Eid ist, wie die jüngste theoretische Untersuchung zum Thema von Giorgio Agamben hervorhebt, „das Sakrament der Sprache“63, das sich an einer Schnittstelle von Recht, Religion und Politik bewegt. Um nun aber die konkrete Bedeutung dieser drei Felder für den Vertragseid besser bestimmen zu können, genügt es nicht, nur die Sprache der Eide selbst, also das jeweils verwendete Eidformular, zu analysieren. Man wird auch die Art und Weise, wie Vertragseide in der zwischenstaatlichen Kommunikation thematisiert wurden, in den Blick nehmen müssen. Denn gerade die Art, wie man in diplomatischen Verhandlungen mit Eiden argumentierte, verspricht Aufschluss darüber zu geben, welche Aspekte eines Eides man in welchen Kontexten für besonders wichtig hielt. 60 Vgl. für die Vertragssprache hellenistischer Alleinherrscher, insbesondere der Seleukiden, Ma (²2002), 170 f., 235–242. 61 Bolmarcich (2007a), 27 62 Dass ein solches Vorgehen Aussicht auf Erfolg verspricht, zeigt der instruktive Aufsatz von Gazzano (2005) zu einem einzelnen Klauseltyp, der sich gelegentlich in Vertragseiden findet (s. dazu u.). 63 Agamben (2008), 1.
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I. Einleitung
Neben den überlieferten Vertragseiden und der Art ihres Zustandekommens gerät damit der Eid als Argument in den Blick. Eine zentrale Prämisse dieser Untersuchung stellt die Überlegung dar, dass dem Gegenstand nur mit einem möglichst breiten geographischen Ansatz, der die gesamte griechische Mittelmeerwelt in den Blick nimmt, beizukommen ist. Dabei soll insbesondere eine athenozentrische Perspektive vermieden werden. Zwar ist die Dichte der erhaltenen Zeugnisse für Athen besonders hoch, diese sind aber zum einen von der Forschung bereits sehr intensiv untersucht worden und stehen zum anderen doch nur neben einer Vielzahl von Vertragseiden aus allen Teilen der griechischen Welt. Die Arbeit ist damit einem Anliegen verpflichtet, das eine einflussreiche Studie Hans-Joachim Gehrkes vor etwas mehr als einem Vierteljahrhundert angestoßen hat: Sie zielt auf das „Dritte Griechenland“, also die griechische Poliswelt jenseits ihrer beiden klassischen Zentren von Sparta und Athen,64 allerdings ohne sich im Sinne einer Historischen Landeskunde des antiken Griechenlands schwerpunktmäßig einer einzigen Region zuzuwenden. Für die griechischen Verhältnisse war in vielen Bereichen gerade das ambivalente Spiel von „Vielgestaltigkeit und Einheit“65 besonders charakteristisch. Diesem gilt es in Bezug auf die Vertragseide im Einzelnen nachzuspüren. Die Arbeit gliedert sich in drei Teile: Während zunächst der religions- und ideengeschichtliche Hintergrund des Vertragseides, also insbesondere die Vorstellung von der göttlichen Vergeltung, die hinter jedem Vertragseid stand, einer umfassenden Betrachtung unterzogen wird, welche die Frage nach Kontinuität und Wandel dieses Konzepts in den Vordergrund stellt, wird im zweiten und umfangreichsten Hauptteil der Untersuchung die sprachliche Ausgestaltung des Formulars von Vertragseiden in den Blick genommen. Ein dritter Zugang erfolgt schließlich über den Eid als Argument in der zwischenstaatlichen Kommunikation. Das Ziel ist es, über ein multiperspektivisches Vorgehen das Phänomen der religiösen Absicherung von Vertragseiden so genau wie möglich in seiner chronologischen, geographischen und typologischen Ausdifferenzierung zu beschreiben. Den Kern der Untersuchung bildet eine Analyse des Eidesformulars griechischer Staatsverträge sowie zentraler Argumente in der zwischenstaatlichen Rede. Im Mittelpunkt der Analyse steht mithin die Sprache der Eide und der Diplomaten. Bei den drei Zugängen gilt es, jeweils ganz unterschiedliches Quellenmaterial auszuwerten. Während im ersten Hauptteil der Untersuchung insbesondere die poetischen Texte mit dem Schwerpunkt Epik und Tragödie die Quellengrundlage bilden, wurden für den zweiten Teil erstmals alle historiographisch und epigraphisch überlieferten Vertragseide von der Archaik bis zum ‚Tag von Eleusis‘ analysiert. Für den dritten Abschnitt wurden schließlich Reden in der Historiographie und rhetorische Texte ausgewertet. Der chronologische Schwerpunkt dieser Arbeit liegt mithin auf dem vorrömischen Griechenland. Den Endpunkt der Untersuchung und damit den Beginn der römischen Dominanz bildet mit dem Jahr 168 ein Einschnitt mitten im Hellenismus. 64 65
Gehrke (1986), 7. Gehrke (1986), 13.
I.3. Die Sprache der Eide und der Diplomaten
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Dieses Jahr markiert aufgrund des ‚Tages von Eleusis‘66 wie auch aufgrund der Schlacht von Pydna, die die Zerschlagung des Makedonenreiches mit sich brachte, eine wichtige Zäsur für die Geschichte der zwischenstaatlichen Beziehungen, da seit diesem Zeitpunkt mit der dauerhaften Etablierung Roms als bestimmendem Faktor im östlichen Mittelmeerraum eine eigenständige Außenpolitik griechischer Poleis an Rom vorbei nicht mehr möglich war. Dass sich die außenpolitische Großwetterlage und damit der Interaktionsrahmen griechischer Diplomatie entscheidend verändert hatte, schlug sich auch in Form und Struktur der Vertragseide, insbesondere der Schwurgötterlisten nieder, die in der Folge eine Mischung aus griechischen und römischen Elementen beinhalteten.67 Eine Untersuchung der Entwicklung des griechischen Vertragseides unter römischer Vorherrschaft würde nun sicherlich ebenfalls ein wichtiges und lohnendes Unterfangen darstellen, zugleich aber den Rahmen dieser Untersuchung sprengen.68
66 Nach Pol. XXIX 27,1–8 (davon mehr oder weniger abhängig: Liv. XLV 12,3–8, Diod. XXXI 2,1–2, Iust. XXXIV 3,1–4, App. Syr. 66, Cic. Phil. 8,23, Vell. I 10,1–2, Val. Max. VI 4,3, Plut. mor. 202 f.-203a, Porph. FGrHist 260 F 50, Plin. nat. XXXIV 24 [Verwechslung mit Gesandtschaft des Octavius] und Zon. IX 25) demütigte an diesem Tag der römische Gesandte C. Popilius Laenas den Seleukiden Antiochos IV. Epiphanes, indem er einerseits auf jegliche diplomatische Formalitäten wie die Erwiderung des Grußes verzichtete und den König andererseits ultimativ zur Beendigung des Sechsten Syrischen Krieges aufforderte. Als Antiochos sich Bedenkzeit erbeten habe, um sich mit seinen philoi beraten zu können, soll Laenas mit einem Stab einen Kreis um den König gezogen und ihn aufgefordert haben, ihm hier und jetzt eine Antwort zu geben, ansonsten befände er sich im Krieg mit Rom. Auch wenn Mittag (2006), 214–224 mit Recht darauf hingewiesen hat, dass Polybios die Ereignisse ein wenig überzeichnet hat, um die von ihm für sein Geschichtswerk beabsichtigte Wirkung – einen tiefen Einschnitt im Jahr 168 – zu erzielen, bleibt doch unstrittig, dass sich die Rahmenbedingungen griechischer Außenpolitik hernach entscheidend änderten. 67 Dies lässt sich aus der Zeit unmittelbar nach 168 sehr schön an einem Marmoraltar aus Aphrodisias ablesen (Reynolds [1982], Nr. 1 = HGIÜ III 478; zur Datierung: Errington [1987], 104 f.). Auf diesem findet sich eine Weihinschrift dreier karischer und lykischer Städte für Zeus Philios, Homonoia und die Göttin Roma. Der inschriftliche Kontext macht deutlich, dass es sich bei diesen Göttern auch um die Schwurgötter eines Vertrags zwischen den drei dedizierenden Städten handeln muss. Die römische Präsenz in einem zwischen griechischen Städten geschlossenen Bündnisvertrag, an dem die Römer offiziell gar nicht beteiligt waren, zeigt sich neben der Integration der Göttin Roma in die Schwurgötterformel an der jetzt typischen Eidesformel, dass die Vertragspartner „nichts tun werden, was gerichtet ist gegen die Römer“ (ähnlich etwa in IOSPE I2 402 = HGIÜ III 483 [taurische Chersonasiten-Pharnakes I.]). Vgl. ferner die Eidgottheiten in dem Testament Ptolemaios VIII. an die Römer aus dem Jahre 155 (SEG IX 7, Z. 24–27 = HGIÜ III 482) oder das Foedus der Kibyraten mit Rom (OGIS 762 = HGIÜ III 477) aus dem Jahre 167 (oder etwas später), das in Kibyra „auf der Basis der Roma“ (Z. 15) aufgestellt werden sollte. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. 68 Für diesen Aspekt sei auf Herrmann (1968), 43–121 und Fujii (2013), 77–91 verwiesen.
II. ΔΙOΣ OΡΚΙΑ. VERTRAGSEIDE IN DER HOMERISCHEN WELT – EIN CHRONOLOGISCHES VORSPIEL „(…) a gentleman’s word was his honor. In this sense promise-giving was an integral part of the culture of that society. “ (Karavites [1986a], 128, [1992], 81)
II.1. HOMERISCHE FRAGEN In kaum einer anderen antiken Quelle finden sich die einzelnen Elemente der religiösen Absicherung einer Vereinbarung derart en detail beschrieben, wie dies in den homerischen Epen der Fall ist. Dies gilt – wie zu zeigen sein wird – insbesondere für die Zeremonie der Eidesleistung, die bei den Griechen jeden Vertragsschluss begleitete. Die Quellenlage macht es daher notwendig, eine Studie zu griechischen Vertragseiden gleichsam ab ovo zu beginnen.1 Die „Welt des Odysseus“2 als chronologischer Ausgangspunkt dieser Studie bedarf allerdings zunächst einiger methodischer Vorbemerkungen. So sei dem Kapitel, ohne sich allzu sehr in den Untiefen der homerischen Frage(n)3 verlieren zu wollen, doch vorangestellt, dass unter ‚Homer‘ der oder die Dichter verstanden werden sollen, die die vorliegenden Epen kompiliert haben. Ob es sich bei beiden Werken um ein und denselben Dichter handelte, sei dahingestellt. In jedem Fall liegen beide Epen chronologisch dicht genug beieinander, um gemeinsam untersucht zu werden.4 Der Verfasser teilt Finleys Sichtweise in Bezug auf die innere Konsistenz und Historizität der homerischen Gesellschaft.5 Neuere 1 2 3
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Für eine Zusammenstellung aller Eidpassagen in der Ilias vgl. den ausführlichen Appendix bei Kitts (2005), 219–228. So der berühmte Titel von Moses I. Finleys Homerbuch (21978). Der Terminus bezieht sich ursprünglich auf die philologische Debatte zwischen Unitariern und Analysten. Der eingeklammerte Plural soll andeuten, dass der Begriff nicht ganz treffend ist, handelt es sich doch bei Troja und Homer um der deutschen Altertumswissenschaftler liebstes Streitobjekt. Zu dem jüngsten Streit um Troja (‚Korfmann-Kolb-Debatte‘) vgl. jetzt abschließend Kolb (2010). Die Thesen von Raoul Schrott sind zu wenig neu (Vorbild Vorderer Orient) bzw. wissenschaftlich fundiert (Homer als assyrischer Schreiber), um hier Berücksichtigung zu finden. Vgl. Raaflaub (1997a), 1, Anm. 2, (1998). Gleichwohl lassen sich Elemente in den Epen finden, die verschiedenen chronologischen ‚Schichten‘ zugewiesen werden können. Ältere, mykenische Elemente sind etwa der berühmte Eberzahnhelm des Odysseus, die Streitwagen, mit denen die Heroen in die Schlacht fahren, um dann für den Kampf auszusteigen (s. allerdings Giuliani [2010], 38–40) oder die Rede von den „damals lebenden Menschen“ (zu rezenten, ‚zeitgenössischen‘ Elementen s. Anm. 7). Diese älteren Elemente betreffen aber nicht die Wertvorstellungen der homerischen Aristokra-
II.2. Ein frühes Verfahren von Bündnisschluss und Streitbeilegung
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Studien datieren diese allerdings näher an die Zeit des Dichters selbst – also in das späte 8., frühe 7. Jahrhundert – und heben hervor, dass trotz des Fokus‘, den der Dichter auf die Heroen und ihre Lebenswelt legt, im ‚unbetonten Hintergrund‘6 der Epen bereits beständig eine andere Realität hindurchschimmert.7 II.2. EIN FRÜHES VERFAHREN VON BÜNDNISSCHLUSS UND STREITBEILEGUNG: DAS EIDRITUAL Teil dieser anderen Realität ist auch ein recht ausgeklügeltes Verfahren von Bündnisschluss und Streitbeilegung.8 In diesem spielen die gegenseitig geleisteten Eide und das Ritual, in das jene eingebunden waren, eine zentrale Rolle.9 Wie lässt sich diese Rolle aber nun genau beschreiben? Oder konkreter gefragt: Welche religiös fundierten Sicherungsmechanismen von Vertragseiden lassen sich bereits bei Homer fassen? Als Ausgangspunkt dient eine Passage, die sich bereits im zweiten Gesang der Ilias findet. Dort heißt es: „Nein doch! Wahrhaftig, wie Kinder redet ihr in der Versammlung, Unmündige, die noch nicht kümmern die Werke des Krieges! Wohin soll es mit unseren Vereinbarungen und Eiden kommen? Sollen denn in Rauch vergehen die Ratschlüsse und Pläne der Männer? Und die Spenden ungemischten Weins und die Handschläge, auf die wir vertrauten!“10
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ten oder die homerische Gesellschaft. Beide sind in sich konsistent. Vgl. zu diesem Komplex Ulf (1990), Patzek (1992), bes. 186–202 und Fündling (2006). Vgl. zu diesem Aspekt Mann (2008), 17. So auch Raaflaub (1997a), 8 f. – Beispiele für diese neue Realität sind etwa in der Figur des Hektor als einem „Polisbürger des späten 8. Jahrhunderts” (Fündling [2006], 126), der Rolle von Rat und Heeresversammlung (vgl. Hölkeskamp [1997], Raaflaub [1997a]) und der Kampftechnik (Massen- neben Einzelkampf; s. Latacz [1977], Pritchett [1985], 7–33, Snodgrass [1993], van Wees [1994a], [1994b] und Raaflaub [1997b]) zu sehen. So sind von den wichtigsten Elementen eines griechischen Staatsvertrags bereits alle vorhanden. Eine Ausnahme bildet allein die schriftliche Fixierung der Vereinbarung, die in den homerischen Epen noch fehlt. Hierauf hat mit Recht Wéry (1979), 39 hingewiesen: „Die homerische Diplomatie hat ausschließlich mündliche Form (…).“ Zum homerischen Eidritual vgl. Faraone (1993), bes. 72–76, Kitts (2003) und jüngst Berti (2006), 183–193; zu Einflüssen aus dem Vorderen Orient s. Weinfeld (1973), (1990), Karavites (1992), bes. 58–81 und Giorgieri (2001) – diese sind in jüngster Zeit mehrfach herausgearbeitet worden und stehen im Folgenden daher nicht im Zentrum der Überlegungen –, zu den vertragsrechtlichen Aspekten vgl. Baltrusch (1994), bes. 104–117 und (2008), 5–9; zu der Bedeutung der Eidszenen bei Homer aus literaturwissenschaftlicher Sicht s. Arend (1933), 122 f., Callaway (1990), 1–148, (1998) und Kitts (2005); zur linguistischen Perspektive vgl. Priest (1964), Cohen (1980) und Karavites (1986a). Hom. Il. II 337–341: ὦ πόποι ἦ δὴ παισὶν ἐοικότες ἀγοράασθε / νηπιάχοις οἷς οὔ τι μέλει πολεμήϊα ἔργα. / πῇ δὴ συνθεσίαι τε καὶ ὅρκια βήσεται ἥμιν; / ἐν πυρὶ δὴ βουλαί τε γενοίατο μήδεά τ’ ἀνδρῶν / σπονδαί τ’ ἄκρητοι καὶ δεξιαί, ᾗς ἐπέπιθμεν· (Hervorhebungen v. Verf.).
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II. Διòς ὅρκια. Vertragseide in der homerischen Welt
Es ist der greise Nestor, der mit diesen Worten die vor Troja versammelten Griechen mahnt, standhaft zu bleiben, bis Troja fallen werde. Dabei sticht seine „emphasis (…) on oaths, contracts and binding agreements“11 ins Auge. Nestor präsentiert die Griechen als eine Schwurgemeinschaft und betont den verpflichtenden Charakter der gegebenen Versprechen. Die mit Opfern besiegelte Eidesvereinbarung in Aulis ist für ihn das entscheidende Band, das das Heer der Achaier zusammenhält.12 Um die emotionale Wirkung seiner Rede zu erhöhen, erwähnt er nicht nur die getroffenen Vereinbarungen (συνθεσίαι), sondern zählt im Folgenden detailgetreu auf, mit welchen religiösen Ritualen diese verbunden gewesen seien: Dem Ablauf des Rituals entsprechend nennt er zuerst die Eidopfer (ὅρκια), dann Weinspende (σπονδαί) und Handschlag (δεξιαί) und führt auch gleich die beabsichtigte Wirkung dieser Maßnahmen – die Stiftung von gegenseitigem Vertrauen – an (ἐπέπιθμεν).13 Welchen Typ von Bündnis dieses Ritual dabei genau absichern sollte, kann hier nicht näher diskutiert werden.14 Wichtig ist, dass schon die frühesten Formen zwi11 Raaflaub (1997a), 27, Anm. 100. 12 Dass Nestor hier auf die in Aulis geleisteten Eide anspielt, macht der Kontext der Passage deutlich: vgl. in der vorhergehenden Rede des Odysseus bes. die Verse Hom. Il. II 303–307. 13 Knippschild (2002), 30 sieht in der Aufzählung ein „Crescendo des Unerhörten“ und deutet den Handschlag als „Höhepunkt und (…) Endpunkt der Zeremonie“. Diese Interpretation gibt die zitierte Homerstelle allerdings nicht her: Die einzelnen Elemente eines Vertragsschlusses sind hier einfach in chronologischer Reihenfolge (1. Tieropfer, 2. Trankopfer, 3. Handschlag) wiedergegeben. Der Handschlag ist daher zwar ‚End‘-, aber nicht notwendig auch ‚Höhepunkt‘ des Rituals. – Auffälligerweise fehlt der Handschlag in den anderen bei Homer überlieferten Eidritualen. Es ließe sich vermuten, dass er in dieser Zeit seinen Platz eher bei einem Militärbündnis hat, das gemeinsame zukünftige Kriegführung gewährleisten soll, als bei einem Waffenstillstand oder Friedensvertrag, da bei letzteren das gemeinsame zukünftige Handeln nicht im Vordergrund steht. 14 Es spricht allerdings Einiges dafür, dass es sich entgegen der Ansicht Ernst Baltruschs bereits um eine Symmachie bzw. eine Vorform derselben handelte: Erstens stellte das Kampfbündnis der Griechen vor Troja nach Baltruschs eigenen Kriterien geradezu ein Musterbeispiel einer Symmachie dar (zu den – voneinander im Einzelnen abweichenden Kriterien – Baltrusch [1994], 6 und [2008], 40 f.). Den homerischen Griechen war somit die für eine Symmachie typische Form des Bündnisschlusses bekannt, weshalb zweitens das Fehlen des Terminus συμμαχία bei Homer nicht auf die Nichtexistenz der Sache hinweisen muss. Der Begriff ist zudem drittens in den epigraphisch überlieferten Staatsverträgen von den chronologisch frühesten Beispielen an präsent (vgl. StV II 120, Z. 2 [κ᾽οἱ σύνμαχοι]: Sybariten-Serdaier, vor 510; StV II 110, Z. 2 [συνμαχία κ᾽ἔα ἐκατὸν Ûέτεα]: Eleer-Eu[w]aier, wohl 1. V. 5. Jahrhundert). So auch Schwahn (1931), 1105 und Tausend (1992), 250. Hall (2007), 101 f. leitet die Entstehung des Begriffes σύμμαχος gerade aus der in der Früharchaik virulenten Notwendigkeit ab, für ein „ad hoc arrangement“ militärischer Natur eine Bezeichnung zu finden. Man hat es bei der Symmachie daher, wie dies die neuere Homerforschung schon für andere Entwicklungen (Kampfweise, Versammlung und Rat, Außenpolitik) gezeigt hat, mit einem Element zu tun, das im Hintergrund der Beschreibung bereits vorhanden ist und vielleicht nicht zuletzt aus Gründen der „poetic selection“ (Raaflaub [1997a], 10), der Fokussierung des Dichters auf Individuen, nicht erwähnt ist. Es muss ferner angemerkt werden, dass συμμαχία in keinem literarischen Hexameter auftaucht, also nicht nur bei Homer fehlt, sondern etwa auch bei Hesiod, Kallimachos, Apollonios von Rhodos, Arat, Quintus von Smyrna und Nonnos. In lyrischen Versmaßen findet sich der Begriff dagegen schon bei Pind. O. 10,72. Das unmittelbare Aufeinandertreffen von drei kurzen Silben im Nominativ Singular (μα-χι-α)
II.2. Ein frühes Verfahren von Bündnisschluss und Streitbeilegung
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schenstaatlicher Abkommen durch Eide gesichert wurden, denen in homerischer Zeit grundsätzlich ein großes Gewicht für die Begründung und Verstetigung sozialer Beziehungen zukam. Dies zeigt sich zum einen daran, dass sich schon bei Homer Ansätze zu einer Ausdifferenzierung verschiedener Eidtypen finden lassen, wie z. B. das Auftreten des terminus technicus γερούσιος ὅρκος (‚Ratseid‘) belegt.15 Zum anderen gibt es schon in den homerischen Epen eine klar erkennbare Eideshierarchie, an deren Spitze der μέγιστος ὅρκος δεινότατός τε16, den nur die Götter schwören, steht. Homerische Eide stellen damit keine primitiven Vorstufen griechischen Schwörens dar, sondern zeigen das Instrument der Eidessicherung bereits in einem durchaus entwickelten Zustand. Was in der zitierten Passage aus der Rede Nestors – wie bei Homer insgesamt – allerdings noch fehlt, ist ein später zentraler Aspekt der religiösen Absicherung einer zwischenstaatlichen Vereinbarung: die schriftliche Fixierung des Abkommens. Dass eine Publikation der Vereinbarung auf einer Vertragsstele in einem oder mehreren Heiligtümern noch nicht Element des Absicherung des Abkommens ist, erklärt sich aus dem weitgehenden Fehlen von Schriftlichkeit in homerischer Zeit. Homerische Diplomatie musste daher eine „ausschließlich mündliche Form“17 haben. In einem solchen Kontext kommt dem Ritual der Eidesleistung eine noch wichtigere Funktion zu. Wendet man sich allerdings dem Eidritual bei Homer zu, so sticht schon in der Nestor-Rede die Begrifflichkeit ins Auge: Der Terminus, der hier für die ‚Eide‘ gebraucht wird, ist nicht der übliche Begriff ὅρκος, sondern ὅρκια, also der Neutrum-Plural des von ὅρκος abgeleiteten Adjektivs (= ‚die den Eid betreffenden Dinge‘). Die beiden Ausdrücke sind bei Homer nicht gleichzusetzen: „horkos refers primarily to oaths and horkia primarily to treaties or the sacrificial victims employed in them“.18 Dass mit ὅρκια zunächst nicht der Eid als sprachliche Äußerung gemeint ist, verdeutlicht die bei Homer häufig auftretende Junktur ὅρκια τάμνειν19 – Eide kann man schließlich nicht im wörtlichen Sinne ‚schneiden‘. Verständlich wird die Formulierung erst, wenn man an das Schlachten der Opfertiere beim Eid macht das Wort im Hexameter zwar nicht unmöglich, aber doch sperrig und nur schwer verwendbar. Für das Fehlen der Begrifflichkeit ließe sich daher auch auf metrische und gattungsspezifische Notwendigkeiten verweisen. 15 Hom. Il. XXII 119. Vgl. zu dieser Passage Raaflaub (1997a), 14, Schulz (2011), 75. Heitsch (2010), 164–168 meint jetzt gar in Hom. Il. XXIII 581–585 eine Vorstufe der im attischen Gerichtswesen der klassischen Zeit so verbreiteten πρόκλησις εἰς ὅρκον – zu dieser s. jüngst Gagarin (2007) und Martin (2009), 254–260 – erkennen zu können. 16 Hom. Il. XV 57 f.; Od. V 185 f.; vgl. hierzu Hirzel (1902), 7–9 und jetzt Sommerstein – Torrance (2014), 195–212, bes. 195–199. 17 Wéry (1979), 39. 18 Cohen (1980), 49 f. 19 Die wörtliche Bedeutung ist ‚einen Eid schneiden‘. Die Wendung lässt sich auch in der längeren Version φιλότητα καὶ ὅρκια πιστὰ τάμοντες (Hom. Il. III 73) finden. Zu dem aus dem interpersonalen auf die zwischenstaatliche Ebene übertragenen Konzept der ‚Freundschaft‘ (φιλότης) bei Homer vgl. Karavites (1986b) und zuletzt Spahn (2006), bes. 165–175; zu der Bedeutung dieses Konzepts für die zwischenstaatlichen Beziehungen in klassischer Zeit s. etwa Mitchell (1997), 28–44. Baltrusch (1994), 6 f. 14 und (2008), 111 f. betont die Funktion der philia als Voraussetzung für eine Symmachie.
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II. Διòς ὅρκια. Vertragseide in der homerischen Welt
denkt. Daraus hat sich die metaphorische Bedeutung ‚ein Bündnis schließen‘ entwickelt. Die Wendung weist Parallelen im Hebräischen (berît kārat) und später im Lateinischen foedus ferire auf.20 Ein entschiedener Verfechter der These von der Trennung zwischen ὅρκος und ὅρκια findet sich in David Cohen, der bei Homer zwei voneinander vollkommen verschiedene Konzepte am Werke sieht. Er urteilt: „horkia and horkos typically occur in very different contexts“, sie seien „never interchangeable“ und beschrieben „two fundamentally different legal phenomena which must be scrupulously distinguished“.21 Hierin ist ihm zwar im Ansatz zuzustimmen, auch gelingt es ihm auf überzeugende Weise herauszuarbeiten, dass die ὅρκια immer ein Element der Reziprozität22 beinhalten. Allerdings betont er den rechtlichen Aspekt über und schießt zugleich über das Ziel hinaus, wenn er meint, dass die Verwendung des Begriffs horkia bei Homer die tatsächliche Leistung eines Eides ausschließe, und konkret bestreitet, dass in der berühmten Szene im dritten Gesang der Ilias, in der die Herstellung eines Waffenstillstands (σπονδαί) zwischen Griechen und Trojaner beschrieben wird, ein Eid geleistet worden sei.23 Wenden wir uns der entsprechenden Textstelle zu: Im dritten Gesang der Ilias findet sich die ausführlichste Beschreibung einer Eideszeremonie in der gesamten griechischen Literatur. Sie gliedert sich in zwei Teile, die von der berühmten Teichoskopia unterbrochen werden: Der erste Abschnitt24 beschreibt die dem Waffenstillstand vorausgehenden Verhandlungen, der zweite25 den Vollzug der Opferzeremonie beim Abschluss des Waffenstillstandsvertrags. Sinn der Vereinbarung ist es, Vertrauen zwischen den Heeren zu stiften, so dass beide Seiten den stellvertretenden Charakter des Zweikampfs zwischen Paris und Menelaos als Entscheidung über Sieg oder Niederlage im Krieg akzeptieren.26 Dass es sich bei der im zweiten Abschnitt beschriebenen Zeremonie gegen Cohen um ein Ritual handelt, das auch die Leistung eines Eides beinhaltete, zeigen folgende Beobachtungen: Erstens ist eine als ὅρκια bezeichnete Vertragszeremonie schon aus sprachlichen Gründen schwer ohne Eide denkbar.27 Zweitens lässt sich der Eid entgegen der Annahme 20
Vgl. auch Eur. Helen. 1235: σπονδὰς τάμωμεν. Vgl. Priest (1964); Bederman (2001), 62 f. spricht in Bezug auf die Vertragssprache von Akkadern, Hethitern, Ägyptern, Juden, Griechen, Karthagern und Römern von einer „commonality of terminology“ und „a Mediterranean tradition of treaty-making“. 21 Cohen (1980), 50, zustimmend Karavites (1992), 59–76. Man darf diese Trennung aber nicht zu schematisch und strikt annehmen, vgl. auch Giorgieri (2001), 426, Anm. 13, der die Analyse Cohens für „[m]eno convincente“ hält, da „Cohen si fonda su presupposti troppo rigidamente terminologici.“ 22 Die Bedeutung der Reziprozität für das politische Handeln in homerischer Zeit betont Wagner-Hasel (2000); Hitch (2009), 111–139 hebt die in der Ilias geltende „reciprocity of sacrifice“ (111) hervor. 23 Vgl. Cohen (1980), 54–58, bes. 55. 24 Hom. Il. III 39–120. 25 Hom. Il. III 245–323. 26 Zur Monomachie als Mittel der Streitbeilegung – auch in anderen Kulturkreisen – zuletzt Giovannini (2007), 175–177 und Baltrusch (2008), 8 f. 27 So auch Berti (2006), 184: „However, as a treaty without an oath would not have any guarantee of validity, the term also refers to the oath itself. Orkia temnein, therefore, means to take an
II.2. Ein frühes Verfahren von Bündnisschluss und Streitbeilegung
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Cohens28 auch klar im Text verorten: So wird von Agamemnon in den Versen 275– 291 ein Eid geleistet, der die typischen Elemente eines Vertragseides beinhaltet: 1. die invocatio der Götter, bei denen die Vereinbarung geschworen wird – mit Zeus, Helios und Ge sind darunter drei später kanonische Schwurgottheiten29 –, 2. den Inhalt der Vereinbarung, vorgebracht in der 1. Person, die hier allerdings zwischen den Numeri changiert (bezeichnenderweise wechselt Agamemnon genau an der Stelle in den Singular, an der es um seine τιμή geht [288]) – und 3. nach einer kurzen Unterbrechung von sechs Versen (292–297), in der das Schlachten der Opfertiere und das Ausgießen der Weinspende beschrieben wird, die Exsekrationsformel (Verfluchung), die nicht mehr nur von Agamemnon, sondern von mehreren Achaiern und Trojanern (τις…Ἀχαιῶν τε Τρώων) gesprochen wird. Cohen argumentiert dagegen, dass die Worte Agamemnons durch das Prädikat εὔχετο und nicht durch eine Form von ὄμνυμι oder dergleichen eingeleitet würden; außerdem müsse Agamemnon, wenn man in III 284–287 einen Eid annimmt, den Schwur auch für die Trojaner leisten.30 Der εὔχετο-Einwand lässt sich durch den Verweis auf das ἐπίορκον ὀμόσσῃ in Vers 279, gefolgt von ὅρκια πιστά in Vers 280 entkräften – hier wird eindeutig die Vorstellung von Eiden evoziert. Ferner erscheint die strikte Trennung unglücklich: Ließe sich nicht jeder Eid auch als ein Gebet verstehen?31 Die Beobachtung, dass Agamemnon hier in den Versen 284–287 den Eid der Trojaner gleichsam mitleistet, ist dagegen schon schwerer zu oath and is practically synonymous with the treaty itself, which is referred to by the adjective pista.” S. auch Giorgieri (2001), 426 f. 28 Vgl. Cohen (1980), 55. 29 Diese Göttertrias findet sich schon bei der Vorbereitung der Eidopfer in Hom. Il. III 104. S. zu den Dreien als ‚ursprüngliche‘ griechische Eidestrias Usener (1903), 17–24 und Nilsson (³1967), 139–142, bes. 141 („Himmel, Wasser und Erde“), vgl. auch Plescia (1970), 4, Rudhardt (²1992), 205, Chaniotis (1996a), 71, Graf (2005), 245 und Burkert (²2011), 377. Dies gilt grosso modo auch für Staatsverträge; so schon bezogen auf Kleinasien ab dem 3. Jahrhundert Ziebarth (1905), 2078. Vgl. die Auflistung der relevanten größtenteils epigraphischen Belege bei Brulé (2005), 164–167. Zu den 37 von jenem aufgelisteten Fällen lassen sich nun noch sechs weitere hinzufügen (vgl. Tabelle I im Anhang dieser Untersuchung). In diesen Listen taucht Zeus 36mal an erster, Ge und Helios 19 (bzw. 20mal, wenn die vom Verfasser im Anhang gegebene Ergänzung richtig ist) an zweiter und dritter Stelle auf. Nicht mit eingerechnet sind die kretischen Vertragseide, die innerhalb der griechischen Vertragseide einen Sonderfall darstellen, vgl. dazu Kap. IV.2.1. Die kretischen Schwurgötterlisten sind übersichtlich zusammengestellt bei Chaniotis (1996a), 72 f., Sporn (2002), 376 f. und Brulé (2005), 168– 172. 30 Vgl. Cohen (1980), 56 f. 31 So auch Graf (1998), 831, der die Worte Agamemnons als ein „Eid-G.[ebet]“ bezeichnet und Lateiner (2011), 578, der allgemein über das Verhältnis von Eid und Gebet bei Homer urteilt: „Oaths overlap with prayers in drawing the powerful gods into human affairs“. Als Gebet deutet die Passage dagegen Létoublon (2011), 293 f. Von Severus (1972), 1135 zählt den Eid allgemein neben Bitte, Hymnus und Fluch zu den verschiedenen Gebetstypen. S. zum Gebet bei den Griechen ferner Versnel (1981), 1–64, Aubriot (1992), Scheer (2001), und Au-
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II. Διòς ὅρκια. Vertragseide in der homerischen Welt
erklären. Es scheint sich dabei um ein Phänomen zu handeln, das man als ‚epische Verdichtung‘ bezeichnen könnte.32 Eine solche narrative Technik erlaubt es dem Dichter, die Erzählung zu straffen und nicht mehrere z. T. wortgleiche Eide nacheinander anführen zu müssen. Sie werden daher zu einem einzigen zusammengefasst. Genau genommen beschwört Agamemnon daher die gesamte Vereinbarung.33 Betrachten wir nun das beschriebene Eidritual etwas genauer: Zunächst einigen sich Hektor und Menelaos darauf, dass die Trojaner zwei Lämmer – ein weißes männliches für Helios und ein schwarzes weibliches für Ge –, die Griechen aber ein drittes für Zeus herbeischaffen sollen.34 Die Farben der Opfertiere stehen für die Farbe von Sonne (Helios) und Erde (Ge). Es sticht die Detailfreude ins Auge, mit der die das Ritual betreffenden Angelegenheiten geregelt werden. Diese sind zudem Element der dem Opfer vorausgehenden diplomatischen Verhandlungen.35 Die drei Götter, die hier mit Opfertieren bedacht werden sollen, sind die drei ‚klassischen‘ griechischen Schwurgottheiten und stehen für die Elemente Sonne, Himmel und Erde. Hinter der Wahl gerade dieser Götter scheint die Vorstellung zu stehen, dass ein Eidbruch nicht unbemerkt bleiben und der Eidbrüchige nirgends vor der göttlichen Vergeltung sicher sein könne – weder im Himmel noch auf der Erde.36 Um dieses Konzept noch umfassender zu gestalten, werden die Schwurgötter im Eid des Agamemnon durch die Flüsse (ποταμοί) und nicht näher spezifizierte Mächte der Unterwelt erweitert.37 Die Botschaft dieser Erweiterung der Eidesformel lautete, dass die Götter auch auf dem Wasser und unter der Erde Eidbruch bemerken und strengstens sanktionieren. Die Wahl der Götter scheint also darauf ausgerichtet, die Unausweichlichkeit und Unvermeidlichkeit der Strafe, die Eidbrecher erwartet, zu verdeutlichen. In Vers 245 beginnt das Eidritual: Programmatisch eingeleitet durch das Wort κήρυκες, das sofort verdeutlicht, dass hier eine neue Handlung einsetzt. Die trobriot (2005), 473–490; speziell zur Funktion von Gebeten bei Homer vgl. Beckmann (1932) und Morrison (1991), 145–157, zur Bedeutung von εὔχεσθαι s. Muellner (1976). 32 Ein vergleichbares Phänomen, wenn auch in einem ganz anderen gattungsgeschichtlichen Kontext, findet sich bei Pol. VII 9, 1–17, wo bei der Wiedergabe des Vertrags zwischen Philipp V. und Hannibal die Verpflichtungen beider Partner im Eid Hannibals aufgeführt werden. 33 Baltrusch (1994), 106 deutet die Worte Agamemnons deshalb auch konsequent als den „Vertragstext“. Dies ist formal korrekt, wird aber dem religiösen Charakter der Rede nicht gerecht, die durch das εὔχετο eingeleitet wird und mit einem Götteranruf beginnt. Es handelt sich nicht, wie bei späteren Spondai um einen Vertrag, der auch die Eide beinhaltet, sondern um einen Eid, der die Vertragsbedingungen gleichsam mit aufführt. 34 Vgl. Hom. Il. III 103 f.: οἴσετε ἄρν’, ἕτερον λευκόν, ἑτέρην δὲ μέλαιναν, / Γῇ τε καὶ Ἠελίῳ· Διὶ δ’ ἡμεῖς οἴσομεν ἄλλον. 35 Zu diesen Verhandlungen s. Hom. Il. III 76–120, bes. 102–110, wo es um Zahl und Farbe der Lämmer, aber v. a. um die Personen der Eidesleister geht. 36 Diese Vorstellung ist nicht genuin griechisch, sondern auch im iranischen und indischen Bereich anzutreffen: Man denke an Mithra, der tausend Ohren und zehntausend Augen hat, und Beschützer und Wahrer von Verträgen ist (Yt. 10,7); s. dazu jetzt Knäpper (2011), 66 f.; ähnlich der indische Mitra, der allwissend ist und seine Spione hat, vgl. Knäpper (2011), 54, Anm. 266. 37 Die invocatio des Eides findet sich in Hom. Il. III 276–280. In ganz paralleler Weise erweiterte man später in Vertragseiden des 4. Jahrhunderts die drei genannten Gottheiten um Poseidon.
II.2. Ein frühes Verfahren von Bündnisschluss und Streitbeilegung
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ischen Herolde bringen die beiden Lämmer für Ge und Helios und den Wein für das Trankopfer mitsamt Mischkrug und goldenen Bechern, zusammengefasst unter dem Oberbegriff θεῶν…ὅρκια πίστα, herbei.38 Priamos wird von Antenor begleitet und tritt ἐς μέσσον Τρώων καὶ Ἀχαιῶν39; Agamemnon mit Odysseus tut es ihm gleich.40 „Stattliche Herolde“ bringen Opfertiere und Wein (erneut: ὅρκια πιστὰ θεῶν), mischen den Wein im Kessel und begießen den basilees die Hände mit Wasser.41 Agamemnon schneidet (τάμνε) den Lämmern das Haar vom Kopf und die Herolde verteilen es an die „Edelsten (ἀριστοῖς) der Troer und Achaier“.42 Neben Agamemnon, der das Opfer vollzieht – Gleiches wird man auf der trojanischen Seite für Priamos annehmen können –,43 werden also die Fürsten beider Seiten am Opfer beteiligt. In Stellvertretung für die jeweiligen Kontingente, denen sie vorstehen, reinigen sie ihre Hände und berühren die Opfertiere. Dem physischen Kontakt44 kommt eine große Bedeutung zu. Er macht die nach dem Eid Agamemnons ausgesprochene Selbstverfluchung45 für den einzelnen basileus ‚(er-) fassbar‘.46 38
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Vgl. Hom. Il. III 245–247: Κήρυκες δ’ ἀνὰ ἄστυ θεῶν φέρον ὅρκια πιστὰ / ἄρνε δύω καὶ οἶνον ἐΰφρονα καρπὸν ἀρούρης / ἀσκῷ ἐν αἰγείῳ· Das Prädikat φέρον macht klar, dass ὅρκια hier etwas ‚Greifbares‘ meinen muss. – Zur Stellung von Herolden und Gesandten in homerischer Zeit vgl. Wéry (1979), 13–56, Karavites (1987), 41–100 und jetzt Tietz (2011). Hom. Il. III 266. Das Eidritual findet also vor den beiden Heeren statt. Auf die Bedeutung des Publikums und den performativen Charakter der Szene weist in diesem Zusammenhang mit Recht Berti (2006), 191 f. hin, die in diesem Sinne auch von einer „‚theatrical‘ nature“ des Eidrituals spricht. Ebd. 267 f. Die beiden ‚Sekundanten‘ stellen die menschlichen Zeugen des Eides dar und sind nicht zufällig gewählt: Odysseus ist in den homerischen Epen „a diplomat par excellence“ (Berti [2006], 186, Anm. 31; so auch schon Wéry [1979], 22 [sinngemäß], m. 47, Anm. 51 und dem Hinweis, dass ihm das Epitheton πολύμητις in den homerischen Epen 85mal beigegeben werde; 26 und 52 f., Anm. 115), Antenor der Exponent der troischen ‚Friedenspartei‘ (vgl. etwa Hom. Il. VII 348–353). Ebd. 268–270, Zitate: 268 (κήρυκες ἀγαυοί) und 269. Hom. Il. III 271–274, Zitat: 274. Es ist auffällig, dass der Waffenstillstand nicht von den beiden Fürsten rituell besiegelt wird, die den Zweikampf durchführen, also Menelaos und Paris, sondern von den jeweils höchsten Autoritäten, Agamemnon als dem primus inter pares der griechischen basilees, und Priamos als dem alten König von Troja. Vgl. Berti (2006), 185 f. – Die hervorgehobene Rolle des Agamemnon in homerischen Opferritualen betont jetzt Hitch (2009), 141–202. Dieser physische Kontakt kann beim Eidritual gelegentlich auch auf andere Weise als durch die Berührung der Opfertiere erfolgen. Vgl. Hom. Il. I 233–239; X 328–332; XXIII 439–441, 581–585; vgl. dazu auch Berti (2006), 192. Man sollte allerdings nicht wie diese zu sehr versuchen, verschiedene ‚Formen‘ oder ‚Typen‘ von Eidritualen davon abzuleiten, da hier sehr häufig narrative Gründe eine entscheidende Rolle spielen. Hom. Il. III 298–301, bes. 299 f. Vielleicht lässt sich auch das Besprengen der Hände mit Wasser in diese Richtung deuten und ist nicht allein als Reinigungsgestus zu interpretieren. In diese Richtung weist der Erzählduktus der Passage, in der das Mischen des Weines – eindeutig mit Wasser – dem Begießen der Hände unmittelbar vorausgeht. Die Passage suggeriert, dass es sich dabei um dasselbe Wasser handelt, das zuvor mit dem Wein vermischt wurde. Zur Seltenheit der Verwendung von ungemischtem Wein bei der Libation vgl. Graf (1980) und Berti (2006), 188 m. Anm. 44. Letztere (186 f.) betont ferner die doppelte Bedeutung der Berührung der Haare der Opfertiere: Diese stifte ne-
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II. Διòς ὅρκια. Vertragseide in der homerischen Welt
Zu dem Eid gehört das Schlachten der Opfertiere, dessen genaue Schilderung sich der Dichter nicht zu geben enthält: Dem Durchschneiden der Kehle folgt das Zubodenwerfen und krampfhafte Zucken der sterbenden Körper. Diese ausführliche Beschreibung des Sterbens der Opfertiere ist – wie Geoffrey S. Kirk gezeigt hat – ohne Parallele bei Homer.47 Interessanterweise verwendet der Dichter dafür ein Vokabular, das ansonsten für die Beschreibung des Todes von Kriegern reserviert ist.48 Das Wortfeld weist also in gewisser Weise auf eine Gleichsetzung zwischen dem Schicksal der Opfertiere und dem von Menschen hin: Irene Berti spricht daher mit Bezug auf diese Szene von einer „anthropomorphisation of the slaughter“49. Dieser Aspekt verdient Beachtung: Griffe es doch zu kurz, die Verwendung des Vokabulars allein als dichterisches Mittel zu verstehen, das zu dem Zweck eingesetzt wird, die Bedeutung der Szene zu steigern.50 Vielmehr scheint dahinter die Idee zu stehen, dass das Eidritual zur Zeit der Abfassung des Epos als eine Art „‚dramatization‘ of the curse“51 aufgefasst wurde, bei der die blutenden „Kehlen der Lämmer“52 das Schicksal des Eidbrechers verdeutlichen sollten. Es handelt sich daher um eine Art ‚Drohritus‘53, nicht um ein bloßes Opfer an die Götter. Dies zeigt sich, wenn im vierten Gesang auf eben diesen Eid mit den Worten ὅρκιον αἷμά τε ἀρνῶν54 rekurriert wird: Das, was das Eidritual ausmacht, sein zentrales Moment, ist also die Verbindung der Eidesleistung mit dem „Blut der Lämmer“. Die Bedeutung des Blutes zur Veranschaulichung der Schrecken, die auf den Eidbrecher warten, ist evident. ben der Bindung zwischen den am Ritual Teilnehmenden und den Opfertieren auch eine Verbindung zwischen den Ritualteilnehmern. 47 Vgl. Kirk (1985), 307 f. 48 Vgl. Kirk (1985), 307 f. mit Bezug auf ἀσπαίροντας (‚krampfhaft zucken‘) in III 293 und θυμοῦ δευομένους (‚des Lebens/ Atems beraubt‘) in III 294. Belegstellen für eine solche Beschreibung des menschlichen Sterbens auf dem Schlachtfeld finden sich etwa in Hom. Il. X 521; XIII 442 (ἀσπαίρειν), und Hom. Il. XX 471 f. (θυμοῦ δευομένους). Vgl. hierzu auch Berti (2006), 187. 49 Berti (2006), 187; vgl. auch Giorgieri (2001), 427 m. Anm. 15. 50 Dies spielt sicher auch eine Rolle – nicht umsonst hat der Dichter an einer weniger zentralen Stelle, namentlich im siebten Gesang (44–310), als noch einmal eine Monomachie geschildert wird, die den Krieg beenden soll (Hektor vs. Ajax), kein Eidritual beschrieben: Hier ist es für den Gang der Handlung nicht notwendig, da der Fokus der Passage nicht wie im dritten Gesang auf dem Eidbruch der Trojaner liegt. Dennoch entspricht die homerische Beschreibung hier zu sehr griechischen Vorstellungen von der Bestrafung von Eidbrechern, als dass man allein poetische Übertreibung als Erklärung für das verwendete Vokabular heranziehen könnte. 51 Berti (2006), 187. 52 Hom. Il. III 292: Ἦ, καὶ ἀπὸ στομάχους ἀρνῶν τάμε νηλέϊ χαλκῷ· (Unterstreichung v. Verf.). 53 Dies hat v. a. die italienische Forschung mit Recht betont: vgl. Giorgieri (2001), 427 und Berti (2006), 189. Der Begriff figuriert in der Forschung ansonsten v. a. unter Alttestamentlern, Assyrologen und Hethitologen besonders prominent (s. etwa Mac Carthy [²1978], 94, Weinfeld [2005], 221, Hahn [2005], 78 f., 82 und Koch [2008], 50, 67). Mit Ekroth (2002), 325–330 könnte man auch von einem „high intensity rite“ sprechen, so auch Kitts (2003), 30 f. und Berti (2006), 188 f. 54 Hom. Il. IV 158.
II.2. Ein frühes Verfahren von Bündnisschluss und Streitbeilegung
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Im Anschluss an das Schlachten der Opfertiere wird die eigentliche Trankspende55 beschrieben, bei der der Wein von einem nicht näher genannten Kollektiv – es dürfte sich um die schon zuvor beteiligten basilees/ aristoi handeln56 – vergossen, nicht getrunken wird.57 Dabei sprechen sie die direkt an Zeus und die anderen unsterblichen Götter gerichtete Selbstverfluchung: „Zeus, erhabenster Herr, und ihr andern unsterblichen Götter! Welche zuerst von uns Gegnern das heilige Bündnis verletzen, Denen fließe das Hirn zu Boden, so wie der Wein hier, Ihnen selbst und ihren Kindern, und Fremden gehören ihre Frauen!“58
Der beschwörende Charakter der Selbstverfluchung für den Fall der Übertretung des Eides wird durch die verwendete rituelle Sprache untermauert: Besonders deutlich zeigt sich eine solche rituelle Sprache an den Homoioteleuta κύδιστε μέγιστε und ὁππότεροι πρότεροι, die zudem die ersten (!) Übertreter des Eides direkt an Zeus verweisen.59 Aufgrund der Parallelisierung von Opferhandlung und göttlicher Vergeltung, die den Meineidigen trifft (Sterben der Opfertiere = Tod des Eidbrechers; Wein = Blut des Eidbrechers), hat man solche Opferhandlungen als ‚sympathetic ritual/ magic‘60 bezeichnet. Mit Fritz Graf sollte man allerdings besser von „ritueller Verdeutlichung“61 sprechen, da es nicht um ‚Mitleiden‘ mit dem Opfertier geht, sondern darum, zu verdeutlichen, welche Schrecken dem Eidbrüchigen blühen.62 Für Walter Burkert ist der „Charakter des Unwiederbringlichen und oft des prägenden Schreckens“63 geradezu ein Signum des griechischen Eidrituals. Es ging also gerade nicht darum, den Konsens der beteiligten Parteien zu inszenieren, 55
Berti (2006), 189 bezeichnet sie als „second execratory ceremony“. Der Libation kommt also – genau wie dem Schlachten der Opfertiere, der „first execratory ceremony“ – die Funktion zu, die Konsequenzen der im Eid eingegangenen Selbstverfluchung für den Fall der Übertretung performativ und visuell zu verdeutlichen. 56 Elmer (2012), 28–37 hebt dagegen jüngst in einer Analyse dieser Passage gerade die Anonymität der Gruppe (τις […] Ἀχαιῶν τε Τρώων τε [Hom. Il. III 297]) hervor. 57 Getrunken wird im griechischen Eidritual überhaupt nur äußerst selten (vgl. etwa Hom. Il. IX 174–178), und wenn, dann scheint es eher von Nichtgriechen berichtet zu werden (vgl. etwa Hdt. IV 70: Skythen), s. hierzu auch Giorgieri (2001), 433–435 und Berti (2006), 190 f. m. Anm. 52. 58 Hom. Il. III 298–301: „Ζεῦ κύδιστε μέγιστε καὶ ἀθάνατοι θεοὶ ἄλλοι, / ὁππότεροι πρότεροι ὑπὲρ ὅρκια πημήνειαν, / ὧδέ σφ’ ἐγκέφαλος χαμάδις ῥέοι ὡς ὅδε οἶνος, / αὐτῶν καὶ τεκέων, ἄλοχοι δ’ ἄλλοισι δαμεῖεν.“ 59 Der Verweis der Eidbrecher an Zeus wird literarisch durch die Parallelität der Stellung der genannten Homoioteleuta im Vers evoziert: Sowohl die Zeus-Epiklese in V. 298 (Ζεῦ κύδιστε μέγιστε) als auch die Nennung der Eidbrecher in V. 299 (ὁππότεροι πρότεροι) nehmen in ihrem Vers jeweils den Platz bis zur Hauptzäsur ein – in V. 298 handelt es sich dabei um eine sog. ‚weibliche Zäsur des 3. Fußes‘, im folgenden Vers um die häufigere Penthemimeres. 60 So etwa Faraone (1993), 60 f. 61 Graf (2005), 244. 62 Graf a. a. O. weist ferner darauf hin, dass der Terminus ‚sympathetische Magie‘ „eine wesensfremde Terminologie“ einführe, „da ein Eid mit Magie nichts zu tun“ habe. Zu dem Verhältnis zwischen Religion und Magie, das hier nicht weiter erörtert werden kann, vgl. Versnel (1991), 177–197. 63 Burkert (1985), 244.
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II. Διòς ὅρκια. Vertragseide in der homerischen Welt
sondern es sollte die grausame Unumgänglichkeit der Strafe im Falle des Eidbruchs illustriert werden. Dies verdeutlicht auch das Ende des Rituals: Anstatt die Opfertiere gemeinsam zu verspeisen, werden sie von Priamos auf den Wagen geladen und mitgenommen.64 An anderer Stelle in der Ilias hört man gar davon, dass das Opfertier – in diesem Fall ein Eber – von einem Herold mitgenommen und „den Fischen zum Fraß“65 ins Meer geworfen wird.66 Am Ende des Rituals steht also kein gemeinsames Mahl als konsensstiftende Aktion, sondern die rituelle Selbstverfluchung für den Fall des Eidbruchs als religiös fundiertes Abschreckungsszenario. II.3. RELIGIÖSE VORSTELLUNGEN HINTER DEM VERTRAGSEID Die Drohkulisse für Eidbrüchige wurde aber nicht nur im Ritual inszeniert, sondern manifestierte sich auch in Erzählungen und Vorstellungen, die hinter dem Eid standen. So wurde in der homerischen Vorstellungswelt der Schutz des Eides in besonderer Weise mit Zeus als dem obersten Gott des griechischen Pantheons verbunden. Man machte die Bestrafung der Eidbrüchigen damit gleichsam zur ‚Chefsache‘.67 II.3.1. Die besondere Verbindung zwischen Zeus und Eiden Dieser Zusammenhang lässt sich schon in der Ilias greifen, wenn in III 107 von den Διὸς ὅρκια die Rede ist. Zeus ist somit exklusiv für die Eide zuständig und sogar Götter können bei ihm oder genauer bei seinem Haupte schwören.68 Die Verbin64 Hom. Il. III 310. Vgl. hierzu auch Berti (2006), 187. 65 Hom. Il. XIX 268. – Paus. V 24,11 zitiert diese Passage, um zu belegen, dass es „bei den Älteren bei einem Opfertier, über dem jemand geschworen hatte, Brauch war, daß kein Mensch mehr davon essen durfte.“ (Paus. V 24,10: […] τοῖς γε ἀρχαιοτέροις ἐπὶ ἱερεῖα ἦν καθεστηκός, ἐφ’ ᾧ τις ὅρκον ἐποιήσατο, μηδὲ ἐδώδιμον εἶναι τοῦτο ἔτι ἀνθρώπῳ.). Vgl. zu dieser Passage Burkert (²2011), 378 f. 66 Seine Bedeutung erhält diese Handlung durch die zuvor vorgenommene Parallelisierung zwischen dem Eidbrüchigen und dem Opfertier. Die Vorstellung, dass man als Eidbrüchiger unbegraben ins Meer geschleudert werden könnte, musste bei einem homerischen Griechen „pure terror“ (Berti [2006], 190) auslösen. 67 Zeus wurde in den homerischen Epen auch mit anderen zwischenstaatlichen Institutionen besonders eng verbunden: so z. B. mit Herolden (Hom. Il. VII 274: κήρυκες als Διὸς ἄγγελοι ἠδὲ καὶ ἀνδρῶν [Unterstreichung v. Verf.]); vgl. zu dieser Stelle auch Wéry (1979), 17 f., 31–34, 47, Anm. 47 und Raaflaub (1997a), 26 m. Anm. 98 und weiterer Literatur, der a. a. O. auch auf die Bedeutung hinweist, die Zeus Xenios in den homerischen Epen „as protector of foreigners and foreign relations“ zukommt – so etwa in Hom. Od. XIV 57 f.: Διός εἰσιν ἅπαντες / ξεῖνοί (…) oder ebd. XIV 389: Δία ξένιον. Wéry (1979), 33 versteht die homerische Gesellschaft gar als eine Gemeinschaft, „in der jede Gewalt und jedes Gesetz als Ausfluß des Willens des Zeus angesehen werden und als solche von ihm sanktioniert sind.“ Vgl. zu Zeus bei Homer auch die verstreuten Hinweise in den materialreichen Studien von Cook (1914) und (1925). S. ferner Lloyd-Jones (1971), 1–54, bes. 5–8, Gill (1980), 381–387, Dowden (2006), 86–90, Kreutz (2007), 6–10 und Burkert (²2011), 199–205. 68 Vgl. Hom. Il. XV 39.
II.3. Religiöse Vorstellungen hinter dem Vertragseid
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dung zwischen Zeus und Eiden findet sich in den homerischen Epen aber nicht ausschließlich an dieser Stelle. So liest man im vierten Gesang der Ilias: „Denn nicht wird Vater Zeus Betrügern ein Helfer sein, sondern sie, die als erste, gegen die Eide, Schaden verübten, denen selber, wahrhaftig! sollen die zarte Haut die Geier fressen.“69
Zeus wird hier offensichtlich nicht nur explizit mit Eiden verbunden, sondern auch mit der Ahndung ihrer Übertretung betraut; seine Funktion ist eine strafende. Seine Rache erfolgt – wie eine andere Passage im vierten Gesang erweist – sicher, allerdings ist der Zeitpunkt ungewiss.70 In der schon erwähnten zweiten Monomachie im siebten Gesang wird Zeus von Hektor als einziger göttlicher Zeuge (ἐπιμάρτυρος) seines Eides angerufen.71 Genauso verfährt Agamemnon, als er den Trojanern im Anschluss an den Zweikampf eine Waffenruhe zur Bestattung ihrer Toten beschwört.72 Auch als er Achilles den Eid leistet, Briseis nicht angerührt zu haben, kommt Zeus als πρῶτα θεῶν ὕπατος καὶ ἄριστος73 unter den aufgeführten Schwurgottheiten eine Sonderstellung zu, die er auch in der Odyssee einnimmt.74 Zeus steht aber nicht über den Eiden, vielmehr zeigt sich die hohe Bedeutung von Schwüren gerade daran, dass sogar er selber sich an einen einmal geleisteten Eid halten muss, auch wenn dieser durch einen Trick herbeigeführt wurde.75 Warum Jacob Burckhardt Zeus „in der Ilias“ als den „wahre(n) Meister des Meineids“76 sieht, ist nicht ganz ersichtlich. Allerdings 69
Hom. Il. IV 235–237: οὐ γὰρ ἐπὶ ψευδέσσι πατὴρ Ζεὺς ἔσσετ’ ἀρωγός, / ἀλλ’ οἵ περ πρότεροι ὑπὲρ ὅρκια δηλήσαντο / τῶν ἤτοι αὐτῶν τέρενα χρόα γῦπες ἔδονται, (…). 70 Vgl. Hom. Il. IV 160–168: εἴ περ γάρ τε καὶ αὐτίκ’ Ὀλύμπιος οὐκ ἐτέλεσσεν, / ἔκ τε καὶ ὀψὲ τελεῖ, σύν τε μεγάλῳ ἀπέτισαν / σὺν σφῇσιν κεφαλῇσι γυναιξί τε καὶ τεκέεσσιν. / εὖ γὰρ ἐγὼ τόδε οἶδα κατὰ φρένα καὶ κατὰ θυμόν· / ἔσσεται ἦμαρ ὅτ’ ἄν ποτ’ ὀλώλῃ Ἴλιος ἱρὴ / καὶ Πρίαμος καὶ λαὸς ἐϋμμελίω Πριάμοιο, / Ζεὺς δέ σφι Κρονίδης ὑψίζυγος αἰθέρι ναίων / αὐτὸς ἐπισσείῃσιν ἐρεμνὴν αἰγίδα πᾶσι / τῆσδ’ ἀπάτης κοτέων· τὰ μὲν ἔσσεται οὐκ ἀτέλεστα· – „Denn wenn es auch nicht sogleich der Olympier vollendet: / Vollenden wir er es, wenn auch spät, und mit Großem werden sie es büßen: / mit ihren eigenen Häuptern und den Frauen und den Kindern. / Denn gut weiß ich (sc. Agamemnon) das im Sinn und in dem Mute: / Sein wird der Tag, wo einst zugrunde geht die heilige Ilios / und Priamos und das Volk des lanzenguten Priamos. / Und Zeus, der Kronide, der hoch am Steuerruder sitzt, im Äther wohnend, / wird selber gegen sie die finstere Aigis schütteln, gegen sie alle, / um dieses Betrugs willen grollend. Dies wird geschehen und nicht unerfüllt bleiben.“ 71 Hom. Il. VII 76. 72 S. ebd. VII 411: ὅρκια δὲ Ζεὺς ἴστω ἐρίγδουπος πόσις Ἥρης. 73 Ebd. XIX 258. – Dieser für den Gang der Handlung so zentrale Eid Agamemnons bestätigt die oben geäußerte Vermutung, dass das Eidritual in der Ilias immer dann beschrieben wird, wenn der Eid von besonderer Bedeutung für die Erzählung ist: Schließlich ist die Ilias streng genommen eine Achillëis und beginnt mit der μῆνις Achills, die ihre Ursache in eben jener Briseis hat, die dem Peliden von Agamemnon vorenthalten worden war und die er nun zurückerhält. – Für die Anrufung des Zeus im Eid als πρῶτα θεῶν ὕπατος καὶ ἄριστος vgl. ferner Hom. Od. XIX 303; XX 230 und Il. XXIII 43 (οὐ μὰ Ζῆν’, ὅς τίς τε θεῶν ὕπατος καὶ ἄριστος), s. zu dieser Stelle auch Kitts (2008), 231; Ζεῦ πάτερ Ἴδηθεν μεδέων κύδιστε μέγιστε in Il. III 276 und 320. 74 Vgl. Od. XIV 158; XVII 155 (jeweils: Ζεὺς πρῶτα θεῶν); XX 339; XXIV 542 f. 75 Hom. Il. XIX 91–133. 76 Burckhardt (2005), 329. – In den homerischen Epen sind es eher Hera und Hermes, die mit
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II. Διòς ὅρκια. Vertragseide in der homerischen Welt
gibt es durchaus eine frühe Tradition, die dem Zeus einen Meineid zuschreibt: Dabei handelt es sich um den sogenannten Ἀφροδίσιος ὅρκος, den Eid in Liebesdingen. Dieser wird zum ersten Mal in einem Hesiod-Fragment erwähnt und dem Zeus zugeschrieben, der damit sein Verhältnis mit Io zu verbergen gesucht habe.77 Da Zeus selber in einer solchen Angelegenheit einen Meineid geschworen habe, werde eben dieser in Liebesdingen von den Göttern nicht bestraft.78 Die Möglichkeit eines solchen Schlupfloches erscheint dem Verfasser für griechisches Eidesdenken bezeichnend. Dennoch, bei Homer ist Zeus der Eidgott par excellence, und es scheint kein weiter Weg mehr bis zu der Verleihung des Epithetons Horkios. Auch wenn also in homerischen Eiden verschiedene Götter als Schwurgötter angerufen werden, so gibt es doch eine besondere Verbindung der Eide zu dem obersten Gott der Griechen, der in homerischen Eiden auch immer als erster Gott angerufen wird. Auf diese Weise schrieb man den Eiden und der Bestrafung ihrer Übertretung eine besonders große Bedeutung zu, die in späterer Zeit noch gesteigert wurde, wie noch zu zeigen sein wird. Neben Zeus figurieren bei Homer aber auch andere göttliche Mächte, die Meineidige zur Rechenschaft ziehen. II.3.2. Die Erinnyen als Rächerinnen des Eidbruchs Die Funktion der Erinnyen als Rächerinnen des Eidbruchs wird in der schon erwähnten Eidesszene im dritten Gesang deutlich, wo von unterirdischen Mächten die Rede ist, die die Schatten der Menschen büßen ließen, „die falsche Eide geschworen“79 hätten. Dass es sich dabei um die Erinnyen handelt,80 belegt ein Vergleich mit dem Briseis-Eid des Agamemnon im 19. Gesang: Nach der invocatio von Zeus als dem „höchste(n) und beste(n) der Götter“, folgen Ge und Helios. Als letzte werden schließlich wörtlich „die Erinyen“ angerufen, „die unter der Erde die Menschen strafen, wenn einer einen Meineid schwört“.81 Die Rache der Erinnyen trifft den Frevler also noch über den Tod hinaus in der Unterwelt. In der zeitgenössischen Meineid oder lockerem Umgang mit Schwüren in Verbindung gebracht werden. Hes. F 124 Merkelbach – West (= Schol. Plat. symp. 183 Greene): ἐκ τοῦ δ’ ὅρκον ἔθηκεν ἀποίνιμον ἀνθρώποισι / νοσφιδίων ἔργων πέρι Κύπριδος. S. zu diesem Eid ferner Hesych. s. v. Ἀφροδίσιος ὅρκος (Α 8772), Apollod. II 1,3 und Suda s. v. Ἀφροδίσιον (Α 4652). Vgl. außerdem Latte (1968), 374, Pötscher (2003), 273–283 und Sommerstein – Torrance (2014), 287–289. 78 Ἀφροδίσιος ὅρκος οὐκ ἐμποίνιμος (TrGF ad. 525 N.²) ist daher nach Latte (1968), 374 geradezu zu einem „Lieblingsspruch der hellenistischen Dichtung“ geworden. 79 Hom. Il. III 278 f.: καὶ οἳ ὑπένερθε καμόντας / ἀνθρώπους τίνυσθον ὅτις κ’ ἐπίορκον ὀμόσσῃ, (…). 80 Zu alternativen Deutungen vgl. Wüst (1956), 102. 81 Hom. Il. XIX 258–260: ἴστω νῦν Ζεὺς πρῶτα θεῶν ὕπατος καὶ ἄριστος / Γῆ τε καὶ Ἠέλιος καὶ Ἐρινύες, αἵ θ’ ὑπὸ γαῖαν / ἀνθρώπους τίνυνται, ὅτις κ’ ἐπίορκον ὀμόσσῃ, (…). Allerdings ist an dieser Stelle nicht ganz klar, welche göttliche Macht eigentlich für die Bestrafung zuständig ist: In der in den Versen 265 f. folgenden Exsekrationsformel heißt es, dass „die Götter (θεοί) Schmerzen geben“ sollen, wenn Agamemnon den Eid bräche. Mit θεοί könnten hier aber sowohl alle Schwurgötter als auch ausschließlich die Erinnyen gemeint sein. Bur77
II.4. Frühe Probleme mit der Bindekraft von Eiden
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Vorstellungswelt sind die Erinnyen älter als der Eid und schon bei seiner Entstehung aktiv präsent: „Denn am fünften (sc. Tag des Monats) betreuen Erinyen, sagt man, den Horkos / nach der Geburt, den Eris geboren zur Strafe des Meineids“82, heißt es bei Hesiod. Mit dem Eid war also nach frühgriechischer Vorstellung nicht nur der Eidbruch in der Welt, sondern auch schon die göttliche Vergeltung, die den Eidbrüchigen trifft.83 II.4. FRÜHE PROBLEME MIT DER BINDEKRAFT VON EIDEN Sowohl im Ritual als auch konzeptionell und narrativ wurden also schon in homerischer Zeit ziemlich hohe Hürden gegen Eidbruch aufgebaut. Worauf antwortet aber nun dieses Abschreckungsszenario? Der Satz, dass eine Norm erst auf einen Missstand antwortet, ist fast schon banal – verliert dadurch aber nichts von seiner Gültigkeit. Entsprechend lässt sich vermuten, dass auch eine Aufstockung des hinter der Norm stehenden religiös fundierten Abschreckungspotenzials auf Probleme mit häufigen Übertretungen hinweist. Solchen Problemen mit Eidbrüchen soll im Folgenden einerseits in der zwischenstaatlichen Praxis, andererseits auf dem Feld der griechischen Mentalität nachgespürt werden. Es ist evident, dass schon der erste Vertragseid der griechischen Literatur keine 24 Stunden hält: Der Pfeil des Pandaros macht – interessanterweise auf göttliches Geheiß84 hin – den beschriebenen Waffenstillstand zunichte.85 Eid- und Vertragskert (²2011), 302 entscheidet sich eindeutig für die Erinnyen, die er als „Verkörperung der im Eid enthaltenen Selbstverfluchung“ interpretiert. 82 Hes. erg. 803 f.: ἐν πέμπτῃ γάρ φασιν Ἐρινύας ἀμφιπολεύειν / Ὅρκον γεινόμενον, τὸν Ἔρις τέκε πῆμ’ ἐπιόρκοις. Vgl. dazu Konstantinidou (2014), 9. 83 Dabei war es sogar gleichgültig, ob der Eidbrüchige schuldig oder unschuldig zum Meineidigen geworden war. Vgl. hierzu Hom. Il. X 332, wo Hektor als einer bezeichnet wird, der ἐπίορκον ἐπώμοσεν, obwohl ihn gar keine Schuld an der Nichterfüllung seines Schwures trifft: Er hatte Dolon mit einem Eid die Rosse des Achill versprochen, wenn er einen Kundschaftergang in das Lager der Achaier übernähme. Dafür, dass Dolon von Diomedes getötet wird, bevor er die Rosse erhält, ist Hektor nicht verantwortlich – sein Eid wird vom Dichter dennoch als Meineid gewertet. Vgl. zu dieser Stelle Latte (1968), 367. – Es besteht in der Forschung ein Konsens darüber, dass die sog. Dolonie, der 10. Gesang der Ilias, später als das Epos selbst anzusetzen ist; vgl. hierzu West (2008), 184, der sie erst um 600 datiert. Vgl. zur Dolonie ferner Dué – Ebbott (2010). 84 Vgl. Hom. Il. IV 64–103, s. dazu auch Wéry (1979), 39 und Classen (2008), 142 f. Zur ambivalenten Rolle der Götter bei Homer, die nicht grundsätzlich an Frieden und Konfliktlösung interessiert sind, vgl. ferner van Wees (1992), 142–147 und Ager (2005), 413 f., 421 f. S. zu den homerischen Göttern ferner – mit weiterer Literatur – Kearns (2004), 59–73. 85 Da das Konzept der göttlichen Vergeltung bei Homer noch uneingeschränkt gültig ist, haben die Trojaner damit den im dritten Gesang beschworenen Waffenstillstand gebrochen. Dadurch ziehen sie die im Eid enthaltene Selbstverfluchung auf sich, die letztendlich unausweichlich die göttliche Vergeltung mit sich bringt und zum Untergang Trojas führt. Der Eidbruch wird also in der Ilias zu einem der Gründe für den Fall Ilions. Interessant ist, dass auch Protagonisten aufseiten der Trojaner, dies klar so sehen. So klagt Antenor im siebten Gesang der Ilias (351 f.): νῦν δ’ ὅρκια πιστὰ / ψευσάμενοι μαχόμεσθα· – „Jetzt kämpfen wir als solche, / die die verläßlichen Eide gebrochen haben.“ (Vgl. zu dieser Passage Gill [1980], 382). Durch das
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II. Διòς ὅρκια. Vertragseide in der homerischen Welt
bruch waren im zwischenstaatlichen Bereich offenbar keine Seltenheit. So hat Peter J. Rhodes mit vollem Recht einen Aufsatz zur (Un-)Wirksamkeit zwischenstaatlicher Verträge im 5. und 4. Jahrhundert mit dem Titel „Making and Breaking Treaties“86 überschrieben. Der Pfeil des Pandaros deutet darauf hin, dass schon die homerische Zeit mit diesem Problem zu kämpfen hatte. Probleme konnte es auch bei der Auswahl der Eidesleister geben. Von großer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Rede des Menelaos im Zuge der Verhandlungen vor dem ersten Waffenstillstand, da sie einen Einblick in den Ablauf frühgriechischer Diplomatie erlaubt. Dort heißt es, dass die Griechen, genauer Menelaos, die Söhne des Priamos als Eidesleister nicht akzeptierten.87 Dass der gehörnte Ehemann dem Ehebrecher oder dessen Brüdern kein Vertrauen schenkt, kann nicht verwundern. Wer sich einmal als ἄπιστος erwiesen hat, ist kein geeigneter Kandidat für die Besiegelung eines Waffenstillstands. Dies zeigt, mit was für Problemen schon die frühen Waffenstillstandsabkommen zu kämpfen hatten. Menelaos besteht daher mit Nachdruck darauf, dass Priamos selbst – αὐτός steht betont am Anfang des Verses – den Eid leisten bzw. das Schwurritual durchführen solle. Seine Söhne seien „übermütig und treulos“88; Priamos dagegen wird aufgrund seines Alters akzeptiert, das hier zum Kriterium wird: „Flatterhaft sind von Gemüt die Jünglinge, aber ein Alter, welcher sich ihnen gesellt, der blickt nach vorn und nach rückwärts und erwägt, wie am besten die Wohlfahrt beider gedeihe.“89 In einer Gesellschaft wie der frühgriechischen, die dem Alter eine große Bedeutung beimaß, erscheinen solche Erwägungen plausibel.90 Beispielhaft führt die Textpassage vor Augen, welche Bedeutung Akzeptanz und gegenseitiges Vertrauen schon für die frühgriechische Diplomatie hatten. Neben praktischen Problemen bei der Leistung und Einhaltung von Vertragseiden lassen sich auch solche ausmachen, die auf einer mentalitätsgeschichtlichen Ebene zu verorten sind: So scheint für griechisches Denken eine Formulierung bezeichnend, die sich in der Ilias mehrfach finden lässt: Im vierten Gesang beschwert sich Idomeneus über die Trojaner, die „als erste, gegen die Eide, Schaden Enjambement (ὅρκια πιστὰ / ψευσάμενοι) wird der Bruch des Vertragseids noch zusätzlich betont. Die Trojaner kämpfen nun als Eidbrüchige. Das hier geäußerte Bewusstsein, die Götter nicht auf seiner Seite zu haben, findet sich in griechischen Quellen äußerst selten (vgl. Burkert [1986], 70–74, Ager [2005], 425 f.) und ist daher bemerkenswert (s. allerdings Thuk. VII 18,2), zeigt aber auf der anderen Seite umso deutlicher die uneingeschränkte und von den Akteuren akzeptierte Wirksamkeit des Konzepts der göttlichen Vergeltung, wie man es auch im 12. Gesang der Odyssee (298–307) am Werke sieht. Dort wird die Geschichte vom Eid der Gefährten des Odysseus berichtet, die geschworen haben, die Rinder des Sonnengottes nicht anzutasten. Sie brechen den Schwur und gehen folglich alle zugrunde. Ihr Sakrileg ist in diesem Fall sogar ein Doppeltes: Bruch des Schwures und Antasten von göttlichem Besitz. 86 Vgl. Rhodes (2008a) 6 (Hervorhebung im Fließtext v. Verf.). 87 Vgl. Hom. Il. III 105–110, die Rede des Menelaos beginnt in Vers 97. 88 Ebd. 106: αὐτός, ἐπεί οἱ παῖδες ὑπερφίαλοι καὶ ἄπιστοι, (…). 89 Hom. Il. III 108–110: αἰεὶ δ’ ὁπλοτέρων ἀνδρῶν φρένες ἠερέθονται· / οἷς δ’ ὁ γέρων μετέῃσιν ἅμα πρόσσω καὶ ὀπίσσω / λεύσσει, ὅπως ὄχ’ ἄριστα μετ’ ἀμφοτέροισι γένηται. 90 Vgl. beispielhaft Hom. Il. XXIII 587–590; zur Bedeutung des Alters in der homerischen Gesellschaft vgl. Brandt (2002), 17–24 und jüngst mit der älteren Literatur Timmer (2008), bes. 115–149.
II.4. Frühe Probleme mit der Bindekraft von Eiden
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verübten.“91 Auffälligerweise beklagt er nicht grundsätzlich den Bruch des Bündnisses, sondern nur dass die Trojaner dies „als erste“ getan hätten – diese Formulierung findet sich übrigens schon in der Exsekrationsformel des Eides! Sie setzt den späteren Bruch des Eides damit gleichsam voraus.92 Dieses argumentative Motiv der Klage über den Erstbruch ist keine homerische Eigenheit und als leere Formel von der Hand zu weisen, sondern findet sich häufig, später etwa bei Thukydides.93 Peter Karavites hat die Klage über den Erstbruch mit dem Gedanken verbunden, dass für die Griechen wie für alle „civilized nations of antiquity“ eine äußere Provokation zur moralischen Rechtfertigung eines Krieges wichtig gewesen sei.94 Da nun beide Seiten eine fremde Provokation hätten vorbringen können,95 sei man darauf verfallen, dem jeweils anderen den Erstbruch vorzuwerfen – und aus diesem Grunde figuriere dieser so prominent.96 Selbst wenn man akzeptierte, dass eine solche moralische Rechtfertigung für die homerischen Griechen von derart großer Bedeutung gewesen wäre,97 reichte sie als Erklärung für die Häufigkeit des Motivs nicht aus:98 Das Faktum, dass der spätere Bruch als selbstverständlich vorausgesetzt wird, bleibt ja bestehen. Festzuhalten ist daher, dass im griechischen Denken der Bruch eines Vertragseides von vorneherein als unausweichlich angenommen werden konnte, zugespitzt formuliert, ging es in diesen Fällen nur darum, wer als erster zum Eidbrecher würde.99 91 92 93 94
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Hom. Il. IV 270 f.: τοῖσιν δ’ αὖ θάνατος καὶ κήδε’ ὀπίσσω / ἔσσετ’ ἐπεὶ πρότεροι ὑπὲρ ὅρκια δηλήσαντο. (Unterstreichung v. Verf.). Vgl. zu dem Motiv ferner Hom. Il. III 299, IV 67; 72; 236; 271. Thuk. I 123,2; II 74,2; III 12,1; 54,3; IV 98,5; VII 18,2, s. auch Q. Smyrn. XIII 378 f. Vgl. Karavites (1992), 175–178, Zitat 175: „Starting a war without sufficient provocation constituted a serious moral crime and a flagrant violation of the international law of the civilized nations of antiquity.“ Man kann hier allerdings durchaus schon die Begrifflichkeit für problematisch halten. Vgl. die Frauenraubgeschichten zu Beginn der Historien Herodots (I 1–3), wo der Raub der Helena durch Paris als Revanche für den Raub der Medeia „ein Menschenalter“ zuvor präsentiert wird. Hier müsste allerdings zunächst gezeigt werden, dass die kausale Verbindung der unterschiedlichen Frauenraubgeschichten tatsächlich bis zu Homer zurückreicht. Um diese Deutung zu untermauern, verweist Karavites (1992), 177 auf die Verhandlungen zwischen Spartanern und Athenern vor Beginn des Peloponnesischen Krieges (Thuk. I 126,1– 139,1; vgl. hierzu Kap. V.1. dieser Arbeit). Diese zeigen zwar, dass es in dieser speziellen historischen Situation für beide Seiten wichtig war, einen ‚gerechten‘ Kriegsgrund anzuführen. Dabei spielte aber nicht zuletzt das Kalkül eine Rolle, ‚blockfreie‘ Poleis auf die eigene Seite zu ziehen. Dieser Aspekt ist im trojanischen Krieg aber nicht wichtig. Zudem taucht das Motiv der Klage über den Erstbruch bei Thuk. I 126,1–139,1 gar nicht auf. Nach dem Zeugnis des Epos war sie allein für die besonders herausgehobenen Heroen Achill (Hom. Il. I 152–159) und Odysseus von Relevanz. Beide waren aber auch nicht durch den Eid des Tyndareos gebunden. Vgl. auch Karavites (1992), 177. Schließlich taucht das Motiv ja auch bei anderen Autoren auf, s. Anm. 93. – Es ließe sich ferner darauf verweisen, dass Symmachieverträge in klassischer Zeit als πολέμου μεταλλαγὴ („Tausch des einen Krieges gegen einen anderen“ [Xen. Hell. VII 4,10]) wahrgenommen werden konnten und häufig befristet abgeschlossen wurden (zur Befristung vgl. Baltrusch [2008], 42). Auf den ersten Blick mag noch ein weiterer Aspekt eine Rolle gespielt haben: Griechisches Denken war ursprungsfixiert, wie etwa das große Interesse an Gründungsgeschichten (vgl. nur
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II. Διòς ὅρκια. Vertragseide in der homerischen Welt
Es lassen sich in den homerischen Epen ferner Ansätze einer positiven Bewertung des Meineids oder zumindest des ‚kreativen Umgangs‘ mit Eiden finden. So wird der Großvater des Odysseus Autolykos ausdrücklich dafür gelobt, dass er ein Meister „an Verstellung und Schwur“100 gewesen sei und alle anderen Menschen in dieser Kunst übertroffen habe – ja sie stamme sogar von einem Gott: θεὸς δέ οἱ αὐτὸς ἔδωκεν / Ἑρμείας.101 Hermes102 als Gott der Diebe übernimmt hier zwar nicht die Funktion eines ‚Meineidgottes‘ – schließlich ist von ὅρκος, nicht ἐπίορκος oder ἐπιορκία die Rede –103, er ist aber zuständig für ‚intelligente‘ Schwüre, bei denen der Inhalt des Schwures so trickreich gewählt wird, dass der Schwur zwar eingehalten wird, er aber demjenigen, der ihn abnimmt, dennoch zum Schaden gereicht.104 Ein Beispiel für einen solchen Eid findet sich im homerischen Hermes-Hymnos105 und wird vom kleinen Hermes selbst geleistet: Auf den Vorwurf, er habe die Rinder des Apollon gestohlen, antwortet er mit dem Schwur, er habe die Rinder „nicht nach Hause“ getrieben und sei „nicht (…) über die Schwelle gegangen“.106 Da er die Rinder tatsächlich in Richtung Pylos getrieben hat, schwört Plat. Hipp. mai. 285d mit Miller [1997], 8–11, 307) oder die weite Verbreitung des πρῶτος εὑρετής-Gedankens (vgl. Kleingünther [1933], Baumbach [2001]) bezeugen. Allerdings genügt dies allein nicht, um zu erklären, warum man schon bei dem Abschluss eines Vertrags den Bruch der diesen schützenden Norm einkalkulieren konnte. 100 Hom. Od. XIX 395 f.: ὃς (sc. Αὐτόλυκος) ἀνθρώπους ἐκέκαστο / κλεπτοσύνῃ καὶ ὅρκῳ τε. S. zu der Stelle zuletzt Lateiner (2011), 579 f. und Bayliss (2014), 256. Die Passage wurde schon im 4. Jahrhundert in genau diesem Sinne verstanden, wie Plat. rep. 334a-b zeigt: Κλέπτης ἄρα τις ὁ δίκαιος, ὡς ἔοικεν, ἀναπέφανται, καὶ κινδυνεύεις παρ’ Ὁμήρου μεμαθηκέναι αὐτό· καὶ γὰρ ἐκεῖνος τὸν τοῦ Ὀδυσσέως πρὸς μητρὸς πάππον Αὐτόλυκον ἀγαπᾷ τε καί φησιν αὐτὸν πάντας ἀνθρώπους κεκάσθαι κλεπτοσύνῃ θ’ ὅρκῳ τε. ἔοικεν οὖν ἡ δικαιοσύνη καὶ κατὰ σὲ καὶ καθ’ Ὅμηρον καὶ κατὰ Σιμωνίδην κλεπτική τις εἶναι. – „Somit entpuppt sich unser Gerechter als ein Dieb? Das hast du wohl von Homer gelernt; denn dieser hebt geradezu mit Liebe von Autolykos, dem Großvater des Odysseus mütterlicherseits hervor, er habe in Eiden und Listen alle die Menschen bezwungen. Also ist die Gerechtigkeit nach dir, Homer und Simonides eine Kunst des Diebstahls.“ – Den angeführten kreativ-laxen Umgang mit Eiden würde man ja auch dem Enkel des Autolykos ohne weiteres zutrauen (vgl. zum ‚listenreichen‘ Odysseus als dem „Ausbund eines gerissenen Politikers“ und nicht zuletzt deshalb auch paradigmatischen griechischen Politikers Gehrke [2009], 24– 27, Zitat: 24). 101 Hom. Od. XIX 396 f.: „Hermeias selber gewährt‘ ihm diese Kunst.“ 102 Vgl. zur Rolle des Hermes in der Odyssee zuletzt mit der älteren Literatur Michel (2008), 11–34. 103 So ist auch die Deutung der Stelle in den Scholien. Vgl. Schol. Od. IX 396; Eust. Schol. Od. XIX 396: ὅρκος δὲ νῦν οὐχὶ ὁ κατ’ ἐπιορκίαν· τοῦτο γὰρ οὔτε ἐσθλοῦ ἀνδρὸς, οὔτε κοσμεῖ ἄνθρωπον, καὶ οὐδὲ θεὸς δίδωσιν· Es folgen weitere ausführliche Überlegungen des Scholiasten zum Eid bei den Griechen. 104 Eine Liste mit weiteren Beispielen für solche trickreichen Schwüre findet sich jetzt bei Bayliss (2014), 249–255. 105 Beim Hermes-Hymnos handelt es sich mit 580 Versen um den längsten der homerischen Hymnen. Der Verfasser schließt sich der Datierung von Dornseiff (1938), 83 an, der ihn in die Zeit nach 580 – also nach dem Apollonhymnos – datiert (anders Eitrem [1906], 282: 5. Jahrhundert). Vgl. zu der folgenden Passage Pötscher (2003), 278 f. und Fletcher (2008), 19–46. Zum Hermes-Hymnos s. jetzt auch Adorjáni (2011) und Vergados (2011). 106 Hom. h. IV 368–386, Zitat 379 f.: ὡς οὐκ οἴκαδ’ ἔλασσα βόας, ὣς ὄλβιος εἴην, / οὐδ’ ὑπὲρ
II.5. Der Eid als Mittel interpersonaler Diplomatie
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er nichts Falsches und damit streng genommen keinen Meineid. Er setzt den Eid aber ganz bewusst als ein Instrument ein, um einen anderen von der Richtigkeit einer unwahren Sache zu überzeugen.107 Interessant ist die Reaktion des Zeus: Dieser „lachte schallend (…) beim Anblick des Kindes, / das voll übler Gedanken so trefflich und findig daherlog.“108 Der Eidtrick seines Sohnes wird hier also vom höchsten Schwurgott der Griechen goutiert. Dies hat zwar auch mit der besonderen Situation zu tun – es ist sein Sohn, der dazu noch gerade erst einen Tag alt ist, der den Eid schwört –, dennoch ist dies sicher nicht die Art von Erzählung, die dazu geeignet wäre, das Vertrauen in die Institution des Eides zu stärken. II.5. DER EID ALS MITTEL INTERPERSONALER DIPLOMATIE Trotz der beschriebenen praktischen und mentalitätsgeschichtlichen Probleme im Umgang mit Eiden lässt sich auch eine gegenläufige Tendenz beobachten: So gerät die Institution des Eides nicht zufällig gerade in Zeiten personaler Diplomatie in unser Blickfeld und ist mit dieser auf besondere Weise verknüpft. Peter Karavites hat die hohe Bedeutung des Ehrenwortes in der homerischen Gesellschaft herausgearbeitet.109 In der Verbindung mit der τιμή110 frühgriechischer Aristokraten scheint der Vertragseid seinen ‚ursprünglichen‘ Ort zu haben. Man muss die homerische Gesellschaft nicht mehr mit Eric R. Dodds als eine „Schamkultur“111 bezeichnen, wenn einem eine grundsätzliche Trennung zwischen „Scham- und Schuldkultur“ zu strikt und zu sehr aus einer westlich-christlichen Perspektive entwickelt zu sein scheint – der Grundgedanke Dodds‘, dass es sich bei der homerischen um eine Gesellschaft handelte, in der vor allem die öffentliche Wertschätzung zählte, ist allerdings nicht von der Hand zu weisen: Diese war verantwortlich für Prestige und Staοὐδὸν ἔβην· τὸ δέ τ’ ἀτρεκέως ἀγορεύω. (Unterstreichungen v. Verf.). 107 Dies ist schon die zweite Instrumentalisierung eines Eides durch Hermes in diesem Hymnos: Dieser hatte schon in Hom. h. IV 274–277 dem Apollon einen Eid angeboten – „[w]enn du willst (εἰ δὲ θέλεις), werde ich dir beim Haupte meines Vaters einen großen Eid schwören (ὀμοῦμαι)“. Entscheidend ist hier das Futur (ὀμοῦμαι). Hermes tut zwar so, als leiste er schon einen Eid, stellt diesen aber tatsächlich erst für die Zukunft in Aussicht – der Eid ist daher de facto „unsworn“ (Callaway [1993], 15, dies. [1998], 159). 108 Hom. h. IV 389 f.: Ζεὺς δὲ μέγ’ ἐξεγέλασσεν ἰδὼν κακομηδέα παῖδα / εὖ καὶ ἐπισταμένως ἀρνεύμενον ἀμφὶ βόεσσιν. – Dieselbe Reaktion zeigte nach dem in Anm. 106 erwähnten Eid des Hermes Apollon in ebd. 281: (…) γελάσας προσέφη ἑκάεργος Ἀπόλλων. Vgl. zu diesen Reaktionen Fletcher (2008), 22 f. 109 Vgl. etwa das Eingangszitat dieses Kapitels: Karavites (1986a), 128, (1992), 81. 110 Zur zentralen Bedeutung der Ehre in der homerischen Gesellschaft vgl. zuletzt Brüggenbrock (2006), 40–61 – s. allerdings auch die kritische Rezension von Marietta Horster (H-Soz-u-Kult, 03.09.2007, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2007-3-166). Vgl. ferner schon Jaeger (²1936), 31–33, 70 und Fatheuer (1988), 54–61. S. zu dem Komplex Ehre und Hybris bei den Griechen insgesamt MacDowell (1976), Fisher (1992), Cohen (1992), (1995) und – mit z. T. scharfer Kritik an Cohen – Herman (2006). 111 Dodds (1970), 17–37 übertrug damit ein – heute umstrittenes – Konzept aus der moderner Kulturanthropologie (vgl. Benedict [1946]) auf die Antike; Widerspruch gegen die Übertragbarkeit des Begriffs findet sich bei Cairns (1993).
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II. Διòς ὅρκια. Vertragseide in der homerischen Welt
tus der homerischen Helden, und damit auch für Umfang und Ausmaß ihrer Ehre. Eide – insbesondere Vertragseide – werden aber bei Homer immer öffentlich vor einem Publikum geleistet. Es lässt sich also durchaus ein Zusammenhang zwischen der Wort- und Eidestreue eines homerischen Helden und seinem gesellschaftlichen Status ausmachen.112 Karavites resümiert daher mit Recht: „One’s reputation and stature in society were measured by the fulfillment of one’s promises.“113 II.6. ZWISCHENZUSAMMENFASSUNG Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass dem Instrument des Eides, das sich schon in homerischer Zeit typologisch und hierarchisch weitgehend ausdifferenziert hatte, bereits in der griechischen Frühzeit eine zentrale Rolle bei der Begründung und Verstetigung sozialer Beziehungen zukam.114 Schon in dieser Zeit stellte der Eid auf der ‚zwischenstaatlichen‘ Ebene das wichtigste Sicherungsinstrument einer Vereinbarung dar. Dass das Mittel der schriftlichen Fixierung und Publikation eines Abkommens noch nicht existierte, erhöhte die Bedeutung der Eidesleistung sogar noch. Um dieser Bedeutung gerecht zu werden, gab man sich daher große Mühe, zwischenstaatliche Vereinbarungen an möglichst schreckliche göttliche Sanktionsmächte zu koppeln, die religiöse Fundierung des Eides gleichsam weit auszubauen. Dabei war besonders die enge Verbindung der Eide mit Zeus als dem höchsten Schwurgott und der obersten göttlichen Instanz, die über Schwüre wachte, von Bedeutung. Auch die Erinnyen tauchten schon als ‚dämonische‘ Sanktionsmächte auf und passten gut zu der Deutung des Eidrituals als eines ‚Drohritus‘, der in einem Akt ‚ritueller Verdeutlichung‘ den potenziellen Eidbrechern ihr Schicksal drastisch vor Augen führte. Elemente dieses Eidrituals bei Vertragsabschlüssen waren bei Homer v. a. das Tieropfer und die Libation. Der Erfüllung eines geleisteten Eides kam ferner eine hohe Bedeutung für das Sozialprestige eines homerischen Aristokraten zu. Auch wenn man aber dem Eid eine große Bedeutung beimaß und das religiöse Abschreckungsszenario möglichst drastisch ausmalte, Probleme mit diesem Sicherungsinstrument blieben schon in der griechischen Frühzeit nicht aus. 112 Es gibt allerdings durchaus Unterschiede in Bezug auf die Bedeutung des gegeben Wortes: Ein bloßes Versprechen gegenüber einem sozial Inferioren wie Dolon kann Odysseus trotz der Anwesenheit eines anderen basileus (Diomedes) ohne Ehrverlust brechen (vgl. Hom. Il. X 382–464, das Versprechen in X 383). 113 Karavites (1992), 81. Einen späteren Reflex, bei dem der personale Aspekt sogar noch gesteigert ist, findet dieser homerische Gedanke bei Aischyl. fr. 394 (Radt): οὐκ ἀνδρὸς ὅρκοι πίστις, ἀλλ’ ὅρκων ἀνήρ; vgl. zu dieser Passage Sommerstein – Torrance (2014), 381. 114 Dem entspricht die Bedeutung, die dem Motiv des Eidbruchs für den Gang der Handlung in der Ilias zukommt: So ist der Eidbruch der Trojaner geradezu ein Leitmotiv des dritten und vierten Gesangs des Epos. Dies scheint auch der Grammatiker Stephanos so gesehen zu haben, unter dessen Namen ein hexametrisches Gedicht (Anth. Graec. IX 385) überliefert ist, das in jeweils einem Vers pro Gesang den Inhalt der Ilias zusammenfasst: Stephanos nennt für den dritten Gesang den „Zweikampf der Gatten um Helenas willen“ (Γάμμα δ’ ἄρ’ ἀμφ’ Ἑλένης οἴοις μόθος ἐστὶν ἀκοίταις.) – und zu diesem gehört ja der Waffenstillstand –, für den vierten den „Eidbruch“, die ὅρκων χύσις, als jeweils zentrales Ereignis.
II.6. Zwischenzusammenfassung
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Sie ließen sich in der diplomatischen Praxis – der erste Vertragseid der griechischen Literatur hielt keine 24 Stunden – nachweisen und resultierten nicht zuletzt aus der griechischen Mentalität: Zu nennen sind das Motiv der Klage über den Erstbruch, die gedankliche Verbindung von Eid und Diebstahl und der ‚kreative Umgang‘ mit Eiden selbst vonseiten der Götter. Die Analyse homerischer Vertragseide hinterlässt daher einen ambivalenten Eindruck. Einerseits war der Eid ein unersetzbares Mittel der Absicherung sozialer Beziehungen, andererseits ließ sich schon früh eine gegenläufige Tendenz greifen, nach der sich Griechen ganz offen eines Eides zur Verschaffung eines eigenen Vorteils bedienen konnten, ohne dass dies ihrem Ansehen allzu sehr geschadet hätte.
III. DAS KONZEPT DER GÖTTLICHEN VERGELTUNG ALS RELIGIÖSES FUNDAMENT GRIECHISCHER EIDE III.1. ZEUS HORKIOS ALS RÄCHER DES EIDBRUCHS „Er (sc. Zeus) garantiert die Eide, die zumal mit der Zeremonie der spondaí geschworen werden. Aber das kann man sich nur so vorstellen, daß Zeus dann notfalls seinen Blitz gegen die Meineidigen schleudert, (…).“ (Burkert [1986], 84)
Nachdem im vorigen Kapitel gezeigt werden konnte, dass Eide bereits in homerischer Zeit eng mit dem obersten Gott der Griechen verbunden wurden, soll im Folgenden die Entwicklung der Rolle des Zeus als Rächer von Meineid und Eidbruch in nachhomerischer Zeit in den Blick genommen werden.1 Zeus ist auch in nachhomerischer Zeit „der erste Schwurgott“2: So wird ihm als einzigem Gott das Epitheton Horkios beigegeben. Fassbar ist dies in den literarischen Quellen von den attischen Tragikern des 5. Jahrhunderts3 bis weit in die römische Kaiserzeit4. Auch in Inschriften lässt sich der Beiname, wenn auch sehr 1
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Da es in diesem Kapitel vorrangig darum geht, eine religionsgeschichtliche Entwicklung zu verdeutlichen, werden hier – wie zum Teil auch schon im vorangehenden Kapitel, aber anders als im weiteren Verlauf der Arbeit – nicht nur Vertragseide, sondern auch andere Eidtypen ausführlich analysiert. Dabei wird vorausgesetzt, dass sich die allgemeine Entwicklung des Konzepts der göttlichen Vergeltung nicht in Bezug auf die verschiedenen Eidtypen unterschied. Jessen (1913), 2409. Jebb (1907), 270 konstatiert: „Ζεὺς Ὅρκιος is the supreme guardian of good-faith.“ S. auch Lonis (1980), 272 und Konstantinidou (2014), 6 f. Vgl. Soph. Phil. 1324: Ζῆνα δ᾽ὅρκιον καλῶ und Eur. Hipp. 1025: ὅρκιόν σοι Ζῆνα; s. auch Schol. Soph. Trach. 1188. Bei Soph. Oid. K. 1767 ist von Διὸς Ὅρκος die Rede; Cook (1925), 723, Anm. 5 deutet diesen Horkos als personifizierten Sohn des Zeus („his child the personified Ὅρκος“), Jebb (1907), 270 versteht wegen Hes. erg. 804 „servant of Zeus“. Die einzige andere Gottheit, die mit demselben Epitheton bezeichnet wird, ist Themis Horkia: Sie ist dies allerdings ausschließlich in Eur. Med. 208 (Ζηνὸς ὁρκίαν Θέμιν) und – wie das Zitat zeigt – in ausdrücklicher Abhängigkeit von ihrem Gatten Zeus. Cook (1925), 723, Anm. 5 sieht die letztgenannte Passage in Zusammenhang mit Eur. Med. 168–170 (κἀπιβοᾶται / Θέμιν εὐκταίαν Ζῆνα θ᾽, ὃς ὅρκων / θνητοῖς ταμίας νενόμισται): „Accordingly, his wife is ὁρκία Themis“. In jedem Fall wird Themis das Epitheton Horkia hier aufgrund ihrer Verbindung mit Zeus beigefügt – die Satzungen kommen von Zeus. Er ist zudem gleichsam ‚Schatzmeister‘ (ταμίας) der Eide. Spätere Quellen für Zeus Horkios sind Apoll. Rhod. IV 95, Lukian. Tim. 1, Suda s. v. Ὅρκιος Ζεύς (Ο 593), Anecd. Stud. I 265 f., 281 (= Anon. Laur. 67 [72]), Diog. Laert. VIII 33 und Philostr. Ap. I 6. – Bei Hesych. s. v. Ἐφόρκιος (Ε 7542) ist – an allerdings korrupter Stelle –
III.1. Zeus Horkios als Rächer des Eidbruchs
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selten, belegen.5 Zeus ist aber nicht nur explizit für Eide zuständig, sondern auch Verträge werden unter seinen besonderen Schutz gestellt: Er ist Zeus Ὀράτριος (= Ûράτριος).6 Der locus classicus zur strafenden Funktion des Zeus Horkios findet sich im fünften Buch des Pausanias. Dort beschreibt der Perieget im Rahmen einer Aufzählung der Zeusstatuen innerhalb der Altis auch eine Statue des Zeus Horkios und beginnt diese mit den Worten: „Die Zeusstatue im Bouleuterion, die von allen Zeusstatuen ganz besonders zur Abschreckung von Bösewichtern geschaffen ist, hat den Beinamen Horkios und hält in jeder Hand einen Blitz.“7 Es folgt eine Aufzählung der Personen, die den olympischen Eid leisten müssen: Athleten, deren Väter, Brüder und Trainer und einige Wettkampfrichter.8 Nach kurzem Räsonieren über den Verbleib des Opfertieres nach dem Eidopfer beschließt Pausanias die Beschreibung der Zeusstatue im Bouleuterion mit dem Verweis auf eine Bronzetafel „vor den Füßen des Horkios“. Auf dieser stünden „Verse, die den Meineidigen Furcht einflößen wollen.“9 Was genau in diesen Versen gestanden haben mag, lässt sich nicht mehr mit Sicherheit rekonstruieren.10 Sicher ist aber, dass der Perieget erneut wie schon
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gar von einem Zeus Ἐφόρκιος, einem ‚Meineidszeus‘, die Rede. Aus dieser Passage aber „an actual cult of Zeus Ἐφόρκιος“ (Cook [1925], 723, Anm. 5) abzuleiten, geht doch zu weit. Einen eindeutigen Beleg stellt allein eine Weihung an Zeus Horkios aus Ägypten dar, die in späthellenistische Zeit datiert (88–80) und unlängst von Łajtar (1997), Nr. 2 (= SEG XLVII 2144) veröffentlicht wurde: Ὑπὲρ βασιλέως Πτολεμαίου / θεοῦ Σωτῆρος Διὶ Ὁρκίωι. Daneben ist auf IG XII 3, 429 zu verweisen. Die Inschrift stammt aus Thera und datiert nach Kose (1997), 93 in das 5. Jahrhundert. Allerdings ist der genaue Charakter dieser Felsinschrift, die allein aus dem Wort Ὅρκιος besteht, unklar. Hiller von Gaertringen kommentiert (IG XII 3, 429): „Aut Iuppiter est, cuius nomen ante cognomina saepe omittitur (…) aut lapis ipse significatur, quippe in quo iura iuranda fieri solebant, quales commemorat Paus. I 28,5 (…).“ Hiller scheint allerdings die erste Deutung vorzuziehen, da er die Inschrift bei den „res sacrae“, die „secundum deorum nomina alphabetico ordine“ (a. a. O. 91) angeordnet sind, unter den Zeus-Inschriften einreiht; so auch Kose (1997), 93. Ganz unsicher ist die Inschrift I.Lindos 26,3 (um 400), auf die gelegentlich verwiesen wird (so etwa Schwabl [1972], 345): Zeus Horkios wird hier gar nicht genannt – Blinkenberg stellt in seinem Kommentar zu I.Lindos 26,3 allein aufgrund der Erwähnung eines Ebers als Opfertier einen Bezug „aux dieux qui sur le serment prêté, et particulièrement à Ζεύς Ὅρκιος d’Olympia“ her. Zu Ὀράτριος = Ûράτριος vgl. Cook (1925), 723, Anm. 5. Als Schwurgott findet er sich in den Eiden kretischer Staatsverträge bei Chaniotis, Nr. [6], [8], 26, 27, [32], 59, [60] und 74. Paus. V 24,9: ὁ δὲ ἐν τῷ βουλευτηρίῳ πάντων ὁπόσα ἀγάλματα Διὸς μάλιστα ἐς ἔκπληξιν ἀδίκων ἀνδρῶν πεποίηται· ἐπίκλησις μὲν Ὅρκιός ἐστιν αὐτῷ, ἔχει δὲ ἐν ἑκατέρᾳ κεραυνὸν χειρί. – Vgl. zu dieser Passage auch Jebb (1907), 270. Vgl. zum olympischen Eid zuletzt Perry (2007), 81–88 und Crowther (2008), 44–48. Paus. V 24,11: ἔστι δὲ πρὸ τῶν ποδῶν τοῦ Ὁρκίου πινάκιον χαλκοῦν, ἐπιγέγραπται δὲ ἐλεγεῖα ἐπ’ αὐτοῦ, δεῖμα ἐθέλοντα τοῖς ἐπιορκοῦσι παριστάναι. Vgl. Crowther (2008), 47, der darüber spekuliert, ob die Inschrift vielleicht spezifische weltliche Strafen für Eidbrüchige auflistete. Als Möglichkeiten nennt er das Auspeitschen, die Zahlung eines Bußgeldes und das unehrenhafte Aufstellen von teuren Zeusstatuen (Zanes). Dies lässt sich allerdings nicht belegen. Paus. V 24,11 spricht ja nur von ἐλεγεῖα (‚Versen‘), „die den Meineidigen Furcht einflößen wollen.“ Es ist aber mindestens genauso plausibel, dass es sich um Drohworte handelte, die die göttliche Strafe, die den Eidbrüchigen erwartet, drastisch ausmalten. Hierfür spricht zum einen die Tatsache, dass in der gesamten Antike Meineid und Eidbruch eben nicht juristisch belangt wurden, sondern dass man ganz auf das Konzept der
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III. Das Konzept der göttlichen Vergeltung
zu Beginn der Textstelle die Abschreckungsfunktion betont, die der Zeusstatue und der beigefügten Inschrift gegenüber Eidbrechern zukommt. Die ἔκπληξις ἀδίκων ἀνδρῶν rahmt also gleichsam die gesamte Passage – und zuständig für diese Abschreckung ist allein Zeus Horkios. Um seine Straffunktion zu untermauern, hält er „in jeder Hand einen Blitz“11. Die Verdoppelung des Blitzes – in der gängigen bildlichen Darstellung hält oder schleudert Zeus nur einen Blitz12 – mag dazu gedient haben, das dem Eidbrüchigen drohende Verderben besonders stark hervorzuheben. So passt die Darstellung gut zu konventionellem griechischem Rachedenken, das eben nicht nur die Talio (‚Gleiches mit Gleichem‘), sondern auch den Gedanken der ‚überbietenden‘ oder ‚doppelten Vergeltung‘ kannte.13 In diesem Sinne verdeutlichen die zwei Blitze in der Hand des Zeus Horkios, dass dessen Rache nicht nur als einfache Vergeltung, deren Ausmaß der durch den Eidbruch verursachten Kränkung des Gottes entspräche, daherkommt, sondern als eine doppelte, die potentiell noch weit über die bloße Sühnung des Frevels hinausgeht. In jedem Fall werden Meineid und Eidbruch in der genannten Pausaniasstelle als besonders schlimme Vergehen eingestuft. Es ist bezeichnend, dass das Konzept der (doppelten) göttlichen Vergeltung noch im zweiten nachchristlichen Jahrhundert mit einer derartigen Vehemenz vertreten werden konnte. Zwar sind der olympische Eid und das hinter diesem stehende Konzept der göttlichen Vergeltung viel älter als Pausanias, sie standen aber ganz offensichtlich noch zur Zeit des Periegeten in Gebrauch und erwiesen sich für die Zeitgenossen als relevant. So berichtet Pausanias etwa, es sei „von altersher Brauch“, von einem bei einem Eidritual geschlachteten Opfertier nicht zu essen.14 Die genannten religiös fundierten Sicherungsmittel waren damit Teil einer langen Traditionskette. Man kann daher nicht behaupten, dass das hinter dem Eid stehende Konzept der göttlichen Vergeltung nur in archaischer Zeit wirksam gewesen wäre und erst danach zunehmend an Effektivität eingebüßt hätte. Für die klassische Zeit lässt sich zudem auf eine Passage aus den Wolken des Aristophanes verweisen. Dort äußert Strepsiades in Vers 397 die Ansicht: „Diesen (sc. seinen Blitz) schleudert Zeus – soviel ist klar – auf die Meineidigen.“15 Zwar wird er daraufhin von Sokrates als „märchengläubiges Mondkalb“ gescholten, da
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göttlichen Vergeltung setzte. Zum anderen passt der Hinweis des Pausanias, dass es sich um eine Versinschrift handelt, besser zu einer metaphorischen Veranschaulichung der göttlichen Strafe als zu prosaischen Akten wie der Leistung eines Bußgeldes. Paus. V 24,9 (Hervorhebung v. Verf.). Tiverios (1997), 320 f., 336 hält sie daher gar für die typische Darstellung des Zeus Horkios. Vielleicht war auch die Statue, die auf der Basis der erwähnten Weihinschrift für Zeus Horkios (Łajtar [1997], Nr. 2 = SEG XLVII 2144) stand und von der nur die Füße erhalten sind (Łajtar [1997], 32), die Darstellung eines Zeus Horkios mit zwei Blitzen. Vgl. zu dem „Prinzip der doppelten Vergeltung“ die instruktiven Ausführungen von Flaig (1998), 104–111, Zitat 107. Gilt dieses Prinzip uneingeschränkt, führt es dazu, dass Gemeinschaften „unfähig sind, sich geschlossen zu verteidigen, also außenpolitisch paralysiert sind.“ (108). S. zur griechischen Rache ferner den wichtigen Aufsatz von Gehrke (1987) und jüngst Mc Hardy (2008). Paus. V 24,11, der als Beleg Hom. Il. XIX 266 zitiert. Aristoph. Nub. 397: τοῦτον γὰρ δὴ φανερῶς ὁ Ζεὺς ἵησ῾ ἐπὶ τοὺς ἐπιόρκους.
III.2. Erinnyen, Praxidikai und der ‚Sohn des Eides‘
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der Blitz ja auch in Tempel einschlage und „in stämmige Eichen“ – und man könne ja wohl nicht im Ernst von „meineidige(n) Eichen“ sprechen.16 Dennoch repräsentieren die Worte des Strepsiades eine weit verbreitete, landläufige Vorstellung, wie nicht zuletzt die ironische Schärfe verdeutlicht, mit der der aristophanische Sokrates dem Strepsiades entgegnet. Wenn die Quellen aber insgesamt eher selten auf die strafende Funktion des Zeus verweisen, so hat dies seinen Grund darin, dass die Vorstellung seit Homer so gängig war, dass sie nicht extra erwähnt werden musste. Sie war aber mit Sicherheit bei jedem Eid präsent, bei dem Zeus – fast immer als erster Schwurgott – angerufen wurde und konnte wie bei Pausanias jederzeit evoziert werden. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass Eide von den Griechen in besonderer Weise mit dem obersten Gott ihres Pantheons verbunden wurden. Diese Verbindung bestand seit homerischer Zeit und wurde danach keinesfalls lockerer, sondern sogar eher noch verstärkt: So kommt Zeus als einzigem Gott das Epitheton Horkios zu. Das zeigt, dass der Institution des Eides eine besondere Bedeutung beigemessen wurde. Die strafende Funktion des Zeus wurde dabei – zumindest in besonders prekärem Kontext – im Laufe der Zeit sogar noch gesteigert. III.2. ERINNYEN, PRAXIDIKAI UND DER ‚SOHN DES EIDES‘ „Tief in der Scheide / Ruhe das Schwert, Vor den Thoren gefesselt / Liege des Streits schlangenhaarigtes Scheusal. / Denn des gastlichen Hauses / Unverletzliche Schwelle / Hütet der Eid, der Erinyen Sohn, / Der furchtbarste unter den Göttern der Hölle.“ (Schiller, Braut von Messsina)
Neben Zeus gab es aber auch noch andere göttliche Mächte, denen man die Bestrafung von Eidbrüchigen zuschrieb. Hier sind zunächst die Erinnyen zu nennen, die in der Forschung mit Recht häufig als „Verkörperung der im Eid enthaltenen Selbstverfluchung“17 bezeichnet werden: So sagen sie in Aischylos‘ Eumeniden von sich selbst: „Flüche werden wir genannt in unserer Heimstatt unter der Erde.“18 16 Aristoph. Nub. 398–402: καὶ πῶς ὦ μῶρε σὺ καὶ Κρονίων ὄζων καὶ βεκκεσέληνε, / εἴπερ βάλλει τοὺς ἐπιόρκους, δῆτ῾ οὐχὶ Σίμων᾽ ἐνέπρησεν / οὐδὲ Κλεώνυμον οὐδὲ Θέωρον; καίτοι σφόδρα γ᾽ εἴσ᾽ ἐπίορκοι: / ἀλλὰ τὸν αὑτοῦ γε νεὼν βάλλει καὶ Σούνιον ἄκρον Ἀθηνέων / καὶ τὰς δρῦς τὰς μεγάλας: τί μαθών; οὐ γὰρ δὴ δρῦς γ᾽ ἐπιορκεῖ. 17 Burkert (²2011), 302, vgl. auch 279 und Fletcher (2007), 111: „Embodying the curse are the Erinyes, female creatures fundamentally associated with oaths.” So auch Fletcher (2012), 62–66. Für den Zusammenhang zwischen Erinnyen und Fluch s. ferner Geisser (2002), 242– 252; vgl. allgemein zu den Erinnyen Wüst (1956), Griffiths (1991), 53–57 und Johnston (1999), 250–287; zu der Rolle der Erinnyen in der Tragödie s. Winnington-Ingram (1983), 154–174, Allen (2000), 18–24 und Sewell-Rutter (2007), 78–109. Zur Ikonographie der Erinnyen vgl. Rosenberg (1874), 45–80 und Junge (1983). 18 Aischyl. Eum. 417: Ἀραὶ δ᾽ ἐν οἴκοις γῆς ὑπαὶ κεκλήμεθα. Zu weiteren Belegstellen vgl. Wüst (1956), 86 f., 104. Aufgrund dieser engen Verbindung mit dem Fluch kann auch das
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III. Das Konzept der göttlichen Vergeltung
Auch leitet eine antike Etymologie, die auch heute noch ernsthaft erwogen wird, den Namen der Erinnyen von ἀρά (‚Fluch‘) her.19 Ferner konnten die Erinnyen auch in nachhomerischer Zeit – etwa in der Tragödie – als Eidgottheiten angerufen werden.20 Als reguläre Schwurgottheiten in einem historisch verbürgten Eid treten sie allerdings allein im Areopagiteneid auf.21 Ihre Präsenz in diesem Eid erklärt sich über ihre Verbindung mit dem Ort des Geschehens: Ihre primäre Funktion war die Bestrafung von Mördern – besonders von solchen, die Blutsverwandte getötet hatten, – und Mordprozesse fanden in Athen im Areopag statt. Deshalb lag ja ihr Heiligtum auch in der Nähe des Areopags.22 Genau wie die einen Mörder jagenden Erinnyen, haben auch diejenigen, die Eidbrecher verfolgen, außerordentliche Macht. Sie können sogar Götter23 zur Rechenschaft ziehen und wollen „bei einem Verbrechen nichts von mildernden Umständen wissen“24. In Aischylos‘ Orestie machen sie zwar eine Entwicklung durch von Rachedämonen, die eine Bedrohung für alle Menschen darstellen, hin zu Gottheiten, die im Dienst einer sittlichen Idee stehen. Man sollte allerdings sehr vorsichtig sein, die Eumeniden allzu strikt als religionsgeschichtlichen Wendepunkt griechischer Vorstellungen von den Erinnyen fixieren zu wollen. Das Stück hat sehr viel mit politischen Entwicklungen in Athen, insbesondere mit der veränderten Rolle des Areopags zu tun.25 Die Erinnyen wurden ferner bereits bei Heraklit als Δίκης ἐπίκουροι26 bezeichnet und haben diese Rolle letztlich auch schon bei Homer. Man sollte daher nicht so sehr einen starken Einschnitt in den 450er Jahren setzen, als vielmehr die unterschiedlichen Funktionen betonen, die den Erinnyen zukom-
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häufige Auftreten der Erinnyen in Fluchtäfelchen nicht überraschen: So werden sie als Ἐρινύες ὑποχθόνιοι neben anderen chthonischen Gottheiten in einer Reihe von Defixiones des 3. Jahrhunderts n. Chr. aus Amathous angerufen: I.Kourion 127–129, 131, 134–140, 142. Wichtig ist v. a. Hesych. s. v. Ἀράντισιν (Α 6963): Ἐρινύσι. Μακεδόνες, was man als Bestätigung der Ableitung von ἀρά gedeutet hat. Vgl. Wüst (1956), 83. Vgl. Aischyl. Ag. 1431–1437, wo Erinys im Eid der Klytaimnestra nach Dike und Ate als Schwurgottheit genannt wird. Zu verweisen ist ferner auf Eur. Med. 1059: μὰ τοὺς παρ’ Ἅιδῃ νερτέρους ἀλάστορας. Für die homerischen Beispielen s. Kap. II dieser Arbeit. Zu diesem bei dem Einbringen einer Mordanklage in den Areopag zu leistenden Eid vgl. Graf (2005), 243. Die in dem Eid angerufenen Schwurgottheiten werden bei Deinarch. or. 1, 47 genannt: τὰς σεμνὰς θεὰς ἐν Ἀρείῳ πάγῳ καὶ τοὺς ἄλλους θεοὺς οὓς ἐκεῖ διόμνυσθαι νόμιμόν ἐστι (…). Wie selbstverständlich diese Nähe für die Zeitgenossen war, zeigt Demosth. or. 23, 67 f. Bestrafung von Göttern: Hes. theog. 220, Hom. Il. XV 204. Wüst (1956), 113 meint unter Verweis auf Aischyl. Prom. 515, dass die Erinnyen als Schicksalsgöttinnen nach griechischer Vorstellung „sogar stärker als Zeus“ seien. Vgl. aber auch Aischyl. Eum. 360, wo es heißt, dass Zeus die Erinnyen nur ein einziges Mal aufgehalten habe, was im Umkehrschluss aber zeigt, dass er dazu durchaus grundsätzlich in der Lage war. Sie sind also nicht eigentlich „stärker“ als der höchste Gott des griechischen Pantheons. Dieser erkennt aber ihre Macht an, mit der sogar Göttern gedroht werden konnte (Hom. Il. XV 204 [Poseidon]). Wüst (1956), 115. Vgl. Aischyl. Eum. 427. Vgl. hierzu nach wie vor grundlegend Meier (1980), 144–246. Herakl. DK 22 B 94; vgl. jetzt auch A. P.Derv. col. IV 7, dessen Ende Tsantsanoglou – Parássoglou (2006), 69 überzeugend mit derselben Charakterisierung der Erinnyen ergänzen.
III.2. Erinnyen, Praxidikai und der ‚Sohn des Eides‘
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men. So wurden sie auch häufig als Fruchtbarkeitsgöttinnen verehrt.27 Für die hier verfolgte Fragestellung ist aber v. a. ihre Funktion als Rachedämonen28 wichtig: Ihre Aufgabe war es, die göttliche Rache dort durchzuführen, wo menschliche Strafe sich als schwierig oder unmöglich erwies.29 Genau darum geht es bei Eiden im zwischenstaatlichen Kontext, deren Überwachung eben nicht durch zwischenstaatliche Institutionen gesichert werden konnte. Allerdings lassen sich die Erinnyen im zwischenstaatlichen Kontext selbst eher selten in Verbindung mit Eiden nachweisen. In Staatsverträgen werden sie allein in einer Formel zu Beginn des Symmachievertrags StV II 290 erwähnt, der 362/ 6130 zwischen Athenern, Arkadern, Achaiern, Eleiern und Phleiasiern geschlossen wurde: Dort heißt es, der Keryx31 solle „sofort dem Olympischen Zeus, der Athena Polias, der Demeter und Kore und den Zwölf Göttern und den Erhabenen Göttinnen (ταῖς σεμναῖς θεαῖς)“ geloben, „ein Opfer und eine Prozession zu veranstalten“, allerdings mit der Einschränkung, „wenn vorteilhaft sei für der Athener Volk der Beschluss und das Bündnis“32. Das Opfer steht also in enger Verbindung mit dem Vertrag. Allerdings handelt es sich bei den erwähnten Gottheiten nicht um die Schwurgottheiten des Bündnisses,33 da sie eben nicht im Eid im Rahmen einer invocatio angerufen wurden. Auch wäre die Nennung der Epitheta von Zeus und Athene für athenische Eide absolut untypisch, das Auftreten von Kore, den Zwölf Göttern und den Erinnyen gänzlich ohne Parallele.34 Vielmehr wird hier ein Opfer für Gottheiten in Aussicht gestellt, die in sehr enger Verbindung mit Athen standen 27
Vgl. Wüst (1956), 114 f. Hier mag durchaus auch eine Verbindung zu den Exsekrationsformeln von Vertragseiden bestehen, in denen der Schwörende eben nicht nur sich selbst, sondern auch seine Nachkommen für den Fall der Übertretung verfluchte. 28 Diese Funktion wird in den Quellen besonders drastisch ausgemalt. So werden die Erinnyen als unermüdliche Jägerinnen gekennzeichnet (Aischyl. Eum. 244–253; 307–320), die bei ihren Opfern peinigende Angst auslösen (Eur. Or. 255–257; 260 f.) und bei ihrer Rache nicht zimperlich sind (Aischyl. Eum. 186 m. Wüst [1956], 128). Wie Vampire stürzen sie sich von oben auf ihre Opfer (Apoll. Rhod. II 220) und trinken das Blut der Schuldigen (Aischyl. Choeph. 576; Ag. 1189). Man stellte sie sich – spätestens seit Euripides (Or. 315–327; Iph. T. 285–294) – mit Flügeln vor, deren Zweck es wohl war: „to illustrate the swiftness of their vengeance“ (Sorensen [2002], 90). 29 So Wüst (1956), 116 f. sinngemäß über die Erinnyen als Rächer von Verwandtenmord. Bezeichnend ist hier die in den Quellen häufig zum Ausdruck kommende Vorstellung, dass die Erinnyen der Mutter schlimmer seien als die des Vaters, da der Mutter aus ihrer ‚Mädchensippe‘ keine Bluträcher am eigenen Sohn mehr blieben. 30 Nach Bengtson (²1975), 251 „sehr wahrscheinlich bald nach (nicht vor) der Schlacht bei Mantineia“. Dies ist trotz Xen. Hell. VII 5,18 heute Konsens der Forschung: vgl. auch Tod (1948), 134–138 (mit der älteren Literatur) und Rhodes – Osborne (2003), 212. 31 Es handelt sich um denselben Herold, der auch für Gebet und Opfer vor jeder Sitzung der Volksversammlung zuständig war: vgl. Deinarch. or. 2, 14: καὶ ὁ μὲν νόμος εὐξάμενον κελεύει τὸν κήρυκα μετ’ εὐφημίας πολλῆς […]. S. dazu auch Mikalson (1983), 13 und Hansen (1995), 146 f. 32 StV II 290 (= HGIÜ II 232). 33 Gegen Brulé (2005), 164, der die genannten Gottheiten unter Nr. 7 seiner „liste ‚hellénique‘“ (LH) aufführt . 34 Für die εὔξασθαι-Formel ist allerdings auf IG II² 30 (386/ 85) und 114 (362/ 61) zu verweisen, in letzterer – dem Beschluss über eine Aussendung attischer Kleruchen nach Poteidaia – wer-
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III. Das Konzept der göttlichen Vergeltung
und deren Heiligtümer die zentralen Plätze des athenischen Polisterritoriums durchmaßen und damit in besonderer Weise für das Wohlergehen der Polis der Athener verantwortlich waren.35 Dies passt besser zu einem Dankopfer für die günstigen Folgen eines Bündnisses als zu einem Vertragseid. Die Erinnyen waren folglich bei Staatsverträgen keine typischen Schwurgottheiten. Indem man sie mit Flüchen assoziierte, konnten sie aber als dämonische Mächte durch jeden Eidbruch auf den Plan gerufen werden. Diese Vorstellung war für die Zeitgenossen offenbar so selbstverständlich, dass sie nicht extra expliziert werden musste.36 Dass der Gedanke der strafenden Funktion der Erinnyen gegenüber Eidbrechern gleichwohl sehr langlebig war, belegt eine Passage in den Posthomerica des Quintus von Smyrna. Dort heißt es: Denn jene (sc. die Trojaner) begingen als erste den Frevel wegen Helena, als erste verletzten sie die Eide, die Elenden, die einst das schwarze Blut und die Riten der Unsterblichen vergaßen durch die Frevelhaftigkeit ihres Sinnes. Und deshalb bereiteten ihnen später die Erinnyen Leiden.37
Noch im vierten Jahrhundert n. Chr. konnte also eine klare Verbindung zwischen Eidbruch und Verfolgung durch die Erinnyen gezogen werden.38 Deutlicher noch als bei den Erinnyen selbst kommt die beschriebene Drohkulisse in Bezug auf einen personifizierten Rachedämon, den ‚Sohn des Eides‘, zum Ausdruck und wird dort zu einem veritablen Schauermärchen ausgebaut: So heißt es in der Glaukos-Episode im 6. Buch der Historien Herodots: Ἀλλ᾽ Ὅρκου πάϊς ἔστιν, ἀνώνυμος οὐδ᾽ ἔπι χεῖρες οὐδὲ πόδες· κραιπνὸς δὲ μετέρχεται, εἰς ὅ κε πᾶσαν συμμάρψας ὀλέσῃ γενεὴν καὶ οἶκον ἅπαντα· ἀνδρὸς δ᾽ εὐόρκου γενεὴ μετόπισθεν ἀμείνων. Doch hat der Eid einen Sohn, ohne Namen und auch ohne Füße, Und ohne Hände, jedoch rasch holt er dich ein und am Ende Packt er das ganze Geschlecht und das Haus und vertilgt’s von der Erde.
den erneut die Semnai Theai erwähnt; für weitere nicht-attische Parallelen der εὔξασθαιFormel vgl. Tod, Nr. 146. 35 Zeus Olympios: Olympieion am Fuße der Akropolis (vgl. Kreutz [2007], 74–76); Athena Polias: Akropolis; Demeter und Kore: Mysterien von Eleusis; die Zwölf Götter: Agora; Semnai theai: Areopag. 36 Darauf deutet Demosth. or. 23, 67, der seine Ausführungen zu dem im Areopag zu leistenden Eid mit den Worten einleitet: ἴστε δήπου τοῦθ’ ἅπαντες, ὅτι ἐν Ἀρείῳ πάγῳ (…). – „Ihr wisst natürlich, dass im Areopag (…).“ 37 Q. Smyrn. XIII 378–382: Κεῖνοι γὰρ ἀτάσθαλα πρῶτοι ἔρεξαν / ἀμφ’ Ἑλένης, πρῶτοι δὲ καὶ ὅρκια πημήναντο, / σχέτλιοι, οἵ ποτε † κεῖνο † παρ’ ἐκ μέλαν αἷμα καὶ ἱρὰ / ἀθανάτων ἐλάθοντο παραιβασίῃσι νόοιο. / Τῶ καί σφιν μετόπισθεν Ἐριννύες ἄλγεα τεῦχον. 38 Auch wenn die homerischen Epen neben Vergils Aeneis (vgl. hierzu Gärtner [2005]) sicher das große Vorbild für das Werk des Quintus darstellen, so ist es doch nicht selbstverständlich, dass er die religiösen Vorstellungen, die in Ilias und Odyssee zum Ausdruck kommen, gut 1000 Jahre später einfach übernimmt. Vgl. zum Götterapparat und bes. zu Schicksalspersonifikationen bei Quintus jetzt Gärtner (2007).
III.2. Erinnyen, Praxidikai und der ‚Sohn des Eides‘
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Doch wer ehrlich im Eid, des Geschlecht wird künftig gedeihen.39
Dieses antike Schauermärchen40 verdeutlicht auf sehr drastische Weise die strafende Funktion des ‚Sohnes des Eides‘, der den Eidbrüchigen verfolgt. Der durch jenen bewirkte Schrecken ist so groß, dass er die menschliche Vorstellungskraft übersteigt: Der ‚Sohn des Eides‘ ist daher eben nicht anthropomorph, hat „keinen Namen“ (ἀνώνυμος), keine „Hände und Füße“, wobei letzteres durch das Enjambement (οὐδ’ ἔπι χεῖρες / οὐδὲ πόδες) noch betont wird.41 Er erweist sich damit als für den Menschen nicht fassbar. Seine Rache erfolgt schnell (κραιπνός) und vollkommen (πᾶσαν…γενεὴν καὶ οἶκον ἅπαντα). Vor einem solchen ‚gestaltlosen‘, schnell und präzise vorgehenden Rächer kann es keinen Schutz geben. Er ist vollkommen unberechenbar und vertilgt mit dem Eidbrüchigen auch dessen ganzes Geschlecht, so dass das höchste Ziel griechisch-aristokratischen Strebens, das κλέος ἀνδρῶν42, zugleich mit der eigenen Familie ausgelöscht wird. Dem getreu nach seinem Eid handelnden ἀνὴρ εὔορκος und seinem ganzen Geschlecht kommt dagegen ewiger Nachruhm zu – in dieser Antithese spiegelt sich deutlich die am Ende von Vertragseiden übliche Exsekrations- und Segensformel wider.43 Inwieweit der Sohn des Eids mit den Erinnyen zu identifizieren ist, ist nicht ganz klar. Das Verhältnis von Eid und strafender göttlicher Macht ist hier im Vergleich mit der im vorigen Kapitel zitierten Hesiod-Stelle, in der es heißt, dass die Erinnyen den Horkos bei seiner Geburt umschwärmten,44 jedenfalls umgedreht: Erst der Eid gebiert die rächende Gottheit, diese ist nicht schon bei seiner Geburt 39
Hdt. VI 86γ in der Übersetzung von Walter Marg. Eindrücklicher, aber arg frei ist die Übersetzung August Horneffers: „Aber es folget dem Meineid sein Sohn, der hat keinen Namen, / Hat nicht Hände und Füße; er schreitet so schnell wie der Sturmwind, / Greift dein Haus und Geschlecht und vertilget sie ganz von der Erde. / Aber des Eidesgetreuen Geschlecht hat Ruhm bei der Nachwelt.“ Vgl. zu dieser Passage jetzt auch Veyne (2008), 39 und Gagné (2013). 40 Lonis (1980), 274 sieht hier „l’écho d’une très ancienne conception du serment“ am Werke. Es hat sich an dieser Grundkonzeption aber auch in klassischer Zeit nichts geändert, wie gerade die Selbstverständlichkeit, mit der die Passage von Herodot zitiert wird, bezeugt. 41 Vgl. hierzu die Beschreibung der Schicksalsgöttin Ate bei Hom. Il. XIX 92 f.: τῇ μέν θ’ ἁπαλοὶ πόδες· οὐ γὰρ ἐπ’ οὔδει / πίλναται, ἀλλ’ ἄρα ἥ γε κατ’ ἀνδρῶν κράατα βαίνει (…). – „Die hat weiche Füße, denn nicht auf dem Boden / nähert sie sich, sondern schreitet über den Häuptern der Männer (…).“ 42 Hom. Od. VIII 74. 43 Vgl. aus einer Vielzahl von Beispielen etwa den Synoikismos zwischen Orchomenos in Arkadien und Euaimon StV II 297 (HGIÜ II 287), wo es jeweils am Ende des Vertragseides beider Seiten heißt: „Und dem, der seinen Schwur hält, soll es wohl ergehen, den, der meineidig wird, soll Vernichtung treffen, ihn selbst und seine Sippe.“ (in der Form des Eids der Euaimnier: κεὐορκέντι μὲν τἀγαθὰ̣, [ἐ]πιορκέντι δὲ ἐξο̣[λέ]σθαι αὐτὸγ καὶ γένος). Zum Fluch bei den Griechen vgl. Ziebarth (1895), Vallois (1914), bes. 268–271; zu den Exsekrations- und Segensformeln in kretischen Staatsverträgen s. Chaniotis (1996a), 76 f. – Lonis (1980), bes. 272–275 interpretiert die Fluchformel als den wichtigsten Bestandteil eines jeden Vertragseids und stellt einen kausalen Zusammenhang zwischen einer angeblichen Verkürzung der Verfluchungsformel in den Staatsverträgen des 4. Jahrhunderts und der Ineffektivität des Vertragseids her. Allerdings stammt die oben zitierte Exsekrationsformel gerade aus dem 4. Jahrhundert und weist etwa noch die Verfluchung auch der Sippe auf. 44 Hes. erg. 803 f.
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III. Das Konzept der göttlichen Vergeltung
aktiv präsent. Auch sind die Erinnyen weibliche Gottheiten, während der Ὅρκου πάϊς durch das im nächsten Vers folgende dreiendige κραιπνός als Maskulinum gekennzeichnet wird. Andererseits werden die Erinnyen metaphorisch geradezu als ἀνώνυμοι θεαί45 bezeichnet und entspricht ihre strafende Wirkweise ziemlich genau dem, was hier vom ‚Sohn des Eides‘ gesagt wird. Das Problem muss hier aber auch gar nicht letztgültig geklärt werden. Für die hier verfolgte Fragestellung ist es vielmehr wichtig, auf den Kontext der Passage hinzuweisen: Es geht in dem Orakelspruch um versuchten Meineid – schon dieser kann die beschriebenen fürchterlichen Konsequenzen haben, bis hin zur Auslöschung des ganzen Geschlechts.46 Zusätzlich aufgeladen wird die Geschichte ferner dadurch, dass es sich hier um einen delphischen Orakelspruch handelt, der dem Plot religiöse Legitimation verleiht. Neben den Erinnyen und dem ‚Sohn des Eides‘ lassen sich in nachhomerischer Zeit sogar noch weitere Rachedämonen finden, die für die Bestrafung von Meineid und Eidbruch verantwortlich zeichnen: Gemeint sind die sogenannten Praxidikai (‚die das Recht eintreiben‘),47 die im frühgriechischen Epos noch nicht erwähnt werden und zum ersten Mal in einer Quelle aus dem vierten Jahrhundert auftauchen.48 Diese verweist nach Boiotien; und dort hatten sie auch ein Heiligtum am Berg Tilphusion, das in der Nähe von Haliartos lag.49 In diesem Heiligtum schworen nach dem Zeugnis des Pausanias die Haliartier „und machen den Eid nicht übereilt.“50 Die Praxidikai dienten den Haliartiern offenbar dazu, ihre Eide noch stärker abzusichern, ihnen ein noch größeres religiöses Gewicht zu verleihen. Ihr Auftauchen ist somit als ein lokaler Versuch zu deuten, den Eidbruch an besonders schreckliche göttliche Mächte zu koppeln.51 Schon ihr Name weist sie als Beschützerinnen des Rechts und Vollstreckerinnen der Strafe aus.52 Denn dass die Praxidikai primär Rachegöttinnen sind, zeigt ihre Ikonographie: Sie wurden „nur als Kopf“53 errichtet, da sie „dem, was gesagt wird, gleichsam den Kopf“54 aufsetzen, d. h. durch ihre Beteiligung wird der Eid erst endgültig besiegelt.55 45 Etwa Eur. Iph. T. 945. 46 Zum narrativen Kontext der Passage vgl. überzeugend Hornblower (2007), 139 f.; auf den versuchten Meineid weist Burkert (2009), 54 m. Anm. 32. 47 Zu den Praxidikai vgl. Höfer (1902–1909), 2913–2930, van der Kolf (1954), 1751–1761, Wüst (1956), 91, der sie zu den mit den Erinnyen „verwandte(n) Dämonen“ (86) zählt, und Burkert (1994), 504 f. 48 S. Dionysios von Chalkis FHG IV 394 F 3. 49 Weitere Kultorte der Praxidikai lassen sich für Lakonien (Paus. III 22,2), Attika (IG III App. 109, Z. 2; 6 = Eidinow [2007], 384) und Lykien (Panyas. EpGF F 18 = PEG F 23; Alex. Polyh. FGrHist 273 F 58; 137; TAM II 174 = Polycharm. FGrHist 770 F 5; vgl. auch van der Kolf [1954], 1757–1760 und Burkert [1994], 504) nachweisen. 50 Paus. IX 33,3. 51 So auch van der Kolf (1954), 1753: „Die P.(raxidik)ai waren furchtbare Göttinnen, die Meineidige strenge straften.“ 52 So schon Höfer (1902–1909), 2914. 53 Hesych. s. v. Πραξιδίκη (Π 3204). 54 Ebd. 55 So Burkert (1994), 504: Die Praxidikai machten „den Eid unwiderruflich.“ – Es ist auch spekuliert worden, dass die Darstellung einer Praxidike als Kopf mit dem bei den Griechen
III.2. Erinnyen, Praxidikai und der ‚Sohn des Eides‘
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Ein letztes eindrückliches Beispiel für einen Rachedämon, der Eidbruch verfolgt, findet sich in Aischylos‘ Eumeniden: In den Versen 762–777 leistet Orest einen typischen Vertragseid, der ein ewiges Bündnis zwischen Argos und Athen beschwört. Interessanterweise ruft er dabei für den Fall des Eidbruchs keinen Fluch auf sich herab, sondern konstruiert sich gleichsam selbst als Eidfluch, wie Judith Fletcher in einer überzeugenden Analyse der Passage herausgearbeitet hat.56 So heißt es in der Exsekrationsformel des Bündniseides: „Doch wenn den Schwur sie (sc. die Argeier) halten und die teure Stadt / der Pallas ehren stets mit bundestreuem Speer, so werd‘ ich (sc. Orest) ihnen doppelt hold und gnädig sein.“57 Orest sieht damit nicht nur seinen eigenen Heroenkult voraus, sondern übernimmt als chthonische Gottheit auch die Aufgaben der Erinnyen, seiner großen Widersacher in den Eumeniden. Es ist evident, dass dieses Beispiel keine allgemeine Gültigkeit für griechische Eidvorstellungen beanspruchen kann – Orest als Rachedämon, der argivische Eidbrecher aus seinem Grab verfolgt, ist lokal und thematisch auf diesen einen Fall begrenzt; das Beispiel ist aber wichtig, weil es zeigt, dass sich das Konzept göttlicher Vergeltung, das hinter dem Eid steht, nicht in ein festes Schema oder starres System pressen lässt: Der Bruch eines Eides zieht nach griechischer Vorstellung göttliche Strafe nach sich. Die göttliche Zuständigkeit für diese Strafe kann aber durchaus variieren: Wichtig ist, dass es eine möglichst furchterregende Gottheit oder ein möglichst schrecklicher Dämon ist, der Eidbrüchige und Meineidige zur Rechenschaft zieht. Die angeführten Beispiele zeigen sowohl, dass in nachhomerischer Zeit die Verbindung zwischen Eiden und Zeus als dem obersten Gott des griechischen Pantheons enger wurde, als auch, dass neue strafende Mächte wie die Praxidikai, der ‚Sohn des Eids‘ oder – in der Tragödie – Orest auf den Plan traten und auch die Erinnyen als Rachedämonen präsent blieben. Es lässt sich daher von einem ‚kumulativen‘ Charakter der griechischen Vorstellung über die göttliche Vergeltung gegenüber Eidbrechern sprechen. Dies ist wichtig zu betonen, da es bisher nicht der communis opinio der Forschung entspricht: Während viele Altertumswissenschaftler zu Unrecht für das 5. Jahrhundert einen allgemeinen Rückgang der Religion konstatieren,58 vertritt Raoul Lonis in seinem Aufsatz „La valeur du serment dans les accords internationaux en Grèce classique“ eine differenziertere Position: In einer ausführlichen Untersuchung der hinter dem Vertragseid stehenden religiösen Konzeption von göttlicher Strafe kommt er – ausgehend von der Beobachtung, dass der entscheidende Teil jedes Eids die Fluchformel sei – zu dem Schluss, dass gelegentlich vorgenommenen Schwur beim eigenen Haupte zusammenhänge (vgl. etwa Hirzel [1902], 5 m. Anm. 1, 15 m. Anm. 2, 33). Die Ikonographie hätte dann – wie Höfer (1902– 1909), 2918 meint – den Sinn, „den Schwörenden, der während des Schwures den ‚Kopf‘ der Schwurgöttin unmittelbar vor Augen hatte, nachdrücklich auf die verhängnisvollen Folgen eines Meineides aufmerksam zu machen.“ 56 Vgl. Fletcher (2007), 110 f. 57 Aischyl. Eum. 772–774: ὀρθουμένων δὲ καὶ πόλιν τὴν Παλλάδος / τιμῶσιν ἀεὶ τήνδε συμμάχωι δορὶ / αὐτοῖς ἂν ἡμεῖς εἶμεν εὐμενέστεροι. – Der historische Hintergrund dieses Vertragseides ist in dem Bündnis zwischen Athenern und Argeiern zu sehen, das der Schlacht von Tanagra vorausging (vgl. Thuk. I 107 f.; Paus. I 29,8 und IG I² 931 f. = HGIÜ I 60). 58 Vgl. für die Belege die Einleitung dieser Arbeit.
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III. Das Konzept der göttlichen Vergeltung
die Verfluchung in klassischer Zeit ihre magische Sanktionsmacht verloren habe. Der Grund dafür sei aber nicht ein allgemeiner Verfall der Religion in klassischer Zeit, sondern dass das Konzept sich verändert habe: Die Handlungen der Erinnyen seien bei den Tragikern seit Aischylos‘ Orestie nicht mehr unausweichlich – stattdessen könnten die Götter eingreifen. Dämonische Mächte wie die Erinnyen, der personifizierte Fluch (Ara) und der personifizierte Eid seien nun der ‚Theologie‘ untergeordnet.59 Hand in Hand damit gehe in klassischer Zeit die Verkürzung der Exsekrationsformeln in Staatsverträgen. An dieser könne man erkennen, dass die Verfluchung als Waffe gegen Eidbrecher stumpf geworden sei.60 Dem kann hier nicht gefolgt werden. Ganz abgesehen davon, dass die Begrifflichkeit z. T. verfehlt ist – streng genommen gibt es in der griechischen Religion keine ‚Theologie‘61 – entspricht auch die Prämisse eines Übergangs der Straffunktion von den ‚alten‘ dämonisch-chthonischen Mächten auf die olympischen Götter in klassischer Zeit nicht mehr dem Stand der Forschung.62 Dieser Prämisse lag die Vorstellung zugrunde, dass „in der Religion eine Evolution vom Niederen zum Höheren“63 vonstatten gegangen sein müsse. Dies ist aber für die griechische Religion nicht nur nicht zu verifizieren, sondern es ist für die infrage stehende Epoche, die ja schon auf viele Jahrhunderte griechischer Religionsgeschichte zurückblickt, auch zu einfach gedacht. Ferner sollte deutlich geworden sein, dass eine Betrachtung aller relevanten Passagen nicht einen Übergang von den einen – dämonischen – auf die anderen – göttlichen – Strafmächte nahelegt, sondern dass hier vielmehr versucht wurde, entweder die eine Vorstellung mit der anderen zu verbinden oder je nach Kontext gerade die Gottheiten zu evozieren, denen man die größte abschreckende Wirkung zubilligte.64 Und schließlich bleibt der Fluch oder genauer die Selbstverfluchung für den Fall der Übertretung auch in klassischer Zeit das Kernelement eines jeden Eides. Noch in hellenistischer Zeit wurde auf Kreta eine Ex59
Lonis (1980), 274 f., der hier z. T. auf Vallois (1914), 262 f. beruht. Diese Unterordnung finde sich am deutlichsten bei den Tragikern ausgedrückt, wofür er als Beleg auf Soph. Oid. K. 1767 (Διὸς Ὅρκος) verweist; wie schon gezeigt worden ist, finden sich Διὸς ὅρκια aber schon bei Homer (Il. III 107) und bezeugen die bei den Griechen immer bestehende enge Verbindung zwischen Zeus und Eiden. 60 Lonis (1980), 274–278 sieht auch einen Zusammenhang mit dem Eidopfer, das in klassischer Zeit nicht mehr eine Inszenierung der Strafe, die dem Eidbrüchigen droht, darstelle und gemeinsam mit der Verfluchungsformel seine Effektivität verliere, da es „au rang d’un simple rite d’accompagnement“ (278) herabgesetzt werde. 61 Die griechische Religion ist keine Buchreligion, es gibt kein Berufspriestertum und erst recht keine ‚Theologen‘. 62 Für diese alte Position vgl. Kelsen (1946), 220: „(…) the function of retribution is passed on from the old chthonian powers, especially from the Erinyes, to the Olympic gods (…).“ Anders überzeugend Burkert (²2011), 277, der betont, dass der „Dämonenglaube“ eben nicht älter sei „als der Götterglaube.“ 63 Burkert (²2011), 277. 64 Zur Verbindung der Vorstellung in klassischer Zeit vgl. etwa die gemeinsame Verehrung von Zeus (Meilichios) und den Erinnyen in einem Felsenheiligtum in der Nähe von Kyrene (Ain el Hofra, 4. Jahrhundert: SEG IX 325–339, 343; SEG XX 723) und in Selinous (SEG XLIII 630: Lex sacra mit der ersten Erwähnung einer ἐχεχειρία; SEG XXI 451: Ephebenopfer für Zeus und die Semnai Theai).
III.2. Erinnyen, Praxidikai und der ‚Sohn des Eides‘
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sekrations- und Segensformel gebraucht, die sogar das Vieh in die Verwünschung mit einbezog.65 Grundsätzlich sind die griechischen Vorstellungen hinter dem Eid diffuser, als der moderne Forscher das manchmal gerne hätte: Eine besondere Verbindung der Eide mit Zeus als dem höchsten Gott, die Anrufung von Schwurgöttern und die Straffunktion von dämonischen Mächten, all dies geht bei den Griechen zusammen – es kann aber auch nur jeweils eines der drei Elemente besonders hervorgehoben werden. Die Zuständigkeit eines oder mehrerer olympischer Götter muss diejenige z. B. der Erinnyen nicht ausschließen und andersherum. Es lässt sich vielmehr in Bezug auf die göttlichen Sanktionsmächte ein ‚kumulativer‘66 Zug beobachten. So häufte man zum Zwecke der Absicherung einer Vereinbarung oft schlichtweg möglichst furchteinflößende Gottheiten an. Ein solches Vorgehen ist allerdings nicht mit Beliebigkeit zu verwechseln: Verhandlungen über die Schwurgötter gehörten zum Prozedere eines jeden Bündnisschlusses und die Wahl der Gottheiten war keinesfalls arbiträr. Die Schwurgötter konnten, mussten dabei aber eben nicht mit den göttlichen Sanktionsmächten des Eides identisch sein. Zugleich eignet den göttlichen Sanktionsmächten ein ‚situativer‘, also kontextabhängiger Charakter. Dieser zeigt sich etwa daran, dass dämonische Mächte wie die Erinnyen niemals bei Eiden zwischen Griechen und Nichtgriechen auftauchen. Hier traten im Falle einer Verfehlung ausschließlich die Schwurgötter als Strafinstanzen und Symmachoi der griechischen Seite auf den Plan.67 Anders als bei innergriechischen Auseinandersetzungen konnten die Schwurgötter bei Konflikten mit Nichtgriechen alle uneingeschränkt eine – nämlich die griechische – Seite einnehmen. Dämonische Mächte waren daher in einem solchen Fall zur Exekution der Strafe schlicht nicht notwendig. Festzuhalten bleibt, dass in Erzählungen nachhomerischer Zeit das Geschick von Eidbrüchigen offenbar noch grausiger ausgemalt, die Drohkulissen noch erhöht wurden, wie besonders die herodoteische Glaukos-Episode verdeutlichte.68 Erhöht wurde aber nicht nur die Intensität der Abschreckung, auch die bloße Anzahl der für die göttliche Vergeltung zuständigen dämonischen Mächte nahm zu. Dabei sind auch lokale und chronologische Besonderheiten – wie etwa das Aufkommen der Vorstellung von den Praxidikai als Eid- und Rachegottheiten im Boiotien 65 Vgl. Chaniotis (1996a), 76 f. m. Anm. 412, (2004), 12. 66 Einen Vergleichspunkt zu dem ‚kumulativen‘ Charakter der Vorstellung über die göttliche Sanktionsmacht kann in Mythen oder auch Gründungsberichten von griechischen Poleis gesehen werden: Auch hier ist zumeist nicht nur eine Version ‚richtig‘, sondern können verschiedene Versionen relativ problemlos nebeneinander existieren. Und das gilt eben auch für die griechische Religion, da diese keine dogmatische Religion mit einem festen Lehrgebäude darstellt. 67 Vgl. etwa Xen. an. III 1,21 f. und III 2,10. S. zu diesem wichtigen Aspekt ausführlich Kap. V.4.1., V.6. und VI.3. 68 Die Glaukos-Episode ist zwar älter als Herodots Bericht, bis in homerische Zeit geht sie aber sicher nicht zurück (Herodot gibt sie für das Jahr 491/ 90 wieder) und verarbeitet damit vielmehr schon Erfahrungen früherer Zeiten mit der mangelhaften Validität von Eiden. Die Geschichte wurde zudem auch in späterer Zeit noch weitererzählt, vgl. Konon FGrHist 26 F 1, 38 (= Phot. Bibl. 186) und Stob. III 28,21.
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III. Das Konzept der göttlichen Vergeltung
des 4. Jahrhunderts – zu beobachten. Insgesamt ließen sich für die klassische und hellenistische Zeit vier verschiedene Rachedämonen ausmachen, die Meineid und Eidbruch verfolgten und unter denen die Erinnyen69 und der ‚Sohn des Eides‘ besonders prominent figurierten. III.3. DAS EIDRITUAL ALS INSZENIERUNG DER ‚UNWIEDERBRINGLICHKEIT‘ UND DES ‚PRÄGENDEN SCHRECKENS‘ „Allein nun giebt es schon zu denken, daß in wichtigern Fällen die Ceremonie in der auffallendsten Weise gesteigert wurde, ganz als ob dem gewöhnlichen Eide gar nicht mehr getraut worden wäre“. (Burckhardt [2005], 328)
Im zweiten Kapitel sind für die homerische Zeit bereits der grundsätzliche Ort des Eidrituals innerhalb der zwischenstaatlichen Vertragspraxis und seine Funktion als ‚Drohritus‘ herausgearbeitet worden. Im Folgenden soll nun der Entwicklung des Eidrituals in nachhomerischer Zeit nachgespürt werden.70 Dabei werden schwerpunktmäßig Rituale in den Blick genommen, die die Leistung von Vertragseiden begleiteten. Rituale, die bei anderen Eidestypen wie dem Beamten- oder dem Gerichtseid durchgeführt wurden, werden nur dann in die Analyse miteinbezogen, wenn ihre Untersuchung über das Vertragsmaterial hinausgehende Erkenntnisse verspricht. Es steht zu fragen, ob und inwiefern sich Ablauf und Funktion des Eidrituals, aber auch der Kreis der im Ritual handelnden Akteure in nachhomerischer Zeit veränderten. Das früheste nachhomerische Quellenzeugnis für ein Eidritual stellt der sog. ‚Eid der Oikisten von Kyrene‘ dar. Dieser ist Teil eines kyrenaiischen Dekretes aus dem 4. Jahrhundert, das den in Kyrene wohnenden Theraiern das Bürgerrecht gewährt.71 Als Begründung für diese Bürgerrechtsverleihung wird unter der Überschrift ὅρκιον τῶν οἰκιστήρων eine Eidesvereinbarung zitiert, die die theraiischen Kolonisten einst vor ihrem Aufbruch in die Apoikie mit den in Thera Zurückbleibenden geschlossen hatten und die sich als eine Wiederaufzeichnung eines the69 Man hätte zusätzlich noch auf die Moiren, Ara, Oistros und Alastor (vgl. Ziebarth [1892], 13 f. und Hirzel [1902], 34, Anm. 2 und Burnett [1998], 201) verweisen können, die in dieser Funktion aber kaum mehr von den Erinnyen zu unterscheiden sind: vgl. Wüst (1956), 86–91. 70 Vgl. dazu Stengel (³1920), 86 f., Faraone (1993), Saladino (1998), Giorgieri (2001), Graf (2005), 244 f., Berti (2006), Burkert (2009), (²2011), 377–379, Sommerstein – Bayliss (2013), 151–158 und Sommerstein – Torrance (2014), 135–149. 71 SEG IX 3 = HGIÜ I 6. Zu einer möglichen Herkunft des gesamten Dokuments aus einer kyrenaiischen Stadtgeschichte vgl. Chaniotis (1988a), 264 und jüngst Hartmann (2010), 428– 430. – Weitere Siedlereide sind die Regelungen für Neusiedler aus Naupaktos von 525–500, IG IX 1², 3, 609 = HGIÜ I 19 (keine Eide, aber Fluchformel) und das Gesetz der hypoknemidischen Lokrer über die Kolonie in Naupaktos von 500–475 (ML 20 = HGIÜ I 30).
III.3. Das Eidritual als Inszenierung der‚Unwiederbringlichkeit‘
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raiischen Volksbeschlusses aus dem 7. Jahrhundert gibt. In dem Zeugnis ist von dem Einschmelzen von Wachsfiguren die Rede: So wie diese Wachsfiguren dahinschmölzen, sollten auch diejenigen vergehen, die den Eid der Siedler überträten.72 Durch diese drastische Form ‚ritueller Verdeutlichung‘ sollte zum einen sichergestellt werden, dass sich kein Theraier, der für das Kolonisationsunternehmen ausgewählt worden war, der Wahl entzöge, zum anderen, dass keiner der Siedler früher als nach dem Ablauf von fünf Jahren in die Heimat zurückkehrte, wenn das Unternehmen scheitern sollte. Das hier beschriebene Eidritual ist in seiner Form für den griechischen Bereich singulär. Dies bedeutet aber nicht, dass man es mit Slobodan Dušanić als eine Fälschung des 4. Jahrhunderts anzusehen hätte;73 vielmehr ist die überlieferte Form des Rituals ernst zu nehmen. Kulturübergreifende Vergleiche etwa mit hethitischen Militäreiden74 belegen dies: Auch in ihnen tauchen Wachsfiguren auf, deren Dahinschmelzen demonstrieren soll, welches Schicksal den Eidbrüchigen erwartete.75 In dieser Hinsicht gilt das Diktum Walter Burkerts: „[O]ath-taking rituals of international character have the best chances to cross cultural borders.“76 Es ist tatsächlich evident, dass gerade in einem zwischenstaatlichen Kontext die Wahrscheinlichkeit besonders groß ist, dass Rituale übernommen oder adaptiert wurden. Statt das Einschmelzen der Wachspuppen als ein Indiz für eine spätere Verfertigung der Inschrift im 4. Jahrhundert anzusehen, sollte man also versuchen, das Ritual aus seinem zeitlichen Kontext heraus zu verstehen. Anthony M. Snodgrass hat die 72 SEG IX 3, Z. 44–51 (= HGIÜ I 6): κηρίνος πλάσσαντες κολοσὸς κατέκαιον ἐπα/ρεώμενοι πάντες συνενθόντες καὶ ἄνδρες καὶ γυναῖκ/ες καὶ παῖδες καὶ παιδίσκαιˑ τὸμ μὴ ἐμμένοντα τούτοις / τοῖς ὁρκίοις ἀλλὰ παρβεῶντα καταλείβεσθαί νιν καὶ κα/ταρρὲν ὥσπερ τὸς κολοσός, καὶ αὐτὸν καὶ γόνον καὶ χρή/ματα, τοῖς δὲ ἐμμένοισιν τούτοις τοῖς ὁρκίοις καὶ τοὶς / πλέοισι ἐλ Λιβύαν κ[αὶ] τ[οῖς μέ]νοισι ἐν Θήραι ἦμεν πολλ/ὰ καὶ αὐ[τοῖς καὶ γό]νοις. – „Sie formten dazu wächserne Figuren und verbrannten sie unter Fluchformeln, nachdem alle zusammengekommen waren, Männer, Frauen, Jungen und Mädchen: Wer nicht bei diesen Eidbestimmungen bliebe, sondern sie übertrete, solle so zerschmelzen und zerrinnen wie die Figuren, er selbst, sein Geschlecht und sein Vermögen; für die aber, die bei diesen Eidesbestimmungen blieben, sowohl die, die nach Libyen zögen als auch die, die in Thera blieben, solle es viel Gutes geben für sie selbst und ihr Geschlecht.“ 73 Dass es sich bei dem ‚Eid der Oikisten‘ um eine zumindest partiell authentische Quelle für das 7. Jahrhundert handelt, nehmen an Graham (1960), Jeffery (1961) und Oliver (1966). Gegen diese communis opinio der Forschung hat Dušanić (1978a) versucht, den Eid im Kern als ein Produkt des 4. Jahrhunderts zu erweisen. Das für seine These zentrale Argument, dass die im Ritual erwähnten Wachsfiguren im griechischen Bereich vor dem 4. Jahrhundert nicht belegt und damit anachronistisch seien, widerlegt überzeugend Faraone (1993) durch eine kulturübergreifende Analyse ‚sympathetischer Magie‘. 74 Vgl. zu diesen Oettinger (1976), Collins (1990) und Christiansen (2009); zu den hethitischen Staatsverträgen s. Korošev (1931) und Beckman (²1999). 75 Ausführlich weist auf diese Parallele hin Faraone (1993). 76 Burkert (1992), 68; s. zu diesem Aspekt auch Bachvarova (2007), 179–181. Dass auch Schwurgötterlisten und die mit ihnen verbundenen mythischen Vorstellungen ‚wandern‘ konnten, hebt jetzt Bernabé (2015) hervor, der sich allerdings auf eine im griechischen Kontext sehr seltene Formel bezieht, die zudem nie in einem zwischenstaatlichen Kontext Verwendung fand.
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III. Das Konzept der göttlichen Vergeltung
Archaik bekanntermaßen einmal als „The Age of Experiment“77 bezeichnet – und damit einen Grundzug der Epoche sehr treffend beschrieben: Die Dinge sind im Fluss. Formen haben sich noch nicht verfestigt, stattdessen wird mit ihnen gespielt. Es war daher im 7. Jahrhundert nicht ausgemacht, dass ein griechisches Eidritual immer aus Trankspende und Tieropfer zu bestehen hatte – wie noch zu zeigen sein wird, ist dies ja sogar in klassischer und hellenistischer Zeit nicht die einzig denkbare Möglichkeit. Es gab bei den Griechen nicht ein Eidritual, sondern verschiedene Formen und Typen, die je nach der konkreten historischen Situation, in der sie durchgeführt wurden, auch eine ganz unterschiedliche Bedeutung entfalten konnten.78 Libation und Tieropfer waren dabei sicher die am häufigsten auftretende Form, aber auch sie variierten in Bezug auf die handelnden Akteure, das Publikum und die Auswahl der Opfertiere. Entscheidend war jeweils der Kontext, in dem das Ritual durchgeführt wurde. Ein gutes Beispiel für eine Eideszeremonie, die über die üblichen Formen hin ausging, findet sich im zweiten Buch von Xenophons Anabasis. Hier wird ein Abkommen zwischen griechischen Söldnern und dem Perser Ariaios beschrieben. Die Griechen befanden sich beim Abschluss der Vereinbarung nach dem Tod ihres Verbündeten Kyros, der sie ins Land gerufen hatte, in einer ausweglosen Lage in einer ihnen fremden und feindlichen Umgebung. Sie waren zudem gerade von der thrakischen Reiterei verräterisch im Stich gelassen worden und scheinen daher in besonderem Maße die Notwendigkeit einer außergewöhnlich aufwendigen Opferzeremonie verspürt zu haben.79 Der Grad der ‚rituellen Verdeutlichung‘ ist deshalb noch einmal auffällig gesteigert:80 So wird das Blut der Opfertiere in einem Schild aufgefangen, „in den die Griechen die Schwerter, die Barbaren die Lanzen tauchten.“81 Der indirekte physische Kontakt mit dem Opferblut, der über das Eintauchen der Waffen hergestellt wurde, sollte den Schwörenden drastisch vor Augen führen, welches Schicksal den Eidbrüchigen erwartete.82 Wenn bei Xenophons Beschreibung des Eidrituals neben den für griechische Verträge typischen Opfertieren Stier, Eber und Widder auch ein Wolf erwähnt wird, so mag das Auftreten dieses 77 Snodgrass (1980) im Untertitel der Untersuchung. 78 Dieser Punkt wird auch betont von Berti (2006), 183 (Zitat), 208 f.: „(…) we cannot define one oath-ritual, but rather a variety of oath-rituals. Not only could some ritual elements disappear or be introduced anew, but also the sequences of the ritual could be changed and differently interpreted according to the cultural background of the oath-takers. Thus, the structure of the oath-rituals could always be invested with a new meaning, whose semantics can only be understood if we consider the cultural and historical context in which the oath was taken, as well as the peculiar situation and the intentions of the oath-takers.“ 79 Dies zeigt sich auch im Text des Eides selbst. So müssen allein die Perser um Ariaios zusätzlich schwören, dass sie die Griechen „ohne Trug“ (ἀδόλως) führen würden. Eine solche einseitige ‚anti-deceit clause‘ ist in griechischen Vertragseiden äußerst selten. Vgl. zu den ‚anti-deceit clauses‘ griechischer Staatsverträge: Kap. IV, Anm. 99. 80 So auch Lendle (1995), 98 f. Vgl. dazu ferner Faraone (1993), 66. 81 Xen. an. II 2,9: ταῦτα δ᾽ ὤμοσαν, σφάξαντες ταῦρον καὶ λύκον καὶ κάπρον καὶ κριὸν εἰς ἀσπίδα, οἱ μὲν Ἕλληνες βάπτοντες ξίφος, οἱ δὲ βάρβαροι λόγχην. 82 So auch Burkert (²2011), 378, der die Passage mit den Worten kommentiert: „Das Eidopfer hat wesentliche Elemente mit dem allgemeinen Tieropfer gemeinsam, unterstreicht aber den Aspekt von Schrecken und Vernichtung.“
III.3. Das Eidritual als Inszenierung der‚Unwiederbringlichkeit‘
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wilden Raubtieres die abschreckende Wirkung des Rituals auf die Teilnehmer noch verstärkt haben.83 Der historische Kontext des Rituals konnte jedenfalls auf die Zeremonie rückwirken: In Extremsituationen wurde die Drohkulisse erhöht, konnte das Ritual intensiviert und noch deutlicher die Strafe und deren Auswirkungen auf den Eidbrüchigen inszeniert werden. Eine mythische Parallele zu dem bei Xenophon beschriebenen Eidritual findet sich bei Aischylos. In seinen 467 uraufgeführten Sieben gegen Theben beschreibt der Dichter, wie die Sieben vor den Mauern Thebens einen Stier „in einen schwarzgefassten Schild“ schlachten (ταυροσφαγοῦντες), „mit den Händen das Stierblut“ berühren und „bei Ares, Enyo und dem blutgierigen Schrecken (φιλαίματον Φόβον)“ schwören.84 Walter Burkert sieht in dem Ritual eine „drohende Vorwegnahme des Blutvergießens“85. Diese Interpretation wird besonders durch die angerufenen, ungewöhnlichen Schwurgottheiten gestützt: Während Ares erst seit hellenistscher Zeit regelmäßig als Eidgott auftaucht,86 ist Enyo als Schwurgottheit nur aus dem attischen Ephebeneid87 bekannt, wo sie gemeinsam mit ihrem männlichen Gegenstück Enyalios88 in Erscheinung tritt. Den „blutgierigen Schrecken“ finden wir als Eidgottheit allein an dieser Stelle. Alle drei Gottheiten haben ihren kriegerischen, auf Blutvergießen ausgerichteten Charakter gemeinsam,89 der besonders durch das dem „Schrecken“ beigegebene Epitheton φιλ-αίματος (‚blutliebend‘, ‚blutgierig‘) betont wird. Dass Phobos hier sogar zum Schwurgott werden kann, zeigt noch einmal sehr deutlich, dass im Zentrum jedes griechischen Eidrituals die
83 Vgl. hierzu ausführlich Kap. VI.1., wo auch das hier vorliegende textkritische Problem erörtert wird: λύκον ist nur in einem Teil der Handschriften überliefert und auch die moderne Philologie zeigt sich uneinig: Während Hude in der von ihm besorgten Teubneriana λύκον in den Text nimmt, belässt es die Oxfordausgabe von Marchant bei den drei anderen Opfertieren. 84 Aischyl. Sept. 42–48. 85 Burkert (²2011), 99. Vgl. zu der Passage auch Fletcher (2012), 10 f., die die Unaufführbarkeit einer solchen Szene auf der Bühne hervorhebt. 86 So besonders in hellenistischen Alleinherrschereiden, kretischen und solchen Vertragseiden, die bei dem Abschluss von multilateralen Vereinbarungen geleistet wurden. Ares tritt hier bevorzugt in Verbindung mit Athena Areia auf. Vgl. allerdings schon StV II 309 (Athen-Ketriporis von Thrakien, Lyppeios von Paionien, Grabos von Illyrien, 356), wo Ares allerdings wie in StV III 445 (Athen-Sikyon, 303/ 02), Lefèvre (1998b) (Demetrios Poliorketes-Aitoler, 289) und StV III 549b (Philipp V.-Lysimacheia, 202–197) ergänzt ist. Sicher taucht er auf in StV III 429 (Eupolemos-Theangela, nach 310), I.Iasos I 2 (Ptolemaios I.-Iasos, 309–305), StV III 463 (Aitoler-Phoker-Boioter, 292?), StV III 476 (Athen-Sparta, 266), StV III 481 (Eumenes I.Söldner, 263–241), StV III 492 (Smyrna-Magnesia am Sipylos, nach 243), Pol. VII 9 (Philipp V.-Hannibal, 215), Ducrey (1970), Nr. 2, B (Attalos I.-Malla, um 200) und SEG XXXVIII 1252 (Antiochos III.-Lysimacheia, um 196). Zu den kretischen Belegen vgl. die Listen bei Chaniotis (1996a), 72 f., Sporn (2002), 376 f. und Brulé (2005), 168–172. 87 Rhodes – Osborne, Nr. 88, Z. 5–20. 88 Dieser ferner in StV II 297 (Orchomenos-Euaimon, 297) und Chaniotis, Nr. 8. 89 Eine vergleichbare Konzentration dezidiert kriegerischer Eidgottheiten findet sich neben dem attischen Ephebeneid allein in StV II 297 (Orchomenos-Euaimon, 297), wo der militärische Aspekt insbesondere durch die Epitheta der Gottheiten (Zeus Ares, Athena Areia, Enyalios Ares) zum Ausdruck gebracht wird.
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III. Das Konzept der göttlichen Vergeltung
Inszenierung der schrecklichen Strafe stand, die dem Eidbrüchigen drohte.90 Das Ritual war also im Kern auf die Erregung einer Emotion ausgerichtet.91 Das poetische, äußerst selten gebrauchte Adjektiv92 φιλαίματος soll dies einerseits untermauern, verweist andererseits aber auch auf den Inhalt des Eides: So schwören sich die Sieben, Theben zu erobern oder zu sterben. Der blutige Schrecken droht hier also nicht nur dem Eidbrüchigen, sondern kann auch bei Einhaltung des Eides auftreten. Streng logisch könnte dies seine Sanktionsmacht einschränken, da der Tod unter Umständen ja auch dem Eidesgetreuen blüht. Allerdings dürfte dieser Widerspruch für den Dichter und sein Zielpublikum von peripherer Bedeutung gewesen sein: Die Funktion der Passage ist es, bei den Zuschauern gleich zu Beginn der Tragödie (V. 42–48) und ganz im Sinne der aristotelischen Dramentheorie, Emotionen hervorzurufen, indem der Inhalt des Schwures und das Eidritual besonders drastisch ausgemalt werden. Das Mittel, um diese Eingangsszene besonders eindrücklich zu gestalten, ist dabei eine dezidiert emotionale Sprache. Der Grad der ‚rituellen Verdeutlichung‘ ist bei Aischylos sogar noch intensiver als in der zitierten Xenophon-Stelle: Anders als die Perser und die griechischen Söldner berühren die Sieben das mit einem Schild aufgefangene Blut nicht nur vermittelst ihrer Waffen, sondern direkt mit ihren eigenen Händen. Diese Steigerung gegenüber dem bei Xenophon beschriebenen Ritual dürfte der Gattung Tragödie und der Stellung der Passage zu Beginn des Stückes geschuldet sein. Wichtig ist aber insbesondere, dass die Textstelle bei Aischylos die Grundstruktur des xenophontischen Rituals stützt: In Extremsituationen scheint das Auffangen des Blutes der Opfertiere in einem Schild und der physische Kontakt mit diesem Blut – sei er nun direkter oder indirekter Natur – eine attraktive Option für die Akteure gewesen zu sein, um die Bedeutung des Rituals zu steigern. Raoul Lonis hat nun die These vertreten, dass in klassischer Zeit die Verfluchungsformel ihre Effektivität verloren habe und im Zuge dessen auch das Eidritual herabgesetzt worden sei „au rang d’un simple rite d’accompagnement“93. In homerischer Zeit und im ‚Eid der Oikisten‘ sei das Eidritual noch vor oder bei der Eidesleistung durchgeführt worden, in klassischer Zeit folge es erst danach. Es sei daher im 5. Jahrhundert nicht mehr Inszenierung der Strafe, die dem Eidbrüchigen drohe. Dies sei nur in archaischer Zeit der Fall gewesen. Die Xenophon-Passage hat allerdings klar gezeigt, dass auch am Ende des 5. Jahrhunderts die Inszenierung des Schreckens im Vertragsritual kein Akzidenz darstellte. Sie stand nach wie vor im Zentrum der Zeremonie. Diese Beobachtung 90
So auch Burnett (1998), 199: „The entire system ran on dread, on phobos, and the source of this dread was the ritualized sacrilege and the conditional self-curse built into every solemn oath.“ 91 Dies geht Hand in Hand mit der Hauptfunktion des Eides als Argument in diplomatischen Verhandlungen. Auch im zwischenstaatlichen Diskurs sollte der Verweis auf in der Vergangenheit geleistete Eide in den allermeisten Fällen Emotionen hervorrufen. Er erfolgt daher sehr häufig am Ende einer Rede. Vgl. hierzu Kap. V.3. Zu der Bedeutung von Emotionen im Ritual und für die Kommunikation mit den Göttern s. jetzt Chaniotis (2011), bes. 264–267. 92 Bei Aischylos taucht es allein an dieser Stelle auf und ist ansonsten nur noch zweimal bei Euripides (Phoen. 175; Rhes. 932) und einmal bei Anakr. 100 bezeugt. 93 Lonis (1980), 278.
III.3. Das Eidritual als Inszenierung der‚Unwiederbringlichkeit‘
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wird durch ein Eidritual gestützt, das in Athen für die Schwurleistung im Areopag und den Amtsantritt der Archonten überliefert ist.94 Bei diesem spezifischen Ritus stand der Schwörende auf den als τόμια (‚das Abgeschnittene‘) bezeichneten Genitalien der Opfertiere.95 Nach der auf Paul Stengel zurückgehenden communis opinio der Forschung wurde mit dieser rechtssymbolischen Handlung die Fluchformel inszeniert.96 Die Genitalien der Opfertiere standen dabei für aktuelles und zukünftiges Leben: Wurden die Tiere kastriert, so ging damit zugleich ihr Nachwuchs zugrunde. In dem Treten auf die Genitalien der Opfertiere spiegelt sich somit der Untergang des Geschlechts des Eidbrüchigen wider, ein typischer Zusatz griechischer Exsekrations- und Segensformeln. Jedenfalls wird der gängige Ritus hier in besonders wichtigen Situationen auffällig gesteigert – und diese Steigerung erfolgte nach Ausweis der Quellen noch im 4. Jahrhundert, wie die attischen Redner bezeugen.97 Eine weitere Form des Eidrituals stellte das Versenken von Eisenbarren im Meer dar, wie es für die Auswanderung der Phokaier und die Gründung des Delisch-Attischen Seebundes bezeugt ist.98 Bei diesem Ritus wurde stärker als bei den anderen überlieferten Varianten des Eidrituals die Unwiederbringlichkeit der Vereinbarung inszeniert: So lange, wie die Eisenbarren nicht aus dem Meer auftauchten, sollte auch das Bündnis bestehen bleiben. In beiden überlieferten Fällen fand diese Form des Rituals bei einer extremen äußeren Bedrohung Anwendung. Sowohl für die Phokaier als auch für die Mitglieder des Hellenenbundes stellte sich ähnlich wie für die Sieben vor Theben nicht die Frage nach einer Alternative. Die Auswanderung bzw. das militärische Bündnis musste erfolgreich sein – andernfalls drohte die vollständige eigene Vernichtung durch eine nichtgriechische Macht. Dass man in einer solchen Situation darauf verfiel, statt der Härte der Strafe, die auf den Eidbrecher wartete, den irreversiblen Charakter der Vereinbarung besonders zu betonen, kann nicht verwundern. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass dem Eidritual der „Charakter des nie wieder Zurückzunehmenden und oft des prägenden Schreckens“99 zukam. Der Akzent lag dabei zumeist auf letzterem; allerdings wurde in bestimmten Fällen auch die Unwiederbringlichkeit inszeniert. Es lässt sich jedenfalls klar beobachten, dass die Wahl der Form des Rituals während des Untersuchungszeitraums dieser Arbeit stark kontextgebunden war, d. h. das Ritual wurde in Extremsituationen dahingehend gesteigert, dass man die Drohkulisse erhöhte oder den Sinn der 94 Demosth. or. 23, 68 (Areopag), Aristot. Ath. pol. 55,5 (Archonten). Der Ritus findet sich ferner bei Aischin. leg. 87; Antiph. or. 5, 88; Dion. Hal. ant. V 1; VII 50; Paus. III 20,9; IV 15,8; V 24,11, parodiert wird er bei Aristoph. Lys. 185 f. (mit Henderson [1987], 90–96, Sommerstein [1990], 164 f. und Fletcher [2012], 228–234). 95 Vgl. hierzu Stengel (1910), 78–85, (31920), 76 f., Nilsson (³1967), 140, 92 f., Karavites (1992), 63, Geelhaar – Scheibelreiter (2004), bes. 37–40, Burkert (2009), 54 und (22011), 378. 96 Vgl. Stengel (1910), 78–85. 97 Vgl. Anm. 94. 98 Vgl. Hdt. I 165,2 f., Schol. Soph. Ant. 265 und Hor. epod. 16,25 (Phokaier) sowie Aristot. Ath. pol. 23,5, Plut. Aristides 25,1 (Seebund). Vgl. hierzu ausführlich Kap. IV.1.2.3. 99 Burkert (22011), 377.
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III. Das Konzept der göttlichen Vergeltung
Inszenierung veränderte. Solche Extremsituationen konnten etwa bei der Leistung eines Eides in fremder und feindlicher Umgebung, der gemeinsamen Abwehr von Nichtgriechen oder bei Mordprozessen vorliegen. Keinesfalls lässt sich belegen, dass das Eidritual in nacharchaischer Zeit an Intensivität eingebüßt hätte. Vielmehr erfand man auch weiterhin neue Formen, die teils erfolgreich waren, teils sich nicht durchsetzen konnten.
IV. EMPIRISCHER TEIL. ‚GLEICHE‘ UND ‚UNGLEICHE‘ EIDE: VERTRAGSEIDE AUS CHRONOLOGISCHER, GEOGRAPHISCHER UND TYPOLOGISCHER PERSPEKTIVE „In gegenseitiger Furcht aber liegt die einzige Sicherheit eines Waffenbündnisses.“1 Dieser Satz stammt nicht etwa von Harry Truman oder Leonid Breschnew, sondern geht auf mytilenische Gesandte zurück, die mit eben diesen Worten im Sommer 428 vor Vertretern des Peloponnesischen Bundes ihre Sichtweise der Bindekraft zwischenstaatlicher Verträge schilderten. Sie bezogen sich dabei dezidiert auf ihr eigenes, noch bestehendes Bündnis mit den Athenern, aus dem sie sich lösen wollten, da die Athener alle anderen Bündner unterjocht hätten. Ihr Bündnis biete ihnen vor einer solchen Unterjochung keinen ausreichenden Schutz, da es bei einem eindeutigen Ungleichgewicht der Kräfte, das sich noch zu ihren Ungunsten verschlechtert habe, geschlossen worden sei. Verträge bei asymmetrischen Machtverhältnissen seien in der Praxis – so der Kern des Arguments – nicht für beide Seiten gleichermaßen bindend, da sich der stärkere Vertragspartner jederzeit das, was er wolle, mit Gewalt nehmen und daran durch nichts gehindert werden könne.2 Das Argument entbehrt nicht eines gewissen Zynismus‘, wenn man den Ort, an dem die Verhandlungen stattfinden (Olympia!), bedenkt: Thukydides lässt die Mytilener mitten in dem zusammen mit Delphi wichtigsten griechischen Heiligtum implizit mit der Nichtigkeit und faktischen Bedeutungslosigkeit der religiösen Sicherungsmechanismen eines Staatsvertrages argumentieren. Zwar ist die Rede der mytilenischen Gesandten in Bezug auf religiöse Argumente keinesfalls in sich konsistent – so gerieren sie sich, als es ihnen im Rahmen eines religiösen Schlussappells zupass kommt, als Schutzflehende und machen dabei gerade die religiöse Bedeutung des Ortes der Verhandlungen zu einem Argument;3 es ist aber signifikant, dass man offenbar selbst in einem griechischen Heiligtum derart ausdrücklich 1 2
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Thuk. III 11,2: τὸ δὲ ἀντίπαλον δέος μόνον πιστὸν ἐς ξυμμαχίαν. Vgl. dazu Gomme (1956), 263. So heißt es in der eingangs zitierten Passage Thuk. III 11,2 weiter: ὁ γὰρ παραβαίνειν τι βουλόμενος τῷ μὴ προύχων ἂν ἐπελθεῖν ἀποτρέπεται. – „Wer einen Übergriff plant, lässt doch davon ab, wenn er ohne Übergewicht angreifen müsste.“ Vgl. auch Thuk. III 12,3. Zur gesamten Rede der Mytilener s. Gomme (1956), 259–270, Macleod (1978), 64–68 und Hornblower (1991), 388–398. Vgl. Thuk. III 14,1: αἰσχυνθέντες οὖν τάς τε τῶν Ἑλλήνων ἐς ὑμᾶς ἐλπίδας καὶ Δία τὸν Ὀλύμπιον, ἐν οὗ τῷ ἱερῷ ἴσα καὶ ἱκέται ἐσμέν, ἐπαμύνατε Μυτιληναίοις ξύμμαχοι γενόμενοι, καὶ μὴ προῆσθε ἡμᾶς (…). – „Enttäuscht also nicht die Hoffnungen, die die Hellenen auf euch setzen, und den Olympischen Zeus, in dessen Heiligtum wir wie Schutzflehende stehen: Kommt den Mytilenern als Verbündete zu Hilfe, und lasst uns nicht im Stich.“ Einen Widerspruch in der Argumentation der Mytilener, „a clash between moral and prudential considerations“ (Hornblower [1991], 391), macht auch Macleod (1978), 64 f. aus.
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IV. Empirischer Teil. ‚Gleiche‘ und ‚ungleiche‘ Eide
die Wirksamkeit religiös fundierter Normen anzweifeln konnte. Es steht nun im Folgenden zu fragen, inwieweit das Urteil der mytilenischen Gesandten realiter zutraf: War der in Kapitel III idealtypisch beschriebene religionsgeschichtliche Hintergrund der Absicherung eines Vertrags, also das Konzept der göttlichen Vergeltung und dessen Inszenierung im Eidritual, in der zwischenstaatlichen Praxis tatsächlich so bedeutungslos, wie von den Mytilenern suggeriert, oder spielten nicht doch neben der ‚gegenseitigen Furcht‘ auch andere Elemente eine Rolle, wenn es galt, ein Bündnis abzusichern? Um diese Frage fundiert beantworten zu können, wurden für diese Arbeit alle unter Griechen bis zum Jahr 168 geleisteten Vertragseide, seien sie epigraphisch oder historiographisch überliefert, untersucht. Die Darstellung kann sich dabei gelegentlich auf ein exemplarisches Vorgehen beschränken.4 Dies gilt insbesondere für die attischen und kretischen Vertragseide. Vollständig in die Darstellung aufgenommen sind dagegen alle ‚neuen‘, d. h. nach dem Erscheinen der beiden Sammlungen der „Staatsverträge des Altertums“ edierten Vertragseide.5 Einige dieser erst kürzlich publizierten Inschriften harren noch einer ausführlichen historischen Auswertung, weshalb ihre Analyse umso mehr neue Erkenntnisse verspricht. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen dabei einerseits die jeweiligen Klauseln der Vertragseide und andererseits das ‚Nachleben‘ der beschworenen Vereinbarungen, also die Frage nach Haltbarkeit und Bindekraft der jeweils geleisteten Vertragseide, die in ihrem spezifischen historischen Kontext analysiert werden. Während für eine Untersuchung der Klauseln der Primat der epigraphischen Quellen gilt, erfährt man über die Halbwertszeit von Vertragseiden fast ausschließlich etwas aus den historiographischen Quellen. Bei der Analyse der relevanten Eide werden in diesem Kapitel Anleihen bei der Herrschaftssoziologie Max Webers genommen, der „Herrschaft nicht von den Herrschenden, sondern von den Beherrschten aus konstruierte“6. Er ging dabei von der Idee aus, dass Herrschaft immer auch von der Akzeptanz der Beherrschten abhängig ist. Dieser Grundgedanke, heute ein zentrales Mantra einer ‚Kulturgeschichte des Politischen‘,7 muss umso mehr in derart macht- und herrschaftsfixierten Gesellschaften zutreffen, wie sie die griechischen Poleis nun einmal darstellten. Das Verhältnis zwischen Herrscher und Beherrschten war dabei innenpolitisch in vielen griechischen Gemeinwesen ein virulentes Problem. In Athen etwa wurde es durch die Beteiligung einer möglichst großen Zahl von Bürgern an der Herrschaft, die regelmäßig und regelhaft die Rollen tauschten, gelöst.8 Dies findet seinen Aus4 5
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Inwieweit in der Darstellung exemplarisch vorgegangen werden kann, hängt jeweils von Existenz, Alter und Qualität der Vorarbeiten sowie vom Heterogenitätsgrad der in den einzelnen Unterkapiteln behandelten Vertragsinschriften ab. Für den von Hermann Bengtson besorgten Band StV II ist hier die zweite Auflage aus dem Jahre 1975, für den von Hatto H. Schmitt herausgegebenen Band StV III die erste aus dem Jahre 1969 zugrunde gelegt. Für die kretischen Eide bildet Chaniotis (1996a) den Referenzpunkt. Gotter (2008), 174 unter Verweis auf Weber (51980), 122. Vgl. etwa Landwehr (2003), 111. Vgl. Gehrke – Gotter (2002), 169 f.
IV. Empirischer Teil. ‚Gleiche‘ und ‚ungleiche‘ Eide
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druck in der berühmten aristotelischen Formel des ἄρχειν καὶ ἄρχεσθαι, die für den Stageirit geradezu ein Charakteristikum der attischen Demokratie beschrieb.9 Auch die Ebene der zwischenstaatlichen Beziehungen stellte bei den Griechen selbstverständlich keinen herrschaftsfreien Raum dar. Die vielen mehr oder weniger unabhängigen und auf vergleichsweise kleinem Raum nebeneinander existierenden Poleis konnten gar nicht anders, als untereinander Beziehungen der Über- und Unter-, aber auch der Neben- und Beiordnung zu etablieren. Hier war das Problem des Gegensatzes zwischen Herrscher und Beherrschtem nun besonders virulent, da anders als in der innenpolitischen Sphäre feste Institutionen fehlten, die einen solchen Rollentausch hätten ermöglichen – und auch durchsetzen – können. Man war daher auf Alternativen informeller Art angewiesen, die man neben polisübergreifenden Beziehungen einzelner Aristokraten besonders in einem auf Akzeptanz beruhenden System panhellenischer Normen fand, die ihrerseits auf einem religiösen Fundament beruhten.10 Es ist signifikant, wie wenig das Problem zwischenstaatlicher Herrschaftsausübung griechische Intellektuelle beschäftigt zu haben scheint.11 So hat die in Bezug auf das einzelne Gemeinwesen hoch entwickelte griechische Staatsphilosophie niemals eine Theorie zwischenstaatlicher Beziehungen entwickelt.12 Griechisches Denken war aber nicht nur poliszentriert, sondern konnte den Sinn der Existenz zwischenstaatlicher Beziehungen sogar vollständig negieren: Aristoteles etwa stellte sich die ideale Polis möglichst weit entfernt und völlig frei von Beziehungen zu anderen Gemeinwesen vor.13 Diese Einschätzung trug den Problemen des 4. Jahrhunderts, eine dauerhafte Friedensregelung in Griechenland zu etablieren, Rechnung, konnte aber in der Praxis nicht den Ausweg aus dem geschilderten Dilemma weisen. Was blieb, war ein sich auf panhellenische Normen gründendes Akzeptanzsystem, das man durch eine religiöse Fundierung zu sichern suchte. Es steht zu fragen, inwieweit dieses System auch auf Beziehungen mit Nichtgriechen übertragen werden konnte.14 Zu den genannten Normen gehörte nun auch die Verpflichtung, einen einmal geleisteten Eid auch zu halten. Diese Verpflichtung ist nicht ganz zu Unrecht häufig als das Fundament aller zwischenstaatlichen Beziehungen bei den
9 Vgl. Schütrumpf (1980), 86–89, Gehrke – Gotter (2002), 169 f. 10 Zur Bedeutung polisübergreifender Beziehungen einzelner Großer für die Sicherung von Bündnissen vgl. Raaflaub (2010), 613. Für eine Anwendung des Begriffs des Akzeptanzsystems auf die religiöse Fundierung der zwischenstaatlichen Beziehungen innerhalb der griechischen Staatenwelt s. Funke (2009), 286 f. Zum Fehlen zwischenstaatlicher Institutionen, die eine Konfliktlösung hätten herbeiführen können, s. Bolmarcich (2007a), 27, Scharff (2009), 330 f. 11 Das bedeutet nicht, dass man sich nicht für Friedenskonzepte interessiert hätte, vgl. Raaflaub (2010). 12 Vgl. Low (2007), 2 f., Bolmarcich (2012), 78. Zu Ansätzen bei Aristoteles, die allerdings nirgends systematisch vorgebracht werden, s. Winterling (1995). 13 Vgl. Aristot. pol. 1252 b 1–1253 a. und 1324 b 41–1325 a 5. Winterling (1995), 328 nennt dies ein „Plädoyer für die Minimierung der Außenbeziehungen der Poleis“. 14 Vgl. Funke (2009), 286 f. und Kap. VI.
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IV. Empirischer Teil. ‚Gleiche‘ und ‚ungleiche‘ Eide
Griechen bezeichnet worden.15 Auch wenn dieses Urteil so allgemein nicht zutrifft, da es sich primär auf die vertraglichen Beziehungen zwischen griechischen Staaten bezieht und etwa alle informellen Bindungen unberücksichtigt lässt, so kann doch die große Bedeutung der Institution für die griechische Diplomatie nicht angezweifelt werden. Es steht nun aber, insbesondere vor dem Hintergrund der eingangs zitierten Passage, zu erwarten, dass eine solche religiöse Absicherung eines Staatsvertrages zwischen ungleich starken Parteien anders funktionieren musste als bei annäherndem Gleichgewicht der Kräfte. Dieser Grundgedanke liegt den folgenden Ausführungen zugrunde. Es soll untersucht werden, inwieweit sich ein Ungleichgewicht der Machtverhältnisse auch im Formular der Eide und in den angewandten Sicherungsmechanismen niederschlug. Dabei wird eine dreifache Differenzierung angestrebt, die sich in drei teilweise überlappenden Gliederungsprinzipien widerspiegelt. Das erste Gliederungsprinzip ist ein chronologisches und trägt der Frage nach Kontinuität und Wandel des Phänomens Rechnung (Kap. IV.1. und IV.2.). Ergänzt wird es in den jeweiligen Unterkapiteln durch ein typologisches, das auf die Frage abzielt, ob in strukturell vergleichbaren Kontexten ähnlich auf die Herausforderungen einer Eidessicherung reagiert wurde. Eine dritte Differenzierung wird schließlich in geographischer Hinsicht angestrebt. Sie soll es ermöglichen, auch regionale Sonderentwicklungen in den Blick zu nehmen (Kap. IV.1.3.–4. und IV.2.1.). IV.1. VERTRAGSEIDE IN ARCHAISCHER UND KLASSISCHER ZEIT IV.1.1. Der Amphiktyoneneid Als chronologisch frühester Vertragseid, von dem einzelne Klauseln überliefert sind, gilt in der Forschung im Allgemeinen der Schwur der Mitglieder der pylaiisch-delphischen Amphiktyonie.16 Bei diesem handelt es sich um ein Zeugnis, dessen Historizität äußerst schwierig einzuschätzen ist, da sich nur Teile des Eides 15 Zu einer solchen Einschätzung der grundsätzlichen Bedeutung des Vertragseids bei den Griechen kommen auch Phillipson (1911), 389, Bederman (2001), 61, Bolmarcich (2007a), 26. 16 Aus der umfangreichen Literatur zur pylaiisch-delphischen Amphiktyonie vgl. Bürgel (1877), Cauer (1894), Busolt – Swoboda (1926), 1280–1310, Wüst (1954), 129–143, Roux (1979), Tausend (1992), 8–63, Lefèvre (1998a), Sánchez (2001), Baltrusch (2008), 38 f., 130 f., Funke (2009), 295–297, Lefèvre (2011), Funke (2012) und Sommerstein – Bayliss (2013), 187–189. ‚Amphiktyonie‘ wird im Folgenden mit Lefèvre (1998a) und Sánchez (2001) und gegen Wüst (1954) als Gattungsbegriff verstanden, der bei den Griechen auch andere Zusammenschlüsse als den pylaiisch-delphischen bezeichnen konnte (Delos, Onchestos, Kalaureia, vgl. Funke [2012]) und dessen zentrales Charakteristikum bei allen genannten Beispielen in einer räumlichen Komponente zu sehen ist. Anders gesagt: Die Amphiktyonen heißen ‚Amphiktyonen‘, weil sie ‚Umwohner‘ eines Heiligtums sind; die Geschichte um den mythischen Gründer der pylaiisch-delphischen Amphiktyonie Amphiktyon stellt ein durchsichtiges aitiologisches Konstrukt dar (beide Versionen bei Paus. X 8,1). Es wird gleichwohl die im Deutschen übliche Schreibung ‚Amphiktyonie‘ beibehalten.
IV.1. Vertragseide in archaischer und klassischer Zeit
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– und dies auch erst in relativ späten Quellen – erhalten haben. Gemeint sind zwei Passagen aus den Reden des Aischines Über die Truggesandtschaft und Gegen Ktesiphon, die aus der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts stammen.17 In der ersten heißt es: ἅμα δ᾽ἐξ ἀρχῆς διεξῆλθον τὴν κτίσιν τοῦ ἱεροῦ καὶ τὴν πρώτην σύνοδον γενομένην τῶν Ἀμφικτυόνων, καὶ τοὺς ὅρκους αὐτῶν ἀνέγνων, ἐν οἷς ἔνορκον ἦν τοῖς ἀρχαίοις, μηδεμίαν πόλιν τῶν Ἀμφικτυονίδων ἀνάστατον ποιήσειν, μηδ᾽ ὑδάτων ναματιαίων εἴρξειν μήτ᾽ ἐν πολέμῳ μήτ᾽ ἐν εἰρήνῃ, ἐάν τις ἢ συλᾷ τὰ τοῦ θεοῦ, ἢ συνειδῇ τι, ἢ βουλεύσῃ τι κατὰ τῶν ἱερῶν, τιμωρήσειν καὶ χειρὶ καὶ ποδὶ καὶ φωνῇ καὶ πάσῃ δυνάμει· καὶ προσῆν τῷ ὅρκῳ ἀρὰ ἰσχυρά. Dabei erzählte ich zugleich von der Gründung des Heiligtums und der ersten Zusammenkunft der Amphiktyonen, die stattgefunden hat, und las ihre Eide vor, in denen sich die Alten verpflichteten, keine der amphiktyonischen Städte zu zerstören oder vom Quellwasser fernzuhalten weder im Krieg noch im Frieden; und wer dagegen handle, gegen den wollten sie zu Felde ziehen und die Städte zum Krieg auffordern, und wenn einer das Heiligtum des Gottes beraube, oder doch darum wisse oder etwas gegen das Heiligtum im Schilde führe, den wollten sie mit Hand und Fuß und Stimme und aller Kraft strafen. Und dem Eide war ein gewaltiger Fluch beigefügt.18
Die wichtigsten Klauseln des von einem „gewaltigen Fluch“ (ἀρὰ ἰσχυρά) abgesicherten Eides besagten also zum einen, dass Mitglieder des Bundes sich verpflichten sollten, keine andere amphiktyonische Stadt zu zerstören oder vom Wasser abzuschneiden,19 und zum anderen, dass das Heiligtum der Amphiktyonie geschützt sein sollte.20 Dabei handelt es sich inhaltlich um zwei verschiedene Dinge, wie schon Georges Daux betont hat.21 Man muss ihm aber nicht notwendig darin folgen, auch zwei verschiedene Eide anzunehmen. Es kann sich durchaus um verschiedene Klauseln ein und derselben Vereinbarung handeln. Diese gehört nach Aischines chronologisch in die Entstehungszeit der pylaiisch-delphischen Amphiktyonie. Die althistorische Forschung ist Aischines hierin lange gefolgt und hat dem Amphiktyoneneid ein hohes Alter zugeschrieben, ihn mithin in das 7. oder 6. Jahrhundert datiert.22 Gegen die ältere Forschung hat nun Pierre Sánchez in einem 1997 veröffentlichten Aufsatz die Authentizität des Eides grundsätzlich in
17 Vgl. Aischin. leg. 115 und Aischin. Ctes. 109–111, zusammengestellt und kurz kommentiert in StV II 104. 18 Aischin. leg. 115. 19 Robert (1938), 314 f. ergänzte mithilfe einer Klausel der inschriftlichen Version des Eides von Plataiai als eine dritte Bestimmung, dass keine amphiktyonische Stadt ausgehungert werden dürfe (μηδὴ λιμῷ περιόψεσθαι ἐργομένους). Schon Daux (1953) insistierte allerdings mit Recht darauf, dass es keineswegs zwingend ist, die beiden Eide als direkt voneinander abhängig zu betrachten. Zu ihrem Verhältnis s. u. 20 Diese zweite Klausel findet sich ausführlicher in der anderen o. g. Aischines-Passage Ctes. 109. Vgl. zu dieser Klausel auch Wagner-Hasel (2000), 286, die meint, diese enthalte „keine Schutzklausel des delphischen Heiligtums, sondern der Ebene von Krisa“. 21 Vgl. Daux (1953), 775 f., zustimmend Bengtson in StV II 104 und Siewert (1972), 30. 22 Vgl. StV II 104 (7. Jahrhundert?).
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IV. Empirischer Teil. ‚Gleiche‘ und ‚ungleiche‘ Eide
Frage und ihn in eine Reihe mit den sog. „falschen Urkunden“23 aus der Zeit der Perserkriege gestellt.24 Diese These ist in der Forschung allerdings umstritten.25 Da es sich beim Amphiktyoneneid – so er denn authentisch ist – um den frühesten und damit um einen äußerst zentralen Beleg für einen Vertragseid handeln würde, muss sich hier zunächst näher mit der Argumentation von Sánchez, die im Folgenden kurz paraphrasiert wird, auseinandergesetzt werden, um im Anschluss zu einer eigenen Einschätzung der Frage nach der Historizität des Eides zu kommen. Sánchez stützt seine These auf vier Argumente: Erstens sei der Amphiktyoneneid in der antiken Literatur isoliert,26 da er nur bei Aischines auftauche: So fehle etwa jedwede Anspielung auf den Eid bei Thukydides und Isokrates, obwohl beide von Verhandlungen berichten, die der Zerstörung der amphiktyonischen Stadt Plataiai durch ein anderes Mitglied des Bundes unmittelbar vorangehen und in denen damit nach Sánchez ein Verweis auf den Amphiktyoneneid zu erwarten wäre.27 Zweitens speise sich der Eidestext aus Vorstellungen des 4. Jahrhunderts,28 das drittens auch den historischen Kontext bilde, in dem der Eid von Aischines argumentativ zu anti-makedonischen Zwecken verwendet worden sei.29 Viertens und letztens passe er gut in die Reihe „falscher Urkunden“, die im Athen des 4. Jahrhunderts zirkulierten.30 Bei dem ersten Argument, das Sánchez vorbringt, handelt es sich um ein argumentum e silentio. Als ein solches ist es per se problematisch.31 Gleichwohl bleibt es erklärungsbedürftig, wenn ein als archaisch angenommener Eid zum ersten Mal im 4. Jahrhundert und allein bei einem einzigen Autor belegt ist. Allerdings finden sich die Klauseln über die Beschränkung der Kriegführung ja auch in den ‚amphiktyonischen Passagen‘ des Eides von Plataiai. Zudem sind vier Punkte zu bedenken, die in der Debatte bisher keine oder nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben: Dass sich in dem Eid archaisch anmutende Formulierungen finden, hat nicht nur mit Recht Peter Siewert32 betont, sondern es wird auch von Sánchez33 zugestanden. Es ist nun aber wichtig darauf hinzuweisen, dass eine dieser Formeln mit dem bereits diskutierten herodoteischen Glaukos-Orakel korreliert, in dem es heißt, dass der strafende ‚Sohn des Eides‘ 23
Der Ausdruck geht auf Habicht (1961) zurück, dessen Aufsatz als Antwort auf die Publikation des Themistokles-Dekrets von Troizen durch Jameson (1960) eine Grundsatzdebatte über wiederaufgezeichnete Dokumente des 5. und 4. Jahrhunderts auslöste. Vgl. ferner Sordi (1971), Robertson (1976), Davies (1996). 24 Vgl. Sánchez (1997). Der Gedankengang ist wiederholt bei Dems. (2001), 48–50. 25 Vgl. nur die Einwände von Lefèvre (1998a), 352–354. 26 Vgl. Sánchez (2001), 48. 27 Vgl. Sánchez (1997), 161 f. 28 Vgl. Sánchez (1997), 163–165. 29 Vgl. Sánchez (1997), 165–168. 30 Vgl. Sánchez (1997), 168–171. 31 So auch Lefèvre (1998a), 352, der zudem überzeugende Argumente dafür anbringen kann, warum der Amphiktyoneneid weder in der Plataiai-Debatte bei Thukydides noch bei Isokrates angeführt wird. 32 Vgl. Siewert (1972), 30 f., 36. 33 Sánchez (1997), 165 zur Formel καὶ χειρὶ καὶ ποδὶ καὶ φωνῇ καὶ πάσῃ δυνάμει (Aischin. leg. 115 und ohne καὶ φωνῇ in Aischin. Ctes. 109).
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„keine Hände und auch keine Füße“ (οὐδ᾽ ἔπι χεῖρες / οὐδὲ πόδες)34 habe. Diese Formulierung antwortet auf die säkulare Strafandrohung im Amphiktyoneneid, dass die Mitglieder des Bundes eine Verletzung des Heiligtums „mit Hand und Fuß (und Stimme) und ihrer ganzen Macht rächen“ sollten (τιμωρήσειν καὶ χειρὶ καὶ ποδὶ [καὶ φωνῇ] καὶ πάσῃ δυνάμει).35 Bei der Formel des Amphiktyoneneides handelt es sich offenbar um eine sehr alte Klausel, auf die im Glaukos-Orakel dann offenbar Bezug genommen wird. Der schon diskutierte Sinn des Orakelspruchs, der darin besteht, die göttliche Strafgewalt als besonders schrecklich auszumalen, da sie als nicht anthropomorph beschrieben wird und damit menschlicher Vorstellungskraft entzogen ist, erhält in Verbindung mit dem Amphiktyoneneid einen neuen Sinn: Der ‚Sohn des Eides‘ ist auch dadurch der menschlichen Sphäre enthoben, dass er nicht, wie dies die Sterblichen zu tun pflegen, „mit Hand und Fuß“ straft. Dass sowohl der Amphiktyoneneid als auch das Glaukos-Orakel von delphischer Provenienz sind, macht diese Interpretation umso plausibler. Wenn dieser Gedanke aber richtig ist, so gelangt man mit dem Amphiktyoneneid mindestens bis ins frühe 5. Jahrhundert zurück – und die Geschichte dürfte eher noch älter sein.36 Es ist erstaunlich, dass die Parallelen zwischen den beiden Passagen von der Forschung bisher nicht gesehen worden sind. Ein weiteres archaisches Element des Amphiktyoneneides stellt seine lange Fluchformel dar, die sich in der zweiten Passage, in der Aischines den Eid zitiert, findet. Sie lautet: γέγραπται γὰρ οὕτως ἐν τῇ ἀρᾷ, ‘εἴ τις τάδε,’ φησί, ‘παραβαίνοι ἢ πόλις ἢ ἰδιώτης ἢ ἔθνος, ἐναγής,’ φησίν, ‘ἔστω τοῦ Ἀπόλλωνος καὶ τῆς Ἀρτέμιδος καὶ τῆς Λητοῦς καὶ Ἀθηνᾶς Προναίας. καὶ ἐπεύχεται αὐτοῖς μήτε γῆν καρποὺς φέρειν, μήτε γυναῖκας τέκνα τίκτειν γονεῦσιν ἐοικότα, ἀλλὰ τέρατα, μήτε βοσκήματα κατὰ φύσιν γονὰς ποιεῖσθαι, ἧτταν δὲ αὐτοῖς εἶναι πολέμου καὶ δικῶν καὶ ἀγορᾶς, καὶ ἐξώλεις εἶναι καὶ αὐτοὺς καὶ οἰκίας καὶ γένος ἐκείνων. καὶ μήποτε,’ φησίν, ‘ὁσίως θύσειαν τῷ Ἀπόλλωνι μηδὲ τῇ Ἀρτέμιδι μηδὲ τῇ Λητοῖ μηδ᾽ Ἀθηνᾷ Προναίᾳ, μηδὲ δέξαιντο αὐτοῖς τὰ ἱερά. Denn so steht es in dem Fluch geschrieben: ‚Wenn einer dies übertritt, sei es eine Polis, ein Privatmann oder ein Ethnos, so soll er dem Apollon, der Artemis, der Leto und der Athena Pronaia verfallen sein, und es folgt für sie die Verwünschung, dass ihr Land keine Früchte tragen, ihre Frauen keine Kinder gebären sollen, die den Eltern gleichen, sondern Missgeburten, und ihre Herden keinen Nachwuchs bekommen sollen, wie es der Natur gemäß wäre, und dass sie im Krieg, vor Gericht und auf der Agora Niederlagen erleiden, und gänzlich mit ihrem Haus und ihrem Geschlecht zugrunde gehen sollen. Und nie mögen sie,‘ heißt es ferner, ‚dem Apollo, der Artemis, der Leto oder der Athena Pronaia ein gültiges Opfer bringen, noch möge ihr Opfer von denselben angenommen werden.‘37
Auch wenn Aischines hier ausdrücklich vorgibt, die Fluchformel wörtlich zu zitieren (γέγραπται […] οὕτως ἐν τῇ ἀρᾷ), handelt es sich bei dem Gesagten doch um eine Paraphrase. Das zeigt ein Vergleich mit den epigraphisch erhaltenen Fluchformeln griechischer Vertragseide ganz deutlich – es genügt hier auf die Hiatvermei34 Hdt. VI 86γ. Vgl. Kap. III.2. 35 Aischin. leg. 115 und Ctes. 109. 36 Hdt. VI 86γ berichtet sie für das Jahr 491/ 90. Lonis (1980), 274 spricht von einem „écho d’une très ancienne conception du serment“. 37 Vgl. Aischin. Ctes. 110 f.
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dung38 und darauf zu verweisen, dass der Amphiktyoneneid bei Aischines nicht in der 1. Ps. Sg. gehalten ist. Ein wörtliches Zitat kann somit ausgeschlossen werden. Gleichwohl muten die einzelnen Elemente des Fluches archaisch an, wofür stilistische und inhaltliche Erwägungen sprechen: Stilistisch ist mit Peter Siewert auf die vielen Reihungen39 und gelegentlichen Inkongruenzen40 des Fluches hinzuweisen. Inhaltlich sind die außerordentliche Länge der Fluchformel und die Tatsache signifikant, dass das Vieh mit in die Verwünschung einbezogen ist, was anson sten nur aus kretischen Eiden bekannt ist.41 Zudem ist auffällig, wie der Fluch noch ganz im Mittelpunkt des Eides steht, ja ihn vollständig ersetzen kann. Denn vom Eid ist an dieser Stelle ja gar keine Rede. Sogar die invocatio der Gottheiten erfolgt in der Fluchformel und nicht in einer eigenen Schwurgötterformel, ein Vorgang, für den es lange Zeit keine Parallele im epigraphischen Befund gab. Dies änderte sich erst durch die Publikation eines bereits 1964 gefundenen Vertrags zwischen Messeniern und Naupaktiern, der in die zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts datiert.42 Dort heißt es: [ὀμνύειν δὲ πάντας] / τὸν ὅρκον ἐνπεδήσεν· ὅσ[τις …8… τὸν ὅ]/ρκον, ἐναγὲς ἔστο τᾶς Ἀ[θάνας τᾶς Πολιάδος] / καὶ τὰ χρέματα ἱερὰ ἔσ[το αὐτο̑ τᾶς Ἀθάνας τ]/ᾶς Πολιάδος (…). Alle aber sollen schwören den festen Eid. Wer auch immer den Eid [verletzt], soll der Athena Polias verfallen sein und sein Besitz soll geweiht sein der Athena Polias (…).43
Das ἐναγὲς ἔστο τᾶς Ἀ[θάνας τᾶς Πολιάδος] stellt eine wörtliche Entsprechung der Fluchformel des Amphiktyoneneides dar und beinhaltet ebenfalls den Namen der anzurufenden Gottheit im Genitiv. Die prima facie ungewöhnliche Stellung der Schwurgottheiten im Amphiktyoneneid ist also kein Argument für eine Fälschung des 4. Jahrhunderts, sondern zeigt vielmehr, dass die später kanonische Form, bei der der Fluch immer das letzte Element des Eides bildete, hier schlicht noch nicht ausgebildet ist.44 Dies kann zwar eine bewusste Archaisierung nicht sicher aus38 Vgl. Siewert (1972), 30. 39 Vgl. Aischin. Ctes. 110 f.: ἢ πόλις ἢ ἰδιώτης ἢ ἔθνος; τοῦ Ἀπόλλωνος καὶ τῆς Ἀρτέμιδος καὶ τῆς Λητοῦς καὶ Ἀθηνᾶς Προναίας; μήτε γῆν (…) μήτε γυναῖκας (…) μήτε βοσκήματα; πολέμου καὶ δικῶν καὶ ἀγορᾶς; καὶ αὐτοὺς καὶ οἰκίας καὶ γένος. Vgl. Siewert (1972), 31. 40 Aischin. Ctes. 110: καὶ χειρὶ καὶ ποδὶ [καὶ φωνῇ] καὶ πάσῃ δυνάμει. Vgl. Siewert (1972), 36. 41 Vgl. Chaniotis (1996a), 76, Anm. 412. 42 Matthaiou – Mastrokostas (2000–2003) = SEG LI 642. Der Vertrag stellt ein einmaliges Zeugnis dar, da er trotz seines fragmentarischen Erhaltungszustands Zeugnis darüber ablegt, wie man mit in der Diaspora lebenden Neubürgern einen Vertrag schließen konnte. Die Messenier waren seit ca. 455 in Naupaktos angesiedelt (Thuk. I 103,3) und wurden 401 wieder vertrieben (Diod. XIV 34,2). Der Vertrag gehört wohl in die Jahre zwischen 430 und 420 (vgl. SEG LI 642). 43 Matthaiou – Mastrokostas (2000–2003), Z. 5–9 (Unterstreichung v. Verf.). Der genaue Wortlaut der Ergänzung in Z. 6 ist umstritten. Es besteht aber Einigkeit darin, dass dort eine Verbform gestanden haben muss, die die Bedeutung ‚verletzen‘ oder ‚brechen‘ hatte. 44 Als weitere, sprachlich leicht variierende Parallele sei auf einen Fluch verwiesen, der ebenfalls aus Naupaktos stammt und der Regelungen für Neusiedler absichert. Die Inschrift stammt aus
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schließen, spricht aber doch eher dagegen, da eine solche bewusste Fälschung ja ein Wissen um die frühere Existenz der Formel ἐναγὲς ἔστο + Gottheit(en) im Genitiv voraussetzt. Drittens ist in Bezug auf das für Sánchez zentrale Argument, im Amphiktyoneneid fänden sich zeittypische Vorstellungen des 4. Jahrhunderts realisiert, zu konstatieren, dass man nicht zwingend einen Platon benötigt, um auf die Idee einer Humanisierung der Kriegführung zu kommen. Hier scheint das alte Dilemma der Ideengeschichte nachzuwirken, die Entwicklung neuer Vorstellungen bevorzugt oder gar ausschließlich ‚großen Denkern‘ zuzuschreiben und dabei die schiere Relevanz des Faktischen, in diesem Fall der schlichten Tatsache, dass der Leidensdruck zu groß geworden sein dürfte,45 zu unterschätzen. Schließlich kamen ganz unabhängig von Platon schon im 7. Jahrhundert die euboiischen Eretrier und Chalkidier während des Lelantischen Krieges auf die Idee, beiderseitig gültige Regelungen über die Kriegführung zu erlassen und speziell auf den Gebrauch von Fernwaffen zu verzichten – so jedenfalls berichtet es Strabon.46 Dies wird in der Forschung mit Recht häufig mit den Klauseln des Amphiktyoneneides, die den Umgang mit einer amphiktyonischen Stadt regeln, zusammengebracht.47 Die Idee, die Kriegführung einzudämmen, ist somit nicht erst im 4. Jahrhundert aufgekommen. Auch Sánchez‘ Verweis darauf, der Amphiktyoneneid atme förmlich den Geist der koine eirene-Verträge, ist nicht zwingend, da der Vergleich in einer Hinsicht hinkt: Während es sich bei den koine eirene-Verträgen um Regelungen für alle Griechen handelte, galt der Amphiktyoneneid nur für amphiktyonische Städte, was dem Grundgedanken der allgemeinen Friedensordnungen des 4. Jahrhunderts geradezu widerspricht.48 dem letzten Viertel des 6. Jahrhunderts: Vgl. IG IX 1², 3, 609 (= HGIÜ I 19), Z. 9–16: hόστ/ις δὲ δαιθμὸν ἐνφέροι ἒ ψᾶφον διαφέροι ἐν πρείγαι, ἐν πόλι, ἐ/ν ἀποκλεσίαι ἒ στάσιν ποιέοι περὶ γαδαισίας, αὐτὸς μὲ/ν ϝερρέτο καὶ γενεὰ ἄματα πάντα, χρέματα δὲ δαμευόσθον / καὶ ϝοικία κατασκαπτέσθο κὰτ τὸν ἀνδρεφονικὸν τετμ/όν. ὄδε τετθμὸς ἰαρὸς ἔστο το̑ Ἀπόλλονος το̑ Πυθίο καὶ το̑ν συνν/[άον· ἐ̑μεν το̑ι τα]ῦτα παρβαίνοντι ἐξξόλειαν αὐτο̑ι καὶ γενεᾶι καὶ πά/ντ̣εσιν, το̑ι δ’ εὐσεβέοντι hίλαος ἔσστο. – „Jeder, der eine Aufteilung (des Landes) beantragt oder zur Abstimmung stellt in der Preiga oder der Polis oder der Apoklesia, oder der eine Unruhe anzettelt betreffs der Landaufteilung, soll selbst verflucht sein und sein Geschlecht auf alle Zeit, sein Vermögen soll eingezogen und sein Haus zerstört werden gemäß der für Mörder (geltenden) Satzung. Diese Satzung soll heilig sein dem Apollon Pythios und den mit (ihm) den Tempel teilenden Göttern; treffen soll den, der dies übertritt, Untergang, ihn und sein Geschlecht und sein Vermögen; dem, der es achtet, möge (der Gott) gnädig sein.“ (Unterstreichung v . Verf.). 45 So betont Gehrke (1986), 53 mit Recht: „Und wenn die Angehörigen der pylaiisch-delphischen Amphiktyonie sich eidlich verpflichteten, im Kriegsfalle nicht die gegnerische Stadt zu zerstören und ihre Wasserversorgung nicht zu unterbinden, dann zeigt dies zwar das Bemühen um die Normierung auch des kriegerischen Verhaltens, aber vor allem doch auch, wie bitter notwendig eine solche war.“ 46 Vgl. Strab. X 1,11 f. (448C); indirekt auch bei Archil. F 3 West und Pol. XIII 3,4; für unecht hält diese Abmachung Forrest (1957), 163 f.; der gesamte Lelantische Krieg als eine Chimäre der Forschung bei Fehling (1979), 204 f. Für historisch halten die Klausel dagegen Murray (1982), 98–102, Tausend (1987), (1992), 145, Parker (1997), bes. 95–103. 47 Vgl. etwa Lefèvre (1998a), 161 m. Anm. 43. 48 Dass es sich bei den koine eirene-Verträgen um Regelungen handelte, die für alle Griechen
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Viertens findet die in der Fluchformel angeführte und äußerst seltene Vertragsstrafe, der Eidbrecher solle den Schutzgöttern der Vereinbarung keine gültigen Opfer mehr darbringen können, eine Parallele allein in einem Vertrag aus archaischer Zeit, einem der frühesten epigraphisch überlieferten griechischen Staatsverträge überhaupt. Gemeint ist ein Bündnis (φιλία) zwischen den Anaitern und Metapiern, in dem es u. a. heißt: „Und wer von den beiden Parteien dies nicht hält, den sollen die Proxenoi und Manteis vom Altar fernhalten.“49 Auch diese Klausel untersagt dem Eidbrecher mithin den korrekten Vollzug von Opfern. Die Parallele ist schlagend, ohne dass man dafür Ulrich Kahrstedt, der in den Proxenoi und Manteis eine amphiktyonische Behörde gesehen hat,50 folgen müsste. Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass die Frage nach der Authentizität des Amphiktyoneneides mit den erhaltenen Quellen nicht letztgültig zu klären ist.51 Auch hängt eine Antwort damit zusammen, was man als ‚authentisch‘ definiert. Denn Aischines hat sicher nicht nach modernen Maßstäben korrekt ein originales Dokument des 7. oder 6. Jahrhunderts zitiert. Es lässt sich daher mit Recht fragen, ob die Alternative authentisch/ nichtauthentisch bzw. Original/ Fälschung in dieser Weise überhaupt richtig gestellt ist. Letztlich spricht aber doch einiges dafür, dass Aischines die Klauseln der Eide, der „charte fondatrice“52 der Amphiktyonie, wie François Lefèvre sie genannt hat, nicht völlig frei erfunden hat. Jedenfalls konnte er sie in einer öffentlichen Debatte unwidersprochen vorbringen. Die Regelungen müssen also zumindest auch seinen athenischen Zeitgenossen plausibel erschienen sein, was allerdings noch nicht allzu viel besagt. Wichtiger ist, dass sich schon in dem aus Delphi stammenden spätarchaischen Glaukos-Orakel ein Widerhall des Amphiktyoneneides findet – so nimmt οὐδ᾽ ἔπι χεῖρες / οὐδὲ πόδες Bezug auf καὶ χειρὶ καὶ ποδί. Zudem hat die bei Aischines überlieferte Version des Fluches eine Form, die später – abgesehen von den in vielerlei Hinsicht besonderen kretischen Exsekrationsformeln – nicht mehr auftaucht. Insgesamt bedarf es mehr als der bisher vorgebrachten Argumente, um einen völkerrechtlichen Schlüsseltext wie den Amphiktyoneneid zwingend als eine ‚Fälschung‘ zu erweisen. Die überlieferten Klauseln des Eides und der Fluch können daher im Folgenden zwar nicht in Bezug auf ihren Wortlaut, aber doch in Hinblick auf ihren inhaltlichen Kern mit aller gebotenen Vorsicht als authentische Zeugnisse archaischen Schwörens verstanden und interpretiert werden. verbindlich sein sollten, ist in der Forschung unstrittig. Vgl. zu diesen Verträgen Ryder (1965) und v. a. Jehne (1994), der auch auf die aus ihnen resultierenden Probleme hinweist (etwa 269–277). 49 StV II 111, Z. 3–5: κ’ὀπόταρ̣οι μἐνπεδέοιαν, / ἀπὸ το̑ βōμο̑ ἀποÛe–λέοιάν κα τοὶ πρό/ξενοι καὶ τοὶ μάντιερ̣. Das Bündnis, dessen Datierung lange umstritten war und von „um 550?“ (Ebd.) bis „nach der Mitte des 5. Jh.s“ (Schaefer [1932], 80) reichte, wird heute einhellig vor dem Jahr 471/ 70 angesetzt (Minon [2007a], 97). Vgl. dazu ausführlich Kap. IV.1.3. 50 Vgl. Kahrstedt (1927), 160 f., 169. 51 Das gesteht übrigens auch Sánchez (1997), 171 zu: „(…) aucun des arguments avancés ici ne permet de se prononcer définitivement contre l’authenticité de ce document; ils contribuent simplement à le rendre suspect.“ Auch Lefèvre (1998a), 352 hält die Frage für letztlich nicht entscheidbar: „(…) la question (…) me paraît insoluble“. 52 Lefèvre (1998a), 147.
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Der Amphiktyoneneid stellt eine auf symmetrischer Grundlage geschlossene multilaterale Vereinbarung dar, deren Klauseln auf Gegenseitigkeit beruhen und nicht einseitig von einem der Bündner dekretiert wurden.53 Ob die Vereinbarung schon in der Hinsicht Vertragscharakter besaß, dass sie – wie dies spätestens seit der Mitte des 6. Jahrhundert bei griechischen Bündnissen obligatorisch wurde – als Vertragsstele in einem Heiligtum aufgestellt wurde, ja ob sie überhaupt schriftlich fixiert worden ist, lässt sich anhand der erhaltenen Zeugnisse nicht sicher entscheiden. In homerischer Zeit fehlte dieses Element ja noch völlig, und man mag sich den Amphiktyonenbund durchaus – wie die griechische Kampfgemeinschaft vor Troja – als untereinander allein durch gegenseitige Eide verpflichtet vorstellen.54 Wann genau Griechen dazu übergingen, Verträge und Bündnisse zu publizieren, ist unbekannt. Instruktiv ist aber, dass schon die frühesten epigraphisch überlieferten Verträge aus Heiligtümern stammen, auffälliger Weise alle aus Olympia.55 Man hat diesen religiösen Bezug der Aufstellungsklausel offenbar von Anfang an gesucht – nach den erhaltenen Zeugnissen wohl früher in Olympia als in Delphi. Kann man über eine eventuelle Publikation der Vereinbarung nur Vermutungen anstellen, lassen sich über einen anderen religiös fundierten Sicherungsmechanismus des Eides schon konkretere Aussagen treffen. So erwähnt Aischines in der oben zitierten Passage aus seiner Rede gegen Ktesiphon gleich zweimal Apollon, Artemis, Leto und Athena Pronaia als Schutzgottheiten des Teils der Vereinbarung,56 der sich auf die Unverletzlichkeit des Amphiktyonenheiligtums und der Ebene von Krisa bezieht. Dies erlaubt einen Einblick in die Art und Weise, wie man sich bei einer wahrhaft multilateralen57 Eidesvereinbarung auf die Schwurgötter einigte. Bei der Vielzahl der beteiligten Stämme und Gemeinwesen konnten die Eidgötter schon aus rein praktischen Gründen nicht aus einer gemischten Formel der wichtigsten Schwurgottheiten der einzelnen Mitglieder der Amphiktyonie bestehen. Es lag nahe, sich stattdessen auf die Hauptgottheiten des delphischen Heiligtums zu verständigen. Zweifelhaft ist allerdings, ob Athena Pronaia tatsächlich, wie von Aischines angegeben, ebenfalls zu den Schwurgottheiten gehörte. Gegen ihre Anrufung im Eid sprechen drei Beobachtungen: Erstens ist es bis in den Hellenismus unüblich, dass Eidgottheiten in der Schwurformel zwischenstaat53 Die Gleichheit aller amphiktyonischen Poleis betont Aischines in leg. 116: Καὶ τούτων ἔδειξα ἕκαστον ἔθνος ἰσόψηφον γιγνόμενον, τὸ μέγιστον τῷ ἐλαχίστῳ, τὸν ἥκοντα ἐκ Δωρίου καὶ Κυτινίου ἴσον δυνάμενον Λακεδαιμονίοις, δύο γὰρ ψήφους ἕκαστον φέρει ἔθνος, πάλιν ἐκ τῶν Ἰώνων τὸν Ἐρετριᾶ καὶ Πριηνέα τοῖς Ἀθηναίοις, καὶ τοὺς ἄλλους κατὰ ταὐτά. – „Ich zeigte, dass jedes dieser Ethne gleich stimmberechtigt sei, das größte wie das kleinere, dass der aus Dorion und Kytinion Gekommene genau so viel gelte wie die Lakedaimonier, denn jedes Ethnos habe zwei Stimmen, und dass wiederum von den Ioniern der Eretrier und Priener genau so viel gelte wie die Athener und so alle übrigen auf gleiche Weise.“ Dass die Mitglieder der Amphiktyonie „untereinander alle in der gleichen Beziehung stehen“, hebt auch Wüst (1954), 142 hervor. Vgl. zudem Funke (2012). 54 Vgl. Kap. II. 55 Vgl. StV II 110 (Eleer und Heraier), 111 (Anaiter und Metapier), 120 (Sybariten und Serdaier). 56 Vgl. Aischin. Ctes. 110 f. 57 Aischin. leg. 116 zählt zwölf an der Amphiktyonie beteiligte Ethne auf, die sich wiederum aus vielen Poleis zusammensetzten.
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licher Vereinbarungen mit ihrem Epitheton genannt werden. Auch wenn Aischines hier nicht wörtlich zitiert und die Götter gar nicht in einer Schwur-, sondern im Rahmen einer Exsekrationsformel angerufen werden, ist das Auftauchen des Epithetons schwer zu erklären; besonders, da die Skepsis bezüglich des Auftretens der Athena Pronaia von einer zweiten Beobachtung zusätzliche Nahrung erhält: So ist aus der Mitte des 5. Jahrhunderts ein attischer Volksbeschluss über ein Bündnis mit der delphischen Amphiktyonie überliefert, in dem als Eidgottheiten Apollon, Leto und Artemis genannt werden.58 Die Eidgottheiten sind auch hier nicht als eine gemeinsame Formel gebildet worden, sondern die Hauptgottheiten der Amphiktyonie. Bei derselben apollinischen Trias leisteten nach einer attischen Inschrift aus dem Jahre 380/ 79 auch die amphiktyonischen Beamten ihren Eid.59 Das Fehlen der Athena Pronaia in beiden Fällen ist signifikant. Amphiktyonische Eide wurden offensichtlich bei Apollon, Leto und Artemis geschworen. Dass Athena Pronaia bei Aischines ebenfalls genannt wird, hat wohl mit der gesteigerten Bedeutung ihres Kultes in Delphi im 4. Jahrhundert zu tun, die sich etwa im Ausbau der Tholos manifestiert. Die auf Aischines zurückgehende Variante des Amphiktyoneneides setzt sich damit ganz offenbar aus archaischen und zeitgenössischen Elementen zusammen. Für die hier verfolgte Fragestellung ist es nun von besonderem Interesse, dass gerade in dieser frühen Zeit die Sicherung der Vereinbarung nicht allein den Göttern überlassen wurde. Die Sanktionen, die nach Aischin. leg. 115 einer eidbrüchigen Stadt drohten, sind vielmehr auch weltlicher Natur. So sollten die amphiktyonischen Poleis60 gemeinsam gegen die Eidbrecher vorgehen. Die Schwäche der Regelung lag nun allerdings darin, dass nicht festgelegt wurde, wer entscheiden sollte, wann ein solcher Bruch tatsächlich vorlag, dass somit das genaue Prozedere im Konfliktfall nicht geregelt war. Dennoch ist die Klausel aus zwei Gründen bemerkenswert. Zum einen wird hier, wenn auch in begrenztem Rahmen, ein sogar nach neuzeitlichen Maßstäben hohes Niveau der gemeinsamen Regelung zwischenstaatlicher Konflikte erreicht, wie es danach vielleicht erst wieder mit dem Völkerbund zu beobachten ist. Zum anderen spricht die Klausel deutlich gegen die These einer „Säkularisierung“61 oder „Aufklärung“62 des 5. Jahrhunderts: Schon in 58 Vgl. StV II 142 (= HGIÜ I 57), die genaue Datierung dieser Symmachie ist umstritten. Während Bengtson (StV II 142) das Bündnis „wahrscheinlich (…) nach der Schlacht bei Oinophyta (457)“ ansetzt, datiert Sordi (1957), 62 f., 75, (1958), 104 etwas früher (um 458). Die spätere Datierung scheint sich durchgesetzt zu haben, vgl. Rhodes (2008b), 501. Zu den in Z. 10 f. dieses Vertrags genannten Eidgottheiten vgl. Calabi (1949). 59 Vgl. IG II2 1126, Z. 7 f. (Richter) und 11 f. (Grammateus): [ποὶ] / τ[ο̑] Ἀπόλλωνος τοῦ Π[υ]θίου καὶ τᾶς Λατο̑ς καὶ τᾶς Ἀρτάμι[τος ὑπίσχομαι]. Nach Z. 12 f. sollten zudem die Hieromnamones und Karykes denselben Eid leisten ([τὸς δὲ] / ἱερομνάμονας ὁρκιξέω καὶ τὰς κάρυκας τὸν αὐτὸν ὅρκον.). Vgl. zu dieser Inschrift Lefèvre (1998a), 147. 60 Es ist auffällig, dass im Eid (Aischin. leg. 115) immer von Poleis die Rede ist, während in Aischin. leg. 116 als Mitglieder der Amphiktyonie ausschließlich Ethne aufgezählt werden. Dies ist allerdings kein Argument gegen die Authentizität des Eides, da hier schlicht zwischen den Ebenen – die Ethne setzten sich aus Poleis zusammen – gesprungen wird. 61 Baltrusch (2008), 28. Vgl. auch die Einleitung dieser Arbeit. 62 Baltrusch (1994), 195.
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der Archaik konnten weltliche Sanktionen neben religiöse Sicherungsmechanismen einer zwischenstaatlichen Vereinbarung treten. Die Entwicklung stellt sich damit nicht einfach so dar, dass religiös fundierte Sicherungsmechanismen im Laufe des 5. Jahrhunderts von weltlichen ergänzt wurden – vielmehr standen sie von Anfang an nebeneinander. IV.1.2. Die antipersischen Eide Im Folgenden sind nun weitere frühe zwischenstaatliche Vereinbarungen in den Blick zu nehmen, die wie der Amphiktyoneneid multilateral mit gleichen Eiden stipuliert wurden. Gemeinsam ist ihnen, dass sie sich mit dem Perserreich gegen einen auswärtigen Gegner richteten. Solche Kollektivvereinbarungen stellen der Hellenenbund von 481, der sog. Eid von Plataiai (479) und der Delisch-Attische Seebund von 478/ 77 (in seiner ursprünglichen Form) dar. IV.1.2.1. Die eidliche Bekräftigung des Hellenenbundes Die erste dieser Kollektivvereinbarungen wurde im Herbst 481 durch einen Eid ratifiziert, den die antipersischen Griechenstädte als Konsequenz auf die Forderung des Xerxes nach Erde und Wasser leisteten. Von diesem Eid sind in den Quellen nur noch geringe Spuren nachzuweisen: So überliefert Herodot neben einigen Formeln der Vereinbarung die dezidierte Kennzeichnung des griechischen Bündnisses als einer „Eidgenossenschaft“63. Die Gründung des Bündnisses beschreibt der pater historiae mit den Worten: διδόντων σφίσι λόγον καὶ πίστιν.64 λόγος und πίστις sind hier nicht als zwei chronologisch aufeinander folgende Handlungen, also Beratung und Bündnisschluss, zu verstehen, sondern als Beschreibung der verbalen und nonverbalen Elemente der Ratifikation der Vereinbarung. Während mit λόγος der Sprechakt der Eidesleistung gemeint ist, bezieht sich πίστις auf die rituellen Elemente, die diese begleiten, also das Schlachten der Opfertiere und die Libation. Die πίστις umfasst somit primär die religiöse Fundierung des Eides, während zu dem Wortlaut des Eides (λόγος) durchaus eine weltliche Sanktion – ähnlich der des Amphiktyoneneides – gehört haben mag. Der herodoteische Sprachgebrauch zeigt jedenfalls, dass man unter πίστις nicht ohne weiteres die nicht-religiösen Treueversicherungen eines Eides zu verstehen hat, wie dies Ernst Baltrusch im Zuge seiner Säkularisierungsthese annimmt.65 Es ist ferner auffällig, dass Herodot für die Kennzeichnung des Bündnisses auf homerischen Sprachgebrauch zurückgreift. So findet sich die metaphorische Wendung ἔταμον ὅρκιον, die Herodot in VII 132,2 benutzt, später kaum mehr beim 63
Wüst (1954), 143 nach Hdt. VII 148,1 (συνωμόται); vgl. auch Thuk. II 72,2; III 63 f. (ξυνομόσαντες); III 64,2 (ξυνωμοσία). 64 Hdt. VII 145,1; mit Wüst (1954), 143 wird hier σφίσι „als σφίσι ἀλλήλοις, d. h. ‚gegenseitig‘“, verstanden. 65 Vgl. Baltrusch (1994), 61, Anm. 334.
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Abschluss eines Bündnisses.66 Herodot ist offensichtlich in allen drei Passagen, in denen er auf den Hellenenbund zu sprechen kommt,67 wichtig, den Zusammenschluss der Griechenstädte nicht nur als ein profanes Bündnis zu beschreiben, sondern seine religiöse Bedeutung als eine ‚Eidgenossenschaft‘ hervorzuheben. Der religiöse Aspekt der Eidesleistung fungiert als ein Mittel der Darstellung und Leserlenkung Herodots, durch welches die emotionale Wirkung der Szene gesteigert und die Perserabwehr als eine religiös begründete Angelegenheit von panhellenischer Bedeutung gekennzeichnet wird. Die Betonung des religiös-kultischen Elements dient insofern der Dramatisierung der Passage. Inhalt des Schwures war es nun laut Herodot, dass sich die Griechen gegenseitig versicherten, einerseits die untereinander bestehenden Feindschaften beizulegen,68 andererseits die medisierenden Griechenstädte, die sich ohne Not den Persern ergeben hätten, an den delphischen Gott zu zehnten.69 Herodot erwähnt diese beiden Klauseln zwar an zwei verschiedenen Stellen (des siebten Buches), sie werden aber beide im Kontext des Xerxes-Zuges berichtet. Man wird nicht fehlgehen, sie zu einem Eid, der im Herbst 481 geleistet wurde, zusammenzuziehen.70 Wie dieser allerdings im Einzelnen religiös abgesichert wurde, wird nicht gesagt. Herodots Wortwahl – er spricht dreimal von ὅρκια – legt das Schlachten von Opfertieren nahe. Deren Spezies wird aber nicht explizit genannt. Auch die Schwurgötter werden, wie es für die griechische Historiographie typisch ist, nicht angeführt. Es ist vermutet worden, dass Apollon zu den Eidgöttern gehört habe, da es in einer der beiden Eidformeln heißt, der θεὸς ἐν Δελφοῖσι solle eine Dekate von den perserfreundlichen Griechenstädten erhalten.71 Eine solche Anbindung dieses Eides an Apollon als Schwurgottheit ist möglich, lässt sich aber nicht verifizieren. In jedem
66 Zu den homerischen Belegstellen für die Wendung ὅρκια τάμνειν vgl. Cohen (1980); spätere Inschriften des 6. und 5. Jahrhunderts, in denen die Junktur auftritt, listet Berti (2006), 184, Anm. 25. 67 Vgl. Hdt. VII 132,2; 145,1 und 148,1. 68 Vgl. Hdt. VII 145,1. 69 Vgl. Hdt. VII 132,2: τὸ δὲ ὅρκιον ὧδε εἶχε· ὅσοι τῷ Πέρσῃ ἔδοσαν σφέας αὐτοὺς Ἕλληνες ἐόντες, μὴ ἀναγκασθέντες, καταστάντων σφι εὖ τῶν πρηγμάτων, τούτους δεκατεῦσαι τῷ ἐν Δελφοῖσι θεῷ. τὸ μὲν δὴ ὅρκιον ὧδε εἶχε τοῖσι Ἕλλησι. – „Der Eid hatte folgenden Inhalt: Alle Griechen, die sich dem Perser ohne Kampf und ohne durch eine Niederlage gezwungen zu sein, ergeben haben, sollen dem Gott in Delphi gezehntet werden. Dies also beinhaltete der Eid für die Griechen.“ 70 Anders die Database des Nottingham Oath-Project (http://www.nottingham.ac.uk/greatdatabase/brzoaths /public_html/database/oath_reference_details.php), deren Autoren von einem Bündnis und einem späteren Eid ausgehen. So heißt es unter Oath ID 1500: „It seems that this oath (sc. Hdt. VII 132) was proceeded by a sworn alliance against the Persians (see oath id 1501 [sc. Hdt. VII 148]), for this oath is presented as an afterthougt: those who had levied war against the barbarian (aorist participle) swore that all Greeks who had surrendered to the Persians (aorist indicative) without being compelled should be, etc. In other words, the alliance was one thing, and this oath was a separate oath which happened later.“ 71 Vgl. den Eintrag in der Database des Nottingham Oath-Project (vgl. Anm. 70) zu diesem Eid (Oath ID 1500): „The reference to ‚the god of Delphi‘ suggests that the oath was sworn by Apollo at Delphi, but Herodotus does not explicitly state this.“
IV.1. Vertragseide in archaischer und klassischer Zeit
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Fall wurde der Eid nicht nur bei einer einzigen Gottheit geleistet – dies widerspräche gänzlich griechischer Eidespraxis im zwischenstaatlichen Verkehr. Der Eid hatte, nach seinen erhaltenen Klauseln zu urteilen, den Charakter eines Bündnisschwures, nicht den eines in einer solchen Gefahrensituation auch möglichen militärischen Fahneneides. In der Forschung umstritten war nun lange, ob es sich bei dem Bündnis um ein auf bilateralen Verträgen beruhendes Symmachiesystem72, das sich primär um den Peloponnesischen Bund gruppierte, oder eine multilaterale Vereinbarung, bei der alle Partner nach dem Vorbild der pylaiisch-delphischen Amphiktyonie durch Eide gegenseitig miteinander verbunden waren, handelte.73 Für letzteres ist mit überzeugenden Argumenten Fritz R. Wüst eingetreten, der darauf verwies, welchen terminologischen Aufwand Herodot und Thukydides betreiben, um den Hellenenbund zu bezeichnen.74 So finden sich neben συνωμόται75 und ξυνομόσαντες76 seltene Ausdrücke wie ὁμαιχμία / ὁμαιχμίη77, ὅμαιχμοι78, ξυμπολεμήσαντες79, ξυνωμοσία80 und ξυνώμοτον81, die exklusiv für Bündnisse mit mehr als zwei Partnern gebraucht werden. Dies zeigt, dass beide Autoren den Hellenenbund von 481 offensichtlich für etwas anderes hielten als die sonst so weit verbreiteten zweiseitigen Symmachien. IV.1.2.2. Der ‚Eid von Plataiai‘ Wesentlich besser bezeugt als der Helleneneid von 481 ist der berühmte Eid von Plataiai aus dem Jahre 479. Wie bei jenem handelt es sich auch bei diesem um eine multilaterale Vereinbarung. Sie ist in zwei literarischen Versionen und einer inschriftlichen Fassung erhalten und stellt einen Schlüsseltext für die griechische Geschichte des 5. und 4. Jahrhunderts dar.82 Trotz der verhältnismäßig guten Quellenlage wird der Eid bis heute in der althistorischen Forschung äußerst kontrovers diskutiert, und es verging zuletzt kaum ein Jahr, in dem nicht eine Publikation mit einer neuen Deutung dieses Textes erschienen wäre. Im Mittelpunkt der Debatte 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82
So Kahrstedt (1922), 26–28, Ehrenberg (1929), 1385; modifiziert durch Meritt – WadeGery – McGregor (1950), 95–105. Letzteres ist zuerst vertreten worden von Wüst (1954), 143–153, daran anschließend Siewert (1972), 83–86. Vgl. Wüst (1954), 143; weitere Belege bei Siewert (1972), 83. Hdt. VII 148,1. Thuk. II 72,2; III 63 f. Hdt. VII 145,2, VIII 140α,4, Thuk. I 18,3. Thuk. III 58,4. Thuk. I 18,2 (doppelt). Thuk. III 64,2. Thuk. II 74,2. Bei der inschriftlichen Fassung des Eides handelt es sich um einen Teil einer Stele aus Acharnai (Rhodes – Osborne, Nr. 88, Z. 21–51 [= HGIÜ I 40]), auf der oben auch der attische Ephebeneid verzeichnet ist (Z. 5–20) und deren Text erstmals 1938 von Louis Robert publiziert wurde; wichtig ist die Korrektur zu Z. 25 bei Daux (1941), 177: ταξίαρχον statt ταξίλοχον. Die literarischen Versionen des Eides sind Lykurg. 80 f. und Diod. XI 29,2 f.
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IV. Empirischer Teil. ‚Gleiche‘ und ‚ungleiche‘ Eide
stand dabei zunächst die Frage nach der Historizität des Eides.83 Während Louis Robert ihn in seiner editio princeps für nicht authentisch erklärte und damit bis in die 1970er Jahre die opinio communis der Forschung repräsentierte, verteidigte Peter Siewert 1972 ausführlich die Historizität des Eides. Gegen die Echtheit sind nun v. a. zwei Argumente vorgebracht worden. Das erste und gewichtigste bezieht sich auf ein berühmtes Theopomp-Fragment. Dieser urteilte im 4. Jahrhundert: Ἑλληνικὸς ὅρκος καταψεύδεται, ὃν Ἀθηναῖοί φασιν ὀμόσαι τοὺς Ἕλληνας πρὸ τῆς μάχης τῆς ἐν Πλαταιαῖς πρὸς τοὺς βαρβάρους (…).84 Damit liegt ein antikes Testimonium vor, das den Eid von Plataiai für unecht erklärt. Allerdings weist Theopomp nicht darauf hin, in welcher Hinsicht der Eid gefälscht sei. Frances Pownall hat nun jüngst die These aufgestellt, dass Theopomp die Inschrift des Eides von Plataiai – wie diejenige des Kalliasfrieden, den er mit jenem in eine Reihe stellt – tatsächlich vor Ort im Demos Acharnai gesehen habe.85 Die von Theopomp verwendete Verbform καταψεύδεται sowie der weitere Verlauf des Fragments verwiesen zudem eher auf eine Verfälschung, denn auf eine völlige Erfindung des Eides.86 Pownall meint daher, Theopomp wolle die Athener dafür kritisieren, dass sie ihre Beteiligung an den Ereignissen der 83 Für eine Fälschung plädieren: Robert (1938), Prakken (1940), Sordi (1957), 46, Conomis (1958), Sealey (1960), 194 f., Guarducci (1961), 63–65, Walbank (1967), 180–182, Lehmann (1968), 281, Cawkwell (1975), Robertson (1976), Prandi (1978), Flower – Marincola (2002), 323–325, Kellogg (2008), 358–362; für die Echtheit des Eides treten ein Daux (1953), Raubitschek (1960), Daux (1965), Siewert (1972), van Wees (2006), Krentz (2007) und Pownall (2008). Für letztlich nicht entscheidbar halten die Frage Rhodes – Osborne (2003), 440–449 und Raaflaub (2004), 60, 103, 115, während die neuesten Untersuchungen zum Thema von Cartledge (2013), bes. 28–30 und Kozak (2013) v. a. an der ‚Rezeption‘ bzw. Geschichte des Eides im Laufe des 5. und 4. Jahrhunderts interessiert sind. Zur archäologischen Diskussion um die in der literarischen Version des Eides überlieferte Klausel, die von den Persern zerstörten Heiligtümer als Mahnmal des persischen Frevels nicht wieder aufzubauen, vgl. Dinsmoor (1941), 158, Meiggs (1963), 37–40, Boersma (1970), 50 f., Kluwe (1985), Gruben (52001), 162, 171 f. und Kreutz (2001). 84 Theop. FGrHist 115 F 153 (= Theon Progymnasmata 2): „Der Helleneneid, von dem die Athener sagen, dass ihn die Griechen vor der Schlacht von Plataiai gegen die Barbaren geschworen haben, ist eine Fälschung, (…).“ 85 Vgl. Pownall (2008), 120–122, bes. 121: „First, it is likely that Theopompos actually saw the inscription on public display in the deme of Acharnai (…).“ Zwar beruht ihre im Folgenden gegebene Begründung auf einem Missverständnis des Theopomp-Fragments – Theopomp sagt ja gerade nicht, wie Pownall (ebd.) meint, dass die Athener vorgeben würden, sie hätten den Eid allein geschworen, sondern hebt hervor, dass „die Griechen“ ihn geleistet hätten. Pownall macht hier gleichwohl eine richtige Beobachtung, der nur aus anderen Gründen zuzustimmen ist: So stellt Theopomp den Eid von Plataiai und den Kalliasfrieden ganz bewusst in eine Reihe nebeneinander, nur um anschließend (Theop. FGrHist 115 F 154 [= Harpokr. s. v. Ἀττικοῖς γράμμασιν]) hervorzuheben, der Text des Kalliasfriedens müsse gefälscht sein, da die Inschrift, die ihn trage, bereits in der neuen attischen Rechtschreibung, die erst 403/02 eingeführt wurde, verfasst sei. Dass er die Inschrift mit dem Kalliasfrieden also gesehen hat, dürfte unstrittig sein. Es ist nun bei der Parallelität, mit der er die beiden Zeugnisse behandelt und in Anbetracht der Akribie, die er bei der Heranziehung von Inschriften an den Tag legt (vgl. Pownall [2008], 122), davon auszugehen, dass dasselbe auch für den Eid von Plataiai zutrifft. 86 Pownall (2008), 121: „falsification rather than outright fabrication“. Das Theopomp-Fragment schließt mit den Worten: καὶ ὅσα ἄλλα (…) ἡ Ἀθηναίων πόλις ἀλαζονεύεται καὶ
IV.1. Vertragseide in archaischer und klassischer Zeit
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Perserkriegszeit allzu ruhmvoll ausschmückten, nicht dafür, dass sie die Ereignisse selbst frei erdacht hätten. Ob man dem nun zustimmen mag oder nicht, evident ist, dass Theopomp seine Kritik nicht ausdrücklich spezifiziert und somit nicht eindeutig klar ist, ob er den gesamten Eid als eine Fälschung erachtet oder nur die Art und Weise, wie er in Athen präsentiert wurde, für nicht authentisch hält. Das zweite Argument zielt auf die Unterschiede, die zwischen der inschriftlichen und den literarischen Fassungen des Eides bestehen.87 Zentral sind hier zum einen, dass in der inschriftlichen Version die Klausel fehlt, die zerstörten Heiligtümer als Mahnmal (ὑπόμνημα) für den Frevel der Perser nicht wieder aufzubauen, und zum anderen die Unterschiede in Bezug darauf, welche Stadt zu ‚zehnten‘ sei. Während sich das ‚Zehnten‘ in der Inschrift aus Acharnai nur auf Theben bezieht, sind bei Lykurg alle perserfreundlichen Griechenstädte in diese Klausel mit einbezogen.88 Derartige Abweichungen der inschriftlichen von den literarischen Fassungen des Eides sind zwar hochinteressant; dass es sich bei der Stele aus Acharnai zwingend um eine Fälschung handeln muss, können sie aber nicht belegen. Sie zeigen zunächst nur – wie auch Peter Rhodes und Robin Osborne hervorheben –, dass die beiden Versionen nicht auf dieselbe Vorlage zurückgehen.89 Die Befürworter der Authentizität des Eides verweisen dagegen auf die archaischen Elemente der inschriftlichen Fassung, die zum einen sprachlich-stilistischer, zum anderen inhaltlicher Natur sind.90 Unter den stilistischen Elementen sind Inkongruenzen, Reihungen und negierte Konträraussagen hervorgehoben worden.91 In sprachlicher Hinsicht ist zudem auf eine stark verbale und persönliche Ausdrucksweise hingewiesen worden,92 hinter der „eine bestimmte geistesgeschichtliche ‚Seh-‘ und ‚Vorstellungsweise‘“93 stehe. Man wird Peter Siewert gerade in seinen sprachlichen Beobachtungen zustimmen müssen,94 allerdings ist sein Vorgehen in einer Hinsicht problematisch: So ist eine der beiden Inschriftengruppen, die er zum Vergleich anführt, in seiner Zeitstellung nicht gesichert. Es handelt sich dabei um Bürgereide, bei denen in keinem Fall mit Bestimmtheit gesagt werden kann, wann sie zum ersten Mal geleistet wurden.95 Wenn nun über eine Ähnlichkeit mit Eiden, die in ihrer Datierung selbst strittig sind, der archaische Charakter des Eides von Plataiai erwiesen werden soll, so ist ein solches Argument methodisch schlicht nicht haltbar. Gleichwohl sind gerade Siewerts sprachliche παρακρούεται τοὺς Ἕλληνας. – „Und womit sonst noch (…) die Stadt der Athener prahlt und die Griechen hinters Licht führt.“ 87 Dieses Argument wird am umfassendsten ausgeführt von Robert (1938). S. auch Sordi (1957), 46, Sealey (1960), 194 f. und Guarducci (1961). 88 Bei Diodor fehlt die Klausel völlig. 89 Vgl. Rhodes – Osborne (2003), 446 f. 90 Vgl. insbesondere Siewert (1972). 91 Siewert (1972), 26–38. 92 Vgl. nur Rhodes – Osborne, Nr. 88, Z. 24: τὸ ἐλεύθερος εἶναι und Z. 30: συμμαχεσαμένων. 93 Siewert (1972), 44. 94 So auch Kozak (2013), 194. 95 Siewert (1972), 29–37 spricht zwar selbst nicht von Bürger-, sondern allgemeiner von „anderen Eiden“. Nichtsdestotrotz handelt es sich bei den dort untersuchten Eiden fast ausschließlich um Bürgereide.
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IV. Empirischer Teil. ‚Gleiche‘ und ‚ungleiche‘ Eide
Beobachtungen bedenkenswert und legen nahe, dass der Eid keine creatio ex nihilo des 4. Jahrhunderts darstellt. In eine derartige Richtung deuten auch inhaltliche Argumente: Hier ist besonders auf die detaillierte Fluchformel, die auch die Verwünschung des Viehs umfasst, zu verweisen.96 Ferner scheint der Stand des griechischen Völkerrechts in der Inschrift noch wenig entwickelt.97 Der Verweis auf das Fehlen bestimmter Klauseln, die von Siewert als „Interpretationsverbote“98 angesprochen werden, ist dagegen als Argument nicht überzeugend.99 Es ist auffällig, dass in der hier dokumentierten höchst umfangreichen Diskussion um den Eid von Plataiai ein wichtiger Aspekt bisher kaum eine bis gar keine Rolle gespielt hat: Es fehlen die Schwurgottheiten. Dies ist für die literarischen Versionen nicht weiter von Belang, da es zu den Gattungskonventionen nicht nur der Historiographie, sondern auch der Rhetorik gehörte, die Schwurgottheiten beiseite zu lassen. Im inschriftlichen Diskurs durften sie aber keinesfalls weggelassen werden – und so sind auf derselben Stele ja auch die Schwurgottheiten des Ephebeneides verzeichnet. Diese können aufgrund ihres speziellen, allein auf Athen zugeschnittenen Charakters aber eben nicht auch für den Eid von Plataiai gelten. Zudem 96
Vgl. Rhodes – Osborne, Nr. 88, Z. 39–46. Zur Besonderheit einer Fluchformel, die auch das Vieh beinhaltet, vgl. Chaniotis (1996a), 76, Anm. 412. Man sollte hier allerdings nicht wie Siewert (1972), 109 von „archaische[r] Religiosität“ und erst recht nicht von einer „magischen Schwurzeremonie“ (ebd.) sprechen. Die Schwurzeremonie ist ungewöhnlich – so sind etwa Trompetenklänge sonst nirgends belegt – aber nicht ‚magischer‘ als andere. Zudem ist die Formel fremd = archaisch zu simpel. 97 Vgl. Siewert (1972), 109. 98 Siewert (1972), 38–40. 99 Bei diesen Klauseln handelt es sich typischerweise um Formeln wie ἀδόλως, ἀδόλως καὶ ἀβλαβέως oder auch οὐδὲ τέχνῃ οὐδὲ μεχανῇ. Sie werden im Folgenden mit ihrer englischen Bezeichnung als „anti-deceit clauses“ angesprochen. Der Terminus ist dem Phänomen angemessener als der von Siewert verwendete Begriff der „Interpretationsverbote“, da diese Klauseln nicht primär jede ‚Interpretation‘ des Vertrages untersagen, sondern ausdrücklich gegen intendierte Täuschung und absichtlichen Betrug gerichtet sind. Anlass zu solchen Klauseln boten weithin bekannte Geschichten von erfolgreichen Eidbetrügern, wie sie z. B. bei Pol. XII 6,3–5 für die epizephyrischen Lokrer und bei Ephor. FGrHist 70 F 119 (= Strab. IX 2,4) für die Thraker überliefert sind (insgesamt 35 solcher Fälle von der mythischen Vergangenheit bis in das 4. Jahrhundert sind jetzt gesammelt bei Bayliss [2014], 249–255). Die Thraker etwa beschworen mit den Boiotern einen Waffenstillstand für eine festgelegte Zahl von Tagen, nur um jene dann während der Nacht anzugreifen, was ihnen nicht ganz zu Unrecht das Sprichwort von der Θρᾳκία παρεύρεσις einbrachte (dazu Bayliss [2014], 259–262). Als zusammenhängende Gruppe wurden die ‚anti-deceit clauses‘ zuerst von Wheeler (1984) beschrieben und in das Blickfeld der Forschung gerückt. Durch eine Erweiterung der Quellenbasis konnte Gazzano (2005) in einem instruktiven Aufsatz zeigen, dass es sich bei den ‚anti-deceit clauses‘, anders als von Wheeler angenommen, nicht um ein zeit-, sondern vielmehr um ein kontextgebundenes Phänomen handelte: Während Wheeler die Klauseln noch mit sophistischem Gedankengut zusammengebracht und den Schwerpunkt ihres Auftauchens zeitlich auf das ausgehende 5. Jahrhundert fixiert hatte, verweist Gazzano mit Recht auf ein gehäuftes Auftreten dieser Formeln bei den foedera iniqua der Athener, bei innerkretischen Verträgen und bei solchen, die mit Nichtgriechen geschlossen wurden (vgl. dazu ausführlich Kap. IV.1.4., IV.2.1. und VI.3.). Das Auftreten von ‚anti-deceit clauses‘ lässt sich mithin als ein Zeichen für ein besonderes Misstrauen der Vertragspartner beim Bündnisschluss interpretieren.
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würde man sie, wenn überhaupt, als eine für beide Eide geltende Schlussformel am Ende des zweiten Eides, nicht schon nach dem ersten erwarten. Warum also fehlen die Schwurgötter? Man wird es sicher nicht dabei bewenden lassen können, Schwurgottheiten grundsätzlich als „ein formelhaftes Element des Eides“100 abzutun. Ihr Fehlen in der inschriftlichen Fassung des Eides von Plataiai ist gerade deshalb signifikant, da der religiösen Absicherung des Eides ansonsten – man denke nur an die Fluchformel und das Eidritual – so große Bedeutung beigemessen wird; handelt es sich doch um die einzige Passage in den antiken Quellen, in denen ausdrücklich davon die Rede ist, dass ein Eidritual durch Trompetenstöße (ὑπὸ σάλπιγγος101) begleitet wurde. Eine solche akustische Untermalung des Schwurrituals, die dazu diente, den Eidesleistern die Ernsthaftigkeit des Rituals auch auf einer nicht-visuellen Ebene einzuschärfen, weist auf den militärischen Charakter des Schwures hin,102 der in der literarischen Version bei Diodor nicht umsonst als ὅρκον (…) περὶ τοῦ πολέμου103 bezeichnet wird. Ein solcher Charakter bildet ja auch die gemeinsame Klammer der beiden auf der Stele aus Acharnai gemeinsam aufgelisteten Eide, bildlich ausgedrückt durch das Urkundenrelief104 über der Inschrift, auf der die Ausrüstung eines Hopliten mit (korinthischem) Helm, Beinschienen, einem großen Rundschild in der Mitte, Brustharnisch und einem Mantel105 zu sehen sind. Es handelte sich somit eindeutig um einen Kriegseid. Das Fehlen der Eidgottheiten lässt sich nun wie die Einleitung des Eides auf der Stele aus Acharnai, in der es heißt ὅρκος ὃν ὤμοσαν Ἀθηναῖοι106 als geschickten Eingriff der Athener in den Text bezeichnen. Dass die Athener den Eid leisteten, ist ja streng logisch nicht falsch, sie leisteten ihn eben nur nicht allein.107 Der Eingriff besteht also in einer Auslassung – und genau so ist auch das Fehlen der Schwurgottheiten zu interpretieren: Vermutlich verwies gerade deren gemischter Charakter ausdrücklich auf die Beteiligung anderer Poleis und eben diese sollte ja negiert bzw. heruntergespielt werden. Der gemischte Charakter der Schwurgötterformel des Eides von Plataiai wäre zudem durch das Nebeneinander mit dem Ephebeneid, in dem allein rein attische Schwurgottheiten auftreten, besonders hervorgestochen. Es kann daher nicht verwundern, dass der Arespriester Dion, Sohn des Dion aus Acharneus,108 oder wer auch immer für den auf der Stele
100 Siewert (1972), 33. 101 Rhodes – Osborne, Nr. 88, Z. 47 f. 102 So auch Van Wees (2006), 145 f.: „The use of shields and the trumpet signal leave no doubt about the military nature of the particular version of the ritual sketched in the inscription.“ 103 Diod. XI 29,2. 104 Gute Abbildungen finden sich etwa bei Siewert (1972). 105 Siewert (1972), 5 interpretiert diesen unter Bezug auf Daux (1965), 79 als „Kriegsmantel der Epheben“; so auch zurückhaltender Meyer (1989), 284: „zusammengelegte Chlamys“, Lawton (1995), 155: „perhaps a rolled-up mantle“, Rhodes – Osborne (2003), 440: „(?)mantle“ und Krentz (2007): „perhaps a cloak“. 106 Rhodes – Osborne, Nr. 88, Z. 21. 107 Eine sprachliche wie sachliche Parallele findet sich bei Pol. VII 9,1, wo der Vertrag zwischen Hannibal und Philipp V. mit den Worten eingeleitet wird: ὅρκος, ὃν ἔθετο Ἀννίβας. 108 Vgl. zu dessen Rolle als Dedikant der Inschriftenstele Rhodes – Osborne, Nr. 88, Z. 1 f.
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publizierten Text letztlich verantwortlich zeichnete, sich gegen eine Aufnahme der Eidgötter entschied. Der Schlüssel zum Verständnis des ‚Eides von Plataiai‘ liegt nun bereits im ersten Satz der inschriftlichen Fassung, der von größerer Bedeutung ist, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Nach den ersten schon zitierten Worten heißt es dort weiter: ὅτε ἤμελλον μάχεσθαι πρὸς τοὺς βαρβάρους.109 Ort und Zeitpunkt der Eidesleistung werden somit, wie schon Siewert klar erkannt hat, nicht näher spezifiziert;110 allein die anti-persische Stoßrichtung kommt in dem πρὸς τοὺς βαρβάρους deutlich zum Ausdruck. Auch wird die Leistung des Eides nicht einer bestimmten Schlacht zugewiesen. Der in der Forschung seit seiner Publikation durch Louis Robert immer als ‚Eid von Plataiai‘ figurierende Schwur ist nach dem inschriftlichen Zeugnis schlicht der ‚Eid der Athener gegen die Barbaren‘.111 Der Eidestext wird damit, wenn man die Passage ernst nimmt, grundsätzlich für alle Schlachten der Perserkriege mit athenischer Beteiligung denkbar. Und so kann es nicht verwundern, dass jüngst Peter M. Krentz auf die Idee gekommen ist, den auf der Stele von Acharnai überlieferten Eid mit einer anderen Schlacht aus der Zeit der Perserkriege, nämlich der von Marathon, zu verbinden. Seine Argumente können allerdings im Einzelnen nicht überzeugen. Erstens sind die von Hans van Wees mit Recht betonten spartanischen Bezüge des Eides mit Marathon eben gerade nicht zusammenzubringen,112 zweitens wurden die Kriegstoten der Athener nicht nur – wie Thuk. II 34,5 suggeriert – nach Marathon, sondern laut dem ausdrücklichen Zeugnis von Hdt. IX 85 auch nach Plataiai direkt auf dem Schlachtfeld113 begraben und drittens macht die Fluchklausel, dass die eigene Stadt unzerstört bleiben solle, wenn man sich an den Eid halte, durchaus auch für die Athener Sinn – gerade sie mussten nach der zweimaligen Einäscherung ihrer Heiligtümer wissen, was auf dem Spiel stand.114 Auch wenn somit der auf der Stele von Acharnai verzeichnete Eid „gegen die Barbaren“ nicht vor der Schlacht von Marathon geschworen worden sein dürfte, gibt es doch antike Zeugnisse, die den Eid mit einer anderen Schlacht als der von Plataiai in Beziehung bringen. Zu diesen Zeugnissen gehört mit Hdt. VII 132,2 auch diejenige Quellenpassage, die chronologisch am dichtesten an die Ereignisse heranreicht.115 Man hat diese Herodotstelle oft auf die Gründung des Hellenenbundes 481 bezogen – und auch der Verfasser ist dem oben gefolgt – dies soll hier auch gar nicht bestritten werden. Es ist gleichwohl wichtig zu betonen, dass auch bei Herodot vom ‚Zehnten‘ von anderen medisierenden Griechenstäd109 Rhodes – Osborne, Nr. 88, Z. 21 f. 110 Siewert (1972), 46–51. 111 So wird er auch von Siewert (1972), 5 einmal bezeichnet. 112 Für die spartanischen Elemente des Eides wie die dezidierte Verbindung von eleutheria und Kämpfen bis zum Tod und das Auftreten des enomotarches als Anführer einer militärischen Einheit vgl. van Wees (2006); zur Abwesenheit der Spartaner, die wohl nie vorhatten, bei Marathon tatsächlich mitzukämpfen, überzeugend Jung (2006), 155–158 und ders. (2013). 113 Vgl. zu der umfangreichen Forschungsdiskussion um diese Frage erneut Jung (2006), 259 f. m. Anm. 116. 114 Auch sind die Exsekrations- und Segensformel derart formelhaft, dass man an sie kein starkes inhaltliches Argument knüpfen sollte. 115 Vgl. ferner Diod. XI 3,3.
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ten die Rede ist. Hier allerdings allgemein und nicht mit ausdrücklichem Bezug auf Theben. Diese anti-thebanische Tendenz ist genau wie eine pro-plataiische der Inschrift ein Produkt späterer Überarbeitungen oder Manipulationen am Eidestext. Die Formel vom Zehnten zeigt aber deutlich, dass beide Eide zusammengehören. Man muss die beiden Eide bei der Gründung des Hellenenbundes und vor der Schlacht von Plataiai daher gar nicht strikt voneinander trennen. Vielmehr soll hier die These vertreten werden, dass es sich bei dem sog. ‚Eid von Plataiai‘ in Wahrheit um einen in den Perserkriegen mehrfach wiederholten Schwur, einen griechischen Kriegseid πρὸς τοὺς βαρβάρους, handelt, den man flexibel an die jeweilige konkrete historische Situation anpasste.116 Die Erneuerung von Vertragseiden ist ja auch anderweitig gut bezeugt und stellt ein Mittel der zusätzlichen Absicherung einer Vereinbarung in besonders prekärer Lage dar – sie ist nicht zufällig zum ersten Mal für den Nikiasfrieden bezeugt.117 In äußerst prekärer Lage im Angesicht der persischen Bedrohung befanden sich auch die Griechen, die im Jahre 481 den Hellenenbund gründeten. Man dürfte damals schon festgelegt haben, den gemeinsamen Eid vor wichtigen Schlachten zu wiederholen. Dass nun bei beiden Gelegenheiten, für die ein anti-persischer Schwur bezeugt ist (481 und 479), ein Eid geleistet wurde, der wie van Wees gezeigt hat, auf einem im Kern spartanischen Schwur beruhte,118 kann bei der Vorrangstellung, die die Spartaner im Hellenenbund innehatten, nicht verwundern. Es ist daher vielleicht auch kein Zufall, dass für die Schlacht von Salamis, bei der die Athener die Führung innehatten, keine Eidesleistung bezeugt ist. Wenn es nun bei Lykurg heißt, der genannte Eid beruhe auf dem Text eines alten athenischen Schwures,119 so gehört dies in den Kontext des ‚Kampfes um die Erinnerung‘ an die Perserkriege und stellt den durchsichtigen Versuch dar, einem Sieg unter spartanischer Führung eine athenische Komponente abzugewinnen. Allerdings ist Lykurg zugleich in der 116 In eine ähnliche Richtung gehen jetzt auch die Überlegungen von Kozak (2013), 196 die von „a series of oaths“ – allerdings nur „before and after the Battle of Plataea“ – spricht. 117 Jährliche Erneuerung: Thuk. V 18,9; 23,4; Liv. XXXII 5,4; Chaniotis, Nr. 50, Z. 12 f.; Nr. 61A, Z. 22–25; jährliches Verlesen: Chaniotis, Nr. 11, Z. 20–23; Nr. 27, Z. 40–42; Nr. 28, Z. 40–47; Nr. 32, Z. 1–5; Nr. 50, Z. 12 f.; Nr. 59, Z. 30–34; Nr. 61A, Z. 22–25; Erneuerung alle vier Jahre: Thuk. V 47,10; StV II 205 (Eretrier und Histiaier nach 411). Vgl. auch Baltrusch (1994), 81 m. Anm. 441 und Chaniotis (1996a), 68 m. Anm. 354, 124–126. Die zahlreich in den literarischen und epigraphischen Quellen berichteten Fälle, bei denen die Eide in abgeänderter Form erneuert wurden, sind hier gar nicht angeführt. Genauso wenig die Bürger- und Ephebeneide, die schon per definitionem in bestimmten Abständen wiederholt wurden. Die Maßnahme, die Erneuerung direkt als Klausel im Vertrag festzuschreiben, findet sich gleichwohl nur unter äußerst prekären Umständen oder, wenn das gegenseitige Vertrauen beim Vertragsabschluss besonders gering war. Für einen anderen Eidtyp, den des Beamteneides, ist aus Sparta sogar monatliche Erneuerung (κατὰ μῆνα) des gegenseitigen Schwures der Ephoren und Könige bezeugt (Xen. Lak. Pol. 15,7); vgl. zu dieser Passage Link (1994), 130, Anm. 51 und Rebenich (1998), 142. 118 Vgl. van Wees (2006). 119 Lykurg. 80: οὐ παρ’ αὑτῶν εὑρόντες, ἀλλὰ μιμησάμενοι τὸν παρ’ ὑμῖν εἰθισμένον ὅρκον. – „Dessen (sc. des Eides von Plataiai) Wortlaut ist nicht von ihnen selbst erfunden worden, sondern sie haben die Eidesformel zum Vorbild genommen, die bei euch in Gebrauch war.“
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Hinsicht zuzustimmen, dass es tatsächlich ältere Vorbilder für die Gestaltung des Eidestextes gab. Es soll daher zusammenfassend die Idee von Hans van Wees aufgegriffen werden, eine ‚Geschichte des Eides von Plataiai‘120 zu schreiben, hier nur mit der inhaltlichen Einschränkung, dass es sich um eine Geschichte des ‚Eides gegen die Barbaren‘ handelt. ‚Geschichte‘ meint in diesem Zusammenhang ‚Geschichte des Textes‘ und umfasst mithin die politisch motivierten Manipulationen und Eingriffe, schließt aber zugleich die Möglichkeit nicht aus, ursprüngliche Elemente des Eides ausmachen zu können. Eine derartige Herangehensweise erscheint dem Gegenstand jedenfalls angemessener als die dichotomische Frage nach Fälschung oder Authentizität.121 Sie ermöglicht zudem den fruchtbaren und von Hans-Joachim Gehrke begründeten Ansatz der „intentionalen Geschichte“ konkret umzusetzen, indem für die einzelnen Formeln des Eides gefragt wird, wann und warum diese entstanden sind.122 Es dürfte deutlich geworden sein, dass weder eine creatio ex nihilo zu einem einzigen sehr frühen Zeitpunkt noch ein in jeder Hinsicht authentischer Eid, der ausschließlich auf den Formeln von 479 beruhte, sehr wahrscheinlich sind. Man wird eher ein Neben- oder besser ein chronologisches Nacheinander beider Möglichkeiten in Rechnung zu stellen haben: Einige Elemente der inschriftlichen Version, namentlich die ‚spartanischen‘ (enomotarches, eleutheria, Kämpfen bis zum Tod) reichen im Kern bis ins 6. Jahrhundert zurück und gehören so wie die sprachlich-stilistisch archaisch anmutenden Passagen, die Siewert überzeugend herausgearbeitet hat, in die ursprüngliche, 481 geschworene und 479 in abgeänderter Form wiederholte Fassung des anti-persischen Eides. Andere Elemente, zu denen etwa die genannten Auslassungen (Reduzierung auf die Athener, Fehlen der Schwurgötter) und das Versprechen zählen, Theben zu zehnten, stellen spätere Eingriffe dar, für die drei Zeiträume bzw. Zeitpunkte in Frage kommen: Erstens die Jahre zu Beginn des Peloponnesischen Krieges, zweitens die Zeit zwischen 371 und 362 und drittens das Jahr der Errichtung der Stele von Acharnai. Die möglichen Kandidaten für politisch motivierte Eingriffe in den Eidestext sind damit beinahe so zahlreich wie die verdächtigen Passagen. Die deutlich anti-thebanische Formel, von allen medisierenden Griechenstädten nur Theben zu zehnten, gehört wie die explizite Hervorhebung Plataiais unter den anti-persischen Poleis,123 in eine Zeit
120 Van Wees (2006), 151 spricht wörtlich von einer „history of the Oath of Plataea“, die er resümierend (151–154) erzählt; ähnlich auch Cartledge (2013), 12–58 und Kozak (2013). 121 Es ist dabei allerdings das auch von Krentz (2007), 740 zitierte Diktum Sickingers (1999), 43 im Hinterkopf zu behalten: „authentic records can be just as valuable in promoting patriotism as forged ones.“ 122 Vgl. bes. Gehrke (1994); s. auch Gehrke (2014), 9–36 sowie die Umsetzung des Ansatzes auf verschiedenen Gebieten der Altertumswissenschaften in dem Sammelband Foxhall – Gehrke – Luraghi (2010). 123 Eine solche kommt daneben nur den Hegemonialmächten Athen und Sparta zu. Eine ganz andere Bedeutung wird Plataiai dagegen auf der Schlangensäule von Delphi (StV II 130, Z. 6 = HGIÜ I 42), zugewiesen, wo die Stadt erst an 14. Stelle genannt wird.
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spartanisch-attischer Zusammenarbeit gegen ein Plataiai bedrohendes Theben. Eine solche Kooperation passt am besten in die Zeit zwischen Leuktra und Mantineia.124 Die Auslassungen wie die in den literarischen Quellen auftretende Formel, die zerstörten Heiligtümer als Mahnmal (ὑπόμνημα) für spätere Generationen stehen zu lassen, lassen sich dagegen am besten für die Zeit der Aufstellung der Stele aus Acharnai verstehen.125 Dasselbe gilt für die extreme Betonung des militärischen Charakters des Eides. Man hat es ja bei der epigraphisch überlieferten Form dieses Eides streng genommen mit einem Schwur zu tun, der aus zwei Teilen besteht: zunächst einem militärischen Fahneneid, dessen auf spartanische Kriegseide zurückgehende Formeln primär den einzelnen Soldaten verpflichten, während der zweite Teil des Eides aus amphiktyonischen Passagen besteht, die den Umgang mit anderen Poleis regeln und den Charakter eines multilateralen Bündniseides haben. In dieser Zweiteilung spiegelt sich nach der hier vorgebrachten Deutung des Befundes die doppelte Leistung des Eides in den Jahren 481 und 479 wider, wobei der Charakter des letzteren auf der Stele eindeutig überwiegt, was seinen Grund im Überlieferungszusammenhang mit dem attischen Ephebeneid hat.126 Die primäre Intention für die öffentliche Aufstellung der beiden Eide, gleich ob sie bereits im zweiten oder erst im dritten Viertel des 4. Jahrhunderts vonstattenging,127 war es, 124 So auch van Wees (2006), 152. Die Alternative 429 wäre nur dann vorzuziehen, wenn man dem Eid von Plataiai eine anti-spartanische Tendenz zuweisen möchte. Nach einer solchen Lesart hätte man in dem Eid die Zusammenarbeit zwischen Sparta und Plataiai im Jahre 479 besonders hervorgehoben, um das spartanische Verhalten von 429 als einen umso schändlicheren Eidbruch zu kennzeichnen. Bei dieser Interpretation lässt sich allerdings nicht erklären, warum die Eidgottheiten in der Inschrift fehlen, die doch gerade dazu geeignet gewesen wären, die religiöse Verpflichtung der Spartaner besonders zu betonen. Die einfachere und mithin plausiblere Lösung stellen die Jahre zwischen 371 und 362 dar. In diese Richtung weisen jetzt auch die Überlegungen von Cartledge (2013), 30, der die „mid-380 s BCE onwards“ für plausibel hält. 125 Die die Heiligtümer betreffende Formel erschien ja selbst Siewert (1972), 102–106 als nicht authentisch. Es spricht viel dafür, dass Pownall (2008), 120–122 mit ihrer o. g. Beobachtung richtig liegt, dass Theopomp (FGrHist 153 [= Theon Progymnasmata 2]) nicht den gesamten Eid von Plataiai als Fälschung bezeichnen, sondern nur die athenische Anmaßung, den Eid allein geschworen zu haben, zurückweisen wollte und sich damit dezidiert auf den Text der Stele von Acharnai bezieht. 126 Diesen Zusammenhang betont besonders Kellogg (2008). 127 Das 2. Viertel des 4. Jahrhunderts favorisieren Daux (1965), van Wees (2006), 152 und Krentz (2007), 740, die die Veröffentlichung der Urkunde in die Zeit der spartanisch-attischen Allianz gegen die thebanische Hegemonie (371–362) setzen. Für das 3. Viertel des 4. Jahrhunderts optierte dagegen schon Robert (1938), dessen These mit Nachdruck wieder von Rhodes – Osborne (2003), 447 f. vertreten wurde, die eine anti-makedonische Stoßrichtung der Urkunde, für die es im Text aber wenig Anhaltspunkte gibt, postulieren (so auch Kellogg [2008], 356). Eine Aufstellung erst in lykurgischer Zeit, in die David Lewis (nach Thomas [1989], 85, Anm. 228) die Buchstabenformen datiert, ist dagegen aus historischen Gründen auszuschließen, da die stark anti-thebanische Tendenz des ‚Eides gegen die Barbaren‘ weder in der Zeit kurz nach Chaironeia noch nach der Zerstörung Thebens durch Alexander 335 Sinn macht, besonders da viele thebanische Exilanten Aufnahme in Athen fanden (vgl. nur die Anspielung in den neuen Fragmenten aus der Rede des Hypereides Gegen Diondas 17, die von Carey u. a. [2008] in der ZPE publiziert worden sind).
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den jungen attischen Rekruten ihre Verpflichtungen für die patris vor Augen zu führen. Dass hierin der gemeinsame Nenner der beiden Inschriften besteht, zeigt sich ja auch auf dem Urkundenrelief ganz deutlich. Die Frage nun, wann der sog. ‚Eid von Plataiai‘ genau geleistet worden sei, lässt sich somit dahingehend beantworten, dass man nicht von einer einmaligen, sondern von einer doppelten Eidesleistung auszugehen hat. Anlass der Eidesleistung war zum einen ein Bündnisschluss (481) zum anderen eine Schlacht (479), bei denen man den Eid jeweils flexibel an die konkrete historische Situation anpasste. Eine solche Deutung erklärt am besten die ‚doppelte Natur‘ des ‚Eides gegen die Barbaren‘; sie ist zudem geeignet, die herodoteischen und damit frühesten Quellenpassagen über einen anti-persischen Schwur zu integrieren, und wird, indem sie den zweiten auf der Stele von Acharnai überlieferten Eid zugleich als ‚historisch geworden‘ im Sinne der „intentionalen Geschichte“ begreift, auch der Vielschichtigkeit der Quelle, die sich zwischen historischem Zeugnis und manipulierter Erinnerung bewegt, gerecht. IV.1.2.3. Die Besicherung des Delisch-Attischen Seebundes Einen dritten in seiner Grundtendenz anti-persischen Eid stellt ein bei der Gründung des Delisch-Attischen Seebundes 478/ 77 geleisteter Schwur dar.128 Dieser ist allerdings von den beiden zuvor besprochenen Eiden in der Hinsicht abzugrenzen, dass sich inzwischen die politische Grundkonstellation entscheidend verändert hatte. Nach dem faktischen, wenn auch zunächst nicht formalen Ausscheiden der Spartaner aus dem Hellenenbund war die Führungsrolle auf die Athener übergegangen.129 Diese veränderte politische Ausgangslage konnte nicht ohne Einfluss auf Inhalt und Absicherung einer neuen Vereinbarung bleiben. Der Gründungseid des Seebundes stellte daher keine bloße Erneuerung seiner beiden Vorgänger dar, auch wenn er mit ihnen die anti-persische Stoßrichtung teilte. Leider ist eine inschriftliche Version des oder der bei der Gründung des Seebundes geleisteten Eide nicht überliefert, weshalb auch der genaue Wortlaut dieser Eide nicht bekannt ist. Man hat mithin weder Kenntnis von den Schwurgottheiten, bei denen die Eide geleistet wurden, noch von den Formeln, aus denen sie sich im Einzelnen zusammensetzten. Allein die in Symmachie-Verträgen gängige Freund-Feindklausel ist in der aristotelischen Athenaion politeia bezeugt.130 Dass 128 Zu diesem Eid vgl. neben der StV II 132 angeführten Literatur Brunt (1953–1954), 150 m. Anm. 1, Meyer (1963), 437, Sealey (1966), 237–242, Kiechle (1967), 269–271, Hammond (1967), 52, Meiggs (1972), 46, Jacobson (1975), Raaflaub (1979), 10, Winton (1983), Steinbrecher (1985), 52–55, Smarczyk (1990), 435–463, Rhodes (²1992), 296, Petzold (1993), 426, (1994), 11, Baltrusch (1994), 53 f., Scheibelreiter (2008) und Sommerstein – Bayliss (2013), 205–207. 129 S. Hdt. VIII 3; Thuk. I 95,2; Aristot. Ath. pol. 23,2 f.; Plut. Aristides 23,6; Plut. Cimon 6,3 f.; Diod. XI 44,6; 47,1. 130 Ath. pol. 23,5: καὶ τοὺς ὅρκους ὤμοσεν τοῖς Ἴωσ[ιν], ὥστε τὸν αὐτὸν ἐχθρὸν εἶναι καὶ φίλον, (…). – „Er (sc. Aristides) leistete auch den Ioniern die Eide, daß es (für die Athener) dieselben Feinde und dieselben Freunde (wie für die Bundesgenossen) geben solle.“ Vgl. zu dieser Passage Rhodes (²1992), 296. Zur Entwicklung der Freund-Feind-Klausel im 5. Jahr-
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der Sta geirit hier von ὅρκους, also Eiden im Plural, spricht, lässt sich durchaus als ein Indiz dafür deuten, dass sich die Gründung des Seebundes jeweils in Form von vertraglichen Vereinbarungen der Athener mit ihren einzelnen Bundesgenossen vollzog. So lautete die zeitgenössische Bezeichnung für den Seebund ja auch οἱ Ἀθηναῖοι καὶ οἱ σύμμαχοι. Der für die hier verfolgte Fragestellung entscheidende Aspekt, welche Eidgottheiten dabei jeweils zum Einsatz kamen, lässt sich nicht sicher klären. Denkbar sind zwei Alternativen: Entweder verpflichteten sich alle Gründungsmitglieder gegenseitig auf eine gemeinsame Formel, deren Zusammensetzung bei einem auf Delos geschlossenen Bündnis ja durchaus nahelag,131 oder man bildete bei jeder einzelnen Eidesleistung eine eigene Formel. Die erste Variante hat eine weit höhere Plausibilität für sich. Ob dabei allerdings Apollon, Leto, Artemis oder schon Zeus, Apollon, Demeter angerufen wurden,132 lässt sich nicht sicher entscheiden, obgleich die Annahme einer zunächst ‚apollinischen‘ Formel, die sich mit der Überführung der Bundeskasse nach Athen 454 änderte, sehr verlockend ist, ließe sie sich doch leicht mit der religiösen Umorientierung des Bundes weg vom delisch-panhellenischen Apoll und hin zur athenischen Stadtgottheit Athene erklären.133 Für eine Entscheidung dieser wichtigen Frage lässt sich nur auf neue Inschriftenfunde aus der Zeit von 478/ 77–454 hoffen. Eine weitere Formel der Vereinbarung hat man nun aus dem überlieferten Eidritual zu erschließen versucht. Nach dem Zeugnis des Aristoteles wie des Plutarch wurden bei dieser Zeremonie sog. μύδροι (Eisenklumpen) im Meer versenkt.134 Dieser Ritus ist eher selten135 und lange als Hinweis darauf interpretiert worden, dass der Seebund bei seiner Gründung als eine ewige Symmachie, eine συμμαχία εἰς ἀεί, konzipiert worden sei. Dagegen hat zunächst Howard Jacobson und
hundert s. Baltrusch (1994), 17–68, Scheibelreiter (2010), (2013), 91–136 und überzeugend Sommerstein – Bayliss (2013), 205–211, die mit Recht darauf verweisen, dass in der Formel wie in der gerade zitierten Quellenpassage zumeist die Feinde zuerst genannt werden (ἐχθρὸν καὶ φίλον), weshalb das Auftreten dieser Klausel durchaus als ein Hinweis darauf interpretiert werden kann, „that the alliance was an agreement to fight against enemies just as much as it was an agreement to fight alongside allies.“ (ebd. 206). 131 So bietet sich wie in anderen Apollonheiligtümern die apollinische Trias aus Apollon, Leto, Artemis geradezu an (vgl. StV II 142 oder die Trilingue von Xanthos, Metzger u. a. [1979], Z. 34 [griechischer Text]). 132 Letztere war die später im Seebund gängige Schwurgötterliste, wie sie aus den Symmachieverträgen Athens mit den einzelnen Bündnern bekannt ist. Vgl. dazu Kap. IV.1.4. 133 Zu diesem Aspekt hat Smarczyk (1990), 619–627 und (2007), 207–210 das Nötige gesagt. Die Phase nach 454 lässt sich in Bezug auf die Schwurgottheiten quellenmäßig verhältnismäßig gut greifen. Vgl. dazu erneut Kap. IV.1.4. 134 Aristot. Ath. pol. 23,5: (…) τοὺς ὅρκους ὤμοσεν (…), ἐφ’ οἷς καὶ τοὺς μύδρους ἐν τῷ πελάγει καθεῖσαν. – „Er (sc. Aristeides) leistete auch die Eide (…), zu deren Bekräftigung sie Eisenklumpen im Meer versenkten.“ Plut. Aristides 25,1: ὁ δ’ Ἀριστείδης ὥρκισε μὲν τοὺς Ἕλληνας καὶ ὤμοσεν ὑπὲρ τῶν Ἀθηναίων, μύδρους ἐμβαλὼν ἐπὶ ταῖς ἀραῖς εἰς τὴν θάλατταν· – „Aristeides nahm den Griechen den Eid ab und leistete ihn seinerseits für die Athener, wobei er zu den Verwünschungen Metallklumpen ins Meer warf.“ 135 Vgl. Kap. III.3.
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jüngst noch einmal Philipp Scheibelreiter Einspruch erhoben.136 Beide erklären die ungewöhnliche Form des Rituals mit Parallelen aus dem Vorderen Orient und verstehen die Zeremonie als ‚sympathetische Magie‘ – so wie die Eisenklumpen im Meer versänken, sollten auch eidbrüchige Seebundmitglieder, oder genauer: deren Schiffe, untergehen. Eine solche Interpretation ist aus mehreren Gründen problematisch: Erstens gibt es eine griechische Quellenpassage, die dieselbe Zeremonie für einen anderen Kontext berichtet und dabei dezidiert den Sinn des Rituals erläutert. So heißt es bei Herodot: (…) ἐποιήσαντο ἰσχυρὰς κατάρας τῷ ὑπολειπομένῳ ἑωυτῶν τοῦ στόλου· πρὸς δὲ ταύτῃσι καὶ μύδρον σιδήρεον κατεπόντωσαν καὶ ὤμοσαν μὴ πρὶν ἐς Φώκαιαν ἥξειν πρὶν ἢ τὸν μύδρον τοῦτον ἀναφανῆναι. (…) sie (sc. die Phokaier) stießen schreckliche Flüche gegen diejenigen aus, die nicht an der Auswanderung teilnehmen würden. Zu diesen (Flüchen) versenkten sie einen Eisenklumpen im Meer und schworen, nicht eher nach Phokaia zurückzukehren, als bis dieser Klumpen wieder auftauchen würde.137
Dies ist bei weitem nicht die einzige Passage in den antiken Quellen, in der dieses Schwurritual berichtet wird.138 Die Deutung als Inszenierung „des absolut Unwiederbringlichen“139, wie es Walter Burkert einmal bezeichnet hat, wird dabei nirgends in Zweifel gezogen. Die von Jacobson und Scheibelreiter angeführten Beispiele, die die Interpretation als „Sympathiezauber“140 stützen sollen, stammen dagegen alle entweder aus dem nicht-griechischen Bereich – es werden hethitische Militäreide141, ein alttestamentarischer Fluch142 sowie römische Eide143 angeführt – oder haben nichts mit dem Versenken von μύδροι oder anderen schweren Gegenständen wie Steinen zu tun, sondern beschreiben ein ganz anderes Ritu136 Vgl. Jacobson (1975) und Scheibelreiter (2008), (2013), 73–88. 137 Hdt. I 165. 138 Vgl. für die Episode der Flucht und Auswanderung der Phokaier auch Kall. F 365 Asper, Schol. Soph. Ant. 265 und Hor. epod. 16,25. Für den Bekanntheitsgrad der Geschichte spricht, dass nach Scheibelreiter (2008), 175 „die ‚Flüche der Phokaier‘ in der Antike bereits sprichwörtlich waren“. Ein vergleichbarer Auswanderungskontext wie bei der Phokaier-Episode ist vielleicht schon bei Alk. F 77 (Voigt) anzunehmen, wo in Z. 6 von μυδ- die Rede ist, bei denen es sich nach dem Ausweis der ebenfalls fragmentarischen Scholien eindeutig um μύδροι handelte (vgl. Libermann [1991] ad loc. und Scheibelreiter [2008], 175 f.). Nicht bei einem Siedlereid, sondern im Rahmen eines Bürgereides zur Beendigung einer Stasis ist das μύδροιRitual bei Diod. IX 10,3 bezeugt (Epidamnos). Der Zusammenhang von μύδροι und Schwur findet sich ferner bei Soph. Ant. 264 f. 139 Burkert (22011), 377. 140 Scheibelreiter (2008), 180. 141 ANET² 353 f.; Jacobson (1975), 257. Vgl. zu diesen Eiden Oettinger (1976) und zuletzt Christiansen (2009). 142 Je. 51, 63 f.; Jacobson (1975), 257, Scheibelreiter (2008), 182 f. 143 Zum einen der Fetialeneid (Liv. I 24,7–9; Jacobson [1975], 257), der allerdings sogar von Scheibelreiter (2008), 182 als Parallele für den Seebundeid verworfen wird, und zum anderen der berühmte römische Eid bei Iupiter Lapis, bezeugt von Pol. III 25,6–9 für den vierten römisch-karthagischen Vertrag, der zwischen 280 und 278 geschlossen wurde (StV III 466), und von Plut. Sulla 10,6 f. für einen Loyalitätseid des Cinna gegenüber Sulla. Vgl. zu diesem Eid ausführlich Calore (2000); zu den Fetialen Rich (2011).
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al.144 Es erscheint wenig sinnvoll, zeitlich und geographisch so ferne Zeugnisse für die Erklärung eines griechischen Rituals des 5. Jahrhunderts heranzuziehen, wenn mit der Herodot-Stelle doch eine viel naheliegendere Parallele zur Hand ist. Zwar teilten die Völker und Städte des antiken Mittelmeerraums, wie noch zu zeigen sein wird, eine gemeinsame ‚Grammatik des Eidrituals‘; dies betrifft aber nachweisbar nur das Tieropfer und das Aushandeln von Schwurgötterlisten und bedeutet nicht, dass automatisch alle Formen von Bündniszeremonien gleich waren und überall auf dieselbe Weise verstanden wurden. Die von Jacobson vorsichtig postulierte „Near Eastern provenance“145 des μύδροι-Rituals ist daher skeptisch zu betrachten, gerade in einem Eid mit einer dezidiert anti-barbarischen Stoßrichtung. Tatsächlich ist zudem schon der Begriff des ‚Sympathiezaubers‘ oder der ‚sympathetischen Magie‘ hochproblematisch, da er auf einem religionswissenschaftlich nicht haltbaren Evolutionsmodell beruht.146 Des Weiteren dürfte der Gebrauch des Terminus ‚rechtssymbolischer Akt‘147 das Verständnis für den Sinn des Rituals hier eher erschweren als erleichtern, da er dazu verleitet, das Problem zu rechtssystematisch zu denken. Das Versenken der μύδροι muss ja nicht notwendig mit einer bestimmten Klausel des Vertrags korrelieren! Genau das aber ist das Hauptargument Jacobsons und Scheibelreiters, wenn sie jeweils darauf verweisen, dass der Seebund bei seiner Gründung doch keine συμμαχία εἰς ἀεί gewesen sein könne.148 Auch diese Prämisse ist allerdings alles andere als sicher: Der Abschluss einer ‚ewigen Symmachie‘ wäre für die Seebundgründung nämlich nur dann unwahrscheinlich, wenn man voraussetzte, dass die attischen Bundesgenossen die Erfahrungen des 5. Jahrhunderts schon gemacht hätten, die aber eben noch vor ihnen lagen. Es gab für sie im Jahr 478/ 77 aber keinen triftigen Grund, die Entwicklung des Bundes zu einem athenischen Herrschaftsinstrument vorauszusehen.149 Forscher wie Karl-Ernst Petzold oder Christian Meier haben zudem auf die Möglichkeit einer ewigen Schutzgarantie Athens für die kleinasiatischen Griechenstädte hingewiesen.150 Entscheidend ist, dass an dieser Klausel nicht der Sinn des Rituals hängt. Vielmehr kann der dem Versenken der μύδροι immanente „Charakter des nie wieder Zurückzunehmenden“151 144 Dies gilt für die bei Hom. Il. III 297–301 überlieferte Trankspende genauso wie für das Einschmelzen von Wachspuppen, das im sog. ‚Eid der Oikisten von Kyrene‘ (SEG IX 3) bezeugt ist. Zu letzterem vgl. Faraone (1993). 145 Jacobson (1975), 258. 146 Vgl. Koch Piettre (2010), 7. 147 Scheibelreiter (2008), 180 f.; vgl. Knippschild (2002). 148 Vgl. Jacobson (1975), bes. 256 und 258 und Scheibelreiter (2008), 187. 149 Auf diesen Punkt weist überzeugend Raaflaub (2009), 93 f. hin: „(…) Athens‘ prospective allies, who in 478/7 accepted her hegemony in the Delian League, had no reason to be suspicious. The horizon of experiences and expectations available to them did not include the methods that Athens would develop and use in the near future to turn them into subjects and maintain tight control over them. This explains their willingness, astonishing from hindsight, to commit themselves in perpetuity by sinking iron weights in the ocean.“ 150 Vgl. Petzold (1994), 12, Anm. 98, der ein „immerwährende(s) Schutzversprechen“ der Athener an die ionischen Poleis in Kleinasien bereits für die Samos-Konferenz von 479 annimmt. S. auch Meier (1993), 297. 151 Burkert (22011), 377; so auch Asheri (1988), 358, der von „la perpetuità e la irrevocabilità
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genauso gut über die Verbindung des μύδροι-Rituals zu den Flüchen erklärt werden, die ja auch sowohl von Jacobson als auch von Scheibelreiter betont wird.152 Nicht eine einzelne Klausel des Vertrags, sondern die dauerhafte und unumstößliche Gültigkeit der Flüche, also der religiösen Absicherung der gesamten Vereinbarung, wurde inszeniert. Dies wird dadurch nahegelegt, dass das Ritual laut Plutarch dezidiert ἐπὶ ταῖς ἀραῖς durchgeführt wurde.153 In dem überlieferten Eidritual liegt somit durchaus eine „‚dramatization‘ of the curse“154, aber eben nicht in ‚sympathetischer‘ Form. Bei dem für die Seebundgründung überlieferten Ritual handelt es sich somit um eine Inszenierung der ‚Unwiederbringlichkeit‘ der Eidesleistung und der ihr immanenten Selbstverfluchung, die im Fall der Übertretung wirksam wird. Für die Wahl gerade dieses Rituals dürften in der konkreten Situation pragmatische, aber auch inhaltlich-inszenatorische Gründe gesprochen haben. So ist die Verwendung von μύδροι zur Absicherung von Vereinbarungen zumeist für einen Kontext bezeugt, in dem das Element des Wassers eine entscheidende Rolle spielte.155 Sie mag sich daher auch für die Seebundgründung angeboten haben, der Gründung eines Bundes, dessen Machtbasis primär auf seiner Flotte beruhte.156 Dies gilt umso mehr, als erst recht zu diesem frühen Zeitpunkt direkt nach den Perserkriegen die Formen des Eidrituals (noch) nicht kanonisch waren, man durchaus mit ihnen spielen und etwas ausprobieren konnte. Leider lässt sich aus den überlieferten Quellenzeugnissen nicht mit Sicherheit ableiten, wie man sich den Ablauf des Rituals genau vorzustellen hat. Die Quellen lassen hier zwei Möglichkeiten zu: Entweder wurden die μύδροι auf offener See von einem Schiff aus versenkt – in diese Richtung weist das καθιέναι der Athenaion politeia – oder man warf sie vom Land, vielleicht einer Klippe, aus ins Meer, wofür das ἐμβαλὼν (…) εἰς τὴν θάλατταν der Beschreibung Plutarchs spricht.157 Letzteres hat den Vorteil, dass das Ritual bei dieser Variante vom Publikum besser verfolgt werden konnte, als wenn die Zuschauer auf mehrere Schiffe verstreut worden wären. Für ersteres mag man erneut auf die herodoteische Parallele über die Auswanderung der Phokaier verweisen, wo als Prädikat κατεπόντωσαν Verwendung findet.158 Man wird es hier letztlich mit einem non liquet bewenden und beide Möglichkeiten nebeneinander stehen lassen müssen.159 del giuramento“ spricht. 152 Vgl. Jacobson (1975), 257 und Scheibelreiter (2008), 172 f., 183 f. 153 Plut. Aristides 25,1. 154 Berti (2006), 189. 155 Man denke an die bei Alk. (F 77 [Voigt] mit den Scholien, die das im Text fragmentarisch erhaltene μυδ- zu μύδρους auflösen) und Herodot (I 165) bezeugten Siedlereide. 156 Auf diesen möglichen Zusammenhang verweist auch Scheibelreiter (2008), 184. 157 Die abweichenden Verbalformen der Beschreibungen bei Aristot. Ath. pol. 23,5 und Plut. Aristides 25,1 sieht auch Scheibelreiter (2008), 173. Allerdings geht seine Erklärung, bei der er eine „agressiver(e)“ Version Plutarchs der „Würde eines kultischen Moments“ bei Aristoteles gegenübersteht, an der Sache vorbei. 158 Hdt. I 165. Allerdings ist die Bedeutung nicht ganz eindeutig („ins Meer werfen“); zudem handelt es sich um einen anderen Kontext mit deutlich weniger Schiffen. 159 Andere haben es sich hier leichter gemacht. Vgl. Scheibelreiter (2008), 171: „Will man davon ausgehen, dass die beiden Autoren (sc. Aristoteles und Plutarch) eine Situation beschrei-
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Zusammenfassend bleibt in Bezug auf die anti-persischen Eide festzuhalten, dass der Eid bei der Perserabwehr als ein ganz selbstverständliches Mittel, eine Vereinbarung abzusichern, angesehen wurde, ganz gleich ob es sich um einen Kriegseid unmittelbar vor einer Schlacht (Plataiai) oder um die eidliche Absicherung eines Bundes (Hellenenbund, Delisch-Attischer Seebund) handelte. Leider stößt der Althistoriker bei der genauen Erforschung der religiösen Absicherung dieser Eide schnell an die Grenzen seiner Möglichkeiten. Die lückenhafte Quellenlage erlaubte es leider in keinem der drei Fälle, die angerufenen Schwurgottheiten sicher zu bestimmen. Die Kenntnis derselben wäre aber gerade in einem multilateralen Kontext von großer Bedeutung. Eine Möglichkeit, wie solche multilateralen Vereinbarungen bei den Griechen abgesichert werden konnten, zeigte sich im Amphiktyoneneid, bei dem man sich auf die Hauptgottheiten des delphischen Heiligtums Apollon, Leto und Artemis verständigte. Was man dagegen in den anti-persischen Eiden greifen kann, ist die (wahrscheinliche) Itineration eines Eides – nämlich des Eides des Hellenenbundes vor der Schlacht von Plataiai – und ein im zwischenstaatlichen Kontext ungewöhnliches Eidritual, das auf das Versinken von Eisenklumpen im Meer setzte. Die Verwendung dieses Rituals gerade bei der Gründung eines Seebundes hat sicher weniger mit einzelnen Formeln der Vereinbarung oder mit ‚sympathetischer‘ Magie zu tun als vielmehr mit der inszenatorischen Nutzung desjenigen Elements, auf der die zukünftige Stärke, aber auch der Ursprungsgrund des Bundes beruhte, nämlich des Wassers. Der performative Sinn des Rituals lag dabei mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Unwiederbringlichkeit und Dauerhaftigkeit und damit zugleich der Ernsthaftigkeit des geleisteten Eides. Es gab somit offenbar einen gewissen Spielraum dafür, welche Formen des Rituals in einer Situation jeweils angemessen waren. IV.1.3. Elische Vertragseide und das Zeusheiligtum von Olympia Eine Untersuchung der elischen Vertragseide erlaubt es, gleich zwei historisch bedeutsame Phänomene schärfer zu konturieren, die für die hier vorgelegte Untersuchung von Bedeutung sind: zum einen den Beginn der schriftlichen Fixierung zwischenstaatlicher Verträge, zum anderen das Schwurverhalten innerhalb einer kleineren Hegemonialsymmachie jenseits der beiden großen ‚Blöcke‘ des DelischAttischen Seebundes und des Peloponnesischen Bundes. Von zentraler Bedeutung für die elische Geschichte ist seit dem 6. Jahrhundert das Verhältnis zu dem Zeus-Heiligtum von Olympia. Jenes befand sich ungefähr seit dem Jahre 550 unter elischer Kontrolle, wie dort aufgestellte elische Inschriften belegen.160 Zwar regte sich gelegentlich Widerstand gegen die elische Vorherrben, wie sie 478/77 v. Chr. im Meer vor Delos zwischen den Flottenkontingenten vorgelegen ist, so könnten daran erste Hypothesen geknüpft werden: (…) auch von den entfernter liegenden Schiffen aus muss erkennbar sein, was Aristeides bezweckt, wenn er die Klumpen ins Meer wirft.“ 160 Vgl. Minon (2007a), 9–12 und Roy (2013), 107.
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schaft161 und gelangte das Heiligtum sogar kurzzeitig – während des elisch-arkadischen Krieges der Jahre 365–362 – gänzlich unter die Kontrolle einer anderen Macht, namentlich der Pisaten; als Faktor von historischer Bedeutung ist aber vielmehr die schiere Dauer und Stabilität der elischen Vorherrschaft über einen langen Zeitraum zu betonen.162 So ist es bezeichnend, dass sich in Olympia niemals eine der delphischen Amphiktyonie vergleichbare kollektive Verwaltung des Heiligtums entwickelte.163 Wenn es um Olympia ging, nahmen es die Eleer sogar mit deutlich stärkeren und mächtigeren Gegnern auf, wie die Ausweisung der Spartaner von den Olympischen Spielen des Jahres 420 verdeutlicht.164 V. a. aber nutzten sie ihre Kontrolle über das Heiligtum zur Disziplinierung ihrer Bündner, wie jüngst James Roy überzeugend herausgearbeitet hat.165 Dabei instrumentalisierten sie auf geschickte Weise den Aufstellungsort der Verträge, indem sie dafür sorgten, dass in den Bündnisverträgen mit anderen Poleis eine monetäre Sanktion für den Fall des Vertragsbruchs festgeschrieben wurde, die an den olympischen Zeus zu entrichten war. Dadurch wurde die Entscheidung, ob Sanktionen fällig waren oder nicht, in den Verantwortungsbereich olympischer Magistrate gelegt, die aber von den Eleern selbst gestellt wurden. Mit anderen Worten: Die Eleer entschieden in diesem Fall selbst darüber, ob ein Vertrag als gebrochen gelten sollte oder nicht.166 Dies lässt sich exemplarisch in dem Symmachievertrag zwischen Elis und E(u)wa greifen, der wohl in das erste Viertel des 5. Jahrhunderts zu datieren ist167 und in 161 Zu spartanischen Überlegungen, den Eleern nach dem elisch-spartanischen Krieg der Jahre 402–400 die Kontrolle über Olympia zu entziehen, s. Xen. Hell. III 2,31 (dazu Schepens [2004] und Roy [2009]). Vgl. ferner grundlegend Roy (2013). 162 So konstatiert Roy (2013), 108 resümierend: „From this rapid summary it emerges that Elis controlled Olympia at least from ca. 550, with the brief interruption of 365–362 (and in fact Elean control lasted until the fifth century A. D.).“ 163 Dies kann trotz der Versuche von Taita (1999), (2002), 136–138, 145 f. und (2007), 126–130, eine solche zu rekonstruieren, als Konsens der Forschung bezeichnet werden. Vgl. etwa Gehrke (2003), 18 und Roy (2013), 113: „Elis controlled the sanctuary, and there was no organisation resembling the Delphic Amphictyony.“ 164 Die berühmte Episode findet sich bei Thuk. V 49 f. und Xen. Hell. III 2,21; s. dazu Roy (1998), Paradiso – Roy (2008) und Hornblower (2008), 122–135. Auch den Spartanerkönig Agis sollten die Eleer später daran hindern, in Olympia zu opfern (Xen. Hell. III 2,22; Diod. XIV 17,4; vgl. Roy [2013], 116). Umstritten ist die Frage nach dem Charakter der spartanisch-elischen Beziehungen bis zum Jahre 420. Während lange die Ansicht, die Beziehungen seien bis zu den Auseinandersetzungen um Lepreon konstant gut gewesen, den Konsens der Forschung repräsentierte, so wird dies jetzt von Thommen (2013) und Roy (2013), 118 in Frage gestellt. 165 Vgl. Roy (1998), (2013), 108 f. unter Verweis auf Minon (2007a), Nr. 2–9, 13, 18 f. (für den inschriftlichen Befund) und Ritter (2002), 58–61 bzw. Walker (2004) für die numismatischen Zeugnisse; vgl. zu der Beziehung zwischen Elis und Olympia ferner Taita (2002), Möller (2004) und Nielsen (2007), 29–54. 166 Vgl. Roy (2013), 111: „Even if the Eleans were themselves theoretically liable to be penalised for any breach of an agreement, in fact they were using their power at the sanctuary to impose discipline on their allies.“ 167 Vgl. StV II 110 (= HGIÜ I 29), von den früheren Ausgaben ist wichtig IvO 9. Der Text mit einem ausführlichen sprachlichen Kommentar findet sich jetzt auch bei Minon (2007a), Nr. 10. Sowohl die Datierung als auch die Identifikation des elischen Bündnispartners sind lange kon-
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dem als monetäre Sanktion die Zahlung von einem Talent Silber festgelegt wird.168 Der zu Beginn als Ûράτρα bezeichnete Vertrag stellt ein auf 100 Jahre geschlossenes Bündnis dar.169 Es ist nicht zufällig, dass die Eleer als erster der beiden Vertragspartner genannt werden.170 Zwar ist die für die Eintreibung der Vertragsstrafe zuständige Priesterbehörde in der Inschrift nicht explizit verzeichnet. Dass es sich bei ihr aber um eine olympische gehandelt haben muss, legt der Aufstellungskontext der Inschrift nahe. Diese Annahme wird zudem durch zwei Klauseln eines zwischen den Poleis171 der Anaiter und Metapier geschlossenen Vertrags bestätigt, der in die Zeit um das Jahr 475 zu setzen und ebenfalls in Olympia publiziert worden ist.172 Dort heißt es: „Wer von den beiden (Partnern dies) nicht hält, den sollen vom Altar fernhalten die Proxenoi und die Manteis. Wenn sie den Eid brechen, sollen (dies) die Hiaromai173 in Olympia entscheiden.“174 Zwar ist die genaue Identifikation der beiden Vertragstrovers diskutiert worden. Die Datierungsansätze reichten dabei von der Mitte des 6. Jahrhunderts (Callmer [1943], 80, Bengtson [21975], 9) bis zum 4. Jahrhundert (Kahrstedt [1927], 157, 162, 165). Heute scheint sich das 1. Viertel des 5. Jahrhunderts durchgesetzt zu haben (s. Minon [2007a], 73 m. Anm. 301 unter Verweis auf die Buchstabenform; auf ca. 500 datieren auch Kirchhoff [31877], 153 und Jeffery [21990], 218–220, 408). Die Vertragspartner der Eleer werden heute nicht mehr wie noch von Bengtson (21975), 8 f. als Heraier, sondern durchweg als Eu(w)aier identifiziert. Bei Eu(w)a dürfte es sich mit Roy (1997), 293 und (1998), 367 um „an unknown community near Elis“ (ebd.) und nicht um Eua in der Thyreatis handeln (vgl. die ausführliche Diskussion mit weiterer Literatur bei Minon [2007a], 75–82). 168 Vgl. Z. 5–7: αἰ δὲ μὰ συνέαν : τάλαντόν κ’/ἀργύρō : ἀποτίνοιαν : τοῖ Δὶ Ὀλυνπίοι : τοὶ κα/(δ)δαλέ̄μενοι : λατρειṓμενον : – „Wenn sie (einander) nicht beistehen, sollen diejenigen ein Talent Silber zahlen dem Olympischen Zeus, die (den Vertrag) verletzen, (zum Gebrauch) in seinem Kult.“ 169 Die Bezeichnung Ûράτρα ist typisch für in Olympia aufgestellte Dekrete, vgl. Mello (2008). 170 Vgl. Z. 1 f.: ἀ Ûράτρα τοῖρ Ûαλείοις : καὶ τοῖς Εὐ/Ûαοίοις. 171 Zum Polischarakter der beiden Gemeinden Roy (2004b), Nr. 248, 260. 172 Vgl. StV II 111 (= HGIÜ I 12), wo der Text nach IvO 10 gegeben wird; s. jetzt Minon (2007a), Nr. 14. Zur Datierung vgl. Jeffery (21990), 219 f. und Minon (2007a), 97. Als terminus ante quem ist der elische Synoikismos von 471/ 70 plausibel, wenn man die vertragsschließenden Parteien im Norden der Peloponnes lokalisiert (vgl. die ausführliche Diskussion ebd. 98–100). 173 Méndez Dosuna (2013), 154 hat jüngst eine neue Lesung der vorletzten Zeile der Inschrift vorgelegt (γνο̑μαν τṑ{ρ} ἰα̣ρ̣ομάō), nach der die Entscheidung über einen potenziellen Eidbruch nicht einem Kollegium von Hiaromai, sondern einem einzelnen Hiaromaos oblag. Die Argumentation, die hier nicht im Einzelnen nachvollzogen werden kann, ist im Prinzip plausibel, aufgrund der Annahme einer Verschreibung aber nicht zwingend. Da der Numerus der Kultbeamten für die hier verfolgte Fragestellung nicht von zentraler Bedeutung ist, soll die Frage im Folgenden offenbleiben. 174 Z. 3–7: κōʼπόταρ̣οι μἐ̄νπεδέοιαν, / ἀπὸ το̑ βōμο̑ ἀποÛe–λέοιάν κα τοὶ πρό/ξενοι καὶ τοὶ μάντιερ̣. αἰ τὸ[ν] ὄρκον / παρβαίνοιαν, γνο̑μαν τṑρ ἰ̣α̣ρ̣ομάōρ / τōʼλυνπίαι. – Als Subjekt zu παρβαίνοιαν sind grammatisch sowohl die Proxenoi und Manteis als auch die Vertragsparteien möglich (vgl. Minon [2007a], 102 f.). Aufgrund des Vertragskontextes ist der erwähnte Eid allerdings mit Guarducci (1970), 539 f., Gauthier (1972), 42 m. Anm. 90, Bengtson (21975), 10 und Virgilio (1988a), 25–29 und gegen Gallavotti (1977), 109–111 als Bündnisschwur der Kontraktanten und nicht als Amtseid der Mitglieder der Priestergremien zu verstehen. ὅρκος muss dazu aber nicht notwendig mit Bengtson (21975), 10, der hierfür auf einen handschriftlichen Zusatz von Ernst Ziebarth zu dessen Dissertation (1892) verweist, als
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partner nicht gesichert,175 aufgrund der Verwendung des elischen Dialekts ist eine Lokalisierung der beiden Gemeinden in Elis aber doch sehr wahrscheinlich.176 Es ist daher plausibel, den Freundschaftsvertrag mit James Roy als eine Übereinkunft zweier elischer Bündner zu deuten,177 in dem die für die Sanktionierung des Vertragsbruchs zuständigen Priesterbehörden sogar explizit benannt werden: Während die Hiaromai (oder der Hiaromos) dafür verantwortlich sind, den Zustand des Eid- und Vertragsbruchs festzustellen, sind die Proxenoi und Manteis beauftragt, die Durchführung der Sanktion, sprich: das Opferverbot, in Olympia zu überwachen. Da davon auszugehen ist, dass alle drei Priesterbehörden von den Eleern gestellt wurden,178 zeigt sich an diesem Vertrag noch deutlicher als an dem zuvor analysierten, wie die Eleer ihre Bündner disziplinierten: Mithilfe der zitierten Klauseln lassen sie sich als Richter über die mit ihnen verbündeten Poleis einsetzen. Die elische ‚Religionspolitik‘ schlägt damit letztlich Kapital aus der Tatsache, dass Olympia ein panhellenisches Heiligtum unter regionaler Kontrolle darstellte. Aufgrund dieser auf den ersten Blick paradoxen Situation konnten die Eleer das Bestreben ihrer Bündner, ihre bilateral geschlossenen Freundschaftsverträge religiös abzusichern, zur Festigung der eigenen Herrschaft nutzen. Es ist nicht zufällig, dass die beiden soeben besprochenen Verträge zwar die Bezeichnung als Ûράτρα teilen, aber dann in der näheren Charakterisierung des Vertragstyps differieren: Während die Eleer mit ihrem kleineren Partner E(u)wa ein Kampfbündnis auf 100 Jahre (συνμαχία κ’ ἔα ἐκατὸν Ûέτεα)179 schlossen, lieein Synonym für ‚Vertrag‘ gebraucht worden sein. „[E]in Eid“ ist „in der Urkunde vorher“ zwar tatsächlich „nicht erwähnt“ (Bengtson [21975], 10), das heißt aber nicht, dass auch tatsächlich keiner geleistet worden wäre, sondern hat eher mit dem in der Frühzeit des griechischen Vertragswesens noch wenig formelhaften und unsystematischen Charakter des Bündnistextes zu tun. 175 Auf eine peloponnesische Herkunft der Metapier mögen allerdings schon die Tontäfelchen von Pylos hinweisen, in denen das Toponym Me-ta-pa (PY Aa 752, 779; Vn 20) auftaucht; vgl. Parker (1993), 50–70. Dieses Toponym ist zudem auch in späterer Zeit auf der Peloponnes besonders häufig (s. den Kommentar zu BE [1991], Nr. 297 von Laurent Dubois); so existierte etwa ein Μεσσαπέαι in Lakonien (Paus. III 20,3; Steph. Byz. s. v. Μεσσαπέαι, der vorgibt, Theopomp zu zitieren; SEG XXVI 460; Catling – Shipley [1989], 195–197). Allerdings hat man auch die Messapier Unteritaliens ins Spiel gebracht (Bengtson [21975], 10). Die Anaiter sind sonst nicht bekannt. 176 So übereinstimmend Roy (2004b), 490 f., 494, 500, Nafissi (2003), 42 f. und Minon (2007a), 100: „On est (…) enclin à localiser les deux communautés en Élide (…).“ Anders Bengtson (21975), 10 („griechische Gemeinde Unteritaliens“) und Virgilio (1988a), 25 f., für den der Gebrauch des elischen Dialekts nichts belegt; s. dagegen aber überzeugend Minon (2007a), 100, Anm. 409, die mit Recht auf den achaiischen Dialekt des zur selben Zeit in Olympia aufgestellten Vertrags zwischen Sybaris und den Serdaioi verweist (StV II 120) und konstatiert: „Notre inscription serait du reste le seul texte en dialecte éléen émanant de cités non éléennes venues l’exposer à Olympie.“ 177 Roy (2013), 111; so auch Alonso Troncoso (2013), 212–214. 178 So übereinstimmend Wallace (1970), Gauthier (1972), 41–46, Taita (2004–2005), Minon (2007a), 101 f. und implizit Roy (2013), 111; Calderone (1963), 248, der die drei Priesterbehörden dagegen fälschlich für Magistrate der vertragsschließenden Parteien hält, ist bisher niemand gefolgt. 179 StV II 110, Z. 2.
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ßen sie nämlich bei Verträgen ihrer Bundesgenossen untereinander nur ein Freundschaftsbündnis auf 50 Jahre (φιλίαν πεντάκον/τα Ûέτεα)180 zu. Es gibt keine Klausel in dem Vertrag zwischen Anaitern und Metapiern, die darauf hinweist, dass es sich bei dieser philia um mehr als ein rein defensives Bündnis gehandelt haben könnte. Die Symmachie zwischen Elis und Eu(w)a hat dagegen als wichtigste Klausel die gegenseitige Beistandspflicht im Kriegsfalle.181 Durch solche in der beschriebenen Weise ungleichen Verträge gelang es den Eleern, innerhalb ihres Bündnissystems für Ruhe und Frieden zu sorgen und zugleich ein gemeinschaftliches Vorgehen der letztlich von ihnen abhängigen Städte zu verhindern. Man wird nicht zu weit gehen, dies als eine Hegemonialsymmachie jenseits der großen Blöcke des Peloponnesischen Bundes und des DelischAttischen Seebundes zu bezeichnen. Die Tatsache, dass Elis, das auch Mitglied des Peloponnesischen Bundes war,182 überhaupt die Möglichkeit hatte, ein solches eigenes Bündnissystem zu errichten, passt gut zu der in der althistorischen Forschung zuletzt wiederholt vorgebrachten These, dass die Vertrags- und Eidesklauseln des Peloponnesischen Bundes zwar einerseits sehr strikt waren,183 die Spartaner andererseits aber auch klug genug, den mit ihnen verbündeten Mittelmächten wie Korinth184 und Elis genug Spielraum für eine eigenständige Außenpolitik zu lassen. Auf einen weiteren Aspekt einer elischen ‚Religionspolitik‘ hat jüngst Victor Alonso Troncoso hingewiesen. Indem er die Publikationsklauseln bzw. Fundorte früher griechischer Staatsverträge mit der elischen Außenpolitik dieser Zeit zusam180 StV II 111, Z. 2 f. 181 Vgl. StV II 110, Z. 4 f.: συνέαν κ’ ἀλ(λ)άλοις : τά τ’ ἄλ(λ) καὶ πα/ρ πολέμō. – „(…), so sollen sie einander beistehen, sonst und (besonders) im Krieg.“ 182 Die Mitgliedschaft, über deren Festigkeitsgrad in der Forschung Uneinigkeit herrscht (vgl. nur Cawkwell [1993] und Lendon [1994]), bestand schon seit dem 6. Jahrhundert. So erscheinen die Eleer in den Perserkriegen als enge Verbündete Spartas (vgl. Hdt. VIII 72). Allerdings gab es immer wieder Spannungen mit dem Hegemon – so in den 470er-460er Jahren, nach dem Nikiasfrieden (Bündnis mit Argos; Lepreon-Konflikt) und 402–400. 183 Hier ist insbesondere auf das berühmte „folgen, wohin auch immer die Spartaner führen“, zu verweisen, wie es epigraphisch im Vertrag mit den aitolischen Erxadieis (SEG XXVI 461 und XXVIII 408 = HGIÜ I 154) und literarisch etwa bei Hdt. VI 74,1, wo die Arkader auf diese Weise dem Spartanerkönig Kleomenes I. einen Eid leisten, bezeugt ist. Vgl. zu dieser Klausel Bolmarcich (2008), 78, die sie für spät hält und in die Zeit nach dem Peloponnesischen Krieg datiert. 184 In Bezug auf Korinth ist dieser Aspekt jüngst ausführlich und überzeugend herausgearbeitet worden von Stickler (2010). Vgl. auch Bolmarcich (2005), die abschließend (34) über die den Peloponnesischen Bund konstituierenden Eide resümiert: „it was, on the one hand, hegemony of Sparta over states with which she had allied herself by defeating them in war and imposing treaty obligations involving a strict oath of fealty and the encouragement of oligarchy, and, on the other hand, larger, powerful states like Corinth and Thebes with which Sparta cooperated. Sparta drew her hegemony of the League from these conquered allies, not from her control of states equal to her in power like Corinth or Thebes.“ Dieselbe Autorin (Bolmarcich [2007a], 27) sieht aufgrund von Thuk. V 30,1–4, der berühmten Klausel vom „Hindernis vonseiten der Götter oder Heroen“, im Peloponnesischen Bund sogar Eide mit „built-in ‚escapeclauses’“ am Werke. Zustimmend Lateiner (2012), 162, Anm. 20 („An ‚intentional elasticity‘ benifited any state summoned to aid a sworn ally. “). Vgl. dagegen ausführlich Kap. V.4.1.3. dieser Arbeit.
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menbringt, kann er zeigen, dass in Olympia in der archaischen und klassischen Epoche nur Friedens- und Freundschaftsverträge (spondai, eirene, philia) aufgestellt wurden. Die einzige Ausnahme bildeten nach Ausweis der epigraphischen Quellen elische Symmachieverträge und solche Militärbündnisse, die zwischen Partnern geschlossen wurden, die aus dem elischen Einflussbereich stammten.185 Darin zeigt sich erneut der Versuch der Eleer, nicht nur die Kontrolle über das Heiligtum auszuüben, sondern diese auch exklusiv für die Disziplinierung der eigenen Bündner politisch nutzbar zu machen. Die Tatsache, dass eine allgemeingriechische Öffentlichkeit über ein panhellenisches Heiligtum wie Olympia besonders gut erreicht werden konnte, war dem elischen Anliegen dabei in besonderer Weise dienlich. Wo sonst hätte man einen solchen Herrschaftsanspruch effektiver und öffentlichkeitswirksamer demonstrieren können – und das auch noch ganz exklusiv? Wie wichtig dieser Herrschaftsanspruch offenbar für das elische Selbstverständnis war, verdeutlicht zudem eine Episode, die in Xenophons Hellenika überliefert ist. Dort heißt es, allein die Eleer hätten sich einer Erneuerung des Antalkidas-Friedens durch die Athener mit der Begründung widersetzt, sie seien nicht verpflichtet, die von ihnen beherrschten Poleis Marganea, Skillus und Triphylia in die Selbständigkeit zu entlassen.186 Wie so häufig im 4. Jahrhundert erhebt sich der ‚interpolitische‘ Streit über die Frage nach der Autonomie der Bündner,187 eine Frage, die immer gerade dann virulent wurde, wenn es galt, in einer polisübergreifenden Friedensregelung einen Schwur zu leisten.188 Bezeichnend für das elische Selbstverständnis ist insbesondere, dass die Eleer die drei Poleis als ihren „Besitz“ (σφετέρας γὰρ εἶναι ταύτας τὰς πόλεις)189 deklarieren. Neben dem Aspekt der Manifestierung des elischen Herrschaftsanspruchs über die eigenen Bündner ist im Kontext der elischen Vertragseide allerdings noch auf ein weiteres bedeutsames Phänomen hinzuweisen: Nirgendwo sonst in der griechischen Staatenwelt lassen sich schon für die archaische Zeit inschriftlich Bündnisverträge nachweisen. Zwar hört man in den literarischen Quellen gelegentlich vom Abschluss von Verträgen oder auch einzelnen Klauseln der ratifizierten Vereinbarungen,190 als Publikationsort lässt sich in vorklassischer Zeit aber nur Olympia sicher nachweisen. Die Evidenz wird dabei neben den beiden oben diskutierten Verträgen durch das so berühmte wie in seinen einzelnen Bestimmungen
185 Vgl. Alonso Troncoso (2013); zustimmend Roy (2013), 115. 186 Xen. Hell. VI 5,2 f.: οἱ μὲν οὖν ἄλλοι πάντες ἔχαιρον τῷ ὅρκῳ· Ἠλεῖοι δὲ ἀντέλεγον ὡς οὐ δέοι αὐτονόμους ποιεῖν οὔτε Μαργανέας οὔτε Σκιλλουτίους οὔτε Τριφυλίους· σφετέρας γὰρ εἶναι ταύτας τὰς πόλεις. (…). καὶ ὤμοσαν πάντες πλὴν Ἠλείων. – „Alle gaben ihre freudige Zustimmung zu dem Eidestext, nur die Eleer erhoben Einspruch und machten geltend, sie seien nicht verpflichtet, die Margarneer, Skilluntier und Triphylier selbständig zu machen; denn diese Städte gehörten zu ihrem Besitz. (…) Und es schworen alle außer den Eleern.“ 187 Vgl. Pistorius (1985), 125–127, Jehne (1994), 269–284. 188 Vgl. Jehne (1994), 273–276, Rhodes (2007), 24 f. 189 Xen. Hell. VI 5,2. 190 Vgl. nur das in StV II 101–127 zusammengestellte Material.
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kryptische Bündnis zwischen Sybaris und den Serdaiern gebildet, das ebenfalls in Olympia gefunden worden ist.191 Bei allen drei epigraphisch überlieferten Staatsverträgen aus archaischer Zeit handelt es sich mithin um Bronzetafeln aus Olympia. Es steht daher zu fragen, ob der Brauch, Staatsverträge durch die Aufstellung in Heiligtümern religiös abzusichern, der ja bei Homer noch nicht bezeugt ist,192 in Olympia seinen Anfang genommen haben könnte. Diese Vermutung lässt sich aufgrund der schlechten Überlieferungschancen archaischer Inschriften nicht letztgültig beweisen. Man wird vielmehr gut beraten sein, hier eher zurückhaltend zu urteilen. Bei der gegenwärtigen Quellenlage ist aber dennoch zu konstatieren, dass es eine auffällige Konzentration der archaischen Staatsverträge in Olympia gibt. Ein so bedeutendes panhellenisches Heiligtum bot sich für die Aufstellung aufgrund einer dort zu erreichenden breiten Öffentlichkeit ja geradezu an. Dies gilt zugegebenermaßen in gleicher Weise für Delphi. Es ist allerdings zu betonen, dass die großen panhellenischen Heiligtümer nicht alle ihnen jeweils zukommenden Funktionen auch in jeweils gleichem Maße ausübten: Während ein Heiligtum wie Olympia als Wettkampfstätte hochberühmt war, konnte es als Orakelstätte schon hinter einem vergleichsweise unbedeutenden Kultplatz wie Abai zurückfallen.193 Offenbar erkannte man in, oder besser: in Bezug auf Olympia schneller als andernorts das mögliche Absicherungspotenzial der Aufstellung von Vertragsstelen in Heiligtümern. Dies könnte damit zusammenhängen, dass es sich bei Olympia um die bedeutendste griechische Kultstätte desjenigen Gottes handelte, dem als einzigem das Epitheton Horkios zukam und der schon seit homerischer Zeit in besonderer Weise für den Schutz von Eiden zuständig war.194 Dass man mithin auf die Idee kommen konnte, gerade im wichtigsten Zeusheiligtum mit der Aufstellung von Kopien von Vertragseiden zu beginnen, kann nicht verwundern. Jedenfalls ist beim gegenwärtigen Stand der Überlieferung von einer Vorreiterrolle Olympias als Aufstellungsort griechischer Staatsverträge auszugehen. Es wäre nicht die erste Innovation der archaischen Zeit, deren Genese eng mit der griechischen Kolonisation verbunden ist. Dass es nämlich neben den Eleern und 191 Vgl. StV II 120. Nicht sicher lokalisiert ist dabei nach wie vor die Vertragspartei der Serdaier, die man wahlweise mit den Einwohnern der sizilischen Stadt Ergetion (Pais [1908], 117–121, Head [²1911], 169), denjenigen einer noch unbekannten Polis „zwischen Sybaris und Poseidonia“ (Bengtson [21975], 15 unter Verweis auf Kunze [1961], 207–210) oder den Sarden (Zancani Montuoro [1962], [1980]) identifiziert hat. Die Datierung aufgrund der Buchstabenform schwankt zwar zwischen 530–510 (Jeffery [²1990], 456) und um 450 (Mattingly [1996], 267–269). Im zweiten Falle müsste es sich allerdings um eine – zu diesem Zeitpunkt wenig plausible – Wiederaufzeichnung handeln, da das Jahr 510 aus historischen Gründen (Zerstörung von Sybaris) als terminus ante quem nicht zu bestreiten ist (vgl. Alonso Troncoso [2013], 215). Das Bündnis gehört somit in jedem Fall noch in die Archaik. Vgl. Rutter (1970), 173 f., Giangiulio (1992), 32, Anm. 3. 192 Vgl. Kap. II. 193 Vgl. zu diesem Aspekt Funke (2004b), 161–165, (2005), 1–5, (2009), 294–296. 194 Vgl. zu Zeus Horkios, für den eine besonders abschreckende Ikonographie mit zwei Blitzen (Zeus Dipaltos) nicht zufällig gerade für Olympia besonders gut bezeugt ist (vgl. Paus. V 24,9; s. zu dieser Passage ausführlich Kap. III.1.).
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IV. Empirischer Teil. ‚Gleiche‘ und ‚ungleiche‘ Eide
Städten aus ihrem Einflussbereich gerade unteritalische Griechenstädte sind, die als erste in Olympia Verträge publizieren, deckt sich mit dem Befund, wie er sich nach den archäologischen Quellen darstellt: Auch als Dedikanten von Weihgeschenken oder als Errichter von Schatzhäusern treten großgriechische Poleis in Olympia bekanntermaßen schon früh deutlich auf den Plan.195 Es kann daher nicht verwundern, dass der ewige Freundschaftsvertrag196 zwischen Sybaris und den Serdaioi anders als die beiden zuvor diskutierten weder im elischen Dialekt verfasst noch sonst irgendwie nachweislich mit der Peloponnes verbunden ist. Gerade den Griechen in der Fremde musste die Vorstellung, die Absicherung eines Staatsvertrags – und damit ein Stück der eigenen Identität – an ein bedeutendes panhellenisches Heiligtum im Mutterland rückzukoppeln, besonders attraktiv erscheinen. Vielleicht ist die Sitte tatsächlich in den Apoikien entstanden, wo das Wohl und Wehe der Poleis, die sich in einer fremden und oft feindlichen Umgebung befanden, noch stärker als im Mutterland an die Verlässlichkeit von Bündnissen geknüpft gewesen sein dürfte. Aber das Phänomen der Aufstellung von Vertragskopien in Olympia hat auch noch eine andere Seite: Neben dem Aspekt der religiösen Absicherung des Bündnisses diente die Publikation gerade im Falle der Sybariten wohl auch demonstrativen Zwecken, gerade dann, wenn die Herausgeber der Inschrift mit ihrer Vermutung richtig liegen, dass die Bronzetafel, die den Vertragstext trägt, ursprünglich am Schatzhaus der Sybariten angebracht war.197 Der Verweis darauf, über zahlreiche Alliierte zu verfügen – nicht umsonst beginnt der Vertrag mit dem Hinweis auf ein eigenes Bündnissystem der Sybariten198 – konnte durchaus geeignet sein, das eigene Prestige in einem so agonalen Kontext wie dem olympischen zu untermauern und gegebenenfalls zu mehren. Der Vertrag zwischen den Sybariten und den Serdaioi ist allerdings noch aus einem weiteren Grund für die Genese der religiösen Absicherung griechischer Staatsverträge von eminenter Bedeutung: Er endet mit der frühesten inschriftlich bezeugten Schwurgötterformel in einem griechischen Staatsvertrag überhaupt. Diese lautet: πρόξενοι ὀ Ζε/ὺς κ’ Ὀπόλον κ’ ὀ̑λλοι θ/εοὶ καὶ πόλις Ποσειδα/νία.199
195 Vgl. Mallwitz (1972), 163–179. 196 Die in Bezug auf die Klassifikation des Vertrages als Freundschaftsvertrag entscheidende Klausel (StV II 120, Z. 1–5) lautet: ἀρμόχθεν οἱ Συβαρῖ/ται κ᾽οἰ σύνμαχοι κ᾽οἰ / Σερδαῖοι ἐπὶ φιλότατ/ι πιστᾶι κ᾽ἀδόλοι ἀε/ίδιον· – „Es haben sich verbunden die Sybariten und ihre Bundesgenossen und die Serdaier in treuer und unverbrüchlicher Freundschaft auf ewige Zeiten.“ Der Charakter eines Freundschaftsvertrags wird sprachlich durch die Verwendung einer Form von ἁρμόζεσθαι als Prädikat unterstrichen, das in anderem Kontext auch ‚vermählen‘ bedeutet. Die Außergewöhnlichkeit dieses Ausdrucks in einem Vertragskontext hebt Giangiulio (1992), 33 f., 35, Anm. 21, 41 f. hervor. – Man beachte auch die ausdrückliche Erwähnung von σύνμαχοι, die wohl als solche des ersten Vertragspartners, also der Sybariten, zu deuten sind. Vgl. Giangiulio (1992), 32 f. 197 So vermutet jedenfalls Bengtson (²1975), 15. 198 StV II 120, Z. 1 f. nennt als erste Vertragspartei ausdrücklich οἱ Συβαρῖ/ται κ᾽οἰ σύνμαχοι. Vgl. zu dieser „Dualitätsformel“ (Pistorius [1985], 8–37, Zitat: 8), Giangiulio (1992), 32 f. 199 StV II 120, Z. 5–8.
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An dieser Liste ist fast alles ungewöhnlich. Das beginnt mit der Bezeichnung der Eidgötter als πρόξενοι200 und endet mit der inkongruenten Auflistung der Stadt Poseidonia auf einer Stufe mit den Schwurgottheiten.201 Inkongruenzen sind mit Peter Siewert als ein typisches Moment archaischer Vertragseide zu deuten,202 bei denen die Grenzen des epigraphic habit in Vertragseiden noch nicht so klar definiert zu sein scheinen wie später in klassischer Zeit. Gleichwohl ist es höchst beachtenswert und bleibt zudem erklärungsbedürftig, dass Götter und Menschen hier offenbar in einem Atemzug ohne graduelle Unterscheidung zur Absicherung des Vertrags aufgerufen werden können. Die in der altertumswissenschaftlichen Forschung immer wieder aufgestellte Behauptung, bei den Griechen seien für die Überwachung und Sanktionierung von Eiden und Verträgen generell allein die Götter verantwortlich gewesen, erweist sich somit für die Frühzeit des griechischen Vertragswesens als nicht haltbar. Das verdeutlicht zum einen, dass die Dinge hier noch im Fluss sind, vieles noch ausgehandelt werden muss, bei dem man später ungeschriebenen Regeln folgte; zum anderen, dass die Vorstellung, dass ein Personenverband – in diesem Fall die πόλις Ποσειδα/νία – als Garant eines Vertragseides dienen konnte, griechischem Denken nicht von vorneherein völlig fremd war. Die Beobachtung macht es nur noch interessanter, dass man sich seit dem 5. Jahrhundert gerade nicht mehr für diese ‚säkulare‘ Variante entschied. Das eingängige Schema von einer archaischen Religiosität, die sich in der Frühzeit des griechischen Vertragswesens noch Bahn gebrochen habe und die sich dann im 5. Jahrhundert infolge einer ‚griechischen Aufklärung‘ mitsamt den Klauseln der Bündnisverträge säkularisiert habe, erweist sich somit als haltlos. Was man hier greifen kann, ist vielmehr das, was Anthony M. Snodgrass „The Age of Experiment“203 genannt hat: ein Ausprobieren und Spielen mit Formen, die noch nicht allzu starr und kanonisch geworden sind. Zusammenfassend sind folgende Punkte festzuhalten: Die griechische Mittelmacht Elis nutzte in spätarchaischer und klassischer Zeit ihre Kontrolle über Olympia, um die eigenen Bündner zu disziplinieren. Die Eleer betrieben ‚Religionspolitik‘ wie die Athener im Delisch-Attischen Seebund nur mit anderen Mitteln und machten den Aufstellungsort der Verträge und Eide zum Kontrollinstrument und Mittel zur Absicherung der eigenen Herrschaft. Im Verhältnis von Elis zu seinen Verbündeten zeigt sich damit exemplarisch das Schwurverhalten innerhalb der Hegemonialsymmachie einer Mittelmacht, jenseits der beiden großen Blöcke des Delisch-Attischen Seebundes und des Peloponnesischen Bundes. Außerdem konnte das olympische Zeusheiligtum als Ausgangsort der griechischen Sitte, Vertragskopien in Heiligtümern zu platzieren, plausibel gemacht werden: Bringt man die 200 An diesem Aspekt hat sich die Forschung abgearbeitet, vgl. nur Gauthier (1972), 33–35, Mosley (1979), 228, Lonis (1980) und Giangiulio (1992), 32, Anm. 3. Es kann aber letztlich – trotz des ungewöhnlichen Gebrauchs des Wortes πρόξενος – kein Zweifel daran bestehen, dass hier ‚Zeugen‘ oder ‚Bürgen‘ des Vertrages gemeint sind. 201 Sommerstein – Bayliss (2013), 171 sprechen diesbezüglich von einem „blurring of the boundaries between the responsibilities of the gods and humans“. 202 Siewert (1972), 36. 203 So der Untertitel seines 1980 erschienenen Buches zur griechischen Archaik.
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IV. Empirischer Teil. ‚Gleiche‘ und ‚ungleiche‘ Eide
Überlieferungslage, also das erste Auftreten inschriftlich überlieferter Vertragstexte in Olympia, und den Aspekt der panhellenischen Öffentlichkeit des Heiligtums mit der besonderen Verbindung des obersten Gottes des griechischen Pantheons mit Eiden und Verträgen, die sich an dem ihm alleine zustehenden Epitheton Horkios zeigt, zusammen, so erscheint ein Beginn griechischen Vertragswesens in Olympia alles andere als zufällig. IV.1.4. Attische Vertragseide aus der Zeit der beiden Seebünde: Religion und Herrschaft „Große Feindschaften legt man, glauben wir (sc. die Spartaner), nicht dadurch bei, dass man nach Kampf und Sieg den Gegner durch erzwungene Eide (κατ᾽ ἀνάγκην ὅρκοις) auf ungleiche Bedingungen verpflichtet (μὴ ἀπὸ τοῦ ἴσου ξυμβῇ), sondern wenn man bei der Möglichkeit zu mildem Vorgehen den Feind auch durch Edelmut besiegt und ihm wider sein Erwarten einen maßvollen Vergleich anbietet.“ (Thuk. IV 19,2)
Die attischen Vertragseide machen in geographischer Hinsicht neben den kretischen den Löwenanteil des epigraphisch überlieferten Quellenmaterials dieser Untersuchung aus. Gerade die Eide aus der Zeit des Delisch-Attischen Seebundes sind allerdings schon häufig behandelt worden. Zu nennen sind stellvertretend auch für andere Arbeiten die Studien von Peter Siewert, Jack Martin Balcer und Ernst Baltrusch.204 Es ist daher nicht nur einer bewussten Vermeidung einer atheno-zentrischen Perspektive geschuldet, wenn es an dieser Stelle genügen soll, zwei zentrale Aspekte der athenischen Eide in den Blick zu nehmen, die von der Forschung bisher gar nicht oder nur in unzureichender Weise berücksichtigt worden sind. Bei diesen beiden Gesichtspunkten handelt es sich zum einen um die Verwandtschaft vieler Klauseln dieser ungleichen Schwüre mit dem Typus der Bürgereide und den aus dieser Ähnlichkeit resultierenden Konsequenzen und zum anderen um die religiöse Absicherung jener Eide, wobei insbesondere die Schwurgötterliste und das Eidritual in den Blick zu nehmen sind. Dabei kann nicht automatisch von einer Kontinuität der Formen der Eidessicherung auch im Zweiten Seebund ausgegangen werden. Der Möglichkeit des Wandels wird durch eine paradigmatische Analyse einer 375 zwischen Athenern und Korkyraiern geschlossenen Symmachie Rechnung getragen. 204 Vgl. Balcer (1964), 247–252, Siewert (1972), 38–45, Balcer (1974), 23, 32, (1978), 32–55, 80–82 und Baltrusch (1994), 59–64, 196. Alle drei – insbesondere Ernst Baltrusch – gehen allerdings von einer allzu linearen Entwicklung der attischen Eidesformeln aus. Vgl. aus der äußerst umfangreichen Literatur ferner Plescia (1970), 60–70, Meiggs (1972), 579–582, Schuller (1974), 101–106, Wankel (1974), Pistorius (1985), 8–29, 38–52, 82–87, 182– 186, Powell (1988), 59–95, Smarczyk (1990), 16, Anm. 45, 464 f., 581, Koch (1991), bes. 155–158, 355, 398–403, Dreher (2001), 84–88 und Bolmarcich (2009), 46–58, bes. 50 und jüngst Scheibelreiter (2013). Eine aktuelle tabellarische Zusammenstellung des Materials findet sich jetzt bei Canevaro – Harris (2012), 128 f.
IV.1.4. Attische Vertragseide aus der Zeit der beiden Seebünde
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Vorab sind einige kurze Bemerkungen zur Chronologie der attischen Staatsverträge des 5. Jahrhunderts vonnöten. Diese bildete den Gegenstand einer langjährigen und intensiv geführten Forschungsdebatte, die immer noch nicht ganz abgeschlossen ist.205 Zwar kann als ein Ergebnis der Kontroverse festgehalten werden, dass das dreistrichige Sigma als ein sicheres Datierungskriterium attischer Inschriften, wie es einst von den Herausgebern der attischen Tributlisten postuliert worden ist, ausgedient hat.206 Dies führt dazu, dass eine ganze Reihe von hier relevanten Inschriften mit Harold B. Mattingly in die Zeit des Archidamischen Krieges herabdatiert werden muss oder zumindest in seiner Zeitstellung als unsicher anzusehen ist.207 Allerdings kann eine solche Tiefdatierung auch nicht in allen Fällen eine gleichsam universelle Gültigkeit beanspruchen.208 Welcher Zeitansatz als der Richtige anzusehen ist, kann nicht pauschal festgelegt werden, sondern muss jeweils im konkreten Einzelfall entschieden werden. Die Datierung wird daher im Folgenden auch für die zentralen Zeugnisse jeweils einzeln diskutiert. Allgemein gilt, dass einer überzeugenden historischen Kontextualisierung nicht zuletzt aufgrund der Unsicherheit der paläographischen Kriterien als Datierungskriterium eine hohe Bedeutung zuzugestehen ist.209 Aus dem Stand der Debatte folgen für die hier vorgelegte Untersuchung spezifische Schwierigkeiten: Die größte ist, dass eine allzu lineare Darstellung der Entwicklung attischer Eidesformeln, wie sie von der Forschung lange angenommen worden ist,210 problematisch geworden ist.211 Hier bietet sich allerdings zugleich die Chance, durch ein verbessertes chronologisches Gerüst zu neuen Einsichten in die Entwicklung der im Delisch-Attischen Seebund gebräuchlichen Eidesformeln zu gelangen.
205 Die Fronten der Auseinandersetzung verliefen dabei zwischen Vertretern der ‚alten Orthodoxie‘ auf der einen und insbesondere Harold B. Mattingly auf der anderen Seite. S. zu dem Verlauf der Debatte und zum aktuellen Stand der Forschung die beiden jüngsten Beiträge von Rhodes (2008b) und Papazarkadas (2009). 206 Das wird auch von ehemaligen Vertretern der sog. ‚old orthodoxy‘ – exemplarisch sei hier auf Peter J. Rhodes verwiesen – anerkannt. Forschungsgeschichtlich wichtig ist besonders der Beitrag von Chambers – Gallucci – Spanos (1990), denen die sichere Herabdatierung des athenischen Vertrags mit den Egestaiern (IG I3 11) und damit – in Bezug auf dieses eine Dekret – die Bestätigung der These Mattinglys gelungen ist. 207 Zur Kritik an der ‚alten Orthodoxie‘, die in die 450er oder 440er datierte, vgl. Mattingly (1996), (2000), (2002) und (2007), der die Dokumente in die Zeit des Archidamischen Krieges setzt. Zum Verlauf der Debatte und den daraus folgenden Konsequenzen s. zuletzt Rhodes (2008b), Kallet (2009) und Papazarkadas (2009). 208 Vgl. Rhodes (2008b), 503. 209 So auch Papazarkadas (2009), 68. 210 Man vgl. nur Meiggs (1972), 579–582 und Baltrusch (1994), 59–64, 196. 211 So urteilt Papazarkadas (2009), 68: „To provide a straightforward linear narrative of the Athenian empire is, for the time being, practically impossible.“
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IV. Empirischer Teil. ‚Gleiche‘ und ‚ungleiche‘ Eide
IV.1.4.1. Eid und Religion. Die religiöse Absicherung ‚erzwungener Eide‘ im Delisch-Attischen Seebund Gemäß dem Hauptanliegen dieser Untersuchung ist zunächst bei den religiösen Aspekten attischer Vertragseide anzusetzen. Wendet man sich nun aber der religiösen Absicherung der Verträge aus der Seebundzeit zu, so fällt schnell ein von der Forschung bisher kaum beachtetes Detail auf: Athene, die doch weithin als wichtigste Polisgottheit der Athener galt, die die Stadt auf Münzen und Urkundenreliefs repräsentierte und deren Herrschaft über Athen durch fundierende Mythen gestützt wurde,212 ist bis in das 4. Jahrhundert in keinem einzigen attischen Vertragseid als Schwurgottheit bezeugt. Stattdessen riefen die Athener Zeus, Apollon und Demeter an.213 Das Auftauchen dieser drei Eidgottheiten in Verträgen mit ganz unterschiedlichen Partnern – den Erythraiern214, Kolophoniern215 und Korkyraiern216 – weist darauf hin, dass es sich bei dieser Trias nicht um eine gemischte Formel aus den jeweils wichtigsten Eidgottheiten beider Seiten, sondern um eine dezidiert attische handelte.217 Zwar sind die Schwurgottheiten aus den Verträgen mit den Erythraiern und Kolophoniern jeweils nur für die nicht-attische Seite überliefert, die sowohl epigraphisch als auch literarisch für offizielle attische Eide bis ins erste Viertel des 4. Jahrhunderts bezeugte Kontinuität dieser drei Gottheiten legt allerdings nahe, dass die Athener hier fremde Amtsträger (im Falle der Erythraier) bzw. alle Politen (im Falle der Kolophonier) auf ihre eigenen Gottheiten und damit auf ihre Polis 212 Zu Athene als Repräsentantin Athens auf Urkundenreliefs vgl. das bei Binneboessel (1932), Meyer (1989), Lawton (1995) und Ritter (2001) zusammengestellte Material, zu den Münzen vgl. dens. (2002); zu den archäologischen Zeugnissen insgesamt s. Kasper-Butz (1990). An mythologischen Erzählungen ist bes. die Geschichte der Inbesitznahme Athens durch Athene nach einem Streit mit Poseidon von Bedeutung, die bei Apollod. III 14,1 und Hyg. fab. 164 ausführlich berichtet wird. Anspielungen auf die Geschichte finden sich zuerst bei Plat. Men. 237c und Kall. F 1 Pfeiffer, später auch bei Paus. I 24,5; 27,1 und Ov. met. VI 70–82. 213 Vgl. StV II 134, 145, 263; Aristoph. Equ. 941. Für einen Gerichtseid gibt das Schol. Aischin. Tim. 114 Apollon Patroos, Demeter und Zeus, bei Poll. VIII 122 finden sich Apollon Patroos, Demeter und Zeus Basileus. Allein im Heliasteneid wurden nach Demosth. or. 24, 151 Zeus, Poseidon und Demeter angerufen. Dass dies andernorts im 5. Jahrhundert ganz anders ablaufen konnte, belegt z. B. die lokrische πεντορκία (IG IX 1², 3, 717, Z. 16 f. [Chaleion, 500–450]), bei der es sich um eine Eidesformel handeln dürfte, bei der fünf Götter angerufen wurden. Vgl. Ziebarth (1892), 17–19, Plescia (1970), 6 und Brulé (2005), 164. 214 Vgl. StV II 134 (= HGIÜ I 63), dessen Datierung in die späten 450er Jahre, wohl das Jahr 453/ 52 (vgl. Rhodes [2008b], 501), unumstritten ist. Vgl. auch die Fragmente des Vertragseides IG I³ 15a,d. 215 Die Datierung dieses Vertrags (StV II 145 [= HGIÜ I 76]) ist nach wie vor umstritten. Während Papazarkadas (2009), 70 ihn mit Mattingly (1996), 372–374 in das Jahr 427/ 26 setzt, halten Rhodes (2007), 22, (2008b), 501 und Bolmarcich (2007a), 32 an der alten Hochdatierung in das Jahr 447/ 46 fest. 216 Vgl. StV II 263 (= HGIÜ II 220) aus dem Jahre 375. Der Vertrag gehört somit erst in die Zeit des Zweiten Attischen Seebundes. Auf ihn wird schon an dieser Stelle verwiesen, da die invocatio die Kontinuität der Schwurgötterliste bis in das erste Viertel des 4. Jahrhunderts verdeutlicht. 217 Eine solche Interpretation taucht in der Literatur bisher allein bei Plescia (1970), 6, 60–70, bes. 63, 67 und jetzt bei Sommerstein – Bayliss (2013), 166 auf.
IV.1.4. Attische Vertragseide aus der Zeit der beiden Seebünde
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vereidigten. Hierin lässt sich ein bisher unbeachtet gebliebener Aspekt der athenischen Religionspolitik im Ersten Seebund greifen: Ähnlich wie beim Übergang der Rolle der Hauptgottheit des Seebundes vom delischen Apoll auf Athene zwang man auch in diesem Fall den Bündnern athenische Gottheiten auf.218 Neben dem Aspekt der Ausdehnung der eigenen Herrschaft hat diese Religionspolitik aber auch noch eine andere, integrative Facette: Die Anrufung athenischer Eidgottheiten sollte die Bündner mit einem politisch wichtigen Element der attischen Polisreligion vertraut machen.219 Gerade der naheliegende Vergleich mit dem Wechsel der Hauptgottheit im Seebund von Apoll zu Athene macht es allerdings umso erstaunlicher, dass Athene unter den athenischen Eidgottheiten fehlt und an ihrer statt gerade Apollon an prominenter Stelle auftritt. Man könnte daher versucht sein, die Trias aus Zeus, Apollon und Demeter als eine Seebund- und nicht als eine genuin attische Formel zu erklären. Die Schwurgötterliste wäre nach einer solchen Interpretation extra für den Seebund kreiert worden. Gegen eine solche Deutung spricht allerdings das Zeugnis der literarischen Quellen, die gerade diese drei Gottheiten für athenische Beamten- und Gerichtseide bezeugen.220 Man hat daher von einer genuin athenischen Schwurgötterliste auszugehen. Praktischerweise hatte diese Liste für die Athener den Vorteil, dass sie den Bündnern ein besonders großes Integrationspotential bot: Zum einen entsprach die attische Formel mit Zeus, Apollon und Demeter sinngemäß der ältesten griechischen Eidesformel aus Zeus, Ge und Helios, die allen Griechen aus den homerischen Epen vertraut war – so verstanden, würde Apollon in seiner Funktion als Sonnengott angerufen, und Demeter brächte als chthonische Unterweltsgöttin die ‚Erde‘ ins Spiel. Zum anderen stand Apollon als Gott des delischen Heiligtums, das bis 454 den Sitz der Bundeskasse verwaltete, für die ursprünglichen Ziele des noch nicht zum athenischen Herrschaftsinstrument mutierten Bundes. Für einige Bündner wie die Inselgriechen der Ägäis hatte sein Heiligtum auf Delos zudem in besonderem Maße eine Zentralfunktion inne.221 In Bezug auf Apollon profitierten die Athener schließlich von der Tatsache, dass in griechischen Vertragseiden bis in die hellenistische Zeit keine Götterepitheta genannt wurden.222 Dies sorgte für eine gewisse Offenheit der Schwurgötterliste: Während man beim Anrufen der Eidgottheiten in Athen wohl an Apollon Patroos dachte,223 konnten die Bündner bei 218 Zu den anderen Aspekten attischer Religionspolitik im Seebund vgl. Barron (1964), (1983) und bes. Smarczyk (1990), (2007). 219 Vgl. zu einem in diesem Sinne ‚janusköpfigen‘ Charakter der athenischen Religionspolitik im 5. Jahrhundert Funke (2009), 290. 220 S. Anm. 213. 221 Vgl. Constantakopoulou (2007). 222 Vgl. Brulé (2005), 164 f. Die einzige Ausnahme findet sich in der Synoikie zwischen Orchomenos und Euaimon (StV II 297 = HGIÜ II 287), die wohl in das 2. Viertel des 4. Jahrhunderts gehört und bei der Zeus Ares, Athena Area und Inyalios Ares angerufen wurden. Allerdings gelten für Vertragseide bei Synoikismen und Sympolitien spezifische ‚Regeln‘, die häufig mehr denen von Bürgereiden als denen von zwischenstaatlichen Vertragseiden gleichen. S. dazu ausführlich Kap. IV.2.3.2. 223 Vgl. Schol. Aischin. Tim. 114 und Poll. VIII 122. Die für Athen besonders günstige Quellenlage erlaubt es, sogar den regelmäßigen Ort der Vereidigung athenischer Amtsträger zu identi-
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IV. Empirischer Teil. ‚Gleiche‘ und ‚ungleiche‘ Eide
ihrem Schwur durchaus den delischen Apollon im Sinne haben.224 Es hat den Anschein, als hätte man ganz bewusst den Spielraum genutzt, der sich aus der einerseits überregional-panhellenischen, andererseits dezidiert lokalen Verankerung der griechischen Götter ergab. Die Athener konnten auf diese Weise demonstrativ ihre eigenen Schwurgottheiten in andere Poleis implementieren, ohne ihren Bündnern dabei allzu sehr das Gefühl einer Fremdherrschaft zu vermitteln. Die Demonstration eigener Stärke kommt dagegen vielleicht in der Wahl der dritten Gottheit, die in der attischen Eidesformel als Demeter von Eleusis zu interpretieren sein dürfte, zum Ausdruck: Die überragende Bedeutung ihrer eleusinischen Kultstätte für die gesamte griechische Welt steht außer Frage und stellt zugleich den Grund dafür dar, dass das attische Element dieser Schwurgötterformel in ihrem Namen eine besonders feste Verankerung gefunden haben dürfte. Zwar war es grundsätzlich selbstverständlich auch möglich, mit ihrer Anrufung an lokale Traditionen anzuknüpfen, in den hier untersuchten Fällen lässt sich eine solche Lokaltradition allerdings nicht nachweisen, weshalb Demeter primär eine attische Gottheit symbolisiert haben dürfte, auf die nun die Beamten der Bündner vereidigt wurden. Das Auftauchen Demeters in der invocatio der drei o. g. Vertragseide stellt zudem ein weiteres Argument gegen eine gemeinsame Seebundformel dar – jene ist vielmehr eine Art sekundäres Produkt, das aus der athenischen Schwurgötterformel entstanden ist und den Bündnern von den Athenern aufoktroyiert wurde. Dass Demeter dabei als dritte und letzte Eidgottheit angerufen wurde, war durchaus dazu geeignet, ihre Symbolfunktion als athenische Gottheit ein wenig abzumildern. Insgesamt zeigt sich bei der Übertragung der drei Eidgottheiten auf die Bündner ein deutliches Spannungsgefüge zwischen demonstrierter Stärke der Athener und ausdrücklichen Integrationsangeboten an ihre Symmachoi. Die Implementierung attischer Schwurgötter in das Formular fremder Beamteneide stellt ja in gewisser Weise ein Paradox dar; waren es doch eigentlich die Athener, die ein besonderes Interesse an der Haltbarkeit der Eide und somit an der Auswahl der für ihre Bündnispartner ‚richtigen‘ Schwurgottheiten haben mussten. Da nun aber nicht a priori davon auszugehen ist, dass gerade die wichtigsten in Athen üblichen Schwurgötter fizieren: So befand sich ein sog. ‚Eidstein‘ auf der Agora, direkt vor der Stoa Basileios, wie Poll. VIII 86 bezeugt (s. auch Plut. Solon 25,2). Er lässt sich als ein unbearbeiteter, 2,95 × 0,95 m messender Stein, der aus dem 6. Jahrhundert stammt, auch archäologisch nachweisen (vgl. Travlos [1971], 527, Coulton [1976], 219 und Camp [1986], 53–57). Die räumliche Nähe zu dem Tempel des Apollon Patroos stützt die aus den literarischen Quellen (Schol. Aischin. Tim. 114, Poll. VIII 122) gewonnene Vermutung, dass Apollon in Athen gerade unter diesem Epitheton in Eiden angerufen wurde – insbesondere, da auch die beiden anderen athenischen Schwurgottheiten durch die Zeusstoa und die Panathenäenstraße den Eidstein gleichsam rahmten. 224 Dasselbe gilt mutatis mutandis für die Rolle des Göttervaters: Während die Athener Zeus als Schwurgott nach dem Ausweis einer literarischen Quelle unter dem Epitheton Basileus anriefen (Poll. VIII 122), spricht viel dafür, dass er andernorts schlicht als Horkios verstanden wurde. In diese Richtung deutet schon seine kanonische Stellung als erster Gott fast jeder griechischen Schwurgötterliste – Ausnahmen finden sich nur auf Kreta, wo Hestia an erster Stelle angerufen wurde, und in den wenigen Fällen, bei denen Zeus unter den Schwurgöttern gar nicht auftaucht.
IV.1.4. Attische Vertragseide aus der Zeit der beiden Seebünde
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die Einhaltung der Eide in Kolophon, Erythrai und Korkyra besonders zuverlässig gewährleisten konnten, bleibt die Frage nach dem Sinn des athenischen Vorgehens. Offenbar befanden sich die Athener in einer Situation, in der ihnen die symbolische Bedeutung des Aktes der Aufoktroyierung der eigenen Götter und deren integrationsstiftende Folgen mehr wert waren als eine in religiöser Hinsicht prima facie verlässlichere Absicherung der Eide. Die Eidgötter werden zu einer Art symbolischen Kapitals der Athener, das sich in demonstrativer Weise zur Durchsetzung der eigenen Herrschaftsansprüche nutzbar machen lässt und hinter dessen Einsatz zugleich ein Bestreben nach Angleichung der Verhältnisse in den Bündnerpoleis an die athenischen Regelungen zu greifen ist. Eine Parallele hierzu lässt sich in dem berühmten attischen Münzdekret aus dem Jahre 425 ausmachen.225 Auch hier besteht das Kernanliegen der Athener darin, die Verhältnisse innerhalb des Seebundes zu vereinheitlichen – in diesem Fall die Prägung von Münzen sowie die Verwendung von Maßen und Gewichten. Als Instrument der Absicherung fungiert auch hier ein Eid, nämlich ein Zusatz zum athenischen Ratseid.226 Daneben gab es aber zugleich Verträge, bei denen der demonstrative Aspekt einer Schwurgötterliste keine Rolle spielte. Als Beispiel hierfür lässt sich ein Vertrag der Athener mit der delphischen Amphiktyonie, der in das Jahr 458/ 57 zu datieren ist, anführen.227 In diesem Zeugnis ist zu erkennen, dass die Athener in ihrem Eid die Schwurgottheiten der Amphiktyonie – Apollon, Leto und Artemis – übernahmen.228 Der Grund für diese Ausnahme dürfte zum einen in dem besonderen reli225 Dieser attische Volksbeschluss, der auch in den Bündnerpoleis aufgestellt wurde, ist in sieben Fragmenten unterschiedlicher Herkunft – zwei stammen aus Syme, je eines aus Aphytis, Kos, Siphnos, Smyrna und Odessa – erhalten (IG I³ 1453 f.; ein aus den einzelnen Fragmenten erstellter „composite text“ bei ML 45 [= HGIÜ I 68]). Zu der inzwischen nicht mehr umstrittenen Spätdatierung vgl. Mattingly (1996), 448, 477–486, (1999), 120–122 und Rhodes (2008b), 501; die alte Datierung (450–446) noch in ML 45. S. zu dem Dekret auch McGregor (1987), 76 f. 226 Vgl. IG I³ 1453E-G, 1454, daraus ML 45 § 12 (= HGIÜ I 68): προσγράψαι δὲ πρὸς τὸν ὅρκον [τ]ὸν τῆς βουλῆς τὸν γραμματέα τὸν τῆς [βουλῆς εἰς τὸ λοιπὸν τα]δί· ἐάν τις κόπτηι νόμισ[μα] ἀργυρίου ἐν ταῖς πό[λεσι κ]αὶ μὴ χρῆται νομ[ίσμασιν τοῖς Ἀθηνα]ίων ἢ σταθμοῖς̣ ἢ μέτ[ροις, ἀλλὰ ξενικοῖς νομίσμασι]ν καὶ μέτροις καὶ σταθμοῖς, [τιμωρήσομαι κα]ὶ ζ[ημιώσω κατὰ τὸ πρότε]ρον ψήφισμα ὃ Κλέαρχος εἶπεν· – „Hinzufügen soll dem Eid des Rates der Schriftführer des Rats für künftig folgenden Wortlaut: ‚Wenn jemand Silbermünzen schlägt in den Städten oder nicht Münzen, Gewichte und Maße der Athener verwendet, sondern fremde Münzen, Maße und Gewichte, so werde ich (dies) ahnden und bestrafen gemäß dem früher ergangenen Beschluss, den Klearchos beantragt hat.‘“ Vgl. dazu Meiggs – Lewis (1969), 114. 227 StV II 142 (= HGIÜ I 57). Zur Datierung vgl. Rhodes (2008b), 501. 228 Zwar ist Leto in der Inschrift ergänzt, die Ergänzung kann allerdings aufgrund der Nennung der anderen beiden Gottheiten der apollinischen Trias als gesichert gelten. Vgl. die Trilingue von Xanthos (Metzger u. a. [1979], Z. 34), den Pachtvertrag zwischen Eretria und Chairephanes (IG XII 9, 191 A, Z. 48: ὀμνύω τὸ[ν Ἀ]πόλλωνα καὶ τὴν Λητοῦν καὶ [τὴν Ἄρτεμιν]; 54: ἐπομνυόντων δὲ τὸν Ἀπόλλω[να καὶ τὴν Λητοῦν καὶ τὴν Ἄρτεμιν]) und das Amphiktyonengesetz Syll.3 145, Z. 7 f.: [ποὶ] / τ[ο̑] Ἀπόλλωνος τοῦ Π[υ]θίου καὶ τὰς Λατο̑ς καὶ Ἀρτά̣[μιτος], Z. 11 f. Die drei Gottheiten tauchen jetzt nach der Ergänzung des Ersteditors Knoepfler (1995), 362–364 (= SEG XLV 1218) auch in einem zwischen Athenern und Eretriern geschlossenen Vertrag auf, der in die Jahre 377–341 datiert. Allerdings sind die Gotthei-
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giösen und politischen Renommee der delphischen Institution und zum anderen in der Tatsache zu sehen sein, dass die Athener ja Mitglied der Amphiktyonie waren und es sich bei dem Bündnis mithin nicht um einen bilateralen Vertrag zweier autonomer Völkerrechtssubjekte handelte, sondern um ein innerhalb eines polisübergreifenden Zusammenschlusses getroffenes Abkommen.229 Neben den Schwurgöttern stellen die Opfertiere das zweite Element der religiösen Absicherung eines Staatsvertrags dar, das idealtypisch in einem Eidestext erwähnt wurde. Allerdings ist ihr Auftreten in Verträgen keineswegs die Regel, die genaue Vorschrift, welche Tiere zu verwenden sind, sogar die Ausnahme, die sich ausschließlich in Bürger- und Sympolitieeiden findet.230 Auch in athenischen Vertragseiden aus der Seebundzeit wird die Gattung der zu verwendenden Opfertiere nirgends genau spezifiziert, allerdings lässt sich sowohl die Vorschrift, den Schwur „unter Verbrennung von Opfertieren“ (κατὰ hιερõν καιομένον)231 zu leisten, ausmachen als auch die Anordnung, den Eid „über ausgewachsenen Opfertieren“ (κατὰ ἱερῶν τελείων)232 abzulegen. Die Opfertiere wurden damit, wenn auch in unspezifischer Form, zum Gegenstand des Vertrages. Die athenischen Eide aus der Seebundzeit räumen somit der religiösen Absicherung der Verträge eine vergleichsweise hohe Bedeutung ein, die nur noch durch das Regelungsbedürfnis, wie es sich in Bürgereiden äußert, übertroffen wird. IV.1.4.2. Eid und Herrschaft. Die ‚ungleichen Eide‘ aus der Zeit des Ersten Seebunds als politisches Herrschaftsinstrument der Athener Die gerade angedeutete strukturelle Ähnlichkeit der Seebundeide mit den seit dem 4. Jahrhundert epigraphisch fassbaren Bürgereiden wird noch deutlicher in der Verwendung einer Formel, die in besonderem Maße die politische Absicherung und ten hier tatsächlich fast vollständig nach dem Chairephanes-Vertrag ergänzt (Z. 10 f.): ἐ[πομνύναι δὲ τὸν Ἀπόλλω/να καὶ τὴν Λητοῦν κ]αὶ τὴν Ἄ[ρτεμιν]. 229 Vergleichbar einem Vertrag einer Mitgliedsstadt mit einem Koinon, wie dies für den Beitritt von Orchomenos zum Achaierbund greifbar ist, bei dem die Schwurgottheiten des Bundes Zeus Hamarios, Athana Hamaria, Aphrodite und alle Götter angerufen werden (StV III 499, Z. 8 = HGIÜ III 414). 230 Vgl. Kap. IV.2.3.2. 231 So in dem bereits angesprochenen Treueeid der Ratsherren von Erythrai von 453/ 52 (StV II 134 [= HGIÜ I 63]), vgl. dazu aber auch Berti (2006), 195. Die Opfertiere zumindest zu erwähnen, entsprach in Erythrai offenbar dem epigraphic habit, wie StV II 322 (Vertrag der Erythraier mit dem Tyrannen Hermias von Atarneus) nahelegt, der ἱεροῖς τελείοι[ς] (Z. 22) geleistet werden soll, wobei „die Polis“ (Erythrai) die Opfertiere, die allerdings nicht näher spezifiziert werden, bereitstellen soll. 232 Thuk. V 47,8 (Friedensvertrag [σπονδαί] der Athener und ihrer Bündner mit den Argeiern, Mantineer, Eleern und deren Symmachoi aus dem Jahre 420); zur Deutung der ἱερὰ τέλεια als ‚ausgewachsene‘ Opfertiere vgl. Hdt. I 183, der sie τοῖς γαλαθηνοῖς gegenüberstellt. Die Erwähnung von Opfertieren ([h]ι̣ερά) findet sich auch in dem athenischen Vertrag mit den Egestaiern IG I3 11, Z. 7 = HGIÜ I 58 (StV II 139 hat überholte Lesungen), der seit Chambers – Gallucci – Spanos (1990) und der gesicherten Lesung des Archontennamens Antiphon ohne Zweifel in das 418/ 17 zu setzen ist, wie zuvor von Harold B. Mattingly des Öfteren nachdrücklich vermutet.
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Perpetuierung eines Herrschaftsverhältnisses betrifft. Dabei handelt es sich um eine im Folgenden als ‚Denunziationsformel‘233 zu bezeichnende Klausel, die in den beiden attischen Volksbeschlüssen über die Regelung der Verhältnisse in den euboiischen Poleis Chalkis und Eretria Verwendung findet.234 Dort müssen die Politen jeweils schwören: οὐκ ἀπο[σ]τέσομαι ἀπὸ το̑ [δ]έμο το̑ Ἀθεναίον οὔτε τέ[χ]νει οὔτε μεχανε̑ι οὐδεμιᾶι οὐδ’ ἔπει οὐδὲ ἔργοι οὐδὲ το̑ι ἀφισταμένοι πείσομαι, καὶ ἐὰν ἀφιστε̑ι τις κατερο̑ Ἀθεναίοισι, (…). Nicht abfallen werde ich vom Volk der Athener, mit keinen Mitteln und keinerlei Machenschaft noch mit irgendeiner List, weder in Wort noch in Tat, und werde dem, der abfällt, nicht Folge leisten, und wenn jemand auf Abfall hinarbeitet, werde ich (ihn) anzeigen den Athenern.235
Eine derartige Formel, welche die Schwörenden – in diesem Fall die Eretrier und Chalkidier – dezidiert auf die Denunziation ihrer Mitbürger verpflichtet, findet sich ansonsten nur in Bürgereiden.236 Dies stellt einen deutlichen Hinweis darauf dar, wie die Rolle der Bürger der Bündnerpoleis von den Athenern eingeschätzt wurde: Sie sollten sich gegenüber dem athenischen Gemeinwesen so loyal verhalten wie ein athenischer Bürger, ohne dass ihnen deshalb dieselben Rechte zuerkannt worden wären. Zugleich kann es nicht verwundern, dass diese Klausel hier zum ersten Mal gerade von den Athenern angewandt wird, handelt es sich doch bei ihrer Stadt um eine Polis, in der das Sykophantenwesen nach Ausweis der Alten Komödie und der attischen Rhetorik wie in keiner anderen blühte.237 Zugespitzt formuliert, stellt die Klausel nichts anderes als eine Vereidigung auf das Sykophantentum dar. Zugleich fällt in der oben zitierten Passage das ausdrückliche Bemühen auf, alle denkbaren Schlupflöcher, die sich potenziellen Eidbrechern bieten konnten, von vorneherein zu schließen. Die zu diesem Zweck verwendeten „anti-deceit clauses“238 sind bisher am überzeugendsten von Francesca Gazzano untersucht worden, die mit Recht darauf hingewiesen hat, dass jene Klauseln immer dann gehäuft auftreten, wenn die Ungleichheit der Vertragspartner oder ihr gegenseitiges 233 Den Begriff „Denunziation“ bezieht auf diese Klauseln auch Baltrusch (1994), 62. 234 Beide ‚Verträge‘ wurden traditionell in das 446/ 45 datiert (vgl. zu diesem Datum als Konsens der Forschung Ostwald [2002], 136, s. auch Rhodes [2008b], 502). Mattingly (1996), 161 f., 391–394 und (2002) favorisiert dagegen das Jahr 424/ 23; vgl. auch Papazarkadas (2009), 73. 235 StV II 155 (= HGIÜ I 79), Z. 21–25 (Chalkis); StV II 154 (= HGIÜ I 78), Z. 7–11 (Eretria) ist größtenteils nach dem Volksbeschluss über Chalkis ergänzt. Der Fettdruck der ‚Denunziationsklausel‘ stammt vom Verfasser. 236 Diese Parallele ist in der Forschung bisher nirgends gesehen worden. Die Bedeutung der Formel wird von Meiggs – Lewis (1969), 141 und Balcer (1978), 48 zwar registriert, beide Untersuchungen belassen es aber dabei, diese nur kurz festzustellen. 237 Zum Sykophantenwesen in Athen s. die gegensätzlichen Standpunkte von Osborne (1990) und Harvey (1990), vgl. auch Christ (1992). Zum Sykophantenwesen als Hintergrund eines von Curbera – Jordan (2008) neu edierten Fluchtäfelchens jetzt Humphreys (2010). 238 Vgl. Z. 22–24: οὔτε τέχνει οὔτε μεχανε̑ι οὐδεμιᾶι οὐδ ἔπει οὐδὲ ἔργοι.
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Misstrauen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses besonders groß sind.239 Im Falle der Seebundeide war es die rechtliche Ungleichstellung der Vertragspartner, die eine gehäufte Verwendung dieser Klauseln notwendig machte; die Formeln sind daher ein deutliches Indiz für Akzeptanzprobleme der attischen arche bei den Bündnern, die sich bereits seit dem Ende der 470er Jahre in zahlreichen lokalen Erhebungen gegen die attische Herrschaft manifestierten.240 Alle erdenkbaren Fälle von Eidbruch mussten daher gerade wegen der fehlenden Akzeptanz der attischen Herrschaft antizipatorisch ausgeschlossen werden. Ein dritter Aspekt des attischen Psephismas über die Regelungen für Chalkis zeigt eine weitere Übereinstimmung mit dem typischen Formular von Bürgereiden: Es wird explizit unter Angabe des Mindestalters der Schwörenden vorgeschrieben, dass alle Chalkidier den Eid leisten sollen.241 Signifikant ist vor allem der Unterschied zum Schwur des athenischen Vertragspartners: Zwar ist für beide Seiten festgelegt, dass die Eidesleister nach Ablegen ihres Schwures namentlich festgehalten werden sollen, allerdings müssen von den Athenern nur die Bouleuten und Richter den Eid leisten – eine deutliche Ungleichbehandlung beider Seiten.242 Der athenische Herrschaftsanspruch über Chalkis – und im Falle Eretrias ist von denselben Maßnahmen auszugehen243 – manifestierte sich in einem demonstrativ geringeren Aufwand, den die Athener für die Sicherung ihres eigenen Eides betrieben. Den Chalkidiern wurden dagegen drastische Sicherungsmaßnahmen diktiert, wie auch zwei säkulare Sanktionen verdeutlichen, die sich nur in ihrem Eid finden und in denen festgelegt wird, dass derjenige Chalkidier, der den Eid nicht ablegt, mit Atimie und Vermögensentzug bestraft werden soll.244 Die Frage, wer einen Schwur ablegen sollte, stellte im zwischenstaatlichen Verkehr des antiken Griechenland keine Marginalie dar, sondern konnte zu ernsthaf239 Vgl. Gazzano (2005); s. auch Anm. 99. 240 Die ersten Poleis, die sich offen gegen die athenische Herrschaft empörten, waren die Inseln Naxos (Thuk. I 98,4) und Thasos (Thuk. I 100,2–101,1). Vgl. dazu etwa Meiggs (1972), 70, Schuller (1974), 133–135, Rhodes (21993), 22, Baltrusch (1994), 59 f. und (2008), 50 f. 241 Z. 32 f.: ὀμόσαι δὲ Χαλκιδέον τὸς hεβο̑ντ/ας hάπαντας· „Schwören sollen von den Chalkidiern die Erwachsenen allesamt.“ Vgl. auch Mosley (1961), 60 und Balcer (1978), 49. 242 Z. 3 f.: τὸν hόρκον ὀμόσαι Ἀθεναίον τ/ὲν βολὲν καὶ τὸς δικαστάς. 243 Dass man für Eretria die gleichen Regelungen anzunehmen hat, liegt nicht nur aufgrund der chronologischen und geographischen Nähe der beiden Verträge bzw. Vertragspartner der Athener nahe, sondern zeigt sich auch in der ganz deulichen Bezugnahme auf das Psephisma über die Eretrier in Z. 41–43 des Vertrags mit den Chalkidiern: ποε̑σθαι τὸν hόρκον Ἀθεναίος καὶ Χαλ/κιδέας, καθάπερ Ἐρετριεῦσι ἐφσεφίσατ/ο hο δε̑μος hο Ἀθεναίον· – „Leisten sollen den Eid die Athener und Chalkidier in der Weise, wie in dem Beschluss für die Eretrieer geregelt hat das Volk der Athener.“ Dazu Balcer (1978), 51–54. 244 Vgl. dieselben Sanktionen (plus Vogelfreiheit) in der Amnestie der Dikaiopoliten (SEG LVII 576, Z. 18–27). Dass sich säkulare und religiöse Sanktion hier nicht dichotomisch voneinander scheiden lassen, zeigt sich an der Tatsache, dass ein Zehntel des eingezogenen Vermögens eines Schwurverweigerers an den chalkidischen Zeus Olympios gehen soll; vgl. Z. 33–36: hὸς δ’ ἂμ μὲ ὀμόσει, ἄτιμον αὐτ/ὸν ἐ̑ναι καὶ τὰ χρέματα αὐτο̑ δεμόσια καὶ / το̑ Διὸς το̑ Ὀλυμπίο τὸ ἐπιδέκατον hιερὸ/ν ἔστο το̑ν χρεμάτον. – „Wer nicht schwört, soll der Atimie verfallen; sein Vermögen soll eingezogen und dem Zeus Olympios der zehnte Teil geweiht sein von dem Vermögen.“ Vgl. auch Balcer (1978), 49.
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ten diplomatischen Verwerfungen führen. Das lag daran, dass die Eidesleistung als Ausweis staatlicher Souveränität galt; konnte doch einen Vertrag grundsätzlich nur schließen, wer außenpolitisch autonom war.245 Dieser Aspekt zeigt sich deutlich in den Klauseln des 100jährigen Friedensvertrages zwischen den Athenern und ihren Bundesgenossen auf der einen und den Argeiern, Mantineern, Eleern und deren Verbündeten auf der anderen Seite, wie ihn Thukydides für den Sommer des Jahres 420 berichtet: Während ihre Vertragspartner den Eid κατὰ πόλεις leisten, schwören die Athener ausdrücklich für sich und ihre Bundesgenossen.246 Die Eidesleistung wird damit zu einem demonstrativen Akt, der – anders als noch die Übertragung der Schwurgötterformel auf die Bündner – jeglicher diplomatischer Zurückhaltung entbehrt und den Herrschaftsanspruch der Athener über ihre Symmachoi ostentativ zur Geltung bringt: Dadurch dass die Bündner nicht mehr selbst schwören dürfen, wird nach außen hin deutlich, dass sie ihre wichtigste außenpolitische Kompetenz, die Entscheidung über Krieg und Frieden, an den Hegemon abgetreten und in dessen Belieben gestellt haben.247 Dass ein solches Verhalten des Hegemons von den Verbündeten, aber auch den anderen Großmächten nicht immer einfach klaglos akzeptiert wurde, machen die diplomatischen Irritationen deutlich, die im 4. Jahrhundert immer wieder über den thebanischen Anspruch entstanden, einen Eid bei einer koine eirene für alle Boioter zu leisten. Hierüber legen Xenophons Hellenika wiederholt Zeugnis ab.248 Die Athener hingegen hatten zu dieser Zeit aus den ständigen Abfallbewegungen im Ersten Seebund gelernt und ließen ihre Bündner im Zweiten Seebund κατὰ πόλεις schwören.249 245 Die Eidesleistung ist zudem der entscheidende Akt der Beurkundung eines antiken Vertrags und darin der modernen Unterschrift vergleichbar, worauf ausdrücklich Mosley (1961), bes. 59 f. hingewiesen hat. S. schon Heuss (1934), 16, 20, 29–31 und Chaniotis (1996a), 66 f. 246 Thuk. V 47,8; vgl. auch StV II 193, Z. 26–28, wo allerdings das meiste nach der ThukydidesStelle ergänzt ist: [ὀμ]όσαι δ/[ὲ τὰς σπονδὰς Ἀθεναίος μὲν hυπέρ τε σφο̑ν αὐτο̑ν καὶ το̑ν χσυμμάχον, Ἀργεῖοι δὲ καὶ Μαντινε̑ς καὶ Ἐ/λεῖοι καὶ hοι χσύμμαχοι τούτον κατὰ πόλες ὀμνύντον.]. Dass die Fragmente dieser Inschrift nicht immer wörtlich mit dem ThukydidesText übereinstimmen, spricht nicht, wie früher von Kirchhoff (1877) und anderen angenommen, für eine allgemeine Verschlechterung der Thukydides-Überlieferung, sondern hat seinen Grund schlicht darin, dass antike Historiker „einen anderen Begriff der Urkundlichkeit“ (Bengtson [21975], 129) hatten und wörtliche Genauigkeit beim Zitieren für sie eben noch kein zwingendes Gebot darstellte (s. zu diesem Aspekt bes. Klaffenbach [1960], 34 f.). 247 Sommerstein – Bayliss (2013), 234–236 können diese Eide daher auch nur deshalb unter der Rubrik „Oaths between multiple equals“ führen, weil sie zwischen dem Schwurverhalten der Athener einerseits und ihrer Vertragspartner andererseits keinen Unterschied sehen (vgl. aber die in der vorigen Anm. zitierte Quellenpassage). 248 Vgl. Xen. Hell. V 1,32 (καὶ οἱ μὲν ἄλλοι ἅπαντες ὤμνυσαν ἐμπεδώσειν ταῦτα, οἱ δὲ Θηβαῖοι ἠξίουν ὑπὲρ πάντων Βοιωτῶν ὀμνύναι. – „Und alle beschworen, diese Bedingungen unverbrüchlich zu halten, nur die Thebaner beanspruchten, im Namen aller Boioter zu schwören.“), VI 3,19; VII 1,39 f. Ähnlich verhielten sich, wie im vorhergehenden Kapitel gezeigt werden konnte, auch die Eleer in Bezug auf die von ihnen abhängigen Marganeer, Skilluntier und Triphylier (vgl. Xen. Hell. VI 5,2 f.). 249 Vgl. etwa Xen. Hell. VI 3,18: ἐπὶ τούτοις ὤμοσαν Λακεδαιμόνιοι μὲν ὑπὲρ αὑτῶν καὶ τῶν συμμάχων, Ἀθηναῖοι δὲ καὶ οἱ σύμμαχοι κατὰ πόλεις ἕκαστοι. – Man beachte den Unterschied zum Schwurverhalten der Spartaner und ihrer Bundesgenossen.
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IV.1.4.3. Der Vertrag mit den Korkyraiern – ein Paradigma für die Verträge aus der Zeit des Zweiten Seebundes? Einen Vertragseid, der vielleicht nicht in jeder Hinsicht charakteristisch für die Eide aus der Zeit des Zweiten Seebundes ist, an dem sich aber gleichwohl die Integration einer Polis in eine Hegemonialsymmachie in idealtypischer Weise verdeutlichen lässt, beinhaltet die Symmachie der Athener mit den Korkyraiern aus dem Jahre 375.250 Dass die Korkyraier im Vertrag vor den Athenern genannt sind,251 dürfte durchaus eine, den Bereich der symbolischen Kommunikation betreffende, Lehre der Athener aus ihrem Ersten Seebund darstellen.252 Der Vertrag zeichnet sich vor anderen durch den allumfassenden Charakter seiner religiösen Absicherung aus. Erstens war er wie andere Staatsverträge auch im zentralen Polisheiligtum auf der Akropolis aufgestellt;253 zudem ist von der Existenz eines zweiten Exemplars 250 StV II 263 (= HGIÜ II 220), vgl. zu der Inschrift Tod (1948), 87 f., Tuplin (1984), 553–561 und Fauber (1998), 111–115. Die Forschung hat sich dabei bisher an der Frage abgearbeitet, in welchem chronologischen und inhaltlichen Verhältnis die genannte Inschrift zu dem athenischen Volksbeschluss StV II 262 (= HGIÜ II 219) über ein Bündnis mit Korkyraiern, Akarnanen und Kephalleniern und besonders zu dem berühmten Psephisma des Aristoteles (StV II 257 = HGIÜ II 215) steht, in dem Korkyra, wie Coleman – Bradeen (1967) gezeigt haben, nicht auftaucht. Gegen Cargill (1981), 68 f., Tuplin (1984), 553–561 und andere gibt Fauber (1998), 111–116 die einfachste und damit plausibelste Lösung: Mit den Korkyraiern, die in StV 257 noch nicht Gründungsmitglied des Zweiten Seebundes sind, wird in StV II 262 im Rahmen einer multilateralen Vereinbarung ein Bündnis beschlossen, dessen Ratifizierung die hier zu interpretierende Inschrift StV II 263 darstellt, durch welche sie Mitglied des Seebundes werden. 251 StV II 263, Z. 1: Συμμαχία Κορκυραίων καὶ Ἀθηναίων. 252 Zumindest ist auffällig, dass die Nennung des fremden Vertragspartners vor den Athenern im ersten Viertel des 4. Jahrhunderts besonders häufig ist (vgl. StV II 223, Z. 2 [Symmachie mit den Boiotern von 395]; II 229, Z. 1 f. [Symmachie mit den Eretriern von 394]; ev. II 250, Z. 2 f. [Symmachie mit den westlichen Thrakern von 383?]; II 259, Z. 19 f. [Symmachie mit den euboiischen Chalkidiern von 377]); anders wieder in den 360 und 350er Jahren (vgl. StV II 290, Z. 2 f. [Symmachie mit Arkadern, Achaiern, Eleern und Phleiasiern von 362/ 61]; II 293, Z. 3 f. [Symmachie mit den Thessalern von 361/0]; II 309, Z. 2–4 [Symmachie mit thrakischen, paionischen und illyrischen Dynasten von 356]). So auch Knoepfler (1995), 314. 253 Die erhaltene Inschrift wurde zwischen dem Dionysostheater und dem Odeion des Herodes Atticus zu Füßen der Akropolis gefunden. Dabei handelt es sich allerdings nicht um den originalen Aufstellungsort in klassischer Zeit: Man geht davon aus, dass die zahlreichen am Südabhang der Akropolis gefundenen Staatsdekrete zu einem nicht bestimmbaren Zeitpunkt zwischen Aufstellung und moderner Auffindung von der Akropolis stürzten oder absichtlich gestoßen wurden. Diese Vermutung wird durch die detaillierte Untersuchung von Liddel (2003), bes. 84 f. gestützt: Dieser konnte zeigen, dass zwischen 394 und 378 96,6 % aller offiziellen Dekrete der Polis Athen, die eine Publikationsformel aufweisen – und zwischen 377 und 353 sogar 100 % – im zentralen Polisheiligtum auf der Akropolis aufgestellt wurden. Die Urkundenstelen dienten mithin repräsentativen Zwecken, aber eben auch einer religiösen Absicherung des Vertrags. Osborne (1999), 346 f. spricht von einem „appeal for divine protection“; Hölkeskamp (1992) und (2000), bes. 88–95, der für das 5. und 4. Jahrhundert eine Entwicklung weg von ‚religiösen Aufstellungsorten‘ beobachten will, kann nicht gefolgt werden, wie das bei Liddel (2003), 85–93, bes. 85 zusammengestellte Material verdeutlicht (eine sprunghafte Zunahme der Agora als Aufstellungsort lässt sich epigraphisch erst seit dem 3. Jahrhun-
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im Hauptheiligtum der Korkyraier auszugehen. Ob auch in einem Heiligtum von supralokaler Bedeutung wie einem der vier großen panhellenischen von Delphi, Olympia, Isthmia und Nemea254 eine Kopie aufgestellt wurde, kann nicht mit Sicherheit entschieden werden. Sicher ist aber, dass der Vertrag damit gleichsam unter den Schutz der Götter gestellt werden sollte. Was diesen Vertrag nun aber vor anderen hervorhebt, ist die Tatsache, dass sowohl das Urkundenrelief über dem Vertragstext als auch die Namen der Schwurgottheiten gut überliefert sind. Die Sitte, über öffentlichen Urkunden ein Relief anzubringen, lässt sich in Athen vom 5.–4. Jahrhundert nachweisen und ist somit älter als das 4. Jahrhundert.255 Bei Staatsverträgen sind zumeist die Hauptgottheiten oder eponymen Heroen der beteiligten Poleis abgebildet.256 Athen wird dabei immer durch die Göttin Athene repräsentiert,257 während der Vertragspartner durch eine gleich große und im Rang ebenbürtige Figur – etwa Hera für Samos (Taf. 1) – oder aber durch einen untergeordneten und in der Ikonographie oft kleineren Partner wie den eponymen Heroen Kios (Taf. 2) dargestellt wird. Dabei findet häufig das Motiv der Dexiosis Verwendung. Das Relief zu dem Vertrag zwischen Athen und Korkyra (Taf. 3) stellt vor einer sitzenden bärtigen Figur in der Mitte des Bildes eine Peplophore und rechts Athene dar. Die Identifikation des Sitzenden und der Peplophore waren in der Forschung aufgrund des Fehlens einer Beischrift und eindeutiger Attribute lange umstritten.258 Jüngst hat allerdings Stefan Ritter u. a. durch einen Vergleich mit korkyraiischen Münzdarstellungen überzeugende Argumente für eine dert fassen). Vgl. ferner Detienne (1988), Lewis (1996), 131 f., Richardson (2000) und Bodel (2001), 9, 23 f. 254 Zum Prozess der ‚Kanonisierung‘ der vier panhellenischen Heiligtümer vgl. Funke (2005), der darauf hinweist, dass Nemea erst später dazugekommen zu sein scheint, wie u. a. die bei Thuk. V 18,10 überlieferte Publikationsformel des Nikiasfriedens lehrt. Es ist zudem zu beachten, dass der Wirkungskreis eines Heiligtums differieren konnte, je nachdem, welche seiner Funktionen man hauptsächlich betrachtet: Als Wettkampfstätte war Olympia mit Sicherheit ein panhellenisches Heiligtum, als Orakelheiligtum stand es deutlich hinter anderen wie Delphi, aber auch Dodona oder Abai, zurück (vgl. die Liste der bedeutenden griechischen Orakelstätten bei Hdt. I 46, in der Olympia nicht auftaucht). Vgl. zu der Möglichkeit sich „überlappende(r) Einflussbereiche und Wirkungskreise“ griechischer Heiligtümer und der Notwendigkeit, in dieser Hinsicht zu differenzieren, Funke (2009), 294 f. 255 Zu den Gründen für das plötzliche Abbrechen dieser nicht nur archäologisch so bedeutsamen Quellengattung – zu nennen ist insbesondere das Grabluxusgesetz des Demetrios von Phaleron – vgl. Meyer (1989), 258–262 und Lawton (1995), 19–22. 256 Das Material ist zusammengestellt bei Binneboessel (1932), Meyer (1989), 263–322, Taf. 1–56 und Lawton (1995), 81–157, Taf. 1–96. Die überzeugendste Interpretation, auf der auch die hier vorgestellten Schlussfolgerungen beruhen, findet sich dagegen in einem instruktiven Aufsatz von Ritter (2001), der dezidiert eine außerattische Perspektive einzunehmen versucht und nach der Bedeutung etwa von Größen- und Rangunterschieden der auf dem Relief dargestellten Gottheiten fragt. 257 Vgl. zur Ikonographie und Bedeutung Athenes im klassischen Athen grundlegend KasperButz (1990). 258 Vgl. Peschlow-Bindokat (1972), 143 (Zeus und Korkyra), Meyer (1989), 280 (Demos und Korkyra), Kasper-Butz (1990), 53 f. (Demos und Hera?), Lawton (1995), 126 f. (Zeus und Hera) und Ritter (2001), 142 m. Anm. 59–61 (Zeus und Hera).
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Identifikation der Figuren als Zeus und Hera angeführt.259 Zeus kommt nach dieser Interpretation die Rolle einer gleichsam „überparteiliche(n) Instanz“260 zu, wie dies auch für andere Urkundenreliefs bezeugt ist, was in gewisser Weise seiner Nennung als erstem unter den Schwurgöttern entspricht. In ihrer Gesamtheit entsprechen die dargestellten Götter aber schon aufgrund der Tatsache, dass es sich um zwei weibliche und nur eine männliche Figur handelt, nicht den Schwurgottheiten dieses Vertrages, bei denen es sich um Zeus, Apollon und Demeter handelt.261 Grundsätzlich gilt somit, wie gerade dieser Vertrag lehrt, dass die Gottheiten auf dem Urkundenrelief eben nicht mit den Schwurgottheiten identisch sind: Athene als Hauptgottheit der Polis Athen taucht bis weit ins 4. Jahrhundert in keinem attischen Vertragseid auf, repräsentiert aber immer die athenische Seite in den Urkundenreliefs. Es steht nun zu fragen, ob die Darstellung von Gottheiten auf einem Urkundenrelief neben der bloßen symbolischen Repräsentation einer Polis noch einen weiteren Zweck erfüllte. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass diese Ikonographie nicht alternativlos war. So konnte der fremde Vertragspartner unter gewissen Umständen auch durch Tiere wiedergegeben werden.262 In solchen Fällen wurde allerdings auf die Darstellung der athenischen Seite ganz verzichtet. Auch wenn man von einer möglichen religiösen Absicherungsfunktion der dargestellten Gottheiten nicht schon a priori ausgehen sollte, so bleibt doch das Faktum, dass eine ganze Polis ikonographisch durch ein im Religiösen verwurzeltes Symbol, die Abbildung einer Gottheit, repräsentiert wird. Ein solcher Rückgriff auf ein religiös-kultisches Zeichen ist nicht selbstverständlich. Gerade die geläufige Dexiosis-Szene setzt nun das gute Einvernehmen der obersten Polisgottheiten der Vertragspartner symbolisch mit den friedlichen Beziehungen der Staaten untereinander gleich. In dieser Hinsicht von einer zusätzlichen religiösen Fundierung der getroffenen Vereinbarung zu sprechen, ist daher sicher nicht übertrieben. Das Beispiel des athenischen Vertrags mit den Korkyraiern zeigt vielmehr sogar, wie die Ikonographie der Urkundenreliefs für eine noch umfassendere religiöse Absicherung eines Vertrags sorgen konnte, indem man die Schwurgottheiten durch die zentralen Polisgottheiten 259 Vgl. Ritter (2001), 142 m. Anm. 59–61: Ein gemeinsames Auftreten von Demos und Hera wäre schon aus kompositorischen Gründen befremdlich. Für Hera spricht neben ihrem häufigen Erscheinen auf korkyraiischen Münzen die Existenz eines bekannten Hera-Kultes in Korkyra, was aufgrund des Fehlens einer Beischrift zu einem starken Argument wird – die Figur musste ja eindeutig zu identifizieren sein –, und vielleicht auch „der über das Haupt gezogene Mantel“ (ebd.) 260 Ebd. 261 Auf die Tatsache, dass Eidgottheiten in den Reliefbildern im Allgemeinen nicht dargestellt werden, weist en passant hin Peschlow-Bindokat (1972), 142 f. 262 So wurden bei athenischen Verträgen mit dem thrakischen Koinon oder thrakischen Dynasten Pferde oder Reiter abgebildet, um die thrakische Seite darzustellen, und auf die Darstellung der attischen Seite ganz verzichtet. Während Meyer (1989), 159, 254 f. dies schlicht mit der ‚Modetendenz‘ zu ‚erklären‘ versuchte, dass es im zweiten Drittel des 4. Jahrhunderts üblich geworden sei, die nicht-athenische Seite ikonographisch zu bevorzugen, liefert Ritter (2001), 135 die plausiblere Begründung, dass dies immer dann der Fall sei, wenn es nicht um griechische Poleis, sondern die Darstellung von Stammesstaaten oder deren Herrschern ging.
IV.1.4. Attische Vertragseide aus der Zeit der beiden Seebünde
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der beteiligten Vertragspartner ergänzte, also durch diejenigen Gottheiten, in deren Heiligtümern die Verträge nach der Publikationsformel aufgestellt werden sollten. Das Urkundenrelief als Sicherungsinstrument ist dabei keine neue Erfindung, sondern taucht schon im 5. Jahrhundert auf. Zum ersten Mal zu greifen ist hier aber die Verbindung mit der Aufzeichnung der Schwurgötterformel. Festzuhalten bleibt, dass der religiöse Kontext, in den ein griechischer Staatsvertrag eingebettet war, auch durch ein Urkundenrelief visuell evoziert werden konnte, wenn auch mit einer etwas anderen Akzentuierung. Neben dem Zusammenspiel von Urkundenrelief und Schwurgottheiten findet sich in dem Vertrag allerdings noch ein weiterer bemerkenswerter Aspekt: Die Eide sind auf der Inschriftenstele in besonderer Weise wörtlich zitiert. Diese ‚Wörtlichkeit‘ geht in der Hinsicht über andere Vertragseide hinaus, dass der Eidestext nicht nur wie sonst auch in der ersten Person Singular wiedergegeben wird,263 sondern dass der Schwur der Korkyraier sogar in deren eigenem, dorischen Dialekt angeführt ist – erkennbar am charakteristischen dorischen Alpha. So rufen die Korkyraier nicht wie die Athener τὴν Δήμητρα, sondern [τὰν Δά]ματ[ρα] an.264 Gerade die Tatsache, dass der Gebrauch des Dialekts bis in die Götteranrufung durchschlägt, zeigt das deutliche Bemühen, den geleisteten Eid in der Inschrift so genau wie möglich wiederzugeben. Eine inschriftliche Parallele findet sich erst spät in einem Vertrag zwischen Pharnakes I. von Pontos und den Chersonasiten.265 Von den literarischen Quellen ist auf Thukydides zu verweisen, der einen Vertrag zwischen Spartanern und Argeiern aus dem Winter des Jahres 418/ 17 im dorischen Dialekt zitiert.266 Die thukydideische Parallele geht allerdings nicht so weit, dass es sich wie bei der athenischen Inschrift über die Symmachie mit Korkyra um dialektal verschiedenes Schwören handelte; vielmehr hebt sich der ganze Vertrag von der thukydideischen Narratio ab und nicht nur der Eid vom restlichen Vertragstext. Die fingierte Wörtlichkeit im athenisch-korkyraiischen Bündnisvertrag scheint jedenfalls auf eine gewisse religiöse Scheu hinzuweisen: Offenbar schreckte man davor zurück, den Wortlaut des Eides bei seiner Verschriftlichung auch nur in Nuancen zu verändern. Es ist signifikant, dass eine solche, vielleicht in magischen Vorstellungen verwurzelte Scheu in Bezug auf die dialektale Aufzeichnung eines Vertragseides zum ersten Mal im 4. Jahrhundert vorkommt – erneut ein klarer Hinweis, der gegen das Postulat einer „Säkularisierung“267 im 5. Jahrhundert spricht. 263 Selten finden sich auch Beispiele für eine Schwurleistung in der ersten Person Plural. Vgl. etwa Chaniotis, Nr. 64, Z. 15–25, wo sich beide Numeri im Eid finden. 264 Z. 36. Auch wenn dies nicht ganz konsequent durchgehalten ist (vgl. Elmer [2012], 33, Anm. 23), wie die Verwendung der Formen [δ]ήμωι (Z. 27) und [γ]ῆν (Z. 29) verdeutlicht, zeigt sich der dorische Dialekt zudem an den Formen αἴ κά τις (Z. 28, statt ἐάν τις ἄν) und θάλασσαν (Z. 29); vgl. zudem ἐπαγ[γέ]λλω/[ντι] (Z. 30 f.), να[ί] (Z. 35), εὐορκ[έο]ν[τι] (Z. 36 f.) und das ergänzte Ἀπόλλωνα (Z. 36). Schon Buck (1913), 77 nannte dieses Phänomen in seinem immer noch maßgeblichen Aufsatz zum Gebrauch der griechischen Dialekte im zwischenstaatlichen Verkehr den „seltene(n) Anhauch eines sprachlichen Realismus“. 265 Hier ist der Eid der Chersonasiten im Gegensatz zum übrigen Dokument in dorischer Koine wiedergegeben, vgl. IOSPE I2 402, Z. 1–6 (= HGIÜ III 483). 266 Thuk. V 77. 267 Baltrusch (2008), 28.
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IV. Empirischer Teil. ‚Gleiche‘ und ‚ungleiche‘ Eide
Im Vergleich zu den bisherigen Beobachtungen nicht besonders, sondern geradezu konventionell stellt sich aus athenischer Sicht dagegen die in diesem Vertrag auftretende Schwurgötterliste dar, die aus Zeus, Apollon und Demeter besteht. An ihre Seite tritt allerdings im Laufe des 4. Jahrhunderts in Athen eine alternative Schwurformel, bei der nach dem unvermeidlichen Göttervater Zeus Athene, Poseidon und Demeter angerufen wurden.268 Während ältere Untersuchungen die wichtigste Veränderung der griechischen Schwurgötterlisten seit dem 4. Jahrhundert in der Zunahme der Götterzahl sahen und eine angebliche ‚ursprüngliche Dreiheit‘ (über-)betonten,269 so ist in Bezug auf Athen doch vielmehr die abweichende Zusammensetzung der Liste in den Blick zu nehmen: Zum ersten Mal taucht hier Athene in einem attischen Vertragseid auf und ersetzt im Verbund mit Poseidon Apollon. Sechs Jahre nach dem ersten Auftreten der beiden Gottheiten werden sie dann im Jahre 356 erneut in einem athenischen Vertragseid angerufen, allerdings in umgekehrter Reihenfolge und zudem als Teil einer nunmehr sechsgliedrigen Götterliste.270 Die in diesem Eid genannten Gottheiten markieren das erste Auftreten einer Schwurgötterliste, deren Struktur in hellenistischer Zeit kanonisch werden sollte.271 Es ist nicht zufällig, dass es sich bei dem genannten Vertrag um ein Bündnis mit Alleinherrschern – den Dynasten Ketriporis von Thrakien, Lyppeios von Pai onien und Grabos von Illyrien – handelt.272 Jedenfalls beginnen seit dem Jahr 356 in Athen alle erhaltenen Schwurgötterlisten mit der Trias Zeus, Ge, Helios.273 Die hierin zu greifende Tendenz zur Vereinheitlichung der Schwurgötterlisten stellte, wie noch zu zeigen sein wird, ein gesamtgriechisches Phänomen dar.274 Es ist signifikant, dass Athene in ihrer eigenen Stadt Athen erst im Zuge eines solchen panhellenischen Kanonisierungsprozesses zu einer Eidgottheit wurde.
268 Vgl. StV II 289, Z. 67 f. (= HGIÜ II 231) aus dem Jahre 362, bei dem Demeter allerdings nach der invocatio aus dem Eid der Gegenseite (Z. 80), bei der es sich um die keischen Städte handelt, ergänzt ist. Dieser Vertrag stellt in seinem Zusammenspiel von innen- und außenpolitischen Elementen allerdings in gewisser Weise einen Sonderfall dar. 269 Vgl. bes. Usener (1903). S. aber auch Ziebarth (1892), 12, 18–20, der den Brauch auf das 5.–4. Jahrhundert beschränkt sieht, und dens. (1905), 2077 f. Der Gedanke scheint nicht ganz frei von christlichen Trinitätsvorstellungen entwickelt worden zu sein. 270 StV II 309, Z. 38 f. (Athen-Ketriporis von Thrakien, Lyppeios von Päonien und Grabos von Illyrien, 356): [ὀμνύω Δία καὶ Γῆν] καὶ Ἥλιον καὶ Ποσει[δ]ῶ καὶ Ἀθηνᾶν καὶ / [Ἄρην, (…)]. Vgl. dazu Kap. IV.2.5. 271 Vgl. Ziebarth (1892), 22, Brulé (2005), 164–167 und ausführlich Kap. IV.2.5. sowie Tabelle I im Anhang dieser Untersuchung. 272 Eine gute Parallele aus demselben Jahr bildet die zu Beginn identische, nur etwas kürzere invocatio in einem Vertrag Philipps II. mit den Chalkidiern (StV II 308), in der es Z. 5 heißt: ναὶ μὰ Δία, Γῆν, Ἥλιομ, Ποσειδῶνα (…). 273 Nach StV II 309, Z. 38 f. sind dies der zwischen Athenern und Sikyoniern geschlossene Vertrag von 303/ 02 (StV III 445), bei dem Z. 6 [Zeus, Ge], Helios, Athena [Areia, Poseidon, Ares] und alle Götter und Göttinnen angerufen werden, und das Chremonidesdekret StV III 476, Z. 87 (Zeus, Ge, Helios, Ares, Athena Areia, [Poseidon, Demeter]). 274 Vgl. dazu ausführlich Kap. IV.2.5.
IV.1.4. Attische Vertragseide aus der Zeit der beiden Seebünde
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IV.1.4.4. Zwischenzusammenfassung Eine Untersuchung der attischen Vertragseide aus der Zeit der beiden Seebünde erbrachte folgende Ergebnisse: 1. Zur religiösen Absicherung der Verträge wurde im Delisch-Attischen Seebund auf eine dezidiert athenische Schwurgötterliste zurückgegriffen, die die Athener ihren Bündnern sogar für innenpolitische Angelegenheiten – bei der Vereidigung der höchsten Beamten – vorschrieben. 2. Dieser Aspekt athenischer Religionspolitik hat neben der demonstrativen Zurschaustellung der eigenen Macht aber auch eine integrative Seite: Gerade die Wahl Apollons als Eidgott stellte ein überzeugendes Identifikationsangebot an die Bündner dar, da er von ihnen als der delische Apoll verstanden werden konnte. Ähnliches gilt für Zeus, der sich als oberster Eidgott aller Griechen (Horkios) deuten ließ. 3. Die Übertragung der athenischen Schwurgottheiten auf die Symmachoi ist somit zugleich als demonstratives Herrschaftsinstrument der Athener und Mittel der Integration der Bündner in den Seebund zu interpretieren. Dies konnte nur aufgrund des Kompromisscharakters der Formel funktionieren, bei der es den Beteiligten möglich war, unter der vereinbarten Liste jeweils Unterschiedliches zu verstehen. Der Clou der Maßnahme liegt folglich in einer bewusst offen gehaltenen, gleichsam doppelbödigen Kommunikation, die es den Athenern erlaubte, durch ein und dieselbe Regelung, die eigene Herrschaft offen zur Schau zu stellen und bei den Beherrschten zu legitimieren. 4. Aufgrund dieser erfolgreichen Strategie hatte eine alternative Schwurgötterliste, wie sie sich für das 4. Jahrhundert nachweisen lässt (Zeus, Athena, Poseidon, Demeter), im 5. Jahrhundert keine Chance, da gerade die Anrufung von Athena als Eidgottheit anstelle von Apollon den Aspekt der Akzeptanzstiftung bei den Symmachoi konterkariert hätte. 5. Dies erklärt auch die auf den ersten Blick überraschende Beobachtung, dass Athena als die wichtigste Gottheit des attischen Pantheons im 5. Jahrhundert in keinem athenischen Vertragseid auftaucht, sondern bezeichnenderweise erst im Zuge der Kanonisierung der griechischen Eidgottheiten auch in Athen dauerhaft zur Schwurgottheit wird. Zugleich lehrt dieser Befund, dass Schwurgottheiten nicht automatisch den wichtigsten Polisgottheiten entsprechen mussten. 6. Die religiöse Fundierung von Vertragseiden wurde im 4. Jahrhundert keineswegs geringer, sondern eher noch ausgebaut. Es entstanden zwar keine ganz neuen Formen der Absicherung, aber doch neue Kombinationsmöglichkeiten bereits bestehender Elemente. So ließ sich für die zwischen Athenern und Korkyraiern im Jahre 375 geschlossene Symmachie ein besonders umfassender Charakter der religiösen Absicherung ausmachen, da hier zum ersten Mal sowohl die Eidgottheiten eines Vertrages als auch das Urkundenrelief erhalten sind. Eine kombinatorische Analyse von Inschrift und Relief zeigte, dass die Gottheiten des Reliefs nicht mit den Schwurgottheiten übereinstimmten, sondern diese in Bezug auf die Absicherung der Vereinbarung visuell ergänzten,
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indem sie die obersten Polisgottheiten der Vertragspartner mit ins Spiel brachten, in deren Heiligtümern die Verträge auch aufgestellt wurden. Es bestand somit kein Zusammenhang zwischen Urkundenrelief und Schwurgötterliste, wohl aber zwischen Urkundenrelief und Publikationsformel. 7. Die Vertragseide aus der Zeit des Delisch-Attischen Seebundes stellten formal und inhaltlich einseitige Regelungen dar, die die Athener für ihre Bündner in Form eines attischen Volksbeschlusses erließen. Viele der verwendeten Klauseln wiesen Ähnlichkeiten zu den Amnestie- und Bürgereiden des 4.–2. Jahrhunderts auf. Ein besonders prägnantes Beispiel hierfür markierte die ‚Denunziationsklausel‘, die in den attischen Psephismata für die euboiischen Poleis Chalkis und Eretria Verwendung fand. 8. Im Zweiten Seebund ließen sich dagegen gewisse ‚Lerneffekte‘ feststellen: So leisteten die Athener bei größeren Friedensschlüssen den Eid nun nicht mehr auch für ihre Bündner mit, sondern ließen es zu, dass diese κατὰ πόλεις schworen; eine Erkenntnis, die die Athener anderen griechischen Hegemonialmächten des 4. Jahrhunderts wie den Spartanern und Thebanern voraus hatten. IV.2. HELLENISTISCHE VERTRAGSEIDE IV.2.1. Kretische Vertragseide Nach den Beispielen aus Elis und Athen, anhand derer die Entstehung bzw. Ausdifferenzierung des Formulars von Vertragseiden in archaischer und klassischer Zeit nachvollzogen werden konnte, wird nun mit den kretischen Eiden ein drittes und letztes regionales Fallbeispiel in den Blick genommen, dessen chronologischer Schwerpunkt im Hellenismus liegt und das damit zugleich den Untersuchungsgegenstand dieser Studie in zeitlicher Hinsicht ausweitet. Das Beispiel Kreta erlaubt es zudem, einen siedlungsgeographischen „Mikrokosmos“275 näher unter die Lupe zu nehmen, der mit seinen rivalisierenden und um die Hegemonie kämpfenden Klein- und Kleinststaaten gleichsam griechische Geschichte im Kleinen sichtbar werden lässt. Dieser ‚Mikrokosmos‘ Kreta ist für die hier verfolgte Fragestellung gerade in Bezug auf die kretischen Schwurgötterformeln von besonderer Bedeutung, haben diese doch mit ihren exzeptionell langen, bis zu 20 Gottheiten umfassenden Götterlisten einen völlig eigenständigen Charakter.276 275 Chaniotis (2004), 8. 276 Dieser genuine Charakter der kretischen Schwurgötterlisten ist schon lange Konsens der Forschung und wurde bereits von Ziebarth (1892), 24–26, Deiters (1901), 590 f., Ziebarth (1905), 2076, 2078 f., und Jacobi (1930), 23–25 hervorgehoben. Auch das Wortfeld „Schwören“ scheint übrigens im kretischen Dialekt noch breiter ausgeprägt zu sein, als dies im Griechischen sowieso schon der Fall war (vgl. Martínez Fernández [1997], 115–117). In der sog. Großen Inschrift von Gortyn, der Gesetzeskodifikation dieser Polis aus der 1. Hälfte des 5. Jahrhunderts, findet sich gar der Terminus ὀρκιōτέρα(ν) (IC IV 72, Col. II 15), der auf den ersten Blick als Komparativ des Adjektivs ὅρκιος, -α, -ον verstanden werden könnte. Sommerstein – Bayliss (2013), 64 f. m. Anm. 22 können allerdings mit einem Verweis auf home-
IV.2. Hellenistische Vertragseide
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Mit der 1996 erschienenen Habilitationsschrift von Angelos Chaniotis liegt für die Region eine akribisch gearbeitete Zusammenstellung und instruktive Behandlung der kretischen Staatsverträge vor, welche auch die Vertragseide berücksichtigt und die Reihenfolge der dort auftretenden Götter überzeugend deutet.277 Über diese Arbeit wird hier in Bezug auf die genuin kretischen Aspekte im Allgemeinen kaum hinauszukommen sein. Die kretischen Schwurgötterlisten sind nun aber gerade aufgrund ihres andersartigen Charakters von entscheidender Bedeutung für die gesamtgriechische Entwicklung, die erst vor der Kontrastfolie des kretischen Beispiels voll verstanden werden kann. Wie lässt sich die Besonderheit der kretischen Listen erklären? Im Mittelpunkt dieses Unterkapitels wird mithin die Frage nach dem Spannungsverhältnis zwischen Gleichartigkeit und regionaler Differenz in Bezug auf die religiöse Absicherung griechischer Staatsverträge stehen. Wie und warum kommt es gerade auf Kreta zu einer Sonderentwicklung in Bezug auf die Schwurgötterlisten und was lässt sich daraus für die gesamtgriechische Entwicklung ableiten? Um diese Frage angemessen beantworten zu können, sind zunächst einige kurze Vorbemerkungen, die in die spezifisch kretischen Verhältnisse der späten klassischen und hellenistischen Zeit einführen sollen, vonnöten: Die Insellage sorgte dafür, dass Kreta in der Antike in gewisser Hinsicht einen eigenen Kosmos bildete.278 Kriege waren hier – gerade in hellenistischer Zeit – an der Tagesordnung.279 Auch Söldnerwesen und Piraterie gehörten zum „Alltag“280 vieler Kreter und waren keineswegs allgemein negativ konnotiert, vielmehr stellten sie die Haupteinnahmequelle eines Großteils gerade der ärmeren Schichten dar.281 Die naturräumlichen Gegebenheiten der Insel, insbesondere ihr gebirgiger Charakter, wirkten sich zudem auf die Kriegführung aus und führten dazu, dass die „Kreter Meister im Legen von Hinterhalten“282 wurden. Es ist daher nicht zufällig, dass sich ein Sprichwort wie ὁ Κρὴς τὸν Κρῆτα bilden konnte, das so viel bedeutet wie: „der (eine) Kreter (überlistet) den (anderen) Kreter“. Ganz offensichtlich sah man zu jener Zeit die Anwendung von – nicht nur militärischer – List und Tücke als ein typisches Verhalten der Einwohner dieser Insel an.283 Obgleich einem solchen ethnischen Stereotyp naturgemäß ein undifferenzierter Charakter eignet, beruht es rischen Sprachgebrauch zeigen, dass der Ausdruck nicht im Sinne einer Steigerung zu interpretieren ist. 277 Vgl. Chaniotis (1996a), bes. 66–77, 83–85; wichtig ist zudem Brulé (2005), 159–163, 168– 172. In beiden Untersuchungen fehlt allerdings noch der 2004 veröffentlichte und zwischen Eleutherna und Rhaukos geschlossene Vertrag aus dem 3. Jahrhundert (SEG LIV 841, s. Appendix I). 278 Vgl. Chaniotis (2004), 7 f., der auf die fast 100 unabhängigen Stadtstaaten der Insel verweist. 279 Vgl. Chaniotis (2004), 80 mit einer detaillierten Auflistung aller bezeugten „Kriege im hellenistischen Kreta“. S. dazu ferner Brulé (1978); zur Rolle der hellenistischen Großmächte in diesen Konflikten vgl. Kreuter (1992). 280 Chaniotis (2004), 78. 281 Vgl. Brulé (1978), Chaniotis (1996a) und (2004), 78, wo bezeichnenderweise ein ganzes Kapitel zum hellenistischen Kreta den Titel „Die Pirateninsel“ trägt. 282 Chaniotis (2004), 70. 283 Vgl. zu diesem Sprichwort Chaniotis (1996a), 1, 6.
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in diesem Fall doch auch auf einem realen Hintergrund, wie das Formular der innerkretischen Staatsverträge lehrt, bei dem die schon erwähnten „anti-deceit clauses“ besonders häufig auftreten.284 Die Existenz von Vertrags- und Eidesklauseln, die in auffällig deutlicher Weise dem Gebrauch von Täuschung und Betrug Vorschub leisten sollen, zeigt ja gerade, dass dieses Phänomen im hellenistischen Kreta als ein virulentes Problem angesehen wurde. Das Motiv der besonderen Häufigkeit von Hinterlist und Tücke lässt sich somit gleichsam lebensweltlich verorten, da es auch für die zeitgenössischen Akteure von Relevanz war. Es lässt sich somit festhalten, dass das gegenseitige Vertrauen beim Abschluss eines Vertrages auf Kreta im Allgemeinen nicht allzu groß gewesen sein dürfte. Ein Großteil der kriegerischen Auseinandersetzungen unter den Poleis resultierte dabei aus Grenzstreitigkeiten.285 Es ist bezeichnend, dass sich schon in dem frühest erhaltenen kretischen Staatsvertrag, der um das Jahr 450 zwischen Knossos und Tylissos geschlossen wurde, eine Klausel findet, die die Grenzen der jeweiligen Polisterritorien erstaunlich exakt voneinander abgrenzt. Dort heißt es: μe–δὲ χṓρας ἀποτάμνεσθαι μe–δατέρονς μe–δ’ ἅ[π]/ανσαν ἀφαιρῖσθαι. ὀ̑ροι τᾶς γᾶς· hυο̑ν ὄρος καὶ Α/ἰετοὶ κἀρταμίτιον καὶ τὸ το̑ Ἀρχο̑ τέμενος κα[ὶ] / hο ποταμὸς κἐ̄λ Λευκόπορον κἀγάθοια, hᾶι hύδō/ρ ῥεῖ τὄμβριον, καὶ Λᾶος. Keiner von beiden soll von dem Lande (des anderen) etwas abschneiden noch es ganz wegnehmen. Die Grenzen des Landes (sind): das ‚Schweinegebirge‘ und die ‚Adler‘ und der Artemistempel und der heilige Bezirk des Archos und der Fluss und nach Leukoporos und Agathoia hin dem Laufe des Regenwassers folgend, schließlich Laos.286
Solche Klauseln über den Grenzverlauf finden sich in griechischen Staatsverträgen fast ausschließlich im Rahmen der Schiedsgerichtsbarkeit.287 Anders als man dies vielleicht erwarten würde, gehören sie dagegen nicht zum Standardrepertoire ‚regulärer‘ bilateraler Staatsverträge. Wenn der Verlauf der Grenze hier also über Flurbezeichnungen wie „das ‚Schweinegebirge‘ und die ‚Adler‘“ so klar definiert 284 Vgl. Chaniotis (1996a), 77 und bes. Gazzano (2005), 29 f. 285 Vgl. etwa Chaniotis (1996a), 74 f., der die Grenzkonflikte in einen ausdrücklichen Zusammenhang mit den Schwurgottheiten griechischer Vertragseide setzt: „Häufig verweisen diese (sc. lokalen) Epitheta (sc. der kretischen Schwurgottheiten) auf Grenzheiligtümer: Das Heiligtum des Zeus Thenatas in Amnisos lag an der östlichen Grenze von Knosos, das Heiligtum der Athena Oleria am alten Siedlungsplatz der Hierapytnier an ihrer Grenze zu Lato, das Heiligtum der Eileithyia in Inatos, dem Hafenort der Priansier, das Heiligtum des Zeus Skylios im Gebiet der von den Gortyniern in der klassischen oder früh-hellenistischen Zeit eroberten Stadt Rhytion (…); das Heiligtum des Zeus Diktaios lag an der Grenze zwischen Itanos und Praisos (später Hierapytna). Man gewinnt den Eindruck, daß die Vertragspartner durch die Erwähnung solcher Götter ihre Gebietsausdehnung bzw. -ansprüche unterstreichen wollten. Bei der Häufigkeit der Grenzkonflikte im hellenistischen Kreta überrascht dies keineswegs; (…).“ 286 StV II 148b, Z. 5–9. Vgl. zu dieser Klausel jetzt Kyriakidis (2012). Der Vertrag kam auf argivische Vermittlung zustande und ist in zwei voneinander abweichenden Versionen aus Tylissos (StV II 147) und Argos (StV II 148) überliefert. Das Zitat stammt aus dem argivischen Exemplar. Vgl. zu den Texten neben dem Kommentar in den StV ad loc. Guarducci (1935), 58, Kahrstedt (1942), Vollgraff (1948), Gschnitzer (1958), 44–47, Merrill (1991) und Chaniotis (1996a), 3 m. Anm. 14. Zu den verwendeten Dialekten s. Minon (2007b). 287 Vgl. Funke (2007a), 188. Das vorhellenistische Material ist gesammelt bei Piccirilli (1973). Zur Bedeutung der Grenzen in der griechischen Antike s. Freitag (2007).
IV.2. Hellenistische Vertragseide
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wird, so ist dies einerseits ganz typisch für griechische Schiedsgerichtsbarkeit, stellt aber andererseits dennoch auch einen guten Indikator dafür dar, dass es in dieser Hinsicht auf Kreta schon in klassischer Zeit ein besonders großes Regelungsbedürfnis gab, das nicht zuletzt mit einer auf Transhumanz beruhenden Viehwirtschaft zu begründen ist.288 Für eine solche ist es aufgrund der Notwendigkeit des jahreszeitlichen Weidewechsels ja unabdingbar, „daß eine Polis Weideplätze sowohl auf den Bergen als auch in den Küstenebenen besitzt“289, eine Voraussetzung, die nur wenige kretische Gemeinwesen erfüllen konnten. Die Anwendung dieser Wirtschaftsweise führte somit im Ergebnis dazu, dass beständig Hirten die Grenzen einer anderen Polis überschritten, was wiederum Streitigkeiten über die Verteilung der Weideplätze, Viehdiebstahl und Flurschäden nach sich zog.290 Dieser Effekt wurde zudem durch die große Zahl der auf Kreta nebeneinander existierenden mehr oder weniger unabhängigen „Zwergstaaten“291 noch verstärkt. Nicht umsonst wurde die Insel von anderen Griechen seit Homer als hekatompolis, als die Insel der 100 Stadtstaaten, bezeichnet.292 Auch wenn dies zahlenmäßig ein wenig zu hoch gegriffen sein dürfte,293 bleibt doch die Tatsache bestehen, dass sehr viele kretische Gemeinwesen auf verhältnismäßig engem Raum miteinander auszukommen hatten. Der territoriale Partikularismus führte dabei beinahe zwangsläufig zu Konflikten. Der latent prekäre Charakter der innerkretischen Beziehungen wurde nun zusätzlich durch die Gesellschaftsordnung der einzelnen Poleis begünstigt, die in der Hinsicht ein strukturelles Problem für die kretische Staatenwelt darstellte, dass sie auf der Arbeitsteilung zwischen einer kleinen und ausschließlich mit der Kriegführung beschäftigten Schicht von Bürgern auf der einen und einer abhängigen und für die Nahrungsversorgung zuständigen Bevölkerung auf der anderen Seite beruhte. Ein solches System setzt notwendig voraus, dass genug Ackerflächen für die Versorgung der Bevölkerung vorhanden sind. Fehlen diese, gerät die gesamte Gesellschaftsordnung in eine existenzielle Krise. Der Verteidigung von eigenem Ackerland bzw. der Eroberung von fremdem Territorium kommt daher eine entscheidende Bedeutung für die Stabilität jedes einzelnen Gemeinwesens zu. In einem solchen System kann der Nachbar nur „als potentieller Feind“294 gelten. Das beschriebene Konfliktpotential wurde noch durch den stark ausgeprägten kretischen Lokalpatriotismus gesteigert, dessen primären Bezugspunkt bis in die 288 So etwa Chaniotis (2004), 87. – Man beachte auch die Verwendung von Tempeln und Heiligtümern als Grenzmarkierungen, vgl. hierzu de Polignac (1995). 289 Chaniotis (2004), 87. 290 Vgl. Chaniotis (2004), 87. 291 Chaniotis (2004), 87. 292 Der locus classicus ist Hom. Il. II 649; s. auch Strab. X 4,15. Ein ‚Kreta der 90 Poleis‘ bei Hom. Od. XIX 174. Vgl. auch Chaniotis (2004), 10 („Paradies der Klein- und Kleinststaaten“), 43 f. 293 Chaniotis (2004), 62 spricht von „sicher mehr als 60“ eigenständigen kretischen Gemeinwesen im 5. Jahrhundert. Perlman (2004), 1149–1189 zählt in ihrem Katalog kretischer Poleis allein 48 (identifizierte) Gemeinwesen für die archaische und klassische Zeit (es handelt sich um die Gesamtnummern 944 [Allaria] – 992 [Tylissos] der monumentalen Studie Hansen – Nielsen [2004]). 294 Chaniotis (2004), 86.
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römische Kaiserzeit immer die eigene Polis und niemals die gesamte Insel darstellte.295 Ein solcher Lokalpatriotismus speiste sich zudem insbesondere aus der Erziehung und Sozialisation jedes einzelnen Vollbürgers, die im Wesentlichen eine „Vorbereitung auf den Krieg“296 darstellte und ihren spezifischen Ort in der kretischen Ephebie, der agela (‚Herde‘), hatte.297 Diese sorgte für eine besonders enge Bindung der Jünglinge an die Heimatstadt, eine Funktion, die bei den Männern vom andreion (‚Männerhaus‘) übernommen wurde. Behält man diese historischen Rahmenbedingungen im Hinterkopf, lassen sich auch die Besonderheiten kretischer Vertragseide besser verstehen: So sind die langen Schwurgötterlisten wohl nicht zuletzt als ein Versuch zu deuten, das gegenseitige Misstrauen, das beim Abschluss von Verträgen bestand, in den Griff zu bekommen. Weiteren Niederschlag fand die besonders prekäre Lage, in der sich die zwischenstaatlichen Beziehungen im hellenistischen Kreta befanden, in einem zusätzlichen Absicherungsinstrument, das bei einigen kretischen Verträgen zur Anwendung kam und sonst in der griechischen Staatenwelt in dieser Form nirgends bezeugt ist: Gemeint ist das Mittel der jährlichen Verlesung des Vertragstextes von der Bündnisstele im Rahmen eines religiösen Festes.298 Auch hier suchte man – in diesem Fall durch die Verbindung mit einem religiösen Fest – ganz deutlich die Nähe zum Sakralen, mithin eine religiös-fundierte Absicherung des Vereinbarten. Die bloße Erneuerung des Bündnisses in einem weniger feierlichen Rahmen scheint nicht genügt zu haben. Die langen kretischen Schwurgötterlisten waren nun, wie Angelos Chaniotis gezeigt hat, nicht von Anfang an so umfangreich. Frühere Götterlisten beinhalteten auch auf Kreta nur drei bis fünf Gottheiten.299 Erst seit dem zweiten Viertel des 3. Jahrhunderts traten dann die berühmten langen Listen mit bis zu 20 Gottheiten auf.300 Es ist nun auffällig, dass die Eidgötter in diesen Listen trotz aller Unregel295 Als Kreter bezeichnete man sich nur außerhalb der Insel, auf Kreta selbst war immer die lokale Identität entscheidend. Vgl. Chaniotis (2004), 110. 296 Chaniotis (2004), 68, 79. 297 Vgl. hierzu bes. Gehrke (1997), s. auch Chaniotis (2004), 68–70. 298 Das einzige außerkretische Beispiel für eine solche Maßnahme liefert Thuk. V 18,9 und 23,4. Allerdings geht es bei dieser Absicherung des Nikiasfriedens bzw. des athenisch-spartanischen Zusatzvertrages zu diesem ausschließlich um die jährliche Erneuerung im Rahmen eines religiösen Festes, nicht ausdrücklich auch um das Verlesen des Vertragstextes. Auf Kreta ist die Maßnahme in Verträgen zwischen Malla und Lyttos (Chaniotis, Nr. 11, Z. 20–23 = HGIÜ III 419, Mitte 3. Jahrhundert) sowie zwischen Hierapytna und Priansos (Chaniotis, Nr. 28, Z. 40–43 = HGIÜ III 450) bezeugt. Im zweiten Fall werden sogar im Vertragstext Strafen für das Nicht-Verlesen des Bündnistextes festgesetzt. Auch muss die Verlesung dem anderen Vertragspartner zehn Tage vor dem Verlesungstermin bekannt gegeben werden. Vgl. zu diesem Sicherungsinstrument Chaniotis (1996a), 68, 124–126 und Berti (2006), 203. 299 Chaniotis (1996a), 71 legt sich sogar auf eine ursprüngliche Dreizahl fest: „Auf Kreta wie auch sonst in Griechenland bestand die ursprüngliche Liste der Schwurgötter aus nur drei Gottheiten, […].“). Die kretischen Belege, die er anführt, nennen allerdings nur vier bis fünf Gottheiten (so der archaische Eid von Gortyn [IC IV 51, Z. 1–3] und der Eid von Praisos [Chaniotis, Nr. 64, Z. 15 f., frühes 3. Jahrhundert]). 300 So etwa in Chaniotis, Nr. 5 (Knossos-Dreros, 3. Jahrhundert). Vgl. zu diesen langen Götterlisten Chaniotis (1996a), 71–75 und Brulé (2005), 153 („les chiffres de la Crète sont impres-
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mäßigkeiten nach einem festen Schema angeordnet sind,301 das es erlaubt, auch unvollständige Schwurgötterlisten plausibel zu ergänzen.302 Daher konnte Chaniotis neben der angedeuteten Entwicklung auch „eine allgemeine Regel“303 ausmachen, der zufolge die Listen eine „immanente Hierarchie“304 aufweisen, die gleichwohl immer wieder durch lokale Besonderheiten unterbrochen wird – ein Beispiel für eine solche lokale Besonderheit ist etwa, dass Athena Oleria in keinem der zahlreichen Vertragseide der Stadt Hierapytna fehlen durfte.305 Was nun die Gesamtarchitektur der Götterlisten angeht, so wird als erste Gottheit in den allermeisten Fällen Hestia genannt, was einen wichtigen Unterschied zu allen anderen griechischen Vertragseiden darstellt, die immer mit Zeus als dem griechischen Eidgott par excellence beginnen.306 Dieser tritt in der Grundstruktur der kretischen Eide erst an zweiter Stelle auf, gefolgt von seiner Gattin Hera. Daran schließen Athena und Poseidon mit Amphitrite an, die noch vor der apollinischen Trias (Apollon, Leto, Artemis) und dem Paar Ares-Aphrodite genannt werden. Als letzter von den olympischen Göttern wird zumeist Hermes angerufen, auf den häufig Göttergruppen im Plural, die Nymphen und Kureten, folgen.307 Von den Olympiern werden damit in den kretischen Schwurgötterlisten allein Hephaistos und Demeter niemals erwähnt.308 Während das Fehlen von Hephaissionnants“), 159–163. Das früheste Beispiel für eine solche Liste stellt ein in Eleutherna gefundener Eid aus dem frühen dritten Jahrhundert dar (Chaniotis, Nr. 6), der nur fragmentarisch erhalten ist und von Chaniotis (1995), 17–27, (1996), 192 f. aufgrund der in ihm genannten Gottheiten als Teil von einem „Staatsvertrag, an dem Eleutherna und Knosos beteiligt waren“ (193), gedeutet wird. Der epigraphic habit des Dokuments legt allerdings, wie noch zu zeigen sein wird, nahe, dass es sich um einen Bürgereid handelt. Vgl. zu dieser Inschrift auch van Effenterre (1991), 26–30 (mit wesentlich längerer Götterliste), BE (1992), Nr. 360 (Philippe Gauthier) und Faure (1993), 71. 301 Der Systemcharakter der kretischen Schwurgötterlisten wurde bereits von Deiters (1901), 591 gesehen und wird etwa von Brulé (2005), 160 betont: „Ce qui me paraît le plus remarquable, c’est que ce soit cohérent, que, comme dit le dictionnaire Robert en sa définition du mot ‚système‘, nous avons affaire à un: ‚ensemble organisé d’éléments intellectuels‘.“ 302 Zu einer solchen Ergänzung vgl. den Appendix I. Instruktive Übersichten über die jeweiligen Schwurgötter der kretischen Vertragseide finden sich bei Chaniotis (1996a), 72 f., Sporn (2002), 376 f. und Brulé (2005), 168–172. 303 Chaniotis (1996a), 71–76, Zitat: 71. 304 Chaniotis (1996a), 75. 305 So in Chaniotis, Nr. 26 (Hierapytna-Lyttos, nach 205), Nr. 27 (Gortyn-Hierapytna-Priansos, nach 205), Nr. 59 (Hierapytna-Lato, 111/ 10) und Nr. 74 (Hierapytna-hierapytnische Siedler, 2. Jahrhundert), wobei die genaue Stellung in der Götterliste jeweils variiert. In letzterem und ausschließlich in diesem sind zudem Athena Samonia und die Kyrbanten bezeugt, die daher ebenfalls als spezifisch hierapytnische Eidgottheiten anzusprechen sein dürften. Anders als im Falle der Athena Oleria war ihr Auftreten somit fakultativ. Zur Bedeutung von Athena Oleria für die hierapytnischen Vertragseide s. auch Brulé (2005), 162 („[…] la présence de l’Athéna Oléria signe le panthéon de la cité d’Hiérapytna […].“). 306 So auch Brulé (2005), 155: „c’est sa qualité fondamentale de dieu du serment qui place Zeus en tête de liste“ und 160, Anm. 50: „A la différence de ce qui se passe dans le reste du monde grec, il n’est pas régulièrement placé en tête, c’est, normalement, dans l’île, la place d’Hestia.“ 307 Vgl. Brulé (2005), 161: „Hermès joue là le rôle de conducteur de divinités diverses, ellesmêmes plurielles (pour les premières).“ 308 Vgl. Chaniotis (1996a), 75.
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tos, der auch in anderen Regionen Griechenlands nie als Eidgottheit in einem Vertragseid auftaucht,309 nicht verwundert, so ist die vollständige Abwesenheit von Demeter zunächst überraschend, bedenkt man etwa die zentrale Funktion, die ihr als Schwurgöttin in Athen und im Delisch-Attischen Seebund zukam.310 Ihr Fehlen weist zugleich auf eine weitere Besonderheit der kretischen Eidgottheiten hin: Die ursprüngliche Dreiheit aus Himmel, Erde und Sonne, die sich sowohl in der Trias Zeus, Ge, Helios als auch in der attischen Formel Zeus, Apollon, Demeter findet und die in ihrer ersten Variante in hellenistischen Vertragseiden außerhalb Kretas kanonisch wurde,311 taucht in den kretischen Zeugnissen niemals auf.312 Während allerdings die Elemente Himmel und Sonne durch die häufige Erwähnung von Zeus und Apollon mit ihren zahlreichen Epitheta noch sekundär abgedeckt sind, spielt die Erde gar keine Rolle, wie das erwähnte vollständige Fehlen von Demeter – als der ‚Ersatzkandidatin‘ für Ge – verdeutlicht.313 Sie scheint hier vom Element des Wassers abgelöst worden zu sein, das durch Poseidon, häufig in der kreta-typischen Verbindung mit Amphitrite, symbolisiert wird.314 Auch die Anrufung der Nymphen sowie der Quellen und Flüsse gehört in diese Reihe.315 Obgleich dies in gewis309 Es ist bezeichnend, dass sich der einzige Beleg für Hephaistos in einem informellen Eid findet und zudem aus einem Komödienfragment stammt (Amips. Sphendone, fr. 18 K-A). 310 Zu Demeter als Eidgottheit in Vertragseiden s. auch Brulé (2005), 153. 311 Vgl. Usener (1903), 17–24, Plescia (1970), 4, Rudhardt (21992), 205, Chaniotis (1996a), 71 f. und Brulé (2005), 153. S. auch Tabelle I im Anhang dieser Untersuchung. 312 Himmel, Erde und Sonne finden sich im gesamten kretischen Material allein in dem Eid der drerischen Jungmannschaft aus dem 3. Jahrhundert (Chaniotis, Nr. 7 [= HGIÜ III 449]), der eben keinen Vertragseid darstellt – und auch in diesem sind die genannten Elemente weder zu Beginn der Liste noch in der sonst üblichen Form als Zeus, Ge, Helios repräsentiert. Vielmehr treten sie an 12. (Halios), 16. (Ga) und 17. Stelle (Uranos) der Götterliste auf, getrennt durch Britomarpis, Phoinix und Amphion. Halios allein findet sich zudem noch, allerdings jeweils ergänzt, in Chaniotis, Nr. 6 (Eleutherna und Knossos, zwischen 300 und 250) und StV III 552 (Olus und Rhodos, 201?). 313 Auch der seit dem Beginn des 2. Jahrhunderts in den innerkretischen Schwurgötterlisten so präsente Zeus Kretagenes (Chaniotis, Nr. 32 [Gortyn-Sybrita, 200–189], Nr. 59 [HierapytnaLato, 111/ 10], Nr. 60 [Lyttos-Olus, 111/ 10] und Nr. 61 [Lato-Olus, 110–108]; in einem Vertrag mit einer auswärtigen Macht schon in StV III 468 [Magas von Kyrene-Bund der Oreioi, 280– 250]) kann diese Lücke nicht füllen, handelt es sich bei ihm doch – wie bei Zeus Idaios oder Idatas (‚vom Berg Ida‘) – um eine explizit pankretische Gottheit, bei dessen Verehrung der Akzent eindeutig auf Kreta, nicht auf der kretischen Erde liegt. Vgl. zu Zeus Kretagenes Verbruggen (1981), 140 und Chaniotis (1996a), 70. 314 Beide Gottheiten erscheinen in Chaniotis, Nr. 59 (Hierapytna-Lato, 111/ 10), Nr. 61 (LatoOlus, 110–108) und jetzt auch in dem Vertrag zwischen Eleutherna und Rhaukos (SEG LIV 841), wenn meine Ergänzung der Amphitrite richtig ist (vgl. Appendix I); Poseidon allein findet sich in Chaniotis, Nr. 64 (Praisos-Stalai, Anfang 3. Jahrhundert), Nr. 6 (Eleutherna-Knossos, 300–250), StV III 552 (Olus und Rhodos, 201?). Zu dem „Paar Poseidon-Amphitrite“ (Chaniotis [1996a], 75) vgl. Brulé (2005), 161. 315 Die Nymphen erscheinen in Chaniotis, Nr. 26 (Hierapytna-Lyttos, nach 205), Nr. 27 (GortynHierapytna-Priansos, nach 205), Nr. 32 (Gortyn-Sybrita, 200–189), Nr. 74 (Hierapytna-hierapytnische Siedler, 2. Jahrhundert), Nr. 59 (Hierapytna-Lato, 111/ 10), Nr. 60 (Lyttos-Olus, 111/ 10), Nr. 61 (Lato-Olus, 110–108) und – in der orthographischen Variante Λύμφας (vgl. SEG XVI 744) – auch in SEG LIV 841 (Eleutherna-Rhaukos, 3. Jahrhundert). Es fällt auf, dass sie in keinem Vertragseid der Hierapytnier, deren Stadt unmittelbar am Meer lag, fehlen. Die Quel-
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sem Sinne mit einer gesamtgriechischen Entwicklung zusammenfällt, die ungefähr im zweiten Viertel des 4. Jahrhunderts einsetzt und bei der das Wasser (Poseidon) als viertes Element zu Himmel (Zeus), Erde (Ge) und Sonne (Helios) hinzugefügt wird,316 ist es doch eine kretische Besonderheit, dass dies geschieht, obwohl die anderen ‚Naturmächte‘317 kaum eine oder gar keine Rolle als Eidgottheiten spielen. Dass es gerade das Wasser ist, das der allgemeinen Entwicklung in dieser Hinsicht zuwiderläuft, spiegelt die besondere Bedeutung wider, die dieses Element für das hellenistische Kreta, „die Insel der Piraten“318, hatte. Wenn gerade in hellenistischer Zeit das Sprichwort „der Kreter weiß nichts vom Meer“319 zum ersten Mal bezeugt ist, so stellt dies keinen Widerspruch zu der vorgebrachten Deutung dar, sondern ist vielmehr als eine ironische Brechung der Tatsache zu interpretieren, dass die Kreter besonders tüchtige Seefahrer waren, und geht mit der Bedeutung dieses Elements in den kretischen Schwurgötterlisten Hand in Hand. Ein vergleichbares Phänomen ist in der Rolle auszumachen, die das Vieh in den ausführlichen Exsekrations- und Segensformeln kretischer Staatsverträge spielte. Anders als in anderen Gegenden des antiken Griechenlands wurde das Kleinvieh hier des Öfteren in die Fluchformel mit einbezogen.320 So riefen die Schwörenden im Rahmen einer Selbstverfluchung nicht selten die Strafe auf sich herab: μήτε ἁμῖν γᾶν καρπὸν φέρειν μήτε πρόβατα μήτε γυναῖκας τίκτειν κατὰ φύσιν. – „Weder soll unsere Erde Frucht tragen noch (unsere) Schafe und Frauen Kinder gebären nach den Regeln der Natur.“321 Was also das Wasser für die Schwurgötterlisten bedeutet, ist das Vieh für die Exsekrations- und Segensformeln. Es zeigt sich, dass sich die beiden zentralen Tätigkeiten, mit denen die meisten Kreter im Hellenismus ihren Lebensunterhalt verdienten, auch deutlich im Formular der Staatsverträge widerspiegeln. Die religiöse Absicherung von Eiden funktionierte im antiken Griechenland – nicht nur in diesen Fällen – über Gegenstände, die für die Lebensumstände der Vertragspartner jeweils von exzeptioneller Bedeutung waren.322 Wenn somit Angelos Chaniotis nach einer intensiven Beschäftigung len und Flüsse (κράνας καὶ ποταμούς) finden sich allein in Chaniotis, Nr. 7 (Eid der drerischen Jungmannschaft, 3. Jahrhundert). 316 Vgl. Brulé (2005), 156, der von einer „adjonction de Poséidon depuis le début du IVe siècle“ spricht, für die sich allerdings keine „justification ‚théologique‘“ finden lasse, die das Aufkommen gerade zu dieser Zeit erklären würde. S. jetzt auch die Schwurgötterliste in einem neuen von Funke – Hallof (2013), II, Z. 9 f. edierten Staatsvertrag aus Akarnanien aus dem 4. Jahrhundert. 317 Brulé (2005), 151 spricht von „‚puissances naturelles‘“. 318 Chaniotis (2004), 8, vgl. auch ebd., 78: „Pirateninsel“. 319 Strab. X 4,17, s. dazu Chaniotis (1991), 105, (2004), 14 f. 320 Vgl. Chaniotis (1996a), 76 f. m. Anm. 412 („Die Einbeziehung des Viehs in diese Verwünschung ist fast nur aus kretischen Eiden bekannt.“), dens. (2004), 12; s. auch Strubbe (1991), 37–43. 321 So bzw. in ganz ähnlichen Varianten taucht die Formel auf in Chaniotis, Nr. 10 (EleuthernaPhaistos, ca. 250–230), 16 (Axos-unbekannte Stadt, spätes 3. Jahrhundert), 27 (Gortyn-Hierapytna-Priansos, nach 205), 74 (Hierapytna-hierapytnische Siedler, 2. Jahrhundert); Nr. 7 (Eid der drerischen Jungmannschaft) und IC III IV 8 (Bürgereid von Itanos, Anfang 3. Jahrhundert). Vgl. Chaniotis (1996a), 76 m. Anm. 412. 322 Ein Aspekt, der von Hirzel (1902), 11–22 in seiner Analyse des Wesens griechischer Eide
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mit der kretischen Geschichte der hellenistischen Zeit zu dem Schluss kommt, die Kreter seien „Seeleute und Highlanders“323 gewesen, so ließe sich diese Tatsache allein mit der Art und Weise, wie sie ihre Staatsverträge religiös fundierten, belegen. Auch die charakteristische große Bedeutung des Krieges findet sich in diesen Formeln: So rief man im Rahmen einer weiteren sonst in Griechenland unüblichen Exsekrationsformel für den Fall des Eidbruchs eine Niederlage im Krieg (τῶι πολέμωι νικῆσθαι)324 auf sich herab. Alle diese Klauseln zeigen, dass einige Exsekrationsformeln offenbar einen klaren „Sitz im Leben“ hatten. Sie erlauben in Chaniotis‘ Worten „einen lebhaften Einblick in die Gedankenwelt und die Werte der Kreter“325. Allerdings ist dieses Diktum nicht nur auf die Exsekrations- und Segensformeln zu beschränken, sondern muss, wie gezeigt werden konnte, auf die Schwurgötterformeln ausgeweitet werden. Nimmt man nun anstelle der Reihenfolge und Struktur der in den Listen genannten Gottheiten stärker den jeweiligen Charakter der einzelnen Götter in den Blick, lassen sich diese relativ leicht zu Götterklassen zusammenfassen. So kann Chaniotis sechs verschiedene Kategorien herausarbeiten,326 die allerdings nicht auf derselben Ebene stehen. Neben gleichsam übergeordneten Gottheiten, die als „[a]llgemein verbreitete Schutzgottheiten der Poleis“327 (Kategorie I) oder des Vertrages (II)328 fungieren, stehen solche Gottheiten, die nach dem räumlich-geographischen Ausmaß ihrer Verehrung unterschieden werden. Letztere werden nach allgemein in Griechenland verehrten, also panhellenischen (III), pankretischen (IV), lokalen (V) und für bestimmte kretische Regionen bedeutsamen (VI) Gottheiten differenziert.329 Damit lässt sich in den Schwurgötterformeln ein Polytheismus spezifisch besonders stark gemacht und mit dem Begriff der αἰδώς verbunden wird, um damit zu erklären, warum die Griechen gelegentlich auch bei profanen Gegenständen wie dem „Szepter des Agamemnon“ (Hom. Il. I 233–246) schwören konnten. 323 Chaniotis (2004), 10; vollständig lautet das Zitat: „Meer und Berg bedingten in der historischen Zeit die Wirtschaft und die spezifische Kriegsart der Kreter. Sie waren Seeleute und Highlanders.“ Die Bedeutung des Gebirges für die Kreter stellt Chaniotis (1991) heraus. 324 Chaniotis, Nr. 10 (Eleutherna-Phaistos, ca. 250–230), Nr. 27 (Gortyn-Hierapytna-Priansos, nach 205), Nr. 74 (Hierapytna-hierapytnische Siedler, 2. Jahrhundert); eine etwas längere Variante findet sich in Chaniotis, Nr. 16 (Axos-unbekannte Stadt, spätes 3. Jh): μήτε νίκαν πολέμωι εἶναι μήτ᾽ ἐν γᾶι μήτ᾽ ἐν θαλάτται. – „(im Falle des Eidbruchs), soll (uns) kein Sieg im Krieg, weder zu Lande noch zu Wasser, (vergönnt) sein.“ 325 Chaniotis (1996a), 76. 326 Vgl. Chaniotis (1996a), 68–75 und Brulé (2005), 161 f., der hier auf ersterem beruht. 327 Chaniotis (1996a), 68. Beispiele sind Hestia, Zeus Agoraios und Athena Polias bzw. Poliouchos. 328 Vgl. Chaniotis (1996a), 69, s. auch Brulé (2005), 161. Die Kategorie II ist die schwächste der von Chaniotis eingeführten, da ihr mit Zeus Oratrios (= Rhatrios oder Wratrios) nur eine Gottheit zweifelsfrei zugeordnet werden kann und die Definition nicht trennscharf ist: Als „Gottheiten, die als Zeugen die Vereinbarung schützen“ (Chaniotis [1996a], 69), fungieren schließlich alle im Rahmen einer invocatio angerufenen Götter. 329 Zur dritten Kategorie gehören die oben angeführten olympischen Gottheiten, wenn sie ohne Epitheton genannt werden, sowie Amphitrite und Enyalios. Die vierte Kategorie wird durch Zeus Kretagenes, Zeus Idaios oder Idatas, die Kureten und Nymphen sowie durch Welchanos gebildet, der als Eidgottheit zum ersten Mal in SEG LIV 841 (Eleutherna-Rhaukos, 3. Jahrhundert, s. Appendix I) auftaucht (vgl. zu diesem Willetts [1962], 250 f., Capdeville [1995],
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kretischer Prägung greifen,330 der in religiosis die verschiedenen Identitätsebenen eines kretischen Politen sichtbar werden lässt. Auch in politicis differierten diese Ebenen ja je nachdem, wo sich der Bewohner einer kretischen Stadt gerade aufhielt. Während auf Kreta immer die lokale Identität als Gortynier, Lyttier oder Knossier entscheidend war, bezeichnete man sich außerhalb der Insel gegenüber anderen Griechen als Kreter, häufig ohne dabei auf die eigene Heimatpolis zu verweisen.331 Für diese Arbeit sind nun aber gerade die verschiedenen religiösen Identitätsebenen von besonderem Interesse, wie sie sich in den kretischen Schwurgötterlisten ausdrücken. Der Charakter des kretischen Polytheismus lässt sich dabei auch in seinem historischen Werden greifen. So tauchen in den Formeln mit Britomartis, Diktynna und Welchanos ja noch minoische Gottheiten auf, die nirgends sonst im antiken Griechenland bezeugt sind und deren Auftreten die Folge eines spezifisch kretischen Akkulturationsprozesses darstellt.332 Zugleich lässt sich in den kretischen Schwurgötterlisten so gut wie in keiner anderen griechischen Region das Zusammenspiel, aber auch Spannungsgefüge zwischen den verschiedenen Ebenen des griechischen Polytheismus fassen. Einzigartig sind die kretischen Götterlisten also nicht nur wegen ihrer Länge. Es kommt aber noch ein weiterer, ganz entscheidender Aspekt hinzu: Die kretischen Listen widersetzen sich der in hellenistischer Zeit auch in der religiösen Absicherung von Vertragseiden um sich greifenden Tendenz zur Vereinheitlichung.333 Keine Liste gleicht exakt einer anderen, die Pluralität der angerufenen Gottheiten übersteigt den sonst üblichen Rahmen bei weitem.334 Kreta bleibt damit in dieser Hinsicht von der hellenistischen ‚Koiné‘, hier verstanden im Sinne einer übergrei155–288, Machaira [1997] und Perlman [2000], 88, Anm. 119). Die lokalen Gottheiten (V), „deren Kult nur für einen Vertragspartner eine besondere Bedeutung hatte bzw. deren wichtigstes Heiligtum“ auf dessen Gebiet lag (Chaniotis [1996a], 70), sind zu zahlreich, als dass sie hier alle aufgeführt werden müssten. Für eine vollständige Auflistung vgl. ebd. Beispiele für Gottheiten, die für eine einzelne kretische Region wichtig waren (VI), lassen sich mit Zeus Diktaios, Britomartis und Athena Samonia besonders in Ostkreta finden. 330 So auch Brulé (2005), 162 („polythéisme crétois“). 331 Vgl. Chaniotis (2004), 110. 332 Vgl. Chaniotis (2004), 45. Das Gesagte ließe sich auch an den Götterepitheta nachvollziehen – und doch ist es signifikant, dass die drei im Fließtext genannten Götter eben nicht mit einer olympischen Gottheit identifiziert werden, sondern jeweils als eigenständige Gottheit in den Listen auftreten. 333 Vgl. zu dieser Vereinheitlichung, die verschiedene Lebensbereiche umfasst, unter denen die Sprache bekanntermaßen herausragt, und die zugleich mit dezidiert individualistischen Tendenzen in einem gewissen Spannungsverhältnis steht, Gehrke (42008), 76. 334 Chaniotis (1996a), 71 zählt „37 Götter bzw. Epitheta“ (eine Auflistung derselben ebd., Anm. 391), denen als Nummer 38 jetzt noch Welchanos hinzuzuzählen ist. Zum Vergleich: Alle anderen griechischen Regionen kommen in diesem Zeitraum zusammen auf gerade einmal 24 Gottheiten, unter denen sich acht allgemein-griechische (Zeus, Ge, Helios, Poseidon, Demeter, Apollon, Ares, Athena Areia), fünf regionale (Zeus Hamarios, Athena Hamaria, Aphrodite; Zeus Basileus, Hera Basileia), neun lokale (Aphrodite Stratonikis, Apollon em Pandois, Apollon Didymeus, Artemis Leukophryene, [Artemis] Parthenos, die Götter in Samothrake, Hera [Ithomata?], Meter Sipylene, Zeus Ithomatas) und zwei eng mit einer Dynastie verbundene ([Artemis] Tauropolos, die Tyche des Königs Seleukos) befinden. Vgl. dazu ausführlich Kap. IV.2.2.–5.
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fenden ‚gemeinsamen kulturellen Ausdrucksweise‘, an die es sich in anderen Bereichen „nur beschränkt und eher oberflächlich“335 anpasste, vollkommen unberührt. Woraus erklärt sich nun aber die feste Reihenfolge, nach der die Schwurgottheiten in den kretischen Staatsverträgen angeordnet sind? Es lässt sich mit Chaniotis postulieren, dass die oben skizzierte, den Listen ‚immanente Hierarchie‘ „mit der Gründung des Kretischen Koinon“336 zusammenhängt, da ein festes Schema in den Listen erst seit dem zweiten Viertel des 3. Jahrhunderts auftritt und damit nicht vor der Gründung des Bundes nachweisbar ist. Nach diesem Modell hätten die Poleis „für ihre bilateralen Verträge den Grundstock der im Eid des Kretischen Koinon enthaltenen Liste übernommen und durch ihre jeweiligen lokalen Götter ergänzt.“337 Eine solche Hypothese lässt sich zwar nicht letztgültig beweisen,338 es lässt sich jetzt allerdings auf die Parallele des Delisch-Attischen Seebundes verweisen: Wie im letzten Kapitel gezeigt werden konnte, gab es schon beinahe zweihundert Jahre zuvor einen Staatenbund, in dem auf dieselben für alle Mitglieder verbindlichen Schwurgottheiten zurückgegriffen wurde.339 Der Unterschied liegt nur darin, dass die Athener ihre Bündner in hegemonialer Weise zur Anrufung ihrer eigenen athenischen Eidgötter zwangsverpflichteten, während man es auf Kreta mit einer freiwilligen und konsensual beschlossenen Übernahme der Bundesgötter durch die einzelnen Poleis zu tun hätte. Gemeinsame Eidgötter eines Bundes sind im Hellenismus zudem ein häufig zu beobachtendes Phänomen,340 leider fehlt schlicht das Vergleichsmaterial für die religiöse Absicherung bundesinterner Verträge. In dieser Hinsicht sind die kretischen Zeugnisse einzigartig. Die angeführte Erklärung für die konstante Grundstruktur der kretischen Schwurgötterlisten muss daher trotz der neuen Parallele eine, wenn auch plausible, Hypothese bleiben. Zusammenfassend ist zum einen auf das bloße Faktum des besonderen Charakters der kretischen Vertragseide hinzuweisen: Nirgends sonst finden sich derartig lange Listen mit so vielen verschiedenen Schwurgottheiten, die so zahlreiche Epitheta tragen; nirgends sonst sind die ‚anti-deceit clauses‘ so häufig, die Exsekrationsformeln so wortreich und in Bezug auf die regionale Lebenswelt so aussagekräftig – man denke nur an die Bedeutung der Viehwirtschaft und des Meeres, die in den Fluch- und Schwurgötterformeln zum Ausdruck kommt. Zum anderen gilt es, die Erklärungsmöglichkeiten für diesen spezifisch kretischen Befund festzuhalten: Die Vielzahl von politisch mehr oder weniger unabhängigen Siedlungen auf relativ engem Raum führte gerade in hellenistischer Zeit zu zahlreichen Kriegen. Dass die schiere Zahl epigraphisch erhaltener kretischer Staatsverträge just in dieser Zeit förmlich explodierte,341 mag hierfür ein Indiz sein. Die Absicherung eines 335 Chaniotis (2004), 98. 336 Chaniotis (1996a), 76. 337 Chaniotis (1996a), 76. 338 Diese Einschränkung macht auch Chaniotis (1996a), 76 selbst. 339 Vgl. Kap. IV.1.4. 340 Vgl. etwa StV III 499 (Orchomenos-Achaier, um 234 oder 199–190), IG IX 1, 98 (BoioterLokrer, nach 196). S. dazu ausführlicher Kap. IV.2.4. 341 So sind an kretischen Staatsverträgen aus klassischer Zeit allein StV II 147 f. (Knossos-Tylissos auf argivische Vermittlung; um 450?) und StV II 216 (Gortyn-Rhizenia, 5. Jahrhundert) auf uns gekommen. Vgl. Chaniotis (1996a), 3.
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Bündnisses stellte im hellenistischen Kreta jedenfalls eine besondere Herausforderung dar. Dies erklärt die Länge der Schwurgötterlisten, die in dieser Hinsicht deutlich über andere griechische Vertragseide hinausgehen. Innerhalb der kretischen Listen konnten zudem nicht nur eine relativ konstante Götterhierarchie, sondern auch jeweils zusammenhängende Göttergruppen ausgemacht werden.342 Einige Gottheiten erwiesen sich dabei als spezifische Schwurgottheiten einzelner Poleis – so etwa Athena Oleria für Hierapytna. Dezidiert lokale Schwurgottheiten tauchten in kretischen Vertragseiden im Vergleich zur übrigen griechischen Welt überhaupt sehr häufig auf. Zu betonen ist ferner der klar zu beobachtende Aushandlungscharakter der gemeinsamen Schwurgötterlisten, der sich etwa daran zeigte, dass keine Liste einer anderen vollkommen glich. Letztlich verdeutlichen die kretischen Vertragseide in besonders anschaulicher Weise die Richtigkeit eines vor einigen Jahren von Pierre Brulé geäußerten Diktums: „le polythéisme est intelligible.“343 IV.2.2. „Daher halte ich es für gut, dass ihr schwört den Eid, den wir geschickt haben.“344 Hellenistische Vertragseide unter Beteiligung griechischer Alleinherrscher Wendet man sich nun den außerhalb Kretas geleisteten Vertragseiden aus hellenistischer Zeit zu, so sticht sehr schnell die Prädominanz eines Phänomens ins Auge, das in vorhellenistischer Zeit noch kaum anzutreffen ist: Gemeint sind Vertragseide mit griechischen Alleinherrschern.345 Zwar sind aus vorhellenistischer Zeit durchaus Verträge erhalten, die unter Beteiligung von Alleinherrschern geschlossen wurden, diese traten aber, der relativen Seltenheit der Herrschaftsform im griechischen Bereich entsprechend, nur vereinzelt auf. Beinahe vollkommen fehlen zu dieser Zeit Vertragseide mit Alleinherrschern, bei denen auch die Eidgottheiten erhalten wären,346 obgleich die genannten Verträge mit Sicherheit ebenfalls beschworen wurden. 342 Ersteres beruht, wie deutlich geworden sein dürfte, auf Chaniotis (1996a), letzteres auf Brulé (2005). 343 Brulé (2005), 163. 344 StV III 428, Z. 65 f. S. zu dieser Inschrift Kap. IV.2.2.3. 345 Diese werden im Folgenden aus forschungspraktischen Gründen, deren fundamentum in re in einer Gleichheit der Schwurgötter und Verwandtschaft der verwendeten Klauseln besteht, unter dem Begriff des ‚Alleinherrschereides‘ zusammengefasst. Der früheste Beleg für einen Alleinherrschereid, bei dem die Eidgottheiten erhalten sind, findet sich in StV II 260 = HGIÜ II 218 (Maussollos und die Phaseliten, 377/ 76–353/ 52). Dabei handelt es sich bezeichnenderweise um einen Vertrag mit einer nichtgriechischen Partei. S. zu diesem ausführlich Kap. VI.2. 346 Die beiden einzigen Ausnahmen liegen chronologisch sehr dicht beieinander. Es handelt sich zum einen um den Vertrag zwischen Philipp II. und den Chalkidiern aus dem Jahre 357 (StV II 308) und zum anderen um ein Bündnis zwischen den Athenern und den Königen Ketriporis von Thrakien, Lyppeios von Paionien und Grabos von Illyrien (StV 309 = HGIÜ II 242), das in das Jahr 356 datiert. Der unter Philipps Führung geschlossene Korinthische Bund von 337, von dem Teile der Eide fragmentarisch erhalten sind (StV III 403 I = HGIÜ II 256), ist schon der hellenistischen Zeit zuzuweisen.
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IV. Empirischer Teil. ‚Gleiche‘ und ‚ungleiche‘ Eide
Neben diesen Eiden mit Alleinherrschern sind im Hellenismus zwar auch Eidesleistungen zwischen verschiedenen Poleis oder unter Beteiligung von Bünden und Koina bezeugt, diese machen aber nur einen eher geringen Anteil der hellenistischen – nicht-kretischen – Vertragseide aus. Im Folgenden stehen daher zunächst die Eide mit Alleinherrschern im Mittelpunkt der Untersuchung. Der hier verwendete Begriff der ‚Alleinherrschaft‘ oder des ‚Alleinherrschers‘ ist bewusst offen gewählt. Unter ihm lassen sich ganz verschiedene Herrschaftsformen subsumieren, die von der basileia eines hellenistischen Königs bis zur lokalen Dynastie eines mehr oder weniger abhängigen Kleinherrschers wie Eupolemos in Karien reichen konnten. Der Terminus wird hier gebraucht, um eine – möglichst neutrale – Bezeichnung für das Regieren eines Einzelnen zu verwenden, die unabhängig ist von der Annahme oder Verleihung eines Titels (basileus).347 Das entscheidende Kriterium, das alle die im Folgenden als ‚Alleinherrscher‘ bezeichneten Herrschaftsträger eint, ist ihr Auftreten als autonomer Vertragspartner: Jeder dieser ‚Alleinherrscher‘ leistete Eide und schloss Verträge in seinem eigenen Namen für das Gebiet, das unter seiner Kontrolle stand – und nicht als Repräsentant einer Polis oder eines Koinon, bei denen jeweils die Bürger das Gemeinwesen konstituierten. Spezifisches Kennzeichen der hellenistischen Alleinherrschaft war es nun, wie Hans-Joachim Gehrke in einem einflussreichen Aufsatz unter Rückgriff auf das Charisma-Konzept Max Webers herausgearbeitet hat, dass die Legitimation der Herrschaft in extremer Weise von der Sieghaftigkeit des Monarchen abhing.348 Der hellenistische König war in Webers Kategorien ein „charismatischer Herrscher“, dessen Legitimation im Krieg stets aufs Neue bewiesen werden musste.349 Sieghaftigkeit stellte zwar in der Vormoderne immer eine zentrale Qualität eines Herrschers dar, der Grad ihrer Bedeutung konnte aber durchaus variieren. Da nun Alexander, Vorbild und Bezugspunkt aller späteren hellenistischen Alleinherrscher, sein Großreich mit dem Schwert erworben hatte, mussten auch seine Nachfolger 347 Vgl. zu dem Begriff der ‚Alleinherrschaft‘ und den verschiedenen Formen des ‚ruling alone‘ vom archaischen bis hellenistischen Griechenland jetzt Luraghi (2013). 348 Gehrke (1982); vgl. jetzt auch Gotter (2008); wenig erhellend sind die Ausführungen von Meissner (2000). Vgl. zum Charakter der hellenistischen Monarchie ferner Kaerst (1898), Goodenough (1928), Zancan (1934), Schubart (1936), Ritter (1965), Errington (1978), Briant (1979), Mooren (1983), Austin (1986), Seibert (1991), Billows (1995), Gruen (1996), Bringmann (2000), Heckel (2002), Ma (2003a), Virgilio (²2003), Chaniotis (2005a), 57–77, Haake (2012) und jetzt die den Hellenismus betreffenden Beiträge aus dem wichtigen, von Nino Luraghi herausgegebenen Sammelband von Gotter (2013), Haake (2013a), (2013b), Trampedach (2013) und Walthall (2013). 349 Schlagend ist in dieser Hinsicht Suda s. v. βασιλεία (Β 147): „Weder Abstammung noch Recht bringen den Menschen die Königsherrschaft, sondern die Fähigkeit, ein Heer zu kommandieren und die Staatsgeschäfte vernünftig zu lenken. Das zeigte sich an Philipp und den Nachfolgern Alexanders. Denn dem natürlichen Sohn (Philipp Arrhidaios) nutzte seine Verwandtschaft nichts wegen seiner Geistesschwäche. Diejenigen aber, die in keiner (verwandtschaftlichen) Beziehung zu ihm (Alexander) standen, wurden Könige fast der gesamten bewohnten Welt.“ Die Passage nimmt folgerichtig in Gehrkes (1982), 253 Argumentation eine zentrale Rolle ein und wird auch von Gotter (2008), 176 angeführt, ihr inhaltlicher Gehalt, wenn auch nicht die Formulierung, stammt mit Sicherheit aus dem Hellenismus (vgl. ebd., Anm. 16).
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auf diesem Gebiet erfolgreich sein. Der Aspekt der imitatio Alexandri spielte mithin eine nicht zu unterschätzende Rolle. Jedenfalls hatte ein hellenistischer König, um seine Machtstellung zu etablieren, Kriege zu führen und sich als ein erfolgreicher Heerführer zu erweisen. Zu diesem Zweck musste er beinahe zwangsläufig immer wieder auch bestehende Verträge und Eide brechen, konnte er doch nicht einfach darauf vertrauen, dass ihm die Gegenseite einen, wenn auch nur formal, ‚gerechten‘ Kriegsgrund lieferte. Wie konnten nun in einem solchen Kontext, in dem die innere Stabilität einer Herrschaft mit erfolgreicher Kriegführung derart unmittelbar verknüpft war, religiös fundierte Sicherungsmechanismen wie der Vertragseid funktionieren? Es steht zu fragen, ob in Bezug auf die hellenistischen Schwurgötterformeln tatsächlich der Aspekt der religiös-kultischen Fundierung der jeweiligen Vereinbarung von entscheidender Bedeutung war oder ob es nicht vielmehr – zumindest auch – um etwas ganz anderes, nämlich die Implementierung von Herrschaft, ging. Zur Untersuchung dieser Frage werden im Folgenden die sprachlichen Besonderheiten der religiösen Absicherung von mit Alleinherrschern geschlossenen Verträgen der hellenistischen Zeit in den Blick genommen, wobei zunächst solche Vertragseide im Mittelpunkt stehen werden, an deren Abschluss neben einem Alleinherrscher auch Söldnertruppen beteiligt waren. In einem zweiten Schritt sollen im Anschluss Verträge untersucht werden, die ausschließlich zwischen Herrschern und griechischen Städten geschlossen wurden. IV.2.2.1. Alleinherrscher und Söldner IV.2.2.1.1. Eupolemos und die Theangeleer Als der früheste hellenistische Beleg für einen Vertrag mit Beteiligung eines griechischen Alleinherrschers, bei dem die Eidgötter erhalten sind, gilt gemeinhin ein Bündnis (συνθήκαι) zwischen Eupolemos und den Theangeleern,350 das herkömmlich in die Zeit nach dem Jahr 310 datiert wird, wobei neuere Studien allerdings einen Abschluss im ersten Dezennium des 3. Jahrhunderts für wahrscheinlicher halten.351
350 StV III 429 (= HGIÜ II 277). Die wichtigsten Editionen sind Rostovtzeff (1930), (1931), Robert (1935) und (1936), Nr. 52. S. ferner Couvenhes (2004), 107–109 und Austin (²2006), Nr. 33. 351 Die Datierung des Vertrags ist umstritten. Sie hängt von Fragen um die Person (ein Eupolemos oder mehrere Eupolemoi in Diod. XIX 68,5–7 und 77,6) und Herrschaft des Eupolemos in Karien (Vertreter Kassanders oder unabhängiger karischer Dynast) ab. Während Imhoof-Blumer (1908), 260, Rostovtzeff (1931), 23 f. und Robert (1936), 71, 77 das karische Wirken des Eupolemos in die Zeit zwischen 320 und 310, genauer in die Jahre 316/ 15–314/ 13, setzten, plädiert Buraselis (1982), 11–22 für eine Datierung in die Jahre 311/ 10–302/ 01 (Eupolemos als „Vorposten“ makedonischer Interessen [ebd. 18]). Neuere Ansätze verorten seine Herrschaft dagegen im frühen 3. Jahrhundert (vgl. Billows [1989], Gregory [1995], 26., Kobes [1996], 92 f., 126–128, 175–180 und Fabiani [2009], 67, 74; s. aber auch Descat [1998], Couvenhes [2004], 82–86). Ein hilfreicher Forschungsüberblick zu Eupolemos findet sich bei Fabiani (2009), 61–65.
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Eupolemos352 erscheint in den Quellen als eine schillernde Persönlichkeit, die nicht nur unabhängig Verträge abschloss,353 sondern auch eigene Münzen prägte.354 Als ehemaliger General Kassanders und von ihm eingesetzter στρατηγὸς ἐπὶ τῆς Ἑλλάδος verschaffte er sich wohl nach Asandros, der bis 313 amtierte, und zunächst neben Kassanders Bruder Pleistarchos eine eigene Herrschaft in Karien.355 In den Zeitraum dieser dynastischen Herrschaft gehört auch der hier zu besprechende Vertrag, da in ihm von einem eigenen Territorium des Eupolemos die Rede ist.356 Die anderen Vertragspartner sind neben Eupolemos einerseits die Theangeleer und andererseits die in der Stadt befindlichen ehemaligen Söldner des Eupolemos unter der Führung von Philippos, Damagathos und Aristodemos.357 Eupolemos leistete seinen Eid folgerichtig πρὸς τὴν πόλιν τὴν Θεαγγελέων καὶ τοὺς στρατιώτας τοὺς ἐν Θεαγγέλοις.358 Bei dem Bündnis handelt es sich inhaltlich um einen „Kapitulationsvertrag“359, mit dem sich Theangela der Herrschaft des Eupolemos unterwirft. Es ist nun auf den ersten Blick überraschend, dass der Vertrag einseitig von Eupolemos beschworen wurde,360 war dieser doch die eindeutig stärkere Vertragspartei. Zudem sind in den Eid besondere Instrumente der Absicherung eingebaut, die 352 Wahrscheinlich handelt es sich bei Eupolemos um den Sohn des Simalos, wie er uns als Dedikant eines andron in einer neuen Inschrift aus Iasos begegnet (Fabiani [2009], 66 f.), und nicht – wie Robert (1936) aufgrund einer Identifizierung desselben mit einem aus einer iaseischen Ehreninschrift (I.Iasos I 32) bekannten Εὐπόλεμος Πωτάλου Μακεδών vermutet hatte – um den Sohn des Potalos. Zumindest gelingt es Fabiani (2009), 66–74, plausible Indizien für ihre Hypothese zusammenzutragen. 353 Diesen Aspekt betont auch Fabiani (2009), 73, die die Rolle des Eupolemos im Vertrag mit den Theangeleern als „pienamente autonomo, capace di stringere accordi, ed unica vera controparte della città e dei mercenari“, beschreibt. 354 Zu den Münzprägungen des Eupolemos vgl. Kobes (1996), 231–237, Descat (1998), 170– 174, Ashton (1998), 33 f., 47 f. und (2004), 43–46. Der Avers der Münzen zeigt drei makedonische Schilde mit Lanzenschaft, der Revers ein Schwert und die Legende ΕΥΠΟΛΕΜΟΥ. 355 In die Nähe von Kassander und Pleistarchos rückt den Eupolemos auch ein Fluchtäfelchen aus Athen, das in die Jahre 307–304 datiert und Demetrios von Phaleron, Kassander, Pleistarchos und Eupolemos gemeinschaftlich verflucht (Jordan [1980], 229–236 = SEG XXX 325; vgl. zu dieser Inschrift auch Habicht [1985], 78–82 und Kobes [1996], 92 m. Anm. 15). 356 StV III 429, Z. 17: διὰ τῆς Εὐπολέμ[ου]; zu den verschiedenen Deutungsvarianten dieses Ausdrucks Fabiani (2009), 73. Die entscheidende Frage ist, ob es sich um eine selbständige dynastische Herrschaft oder eine an Eupolemos verliehene chora basilike handelt. Aufgrund der eigenen Münzprägung und des Rechts, in eigenem Namen Verträge abzuschließen, erscheint die erste Variante plausibler. So auch Brulé (2005), 157 („Eupolémos plus ou moins dynaste“). 357 Die drei Söldnerführer erscheinen in den Z. 7–10 (StV III 429). Unter ihnen ist Aristodemos dadurch herausgehoben, dass die unter seiner Führung stehenden Soldaten nicht nur – wie die anderen auch – den Sold für vier Monate erhalten, sondern ein zusätzliches Donativ von zwei Monaten. 358 StV III 429, Z. 24 f. 359 Kobes (1996), 177. 360 Zwar ist der Stein nicht vollständig erhalten, die Einseitigkeit der Eidesleistung des Eupolemos ergibt sich aber zwingend aus der Tatsache, dass die Stele nur im oberen Teil gebrochen, unten aber vollständig erhalten ist. Nach dem Eid des Eupolemos konnte somit kein weiterer folgen.
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ebenfalls verwundern: Dabei handelt es sich insbesondere um die Zusicherung des Eupolemos, dass er die Theangeleer nicht an der Aufstellung des Vertrags in einem Heiligtum ihrer Wahl hindern werde – eigentlich eine pure Selbstverständlichkeit. Wörtlich heißt es da im Eid des Eupolemos: (…) καὶ οὐ κωλύσω τὴν πόλιν ἀναγράψαι τὰς / συνθήκας καὶ τὸν ὅρκον ὃν ὠμώμοκα ἐν στήληι καὶ στῆσαι ἐν ἱερῶι / ὧι ἂν βούλωνται ἐν Θεαγγέλοις· (…) und ich werde die Stadt nicht daran hindern, aufzuzeichnen den Vertrag und den Eid, den ich geschworen habe, auf eine Stele und diese aufzustellen in einem Heiligtum nach dem Belieben der Theangeleer.361
Eine solche Klausel ist bemerkenswert, da sie zwei sonst immer unverbundene Mittel der religiös-kultischen Absicherung eines Vertrags, nämlich Eid und Publikationsklausel, miteinander verknüpft. Sie ist zudem ohne Parallele in einem griechischen Vertragseid und als „ein Zugeständnis an das Sicherheitsbedürfnis der Stadt“362 – und wohl auch der Söldner – zu deuten; denn gerade seine Position der Stärke erlaubt es ja dem Eupolemos, auf einen Eid der Gegenseite zu verzichten. Er kann seine Forderung nach Übernahme der Stadt jederzeit durchsetzen und hat es daher nicht nötig, die andere Seite eidlich zu verpflichten. Die Theangeleer wie die Söldner bedürfen dagegen umso mehr eines solchen Unterpfandes. Dass für dieses Unterpfand eine so außergewöhnliche Verbindung von Eid und Publikationsformel Verwendung findet, erklärt sich, wenn man eine weitere Besonderheit des Vertrags berücksichtigt: Trotz des auffallend großen Argwohns der Theangeleer gegenüber Eupolemos lässt sich keine der für ein solches Misstrauen sonst charakteristischen ‚anti-deceit clauses‘ finden. Genau diese Funktion erfüllt nun bei genauerem Hinsehen der Schwur des Dynasten, die Politen nicht an der Aufstellung der Vertragsstele im Heiligtum zu hindern. Die Klausel geht auf ein präzise formuliertes Verdachtsmoment zurück und soll eine ganz bestimmte Manipulation des Eupolemos verhindern. Eine weitere zusätzliche Absicherung des Vertrags bestand darin, dass Eupolemos den Vertrag nicht nur siegeln sollte, sondern diese Siegelung der synthekai vorher eidlich zusichern musste.363 Das Sicherungsinstrument der Siegelung wird damit selbst noch einmal – in Form eines religiösen Rekurses – abgestützt. Ein bloßes Versprechen des Eupolemos genügte den Theangeleern ganz offensichtlich nicht. Das Auftauchen an einer anderen Stelle wäre nach dem Aufbau des Vertrages ganz ungewöhnlich. 361 StV III 429, Z. 27–29. Vgl. zu dieser Klausel Heuss (1934), 230. Darüber, dass sie eingehalten wurde, legt die bloße Existenz der Vertragsstele, die vom Burgberg Theangelas stammt, Zeugnis ab. 362 Schmitt (1969), 46; s. auch Ma (²2002), 170. 363 Vgl. StV III 429, Z. 25–27: καὶ σημανοῦμαι τὰς / συνθήκας ἃς πεποίημαι πρὸς Θεαγγελεῖς καὶ ἀποδώσω ἐσφραγισ/μένας Θεαγγελεῦσι (…). – „(…) und ich werde mit mit meinem Siegel bekräftigen den Vertrag, den ich geschlossen habe mit den Theangeleern, und werde ihn aushändigen mit dem Siegel den Theangeleern (…).“ Vgl. zu dieser Klausel Heuss (1934), 230.
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Doch nicht nur die Theangeleer waren misstrauisch. Auch Eupolemos versuchte, sich der Treue des Vertragspartners zu versichern. Er setzte dazu aber nicht auf das religiös fundierte Instrument des Vertragseides, sondern suchte sich die Treue der unterworfenen Politen und besonders der Söldner zu erkaufen, indem er direkte Geldzahlungen364, Ackerland in einem als „Pentachora“365 bezeichneten Gebiet und Zollvergünstigungen bei der Durchreise durch sein Territorium (Atelie)366 als Gegenleistung für die „Soldaten, die abmustern wollen“367, versprach. Offenbar hielt er gerade in Bezug auf die Söldner die Gewährung materieller Vorteile für das denkbar beste Unterpfand, um sie dauerhaft an sich zu binden oder zumindest für den Augenblick ruhig zu stellen.368 Dies wirft ein bezeichnendes Licht auf die Mentalität des Eupolemos und noch mehr auf die Art und Weise, wie Söldner zu dieser Zeit von ihren Arbeitgebern eingeschätzt wurden. Söldner waren jedenfalls schwerer durch Eide zu binden als Polisbürger, da bei ihnen das Prinzip der repräsentativen Schwurleistung nicht funktionieren konnte: Eine Truppe von Söldnern bildete eben kein Gemeinwesen, das nach dem Konzept der göttlichen Vergeltung auch noch Generationen später von der Rache der Götter heimgesucht werden konnte. Söldner musste man daher individuell schwören lassen und dabei nach Möglichkeit jeden einzeln verpflichten.369 Ein solches Vorgehen gestaltete sich allerdings umständlich und zeitintensiv und dürfte selbst bei einer äußerst minutiösen Durchführung nicht dieselbe Wirkung erzielt haben wie ein zur richtigen Zeit ausgegebenes Donativ oder eine Landschenkung. Es gab somit einen ganz praktischen Grund, der gegen eine Eidesleistung der Söldner sprach. Zudem hätte ein solcher Eid leicht als ein Loyalitäts- oder Fahneneid missgedeutet werden können – und gerade das konnte er ja nach dem Inhalt des Vertrags, sprich: der Abmusterung der Söldner, nicht mehr sein. Daneben galten Söldner, was nicht überraschen kann, auch nicht gerade als zuverlässige Vertragspartner – ihr ureigenes Interesse konnte niemals wirklich auf die Beendigung eines Krieges gerichtet sein, es sei denn, sie wurden so großzügig entlohnt, wie sich dies in dem hier diskutierten Vertrag greifen lässt. Aber nicht nur die Söldner, sondern auch ein Alleinherrscher wie Eupolemos galt offenbar aufgrund seiner Machtfülle als wenig vertrauenswürdig. Darauf deu364 S. StV III 429, Z. 7–10, wo von Sold und einem Donativ die Rede ist. 365 StV III 429, Z. 20 f. 366 StV III 429, Z. 15–17 (Atelie). 367 StV III 429, Z. 15 f.: τῶν δὲ στρατιω/[τ]ῶν τοῖς βουλομένοις ἀ̣ πίναι (…). Vgl. zu diesen Klauseln Chaniotis (2005a), 84. 368 Zu der konfliktreichen Beziehung zwischen Alleinherrschern und Söldnern im hellenistischen Kleinasien vgl. Griffith (1935), 142–193, Launey (1950), 1058–1063, Lévêque (1968), Kobes (1996), 164–204, Couvenhes (2004) und bes. Chaniotis (2005a), 62–68. 369 So etwa in dem Abkommen zwischen Eumenes I. von Pergamon und aufständischen Söldnertruppen (s. u.). Eumenes versucht hier in einer ganz ähnlichen Situation, sich seine Söldner durch besonders harte Eidesklauseln zu versichern. Man vgl. als Parallele zudem den römischen Kaisereid, der von jedem einzelnen Soldaten zu leisten war und der – gerade in seiner östlichen Ausprägung – auf hellenistischen Vorbildern beruht. S. zu diesem immer noch grundlegend Herrmann (1968), der 21–49 ausführlich auf die Frage nach der griechischen Herkunft der Eidesformeln eingeht.
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tet nicht nur die außergewöhnliche Eidesklausel, die die Publikation des theangeleischen Vertragsexemplars sichern sollte, hin, sondern auch die Tatsache, dass im Vertragstext die Eidesleistung und die Soldzahlungen des Eupolemos als Voraussetzung für seine Übernahme der Stadt und des Burgbergs festgeschrieben wurden: ὅταν δὲ ὀμόσηι Εὐ[πόλ]εμος Θεαγγελεῦσιν καὶ τοῖς στρατιώταις / ἐμμενεῖν ἐν τοῖς ὡμολογημένοις καὶ τὰ ὀψώνια ἀποδῶι τοῖς στρατιώταις, / παραλαμβανέτω τὴμ πόλιν καὶ τὰς ἄκρας. Wenn Eupolemos den Theangeleern und den Soldaten den Eid geleistet hat, festzuhalten an den Vereinbarungen, und den Sold den Soldaten ausgezahlt hat, soll er die Stadt und die Gipfelforts übernehmen.370
Nach dem Vertragstext musste Eupolemos also zunächst seine Vertrauenswürdigkeit und seinen guten Willen beweisen, bevor auch die Theangeleer bereit waren, ihren Teil der Abmachung zu erfüllen. In dieser Klausel spiegelt sich der Gang der Verhandlungen wider, in deren Verlauf die Theangeleer offenbar auf Zusicherungen des Dynasten beharrten.371 Solche Zugeständnisse konnten sie ihm nur deshalb abringen, da der Burgberg aufgrund seiner Lage militärisch nahezu uneinnehmbar war.372 Eupolemos hätte sich somit auf eine Strategie des Aushungerns verlegen müssen, die vielleicht irgendwann zum Ziel geführt hätte. Beschleunigen ließ sich die Entwicklung aber durch eine Kapitulation der Stadt. Hierin dürfte der Trumpf bestanden haben, den die Theangeleer in den Verhandlungen ausspielten, um aus ihrer Sicht hinreichende Zusicherungen von Eupolemos zu erhalten. In seinem Eid ruft Eupolemos Zeus, Ge, Helios, Ares, Athena Areia und die Tauropolos sowie alle Götter und Göttinnen als Schwurgottheiten an. Die Wahl ist signifikant: Während die ersten drei Gottheiten eine gängige griechische Eides trias repräsentieren, verdienen gerade die im Anschluss genannten Götter besondere Aufmerksamkeit. Das Paar Ares und Athena Areia – letztere als erste in der Liste mit Epitheton angerufen – betont den militärischen Charakter der Vereinbarung und passt gut zu einem Mann, der nicht nur den bezeichnenden Namen ‚Eu-polemos‘373 trägt, sondern dessen Münzprägungen zugleich eine starke Affinität für das Kriegswesen verraten.374 Dieselbe Affinität wird man auch für die Söldnertruppen voraussetzen dürfen. Noch wichtiger ist allerdings die letzte Gottheit, die als einzige mit Artikel und allein mit ihrem Epitheton bezeichnet wird: Gemeint ist (Artemis) Tauropolos. Sie taucht hier und in einigen in etwa zeitgleichen Verträgen zum ersten Mal als Eidgottheit auf.375 Es ist dabei nicht zufällig, dass der Eid von einem makedo370 StV III 429, Z. 18–20. 371 So auch Schmitt (1969), 46. 372 Zu der Topographie und den Stadtmauern Theangelas vgl. Bean – Cook (1955), 112–116, Taf. 16a (Stadtmauer), 145–147; Bean – Cook (1957), 89–96, bes. 91 (Stadtplan) und Taf. 21a-e (Tetrapylon und Stadtmauern). 373 Der militärische Charakter des Vertrags wird auch von Fabiani (2009), 64, Anm. 25 hervorgehoben, wenn sie von einem „contesto tutto militare del trattato con Theangela“ spricht. 374 Vgl. zu den Münzprägungen des Eupolemos Anm. 354. 375 Vgl. für die Evidenz die Tabelle I im Anhang dieser Untersuchung.
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nisch-stämmigen Dynasten geleistet wird.376 So berichtet Diodor von schriftlichen Anweisungen Alexanders des Großen, nach denen Artemis Tauropolos prominent unter den wichtigsten makedonischen Gottheiten figurierte, für die nach seinem Willen Tempel errichtet werden sollten. Dort heißt es: τοὺς δὲ προειρημένους ναοὺς ἔδει κατασκευασθῆναι ἐν Δήλῳ καὶ Δελφοῖς καὶ Δωδώνῃ, κατὰ δὲ τὴν Μακεδονίαν ἐν Δίῳ μὲν τοῦ Διός, ἐν Ἀμφιπόλει δὲ τῆς Ταυροπόλου, ἐν Κύρνῳ δὲ τῆς Ἀθηνᾶς· Die erwähnten Tempel sollten entstehen auf Delos, in Delphi und Dodona, in Makedonien zu Dion für Zeus, in Amphipolis für (Artemis) Tauropolos und in Kyrnos für Athena.377
Das Vorhaben wurde zwar aufgrund des plötzlichen Todes Alexanders nicht mehr verwirklicht; gleichwohl lässt sich aus den Plänen ableiten, dass Alexander dem Kult der Tauropolos zumindest zum Ende seiner Regierungszeit eine große Bedeutung beimaß. Es ist nun auffällig, dass die Göttin auch bei Diodor allein mit ihrem Epitheton bezeichnet wird, während die anderen Gottheiten als Zeus und Athena angesprochen werden. Diodor stimmt somit in einem gleichsam en passant erwähnten Detail mit einem typischen Aspekt der Schwurgötterliste des Eupolemos-Vertrags überein, der in der Folge in hellenistischen Alleinherrschereiden kanonisch werden sollte.378 Dies dürfte kein Zufall sein und spricht für eine Verbindung zwischen Alexanders Plänen und dem späteren Aufkommen der Tauropolos als Eidgottheit. Es lässt sich somit eine wichtige Rolle der Tauropolos im makedonischen Pantheon seit dem Ende der Regierungszeit Alexanders beobachten, an die sich unmittelbar die Aufnahme der Gottheit in die Schwurgötterlisten griechischer Alleinherrschereide anschloss.379 Es bestand mithin ein Zusammenhang zwischen Alexanders Wertschätzung dieser Gottheit und ihrer Einreihung unter die Schwurgötter. Die Integration der Tauropolos in die Schwurgötterlisten kann damit als ein bewusster Akt der Anknüpfung späterer Alleinherrscher an Alexander verstanden werden.380 Und auch die Position, an der diese Gottheit innerhalb der Schwurgötterlisten auftritt, dürfte nicht ganz zufällig gewählt sein. Wie Fritz Graf in einer überzeu376 Die makedonische Herkunft des Eupolemos wird auch von Fabiani (2009) nicht in Frage gestellt, obwohl nach ihrer Interpretation mit I.Iasos I 32 der wichtigste Beleg für die Abstammung des Eupolemos aus Makedonien wegfällt. 377 Diod. XVIII 4,5. Vgl. zu dieser Passage Brulé (2005), 158. Von Liv. LXIV 44,4 wissen wir, dass ein solcher Tempel für Artemis Tauropolos gegen Ende des 3. Jahrhunderts tatsächlich existierte; s. auch die Weihung SEG XXXI 614 aus dem Amphipolis des Jahres 179. 378 Ein noch früheres Beispiel für einen Vertragseid, bei dem Tauropolos unter den Schwurgöttern aufgeführt wurde, findet sich in dem Sympolitieeid, den sich die Herakleier vom Latmos und die Pidaseer zwischen 323 und 313 gegenseitig leisteten (Wörrle [2003a]). Das Auftreten der Tauropolos in diesem Eid lässt sich jetzt als ein neues Argument für die überzeugende These von Philippe Gauthier (BE [1999], Nr. 462; zustimmend Wörrle [2003a], 132) anführen, dass die Sympolitie auf die Initiative des karischen Dynasten Asandros zurückging, der die Politen des neuen Gemeinwesens damit durch die Wahl der Eidgötter auch auf sich verpflichtet hätte. 379 Für die Beispiele, in denen Tauropolos als Schwurgottheit in griechischen Vertragseiden bezeugt ist, vgl. Tabelle I im Anhang dieser Untersuchung. 380 Ein in gewisser Hinsicht vergleichbares Phänomen stellt die besondere Beziehung der makedonischen Könige zu Zeus dar, s. hierzu le Bohec-Bouhet (2002).
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genden, strukturalistischen Untersuchung aller für den Tauropolos-Kult bezeugten Rituale gezeigt hat, kommt diesen Ritualen die „Funktion einer Markierung“381 zu – und genau diese Funktion nimmt die Tauropolos auch in den Schwurgötterlisten ein: Sie markiert den Übergang von den individuell aufgelisteten Gottheiten zu der abschließenden kollektiven Götterformel.382 Auch die wenigen Ausnahmen, in denen die Tauropolos sogar noch nach der kollektiven Götterformel auftaucht, mag man im Sinne einer Markierung interpretieren: einer Markierung des Übergangs von Krieg zu Frieden. Dies wiederum passt sehr gut zu dem Sinn der mit dem Tauropolos-Kult verbundenen Rituale, den Graf in einer „Redintegration“ und der Stiftung eines neuen Zusammenhangs erblickt.383 Dieser neue Zusammenhang ist deshalb vonnöten, da die bezeugten Tauropolos-Kulte dadurch miteinander verwandt sind, dass „[i]n allen (…) ausgespielt [wird], wie in den Alltag der Gesellschaft etwas Fremdes, Unheimliches einbricht und diesen Alltag für eine kurze Weile suspendiert.“384 Der Einbruch des Fremden in die eigene Alltagswelt stellte nun mit Sicherheit auch für Alexander eine der zentralen Herausforderungen dar. Vielleicht ist darin der Grund für seine Förderung des Tauropolos-Kultes zu sehen. Für den späteren Siegeszug der Tauropolos als Eidgottheit dürfte dann allerdings in erster Linie der blutige und furchteinflößende Charakter ihres Kultes verantwortlich gewesen sein, der sich besonders gut eignete, den Vertragspartnern das Konzept der göttlichen Vergeltung umso eindrücklicher vor Augen zu führen.385 Ihr Auftauchen im 4. Jahrhundert bettet sich zudem gut in die in Kap. III.2. skizzierte religionsgeschichtliche Entwicklung ein, nach der in diesem Jahrhundert die Vorstellung von der göttlichen Vergeltung gegenüber Eidbrechern noch weiter ausgebaut wurde.386 Als auffälligstes Merkmal des Vertrags zwischen Eupolemos und den Theangeleern lässt sich das tiefe Misstrauen festhalten, das die Bürger und Söldner dem als übermächtig empfundenen „condottiere“387 entgegenbrachten und das zu einer beispiellosen Form der religiösen Absicherung der Vereinbarung führte. Zudem taucht in dem Abkommen mit der Anrufung der Tauropolos erstmalig eine Gottheit auf, die für den Typus des Alleinherrscheides von ganz entscheidender Bedeutung werden sollte. IV.2.2.1.2. Ptolemaios I. und die Iaseer In etwa zu derselben Zeit, in welcher der Vertrag zwischen Eupolemos und Theangela besiegelt wurde, schloss auch Ptolemaios I. Soter388 mit der Stadt Iasos und 381 Graf (1979), 41. 382 Für die Belege vgl. Tabelle I. 383 Graf (1979), 41. 384 Graf (1979), 41. 385 Zu dem besonders abschreckenden Charakter der für den Tauropolos-Kult bezeugten Rituale vgl. nur Eur. Iph. T. 1450–1468 (m. Graf [1979], 33 f., 37 f.). 386 Es genügt an dieser Stelle, auf das Aufkommen der Praxidikai in dieser Zeit hinzuweisen (vgl. Kap. III.2.). 387 Brulé (2005), 157. 388 Zu Ptolemaios vgl. Bevan (²1968), 18–55, Seibert (1969), Ellis (1994), Hölbl (1994), 14–
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den Söldnerführern Machaon, Hieron und Sopolis ein Bündnis ab.389 Die Grundkonstellation beider Verträge ist sehr ähnlich, da jeweils drei Vertragspartner – ein Alleinherrscher, eine Polis und Söldnertruppen unter drei namentlich angeführten Kommandanten390 – auftreten. Allerdings ist die Rolle des Alleinherrschers im Falle des in Iasos gefundenen Vertrags eine andere, nicht zuletzt, da sich die Inschrift aus zwei verschiedenen Vereinbarungen zusammensetzt: einerseits der ewigen Symmachie zwischen Ptolemaios und den Iaseern und andererseits den zwischen den Iaseern und den Söldnertruppen geschlossenen homologiai.391 In Bezug auf letztere fungiert Ptolemaios als eine gleichsam übergeordnete und vermittelnde Instanz, die die Übereinkunft absichern soll.392 Ptolemaios übt in der Inschrift somit eine ungewöhnliche Doppelfunktion aus: Er ist einerseits Vertragspartei und andererseits Garant der Vereinbarung.
31, Hazzard (2000), 103–106, Huss (2001), 90–250 und Caroli (2007); zu seinen Münzprägungen: Kuschel (1961), Zervos (1967). 389 I.Iasos I 2 (= HGIÜ II 278). Die editio princeps stammt von Pugliese Carratelli (1967– 1968), Nr. 1 A, B, Z. 1–6, einige Verbesserungen des Textes gehen auf eine Neulesung der Inschrift durch Garlan (1972), 223 und (1975), 193 f. zurück; vgl. ferner Pugliese Carratelli (1969–1970), 400, BE (1971), Nr. 620; (1976), Nr. 651 (Robert – Robert) und Giovannini (2004), 70–74. Zu einzelnen inhaltlichen Aspekten der Inschrift s. ferner Wörrle (1977), 50 f., Mastrocinque (1979), 28–32, Hauben (1987), 3–5 und Schuler (2007), 386 f. – Der Vertrag wird gemeinhin in die Jahre 309–306 datiert (s. etwa Bagnall [1976], 89–91, Chandezon [2004], 135 f.). Den terminus ante quem bildet die Annahme des Königstitels durch Ptolemaios im Jahre 305 (Blümel [1985], 18). Giovannini (2004), 79 datiert wenig plausibel in das Jahr 305. Der Vertrag könnte, wenn die Spätdatierung des Eupolemosvertrags richtig ist, sogar noch kurz vor diesem anzusetzen sein. 390 Unter den drei Söldnerführern im Vertrag aus Iasos scheint Machaon eine herausgehobene Position einzunehmen, da ihm die Übergabe der Gipfelforts zukommt (I.Iasos I 2, Z. 17). Zu ptolemäischen Söldnern s. Griffith (1935), 108–141, Heinen (1973), bes. 106 f. und Winnicki (1985). 391 Der Terminus homologiai wird im Vertrag tatsächlich konsequent auf die Vereinbarungen zwischen den Iaseern und den Söldnern angewandt: I.Iasos I 2, Z. 36 f.: ἐμμενῶ ταῖς ὁμολογίαις ἃς πεποίημαι πρὸς Ἰασεῖς (in dem zwischen den Söldnern und den Iaseern geleisteten Eid), Z. 43–45: διαφυλάξω τὰς / ὁμολογίας ἃς πεποίηνται Ἰασεῖς πρὸς Μαχάονα καὶ Ἱέρωνα καὶ Σώπολιν καὶ τοὺς / τούτων στρατιώτας καὶ πρὸς τοὺς ἄλλους τοὺς ἐν ταῖς ὁμολογίαις γεγραμμένους (im Eid des Ptolemaios); allein die Verwendung der Verbalform ὡ̣μολόγηται in Z. 18 bezieht sich auf eine Vereinbarung, an der auch Ptolemaios über seine Gesandte direkt beteiligt ist (Übergabe der Gipfelforts vonseiten der Söldner an Ptolemaios). In Z. 25 steht einmal symbolai (πρὸ τῶν συμβολαίων). Die ewige Symmachie zwischen Ptolemaios und den Iaseern findet sich Z. 31: συ[μμάχους] ἔσεσθαι Πτολεμαίωι καὶ τοῖς ἐγγόνοις αὐτοῦ ε[ἰς] / τὸν ἀεὶ χρόνον (Iaseer gegenüber Ptolemaios) und Z. 49 f.: συμμαχήσω / κ̣αὶ αὐτῶι (sc. Ptolemaios) καὶ ἐγγόνοις εἰς τὸν ἀεὶ χρόνον (Iaseer gegenüber Ptolemaios). Zudem heißt es in I.Iasos I 3 (= HGIÜ II 279), Z. 3 an einer Stelle, an der deutlich auf den hier zur Debatte stehenden Vertrag Bezug genommen wird, Iasos befinde sich ἐν συμμαχίαι. 392 Zu der Vermittlerrolle des Ptolemaios Caroli (2007), 180.
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Die homologiai393, die unter dem Schutz des Ptolemaios stehen, der sie auch beschwört,394 beinhalten eine Sicherheitsgarantie ([ἀ]σφάλεια) für die Söldner,395 die Zusicherung ausstehender Soldzahlungen durch die Iaseer, das Recht der Ansiedlung in Iasos und zugleich freies Geleit bei Abzug – sowohl zu Lande als auch zu Wasser. Gegenseitig sichern sich beide Seiten zudem einen Beschwerdeverzicht in Bezug auf solche Anklagepunkte zu, „die in den früheren Zeiten entstanden sind vor der Übereinkunft“396, eine Art Amnestieklausel397. Es folgen weitere Sicherheitsgarantien für Frauen und Kinder, die nur fragmentarisch überliefert sind, sich nach der Logik der Passage aber auf die Familien namentlich genannter Bürger von Iasos beziehen dürften.398 Im Rahmen der Symmachie sichert Ptolemaios den Iaseern Freiheit399 und Autonomie zu und erhält dafür im Gegenzug nach der reziproken Logik der Passage loyale Symmachoi, die sich verpflichten, ihm „und seinen Nachkommen“400 treue Kampfgenossen zu sein.401 Ferner soll ihm die Stadt mitsamt den Gipfelforts übergeben werden, worin offenbar kein Gegensatz zu der in dem Dokument mehrfach wortreich beschworenen Besatzungsfreiheit gesehen wurde. Um all diese Vereinbarungen abzusichern, wird in der Inschrift nicht mit Schwüren gegeizt: Diese beginnen mit einer Paraphrase des Symmachieeides der Iaseer gegenüber Ptolemaios, der auf der Stele sogar zweifach auftaucht402 und an den ein Eid der Söldnerführer und ihrer Soldaten gegenüber den Iaseern unmittelbar anschließt,403 gefolgt wiederum von der Bestimmung, dass die Iaseer den Söldnern denselben Eid leisten sollen.404 Ein Eid des Ptolemaios, die homologiai zu überwachen,405 beschließt diese erste Gruppe von Schwüren, die alle mit Ausnahme des ersten Eides die Vereinbarungen zwischen den Iaseern und den Söldnern absichern sollen. Eine zweite Gruppe besteht aus gegenseitigen Eiden der Iaseer406 und des Ptolemaios407. 393 394 395 396
I.Iasos I 2, Z. 32–41. I.Iasos I 2, Z. 41–46. I.Iasos I 2, Z. 18–21. I.Iasos I 2, Z. 24 f.: αὐτῶν τῶν ἐν τ̣ο̣ῖ̣ς / ἔ̣μπροσθεν χρόνοις γεγενη[μένων πρὸ τ]ῶν συμβολαίων. 397 So auch Blümel (1985), 16 („Amnestie-Vereinbarungen“). 398 I.Iasos I 2, Z. 25–29. Anders Blümel (1985), 16, der sie wenig überzeugend auf „die Witwen verstorbener Offiziere und ihre Kinder“ bezieht. 399 Diese wird näher definiert als Besatzungs- und Abgabenfreiheit (I.Iasos I 2, Z. 6 f.; 29–32; 50 f.; 55). Die Bedeutung dieser Klausel hebt hervor Ma (²2002), 170: „(…) the liberty of the city was included in these oaths as an essential condition for the cooperation beween city and ruler.“ 400 I.Iasos I 2, Z. 31: Πτολεμαίωι καὶ τοῖς ἐγγόνοις αὐτοῦ, Z. 50: κ̣αὶ αὐτῶι (sc. Ptolemaios) καὶ ἐγγόνοις. 401 Vgl. I.Iasos I 2, Z. 29–32, wo der Schwur der Iaseer in indirekter Rede paraphrasiert wird, und Z. 48–52 (Eid der Iaseer in der 1. Ps. Sg.) sowie Z. 53–55 (Eid des Ptolemaios). 402 Vgl. die vorige Anm. sowie Tabelle I im Anhang dieser Untersuchung. 403 I.Iasos I 2, Z. 34–40. 404 I.Iasos I 2, Z. 40 f. 405 I.Iasos I 2, Z. 41–46. 406 I.Iasos I 2, Z. 47–52. 407 I.Iasos I 2, Z. 52–55. Den Abschluss der Inschrift bildet mit der fragmentarisch erhaltenen Pu-
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In diesen Schwüren werden gleich viermal dieselben Eidgottheiten angerufen, die damit in der Inschrift dreimal in nahezu identischer Form wiederholt werden. Die Liste besteht aus Zeus, Ge, Helios, Poseidon, Apollon, Demeter, Ares, Athena Areia, allen Göttern und Göttinnen sowie der Tauropolos.408 Die Formel ist analog zu der von Eupolemos verwendeten gebildet,409 erweitert sie allerdings um Poseidon, Apollon und Demeter. Zudem wird Tauropolos in der Liste stärker hervorgehoben, indem sie erst nach der kollektiven Götterformel auftaucht. Derartige Unterschiede in Bezug auf die Eidgötter fallen allerdings insgesamt kaum ins Gewicht, vielmehr sticht eine Ähnlichkeit der Schwurgötterformeln im Vergleich zu denjenigen aus dem Eupolemos-Vertrag ins Auge. Diese Ähnlichkeit wird noch deutlicher, wenn man den Überlieferungskontext der Inschrift aus Iasos berücksichtigt. So finden sich auf derselben Stele unterhalb der genannten Vereinbarungen zwei Briefe der ptolemäischen Funktionäre Aristobulos und Asklepiodotos an die Stadt Iasos.410 Beide Briefe enden jeweils – für diese Inschriftengattung ganz ungewöhnlich – mit einem Eid der Funktionäre,411 in dem Zeus, Ge, Helios, Apollon, Ares, Athena Areia, alle Götter und Göttinnen und die Tauropolos angerufen werden. Es fehlen wie im Eid des Eupolemos Poseidon und Demeter, deren Nennung wie die des Apollon offenbar fakultativ war.412 Inhaltlich bestätigen die Eide der beiden ptolemäischen Funktionäre zwar die Freiheit und Autonomie der Iaseer, bringen aber zugleich die Frage nach einer Tributleistung auf, für die das an den Zweiten Attischen Seebund erinnernde Wort σύνταξις blikationsklausel (Z. 61) ein weiteres Instrument der religiösen Absicherung der Vereinbarungen. Als Aufstellungsort wird ein Heiligtum des Zeus genannt (καὶ στῆν̣αι ἐν τῶι τοῦ Διὸς ἱερῶι), bei dem es sich um das Heiligtum des Zeus Megistos in Iasos handeln könnte, von dem in I.Iasos II 219, 220 die Rede ist. 408 I.Iasos I 2, Z. 35 f.; 42 f.; 48 f.; 53 f. Wenn die Listen doch einmal voneinander abweichen, handelt es sich dabei allein um grammatische Variationen (so Ποσειδῶ [Z. 35, 42, 53] und Ἀπόλλω [Z. 35, auch: I.Iasos I 3, Z. 11, 22] neben Ποσειδῶνα [Z. 48] und Ἀπόλλωνα [Z. 42, 48, 53]; vgl. Blümel [1985], 16 [mit philologischem Kommentar]). S. auch Tabelle I im Anhang dieser Untersuchung. 409 StV III 429, Z. 22–24. 410 I.Iasos I 3 (= HGIÜ II 279), vgl. auch die Anm. 389 gelistete Literatur. Die Briefe sind auf einem nicht anpassenden Fragment auf derselben Marmorstele wie die Vertragsvereinbarungen erhalten (Blümel [1985], 12). In beiden Briefen trägt Ptolemaios bereits den Königstitel, weshalb sie etwas später als die oberhalb verzeichneten Vertragsvereinbarungen datiert und damit in das Jahr 305 (oder später) gesetzt werden. Den inhaltlichen Zusammenhang zwischen den Vertragstexten und den Funktionärsbriefen betont Giovannini (2004), 74–77. 411 Eine Parallele für einen solchen Vertragseid am Ende eines Briefes eines griechischen Beamten ist nicht bekannt. Am ehesten vergleichbar ist noch der Brief des Antigonos Monophthalmos aus Skepsis über seinen Friedensschluss mit Kassander, Lysimachos und Ptolemaios (StV III 428 = HGIÜ II 276), in dem er aus dem Eid der koine eirene von 311 zitiert und den Schwur (mit Autonomieklausel) zugleich an die Skepsier verschickt (A, Z. 51–72, B, Z. 38–45). 412 Eine Erklärung hierfür mag man darin finden, dass Poseidon als Eidgottheit ja überhaupt erst im 4. Jahrhundert aufkommt und somit noch ein gleichsam ‚junger‘ Schwurgott ist (vgl. Brulé [2005], 156), während Demeter leicht wegfallen kann, wenn zuvor Ge genannt ist – dasselbe gilt für Apollon nach Helios. Beide fungieren in den Schwurgötterlisten zumeist als Ersatz für Ge und Helios und sollen symbolisieren, dass sich der Eidbrüchige weder vor der Sonne noch in der Erde verstecken kann.
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gebraucht wird.413 Teil des vorhergehenden Symmachievertrags war dagegen ursprünglich noch die Zusicherung der Abgabenfreiheit für die Iaseer gewesen. Offensichtlich hatten sich die Verhältnisse seitdem geändert, so dass die Iaseer zwar ihre Hafenzölle zukünftig behalten durften, sie aber gleichwohl einen Beitrag zahlen mussten, „wie der König ihn festsetzt.“414 Dieser ist somit der eindeutig stärkere Partner, die Autonomie der Iaseer eine „von Königs Gnaden“415. Eine so beschaffene machtpolitische Ausgangslage erklärt wohl auch die Häufigkeit und Eindringlichkeit, mit der auf ein und derselben Stele immer wieder dieselben Schwurgötterlisten angeführt werden. So finden sich mit den Eidgöttern der beiden Funktionäre auf der Stele insgesamt sechs Schwurgötterlisten, von denen vier identisch sind und die beiden letzten nur geringfügig von den anderen abweichen. Es ist kein Zufall, dass vier dieser Listen zu Eiden gehören, die von ptolemäischer Seite geleistet wurden. Die wiederholte Auflistung stellt ein Zugeständnis an das Sicherheitsbedürfnis der Iaseer als dem eindeutig schwächeren Vertragspartner dar. Das Sicherheitsbedürfnis der Politen spiegelt sich auch darin wider, dass die Iaseer es für notwendig hielten, sich ihre Freiheit und Autonomie dreimal, ihre Einkünfte aus den Hafenzöllen zweimal bestätigen zu lassen. Gerade letzteres ist signifikant, da Asklepiodotos ja wörtlich denselben Eid wiederholt, den vor ihm schon Aristobulos geschworen hatte, beide übrigens jeweils als Antwort auf die Anfrage einer iaseischen Gesandtschaft.416 Aus Sicht der Iaseer blieb ein Eid der Gegenseite somit nicht automatisch gültig, sondern musste von Zeit zu Zeit wiederholt werden, zumindest wenn der zuständige Beauftragte des Königs wechselte.417 Ein weiteres Indiz für die Unsicherheit der Iaseer mag man in der Verwendung der ‚anti-deceit clause‘ ἄνευ δόλου καὶ ἀπάτης418 sehen, der im Eid der ptolemäischen Funktionäre noch die Wendung καὶ λόγωι καὶ ἔργωι419 vorangestellt wird: Gerade die Tatsache, dass diese Klausel in dem Eid der beiden Beauftragten des Ptolemaios somit noch anwächst, zeigt, wie groß das Misstrauen auf der Gegenseite gewesen sein dürfte. Dieser Umstand lässt sich zudem mit der außenpolitischen Großwetterlage erklären: Mit dem Griff nach dem Diadem hatte Ptolemaios im „Jahr der Könige“420 ausdrücklich seine Entschlossenheit demonstriert, auch wenn 413 So überzeugend Schuler (2007), 387: „Die Terminologie (sc. die Verwendung des Begriffes σύνταξις) steht eindeutig in der Tradition des Zweiten Attischen Seebundes und sollte die freie Entscheidung der Stadt für das Bündnis und ihre faire Behandlung unterstreichen. Dennoch ist das starke Ungleichgewicht zwischen den Partnern unübersehbar.“ 414 I.Iasos I 3, Z. 14 f. (Eid des Aristobulos) und 25 (Eid des Asklepiodotos): σύνταξιν δὲ φέρειν αὐτοὺς ἣν ἂν ὁ βασιλεὺς συντάξηι. Schuler (2007), 387 postuliert eine jährliche Zahlung dieser Abgabe. 415 Schuler (2007), 387. 416 Vgl. I.Iasos I 3, Z. 1 f., 19 f. 417 Zu Asklepiodotos als Nachfolger des Aristobulos in der Funktion eines Gouverneurs der Region oder Militärkommandanten Bagnall (1976), 91, 101 und Giovannini (2004), 79. Ein solcher Stellvertreterwechsel ist der plausibelste Grund für den – in Bezug auf den Eid des Aristobulos – wortgleichen Schwur des Asklepiodotos. 418 I.Iasos I 3, Z. 39; 46; 51. 419 I.Iasos I 3, Z. 17, 27 f. 420 Der Begriff geht bekanntlich auf Droysen (1878), 139; 142 zurück; für eine ausgewogene
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er mit diesem Schritt nicht zuletzt seine Niederlage gegen Demetrios in der Seeschlacht von Salamis kompensieren wollte.421 Obgleich seine Position damit realiter geschwächt war, symbolisierte die Annahme des Königstitels nach außen doch das genaue Gegenteil. Sie verdeutlichte auch den Iaseern, dass man es nunmehr nicht nur mit einem ehemaligen General eines Makedonenkönigs, sondern mit einem legitimen Nachfolger Alexanders des Großen zu tun hatte, der in Bezug auf die Reichseinheit bereit war, aufs Ganze zu gehen. Dazu kommt noch, dass ihn die Niederlage bei Salamis unberechenbarer machte. Die Situation hatte sich also zwischen dem Abschluss der Symmachie und den beiden Briefen des Aristobulos und des Asklepiodotos entscheidend verändert. Das Anwachsen der ‚anti-deceit clause‘ trägt dieser Entwicklung und der mit ihr verbundenen Zunahme der Unsicherheit aufseiten der Iaseer Rechnung. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die wiederholte Nennung der Eidgottheiten, wie sie für die Vereinbarungen zwischen Ptolemaios und den Iaseern so charakteristisch ist, der Übereinkunft offenbar einen besonderen Schutz verleihen sollte. Die einmalige Nennung war nicht ausreichend: Die Gottheiten mussten in der invocatio der Schwüre immer wieder alle angeführt werden und wurden nirgends mit einem einfachen Verweis auf die theoi horkioi oder den nomimos horkos abgekürzt. Dieses Beharren auf der wiederholten expliziten Nennung der Götternamen selbst hängt vielleicht mit einer im Magischen gründenden Vorstellung von der absoluten Notwendigkeit einer wörtlichen Aufzeichnung eines Eides zusammen.422 In jedem Fall zeigt sich in den Instrumenten der religiösen Absicherung des Vertrags ein starkes und in den Funktionärsbriefen noch zunehmendes Misstrauen der Iaseer gegenüber dem Alleinherrscher Ptolemaios. IV.2.2.1.3. Eumenes I. und seine Söldner Ein solches Misstrauen ist auch in einem Vertrag förmlich zu greifen, der zwischen dem Attaliden Eumenes I. von Pergamon und aufständischen Truppenkontingenten geschlossen wurde.423 Dieser Vertrag schließt in der Hinsicht eng an die beiden Einschätzung der realpolitischen Bedeutung dieses Ereignisses s. Gehrke (42008), 39; vgl. zudem ausführlich: Müller (1973), 93–105 und Gruen (1985). 421 Vgl. Hölbl (1994), 21, Caroli (2007), 175, letzterer mit dem Verweis auf die Möglichkeit, dass Ptolemaios den Königstitel auch erst 305/ 04 – nach der Belagerung von Rhodos – angenommen haben könnte, und Gehrke (42008), 39. Diod. XX 53,3 scheint allerdings einen unmittelbaren chronologischen Zusammenhang mit der Niederlage von Salamis nahezulegen. Numismatisch ist der basileus-Titel für Ptolemaios seit ungefähr 304 belegt (vgl. Rodriguez [2004], 19, 22, 33 f.), epigraphisch erst posthum (Syll.³ 390, Z. 11), s. dazu Haake (2012), 300 m. Anm. 65. 422 Einen solchen Sinn dürfte auch die dialektal verschiedene Aufzeichnung von Eiden in ein und demselben Dokument haben, die gelegentlich vorkommt, vgl. etwa StV II 263 = HGIÜ II 220 (Athen-Korkyra, 375). Als Parallele zur mehrfach wiederholten Aufzeichnung der Eidgötter in ein und demselben Dokument ließe sich auf den Sympolitieeid StV II 297 = HGIÜ II 287 (Orchomenos-Euaimon, 2. Viertel 4. Jahrhundert) verweisen, in dem viermal dieselben Gottheiten angeführt werden. 423 StV III 481 (= HGIÜ II 327). Vgl. zu der Inschrift die Kommentare von Fränkel (1890), 10– 17 (editio princeps), Dittenberger (1903), 432–441, Reinach (1908), Schmitt (1969), 144–149, Virgilio (1988b), Bagnall – Derow (²2004), 47 f. und Austin (²2006), 402–405
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zuvor diskutierten an, dass auch in ihm erneut Söldner als Vertragspartner auftreten. Im Unterschied zu den Vertragsinschriften aus Theangela und Iasos sind die Söldnertruppen hier allerdings nicht zusätzlicher, sondern alleiniger Vertragspartner eines hellenistischen Alleinherrschers. Der Vertrag ist damit formal nicht zwischen zwei autonomen Völkerrechtssubjekten geschlossen. Dieser Umstand hat bei einem Teil der altertumswissenschaftlichen Forschung zur Aporie geführt: So fragte Hatto H. Schmitt, ob das Abkommen denn dann überhaupt in die Sammlung der „Staatsverträge des Altertums“ aufgenommen werden könne. Schließlich sei es „kein Staatsvertrag im eigentlichen Sinn“424, beinhalte aber doch „alle Formen eines internationalen Vertrags“425. Man merkt Schmitts Formulierungen das Unbehagen mit dem formal ungewöhnlichen Vertragspartner buchstäblich an. Und die Tatsache, dass Söldnertruppen im Hellenismus grundsätzlich als Vertragspartner auftreten konnten und dabei formal wie ein autonomes Gemeinwesen behandelt wurden, bleibt ja auch ein bemerkenswertes und erklärungsbedürftiges Phänomen. Die diesbezüglich entscheidende Frage ist allerdings keine primär völkerrechtliche; vielmehr muss das Phänomen in seiner historischen Dimension in den Blick genommen werden, d. h. es steht zu fragen, wie und warum es zu einem gegebenen Zeitpunkt – in den Quellen greifbar seit dem ausgehenden 4. Jahrhundert – zu konkreten Situationen kam, in denen Söldner und insbesondere deren Kommandanten als ebenbürtige Vertragspartner akzeptiert werden konnten. Eine Antwort auf diese Frage hat viel mit dem grundsätzlichen Charakter hellenistischer Alleinherrschaft zu tun, von dem zu Beginn des Kapitels schon kurz die Rede war. Denn als eigentlicher Vertragspartner tritt ja nicht primär das Kollektiv der Söldner auf, sondern namentlich genannte Kommandanten, seien es Philippos, Damagathos und Aristodemos aus dem Vertrag mit Eupolemos und Theangela sowie Herrmann (1968), 27–29, Chaniotis (2005a), 66, 86–88, Couvenhes (2012) und Williamson (2013), 133–136. Der Vertrag ist unter Eumenes I. anzusetzen, da der Königstitel in der Inschrift fehlt (s. Fränkel [1890], 13), den Eumenes II. im Gegensatz zu seinem Vorvorgänger getragen hat. Während der Regierungszeit Eumenes‘ I. (263–241) lässt sich das Abkommen allerdings chronologisch nicht näher verorten. Frühe Versuche, die auf eine genauere Datierung abzielten, haben sich in der Forschung nicht durchsetzen können (so etwa Fränkel [1890], 13 [bald nach 263], Niese [1899], 156, der in die Jahre 246–241 datiert, oder Meyer [1925], 97–99 [nach 252, dem Jahr als das in der Inschrift als Publikationsort bezeugte Gryneion pergamenisch wurde]; vgl. dazu überzeugend Schmitt [1969], 148 f.). Zu Eumenes vgl. Hansen (²1971), 21–25, Allen (1983), 20–26, Schalles (1985), 46–50, Savalli-Lestrade (1992), Virgilio (1993), 29 f., Kobes (1996), 82 f., 131, 133–136, 185–193, 238 f., 251 f. und Kosmetatou (2003), 161. Gonzalez‘ (1998) Versuch, den historischen Kontext des Abkommens gegen die communis opinio, repräsentiert etwa von Virgilio (1988b), 117– 146, nicht in einer vorherigen Meuterei der Söldner, sondern im Herrscherwechsel von Philhetairos zu Eumenes I. zu sehen, kann nicht überzeugen. Gegen eine Vereidigung der Söldner bei Herrschaftsantritt des Eumenes sprechen die konkreten Forderungen der Söldner zu Beginn der Inschrift, die sich aufgrund ihres spezifischen Charakters (vgl. etwa das Interkalationsverbot für Eumenes [Z. 4–6]) deutlich auf Erfahrungen beziehen, die die Söldner mit diesem Herrscher bereits gemacht haben. In dieselbe Richtung weisen zudem – entgegen der Annahme von Gonzalez – einige Klauseln des Söldnereids (s. u.). 424 Schmitt (1969), 147. 425 Ebd.
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oder Machaon, Hieron und Sopolis wie in den Vereinbarungen mit Ptolemaios und den Iaseern.426 Von diesen Militärkommandanten und condottieri waren aber nun Dynasten wie Eupolemos nicht sehr verschieden: Viele hatten als Heerführer begonnen und sich, gestützt auf ihre Truppen, eine eigene Herrschaft verschafft, die sich nur über militärische Erfolge stabilisieren und legitimieren ließ. Die ‚kleine[n] Herrscher‘427 wie Eupolemos und Eumenes waren damit letztlich nichts anderes als die Kommandanten der Söldnertruppen, mit denen sie Verträge schlossen und sich gegenseitig Eide leisteten, mit dem einzigen Unterschied einer in der Regel größeren Machtfülle. Das Phänomen der Verträge schließenden Militärkommandanten erweist sich somit als ein zeitgebundenes. Es hat zum einen viel mit der großen Bedeutung des Krieges im Hellenismus zu tun und hängt zum anderen konkret mit der Ausbreitung des Söldnerwesens in dieser Epoche zusammen.428 Der Vertrag zwischen Eumenes und den Söldnerführern stellt einen echten Glücksfall der Überlieferung dar, da sich an ihm nicht nur idealtypisch das prekäre Verhältnis zwischen Alleinherrscher und Söldnern untersuchen lässt,429 sondern auch, wie man ein solches religiös abzusichern suchte. Man setzte zu diesem Zweck auf die üblichen Mittel der Aufstellung eines Vertrags in Heiligtümern und der Anrufung von Schwurgöttern. Als Publikationsorte werden Pergamon – und zwar ἐν τῶι τῆς / Ἀθηνᾶς ἱερῶι 430 –, die Apollon-Heiligtümer von Gryneion431 und Delos sowie Mytilene ἐν τῶι τοῦ Ἀσκληπιοῦ432 genannt. Damit werden drei bedeutende 426 Dasselbe Phänomen lässt sich auch im Vertrag mit Eumenes beobachten, in dem vier Anführer der Soldaten – Paramonos, Polylaos, Attinas und Homoloïchos – namentlich erwähnt werden, wobei den ersten beiden jeweils noch eine unbestimmte Zahl von ἡγεμόνες (‚Anführern‘/ ‚Offizieren‘) beigegeben ist (StV III 481, Z. 19–23: Ὅρκος ὃν ὤμοσαν Παράμονος καὶ οἱ / ἡγεμόνες καὶ οἱ ὑφ᾽ αὐτοὺς στρατιῶται οἱ ὄντες ἐμ Φιλεταιρείαι / τῆι ὑπὸ τὴν Ἴδην καὶ Πολύλαος καὶ οἱ ὑφ᾽ αὐτὸν ἡγεμόνες καὶ στ[ρα]/τιῶται οἱ ὄντες ἐν Ἀτταλείαι καὶ Ἀττινᾶς ἱππάρχης καὶ οἱ ὑφ᾽ αὐ/τὸν ἱππεῖς καὶ ολώϊχος καὶ οἱ ὑφ᾽ αὐτὸν Τραλεῖς·). Paramonos und Polylaos sind zudem vor den beiden anderen dadurch herausgehoben, dass sie auch im Eid des Eumenes (Z. 53–61) mit Namen genannt werden, während Attinas und Homoloïchos im Gegensatz zu ihren Truppenkontingenten nicht mehr auftauchen. Stattdessen ist von einem Arkes und einem Philonides die Rede, die allerdings anderen Soldaten vorstehen als Attinas und Homoloïchos. 427 Der Begriff ist in Analogie zu dem von Kobes (1996) im Titel seiner Studie zu den „Lokaldynasten im hellenistischen Kleinasien (323–188 v. Chr.)“ verwendeten der „kleine(n) Könige“ gebildet, der formal problematisch ist, da Kobes sich in vielen Fällen ja gerade auf Herrscher bezieht, die den Königstitel nicht trugen. 428 Vgl. bes. Chaniotis (2005a), 78–101. 429 Zu dem Verhältnis Alleinherrscher-Söldner in diesem Vertrag s. Reinach (1908), Griffith (1935), 172 f., 282–288, Launey (1950), 738–746 und Virgilio (1988b), 117–146. 430 StV III 481, Z. 17 f. 431 Zu dem Apollon-Heiligtum von Gryneion vgl. Hdt. I 149, Strab. XIII 3,5, Paus. I 21,7 und Verg. Ecl. VI 72; s. dazu Parke (1985), 171–176 und Ragone (1990). Als Aufstellungsort einer Inschrift taucht Gryneion auch in der Sympolitie zwischen Smyrna und Magnesia am Sipylos (StV III 492, Z. 85: ἐγ Γρυνέωι ἐν τῶι ἱερῶι τοῦ Ἀπόλλωνος) und in I.Perg(amon) I 158, Z. 32 f. auf. Es erfreute sich in dieser Hinsicht also durchaus einer gewissen Beliebtheit in der Region. Eine hilfreiche Karte, welche die Aufstellungsorte des Abkommens zwischen Eumenes und den Söldnern verzeichnet, findet sich bei Williamson (2013), Taf. 8. 432 StV III 481, Z. 19 f. Der Asklepios-Tempel von Mytilene befand sich auf der dortigen Akropo-
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Heiligtümer aus dem pergamenischen Einflussbereich, der damit gleichsam räumlich abgesteckt wird,433 und mit Delos eine panhellenische Kultstätte angeführt.434 Gerade die Wahl von Heiligtümern, die in der unmittelbaren Nähe der Grenzen des sich ausweitenden pergamenischen Polisterritoriums lagen,435 ist signifikant und verdeutlicht den demonstrativen Charakter, der der Aufstellung von Vertragsinschriften häufig zukommt.436 Ob eines der drei ‚pergamenischen‘ Heiligtümer in besonderer Beziehung zu den Söldnern stand, lässt sich nicht sagen.437 Es fällt auf, dass weder bei Gryneion noch bei Delos näher spezifiziert wird, welchem Gott das Heiligtum untersteht. Im Falle von Delos wohl schlicht deshalb, weil der Apollon von Delos so weithin bekannt war. Eine solche Erklärung passt allerdings weniger auf Gryneion, dessen Apollon in Pergamon nicht mehr oder weniger bekannt gewesen sein dürfte als der Asklepios von Mytilene, auch wenn dessen Heiligtum deutlich jünger war. Vielleicht ist die Erklärung eher andersherum darin zu sehen, dass es in den beiden größeren Städten Pergamon und Mytilene, in denen viele Tempel und Heiligtümer existierten, notwendig war, die Gottheit näher zu spezifizieren.438 Insgesamt lassen sich die Publikationsorte in das gängige Schema einordnen, nach dem sich die Aufstellungsorte einer Vertragsinschrift einerseits aus den Hauptheiligtümern der beteiligten Vertragspartner und andererseits aus Kultstätten von panhellenischer oder überlokaler Bedeutung zusammensetzten.439 Die Schwurgötterformeln bieten die schon bekannte Grundstruktur aus den in Alleinherrschereiden obligatorischen Gottheiten Zeus, Ge, Helios, Ares, Athena Areia, der Tauropolos und der abschließenden Kollektivformel sowie den fakultativen, zwischen Helios und Ares eingefügten Gottheiten Poseidon und Demeter. Bis hierher sind die Eide beider Seiten identisch. Im Eid des Eumenes440 wird allis und stellte „das Hauptheiligtum der Stadt“ (Thraemer [1896], 1673) dar. 433 So auch Williamson (2013), 135 f., 141, die dies ebd., 135, Anm. 70 in Bezug auf Gryneion überzeugend mit einem Verweis auf den Grenzstein AvP I 1, 95 f. (ὅροι Περγαμηνῶν), der aus der unmittelbaren Nähe Gryneions stammt, belegt. 434 Ähnlich schon Dittenberger (1903), 437, der klar gesehen hat, dass Delos als einziger der vier Aufstellungsorte nicht wegen seiner besonderen Verbindung zu Eumenes gewählt worden ist, sondern „quia illud templum prae aliis ab omnium gentium Graecarum hominibus frequentabatur.“ 435 Zu der großen Bedeutung von Grenzheiligtümern für die städtische Identität schon im Zuge der Polisgenese s. De Polignac (1995). 436 Einen ebenfalls demonstrativen, wenn auch anders gelagerten Effekt dürfte die Aufstellung der so zahlreichen Vertragsstelen auf der Akropolis von Athen gehabt haben: Der Besucher sah sich hier gleichsam einer steinernen Wand von Bündnispartnern gegenüber, ein Eindruck, dessen psychologische Wirkung man nicht unterschätzen sollte. Vgl. zu diesem Aspekt Liddel (2003), 80 f., 84. 437 Chaniotis (2005a), 96 f. betont zwar mit Recht die existenzielle Bedeutung der Gesundheit für Söldner. Hieraus lässt sich aber keine besonders enge Verbindung mit dem Asklepieion von Mytilene ableiten. 438 Man beachte allerdings, dass es sich bei beiden Aufstellungsorten, bei denen die Gottheit nicht angegeben ist, um Heiligtümer des Apollon handelt. 439 Dass unter letzteren ein Asklepios-Heiligtum auftaucht, verdeutlicht die Prominenz dieses im 4. Jahrhundert in Pergamon eingeführten Heilkultes schon unter Eumenes I. 440 StV III 481, Z. 51–53.
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lerdings zwischen Demeter und Poseidon zusätzlich Apollon angerufen.441 Man ist sofort geneigt, Apollon aufgrund dieses Befundes als eine Gottheit zu deuten, die in besonders enger Verbindung mit Pergamon, den Attaliden oder Eumenes selbst stünde. Diesbezüglich lassen sich in den Quellen allerdings keine Hinweise finden.442 Bedenkt man nun den fakultativen Charakter, der Apollon in den Schwurgötterlisten der Zeit genauso wie Demeter und mit Abstrichen Poseidon zukommt, so ergibt sich eine andere Interpretation, die in Bezug auf eine solch zentrale Stelle eines wichtigen, offiziellen Dokuments zunächst überraschen mag: Der Vergleich mit anderen Schwurgötterformeln hellenistischer Alleinherrschereide zeigt, dass in diesen die Anrufung der drei Gottheiten Demeter, Apollon und Poseidon so unregelmäßig und beinahe willkürlich erfolgte, dass offenbar sogar Abweichungen zwischen den Götterlisten ein und desselben Vertragseids vorkommen konnten, ohne dass diese intendiert und damit von substantieller Relevanz gewesen wären. Es ist folglich durchaus plausibel, dass die Abweichung entweder auf einen Fehler des Steinmetzes zurückgeht443 oder schlicht nicht als inhaltlich relevant angesehen wurde. Eine solche Erklärung mag zunächst überraschen, ist doch in dieser Arbeit bisher immer grundsätzlich davon ausgegangen worden, dass die Zusammenstellung der Schwurgötterlisten eben nicht arbiträr war, sondern das Ergebnis eines bewussten und mitunter schwierigen politischen Aushandlungsprozesses darstellte. Diese Prämisse hat sich in der Arbeit an den Quellen aus archaischer und klassischer Zeit als absolut tauglich erwiesen. Die Ausweitung der Schwurgötterlisten im Hellenismus brachte nun allerdings eine Akzentverschiebung mit sich, wie sie auch am kretischen Material beobachtet werden konnte: Anfang und Ende der Listen waren nun besonders betont. Es gab zudem einen festen Grundstock, der entweder durch lokale Gottheiten wie auf Kreta oder durch eine Reihe mehr oder weniger beliebig einsetzbarer Gottheiten – wie in den Alleinherrschereiden – aufgefüllt werden konnte. Die Tendenz zur Vereinheitlichung der Schwurgötterlisten in den Alleinherrschereiden, die in den ersten drei oben diskutierten Beispielen schon zum Ausdruck kam und die sich durch eine Vielzahl weiterer Beispiele belegen ließe, brachte es mit sich, dass lokale Schwurgottheiten hier keine Rolle spielten. Dadurch wurden zugleich etwaige Verhandlungen über die Zusammensetzung der Schwurgötterliste obsolet.444 In solchen Fällen war es in politischer Hinsicht tatsächlich 441 Diesen Unterschied zwischen beiden Listen bemerkt auch Williamson (2013), 135, ohne ihm allerdings nähere Beachtung zu schenken. 442 Eine enge Verbindung zu den Attaliden lässt sich über Ducrey (1970), Nr. 2, B = HGIÜ III 437 (Attalos I. und die kretischen Mallaier, um 200) sogar dezidiert ausschließen, da der komplett erhaltene Vertragseid des Attalos mit dem o. g. identisch ist, mit der einzigen Ausnahme, dass hier – wie im Eid der Söldnerführer unserer Inschrift – die Anrufung Apollons fehlt. 443 So schon Fränkel (1890), 16: „In dem Eide des Eumenes tritt zu den Schwurgöttern noch Apollo hinzu (Z. 52), der an unserer Stelle wohl nur aus Versehen fehlt.“ Wie schnell ein solcher Lapsus vorkommen kann, verdeutlicht auf unfreiwillige Weise die Übersetzung der Inschrift in den HGIÜ II 327, nach der beide Schwurgötterlisten identisch wären, da Apollon hier auch im Eid des Eumenes nicht auftaucht. 444 Dies gilt allerdings nur für Alleinherrschereide. Bei Eiden, die etwa bei einem Beitritt zu einem Bundesstaat, bei Verträgen zwischen mehreren koina oder auch zwischen verschiedenen Poleis
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von geringerer Bedeutung, in welcher Zusammensetzung die Eidgötter – gerade in der Mitte der Liste – genau angerufen wurden, da sie nicht mehr mit den einzelnen Vertragspartnern identifiziert wurden.445 Die Schwurgötterlisten des Abkommens zwischen Eumenes und den Söldnern zeigen dies ganz deutlich: Was zählte, war die vorgegebene Grundstruktur der Götterliste mit Zeus, Ge, Helios an der Spitze, Ares und Athena Areia in der Mitte und das Auftauchen der Tauropolos an ihrem Ende. Welche Götter dazwischen noch genannt wurden, war schlicht von nachgeordneter Relevanz. Als ein Zwischenfazit lässt sich festhalten, dass die üblichen Formen der religiös-kultischen Absicherung zwischenstaatlicher Vereinbarungen zwar auch bei einem Abkommen zwischen Truppenführern und einem Alleinherrscher angewandt werden konnten, dass sie bei einer solchen Konstellation aber gleichwohl nicht immer als allein ausreichend angesehen wurden. Vielmehr hatte man mit spezifischen Problemen zu kämpfen: So geht es in den hier diskutierten Abkommen mit Söldnerführern nicht zufällig immer um monetäre Angelegenheiten.446 Diese mussten für Söldner – das liegt in der Natur ihres Handwerks – im Vordergrund stehen, weshalb ein gutes Angebot eines anderen Alleinherrschers immer reizvoll sein musste.447 Es war daher besonders schwierig, eine Vereinbarung mit Söldnern allein mit Treu und Glauben abzusichern. Treulose Söldner sind eben nicht nur ein literarischer Topos,448 ein solcher Wesenszug ist vielmehr in der Natur ihres Berufs bereits angelegt. geschlossen wurden, kamen lokale Eidgötter dagegen weiterhin – manchmal auch ausschließlich zum Einsatz. Zu diesem anderen Typus hellenistischer Vertragseide s. u. 445 Eine Ausnahme stellt in dieser Hinsicht allein die allerdings sehr seltene Aufnahme des Herrschers unter die Schwurgottheiten des Vertrags dar (vgl. hierzu Herrmann [1968], 45–49). Von den beiden einzigen erhaltenen Belegen stammt der eine aus einem Sympolitieeid und ist der andere nach ersterem ergänzt; vgl. StV III 492, Z. 61 (Sympolitie zwischen Smyrna und Magnesia am Sipylos, nach 243: καὶ τὴν τοῦ βασιλέως Σελεύκου Τύχην) und StV III 549b, Z. 6 (Philipp V.-Lysimacheia, 202–197: [καὶ τὴν τοῦ βασιλέως Φιλίππου Τύχην]). 446 Im Vertrag zwischen Eumenes und den Söldnerführern (StV III 481) in den Z. 6–14; vgl. zu diesen Klauseln überzeugend Chaniotis (2005a), 86–88. Trotz der Bedeutung, die die Soldzahlungen in diesem Abkommen einnehmen, irrt allerdings Williamson (2013), 134 f., wenn sie wiederholt davon spricht, der Vertrag sei in seiner Essenz schlicht „a business contract“. Die Formen der Beurkundung sind hier ganz andere als in einem Wirtschaftsabkommen, eben exakt diejenigen, die man seit archaischer Zeit im zwischenstaatlichen Miteinander gebrauchte. Zwar wurden im antiken Griechenland auch im wirtschftlichen Bereich Eide geleistet (vgl. Sommerstein – Torrance [2014], 67–75) – manch fremdem Beobachter sogar viel zu häufig (vgl. Hdt. I 153) –, die Vertragspartner gerierten sich dabei allerdings nicht als autonome Völkerrechtssubjekte und stellten die Verträge auch nicht in Heiligtümern auf. Zudem stehen wirtschaftliche Aspekte zwar bei den Zugeständnissen des Eumenes im Vordergrund, er selbst verlangt aber von den Soldaten etwas ganz anderes, nämlich einen Treueeid. Der Vertrag hat daher zwar durchaus finanzielle Aspekte zum Inhalt; auf diese darf er aber nicht reduziert werden. Vielmehr ist der Aspekt der Herrschaftssicherung des Eumenes von mindestens genauso zentraler Bedeutung. 447 Vgl. etwa Pol. V 50,1; 63,3 f.; 66,5; 67,9; 70,10 f. S. zu diesen Passagen Meyer (1900), 7 f. und Scheuble (2009), 36. 448 Dies scheint in Bezug auf die ptolemäischen Phrurarchen anzunehmen Scheuble (2009).
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Diese Interpretation wird in dem Abkommen zwischen Eumenes und den aufständischen Truppenkommandanten durch das Auftauchen einiger Formeln gestützt, die in Vertragseiden sonst nur sehr selten anzufinden sind. So beginnt der Eid mit einer Versöhnungsformel (διαλύομαι ἀπὸ τοῦ / [βε]λ̣τίστου πρὸς Εὐμένη τὸν Φιλεταίρου)449, auf die eine Loyalitätsklausel folgt, die gleichzeitig den militärischen Charakter des Schwures verdeutlicht und in der emphatischen Betonung des Kämpfens bis in den Tod an den attischen Ephebeneid erinnert.450 Daran schließt eine ausführliche Denunziationsformel an, die sich sonst nur in Bürgereiden oder solchen des Delisch-Attischen Seebundes findet: ἐάν τέ τινα αἰσθάνωμαι ἐπι[β]ουλεύοντα Εὐμένει τῶι Φιλεταίρο[υ] [ἢ ἄ]λλο τι πράσσοντα ἐναντίον ἐκείνωι ἢ τοῖς πράγμασιν αὐτο[ῦ, οὐ]κ ἐπιτρέψω εἰς̣ δύναμιν εἶναι τὴν ἐμὴν καὶ ἐξαγγελῶ πα[ραχρ]ῆ̣μα ἢ ὡς ἂν τά̣χιστα [δ]ύ̣νωμαι τὸν τούτων τι ποιοῦντα [Εὐμέ]νει τῶι Φιλεταίρ̣ο̣υ ἢ ὃν ἂν ὑπολαμβάνω τάχιστα τούτωι [ἐμφανι]εῖν. Wenn ich aber gewahr werde, dass jemand etwas plant zum Nachteil des Eumenes, Sohn des Philhetairos oder sonst etwas Feindliches unternimmt gegen jenen oder seine Interessen, werde ich es nicht zulassen, soweit es in meinen Kräften steht, und werde melden auf der Stelle oder so schnell wie möglich den, der solches tut, dem Eumenes, Sohn des Philhetairos, oder dem, von dem ich annehme, dass er ihn am schnellsten benachrichtigt.451
In dieser Klausel sticht die mehrfache Betonung der Schnelligkeit, mit der die Anzeige einer Verschwörung erfolgen soll, ins Auge (πα/[ραχρ]ῆ̣μα ἢ ὡς ἂν τά̣χιστα452; τάχιστα453). Sie ist ohne Parallele in anderen Vertragseiden und geht auf die schlechten Erfahrungen zurück, die Eumenes mit der Loyalität der Söldner bereits gemacht hat.454 Die Klausel soll zugleich deutlich machen, wie es um die Machtverhältnisse zwischen den Vertragspartnern bestellt ist: Eumenes ist offensichtlich in der Lage, den aufständischen Truppen Loyalitätseide abzufordern, die in der Schärfe ihrer Bedingungen ihres Gleichen suchen.455 Dafür greift er auf 449 StV III 481, Z. 25 f. 450 StV III 481, Z. 26–30: καὶ εὐνοήσω αὐτῶι καὶ / [τοῖς ἐ]κείνου καὶ οὐκ ἐπιβ[ο]υλ[εύ]σω Εὐμένει τῶι Φιλεταίρου οὐδὲ ὅπλα / [ὑπενα]ντία θήσομαι [οὐ]δ’ ἐγκαταλείψω Εὐμένη, ἀλλὰ μαχοῦμαι / [ὑπὲρ α]ὐτοῦ καὶ τῶν̣ πραγμάτων τῶν ἐκείνου ἕως ζωῆς καὶ θανά-/ [του]. – „(…) und ich werde loyal sein gegenüber ihm (sc. Eumenes) und den Seinen, und ich werde nichts planen zum Nachteil des Eumenes, Sohn des Philhetairos, und werde nicht die Waffen gegen ihn heben und werde nicht desertieren von Eumenes, sondern werde kämpfen für ihn und seine Interessen, solange ich lebe und bis in meinen Tod.“ Vgl. zu dem Zeugma ἕως ζωῆς καὶ θανά/[του] Fränkel (1890), 16, der es als „im Leben und Sterben“ fasst. 451 StV III 481, Z. 32–37. 452 StV III 481, Z. 34 f. 453 StV III 481, Z. 36. 454 Ein weiterer Ausdruck dieses Misstrauens des Eumenes, das allerdings mit Sicherheit auf Gegenseitigkeit beruhte, war die ‚anti-deceit clause‘ im Eid der Söldnerführer (StV III 481, Z. 45 f.), die ursprünglich in ähnlicher Form sicher auch Teil des Eides des Eumenes gewesen ist. Sie lautet: οὐδὲ κακοτεχνήσω περὶ τὸν ὅρκον τοῦτον οὐθὲν / οὔτε τέχνηι οὔ̣τε παρευρέσει οὐδεμιᾶι. – „Ich werde nichts Arglistiges unternehmen hinsichtlich dieses Eides mit keinem Kunstgriff und unter keinem Vorwand.“ 455 So wird die an sich schon starke Denunziationsklausel in den Z. 40–45 sogar noch auf weitere
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Klauseln zurück, die ursprünglich aus dem Formular von Bürger- und Ephebeneiden stammen,456 und demonstriert auf diese Weise die Zugehörigkeit der Söldner zu seinem Herrschaftsbereich.457 Eine derartige Formel stellt auch die streng logisch widersinnige Entbindung des gleichnamigen Vetters des Eumenes von seinem Schwur, wie sie im Eid der Söldner beschworen wird, dar.458 Das Auftreten einer solchen Klausel verdeutlicht, welches Verständnis Eumenes und seine Vertragspartner von Eiden hatten: Ein Schwur gilt nicht automatisch für alle Zeit, sondern kann durch einen neuen Eid außer Kraft gesetzt werden. In dieselbe Richtung weist auch die Tatsache, dass, obwohl sechs Militärkommandanten namentlich hervorgehoben werden, ausdrücklich alle Söldner den Eid leisten sollen,459 eine Bestimmung, die in ähnlicher Form in Bürgereiden sehr häufig auftaucht. Dem ὅρκος Εὐμένους fehlen dagegen alle angesprochenen Elemente. Eumenes schwört nur, gegenüber den Soldaten freundlich gesinnt zu sein (εὐνοήσω)460, nichts gegen sie zu planen und seine Vertragspartner nicht auszuliefern.461 Die Eide basieren daher nicht auf gegenseitiger Gleichheit und dem Prinzip der Reziprozität, sondern bilden ein Verhältnis der Über- und Unterordnung ab und stellen ein deBereiche ausgeweitet, indem den Truppenkommandanten in ganz ähnlichen Formulierungen verboten wird, von Feinden einen Brief oder Gesandte aufzunehmen: οὐ λήψο[μ]αι δὲ παρὰ τῶν ἐναντίων οὐδὲ γράμμ[α]/[τα ο]ὐδὲ πρεσβευτὴν προ[σ]δέξομ[α]ι οὔτε αὐτὸς ἀποστελῶ πρὸς αὐτούς̣· / ἐάν τέ τις ἐνέγκηι μοι, τά τε γράμματ’ ἀνοίσω κατεσφραγισμένα καὶ / τὸν ἐνεγκόντα ἀνάξω ὡς ἂν τάχιστα δ̣ύνωμαι πρὸς Εὐμένη τὸν Φιλε/ταίρου, ἢ πρ[ὸ]ς̣ ὃν ἂν ὑπολαμβάνω τάχιστ’ [α]ὐτῶι ἐμφανιεῖν πρὸς τοῦτο[ν] / ἀνάξω καὶ ἀνοίσω. – „Ich werde von den Feinden entgegennehmen keinen Brief noch Gesandte annehmen und auch selbst keine zu ihnen schicken. Wenn aber jemand mir (einen Brief) bringt, werde ich den Brief versiegelt bringen und den Überbringer abführen, so schnell ich kann, zu Eumenes, Sohn des Philhetairos, oder zu dem, von dem ich annehme, dass er ihn am schnellsten benachrichtigt, zu dem werde ich abführen und bringen.“ Man beachte auch hier die Betonung der Schnelligkeit der Anzeige. 456 Die Ähnlichkeit der Formeln des Söldnereides zu Bürgereiden sieht auch Williamson (2013), 133. Allerdings scheint sie sich der Unterschiede zwischen dem Söldnereid und dem des Eumenes nicht gewahr zu sein. 457 Die harten Bedingungen dieses Eides hebt auch Chaniotis (2005a), 66 hervor: „Eumenes presented his concessions as grants from a superior authority and he made sure that the soldiers swore a long oath which obliged them never to abandon him, but rather to die, and to serve him faithfully.“ 458 Vgl. StV III 481, Z. 46–48: παραλύω δὲ καὶ Εὐμένη τὸ[ν] / Ἀττάλου τοῦ ὅρκου καὶ τοὺς μεθ’ αὐτοῦ ὀμωμοκ[ό]τας συντελεσθέν̣/των τῶν ὡμολογημένων. – „Ich entbinde ferner Eumenes, den Sohn, des Attalos, von seinem Eid und diejenigen, die zusammen mit ihm den Eid geleistet haben, sobald erfüllt ist das Vereinbarte.“ Eine entsprechende Klausel findet sich in schärferer Form jetzt auch in dem neuen Amnestieeid der Dikaiopoliten (SEG LVII 576, Z. 82–84). 459 StV III 481, Z. 19–23. 460 StV III 481, Z. 53. 461 StV III 481, Z. 60 f. Unmittelbar darauf bricht der Text unvermittelt ab. Die letzten, nicht mehr erhaltenen Klauseln des Eides des Eumenes dürften sich auf die zu Beginn des Abkommens genannten Bedingungen bezogen haben (vgl. Schmitt [1969], 148), die aber nicht mit den harten Absicherungsklauseln des Söldnereides zu vergleichen sind.
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monstratives, weil nach außen hin deutlich sichtbares, Instrument der Herrschaftssicherung des Eumenes dar.462 Nimmt man nun aber statt der Eide die zu Beginn des Dokuments aufgelisteten Vertragsklauseln näher in den Blick, ergibt sich ein vollkommen anderes Bild: Eumenes macht hier eine Vielzahl von Zugeständnissen, die von einer Festsetzung des Getreide- und Weinpreises, den die Söldner zu zahlen hatten,463 über Nachzahlungen ausstehenden Solds,464 Waisenversorgung (ὑπὲρ ὀρφανικῶν)465 und Steuerfreiheit (ἀτέλεια)466 bis zu einer Zusicherung des Solds (ὀψώνιον) für die nächsten vier Monate467 und zusätzlichen Getreiderationen für als besonders tapfer ausgezeichnete Soldaten, die sog. „Weißpappeln“468, reichten.469 In diesen Vertragsklauseln wird deutlich, worin das reziproke Element des Abkommens bestand: Eumenes erkaufte sich über finanzielle Zusicherungen die Zustimmung der Söldner zu einem auf ihn zu leistenden Treueeid. Es wäre daher in Anbetracht der harschen Eidesklauseln sicherlich zu viel, von einer „ausserordentliche(n) Gefügigkeit des Eumenes“470 zu sprechen, eine gewisse Schwächung der Machtposition des Eumenes ist gleichwohl zu erkennen.471 Es ist bezeichnend, dass jener ganz auf den demonstrativen Charakter des Treueeides setzte: Nicht der eigentliche Inhalt des Abkommens scheint für Eumenes von primärer Bedeutung gewesen zu sein, sondern die demonstrative Unterordnung der Söldner und deren Führer unter seine Herrschaft. Dass auch die Söldner Anlass hatten, Eumenes nicht über den Weg zu trauen, zeigt sich zwar nicht im Eid des Eumenes, dafür aber umso deutlicher in einer ungewöhnlichen Klausel der Vereinbarung, die die Kalenderpolitik des Herrschers zum Inhalt hat: In dieser wird ein für Eumenes geltendes Interkalationsverbot festgeschrieben.472 Die Söldner fürchteten offensichtlich, dass dieser sie durch trick462 In diese Richtung weist auch die zu Beginn des Vertrags (StV III 481, Z. 1 f.) verwendete Terminologie: [ἀξ]ιώματα ἃ ἐπεχ̣[ώρη]σ̣εν Εὐμένης Φιλεταίρο[υ τοῖς / ἐ]μ̣ Φιλεταιρείαι στρατ̣ιώταις καὶ τοῖς ἐν Ἀτταλείαι. Dazu Fränkel (1890), 13 f. 463 StV III 481, Z. 3 f. 464 StV III 481, Z. 6–8. S. zu dieser Klausel insbesondere Virgilio (1988b), 147–149. 465 StV III 481, Z. 8 f. Chaniotis (2005a), 87 spricht diesbezüglich von den „social aspects of mercenary service“. 466 StV III 481, Z. 9–12. 467 So unter Verweis auf eine Parallele im Vertrag zwischen Eupolemos und den Theangeleern (StV III 429, Z. 7–9) überzeugend Chaniotis (2005a), 88. 468 StV III 481, 14 f. 469 Damit sind, wie Chaniotis (2005a), 87 zutreffend beobachtet, in typischer Weise die Hauptprobleme, mit denen Söldner im Hellenismus konfrontiert waren, angesprochen. 470 Fränkel (1890), 13, dessen Formulierung mehr über die zeitgenössischen Vorstellungen, die man sich in wilhelminischer Zeit von Alleinherrschaft und Monarchie machte, aussagen dürfte, als über die hier zur Debatte stehende Inschrift. 471 In diese Richtung denkt auch Chaniotis (2005a), 66: „All this (sc. der Treueeid der Söldner) may have been helpful for saving face, but hardly conceals the fact that the ruler had to succumb to his soldiers’ demands or, potentially, lose his power.“ 472 StV III 481, Z. 4–6: ὑπὲρ τοῦ / ἐνιαυτοῦ· ὅπως ἂν ἄγηται δεκάμηνος, ἐμβόλιμον δὲ / οὐκ ἄξει. – „Hinsichtlich des Jahres (soll gelten), daß es auf zehn Monate ausgelegt wird und es einen Schaltmonat nicht geben wird.“ Chaniotis (2005a), 87 kommentiert nonchalant: „The
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reiches Einfügen eines Schaltmonats um einen Teil ihres Solds bringen würde. In Bezug auf seine Zahlmoral scheint Eumenes, im Gegensatz etwa zu Ptolemaios II.,473 als ‚Arbeitgeber‘ nicht den besten Ruf genossen zu haben.474 Insgesamt lässt sich die Beziehung zwischen Eumenes und den Söldnern als von einem gesunden gegenseitigen Misstrauen geprägt beschreiben. Es bleibt festzuhalten, dass Eide bei Abkommen, an denen Alleinherrscher und Söldner beteiligt waren, mit besonders scharfen Eidesklauseln abgesichert wurden. Das gegenseitige Misstrauen war in diesen Fällen besonders groß und machte ganz neue und gelegentlich kuriose Formen der Absicherung eines Vertrags notwendig wie etwa die eidliche Versicherung des Eupolemos, seine Vertragspartner nicht an der Aufstellung einer Bündnisstele zu hindern. Wohl aus demselben Grund fand zudem häufig ein Vertragsformular Verwendung, das dem von Bürger- und Ephebeneiden verwandt ist, wie insbesondere der Eid der aufständischen Truppensoldaten gegenüber Eumenes I. verdeutlicht. IV.2.2.2. Alleinherrscher und griechische Poleis Bei allen drei in diesem Kapitel bisher untersuchten Vertragseiden spielten Gruppen von Söldnern eine zentrale Rolle. Es wird im Folgenden zu untersuchen sein, wie Bündnisse und Verträge religiös abgesichert wurden, wenn Söldner daran nicht beteiligt waren und stattdessen neben einem Alleinherrscher ausschließlich griechische Städte als Vertragspartner auftraten. Dies berührt das viel diskutierte Problem der städtischen Freiheit im Hellenismus.475 Allein die Tatsache, dass griechische Poleis auch unter der Herrschaft eines hellenistischen Königs autonom Verträge schließen und Eide leisten konnten, zeigt zwar, dass sie zumindest formal nicht vollkommen in den Großreichen der Diadochen aufgingen und eine gewisse außenpolitische Autonomie bewahren konnten. Umstritten ist aber, ob diese Freiheit eine bloß behauptete und der Form halber gewährte darstellte oder ob und inwieweit hellenistische Könige tatsächlich auch in der Praxis die Autonomie und Freiheit der Poleis achteten. Wie auch immer man diese Frage beantworten mag, es ist in jedem Fall evident, dass die Beziehungen von Stadt und König nicht auf völlige Gleichheit angelegt sein konnten. Dafür war der militärische Machtvorsprung der Könige zu groß. Zugleich konnten die Könige ihre Herrschaft aber gerade über die demonstrative rechtliche Anerkennung soldiers (…) made sure that Eumenes would not prolong the year by inserting an intercalary month; this issue had to be clarified in a world in which sophistic interpretations of agreements were not uncommon.“ 473 Theokr. XIV 50–56; s. zu dieser Passage Chaniotis (2005a), 80–82. 474 Vgl. Chaniotis (2005a), 88. 475 Einen guten Überblick über den Gang der Debatte, dessen beiden Pole bereits durch die Arbeiten von Heuss (1937) und Bickerman (1939) markiert wurden, bietet Gehrke (42008), 184– 187. Zustimmend zu Heuss‘ These einer rechtlichen Souveränität der griechischen Poleis etwa Magie (1941), Préaux (1954) und Simpson (1959), klar ablehnend nach Bickerman besonders Orth (1977). S. ferner Giovannini (1977), Boffo (1985), Halfmann (1989), Bertrand (1990), Kralli (2000), Kotsidu (2000), Ma (22002), (2003a), 180 f. und Chaniotis (2005a), 68–72.
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„der traditionellen Gegebenheiten griechischer Polisrealität“476 ausbauen und „die innere Zustimmung“477 ihrer Untertanen gewinnen. In diesem Sinne ‚Freiheitspolitik‘ zu betreiben, war für sie daher mehr als bloße Rhetorik – sie konnten in dem Spiel auch selbst etwas gewinnen.478 Es steht daher zu fragen, auf welche Weise man bei einer solchen politischen Ausgangslage Eide und Verträge absicherte. Stellten die Schwüre echte Treueeide in der Form des Eides der pergamenischen Söldner gegenüber Eumenes I. dar oder handelte es sich um formal reziproke Eidesvereinbarungen? Zur Klärung dieser Frage ist zunächst eine kurze chronologische Rückblende in die Mitte des 4. Jahrhunderts vonnöten: Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass die ersten beiden Alleinherrschereide, bei denen Teile der Schwurgötterliste erhalten sind, noch in die erste Hälfte dieses Jahrhunderts datieren. Die beiden Verträge, bei denen es sich jeweils um eine Symmachie handelt, von denen die eine zwischen Philipp II. und den Chalkidiern, die andere zwischen den Athenern und verschiedenen thrakischen, paionischen und illyrischen Kleinkönigen geschlossen wurde, folgen in dem engen zeitlichen Abstand von nur einem einzigen Jahr aufeinander.479 Es fällt auf, dass die Listen der Eidgötter in beiden Fällen – und damit in Bezug auf Alleinherrschereide von Anfang an – mit der vorher in Vertragseiden nicht üblichen Trias Zeus, Ge, Helios beginnen.480 Diese Trias taucht in Bündnisverträgen vorher nicht auf und tritt damit historisch gleichsam erst mit den Alleinherrschereiden auf den Plan.481 Ihr folgt in beiden Fällen Poseidon, der kurz zuvor – in den 360er Jahren – zum ersten Mal als Schwurgott in einem Vertragseid erscheint.482 Zwar fehlt jeweils noch die Tauropolos als Eidgottheit, was gerade in Bezug auf den Eid Philipps darauf hinweist, dass sie erst seit oder genauer: 476 Gehrke (42008), 185. 477 Ebd. 478 Dass eine solche Politik tatsächlich zu einer dauerhaften Zustimmung seitens der Beherrschten führen konnte, zeigt die Tatsache, dass kultische Ehren für die Könige häufig über deren Tod oder sogar das Ende ihrer Dynastie hinaus Bestand hatten. S. dazu besonders Gauthier (1985), 48 f. 479 Vgl. StV 308 (Philipp II. und die Chalkidier, 357) und 309 = HGIÜ II 242 (die Athener mit den Königen Ketriporis von Thrakien, Lyppeios von Paionien und Grabos von Illyrien, 356). 480 Vgl. StV 308, Z. 5 und 309 (= HGIÜ II 242), Z. 38 f. Im Vertrag zwischen Athen und den genannten Kleinkönigen fehlen zwar die ersten beiden Götternamen, die Ergänzung kann aufgrund der Nennung von Helios allerdings als gesichert gelten. Erhalten ist zwar nur der Eid der Athener, die Gottheiten im Eid der Alleinherrscher waren aber nach der im 4. Jahrhundert noch gängigen Praxis mit Sicherheit dieselben. 481 Die drei Gottheiten tauchen zwar schon bei Homer als Schwurgötter eines Waffenstillstandsvertrags auf (vgl. Kap. II), sind danach aber als Vertragsgottheiten bis zum Auftreten von Alleinherrschereiden nicht nachweisbar. Auch in dem homerischen Waffenstillstandseid sind es zudem Alleinherrscher, die den Schwur leisten. Der erste, bei dem dies wieder zu greifen ist, ist der karische Satrap Maussollos, der zwischen 377 und 352 einen Vertrag mit den Phaseliten schloss (StV II 260 = HGIÜ II 218), in welchem er die drei Gottheiten allerdings in einer ‚falschen‘ Reihenfolge (Zeus, Helios, Ge) anruft. S. zu diesem Aspekt Kap. VI.2. 482 Der früheste sichere Beleg ist StV II 289, Z. 67 (Athen-keische Städte, 362). Zum Aufkommen des Poseidon als Schwurgottheit im 4. Jahrhundert s. Brulé (2005), 156 sowie Funke – Hallof (2013), 63, Anm. 25. Vgl. zudem Tabelle I im Anhang dieser Untersuchung.
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nach Alexander ihren Siegeszug als Schwurgottheit in Alleinherrschereiden antrat. Gleichwohl zeigt sich damit die später nach Ausweis der bisherigen Zeugnisse im Hellenismus kanonische Schwurgötterliste schon in klassischer Zeit angelegt. Der Bündnisvertrag zwischen Philipp II. und den Chalkidiern483 ist für diese Untersuchung zudem noch aus einem weiteren Grund interessant. So findet sich neben der bereits angesprochenen Schwurgötterformel, den Bestimmungen über das Eidopfer484 und der ebenfalls üblichen Publikationsformel – aufgestellt werden soll der Vertrag in Olynth485, Dion486 und Delphi487 – ein weiteres Instrument der religiösen Absicherung der Vereinbarung, das ohne Parallele in einem griechischen Vertrag ist: Dabei handelt es sich um einen dem Bündnis beigefügten Orakelspruch (μαντείη)488, der den Abschluss der Symmachie befiehlt und damit gleichsam göttlich legitimiert.489 Er ist auf dem Stein sowohl graphisch durch ein vacat als auch sprachlich durch die Verwendung eines anderen Dialektes und begrifflich in der Publikationsformel (κἠ᾽ στήλην καὶ τὴμ μαντείην)490 deutlich vom Vertragstext abgegrenzt. Sein primärer Zweck dürfte ein ausdrücklich politischer gewesen sein. So ist davon auszugehen, dass der Orakelspruch, der von Philipp und den Chalkidiern nach Ausweis der Inschrift gemeinsam eingeholt wurde,491 insbesondere in innenpolitischen Auseinandersetzungen in Olynth eine Rolle spielte, um die Sache einer 483 Die in Z. 3 belegten Bundesbeamten weisen darauf hin, dass es sich um einen Vertrag Philipps mit dem Chalkidischen Bund und nicht nur mit den Olynthiern handelt; zu der Rolle Olynths im Chalkidischen Bund s. Zahrnt (1971) und Psoma (2001). Vgl. zu dem Vertrag neben der editio princeps von Robinson (1934) und den Kommentaren von Bengtson zu StV II 308 auch Segre (1935) und Carrata Thomes (1953); zum historischen Hintergrund des Abkommens Zahrnt (1971), 104–107. 484 Vgl. besonders die homerische Wendung τάμνο/[ντας ὅρκια] (Z. 6 f.). Maßgeblich sind nach wie vor die auch von Bengtson in den StV II 308 übernommenen Ergänzungen von Tod, Nr. 158. 485 Olynth ist als Publikationsort der Inschrift zwar ergänzt – sicher ist nach den erhaltenen Fragmenten nur, dass es sich um das Heiligtum einer weiblichen Gottheit handeln muss (StV II 308, Z. 8: Χαλκιδέ[ας μ]ὲν ἀναθεῖν ἐς τὸ ἱε[ρ]ὸν τῆ[ς…]) –, kann aber aufgrund des Fundortes der Inschrift (Myriophyto, das heutige Nea Olynthos, westlich vom antiken Olynth gelegen; vgl. hierzu die Angaben des Ersteditors Robinson [1934], 103) zuverlässig als Aufstellungsort des Exemplars der Chalkidier angenommen werden. 486 Dion stellte zu dieser Zeit demnach das oder zumindest eines der wichtigsten Heiligtümer für Philipp dar, ist es doch nach der plausiblen Ergänzung der Z. 9 ausdrücklich der Makedonenkönig, der sein Vertragsexemplar ἐ]ν Δίοι ἐς [τὸ] ἱερὸν τ[οῦ] Διὸς τοῦ Ὀλυμπίου aufstellen soll. Man beachte die ausdrückliche Nennung des Zeus-Epitheton Olympios. 487 Delphi fungiert hier als ein ‚dritter Ort ‘, der neben die Hauptheiligtümer der beteiligten Vertragspartner tritt. Zugleich ist es mehr als nur Aufstellungsort der Symmachie (s. u.). 488 StV II 308, Z. 7. 489 StV II 308, Z. 12–16. Der Orakelspruch, der anders als der Rest des Dokuments in dem nordwestgriechischen Dialekt von Phokis und Delphi verfasst ist (vgl. Robinson [1934], 108), beginnt mit den Worten: [Ἔχρησεν ὁ θεὸς Χαλκιδεῦσι κ]αὶ Φιλίππωι λῶ[ι]όν τε κα[ὶ ἄμει]νον εἶμεν φίλους τε καὶ / [συμμάχους γίνεσθαι κατὰ τὰ ὡμο]λογημένα. Zur Mitwirkung des Orakels Robinson (1934), 107–109 („One of the most interesting features of the newly-found inscription […]“) und Nock (1942), 472. 490 StV II 308, Z.7. 491 StV II 308, Z. 12: [Ἔχρησεν ὁ θεὸς Χαλκιδεῦσι κ]αὶ Φιλίππωι (…).
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philippfreundlichen Partei zu unterstützen.492 Hier ließ sich göttliche Legitimation besonders gewinnbringend einsetzen und wurde wohl gemeinsam mit den Versprechungen, die Philipp den Olynthern bezüglich des Besitzes von Poteidaia gemacht hatte,493 als Argument für ein Bündnis mit dem Makedonenkönig vorgebracht. Und das Orakel scheint seine Wirkung ja auch nicht verfehlt zu haben: Die bloße Existenz der Stele belegt den Abschluss des Vertrages und damit den Erfolg der philippfreundlichen Partei. Für viele Chalkidier, die sich von der makedonischen Expansion stark bedroht fühlen mussten,494 könnte der Aspekt der zusätzlichen religiösen Absicherung des Vereinbarten eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt haben, stellt es doch einen graduellen Unterschied dar, ob ein Bündnis ‚nur‘ vor den Göttern als Zeugen beschworen oder ob sein Abschluss von diesen sogar selbst befohlen und angestoßen wurde. Suggeriert der Orakelspruch doch, dass die Rolle der Gottheit beim Abschluss des Vertrags eine aktive war. Allerdings hat sich dieses Mittel der Vertragssicherung nicht durchgesetzt. Gerüchte über die Bestechung des Orakels durch Philipp495 sowie insbesondere die Tatsache, dass die Absicherung des Vertrags letztlich alles andere als erfolgreich war, wie die Zerstörung Olynths durch Philipp im Jahre 348 unmittelbar verdeutlichte,496 mögen dabei zur Desavouierung dieses religiösen Sicherungsinstruments beigetragen haben, auch wenn Philipp versucht haben wird, die Olynthier selbst für den Bruch des Vertrags verantwortlich zu machen.497 Aus welchen Gründen auch immer man nun aber später nicht mehr auf Orakelsprüche zur Bündnissicherung zurückgriff, es ist mit Sicherheit kein Zufall, dass gerade in einem Vertrag mit einem Alleinherrscher ein neues und zusätzliches Instrument der religiösen Absicherung eines Bündnisses ausprobiert wurde.
492 Dieser Möglichkeit hat die Forschung bisher noch keine Beachtung geschenkt. Schlagend ist Diod. XVI 8,3 f., der ausdrücklich darauf hinweist, dass in jener Zeit „die Athener und Philipp miteinander im Wettstreit um ein Bündnis mit den Olynthiern“ (οἵ τε Ἀθηναῖοι καὶ ὁ Φίλιππος διεφιλοτιμοῦντο πρὸς ἀλλήλους περὶ τῆς τῶν Ὀλυνθίων συμμαχίας) lagen. Dass ein solcher Wettstreit keinen Niederschlag in inneren Parteiungen in Olynth gefunden haben sollte, ist nicht zu erwarten. Auch spielt Demosth. or. 6, 20 f. deutlich auf eine philippfreundliche Partei in Olynth an. Zudem erweist jetzt Trampedach (2015), 229 m. Anm. 21 ausdrücklich darauf hin, dass ein in einer Inschrift wörtlich zitierter Orakelspruch typischerweise „die Handlungen von Einzelnen oder Teilgruppen (…) legitimiert“. 493 Vgl. Demosth. or. 6, 20 und Diod. XVI 8,3. 494 Dass man sich in einer bedrohten Lage befand, muss jedem einzelnen Chalkidier spätestens durch Philipps Einnahme von Amphipolis 357 ganz deutlich vor Augen geführt worden sein. Vgl. zu dem historischen Hintergrund Robinson (1934), 106 f. 495 Man – oder genauer: Demosthenes – erfand dafür sogar ein eigenes Verb, besonders häufig in der Wendung ἡ Πυθία φιλιππίζει. Vgl. zu diesem Ausdruck Aischin. Ctes. 130; Plut. Demosthenes 20,1; Cic. div. II 57,118; ohne Bezug auf das delphische Orakel auch in Demosth. or. 18, 176. Die faktische Grundlage des Gerüchtes wird jetzt mit Recht angezweifelt von Trampedach (2015), 218 f. 496 Zu dem wenig zimperlichen Umgang Philipps mit Olynth vgl. nur die allerdings bekanntermaßen wenig philippfreundlichen Kommentare des Demosthenes (or. 9, 11; 10, 61). 497 So Sommerstein – Bayliss (2013), 172 f., die die Zerstörung Olynths als Beispiel für ein „‚doit-yourself‘ punishment“ von Eidbrechern anführen.
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IV.2.2.2.1. Lysimachos und die Messenier Ebenso wie Philipp stand auch der Makedone Lysimachos nicht gerade in dem Ruf, mit den Griechenstädten besonders zimperlich umzuspringen.498 Vielmehr galt er bei den Griechen als derjenige unter den Diadochen, der sich in Bezug auf das Freiheitsstreben der Poleis als besonders hart und unnachgiebig erwies.499 Es liegt daher nahe, zu fragen, ob sich dieser Ruf auch in der Art und Weise niederschlug, wie Lysimachos mit griechischen Städten Verträge schloss und diese absicherte. Ein glücklicher Inschriftenfund förderte im Jahre 1990 in Messene ein Zeugnis zu Tage, das es erlaubt, zumindest ein wenig Licht ins Dunkel dieser Frage zu bringen. Bei der genannten Inschrift handelt es sich um einen Vertrag zwischen König Lysimachos und der Stadt Messene, von dem zwei Fragmente erhalten sind.500 Das Bündnis datiert entweder in das Jahr 295 oder um das Jahr 285501 und stellt eine ‚ewige Symmachie‘ dar ([εἰς τὸν] ἅπαντα χρόνον)502, bei deren Abschluss ein gewisses gegenseitiges Misstrauen nicht von der Hand zu weisen ist, wie die ‚anti-deceit clause‘ ἀδόλως503 anzeigt. Leider hat der fragmentarische Erhaltungszustand der Vertragsstele dazu geführt, dass auf der linken Seite des Steines sehr viel Text verloren ist. So ist der im Vertrag erhaltene Eid in der editio princeps noch fälschlich als „Eid des Lysimachos“504 überschrieben. Angelos P. Matthaiou ergänzt dagegen überzeugend Ὅρκος Μεσσανίων.505 Für diese Rekonstruktion spricht zum einen die Erwähnung der ἐκγόνοι des Lysimachos in Z. 19 und zum anderen insbesondere die Tatsache, dass unmittelbar nach dem Schwur die Eidesleister der Messenier aufgeführt werden (ὤμοσαν ἔφοροι506). Auch die Schwurgötterliste 498 Auch Alexander, von dem bezeichnenderweise mit Ausnahme der äußerst fragmentarisch erhaltenen und auf Philipp zurückgehenden Erneuerung des Korinthischen Bundes (StV III 403 II) kein Vertragseid erhalten ist, gehört in diese Reihe. Zu dem konfliktreichen Verhältnis zwischen Alexander und den Griechen s. den kurzen, aber äußerst hilfreichen Forschungsüberblick bei Gehrke (42008), 144 f. 499 Dieses Bild findet sich etwa in den klassischen Darstellungen von Hünerwadel (1900) und Saitta (1955). Zwar hat die althistorische Forschung seit Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts einiges an dem Bild einer in der Praxis äußerst rigiden ‚Freiheitspolitik‘ des Lysimachos relativiert (vgl. bes. Burstein [1986] und Lund [1992], zusammenfassend Gehrke [42008], 186), diese Korrekturen betreffen aber primär das tatsächliche Verhalten des Lysimachos, nicht dessen Wahrnehmung bei den Griechen. 500 Die Erstedition stammt von Themelis (1990) [1993] [= SEG XLI 322], wichtige Verbesserungen des Textes in BE (1995), Nr. 263 (Gauthier) [= SEG XLV 290] und bei Matthaiou (2001), 227–231 (= SEG LI 457), wobei letztere nicht alle als gleich sicher anzusehen sind (s. BE [2002], Nr. 200 [Gauthier]). – S. zu Lysimachos neben den o. g. Arbeiten ferner Franco (1993), zu seiner Münzprägung: Thompson (1968). Zu den Messenieren im Hellenismus vgl. Roebuck (1941), Grandjean (2003) und – zu der Frage der messenischen Identität – Luraghi (2008), 249–291. 501 Die Spätdatierung (286–281) geht auf Themelis (1990) [1993], 83–85, die Frühdatierung (unmittelbar vor 295/ 94, als Demetrios Poliorketes Messene erfolglos belagerte [Plut. Demetrios 33]) auf Matthaiou (1990–1991), 269 f. zurück. 502 Matthaiou (2001), Nr. 2, Z. 3. 503 Matthaiou (2001), Nr. 2, Z. 3, 19. 504 Themelis (1990) [1993], Z. 17. 505 Matthaiou (2001), Nr. 2, Z. 17 (228). 506 Matthaiou (2001), Nr. 2, Z. 23. Messenische Ephoren, von denen drei sogar namentlich be-
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passt auf den ersten Blick besser zu Messene als zu Lysimachos: In dieser tauchen nämlich kollektiv angerufene θεοὶ ὁρκίοι auf,507 die in dieser Form nur noch in einem einzigen anderen griechischen Vertragseid auftreten, bei dem es sich gerade um ein Bündnis handelt, an dem Messene ebenfalls beteiligt war.508 Wenn dieser Vertragseid somit als ein Schwur der Messenier anzusehen ist, so stellt sich die Frage, ob darunter noch ein Eid des Lysimachos verzeichnet war, der heute verloren ist, oder ob es sich ursprünglich um ein einseitig beschworenes Bündnis handelte. Letzteres würde auf eine besondere Strenge des Königs gegenüber Messene hinweisen, allerdings geben die Vertragsklauseln, die vor dem Eid verzeichnet sind,509 alle ausdrücklich gegenseitige Verpflichtungen an.510 Zudem könnte die in Z. 15 gebrauchte Wendung ἀνασώιζειν δὲ Λυσίμαχον voraussetzen, dass Lysimachos die Stadt schon einmal gerettet hat.511 Außerdem wäre es seltsam, wenn auf dem eigenen, also messenischen, Vertragsexemplar der Eid der Gegenseite weggefallen wäre, stellte doch gerade dieser die religiös fundierte Garantie für die Stadt dar. Auch wenn also davon auszugehen ist, dass der ursprünglich vorhandene Eid des Lysimachos nur aufgrund des schlechten Erhaltungszustandes der Inschrift verloren ist,512 so gibt es doch Indizien, die auf eine Ungleichbehandlung Messenes hinweisen. So sind zwar, sofern die Ergänzungen von Matthaiou richtig sind, die Formeln in Z. 6 f. bzw. 9 f., die den Erhalt der Königsherrschaft des Lysimachos dem Verbot des Verfassungsumsturzes in Messene (bzw. bei den Bundesgenossen der Messenier) gegenüberstellen,513 rein äußerlich reziprok angelegt, gleichwohl beinhalten sie ein starkes Element der Ungleichheit: Während nämlich die Erhaltung der basileia ein Verhältnis der Über- und Unterordnung zwischen den beiden Vertragspartnern begründet, mithin das Untertanenverhältnis der Messenier gleichsam festschreibt, stellt die Garantierung der bestehenden Verfassung für die Messenier nicht mehr als einen Akt demonstrativer Gleichbehandlung dar, der für die kannt sind, tauchen auch bei Pol. IV 4,3 f. (Skyron); 31,2 (Oinis und Nikippos) auf. Während allein die letztgenannte Passage darauf hinweist, dass es sich um ein mindestens zweiköpfiges Kollegium handelte, zeigen beide Textstellen, dass die messenischen Ephoren als Polisbeamte der Stadt Messene fungierten. Als eponymes Amt vielleicht in SGDI III 2, Nr. 4644. 507 Es ist hier als Ergänzung der Z. 17 f. diejenige von Philippe Gauthier in BE (1995), Nr. 263 (θεοὺ[ς / ὁρκίους πάντας καὶ πάσας]) gegenüber derjenigen von Themelis (1990) [1993] (θεοὺ[ς / ὁρκίους καὶ πατρίους]) vorzuziehen. So auch Brulé (2005), 165, Anm. 8. 508 Vgl. StV III 495, Z. 23 (Messene-Phigaleia, vor 240): καὶ θεὼς ὁρκί[ως …]. 509 Matthaiou (2001), Nr. 2, Z. 2–17. 510 So viel dürfte unstrittig sein, auch wenn man den Ergänzungen von Matthaiou (2001), Nr. 2 (228 f.) nicht in allen Einzelheiten folgt. 511 Dies stellt allerdings nicht die einzige Möglichkeit des Verständnisses von ἀνασώιζειν (auch i. S. v. ‚etwas wieder erlangen‘ möglich) dar. 512 Die Unvollständigkeit des Vertragstextes zeigt sich ja auch an dem Fehlen der Publikationsformel, die noch unter dem Eid des Lysimachos gestanden haben muss. 513 Matthaiou (2001), Nr. 2, Z. 6 f.: [εἴ κα] (…) τὰν βα/[σιλείαν καταλύηι] ἢ φυγ[άδας κα]τάγηι, βοαθεῖν Μεσσανίους (…). Z. 9 f. καὶ εἴ τίς κα (…) τὸ πο/[λίτευμα καταλ]ύη[ι σφῶν ἢ προδιδ]ῶι ἢ φυγάδας κατάγηι, βοαθεῖν / [Λυσίμαχον …]. Zweifel an dieser Ergänzung der Z. 9 f. hegt Gauthier (BE [2002], Nr. 200: „la présence ici du pronom réfléchi et l’expression τὸ πολίτευμα προδιδόναι me paraissent problématiques.“).
IV.2. Hellenistische Vertragseide
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Hierarchie zwischen Lysimachos und Messene de facto folgenlos ist. Man kann den Vertrag daher trotz aller Unsicherheiten der Überlieferung als ein typisches Zeugnis für die ‚Freiheitspolitik‘ eines hellenistischen Monarchen deuten. IV.2.2.2.2. Seleukidische Vertragseide Das Verhältnis der Seleukiden zu den griechischen Städten Kleinasiens hat vor kurzem John Ma am Beispiel der Politik Antiochos III. so detailliert wie überzeugend untersucht.514 Die seleukidische ‚Freiheitspolitik‘ bedarf hier daher keiner langen Ausführungen. Hervorgehoben werden sollen nur zwei Aspekte, bei denen es sich zum einen um eine Innovation bezüglich der religiösen Absicherung eines Staatsvertrags, die vielleicht auf Antiochos II. zurückgeht, zum anderen um die äußerst rege Vertrags- und Publikationstätigkeit eines seiner Nachfolger handelt. Im Jahre 250 erneuerten die Lyttier ein Bündnis mit Antiochos II.515 Die Inschrift ist fragmentarisch in der Form eines lyttischen Volksbeschlusses überliefert und beinhaltet außer einer interessanten Begründung für die Erneuerung des Bündnisses, in der u. a. auf alte (Vertrags-)Stelen verwiesen wird, wenig Spektakuläres.516 Wichtig für die hier verfolgte Fragestellung ist allerdings die Publikationsformel der Inschrift, die eine Aufstellung des Bündnisses nicht nur in Lyttos im Heiligtum des Apollon Pythios, sondern auch ἐν δὲ Σελευκείαι ἐν τῆι ἀγορᾶι517 vorschreibt. Damit wird zum ersten Mal ausdrücklich die Residenzstadt eines hellenistischen Herrschers zum Aufstellungsort eines Vertrages. Dass die Bündnisstele zudem dezidiert auf der Agora Seleukeias platziert werden soll, bringt eine deutliche Akzentverschiebung mit sich: So wird ausdrücklich das politische Zentrum der Stadt als Publikationsort gewählt und eben nicht ein primär religiös konnotierter Bereich. Zwar befanden sich natürlich auch auf der Agora Heiligtümer,518 diese werden hier aber nicht erwähnt. Stattdessen wird der politische Aspekt des Areals hervorgehoben, indem die Agora mit dem Hauptheiligtum der Lyttier kontrastiert wird. Vielleicht ist dies auch ein Indiz dafür, dass Antiochos hier die Vereidigung der Gesandten seiner Vertragspartner durchführen ließ. Zumindest treten Agorai in den Quellen, sofern zu diesem Aspekt überhaupt Angaben zu finden sind, auch sonst gelegentlich als Schwurort auf.519 Ob nun auch die Eidesleistung auf der Agora von Seleukeia stattfand oder diese nur als Aufstellungsort der Inschrift diente, in jedem 514 Vgl. Ma (22002); s. zudem Schmitt (1964). 515 StV III 486 (= HGIÜ II 336). Der Vertrag ist nach Z. 10–13 absolut in das 62. Jahr der Seleukidenära datiert. 516 Die Begründung der Erneuerung des Bündnisses findet sich in den Z. 5–9: (…) ἀνανεώσασθαι πρὸς [βασι/λ]έα Ἀντίοχον τὸν Ἀντιόχου υἱὸν καὶ τοὺς ἐσγόνους αὐτοῦ [τὴν] / (…) φιλίαν καὶ συμμαχίαν [κατὰ / τ]ὸ ψήφισμα τὸ αὐτὸ ὃ καὶ τῶι πατρὶ καὶ τὰ τὰς στήλας προϋ[παρ/χ]ούσας. (Unterstreichung v. Verf.). 517 StV III 486, Z. 10. 518 Zu hellenistischen Agorai vgl. Martin (1951), 372–417 und jetzt Sielhorst (2015); zur religiösen Funktion der Agora Martin (1951), 164–201, zur Agora als Aufstellungsort Liddel (2003), 81 f. 519 Besonders häufig ist dies bei Bürgereiden der Fall. S. etwa die neue Inschrift aus Dikaia (SEG LVII 576, Z. 7), nach der die Politen entweder auf der Agora oder in einem Heiligtum vereidigt werden sollten. Vgl. zu der Agora als Ort der Schwurleistung auch Williamson (2013).
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IV. Empirischer Teil. ‚Gleiche‘ und ‚ungleiche‘ Eide
Fall verdeutlicht der Vertrag, wie die Publikationsformel politisch genutzt werden konnte. Wie der Attalide Eumenes I. setzte somit auch Antiochos II. gezielt auf den demonstrativen Charakter der Vertragsaufstellung, die ihm für die Zurschaustellung der eigenen Machtfülle diente. Der Aspekt der religiös fundierten Absicherung der Vereinbarung tritt dagegen in den Hintergrund. Man muss dies nicht zwingend als eine neue Idee Antiochos‘ II. bezeichnen; er ist aber der erste, bei dem ein solches Vorgehen zu greifen ist. Einer seiner Nachfolger, Antiochos III., zeichnete sich dagegen durch eine äußerst rege Publikationstätigkeit aus.520 Zu dieser gehören auch drei Verträge, die in die Jahre 197–196 datieren.521 In zweien dieser Bündnisverträge sind die Eidgötter zumindest teilweise erhalten: So finden sich im Vertrag des Antiochos mit den Lysimacheern Zeus, Ge, Helios, Poseidon, Demeter, Apollon, Ares, Athena Areia, die Tauropolos und alle anderen Götter und Göttinnen.522 Es wird hier somit deutlich an die bereits bestehende Grundstruktur von Schwurgötterlisten hellenistischer Alleinherrschereide angeschlossen. Auch die Formel im Vertrag mit den Perinthern scheint in Bezug auf die angerufenen Gottheiten, deren Reihenfolge an einer Stelle leicht verändert ist, exakt dieselbe gewesen zu sein.523 Antiochos war ein Meister der demonstrativen Rücksichtnahme auf die Interessen der griechischen Poleis, wie eine Formel aus dem Vertrag mit den Lysimacheern belegt, in der der König die Autonomie und Freiheit der Stadt sowie die Erhaltung der Demokratie beschwört,524 ohne dass ein Äquivalent im Eid der Lysimacheer existierte – ein deutlicher Unterschied zu dem oben skizzierten Vorgehen des Lysimachos, der die Messenier im Gegenzug einen Treueeid auf seine Herrschaft leisten ließ. IV.2.2.2.3. Eide von Alleinherrschern vom Rande der griechischen Staatenwelt Standen bisher Vertragseide der Diadochen und hellenistischen Könige im Mittelpunkt der Untersuchung,525 soll nun eine Form der Eidesleistung untersucht werden, auf die zwei Alleinherrscher, die über einen vergleichsweise kleinen Machtbereich 520 Für eine Zusammenstellung aller Inschriften Antiochos‘ III. vgl. das umfangreiche „Epigraphical Dossier“ bei Ma (22002), 284–372, das 45 Zeugnisse bietet. 521 Vgl. SEG XXXVI 973 = HGIÜ III 452 (Euromos: Antiochos III. und die Philippeis, aus dem Jahre 197; s. auch SEG XLIII 707 = HGIÜ III 453, in dem auf diese Symmachie Bezug genommen wird), SEG XXXVIII 1252 = HGIÜ III 457 (Ilion: Antiochos III.-Lysimacheia, 196), SEG LI 928 = Ma (22002), Nr. 35 (Perinthos: Antiochos III.-Perinthos, 196). 522 In diesem Vertrag sind Teile beider Eide beinahe vollständig erhalten, vgl. SEG XXXVIII 1252, Z. 1–22 (Antiochos III.), Z. 23–37 (Lysimacheer). 523 Zu erkennen sind noch Poseidon, Ares, Athena Areia, alle Götter und Göttinnen und die Tauropolos (vgl. SEG LI 928, Z. 4 f., s. auch die Tabelle I im Anhang dieser Untersuchung). Allein die Stellung der Tauropolos und der kollektiven Götterformel hat sich somit im Vergleich zu dem Vertrag mit Lysimachos verschoben. 524 SEG XXXVIII 1252, Z. 7–10. 525 Allein Eupolemos und Eumenes I. stellen in dieser Hinsicht eine Ausnahme dar. Die erhaltenen Vertragseide dieser Alleinherrscher finden sich allerdings in Abkommen, die unter Beteiligung von Söldnern geschlossen wurden. Im Folgenden werden dagegen zwei Bündnisse behandelt, die ausschließlich zwischen einem hellenistischen Alleinherrscher und griechischen Städten geschlossen wurden.
IV.2. Hellenistische Vertragseide
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am Rande der griechischen Staatenwelt verfügten, bei Bündnissen mit griechischen Gemeinwesen zurückgriffen. Der in die Jahre 280–250 zu datierende Vertrag zwischen Magas von Kyrene und dem kretischen Koinon der Oreioi verdeutlicht, was passieren konnte, wenn die kretischen Schwurgötterlisten auf einen auswärtigen Alleinherrscher trafen.526 Statt den bei hellenistischen Alleinherrschereiden üblichen ‚Koine-Eid‘ (bei Zeus, Ge, Helios, Ares, Athena Areia und der Tauropolos) zu leisten, wird der Vertrag bei typisch kretischen Eidgottheiten beschworen.527 Der Grund hierfür ist darin zu sehen, dass es sich zwar um ein Bündnis mit reziproken Klauseln handelte,528 auf der Stele aber ausschließlich der Eid der Oreioi verzeichnet ist, die ihre Loyalität gegenüber Magas beschworen. Dies unterscheidet die Form der Eidesleistung deutlich von den Bündnisverträgen Attalos‘ I., die dieser mit den kretischen Städten Malla und Lato schloss und bei denen jeweils die übliche Schwurgötterliste hellenistischer Alleinherrschereide zum Einsatz kam.529 Bei einem einseitigen Eid wie im Falle des Bündnisses zwischen Magas und den Oreioi wurden dagegen offenbar lokale Eidgötter vorgezogen.530 Allerdings entbehrt die dort verwendete Liste eines typischen Merkmals kretischer Schwurgötterlisten: ihrer exorbitanten Länge. Man bediente sich stattdessen des Mittels der Bildung von Göttergruppen („Tempelgenossen der Diktynna“, „Götter in Poikilasion“)531, um die Liste gleichsam abzukürzen, und erzeugte so eine Schwurgötterformel, die auch für einen Nicht-Kreter wie Magas akzeptabel war. Dabei ging auch die übliche Reihenfolge der Gottheiten verloren, die mit der Göttin des Heiligtums, in dem das Bündnis publiziert wurde (Diktynna), begann und damit gegen die ungeschriebene Norm kretischer Schwurgötterlisten 526 Vgl. StV III 468 = HGIÜ II 313. Vgl. zu den Oreioi Bultrighini (1993), 108–113, Capdeville (1994), 276 f., Chaniotis (1996a), 105–107, 421 f., Chaniotis (2004), 16, Traeger (2007); zu Magas Chamoux (1956), Laronde (1987), 360–362; zu dem Vertrag: Kreuter (1992), 21, 35 f., 122 und v. a. Bile (2005). 527 StV III 468, Z. 15–19: ὀμνύω τὰν Δίκτυνναν καὶ τὸ[ς] / ὁμοτεμενέας τᾶς Δίκτυννα[ς] / καὶ τὸς ἐμ Ποικιλασίωι θεὸς κα[ὶ] / τὸν Δία τὸν Κρηταγενῆ καὶ θε[ὸ]/ς πάντας καὶ πάσας (…). – „Ich schwöre bei Diktynna und den Tempelgenossen der Diktynna und den Göttern in Poikilasion und dem Zeus Kretagenes und allen Göttern und Göttinnen.“ S. auch Tabelle I im Anhang dieser Untersuchung. 528 Vgl. StV III 468, Z. 8–14: a) Freund-Feind-Klausel (Z. 8 f.), b) gegenseitige Unterstützung im Angriffsfall (Z. 9–14). 529 So ist im Vertrag mit Malla (Ducrey [1970], Nr. 2, B, Z. 9 = HGIÜ III 437) der „Eid des Königs Attalos“ (Z. 9–11: ὀμνύω Δί[α], / Γῆν, Ἥλιον, Ποσειδῶ, Δήμητρα, Ἄρη, Ἀθην/ᾶν Ἀρείαν καὶ τὴν Ταυροπόλον καὶ τοὺ(ς) ἄ/λλους θεοὺς πάντας καὶ πάσας), im Vertrag mit Lato (Ducrey [1970], Nr. 1) der Eid der Latier (Z. 2–4: [Ὀμν]ύομεν vac. Δία, [Γῆν, Ἥλιον, Ποσειδῶ, Δήμητρα, Ἄρη, / Ἀθ]ηνᾶν Ἀρείαν κα[ὶ τὴν Ταυροπόλον καὶ τοὺς / ἄ]λλους θεοὺς π[άντας καὶ πάσας]) erhalten. Letzterer wurde von dem Ersteditor Platon (1953) = SEG XVI 524 zunächst mit dezidiert kretischen Schwurgottheiten wie Zeus Tallaios oder Eleithyia, ergänzt. Dieser Ergänzung ist allerdings die oben zitierte von Ducrey (1970), Nr. 1, die auf Ducrey – van Effenterre (1969) beruht, vorzuziehen, da der Beginn der Liste mit Zeus, das Auftreten der Athena Areia und die Parallele aus dem Vertrag mit Malla deutlich in diese Richtung weisen. 530 Den dezidiert lokalen Charakter der Schwurgottheiten betont auch Chaniotis (1996a), 74, der sogar von einem „ὅρκος ἐπιχώριος“ und „Schwur eines neugeschaffenen Staates“ spricht. 531 StV III 468, Z. 16 f.
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verstieß, die immer mit Hestia oder Zeus anzufangen hatten.532 Die Götterliste erweist sich somit in der Hinsicht als eine gemischte Formel, dass die Oreioi zwar bei ihren eigenen, lokalen Eidgottheiten schworen, die Liste aber dennoch flexibel den Bedürfnissen eines nicht-kretischen Alleinherrschers angepasst wurde. Die Reihe der hier zu untersuchenden Alleinherrschereide beschließt ein Schwur, der sich in einem Bündnis Pharnakes‘ I. von Pontos mit den taurischen Chersonasiten findet.533 Der ὅρκος, ὃν ὤμοσε βασιλεὺς Φαρνάκης534, antwortet in diesem Vertrag auf einen fragmentarisch erhaltenen Eid der Chersonasiten535. Das Bündnis bietet sich als chronologischer Endpunkt dieses Kapitels an, da in beiden Eiden zusätzlich eine dritte Macht auftaucht, die nicht Vertragspartei ist, an der vorbei aber ein solches Bündnis offenbar nicht mehr möglich war. So schwören beide Seiten, „mit den Römern die Freundschaft“ zu wahren „und nichts Feindliches gegen sie“ zu unternehmen.536 Zudem schließt sich mit den im Eid angerufenen Gottheiten gleichsam ein Kreis: So werden schlicht Zeus, Ge, Helios und eine kollektive Schwurgötterformel genannt, also exakt die Gottheiten, die in der frühesten überlieferten griechischen Eidesformel bei Homer zu finden waren und die auch Philipp II. als Eidgötter angerufen hatte. Es fehlt mit der Parthenos allerdings eine Gottheit, deren Nennung bei Eiden innerhalb der Polis der Chersonasiten obligatorisch war, wie ein Vergleich mit dem aus dieser Stadt ebenfalls überlieferten Bürgereid ergibt, der in das dritte Jahrhundert datiert.537 Dies ist umso erstaunlicher, da es sich bei der Parthenos gerade um eine lokale Version der Tauropolos handelte.538 Aufgenommen in den Eid haben die Vertragspartner dagegen eine chersonitische Variante der kollektiven Götterformel, bei der ausdrücklich „alle olympischen Götter und Göttinnen“539 angerufen wurden.
532 Vgl. Chaniotis (1996a), 68–76 und Brulé (2005), 168–172. 533 Vgl. IOSPE I2 402 = HGIÜ III 483, s. zu der Inschrift Saprykin (1997), 230, 238 f. und Heinen (2005), zu Pharnakes I. und dessen Verhältnis zu Chersonasos Saprykin (1997), 237–255. Die Zeitstellung der Inschrift ist umstritten: So steht einer Frühdatierung in das Jahr 179 (Heinen [2005], 37-42), mithin in die Anfangszeit der Herrschaft Pharnakes I. (185–155/ 54), eine Spätdatierung in das Jahr 155 (Burstein [1980], 6f.) gegenüber. Zwar findet sich in der Inschrift eine absolute Datierung der Eidesleistung nach den eponymen Beamten der Chersonasiten (Z. 6–10) bzw. „nach des Königs Pharnakes Zeitrechnung“ (Z. 29–32), leider kann diese nicht sicher in die christliche Ärenzählung übertragen werden. S. dazu Leschhorn (1993), 78–80. 534 IOSPE I2 402, Z. 10. 535 IOSPE I2 402, Z. 1–6. 536 IOSPE I2 402, Z. 3–5 (Eid der Chersonasiten): [τάν τε ποτὶ Ῥω]μ̣αίους φιλίαν διαφυλά[σ/σοντος καὶ μηδὲ]ν ἐναντίον αὐτοῖς πράσ/[σοντος]·und Z. 26–28 (Eid des Pharnakes): τήν τε πρὸς Ῥωμαίους φιλίαν διαφυλασσόν/των καὶ μηδὲν ἐναντίον αὐτοῖς πρασσόν/των. Vgl. zu diesem Aspekt Heinen (2005), 34, 47–52. 537 IOSPE I2 401 = HGIÜ II 339. Vgl. zu diesem Eid Kap. IV.2.3.2.2. 538 Vgl. zu Tauropolos Graf (1979), Guldager Bilde (2003), Williamson (2013), 123, 127 und McInerney (2015). Zu dem Kult der Parthenos in Chersonasos s. Rusjaeva (1999). 539 IOSPE I2 402, Z. 12 f.: θεοὺς Ὀλυμπίους πάντας / καὶ πάσας.
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Wichtig ist dieser Eid vor allem deshalb, weil er ein weiteres Zeugnis für ‚dialektales Schwören‘ darstellt,540 insofern als der Schwur der Chersonasiten abweichend von dem restlichen Inschriftentext in dorischer koine gehalten ist.541 Dieser erstaunliche Befund lässt sich nur dadurch erklären, dass es offenbar von Bedeutung war, den geleisteten Eid so exakt wie möglich aufzuzeichnen. Ein solcher Umgang mit dem Schwurtext zeigt, dass bei der Leistung eines Vertragseides nicht nur mit dem Bündnispartner kommuniziert wurde, sondern zugleich auch mit den Göttern, dass der aufgezeichnete Eid mithin als heiliger Text galt, den es unverfälscht zu bewahren galt. Ganz offensichtlich war die streng wörtliche Aufzeichnung des Eides so wichtig, um die Gültigkeit des göttlichen Schutzes der Vereinbarung zu gewährleisten und ein Schlupfloch für potenzielle Eidbrecher zu schließen. Eine solche besondere Exaktheit in der Aufzeichnung des Abkommens findet sich auch in einer Klausel, die den Tag der Eidesleistung auf der Vertragsstele festhält.542 Dieses vollkommen neue Mittel der exakten Datierung der bereits geleisteten Schwüre soll eine zusätzliche Verbindlichkeit der eingegangenen Verpflichtung erzeugen. Durch eine derartige Klausel konnte der Bündnispartner in Zukunft nicht nur generell an eine bestehende Vereinbarung erinnert werden, sondern auch an das exakte Datum, an dem diese besiegelt worden war. Der gesamte Gestus des Dokuments weist somit auf eine politische Ausgangssituation hin, bei der das gegenseitige Vertrauen der Vertragspartner sehr gering war, weshalb man neue Formen der Absicherung der Vereinbarung generierte. Dass zumindest die Unsicherheit der Politen nicht von ungefähr kam, verdeutlichen mehrere Klauseln im Eid des Pharnakes, der den Chersonasiten zwar Bündnishilfe zusichert, diese allerdings sofort durch den Zusatz einschränkt, „so wie es mir die Umstände erlauben.“543 Es wäre äußerst spannend zu erfahren, ob sich dieselbe Klausel auch im verlorenen Teil des Eides der Chersonasiten befand. Zwar mahnt Pharnakes an, die Bürger müssten „denselben Eid“544 schwören wie er selbst, damit er sich an die Vertragsbedingungen halten werde, zugleich konterkariert er diese Forderung aber dadurch, dass sich jene Klausel im Eid der Chersonasiten eben nicht findet. Dass Pharnakes zudem kein Freund einer demonstrativen Freiheitspolitik gegenüber griechischen Poleis war, zeigt sich daran, dass er – wie Lysimachos gegenüber den Messeniern – den Chersonasiten zwar die Erhaltung ihrer Demokra540 Vgl. daneben v. a. StV II 263 = HGIÜ II 220 (Athener-Korkyraier, 375). 541 Beispiele finden sich etwa in IOSPE I2 402, Z. 2: ἐν τᾶι ποθ’ ἁ[μὲς] (= ἐν τῆι πρὸς ἐμέ), Z. 5 ἁμῖν (= ἡμῖν). 542 Vgl. IOSPE I2 402, Z. 6–10: ὁ δὲ ὅρκος οὗτος συνετε/[λέ]σθη μηνὸς Ἡρακλείου πεντεκαιδεκάτα[ι], / βασιλεύοντος Ἀπολλοδώρου τοῦ Ἡρογεί/του, γραμματεύοντος Ἡροδότου τοῦ Ἡρο/δότου. – „Dieser Eid ist geleistet worden im Monat Herakleios am 15., im Amtsjahr des Basileus Apollodoros, Sohn des Herogeitos, als Schriftführer Herodotos, Sohn des Herodotos, war.“ und Z. 29–32: ὁ δὲ ὅρκος οὗτος συνετελέσθη ἐν / τῶι ἑβδόμωι καὶ πεντηκοστῶι καὶ ἑκατοστῶι / ἔτει, μηνὸς Δαισίου, καθὼς βασιλεὺς Φαρνάκ[ης] / ἄγει. – „Dieser Eid ist geleistet worden im einhundersiebenundfünfzigsten Jahr, im Monat Daisios, nach des Königs Pharnakes Zeitrechnung.“ 543 IOSPE I2 402, Z. 17 f.: καθὼς ἂν ᾖ μοι και/ρός. 544 IOSPE I2 402, Z. 25: τὸν αὐτὸν ὅρκον ὀμοσάντων.
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tie beschwor, als Gegenleistung aber einen Treueeid auf seine basileia verlangte,545 auf den etwa Antiochos III. gegenüber den Lysimacheern verzichtet hatte. IV.2.2.3. Hellenistische Könige als Begründer multilateraler Friedensordnungen. Der Vorbildcharakter des Gründungseides des Korinthischen Bundes Es dürfte deutlich geworden sein, dass bei allen hellenistischen Alleinherrschereiden eine klare Grundstruktur der angerufenen Götter durchscheint, zu der nach den obligatorischen Zeus, Ge und Helios oft auch Poseidon, Demeter und Apollon sowie Athena (Areia), Ares und Tauropolos gehören.546 Das Aufkommen dieses kanonischen Grundmusters lässt sich chronologisch nun so klar einem eindeutig abgrenzbaren Zeitabschnitt zuordnen, dass es überraschen würde, wenn seine Entstehung zufällig wäre. Es steht daher zu fragen, wie sich dieser erstaunliche Befund, der eine Tendenz zur Standardisierung und Vereinheitlichung der Schwurgötterlisten in sich birgt, erklären lässt. Eine genaue Analyse der bisher untersuchten Schwurgötterformeln hat ergeben, dass gerade die ersten drei der oben genannten Götter sowie Athena und Ares, mit Abstrichen auch Poseidon, in den Listen nicht fehlen durften. Dass gerade die Anrufung von Apollon und Demeter offensichtlich fakultativ war,547 hat zum einen mit einem ‚theologischen‘ Aspekt zu tun: Sie wurden hier in einer Funktion angerufen, die im Eid schon durch Ge und Helios ausgeübt wurde. Ihr Auftreten akzentuierte damit nur eine bereits vorhandene Facette der Liste stärker, fügte ihr aber nichts grundsätzlich Neues hinzu. Neben diesem ‚theologischen‘ Aspekt könnte allerdings auch ein genuin politischer eine wichtige Rolle gespielt haben. So ist es signifikant, dass die genannte Grundstruktur sich fast ausschließlich in hellenistischen Schwurgötterlisten nachweisen lässt. Es steht daher zu fragen, ob sich gegen Ende der klassischen Zeit oder zu Beginn des Hellenismus ein Eid finden lässt, der politisch von so herausragender Bedeutung war, dass es plausibel wäre, dass sich spätere immer wieder an ihm orientiert und ihn nachgeahmt haben könnten. Ein solcher Eid müsste die folgenden Voraussetzungen erfüllen: Er müsste erstens weithin bekannt gewesen sein, etwa aufgrund einer Beteiligung möglichst vieler Vertragspartner an der getroffenen Vereinbarung. Ihm müsste zweitens eine nachweisbar große politische Wirkung – ein, wenn man so will, epochaler Charakter – zukommen, der dafür sorgte, dass er drittens in mindestens einem zentralen Aspekt als vorbildlich und nachahmenswert empfunden wurde. Im Idealfall ließe sich sogar viertens ein Prozess der Traditionsbildung nachweisen, in dessen Verlauf immer wieder ausdrücklich an den Ausgangseid angeschlossen wurde. 545 Vgl. im Eid der Chersonasiten IOSPE I2 402, Z. 1 f.: [συνδιαφυλαξοῦμεν τὰν αὐτοῦ βασ]ιλεία̣[ν / κατὰ τὸ δυνατόν], im Eid des Pharnakes Z. 22–24: ἀλλὰ συν/διαφυλάξω τὴν δημοκρατίαν κατὰ τὸ / δυνατόν (…). 546 Vgl. für die Evidenz Tabelle I im Anhang dieser Untersuchung. 547 Dies zeigte sich besonders deutlich im Vertrag Eumenes I. mit seinen Söldnern (StV III 481 = HGIÜ II 327), in dem die Schwurgötterlisten – wohl unabsichtlich – voneinander abwichen.
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Ein solcher Vertragseid ist nun tatsächlich nicht allzu schwer zu finden: So hebt sich die Schwurleistung, die den Korinthischen Bund unter der Führung Phi lipps II. abschloss,548 deutlich von allen späteren hellenistischen Alleinherrschereiden ab. Gelang es Philipp hier doch nach einem einschneidenden Ereignis der griechischen Geschichte, der Schlacht von Chaironeia, seine gerade gewonnene Hegemonialstellung rechtlich zu legitimieren und gleichsam auf Dauer zu stellen, eine Leistung, die keine der vorherigen griechischen Hegemonialmächte des 5. und 4. Jahrhunderts hatte vollbringen können. Der Gründungseid des Korinthischen Bundes stellte zudem noch die rechtliche Grundlage für den Alexanderzug dar. Er war somit erstens allgemein bekannt in der griechischen Welt, ihm kam zweitens mit Sicherheit ein epochaler Charakter zu und er wurde drittens allein schon aufgrund des politischen Erfolgs Philipps als vorbildlich empfunden. Letzteres gilt auch für einzelne Klauseln, wie noch zu zeigen sein wird. Zudem wurde der Bund nachweisbar zunächst im Jahre 336 von seinem Sohn Alexander,549 dann – allerdings erfolglos – 319 von Philipp Arrhidaios und Polyperchon550 und schließlich 302 in neuer Form von Antigonos Monophthalmos und Demetrios Poliorketes wiederbelebt.551 Es lässt sich somit schon sehr früh eine Art Vorbildfunktion und, wenn man so will, Traditionsbildung erkennen, auch wenn oder vielleicht gerade weil die Einrichtung eines Bundes nach dem Aufstand der Griechen 323 nicht mehr erfolgreich war.552 Als inhaltlicher Kern dieser Traditionsbildung lässt sich zunächst das noch verhältnismäßig junge Vertragsinstrument des ‚allgemeinen Friedens‘ (koine eirene) ausmachen, das im Unterschied zu älteren Vertragstypen nicht eine bilaterale Vereinbarung darstellte, sondern als multilaterale Friedensordnung geschlossen wurde. Die koine eirene-Verträge kamen im ersten Viertel des 4. Jahrhundert auf und stellten einen ganz neuen Typus zwischenstaatlicher Vereinbarungen dar. Sie wurden als Vertragsinstrument ursprünglich als Reaktion auf die schweren Auseinandersetzungen, die die griechische Staatenwelt zum Ende des 5. Jahrhunderts heimgesucht hatten, entwickelt.553 Charakteristische Merkmale eines allgemeinen Friedens waren zum einen die grundsätzliche Miteinbeziehung aller Griechenstädte und zum anderen die Wahrung ihrer Autonomie und Freiheit ohne zeitliche Befristung. Trotz des innovativen Charakters dieser völkerrechtlichen Idee gelang es zunächst keinem der vielen Friedensschlüsse des 4. Jahrhunderts, eine dauerhafte Friedensordnung in Griechenland zu etablieren. Dies glückte erst mit dem nach der Schlacht von Chairo548 Darauf, dass in diesem Vertrag die später kanonische Schwurgötterliste zum ersten Mal auftaucht, verweisen jetzt auch Sommerstein – Bayliss (2013), 162. 549 Vgl. die Zusammenstellung der Zeugnisse in StV III 403 II. 550 Vgl. StV III 403 III. 551 Vgl. StV III 446 (= HGIÜ II 282). Vgl. auch die Gründung eines Bundes griechischer Koina unter der Hegemonie des Antigonos Doson im Herbst (?) 224 (StV III 507), dessen Bundeseid nach Liv. XXXII 5,4 sogar jährlich wiederholt werden sollte. Es ist allerdings umstritten, ob sich diese Nachricht nicht vielmehr auf das Bündnis des Antigonos mit dem Achaierbund (StV III 506) bezieht. 552 Gleichwohl blieb ein solcher Bund für die Protagonisten der Diadochenkämpfe immer ein reizvolles Ziel, wie die Erneuerungen von 319 und 302 belegen. 553 Zu diesem Vertragsinstrument s. Ryder (1965) und Jehne (1994).
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neia eingerichteten Korinthischen Bund Philipps II., da offenbar nur eine starke Hegemonialmacht einen solchen Frieden auf Dauer stellen konnte. Dieser Bund war allerdings mehr Herrschaftsinstrument denn ein freies Bündnis unabhängiger Völkerrechtssubjekte. So wurde Philipp als ἡγεμών554 des Bundes und στρατηγὸς αὐτοκράτωρ555 im geplanten Feldzug gegen Persien eingesetzt. Zur Bekräftigung des Bündnisses mussten Repräsentanten aller beteiligten Stadtstaaten den Gründungseid des Bundes leisten, bei dem wohl Zeus, Ge, Helios, Poseidon, Athena, Ares sowie alle Götter und Göttinnen angerufen wurden.556 Zwar sind die Götternamen nur sehr fragmentarisch überliefert, über einen Vergleich mit der Gründungsurkunde des Hellenenbundes unter Antigonos und Demetrios aus dem Jahre 302 lassen sich aber zumindest die ersten vier Gottheiten sicher rekonstruieren.557 Nach Poseidon folgte dann eine Gottheit, deren Name mit dem Buchstaben Α begann. Zwar lässt sich auf den ersten Blick nicht sicher ausschließen, dass es sich dabei um Apollon gehandelt haben könnte,558 allerdings müsste dann nach der regelhaften Paarbildung hellenistischer Schwurgötterlisten Demeter folgen, was in Kombination für den stoichedon geschriebenen Gründungseid des Korinthischen Bundes zu viele Buchstaben ergäbe. Es existieren somit gute Gründe für die auf Ulrich Wilcken zurückgehende Ergänzung von Athena und Ares.559 Die beiden Gottheiten erweitern den ansonsten allein auf die Überwachung der Vereinbarung ausgerichteten Charakter der Götterliste um ein kriegerisches Element.560 Dass alle die genannten Gottheiten auch schon in dem oben erwähnten Bündnis zwischen den Athenern und den „Rois du nord“561 von 356 auftauchen,562 zeigt nur, dass die Schwurgötterliste des Korinthischen Bundes nicht ex nihilo kreiert wurde. Eine nachhaltige Wirkung auf die hellenistischen Alleinherrschereide kann diesem in seiner Bedeutung, verglichen mit dem Korinthischen Bund, peripheren Vertragseid aber nicht unterstellt werden. Offenbar war man bereits im Laufe des 4. Jahrhunderts auf der Suche nach neuen Formen der Zusammensetzung der Schwurgötterlisten und damit der religiösen Absicherung einer vertraglichen Übereinkunft. Aufgrund seiner historischen Bedeutung wie der Zusammensetzung der Schwurgötterliste wird hier daher die These von einem Vorbildcharakter des Grün554 StV III 403 I, Z. 21 f. (= HGIÜ II 357), Demosth. or. 18, 201, Diod. XVI 89,1 (πάσης τῆς Ἑλλάδος ἡγεμών); so sinngemäß auch Aischin. Ctes. 132; Pol. IX 33,7; Plut. mor. 240a. 555 So in P.Oxy. I 12 (= FGrHist 255 [Chronik von Oxyrhynchos]). 556 Vgl. StV III 403 I, Z. 2 f.: [ὀμνύω Δία Γῆν Ἥλιον Ποσε]ιδῶ Ἀ[θηνᾶ/ν Ἄρη θεοὺς πάντας καὶ πάσα]ς. 557 Vgl. StV III 446 V, Z. 139 f. (= HGIÜ II 282): [ὀμνύω] / Δία Γῆν Ἥλιον Π[οσειδῶ Ἀθηνᾶν Ἄρη καὶ θεοὺς πάντας καὶ πάσας]. 558 So findet sich dieser etwa im Vertrag zwischen Ptolemaios und den Iaseern direkt hinter Poseidon (I.Iasos I 2, Z. 35). 559 Dass bei dieser Ergänzung das später in Vertragseiden kanonische Epitheton der Athena, ‚Areia‘, wegfällt, ist ebenfalls der zu erschließenden Zeilenlänge in StV III 403 I geschuldet. 560 Es lässt sich durchaus vermuten, dass Athena und Ares insbesondere für die antipersische Symmachie als Teilelement des Korinthischen Bundes stehen. 561 Brulé (2005), 164. 562 Vgl. StV II 309, Z. 38.
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dungseides des Korinthischen Bundes vertreten. Der postulierte nachhaltige Einfluss dieses Vertragseides zeigt sich auch in einigen Klauseln des Schwures wie insbesondere der Treueformel gegenüber der Königsherrschaft Philipps und seiner Nachkommen.563 Diese Klausel, die später in den hellenistischen Alleinherrschereiden immer eine so wichtige Rolle spielen sollte, da sich an ihrer jeweiligen Form die spezifische Art der Freiheitspolitik eines hellenistischen Alleinherrschers ablesen ließ, figuriert hier zum ersten Mal an prominenter Stelle. Zudem wird die Autonomieklausel, conditio sine qua non eines jeden koine eirene-Vertrags, hier erstmalig in einen gegenüber einem griechischen Alleinherrscher geleisteten Eid eingewoben. Die Verwendung dieser Formel zeigt, wie gut es Philipp in diesem Fall verstand, in demonstrativer Weise auf die Belange der von ihm unlängst Unterworfenen einzugehen. Dass er dabei gleichsam als ein Wolf im Schafspelz daherkommt, hat für das hellenistische Königtum in Bezug auf die Behandlung der griechischen Poleis durchaus Maßstäbe gesetzt. Es kann daher nicht verwundern, wenn Angelos Chaniotis dieselbe Metapher auch in Bezug auf das vermittelnde Eingreifen hellenistischer Herrscher in interpolitischen Streitigkeiten griechischer Städte verwendet.564 Wie sehr das Vertragsinstrument der koine eirene mitsamt seiner Autonomieklausel und mithin die Grundkonstellation beim Abschluss des Gründungseides des Korinthischen Bundes für die Nachfolger Philipps und Alexanders zum Maßstab und Orientierungspunkt wurde, verdeutlicht ein epigraphisch überlieferter Brief des Antigonos Monophthalmos an die Stadt Skepsis, in dem er über seinen Friedensschluss mit Kassander, Lysimachos und Ptolemaios berichtet.565 Dort heißt es: ἴστε οὔν συντετε/λεσμένας τὰς διαλύσεις καὶ τὴν εἰρήνην γε/γενημένην : γεγράφαμεν δὲ ἐν τῆι ὁμολογίαι / ὀμόσαι τοὺς Ἕλληνας πάντας συνδιαφυλάσ/σειν ἀλλήλοις τὴν ἐλευθερίαν καὶ τὴν αὐτ[ο/ν]ομίαν, (…). / [κ]αὶ τὸ συνδιαφυλάξειν δὲ προσομνύναι ἃ ἡ/[μ]εῖς ὡμολογήκαμεν πρὸς ἀλλήλους : οὐκ ἄδο/ξον οὐδὲ ἀσύμφερον τοῖς Ἕλλησιν ἑωρῶμεν / ὄν : καλῶς δή μοι δοκεῖ ἔχειν ὀμόσαι ὑμᾶς / τὸν ὅρκον ὃν ἀφεστάλκαμεν. Wisset nun, dass abgeschlossen ist der Vertrag und der Friede eingetreten. Wir haben aber in der Vereinbarung schriftlich festgesetzt, „schwören sollen die Hellenen alle, einander bewahren zu helfen die Freiheit und die Autonomie“, (…). Ein zusätzlicher Eid mitzubewahren, was wir miteinander vereinbart haben, schien uns weder unrühmlich noch unvorteilhaft für die Hellenen zu sein. Daher halte ich es für gut, dass ihr schwört den Eid, den wir geschickt haben.566
Auch bei einem eigentlich zwischen hellenistischen Alleinherrschern geschlossenen Bündnis stand – diesen Eindruck vermittelt der Brief ganz deutlich – nicht die gegenseitige Schwurleistung der Herrscher selbst,567 sondern die eidliche Ver563 Vgl. StV III 403 I, Z. 11 f.: [οὐδὲ τ]ὴν βασιλείαν [τ]ὴν Φ/[ιλίππου καὶ τῶν ἐκγόν]ων καταλύσω (…). – „(…) und ich werde nicht die Königsherrschaft des Philipp und seiner Nachkommen stürzen.“ In Bezug auf Antigonos und Demetrios findet sich die Formel gleich lautend auch in StV III 446 V, Z. 146 f. Vgl. zu dieser Klausel ausführlich Herrmann (1968), 43–45. 564 So Chaniotis (2005a), 71, der ein Kapitel zum hellenistischen König als Schiedsrichter mit den Worten „The Wolf as a Sheep. Royal Peace-makers“ überschreibt. 565 Vgl. StV III 428 (= HGIÜ II 276). Der Brief datiert in das Jahr 311. 566 StV III 428, Z. 51–56, 62–66. 567 Der Friedensvertrag datiert vor dem Jahr der Könige, weshalb die Alleinherrscher in dem
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pflichtung der Griechenstädte, denen der Eidestext einfach dekretiert wurde, im Vordergrund. Ganz offenbar hatte Philipps Übernahme der koine eirene-Klauseln und die von ihm verwendete Schwurgötterformel Maßstäbe gesetzt. IV.2.3. Hellenistische Vertragseide zwischen griechischen Poleis IV.2.3.1. Vertragseide unter Bewahrung der territorialen Unabhängigkeit der Vertragspartner Neben den Alleinherrschereiden nehmen sich im Hellenismus die Beispiele für gegenseitige Schwurleistungen, an denen ausschließlich griechische Poleis beteiligt waren, eher gering aus.568 Gleichwohl ist hier auf diese Eide einzugehen, nicht zuletzt, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zur religiösen Absicherung der Alleinherrschereide noch deutlicher herausarbeiten zu können. Eine genaue Untersuchung der einschlägigen Zeugnisse lässt v. a. zwei Aspekte bedeutsam erscheinen: Erstens fehlt Tauropolos in allen relevanten Zeugnissen in der Schwurgötterliste und zweitens lassen sich zwei grundsätzlich verschiedene Typen von Schwurgötterlisten ausmachen: zum einen die schon bei den Alleinherrschereiden beobachtete standardisierte Liste, zum anderen die Verwendung von lokalen Schwurgottheiten. Das Fehlen der Tauropolos verdeutlicht, dass ihre Anrufung als ein Signum von Alleinherrschereiden zu gelten hat.569 Die beiden einzigen Ausnahmen bestätigen diese Regel, da sie sich jeweils in Sympolitieeiden finden, die unter Beteiligung eines Alleinherrschers geschlossen wurden.570 Eine solche Beteiligung ist auch bei dem berühmten Chremonidesdekret, das einen gegen Antigonos Gonatas gerichteten Vertrag (σπονδαὶ καὶ συμμαχία) zwischen Athen und Sparta ratifizierte, deutlich zu erkennen.571 So hatten beide Seiten zuvor bereits ein Bündnis mit Ptolemaios II. Philadelphos geschlossen, der zu Beginn des Dokuments mehrfach lobend erwähnt wird. Die Inschrift zeigt, dass die Autonomieklausel im Hellenismus nicht allein zu einem Instrument griechischer Alleinherrscher geworden Bündnis noch umständlich als οἱ ἐν τοῖς πράγμασιν ὄντες (StV III 428 Z. 59 f.) bezeichnet werden. Es ist wohl kein Zufall, dass sich die Eide der Diadochen selbst nicht erhalten haben. 568 Hellenistische Vertragseide zwischen griechischen Poleis, bei denen Eidgottheiten überliefert sind, sind mit Ausnahme der Sympolitieeide, die nach eigenen Regeln funktionierten: StV III 445 (Athen-Sikyon, 303/ 02), StV III 476 = HGIÜ II 323, (Athen-Sparta 267–265), StV III 495 = HGIÜ III 410 (Messene-Phigaleia kurz vor 240) und Milet I 3, 148 (Milet-Magnesia am Mäander, frühes 2. Jahrhundert). Vgl. Tabelle I im Anhang dieser Untersuchung, s. ferner die Zusammenstellung bei Brulé (2005), 165–167. 569 Für die Evidenz vgl. Tabelle I im Anhang dieser Untersuchung. 570 Die Beteiligung Seleukos II. an der Sympolitie zwischen Smyrna und Magnesia am Sipylos (StV III 492, nach 243) ist in dem Dokument selbst deutlich ersichtlich, die Initiative des Asandros für diejenige zwischen Herakleia am Latmos und Pidasa (Wörrle [2003a]; 323–313) wird von der Forschung mit guten Gründen angenommen (vgl. Gauthier, BE [1999], Nr. 462; zustimmend Wörrle [2003a], 132; s. auch Kap. IV.2.3.2.3.2.). 571 StV III 476 (= HGIÜ II 323). Vgl. zu der Inschrift Heinen (1972), 117–142, Marasco (1980), 139–157, Dreyer (1999), 331–341, der in den Herbst des Jahres 265 datiert, und Habicht (²2006), 148 f. (Herbst 268).
IV.2. Hellenistische Vertragseide
167
war, sondern weiterhin auch bei multilateralen Verträgen unabhängiger Poleis zur Anwendung kommen konnte.572 Allerdings ist es signifikant, dass sogar in diesem Zeugnis, das zunächst an die gemeinsamen Verdienste in den Perserkriegen erinnert und den Makedonenkönig gleichsam zu einem „neuen Xerxes“573 macht, die in der Urkunde viel beschworene „gemeinsame Freiheit der Hellenen“574 sehr eng mit einem anderen Alleinherrscher, dem König Ptolemaios, verbunden wird.575 Hierin sah man ganz offensichtlich keinen Widerspruch. Der multilaterale Charakter des Vertrags – neben den Athenern und Spartanern sind auch deren jeweilige Bündner ausdrücklich beteiligt – zeichnet zudem für die unspezifische und keinerlei lokale Besonderheiten aufweisende Schwurgötterliste verantwortlich, in der Zeus, Ge, Helios, Ares, Athena Areia und – sofern richtig ergänzt – Poseidon und Demeter angerufen werden.576 Einen anderen Weg, ihren Friedensvertrag religiös abzusichern, wählten dagegen die Einwohner von Milet und Magnesia am Mäander im ersten Viertel des 2. Jahrhunderts577, indem sie jeweils nur ihre eigene höchste Schwurgottheit anriefen, gefolgt von der obligatorischen Kollektivformel. Im Eid der Magnesier ist dies Artemis Leukophryene, im Eid der Milesier wohl Apollon Didymeus, dessen Name in der Urkunde zwar ergänzt ist, für den allerdings erstens der Aufstellungsort der Inschrift im Delphinion und zweitens eine inschriftliche Parallele sprechen.578 Ist diese Ergänzung korrekt, so handelt es sich um eines der ganz seltenen Beispiele 572 Den Aspekt der Unabhängigkeit Athens von der antigonidischen Herrschaft zur Zeit des Vertragsabschlusses betont Habicht (²2006), 151 f., der mit Recht darauf hinweist, dass man daher auch nicht von einer ‚Revolte‘ der Athener gegen die makedonische Herrschaft sprechen könne, wie dies noch Walbank (1988), 280 und Momigliano (1966), 31 tun. 573 Habicht (1995), 149. 574 StV III 476, Z. 18 (= HGIÜ II 323). 575 StV III 476, Z. 16–18: ὅ τε βασιλεὺς Πτολεμαῖος ἀκολούθως τεῖ τ/ῶν προγόνων καὶ τεῖ τῆς ἀδελφῆς προ[α]ιρέσει φανερός ἐστ/ιν σπουδάζων ὑπὲρ τῆς κοινῆς τ[ῶν] Ἑλλήνων ἐλευθερίας. 576 Ebd., Z. 87 f. Dieselbe Liste (ohne Demeter) findet sich auch in dem allerdings nur äußerst fragmentarisch überlieferten Bündnis zwischen Athen und Sikyon aus dem Jahre 303/ 02 (StV III 445, Z. 6 f.), in dem gleich zu Beginn des erhaltenen Textes Demetrios erwähnt (Z. 2) und auf Antigonos angespielt wird (Z. 3). Die Vermutung des Ersteditors Schweigert (1939), 35–41, der Vertrag bereite die Erneuerung des Korinthischen Bundes durch die beiden Könige im Jahre 302 vor, wird durch die Wahl der Schwurgottheiten gestützt, von denen zwar nur Helios und Athena erhalten sind, die anderen aber sicher ergänzt werden können. Allerdings muss die Reihenfolge der Gottheiten an einer Stelle umgedreht werden: So wurde Ares mit Sicherheit vor Poseidon angerufen, da Athena (Areia) und Ares in den hellenistischen Schwurgötterlisten immer ein Paar bildeten und direkt nacheinander angerufen wurden. 577 Vgl. Milet I 3, 148; die genaue Datierung ist umstritten. Die communis opinio, welche die Inschrift seit Mezger (1914) und Rehm (1914), Nr. 148 in das Jahr 196 setzte, wurde zeitweilig durch die Einwände von Errington (1989) erschüttert, der nach 185/ 84, also in die ausgehenden 180er Jahre, datierte. S. allerdings die neuen Argumente, die Wörrle (2004) wieder für die alte Orthodoxie vorbringt. Zu der für einen regionalen Konflikt außergewöhnlich weiten räumlichen Verteilung der am Vertragsabschluss beteiligten zahlreichen Gesandten aus 13 verschiedenen Poleis instruktiv Ma (2013b), 29. 578 Vgl. Milet I 3, 148, Z. 82 f. (Eid der Magnesier), Z. 85 f. (Eid der Milesier). Bei der Parallele handelt es sich um Milet I 3, 150 = HGIÜ III 469 (Milet-Herakleia am Latmos, 184–181).
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IV. Empirischer Teil. ‚Gleiche‘ und ‚ungleiche‘ Eide
für einen Vertrag, in dem tatsächlich unterschiedliche Schwurgötterlisten auftauchen. Die Inschrift belegt jedenfalls, dass in zwischenstaatlichen Verträgen in hellenistischer Zeit nicht zwingend auf die kanonische Schwurgötterliste multilateraler Vereinbarungen zurückgegriffen werden mussten, vielmehr gab es bei Verträgen wie dem zwischen Milet und Magnesia einen Spielraum für die Anrufung lokaler Gottheiten. Dies zeigt auch ein kurz vor 240 zwischen den peloponnesischen Poleis Messene und Phigaleia geschlossener Vertrag, der im Kern eine Isopolitie- und Epigamieklausel enthält und in Form eines messenischen Dekretes aufgezeichnet wurde.579 In diesem führen Zeus Ithomatas und Hera580 eine aus noch mindestens einer weiteren Gottheit bestehende Liste an, die mit einer kollektiven Schwurgötterformel endet und die mit ihrer dezidierten Anrufung der theoi horkioi ebenfalls lokale Züge trägt.581 IV.2.3.2. Sympolitie- und Bürgereide Einen Sonderfall von Vertragseiden zwischen hellenistischen Poleis stellten nun solche Eide dar, die den Abschluss einer Sympolitie begleiteten. Der Begriff der ‚Sympolitie‘ wird sowohl in den antiken Quellen als auch in der modernen Forschung auf zwei verschiedene Phänomene bezogen.582 Zum einen bezeichnet er die „besondere Ausgestaltung des Bürgerrechts in den antiken Bundesstaaten“583, eine Art „‚doppeltes Bürgerrecht‘“584, zum anderen das Zusammengehen zweier oder mehrerer Partner in einem neuen Bürgerverband.585 Das letztere Phänomen, das nicht als ein monolithischer Block zu verstehen ist, sondern sich in verschiedenen Erscheinungsformen darstellt,586 ist im Folgenden in den Blick zu nehmen. 579 StV III 495 = HGIÜ III 410; vgl. auch die Kommentare von Ager (1996), 119–124, Magnetto (1997), 230–237 und Harter-Uibopuu (1998), 46–52. Zum historischen Hintergrund der Inschrift s. Luraghi (2008), 257 f.; die vermittelnde Rolle der Aitoler deuten unterschiedlich Grainger (1999), 159–163 und Scholten (2000), 117–223. 580 Als Epitheton ist Ithomata anzunehmen, so gegen Zunino (1997), 113 m. Anm. 83 f. und 277, Anm. 2, die das Ende von StV III 495, Z. 23 als Ἡρα[κλέα] ergänzen und damit statt Hera Herakles in die Schwurgötterliste integrieren möchte, auch Brulé (2005), 154. Vgl. IG IX 1, 98, Z. 15 (Boiοter-Phoker, nach 196): [ὀμνύω τὸ]ν Δία τὸμ Βασιλέα καὶ τὴν Ἥραν τὴμ Βασίλειαν (…). 581 StV III 495, Z. 24: (…) καὶ θεὼς ὁρκί[ως πάντας]. 582 Vgl. hierzu Funke (2007a), 194–200, Walser (2009), 135–138 und Schuler (2010), 393 f. 583 Funke (2007a), 195. 584 Funke (2007a), 196. 585 Die ältere Forschung trennte seit Szanto (1892), 114 f. zwischen „bundesstaatlichen“ und „synoikistischen Sympolitien“; für letztere schlägt Schmitt (1994), 37 den Begriff der „Eingemeindungs-Sympolitie (incorporating sympolity)“ vor; vgl. dazu aber die Bemerkungen von Funke (2007a), 199, der davor warnt, die Phänomene allzu starr zu systematisieren, bevor sie noch nicht genau beschrieben und historisch eingeordnet sind. Vgl. allgemein zu Sympolitien ferner Feldmann (1885), Gschnitzer (1958), Giovannini (1971), Buraselis (2003), Eich (2004), 98–102 und – mit Bezug auf Karien – Reger (2004). Zum Phänomen des Synoikismos vgl. das Textcorpus von Moggi (1976) sowie Musiolek (1981) und Moggi (1996). 586 Es ist nicht zufällig, dass auch die griechischen Termini variieren. Neben ‚Sympolitie‘ kommen
IV.2.3.2. Sympolitie- und Bürgereide
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Sympolitieeide sind für die hier verfolgte Fragestellung von besonderem Interesse, da an ihnen auf exemplarische Weise die Verquickung von Außen- und Innenpolitik deutlich wird: Durch einen zwischenstaatlichen Akt entstand ein neues oder erweitertes Gemeinwesen. Der zunächst außenpolitische Vorgang endete mithin in einer Auflösung der völkerrechtlichen Schranken zwischen zwei Poleis, die zu einer neuen Einheit verschmolzen. Es kann daher nicht verwundern, dass Eide, die bei einer solchen Gelegenheit geleistet wurden, eigenen Regeln folgten, insbesondere, was die religiöse Absicherung der Vereinbarung betraf. Um dies zu verdeutlichen, ist zunächst ein Blick auf zwei mit den Sympolitieeiden verwandte Schwurtypen zu werfen, deren Formular in vielerlei Hinsicht das Modell für die Sympolitieeide bereitstellte. Gemeint sind Amnestie- und Bürgereide, bei denen man besondere Anstrengungen unternahm, die eingegangene Vereinbarung durch außergewöhnlich scharfe Eidesklauseln abzusichern.587 Welche Charakteristika diesen Eiden zu eigen waren, soll im Folgenden mithilfe eines dreistufigen Vorgehens untersucht werden: Zunächst werden die Amnestieeide exemplarisch anhand zweier jüngst publizierter Inschriften analysiert, um die gefundenen typischen Merkmale dieser Eide anschließend in einem zweiten Schritt durch charakteristische Klauseln anderer Bürgereide zu ergänzen. Vor dieser Folie sind dann in einem dritten Schritt die erhaltenen Sympolitieeide zu interpretieren. IV.2.3.2.1. Eid und Stasis: Amnestieeide „So mak’st thou faith an enemy to faith; And like a civil war, sett’st oath to oath.“ (Shakespeare, King John III 1)
Die Quellenlage für Amnestieeide hat sich in den letzten Jahren durch Neufunde von Inschriften in erheblichem Maße verbessert. So gesellten sich mit den Eiden aus Dikaia588 und Telos589 zwei weitere zu den bis dato bereits bekannten hinzu.590 Gerade die Auffindung der Inschrift aus Dikaia stellt für die Forschung einen echten auch ‚Homopolitie‘ (Kos und Kalymna) oder ‚Synoikie‘ (Orchomenos und Euaimon) vor. Zwar ist die altgriechische Rechtsterminologie hier wie so oft nicht trennscharf und konnten verschiedene Begriffe durchaus dasselbe Phänomen bezeichnen (so etwa ‚Sympolitie‘ und ‚Homopolitie‘) – gelegentlich weist die Verwendung voneinander abweichender Termini aber doch darauf hin, dass hier unterschiedliche Sachverhalte vorliegen (‚Synokie‘ vs. ‚Sympolitie‘). 587 Eine systematische Untersuchung der griechischen Bürgereide, bei der neben diesen auch Epheben-, Amnestie- und Sympolitieeide zu analysieren wären, stellt trotz Williamson (2013) ein Desiderat der Forschung dar. Williamson ist in der Unterscheidung der verschiedenen Eidtypen nicht präzise genug und begibt sich zudem mit ihrer chronologischen Beschränkung auf den Hellenismus der Chance, das neueste Quellenmaterial – insbesondere die Amnestie der Dikaiopoliten (SEG LVII 576; vgl. zu dieser unten) – zu analysieren. S. zu Amnestie- und Bürgereiden ferner die knappen Ausführungen von Pistorius (1985), 63–67 und Dössel (2003), 190–196. 588 SEG LVII 576. 589 IG XII 4, 1, 132. 590 Zu nennen ist hier neben den bekannten Beispielen aus Megara (424: Thuk. IV 74,2 f.), Athen (410: And. or. 1, 96–98; 403: And. or. 1, 90) und Kyrene (401: Diod. XIV 34,3–6), die allesamt
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IV. Empirischer Teil. ‚Gleiche‘ und ‚ungleiche‘ Eide
Glücksfall dar. Ihre Analyse verspricht aufgrund des guten Erhaltungszustandes der Inschrift und der Ausführlichkeit, mit der sie sich den Eidesangelegenheiten widmet, neue Aufschlüsse über das Phänomen der Amnestieeide zu liefern. Um die Besonderheit des Formulars von Amnestieeiden richtig ermessen zu können, ist es unabdingbar, kurz den allgemeinen Kontext zu beschreiben, in dem sie geleistet wurden. Dieser wurde immer durch die besonders prekäre Situation nach einem Bürgerkrieg (στάσις) gebildet. Solche inneren Auseinandersetzungen stellten zumindest im 5. und 4. Jahrhundert – aber auch darüber hinaus – nicht nur für Thukydides „das alles dominierende Grundübel“591, ja die „Geißel seiner Zeit“592 dar. Nun wird man zwar nicht fehlgehen zu konstatieren, dass die Griechen dem Eid à la longue eine große Bedeutung für den inneren Zusammenhalt eines Gemeinwesens zuschrieben.593 Wie verhielt es sich aber, wenn ein solcher Eid zur Absicherung einer Amnestie in einem derart schwierigen Kontext unmittelbar nach einer Stasis geleistet wurde? Die Quellen zeichnen hier ein recht düsteres Bild. So zeigt Thukydides in seiner Beschreibung der Stasis auf Korkyra, der berühmten ‚Pathologie des Krieges‘, eindrücklich, wie wenig religiöse Schranken in Zeiten des Bürgerkriegs wert sein konnten. Als ein Beispiel dafür dient ihm die schwindende Bindekraft von Eiden. Er urteilt: „Eide, falls sie überhaupt noch bei Verträgen geleistet wurden, galten für beide Seiten nur für den Augenblick der Not.“594 Und fährt an späterer Stelle fort: „Denn zu schlichten hatte weder das Wort die Kraft noch der Eid bannende Macht.“595 Auch wenn Thukydides auf den ersten Blick an beiden Stellen über eine konkrete historische Situation spricht, sind seine Aussagen doch als allgemeingültig für menschliches Verhalten in Extremsituationen wie Krieg und Bürgerkrieg intendiert. Dies legt ein drittes Beispiel für das Schwinden der Bindekraft von Eiden im Bürgerkrieg nahe, das sich erneut bei Thukydides findet, der im Zuge einer Beschreibung der Stasis in Megara davon spricht, dass dort auch „feierlichste Eide“596 nichts genützt hätten und von den Konfliktparteien sofort gebrochen worden seien. Dass sich die Konfliktparteien in Ausnahmesituationen immer wieder über die Norm der Eidestreue hinwegsetzten, dürfte somit nicht nur auf Korkyra vorgekommen sein.597 Bei diesem Quellenbefund ist es nur folgerichtig, wenn Hans-Joachim Gehrke im systematischen Teil seiner Untersuchung zum Phänomen der griechischen Stasis im 5. und 4. Jahrhundert resümiert: „[M]an setzte sich bedenkenlos literarisch überliefert sind (vgl. Sommerstein – Bayliss [2013], 129–144), insbesondere das Verbanntendekret aus Tegea aus dem Jahre 324 (Syll.³ 306). 591 Zimmermann (2013), 160. 592 Zimmermann (2013), 159. 593 Man vgl. nur Soph. Ant. 368–371, Lykurg. 79 und Plut. adv. Col. 1125d-e. 594 Thuk. III 82,7: καὶ ὅρκοι εἴ που ἄρα γένοιντο ξυναλλαγῆς, ἐν τῷ αὐτίκα πρὸς τὸ ἄπορον ἑκατέρῳ διδόμενοι ἴσχυον οὐκ ἐχόντων ἄλλοθεν δύναμιν. 595 Thuk. III 83,2: οὐ γὰρ ἦν ὁ διαλύσων οὔτε λόγος ἐχυρὸς οὔτε ὅρκος φοβερός. 596 Thuk. IV 74,2 f.: ὁρκώσαντες (sc. die Oligarchen und die zurück gebliebenen Freunde der Demokraten) πίστεσι μεγάλαις μηδὲν μνησικακήσειν, βουλεύσειν δὲ τῇ πόλει τὰ ἄριστα. 597 Vgl. für einen ganz ähnlichen Befund in Bezug auf Fälle der Hierosylie Trampedach (2005), 156.
IV.2.3.2. Sympolitie- und Bürgereide
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über einen – möglicherweise gerade erst geleisteten – Eid hinweg, insbesondere dann, wenn man den Gegner in Sicherheit wiegen wollte, um ihn dann um so sicherer vernichten zu können, ja der Eid hatte keinen anderen Zweck, als eben diese Überrumpelung zu ermöglichen.“598 Der Eid als Mittel der „Überrumpelung“! Man müsste doch eigentlich erwarten, dass ein Instrument der Vertrauensbildung, wenn es zu häufig zu einem Mittel der Täuschung degeneriert, an Bindekraft verliert und nicht mehr angewandt wird. In einer solchen Lage ist es daher keineswegs selbstverständlich, dass man zur Beendigung einer Stasis überhaupt auf das Instrument des Eides setzte, dessen Unzulänglichkeit den Akteuren im Verlaufe des Bürgerkriegs doch gerade frisch vor Augen geführt worden war. Es steht daher zu fragen, warum man sich bei einer Versöhnung eines Mittels bediente, das doch selbst Teil oder zumindest Symptom der Krise war. IV.2.3.2.1.1. Die ‚Amnestie der Dikaiopoliten‘ Bei der chronologisch früheren der beiden eingangs erwähnten Inschriften handelt es sich um die sog. ‚Amnestie der Dikaiopoliten‘.599 Der 105 Zeilen umfassende, nahezu vollständig erhaltene Text besteht aus einer Serie von sechs Volksbeschlüssen, die die Modalitäten einer Versöhnung zwischen den Bürgern der Polis Dikaia regeln. Über die vorhergehenden Zwistigkeiten lassen sich nur aus der Inschrift selbst Rückschlüsse ziehen, da die literarischen Quellen zu diesem Konflikt stumm bleiben und weitere Inschriften nicht erhalten sind: Aus dem dritten Volksbeschluss wird deutlich, dass sich während der Stasis eine im Exil befindliche Partei unter der Führung des Demarchos und eine in der Stadt verbliebene unter der Führung eines gewissen Xenophon gegenüberstanden. Die Inschrift lässt sich aufgrund der Erwähnung des Makedonenkönigs Perdikkas III., der zum „Zeugen und Mitwisser“ (μάρτυρα δ[ὲ] καὶ συνίστορ[α])600 der Amnestie benannt wird, in dessen Regierungszeit, also die Jahre 365–359, datieren.601 Zur Durchführung aller die Ver598 Gehrke (1985), 250. Zum Beleg verweist der Autor auf die Beispiele Megara im Jahre 424 (Thuk. IV 74,2 f.) und Milet 405 (Meineid Lysanders) und sieht den Eidbruch in einer Reihe mit dem Raub von Tempelschätzen, der Ausnützung von religiösen Festen zu einem Umsturz oder Fällen der Hierosylie; zu letzteren überzeugend Trampedach (2005). 599 SEG LVII 576; vgl. hier und im Folgenden zu Text und Übersetzung dieser Inschrift Appendix II. 600 SEG LVII 576, Z. 21. 601 Miltiades Hatzopoulos (BE [2008], Nr. 339), der hierin einem Vorschlag der Herausgeber der Inschrift folgt (vgl. Voutiras – Sismanides [2007], 263 f.), präzisiert gar auf das Jahr 363, also nach der Teilnahme des Perdikkas an der Kampagne des Timotheos gegen die Chalkidier von 364 (eine weitere exakte chronologische Einordnung der Stasis in einen konkreten außenpolitischen Kontext bei Psoma [2011]). Eine solche Einordnung ist möglich, aber nicht gesichert, weshalb hier eine Datierung in die Regierungszeit des Perdikkas genügen soll (so auch mit überzeugenden Argumenten Gray [2013], 377 f.). Perdikkas‘ älterer Bruder, Perdikkas II., der bis 413 regierte, lässt sich anhand der Buchstabenformen – Schrift der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts – jedenfalls ausschließen. Vgl. Voutiras – Sismanidis (2007), 257: „Τὰ γράμματα δεν έχουν ακρέμονες και μπορούν να χρονολογηθούν στο πρώτο μισό του 4ου αι. π.Χ.“ Dikaia befindet sich in dieser Zeit signifikanterweise am Rande des Einflussbereiches der Makedonen wie auch des Chalkidischen Bundes. Zudem war mit den Athenern in den 360er Jahren eine dritte Macht in der Region aktiv. Vgl. dazu Gray (2013), 377 f.
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IV. Empirischer Teil. ‚Gleiche‘ und ‚ungleiche‘ Eide
söhnung betreffenden Maßnahmen wurde eigens eine Kommission unter Leitung eines gewissen Lykios eingesetzt, deren Mitglieder συναλλακταί („Versöhner“)602 heißen. Besonders viel Raum wird in der Inschrift den Eidesangelegenheiten gewidmet, die sehr detailliert und ausführlich beschrieben werden: So beginnt der Text nach dem Präskript, das als ein erster Volksbeschluss präsentiert wird, direkt mit Regelungen über die Eidesleistung und endet schließlich mit dem Bürgereid der Dikaiopoliten im Wortlaut.603 Das Thema des Eides rahmt somit die gesamte Inschrift. Der zweite Volksbeschluss hält fest, dass alle Bürger schwören sollen – und zwar in den drei wichtigsten Polisheiligtümern oder auf der Agora.604 Es wird damit sogar der Ort der Eidesleistung vorgeschrieben, eine Regelung, die in Staatsverträgen gar nicht, in Sympolitieeiden nur selten vorkommt.605 Die Wahl der Schwurorte legt nahe, dass der Sinn der Klausel darin bestand, die Öffentlichkeit und damit die Überprüfbarkeit der Eidesleistung zu sichern. Dass zu diesem Zweck neben der Agora auf die zentralen Polisheiligtümer zurückgegriffen wurde, band die Zeremonie auf eine zusätzliche Weise an das Sakrale. Es wird zudem explizit das zu verwendende Opfertier – ein Eber – genannt.606 Auch dies ist für Staatsverträge epigraphisch nicht bezeugt, bei Amnestie- und Bürgereiden aber absolut gängig. In der Publikationsformel, die ungewöhnlich früh in der Inschrift auftaucht,607 wer602 SEG LVII 576, Z. 2 f. Der früheste Beleg für diesen Terminus stammte bisher aus dem dritten nachchristlichen Jahrhundert. Dabei handelt sich um P.Jena 02; vgl. auch Hesych. s. v. συναλλακτής (Σ 2414); s. ferner BE (2008), Nr. 162 (Laurent Dubois). 603 Die narratio des zweiten Volksbeschlusses (VB II) beginnt mit den Worten (Z. 5): τοὺς [π]ολίτας πάντας ὀμ̣όσ[α]ι τὸν ὅρκον τὸ̣[ν] / συγγεγραμμένο[ν]; der Eidestext findet sich in Z. 67–105 (VB VI). Eine derartige Gliederung der Inschrift nach den einzelnen Volksbeschlüssen wird auch von Voutiras (2008), 790–792 vorgenommen. Vgl. zu den einzelnen Klauseln des Eides auch die Tabelle zu Bürger- und Sympolitieeiden im Anhang dieser Studie (Tabelle II). 604 SEG LVII 576, Z. 6 f.: ἐν τρίσιν ἱεροῖς τοῖς [ἁ]γιωτάτοις καὶ / ἐ̣ν ἀγορῆι. Von den drei Heiligtümern lassen sich dasjenige der Athene, das in der Publikationsformel (Z. 10) auch als Aufstellungsort der Inschrift dekretiert wird, und das des Apollon Daphnephoros – als der Hauptgottheit Dikaias – ausmachen. Letzteres diente auch in der Metropolis Dikaias, Eretria, als Schwurort (vgl. den Chairephanes-Vertrag IG XII 9, 191, Z. 42 f.: ὀμόσαι τοὺς πο]/[λίτας π]άντας Χαιρεφάνει ἐν Ἀπόλλωνος Δαφνηφόρου·). Denis Knoepfler (BE [2008], Nr. 263) hält es aufgrund der Tatsache, dass beide Gottheiten auch in Eretria von großer Bedeutung waren, für sehr wahrscheinlich, dass die Dikaiopoliten auch die dritte Hauptgottheit Eretrias, Artemis Amarysia, aus ihrer Metropolis entlehnt haben („Il paraît également clair que les gens de Dikaia devaient honorer, en ville ou dans le territoire, Artémis Amarysia.“). Allerdings stellt er keine Verbindung mit Z. 6 f. dieser Inschrift her. Eine solche erscheint aber durchaus plausibel und soll hier angenommen werden: Das dritte Heiligtum, in dem der Eid auf die Amnestie der Dikaiopoliten geleistet werden sollte, war aller Wahrscheinlichkeit nach der Artemis Amarysia geweiht. 605 Nämlich in den Sympolitien zwischen Herakleia am Latmos und Pidasa (Wörrle [2003a], Z. 31 f.: ἐν τῆι ἀγ[ο]/ρᾶι) sowie zwischen Teos und Kyrbissos (Robert – Robert [1976], Z. 55: ἐν τῆι ἀγορᾶι). 606 SEG LVII 576, Z. 7: κάπρο[ν] ἱερεύσαντας. 607 SEG LVII 576, Z. 8–12.
IV.2.3.2. Sympolitie- und Bürgereide
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den ferner das Heiligtum der Athene und die Agora als Aufstellungsorte für die Inschriftenstelen bezeichnet. Der Zeitraum für die Eidesleistung wird auf drei Tage – eine im Vergleich mit anderen Bürgereiden lächerlich kurze Dauer – festgesetzt: ὀμόσαι δὲ πάν/τας ἐ̣ν τρισὶν ἡμ̣έ̣ραις.608 Dieselbe Frist soll auch für Abwesende nach dem Tag ihrer Rückkehr und Kranke nach dem Tag ihrer Gesundung gelten, wobei der Reisende noch zusätzlich der rituellen Reinigung bedarf.609 Hinter dieser Regelung spürt man förmlich das Bedürfnis, nur ja keine Eventualität außer Acht zu lassen und Versöhnungsunwilligen keine Schlupflöcher zu bieten. Neben den Göttern wird zudem Perdikkas als eine zusätzliche, weltliche Instanz zur Überwachung der Eide eingesetzt.610 Es folgen drei Volksbeschlüsse,611 die zum einen anhängige Mordprozesse erlauben und fest terminieren,612 zum anderen Gesetze und Vorschriften für einzelne, während der Stasis besonders exponierte Dikaiopoliten erlassen, die zeigen, mit welcher Genauigkeit auch die Eidesleistung von Einzelpersonen in der Inschrift geregelt wird.613 Offenbar maß man der namentlichen Nennung der Anführer der Stasisfaktionen, aber auch anderer Politen, eine hohe Bedeutung bei. In dieser Hinsicht stellt die ‚Amnestie der Dikaiopoliten‘ ein einzigartiges Zeugnis dar.614 Die Vielzahl der genannten Personen und damit auch der Sonderregelungen in Betreff der Amnestie weisen auf eine geringe Bürgerzahl Dikaias zum Zeitpunkt der Eidesleistung hin, da in einem größeren Gemeinwesen derartige Ausnahmeregelungen kaum praktizierbar gewesen wären. Auch werden einige der Politen nur mit ihrem Patronymikon bezeichnet – man musste also wissen, um wen es sich handelte. Man kannte sich. 608 SEG LVII 576, Z. 12 f. 609 SEG LVII 576, Z. 13–17; Reinigung: Z. 14 f.; zu dem hier beschriebenen Reinigungsritus Salvo (2012). 610 SEG LVII 576, Z. 21–27. Dass Perdikkas bei dem der Amnestie vorangehenden Konflikt eine aktive Rolle gespielt haben könnte, scheint auf den ersten Blick unwahrscheinlich, da er als Garant der Versöhnung ja von beiden Seiten akzeptiert worden sein muss. Für eine vorherige makedonische Präsenz in Dikaia spricht allerdings das Auftreten des makedonischen Königsnamens Argaios (Z. 46) unter den Anführern einer der Faktionen (BE [2008], Nr. 339 [Miltiades Hatzopoulos]: „manifestement macédonien“). Zudem richtet sich die Klausel Z. 69 f. des Bürgereides (οὐδὲ ξένους εἰσδέξομαι ἐπὶ βλάβηι τοῦ κοινοῦ / τοῦ Δικαιοπολιτέων) explizit gegen die Annahme fremder Unterstützung. Ob dies aber als eine unmittelbare Lehre aus den vorangehenden Auseinandersetzungen anzusehen ist, ist schwer zu entscheiden. Die außenpolitische Großwetterlage in der Region in den 360er Jahren legt es allerdings nahe, an eine gegenseitige Bedingung von äußeren Einflüssen und inneren Auseinandersetzungen zu glauben. In den Worten Grays (2013), 377: „it is very probable that the simultaneous influence of strong competing external powers was an enabling factor for the stasis.“ 611 SEG LVII 576, VB III–V, Z. 27–67. 612 Nämlich auf den 27. Daphnephorion im Archontat des Gorgythos (SEG LVII 576, VB III, Z. 27–30). Zu diesem neuen Monatsnamen ausführlich BE (2008), Nr. 263 (Denis Knoepfler), der gegen die Herausgeber (vgl. Voutiras – Sismanidis [2007], 264–266) den Daphnephorion nicht für den ersten Monat im dikaiischen – und eretrischen – Kalender hält. 613 SEG LVII 576, VB III–V, Z. 27–67. 614 Vergleichbar sind hier allenfalls Verträge griechischer Alleinherrscher mit Söldnertruppen bzw. deren Anführern, in denen sich gelegentlich ebenfalls sehr exakte Regelungen und Vorschriften für einzelne Personen(gruppen) finden. S. dazu ausführlich Kap. IV.2.2.1.
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IV. Empirischer Teil. ‚Gleiche‘ und ‚ungleiche‘ Eide
Die Inschrift endet mit dem Wortlaut des Amnestieeides, der eine Mischung aus gängigen und eher untypischen Klauseln beinhaltet.615 In den ersten beiden Paragraphen des Eides wird nicht nur die Treue auf die väterliche Verfassung beschworen,616 sondern auch die aus Athen bekannte Formel des οὐ μνησικακήσω, also eines ausdrücklichen Racheverzichts, verwendet.617 Um den Eid abzusichern, müssen die Bürger schwören, andere Eide aufzulösen, und an deren Statt ihren jetzigen Amnestieeid zu ihrem wichtigsten (σπουδαιότατος) Schwur zu machen.618 Ein solches Verfahren der Lösung von alten Eiden ist typisch für Amnestie- und Bürgereide und nur von diesen her bekannt. Man hatte dabei solche Eide im Sinn, die die einander jeweils gegenüberstehenden Stasisfaktionen als eine Schwurgemeinschaft (συνωμοσία) aneinander banden. Dies verdeutlicht ein Vergleich mit einer Klausel des Bürgereids der taurischen Chersonasiten vom Anfang des 3. Jahrhunderts. Dort heißt es: Und ich werde keine Schwurgemeinschaft (συνωμοσία) weder gegen die Gemeinschaft der Chersonasiten noch gegen irgendeinen der Bürger bilden, der nicht zum Feind des Volkes erklärt worden ist. Wenn ich aber mit jemandem verschworen war und wenn ich gegenüber jemandem durch Eid oder Gelübde gebunden bin, so soll es besser für mich und meine Habe sein, (diesen Eid) aufzulösen (…).619
An die Stelle solcher Parteieneide620 sollte auch bei den Dikaiopoliten ein Eid auf die Polis treten. Problematisch ist dabei allerdings, dass ein solches Verfahren im Grunde dem einem jeden Eid immanenten Sinn widerspricht, ein Versprechen nicht nur auf eine höhere Ebene zu heben, sondern v. a. möglichst dauerhaft abzusichern: Denn wenn es möglich ist, einfach zu beschwören, dass alte Eide nicht mehr gültig sein sollen, ist fraglich, wie viel dann eigentlich ein solcher neuer Eid noch wert ist. Derartige Eidesklauseln dürften daher auf lange Sicht nicht gerade dazu beigetragen haben, das Vertrauen in die grundsätzliche Unverletzlichkeit der Institution des Eides zu erhöhen. Allerdings sind solche Klauseln auch nur in Bezug auf Parteieneide möglich, also solche Eide, die gegen die Polis gerichtet waren. Die Klauseln verdeutlichen daher zugleich, dass bei einem Normenkonflikt, bei dem 615 SEG LVII 576, VB VI, Z. 67–105. Vgl. die in Appendix II gegebene tabellarische Übersicht und Einteilung in Sinnabschnitte. 616 SEG LVII 576, § I, Z. 67–69. 617 SEG LVII 576, § II, Z. 70 f. Die Formel wird in Z. 73 f. wörtlich – in der Form eines Konditionalsatzes – wiederaufgenommen. Zum Racheverzicht über die οὐ μνησικακήσω-Formel in den attischen Amnestieeiden von 410 und 403: Xen. Hell. II 4,43, And. or. 1, 90; 96–98; vgl. zuletzt Carawan (2002), Flower (2006), 23–25, Joyce (2008), Moggi (2009), Meier (2010), 15–39, bes. 15–30 und Sommerstein – Bayliss (2013), 130–139. 618 SEG LVII 576, § IV, Z. 82–84. 619 IOSPE I² 401, Z. 36–47 (= HGIÜ II 339): οὐδὲ συνωμο[σί]/αν συνομοῦμαι οὔτε κατὰ τοῦ κοιν[οῦ] / τοῦ Χερσονασιτᾶν οὔτε κατὰ τῶμ [πο]/λιτᾶν οὐδενός, ὃς μὴ ἀποδέδεικτα̣[ι] / [π]ολέμιος τῶι δάμωι· εἰ δέ τινι συνώ/[μο]σα καὶ εἴ τινι καταλέλαμμαι ὅρ[κωι] / [ἢ ἐ]πευχᾶι, δια̣λυσαμένωι μὲν ἄμ̣[ει]/ν̣ον εἴη καὶ ἐμοὶ καὶ τοῖς ἐμοῖς […]· Vgl. auch And. or. 1, 98 (Dekret des Demophantos, Athen 410): ὁπόσοι δὲ ὅρκοι ὀμώμονται Ἀθήνησιν ἢ ἐν τῷ στρατοπέδῳ ἢ ἄλλοθί που ἐναντίοι τῷ δήμῳ τῷ Ἀθηναίων, λύω καὶ ἀφίημι. S. zu diesem jüngst viel diskutierten Eid Shear (2007), (2011), 136–141 und Teegarden (2012). 620 Vgl. zu diesen jetzt auch Sommerstein – Bayliss (2013), 120–128.
IV.2.3.2. Sympolitie- und Bürgereide
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das Gebot der Eidestreue gegen das der Verfassungstreue stand, die Verpflichtung gegenüber der eigenen Polis als höherwertig angesehen wurde. Parteieneide stellen daher auch die einzigen Schwüre dar, zu deren Bruch ganz offen aufgerufen werden konnte.621 In gewisser Weise ähnlich gelagert ist eine vorhergehende Klausel des Eides, in der gleichsam die Aussetzung der Hikesie beschworen wird: „Von den Altären werde ich (die Bittflehenden) fernhalten und werde selbst ferngehalten werden.“622 Nach dieser Eidklausel sollen die Dikaiopoliten schwören, sich nicht als Bittflehende an die Altäre zu begeben und andere davon abzuhalten, sich an diese zu flüchten, um einen reibungslosen Ablauf der Amnestieprozesse und besonders die Vollstreckung der Urteile zu gewährleisten.623 Die Ungültigkeit der einen religiösen Institution wird durch eine andere – den Eid – abgesichert. Dies stellt zugleich „ein ausgezeichnetes Beispiel von Normenhierarchien an einer Schnittstelle sakralen und profanen Rechts“624 dar. Kurz darauf findet sich zudem eine Klausel, die jedem Bürger Dikaias vorschreibt, sich selbst zu reinigen und die Reinigung der anderen durchzuführen oder zu überwachen.625 Eine derartige Klausel ist bisher aus keinem anderen Eid bekannt. Sie erklärt sich aus den spezifischen Bedingungen eines Amnestieeides, der unmittelbar auf eine Stasis folgte, in deren Verlauf es unweigerlich zur Befleckung vieler Politen etwa durch Mord an einem Mitbürger gekommen sein musste.626 Zwar konnte eine solche Befleckung von Mördern in Ausnahmefällen a priori per Gesetz ausgeschlossen werden, wie eine Klausel aus einem Sympolitievertrag zwischen Teos und Kyrbissos lehrt – auch diese religiöse Norm galt also nicht uneingeschränkt –,627 diese Annahme bestätigt aber nur die Regel, dass nach griechi621 Vgl. etwa Lys. or. 12, 47, wo der Redner die „Anhänger des Eratosthenes“, der Mitglied der Dreißig gewesen war, ganz offen zum Eidbruch, d. h. zur Aussage gegen Eratosthenes, ermuntert. Dies ist nur möglich, da es sich um Parteieneide handelt, insbesondere da Lysias in derselben Rede (or. 12, 9 f.) gerade mit der großen Bedeutsamkeit der religiösen Verpflichtung der Eidestreue argumentiert. 622 SEG LVII 576, § III, Z. 74 f.: καὶ ἀπὸ τῶμ β̣ωμῶγ καθελέω καὶ καθαιρεθ[ή]/σομαι· Als Aussetzung der Hikesie scheint die Passage auch von Voutiras (2008), 791 verstanden zu werden, der übersetzt (ebd.): „Et j’éloignerai (les suppliants) des autels et j’accepterai d’en être moi-même éloigné.“ 623 Vgl. zu Fällen der Einschränkung der Konsequenzen der Hikesie Chaniotis (1996b) und (2007), bes. 237–242, dessen damals aufgestellte These von der Möglichkeit der „rechtliche(n) Einschränkung der Asylie“ (Chaniotis [2013], 65) – oder genauer: der Hikesie – durch die oben zitierte Klausel in der Amnestie der Dikaiopoliten bestätigt wird. Die gegen diese Deutung jetzt von Naiden (2014) erhobenen Einwände können nicht überzeugen. 624 Chaniotis (2013), 65. 625 SEG LVII 576, § III, Z. 75–77: καὶ ἁγνιῶ / καὶ ἁγνιοῦμαι καθότι ἂν τάξ[ηι] / [τ]ὸ κοινόν· Dazu ausführlich Salvo (2012). 626 Zu den spezifisch griechischen Konzepten von Reinheit und Befleckung s. grundlegend Parker (1983). Die Formen, in denen sich die Reinigung vollzog, unterlagen historischen Schwankungen: So stellte etwa in archaischer Zeit die Auswanderung noch eine oft ergriffene Möglichkeit zur Reinigung von dem Mord an einem Mitbürger dar, die in klassischer Zeit nicht mehr gegeben war. Zu dem Phänomen des befleckten Oikisten vgl. Dougherty (1993a) und Bernstein (2004), 32–42, 60–72, 197–206. 627 In der Sympolitie (Robert – Robert [1976] = HGIÜ II 351, Z. 25 f.) wird für den Fall, dass
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IV. Empirischer Teil. ‚Gleiche‘ und ‚ungleiche‘ Eide
schem Denken Mord zu religiöser Schuld durch Verunreinigung (miasma) führte. Diese konnte sich auf die ganze Gemeinschaft übertragen und göttliche Strafe nach sich ziehen. Für einen Neuanfang der Polis, der ja in der Amnestie gerade gesucht wurde, waren Reinigungsrituale daher unerlässlich. Außergewöhnlich ist zudem, dass die Leistung des Eides mit dem Erhalt eines Pfandes (παραθήκη) als einer weiteren Treueversicherung verbunden wird – man beachte, dass das Tempus vom Futur zum Präsens wechselt: „Ich erhalte (δέχομαι) vom Altar ein Unterpfand von Apollon gemäß den Eiden, die ich geleistet habe.“628 Der präsentische Gebrauch des Prädikats δέχομαι deutet auf eine parallel zur Eidesleistung durchgeführte Handlung hin – ist doch das Futur das obligatorische Tempus eines jeden promissorischen Eides. Man vergleiche zudem Z. 103 f. (ἔλαβον τὴμ παραθήκην), wo an einer späteren Stelle desselben Eides die Entgegennahme des Unterpfands als bereits vergangen gekennzeichnet wird. Die genannte Handlung stellt somit eine in die Eidesleistung integrierte und dennoch zusätzliche, erneut religiös fundierte Absicherung der Versöhnung dar. Da sich das παραθήκη-Ritual mit Apollon auf eine in der Schwurgötterliste nicht genannte Gottheit bezieht, muss auch die Exsekrations- und Segensformel wiederholt werden.629 Worum es sich bei der παραθήκη allerdings konkret handelt, bleibt unerwähnt.630 Wichtig ist, dass die Fluch- und Segensformel beim zweiten Mal nicht nur wiederholt, sondern sogar noch gesteigert bzw. intensiviert wird (ἐξώλης, τὰ ὑπάρχον/τα πάντα).631 Das Ritual scheint v. a. den Sinn zu haben, Apollon Daphnephoros als die Hauptgottheit Dikaias in die religiöse Absicherung der Versöhnung zu integrieren, da der Gott in der Schwurgötterliste, die wie die Exsekrations- und Segensformel in der Inschrift zweimal auftaucht,632 ja nicht erscheint. In dieser Liste werden stattdessen in typisich jemand in Kyrbissos die Alleinherrschaft anmaßt, festgelegt: καὶ ὃς ἂν ἀποκτείνηι αὐτὸν μ[ὴ] / μιαρὸς ἔστω· Zur niemals uneingeschränkten Gültigkeit religiöser Normen bei den Griechen vgl. Chaniotis (1996b), 83–85 (Asylie), Luraghi (2000), bes. 92–96 (Tyrannenmord im Heiligtum), Trampedach (2005), 150–156 (Hierosylie) und Scharff (2009), 329 f. (Eid). 628 SEG LVII 576, Z. 91–94: δέχομαι ἀπὸ το[ῦ] / β̣ωμοῦ παραθήκην παρὰ τοῦ Ἀπ[ό]/[λ]λωνος κατὰ τοὺς ὅρκους οὓς ὤμ/οσα. 629 Die Formel tritt zuerst in SEG LVII 576, § VI, Z. 86–91 auf und wird dann in § VIII, Z. 94–105 in überbietender Form erneut aufgenommen. 630 So auch der Kommentar in SEG LVII 576 ad loc., wo explizit darauf hingewiesen wird, dass ein solches Ritual hier überhaupt zum allerersten Mal bezeugt ist. 631 SEG LVII 576, Z. 100–102. Vgl. zudem den expliziten Aufruf zur göttlichen Vergeltung im Falle des Eidbruchs, mit dem die Inschrift endet (Z. 102–105). 632 SEG LVII 576, Z. 7 und Z. 85 f. Anders als die Exsekrations- und Segensformel erscheint die invocatio aber nur einmal im Eid selbst. Das erste Auftreten der Schwurgottheiten in VB II, Z. 7, wo die Rahmenbedingungen der Schwurleistung festgeschrieben werden, verdeutlicht, dass es anhand der Inschrift auch möglich ist, den Entscheidungsprozess, der der Amnestie voranging, zumindest in Teilen zu rekonstruieren: So einigte man sich offenbar zuerst auf die Kommission, welche die Amnestieregelungen durchführen sollte (VB I), dann auf die Rahmenbedingungen der Schwurzeremonie, die die Versöhnung absichern sollte (VB II), verabschiedete anschließend spezielle Regelungen für Mordprozesse und einzelne Kombattanten (VB III–V) und verständigte sich erst ganz zum Schluss auf den genauen Wortlaut des Eides und den Ablauf des paratheke-Rituals (VB VI). Allerdings ist davon auszugehen, dass alle sechs Volksbe-
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scher Weise Zeus, Ge und Helios, die drei am häufigsten auftretenden griechischen Eidgottheiten, sowie Poseidon angerufen.633 Die Auswahl dieser Schwurgottheiten, die hier für die Elemente Himmel, Erde, Sonne und Wasser stehen, soll versinnbildlichen, dass sich der Eidbrüchige nirgends vor den Augen der Götter verbergen kann. In auffälliger Weise gesteigert ist zudem das Ende des Eides. So wird im letzten Satz der Inschrift Apollon Daphnephoros explizit zur Rache an Eidbrüchigen aufgerufen: „Es soll rächen (τιμωρήσειεν) der Gott, von dem ich das Pfand genommen habe, zusammen mit allen anderen Göttern.“634 Das Konzept der göttlichen Vergeltung stand nun zwar hinter jedem griechischen Eid, da er ja immer eine bedingte Selbstverfluchung für den Fall der Übertretung darstellte; dass dieses Konzept aber derart explizit unter Anrufung der Gottheiten evoziert wurde, wie dies am Ende dieser Inschrift der Fall ist, ist in griechischen Vertrags- und Bürgereiden ohne Parallele. Die Vehemenz der Forderung nach göttlichem Schutz der Vereinbarung kommt zudem darin zum Ausdruck, dass klammheimlich die Zahl der durch einen künftigen Eidbruch potenziell verletzten Götter ad infinitum gesteigert wird: Dem implizit genannten Apollon Daphnephoros werden nämlich nicht nur die Schwurgottheiten zur Seite gestellt, sondern ausdrücklich alle anderen Götter (μετὰ τῶν ἄλλων θεῶν πάντων)635. Im Ergebnis endet hier der Vertragstext einer Amnestie, also eines Instruments, das ja im Kern gerade auf einem Racheverzicht beruht, mit einem Racheaufruf. Dieser auf den ersten Blick paradox anmutende Befund stellt aber wie die schon erwähnte Regelung Z. 28–30, die auch Mordprozesse als ein Element der Versöhnung zuließ, nur einen scheinbaren Widerspruch dar: Vielmehr steht dahinter deutlich ein Spannungsverhältnis zwischen dem Bedürfnis nach gerechter Strafe der Schuldigen und der Notwendigkeit eines erneuten Zusammenlebens mit den ehemaligen Todfeinden, wie es auch für moderne Amnestieregelungen kennzeichnend ist.636 Es bleibt festzuhalten, dass die den Eid betreffenden Angelegenheiten hier nicht nur in einer Ausführlichkeit und Detailfreude geregelt werden, die ihresgleichen suchen, sondern dass auch das Konzept der göttlichen Vergeltung besonders drastisch ausgemalt wird. Im Eid der Dikaiopoliten wird deutlich über das hinausgegangen, was aus anderen Amnestie- und Bürgereiden bekannt ist. Dies könnte mit den schlechten Erfahrungen zusammenhängen, die die Akteure während der schlüsse in einer einzigen Sitzung der Volksversammlung verabschiedet wurden (vgl. Voutiras – Sismanides [2007], 261 f. und Gray [2013], 376). 633 Die Inschrift stellt damit den frühesten Beleg für das Auftreten des Poseidon als Schwurgott dar. Vgl. zur Integration Poseidons in die traditionelle Liste Brulé (2005), 156; ein weiteres Beispiel für Poseidon in einer Schwurgötterliste des 4. Jahrhunderts jetzt bei Funke – Hallof (2013), II, Z. 9. 634 SEG LVII 576, Z. 102–105: τιμωρήσειεν δὲ ὁ / [θ]εὸς παρ᾽ οὗ ἔλαβον τὴμ παρ/αθήκην μετὰ τῶν ἄλλων / θεῶν πάντων. 635 SEG LVII 576, Z. 104 f. 636 Man denke etwa an die Schwierigkeiten und Probleme, mit denen die deutsche Bundesregierung nach dem Mauerfall oder die südafrikanische Wahrheitskommission zu kämpfen hatten. Zu der Rolle von Wahrheitskommissionen in aktuellen Konflikten vgl. jetzt instruktiv Tomuschat (2011).
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Auseinandersetzung mit der Bindekraft von Eiden gemacht hatten. So ist für einen oligarchischen Umsturz im Milet des Jahres 405 überliefert, dass sich der Spartaner Lysander, der die Adelspartei unterstützte, zum Schein für eine Versöhnung aussprach und der demokratischen Partei entsprechende beeidete Versprechungen gab, mit der alleinigen Absicht, sie in Sicherheit zu wiegen und desto mehr von ihnen leicht überwältigen zu können.637 Nach Diod. XIII 104,5 fand dieser Handstreich zudem während eines religiösen Festes (Διονυσίων ὄντων) statt.638 Genau solche Fälle werden die Dikaiopoliten vor Augen gehabt haben, als sie neben den Eiden noch ein zusätzliches Unterpfand – die παραθήκη παρὰ τοῦ Ἀπόλλωνος – in die Versöhnung einbauten. Interessanterweise kommen sie aber nicht auf die – doch scheinbar noch naheliegendere – Idee, auf das Instrument des Eides gänzlich zu verzichten. Dies ging offenbar über ihren Vorstellungshorizont hinaus. Der Eid war ein so unverzichtbares Mittel bei der Streitbeilegung, dass die ‚Versöhner‘ (συναλλακταί) stattdessen versuchten, mögliche Schlupflöcher zu schließen und die dem Eidbrüchigen drohende göttliche Vergeltung auf möglichst drastische Weise auszumalen und durch flankierende Maßnahmen zu unterstützen. IV.2.3.2.1.2. Der ‚Bürgereid der Telier‘ Der ‚Bürgereid der Telier‘ ist Teil eines längeren Ehrendekrets für koische Richter, das man im Asklepieion von Kos gefunden hat. Die Inschrift lässt sich anhand der Erwähnung von βασιλεῖς in Z. 108, mit denen hier aufgrund der Buchstabenformen Antigonos Monophthalmos und Demetrios Poliorketes gemeint sein müssen, in die Zeit zwischen 306 und 301 datieren.639 Die Inschrift beginnt mit einem Ehrendekret für fünf koische Richter, deren Namen nur z. T. erhalten sind und die von den Teliern zu Hilfe gerufen worden wa637 Zur milesischen Stasis von 405 vgl. Diod. XIII 104,5 f.; Plut. Lysander 8,1–4; 19,3; Polyain. I 45,1; s. auch Plut. mor. 229b; dazu Lotze (1964), 29 und v. a. Gehrke (1985), 114 f. Zwar ist bei Diod. XIII 104 f. von Eiden oder Versprechungen Lysanders gar keine Rede und geht es bei Plut. Lysander 8,1–4 zunächst auch nur um Versprechungen, nicht Eide des Spartaners, doch endet die Passage (8,4) mit dem hier Lysander zugeschriebenen Satz, man müsse „Kinder mit Würfeln, Erwachsene mit Eiden betrügen“ (τοὺς μὲν παῖδας ἀστραγάλοις, τοὺς δὲ ἄνδρας ὅρκοις ἐξαπατᾶν), was an dieser Stelle nur Sinn macht, wenn die genannten Versprechen Lysanders in Wahrheit als Eide zu verstehen sind. 638 Nach der zynischen Empfehlung von Ain. Takt. 17,1–6 grundsätzlich der ideale Zeitpunkt für einen Umsturz. Vgl. auch Gehrke (1985), 250 m. Anm. 10 und Trampedach (2005), 152 f. 639 Terminus post quem: Annahme des Königstitels durch Antigonos und Demetrios im Jahre 306 nach dem Sieg des Demetrios über Ptolemaios bei Salamis (Zypern). Terminus ante quem: 301 Tod des Antigonos in der Schlacht bei Ipsos. Der in der Inschrift mehrfach genannte eponyme monarchos der Koer, Theagoras, ist ansonsten unbekannt (Habicht [2000], 306, 319; SEG L 752) und hilft daher für die Datierung nicht weiter. – Die Inschrift besteht aus zwei Fragmenten, die bereits in den Jahren 1903 (Fragment b) bzw. 1904 (Fragment a) gefunden wurden und in Auszügen schon seit langer Zeit in der Forschung kursierten. So wurde die Inschrift mehrere Male erwähnt und in Auszügen zitiert von Herzog (1903), 196 f., (1905), 11, (1928), 45, 51, (1942), 15; vgl. auch Stavrianopoulou (1997), 81, Wiemer (2002), 229, Anm. 7, Habicht (2007), 129 f., Grieb (2008), 179 und Carlsson (2010), 125 f. Der vollständige Text der Inschrift wurde aber erst im Jahre 2010 im Rahmen des von Klaus Hallof besorgten IG-Bandes XII 4, 1 zu Kos und Kalymna unter der Nr. 132 veröffentlicht.
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ren, um einen Streit zu schlichten.640 Nach einer Lücke von 20 Zeilen schließt sich der von den koischen Richtern mit den Streitparteien ausgehandelte Vergleichsvorschlag an, wobei die sakralen den öffentlichen Streitfällen vorangehen.641 Es folgen einzelne Urteile642 und schließlich der Eid der telischen Bürger auf den Vergleich.643 Die Urkunde endet mit einem zweiten Volksbeschluss, der den Ratifizierungsbeschluss des Vergleichs durch den damos der Telier beinhaltet.644 Für die hier verfolgte Fragestellung sind nun v. a. die Zeilen 125–138, also der Bürgereid der Telier, von besonderem Interesse. Es fällt sofort auf, dass es sich um einen deutlich kürzeren Eid als bei den Dikaiopoliten (14 gegenüber 39 Zeilen) handelt. Die Kernbestandteile eines Amnestieeides sind jedoch alle vorhanden: In Form eines finalen Nebensatzes wird zunächst das Ziel, zu dem die Leistung des Eides führen soll, angegeben. Der Schwur solle geleistet werden, „damit die Telier auch in künftiger Zeit in Eintracht verbleiben (ὁμονοεῦντες)“645, eine Formulierung, die sich auch an zwei weiteren Stellen der Inschrift findet und diese geradezu leitmotivisch durchzieht.646 Von Anfang an schwebt somit der Zentralbegriff der homonoia über dem Vergleich. Dass eine solche Betonung der inneren Eintracht nicht nur ein spezifisches Signum des Eides der Telier darstellte, sondern bei griechischen Bürgereiden gang und gäbe war,647 verdeutlichen die Worte des xenophontischen Sokrates: Überall in Griechenland herrscht das Gesetz, daß die Bürger schwören sollen, in Eintracht zu leben, und überall schwören sie diesen Eid. (…) Ohne Eintracht aber könnte wohl kein Staat gut gelenkt und kein Haus gut verwaltet werden.648
640 IG XII 4, 1, 132, Z. 1–16. 641 IG XII 4, 1, 132, Z. 37–65. Es handelt sich um einen der frühesten Belege für die Institution fremder Richter. Vgl. zu diesen Dreher (1995), 139–152. 642 IG XII 4, 1, 132, Z. 66–125. 643 IG XII 4, 1, 132, Z. 125–138. Vgl. zu dem Eid Krob (1997), 445–447. 644 IG XII 4, 1, 132, Z. 138–141. 645 IG XII 4, 1, 132, Z. 125 f. Vgl. zu den einzelnen Elementen des Eides auch Tabelle II im Anhang dieser Arbeit. 646 Vgl. IG XII 4, 1, 132, Z. 4 f. (Begründung für die Ehrung der koischen Richter): ὅπως ὁμο/[νοιεῦντες ἐν δαμοκρα]τίαι πολιτεύωνται und Z. 38 f. (Begründung der Notwendigkeit der Versöhnung): ὅπως ὁμονοιεῦντες ἐν δαμοκρατίαι π̣[ολιτεύ/ωνται] ἐλεύθεροι καὶ αὐτόνομοι ὄντες, (…). 647 Vgl. etwa den programmatischen Beginn des Bürgereides der taurischen Chersonasiten (IOSPE I2 401, Z. 5–7 = HGIÜ II 339), wo es direkt im Anschluss an die invocatio heißt: ὁμονοησῶ ὑπὲρ σωτηρίας / καὶ ἐλευθερίας πόλεος καὶ πολι/τᾶν (…). Sogar als Gottheit im Rahmen einer Versöhnung angerufen wird Homonoia – neben Zeus Homonoios – in SEG XXXVI 750, Z. 7 f. Zur kultischen Verehrung der Homonoia s. Thériault (1996), 6–13. Allgemein zur Bedeutung der homonoia in Bürgereiden vgl. – mit besonderem Bezug auf Thuk. VIII 75,2 und 93,3 – Cuniberti (2007). 648 Xen. Mem. IV 4,16: πανταχοῦ ἐν τῇ Ἑλλάδι νόμος κεῖται τοὺς πολίτας ὀμνύναι ὁμονοήσειν, καὶ πανταχοῦ ὀμνύουσι τὸν ὅρκον τοῦτον· (…) ἄνευ δὲ ὁμονοίας οὔτ’ ἂν πόλις εὖ πολιτευθείη οὔτ’ οἶκος καλῶς οἰκηθείη. Man vgl. die aristotelische Definition der homonoia als πολιτικὴ φιλία (eth. Nic. 1167a-b [IX 6,1–4]) und Gegenbild zur Stasis.
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IV. Empirischer Teil. ‚Gleiche‘ und ‚ungleiche‘ Eide
Im telischen Bürgereid wird zudem noch vor Beginn des eigentlichen Eidestextes das Mindestalter der Schwörenden auf 18 Jahre festgesetzt,649 eine Bestimmung, die im Eid der Dikaiopoliten fehlt. Typisch für Bürgereide ist, dass das πάντες, die Leistung des Eides durch alle Bürger, betont wird.650 Eine solche Regelung ist notwendig, da es in einem vergleichbaren Kontext, dem Schwören eines Vertragseides, im antiken Griechenland keine einheitliche Lösung der Frage gab, wer den Eid zu leisten hatte.651 Die Betonung des πάντες kennzeichnet die Eidesleistung außerdem ausdrücklich als einen gemeinschaftlichen Akt aller Politen, was deutlich in Zusammenhang mit der vorhergehenden homonoia-Klausel steht. Es geht dabei aber nicht nur um Eintracht, sondern auch um Herrschaft: Dies zeigt sich daran, dass sich ein den Bürgereiden vergleichbares Insistieren auf der Leistung des Schwures durch alle Bürger in der Antike sonst nur in einigen wenigen foedera iniqua aus der Zeit des Ersten Attischen Seebundes652 bzw. im römischen Kaisereid findet.653 In beiden Fällen handelt es sich um einen Kontext, der den Eid in besonderem Maße als eine Treue- und Loyalitätsbekundung ausweist. Der Eid wird zum Herrschaftsinstrument – im Falle des Bürgereides heißt das: zu einem Instrument der Herrschaft des Demos. Es folgen mit der Anrufung der Schwurgötter und der Vorschrift über die Opfertiere die Modalitäten des Eidrituals.654 Beide werden aber nicht näher expliziert: So werden die Schwurgottheiten nur allgemein als θεὸς τὸς ὁρκίος angesprochen und wird vom Tieropfer allein gesagt, dass der Eid „über frisch verbrannten Opfertieren“ (κατὰ ἱερῶν νεοκαύτων) geleistet werden soll. Der explizite Verweis auf die Opfertiere ist in Staatsverträgen selten, in Bürgereiden aber absolut gängig.655 Dass die Schwurgottheiten nicht namentlich genannt werden, erscheint zunächst ungewöhnlich. Allerdings lässt sich ihr Fehlen aus dem Kontext der Eidesleistung erklären: So ist es bei einem Bürgereid ohne Weiteres möglich, sich einfach auf die Schwurgottheiten der eigenen Polis zu berufen, ein Umstand, der für Staatsverträge
649 IG XII 4, 1, 132, Z. 126 f. Vgl. die Regelung in der Homopolitie zwischen Kos und Kalymna (StV III 545, Z. 10 = HGIÜ III 429), die besagt, dass „alle Bürger im wehrfähigen Alter“ schwören sollen (τοὶ δὲ πολῖται πάντες ἡβαδὸν ὀμνυόντο). 650 Vgl. Aristot. Ath. Pol. 7,1 (Beschwörung des solonischen Gesetzeswerkes in Athen; vgl. dazu Rosivach [2010], 223–227), SEG XXXVI 752, Z. 39, 41 (jeweils ergänzt; zudem ist von ‚geloben‘ [εὔξασθαι], nicht ‚schwören‘ die Rede), SEG LVII 576, Z. 5 und IC III IV 8, Z. 2 f. In den Sympolitieeiden sollen zwar de facto sehr häufig alle Bürger den Eid leisten, dies wird aber nicht extra sprachlich hervorgehoben. Einen Sonderfall stellt in dieser Hinsicht die Homopolitie zwischen Kos und Kalymna (vgl. die vorige Anm.) dar, die das πάντες deutlich betont. 651 Vgl. Mosley (1961), 60–63, Chaniotis (1996a), 68. 652 Vgl. den oben diskutierten attischen Volksbeschluss StV II 155, Z. 32 f. (= HGIÜ I 79) über die Beziehungen zum euboiischen Chalkis, in dem bezeichnenderweise die Leistung des Schwures durch alle Bürger nur für die Chalkidier, nicht aber für die Athener vorgeschrieben wird. 653 Vgl. zu letzterem mit den Belegen Herrmann (1968), González (1988), Bormann (1995), 48–50, Cancik (2003), Connolly (2007) und jetzt Fujii (2013), 77–91 und (2014). Zu den papyrologischen Zeugnissen s. Packman (1991). 654 IG XII 4, 1, 132, Z. 127 f. 655 Vgl. Tabelle II im Anhang dieser Untersuchung.
IV.2.3.2. Sympolitie- und Bürgereide
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nicht gelten kann, bei denen man sich auf die anzurufenden Eidgottheiten erst einmal verständigen musste.656 Wie der Eid der Dikaiopoliten, so beginnt auch derjenige der Telier mit einem Schwur auf die Verfassung, in dessen Folge die οὐ μνασικακησέω-Formel Anwendung findet,657 die das wichtigste Kennzeichen für einen Amnestieeid darstellt. Anders als beim Eid der Dikaiopoliten folgt nun eine ‚Denunziationsformel‘. Diese lautet: „Wenn ich von einem erfahre, der auf Umsturz sinnt oder Zusammenkünfte abhält zum Sturz der Demokratie, werde ich es den Amtsträgern anzeigen.“658 Man schwört also nicht nur, sich selbst ruhig zu verhalten und sich nicht an einem Umsturz zu beteiligen, sondern auch mögliche Verschwörer anzuzeigen. Ein solcher Paragraph fehlt im Eid der Dikaiopoliten, ist aber in anderen Bürgereiden absolut gängig.659 Zugespitzt formuliert lautet die Logik der Formel: Der ideale Bürger ist der Denunziant! Was zunächst perfide anmutet, hatte aber durchaus auch den politischen Sinn, die Akzeptanz der Staatsform zu erhöhen: Wer sich als Denunziant exponiert hatte, musste bei einem etwaigen Regimewechsel um die Gefahr für Leib und Leben fürchten.
656 Zwar konnte die Nennung der Schwurgottheiten auch in Vertragseiden durch Wendungen wie ὀμνύναι δὲ τὸν νόμιμον ὅρκον oder ὀμνύναι δὲ θεοὺς τοὺς ὁρκίους abgekürzt werden, allerdings geschah dies nur, nachdem man sich in gegenseitigen Verhandlungen auf dieses Verfahren der Anrufung der jeweils höchsten Eidgötter verständigt und damit gegen die Bildung einer gemeinsamen Schwurgötterformel entschieden hatte. Ein νόμιμος ὅρκος findet sich im Kontext von Vertragseiden in StV II 229 = HGIÜ I 205 (Athener-Eretrier, 394): ὀμνύναι δὲ τ[ὸ]ν [ν]όμιμ[ον ὅρκον; StV II 280 = HGIÜ II 226 (Athener-Dionysios I. von Syrakus, 368/ 67): ὀμνύ[ναι δὲ τὸν νόμιμον ὅρκον ἐκ]ατέρους; StV II 293 = HGIÜ II 234 (Athener-Thessalern, 361/ 60): ἐπομνύναι δὲ τὸν [νό]μιμον ὅρκον; SEG XXXV 59 (Athener-Eretrier, 341): ἐπομν[ύναι δὲ τὸν νόμιμον ὅρκον ἑκατέ]ρωθι; StV III 472 = HGIÜ II 319 („Lokrische Mädcheninschrift“, vor 272): ὀμν[ύοντας τὸν νόμιμον ὅρκον]; Syll.³ 953 (Schiedsspruch der Knidier, frühes 3. Jahrhundert): τοὶ δὲ μάρτυρες π[ο]τομνύντω τὸν νόμιμον ὅρκον ἐπὶ τὰμ μαρτυρίαν ἀλαθέα μαρτυρεῖν; StV III 551 = HGIÜ III 434 (Hierapytnier-Rhodier, 201/ 00?): τοὶ δὲ αἱρεθέντες μετὰ τῶν παραγεγενημένων ἐξ Ἱεραπύτν[ας] πρεσβευτᾶν ὁρκιξάντων τὸν νόμιμον ὅρκον; Robert – Robert (1976) = HGIÜ II 351 (Sympolitie zwischen Teos und Kyrbissos, 3. Jahrhundert): ἐπομνύναι δ[ὲ] [τ]ὸν νόμιμον ὅρκον· Dem νόμιμος ὅρκος entspricht der thukydideische ἐπιχώριος ὅρκος (V 47,7). θεοὶ ὅρκιοι treten auf in StV II 322 (Erythraier-Hermias von Atarneus, 350): ὀμνύναι δὲ θεοὺς [τοὺς ὁρκίο]υ̣ς; Herrmann (1979), Nr. 2, Z. 35 f. (Richtereid aus Klazomenai): ἐπομνύτω δὲ θεοὺς τοὺς ὁρκίους. In Messene konnte die Formel mit der Nennung weiterer Eidgötter kombiniert werden: StV III 495 (Messene-Phigaleia, vor 240): καὶ θεὼς ὁρκί[ως …] und Matthaiou (2001), Nr. 2 (Lysimachos-Messene, 295 oder 285): θεοὺ[ς / ὁρκίους πάντας καὶ πάσας]. Aufs Ganze betrachtet zeigen diese epigraphischen Zeugnisse, dass die Modelle ‚jeweils eigene lokale Schwurgötterformel‘ (νόμιμος oder ἐπιχώριος ὅρκος) und ‚gemeinsam gebildete Schwurgötterformel‘ nicht einfach chronologisch aufeinander folgten, sondern als alternative Modelle in der griechischen Staatenwelt nebeneinander standen. 657 IG XII 4, 1, 132, Z. 128–130. 658 IG XII 4, 1, 132, Z. 133–135: αἰ δέ κα αἴσθωμαί τινα νεωτερίζοντα ἤ συλ/λόγους συνάγοντα ἐπὶ καταλύσει τοῦ δάμου, δηλωσέω τοῖς ἄρχου/σιν. 659 Vgl. Tabelle II.
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IV. Empirischer Teil. ‚Gleiche‘ und ‚ungleiche‘ Eide
Der Eid schließt mit einer kurzen Exsekrations- und Segensformel,660 an die sich das Setzen einer Frist für Abwesende (ἀπόδαμοι) anschließt.661 Diese sollen innerhalb von 60 Tagen nach ihrer Rückkehr den Eid leisten – eine recht lockere Regelung im Vergleich zu den 3 (!) Tagen im Eide der Dikaiopoliten. Für das Nichtschwören wird eine Geldstrafe von 1000 Drachmen festgesetzt, die an die Tempelkasse des Zeus Polieus und der Athene Polias zu entrichten sind.662 Die religiös fundierte Sicherungsmaßnahme der Eidesleistung wird hier also selbst noch einmal durch eine weltliche garantiert. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass man sich in der telischen Inschrift den Eidesangelegenheiten und insbesondere der religiösen Absicherung der Vereinbarung nicht in einer derart ausführlichen Weise widmete wie in Dikaia. Man hatte hier einen wesentlich pragmatischeren Zugang und malte das Konzept der göttlichen Vergeltung nicht so dramatisch aus, wie dies im Eid der Dikaiopoliten zu beobachten war. Gemeinsam ist den beiden Inschriften, dass sie sich den Eiden in einer Weise widmeten, wie sie bei Vertragseiden nicht anzutreffen ist. Beide beginnen nicht nur mit einem Eid auf die Verfassung, sondern verwenden auch die οὐ μνησικακήσω-Formel, die in einem zwischenstaatlichen Kontext nur selten zu finden ist.663 Weitere typische Elemente eines Amnestieeides sind ferner die Nennung von Opfertieren und die Festlegung eines genauen Zeitraums für die Eidesleistung von Abwesenden. Zudem bediente man sich in beiden Fällen auswärtiger Hilfe, sei es zur Überwachung der Versöhnung (wie Perdikkas in Dikaia) oder zur Herbeiführung des Vergleichs (wie die koischen Richter in Telos). IV.2.3.2.2. Typische Merkmale des Formulars von Amnestie- und Bürgereiden Erweitert man nun die Quellengrundlage um Bürgereide, deren historischer Kontext sich nicht so eindeutig als eine Amnestie bestimmen lässt, wie dies im Fall der Eide der Dikaiopoliten und Telier der Fall ist, so lassen sich die typischen Elemente von Bürgereiden noch klarer konturieren: Sowohl in einem Bürgereid aus dem taurischen Chersonesos, der an den Anfang des 3. Jahrhunderts datiert,664 als auch in einem zeitgleichen Pendant aus dem kretischen Itanos665 taucht eine Denunzi660 IG XII 4, 1, 132, Z. 135 f. 661 IG XII 4, 1, 132, Z. 136 f. 662 IG XII 4, 1, 132, Z. 137 f. 663 Beispiele für „zwischenstaatliche Amnestien“ sind gesammelt und kategorisiert bei Dreher (2013), 84–93, Zitat: 84. 664 IOSPE I2 401 = HGIÜ II 339; Jähne (2002) datiert genauer auf die Jahre 275–260 (vgl. SEG LII 733). Vgl. zu diesem Eid ferner Zingerle (1926), 63–68, Saprykin (1997), 179 f., 182– 186, 199 (mit weiterer russisch-sprachiger Literatur), Dössel (2003), 179–196 und jetzt Williamson (2013), 127–130, die Abb. 4 auch zeigt, wie sich ein moderner Maler (R. Voskresenskiy, The Reunion of Citizens of Chersonesos) diese Eidesleistung vorstellte. Der genaue politische Kontext, in den die Inschrift gehört, bleibt umstritten: Stolba (2005), 311 vermutet eine Getreideknappheit als Ausgangspunkt für interne Auseinandersetzungen; so auch Williamson (2013), 129. Saprykin (1997), 183 sieht dagegen andersherum – und mit der älteren russischsprachigen Forschung – eher skythische Attacken als Anlass für eine Getreideknappheit. Zu den einzelnen Klauseln des Eides vgl. Tabelle II im Anhang dieser Arbeit. 665 Vgl. zu diesem Text Guarducci (1940–1941), 7–15 Van Effenterre (1948), 168 f., Brulé (1978), 178 f., Petropoulou (1985), 47, 111 f., Kreuter (1992), 23, Perlman (1995), 161–
IV.2.3.2. Sympolitie- und Bürgereide
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ationsformel auf, deren zentrale Bedeutung für Bürgereide damit hervorzuheben ist.666 Sie wird zumeist flankiert von einem Schwur auf die Verfassungstreue, der in Itanos sogar noch durch die erstaunliche Komponente gesteigert wird, dass die Treue auch zu zukünftigen, also noch gar nicht bestehenden Gesetzen beschworen wird.667 Hier herrscht das Gesetz schon, wenn es noch gar nicht in Kraft ist! Es ist offensichtlich, dass der Rechtsgrundsatz des nulla poena sine lege (Rückwirkungsverbot) nicht in Geltung ist. Als weitere nicht immer, aber doch regelmäßig auftretende Charakteristika eines Bürgereides sind zudem das Auftreten der homonoia668 als Zentralbegriff und die ausdrückliche Betonung, dass alle (πάντες)669 Bürger 167 und Chaniotis (1996a), 14, 67, Anm. 346, 350. Zur Datierung s. Mikrogiannakis (1967), 85–87, der die Inschrift in die Zeit des Chremonideischen Krieges setzt. Zur Geschichte von Itanos im Hellenismus s. Spyridakis (1970). Der historische Kontext der Inschrift ist nach Chaniotis (1996a), 14 in internen Auseinandersetzungen zu sehen, bei denen eine Partei eine Neuverteilung des Landes ([γᾶς] ἀναδασμός) angestrebt habe, wie die Zeilen 21–24 der Inschrift nahelegen, nach denen jeder Itanier schwören musste, eine solche Neuaufteilung niemals vorzunehmen. Vgl. dazu jetzt auch Viviers (2011), 41–43, der ebenfalls von inneren Auseinandersetzungen, einem „climat ‚révolutionnaire‘“, ausgeht, dieses aber zugleich im Kontext der Installation einer lagidischen Garnison in Itanos verortet. 666 Im Eid der Chersonasiten, IOSPE I2 401, Z. 14–18: οὐ/δὲ τῶι προδιδόντι καὶ καταλύοντι ἐ/πιτρεψῶ οὐδὲ συγκρυψῶ, ἀλλὰ ἐ/ξαγγελῶ τοῖς δαμιοργοῖς τοῖς κα/τὰ πόλιν· – „(…) noch werde ich einem, der verrät oder (die Demokratie) stürzt, dies gestatten oder ihm bei der Verheimlichung helfen, sondern ich werde ihn den Damiorgoi melden, die für die Stadt (zuständig sind).“ Und erneut Z. 44–47: καὶ εἴ τινά κα̣ / σ̣υνωμοσίαν αἴσ[θ]ωμαι ἐοῦσαν ἢ̣ [γι]/νομέναν, ἐξα̣γγελῶ τοῖς δαμ[ιορ]/γ̣οῖς· – „Und wenn ich gewahr werde, daß eine Verschwörung besteht oder entsteht, werde ich es melden den Damiorgoi.“ Die Denunziationsformel taucht damit im Eid der Chersonasiten sogar doppelt auf. Ein gehäuftes Auftreten von Klauseln, die gegen eine Verschwörung gerichtet sind, macht in dieser Inschrift daher mit vollem Recht Williamson (2013), 128 aus. Im Eid der Itanier, IC III IV 8, Z. 19–21: (…) αἴ τί[ς / κα χ]ρήιζηι τούτων τ[ι π]οιεῖν, (…) ἐρέω ποτὶ τοὺς ἄρχοντας· – „(…) falls jemand versucht, etwas hiervon zu tun, (…) werde ich es den Archonten melden.“ Die Formel war zudem in den mit Bürgereiden verwandten Ephebeneiden (vgl. zu diesen ausführlich Appendix III) durchaus gängig, wie ihr Auftreten in einem Eid der drerischen Jungmannschaft (agelaoi) nahelegt (Chaniotis, Nr. 7, Z. 70 f.). 667 IC III IV 8, Z. 28–36: πολιτεο/[σέομ]αι δὲ ἐπ’ ἴσαι καὶ ὁμοίαι κα̣ὶ θί[ν/ων κ]αὶ ἀνθρωπίνων πάντων κα̣/[τὰ τ]οὺς νόμους τοὺς προϋπά̣/[ρχ]οντας ὅσσοις χρεώμεθα πε[ρὶ / τὰ] θῖνα καὶ τοὺς νῦν ἐθέμεθα κ[αἴ / κά] τινας ἄλλους ὕστερον θεώ/[μ]ε̣θα ἢ πε[ρὶ τὰ … .] ἢ περὶ τὰ πολ[ι/τι]κ̣ά· – „Mein Bürgerrecht werde ich ausüben in völlig gleicher Teilhabe aller religiösen und säkularen Rechte gemäß den bestehenden Gesetzen, die wir anwenden hinsichtlich religiöser (und säkularer Angelegenheiten), derer, die wir jetzt beschlossen haben, und solcher, die wir künftig noch beschließen werden über (religiöse?) oder über zivile (Angelegenheiten).“ Dass diese zunächst ungewöhnlich anmutende Formel in Bürgereiden durchaus öfter anzutreffen war, belegt ihr Auftreten im attischen Ephebeneid (Rhodes – Osborne, Nr. 88, Z. 11–14), vgl. die Appendices IV und V. 668 Im Eid der Chersonasiten, IOSPE I2 401, Z. 5: ὁμονοησῶ. 669 Im Eid der Itanier, IC III IV 8, Z. 2 f.: [τά]δ̣ε ὤμοσαν τοὶ Ἰτάνιοι πά[ν/τες]. Das Tempus des Prädikats kennzeichnet die Eidesleistung als bereits vergangen. Dies darf allerdings nicht dazu verführen, hier eine einmalige Eidesleistung anzunehmen, da dieselbe Formel auch in dem Eid der drerischen Jungmannschaft auftaucht (Chaniotis, Nr. 7, Z. 10 f.: τάδε ὤμοσαν / ἀγελάοι), bei dem sich die Annahme einer einmaligen Leistung schon dadurch verbietet, dass die Epheben schwören müssen, die Eidesleistung der folgenden Jahrgänge zu überwachen.
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IV. Empirischer Teil. ‚Gleiche‘ und ‚ungleiche‘ Eide
den Eid zu leisten haben, zu nennen. In Itanos taucht zudem wie schon in Telos die nähere Spezifizierung auf, dass das Eidritual unter Verwendung „frisch verbrannter Opfertiere“ (καθ᾽ ἱερῶν νεοκαύ/[τ]ων)670 stattfinden solle. Im Vergleich mit Vertragseiden fällt somit auf, dass Bürgereide in Bezug auf die religiösen Sicherungsklauseln noch expliziter waren: So konnte etwa die Ungültigkeit alter Eide beschworen oder die Gottheit besonders deutlich zur Rache aufgerufen werden.671 Der in Bürgereiden ganz regelmäßig auftretende offene Aufruf zur Denunziation ist in einem zwischenstaatlichen Kontext nur von einigen Regelungen der Athener für einzelne Bündner aus der Zeit des 1. Seebundes bekannt.672 In Thasos und seinen Kolonien zahlte man im ausgehenden 5. Jahrhundert sogar Denunziationsprämien für die Anzeige einer Verschwörung.673 Auch die genaue Nennung der Spezies der Opfertiere, die in den Staatsverträgen unterbleibt, in Bürgereiden dagegen regelmäßig vorkommt, scheint einem größeren Regelungsbedürfnis in religiosis geschuldet zu sein. Dass Bürgereide expliziter im Hinblick auf das Konzept der göttlichen Vergeltung waren und dass sie zudem noch stärker um zusätzliche religiös fundierte Sicherungsmechanismen bemüht waren, lässt sich aus ihrem situativen Kontext erklären: Innerhalb eines Gemeinwesens war man in noch stärkerem Maße auf das Funktionieren der Maßnahmen angewiesen als im zwischenstaatlichen Bereich, da man die ehemaligen Feinde ja – anders als bei einem polisübergreifenden Friedens- oder Bündnisvertrag – täglich vor Augen hatte. Dies gilt umso mehr auf einem kleinen Eiland wie Telos. Auf dessen 61,5 km² konnte man sich beim besten Willen nicht aus dem Wege gehen. Eine solche wahrhafte face-to-face-Gesellschaft potenzierte die Notwendigkeit eines dauerhaften Einvernehmens noch um ein Vielfaches. Die integrative Kraft eines Eides wurde zur Absicherung einer Versöhnung oder eines Ausgleichs daher immer wieder gesucht, auch wenn sie aufgrund schlechter Erfahrungen mit der Bindekraft des Eides im Bürgerkrieg durch zusätzliche Maßnahmen flankiert werden musste. IV.2.3.2.3. Sympolitieeide Mit dem Wissen um die typischen Kennzeichen von Amnestie- und Bürgereiden ausgestattet, wenden wir uns nun erneut den Sympolitieeiden zu. Schon ein erster Blick auf die erhaltenen Beispiele verdeutlicht, dass nicht bei jedem Sympolitievertrag auch die Eide erhalten sind.674 So fehlen diese gleich bei dem frühesten epigraphisch überlieferten Zeugnis, der Sympolitie zwischen Mantineia und Helisson, die in das erste Viertel des 4. Jahrhunderts datiert.675 Dasselbe gilt für eine ungefähr 670 IC III IV 8, Z. 8 f. 671 Die Ungültigkeit alter Faktionseide auch im Bürgereid der Chersonasiten: IOSPE I² 401, Z. 40–44. 672 Vgl. die attischen Volksbeschlüsse über die Beziehungen zu den euboiischen Poleis der Eretrier (StV II 154, Z. 10 f. = HGIÜ I 78) und Chalkidier (StV II 155, Z. 25 = HGIÜ I 79). S. Kap. IV.1.4. 673 Vgl. ML 83 (= HGIÜ I 137). 674 Listen der epigraphisch überlieferten Sympolitieverträge finden sich bei Gauthier (1985), 198 f. und Te Riele – Te Riele (1987), 187 f. 675 SEG XXXVII 340 [IP Ark 9] = HGIÜ II 213. Die Stele ist unten nicht vollständig, so dass die Eide hier weggebrochen sein könnten. Allerdings lässt sich diese Annahme durch keine Indi-
IV.2.3.2. Sympolitie- und Bürgereide
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200 Jahre jüngere Inschrift, den Eingemeindungsvertrag zwischen Stiris und Medeon, bei der die Eidesleistung – zumindest im Text der Inschrift – durch alternative weltliche wie religiös fundierte Sicherungsinstrumente ersetzt ist.676 Die Tatsache, dass diese beiden Sympolitien zeitlich so weit auseinanderliegen, zeigt, dass eine chronologische Entwicklung von Sympolitien mit ausgedehnter Eidesleistung hin zu solchen, die nur noch nicht-religiöse Sicherungsmaßnahmen beinhalten, auszuschließen ist. Vielmehr hielt man es in bestimmten historischen Kontexten nicht für notwendig, die Eide aufzuzeichnen. IV.2.3.2.3.1. Orchomenos und Euaimon Den ersten bekannten Eingemeindungsvertrag, in dem die Eide beider Seiten verzeichnet sind, stellt die Synoikie (συÛοικία) zwischen dem arkadischen Orchomenos und Euaimon dar, die in die erste Hälfte des 4. Jahrhunderts datiert677 und durch die das kleinere Euaimon im größeren Orchomenos eingegliedert wird. In der Urkunde spielen Kult und Religion von Beginn an eine große Rolle, wie schon die erste Bestimmung des Vertrags zeigt, mit der festgelegt wird, dass die althergebrachten Kulthandlungen in Euaimon weiterhin jeden Monat an der gewohnten Stelle durchgeführt werden sollen.678 Die Regelung religiöser Angelegenheiten hat offenbar Priorität gegenüber allen anderen Maßnahmen, die die Durchführung der Synoikie betreffen.679 Der Bestimmung eignet zudem ein konservativer Zug, da das Festhalten an der alten Form der Kulthandlungen auch nach dem politischen Zusammenschluss betont wird. Eine etwas andere Stoßrichtung hat dagegen eine weitere Klausel, die sich ebenfalls auf Kulthandlungen, die in diesem Fall allerdings nicht auf Euaimon beschränkt sind, bezieht. Sie besagt, dass alle die Eide betreffenden Angelegenheiten in beiden Poleis künftig auf dieselbe Weise durchgeführt und damit zu einem einzien aus den erhaltenen Teilen der Inschrift stützen. – Die Inschrift stellt einen noch relativ neuen Text dar – so stammt die editio princeps von Te Riele – Te Riele aus dem Jahre 1987; zu einem möglichen historischen Hintergrund dieser Sympolitie s. Funke (2004a), 430–434. 676 Syll.3 647 = HGIÜ III 472: Bei den weltlichen Maßnahmen handelt es sich um die Hinterlegung der (versiegelten) Urkunde bei einem (namentlich angeführten) Privatmann, eine Zeugenliste und die Androhung von Sanktionen in der Form von Geldstrafen bei Zuwiderhandlung. Religiös fundiert ist dagegen das Instrument der Aufstellung der Vertragsstelen im Heiligtum. 677 StV II 297 = HGIÜ II 287. Die genaue Datierung schwankt zwischen einer Frühdatierung in die Jahre 378–370 (Dušanić [1978b]) und einer Spätdatierung in die Zeit zwischen 360 und 350 (Bengtson [²1975], 265 f., Dubois [1986], 146–163 und Thür – Taeuber [1994], 138–140). Nielsen (1996), 71 und (2002), 351 hält die Inschrift aufgrund der – allerdings teilweise ergänzten – Erwähnung des Arkaderbundes in den Z. 24 f. (Ἀρ[κά/δω]ν ἐπὶ Ûρήσι) für früher als 362, als die Konföderation nach der Schlacht von Mantineia zerschlagen wurde. Eine Entscheidung der Frage hängt letztlich von historischen Erwägungen ab und erscheint aufgrund des unzureichenden Quellenmaterials für das Arkadien der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts schwierig. 678 StV II 297, Z. 6–10: τὰ δὲ ἱερὰ / τὰ ἰν Εὐαίμονι ἀ/[ῒ κ]ὰ μῆν’ αὖθι κα[τ/άπ]ε̣ρ ἔχει συντ/[ελῆσθαι]. 679 Ein typisches Phänomen, das in der griechischen Poliswelt in vielen Lebensbereichen zu beobachten ist und das von Mikalson (1983), 13 treffend als „priority of the divine“ etikettiert worden ist.
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IV. Empirischer Teil. ‚Gleiche‘ und ‚ungleiche‘ Eide
heitlichen Verfahren zusammengelegt werden sollen: τὰ ὅρ/[κ]ια πάντα τὸ αὐτὸ [ἀ]/ῒ̣ αὖτις.680 Zu klären bleibt, was mit den als τὰ ὅρ/[κ]ια πάντα681 angesprochenen ‚Eidesangelegenheiten‘ hier genau gemeint ist. Der Begriff könnte sich entweder allgemein auf die gesamte Eideszeremonie einschließlich der Schwurgötterformel beziehen oder – wie bei Homer682 – als eine Art terminus technicus speziell die im Ritual geschlachteten Opfertiere bezeichnen. Das beigefügte πάντα gibt einen ersten Hinweis darauf, dass es sich um mehr als nur die Opfertiere handeln dürfte.683 Dies legt auch der Kontext der Passage nahe, in dem es um rechtliche Regelungen geht, die den Zusammenschluss der beiden Orte betreffen.684 Es dürfte daher wohl der Sinn der Klausel sein, das gesamte offizielle ‚Eidwesen‘ der beiden Bürgerverbände, das alle Rituale bei Gerichts-, Beamten- und Vertragseiden umfasste, zusammenzulegen und zu vereinheitlichen. Im Umkehrschluss belegt dies, dass auch so kleine Gemeinden wie Euaimon, solange sie autonom waren, über eigene Eidrituale verfügten.685 Die große Bedeutung, die man Kult und Religion für das Gelingen einer Synoikie zuschrieb, zeigt sich an der spezifischen Art und Weise, wie im letzten Teil der Urkunde die Eide beider Seiten angeführt werden: So tauchen in ihnen die Schwurgottheiten jeweils doppelt auf und beschließen dabei je eine positiv bzw. eine negativ formulierte Klausel. Während die invocatio in den ‚positiven Klauseln‘ mit dem linguistischen Marker νεὶ (τὸν Χ) eingeleitet wird, beginnen die negativ formulierten mit οὐ (τὸν Χ). Dies führt dazu, dass in der Urkunde insgesamt viermal dieselben Eidgötter aufgelistet werden.686 Der iterative und repetitive Charakter, der diesem Vorgehen eignet, hat etwas Beschwörendes an sich und man könnte religiös-magische Vorstellungen dahinter vermuten.687 Tatsächlich dürfte die vierfache Anrufung der Eidgottheiten aber mit der ersten Klausel, genauer: dem ersten Wort des jeweiligen Eides zusammenhängen: „Ohne Trug“ (ἀψευδήων) – so heißt es in Z. 54 f. und 73 f. – wollen die Vertragspartner die Synoikie einhalten. Solche „anti-deceit clauses“688 sollten blinde Flecken und mögliche Schlupflöcher 680 StV II 297, Z. 43–45. 681 StV II 297, Z. 43 f. 682 Vgl. Kap. II. Cohen (1980) hat gezeigt, dass horkos und horkia sprachlich streng voneinander zu trennen sind. Die Bedeutung ‚Eide‘ für horkia ist hier also auszuschließen. 683 Zwar ist es anderswo wie etwa in Kos durchaus möglich, dass die Opfertiere als τέλεα / πάντα (StV III 545, Z. 9 f. = HGIÜ III 429) bezeichnet werden. Dass das πάντα hier aber verschiedene Arten von Opfertieren bezeichnet, ist nur klar, weil es unmittelbar zuvor (Z. 9) spezifiziert wird: τὰ δὲ ὁρκωμόσια ἔστω ταῦρος κάπρος κριός, τέλεα / πάντα. – „Die Opfertiere sollen sein Stier, Eber, Widder, voll erwachsen allesamt.“ 684 Bei diesen Regelungen handelt es sich um Vorschriften über die Staatsbürgerschaft der Kinder mit fremden Frauen (StV II 297, Z. 40–43) und die Durchführung von Rechtsstreitigkeiten in Euaimon und Orchomenos (Z. 47–51). 685 So auch Sommerstein – Bayliss (2013), 32, die diesbezüglich auf „the importance of regional oath rituals“ verweisen, ohne allerdings zuvor den Begriff der horkia problematisiert zu haben. 686 Das Prozedere erinnert an die wiederholte Nennung der Eidgötter im Vertrag zwischen Ptolemaios I. und den Iaseern (I.Iasos I 2 = HGIÜ II 278). Vgl. zu diesem Vertrag Kap. IV.2.2.1.2. 687 Ein solch beschwörend-magischer Charakter eines Eides in Hom. Il. III 298 f.; vgl. Kap. II. 688 Vgl. zu diesen Klauseln und ihrer besonderen Häufigkeit bei Verträgen mit Nichtgriechen (bzw. auf Kreta!) die Kap. IV.2.1. und VI.3.
IV.2.3.2. Sympolitie- und Bürgereide
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im Vertragstext schließen und verhindern, dass sich eine der Parteien nur an den Wortlaut, nicht aber an den Geist der Vereinbarung hielt.689 Der Gebrauch der ‚antideceit clause‘ weist aber nicht nur auf ein recht geringes gegenseitiges Vertrauen hin, sondern ist der in diesem Kontext gesteigerten Notwendigkeit geschuldet, dass sich beide Seiten auch an die Vereinbarung halten: Es handelt sich hier ja um eine tatsächliche Zusammenlegung der beiden Gemeinden nicht nur in politischer, sondern auch in siedlungsgeographischer Hinsicht.690 Ein Scheitern der durch den Eingemeindungsvertrag geschlossenen Vereinbarung hätte daher besonders ernste Konsequenzen, da es den inneren Zusammenhalt des neuen Bürgerverbandes beträfe und man die Vertragsbrecher – wie bei Amnestie- und Bürgereiden – jeden Tag vor Augen hätte. Auffällig ist zudem der militärische Charakter der Schwurgottheiten, der noch deutlicher als in den in dieser Hinsicht häufig sehr expliziten Ephebeneiden allen angerufenen Gottheiten eignet.691 Zum einen wird man die abschreckende Wirkung von Zeus Ares, Athena Areia und Enyalios Ares als besonders groß veranschlagt und damit versucht haben, den Schwörenden das Konzept der göttlichen Vergeltung besonders deutlich vor Augen zu führen; zum anderen könnte hiermit aber auch ein ansonsten unausgesprochener Aspekt des Vertrags in Erinnerung gerufen worden sein: dass nämlich der Synoikismos mit Orchomenos für die Euaimnier gleichzeitig auch eine Heeresfolge im Kriegsfalle bedeutete.692 Insgesamt bleibt festzuhalten, dass in der Inschrift – wie im Eid der Dikaiopoliten – ein gesteigerter Wert auf die religiöse Absicherung der Vereinbarung gelegt wurde. IV.2.3.2.3.2. Herakleia am Latmos und Pidasa Dies gilt auch, wenngleich in etwas anderer Form, für die 1997 publizierte Sympolitie zwischen Herakleia am Latmos und Pidasa,693 die in die Jahre zwischen 689 Dass zwischen diesen beiden Auffassungen durchaus unterschieden wurde, zeigen die berühmten Worte des Hippolytos bei Eur. Hipp. 612: ἡ γλῶσσ᾽ ὀμώμοχ᾽, ἡ δὲ φρὴν ἀνώμοτος. – „Die Zunge hat geschworen, der Verstand weiß nichts vom Eid.“ S. zu diesem Vers Avery (1968), Segal (1972), Hose (2008), 64 und Sommerstein – Torrance (2014), 289–294. 690 Dass hier nicht nur eine gemeinsame Verwaltung der beiden Orte, sondern auch eine echte ‚Zusammensiedlung‘, ein Synoikismos, vorliegt, verdeutlichen Klauseln in den Eiden beider Parteien: Während die Euaimnier schwören, niemals von den Orchomeniern wegzuziehen (StV II 297, Z. 62–64), versprechen die Orchomenier, die Euaimnier niemals zu vertreiben (Z. 80– 83). So auch Thür – Taeuber (1994), 130, 134 f.; eine Weiterexistenz von Euaimon als eine abhängige Gemeinde auf dem Territorium von Orchomenos nimmt dagegen – unter Rückgriff auf Dušanić (1978b) – Nielsen (1996), 71 und (2002), 351 an. 691 Sehr klar erkennbar ist der militärische Charakter von Schwurgottheiten im attischen Ephebeneid. Vgl. Appendix III. 692 Hierfür sind viele Szenarien denkbar. Ein mögliches ist, dass die Synoikie eine außenpolitische Stoßrichtung gegen das 370 gegründete Megalopolis hatte. In diesem Fall hätten die Orchomenier durch die Eingemeindung von Euaimon versucht, ihre Position gegenüber dem neuen arkadischen Zentrum zu stärken. 693 Die editio princeps ist Blümel (1997), 135–42 (= SEG XLVII 1563), s. auch das Addendum Blümel (1998), 185. Einige neue nach Autopsie des Steines vorgenommene Lesungen bei Wörrle (2003a), nach dem diese Sympolitie im Folgenden zitiert wird. Vgl. zu der Inschrift ferner Habicht (1998), 9 f., Jones (1999b), Gauthier (BE [1999], Nr. 462), Bencivenni
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323 und 313/ 12 datiert694 und durch die das kleinere Pidasa im größeren Latmos aufging. In der Urkunde sind zwar nur Teile des Eides der einen Seite, nämlich der Latmier, erhalten, während derjenige der Pidaseer verloren ist. Glücklicherweise sind aber auch einige Bestimmungen über den Ablauf des Eidrituals bezeugt. Zuvor hört man in Z. 2 von einem Opfer, das von den τιμοῦχοι695 für Athene696 durchgeführt werden soll, „damit die Stadt in Eintracht lebe.“697 Nicht zwingend, aber nach der Logik der „Priorität des Göttlichen“698 sehr gut möglich ist, dass es sich bei dieser Klausel um die erste der Vereinbarung handelt.699 Wie Michael Wörrle beobachtet hat,700 korrespondiert die Klausel mit den Z. 28–33, in denen die Einzelheiten des Eidrituals genannt werden, wodurch eine religiöse Rahmung der administrativen Maßnahmen entsteht, durchaus vergleichbar mit derjenigen in der ‚Amnestie der Dikaiopoliten‘.701 Die administrativen Maßnahmen können hier nicht im Einzelnen besprochen werden.702 Erwähnung verdient allerdings eine Klausel, die in auffällig dezidierter Form die Heiratsverbindungen zwischen Latmiern und Pidaseern regelt.703 Nach dieser Epigamieklausel soll es den Bürgern beider Orte für einen Zeitraum von sechs Jahren einzig und allein erlaubt sein, eine Frau aus der jeweils anderen Stadt zu ehelichen.704 Hinter der Regelung steht deutlich die gemeinschaftsstiftende Absicht, den Zusammenhalt des neu geschaffenen Bürgerverbandes zu sichern. Dass man die Regelung ohne Einschränkung und gleich für eine so lange Zeit verfügte, dürfte allerdings eher auf die Unwilligkeit (2003), 151–168, Reger (2004), 150 f., Saba (2007), Walser (2009), 141 f. und Labuff (2010). 694 In dieser Zeit war Asandros, nach dem laut Wörrle (2003a), Z. 6 in dem neuen Gemeinwesen eine Phyle benannt werden sollte, Satrap von Karien. Vgl. zur Datierung Blümel (1997), 139 f. und Wörrle (2003a), 124 m. Anm. 2, s. zu Asandros ferner Heckel (1977), Kobes (1996), 101–105, O’Sullivan (1997), und Wheatley (1998), 269–273. 695 Ihr Verhältnis zu den in Wörrle (2003a), Z. 36 genannten ἄρχοντες lässt sich nicht genau bestimmen, wenngleich die τιμοῦχοι eher für religiöse Angelegenheiten zuständig zu sein scheinen. Vgl. hierzu Wörrle (2003a), 125. 696 So die neue Lesung von Wörrle (2003a), 121, Z. 2 f. 697 Wörrle (2003a), Z. 3 f.: ὅπως ἂν ἡ πό[λις / ὁ]μονοιῇ. Vgl. die beinahe gleichlautende Formulierung im Bürgereid der Telier (IG XII 4, 1, 132, Z. 125 f.: ὅπως δὲ Τήλιοι καὶ εἰς τὸν ἐπίλοι/[π]ον χρόνον ὁμονοεῦντες διατελῶντι sowie Z. 4 f. und 38 f., die anders als Z. 125 f. beide direkt Bezug auf die Verfassungsform der Demokratie nehmen). 698 Mikalson (1983), 13; zustimmend Habicht (²2006), 184 f. 699 Anders Wörrle (2003a), 124, der neben dem Präskript eine „unkalkulierbare Textmenge“ veranschlagt, „in der eingangs vom Anlaß der beschlossenen Maßnahmen gehandelt sein muß.“ Die Sympolitieverträge sind allerdings nicht immer so ausführlich, wie sich das der Althistoriker gerne wünschen würde. Man vgl. nur den Beginn der zuvor besprochenen Synoikie zwischen Orchomenos und Euaimon, die nach dem Präskript recht unvermittelt mit einer Klausel über die Kulthandlungen einsetzt (Z. 6–10). 700 Wörrle (2003a), 124. 701 Vgl. SEG LVII 576, Z. 5–27 und 67–105. 702 Vgl. zu ihnen den ausführlichen Kommentar von Wörrle (2003a), 125–135. 703 Wörrle (2003a), Z. 21–25. 704 Vgl. zu dieser Klausel, die in der Forschung viel Aufmerksamkeit gefunden hat, Christophilopoulou (1973), Van Bremen (2003), 313–317, Marek (2010), 254 und jetzt auch Saba (2011a), 399–402 sowie (2011b).
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der Beteiligten, solche gemeinsamen Ehen einzugehen, hinweisen. Es wird daher in der Forschung angenommen, dass die Initiative zum Zusammenschluss der beiden Orte nicht auf die Latmier und Pidaseer selbst, sondern auf eine auswärtige Macht, namentlich den karischen Satrapen Asandros, zurückging.705 Flankiert wird die Epigamie-Regelung durch die religiöse Absicherung der Vereinbarung im Eidritual,706 in dessen Verlauf 100 Pidaseer und 200 Latmier, die jeweils von der Gegenseite ausgewählt werden, den Schwur leisten sollen. Die Anzahl der Schwörenden dürfte dem Verhältnis der Einwohnerzahlen der beiden Orte zueinander entsprechen, die neue Gemeinde somit zu zwei Dritteln aus Latmiern und zu einem Drittel aus Pidaseern bestanden haben.707 Wichtig ist, dass die Spezies der zu verwendenden Opfertiere (Stier und Eber) wie auch der genaue Ort der Eidesleistung („auf der Agora“) explizit vorgeschrieben werden.708 Für das Fehlen des Widders unter den Opfertieren muss man sicher nicht „ein Versehen bei der Redaktion oder Publikation des Dokuments“709 bemühen. Die Dreizahl war nicht obligatorisch, wie auch die ‚Amnestie der Dikaiopoliten‘ zeigt (Eber als alleiniges Opfertier); obligatorisch war nur, dass es sich um ein männliches Opfertier handelte und dass zur Wahl nur Stier, Eber und Widder standen. Es fällt zudem auf, dass die Verfassung – wie bei Bürgereiden – eine große Rolle spielte.710 Dabei wird die genaue Verfassungsform nirgends spezifiziert, es wird aber deutlich, dass alle Sorge dem Zusammenhalt der neuen Bürgerschaft galt. Dies weist darauf hin, dass das vorliegende Vereinigungsdekret nicht bloß eine Neuorganisation der Bürgerschaft zum Ziel hatte, sondern tatsächlich die Schaffung eines ganz neuen Verbandes.711 Somit lässt sich dieser Sympolitieeid, auch wenn der Synoikismos auf auswärtige Initiative hin zustande kam, als ein ‚repräsentativer (Neu-)Bürgereid‘ deuten – repräsentativ, da ihn eben nicht alle Politen beider Seiten leisten müssen, sondern eine – allerdings recht große – Anzahl von Stellvertretern. Zuletzt sticht ein scheinbarer Gegensatz zwischen der Publikationsformel des Dekrets712 und der Liste der Schwurgötter ins Auge: Während letztere „jedes kari705 Vgl. Gauthier (BE [1999], Nr. 462); zustimmend Wörrle (2003a), 132, anders jüngst wenig überzeugend Labuff (2010), der sich gegen eine direkte Beteiligung des Asandros ausspricht. Für dessen Beteiligung spricht neben der Verwendung des Sicherungsinstruments der Heiratsverbindung, das unter Alleinherrschern besonders beliebt war, auch das Auftauchen der Tauropolos in der Schwurgötterliste, da sich Tauropolos – wie in Kap. IV.2.2. gezeigt werden konnte – sonst nur bei Verträgen unter Beteiligung von Alleinherrschern nachweisen lässt. 706 Wörrle (2003a), Z. 28–33. 707 So Wörrle (2003a), 125 m. Anm. 5. 708 Wörrle (2003a), Z. 31 f.: (…) ταύρωι καὶ κάπρωι ἐν τῆι ἀγ[ο]/ρᾶι (…). 709 Wörrle (2003a), 136. 710 Vgl. Wörrle (2003a), Z. 32 f. (Eid der Pidaseer): Leistung der Eide ἐν τῶι ψηφίσματι καὶ τῶι πολιτεύμα/τι τῶιδε; im Eid der Latmier: Z. 40: πολιτεύσομαι μετὰ Π[ι/δασείων], Z. 41: πολιτέυματι τῶι αὐ/τῶι (…). 711 Philippe Gauthier (BE [1999], Nr. 462) schwankt in der Interpretation noch zwischen „la (nouvelle) organisation civique“ und „le nouveau corps civique“, wohingegen Wörrle (2003a), 137 letzteres präferiert. 712 Wörrle (2003a), Z. 33–36.
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schen Lokalkolorits“713 entbehrt, sind die Aufstellungsorte des Sympolitievertrags rein karisch.714 Dies bewirkt, dass der Eid sowohl unter dem Schutz regionaler Gottheiten als auch ‚panhellenischer‘ Eidgötter steht. Dabei handelt es sich nun aber keineswegs um einen tatsächlichen Gegensatz, vielmehr transportieren beide Formeln dieselbe Aussage: Die Wahl der Publikationsorte macht ganz demonstrativ deutlich, dass Pidasa zu bestehen aufhören sollte – ansonsten hätte nach griechischem Brauch auch dort eine Vertragskopie aufgestellt werden müssen. Auch die erhaltene Schwurgötterliste der Latmier unterstreicht diesen Aspekt durch den Verzicht auf spezifische Polisgottheiten.715 Es ist jedenfalls sehr unwahrscheinlich, dass die unten weggebrochene Schwurgötterliste des Eides der Pidaseer von derjenigen der Latmier abwich. Wichtig ist in Bezug auf die Schwurgötterliste zudem, dass in diesem Zeugnis die Tauropolos zum ersten Mal als Eidgottheit auftaucht. All die angeführten religiösen und administrativen Bemühungen um eine Absicherung des Synoikismos weisen darauf hin, dass den an der Abfassung des Vereinigungsdekretes Beteiligten die Instabilität des Siedlungsprojektes von Anfang an bewusst war, zumal es auf äußeren Druck hin veranlasst wurde.716 Wahrscheinlich machten sich die Pidaseer schlicht bei der erstbesten Gelegenheit wieder auf und davon.717 Die in dem Dokument antizipierte Instabilität der zukünftigen Siedlungsgemeinschaft erklärt jedenfalls das große religiöse und administrative Regelungsbedürfnis, von dem das Vereinigungsdekret zeugt. IV.2.3.2.3.3. Teos und Kyrbissos Die chronologisch nächsten Sympolitie-Verträge, bei denen die Eide erhalten sind, stammen bereits aus dem dritten Jahrhundert. Innerhalb dieses Säkulums nicht näher datiert werden kann ein im Jahre 1976 von Jeanne und Louis Robert publizierter Eingemeindungsvertrag zwischen Teos und dem kleineren Kyrbissos,718 der in der Form eines teischen Volksbeschlusses überliefert ist.719 Ähnlich wie bei 713 Wörrle (2003a), 137. Angerufen werden Zeus, Ge, Helios, Poseidon, Athene Areia, Tauropolos und die anderen Götter (Wörrle [2003a], Z. 38–40), mithin eine typisch hellenistische Schwurgötterliste, wie sie sich sonst in Alleinherrschereiden und bei multilateralen Vereinbarungen findet. 714 Es handelt sich zum einen um das dem Zeus Lambraundos geweihte Hauptheiligtum der Region, zum anderen um das Heiligtum der Athena Latmia in Latmos. 715 Solche spezifischen Gottheiten beider Seiten (vgl. die Sympolitie zwischen Smyrna und Magnesia am Sipylos von 245/ 43, StV III 492, Z. 60 f., 70 f. = Giovannini [2007], T 17) oder zumindest eines Vertragspartners (s. die Sympolitie zwischen Milet und Pidasa aus den 180er Jahren, Milet I 3, 149, Z. 62 f. = HGIÜ III 470) finden sich in anderen Sympolitiedekreten, wie noch zu zeigen sein wird, durchaus. 716 Dieses Schicksal teilt der Synoikismos mit einigen „Großstadtprojekten“ der Region, vgl. mit den Belegen Wörrle (2003a), 142. 717 So Wörrle (2003a), 142. 718 Vgl. Robert – Robert (1976), die die Inschrift sehr ausführlich kommentieren; der Text der Inschrift findet sich 155 f. (= HGIÜ II 351). S. auch die überzeugenden Ergänzungen von Sokolowski (1980), 105 f. (= SEG XXX 1376 [Z. 7 f., 18, 28]). 719 Dass es sich um ein Psephisma handelt, erfährt man, da der Anfang der Urkunde mitsamt dem Präskript verloren ist, erst aus Robert – Robert (1976), Z. 59 f.: ἀναγράψαι δὲ καὶ τὸ ψήφισμα [τόδε / τοὺς τιμούχ]ους εἰσ[τή]λας δύο.
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der zuvor besprochenen Inschrift handelt es sich auch hier um den Typus einer ‚unfreiwilligen Sympolitie‘, ‚unfreiwillig‘ in diesem Falle allerdings nur aus Sicht der Kyrbissiten, deren Ort zu einer abhängigen Gemeinde wurde, besetzt von einer teischen Garnison, die unter dem Oberbefehl eines teischen Kommandanten (φρούραρχος) stand. In der Inschrift spielen Eide von Beginn an eine sehr große Rolle. So finden sich insgesamt vier verschiedene Eide, von denen zwei sogar doppelt auftauchen: Mit letzteren sind der Eid der Teier, der sowohl in Z. 2–5 als auch in Z. 40–46 erscheint, und derjenige der Kyrbissiten720 gemeint. Dazu kommen ein ‚Ermächtigungseid‘, den derjenige Teier, der einen neuen Phrurarchen nominieren wollte, zu leisten hatte,721 sowie der Eid des jeweiligen Phrurarchen und der in Kyrbissos stationierten Garnisonssoldaten.722 Neben Eiden, die ganze Kollektive verpflichten, stehen hier also solche, die Einzelne binden. Bemerkenswert ist, dass bei den Kollektiveiden der Teier und Kyrbissiten dieselbe Formel je zweimal auftaucht: zunächst in der Form einer abhängigen Infinitivkonstruktion,723 beim zweiten Auftreten dann in der typischen 1. Sg. Ind. Fut. Akt.724 eines im Wortlaut wiedergegebenen promissorischen Eides. Eine solche Doppelung der Eidesformel ist auffällig und ohne Parallele.725 Vergleichbar sind solche Staatsverträge, bei denen zunächst der Inhalt der Vereinbarung in Form von einzelnen Klauseln – häufig auch in der oratio obliqua – wiedergegeben wird, die dann am Ende des Dokuments in den Eiden beider Seiten wieder aufgenommen werden, nur dass bei der hier besprochenen Urkunde eben auch der ‚Vertragstext‘ mit ὀμόσαι eingeleitet wird. 720 Robert – Robert (1976), Z. 5–7 und 46–54. 721 Robert – Robert (1976), Z. 11–15. 722 Robert – Robert (1976), Z. 34–38. Sprachlich in der Form einer abhängigen Infinitivkonstruktion wiedergegeben, ist der Eid ausdrücklich auf der Agora von Teos zu leisten. Er beinhaltet die Versicherung, das χωρίον (Kyrbissos) zurückzugeben und zu bewahren (zum χωρίον als einem bestimmten Typus einer ländlichen Siedlung in Kleinasien vgl. Schuler [1998], 49–53). Zusätzlich (ἐπομνύναι) soll der nomimos horkos, also wohl der in Teos übliche Amts- (Phrurarch) bzw. Fahneneid (Garnisonssoldaten), geleistet werden. Abgenommen werden soll der Eid von den teischen Strategen und Timuchen. 723 Robert – Robert (1976), Z. 2–5 (Eid der Teier): ὀμ[όσ]αι [τ]οὺς ἐν τῆι πόλε[ι πο/λίτας μὴ κα]τασκάψειν Κυρβισσὸν μηδ’ ἑτέρω[ι] ἐπιτρέψειν κα[τὰ / δύναμιν μη]δ’ ἐγκαταλίψειν μηθένα τῶν πολιτῶν τῶν ἐγ Κυρβισσῶ[ι / κατοικούν]των· Z. 5–7 (Kyrbissiten): ὀμόσαι δὲ καὶ τοὺς ἐγ Κυρβισσῶι κατοικοῦντας [μὴ / ἐγκαταλείψ]ειν τὸν φρούραρχον τὸν ὑπὸ τοῦ δήμου ἀποστελλόμενον / [καὶ διαφ]υλάξειν τὸ χωρίον τῇ πόλει· (Unterstreichungen v. Verf.). 724 Robert – Robert (1976), Z. 40–43 (Teier): τὸ[ν δὲ / ὅ]ρκον εἶναι τῶμ μὲν ἐ[ν] τῆ[ι] πόλει οἰκούντων τόνδε· οὐ κατασκάψω / [Κυρ]βισσὸν οὐδ’ ἑτέρωι ἐπιτρέ[ψ]ω [κ]α[τ]ὰ δύναμιν τὴν ἐμὴν οὐδ’ ἐγ[κ]α/[ταλ]είψω τῶμ πολιτῶν τῶν ἐγ Κ[υρβισσῶι κ]ατοικούντων οὐθένα· Z. 46–48: (Kyrbissiten): τῶν δὲ ἐγ Κυρβ[ι]σσ[ῶι] κατοικούντων· οὐ[κ / ἐγ]κα̣ταλί[ψω τ]ὸμ φρούραρχο[ν] τὸν ἐκ τῆς πόλεως ὑπὸ τοῦ δήμου ἀ/[ποστελ]λόμενον καὶ διαφυλάξω [τ]ὸ χω[ρί]ον τῆι πόλει (…). (Unterstreichungen v. Verf.). 725 Wenn in anderen Fällen überhaupt Doppelungen von Eidformeln auftreten, so handelt es sich zumeist um eine erneute Anrufung der Schwurgottheiten wie etwa bei der ‚Amnestie der Dikaiopoliten‘ (SEG LVII 576, Z. 7 und Z. 85 f.) oder der Synoikie zwischen Orchomenos und Euaimon (StV II 297, Z. 58–61 und Z. 64–68 [Euaimnier]; Z. 77–80 und Z. 83–86 [Orchomenier]).
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IV. Empirischer Teil. ‚Gleiche‘ und ‚ungleiche‘ Eide
Die Parallele hilft trotzdem weiter: Lässt sich bei Staatsverträgen das ‚Einigungsprotokoll‘ von der ratifizierten Urkunde unterscheiden, so wird es sich auch in dem hier diskutierten Fall bei den zu Beginn der Urkunde genannten Klauseln um den Ratifizierungsbeschluss handeln, während die in der 1. Ps. wiedergegebenen Eide dann die tatsächlich gemachten Zusicherungen festhalten – und diese gehen zumindest im Falle des schwächeren Partners noch deutlich über das vorab Vereinbarte hinaus: So treten bei den Kyrbissiten nicht wie bei den Teiern nur die religiösen Sicherungsklauseln (invocatio, Exsekrations- und Segensformel) hinzu, sondern auch die aus den Bürgereiden bekannte Denunziationsformel726 und die Versicherung, allen den ‚Heimatschutz‘ betreffenden Befehlen des Phrurarchen unbedingte Folge zu leisten.727 Diese äußerst harten Klauseln des Eides scheinen auf Widerstände in Kyrbissos gegen die fremde Besatzung hinzuweisen. In Bezug auf die Schwurgötterlisten sticht sofort ins Auge, dass zwar die Eidgottheiten der Teier und der Kyrbissiten übereinstimmen (Zeus, Helios, Poseidon, Apollo, Athena, alle Götter und Göttinnen)728, dass diese Listen aber von den im ‚Ermächtigungseid‘ genannten Gottheiten abweicht. Von letzteren ist mit Apollon nur die erste Gottheit erhalten, danach fehlen laut den Herausgebern 9–10 Buchstaben.729 Die angerufenen Eidgottheiten dürften dieselben sein, die sich auch hinter dem nomimos horkos des Phrurarchen- und Fahneneides verbergen.730 Man hat sich bei den Schwurgottheiten der Sympolitie also auf eine gemeinsame Götterformel geeinigt: Während die ersten drei Gottheiten der gemeinsamen Formel, also Zeus, Helios und Poseidon, die Unvermeidlichkeit der Strafe für den Eidbrecher symbolisieren,731 ist mit Apollo der wichtigste Eidgott der Teier aufgenommen. Dies ist ein weiteres gutes Beispiel dafür, dass die bedeutendsten Eidgottheiten einer Polis nicht automatisch mit deren Hauptgottheit(en) identisch sein mussten.732 Die wichtigste Gottheit in Teos war nach den archäologischen und numismati726 Vgl. Robert – Robert (1976), Z. 48–51: καὶ ἂν [εἰδῶ] / [τινα] ἐπιβουλεύοντα τῶι χωρίωι ἢ τῶι φρου[ρ]άρχωι δηλώσω τῆ[ι / πόλει] καὶ τῶι φρουράρχ[ω]ι καὶ οὐκ [ἐπ]ιτρέψω κατὰ δύναμιν τὴν [ἐ/μὴν], (…). – „Und wenn ich gewahr werde, daß jemand einen Anschlag plant auf den Platz oder den Phrurarchen, werde ich dies anzeigen bei der Stadt und beim Phrurarchen, (…).“ 727 Vgl. Robert – Robert (1976), 51 f.: καὶ ὅ τι ἂν ὁ φρούραρχος παραγ[γε]ίληι ποιήσω ὅσα εἰς φυλ[ακ]ὴ[ν / τοῦ χω]ρίου καὶ τῆς χώρας (…). – „und was der Phrurarch mir befiehlt, werde ich ausführen, in allem, was zum Schutz des Platzes und des Landes beiträgt.“ 728 Bei dieser Liste handelt es sich um die im Hellenismus bei Verträgen mit Alleinherrschern und in multilateralen Vereinbarungen üblichen Eidgötter. Allerdings ist das Fehlen von Ge und Tauropolos auffällig. 729 Robert – Robert (1976), Z. 14 f. geben im Text keine weiteren Hinweise. Aus ihrem Kommentar (204) wird aber ersichtlich, dass sie danach Λ-ΤΟΚΑ-- / -- entziffern zu können glauben. 730 Vgl. Robert – Robert (1976), Z. 37. 731 Poseidon ersetzt in der Liste die an zweiter Stelle eigentlich obligatorische Ge. Die Botschaft bleibt dabei dieselbe: Der Meineidige kann sich nirgends vor der Rache der Gottheiten verstecken, dafür sorgen die Götter des Himmels (Zeus), der Sonne (Helios) und des Meeres (Poseidon), das hier anstelle der Erde (Ge) auftaucht. 732 Dasselbe konnte in Kap. IV.1.4. auch für die attischen Eidgottheiten gezeigt werden, unter denen Athene bis in die 1. Hälfte des 4. Jahrhunderts fehlt.
IV.2.3.2. Sympolitie- und Bürgereide
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schen733 Zeugnissen zweifellos Dionysos. Athena könnte die Funktion als wichtigster Schwurgottheit in Kyrbissos zugekommen sein. Es fällt zudem auf, dass Tauropolos in der Inschrift nicht als Eidgottheit auftaucht, was in auffälliger Weise mit dem Fehlen der Beteiligung eines Alleinherrschers am Zustandekommen der Sympolitie zusammenfällt. Im Anschluss an den Eid der Kyrbissiten macht die Urkunde genaue Vorschriften für die Durchführung des Eidrituals:734 Die Strategen und Timuchen sollen die Vereidigung der Politen, mit denen hier die Teier gemeint sein müssen,735 durchführen. Diese soll explizit auf der Agora erfolgen – und zwar unter Verwendung eines Stieres, eines Widders und wahrscheinlich eines Ebers als Opfertieren. Die ausdrückliche Erwähnung des Ortes der Eidesleistung und der Spezies der Opfertiere erinnert an die Sympolitie zwischen Latmos und Pidasa und die ‚Amnestie der Dikaiopoliten‘. Es werden zudem mit den tamiai diejenigen Beamten genannt, die die Opfertiere (ὅρκια) bereitstellen sollen.736 Diese erneute summarische Nennung der Opfertiere zeigt, dass die ὅρκια auch bei der Vereidigung der Kyrbissiten zum Einsatz kamen. Interessant ist, dass exklusiv gegenüber dem schwächeren Partner eine weitere Sicherungsmaßnahme eingebaut wird: Um zu gewährleisten, dass auch alle Kyrbissiten den Eid leisten, sollen die Namen derjenigen von ihnen, die bereits geschworen haben, auf einem weißen Anschlagbrett (λεύκωμα), aufgeschrieben und dieses öffentlich im Bouleuterion aufgestellt werden.737 Damit wurden gleichzeitig die Namen all derjenigen publik, die den Schwur verweigerten. Der Sinn dieser Maßnahme lag darin, die Ratifizierung der Vereinbarung, die gleichzeitig ihre religiöse Absicherung bedeutete, durchzusetzen. Zu der Absicherung der Vereinbarung durch diverse Eide tritt eine bemerkenswerte religiöse Sanktion: So solle derjenige, der sich als Phrurarch von Kyrbissos weigere, seine Herrschaft abzugeben, verflucht (ἀραιόν) und vogelfrei sein.738 Letzteres wird mit der Ankündigung verbunden, dass, wer einen solchen Phrurar733 Vgl. Balcer (1968). 734 Vgl. Robert – Robert (1976), Z. 54–57. 735 Erstens meint polis in der Urkunde immer Teos, zweitens wird τοὺς πολίτας (Robert – Robert [1976], Z. 55) klar mit τοὺς ἐγ Κυρβισσῶι κατοικοῦντας (Z. 56) kontrastiert und drittens sind dieselben Beamten bei der Vereidigung des Phrurarchen und der Garnisonssoldaten im Einsatz (Z. 37 f.). 736 Dass die ὅρκια hier anders als in der Synoikie zwischen Orchomenos und Euaimon als Opfertiere und nicht als umfassender Terminus für die Eidesangelegenheiten zu deuten sind, legt der Kontext nahe. Im 4. und 3. Jahrhundert waren offensichtlich beide Übersetzungen möglich. 737 Robert – Robert (1976), Z. 57–59: τοὺ[ς] δὲ ὀμό/[σαντας τῶμ] πολιτῶν τῶν ἐγ Κυρβισσῶι ἀναγράψαι εἰς λεύκω[μα καὶ/ καταθεῖν]αι εἰς τὸ βουλευτήριον· Ich ergänze Z. 58 f. nach Z. 17 f. (Sokolowski): ἀναγράψαι τοὺς / τιμούχους εἰς [λ]εύκω[μα καὶ κα]τ[αθεῖναι] ἐς τὸ βουλευτήριον· Alternativ könnte in Z. 59 auch [ἀναθεῖν]αι statt [καταθεῖν]αι gesetzt werden (vgl. Z. 60). Dies würde sogar besser zu der von Robert – Robert (1976), 230 für Z. 59 angegebenen Buchstabenzahl passen, ist aber in Z. 18 aufgrund des erhaltenen Tau nicht möglich. 738 Robert – Robert (1976), Z. 23. Zudem soll er aus Teos und Abdera verbannt sein und sein Besitz verstaatlicht werden. Diese Klausel zeigt die enge Beziehung zwischen Teos und seiner Tochterstadt Abdera noch für das 3. Jahrhundert, wie dies auch die Münzen nahelegen (vgl. zu diesen Balcer [1968]).
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IV. Empirischer Teil. ‚Gleiche‘ und ‚ungleiche‘ Eide
chen töte, nicht mit religiöser Schuld befleckt sein solle.739 Die Regelung soll verhindern, dass sich ein Phrurarch, gestützt auf seine Garnisonstruppe, zum Alleinherrscher aufschwingt, und stellt nichts anderes als eine Anti-Tyrannis-Klausel dar. Interessant ist, dass dem Tyrannen in spe auch mit scharfen religiösen Sanktionen gedroht wird. Dies dürfte damit zusammenhängen, dass das Instrument der Verfluchung als öffentlicher Sanktion in Teos auf eine sehr lange Tradition zurückblicken konnte und offenbar besonders beliebt war, wie die berühmten Teiorum dirae aus der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts nahelegen.740 Es bleibt festzuhalten, dass zur Absicherung und Verstetigung der Sympolitie zwischen Teos und Kyrbissos in besonders starker Weise auf das Instrument der Eidesleistung gesetzt wurde. Dies zeigt sich zum einen an der bloßen Menge der vorgeschriebenen Eide wie auch der Textzeilen, die sich allein auf die verschiedenen Eide beziehen. Daneben sticht auch die Genauigkeit der Regelungen ins Auge: Da wird die Spezies der zu verwendenden Opfertiere (Stier, Widder, [Eber]) genauso explizit vorgeschrieben wie das Beamtenkollegium, das für deren Bereitstellung zuständig ist; da wird der Ort der Eidesleistung (ἐν τῆι ἀγορᾶι) genauso klar benannt, wie die Aufstellung der Listen mit den Namen der Eidesleister deutlich geregelt wird. Zudem tauchen einige besonders drastische Klauseln wie die Denunziationsformel und die Anti-Tyrannis-Regelung auf. In Anbetracht der großen Zahl von Eiden, die im Rahmen dieser Sympolitie zu leisten waren, könnten die letztgenannten Klauseln dazu intendiert sein, der Gefahr einer Abstumpfung gegenüber dem Instrument des Eides entgegenzuwirken. Zu häufiger Gebrauch kann einem Eid seinen feierlichen Charakter nehmen. Es ist daher auch kein Zufall, dass man in den literarischen Quellen gelegentlich von verschiedenen Abstufungen in der Qualität eines Eides hört.741 Behält man dies im Hinterkopf, liegt es nahe, hinter den drastischen Klauseln des Sympolitieeides einen ähnlichen Sinn zu vermuten: Wie das Adjektiv μέγας und sein Superlativ μέγιστος dienten diese Klauseln als ein Marker, der die große Bedeutung des Eides herausstreichen sollte. Vielleicht hat man aber auch einfach aus der Vergangenheit seine Lehren gezogen: So war ein erster Versuch, das Polisterritorium von Teos durch einen auf Initiative von Antigonos Monophthalmos durchgeführten Synoikismos mit Lebedos (zwischen 306 und 303) zu vergrößern, gescheitert.742 In der von diesem Ereignis kündenden Inschrift erfährt man zwar nichts von Eiden,743 aber die Maßnahmen, die zur Durchführung des Synoikismos angeführt werden, sind äußerst ausführlich und reichen von der Einrichtung eines eigenen Friedhofs für die Lebedier744 bis zur Übernahme der Proxenoi der Lebedier durch die neue Polis. Es scheint in Teos durchaus eine gewisse Neigung zur Anwendung äußerst detaillierter Regelungen 739 Robert – Robert (1976), Z. 25 f.: καὶ ὃς ἂν ἀποκτείνηι αὐτὸν μ[ὴ] / μιαρὸς ἔστω. 740 Vgl. Herrmann (1981). 741 So kann dieser etwa als μέγας oder μέγιστος qualifiziert werden. Vgl. hierzu mit den Belegen Hirzel (1902), 7–9. 742 Vgl. Syll.3 344 (= HGIÜ II 280). 743 Die Ausnahme ist ein nur beiläufig erwähnter Beamteneid, der von einer aus je drei Nomotheten beider Seiten bestehenden Gesetzeskommission zu leisten ist (Syll.3 344, Z. 43–48). 744 Syll.3 344, Z. 18 f.
IV.2.3.2. Sympolitie- und Bürgereide
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gegeben zu haben. Beim letztendlichen Scheitern des Synoikismos dürfte man aber gemerkt haben, dass auch noch so genaue Vorschriften allein nicht genügten, wenn der (äußere) Druck zum Zusammenbleiben nicht ausreichte. Nicht zuletzt deshalb hat man daher in Kyrbissos eine Garnison installiert und die vorhandenen Energien darauf verwendet, die Sympolitie mit möglichst umfassenden administrativen und religiösen Maßnahmen abzusichern und damit zugleich die eigene Herrschaft über das χωρίον zu festigen. IV.2.3.2.3.4. Smyrna und Magnesia am Sipylos Auch bei der chronologisch nächsten Sympolitie, deren Eide erhalten sind, spielt eine Garnisonstruppe eine gewichtige Rolle. Gemeint ist der Eingemeindungsvertrag zwischen Smyrna und Magnesia am Sipylos, der entweder in das Jahr 245 oder kurz nach 243 zu datieren ist.745 Der historische Hintergrund, vor dem die Inschrift zu verstehen ist, ist in den ptolemäisch-seleukidischen Auseinandersetzungen im 3. Syrischen Krieg zu sehen, in dessen Verlauf Magnesia wohl zu Ptolemaios III. abgefallen war.746 Mit der Sympolitie dürften die Smyrnaier versucht haben, nicht nur den Einfluss Seleukos II., sondern v. a. ihren eigenen ins Hinterland auszudehnen.747 Im Unterschied zur Sympolitie zwischen Teos und Kyrbissos wurde hier aber nicht eine fremde Besatzung in einem Nachbarort installiert, sondern man schloss den Vertrag bereits direkt mit Garnisonssoldaten. Diese waren also schon vor dem Vertragsabschluss in Magnesia präsent. Entscheidend ist, dass auch in diesem Fall der kleinere Ort unter das Kommando eines Festungskommandanten gestellt wurde, der hier nur nicht als Phrurarch, sondern als Archon bezeichnet wird. Wenn diesem zudem in einem symbolischen Akt die Schlüssel zu den Toren der Stadt übergeben werden, kommt dies einer Kapitulation Magnesias gleich, das auf diese Weise wie eine besiegte Stadt behandelt wird. Die Magneten gaben damit alle eigenen Souveränitätsrechte auf, ihre Stadt ging ganz im smyrnäischen Staatswesen auf.748 Wie bei der vorhergehenden Inschrift handelt es sich hier also nicht nur um ein foedus iniquum, sondern genauer um den Typus einer – aus Sicht der Magneten – wohl ‚unfreiwilligen‘ Sympolitie. Die Inschrift selbst besteht aus drei Urkunden, deren erste749 und letzte750 jeweils einen smyrnäischen Volksbeschluss wiedergeben, während die mittlere751 den Vertragstext der Sympolitie beinhaltet. Der erste Volksbeschluss informiert da745 Zu den verschiedenen Datierungsansätzen vgl. mit weiterer Literatur Schmitt (1969), 172 f. (kurz nach 243 [?]) und Ihnken (1978), 36–42 (Sommer 245), der die gesamte Inschrift (30– 124) ausführlich kommentiert; vgl. auch Giovannini (2007), T 17 und zuletzt Williamson (2013), 136–140; eine deutsche Übersetzung findet sich unter IK.Smyrna 573. 746 So Schmitt (1969), 172. 747 Vgl. ebd. 748 Bezeichnend für Smyrnas Position ist – wie Schmitt (1969), 172 kommentiert –, „daß die Stadt sich ohne erkennbare Mitwirkung königlicher Funktionäre als Sachwalter des Seleukos gebärdet und den Neubürgern Versprechungen zu Lasten der königlichen Kasse macht (Z. 101 ff., 106 f.).“ 749 StV III 492, Z. 1–33. 750 StV III 492, Z. 89–108. 751 StV III 492, Z. 34–88.
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rüber, dass Smyrna Seleukos II. (246–226/ 25) die Treue gehalten und für dessen Vorfahren einen Kult eingerichtet habe.752 Zudem solle man einen Freundschaftsvertrag (philia) mit den Magneten schließen und zu diesem Zweck Gesandte zu ihnen schicken. Das Präskript des Vertrags zeigt, dass mit den Bewohnern von Magnesia einer der beiden Vertragspartner nicht als eine geschlossene Gemeinschaft auftritt, sondern aus mehreren Teilgruppen besteht: Getrennt wird zwischen den Militärkolonisten, die sich entweder in der Stadt oder in Feldlagern befinden, und den anderen Bewohnern (ἄλλοι οἰκηταί)753, letztere offensichtlich Zivilisten.754 Wie schon in den bereits analysierten Sympolitie-Verträgen spielen Eide auch in dem hier vorliegenden eine sehr große Rolle. Wörtlich zitiert werden der Eid der Magneten – oder genauer der Neubürger755 – und derjenige der Smyrnaier756. Bemerkenswert sind die dabei in beiden Eiden angeführten Schwurgottheiten, weil beide Listen am Ende voneinander abweichen. Dies kommt in Vertragseiden nur äußerst selten vor.757 Zwar war es bei Staatsverträgen durchaus üblich, dass jede Seite bei den eigenen Eidgöttern schwor und den höchsten ortsüblichen Eid (ἐπιχώριος ὅρκος) leistete.758 In diesen Fällen verzichtete man allerdings zumeist darauf, die Schwurgötter im Vertrag auch namentlich aufzulisten und hielt nur fest, dass beide Seiten den gesetzlich vorgeschriebenen Eid (νόμιμος ὅρκος) leisten sollten. Es stellt eine Besonderheit von Sympolitie-Verträgen dar, dass es nicht immer nötig war, sich auf eine identische Formel zu einigen, oder genauer: dass es möglich war, eine gemeinsame Formel mit abweichendem Ende zu bilden. So schworen in dem hier zu analysierenden Fall die Magneten abschließend bei Apollon em Pandois, während die Smyrnaier Aphrodite Stratonikis759 anriefen. Zudem leisteten die magnetischen Söldner ihren Eid zusätzlich bei der Tyche des Königs Seleukos. Thomas Ihnken hat gezeigt, dass beiden Schwurgötterlisten dasselbe dreiteilige Schema zugrundeliegt.760 Nach den drei typischen griechischen Eidgottheiten Zeus, Ge und Helios (I) folgen mit Ares, Athena Areia und Artemis Tauropolos 752 StV III 492, Z. 9. 753 StV III 492, Z. 35. 754 StV III 492, Z. 34 f.: ἐπὶ τοῖσδε συνέθεντο τὴμ φιλίαν Σμυρναῖ[οί] / τε καὶ οἱ ἐμ Μαγνησίαι κάτοικοι, οἵ τε κατὰ πόλιν ἱππεῖς καὶ πεζοὶ κα[ὶ οἱ] ἐν τοῖς ὑπαίθροις καὶ οἱ ἄλλοι οἰκηταί. 755 Dieser findet sich in StV III 492, Z. 59–69; vgl. insbesondere Z. 59 f.: ὀμόσαι δὲ τοὺς μὲν ἐμ Μαγνησίαι κατοίκους τῶν τε κατὰ πό[λ]ιν ἱππέων καὶ πεζῶν καὶ τοὺς ἐν τοῖς ὐπαίθροις τασσομένους κα[ὶ] / τοὺς ἄλλους τοὺς καταχωριζομένους εἰς τὸ πολίτευμα τόνδε τὸν ὅρκον. 756 StV III 492, Z. 69–78. 757 Ausnahmen sind allein der Vertrag zwischen Eumenes I. von Pergamon und verschiedenen Söldnerkontingenten (StV III 481 = HGIÜ II 327), der in die Jahre 263 bis 241 datiert (vgl. zu diesem u. a. Ihnken [1978], 127–130), und die noch zu besprechende Sympolitie zwischen Milet und Pidasa aus den 180er Jahren (Milet I 3, 149 = HGIÜ III 470). 758 Vgl. Anm. 656. 759 Diese ist mit dem in StV III 492, Z. 9–12 eingeführten Kult zu identifizieren. Vgl. Ihnken (1978), 56, 90. Die beiden voneinander abweichenden Gottheiten tauchen zudem beide in der Publikationsformel (StV III 492, Z. 83–85) wieder auf. 760 Vgl. Ihnken (1978), 87–90.
IV.2.3.2. Sympolitie- und Bürgereide
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Gottheiten mit einem primär militärischen Charakter (II). Die ersten beiden Göttergruppen folgen damit einem in hellenistischer Zeit weit verbreiteten Schema. Den Abschluss bilden schließlich mit der sipylenischen Mutter und den genannten Göttern lokale Gottheiten (III), wobei die Tyche des Königs Seleukos im Eid der Magneten erst nach der standardisierten ‚Alle-Götter-Formel‘ auftaucht. Die Tyche des Herrschers dürfte ein „Teil des soldatischen Fahneneides“761 der magnetischen Söldner gewesen sein und die abtrünnigen Magneten zusätzlich auf den Seleukidenherrscher verpflichtet haben.762 Regelt die Inschrift also die Wahl der Eidgottheiten sehr genau, so gilt dies nicht für das Eidopfer. Von diesem hört man nur, dass es ἱεροῖς νεοκαύτοι[ς]763 durchgeführt werden solle. Das Regelungsbedürfnis bricht sich hier eher in Bezug auf die Finanzierung der Opfertiere Bahn: Für diese sollen in beiden Orten jeweils der (Smyrna) oder die (Magnesia) Tamiai zuständig sein.764 Wie eine ‚ewige‘ Symmachie wird die Sympolitie „auf alle Zeit“ (εἰς ἅπαντα τὸγ χρόνον) geschlossen, was in den Eiden beider Seiten festgehalten wird.765 Eine solche Ewigkeitsgarantie fehlt in Bürgereiden, wahrscheinlich da ihr ewiger Bestand selbstverständlich vorausgesetzt wird. Gemeinsam ist den Eiden beider Seiten ein Abänderungsverbot, auf das jeweils eine ‚anti-deceit clause‘ folgt.766 Letztere ist als ein Hinweis darauf zu interpretieren, dass das gegenseitige Vertrauen vor dem Vertragsschluss nicht allzu groß gewesen sein dürfte. Es kann auch nicht verwundern, dass die Expansionspolitik der Smyrnaier bei den Magneten nicht gerade auf große Gegenliebe stieß. Die jeweils folgenden Eidklauseln weichen nun zwar voneinander ab, ihnen ist aber gemeinsam, dass sie beide typische Formeln von Bürgereiden darstellen. So muss jeder Einwohner von Magnesia seine Treue zu den smyrnäischen Gesetzen und Volksbeschlüssen sowie zur Bewahrung der Autonomie und Demokratie der Polis beschwören. Dabei wird gleich in zweifacher Weise die innere Eintracht als oberstes Ziel hervorgehoben. Denn jeder Neubürger schwört, seine Teilhabe μεθ’ 761 Ihnken (1978), 92, der hierin auf Bickerman (1938), 97 beruht; zustimmend Brulé (2005), 157, Anm. 35 („serment de fidélité de l’armée“), der auf die Parallelen in StV III 549b, Z. 6 (ergänzt) und bei Strab. XII 3,31 verweist, wo von einem βασιλικὸς ὅρκος die Rede ist, in dem u. a. die Tyche des Königs (Τύχη βασιλέως) angerufen werden sollte. Bei den königlichen Göttern (τοὺς βασιλείους θεούς) schworen auch die Seleukiden selbst, wie – in einem privaten Kontext – für Seleukos I. Nikator bezeugt ist (App. Syr. 60; vgl. Sommerstein – Bayliss [2013], 165 m. Anm. 51, die eine Übernahme persischer Traditionen annehmen). 762 Dies korrespondiert mit einem ‚Ungleichgewicht‘ im Inhalt der beiden Eide: Während Seleukos im Eid der Neubürger eine große Rolle spielt (StV III 492, Z. 62–64, 66), wird er im Eid der Smyrnaier nur eher beiläufig erwähnt (Z. 73). 763 StV III 492, Z. 48. 764 Vgl. StV III 492, Z. 82 f. Der smyrnäische Schatzmeister Kallinos wird sogar namentlich genannt. 765 StV III 492, Z. 62 und 72. 766 Vgl. StV III 492, Z. 64: οὔτε τρόπωι οὔτε μηχανῆι οὐδεμιᾶι und Z. 73: οὔτε τέχνηι οὔτε [μηχα]νῆι οὐδεμιᾶι, wo jeweils die Abänderungsklausel vorangeht. Der Tatsache, dass die beiden ‚anti-deceit clauses‘ hier nicht wörtlich übereinstimmen, sollte man nicht zu viel Gewicht beimessen, da der inhaltliche Unterschied äußerst gering ist.
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IV. Empirischer Teil. ‚Gleiche‘ und ‚ungleiche‘ Eide
ὁ/μονοίας ἀστασιάστως767 auszuüben, also in Eintracht zu leben und keine Stasis anzuzetteln. Dem entspricht im Eid der Smyrnaier die Zusicherung, dass alle Magneten mitsamt ihrer Nachfahren zu Bürgern gemacht werden sollen,768 und zwar „zu völlig gleichen Bedingungen“.769 Ein gewisses Entgegenkommen des stärkeren Partners gegenüber dem Misstrauen der Magneten zeigt sich daran, dass sogar das Verfahren der Verteilung der Neubürger auf die Phylen (Losung) und die Zulassung derselben zu den Ämtern von den Smyrnaiern per Eid zuzusichern ist. In beiden Eiden folgt mit der ‚Denunziationsformel‘ ein typisches Element von Bürgereiden,770 das sich entsprechend den Kräfteverhältnissen einmal auf einen Anschlag gegen Staat und Verfassung (Eid der Neubürger) und einmal auf einen Anschlag gegen die Neubürger (Eid der Smyrnaier) richtet. Wenn jeder Smyrnaier dabei zu schwören hatte, eine solche Anzeige ὡς ἂν τάχιστα δύνωμαι771 vorzunehmen, so ist darin mitnichten eine größere Reglementierung des stärkeren Vertragspartners zu sehen. Vielmehr ist statt des ὡς τάχιστα das ἂν δύνωμαι betont, weshalb eine solche Klausel den Smyrnaiern eher ein Schlupfloch geboten haben dürfte, um im Zweifelsfall beide Augen angesichts der Misshandlung eines Magneten oder der Konfiszierung seines Besitzes zudrücken zu können. Die religiöse Sanktion, die in der Fluchformel in Aussicht gestellt wird, ist eine starke: Gedroht wird mit „völligem Verderben“ (ἐξώλεια) des Eidbrechers.772 Man setzte somit den Grad der göttlichen Vergeltung hoch an. Auch hierin mag ein Hinweis auf das geringe gegenseitige Vertrauen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu sehen sein. Wenn in der abschließenden Publikationsformel773 die Smyrnaier zwei Vertragskopien, die Magneten aber drei aufzustellen haben, so ist dies Ausdruck der Kräfteverhältnisse zwischen den Vertragspartnern. Die Sympolitie zwischen Smyrna und Magnesia am Sipylos zeigt sich in Bezug auf ihre Eidformeln als ein typischer Eingemeindungsvertrag, der in seinen Klauseln zwischen Vertrags- und Bürgereid changiert. Ein besonderes Kennzeichen des Vertrags stellen die voneinander abweichenden Eidgottheiten dar.
767 StV III 492, Z. 64 f. 768 StV III 492, Z. 74.: καὶ ποιήσομαι αὐτοὺς / πολίτας πάντας. Zur Betonung des πάντας als einem typischen Element von Bürgereiden vgl. IV.3.2. und Tabelle II im Anhang dieser Untersuchung. 769 StV III 492, Z. 75: ἐφ’ ἵσηι καὶ ὁμοίαι. Vgl. die nur dialektal verschiedene Formel im Bürgereid von Itanos (IC III IV 8, Z. 29: ἐπ᾽ ἴσαι καὶ ὁμοίαι). Zu den Bürgern werden hier allerdings – nach antiken Maßstäben nicht verwunderlich – ausdrücklich nur Freie und Griechen gezählt, vgl. Z. 74: ὅσοι εἰσὶν ἐλεύθεροί τε καὶ Ἕλληνες. 770 Vgl. StV III 492, Z. 68, 77. 771 StV III 492, Z. 77; eine solche – sogar doppelte – Betonung der Schnelligkeit auch im Vertrag zwischen Eumenes I. und seinen Söldnern (StV III 481, Z. 34–36). 772 StV III 492, Z. 69, 79. Man vgl. die zweite, ‚gesteigerte‘ Exsekrationsformel im Eid der Dikaiopoliten (SEG LVII 576, Z. 100): [ἐ]ξώλης εἷην. 773 Vgl. StV III 492, Z. 83–85.
IV.2.3.2. Sympolitie- und Bürgereide
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IV.2.3.2.3.5. Kos und Kalymna Etwas später, nämlich ziemlich genau an das Ende des 3. Jahrhunderts, datiert ein koischer Volksbeschluss über die Eingemeindung der Insel Kalymna.774 Dieser administrative Akt wird in der Inschrift allerdings nicht mit dem üblichen Terminus ‚Sympolitie‘ bezeichnet, sondern fungiert als ‚Homopolitie‘775. Die Urkunde beginnt direkt nach einem äußerst knapp gehaltenen Präskript, das nur den Namen des koischen Antragstellers verzeichnet, mit genauen Vorschriften über Vorbereitung und Durchführung der Eidesleistung. Den Anfang macht dabei eine Bestimmung über die Eidabnehmer (ὁρκωταί), die, anders als dies aus Staatsverträgen und anderen Sympolitien bekannt ist, nicht aus bestimmten Beamtenkollegien gebildet, sondern in jeweils zweifacher Ausführung aus jeder Phyle gewählt werden sollen. In der Tatsache, dass hier bei einem äußerst wichtigen politischen Akt, grundsätzlich jeder Bürger und nicht nur bestimmte Funktionsträger an prominenter Stelle agieren, kann man durchaus mit Edwige Krob „une preuve de vitalité des institutions démocratiques“776 sehen. In Bezug auf das eigentliche Eidritual werden zunächst sowohl die Spezies der zu verwendenden Opfertiere als auch der Ort der Vereidigung so genau wie möglich bezeichnet: Genannt werden Stier, Eber und Widder, die als erwachsene Tiere in doppelter Ausführung – je einmal für Kos und einmal für Kalymna – von dem Beamtenkollegium der Poleten zur Verfügung gestellt werden sollen.777 Zudem soll die Eidesleistung in Kos ἐν τᾶι ἀγορᾶι778 stattfinden – und auch diese an sich schon recht genaue Angabe wird durch πρὸ τῶν ἀρχείων noch spezifiziert.779 774 Die editio princeps ist Herzog (1942), Nr. 2, es folgt Tit.Cal. 12. Der Text ist wiederabgedruckt in StV III 545 (= HGIÜ III 429). Die jüngste Edition stellt IG XII 4, 1, 152 dar. Eine abweichende Ergänzung der Z. 31 schlägt Gauthier (1996), 47 f. vor (ὀμνυόντω oder ὀμοσάντω statt ὁρκιζόντω), zustimmend dazu Krob (1997), 436, Anm. 6 und 439 f., die ὀμνυόντω präferiert. 775 Der Terminus ὁμοπολιτεία findet sich in StV III 545, Z. 16 und Z. 18 und wird in der Forschung übereinstimmend als Äquivalent zu συμπολιτεία verstanden. Für die Datierung ist wichtig, dass laut Z. 15 nicht eine Einführung, sondern eine „Wiederherstellung“ (Z. 15 ἀποκατάστασις) der Homopolitie betrieben wird. Klaffenbach (1953), 456–458 hat gezeigt, dass es sich bei dem Zeitraum zwischen der ersten und zweiten Homopolitie um den Kretischen Krieg (ca. 206–204) handeln muss. Bestätigt wird diese Chronologie durch Sherwin-White (1978), 127 f., die zum Vergleich eine von Habicht (1957), Nr. 64 publizierte samische Inschrift heranzieht, die Z. 26–28 ebenfalls von ἀποκατάστασις spricht. Vgl. zum historischen Kontext der Inschrift Krob (1997), 436 f., Grieb (2008), 140 f., 188–192, Walser (2009), 148–153 und Carlsson (2010), 120–123, 188 f. 776 Krob (1997), 439. Allerdings ist diese Bestimmung nicht so singulär, wie Krob dies glauben machen möchte; man vgl. nur Milet I 3, 150, Z. 105–109, wo allerdings neben drei gewählten Milesiern auch ein Hierokeryx als Eidabnehmer fungiert. 777 Vgl. StV III 545, Z. 7–10: τοὶ δὲ πωληταὶ μισθωσάντω ἤδη διξὰ ὁρκω/μόσια παρασχεῖν τοῖς πολίταις αὐτεῖ τε καὶ εἰς Κάλυ/μναν· τὰ δὲ ὁρκωμόσια ἔστω ταῦρος κάπρος κριός, τέλεα / πάντα. Die Genauigkeit der Vorschrift hat auch Krob (1997), 440 bemerkt: „Le choix des victimes est très précis (…).“ 778 StV III 545, Z. 2. 779 Das Verständnis von StV III 545, Z. 3 ist umstritten: Während πρὸ τῶν ἀρχείων in den HGIÜ III 429 und in der IG-online-Übersetzung (http://pom.bbaw.de/ig/IG XII 4, 1, 152) wie selbstverständlich als „vor den Amtsträgern“ übersetzt wird, versteht Krob (1997), 439 „devant le
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Dass hier der Ort der Eidesleistung nicht nur angegeben, sondern noch näher bestimmt wird, ist eine singuläre Vorschrift, die aus keinem anderen Vertrags- oder Bürgereid bekannt ist.780 Sie ist allerdings ganz im Duktus des Dokuments gehalten und passt sehr gut zu der präzisen Angabe über die Opfertiere, die ja in der Hinsicht bezeichnend für das hier zum Ausdruck kommende Regelungsbedürfnis ist, dass man sogar einen eigenen terminus technicus für die Eidopfertiere verwendete, der in dieser Bedeutung sonst in keiner griechischen Inschrift vorkommt. Auch folgt bei den Opfertieren ja auf die genaue Angabe der zu verwendenden Spezies noch eine Vorschrift über deren Alter. Es mag nun auf den ersten Blick verwundern, dass der Ort der Eidesleistung der Kalymnier überhaupt nicht näher bezeichnet wird. Diese sollen einfach dort schwören, „wo der Stratagos, den das Volk (dorthin) entsandt hat, es anordnet.“781 Der schwächeren Partei wird hier aber mitnichten eine größere Freiheit in Bezug auf den Ablauf der Eideszeremonie zugestanden, vielmehr wird diese in den alleinigen Verantwortungsbereich eines koischen Beamten gestellt, der somit Weisungsbefugnis für einen zentralen politischen Akt in Kalymna erhält. Edwige Krob hat nun aus der Tatsache, dass die Beschaffenheit der Opfertiere so genau vorgeschrieben wird, gefolgert, dass es sich um einen besonders bedeutenden Eid und eine besonders wichtige Vereinbarung handeln müsse.782 Sie schreibt: „(…) les victimes parfaites sont mâles, adultes et sans défaut, et si l’inscription insiste sur la qualité de toutes les victimes, c’est qu’elle est un signe de la valeur accordée au serment et de son importance.“ Dies ist allerdings ein wenig voreilig geschlussfolgert, verdeutlicht doch ein Vergleich mit anderen Sympolitieeiden, dass bei ihnen die explizite Nennung der Spezies der Opfertiere geradezu ein Charakteristikum dieses Eidtyps darstellt. Gleichwohl ist nicht zu bestreiten, dass sich etwa in der Spezifizierung des Schwurortes ein besonders großes Regelungsbedürfnis greifen lässt, welches nicht zuletzt von der Furcht getragen sein dürfte, dass die Homopolitie, die hier ja wiederhergestellt wird, erneut scheitern könnte. Die Bedeutung des Eides zwischen Kos und Kalymna war sicher nicht größer als die bâtiment des archives“ – und tatsächlich sind beide Übersetzungen möglich und für Kos bezeugt, die Bedeutung ‚Amtsgebäude‘ in SEG LI 1054 B, Z. 7 (ca. 280) und Iscr. Cos III, EF 332 (Kaiserzeit), ‚Amtsträger‘ in SEG LI 1054 B, Z. 6 (ca. 280), Iscr. Cos I, ED 201 (3. Jahrhundert) und Iscr. Cos I, ED 195 (1. Jahrhundert). Entscheidend ist daher der Gesamtsinn der Passage. Dieser ist bei ‚vor dem Amtsgebäude‘ deutlich besser, da eine solche Interpretation erstens eine sinnvolle inhaltliche Spezifizierung zu ἐν τᾶι ἀγορᾶι ergibt, zweitens ein paralleler Sprachgebrauch (nachgeschobene Spezifizierung) zu Z. 9 f. (ταῦρος κάπρος κριός, τέλεια / πάντα) vorliegt und drittens in dem Amtsgebäude die Listen über die Eidesleister aufbewahrt worden sein dürften (das letzte Argument mit Krob [1997], 439); dagegen ist die Interpretation „vor den Amtsträgern“ problematisch, da ja schon je zwei ὁρκωταί aus jeder Phyle bei der Eidesleistung als Abnehmer des Eides zugegen sind, was die Frage nach sich zieht, welche Funktion etwaige ‚Amtsträger‘ da noch haben sollten. 780 Gelegentlich finden sich derartige Zusätze in den Publikationsklauseln von Staatsverträgen. Im Falle des Mitgliederverzeichnisses des 2. attischen Seebundes (StV II 257) stimmt die Spezifizierung des Aufstellungsortes in Z. 65 f. (παρὰ τὸν Δία τὸν Ἐλευ/θέριον) sogar mit dem Leitgedanken des Dokumentes überein. Vgl. dazu auch Liddel (2003), 82. 781 StV III 545, Z. 6 f.: (…) εἷ κα ὁ στραταγὸς ὁ ἀποσταλεὶς ὑπὸ τοῦ δάμου / ποτιτάσσηι. 782 Vgl. Krob (1997), 440.
IV.2.3.2. Sympolitie- und Bürgereide
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der zuvor analysierten Schwüre; vielmehr scheinen die Klauseln darauf hinzuweisen, dass man eine besonders große Furcht vor einem Bruch der Vereinbarung hatte. In dieselbe Richtung weisen Klauseln, die eher für Bürgereide typisch sind und formal absolut unmissverständlich formuliert sind. Darunter fällt etwa die Angabe des Mindestalters der Schwörenden („im wehrfähigen Alter“783), welches die ebenfalls typische Aufforderung, dass „alle Bürger“ den Eid leisten sollen, genauer bestimmt. Sogar noch über die Exaktheit von Bürgereiden hinaus geht die genaue Festlegung der Schwurreihenfolge der Politen,784 eine Regelung, die in anderen Sympolitie-, Bürger- oder Vertragseiden ohne Parallele ist. Im Eidestext selbst tauchen dann erneut Klauseln auf, die für Bürgereide typisch sind: Betont werden Verfassungs- und Vertragstreue, nicht die Einhaltung der Homopolitie. Letztere wird nur in Z. 15 f. und 17 f. vergleichsweise beiläufig erwähnt. Der Fokus liegt eindeutig auf der Bewahrung der Demokratie und der koischen Gesetze.785 Dazu gehört auch, die außenpolitischen Verträge, besonders und in erster Linie mit Ptolemaios786, einzuhalten.787 Das erinnert an eine entsprechende Klausel im milesischen Ephebeneid und legt die Vermutung nahe, dass die Ptolemaier in besonderem Maße auf das Instrument der Vereidigung abhängiger Poleis setzten.788 Eine Parallele zum attischen Ephebeneid stellt dagegen eine Klausel dar, die sich nicht nur auf die Erhaltung, sondern auf die Vergrößerung des koischen Polisterritoriums bezieht: „Und ich werde nicht zusehen, wie das koische (Gemeindegebiet) geschmälert wird, sondern werde es mehren, nach meinen Kräften.“789 Auch die Versicherung, gegen Umstürzler vorzugehen, verweist in der Hinsicht auf den attischen Ephebeneid, dass bei beiden Eiden die sonst so beliebte Denunziationsformel fehlt. Auffällig am koischen Eid ist zudem, dass er sich nicht auf eine ‚Anti-Tyrannis-Klausel‘ beschränkt, sondern diese auf andere Verfassungstypen ausweitet, die nicht der Demokratie entsprechen, namentlich die oligarchischen.790 Es folgen typische Bürgerpflichten: ἐσσεῦμαι δὲ καὶ δικαστὰς δίκαιος / καὶ πολίτας ἴσος (…).791 Es ist insgesamt deutlich zu spüren, dass der Eid in einer 783 StV III 545, Z. 10: ἡβαδόν. 784 Vgl. StV III 545, Z. 10–14, bes. 10 f.: τοὶ δὲ πολῖται πάντες ἡβαδὸν ὀμνυόντω, πρᾶτοι / τοὶ προστάται καὶ τοὶ στραταγοί. 785 Vgl. Grieb (2008), 190 f. 786 Es dürfte Ptolemaios IV. Philopator gemeint sein. Dessen Nachfolger Ptolemaios V. ist unwahrscheinlich, da er erst 197 König wurde. Herzog (1942), 5–8 und Segre (1944–1945), 9 f. dachten an Ptolemaios I. Soter. 787 Vgl. StV III 545, Z. 18–20: ἐμμενῶ δὲ καὶ τᾶι / ποτὶ βασιλῆ Πτολεμαῖον φιλίαι καὶ συμμαχίαι καὶ ταῖς συνθή/καις ταῖς ποτὶ τοὺς συμμάχους τῶι δάμωι κεκυρωμέναις. 788 Vgl. hierzu nur den Vertrag zwischen Ptolemaios I. und den Iaseern (I.Iasos I 2). 789 Vgl. StV III 545, Z. 26 f.: οὐδὲ τὰγ Κώιαν ἐλάσσω γινομέναν περιοψεῦμαι, ἀλλ’ αὐξήσω / κατὰ δύναμιν τὰν αὑτοῦ. 790 Vgl. zu dieser Verbindung das Gesetz gegen Tyrannis und Oligarchie aus Ilion (OGIS 218 = HGIÜ II 337); vgl. auch die Listen der pro-makedonischen Verräter bei Demosth. or. 18, 295, Pol. XVIII 14 und jetzt im neuen Hyp. Gegen Diondas 21. Das attische Gesetz des Eukrates ist dagegen ein reines Anti-Tyrannis-Gesetz. 791 StV III 545, Z. 27 f. Krob (1997), 442–444 hat in dieser und der folgenden Klausel eine Nähe zum attischen Heliasteneid ausgemacht. Die Parallele kann aber nicht überzeugen.
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IV. Empirischer Teil. ‚Gleiche‘ und ‚ungleiche‘ Eide
Krisensituation geleistet wurde, bei der es sich um den Κρητικὸς πόλεμος handeln könnte. In Bezug auf die genuin religiöse Absicherung des Eides ist zu konstatieren, dass sowohl die Schwurgötter- wie auch die Exsekrations- und Segensformel kurz gehalten sind. Die in der invocatio angerufenen Gottheiten Zeus, Hera und Poseidon hat man mit Recht als Zeus Hypsistos, Hera Ourania und Poseidon Asphaleios identifiziert.792 Während die ersten beiden Gottheiten durch Weihungen für Kos sehr gut bezeugt sind, dürfte letztere eine kalymnische Hafengottheit darstellen. Jedenfalls handelt es sich um lokale Schwurgottheiten. Man hat die Götter nicht zufällig ausgewählt und es ist bezeichnend, dass sie noch hunderte Jahre später in Kalymna in derselben Reihenfolge auf einer Stele zu Ehren der Koer als erste Gottheiten angerufen werden.793 Besonders auffällig ist nun aber, dass man es bei diesem Homopolitieeid überhaupt nur mit einem Eid zu tun hat, dass also nicht getrennte Schwüre für beide Seiten geboten werden. Dies weist darauf hin, dass die Kalymnier in der Urkunde bereits als Koer betrachtet werden. Das dürfte mit dem schon seit archaischer Zeit bestehenden Anspruch der Koer auf Kalymna zu tun haben und Ausdruck des koischen Selbstverständnisses sein, das Kalymna eben nicht als Nachbarinsel, sondern seit alters her als Teil des koischen Polisterritoriums betrachtete. Der Eid auf die Homopolitie zwischen Kos und Kalymna regelt die Eidesleistung außerordentlich genau, was sich in der doppelten Spezifizierung der Opfertiere (Stier, Eber, Widder; erwachsene Tiere) wie des Ortes der Eidesleistung (Agora, vor dem Amtsgebäude) manifestiert. Dem Eid ist tatsächlich mit Edwige Krob ein „caractère exceptionnel“794 zuzuschreiben – dieser besondere Charakter besteht aber nicht in einer etwaigen Ähnlichkeit zum attischen Heliasteneid, wie Krob meint, sondern in der Tatsache, dass dieser Sympolitieeid seiner Form nach einen echten Bürgereid darstellt.795 IV.2.3.2.3.6. Milet und Pidasa Ein besonderer Charakter kommt auch dem letzten hier zu besprechenden Sympolitieeid zu: Der in den 180er Jahren geschlossene Eingemeindungsvertrag zwischen Milet und Pidasa796 ist vor allem in Bezug auf die Nennung der Schwurgottheiten von Interesse. Die Sympolitie gehört außenpolitisch in den Kontext des Ausbaus der milesischen Herrschaft in eben dieser Zeit. Obwohl große Teile Kleinasiens im Frieden von Apameia (188) unter den römischen Verbündeten Pergamon und Rhodos aufgeteilt worden waren, blieb Milet der Status einer freien Stadt.797 Aus 792 793 794 795
Vgl. Krob (1997), 440 f. unter Verweis auf Tit. Cal. 33. Vgl. Iscr. Cos I, EV 199, Z. 1–3 (2. Jahrhundert n. Chr.). Krob (1997), 444. So auch Schmitt (1969), 286: „(…); er (sc. der koische Beschluss) hat jedoch nicht einen diesbezüglichen Vertrag zum Inhalt, sondern den bei der Eingliederung Kalymnas zu schwörenden Bürgereid.“ 796 Vgl. Milet I 3, 149 = HGIÜ III 470. Vgl. zu dieser Sympolitie insbesondere Gauthier (2001); zu den finanziellen Regelungen Migeotte (2001). S. zu der Inschrift ferner Herrmann (1997), 184 f., Wörrle (2003b), 1368–1370, Chandezon (2003), 224–228, Grieb (2008), 199 f. m. Anm. 4 und Walser (2009), 139–141. 797 Vgl. Wiemer (2002), 250–253. Zur inneren Entwicklung Milets im Hellenismus s. Müller
IV.2.3.2. Sympolitie- und Bürgereide
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dieser Ausgangsposition heraus versuchte Milet seine Herrschaft zumindest in der unmittelbaren Umgebung auszubauen und zu festigen. Dazu bedienten sich die Milesier verschiedener Mittel, die sie flexibel an den jeweiligen politischen Status ihres Gegenübers anzupassen suchten. Neben dem Instrument der Sympolitie fanden z. B. auch zwischenstaatliche Verträge, die eine Isopolitie beinhalteten, Verwendung: Auf diese Weise hatte man kurz zuvor das – im Vergleich zu Pidasa – größere Herakleia am Latmos unter Kontrolle gebracht.798 Der in jenem Vertrag verwendete Eid ähnelt in vielerlei Hinsicht dem Sympolitieeid mit den Pidaseern. Ein entscheidender rechtlicher Unterschied besteht aber darin, dass der Eingemeindungsvertrag mit den Pidaseern nach dem Präskript mit den Worten beginnt: Die Pidaseer sollen Mitbürger der Milesier sein und ihre Kinder und ihre Frauen, soweit sie von Geburt Pidaseerinnen sind oder einer griechischen Polis Bürgerinnen. Übergeben sollen die von den Milesiern gewählten Männer eine Liste der Namen ins Rathaus, und teilhaben sollen sie, sobald sie den Eid geleistet haben und (namentlich) gemeldet worden sind, an kultischen Handlungen und Magistraturen und an allem anderen, woran auch für die übrigen Milesier Teilhabe besteht.799
Es geht also um eine wirkliche Eingemeindung, nicht nur das Privileg einer Bürgerrechtsverleihung wie gegenüber den Herakleoten. Dies verdeutlicht auch der folgende Paragraph, der von einem Phrurarch und einer nach Pidasa gelegten Garnison der Milesier spricht. Es liegt hier also erneut der Typus einer aus Sicht des schwächeren Partners wohl ‚unfreiwilligen‘ Sympolitie vor.800 Auf die folgenden administrativen Maßnahmen muss hier nicht im Einzelnen eingegangen werden. Die Regelungen über die Eidesleistung mitsamt dem Eidestext im Wortlaut finden sich in den Z. 51–66. Geschworen wird der Eid zunächst nicht von allen Bürgern, sondern nur von den Verhandlungsführern, also den Gesandten der Pidaseer und einigen milesischen Beamten – und zwar in Milet. Der Eidestext beginnt in Z. 54 und beinhaltet neben einer Ewigkeitsgarantie ([εἰς] τὸν ἀεὶ χρόνον801), das Versprechen, dem Vertrag nicht zuwiderzuhandeln. In diese (1976). 798 Vgl. Milet I 3, 150 = HGIÜ III 469 (Milet und Herakleia am Latmos, zwischen 184 und 181). 799 Milet I 3, 149, Z. 10–15: εἶναι Πιδασεῖς Μιλησίων πο/λίτας καὶ τέκνα καὶ γυναῖκας, ὅσαι ἂν ὦσιν φύσει Πιδασίδες ἢ πόλεως Ἑλλη̣/νίδος πολίτιδες· παραδοῦναι δὲ ἐπὶ τὸ βουλευτήριον τῶν ὀνομάτων ἀναγρα/φὴν τοὺς αἱρεθέντας ὑπὸ Μιλησίων ἄνδρας καὶ μετεῖναι τοῖς ὀνόμασιν καὶ / ἀ̣νενεχθεῖσιν ἱερῶν καὶ ἀρχείων καὶ τῶν ἄλλων, ὧν καὶ τοῖς λοιποῖς μέτε/στι Μιλησίοις. 800 Dieser Befund mag zunächst überraschen, da der Vertrag in formaler Hinsicht von den Pidaseern ausgegangen zu sein scheint, wie die Erwähnung einer bevollmächtigten pidaseischen Gesandtschaft zu Beginn der Inschrift (Milet I 3, 149, Z. 7 f.: οἱ πεμφθέντες ὑφ’ αὐτῶν [sc. Πιδασέων] αὐτοκράτορες πρεσβευταί) nahelegt. Der Inhalt der Inschrift spricht aber dagegen, dass tatsächlich ein pidaseisches Interesse an dem Vertrag bestanden haben kann: Erstens wurde in Pidasa ja eine fremde Garnison errichtet (Z. 15–18), zweitens wurden bis zu 390 Pidaseer nach Milet zwangsumgesiedelt (Z. 25–28) und drittens wurde der eigentliche Ablauf der Sympolitie vorab in einem einseitigen milesischen Volksbeschluss geregelt, auf den im Vertrag auch Bezug genommen wird (Z. 47–51). Das auf einem Berg ca. 30 km von Milet entfernt gelegene Pidasa scheint von den Milesiern vielmehr aus strategischen Gründen als eine Art Kleruchie ohne Siedler besetzt worden zu sein. 801 Milet I 3, 149, Z. 55.
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IV. Empirischer Teil. ‚Gleiche‘ und ‚ungleiche‘ Eide
Zusicherung ist eine „anti-deceit clause“802 eingebaut und durch eine typische Denunziationsformel803 abgesichert. Der Eid erweist sich als ein Bürger- (milesische Beamte) bzw. Neubürgereid (Gesandte der Pidaseer). Als Schwurgottheit wird aufgrund ihrer Funktion als Hauptgottheit der beteiligten milesischen Beamten namentlich nur Hestia Boulaia angerufen. Auch dieser Verzicht auf eine gemeinsame Götterformel stellt ein klares Zeichen dafür dar, dass es sich hier um eine Vereinbarung handelt, die von der stärkeren Seite aufoktroyiert wurde. Zumindest gilt dies für die Schwurgottheit(en): Wie im Delisch-Attischen Seebund wurde hier von den Milesiern eine verbündete Stadt auf die eigenen Eidgottheiten vereidigt. Der Eid schließt mit einer kurzen Exsekrations- und Segensformel in den Z. 60 f. Bemerkenswert ist zudem ein Teil der Vereinbarung, der erst nach dem Eidestext folgt: Hier wird festgelegt, dass alle übrigen Pidaseer, die das Mindestalter erreicht haben und gerade anwesend sind, zu Hause schwören und dabei „die Schutzgötter ihrer Stadt“, also ausdrücklich lokale Schwurgottheiten, anrufen sollen.804 Dies ist in Bezug auf die religiöse Absicherung der Vereinbarung aufschlussreich. Man hat den Eindruck, dass die Klausel Ausdruck des Misstrauens der Milesier gegenüber den Pidaseern ist. Der Eid der pidaseischen Gesandten bei einer milesischen Schwurgottheit scheint ihnen nicht zu genügen. Daher wird die religiöse Sanktion abschließend auch von einer weltlichen flankiert, die eine Strafe von 30 Talenten für den Bruch des Vertrags festsetzt, allerdings nicht, ohne dass zuvor noch einmal auf die religiöse Konsequenz eines Eidbruchs hingewiesen wird.805 Diese Konsequenz besteht darin, dass Vertragsbrecher gegenüber den Göttern zu ἀδίκοι806 würden. Damit wird der Vertrag ausdrücklich auch als ein Rechtsverhältnis der Vertragspartner mit den Göttern konzeptionalisiert. Es ist offensichtlich, wie hier das rechtliche und das religiöse Feld überlappen: Die rechtlich-weltliche Sanktion kann noch im 2. Jahrhundert nicht ohne den expliziten Verweis auf die göttliche Zuständigkeit für die Überwachung des Vertrags erfolgen.
802 Vgl. Milet I 3, 149, Z. 55 f. 803 Vgl. Milet I 3, 149, Z. 56–58: καὶ ἐὰν τινα / ἄλλον̣ π̣ υν[θά]νωμαι αἱρούμενον παραβαίνειν τὰς ὁμολογίας, οὐκ ἐπι/τρέψω κ̣α̣τὰ δύ̣να̣μιν τὴν ἐμήν, ἀλλὰ δηλώσω τῆι βουλῆι καὶ τῶι δήμωι. – „Und wenn ich in Erfahrung bringe, daß jemand anderer die Absicht hat, die Vereinbarungen zu übertreten, werde ich, soweit ich es vermag, dies nicht zulassen, sondern werde es dem Rat und dem Volk melden.“ 804 Vgl. Milet I 3, 149, Z. 61–63: ὀμόσαι δὲ ἐμ Πιδάσοις καὶ τοὺς ἄλλους Πιδασεῖς τοὺς ὄντας / ἐπιδήμους καὶ ἐν ἡλικίαι ὑπάρχοντας τὸν αὐτὸν ὅρκον προσομνύντας / καὶ τοὺς κατέχοντας αὐτῶν τὴν πόλιν θεούς. – „Es sollen denselben Eid in Pidasa auch die übrigen Pidaseer schwören, die anwesend sind und im entsprechenden Alter stehen, indem sie in die Schwurformel auch die Schutzgötter ihrer Stadt aufnehmen.“ 805 Vgl. Milet I 3, 149, Z. 63–66: ὁπότεροι δὲ ἂν μὴ ἐ̣μμίνω/σιν τοῖς ἐν τῆιδε τῆι συνθήκηι κατακεχωρισμένοις, ἀδίκους τε ἐ̣ ἶναι / αὐτοὺς τῶν θεῶν, οὓς ὀμωμόκασιν, καὶ ἀποτεῖσαι τοὺς μὴ ἐμμείναν/τας τοῖς ἐμμείνασιν τάλαντα τρ̣ιάκοντα. – „Diejenigen, die nicht an den in diesem Vertrag festgelegten Bedingungen festhalten, sollen selbst gegenüber den Göttern, bei denen sie geschworen haben, im Unrecht stehen, und die Vertragsbrüchigen sollen den am Vertrag Festhaltenden dreißig Talente Strafe zahlen.“ 806 Milet I 3, 149, Z. 64.
IV.2.3.2. Sympolitie- und Bürgereide
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IV.2.3.2.3.7. Zwischenzusammenfassung Zusammenfassend lässt sich in Bezug auf die Sympolitieeide festhalten, dass sie hinsichtlich des verwendeten Formulars Bürgereiden deutlich näher standen als Vertragseiden. Sie waren von ihrem Ende her gedacht und teilten mit den Bürgereiden ihren Hauptzweck, die Sicherung des Zusammenlebens innerhalb eines – in diesem Falle neuen – Gemeinwesens. Die Nähe im Formular zeigte sich etwa an der häufigen Verwendung der Verfassungstreueklausel oder der Denunziationsformel.807 Zwar fehlten einige typische Elemente eines Bürgereides wie die Fristen für Abwesende und Kranke oder die Treue auch zu zukünftigen Gesetzen, allerdings fanden sich diese Klauseln zuvor ja auch nicht in allen Bürgereiden. Wichtig ist, dass Sympolitieeide in einigen Punkten sogar noch expliziter als die Bürgereide waren und über diese hinausgingen: Zwar wurde auch in Bürgereiden gelegentlich die Wahl der Opfertiere und der Ort der Eidesleistung ausdrücklich vorgeschrieben, wesentlich häufiger war dies aber in den Sympolitieeiden der Fall, die in dieser Hinsicht ein besonders großes Regelungsbedürfnis erkennen ließen. Gerade die ausdrückliche Nennung der Spezies der Opfertiere lässt sich geradezu als ein Signum von Sympolitieeiden bezeichnen. Sowohl die Entstehung eines neuen als auch die Erweiterung eines bestehenden Gemeinwesens stellten offensichtlich einen neuralgischen Punkt in der Geschichte eines Siedlungsplatzes dar, bei dem besondere Schwierigkeiten zu überwinden waren und bei dem daher besondere Formen auch der religiösen Absicherung einer Vereinbarung zum Einsatz kommen mussten. So konnten bei Sympolitieeiden anders als bei Bürgereiden verschiedene Schwurgötterformeln der beteiligten Vertragspartner aufeinandertreffen. Anders als bei Vertragseiden bildete man aber nicht einfach entweder eine gemeinsame Formel oder schwor jeweils den höchsten ortsüblichen Eid (nomimos horkos), sondern konnte wie in der Sympolitie zwischen Smyrna und Magnesia am Sipylos flexibel beide Verfahren mischen, indem man sich zwar auf eine gemeinsame Liste verständigte, am Ende der invocatio aber doch beide Vertragspartner lokale Schwurgottheiten anriefen. Überhaupt zeichnen sich die Schwurgötterlisten griechischer Sympolitieverträge durch eine besonders große Formenvielfalt aus: So lassen sich grundsätzlich drei verschiedene Typen unterscheiden. In der chronologischen Reihenfolge ihres erstmaligen Auftretens ist dies erstens eine Formel aus rein militärischen Schwurgottheiten (Orchomenos und Euaimon), zweitens die bereits von Alleinherrschereiden bekannte standardisierte Schwurgötterliste (Herakleia am Latmos und Pidasa; Teos und Kyrbissos) sowie drittens die Verwendung genuin lokaler Eidgötter (Kos und Kalymna; Milet und Pidasa). Gerade beim letzten Typus muss strikt zwischen zwei Varianten getrennt werden: Während bei der Homopolitie zwischen Kos und Kalymna eine gemischte Formel aus Göttern beider Seiten gebildet wurde, zeigte sich bei der Sympolitie zwischen Milet und Pidasa eine ‚hegemoniale‘ Version desselben Vorgangs, indem beide Seiten zunächst auf eine Gottheit vereidigt wurden, die in engem Bezug zu einem wichtigen milesischen Beamtenkollegium stand. Die Griechen bewiesen damit gerade bei Sympolitieverträgen eine besondere Kreativität bezüglich der Entwicklung neuer Formen der 807 Vgl. für die Evidenz Tabelle II im Anhang dieser Untersuchung.
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IV. Empirischer Teil. ‚Gleiche‘ und ‚ungleiche‘ Eide
religiösen Absicherung einer Vereinbarung. Grosso modo antwortete man auf die zunächst zwischenstaatliche Herausforderung einer Sympolitie mit im innenpolitischen Kontext erprobten Mitteln. IV.2.4. Hellenistische Vertragseide unter Beteiligung griechischer Bundesstaaten Auch bei dem Abschluss von Verträgen zwischen griechischen Koina finden sich die beiden – schon für Verträge zwischen hellenistischen Poleis beobachteten – Typen einer standardisierten und einer lokalen Schwurgötterliste. Es ist einem Zufall der Überlieferung geschuldet, dass die beiden einzigen Schwurgötterlisten aus Verträgen, an denen allein Koina beteiligt waren, zwischen beinahe identischen Vertragspartnern – den Phokern und Boiotern – geschlossen wurden. Die beiden Bündnisvereinbarungen liegen keine 100 Jahre auseinander. Während sich allerdings in dem früheren Vertrag, an dem auch die Aitoler beteiligt sind, die in hellenistischen Vertragseiden üblichen Schwurgottheiten finden, hat die spätere Liste deutlich lokale Züge. Wie lässt sich dieser Unterschied erklären? Ein wichtiger Grund ist en passant schon angeführt worden: Der ältere Vertrag, für den das Jahr 278 nach Denis Knoepfler einen terminus post quem darstellt,808 wurde unter federführender Beteiligung der Aitoler geschlossen,809 von denen die Phoker als eine Art Juniorpartner abhängig waren.810 Gleichwohl sind sie zumindest im Eid als eigene Gruppe angeführt. Das Bündnis stellt mithin eine multilaterale Vereinbarung dar, bei der im Hellenismus regelmäßig die standardisierte Schwurgötterformel zum Einsatz kam.811 In der Urkunde wird zudem betont, dass beide Seiten denselben Eid leisten sollen, der nur einmal aufgelistet wird.812 Regionale Elemente finden sich dagegen in der Publikationsformel des Vertrags, der von den Aitolern in Thermos und Kalydon (ἐλ᾽ Λοφρίωι813), von den Boiotern im Poseidonheiligtum von Onchestos, im Alalkomeneion und in Koroneia, im Heiligtum der Athena, aufgestellt werden soll.814 808 Zu dem Jahr 278 als terminus post quem des Vertrags vgl. Knoepfler (2007), 1249 f., der die Jahre 274–272 zu favorisieren scheint. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass Knoepflers Datierung auf seiner Ergänzung der Z. 4 des Vertrags beruht (s. u.). Nach den Buchstabenformen gehört der Vertrag in das ausgehende 4./ frühe 3. Jahrhundert. 809 Vgl. StV III 463 = HGIÜ II 303; zur Datierung und den Aufstellungsorten s. Knoepfler (2007) mit der älteren Literatur und Antonetti (2012a), 184–187, die allerdings auf Knoepfler beruht. 810 StV III 463, Z. 8–10: συμμα/[χήσ]ω κατὰ τοὺς ὅρκους καὶ τὰς συνθήκας τὰς γεγενημένας / [Βοιωτ]οῖς καὶ Αἰτωλοῖς καὶ Φωκεῦσιν τοῖς μετ᾽ Αἰτωλῶν ἀδόλως (…). – „Ich werde Bundesgenosse sein gemäß den Eiden und dem Vertrag, der geschlossen worden ist zwischen Boiotern und Aitolern und Phokern, die den Aitolern zugehören, ohne Arglist (…).“ 811 Man beachte, dass Tauropolos in der aus Zeus, Ge, Helios, Poseidon, Ares, Athena Areia sowie allen Göttern und Göttinnen bestehenden Liste (StV III 463, Z. 7 f.) fehlt. Dies entspricht ganz den Konventionen für Vertragseide, bei denen keine Alleinherrscher beteiligt waren. 812 StV III 463, Z. 6 f. 813 StV III 463, Z. 4. 814 StV III 463, Z. 3–6. Eine gemeinsame Stele, bei der es sich um das erhaltene Exemplar handelt,
IV.2. Hellenistische Vertragseide
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Es fällt auf, dass die Hauptgottheiten der genannten boiotischen Aufstellungsorte in dem späteren, wohl um 224 geschlossenen Vertrag alle zu Eidgöttern werden.815 Zu dem Poseidon von Onchestos und der Athena von Alalkomeneion und Koroneia kommen allerdings noch Zeus Basileus und Hera Basileia, die als erste Eidgottheiten angerufen werden und auf das Trophonion von Lebadeia verweisen. In diesen beiden Publikations- und Schwurgötterformeln kommt damit gleichsam die Kulttopographie des Boiotischen Bundes im 3. und 2. Jahrhundert zum Vorschein.816 Die Boioter wirken damit in dem späteren Vertrag prima facie wie die eindeutig dominante Partei, der es gelingt, die eigenen Schwurgottheiten durchzusetzen. Dieser Eindruck wird zunächst durch die Epitheta von Zeus und Hera gestützt. Allerdings hat Albert Schachter mit Recht darauf hingewiesen,817 dass Zeus, Hera, Poseidon und Athena nach Pausanias auch die im Phokikon verehrten Gottheiten darstellten.818 Man einigte sich somit auf eine Formel, die beiden Seiten gut zupass kommen musste, wobei ein Akzent auf den boiotischen Schwurgottheiten lag. Ähnlich war die Sachlage, wenn eine Polis einem Koinon beitrat und dies mit einem Eid beschworen wurde. Ein solcher Beitrittseid findet sich in dem Beschluss des Achaierbundes über den Anschluss von Orchomenos, der entweder um das Jahr 234 oder in das erste Dezennium des 2. Jahrhunderts datiert.819 Auch dieser Eid beginnt mit einem Götterpaar, dem dasselbe Epitheton beigefügt ist: Zeus Hamarios und Athena Hamaria. Als dritte und letzte Gottheit folgt vor einer kollektiven Götteranrufung Aphrodite, die sich sonst nirgends in Vertragseiden findet. Es ist ganz deutlich, dass auch hier lokale, genauer: regionale Schwurgottheiten angerufen wurden. Zeus Hamarios war in dieser Zeit der wichtigste Bundesgott der Achaier und wurde zusammen mit der mit ihm assoziierten Athena Hamaria und Aphrodite im Hauptheiligtum des Koinon der Achaier in Aigion verehrt.820 Die Orchomenier sollte zudem nach Delphi geweiht werden (καὶ κοινὴν ἐν Δελφοῖς). Vgl. zur Publikationsklausel ausführlich Knoepfler (2007), 1218–1227, der die älteren Thesen von einem Fehler des Steinmetzes (dagegen schon Roesch [1982], 358) und eines dritten aitolischen Aufstellungsorts, der ursprünglich zu Beginn der Z. 4 genannt worden sei und mit dem sich die Zahl der Publikationsorte beider Seiten ausgeglichen gestalten würde, verwirft und stattdessen ἐν Θέρμωι / [παρὰ τῆι Α]ἰτωλίαι, also „in Thermos, nahe bei der Statue der Aitolia“ ergänzt (zu dem Gebrauch dieser Wendung speziell in Inschriften des 4. Jahrhunderts s. Charneux [1987]). Nach Knoepfler wurde die Statue von den Aitolern 278 nach ihrem Sieg über die Galater nach Thermos geweiht. 815 Vgl. IG IX 1, 98, Z. 14–16. Vgl. zur Datierung Roesch (1982), der den Vertrag in das Jahr 228 setzt, und Nafissi (1995), 153 f. (228–224); s. zu dem Vertrag ferner McInerney (1999), 242. 816 Zu boiotischen Bundesheiligtümern s. jetzt Ganter (2013). 817 Vgl. Schachter (1994), 81 m. Anm. 30. 818 Vgl. Paus. X 5,2. 819 Vgl. StV III 499 = HGIÜ III 414. Zu Geschichte und Struktur des Achaiischen Koinon im 3. Jahrhundert s. Aymard (1938), Urban (1979), Lehmann (1983), Bastini (1987), 17–43 und Roy (2003). 820 So Osanna (1989), 56 f., ders. (1996), 204–210 und Rizakis (2013), 32 f., die sich mit Pirenne-Delforge (1994), 244–247 dafür aussprechen, dass das von Paus. VII 24,2 gesehene Homagyrion in Aigion nach 146 zum Nachfolger des Homarion wurde. Zentrales Argument für diese These ist neben einer Übereinstimmung in den verehrten Gottheiten – außer Zeus waren
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IV. Empirischer Teil. ‚Gleiche‘ und ‚ungleiche‘ Eide
wurden mithin beim Beitritt zum Achaiischen Koinon bei den Schwurgottheiten des Bundes vereidigt.821 Wie beim Attischen Seebund, später im Kretischen Koinon oder im Boiotischen Bund des 2. Jahrhunderts lassen sich auch hier bundspezifische Eidgottheiten finden. Gerade die Inschrift aus Orchomenos zeigt allerdings auch, dass hier die Probleme für den Historiker erst anfangen: Wie in Bezug auf die Eidgötter einer Polis, so gilt auch für die Schwurgottheiten eines Bundesstaates, dass aus dem jeweiligen Pantheon eine Auswahl getroffen werden musste. Es steht mithin zu fragen, warum welche Bundesgötter als Schwurgottheiten ausgewählt wurden. Denn die Achaier verehrten im Hellenismus ja auch Demeter Panachaia (in Aigion) oder Athena Panachaïs (in Patras) als Bundesgottheiten822 und – vielleicht bis zum Erdbeben von 373 und dem Untergang von Helike – auch Poseidon Helikonios.823 Zeus Homarios dürfte hier aufgrund seiner augenblicklichen Dominanz als wichtigster Bundesgott ausgewählt worden sein, während Athena Homaria und Aphrodite primär als seine Begleiter fungieren, die aufgrund der ihnen gemeinsamen Kultstätte, weniger aufgrund ihrer überragenden eigenen Bedeutung für das Koinon in der Schwurgötterliste Erwähnung finden. Anders als bei Vertragseiden mit griechischen Alleinherrschern lassen sich in Bezug auf hellenistische Vertragseide, an denen Koina beteiligt waren, insgesamt zwei Möglichkeiten der Bildung einer Schwurgötterliste ausmachen: Entweder kam die aus den Alleinherrschereiden bekannte standardisierte Formel zum Einsatz oder man einigte sich auf die Anrufung lokaler respektive regionaler Eidgötter. Für welches Mittel man sich dabei jeweils entschied, war nicht arbiträr, sondern folgte einer festen Logik: Die standardisierte Liste wurde dann aufgegriffen, wenn es sich um multilaterale Bündnisse oder solche Vereinbarungen und Verträge handelte, die dies Athena und Aphrodite – die Tatsache, dass sich nach Pausanias ein Heiligtum der Demeter Panachaia, unbestreitbar einer zentralen Gottheit des Achaiischen Koinon, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Homagyrion befand. 821 Osanna (1989), 56 bezieht sich auf die Funktion und ein mögliches Epitheton der Aphrodite, wenn er über sie schreibt: „(…) Afrodite (probabilmente qui invocata quale divinità protettrice della città)“. Die Göttin wurde zwar nach Paus. VIII 13,2 auch in Orchomenos verehrt, zählte aber nicht zu den dort traditionell angerufenen Schwurgottheiten (vgl. StV II 297: Orchomenos-Euaimon, 360–350). 822 Vgl. Osanna (1996), 80 f., 209 f. und Rizakis (2013), 33–35. S. allerdings auch die en passant geäußerten Zweifel am ‚Bundescharakter‘ der beiden Göttinnen von Freitag (2006), 226, der darauf hinweist, dass sich die beiden Epiklesen erst für die Kaiserzeit belegen ließen (Paus. VII 24,3; 29,2), die Epitheta nicht vorschnell als Verweis auf die bundesstaatliche Ebene interpretiert werden dürften und die Gottheiten überhaupt nie „eine zentrale Funktion für den gesamten Kultverband der peloponnesischen Achaier“ ausgeübt hätten. Während der zweite Einwand sicher berechtigt ist, gerade wenn man die Existenz eines Gebirges mit dem Namen ‚Panachaïkon‘ in der Region bedenkt, so gelangt man doch mit numismatischen Zeugnissen bis in das 3. Jahrhundert zurück (vgl. Osanna a. a. O.) und legt der Gedankengang der Pausanias-Passage wie die geographische Nähe zum Homagyrion nahe, dass zumindest Demeter Panachaia eine Bundesgottheit darstellte. 823 Zu der Frage, ob Zeus Homarios in den 370er Jahren Poseidon Helikonios als Bundesgott ablöste, besteht eine noch nicht entschiedene Forschungsdebatte. Die These geht zurück auf Morgan – Hall (1996), 195–97, deren Idee allerdings von Parker (1998), 31 f. abgelehnt wird. S. dazu Nielsen (2013), 228, Anm. 8.
IV.2. Hellenistische Vertragseide
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auf die Initiative eines Alleinherrschers zurückgingen.824 Lokale Gottheiten oder Bundesgötter fanden in den Schwurlisten dagegen Verwendung, wenn die gerade genannten Bedingungen nicht zutrafen und die am Abschluss des Bündnisses beteiligten Koina bzw. Koina und Poleis geographisch nicht weit auseinander lagen.825 IV.2.5. Vereinheitlichung und Standardisierung in den hellenistischen Schwurgötterlisten – ein Zwischenergebnis Zusammenfassend sind folgende Besonderheiten hellenistischer Vertragseide im Allgemeinen und von Alleinherrschereiden im Besonderen festzuhalten: Im Hellenismus lässt sich eine deutliche Tendenz zur Vereinheitlichung und Standardisierung der Schwurgötterlisten beobachten. Abweichende Listen stellten eine Ausnahme dar und fanden sich ausschließlich bei bilateralen Vereinbarungen, die nicht auf die Initiative eines Alleinherrschers zurückgingen, häufig etwa bei der Neuschaffung oder Umgestaltung politischer Einheiten wie beim Abschluss einer Sympolitie826 oder dem Beitritt einer Polis zu einem Koinon. Die Grundstruktur der standardisierten Schwurgötterlisten bestand dabei aus neun Gottheiten, die sich in drei Triaden einteilen lassen, deren erste – Zeus, Ge, Helios – in jedem Alleinherrschereid obligatorisch war. Aus der zweiten Göttertrias, bestehend aus Poseidon, Demeter und Apollon, fand sich Poseidon mit Abstand am häufigsten genannt, während eine Anrufung der anderen beiden Gottheiten fakultativ war. Die dritte Trias setzte sich aus dem Götterpaar Ares und Athena Areia, die immer gemeinsam angerufen wurden, und der abschließenden Nennung der Tauropolos zusammen. Das verbindende Element dieser drei Gottheiten könnte in ihrem militärischen Charakter gesehen werden, der allerdings bei Tauropolos weniger deutlich ausgeprägt war als bei den beiden anderen Gottheiten. Der Eindruck eines überwiegend uniformen Charakters der Schwurgötterlisten hellenistischer Vertragseide ist frappierend und bedarf einer Erklärung, für die hier ein zweistufiger Nachahmungsprozess konstatiert wurde: So geht das Grundgerüst dieser Götterlisten, das aus der ersten Trias Zeus, Ge, Helios und dem Götterpaar Athena und Ares besteht, auf den Gründungseid des Korinthischen Bundes von 337 zurück, bei dem exakt diese Götter angerufen wurden, die dann in den Vertragseiden der Diadochen kanonisch wurden. Nach dem Tode Alexanders kam als sechste Schwurgottheit Tauropolos hinzu,827 die in kaum einem Eid eines hellenistischen Alleinherrschers fehlte, dafür aber bei interpolitischen Bündnisverträgen oder bei solchen, die zwischen verschiedenen Koina oder zwischen einem Staatenbund und 824 Multilaterale Bündnisse: StV III 463 (Aitoler/ Phoker-Boioter); Beteiligung von Alleinherrschern: Lefèvre (1998b), Z. 36, 40 f. (Demetrios Poliorketes-Aitoler). Dieselbe Logik in Bezug auf die Zusammensetzung der Schwurgötterlisten gilt, wie in Kap. IV.2.3.1. und IV.2.3.2.3. gezeigt werden konnte, auch für Verträge zwischen griechischen Poleis. 825 Vgl. StV III 499 (Achaierbund-Orchomenos) und IG IX 1, 98 (Boioter-Phoker). 826 Vgl. Kap. IV.2.3.2.3. 827 Man beachte, dass Artemis-Feste immer am sechsten Tag eines Monats stattfanden, der der Göttin heilig war, da sie nach dem Mythos am sechsten Tag der Woche geboren worden war.
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IV. Empirischer Teil. ‚Gleiche‘ und ‚ungleiche‘ Eide
einer Polis geschlossen wurden, niemals auftauchte. Artemis Tauropolos genoss – wie Diodor bezeugt – gerade in den letzten Lebensjahren Alexanders dessen uneingeschränkte Verehrung und ist in engem Bezug zur makedonischen Dynastie zu sehen.828 Mit der Verwendung der sechsgliedrigen Grundstruktur aus Zeus, Ge, Helios, Athena, Ares und Tauropolos stellten sich hellenistische Alleinherrscher somit in eine Traditionslinie, die an Philipp und Alexander anknüpfte.829 Das Auftauchen der Tauropolos in den hellenistischen Alleinherrschereiden bleibt allerdings trotz dieser imitatio Philippi Alexandrique in einem Punkt rätselhaft: Obwohl sie sicher mit Artemis zu identifizieren ist,830 wird sie in den Eiden als einzige Gottheit immer nur mit ihrem Epitheton angerufen. Nimmt man die kretischen Schwurgötterlisten zum Maßstab, so würde dies bedeuten, dass es sich bei ihr um eine vorgriechische Gottheit handeln müsste.831 In diese Richtung dachte schon Adolphe-J. Reinach, der in der Tauropolos eine Söldnergottheit sah, deren Aufkommen sich aus der Herkunft der ersten Söldner aus Thrakien und dem Skythenland erklärte.832 Eine solche Herkunft der Söldner ist allerdings zweifelhaft und 828 So schon Robert (1936), 80 f. („Je crois que l’explication est donnée par le culte macédonien de la Tauropole.“); zustimmend Ihnken (1978), 87 f., Blümel (1997), 142 und zuletzt Brulé (2005), 156–158 („manifestations de la domination macédonienne“). Vieleicht ist der Ursprung dieser Verbindung darin zu sehen, dass man Tauropolos mit dem Erfolg der makedonischen Waffen verband; eine besondere Verbindung zwischen einem makedonischen Heer und der Gottheit lässt sich jedenfalls noch aus einer Weihung des letzten Königs von Makedonien, Perseus, ableiten, die ausdrücklich ἀπò τῶν εἰς Θράικην στρατειῶν erfolgt (SEG XXXI 614). 829 Hierbei mag es auch eine Rolle gespielt habe, dass Alexander – zumindest nach Arr. an. VII 28,3 – eine auffallend gute Reputation hatte, was das Einhalten von Verträgen wie auch das Aufdecken von Vertragsbruch anging: καὶ τὰ μὲν ξυντεθέντα ἢ ὁμολογηθέντα φυλάξαι βεβαιότατος, πρὸς δὲ τῶν ἐξαπατώντων μὴ ἁλῶναι ἀσφαλέστατος (…). – „Er war auch der Zuverlässigste im Halten von Verträgen und Vereinbarungen, und andererseits auf das Äußerste auf seiner Hut, sich nicht von Betrügern fangen zu lassen.“ Dass dies einige seiner Feinde naturgemäß anders sahen, kann nicht allzu überraschen; vgl. für einen solchen Fall m. Bayliss (2014), 254 Plut. Alexander 59, Arr. an. IV 27,3, Polyain. IV 3,20 und Diod. XVII 84,1–5. 830 Allein in IG VII 2793 ist Tauropolos einmal die Epiklese der Demeter, in IG XII 5, 721 der Athena (Andros, 1. Jahrhundert) und bei Eust. ad Dionys. 609 einmal des Apollon (zu den Gottheiten, die den Beinamen Tauropolos tragen konnten, vgl. Oppermann [1934], der noch Hekate hinzufügt; zu Hekate Tauropolos s. ferner Borghini [1987]). Die Belege für Artemis sind dagegen Legion. Kultisch verehrt wurde Artemis Tauropolos in Halai Araphenides, das zur attischen Küstentrittys Araphen, Teil der Phyle Aigeis, gehörte. Hier soll Orest nach seiner Rückkehr von den Taurern gelandet sein. Archäologisch lassen sich heute noch die Grundmauern eines Peripteraltempels aus dem 4. Jahrhundert nachweisen (vgl. Knell [1983], Kalogeropoulos [2010] und jetzt McInerney [2015]). Eur. Iph. T. 1450–1468 beschreibt zudem einen Ritus, bei dem in Erinnerung an das Opfer der Iphigenie Menschenblut geflossen sei. Zwei weitere ‚Tauropolia‘ (zu dem Begriff s. Strab. XIV 1,19) befanden sich auf Ikaria, eines in Oinoe, eines nahe dem heutigen Nas, wo die Göttin als Patronin der Seefahrer verehrt wurde (s. Papalas [1983]). Vgl. zu Artemis Tauropolos ferner Picard (1950), Graf (1979) und Guldager Bilde (2003). 831 In den kretischen Schwurgötterlisten werden neben den Olympiern allein die alten minoischen Gottheiten Diktynna, Britomartis und Welchanos ohne Epitheton angerufen – und eben nicht als Zeus Welchanos etc. in die Schwurgötterliste integriert. 832 Vgl. Reinach (1908), 217; s. hierzu allerdings den wenig euphorischen Kommentar von Robert (1936), 80 f.; zudem Brulé (2005), 156–158.
IV.2. Hellenistische Vertragseide
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Tauropolos – wie gezeigt werden konnte – zudem keinesfalls nur in Söldner eiden, sondern in allen Alleinherrschereiden zu finden. Die kretischen Schwurgötterlisten ferner sind in ihrer Grundstruktur von allen anderen griechischen Eiden zu verschieden, als dass sie als Vergleichsparameter taugen würden. Stattdessen könnte die Erklärung für die ausschließliche Verwendung des Epitheton der Göttin in ihrer engen Verbindung mit den am Eid jeweils beteiligten Alleinherrschern zu sehen sein, deren wichtigste Gottheit auf diese Art und Weise in der Liste besonders betont wurde.833 Neben den standardisierten Schwurgötterlisten, die bei Alleinherrschereiden und multilateralen Vereinbarungen eingesetzt wurden, ließ sich im Hellenismus noch eine zweite Tendenz greifen, nach der lokale oder regionale Gottheiten die Schwurgötterlisten prägten. Solche Eide kamen bevorzugt bei bilateralen Verträgen zum Einsatz, die zwischen Poleis und Koina geschlossen wurden. In Alleinherrschereiden entspricht diesem Phänomen in gewisser Weise die Nennung der Tyche des Königs unter den Schwurgöttern,834 wodurch die Gegenseite noch stärker auf die Person des Herrschers vereidigt werden konnte.835 Behält man die zwei grundsätzlichen Möglichkeiten der Anrufung hellenistischer Eidgötter im Blick, ergibt sich eine Gesamtarchitektur der Schwurgötter, deren Anrufung im Hellenismus üblich war.836 Anders als auf Kreta mischten sich die verschiedenen Ebenen der Eid833 Das Alleinstellungsmerkmal der ausschließlichen Epiklesennennung wird zusätzlich dadurch unterstrichen, dass Tauropolos immer ganz am Ende der Listen vor oder sogar nach der kollektiven Götterformel aufgeführt wird. Allein im Vertrag Philipps V. mit den Lysimacheern (StV III 549b = HGIÜ III 432) folgen ihr „die Götter in Samothrake“ – auch eine kollektive Götterformel – und die „Tyche des Königs Philipp“, die mit dem Königtum Philipps noch enger verbunden gewesen sein dürfte. Vgl. ferner die unter Seleukos II. abgeschlossene Sympolitie zwischen Smyrna und Magnesia am Sipylos (StV III 492), bei der einer der beiden Eide statt mit Tauropolos mit der ‚Tyche des Königs Seleukos‘ endet. 834 Die Entsprechung ist in der besonders engen Bindung einer der beiden Vertragsparteien an eine oder mehrere einzelne Gottheiten zu sehen. Dabei steht einem ‚örtlichen‘ ein ‚personaler‘ Bezug gegenüber. 835 S. zu diesem seltenen Phänomen, das allein in StV III 492 (Smyrna-Magnesia am Sipylos, nach 243) und 549b (Philipp V.-Lysimacheia, 202–197) zu fassen ist, Herrmann (1968), 45–49, der letzteren noch nicht kennt. Bei einem solchen Eid wurde der Herrscher allerdings nicht wie bei dem im ptolemäischen Ägypten verwendeten βασιλικὸς ὅρκος (vgl. zu diesem immer noch Seidl [1933], 4–9, ein gutes Beispiel ist P.Fuad Univ. Cat. 3–4 [246–222; 229?]) oder im römischen Kaisereid direkt angerufen, sondern mittelbar über seine Tyche. Für einen ausführlichen Vergleich dieser Eidtypen s. Herrmann (1968). Vgl. zum römischen Kaisereid zudem Cancik (2003), Connolly (2007) und jetzt Fujii (2013), 77–91 sowie (2014). 836 Neun allgemein-griechische Gottheiten: Zeus, Ge, Helios, Hera, Poseidon, Demeter, Apollon, Ares und Athena Areia; elf regionale oder Bundesgötter: Zeus Hamarios, Athena Hamaria, Aphrodite; Zeus Basileus, Hera Basileia, Poseidon, Athena; Diktynna, ihre Begleiter, die Götter in Poikilasion, Zeus Kretagenes; neun lokale Gottheiten: Aphrodite Stratonikis, Apollon em Pandois, Apollon Didymeus, Artemis Leukophryene, [Artemis] Parthenos, Hera (Ithomata?), Hestia Boulaia, Meter Sipylene, Zeus Ithomatas; drei eng mit einer Dynastie verbundene: (Artemis) Tauropolos, die Tyche des Königs Seleukos II. und des Königs Philipp V. sowie zwei kollektive Götterformeln: die Götter in Samothrake und alle olympischen Götter, die sich noch durch „alle Götter, die Makedonien und das übrige Griechenland im Besitz haben“, aus dem Vertrag Philipps V. mit Hannibal ergänzen ließen.
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IV. Empirischer Teil. ‚Gleiche‘ und ‚ungleiche‘ Eide
götter – gesamtgriechisch, regional, lokal – in den Listen aber nie. Ihr numerischer Umfang ist zudem im Vergleich mit dem kretischen Material sehr bescheiden.837 Neben diesen die Schwurgötterliste betreffenden Aspekten ist für die Alleinherrschereide insbesondere das Erproben neuer religiöser Sicherungsmechanismen typisch, wie es gerade bei Vereinbarungen, an denen auch Söldnertruppen beteiligt waren, deutlich wurde: Hier konnte sich der Alleinherrscher genötigt sehen, der Gegenseite zu schwören, sie nicht an der Publikation der Vereinbarung zu hindern (Eupolemos im Vertrag mit Theangela) oder die Schwurgötterliste mehrfach wiederholt werden (Ptolemaios I. und die Iaseer). Auch konnte der Vertrag als das Ergebnis eines aktiven göttlichen Handelns präsentiert werden, wie der Orakelspruch bezeugt, der sich auf der Vertragsstele Philipps II. mit den Chalkidier findet. Alle diese zusätzlichen Sicherungsinstrumente setzten sich aus unterschiedlichen Gründen nicht durch. Ihr gehäuftes Auftreten weist darauf hin, dass bei dem Abschluss eines Vertrags mit Alleinherrschern aufseiten der griechischen Bürgerverbände häufig ein besonders großes Misstrauen bestand.838 Diese Beobachtung wird durch einen auffälligen Befund gestützt: Trotz der großen Zahl an überlieferten Alleinherrschereiden ist inschriftlich kein einziger Vertragseid erhalten, den sich hellenistische Alleinherrscher untereinander geleistet hätten. Dieser Befund ist umso signifikanter, als in den historiographischen und biographischen Quellen von solchen Eidesleistungen gelegentlich durchaus die Rede ist.839 Allerdings hört man dabei auffällig häufig von Problemen mit diesem Sicherungsinstrument, sei es in Bezug auf das Tricksen eines der Vertragspartner, sei es in Bezug auf das Scheitern eines Eidopfers.840 Es ist jedenfalls kein Zufall, dass sich im epigraphischen Befund kein einziger wörtlich überlieferter Vertragseid eines hellenistischen Alleinherrschers gegenüber einem anderen findet.841 Aufseiten der griechischen Bürgerverbände verhielt man sich dagegen ganz anders: Repräsentanten der einzelnen Poleis beschworen jeden Vertrag und stellten Kopien 837 Vgl. Kap. IV.2.1. 838 Eine besonders große Unsicherheit, die sich im Gebrauch äußerst ausgefeilter Formen der religiösen Absicherung einer Vereinbarung manifestierte, bestand zwar häufig auch beim Abschluss von Bürgereiden, etwa nach einer Stasis. Allerdings war das Misstrauen in diesem Fall ausdrücklich gegenseitiger Natur. Man muss daher deutlicher zwischen Sympolitie- und Bürgereiden, an deren Abschluss ein Alleinherrscher beteiligt war, und solchen Schwüren trennen, bei denen ein Alleinherrscher Vertragspartei war, als dies die Forschung bisher getan hat (das jüngste Beispiel stellt in dieser Hinsicht Williamson [2013] dar). Es ist evident, dass es einen Unterschied machen musste, ob ein Alleinherrscher die Rolle einer Vertragspartei oder die eines Garanten einer Vereinbarung innehatte – und dies spiegelte sich eben auch im Vertragsformular wider. 839 Vgl. nur StV III 418 (Diod. XVIII 53,5; Plut. Eumenes 12: Eumenes von Kardia-Antigonos Monophthalmos, 319/ 18); 458 (Plut. Pyrrhos 6,5–9; Iust. XVI 1,7 f.: Pyrrhos von EpeirosAlexander V. von Makedonien). Vgl. auch den oben zitierten Herrscherbrief des Antigonos StV III 428, Z. 59 f. (= HGIÜ II 276). 840 Zu dem trickreichen Umgang mit Eiden s. Plut. Eumenes 12 und Diod. XVIII 53,5 m. Bayliss (2014), 255 (Eumenes); für ein gescheitertes Eidritual: Plut. Pyrrhos 6,5–9. 841 Ein solcher Eid ist allein historiographisch in dem bei Pol. VII 9 überlieferten Bündnis zwischen Hannibal und Philipp V. erhalten, bei dem es sich aber bezeichnenderweise um einen Vertrag mit einem Nichtgriechen handelt.
IV.2. Hellenistische Vertragseide
213
der Vereinbarung regelmäßig und in großer Zahl in Heiligtümern auf. Schwurleistung und Vertragspublikation waren im Rahmen der griechischen Poliswelt unzweifelhaft seit langem fest etablierte Mittel der zwischenstaatlichen Politik. Hellenistische Alleinherrscher untereinander hielten dagegen häufig andere, alternative Mittel der Bündnissicherung wie Geiselstellung842 und Heiratsverbindungen843 für attraktiver. Die Publikation eines Vertrags in einem Heiligtum wurde offenbar nur als ein unzureichender Schutz angesehen. Die Befürchtungen der Theangeleer kamen daher nicht von ungefähr. Alleinherrscher konzentrierten sich gelegentlich lieber auf die eidliche Treueverpflichtung der am Vertrag gar nicht direkt beteiligten Poleis als auf eine gegenseitige Schwurleistung.844 Offenbar wurden Eide von hellenistischen Alleinherrschern primär als Herrschaftsinstrument im Sinne eines Treueeides aufgefasst. Jedenfalls enthielten sie in besonderer Weise ein asymmetrisches Element. In diesem Aspekt mag auch der Schlüssel zum Verständnis für das Fehlen von inschriftlich überlieferten Vertragseiden zwischen hellenistischen Alleinherrschern zu sehen sein: Es war gute makedonische Tradition, dass die Bevölkerung und/ oder die Armee beim Herrschaftsantritt eines neuen Königs einen Treueeid leistete, während man dagegen von einem Eid des neuen Herrschers in den Quellen nichts hört.845 Ein makedonischer König schwor daher in der Regel keinen Eid, da dieser – gerade gegenüber einem anderen Alleinherrscher – zu leicht als Treue- oder Vasalleneid hätte missverstanden werden können. Dieses Verhalten machten sich die meisten hellenistischen Alleinherrscher zueigen. Die einzige Ausnahme stellten Vertragseide gegenüber griechischen Poleis dar, bei denen die Schwüre als ein Herrschaftsinstrument fungierten, das zu einer geschickten Anwendung einer demonstrativen Freiheitspolitik taugte und deshalb bei Verträgen zwischen Alleinherrschern und griechischen Städten häufig angewandt wurde. Zur Sicherung der eigenen Herrschaft bedienten sich die Könige daher eines zwischenstaatlichen Instruments, das in der griechischen Poliswelt fest verankert war.
842 Vgl. etwa Aischin. leg. 81 mit Schol. ad loc. (Philipp II.-Kersebleptes, 351), Diod. XIX 75,2 (Antigonos Monophthalmos-Asandros von Karien, 313), Plut. Kleomenes 22,3 f. (Ptolemaios III. Euergetes-Kleomenes III. von Sparta, 226/ 25). Das Sicherungsmittel kam gelegentlich auch bei Verträgen von Alleinherrschern mit griechischen Poleis (vgl. StV III 442: Antigonos Monophthalmos-Rhodos, 304) oder mit Nichtgriechen (vgl. StV III 427: Demetrios Poliorketes-Nabatäer, 312/ 11) vor. 843 Vgl. etwa Strab. XV 2,9 (Seleukos I. und Sandrokottos, 305–303). 844 Vgl. nur den oben zitierten Brief des Antigonos Monophthalmos aus Skepsis (StV III 428, Z. 51–72 = HGIÜ II 276). 845 Anders übrigens als etwa in Sparta (Xen. Lak. Pol. 15,7) oder Epeiros (vgl. Plut. Pyrrhos 5). Auf diesen Aspekt weisen überzeugend hin Sommerstein – Bayliss (2013), 34–38.
V. DER EID ALS ARGUMENT IN DER WISCHENSTAATLICHEN KOMMUNIKATION Z „Wenn wir die Bedeutung eines Eides erhöhen wollen, so müssen wir sagen: ‚Es gibt wohl – wegen der (drohenden) göttlichen Vergeltung und der Schande in den Augen der Menschen – niemanden, der einen Eidbruch begehen wollte.‘ Und wir müssen hinzufügen, dass es zwar möglich ist, sich vor den Menschen zu verbergen, nicht aber vor den Göttern.“ (Rhet. Alex. 17)
Nach der Analyse des religions- und ideengeschichtlichen Hintergrunds griechischer Vertragseide im ersten Hauptteil dieser Untersuchung (Kap. III.) sowie einer Auswertung der epigraphischen Evidenz im zweiten (Kap. IV.), gilt es nun im dritten Abschnitt, den Vertragseid noch stärker in seinem historischen Kontext zu verorten. Dieser dritte Zugang erfolgt im Folgenden über eine Sichtung und Interpretation derjenigen Passagen innerhalb der griechischen Historiographie und Rhetorik, in denen der (Vertrags-)Eid als Argument Verwendung findet. V.1. RELIGIÖSE ARGUMENTE IN DER ZWISCHENSTAATLICHEN KOMMUNIKATION UND DAS PRINZIP DER ‚ÜBERBIETENDEN VERGELTUNG‘ Als die Spartaner im Jahre 432/ 31 eine erste Gesandtschaft nach Athen schickten, die mit den Athenern über die Frage von Krieg oder Frieden verhandeln sollte, war ihre eigene Entscheidung bereits getroffen: Sie hatten sich kurz zuvor mit ihren Bündnern auf die Alternative Krieg verständigt. Da die Kriegsbereitschaft auch in Athen schon einen hohen Grad erreicht hatte, erstaunt es nicht, dass die Verhandlungen keinen allzu irenischen Verlauf nahmen und von gegenseitigen Vorwürfen geprägt waren. Was allerdings durchaus überrascht, sind die Streitpunkte und Argumente, die vorgebracht wurden. Anstatt über die politisch strittigen Fragen wie das Megarische Psephisma1, die Unabhängigkeit Aiginas oder die Ereignisse um Korkyra und Poteidaia zu verhandeln, wurden die Spartaner mit einem im Kern religiösen Argument vorstellig: Die Athener sollten zunächst den ‚kylonischen Frevel‘ sühnen, ein Ereignis, das zum Zeitpunkt der Verhandlungen schon gut 150 Jahre zurücklag! Diese Anschuldigung konterten die Athener sofort mit Gegenvorwürfen: Und so sahen sich die Spartaner unvermittelt damit konfrontiert, den ‚Frevel vom Tainaron‘ sowie den an der Athena Chalkioikos, beides Hikesiefrevel, tilgen zu 1
Vgl. zu diesem zuletzt Zahrnt (2010) (mit der älteren Literatur).
V.1. Religiöse Argumente in der zwischenstaatlichen Kommunikation
215
müssen.2 Auf den einfachen Frevelvorwurf antworteten die Athener also mit einem doppelten. Die eskalierende Logik der athenischen Erwiderung ist frappierend und verdient eine genauere Analyse. Erstaunlicherweise hat die althistorische Forschung diesen Aspekt bisher eher stiefmütterlich behandelt.3 Die Kommentare von Arnold Wycombe Gomme4 und Simon Hornblower5 fokussieren auf Einzelprobleme bzw. auf die Bedeutung der Exkurse6 innerhalb der Passage, mit denen Thukydides den Hintergrund der Frevelvorwürfe jeweils ausführlich erläutert. Die Forschung, namentlich Henry Dickinson Westlake, hat sich daher an der Frage abgearbeitet, ob dem Thukydides-Text hier eine schriftliche Quelle zugrundeliege.7 Schließlich schreibe der Sohn des Oloros an dieser Stelle ein für ihn untypisch schlichtes Griechisch.8 Andere – wie beispielsweise Simon Hornblower – haben eher auf die narrative Funktion der Exkurse innerhalb des thukydideischen Geschichtswerkes abgehoben und die These aufgestellt, der Autor bereite mit ihnen die Einführung seines Protagonisten Perikles vor.9 So verdienstvoll solche philologischen und narrativen Analysen auch sein mögen, sie gehen doch am Kern der Passage vorbei. Dieser liegt in der Art und Weise, wie hier argumentiert wird, und verrät viel über eine kulturspezifische Form zwischenstaatlicher Kommunikation bei den Griechen. Die Episode lässt sich in Überlegungen einbetten, die John Ratcliffe Grant in einem kurzen, aber einflussreichen Aufsatz formuliert hat und deren Quintessenz die Beobachtung dar2
3 4 5 6 7 8
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Die ganze Episode findet sich bei Thuk. I 126–139, vgl. dazu schon Junghahn (1890), s. außerdem Gomme (²1950), 425–451, Hornblower (1991), 202–225 und jüngst Bolmarcich (2012), 78–84. Den Aspekt der Gegenforderung – das ἀντεκέλευον steht betont am Satzanfang (I 128,1) – heben auch Pearson (1936), 52 („countercharge“) und Hornblower (2007), 139 („counter-demand“), 145 („tu quoque…accusation“) hervor. – Zum kylonischen Frevel vgl. auch Hdt. V 71, Plut. Solon 12 und Suda s. v. Κυλώνειον ἄγος (Κ 2673), dazu Lang (1967), Parker (1983), 16 f. Lambert (1986) und Schmidt (1990), 10–20; zu dem Frevel vom Tainaron s. auch die Versionen von Diod. XI 63,3; Paus. IV 24,5 f., VII 25,3; Ail. var. VI 7 und Schol. Aristoph. Ach. 510, dazu Cartledge (22002), 216–222; der Frevel an der Athena Chalkioikos auch bei Nep. Paus. 5,1. Vgl. jetzt allerdings Bolmarcich (2012), 78–84; zum Frevel als Argument in der zwischenstaatlichen Kommunikation Osmers (2013), 309–313. Vgl. Gomme (²1950), 425–451. Vgl. Hornblower (1991), 202–225. Thukydides handelt nacheinander den kylonischen Frevel (I 126,3–12), Pausanias (I 128,3– 134,4) und Themistokles (I 135,2–138,6) ab. Solche Exkurse sind für den Autor des Peloponnesischen Krieges tatsächlich ungewöhnlich. Westlake (1977) meint Charon von Lampsakos als Quelle der Exkurse zu Pausanias und Themistokles (Thuk. I 128–138) ausmachen zu können; abgelehnt von Hornblower (1991), 211. Dies habe schon einen antiken Scholiasten (Schol. Thuk. I 126,3) zu der spöttischen Bemerkung veranlasst: ὅτι τοῦ διηγήματος τοῦ κατὰ τὸν Κύλωνα τὴν σαφήνειάν τινες θαυμάσαντες εἶπον ὅτι λέων ἐγέλασεν ἐνταῦθα (…). – „Man muss wissen, dass einige die (sprachliche) Schlichtheit der Kylon-Episode verwundert hat und sie meinten, hier habe der Löwe gelacht.“ Vgl. Hornblower (1991), 211: „ (…) a different style from the rest of Book I, and indeed from the rest of Th(ucydides). (…) easy narrative Greek (…).“ Vgl. Hornblower (1991), 202 f., 211 f.
216
V. Der Eid als Argument in der zwischenstaatlichen Kommunikation
stellt, dass die Griechen keine eigene Diplomatensprache entwickelten, da sie keine Berufsdiplomaten kannten und sich im zwischenstaatlicher Verkehr nicht anders verhielten als auf der interpersonalen Ebene, auf der alle Beziehungen durch eine zutiefst agonale Kultur gekennzeichnet waren.10 Wie Grant an einer Vielzahl von Beispielen zeigen kann, war rücksichtsvolle Rede und Empathie nicht gerade Kennzeichen griechischer Diplomatie; typisch griechisch war es auch im zwischenstaatlichen Verkehr vielmehr, die Dinge geradeheraus zu sagen, was für moderne Ohren – insbesondere in einem diplomatischen Kontext – häufig äußerst provokativ klingen kann. Hier wird nun die These vertreten, dass diese kulturspezifische, eben nicht von demonstrativer Rücksichtnahme auf die Interessen der anderen Seite gekennzeichnete Art der Kommunikation im Extremfall sogar die Logik einer überbietenden Vergeltung annehmen konnte, dass hier also die Logik einer Rachemoral auf zwischenstaatliche Kommunikation übertragen werden konnte.11 Dies wirft zugleich ein Licht auf einen bestimmten Typus religiöser Argumente, der im Anschluss den Ausgangspunkt für eine Analyse des Eides als einem Argument im zwischenstaatlichen Diskurs darstellen soll. Der Begriff der „überbietenden“ oder „doppelten Vergeltung“ wurde zuerst von Egon Flaig auf die griechische Rachepraxis angewandt.12 Anders als bei dem in den orientalischen Weisheitslehren vertretenen Vergeltungsprinzip der Talio, das vorschrieb, Gleiches mit Gleichem zu rächen, wurde „in der griechischen Kultur (…) hier und dort ganz offen die Maxime ausgesprochen, man solle im Konfliktfalle doppelt zurückschlagen.“13 So heißt es schon in den Werken und Tagen Hesiods (und man beachte, dass es sich bei dem Folgenden um Ratschläge über den Umgang mit einem Freund handelt): Doch macht er (sc. der Freund) den Anfang, sagt entweder ein Wort, das kränkt, oder schadet mit Taten, denk dran und zahl ihm das doppelt zurück.14
Diese archaisch anmutende Logik ist nicht auf die griechische Frühzeit beschränkt und findet sich in derselben Form in attischen Gerichtsprozessen des 5. Jahrhunderts. Antiphon etwa schreibt in seiner dritten Tetralogie:
10 Vgl. Grant (1979); zustimmend und mit weiteren Belegen Piccirilli (2001), 82 f. 11 Vgl. zur Veranschaulichung der Argumentationsstruktur der Passage die hilfreiche tabellarische Übersicht bei Bolmarcich (2012), 81. 12 Vgl. Flaig (1998), 104–111 (Zitate: 105), so auch Gehrke (2001), 746. Grundlegend zum Phänomen der Rache bei den Griechen Gehrke (1987); zu einzelnen Aspekten der griechischen Vergeltung vgl. ferner Treston (1923), De Romilly (1970), (1971), Burnett (1973), Bellen (1974), Lossau (1979), Burkert (1994), Burnett (1998), 33–272, bes. 192–224, Holzhausen (2003), Klöckner (2005), Scheid (2005), Funke (2007b) und Mc Hardy (2008). 13 Flaig (1998), 105. 14 Hes. erg. 709–711.
V.1. Religiöse Argumente in der zwischenstaatlichen Kommunikation
217
Er (sc. der Prozessgegner des Sprechers) schlug zuerst; sogar wenn ich mich verteidigt hätte mit Eisen, mit Stein oder mit Holz, wäre ich nicht schuldig – denn wer anfängt, verdient nicht das gleiche zu erleiden, sondern mehr und Schlimmeres …15
Und auch im Mythos finden sich Beispiele dafür, dass die doppelte Vergeltung tief in der konventionellen Moral der Griechen verwurzelt war. So liest man in der Bibliotheke Apollodors: Er (sc. Herakles) tötete den Erginos, schlug die Minyer in die Flucht und zwang sie, den Thebanern den doppelten Tribut (τὸν δασμὸν διπλοῦν) abzuliefern.16
All dies zeigt, dass griechisches Denken nicht nur unabänderlich an den Maximen von Ehre, Rache und Vergeltung orientiert war,17 sondern sich sogar bis zu dem Prinzip der doppelten Vergeltung steigern konnte. Es ist genau diese Logik, die hinter der athenischen Antwort auf die spartanische Forderung zu Beginn des Peloponnesischen Krieges stand.18 Von besonderer Bedeutung ist dabei, dass dasselbe Prinzip innerhalb der eingangs paraphrasierten Thukydides-Passage19 noch ein weiteres Mal auftaucht: So erwähnt Thukydides im Zuge seiner Beschreibung des Frevels an der Athena Chalkioikos en passant einen delphischen Orakelspruch, der den Spartanern vorgeschrieben habe, dass sie „zwei Menschen für den einen der Chalkioikos weihen“20 sollten – der Frevel hatte darin bestanden, dass die Spartaner ihren ehemaligen Feldherrn Pausanias, der sich als Schutzflehender in das Heiligtum der Göttin begeben hatte, durch Errichten einer Mauer eingeschlossen und ausgehungert hatten.21 Indem die Logik der doppelten Vergeltung hier als Teil eines Orakelspruchs präsentiert wird, wird sie mit göttlicher Legitimation 15 Antiph. or. 4, 2,2. Diese Logik der ‚Erstschuld‘, die man als „konventionelle Moral“ (Flaig [1998], 109) bezeichnen könnte, war allerdings nicht unangefochten. In Athen wurden ihr die Gesetze entgegenstellt, wie der weitere Verlauf der Passage verdeutlicht, in der deutlich wird, dass die Tötung gesetzlich verboten ist. 16 Apollod. II 69. 17 Vgl. Funke (2009), 286. 18 Die Diplomatie ist hier nicht ‚Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln‘, sondern Vorbereitung der bewaffneten Auseinandersetzung mit beinahe denselben Mitteln, allerdings auf einer anderen Ebene. So auch Bolmarcich (2012), 84 „These are not diplomatic negotiations intended to be successful. Serious diplomacy relies on the concept of mutual gains by both sides; states must therefore make, first of all, reasonable demands (not demands that strike at the heart of the other state’s government and society, as the Athenians and Spartans do), and second of all, be prepared to concede some of their own desires. Neither the Spartans nor the Athenians are doing this here. Their goal is not to prevent war; it is to prolong the advent of war in order to prepare for it best. The American humorist Will Rogers once observed, ‘Diplomats are just as essential to starting a war as soldiers are for finishing it (…). You take [the] diplomacy out of war, and the thing would fall flat in a week.’“ 19 Thuk. I 126–139. 20 Thuk. I 134,4: ὁ δὲ θεὸς ὁ ἐν Δελφοῖς (…) ἔχρησε τοῖς Λακεδαιμονίοις (…) δύο σώματα ἀνθ᾽ ἑνὸς τῇ Χαλκιοίκῳ ἀποδοῦναι. Vgl. auch Diod. XI 45,5–9. Die Statuen wurden noch von Pausanias gesehen, wie der Perieget III 17,7 berichtet. 21 In ihrem Verhalten zeigten die Spartaner „Reste formaler Rücksichtnahme“ (Trampedach [2005], 151), als sie den extrem geschwächten Pausanias zum Sterben aus dem Heiligtum heraustrugen. Damit verhielten sie sich zumindest rein äußerlich konform gegenüber der Norm der Hierosylie. Vgl. Gehrke (1985), 250 f.
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V. Der Eid als Argument in der zwischenstaatlichen Kommunikation
versehen und erscheint als gleichsam gottgegeben.22 Der Orakelspruch ist von Thukydides elegant in den Pausanias-Exkurs eingebaut und kunstvoll in die Rahmenhandlung der Verhandlungen eingewoben. Als ein intratextueller Bezug legt die Episode nahe, dass die athenische Antwort herkömmlichem griechischen Moral- und Rechtsempfinden entspricht. Dadurch wird das Prinzip der überbietenden Vergeltung gleichsam zum Leitgedanken der Passage erhoben.23 Es muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass der fraglichen Thukydides-Passage in der Forschung nicht immer uneingeschränkt Glauben geschenkt worden ist. So hat mit Arnold Wycombe Gomme einer der renommiertesten Thukydides-Kenner grundsätzliche Zweifel an der Historizität der ersten spartanischen Gesandtschaft gehegt: It is remarkable that a special embassy should have been sent with this idle (Hervorhebung v. Verf.) demand however superstitious the Spartans may have been; the Corinthians must have been made impatient by it. If they wanted simply to weaken the position of Perikles (127. 2), one would have expected the mention of the ἄγος to have been part of more serious negotiations.24
Ein solches Urteil ist in gewisser Weise typisch für einen Teil der altertumswissenschaftlichen Forschung, der unter der (verfehlten) Annahme einer „Säkularisierung“25 die Bedeutung von Kult und Religion für das 5. Jahrhundert vernachlässigt.26 Bei der spartanischen Forderung handelte es sich aber eben nicht einfach um eine ‚nichtige Forderung‘. Vielmehr bewegten sich die Spartaner 432/ 31 argumentativ in vertrauten Bahnen. Das Argument des kylonischen Frevels hatte in einem anderen historischen Kontext schon einmal gut verfangen: So hatte Kleomenes Jahre zuvor bei dem Versuch, Isagoras in inner-attischen Parteikämpfen zu Hilfe zu kommen, auf eben diesen Vorwurf gesetzt, der zunächst auch erfolgreich war. Der politische Rivale des Isagoras, Kleisthenes, der als Alkmaionide in besonderer Weise Zielscheibe der Attacke war, hatte nach dem Hinweis der Spartaner auf den kylonischen Frevel die Stadt verlassen.27 Der kylonische Frevel als au22
Schneider (2003) weist explizit auf das hinter dem Orakelspruch stehende „duplum-Prinzip“ (299) hin, interpretiert es aber verkürzend allein als „Rechtsregel“ (301) und übersieht den narrativen Kontext der Passage. Vgl. zu der vom Orakel vorgeschriebenen „Bildnisverdoppelung“ (Schneider [2003], 292) aus archäologischer Perspektive Rouse (1902), 314, Burckhardt (1934), 81 und Metzler (1971), 235–239. 23 Dass es sich bei dem Prinzip der überbietenden Vergeltung tatsächlich um einen Leitgedanken der Passage handelt, verdeutlicht auch deren Ende: In Thuk. I 139,1 f. wird berichtet, dass die Athener auch im Zuge der zweiten spartanischen Gesandtschaft nach derselben Logik argumentierten. So hätten sie auf den das Megarische Psephisma betreffenden Vorwurf der Spartaner mit dem Verweis auf eine zweifache Verfehlung der Megarer geantwortet, die zum einen strittiges Grenzgebiet und sogar heiliges Land bearbeitet und zum anderen entlaufene Sklaven aufgenommen hätten. Der Leitmotivcharakter zeigt sich ferner daran, dass die Vergeltung auch innerhalb des Themistokles-Exkurses (Thuk. I 136,4), in dem konventionelle Vorstellungen über die Botmäßigkeit der Rache zitiert werden, eine wichtige Rolle spielt. 24 Gomme (²1950), 447. Vgl. auch Schmidt (1990) 21 m. Anm. 65. 25 Stellvertretend für andere sei genannt Baltrusch (2008), 28. 26 Wenig Interesse an Kult und Religion wird Gomme auch von Hornblower (2007), 140, 250, Anm. 7 bescheinigt. 27 Vgl. Hdt. V 70–72, Aristot. Ath. pol. 20,1 f. (s. dazu auch Schmidt [1990], 15 und Bolmar-
V.1. Religiöse Argumente in der zwischenstaatlichen Kommunikation
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ßenpolitisches Argument gegen einen ihnen unliebsamen attischen Politiker war also gewissermaßen schon gute spartanische Tradition. Dass es den Spartanern bei den Verhandlungen 432/ 31 genau um diesen Punkt, nämlich die Desavouierung des Perikles über den Alkmaionidenfrevel, geht, hebt Thukydides ja auch deutlich hervor. Jener habe bei seinen Mitbürgern in Verruf gebracht werden sollen.28 Diese Strategie der Spartaner hatte aber nicht nur viel mit eigenen Erfahrungen zu tun, sondern war zudem eingebettet in weitere antiperiklëische Propaganda, die ebenfalls auf dessen alkmaionidische Herkunft zielte.29 Man wird nicht fehlgehen zu konstatieren, dass die argumentative Verwertung des Alkmaionidenfrevels zum Standardrepertoire spartanischer Athenpolitik gehörte.30 Es handelte sich somit durchaus um einen ernsthaften Vorwurf, eine Beobachtung, die deutlich gegen Gommes Vermutung31 spricht. Der Verlauf der Verhandlungen, bei denen die religiösen Argumente offensichtlich den politischen Streitpunkten vorausgingen, ist bei genauem Hinsehen nur für den modernen Betrachter verwunderlich. Den antiken Zeitgenossen konnte es nicht überraschen, dass die religiösen Angelegenheiten Vorrang hatten. Dies lehrte ihn die eigene Lebenswirklichkeit: Jede Volksversammlung begann mit einem Opfer, wie es auch vor jeder Schlacht oder jedem Grenzübertritt durchgeführt wurde.32 Jon D. Mikalson hat dieses Phänomen einmal als die „Priorität des Göttlichen“ („priority of the divine“)33 bezeichnet. Es spiegelt sich in der zwischenstaatlichen Praxis etwa darin wider, dass religiöse Angelegenheiten, sofern sie Element eines cich [2012], 81). Vgl. Thuk. I 127,1: τοῦτο δῆ τὸ ἄγος οἱ Λακεδαιμόνιοι ἐκέλευον ἐλαύνειν δῆθεν τοῖς θεοῖς πρῶτον τιμωροῦντες, εἰδότες δὲ Περικλέα τὸν Ξανθίππου προσεχόμενον αὐτῷ κατὰ τὴν μητέρα καὶ νομίζοντες ἐκπεσόντος αὐτοῦ ῥᾷον σφίσι προχωρεῖν τὰ ἀπὸ τῶν Ἀθηναίων. – „Diesen Frevel also befahlen die Lakedaimonier zu tilgen, angeblich vor allem deshalb, um den Göttern Genugtuung zu verschaffen, aber auch weil sie genau wussten, dass Perikles, der Sohn des Xanthippos, durch mütterliche Verwandtschaft damit behaftet war, und weil sie glaubten, nach einer Verbannung leichter bei den Athenern zum Ziel zu kommen.“– Zur politischen Mobilisierbarkeit dieses Frevels vgl. Flaig (2004), 35–61. 29 Vgl. Pearson (1936), 43–46, s. auch Schmidt (1990), bes. 16–20. 30 Vgl. auch Pearson (1936), 43 und Bolmarcich (2012), 82. 31 S. o. 32 Zu Opfer und Gebet vor der Volksversammlung s. Hansen (1995), 146 (mit den Quellenbelegen) und Habicht (2006), 153; zum Opfer vor der Schlacht Popp (1957), 58–73, bes. 69–73, Pritchett (²1974), 109–116 und Lonis (1979), 95–116. 33 Mikalson (1983), 13–18, Zitat: 13; zustimmend Habicht (²2006), 184 f. Vgl. Demosth. ep. 1, 1: παντὸς ἀρχομένῳ σπουδαίου καὶ λόγου καὶ ἔργου ἀπὸ τῶν θεῶν ὑπολαμβάνω προσήκειν πρῶτον ἄρχεσθαι. – „Ich meine, dass es sich für den Anfang jeder ernsthaften Rede und Handlung geziemt, zuerst mit den Göttern zu beginnen.“ Aischin. Ctes. 1: ἐγὼ δὲ πεπιστευκὼς ἥκω πρῶτον μὲν τοῖς θεοῖς, δεύτερον δὲ τοῖς νόμοις καὶ ὑμῖν. – „Ich aber bin aufgetreten erstens im Vertrauen auf die Götter, zweitens auf die Gesetze und auf euch.“ Aischin. Ctes. 106: Ἄρξομαι δὲ ἀπὸ τῶν εἰς τοὺς θεοὺς αὐτοῦ πλημμελημάτων λέγειν. – „Ich werde aber damit beginnen, von seinen Vergehen gegen die Götter zu sprechen.“ S. auch Dion. Hal. ant. VII 70,3: ἐν αἷς πρῶτα καὶ κυριώτατα πάντων εἶναι πείθομαι τὰ γινόμενα καθ’ ἑκάστην πόλιν περὶ θεῶν καὶ δαιμόνων πατρίους σεβασμούς. – „Ich bin der Überzeugung, dass in jeder Stadt die ersten und gewichtigsten von allen Beweisen jene Dinge sind, welche sich auf die Götter und Gottheiten beziehen.“ 28
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V. Der Eid als Argument in der zwischenstaatlichen Kommunikation
Staatsvertrages waren, häufig an erster Stelle behandelt wurden, wie sowohl der historiographische34 als auch der epigraphische35 Befund nahelegen. Auch die „Priorität des Göttlichen“ spricht also gegen Gommes These. Wichtig ist nun v. a. festzuhalten, dass eine öffentliche Debatte zweifellos über solch ‚nichtige‘ Dinge wie Frevelvorwürfe geführt werden konnte. Hier geht es nicht um Nebensächlichkeiten, sondern um die Unterstützung der Götter! Gommes Vermutung, die erste Gesandtschaft sei eine Chimäre der althistorischen Forschung, ist somit schlicht zurückzuweisen. Das Zeugnis des Thukydides ist eindeutig und seine Darstellung erschien offensichtlich auch den Zeitgenossen plausibel.36 Die Anwendung des Prinzips der überbietenden Vergeltung ist nun aber in der zwischenstaatlichen Kommunikation der Griechen nicht auf diese ThukydidesPassage beschränkt.37 Ein weiteres Beispiel findet sich in den Hellenika Xenophons.38 Dieser berichtet, der Spartanerkönig Agesipolis habe sich vor seinem Feldzug gegen die Argeier gleich zweier Orakelsprüche bedient und nach der Befragung des olympischen auch noch das delphische Orakel konsultiert, nur um damit einem Waffenstillstandsbegehren der Argeier begegnen zu können, die angeblich „nicht wenn es jeweils der Kalender gebiete, sondern immer gerade dann, wenn ihnen ein Einfall der Lakedaimonier in ihr Land bevorstehe, behaupteten (…), es sei ein heiliger Monat.“39 Die Argeier waren in klassischer Zeit tatsächlich für ihre Kalenderpolitik berüchtigt, wie auch Thukydides bezeugt.40 Agesipolis be34 Vgl. etwa die Deklaration des Peloponnesischen Bundes vom Sommer 423 (Thuk. IV 118,1–3) oder den Nikiasfrieden (Thuk. V 18,2). Auch bei innenpolitischen Debatten in der athenischen Volksversammlung hatten religiöse Angelegenheiten Vorrang (Aristot. Ath. pol. 43,6 mit dem Kommentar von Rhodes [²1992], 529). 35 Vgl. etwa den attischen Volksbeschluss über ein Bündnis mit Arkadern, Achaiern, Eleern und Phleiasiern von 362/ 61 (StV II 290 = HGIÜ II 232), die Synoikie zwischen Orchomenos und Euaimon (StV II 297 = HGIÜ 287) oder den Vertrag zwischen Rhodos und Hierapytna StV III 551 (= HGIÜ 434). 36 Die Frevelvorwürfe machen ja auch von einem genuin politischen Standpunkt aus Sinn: Beide Seiten versuchen, über gezielte Attacken auf die eusebeia des Gegners, die Reihen im eigenen Bündnissystem zu schließen und unentschiedene Poleis auf die eigene Seite zu ziehen. 37 Zu Fällen, bei denen im innenpolitischen Diskurs auf eine ähnliche Weise argumentiert wurde, vgl. Martin (2009), 210 m. Anm. 10, der neben einigen Beispielen aus dem Corpus Demosthenicum auf And. or. 1, 130 f. und Lys. or. 30, 18–21 verweist. Martin urteilt ebd.: „Throwing back religious accusations to the opponent is not particular to Demosthenes, but can be found in other orators as well. Common though it is, this tactic does not seem to be the subject of rhetorical treatises.“ 38 Vgl. Xen. Hell. IV 7,1–7, bes. 2 f. mit Van Wees (2004), 115 und Flower (2009), 198 („a game of diplomatic chess“). – Eine weitere Parallele für die Anwendung der Logik der überbietenden Vergeltung in der zwischenstaatlichen Kommunikation lässt sich aus Hdt. VII 133–137 und Thuk. II 67 rekonstruieren (Geschichte vom Frevel an den persischen Gesandten des Dareios). Zu einer Verbindung der beiden Passagen schon Pearson (1936), 37 f. 39 Xen. Hell. IV 7,2: (…) ὅτι οὐχ ὁπότε καθήκοι ὁ χρόνος, ἀλλ᾽ ὁπότε ἐμβάλλειν μέλλοιεν Λακεδαιμόνιοι, τότε ὑπέφερον τοὺς μῆνας. 40 Vgl. Thuk. V 54,3, wo man davon hört, dass die Argeier im Rahmen des Epidaurischen Krieges so lange am vierten Tag vor Beginn des Karneios festhielten, wie sie brauchten, um das Territorium der Epidaurier zu verwüsten. Vgl. ferner Xen. Hell. V 1,29 und V 3,27. S. auch Popp (1957), 98, der urteilt: „Ein derartiges Vorgehen (sc. eine Kalenderverschiebung) scheint bei
V.1. Religiöse Argumente in der zwischenstaatlichen Kommunikation
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durfte daher keiner allzu großen politischen Voraussicht, um auch in diesem Fall eine entsprechende Verteidigungsstrategie der Argeier zu antizipieren. Er dürfte sich die beiden erwähnten Orakelsprüche daher im Voraus zur Absicherung seines Feldzugs verschafft haben, um dem einfachen religiösen Argument des Festfriedens ein doppeltes entgegensetzen zu können. Dass die Orakelsprüche aus den beiden bedeutendsten griechischen Heiligtümern stammten, wird seinem Anliegen nicht geschadet haben.41 Zwar erwähnt Xenophon nicht ausdrücklich, dass Agesipolis die beiden Orakelsprüche in den Verhandlungen mit den Argeiern auch tatsächlich angeführt hätte;42 aber anzunehmen, dass der Spartanerkönig auf seine besten Argumente verzichtete, wäre trotz aller lakonischen Kürze, die der spartanischen Diplomatie eignete,43 töricht. Eine Erklärung ist vielmehr in dem Charakter des xenophontischen Berichtes zu sehen, dem es nicht um eine möglichst minutiöse Wiedergabe der während der Verhandlungen gegebenen Argumente, sondern schlicht um eine Paraphrase ihres Verlaufs zu tun ist. Ferner kann angenommen werden, dass die Spartaner das Argument des doppelten Orakelspruchs auch zur nachträglichen Rechtfertigung ihres Feldzuges gegenüber einer panhellenischen Öffentlichkeit gebrauchten. Es bleibt zunächst festzuhalten, dass die bisher analysierten Fälle diplomatischer Verhandlungen auf die Häufigkeit und Wichtigkeit religiöser Argumente für die zwischenstaatliche Kommunikation hinweisen. Die göttliche Unterstützung war keine periphere Angelegenheit, sondern gerade im Konfliktfall für die Beteiligten von zentraler Bedeutung. Religiöse Argumente stellten daher nicht bloß ein ‚nichtiges‘ Vorgeplänkel zu den eigentlich zentralen Streitfragen dar. Vielmehr prägten sie mitunter den zwischenstaatlichen Diskurs.44 Dabei konnten sie sich sogar nach der Logik einer Vergeltungsmoral gegenseitig hochschaukeln, ein klares Indiz für die besondere Unversöhnlichkeit und Schärfe, die religiösen Argumenten in diesen Fällen eignete. Den religiösen Argumenten kommt dabei keine konflikteinhegende, sondern vielmehr eine konfliktsteigernde Wirkung zu, die auch von den jeweiligen den Argivern gewissermaßen zum festen Bestandteil ihrer diplomatischen Argumentation gehört zu haben.“ Anders Trampedach (2015), 333 f. 41 Agesipolis‘ Maßnahmen gehen insofern über ein „fast ängstliche(s) Verhalten“, das allein von dem „Bestreben“ getragen sei, „nur ja nicht gegen den Willen der Götter zu verstoßen“ (Popp [1957], 98 f.), deutlich hinaus. Zu den innenpolitischen Motiven des Agesipolis s. jetzt überzeugend Trampedach (2015), 328–336, bes. 335 f. 42 Bei Xen. Hell. IV 7,3 heißt es nur: οἱ δ᾽ Ἀργεῖοι ἐπεὶ ἔγνωσαν οὐ δυνησόμενοι κωλύειν, ἔπεμψαν, ὥσπερ εἰώθεσαν, ἐστεφανωμένους δύο κήρυκας ὑποφέροντας σπονδάς. ὁ δὲ Ἀγησίπολις, ἀποκρινάμενος ὅτι οὐ δοκοῖεν τοῖς θεοῖς δικαίως ὑποφέρειν, οὐκ ἐδέχετο τὰς σπονδὰς, (…). – „Als die Argeier sich darüber klar wurden, daß sie ihn nicht mehr würden aufhalten können, sandten sie trotzdem, wie es ihre Gewohnheit war, zwei bekränzte Herolde, um einen Waffenstillstand zu beanspruchen. Aber Agesipolis lehnte mit der Antwort, die Götter seien nicht der Meinung, daß dieser Anspruch zu Recht bestehe, den Waffenstillstand ab, (…).“ 43 Zur spartanischen brachylogia Bayliss (2009), bes. 236–240 (mit weiterer Literatur). 44 Vgl. auch Baltrusch (2008), 28: „So war Religion auch immer Argument und Legitimation im außenpolitischen Diskurs und musste es sein, wenn es denn richtig ist, dass der religiöse Charakter des antiken Völkerrechts neben einer inneren (das Erreichen der göttlichen Unterstützung etwa im Krieg) auch eine äußere (nämlich die Rechtfertigung von Handlungen gegenüber einer ‚Weltöffentlichkeit‘) Dimension besitzt.“
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V. Der Eid als Argument in der zwischenstaatlichen Kommunikation
Rednern so intendiert war. Das Auftreten eines solchen Typs religiöser Argumente ist, zumal es sich in den bisherigen Fällen jeweils um Vorkriegsdiplomatie handelte, nicht vollkommen überraschend, und findet sich auch in anderen Zeiten und Epochen.45 Bemerkenswert ist aber die überbietende Logik, nach der die Argumente funktionieren, und die Vehemenz der Vorwürfe. Es ist der althistorischen Forschung bisher nicht gelungen, hinreichend zu erklären, warum ein Argument wie der kylonische Frevel gut 150 Jahre nach dem Ereignis noch vorgebracht werden konnte. Hier genügt der einfache Hinweis, es handele sich um politische „Propaganda“46, nicht. Denn diese musste ja auch verfangen oder zumindest vom Redner als relevant für sein Publikum intendiert sein. Ein Lösungsansatz für dieses Problem muss daher an anderer Stelle ansetzen. Von zentraler Bedeutung ist gerade die Polyvalenz der vorgebrachten Frevelargumente. Diesen kam neben der politischen auch eine historische und eine religiöse Funktion zu. In dem hier analysierten Fall dürfte letztere entscheidend gewesen sein, da ein sakraler Frevel niemals verjähren47 und man auf ihn daher auch noch lange Zeit später verweisen konnte.48 Man griff in der zwischenstaatlichen Kommunikation also nicht nur gern auf religiöse Argumente zurück, sondern – so lautet die hier aufgestellte Ausgangshypothese – bevorzugt auf solche, die polyvalent waren, sich also in ganz unterschiedlicher Weise einsetzen ließen. V.2. WAR DER EID EIN RELIGIÖSES ARGUMENT? DEFINITIONEN, FRAGESTELLUNG UND GEGENSTAND DES KAPITELS Es ist bisher einfach vorausgesetzt worden, dass in der griechischen Diplomatie überhaupt so etwas wie spezifisch religiöse Argumente existierten. Was aber bedeutet eigentlich ‚religiöse Argumente in der zwischenstaatlichen Kommunikation‘? Um nicht durch eine zu enge Definition des Begriffs von vorneherein zentrale Elemente auszuschließen, wird im Folgenden von einer weiten Definition ausgegangen: Unter einem ‚religiösen Argument in der zwischenstaatlichen Kommunikation‘ wird dabei jede Art von rhetorischer Begründung verstanden, die – sei sie historiographisch, über rhetorische Texte oder epigraphisch überliefert – eine im weitesten Sinne sakrale Dimension beinhaltet und in der Diplomatie Anwendung findet. Inhaltlich können dies Frevelvorwürfe, Mahnungen an religiös-fundierte 45 Vgl. hierzu von philosophischer Seite, besonders in Bezug auf ‚theistische‘ Religionen instruktiv Audi (2000), 34 f. 46 So Pearson (1936), 33 (und später) und Schmidt (1990), 7 (und später), deren Analysen beide von diesem Begriff ausgehen. 47 Vgl. etwa die herodoteische Geschichte über den Gesandtenfrevel der Athener und Spartaner, der zumindest in Bezug auf die Spartaner nach Herodot noch zwei Generationen später von der Gottheit bestraft wird (Hdt. VII 137). Man denke auch an die Begründung Alexanders für seinen Feldzug gegen die Perser, die in der Zerstörung griechischer Heiligtümer 150 Jahre zuvor besteht (dazu Gehrke [1987], 144). Vgl. zu dem Nichtverjähren von religiösem Frevel bes. Parker (1983), 235–280. 48 Der Kern der vor Beginn des Peloponnesischen Krieges vorgebrachten Frevelargumente ist daher auch nicht mit Chaniotis (2009), 151 als ‚historisch‘ zu verstehen.
V.2. War der Eid ein religiöses Argument?
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zwischenstaatliche Normen oder schlichte ‚religiöse Appelle‘ sein.49 Es wird somit nicht nur der Begriff der ‚Religion‘, sondern auch derjenige des ‚Arguments‘ in einem weiten Sinne gefasst: Unter einem ‚Argument‘ wird eben nicht ein streng logischen Prinzipien verhaftetes Beweisinstrument verstanden, sondern ein Mittel der Überredung und Überzeugung.50 Ein solcher ‚rhetorischer‘ Argumentationsbegriff steht in einem grundsätzlichen Gegensatz zu einem ‚philosophisch-wissenschaftlichen‘, der primär auf sachliche Richtigkeit und Schlüssigkeit der Argumente abzielt. Er erlaubt es, auch bloße Aufrufe oder Appelle mit einzubeziehen, denen keine logisch stringente Beweiskraft innewohnte. Dies passt gut zu dem Charakter zwischenstaatlicher Verhandlungen in der Antike, die eben nicht einer absichtslosunschuldigen Suche nach dem objektiv besten Argument entsprangen, sondern interessengeleitet waren und der Legitimation einer Handlung dienten. Einem Argument konnten dabei aber durchaus mehrere Funktionen zukommen, auch wenn häufig ein Aspekt besonders stark akzentuiert wurde. Die eingangs erwähnten gegenseitigen Forderungen und Proteste zu Beginn des Peloponnesischen Krieges sind hierfür ein gutes Beispiel: Das Frevel-Argument ist durch seine Kombination aus historischen und religiösen Elementen in gewisser Weise polyvalent – und eine solche Polyvalenz könnte unter den spezifischen Bedingungen antiker Diplomatie einen entscheidenden Vorteil darstellen. Ausgangspunkt dieser Überlegung ist der Begriff der „komplexen Überzeugungsstrategie“51, den Angelos Chaniotis in einem instruktiven Aufsatz auf die griechische Diplomatie angewandt hat.52 Laut Chaniotis sind die spezifischen Bedingungen zwischenstaatlicher Verhältnisse bei den Griechen darin zu sehen, dass Diplomatie eben nicht wie moderne Verhandlungen „hinter verschlossenen Türen“53, sondern in der Öffentlichkeit der Volksversammlung stattgefunden habe.54 Die Volksversammlung sei in den meisten griechischen Gemeinwesen der klassischen und hellenistischen Zeit der Ort gewesen, an dem alle außenpolitischen Entscheidungen diskutiert und getroffen wurden.55 Da sich nun die Zusammensetzung der Volksversammlung äußerst heterogen gestaltete,56 sei eine ‚komplexe Überzeugungsstrategie‘ für je49 Bei letzteren handelt es sich selbstverständlich nicht immer um religiöse Argumente im eigentlichen Sinne: Allerdings kann auch ein schlichter Götteranruf durchaus einen argumentativen Charakter annehmen. 50 So auch Martin (2009), 5 („‚means of persuasion‘“), Chaniotis (2009), 156 spricht von einer „Überzeugungsstrategie“. 51 Chaniotis (2009), 159. 52 Vgl. Chaniotis (2009). 53 Chaniotis (2009), 156. 54 Dem vergleichbar ist der öffentliche Charakter des Gerichtswesens, s. dazu überzeugend Furley (1997), 64. 55 Zwar wurden Fragen der Außenpolitik auch im Rat, in Symposien oder auf dem Markt erörtert, auch hier ist der Charakter der Verhandlungen aber ein öffentlicher, wenn auch in unterschiedlich starkem Maße. Vgl. für diplomatische Verhandlungen, die dezidiert im Rat stattfanden, etwa die einleitenden Bemerkungen des Thukydides kurz vor Beginn des Melierdialoges (V 84,3). 56 Als Beispiel sei auf die Zusammensetzung der athenischen Volksversammlung verwiesen. Vgl. Hansen (1995), 128–130.
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V. Der Eid als Argument in der zwischenstaatlichen Kommunikation
den Redner unverzichtbar gewesen.57 Schließlich gehörten zur Volksversammlung „alle erwachsenen Männer, alt und jung, gebildet und ungebildet, reich und arm, intelligent und einfältig, bedächtig und impulsiv, Moralisten und Pragmatiker.“58 Diese Rahmenbedingungen griechischer Außenpolitik hatten auch Einfluss auf das diplomatische Personal. So war etwa der Typus des distinguierten und nüchternen Diplomaten wenig verbreitet. Stattdessen finden sich unter den Mitgliedern von Gesandtschaften Vertreter von Berufsgruppen, deren Auftreten auf den ersten Blick überraschen mag: Neben Philosophen, Rednern und Historikern sind dies sogar Schauspieler, Tänzer und Musiker.59 Natürlich waren – wie zu allen Zeiten – auch „führende Staatsmänner und pragmatische Politiker“60 unter den Gesandten vertreten. Die kulturspezifische Eigenheit griechischer Diplomatie zeigt sich aber gerade an den außergewöhnlichen Fällen.61 Dass unter diesen Umständen eine ‚komplexe‘ oder ‚vielfältige Überzeugungsstrategie‘ notwendig war, ist nicht zu bestreiten. Eine solche Überzeugungsstrategie umfasste nun aber neben den von Chaniotis ausführlich diskutierten historischen, rechtlichen, wirtschaftlichen und politischen Argumenten auch religiös-kultische Argumente als Begründungen sui generis.62 Eine spezielle Form eines solchen religiösen Arguments stellt der (Vertrags-)Eid dar. Schon ein rein kursorischer Blick in die griechische Historiographie macht deutlich, wie häufig mit Eiden argumentiert wurde. Allerdings gehört der Vertragseid seiner Natur nach nicht nur dem religiösen, sondern auch dem rechtlichen Feld an. Zugleich hat er, wenn auch in geringerem Maße, Anteil am ethisch-moralischen wie auch am politischen Feld. Der idealtypische Vertragseid ist somit polyvalent, was im Sinne einer ‚komplexen Überzeugungsstrategie‘ eine gute Voraussetzung für eine häufige Verwendung des Eides als Argument in zwischenstaatlichen Verhandlungen darstellen könnte. Es steht allerdings zu fragen, ob in den bezeugten Fällen gerade eine solche Polyvalenz des Eides betont oder ob nicht vielmehr eine eindeutige Identifizierbarkeit des Arguments angestrebt wurde, um es dann mit anderen Argumenten zu einer ‚komplexen Überzeugungsstrategie‘ zu verbinden. Mit anderen Worten: Welchen Charakter hatte der Vertragseid, wenn er als Argument in zwischenstaatlichen Verhand57
So auch Pelling (2000), 247: „Crowds do behave as crowds, and are not simply a composite of the disparate individuals who constitute them; but collective attitudes remain complex things, and resist reduction to a single ‚the audience think that…‘. If a playwright or orator was to be successful, he had to mix his ingredients in ways which would work with a range of audience responses and prejudices, and the ones whose works have survived were good at what they did.“ 58 Chaniotis (2009), 156. 59 Vgl. Kienast (1973), 533, Chaniotis (1988b) und (2009), 156. 60 Chaniotis (2009), 156. 61 Zur heuristischen Bedeutung des Extremfalls für den Historiker Flaig (²2004), 16, der hier auf Carl Schmitt beruht. Vgl. etwa Schmitt (1922), 21: „Die Ausnahme ist interessanter als der Normalfall. Das Normale beweist nichts, die Ausnahme beweist alles; sie bestätigt nicht nur die Regel, die Regel lebt überhaupt nur von der Ausnahme. In der Ausnahme durchbricht die Kraft des wirklichen Lebens die Kruste einer in der Wiederholung erstarrten Mechanik.“ 62 Vgl. Chaniotis (2009), 156, der allerdings en passant einen Hinweis darauf gibt, dass auch für ihn religiöse Argumente gelegentlich durchaus eine Rolle spielen konnten: „Orakel, moralische Lehren und historische Exempla gehörten zum festen Repertoire geschickter Redner.“
V.3. Der Eid als Argument an den besonders betonten Stellen einer Rede
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lungen vorgebracht wurde, und welche seiner Funktionen wurde jeweils besonders hervorgehoben? Bei der Beantwortung dieser Fragen kann sich der Verfasser dieser Arbeit kaum auf Vorarbeiten stützen, da eine Untersuchung zum Eid als Argument in der griechischen Diplomatie nicht vorliegt.63 Es wird im Folgenden zu einem nicht unerheblichen Teil auf Reden in der Historiographie zurückgegriffen. Dagegen könnte man einwenden, dass deren Authentizität ja mit Recht in Frage steht, da sie ein beliebtes narratives Mittel der antiken Historiographie darstellten. Es ist für die hier verfolgte Fragestellung aber letztlich irrelevant, ob genau die angegebenen Argumente vorgebracht wurden: Die Argumente werden präsentiert, wie die Parteien sie hätten vorbringen können oder sollen. Handelt es sich doch um Argumente, die auch den Lesern oder Zuhörern, den Adressaten, plausibel erscheinen mussten.64 Dies gilt im Besonderen für religiöse Argumente, die von Thukydides in den Reden seiner Protagonisten vorgebracht werden, da dieser nun wirklich nicht in dem Verdacht steht, religiös-kultischen Angelegenheiten eine zu große Wirkmächtigkeit zugeschrieben zu haben.65 Der Gefahr eines verzerrten Bildes wird zudem dadurch entgegengewirkt, dass die Analyse der historiographischen Quellen durch eine Gegenprobe anhand der rhetorischen Texte überprüft wird. V.3. DER EID ALS ARGUMENT AN DEN BESONDERS BETONTEN STELLEN EINER REDE Ein eindrucksvolles Beispiel dafür, auf welche Weise der Vertragseid zu einem Argument in zwischenstaatlichen Verhandlungen werden konnte, bieten die Reden, die nach Thukydides im Juli 432 in der spartanischen apella gehalten wurden und in denen die Frage nach Krieg oder Frieden mit den Athenern verhandelt wurden.66 Die Debatte beginnt mit einer Rede der Korinther, die eine ihnen zu bedächtige Athenpolitik der Spartaner beklagen. Diese stelle keine adäquate Reaktion auf 63 Am ausführlichsten sind noch die instruktiven Ausführungen von Hornblower (2007), der sich allerdings primär mit einer ingeniösen Beobachtung von West (2003) auseinandersetzt und daher keine systematische Untersuchung der erhaltenen Passagen vornimmt. Martin (2009), 221–235 analysiert einige Fälle, beschäftigt sich aber nicht dezidiert mit dem Eid als Argument, sondern allgemein mit ‚religiösen Argumenten‘, zudem ist sein Erkenntnisinteresse grundsätzlich eher auf den innenpolitischen Bereich gerichtet. 64 So auch Chaniotis (2009), 150. 65 So verzichtet Thukydides etwa auf das Konzept der göttlichen Vergeltung, vgl. Trampedach (2005), 148. Vgl. zur Religiosität des Thukydides zuletzt den ausgewogenen Beitrag von Furley (2006). Zur Bedeutung der Religion im Werk des Thukydides s. ferner Drachmann (1922), 28, Marinatos (1981), Jordan (1986), Hornblower (1992) und Rengakos (2011), 410 f. Zur Bedeutung von Reden bei Thukydides im Allgemeinen und zu seinem ‚Redensatz‘ (Thuk. I 22,1) im Speziellen Vössing (2005) und Scardino (2007), 399–416. 66 Vgl. Thuk. I 67–87. Zu der Debatte s. Gomme (²1950), 225–255, Hornblower (1992), 107– 132 und Debnar (2001), 31–76, zur Rede der Korinther auch Meier (2006), 158 f. und Stickler (2010), 259 f. Die hier angesprochenen Verhandlungen gehen den eingangs des Kapitels diskutierten voraus.
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die athenische Vielgeschäftigkeit (πολυπραγμοσύνη) dar.67 Gegen Ende der Rede heißt es dann: „Wir (sc. die Korinther) begingen dabei kein Unrecht, weder vor den Eidgöttern (πρὸς θεῶν τῶν ὁρκίων) noch vor den Menschen, die es bemerken; (…).“68 Die Eidgötter erscheinen als eine höhere Instanz, die das menschliche Verhalten überwacht. Noch deutlicher werden die Schwurgottheiten in der folgenden Rede der laut Thuk. I 72,1 zufällig69 anwesenden Athener apostrophiert, die mit den Worten endet: Brecht nicht die Verträge und verletzt nicht die Eide (τοὺς ὅρκους), beseitigt die Streitpunkte nach einem Schiedsverfahren gemäß unserer Abmachung. Andernfalls werden wir die Eidgötter als Zeugen anrufen (θεοὺς τοὺς ὁρκίους μάρτυρας ποιούμενοι) und versuchen, uns gegen die Kriegsanstifter so zur Wehr zu setzen, wie ihr das Beispiel gebt.70
Die Drohung, die Eidgottheiten als Zeugen anzurufen, hat eine doppelte Funktion: Indem sie den von den Athenern selbst vorgebrachten Vorschlag eines Schiedsverfahrens aufnimmt, lässt sie dieses zum einen als gleichsam gottgewollt erscheinen und birgt zum anderen eine noch weitergehende Warnung in sich: Die Rolle der Eidgottheiten wird assoziativ mit derjenigen einer in einem Schiedsverfahren schlichtenden Polis verglichen, deren Aufgabe es ist, bei Nichteinhaltung des Urteils oder in dem Falle, dass eine der beiden Seiten sich dem Schiedsgericht entzöge, aktiv gegen die Vertragsbrecher vorzugehen.71 In den Worten der athenischen Gesandten schwingt somit unterschwellig die Androhung einer aktiven Rolle der Götter in zukünftigen Auseinandersetzungen mit. Diese Rolle wird allerdings, das ist wichtig, nicht näher beschrieben. Auffällig ist, wie das zunächst rechtlich gedachte Argument des Eides durch die Berufung auf die Eidgötter religiös aufgeladen wird. Der spartanische ephoros Sthenelaidas schließlich sieht die Götter auf der Seite der Spartaner und schließt mit den Worten: „(…) unsere Bundesgenossen wollen wir nicht preisgeben, sondern mit den Göttern (ξὺν τοῖς θεοῖς) gegen die Rechtsbrecher (ἐπὶ τοὺς ἀδικοῦντας) vorgehen!“72 Mit diesem gemeinsamen Vorgehen meint Sthenelaidas eine aktive Unterstützung durch die Götter im Kriegsgeschehen. Es ist allerdings bezeichnend, dass er eben nicht ausführlich mit den Eidgöttern argumentiert und die göttliche Unterstützung nicht explizit ausmalt.73 Argumen67 Zur v. a. gegen Athen gerichteten korinthischen Außenpolitik im 5. Jahrhundert vgl. jetzt Stickler (2010). 68 Thuk. I 71,5. 69 Zur zufälligen Anwesenheit von Gesandtschaften vgl. neben Thuk. I 72,1: Thuk. II 67,2 (Gesandte der Athener bei Sitalkes); V 30,5 (Gesandte der Argeier in Korinth); V 50,5 (Gesandte der Spartaner in Korinth); VIII 86,8 (Gesandte der Argeier in Samos); Xen. Hell. VI 5,33. Eine genaue Untersuchung der Ursache für dieses in den Quellen häufig auftretende Motiv steht noch aus; vgl. bisweilen Gazzano (2006). Zu griechischen Gesandten s. Mosley (1973), Chaniotis (1988b) und Gazzano (2002). 70 Thuk. I 78,4. 71 Zu zwischenstaatlichen Schiedsverfahren der archaischen und klassischen Zeit vgl. Piccirilli (1973), zu den hellenistischen s. Ager (1996) und Magnetto (1997). 72 Thuk. I 86,5. 73 In einer Argumentation, die sich gegen Nichtgriechen richtete, konnten die Eidgötter dagegen
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tationslogisch scheinen bei Sthenelaidas der rechtliche und der religiöse Aspekt zusammengedacht. Allerdings liegt der Schwerpunkt seiner Rede zuvor eindeutig auf einer rechtlichen Argumentation, die dann durch den Schlusssatz eine religiöse Aufladung erhält. Alle drei Parteien appellieren somit jeweils am Ende ihrer Rede – zweimal mit dem letzten Satz – an die Eidgötter.74 Allein die moderate Rede des Spartanerkönigs Archidamos verzichtet auf einen solchen Schlussappell. Bezeichnenderweise kann er sich mit seinen Argumenten aber auch nicht durchsetzen. Von den vier Reden, die Thukydides wiedergibt, enden somit drei mit einem religiösen Argument: Man ist daher geneigt, die bereits zitierte Beobachtung Jon D. Mikalsons über die Priorität des Göttlichen – „the gods came first“75 – mit dem Zusatz zu versehen: ‚or last‘. In jedem Fall ist signifikant, dass der dezidierte Bezug auf das Religiöse häufig an besonders betonten oder wichtigen Stellen gesucht wurde. Die Beispiele dafür, dass Eide als das letzte Argument einer Rede angeführt wurden, sind Legion; die frühesten Belege finden sich bereits bei Homer, und die Dichte der Zeugnisse bricht bis in die hellenistische Zeit nicht ab.76 Ein instruktives Beispiel findet sich etwa noch in einer Rede, die der Aitoler Chlaineas im Jahre 211 in Sparta hielt.77 Das Ziel seiner Ausführungen bestand darin, die Spartaner als Bundesgenossen im Kampf gegen Philipp V. zu gewinnen. In der gesamten Rede finden sich zahlreiche religiöse Argumente zur Abwertung des Makedonenkönigs und seiner Vorgänger. So habe sich schon Antipater der Hierosylie schuldig gemacht,78 und habe Philipp selbst das aitolische Heiligtum in Thermos zerstört.79 Flankiert werden diese religiösen von rechtlichen Argumenten: Philipp sei ein unzuverlässiger Vertragspartner und zeichne sich durch eine grundsätzliche Treulosigkeit in Vertragsangelegenheiten aus (ἀθεσία καὶ παρασπόνδησις)80. Außerdem bestünden zwischen Aitolern und Spartanern ja schon seit einiger Zeit ganz unverblümt als symmachoi bezeichnet werden (Xen. Hell. III 4,11 und Xen. an. III 2,10), ein Motiv, das sich nie gegenüber anderen Griechen findet. Vgl. dazu ausführlich Kap. VI.3. 74 Es ist auffällig, dass hier in der zwischenstaatlichen Kommunikation erneut das Element der Steigerung eine Rolle spielt. Gemeint ist die jeweils gegen Ende der Reden auftretende Evozierung der Eidgottheiten, die klimatisch gesteigert ist. Die Klimax besteht dabei darin, dass die Rolle der Götter von Rede zu Rede immer aktiver wird. Die in der Rede der Korinther noch rein passiven theoi horkioi, deren Aufgabe es allein ist, Unrecht zu bemerken, nicht aber zu sanktionieren, werden bei den Athenern zu Zeugen und Richtern von Verträgen und schließlich zu den Göttern, mit denen der Spartaner Sthenelaidas zusammen „gegen die Rechtsbrecher“ (Thuk. I 86,5) vorgehen möchte. Bei der hier zu beobachtenden Steigerung handelt es sich wie bei den gegenseitigen Frevelvorwürfen zwischen Spartanern und Athenern um ein überbietendes Element in der zwischenstaatlichen Kommunikation. 75 Mikalson (1983), 13. 76 Vgl. Hom. Il. IV 271; VII 352; s. ferner Hdt. VI 86; Thuk. I 123,2; II 71,4; 73,3; III 59,2 (Teil des Schlussplädoyers); V 30,1; 30,3; VI 88,2; Xen. Hell. II 4,42; III 4,11; VI 5,37 und Pol. III 11,5 (Redner ist Hannibal). 77 Vgl. Pol. IX 28–31, dazu Walbank (1967), 162 f., 167–170. 78 Vgl. Pol. IX 29. 79 Vgl. Pol. IX 30. 80 Pol. IX 30. Dass dieser Vorwurf nicht völlig aus der Luft gegriffen war, zeigt Philipps Verhalten gegenüber Thasos im Jahre 201 (Pol. XV 24,1–3, dazu Ma [²2002], 170).
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Treueversicherungen (πίστεις).81 Chlaineas schließt mit einer emotionalen Mahnung an die Verträge (συνθήκας), als deren Kern er ausdrücklich „die Eide, die heiligsten Verpflichtungen, die es unter Menschen gibt“ (ὅρκους, τὰς μεγίστας πίστεις παρ᾽ ἀνθρώποις),82 ausmacht. Er nimmt damit elegant die kurz zuvor erwähnten πίστεις wieder auf. Wie bei der Rede des Sthenelaidas wird hier erneut die rhetorische Strategie deutlich, ein zunächst rechtlich gedachtes Argument mit den letzten Worten religiös aufzuladen. Im Fall des Chlaineas war diese Strategie auch erfolgreich. Zumindest überliefert Polybios eine durchaus positive Aufnahme der Rede durch das Publikum.83 Wenn nun die religiöse Funktion des Eidarguments häufig gerade am Ende einer Rede bewusst gesucht wurde, hat dies seinen Grund darin, dass dies eine besonders exponierte Stelle einer jeden Rede darstellte: Das letzte Argument bleibt haften! Den letzten Sätzen einer Rede kommt daher eine besondere Wirksamkeit zu, und diese Wirksamkeit lässt sich durch gezielt eingesetzte religiöse Appelle noch steigern:84 Religiöse Schlussappelle verlagern die vorgebrachten Argumente auf eine ‚höhere‘, die göttliche Ebene und bewirken damit rhetorisch eine Bedeutungssteigerung der verhandelten Angelegenheit. Das ruft Emotionen hervor. Solches emotionale Kapital ist nun gerade dann besonders wirksam einzusetzen, wenn die Herbeiführung einer Entscheidung so auf (archaische) Affekte setzte wie die Abstimmung in der spartanischen apella, die nach der Lautstärke erfolgte.85 Da die Spartaner außerdem als besonders fromm galten,86 kann es zunächst nicht verwundern, dass gerade Redner in der apella bevorzugt auf dieses Mittel zurückgriffen: Der kulturelle Kontext bedingt die Wirksamkeit der Argumente. Allerdings konnte auch in Sparta der gewohnheitsmäßige Verweis auf die sakrale Sphäre allein nicht genügen, wenn das zentrale Argument nicht verfing, wie eine bei Xenophon überlieferte Rede des Spartaners Prothoos verdeutlicht.87 Dieser argumentiert kurz nach dem gegen Theben gerichteten, spartanisch-athenischen Frieden von 371, man solle das in Phokis stehende Heer des Kleombrotos „gemäß den geschworenen Eiden“ (κατὰ τοὺς ὅρκους) auflösen, und schlägt zudem ein Verfahren zur Bestrafung von Staaten vor, die sich gegen die Autonomie anderer 81 82 83
Vgl. Pol. IX 31. Pol. IX 31. Pol. IX 31: ὁ μὲν οὖν Χλαινέας τοιαῦτα διαλεχθεὶς καὶ δόξας δυσαντιρρήτως εἰρηκέναι κατέπαυσε τὸν λόγον. – „Mit diesen Worten beschloss Chlaineas seine Rede, deren Argumentation den Zuhörern unwiderleglich schien.“ 84 Allerdings geht das nicht soweit, dass sich die griechische polytheistische Religion je für einen ‚Heiligen Krieg‘ instrumentalisieren ließ. Man konnte „mit den Göttern gegen die Rechtsbrecher vorgehen“ (Thuk. I 86,5) und versicherte sich damit rhetorisch der göttlichen Unterstützung; man kämpfte aber nicht gegen ‚Ungläubige‘ oder für die Durchsetzung der eigenen Religion. Zu einer Typologie des ‚Heiligen Krieges‘ aus der Sicht eines Althistorikers vgl. Flaig (2007). 85 Vgl. Thuk. I 87,2 mit Flaig (1993). Furley (1997), 64 weist auf die Bedeutung des Lärms (thoribos) als Mittel der Beifalls- und Unmutsbekundung auch in attischen Gerichten und Theatern hin. 86 Zu den Spartanern als den frommsten Hellenen vgl. etwa Paus. III 5,4. Vgl. dazu jetzt auch Richer (2012). 87 Vgl. Xen. Hell. VI 4,2 f.
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Poleis vergangen hätten,88 ein Verfahren, „bei dem (…) am sichersten das Wohlwollen der Götter“ (τούς τε θεοὺς εὐμενεστάτους)89 garantiert werden könne. Der Vorschlag, ein stehendes Heer aufzulösen, dürfte in Sparta grundsätzlich nicht allzu populär gewesen sein;90 dies zudem mit einem passiven und abwartenden Verhalten gegenüber den aufstrebenden Thebanern zu verbinden, war mit Sicherheit nicht mehrheitsfähig. So notiert Xenophon zu der Reaktion der Versammlung auf die Rede des Prothoos denn auch nur knapp: Sie „hielt (…) die ganze Darlegung für nichts als Unsinn.“91 Aber selbst dieses so eindeutige und gegenüber dem Eidargument ablehnende Urteil hatte nach Xenophon noch einen religiösen Aspekt, der in der Einschätzung der Situation durch die Spartaner bestand, die glaubten, das Wohlwollen der Götter nicht mehr sichern zu müssen, da diese sich ja bereits entschieden hätten.92 Der Eid als Argument konnte nun durchaus auch zu Beginn einer Rede als erstes Argument – ganz im Sinne der „Priorität des Göttlichen“ – verwendet werden. Zahlreiche Beispiele hierfür finden sich in der Anabasis Xenophons. Dort beginnt etwa der Spartaner Klearchos eine an Tissaphernes gerichtete Rede mit einem Verweis auf die gegenseitig geleisteten Eide.93 Und auch im weiteren Verlauf der Rede räumt er dem Eidargument eine klare Priorität ein. So stellen die Eide für ihn „das erste und wichtigste“ Argument dar, um zu begründen, warum Tissaphernes den Griechen zu Unrecht misstraue.94 Auch Xenophon selbst beginnt eine Rede mit den Worten: Ich sagte vorhin, wir hätten viele schöne Aussichten auf Rettung. Erstens halten wir an den Eiden, die wir vor den Göttern geschlossen haben, fest; die Feinde aber sind meineidig und haben den Vertrag trotz ihrem Eide gebrochen.95
Die geballte Häufung, mit der der Eid in der Anabasis als erstes Argument einer Rede auftritt,96 hat nun sicher damit zu tun, dass Eid und Eidbruch ein Leitmotiv 88 Der Vorschlag richtet sich dezidiert gegen die Thebaner. 89 Xen. Hell. VI 4,2. 90 Zur überragenden Bedeutung des Krieges für die spartanische Gesellschaft s. etwa Cartledge (2003) und van Wees (2006); vgl. allerdings auch die durchaus berechtigte Warnung von Hodkinson (2006), bes. 147, Sparta dennoch nicht allein auf den Aspekt einer „military society“ zu reduzieren. 91 Xen. Hell. VI 4,3: ἡ δὲ ἐκκλησία ἀκούσασα ταῦτα ἐκεῖνον μὲν φλυαρεῖν ἡγήσατο. 92 In diese Richtung weisen Xenophons Worte, der fortfährt: ἤδη γὰρ, ὡς ἔοικε, τὸ δαιμόνιον ἦγεν. – „Schon nämlich hatte, wie es scheint, die göttliche Macht die Führung übernommen.“ 93 Vgl. Xen. an. II 5,3. 94 Xen. an. II 5,7: πρῶτον μὲν γὰρ καὶ μέγιστον οἱ θεῶν ἡμᾶς ὅρκοι κωλύουσι πολεμίους εἶναι ἀλλήλοις. – „Das erste und wichtigste: die bei den Göttern geschworenen Eide hindern uns, einander feind zu sein.“ 95 Xen. an. III 2,10: ἐτύγχανον λέγων ὅτι πολλαὶ καὶ καλαὶ ἐλπίδες ἡμῖν εἶεν σωτηρίας. πρῶτον μὲν γὰρ ἡμεῖς μὲν ἐμπεδοῦμεν τοῦς τῶν θεῶν ὅρκους, οἱ δὲ πολέμιοι ἐπιωρκήκασί τε καὶ τὰς σπονδὰς παρὰ τοὺς ὅρκους λελύκασιν. Vgl. zu dieser Passage auch Martin (2009), 222 f. 96 Weitere Beispiele neben den bereits genannten sind Xen. an. II 5,38 (Rede des Ariaios), II 5,39 (Kleanor), II 5,41 (Xenophon), III 2,4 (Kleanor) und III 2,8 (Xenophon). Vgl. Martin (2009), 228.
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gerade des zweiten und dritten Buches dieser Schrift darstellen.97 Wenn das Verhältnis zu Nichtgriechen betroffen war, ließ sich das Argument des Eidbruchs der Gegenseite zudem in besonders effektiver Form als Inklusions- und Exklusionsinstrument einsetzen. Dennoch wird deutlich, dass der Eid als Argument bevorzugt gerade zu Beginn einer Rede angeführt wurde. Genau wie in den Fällen, in denen er als Schlussappell vorgebracht wurde, stand die religiöse Komponente eines Eides auch dann im Vordergrund, wenn er als erstes Argument aufgefahren wurde. Es ist daher zu konstatieren, dass der Eid gerade an den besonders betonten Stellen einer Rede, nämlich am Anfang und am Ende, als ein primär religiöses Argument fungierte. Der Befund ist schlagend und zieht die Frage nach sich, ob der Eid immer primär als ein religiöses Argument verwendet wurde und eben nicht auch als ein in erster Linie rechtliches Argument vorgebracht werden konnte, ob also die idealtypische Polyvalenz des Eides, von der schon die Rede war, für die zwischenstaatliche Kommunikation überhaupt von Bedeutung war. Dafür sprechen zunächst zwei Beobachtungen: Erstens hat die Analyse der bisher diskutierten Beispiele ergeben, dass es zwar die religiöse Komponente des Eides war, die am Anfang und am Ende einer Rede besonders hervorgehoben wurde, dass es aber bei den Fällen, in denen der Eid als religiöser Schlussappell fungierte, eben auch regelmäßig zu beobachten war, dass der Vertragseid zunächst als ein rechtliches Argument angelegt war, das erst am Ende einer Rede zu einem primär religiösen umgedeutet wurde. Der rechtliche Aspekt ist also in vielen der bisher untersuchten Beispiele durchaus vorhanden und scheint – so lässt sich vermuten – nur an anderen Stellen einer Rede Verwendung gefunden zu haben. Zweitens lassen sich in den Quellen zahlreiche Belege dafür finden, dass der Eid als ein primär rechtlich-moralisches Argument angeführt wurde, das keinen Bezug zu einer religiösen Ebene aufwies. Wenn hier wiederholt von ‚Recht‘ die Rede ist, so in dem vollen Bewusstsein, dass griechisches Recht, zumal griechisches ‚Völkerrecht‘, nicht als ein festes Corpus schriftlich fixierter und einklagbarer Regelungen zu verstehen ist, sondern als ein Konglomerat mündlich und gewohnheitsmäßig tradierter, in diesem Fall zwischenstaatlich relevanter Normen, auf die in den Quellen immer wieder als νόμιμα τῶν Ἑλλήνων Bezug genommen wird.98 Trotz der bisher vermehrt in den Blick genommenen religiösen Dimension des Eidarguments lässt sich im zwischenstaatlichen Diskurs also durchaus auch eine rechtliche fassen.
97 Vgl. dazu ausführlich Kap. VI.3. 98 Vgl. etwa Thuk. IV 97. für weitere Belege s. Ducrey (²1999), 294, Anm. 1; vgl. auch Trampedach (2005), 143, 148 f. und Funke (2007b), 30. Die Anwendbarkeit des Terminus ‚Völkerrecht‘ auf die griechischen Verhältnisse ist umstritten; Verwendung findet er bei Bederman (2001), Low (2007) und Barta (2010), bes. 442–510.
V.4. Eidargumente in verschiedenen Gattungsdiskursen
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V.4. EIDARGUMENTE IN VERSCHIEDENEN GATTUNGSDISKURSEN V.4.1. Unterschiedliche Spielarten von Eidargumenten in den Reden der Historiographie Im Folgenden soll nun versucht werden, das Verhältnis der beiden genannten Dimensionen des Eides noch näher zu bestimmen, um damit auch die Frage nach der Polyvalenz des Eidarguments besser in den Griff bekommen zu können. Dazu bedarf es zunächst eines präzisen Rasters, durch das sich ein Eidargument als primär religiös oder rechtlich oder eben dezidiert polyvalent ausweisen lässt. Für die Erstellung eines solchen Rasters wird ein mehrstufiges typologisierendes Verfahren angewandt, das zunächst jeweils ähnlich anmutende Spielarten des Eidarguments herausgreift, um aus diesen einzelne Argumenttypen zu deduzieren (Schritt I). Dabei wird gerade solchen Quellenpassagen verstärkt Beachtung geschenkt, bei denen einzelne Aspekte des Eides besonders stark hervorgehoben werden – steht es doch zu vermuten, dass gerade diese sich als eindeutig zuordbar erweisen. Ein solcher Effekt dürfte auch bei den im Anschluss zu untersuchenden Beispielen eintreten, in denen das Eidargument ausdrücklich mit anderen Argumenten verbunden wird (Schritt II). Bei diesen Fällen gilt es darauf zu achten, ob die zusätzlich verwendeten Argumente eher eine komplementäre oder eine verstärkende Funktion einnehmen. V.4.1.1. Das Konzept der göttlichen Vergeltung (Typ I) Zunächst sind solche Spielarten des Eidarguments in den Blick zu nehmen, denen ein eindeutig religiöser Charakter zukommt. Den ersten Typus stellen dabei Argumente dar, bei denen der Redner in aller Ausführlichkeit das Konzept der göttlichen Vergeltung, das hinter dem Vertragseid steht, ausbreitet.99 In solchen – insgesamt eher seltenen Fällen – war der religiös-moralische Druck, der durch das Argument aufgebaut werden sollte, besonders groß. Das klassische Beispiel findet sich in einer Rede, die Herodot zufolge der Spartanerkönig Leotychidas in Athen gehalten haben soll. Die Rede besteht nur aus einer einzigen Parabel, mit der Leotychidas die Herausgabe von aiginetischen Geiseln der Athener bewirken wollte. Er hatte die Geiseln den Athenern einst anvertraut und macht diesen nun, da sie sich mit fadenscheinigen Argumenten der Herausgabe entziehen wollen,100 deutlich, wie es einmal einem Spartaner ergangen sei, der ein ihm anvertrautes Gut (παρα[κατα]θήκη) nicht herausgeben wollte. Jener Spartaner, Glaukos, habe gar das delphische Orakel befragt, ob er die ihm anvertraute Geldsumme durch einen Meineid an sich bringen solle. Die Antwort des Orakels fiel äußerst schroff aus und beinhaltete das berühmte, in dieser Arbeit schon zitierte Wort über den ‚Sohn des Eides‘, der keinen Namen und keine Füße habe, sich durch besondere Schnelligkeit auszeichne und ganze Geschlechter dahinraffe. Und genau 99 Vgl. Hdt. VI 86 (Rede des Spartanerkönigs Leotychides in Athen); Xen. an. II 5,7. 100 Die Athener verweisen nach Hdt. VI 86,1 darauf, dass die Geiseln ihnen von zwei Königen (Leotychidas und Kleomenes [Hdt. VI 73]) übergeben worden seien und sie sie daher nicht nur einem König zurückgeben könnten. Herodot hält das für „Ausflüchte“ (προφάσιας).
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das sei nach Leotychidas auch mit Glaukos und seinen Nachkommen geschehen, weshalb die Moral von der Geschicht‘ nur lauten könne: „Darum sollte jeder, von dem ein anvertrautes Pfand zurückgefordert wird, nur dem einen Gedanken Raum geben: es zurückzuerstatten.“101 Das Eidargument wird hier in der Form eines moralischen Lehrstücks mit Gleichnischarakter vorgebracht. Dabei wird das Konzept der göttlichen Vergeltung derart explizit ausgemalt, dass man von einem antiken Schauermärchen sprechen kann.102 Aufgrund dieser Bildlichkeit des delphischen Orakelspruchs ist die Episode ein echter locus classicus der altertumswissenschaftlichen Eidforschung.103 Allerdings wird die Passage fast immer allein auf das Konzept der göttlichen Vergeltung reduziert. Eine positive Ausnahme stellt in dieser Hinsicht ein Aufsatz von Simon Hornblower dar, der den narrativen Kontext der Passage in den Blick nimmt.104 Dadurch gelingt es ihm nicht nur, den Umgang mit anvertrautem Gut (παραθήκη)105 als Leitmotiv der Passage herauszuarbeiten, sondern auch überzeugend den problematischen Charakter der Rede des Leotychidas und des von ihm verwendeten Hauptarguments zu verdeutlichen. Die Selbstbeschränkung des Leotychidas auf das Argument der Glaukos-Parabel ist tatsächlich verwunderlich. Hornblower arbeitet diesbezüglich folgende Punkte heraus: Erstens besitzt Leotychidas, was seine eigene Vita angeht, nicht gerade die beste Reputation in religiösen Angelegenheiten. So berichtet Herodot kurz zuvor davon, dass Leotychidas die Pythia bestochen habe.106 Zweitens krankt die Überzeugungskraft seines Arguments daran, dass gar keine echte Analogie zwischen dem Glaukos anvertrauten Geld und den aiginetischen Geiseln der Athener besteht, da – wie Hornblower mit Recht betont – nicht von einem Eid der Athener, die Geiseln zurückzugeben, ausgegangen werden kann.107 Die Geiselstellung stellte eine alternative oder zusätzliche Schutzmaßnahme einer Übereinkunft dar, davon, dass sie selbst regelmäßig durch Eide abgesichert worden wäre, ist in den Quellen nirgends zu hören.108 Die suggerierte 101 Hdt. VI 86δ,1: οὕτω ἀγαθὸν μηδὲ διανοέεσθαι περὶ παρακαταθήκης ἄλλο γε ἢ ἀπαιτεόντων ἀποδιδόναι. 102 Vgl. Kap. III.2. 103 Die Passage wird zitiert oder rezipiert bei Hirzel (1902), 140, Anm. 3, 144 m. Anm. 2, Plescia (1970), 84, 86, Geelhaar – Scheibelreiter (2004), 35–37, Carawan (2007), 80, Hornblower (2007), 139–141, Scheibelreiter (2008b) und Bayliss (2009), 232 f.; vgl. ferner Johnson (2001), 20–24. West (2003) nimmt den Orakelspruch sogar in den Titel ihres Aufsatzes. Wichtig sind Latte (1968), 368, 370, der implizit auf die Umdeutung des Motivs in späteren Versionen hinweist (vgl. Kap. III.2.) und Burkert (2009), 54, Anm. 32, der betont, dass sich der deftige Orakelspruch gar nur auf versuchten Meineid bezieht. 104 Vgl. Hornblower (2007), 139–141, der z. T. auf Johnson (2001), 20–24 beruht; eine gewisse Kontextualisierung der Passage auch bei Bayliss (2009), 232 f. 105 Über die textkritische Diskussion, ob in Hdt. VI 86 παραθήκη (wie in VI 73) oder παρακαταθήκη zu lesen ist, vgl. Scott (2005), 313, Hornblower (2007), 250, Anm. 5a. 106 Vgl. Hdt. VI 66. Hornblower (2007), 139 beruht in diesem Punkt auf Johnson (2001), 21, der konstatiert: „(Leotychides’ words) come strangely from a man who was made king thanks to corruption of a Pythia“, vgl. auch How – Welles (1912), Immerwahr (1966). 107 Vgl. Hornblower (2007), 140. 108 Vgl. bes. Lonis (1977). S. ferner die Amit (1970), Panagopoulos (1978), Roos (1990) und Bederman (2001), 173.
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Parallele stellt somit nach Hornblower nichts anderes als einen ‚Taschenspielertrick‘ („a sleight of hand“109) dar. Drittens macht Herodot sehr deutlich, dass Leotychidas mit seinem Argument bei den Athenern nicht durchzudringen vermochte: „So sprach Leotychides. Die Athener weigerten sich auch jetzt noch, und er kehrte heim.“110 Hornblower folgert: „So it was not enough to say the ‘O’ word to get your opponent to back off.“111 Was die Wirkung des Arguments betrifft, liegt Hornblower hier sicher vollkommen richtig. Gleichwohl steht zu fragen, wieso Leotychidas es überhaupt für möglich halten konnte, mit seiner Argumentation durchzudringen. Die Voraussetzungen dafür waren schließlich aus den genannten Gründen nicht besonders günstig. Denkbar sind drei Erklärungsmöglichkeiten: Erstens könnte Leotychidas darauf gesetzt haben, dass religiöse Argumente in der spartanischen Diplomatie generell eine besondere Bedeutung hatten. Zweitens könnte die Rede primär dem Mittel der herodoteischen Personencharakterisierung gedient oder es sich drittens schlicht um eine ungeschickt gewählte Überzeugungsstrategie des Redners gehandelt haben. Hornblower scheint die letzte Variante zu bevorzugen.112 Es ist allerdings nicht zu übersehen, dass in allen bisher in diesem Kapitel analysierten Fällen zwischenstaatlicher Verhandlungen, bei denen religiöse Argumente eine besonders wichtige Rolle spielten, Spartaner beteiligt waren, sei es als Redner oder als Auditorium.113 Offensichtlich gab es in Sparta eine besondere Affinität zu der Verwendung religiöser Argumente. Ob solche Argumente bei einem spartanischen Publikum auch besonders gut verfingen oder ob ihre Verwendung eher eine bloße Routine darstellte,114 ist allerdings schwer zu entscheiden. Es finden sich sowohl Beispiele, bei denen das Argument erfolgreich war, als auch solche, bei denen es nicht verfing.115 In vielen Fällen lässt sich zudem beobachten, dass sich in einer Debatte mehrere Redner eines religiösen Arguments bedienten. Eine gewisse Wirkmächtigkeit muss man religiösen Argumenten in Sparta daher zugeschrieben haben, sonst ließe sich bei Verhandlungen mit spartanischer Beteiligung oder vor einer spartanischen Zuhörerschaft nicht eine solch signifikante und über einen langen Zeitraum anhaltende Häufigkeit der Verwendung des Arguments beobachten. Allein die in diesem Kapitel eher unsystematisch angeführten Beispiele reichen von 109 Hornblower (2007), 140 unter Verweis auf Macan (1895a), 343 und (1895b), 118. 110 Hdt. VI 87,1: Λευτυχίδης μὲν εἴπας ταῦτα, ὥς οἱ οὐδὲ οὕτω ἐσήκουον οἱ Ἀθηναῖοι, ἀπαλλάσσετο. 111 Hornblower (2007), 140. 112 Vgl. Hornblower (2007), 140 f. 113 Vgl. neben Hdt. VI 86 (spartanischer Redner) Thuk. I 126–139 (mehrere spartanische Redner), Thuk. I 67–87, bes. 71,5; 78,4; 86,5 (spartanisches Auditorium, z. T. spartanische Redner), Xen. Hell. IV 7,1–7 (spartanischer Verhandlungsführer), Xen. Hell. VI 4,2 f. (spartanischer Redner), Pol. IX 29–31 (spartanisches Publikum). Man könnte diese Liste beliebig erweitern – hier sind zunächst nur die bereits ausgiebiger diskutierten Beispiele angeführt. 114 Chaniotis (2009), 159–162 spricht in einem solchen Sinne historischen Argumenten einen ‚Ritualcharakter‘ zu. 115 Für ein erfolgloses Argumentieren mit Eiden in Sparta vgl. etwa die Rede des Prothoos, der allerdings auch gegen den spartanischen common sense argumentierte (Xen. Hell. VI 4,2 f.). Erfolgreich war das Argument bei Pol. IX 29–31 (Rede des Aitolers Chlaineas).
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V. Der Eid als Argument in der zwischenstaatlichen Kommunikation
der Zeit der Perserkriege116 bis ins ausgehende dritte Jahrhundert117 und finden sich sowohl bei Herodot und Thukydides als auch bei Xenophon und Polybios. Ein ursprünglicher Zusammenhang zwischen der Verwendung religiöser Argumente an den besonders betonten Stellen einer Rede und dem spartanischen Verfahren der Abstimmung nach der Lautstärke, bei dem der Intensität der Willensäußerung eine große Bedeutung zukam, dürfte nicht von der Hand zu weisen sein. Religiöse Argumente im Allgemeinen und die religiöse Dimension des Eidarguments im Besonderen spielten mithin in Sparta eine wichtige Rolle. Die besondere Bedeutung von Religion und Eid für die spartanische Gesellschaft ist auch von anderen Forschern herausgestellt worden. So urteilt etwa Stephanie West: „(…) the Spartans really took a graver view of perjury than other Greeks.“118 Es ist daher kein Zufall, sondern wohl kalkuliert, wenn die Athener im Winter 419/ 18 gerade unter die Stele des Nikiasfriedens, die einen Friedensvertrag mit den Spartanern trug, den Zusatz eingravieren ließen: „Nicht gehalten haben sich die Lakedaimonier an ihre Eide.“119 Dies war im Rahmen griechischer Diplomatie ein „highly unusual step“120, der nur dann Sinn machte, wenn man auf athenischer Seite davon ausgehen konnte, dass sich die Spartaner durch einen solchen Zusatz in besonderem Maße getroffen fühlten. Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass Thukydides explizit hervorhebt, dass die Athener zu diesem Schritt vom ‚Sparta-Kenner‘ Alkibiades gedrängt worden seien.121 Alkibiades dürfte mit seinem Rat so falsch nicht gelegen haben. Dies legt auch eine weitere Thukydides-Passage nahe, in der es heißt, dass die Spartaner ihren militärischen Misserfolg während des Archidamischen Krieges als eine göttliche Strafe interpretierten, die sie mit Recht befallen habe, da sie gegen die Bestimmungen des 30jährigen Friedens verstoßen hätten.122 Trotz der Mahnungen Hornblowers, ‚die Spartaner‘ nicht als einen erratischen Block zu betrachten und sowohl verschiedene Haltungen innerhalb der lakedaimonischen Führungsschicht in Erwägung zu ziehen als auch die Kontingenz 116 Hdt. VI 86. 117 Pol. IX 29–31. 118 West (2003), 446 So auch Bayliss (2009), 233: „Oaths were perhaps an even more central part of Spartan society than they were at other Greek poleis.“ 119 Thuk. V 56,3: Ἀθηναῖοι δὲ Ἀλκιβιάδου πείσαντος τῇ μὲν Λακωνικῇ στήλῃ ὑπέγραψαν ὅτι οὐκ ἐνέμειναν οἱ Λακεδαιμόνιοι τοῖς ὅρκοις, (…). 120 Bolmarcich (2007a), 37 und ausführlicher (2007b), 481 f. 121 Vgl. zu Alkibiades zuletzt Mann (2007), 199–229, Heftner (2011) und Rhodes (2011). 122 Bei der Textstelle handelt es sich um Thuk. VII 18,2: ἐν γὰρ τῷ προτέρῳ πολέμῳ σφέτερον τὸ παρανόμημα μᾶλλον γενέσθαι, ὅτι τε ἐς Πλάταιαν ἦλθον Θηβαῖοι ἐν σπονδαῖς, καὶ εἰρημένον ἐν ταῖς πρότερον ξυνθήκαις ὅπλα μὴ ἐπιφέρειν, ἢν δίκας ἐθέλωσι διδόναι, αὐτοὶ οὐχ ὑπήκουον ἐς δίκας προκαλουμένων τῶν Ἀθηναίων. Καὶ διὰ τοῦτο εἰκότως δυστυχεῖν τε ἐνόμιζον, καὶ ἐνεθυμοῦντο τήν τε περὶ Πύλον ξυμφορὰν καὶ εἴ τις ἄλλη αὐτοῖς ἐγένετο. – „Im vorher gegangenen Krieg sei die Schuld mehr auf ihrer Seite gewesen, weil die Thebaner in Friedenszeiten gegen Plataiai gezogen waren und weil trotz der Bestimmung in dem damals gültigen Vertrag, nicht mit Waffengewalt vorzugehen, wenn der andere zu einem Schiedsverfahren bereit sei, sie selbst nichts davon hören wollten, obwohl die Athener zu einem Schiedsverfahren aufforderten. Deshalb glaubten sie sich mit Recht von Unglück verfolgt und nahmen sich das Missgeschick von Pylos, und falls ihnen sonst noch etwas widerfahren war, zu Herzen.“
V.4. Eidargumente in verschiedenen Gattungsdiskursen
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von Positionen und Kontexten zu berücksichtigen,123 belegt Thuk. VII 18,2 eine besondere Religiosität der Spartaner, die in der Forschung auch die communis opinio darstellt.124 Es ist daher als eine bewusste und absichtlich gebrauchte Wortwahl zu interpretieren, wenn die Athener bei ihrem Zusatz unter den Nikiasfrieden von ‚Eiden‘ (ὅρκοι) und nicht von ‚Verträgen‘ (etwa συνθήκαι oder dergleichen) sprechen, die die Spartaner gebrochen hätten. Damit betonen sie ausdrücklich die religiöse Dimension des Vertrags, und es dürfte eher eine Untertreibung darstellen, wenn Hornblower kommentiert: „We can be sure that some Spartans felt uncomfortable about this.“125 Dieselbe Stoßrichtung haben Erzählungen über spartanische Eidbetrüger und Vertragsbrecher, die Andrew Bayliss unter dem Begriff des „‚Laconic Swearing‘“ zusammengefasst und untersucht hat.126 Das literarische Motiv des untreuen Spartaners steht dabei auf den ersten Blick in krassem Gegensatz zu der den Spartanern von den Quellen ja ebenfalls pauschal zugeschriebenen „ultra-religiosity“127. Genau in dieser Religiosität liegt aber der Grund für das häufige Auftreten des Motivs. Ob sie tatsächlich besonders religiös waren oder nicht, in jedem Fall wollten die Spartaner sich nach außen hin so geben. Die Geschichten vom spartanischen Eidbetrüger dürften, wie auch Alfred S. Bradford vermutet,128 genau an dieser spartanischen Außendarstellung ansetzen und wie bei dem Zusatz auf der Stele des Nikiasfriedens versuchen, die Spartaner dort zu treffen, wo sie besonders verwundbar waren: in ihrer Selbstdarstellung als religiöse Saubermänner. Das Motiv des untreuen Spartaners dürfte daher auf athenische Quellen zurückgehen.129 Es stellt mithin eher einen Beleg für eine besondere Bedeutung religiöser Argumente in Sparta dar als für dessen Gegenteil. Religiöse Argumente spielten in Sparta und für die Spartaner eine größere Rolle, als dies in anderen griechischen Poleis der Fall war. Der entscheidende Grund für die Wahl der Überzeugungsstrategie des Leotychidas, auf eher sachliche Argumente zu verzichten und stattdessen ein Gleichnis mit einer religiös-moralischen 123 Vgl. Hornblower (2007), 140: „First, ‚the Spartans‘ is a simplification: it made a difference which Spartans you were dealing with, (…). There were tensions within the Spartan elite, and religion might be a weapon here too (…). Second, attitudes might shift over time in changed circumstances; (…).“ 124 Vgl. etwa Hodkinson (1983), 273: „extreme superstitiousness or religiosity“, Parker (1989), 162: „The gods were at the top of a chain of command that ran through Spartan society. Their traditional rules, about festivals and sanctuary and the like, were to be obeyed without question.“ Munson (1993), 42: „utterly conditioned by the divine“, Harvey (2004), 206: „a society in which religion and fear played such a powerful role [that] few of them would have dared incur divine wrath“; mit einer etwas anderen Stoßrichtung auch Trampedach (2005), 150, der von einer „Maske religiöser Heuchelei“ spricht. 125 Hornblower (2007), 139 (Hervorhebung v. Verf.). 126 Bayliss (2009), 231. Beispiele sind etwa Hdt. VI 76–82, Plut. mor. 223a-b (Kleomenes); Xen. Hell. III 1,8 (Derkylidas); Xen. an. II 1,21 (Klearchos); Plut. mor. 209b (Agesilaos); Diod. X 9,1 (Lysander); Plut. mor. 229b (Lysander). 127 Bayliss (2009), 232. 128 Vgl. Bradford (1994). 129 Vgl. Bradford (1994), 78: „through the work of fifth century Athenian writers“.
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V. Der Eid als Argument in der zwischenstaatlichen Kommunikation
Botschaft vorzubringen,130 ist also darin zu sehen, dass dies schlicht die Art von Argument repräsentierte, mit der Leotychidas vertraut war, da sie den spartanischen Diskurs in besonderer Weise bestimmte.131 Ob dieses Argument in der konkreten historischen Situation noch eine spezifische politische Stoßrichtung entfaltete – wie der anti-periklëische Frevelvorwurf zu Beginn des Peloponnesischen Krieges –, lässt sich kaum noch entscheiden, da sich der exakte außenpolitische Kontext der Gesandtschaft des Leotychidas aus den herodoteischen Angaben nicht mehr rekonstruieren lässt.132 Ein weiteres Beispiel für den Typus des Eidarguments, bei dem das Konzept der göttlichen Vergeltung ausgebreitet wird, findet sich in Xenophons Anabasis. Dort heißt es: πρῶτον μὲν γὰρ καὶ μέγιστον οἱ θεῶν ἡμᾶς ὅρκοι κωλύουσι πολεμίους εἶναι ἀλλήλοις· ὅστις δὲ τούτων σύνοιδεν αὑτῷ παρημεληκώς, τοῦτον ἐγὼ οὔποτ’ ἂν εὐδαιμονίσαιμι. τὸν γὰρ θεῶν πόλεμον οὐκ οἶδα οὔτ’ ἀπὸ ποίου ἂν τάχους οὔτε ὅποι ἄν τις φεύγων ἀποφύγοι οὔτ’ εἰς ποῖον ἂν σκότος ἀποδραίη οὔθ’ ὅπως ἂν εἰς ἐχυρὸν χωρίον ἀποσταίη. πάντῃ γὰρ πάντα τοῖς θεοῖς ὕποχα καὶ πάντων ἴσον οἱ θεοὶ κρατοῦσι. Das Erste und Wichtigste: die bei den Göttern geschworenen Eide hindern uns, einander feind zu sein. Wer sich ihrer Missachtung bewusst ist, den könnte ich nie glücklich schätzen. Denn wer der Götter Rache entfliehen wollte, ich wüsste nicht, mit welcher Geschwindigkeit oder in welche Richtung er enteilen könnte, noch in welche Finsternis er entwiche oder wie er sich in einer Feste bergen wollte. Denn überall ist alles den Göttern untertan und sie herrschen über alles in gleicher Weise.133
Es kann nicht verwundern, dass es mit Klearchos erneut ein Spartaner ist, der dieses Argument vorbringt. Zwar wird das Konzept der göttlichen Vergeltung, die dem Eidbrüchigen droht, hier nicht wie bei Herodot in Form einer längeren Erzählung mit Gleichnischarakter aufgefahren und mit einem delphischen Orakelspruch garniert, dafür sind die einzelnen Elemente des Arguments sehr ähnlich: Wie bei Herodot werden die Schnelligkeit und der allumfassende Charakter der strafenden Gottheit betont. So finden sich im letzten Satz der Passage allein drei Worte, die sich direkt vom Stamm πᾶς herleiten (πάντῃ, πάντα, πάντων).134 In Verbindung mit der doppelten Nennung der θεοί, die jeweils mit Artikel angeführt werden, macht 130 Ein ähnliches Vorgehen findet sich in einer herodoteischen Rede nur noch in den Worten des korinthischen Gesandten Sokles (V 92). Auf diese Parallele weist überzeugend Johnson (2001) hin. Zu der Rede des Sokles vgl. auch Stickler (2010), 92–96. 131 Das mag aufgrund des Widerspruches zwischen dem verwendeten Argument und der eigenen Reputation in religiösen Angelegenheiten auch ein gewisses Licht auf die rhetorischen und intellektuellen Fähigkeiten des Leotychidas werfen, wie Herodot sie präsentieren wollte (vgl. Johnson [2001], 21). Man mag es daher durchaus auch mit einem Mittel der herodoteischen Personencharakterisierung zu tun haben. 132 Ein Versuch bei Macan (1895b), 114, der die Episode nach Marathon ansetzt. So auch How – Wells (1912), 98. Dies muss aber spekulativ bleiben, da die Chronologie vom Tod des Kleomenes abhängt, dessen Datum nicht zweifelsfrei bestimmt werden kann. Dass die Spartaner schon im Jahrzehnt nach Marathon eine „fear of Athenian ambition“ (Ebd.) gehabt hätten, ist nicht überzeugend und ex post geurteilt. 133 Xen. an. II 5,7. Vgl. Kap. VI.3. 134 Zur Betonung des Wortstammes πᾶς/ ἅπας im delphischen Orakel der Herodotpassage (VI 86γ) vgl. Kap. IV.2.3.2.1.–2. (mit Tabelle II am Ende dieser Untersuchung).
V.4. Eidargumente in verschiedenen Gattungsdiskursen
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das mehr als die Hälfte des Satzes aus (sieben von zwölf Wörtern). Man wird davon ausgehen dürfen, dass die Botschaft bei den Adressaten angekommen ist. Dass für die Strafe anders als bei Herodot nicht mehr der Sohn des personifizierten Eides, sondern die Götter selbst zuständig sind, ist für die Funktion des Argumentes nicht von Bedeutung. Hervorzuheben sind vielmehr die Gemeinsamkeiten der beiden Passagen: Entscheidend ist, dass das Konzept der göttlichen Vergeltung offenbar auch noch zu Beginn des 4. Jahrhunderts argumentativ zur Anwendung kam – und dies in einer Form, die sich nicht fundamental von der des frühen 5. Jahrhunderts unterschied. V.4.1.2. Die Schwurgötter als Chiffre (Typ II) War es nun in dieser ersten Spielart des Eidarguments vonnöten, das Konzept der göttlichen Vergeltung quasi in toto anzuführen, so genügte es in einer zweiten Variante, chiffreartig auf die Eidgötter zu verweisen, deren bloße Nennung in diesen Fällen dazu diente, bei der Zuhörerschaft die Vorstellung des Konzepts der göttlichen Vergeltung zu evozieren. Die Eidgötter wurden dabei fast immer als Drohung angeführt und konnten entweder als Zeugen (μάρτυρες)135, als Kampfrichter (ἀγωνοθέται)136 oder als Symmachoi137 angerufen werden. Letzteres erfolgte ausschließlich in Reden, die sich gegen Nichtgriechen richteten. Dies zeigt, dass es gewisse Grenzen des jeweiligen Arguments gab und wo diese verlaufen konnten. Bei innergriechischen Streitigkeiten wurden die Götter eben nicht als parteiisch angesehen. Sie hatten hier eher die Funktion eines Schiedsrichters, der allerdings – wie auch bei zwischenstaatlichen Schiedsverfahren üblich – bei Vertragsbruch durch einen der Partner unterstützend auf der Seite des anderen eingreifen konnte. Gegenüber anderen Griechen drohte man daher durchaus damit, die Eidgötter als Zeugen anzurufen,138 oder man rief in der Praxis die einheimischen (ἐγχωρίοι) Götter und Heroen als μάρτυρες an, um sich bei einem Feldzug gegenüber den 135 Thuk. I 78,4 (θεοὺς τοὺς ὁρκίους μάρτυρας); II 71,4 (μάρτυρας δὲ θεοὺς τοὺς τε ὁρκίους τότε γενομένους ποιούμενοι καὶ τοὺς ὑμετέρους πατρῴους καὶ ἡμετέρους ἐγχωρίους); II 74,2 (ἐς ἐπιμαρτυρίαν καὶ θεῶν καὶ ἡρώων τῶν ἐγχωρίων; θεοὶ ὅσοι γῆν τὴν Πλαταιίδα ἔχετε καὶ ἥρωες, ξυνίστορές ἐστε); IV 87,2 (μάρτυρας μὲν θεοὺς καὶ ἥρως τοὺς ἐγχωρίους); VI 80,3 (μαρθυρόμεθα). Diese Funktion kommt den Eidgöttern auch in Thuk. I 71,5 zu, wo es allerdings nur heißt πρὸς θεῶν τῶν ὁρκίων, so auch bei Plut. Eumenes 17,4: πρὸς Διὸς στρατίου καὶ θεῶν ὁρκίων. Vgl. zu dieser Metapher Lonis (1979), 270 f. 136 Als – parteiische (!) – Wettkampfrichter in Xen. an. ΙΙΙ 1,21 (ἀγωνοθέται δ᾽ οἱ θεοί εἰσιν). Dass die agonistische Metapher hier bewusst gewählt wird, zeigt ihre Vorbereitung durch die ἀγαθὰ ἆθλα, die den vom Redner als eid- und vertragstreu gekennzeichneten griechischen Söldnern in Aussicht gestellt werden. 137 Xen. Hell. III 4,11; Xen. Ag. 1,13; Xen. an. III 2,10. In diesem Sinne ist auch der Ratschlag des Militärschriftstellers Onasander (IV 1 f.) zu verstehen, der hervorhebt, dass die Götter zu den eigenen Mitstreitern würden (τότε γὰρ καὶ θεοὶ συναγωνισταὶ τοῖς στρατεύουσιν), wenn man für eine gerechte Sache (τὸ δίκαιον) kämpfe. Vgl. zu dieser Passage Pritchett (1979), 323. 138 Vgl. Thuk. I 78,4 (die Athener gegenüber den Spartanern), II 71,4 (die Plataier gegenüber den Spartanern).
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V. Der Eid als Argument in der zwischenstaatlichen Kommunikation
fremden Göttern abzusichern.139 In beiden Fällen vermied man es aber, die Rolle der Götter sprachlich in eine stärkere Form als die der Zeugenschaft zu kleiden. Der konzeptuelle Unterschied zwischen innergriechischen Vertragseiden und solchen mit Nichtgriechen lässt sich dahingehend präzisieren, dass es gerade die Rolle war, die den Göttern im Konfliktfall argumentativ zugeschrieben wurde, die sich unterschied. Während die Eidgötter gegenüber Nichtgriechen zu ‚Mitkämpfern‘ der vertragsgetreuen Partei werden konnten, behielten sie bei innergriechischen Vertragseiden in der Rhetorik der Kontrahenten ihre schiedsrichterliche, gleichsam un- oder überparteiische Funktion. Allerdings waren die Vorstellungen in Bezug auf die Eidgötter und die göttliche Sicherung eines Vertrags nicht immer und überall konsistent. So appellierten etwa die Plataier in einer an spartanische Richter adressierten Rede an die θεοὶ ξυμμαχικοί, die ‚Götter, die das Bündnis beschützten‘.140 Wie bei den vorangegangenen Beispielen handelt es sich auch hier um eine chiffreartige Form eines religiösen Arguments, allerdings nicht um ein Eidargument. Denn die Plataier sprechen ja nicht von den Eidgöttern, den θεοὶ ὅρκιοι, sondern von den ‚Bündnis‘- oder ‚Vertragsgöttern‘. Diese θεοὶ ξυμμαχικοί dürfte es nach einem streng formalistischen Verständnis des griechischen Vertragswesens eigentlich gar nicht geben. Ist doch bisher mit gutem Grund argumentiert worden, dass es der Eid sei, der im zwischenstaatlichen Diskurs die religiöse Dimension eines griechischen Vertrags in besonderer Weise ausmachte, weshalb in den literarischen und epigraphischen Quellen ansonsten auch immer von den θεοὶ ὅρκιοι die Rede ist. Die hier singulär auftretende Bezeichnung θεοὶ ξυμμαχικοί verwischt die Grenze zwischen dem religiösen und dem rechtlichen Feld, da einerseits die dem Bereich der Religion zuzuordnenden Götter angesprochen sind, andererseits aber auch das Bündnis oder der Vertrag, der doch zunächst der rechtlichen Sphäre anzugehören scheint. Das zeigt, dass die Trennlinien fließend sind, oder genauer, dass die Felder überlappen. Will nun ein Redner im Rahmen einer „komplexen Überzeugungsstrategie“141 möglichst mehrere Dimensionen des Vertragsarguments gleichzeitig aktivieren und ein polyvalentes Argument vorbringen, kann er dies durch die Rede von den θεοὶ ξυμμαχικοί auf bequeme Weise verwirklichen, da so gleich mehrere Felder bedient werden. Allerdings dürfte die rechtliche Dimension dabei allenfalls sekundär gehört worden sein, weshalb die thukydideische, den Plataiern in den Mund gelegte Wendung sich auch nicht durchsetzen konnte und Episode blieb.
139 Vgl. Thuk. II 74,2 (Archidamos gegenüber den Plataiern), IV 87,2 (Brasidas als – erfolgreiche Drohung gegenüber den Akanthiern). Dies scheint ein typisch spartanisches Vorgehen gewesen zu sein. Vgl. Pritchett (1979), 322 f.. 140 Thuk. III 58,1: καίτοι ἀξιοῦμέν γε καὶ θεῶν ἕνεκα τῶν ξυμμαχικῶν ποτὲ γενομένων καὶ τῆς ἀρετῆς τῆς ἐς τοὺς Ἕλληνας (…). – „Und doch bitten wir (sc. die Plataier) um der Götter willen, die einst unseren Bund schützten, und wegen unserer Verdienste um Hellas (…).“ 141 Chaniotis (2009), 159.
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V.4.1.3. Alte Eide (Typ III) Ein dritter Typus des Eidarguments zielte besonders auf das Alter der bestehenden Verbindung. Er wurde entweder in der Form einer Gemahnung an ‚alte Eide‘ (παλαιοὶ ὅρκοι) oder einer Erinnerung an die ‚Eide der Väter‘ (οἱ ὅρκοι οὓς οἱ πατέρες ὤμοσαν) vorgebracht.142 Anders als in den zuvor analysierten Fällen, bei denen entweder das Konzept der göttlichen Vergeltung ausgemalt oder die Eidgötter chiffreartig angerufen wurden, ist die religiöse Dimension des Arguments bei der Erinnerung an alte Eide nicht besonders betont. Dennoch stellte es einen Unterschied dar, ob der jeweilige Verhandlungspartner an ein altes Bündnis (παλαιὰ ξυμμαχία143) oder an alte Eide gemahnte. Zwar wurde in beiden Fällen die moralische Dimension des Arguments durch die Hervorhebung des Alters der Verpflichtung betont, bei der Erinnerung an alte Eide war der religiöse Aspekt aber zumindest latent vorhanden. Gleichwohl liegt der Akzent jeweils auf dem Alter der Vereinbarung. Die moralische gravitas dieses Arguments ließ sich nun noch steigern, indem man die Vorväter ins Spiel brachte und an die ‚Eide, die die Väter geschworen haben‘, gemahnte. Dies gab dem Argument einen noch feierlicheren Klang und sollte den moralischen Druck auf den Verhandlungspartner erhöhen. Es wurde häufig gerade dann vorgebracht, wenn es ums Ganze ging oder sich eine der Parteien in einer aussichtslosen Lage zu befinden glaubte. So wurde das Argument von den Plataiern in einer Situation angeführt, in der die Existenz ihrer gesamten Polis auf dem Spiel stand.144 Eine besondere Spielart des Gemahnens an alte Eide lag nun darin, dass die Eide als ein Hindernis angeführt werden konnten, das der Erfüllung von Verpflichtungen aus einem anderen Bündnis entgegenstehe. So beriefen sich die Korinther, als im Sommer 421 spartanische Gesandte zu ihnen gekommen waren und die Annahme des Nikiasfriedens sowie die Ablehnung eines Bündnisses mit Argos gefordert hatten, auf eine Klausel eines zwischen ihnen und den Spartanern bestehenden Bündnisses, die besagte, dass „kein Hindernis vonseiten der Götter oder Heroen“ (μὴ θεῶν ἢ ἡρώων κώλυμα) der Vertragserfüllung im Wege stehen dürfe.145 Ein 142 ‚Alte Eide‘: Thuk. V 30,4 (m. Sommerstein – Bayliss [2013], 239 f.); 42,1; 80,2 (nicht als Argument vorgebracht, vgl. aber Stickler [2010], 349 f.); ‚Eide der Väter‘: Thuk. II 73,3; III 59,2; schlichte Erinnerung an bestehende Eide: Thuk. VI 19,1. Zu dem verwandten Argumenttyp der Gemahnung an alte Bündnisse („Richiamo alla precedente alleanza“) vgl. Piccirilli (2001), 79. 143 Thuk. III 86,3; die Gemahnung an ein altes Bündnis auch in Thuk. I 40,4 (ἔνσπονδοί ἐστε), VI 6,2 (τὴν γενομένην ἐπὶ Λάχητος […] ξυμμαχίαν), VI 82,1 (ἐπὶ τῆς πρότερον οὔσης ξυμμαχίας), Diod. XII 83,3 (τὴν προϋπάρχουσαν συμμαχίαν), dazu Piccirilli (2001), 79. 144 Und zwar gegenüber spartanischen Richtern (Thuk. III 59,2). Das Argument konnte die Zerstörung Plataiais durch die Spartaner aber nicht verhindern (Thuk. III 68). Eine erfolgreiche Anwendung des Arguments findet sich bei Thuk. II 73,3 (plataiische Gesandte geben eine Nachricht athenischer Gesandter an die eigene Bevölkerung weiter). 145 Thuk. V 30,3. Diese Klausel ist in der Forschung zumeist als Teil einer Standardformel spartanischer Bündnisse im Rahmen ihres Peloponnesischen Bundes interpretiert worden. Vgl. Adcock (1924), 95, Larsen (1933), 260, De Sainte Croix (1972), 83 f., Lendon (1994), 160–167.
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solches „religiöses Hindernis“ (κώλυμα θεῖον) bestünde nun aber in Eiden, die sie ihren thrakischen Verbündeten gegeben hätten und die sie daran hindern würden, den Vertrag mit den Athenern anzunehmen.146 Was die Korinther hier geltend machen, ist der klassische Fall einer Eideskollision. Da Vertragseide anders als Beamten- oder Gerichtseide für einen sehr langen Zeitraum geschlossen werden konnten – das Spektrum reichte von einigen Jahren bis zu ewiger Dauer – und griechische Poleis nicht nur äußerst zahlreich waren, sondern untereinander auch vielfältige Beziehungen außenpolitischer Art eingingen, kann es nicht überraschen, dass es gelegentlich zu sich überschneidenden Klauseln und damit zu einem doppelten Gebundensein kommen konnte.147 Sarah Bolmarcich hat nun mit Bezug auf solche Klauseln von Eiden mit „escape-clauses“148 gesprochen und sich dabei ausdrücklich auf Thuk. V 30 bezogen. In einem größeren Bündnissystem wie dem Peloponnesischen Bund seien die Klauseln der einzelnen Verträge bewusst mit einer gewissen „built-in flexibility“149 ausgestattet worden, um ‚Mittelmächten‘ wie Korinth ein eigenständigeres Agieren zu ermöglichen, ohne dass dies gleich den Zusammenhalt des ganzen Bundes gefährdet hätte. Die Grundidee Bolmarcichs, dass Eide bei symmetrischen Kräfteverhältnissen anders funktionieren mussten als bei asymmetrischen, ist sicher richtig und ihre Überlegungen sind in vielerlei Hinsicht anregend. Es ist zudem mit Nachdruck zu betonen, dass die Korinther mit ihrem Argument durchzudringen vermochten. Auch wenn dies zumindest in Teilen der außenpolitischen Großwetterlage, mithin der Schwächung der Spartaner nach Sphakteria, zuzuschreiben ist, hat man es hier also mit einem wirksamen Argument zu tun, das mehr als nur „point-scoring diplomacy“150, von der Simon Hornblower in einem anderen Kontext einmal gesprochen hat, darstellte. Religiöse Argumente konnten im zwischenstaatlichen Miteinander durchaus akzeptierbare Entscheidungsbegründungen darstellen. Wenn Thukydides hier das Argument als einen „Vorwand“ (πρόσχημα)151 bezeichnet, 146 Vgl. Thuk. V 30,2–4: ὀμόσαι γὰρ αὐτοῖς ὅρκους ἰδίᾳ τε, ὅτε μετὰ Ποτειδεατῶν τὸ πρῶτον ἀφίσταντο, καὶ ἄλλους ὕστερον. οὔκουν παραβαίνειν τοὺς τῶν ξυμμάχων ὅρκους ἔφασαν οὐκ ἐσιόντες ἐς τὰς τῶν Ἀθηναίων σπονδάς: θεῶν γὰρ πίστεις ὀμόσαντες ἐκείνοις οὐκ ἂν εὐορκεῖν προδιδόντες αὐτούς. εἰρῆσθαι δ᾽ ὅτι ᾽ἢν μὴ θεῶν ἢ ἡρώων κώλυμα ᾖ᾽: φαίνεσθαι οὖν σφίσι κώλυμα θεῖον τοῦτο. καὶ περὶ μὲν τῶν παλαιῶν ὅρκων τοσαῦτα εἶπον, (…). – „(…) durch Privatpersonen hätten sie ihnen (sc. ihren thrakischen Verbündeten) nämlich Eide geleistet, als diese mit den Poteideaten gemeinsam abfielen, und später auch noch andere Eide (von Staats wegen). Also brächen sie ihre Bündniseide nicht – so sagten sie –, wenn sie dem Vertrag mit den Athenern nicht beitreten wollten; denn nachdem sie jenen bei den Göttern Treue geschworen hätten, würden sie nun ihre Eidespflichten verletzt haben, wenn sie sie verraten hätten; es sei ja vereinbart worden, ‚sofern kein Hindernis vonseiten der Götter oder Heroen entgegenstehe‘. In ihren Augen sei das ein solches religiöses Hindernis. So viel sagten sie im Hinblick auf ihre alten Eide; (…).“ 147 Vgl. für ein weiteres Bsp. etwa Thuk. II 72,2. Wie man ein solches Problem im Rahmen einer Versöhnung nach einer Stasis löste, zeigt die Amnestie der Dikaiopoliten (SEG LVII 576). Vgl. Kap. IV.2.3.2.1.1. (mit Appendix II). 148 Bolmarcich (2007a), 27 (Zitat), 28–31. 149 Bolmarcich (2007a), 27. 150 Hornblower (2007), 139. 151 Thuk. V 30,2.
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liegt das ganz auf der Linie seiner Einschätzung der gegenseitigen Frevelvorwürfe vor Beginn des Peloponnesischen Krieges und seiner allgemeinen Tendenz, die politische Bedeutung von Kult und Religion (zu) gering zu veranschlagen.152 Trotzdem sollte man auch nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und – einem aktuellen Trend der Forschung folgend – die griechische Außenpolitik allzu optimistisch beurteilen.153 Bolmarcichs Hypothese der „built-in flexibility“ der Eide des Peloponnesischen Bundes ist verführerisch, steht aber auf tönernen Füßen. An keiner anderen Stelle der antiken Literatur und in keiner Inschrift hört man von der zur Diskussion stehenden Klausel. Dass sie in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts immer Teil spartanischer Verträge gewesen sein soll, wie die Autorin behauptet, ließe sich allein aus Thuk. V 30 ableiten. Eine solche Schlussfolgerung lässt sich mithin schlichtweg nicht verifizieren. Auch erscheint es dem Verfasser nach wie vor zweifelhaft, ob die Spartaner wirklich an einer solchen Flexibilität interessiert sein konnten.154 Formeln wie in dem Vertrag mit den aitolischen Erxadieis, in dem es heißt, jene sollten „folgen, wohin auch immer die Lakedaimonier führen“, sprechen da eine ganz andere Sprache.155 Und man wird diese von den Bündnern einseitig zu leistende Hegemonie-Formel auch nicht mit dem Hinweis entschärfen können, sie hätte nur von kleineren Poleis geschworen werden müssen.156 Schließlich bezeugt Herodot die Klausel ganz deutlich auch für einen Eid der Arkader gegenüber dem Spartanerkönig Kleomenes.157 Wichtiger für die hier verfolgte Fragestellung ist aber, dass die Korinther sich nicht einfach auf eine andere Vertragsverpflichtung berufen, sondern ausdrücklich die religiöse Karte, das κώλυμα θεῖον, spielen. Das Argument ist so vorgebracht, dass sich die Korinther auf einen religiösen Hindernisgrund berufen, der zugleich 152 Vgl. Hornblower (1992). Es soll damit nicht gesagt werden, dass die Korinther nicht ein starkes politisches Motiv für ihr Verhalten gehabt hätten (vgl. zur korinthischen Außenpolitik im 5. Jahrhundert Stickler [2010], bes. 156) oder dass sie an dieser Stelle allein aus religiöser Frömmigkeit heraus handelten. Erklärungsbedürftig ist aber doch v. a., warum ihr Argument der Eideskollision überhaupt verfangen konnte. 153 Als Beispiele für eine solche Perspektive sei auf Low (2007) – mit der geharnischten Kritik von Walter (2009) – und Low (2011) verwiesen. In dieselbe Richtung weisen Bederman (2001), Piccirilli (2002) und Bolmarcich (2007a), (2010). 154 Vgl. Scharff (2009), 324–326; kritisch zu Bolmarcichs These jetzt auch Sommerstein – Bayliss (2013), 211. 155 Vgl. SEG XXVI 461 + SEG XXVIII 408 (= HGIÜ I 154), Z. 4–6: [hεπο/μ]ένος hόπυι κα Λα[κεδαμόνι/ο]ι hαγίονται, was durch den unmittelbar folgenden Zusatz (Z. 6 f.) καὶ κα[τὰ γᾶν / κ]αὶ κὰ(θ) θάλα(θ)θαν noch genauer bestimmt wird. Zwar konnten die aitolischen Erxadieis bisher nicht zweifelsfrei lokalisiert werden und ist die genaue Datierung des Vertrages umstritten. Alle bisherigen Untersuchungen haben den Vertrag allerdings zwischen dem ausgehenden 6. Jahrhundert und dem Ende des 5. Jahrhunderts angesetzt. Er gehört somit in jedem Fall in die ‚Hochzeit‘ des Peloponnesischen Bundes. S. zu den einzelnen Klauseln des Vertrags Baltrusch (1994), 21–24; vgl. auch Bolmarcich (2005), 22–27, Wolff (2010), 62 f. und Antonetti (2012b), jeweils mit weiterer Literatur. 156 So Bolmarcich (2005), 7 f., 34. 157 Vgl. Hdt. VI 74: ἦ μὲν ἕψεσθαί σφεας αὐτῷ τῇ ἂν ἐξηγῆται. Vgl. für ein weiteres Auftreten der Hegemonie-Klausel ferner Xen. Hell. IV 2,19, mit Baltrusch (1994), 18; weitere Belegstellen bei Bolmarcich (2005), 28, Anm. 55.
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V. Der Eid als Argument in der zwischenstaatlichen Kommunikation
eine Klausel in einem älteren Vertrag darstellt. Auch wenn der Kern des Arguments also ein religiöser ist, hat es doch auch eine rechtliche Dimension. Die Passage stellt somit ein gutes Beispiel für ein im Rahmen griechischer Diplomatie vorgebrachtes, polyvalentes Eidargument dar. V.4.1.4. Die gemeinsame Eidesleistung (Typ IV) Ein vierter Typus des Eidarguments zeichnete sich dadurch aus, dass immer die gemeinsame Leistung des Eides hervorgehoben wurde. Dafür griff man bevorzugt auf Ausdrücke wie ξυνώμοτον, ξυνωμοσία oder Formen von ξυνόμνυμι zurück.158 Eine besondere Bedeutung kam dieser Spielart des Eidarguments in einer Rede thebanischer Gesandter zu, die im Sommer 427 vor spartanischen Richtern gehalten wurde und die als direkte Erwiderung auf eine plataiische Verteidigungsrede konzipiert war.159 In dieser Rede wird der Eid gleich dreimal in der beschriebenen Form zum Argument und bezeichnenderweise dabei jedes Mal als ein Vorwurf vorgebracht.160 So hätten die Plataier in der Vergangenheit trotz gemeinsam mit anderen Griechen geleisteter Schwüre Eidbruch begangen bzw. die Mitschwörenden verraten. Die Betonung der gemeinsamen Eidesleistung ist dazu intendiert, den Eidbruch als ein umso größeres Sakrileg darzustellen. Dabei fällt besonders die erste der drei Passagen auf, bei der die moralische Desavouierung der Plataier dadurch erhöht wird, dass die Thebaner betonen, die gemeinsame Eidesleistung sei von „allen Hellenen“ (τοὺς πάντας Ἕλληνας)161 durchgeführt worden. Damit hätten sich die Plataier nicht nur gegen alle anderen Griechen vergangen, sondern stünden gleichsam außerhalb der griechischen Gemeinschaft, eine Rolle, die den Thebanern selbst durchaus vertraut war, da sie ihnen aufgrund ihres Medismos in den Perserkriegen immer wieder zugewiesen wurde. Die Thebaner drehen hier somit einen Vorwurf, der ihnen gegenüber so häufig gemacht wurde, um und wenden ihn – mit einer etwas anderen Stoßrichtung – gegen die Plataier. Die argumentative Betonung der gemeinsamen Leistung eines Eides musste allerdings nicht zwangsläufig erfolgen, um dem Widersacher einen besonders schändlichen Eidbruch vorzuwerfen. So leitet Alkibiades in einer im Sommer 415 gehaltenen Rede aus dem ξυνωμόσαμεν162 vielmehr eine Verpflichtung für die Zukunft ab. Die Betonung der gemeinsamen Eidesleistung konnte somit auch im Sinne eines positiven Appells an bestehende Bindungen erfolgen – dies war allerdings die deutlich seltenere Variante.
158 Vgl. für ξυνώμοτον etwa: Thuk. II 74,2, für ξυνωμοσία: Thuk. III 64,2, für ξυν-/ συνόμνυμι: Thuk.III 63,3; 64,3; V 38,3; VI 18,1. 159 Vgl. Thuk. III 61–67, s. dazu unten; vgl. auch Gomme (1956), 346–355, Hornblower (1991), 444–446, 454–463. 160 Vgl. Thuk. III 63,3: τοὺς πάντας Ἕλληνας (…), οἷς ξυνωμόσατε; III 64,2: τὴν τότε γενομένην ξυνωμοσίαν; III 64,3: ἄλλους τινὰς τῶν ξυνομοσάντων. 161 Thuk. III 63,3. 162 Thuk. VI 18,1: οἷς χρεών, ἐπειδή γε καὶ ξυνωμόσαμεν, (…) – „Denen müssen wir beistehen, da wir uns mit ihnen ja eidlich verbunden haben (…).“
V.4. Eidargumente in verschiedenen Gattungsdiskursen
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V.4.1.5. Die Größe und Bedeutung eines Eides (Typ V) Auch bei der fünften Spielart des Eidarguments wird ein bestimmter Aspekt des Schwures besonders hervorgehoben. Statt der gemeinsamen Leistung steht die besondere Feierlichkeit des gegebenen Versprechens im Vordergrund.163 So verweist etwa der spartanische Feldherr Brasidas im Sommer 424 in einer Rede an die chalkidischen Akanthiern auf die ‚feierlichsten Eide‘ (ὅρκοι μεγίστοι)164, mit denen er sich die spartanischen Behörden auf die Unabhängigkeit neuer Bündner verpflichtet habe. Der Verweis auf die Eide dient Brasidas ganz offensichtlich dazu, die Glaubwürdigkeit seiner Aussage zu erhöhen.165 Die Betonung der besonderen Größe oder Feierlichkeit der von den spartanischen Behörden geleisteten Eide hat hier allerdings auch einen speziellen Sinn: Es ist das Ziel der Rede, die Akanthier zum Abfall von Athen zu bewegen. Um dies zu erreichen, führt Brasidas als zentrales Argument an, dass die Spartaner als die ‚Befreier von Hellas‘166 gekommen seien und dass sie – im Gegensatz zu den Athenern – den Akanthiern ihre autonomia lassen würden. Entscheidend für den Erfolg dieses Arguments musste dabei etwas sein, das in der Diplomatie zu allen Zeiten die wichtigste Grundlage für gute Beziehungen dargestellt hat: gegenseitiges Vertrauen. Solches Vertrauen war nun naturgemäß bei dem schwächeren Partner in einer asymmetrischen Beziehung ungleich schwerer zu erzeugen. Brasidas, der, wie Thukydides eingangs der Rede launig kommentiert, „für einen Lakedaimonier (…) gar kein schlechter Redner“167 gewesen sei, war sich dieser Konstellation wohl bewusst.168 Jedenfalls gibt er sich im Verlauf seiner Rede besondere Mühe, die Akanthier – als den Juniorpartner in dieser Beziehung – von der Vertrauenswürdigkeit des spartanischen Angebotes zu überzeugen. Und genau an dieser Stelle der Argumentation kommen die Eide ins Spiel: Brasidas will durch den Verweis auf die ὅρκοι μεγίστοι, mit denen er sich die Behörden in Sparta verpflichtet habe, deutlich machen, dass hier nicht irgendein Feldherr leere Versprechungen mache, sondern dass er berechtigt sei, für die Spartaner bindende Zusicherungen zu geben.169 Es liegt nun aber ein recht offensichtlicher Widerspruch in der Tatsache, dass Brasidas versucht, über eine Institution Vertrauen herzustellen, zu deren Verletzung er gleichzeitig indirekt aufruft. Er könne daher auch nur „eine rechtswidrige 163 Vgl. etwa. Thuk. IV 86,1: ὅρκοις (…) τοῖς μεγίστοις, Pol. IX 31: ὅρκους, τὰς μεγίστας πίστεις παρ᾽ ἀνθρώποις. Für „verschiedene Grade des Eides“ s. Hirzel (1902), 7–9, Zitat: 7. 164 Vgl. Thuk. IV 86,1, die gesamte Rede: IV 85–87. 165 So erneut in Thuk. IV 87,1; in 87,2 führt Brasidas dagegen die Götter als Drohung an, vgl. oben. 166 Vgl. zu diesem typischen Motiv spartanischer Propaganda während des Peloponnesischen Krieges Thuk. IV 85,1; 85,5; 86,1; 87,4–6. 167 Thuk. IV 84,2: ἦν (sc. Brasidas) δὲ οὐδὲ ἀδύνατος, ὡς Λακεδαιμόνιος, εἰπεῖν. 168 Vgl. Thuk. IV 86,2 f.: προσχωρεῖν τε ὑμᾶς θαρσήσαντας. (…) πάτων μάλιστα πιστευσάτω. – „(…) voll Vertrauen sollt ihr zu mir übertreten. (…) der möge nur volles Vertrauen zu mir fassen.“ 169 Die besondere Feierlichkeit der ihm von den spartanischen Behörden geleisteten Zusicherungen wird dabei von Brasidas gleich zweimal betont: So ist dies nach Thuk. IV 86,1 auch in Thuk. IV 86,2 (πίστεις γε διδοὺς τὰς μεγίστας) der Fall.
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V. Der Eid als Argument in der zwischenstaatlichen Kommunikation
Freiheit“ (ἄδικον τὴν ἐλευθερίαν)170 anbieten. Dass der Vertragsbruch mit den Athenern nicht nur eine rechtliche (ἄδικον), sondern wegen der dann gebrochenen Eide auch eine religiöse Dimension hätte, sagt Brasidas gerade nicht. Stattdessen verweist er auf die besondere Qualität der ihm von den spartanischen Behörden gegebenen ὅρκοι μεγίστοι. Die Botschaft lautet: Eid ist eben nicht gleich Eid – auf spartanische Eide aber kann man sich verlassen. Man muss diese rhetorische Strategie nicht für besonders gelungen halten und kann durchaus fragen, ob Thukydides nicht gerade die Inkonsistenzen der Rede des Brasidas und der spartanischen Kriegspropaganda herausstellen wollte – bei den Akanthiern hatte die Rede allerdings Erfolg: Und weil Brasidas so Verlockendes gesagt hatte und sie um ihre Feldfrüchte fürchteten (sic!), beschloss die Mehrheit von den Athenern abzufallen; sie verpflichteten ihn auf die Eide, die die spartanischen Behörden geschworen hatten, ehe sie ihn aussandten.171
Wie wurde nun aber der argumentative Verweis auf solche Eide, deren besondere ‚Größe‘ man hervorhob, genau aufgefasst? Es spricht einiges dafür, dass bei diesen Fällen in erster Linie die religiöse Dimension des Schwures im Vordergrund stand. Denn in rechtlicher Hinsicht lässt sich ein Eid ja schwerlich steigern: Er ist entweder gültig oder ungültig. Seine religiöse Absicherung kann dagegen – man denke etwa an das Eidritual oder die Schwurgottheiten – unterschiedlich stark ausfallen.172 Deshalb galt den Griechen ja auch der ortsübliche (ἐπιχώριος) Eid als der größte und wichtigste, da dieser unter dem Schutz und der Strafgewalt der eigenen Schwurgottheiten stand.173 Zudem dürfte die emotionalisierende Funktion, die dem Superlativ μέγιστος zukommt, wenn er in Verbindung mit ὅρκος gebraucht wird, im religiösen Feld wirksamer sein als im rechtlichen. Ohne dass die Götter oder das Konzept der göttlichen Vergeltung explizit erwähnt würden, stand die religiöse Dimension des Arguments somit auch dann im Vordergrund, wenn ein Redner schlicht die besondere Feierlichkeit eines Eides betonte. V.4.1.6. κατὰ τοὺς ὅρκους – παρὰ τοὺς ὅρκους. Der Eid als Richtschnur für das Handeln (Typ VI) Eine sechste Variante des Eidarguments ist von eher schlichter Ausprägung und hebt eidgetreues Verhalten (κατὰ τοὺς ὅρκους oder εὔορκος) oder dessen Gegenteil, ein Handeln „wider die Eide“ (παρὰ τοὺς ὅρκους), hervor.174 Bei dieser 170 Thuk. IV 85,6. 171 Thuk. IV 88,1: διά τε τὸ ἐπαγωγὰ εἰπεῖν τὸν Βρασίδαν καὶ περὶ τοῦ καρποῦ φόβῳ ἔγνωσαν οἱ πλείους ἀφίστασθαι Ἀθηναίων, καὶ πιστώσαντες αὐτὸν τοῖς ὅρκοις οὓς τὰ τέλη τῶν Λακεδαιμονίων ὀμόσαντα αὐτὸν ἐξέπεμψαν. 172 Vgl. Kap. III.2. und III.3. 173 Loci classici sind Thuk. V 18,9 (ὀμνύντων δὲ τὸν ἐπιχώριον ὅρκον ἑκάτεροι τὸν μέγιστον […]. – „Es sollen beide Seiten schwören den ortsüblichen Eid als den größten.“) und Thuk. V 47,9 (ὀμνύντων δὲ τὸν ἐπιχώριον ὅρκον ἕκαστοι τὸν μέγιστον κατὰ ἱερῶν τελείων. – „Es soll schwören jede Stadt für sich den landesüblichen als den höchsten Eid beim Opfer ausgewachsener Tiere.“). Vgl. hierzu schon Ziebarth (1895), 14 f. und Hirzel (1902), 9. 174 Vgl. für eidgetreues Verhalten: Thuk. ΙΙ 72,2; V 29,2 f.; VI 88,2; Xen. Hell. II 4,30; VI 4,2;
V.4. Eidargumente in verschiedenen Gattungsdiskursen
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Form des Eidarguments wird der Fokus auf das Handeln der jeweiligen Akteure gelegt. Im Zentrum des Arguments steht ein moralisch-ethischer Aspekt. Dieser ließ sich jedoch leicht religiös aufladen. So klagten etwa nach Diodor nichtgriechische Söldner über Alexander, dass sie von ihm „wider die Eide (παρὰ τοὺς ὅρκους) angegriffen würden, und riefen die Götter, an denen er (durch seinen Eidbruch) frevelte, (zu Zeugen) an.“175 In Anbetracht des moralischen Kerns des Arguments lag es offenbar nahe, ergänzend zu seiner emotionalisierenden Funktion die religiöse Karte zu spielen. Es bot sich ferner geradezu an, die moralische Stoßrichtung des Arguments noch dadurch zu steigern, dass man es in Form eines kontrastiven Vergleichs vorbrachte. Während man selbst sich κατὰ τοὺς ὅρκους verhalte, handele die Gegenseite eindeutig παρὰ τοὺς ὅρκους.176 Wichtig ist, einen möglichst scharfen Gegensatz zwischen einem treulosen und unredlichen Treiben der Gegenseite und dem eigenen eidgemäßen Verhalten herzustellen. Eine besondere Variante des Vorwurfs, der Gegner verhalte sich ‚gegen seine Eide‘, stellte die Klage über die Erstschuld des Gegners dar.177 In diesen Fällen beschwerte man sich darüber, dass der Vertragspartner den Eid „als erster“ gebrochen habe. Das Motiv taucht schon bei Homer auf und ist in der Hinsicht bemerkenswert, dass die ihm zugrundeliegende Logik voraussetzt, dass der geleistete Eid in jedem Fall irgendwann gebrochen wird. Denn man beklagt sich nicht grundsätzlich über den Bruch des jeweiligen Vertrages oder Eides, sondern nur darüber, dass der andere dies als erster getan habe. Wollte man den Vorwurf besonders betonen, konnte er doppelt vorgebracht werden.178 Man wird nicht fehlgehen, hinter dem Motiv eine gewisse Grundskepsis gegenüber der Dauer und Haltbarkeit von Verträgen zu vermuten.179 5,10; 5,36. Handeln gegen die Eide/ Übertreten von Eiden: Thuk. V 30,1; 56,3 (in einem anderen Medium: als Zusatz auf der Bündnisstele); Xen. Hell. VI 5,10; VI 5,36; 5,37; Diod. XVII 84,2. 175 Diod. XVII 84,2: οἱ δὲ μισθοφόροι τὸ μὲν πρῶτον ἐβόων παρὰ τοὺς ὅρκους αὑτοὺς πολεμεῖσθαι καὶ τοὺς ἀσεβουμένους ὑπ᾽ αὐτοῦ θεοὺς ἐπεκαλοῦντο. Natürlich ist hier die Grenze zu anderen Typen des Eidarguments fließend. Vgl. zu der Passage Giovannini (2007), 47 und Bayliss (2014), 254. 176 So etwa bei Xen. Hell. VI 5,10 (spartanische Begründung ihres Feldzugs gegen die Mantineer); VI 5,36. 177 Vgl. etwa Hom. Il. III 299; IV 67; 72; 236; 271; Thuk. I 123,2; II 74,2; III 12,1; 54,3; IV 98,5; VII 18,2. S. auch Kap. II.4. 178 Vgl. Thuk. I 123,2; II 74,2. 179 Diese Haltung dürfte viel mit praktischen Erfahrungen zu tun haben. So hat Peter J. Rhodes im Jahre 2008 nicht umsonst einen Aufsatz über den griechischen Umgang mit Verträgen im 5. und 4. Jahrhundert mit dem Titel „Making and Breaking Treaties in the Greek World“ (Hervorhebung v. Verf.) versehen (vgl. auch den beinahe gleichlautenden Kapiteltitel „Making and breaking oaths“ bei Bederman [2001], 61). Anhand einer Vielzahl von Beispielen gelingt es Rhodes, einen Eindruck davon zu vermitteln, wie häufig Eide und Verträge in der zwischenstaatlichen Sphäre gebrochen wurden. Allerdings hatten griechische Historiker auch ein besonderes Interesse an Vertragsbrüchen, da es dabei immer um essentielle Fragen zwischenstaatlicher Politik ging. Man vgl. nur, welchen Raum der Bruch des 30jährigen Friedens oder der Nikiasfrieden bei Thukydides einnehmen (zugespitzt bei Low [2011], 46: „Gesetzestreues Verhalten ist letztlich auch historisch uninteressantes Verhalten.“).
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V. Der Eid als Argument in der zwischenstaatlichen Kommunikation
War das Phänomen der argumentativen Klage über den Erstbruch eines Eides nun aber eines von langer Dauer? Eine genauere Analyse der Belegstellen ergibt, dass die Häufigkeit des Motivs im Laufe der griechischen Geschichte abnahm. So ist der zahlenmäßige Höhepunkt der Entwicklung bereits bei Homer, der ersten für uns greifbaren Stufe, zu fassen. Dort heißt es allein fünfmal πρότεροι ὑπὲρ ὅρκια πημήνειαν180 oder δηλήσαντο181 / δηλήσασθαι182. In allen diesen Fällen wird direkt Bezug auf den Bruch des Eides, nicht des Vertrags oder Friedens genommen. Der Gedanke, oder besser: das Argument war also schon in homerischer Zeit absolut gängig. Es findet sich zwar auch noch bei Thukydides, dort aber nur selten mit direktem Bezug auf den Eidbruch.183 Dieser Befund ist deswegen interessant, weil er in Bezug auf die Wirksamkeit griechischer Vertragseide der Säkularisierungs- oder Verfallsthese klar widerspricht. Es lässt sich anhand der Quellen eben nicht belegen, dass nach einem gleichsam idealen Urzustand, bei dem die religiöse Absicherung der Eide noch vollkommen genügt hätte, erst zu einer späteren – namentlich der klassischen Zeit – aufgrund eines abnehmenden Glaubens an die Götter auch die Eide brüchiger geworden seien und neuer, säkularer Absicherungsmechanismen bedurft hätten. Eine Analyse des Motivs der Klage über den Erstbruch zeigt vielmehr, dass das Problem bereits in homerischer Zeit, sogar in vielleicht noch stärkerem Maße, vorhanden war. V.4.1.7. Informelle Eide (Typ VII) Bei der siebten und letzten Variante des Eidarguments handelt es sich zugleich um seine simpelste Ausprägung. Gemeint ist die Leistung eines sog. ‚informellen Eides‘ im Rahmen einer Rede.184 Ein ‚informeller Eid‘ unterscheidet sich von anderen Schwüren dadurch, dass er allein auf den Sprechakt der Eidesleistung reduziert ist, der wiederum nur aus der Anrufung einer einzigen Gottheit besteht, ohne dass dabei ein bestimmter Text beeidet würde. Vielmehr stellt er schlicht ein rhetorisches Mittel zur Bekräftigung einer Aussage dar, das in der Form „bei x“ vorgebracht wird.185 Dabei ist es allerdings schwierig, genau zu bestimmen, wie solche informellen Eide beim jeweiligen Adressaten ankamen: Wurde der Gottesbezug auch tatsächlich als ein solcher wahrgenommen oder hatte die Schwurpartikel (ναί [/] μά) in Verbindung mit dem Götternamen rein affirmative Bedeutung und meinte 180 Hom. Il. III 299. 181 Hom. Il. IV 236, 271. 182 Hom. Il. IV 67, 72. 183 Mit eindeutigem Bezug auf einen Eidbruch nur in Thuk. II 74,2; mit Bezug auf den Bruch des gesamten Vertrags (spondai) bei Thuk. I 123,2 und VII 18,2, des Friedens (εἰρήνη) in Thuk. III 54,3; bei Thuk. III 12,1 ist der Zusammenhang unklar. Hinsichtlich eines Erstschlags der Gegenseite im Krieg: Thuk. IV 98,5. 184 Zu informellen Eiden vgl. Sommerstein (2007) und Sommerstein – Torrance (2014), 315– 347. Zu den besonderen Formen informeller Eide, die in den Quellen Sokrates zugeschrieben werden, Geus (2000) und Sommerstein (2008). 185 Am häufigsten war sicher der Ausruf „bei(m) Zeus“ (ναὶ μὰ [τὸν] Δία), was auf die besondere Rolle des Göttervaters als Zeus Horkios zurückgeht. Für die Evidenz vgl. jetzt Sommerstein – Torrance (2014), 318–320.
V.4. Eidargumente in verschiedenen Gattungsdiskursen
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daher nicht viel mehr als ‚gewiss‘ oder ‚fürwahr‘, so wie dies im Deutschen bei Wendungen wie ‚Grüß Gott‘, ‚mein Gott‘ oder ‚Gott sei Dank‘ der Fall ist. Gerade die häufige Verwendung der informellen Eide in den platonischen Dialogen legt letzteres nahe. Dennoch war der Bezug ja sprachlich vorhanden. Wer ihn hören wollte, konnte ihn hören. Daher kann es auch nicht verwundern, wenn Alan H. Sommerstein nach einer Untersuchung aller informellen Eide aus Aristophanes‘ Wolken resümiert: So when is an oath not an oath? So far as Clouds is concerned the answer might seem to be ‘never’. Even though oaths may often seem to be little more than conversational counters, people still do not, in general, swear to statements that they do not believe to be true (if relating to the present or the past) or do not intend to be true (if relating to their own future actions). Or if they do, they show themselves to be contemnors of the divine.186
Schon ein rein kursorischer Blick auf die im Kontext von zwischenstaatlichen Verhandlungen geleisteten informellen Eide ergibt einen erstaunlichen Befund: Diese tauchen in den historiographischen Quellen zum ersten Mal im 4. Jahrhundert in den Schriften Xenophons auf.187 Obwohl sie schon Homer bekannt sind, fehlen sie bei Herodot und Thukydides völlig.188 Wie lässt sich dieses Fehlen erklären? War es den Gattungskonventionen griechischer Historiographie im 5. Jahrhundert geschuldet oder wurde es tatsächlich erst im 4. Jahrhundert allgemein üblich, in Reden auf informelle Eide zurückzugreifen? Sieht man sich die Belegstellen bei Xenophon etwas genauer an, so zeigt sich, dass informelle Eide in den Hellenika nur ein einziges Mal im Rahmen einer längeren Rede auftauchen.189 Stattdessen kommen sie fast immer in eher informellen Gesprächen vor, die – das ist das Entscheidende – bei Xenophon in Dialogform wiedergegeben werden.190 Eine solche Dialogform ist nun aber bei Herodot selten und tritt bei Thukydides allein im Melierdialog auf. Das Fehlen informeller Eide bei Herodot und Thukydides dürfte somit etwas mit der historischen Methode dieser beiden Historiker zu tun haben. Abweichend von seinem Vorgehen in den Hellenika, verwendet Xenophon allerdings in der Anabasis des öfteren informelle Eide auch im Rahmen einer längeren Rede, und dies mit Vorliebe bei solchen Reden, die er sich selbst halten lässt.191 186 Sommerstein (2007), 135. 187 Die Belege sind a) in den Hellenika: „bei Zeus“: III 1,24; 4,9; IV 1,7; 1,14; V 1,4; 4,32; kollektiv „bei den Göttern“ (μὰ τοὺς θεούς): II 3,53; IV 1,10; „bei Kastor und Polydeukes“ (ναὶ τὼ σιώ): IV 4,10; b) in der Anabasis: „bei Zeus“: I 7,9; V 7,23; 7,32; 8,6; 8,21; VII 6,11; 6,21; allgemein „bei den Göttern“: I 4,8; „bei (allen) Göttern und Göttinnen“: VI 6,17; VII 6,18; „bei Kastor und Polydeukes“: VI 6,34. 188 Vgl. dazu jetzt die Übersicht bei Sommerstein – Torrance (2014), 316 f. 189 Der einzige Fall ist Xen. Hell. II 3,53. 190 Dieser Befund passt gut zu dem gehäuften Auftreten informeller Eide in den platonischen Dialogen (vgl. zu besonders seltsamen Beispielen, die zumeist Sokrates in den Mund gelegt werden, Geus [2000], 98, Anm. 5). Die Häufigkeit dieses Eidtyps hängt somit auch von der literarischen Form des jeweiligen Werkes ab. So urteilen Sommerstein – Torrance (2014) mit vollem Recht: „the informal oath is overwhelmingly a conversational phenomenon. Its natural home is in the literary genres that imitate conversation.“ 191 Vgl. Xen. an. V 8,21; 7,23; 7,32; VII 6,11; 6,18; 6;21; einmal auch im Rahmen einer Rede
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V. Der Eid als Argument in der zwischenstaatlichen Kommunikation
Dies findet eine Parallele im Corpus der attischen Redner des 4. Jahrhunderts.192 Mit aller Vorsicht lässt sich somit ein Wandel in der Verwendung informeller Eide in diplomatischen Verhandlungen ausmachen: War die Leistung informeller Eide im 5. Jahrhundert auf Gespräche privater Natur beschränkt, so hat das 4. Jahrhundert den informellen Eid als Stilmittel und Argument im Sinne einer affektiven Bestärkung einer Aussage entdeckt. Durch die Verwendung informeller Eide ließ sich der eigenen Rede an bestimmten Stellen gezielt eine gewisse Weihe verleihen.193 Im Rahmen einer längeren Rede vorgebracht, kam informellen Eiden eine andere Funktion zu, als wenn sie nur affirmativ der Bestätigung oder Zurückweisung einer vom Dialogpartner gemachten Aussage dienten. Ihre religiöse Dimension spielte nun auf einmal eine Rolle, da sich diese nutzbringend einsetzen ließ. Es bleibt festzuhalten, dass sich durch eine typologische Untersuchung der unterschiedlichen Spielarten eines Eidarguments sieben verschiedene Varianten ausmachen ließen: Während bei einigen Typen wie der Anführung des Konzepts der göttlichen Vergeltung (I), dem chiffreartigen Verweisen auf die Eidgötter (II), der Hervorhebung der Größe eines Eides (V) und der Leistung eines informellen Eides (VII) die religiöse Dimension des Arguments, wenn auch graduell verschieden stark, im Vordergrund stand, ließen sich auch Varianten finden, bei denen ein politischer oder moralischer Aspekt in den Fokus rückte. Ersteres war der Fall, wenn die gemeinsame Leistung des Schwures betont wurde (IV), letzteres, wenn der Aspekt des eidgemäßen oder treulosen Verhaltens hervorgehoben wurde (VI). Beide Argumenttypen erwiesen sich allerdings auch als polyvalent: So hatte Typ IV zugleich religiöse und rechtliche Aspekte und ließ sich Typ VI sehr leicht religiös aufladen. Das beste Beispiel für ein polyvalentes Eidargument lieferte eine besondere Variante des Typs III (Betonung des Alters der Eidesvereinbarung), bei dem auf ein „religiöses Hindernis“ (κώλυμα θείον) verwiesen wurde, das zugleich als Klausel in einem älteren Vertrag festgeschrieben war. Genauso fließend erwies sich die Grenze zwischen den beiden Feldern, wenn man sich im Rahmen eines Arguments der θεοὶ ξυμμαχικοί anstatt der θεοὶ ὅρκιοι bediente. Aufs Ganze betrachtet, scheinen solche in sich polyvalenten Argumente aber recht selten benutzt worden zu sein. Stattdessen wurde eher eine eindeutige Identifizierbarkeit des einzelnen Arguments, dem dann wieder andere zur Seite gestellt wurden, angestrebt. Der besondere Vorteil des Eides als Argument lag daher sehr wohl in seiner Polyvalenz, aber eben einer Polyvalenz, die von ihren einzelnen Elementen – v. a. dem religiösen – lebte.
Kyros‘ d. J.: Xen. an. I 4,8. Zu dem Phänomen von Eiden, die der Autor Xenophon dem Protagonisten Xenophon in klarer narrativer Absicht in den Mund legt, vgl. Sommerstein – Torrance (2014), 360–367. 192 S. u. 193 Vgl. Xen. Hell. V 1,4 (hier als Autorenkommentar Xenophons); zu diesem Eid Sommerstein – Torrance (2014), 365 f.
V.4. Eidargumente in verschiedenen Gattungsdiskursen
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V.4.2. Der Eid als Argument in der Rhetorik. Eine Gegenprobe Das bisher erarbeitete Bild ist zugegebenermaßen in einer Hinsicht etwas einseitig: Es speist sich allein aus den in dieser Hinsicht sehr ergiebigen Reden der griechischen Historiographie. Da es aber im konkreten Einzelfall nicht möglich ist, letztgültig zu entscheiden, in wie engem Anschluss an den Wortlaut des tatsächlich Gesagten die jeweiligen Reden in der Historiographie wiedergegeben sind,194 ist eine Gegenprobe mithilfe der rhetorischen Zeugnisse unerlässlich. Es steht daher zu fragen, inwieweit die erstellte Typologie zwischenstaatlicher Eidargumente vor den rhetorischen Texten bestehen kann. Zu diesen rhetorischen Texten gehört neben dem kanonischen Corpus der zehn attischen Redner auch eine rhetorische Lehrschrift wie die Rhetorik an Alexander195. Anders als die viel umfangreichere Rhetorik des Aristoteles stellt die Rhetorik an Alexander, die wohl aus der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts stammt und heute – obwohl im Corpus Aristotelicum überliefert – allgemein Anaximenes von Lampsakos zugeschrieben wird, ein Handbuch mit rhetorischen Nutzanweisungen dar. In Bezug auf den Einsatz eines Eides als Argument findet sich hier der Ratschlag: Δεῖ δ᾽ αὐτὸν ὅταν μὲν αὔξειν θέλωμεν, λέγειν οὕτως “οὐδεὶς ἂν ἐπιορκεῖν βούλοιτο, φοβούμενος τήν τε παρὰ τῶν θεῶν τιμωρίαν καὶ τὴν παρὰ τοῖς ἀνθρώποις αἰσχύνην,” καὶ διεξιέναι ὅτι τοὺς μὲν ἀνθρώπους λαθεῖν ἔστι, τοὺς δὲ θεοὺς οὐκ ἔστιν. Wenn wir die Bedeutung eines Eides erhöhen wollen, so müssen wir sagen: „Es gibt wohl – wegen der (drohenden) göttlichen Vergeltung und der Schande in den Augen der Menschen – niemanden, der einen Eidbruch begehen wollte.“ Und wir müssen hinzufügen, dass es zwar möglich ist, sich vor den Menschen zu verbergen, nicht aber vor den Göttern.196
Das entspricht ziemlich genau dem ersten Typus des Eidarguments, das darauf zielt, das Konzept der göttlichen Vergeltung möglichst drastisch auszumalen. Anaximenes betont zwar nicht die Schnelligkeit der Strafe, die dem Eidbrecher droht, wie sie sowohl in der Glaukos-Parabel als auch in der Rede des Klearchos aus der Anabasis zum Ausdruck kommt,197 er legt aber wie der Klearchos Xenophons Wert auf die Unmöglichkeit, sich vor den Göttern zu verstecken.198 Die Verwendung dieses Motivs wurde somit noch in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts explizit im Rahmen rhetorischer Ratgeberliteratur empfohlen.199 Von einem Rückgang dieses Motivs ist daher nicht auszugehen, vielmehr dürfte der Typus I des Eidarguments auch im Laufe des 5. und 4. Jahrhunderts in der Praxis entsprechend häufig vorgekommen sein.200 194 Zu Thuk. I 22,1 vgl. Vössing (2005). 195 Vgl. zu dieser etwa Ueding (42005), 29 f. 196 Rhet. Alex. 17. 197 Vgl. Hdt. VI 86γ und Xen. an. II 5,7. 198 Dieses Motiv findet sich auch bei Lykurg. 79, wo die Ähnlichkeit zu der Passage in der Rhetorik an Alexander bis in die Wortwahl hinein reicht: Man vgl. nur das τοὺς δὲ θεοὺς (…) λάθοι bei Lykurg mit dem λαθεῖν (…) τοὺς δὲ θεούς in der Rhetorik an Alexander. 199 So auch Martin (2009), 228. 200 Vgl. etwa Aischin. Tim. 114 f. (ἐπομόσας τοὺς ὁρκίους θεοὺς καὶ ἐξώλειαν ἐπαρασάμενος
250
V. Der Eid als Argument in der zwischenstaatlichen Kommunikation
Schon ein rein kursorischer Blick in das kanonische Corpus der zehn attischen Redner verdeutlicht, dass auch die anderen anhand der Reden in der Historiographie ausgemachten Typen des Eidarguments regelmäßig in der Diplomatie – oder zumindest in Reden mit einer außenpolitischen Thematik – Verwendung fanden.201 Die entsprechenden Passagen bringen dabei im Einzelnen nicht allzu viel Neues und bestätigen grosso modo das aus der Historiographie gewonnene Bild. Vier Beobachtungen sind gleichwohl anzubringen. Erstens ist hervorzuheben, dass sich tatsächlich alle Typen eines Eidarguments, die anhand der Reden aus der Historiographie ausgemacht werden konnten, auch in der Rhetorik wiederfinden.202 Dies bestätigt ganz nebenbei die eingangs geäußerte Prämisse, Reden in der Historiographie seien eine zuverlässige Quelle für eine Analyse zwischenstaatlicher Kommunikation. Auch wenn die Reden bei Thukydides und Xenophon sicher nicht immer in ihrem exakten Wortlaut wiedergegeben werden, so sind doch die in ihnen vorgebrachten Argumente im Allgemeinen als authentisch oder zumindest in dem jeweiligen Kontext sagbar anzusehen. ἑαυτῷ κτλ.), wo das Konzept der göttlichen Vergeltung zwar nicht in extenso ausgemalt wird, aber doch durch den ausdrücklichen Verweis auf die Verfluchung, die der Schwörende für den Fall der Übertretung auf sich herabruft, angedeutet wird. S. zu der Passage Martin (2009), 172 f. 201 Es ist hier allerdings auf ein Quellenproblem hinzuweisen: Bei den im Corpus der attischen Redner überlieferten Texten hat man es sensu stricto nicht mit diplomatischen Reden zu tun, da es sich bei ihnen jeweils um Reden handelt, die von Athenern vor einem attischen Publikum gehalten wurden. Es kann hier daher nur auf Reden zurückgegriffen werden, die um außenpolitische Themen kreisen. 202 Vgl. zu Typ II (chiffreartiges Verweisen auf Eidgötter als Zeugen der Vereinbarung): Demosth. or. 18, 217 (μάρτυρας); zu Typ III (Alter der Vereinbarung): Lykurg. 127 (τῶν δ᾽ὅρκων καὶ τῆς πίστεως ἣν δόντες οἱ πατέρες ὑμῶν); zu Typ IV (Betonung der gemeinsamen Leistung des Eides): Lykurg. 126 (συνώμοσαν); zu Typ V (Verweis auf die besondere Größe des Eides): And. or. 1, 31; Antiph. or. 5, 11; Demosth. or. 40, 10 (ὅρκῳ, ὃς μέγιστος δοκεῖ καὶ δεινότατος παρὰ πᾶσιν ἀνθρώποις εἶναι), Aischin. Ctes. 109 (ὅρκον ἰσχυρόν); zu Typ VI: 1. Eidesgemäßes Verhalten: Demosth. or. 5, 25 (κατὰ τὰς συνθήκας); 16, 9 (διὰ τοὺς ὅρκους, οὓς ὀμωμόκαμεν), Aischin. leg. 115 (ἔνορκον), 2. Gegner eidbrüchig: a) ἐπίορκος: Demosth. or. 2, 5 (ἐπίορκον καὶ ἄπιστον); 2, 10 (ἀδικοῦντα καὶ ἐπιορκοῦντα καὶ ψευδόμενον); 7, 10; 9, 15; 9, 34; 14, 39 (ἦν τὸ ψεύδεσθαι καὶ ἐπιορκεῖν […] ἐκείνῳ καλόν); Aischin. leg. 153; Ctes. 207 (ἐπιορκεῖ δὲ πάντων προχειρότατα), m. Martin (2009), 170 f., b) παρὰ τοὺς ὅρκους: Demosth. or. 15, 26 (παρὰ τοὺς ὅρκους καὶ τὰς συνθήκας); 17, 4 (παρὰ τοὺς ὅρκους […] καὶ τὰς συνθήκας). Besonders häufig finden sich informelle Eide (Typ VII) – gerade bei Demosthenes (vgl. Unte [²2002], 303): Eide „bei Zeus“: Demosth. or. 1, 19; 1, 23; 4, 10; 4, 11; 4, 49; 6, 13; 6, 14; 8, 7; 8, 9; 8, 16; 8, 17 (zweimal); 8, 19; 8, 28; 8, 34; 8, 50; 9, 15; 9, 68; 10, 17; 10, 26; 10, 50; 10, 73; 13, 16; 14, 12; 14, 38; 15, 13; 18, 117; 19, 46; Lykurg. 140; „bei Zeus und Apollon“: Demosth. or. 9, 65; Aischin. Tim. 81; 88; 108; „bei Zeus, Apollon und Demeter“: Demosth. or. 52, 9; „bei Zeus, Apollon und Athene“: Demosth. or. 21, 198; „bei Zeus und allen Göttern (und Göttinnen)“: Demosth. or. 8, 49; 10, 7; 10, 25; „bei Demeter“ (sic!): Demosth. or. 3, 32 (für eine Zusammenstellung weiterer Belegstellen – v. a. aus dem Werk des Aristophanes – s. jetzt Sommerstein – Bayliss [2013], 164, Anm. 49); „bei den/ allen Göttern“: Demosth. or. 1, 15; 4, 49; 6, 37; 9, 43; 9, 76; 10, 20; 15, 26. Zu der wichtigen Rolle, die der informelle Eid als rhetorisches Mittel bei den Griechen spielte, vgl. schon Ott (1896), 38 f. und Ziebarth (1905), 2077. S. jetzt auch Sommerstein (2007) und insb. Sommerstein – Torrance (2014), 315–326.
V.4. Eidargumente in verschiedenen Gattungsdiskursen
251
Wenn nun einige Typen des Eidarguments wie etwa das Argumentieren mit alten Eiden (πάλαιοι ὅρκοι: Typ III) oder die Betonung der gemeinsamen Leistung eines Schwures (Typ IV) in den rhetorischen Quellen eher selten anzufinden sind, so erklärt sich dies aus dem oben angedeuteten Fehlen unmittelbar ‚diplomatischer‘ Reden, die sich an ein ‚fremdes‘ Gegenüber richten würden. Gegenüber den eigenen Leuten ließen sich manche Argumente, die in zwischenstaatlichen Verhandlungen Usus waren, nicht vorbringen. So zieht der Verweis auf alte Eide oder einen gemeinsamen Schwur eine besondere Kraft aus der Existenz eines Verhandlungspartners, dessen Reputation durch das Argument geschwächt werden kann. Zweitens ist eine besondere Häufigkeit informeller Eide in den rhetorischen Texten zu erkennen. Die angerufenen Gottheiten beschränken sich dabei auf die offiziellen athenischen Schwurgottheiten Zeus, Apollon und Demeter, einmal auch Athene. Dabei übertrifft Zeus die anderen Gottheiten in signifikantem Ausmaß. Instruktiv ist, dass Demosthenes in der Dritten olynthischen Rede sogar einmal einen informellen Eid allein bei Demeter leisten kann.203 Dies ist deshalb interessant, da das Schwurverhalten der Charaktere in den Komödien des Aristophanes lehrt, dass es in Athen eine Korrelation zwischen dem Geschlecht des Schwörenden und demjenigen der angerufenen Gottheit gab, mithin geschlechtsspezifisch geschworen wurde.204 So verrät sich der als Frau verkleidete Mnesilochos in den Thesmophoriazusen dadurch, dass er zweimal bei Apollon schwört.205 Es ist somit davon auszugehen, dass der Schwur eines Mannes allein bei einer weiblichen Gottheit als nicht angemessen angesehen wurde.206 Er erklärt sich in der Demosthenes-Passage aus Demeters Rolle als Hauptgottheit der eleusinischen Mysterien, von denen der Eingeweihte nichts nach draußen berichten durfte.207 Ihre Anrufung hat symbolische Bedeutung und unterstützt den Gedankengang der Passage, denn Demosthenes sagt ja explizit, es sei in Athen „nicht immer möglich, über alles frei zu reden.“208 203 Demosth. or. 3, 32: ταῦτα μὰ τὴν Δήμετρ᾽ οὐκ ἂν θαυμάσαιμ᾽ εἰ μείζων εἰπόντι ἐμοὶ γένοιτο παρ᾽ ὑμῶν βλάβη τῶν πεποιηκότων αὐτὰ γενέσθαι· οὐδὲ γὰρ παρρησία περὶ πάντων ἀεὶ παρ᾽ ἡμῖν ἐστιν, ἀλλ᾽ ἔγωγ᾽ ὅτι καὶ νῦν γέγονε θαυμάζω. – „Es würde mich, bei Demeter, nicht wundern, wenn mir für meine Rede von euch ein größerer Schaden entstünde als denen, die diese Lage verursacht haben. Denn es ist ja bei euch nicht immer möglich, über alles frei zu reden, vielmehr bin ich überrascht, daß es mir auch jetzt erlaubt ist.“ 204 Vgl. Ziebarth (1892), 10–14, (1905), 2076 f., Bain (1984), 39–42, Rutherford (2001), 19, Sommerstein (2009), 18–21, Fletcher (2012), 205 f. m. Anm. 8, dies. (2014) und Sommerstein – Torrance (2014), 322. 205 Aristoph. Thesm. 270, 748. Weitere informelle Eide des Mnesilochos in Aristoph. Thesm. 26 (bei Herakles), 86 (Poseidon) – beide Male vor der Verkleidung; nach der Verkleidung als Frau: Aristoph. Thesm. 225 (Demeter), 254 (Aphrodite). Vgl. zu den Passagen Ziebarth (1905), 2076 f. 206 In parodistischer Weise wird Demeter als Schwurgottheit bei Aristoph. Lys. 271 und Vesp. 629 von alten Männern angerufen. 207 Seit Hom. h. II 478 f. wird in den antiken Quellen strikte Geheimhaltung gefordert. Vgl. etwa Kerényi (1962), 157, Bianchi (1976), 4,-6, Burkert (42003), 12, 14 und Kloft (42010), 9, 17–25, 85 f. (mit dem Verweis auf ein Zitat eines auf Papyrus überlieferten Mysterieneides aus dem 3. Jahrhundert n. Chr., in dem der Isismyste zu schwören hatte, die Mysterien geheim zu halten). 208 Demosth. or. 3, 32.
252
V. Der Eid als Argument in der zwischenstaatlichen Kommunikation
Drittens lässt sich in den rhetorischen Quellen ein zusätzlicher Typus des Eidarguments ausmachen. So konnten Eide auch wörtlich – wie ein Aktenstück – zitiert werden und als Beweisstück angeführt werden.209 Lykurg etwa lässt in seiner im Jahre 330 gehaltenen Rede Gegen Leokrates kurz nacheinander gleich zwei Eide, den Ephebeneid und den Eid von Plataiai, verlesen, um zu verdeutlichen, dass der von ihm angeklagte Leokrates gegen deren Geist verstoßen habe.210 Das Zitieren des Eidtextes ist dabei eingebettet in eine längere Passage, in der Lykurg nach dem Verlesen des Ephebeneids zunächst die allgemeine Bedeutung des Eides für ein demokratisches Gemeinwesen hervorhebt,211 um im Anschluss das Konzept der göttlichen Vergeltung (Typ I) zu evozieren.212 Es folgt der konkret für den Prozess relevante Eid, der gemeinsam „von allen Griechen“ (πάντες οἱ Ἕλληνες: Typ IV) in Plataiai geleistet worden sei.213 Dessen Verlesung solle seinen Zuhörern die Tapferkeit und Tugendhaftigkeit ihrer Vorfahren (τὴν ἐκείνων ἀρετήν) vor Augen führen,214 die alle treu zu ihrem Eid gestanden und dadurch „das Wohlwollen der Götter“ (τὴν παρὰ τῶν θεῶν εὔνοιαν) auf ihrer Seite gehabt hätten.215 Aus diesem vorbildlichen Verhalten der Vorfahren zum Ruhme der Polis Athen resultiere in der Gegenwart die Verpflichtung, schändliches Verhalten wie das des Angeklagten nicht hinzunehmen.216 In welcher Weise sich Leokrates nun genau gegen den Eid vergangen habe, wird von Lykurg nicht gesagt. Die Stoßrichtung des Arguments ist eine moralische und entsteht aus der Kombination einer historischen (Verhalten der Vorfahren) mit einer religiösen Verpflichtung (Eidestreue). Das hier angeführte Eidargument ist damit ein eindeutig polyvalentes. Viertens ist zu konstatieren, dass auch in den rhetorischen Quellen gelegentlich Eide an den besonders betonten Stellen einer Rede, nämlich Anfang und Ende, 209 Dezidiert um den Eid als Beweismittel vor Gericht kreisen auch die philosophischen Überlegungen des Aristot. rhet. I 15,1 (1375a); 12 (1375b); 27–33 (1377a-b). 210 Vgl. Lykurg. 76–82. Das Verlesen des Ephebeneides erfolgt – nach einer Paraphrase in Lykurg. 76 – in Lykurg. 77 (der Eidestext selbst ist hier nicht erhalten, es findet sich allein die Aufforderung an den Grammateus, den Eid vorzulesen, und im Anschluss die Überschrift ΟΡΚΟΣ). Der Eid von Plataiai wird in der Rede dagegen wörtlich zitiert (Lykurg. 81). Vgl. zu dieser Passage Engels (2008), 153–156. Weitere Beispiele für diesen Typus des Eidarguments sind Lykurg. 125 (Demophantos-Dekret), Aischin. leg. 115 und Ctes. 110 f. (Amphiktyoneneid). Zu dem Einfügen von Dokumenten in eine Rede vgl. jetzt für das Werk des Demosthenes Canevaro (2013). 211 Vgl. Lykurg. 79 mit dem vielzitierten und fast immer aus seinem Zusammenhang gerissenen Diktum, der Eid sei „das, was die Demokratie zusammenhält“ (τὸ συνέχον τὴν δημοκρατίαν ὅρκος ἐστί). 212 Vgl. ebd.: τοὺς δὲ θεοὺς οὔτ᾽ ἂν ἐπιορκήσας τις λάθοι οὔτ᾽ ἂν ἐκφύγοι τὴν ἀπ᾽ αὐτῶν τιμωρίαν, ἀλλ᾽ εἰ μὴ αὐτός, οἱ παῖδές γε καὶ τὸ γένος ἅπαν τὸ τοῦ ἐπιορκήσαντος μεγάλοις ἀτυχήμασι περιπίπτει. – „Wer aber seinen Eid gebrochen hat, der bleibt den Göttern nicht verborgen, und er entkommt ihrer Strafe nicht. Vielmehr stürzen, wenn schon nicht er selbst, dann jedenfalls seine Kinder und die ganze Sippe eines Meineidigen in großes Unglück.“ 213 Lykurg. 80. 214 Lykurg. 80. 215 Lykurg. 82. 216 Vgl. Lykurg. 82.
V.5. Das Eidargument im Kontext
253
auftauchen. Ein Beispiel liefert die Dritte philippische Rede des Demosthenes, die mit einem informellen Eid bei allen Göttern schließt.217 Allerdings lässt sich diese Position des Arguments nicht so häufig beobachten wie in den Reden der Historiographie. Dies mag damit zusammenhängen, dass die meisten thematisch relevanten Reden von Demosthenes überliefert sind und dieser, wie Gunther Martin herausgearbeitet hat, bei seinen Reden, sofern er sie nicht für andere verfasste, insgesamt eher selten auf religiöse Argumente zurückgriff.218 Es kann daher auch nicht verwundern, dass religiöse Schlussappelle bei ihm nicht allzu oft anzutreffen sind. Demosthenes scheint religiöse Argumente gerade in der zwischenstaatlichen Sphäre eher für einen Vorwand gehalten zu haben. Dies kommt besonders in seiner Rede Über den Frieden zum Ausdruck, die mit der Empfehlung endet, die Athener sollten nicht „um den Schatten von Delphi (περὶ τῆς ἐν Δελφοῖς σκιᾶς) in den Krieg treten.“219 Es bleibt festzuhalten, dass die rhetorischen Quellen das zunächst aus den Reden der Historiographie gewonnene Bild im Großen und Ganzen bestätigen und sogar noch um einen weiteren Eidtyp erweitern können: So konnten Eidestexte in dem rechtlichen Kontext einer Gerichtsversammlung auch wörtlich als Beweismittel verlesen werden.220 Dass die Häufigkeit eines einzelnen Argumenttyps wie der informellen Eide zwischen den historiographischen und rhetorischen Quellen differiert, ist auf Gattungskonventionen und Vorlieben einzelner Redner zurückzuführen und schränkt das insgesamt positive Ergebnis der ‚Gegenprobe‘ nicht ein. V.5. DAS EIDARGUMENT IM KONTEXT: DAS SPARTANISCHE STRAFGERICHT ÜBER PLATAIAI Nach dem Extrahieren verschiedener Spielarten von Eidargumenten aus den historiographischen und rhetorischen Quellen soll nun anhand eines Beispiels aus dem Werk des Thukydides untersucht werden, wie sich Eidargumente konkret im Zusammenspiel mit anderen Argumenten verhielten.221 Denn das einzelne Argument erhält seinen exakten Sinn ja erst im historischen Kontext einer konkreten Verhand217 Vgl. Demosth. or. 9, 76; so auch die Zweite Rede gegen Philipp (Demosth. or. 6). Die Zweite Olynthische Rede (Demosth. or. 2) thematisiert dagegen gleich im ersten Satz das „Wohlwollen der Götter“ (τὴν παρὰ τῶν θεῶν εὔνοιαν). 218 Vgl. Martin (2009). Deutlich häufiger sind religiöse Argumente dagegen bei Aischines und v. a. bei Lykurg. 219 Demosth. or. 5, 25. 220 Vgl. zu dem auf Kreta bezeugten Verlesen von Eiden als Sicherungsinstrument eines Staatsvertrages Kap. IV.2.1. 221 Bei dem Beispielfall handelt es sich um das spartanische Strafgericht über Plataiai in Thuk. III 52–68, das zuvor schon verschiedentlich angeklungen ist und aus einer Verteidigungsrede der Plataier (III 53–59), einer Gegenrede der Thebaner (III 60–67) und dem Urteil der spartanischen Richter besteht. Vgl. zu der Passage Gomme (1956), 336–358, Hogan (1972), Macleod (1977), Cogan (1981), Hornblower (1991), 442–466, Debnar (2001), 125–146, Jung (2006), 282–289, Schmitz (2010), 57 f., Grethlein (2010), 228–240, 273 f. und Low (2011), 53 f.
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V. Der Eid als Argument in der zwischenstaatlichen Kommunikation
lungssituation, im Spiel von Rede und Gegenrede. Es steht zu erwarten, dass dieser Sinn unter Rückgriff auf die zuvor erstellte Typologie nun im Einzelfall genauer bestimmt werden kann, da jetzt das Gesamtspektrum der möglichen Facetten des Arguments klar vor Augen steht und daraus ex negativo auch geschlossen werden kann, auf welche sonst gängigen Typen des Arguments an einer beliebigen Stelle eben gerade nicht zurückgegriffen wird. Was mit der oben erstellten Typologie konkret erreicht werden kann, soll daher im Folgenden am Beispiel der Verhandlungen zwischen Plataiern, Thebanern und Spartanern aus dem Sommer des Jahres 427 demonstriert werden. Eine Analyse der Debatte über das Schicksal Plataiais ist zudem besonders geeignet, etwas zum Verhältnis zwischen der religiösen und der rechtlichen Dimension des Eidarguments beizutragen, da der Kontext der Verhandlungen einer Gerichtssituation gleichkommt.222 Konkret handelt es sich um ein zwischenstaatliches Schiedsgericht, bei dem spartanische Richter (Λακεδαιμόνιοι δικασταί)223 in einem Konflikt zwischen Plataiern und Thebanern entscheiden. Um die vorgebrachten Argumente richtig einschätzen zu können, ist es wichtig, den Konflikt von seinem thukydideischen Ende her zu betrachten, da hier die parteiische Rolle der spartanischen Richter ungeschminkt zum Ausdruck gebracht wird. Da heißt es an der entsprechenden Stelle: Letzten Endes hatten sich wohl die Lakedaimonier den Plataiern gegenüber so hart gezeigt wegen der Thebaner, von denen sie sich großen Nutzen in dem eben voll entfalteten Krieg versprachen. Ein solches Ende fand Plataiai, dreiundneunzig Jahre nach dem Bündnisvertrag mit Athen.224
Die Passage zeigt deutlich, dass es sich nicht um ein unabhängiges Schiedsgericht, sondern um ein Strafgericht handelte, dessen Ausgang – folgt man Thukydides – schon vor der Verhandlung feststand,225 in den Worten Simon Hornblowers: „The message of the Plataian Debate is that it would have made no difference if there had been no debate at all.“226 Die grausame Behandlung der Plataier ist mit derjenigen der Melier durch die Athener vergleichbar, und man wird nicht fehlgehen, von einem ‚spartanischen Melos‘ zu sprechen.227 Das gilt auch in der Hin222 Vgl. etwa Low (2011), 53. 223 Thuk. III 68,1; fünf an der Zahl: III 52,3. 224 Thuk. III 68,4 f.: σχεδὸν δέ τι καὶ τὸ ξύμπαν περὶ Πλαταιῶν οἱ Λακεδαιμόνιοι οὕτως ἀποτετραμμένοι ἐγένοντο Θηβαίων ἕνεκα, νομίζοντες ἐς τὸν πόλεμον αὐτοὺς ἄρτι τότε καθιστάμενον ὠφελίμους εἶναι. καὶ τὰ μὲν κατὰ Πλάταιαν ἔτει τρίτῳ καὶ ἐνενηκοστῷ ἐπειδὴ Ἀθηναίων ξύμμαχοι ἐγένοντο οὕτως ἐτελεύτησεν. 225 Vgl. Thuk. III 52,4. 226 Hornblower (1991), 462; vgl. auch ebd., 446: „(…) the Spartans simply repeat their original question as if the speeches had never been delivered at all.“ 227 Zur strukturellen Ähnlichkeit der Verhandlungen über Plataiai mit dem Melierdialog vgl. etwa Syme (1962), 52, Macleod (1977), 109, Hornblower (1991), 446. Die Urteilsvollstreckung durch die Spartaner beschreibt Thukydides (III 68,1–3) mit den drastischen Worten: αὖθις τὸ αὐτὸ ἕνα ἕκαστον παραγαγόντες καὶ ἐρωτῶντες, εἴ τι Λακεδαιμονίους καὶ τοὺς ξυμμάχους ἀγαθὸν ἐν τῷ πολέμῳ δεδρακότες εἰσίν, ὁπότε μὴ φαῖεν, ἀπάγοντες ἀπέκτεινον καὶ ἐξαίρετον ἐποιήσαντο οὐδένα. διέφθειραν δὲ Πλαταιῶν μὲν αὐτῶν οὐκ ἐλάσσους διακοσίων, Ἀθηναίων δὲ πέντε καὶ εἴκοσιν, οἳ ξυνεπολιορκοῦντο· γυναῖκας
V.5. Das Eidargument im Kontext
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sicht, dass die Plataier wie später die Melier stark auf religiöse Argumente setzten, deren Relevanz in der aktuellen Situation von beiden Großmächten jeweils nicht anerkannt wurde. Die Verhandlungen über Plataiai beginnen mit einer Rede zweier plataiischer Gesandter, von denen der eine ein Proxenos der Spartaner ist.228 Das Mittel, auf Proxenoi als Gesandte zurückzugreifen, war in der griechischen Diplomatie weit verbreitet und wurde vermehrt in Situationen eingesetzt, in denen man in besonderer Weise auf das Wohlwollen der Gegenseite angewiesen war.229 Die plataiischen Gesandten mussten sich ihr Rederecht nach Thukydides förmlich erstreiten und baten „um die Erlaubnis zu einer längeren Rede (μακρότερα εἰπεῖν)“230. In dieser betonen sie zunächst ihre ausweglose Lage, um im Anschluss ihre historischen Verdienste in den Perserkriegen hervorzuheben und auf ihre Hilfe für die Spartaner beim Helotenaufstand 461 hinzuweisen.231 An der aktuell bestehenden Feindschaft seien die Spartaner selber schuld, da sie ihnen nicht gegen die Thebaner geholfen hätten, die als erste einen Rechtsbruch begangen und sich zudem schon in den Perserkriegen des Medismos schuldig gemacht hätten.232 Die Spartaner sollten daher um ihren guten Ruf bei den anderen Griechen bedacht sein, wenn sie die Plataier gerade um der Thebaner willen bestrafen wollten. Dieses Argument erhält dadurch eine besondere Note, dass es mit einem Verweis auf die Öffentlichkeit der gemeinsamen Heiligtümer (ἱερὰ τὰ κοινά) operiert: „Es wird nicht geheim bleiben, was ihr (…) über uns (…) beschließt.“233 Das religiöse Argument ist damit eingebunden in eine ‚panhellenische‘ Verteidigungsstrategie, die mit den Gemeinsamkeiten aller Griechen argumentiert – und genau in diesen Kontext gehört auch das erste von den Plataiern vorgebrachte Eidargument (Typ II), bei dem es sich um die in III 58,1 chiffreartig angeführten θεοὶ ξυμμαχικοί handelt, die neben die plataiischen „Verdienste um Hellas“234 treten. Die ungewöhnliche Junktur θεοὶ δὲ ἠνδραπόδισαν. τὴν δὲ πόλιν ἐνιαυτὸν μέν τινα Μεγαρέων ἀνδράσι κατὰ στάσιν ἐκπεπτωκόσι καὶ ὅσοι τὰ σφέτερα φρονοῦντες Πλαταιῶν περιῆσαν ἔδοσαν ἐνοικεῖν· ὕστερον δὲ καθελόντες αὐτὴν πᾶσαν ἐκ τῶν θεμελίων (…). – „Daher führten sie (sc. die Spartaner) jeden einzeln vor und fragten ihn wiederum, ob sie den Lakedaimoniern und ihren Verbündeten in dem Krieg einen Dienst erwiesen hätten; sooft einer mit Nein antwortete, ließen sie ihn abführen und hinrichten, und niemanden verschonten sie. Von den Plataiern selbst töteten sie nicht weniger als 200, von den Athenern 25, die mit eingeschlossen waren, die Frauen verkauften sie in die Sklaverei. Die Stadt gaben sie auf ein Jahr Megarern, die bei einem Aufstand vertrieben worden waren, zum Wohnsitz und den überlebenden Plataiern, die ihnen freundlich gesinnt waren. Später rissen sie sie vollständig bis auf den Erdboden nieder (…).“ 228 Vgl. Thuk. III 52,5. Hornblower (1991), 443 f. sieht die authentisch wirkenden Namen der Gesandten – so heißt der spartanische Proxenos ‚Lakon‘ – als Beleg dafür, „that a real speech was delivered by real people.“ 229 Vgl. etwa Hdt. VIII 136, zu dieser speziellen Proxenie Gerolymatos (1986a). Zur Proxenie im Allgemeinen s. Marek (1984) und Gerolymatos (1986b); für die attischen Beispiele s. Walbank (1978), für Eretria Knoepfler (2001), für Kleinasien Culasso Gastaldi (2004). 230 Thuk. III 52,5. 231 Vgl. Thuk. III 53 f. 232 Vgl. Thuk. III 55 f. 233 Thuk. III 57,1. 234 Thuk. III 58,1: (…) καὶ θεῶν ἕνεκα τῶν ξυμμαχικῶν ποτὲ γενομένων καὶ τῆς ἀρετῆς τῆς
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V. Der Eid als Argument in der zwischenstaatlichen Kommunikation
ξυμμαχικοί lässt sich nun kontextbezogen so erklären, dass mit ihr der zuvor beschriebene Rechtsbruch der Thebaner wiederaufgenommen und auf eine religiöse Ebene gehoben werden soll. Es wird somit ganz auf die Polyvalenz des Arguments gesetzt. Die nun einmal aufgenommene religiöse Argumentation durchzieht auch die kommenden Passagen der Rede. So verweisen die Plataier demonstrativ (ἀποβλέψατε) auf die Gräber der 479 gefallenen Väter der Spartaner und den für diese jährlich durchgeführten Kult.235 Die Verpflichtung gegenüber den Vorfahren und die Gültigkeit religiös fundierter, panhellenischer Normen ergeben ein emotionalisierendes Gemisch, mit dem moralischer Druck auf die Spartaner aufgebaut werden soll. Dies kulminiert nach einem erneuten Appell an „die allen Griechen gemeinsamen Gesetze“236 und die Verpflichtung gegenüber den Vorfahren im Schlussplädoyer in den Worten: (…) und wir rufen zu den Göttern, die an gemeinsamen Altären alle Hellenen (θεοὺς τοὺς ὁμοβωμίους καὶ κοινοὺς τῶν Ἑλλήνων) verehren: Hört auf unsere Bitte! Wir halten euch die Eide vor, die eure Väter geschworen haben (προφερόμενοι ὅρκους οὓς οἱ πατέρες ὑμῶν ὤμοσαν), auf dass ihr sie nicht vergessen möget; schutzflehend (ἱκέται) stehen wir an den Gräbern eurer Ahnen und rufen die Toten zu Hilfe.237
Das Argument der von den Vätern geleisteten Eide (Typ III) ist eingebettet in eine eindeutig religiöse Argumentation und wird von den gemeinsamen Göttern auf der einen und der Hikesie auf der anderen Seite gerahmt. Die Anführung der gemeinsamen und an den gleichen Altären verehrten Götter nimmt die Perserkriegsargumentation wieder auf,238 während das Hikesieargument auf den Rechtsbruch der Thebaner und die moralische Verpflichtung der spartanischen Richter zurückgeht. Die Passage zeigt deutlich, wie ein zunächst polyvalenter Typus des Eidarguments in Verbindung mit anderen Argumenten zu einem eindeutig religiösen aufgeladen werden konnte. Dass dies gerade gegen Ende der Rede erfolgte, entspricht ganz den Gepflogenheiten diplomatischer Rede bei den Griechen. Der letzte Satz der Plataier nimmt dann sowohl ihre panhellenischen Verdienste in den Perserkriegen als auch die religiöse Argumentation in Form des Hikesiearguments noch einmal auf, letzteres in Verbindung mit einem Appell an die pistis der Spartaner.239 ἐς τοὺς Ἕλληνας (…). 235 Zu dem Verweis auf „die Gräber eurer Väter“ (Thuk. III 58,4) Grethlein (2010), 232; zu dem Kult für die Perserkriegsgefallenen Jung (2006), 259–271. 236 Thuk. III 59,1: (…) τὰ κοινὰ τῶν Ἑλλήνων νόμιμα (…). 237 Thuk. III 59,2. 238 Die Passage greift eindeutig herodoteische Vorstellungen auf. Vgl. Hdt. VIII 144,2 (τὸ Ἑλληνικόν, ἐὸν ὅμαιμόν τε καὶ ὁμόγλωσσον, καὶ θεῶν ἱδρύματά τε κοινὰ καὶ θυσίαι ἤθεά τε ὁμότροπα). Aus der umfangreichen Literatur zu dieser berühmten und für Fragen griechischer Ethnizität so zentralen Passage vgl. Schachter (2000), 10, Konstan (2001), Hall (2002), 189–192, Zacharia (2008), Funke (2009), 292 und Polinskaya (2010). S. für die gemeinsamen Götter als Argument ferner Hdt. V 49 (πρὸς θεῶν τῶν Ἑλληνίων), V 92θ (Ἐπιμαρτυρόμεθά [sic!] τε ἐπικαλεόμενοι ὑμῖν θεοὺς τοὺς Ἑλληνίους), V 93 (Ἱππίης … τοὺς αὐτοὺς θεοὺς ἐπικαλέσας). 239 Vgl. Thuk. III 59,4: ἐπισκήπτομέν τε ἅμα μὴ Πλαταιῆς ὄντες προθυμότατοι περὶ τοὺς
V.5. Das Eidargument im Kontext
257
Die Entgegnung der thebanischen Gesandten ist von einem deutlich realistischeren Ton geprägt und beginnt direkt mit einem Vorwurf: Die Plataier hätten sich der thebanischen Führung nicht untergeordnet und auf diese Weise – anders als alle anderen Boioter – „mit althergebrachter Sitte“240 gebrochen. Den Medismos-Vorwurf kontern sie mit der dreisten Gegenklage, die Plataier hätten in den Perserkriegen nur wegen der Athener auf der griechischen Seite gestanden. An historischen Argumenten haben sie außer dem Verweis auf Koroneia wenig vorzubringen und verlegen sich daher darauf, dass παλαιαὶ ἀρεταί241 wertlos seien. Der aktuellen Tat sei der Vorrang vor schönklingenden Worten einzuräumen.242 Für die Plataier haben sie nur Verachtung übrig. Diese sollten „aus ihrem Wehklagen und eurem (sc. dem spartanischen) Mitleid keinen Gewinn ziehen“243. Das Thema von Mitleid und Rache spielt überhaupt eine große Rolle in der Rede der Thebaner. Es kann daher nicht verwundern, dass sie auch das Motiv der doppelten Vergeltung verwenden.244 Die thebanischen Argumente klingen nach heutigem Empfinden sehr schroff, bewegen sich aber durchaus im Rahmen griechischer Erwiderungsmoral.245 Ihre Rache sei gottgewollt, denn Mitleid verdiene nur, „wer unverdient leidet; wer es aber verdient, wie diese, über (dessen Los) darf man sich ganz im Gegenteil noch freuen.“246 Bedenkt man diesen aggressiven Grundton der thebanischen Rede und die plataiischen Vorwürfe, die ihr vorangingen, lassen sich auch die Eidargumente der Thebaner noch besser einordnen. Die Thebaner argumentieren dreimal mit Eiden und wählen dabei jeweils die Form der Betonung der gemeinsamen Leistung des Eides. Inhaltlich gemeint ist jeweils der Hellenenbund von 481, den die Plataier gemeinsam mit den anderen Griechen beschworen hatten. Dieser habe sie aber nicht davon abgehalten, die anderen Griechen durch ein Bündnis mit Athen zu verraten oder an der Unterwerfung Aiginas mitzuwirken. Das jeweils dem Schwurwort vorangestellte ξυν- ist nicht als ein terminus technicus für den Hellenenbund zu verstehen, vielmehr soll es die Gemeinschaftsemphase, die aus der plataiischen Argumentation mit den eigenen panhellenischen Verdiensten spricht, an der Realität messen und auf ein gesundes Maß zurechtstutzen. Das Eidargument dient damit der gezielten Schwächung der Perserkriegsargumentation der Gegenseite. Dies hat den für die Thebaner positiven Nebeneffekt, dass sie auf eine gewisse Solidarität der Spartaner spekulieren konnten, da jene seit den Perserkriegen immer wieder mit Ἕλληνας (…) καὶ τῆς ὑμετέρας πίστεως ἱκέται ὄντες (…). – „Wir beschwören euch noch einmal, uns Plataier, die wir uns so entschlossen für die Sache der Hellenen eingesetzt haben, (…) und die wir als Schutzflehende an eure Redlichkeit appellieren (…).“ 240 Thuk. III 61,2: ἔξω δὲ τῶν ἄλλων Βοιωτῶν παραβαίνοντες τὰ πάτρια. 241 Thuk. III 67,1. 242 Vgl. Thuk. III 67,6. 243 Thuk. III 67,2. 244 Vgl. Thuk. III 67,2: διπλασίας ζημίας. 245 Vgl. zur griechischen „Erwiderungsmoral“ am Beispiel der Rache Gehrke (1987). 246 Thuk. III 67,4: οἴκτου τε ἀξιώτεροι τυγχάνειν οἱ ἀπρεπές τι πάσχοντες τῶν ἀνθρώπων, οἱ δὲ δικαίως, ὥσπερ οἵδε, τὰ ἐναντία ἐπίχαρτοι εἶναι. Die gottgewollte Rache taucht auf in Thuk. III 67,1.
258
V. Der Eid als Argument in der zwischenstaatlichen Kommunikation
dem athenischen Loblied auf die eigenen, alleinigen Verdienste in den Perserkriegen konfrontiert wurden.247 Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass eine kontextbasierte Analyse der Verhandlungen um das Schicksal Plataiais zeigt, wie flexibel der Eid als Argument eingesetzt werden konnte, um Argumenten ganz anderer Couleur zu begegnen (Rede der Thebaner). Die Analyse lässt zudem erkennen, wie ein ansonsten unspezifisch gebrauchter Typ des Eidarguments durch die Verbindung mit anderen Argumenten religiös aufgeladen werden konnte (Rede der Plataier). Es dürfte dabei deutlich geworden sein, wie prominent religiöse Argumente im Allgemeinen und der Eid im Speziellen im zwischenstaatlichen Diskurs figurierten. V.6. „ONLY THE USUAL THINGS“? ZUM VERHÄLTNIS VON HÄUFIGKEIT UND RELEVANZ DES EIDARGUMENTS. EINE ZUSAMMENFASSUNG Arnold Wycombe Gomme kommentiert die gerade untersuchte Plataier-Rede mit den Worten, diese bringe „only the usual things“, die er als „the Persian wars, the gods and the oaths“248 präzisiert. Die Perserkriege waren nun unzweifelhaft ein äußerst beliebtes Argument in der zwischenstaatlichen Kommunikation der Griechen249 und historischen Argumenten wie diesen kam durchaus ‚Ritualcharakter‘250 zu. Allerdings stellten Vergangenheitsbezüge in der zwischenstaatlichen Kommunikation keine bloße Routine dar; vielmehr resultierte aus ihnen eine Verpflichtung für die Gegenwart.251 Für die hier verfolgte Fragestellung ist nun zu klären, inwieweit Gommes apodiktische Setzung in Bezug auf das Eidargument zutrifft. Es dürfte deutlich geworden sein, dass eine umfassende Analyse der Verwendung des Eidarguments in der zwischenstaatlichen Kommunikation zu einem differenzierteren Ergebnis kommen muss. Gommes Urteil beinhaltet ja zwei Aspekte: Während ihm in Bezug auf die Häufigkeit des Arguments zuzustimmen ist, ist seine 247 Es soll keineswegs behauptet werden, dass die Spartaner am ‚Kampf um die Erinnerung‘ an die Perserkriege nicht genauso aktiv teilgenommen hätten – man vgl. nur die Untersuchungen von Albertz (2006) und Jung (2006) (mit den Belegstellen). Gerade die Betonung der alleinigen Verdienste, die von den Plataiern in der Form ‚als einzige von allen Boiotern‘ adaptiert wurde, ist aber ein typisch athenisches Motiv, das sie in Bezug auf die Schlacht von Marathon immer wieder verwendeten (s. Jung [2013], 27–29). 248 Gomme (1956), 346. 249 Dies galt noch im 1. Jahrhundert, wie eine bei Plut. Sulla 13 überlieferte Episode eindrucksvoll belegt, nach der athenische Gesandte anlässlich der Belagerung der Stadt durch Sulla im Jahre 87 gegenüber der römischen Seite in traditioneller Weise mit Theseus, Eumolp und eben den Perserkriegen argumentiert hätten, worauf Sulla allerdings mit blankem Unverständnis reagiert habe. Die Passage lehrt zugleich, dass das Argument der Perserkriege gegenüber Vertretern eines anderen Kulturkreises nicht verfangen konnte. Vgl. zu der Passage instruktiv Chaniotis (2009), 162. 250 Vgl. Chaniotis (2009), 159–162. 251 Vgl. Chaniotis (2009). 158.
V.6. „Only the usual things“?
259
implizit mitschwingende, pauschale Einschätzung einer geringen Relevanz des Arguments abzulehnen. Die Bezugnahme auf Eide stellte in zwischenstaatlichen Verhandlungen immer wieder ein zentrales Argument dar, wobei man mit Vorliebe die religiöse Dimension dieses Arguments herausstellte. Gerade diese ist von zentraler Bedeutung: Vertrag und Vertragsbruch wurden, insbesondere wenn es hart auf hart ging, religiös interpretiert. Man argumentierte in solchen Fällen bevorzugt mit dem Eid (ὅρκος), nicht mit dem Vertrag (συνθήκαι oder ähnliches). Dies ist signifikant, da der Eid formal gesehen nur einen Teil des Vertrags repräsentierte und man somit argumentativ einen Aspekt anstelle des Ganzen besonders hervorhob.252 Die religiöse Fundierung des Arguments hatte dabei den Sinn, die Relevanz des Arguments zu untermauern. Über die religiöse Dimension des Vertrags ließ sich das Argument emotionalisieren und damit seine Bedeutung steigern. Ein Eidargument wurde daher nicht bloß routinemäßig angeführt, schließlich stand die Unterstützung der Götter auf dem Spiel. Da man diese Unterstützung nicht verlieren wollte, beachtete man gegenüber anderen Griechen peinlich genau bestimmte Grenzen des Arguments, die insbesondere darin bestanden, die Götter nicht ausdrücklich als die eigenen Symmachoi zu bezeichnen. Das Eidargument wurde also nicht willkürlich eingesetzt, sondern sein Gebrauch gehorchte gewissen Regeln. Ein solches Ergebnis zieht die Frage nach sich, inwieweit es im Laufe der Zeit Veränderungen in Bezug auf Häufigkeit, Relevanz und – damit zusammenhängend – Inhalt des Eidarguments gab. Im 5. Jahrhundert scheint das Konzept der göttlichen Vergeltung gelegentlich noch etwas eindringlicher ausgemalt worden zu sein (Glaukos-Parabel), während die schiere Häufigkeit des Eidarguments im 4. Jahrhundert zunahm. So heißt es in Xenophons Hellenika über die athenisch-spartanischen Verhandlungen im Jahre 369: Der Eid sei in der Rede der Spartaner „das am häufigsten wiederkehrende Argument (ὁ δὲ πλεῖστος λόγος)“253 gewesen. Dies ist allerdings nur eine quantitative, keine qualitative Aussage. Qualitativ sah Xenophon das wichtigste Argument in dieser Rede in einem historischen Argument, nämlich in dem spartanischen Verweis darauf, dass sie selbst nach dem Peloponnesischen Krieg gegen die Forderungen ihrer Bündner durchgesetzt hätten, dass Athen nicht 252 Es gibt selbstverständlich auch Beispiele, in denen mit dem Vertrag argumentiert wird. Allerdings sind diese vergleichsweise selten: so etwa Thuk. I 123,2, wo auf die σπονδαί von 446/ 45, also den 30jährigen Frieden, zurückgegriffen wird. Das σπονδαί-Argument ist hier allerdings schon durch das Anführen eines (angeblichen) delphischen Orakelspruchs, der besagte, der Gott sei aufgrund des Vertragsbruchs der Athener aufseiten der Spartaner, ein eindeutig religiöses (zu dem Orakelspruch Trampedach [2015], 218 f. m. Anm. 162). Vielleicht war es daher gerade aus diesem Grund nicht mehr nötig, die Eide anzuführen. Ein ähnliches Phänomen findet sich epigraphisch bezeugt in IG XII 6, 1, 127 (= HGIÜ II 309): Die Inschrift gibt eine Entscheidung des Lysimachos über einen Territorialstreit der Samier und Prieneer wieder. Im Verlaufe der Verhandlungen argumentierten die Prieneer (Z. 12 f.) mit „Geschichtsdarstellungen“, weiteren Zeugnissen und Dokumenten, „einschließlich der Sechsjährigen Waffenruhe“ (ἔκ τε τῶν ἱστοριῶ ̣ [ν καὶ] / [τῶν ἄ]λ̣ λων μαρτυρίων καὶ δικαιωμάτων μ̣[ε]τὰ τῶν ἑξετῶν σ[πον]δῶ[ν.]). 253 Xen. Hell. VI 5,36: ὁ δὲ πλεῖστος ἦν λόγος ὡς κατὰ τοὺς ὅρκους βοηθεῖν δέοι. – „Aber das am häufigsten wiederkehrende Argument (der Lakedaimonier) war, dass sie (sc. die Athener) den geschworenen Eiden gemäß zur Hilfe verpflichtet seien.“
260
V. Der Eid als Argument in der zwischenstaatlichen Kommunikation
dem Erdboden gleichgemacht worden sei.254 Solche Aussagen griechischer Historiker über die Häufigkeit und Bedeutung verschiedener Argumente sind leider sehr selten. Die extrem große Bedeutung, die hier dem historischen Argument zugeschrieben wird, ist der konkreten Situation geschuldet, in der dieses spezifische Argument besonders gut verfangen musste. Allgemeine Schlüsse über die Relevanz historischer Argumente lassen sich daher aus der Passage kaum ziehen. In Bezug auf die Eide verhält sich dies allerdings anders, da es sich um ein völlig unspezifisches, sehr allgemeines Eidargument (κατὰ τοὺς ὅρκους: Typ VI) handelt. Die Aussage wird zudem von der folgenden Rede des Korinthers Kleiteles bestätigt, der ebenfalls – in typischer Weise am Ende seiner Rede – auf die Eide verweist.255 Die Xenophon-Passage weist somit auf eine besondere Popularität des Eidarguments im 4. Jahrhundert hin. Es ist kein Zufall, dass Lykurg und Platon gerade im 4. Jahrhundert eine Omnipräsenz der Institution des Eides in Athen ausmachen, wenn auch in einem anderen Kontext.256 Das Argumentieren mit Eiden dürfte einen ersten Schub durch die von religiösen Argumenten durchdrungene griechische Diplomatie der Perserkriegszeit erhalten haben. Diese hatte einen antipersischen Barbarendiskurs hervorgebracht, der häufig mit Appellen an die gemeinsamen Götter aller Hellenen operierte,257 die nach den Perserkriegen obsolet wurden, aber zugleich zu einer zunehmenden Verbreitung religiöser Argumente in der griechischen Diplomatie führten. Statt an die gemeinsamen Götter zu appellieren, agierte man nun verstärkt mit den gemeinsamen Eiden, die – wie der antipersische Hellenenbund – ebenfalls von den Göttern geschützt wurden. Einen zweiten Schub dürfte das Eidargument durch den Peloponnesischen Krieg erhalten haben. Schon in dessen Vorfeld – und dann immer wieder in dessen Verlauf – stellte die Gültigkeit eines Vertrages ein zentrales Argument dar. Da man nun in den Perserkriegen die Wirksamkeit religiöser Argumente im zwischenstaatlichen Bereich erfahren hatte, wurde dieser Vertragsdiskurs nach Möglichkeit über die geleisteten Eide geführt. Es spielte zudem eine Rolle, dass beide Kriege extreme 254 Vgl. Xen. Hell. VI 5,35: μέγιστον δὲ τῶν λεχθέντων παρὰ Λακεδαιμονίων ἐδόκει εἶναι ὅτι ἡνίκα κατεπολέμησαν αὐτούς, Θηβαίων βουλομένων ἀναστάτους ποιῆσαι τὰς Ἀθήνας, σφεῖς ἐμποδὼν γένοιντο. – „Am schwersten von all dem, was die Lakedaimonier vorgebracht hatten, schien das Argument ins Gewicht zu fallen, dass nach der Bezwingung der Athener am Ende des Krieges, als die Thebaner verlangten, Athen müsse dem Erdboden gleichgemacht werden, die Lakedaimonier es waren, die dem entgegentraten.“ Vgl. zu der Passage auch Chaniotis (2009), 159 f. 255 Vgl. Xen. Hell. VI 5,37. Kleiteles verwendet zunächst Typ VI des Eidarguments (οὐ παρὰ τοὺς ὅρκους ποιήσετε;) und geht dann zu Typ IV, der Betonung der gemeinsamen Leistung des Eides, über (ὅπως πᾶσιν ὑμῖν πάντες ὑμεῖς ὀμόσαιμεν;). 256 Vgl. die berühmten Passagen Lykurg. 79 und Plat. leg. 948d-e. Beide ziehen daraus zwar einander diametral entgegengesetzte Schlüsse – der eine spricht vom Fundament der Demokratie, der andere bezeichnet die Hälfte seiner Mitbürger als Meineidige –, sie sind sich aber in Bezug auf die Häufigkeit der Eidesleistung einig. Die Häufigkeit des Eidarguments im 4. Jahrhundert lässt sich zudem gut in eine allgemeinere Beobachtung von Martin (2009), 203 einbetten: „A major speech in a political trial without any reference to the realm of religion, it seems from the preceding analysis, was in practice unthinkable in fourth-century Athens. (…) the religious realm is continuously present in any discourse.“ 257 Vgl. etwa Hdt. V 49; V 92θ.
V.6. „Only the usual things“?
261
Krisensituationen darstellten, in denen sich gerade die emotionalisierende Funktion religiöser Argumente besonders gewinnbringend einsetzen ließ.258 Ein solcher „emotional effect“259 stellte überhaupt eine zentrale Funktion des Eidarguments dar. So ließen sich Eide besonders gut als Schlussappell am Ende einer Rede einsetzen. Diese Funktion konnte vermehrt in besonders hitzigen Debatten beobachtet werden. Neben dieser speziellen Komponente konnte mit dem Eid aber gerade auch auf ganz vielfältige Weise argumentiert werden, was den wichtigsten Grund für seine große Beliebtheit in der zwischenstaatlichen Kommunikation darstellte. Dabei konnten ganz verschiedene Dinge wie das Konzept der göttlichen Vergeltung, das Alter der Vereinbarung, die Gemeinsamkeit der Leistung oder die besondere Größe des Eides hervorgehoben werden. Die Vielseitigkeit des Eidarguments stellte somit einen entscheidenden Vorteil dar und sorgte dafür, dass der Eid im Rahmen einer ‚komplexen Überzeugungsstrategie‘ zu einem Standardargument zwischenstaatlichen Argumentierens wurde. Eine tatsächliche Polyvalenz des Eides wurde dabei weniger im jeweiligen Einzelfall gesucht, in dem eher die klare Identifizierbarkeit des vorgebrachten Arguments im Vordergrund stand; sie war aber Voraussetzung dafür, dass der Eid sich so häufig und vielfältig einsetzen und mit anderen Argumenten kombinieren ließ. Zielgruppe des Arguments waren zumeist die eigenen Mitbürger oder Bündner, gelegentlich auch eine panhellenische Öffentlichkeit.260 Eidargumente konnten sich aber auch im Sinne einer Abschreckung an die gegnerische Seite richten. Sie waren somit auch in dieser Hinsicht äußerst flexibel. Diese Flexibilität sieht auch Simon Hornblower, wenn er konstatiert: „Accusations of oath-breaking were not exactly routine and might be very serious indeed, but on occasion they might be little more than point-scoring diplomacy.“261 Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass es sich auch in Fällen einer solchen „pointscoring diplomacy“ – Hornblower denkt etwa an die Frevelvorwürfe zu Beginn des Peloponnesischen Krieges – nicht um bloße Routinereflexe handelte; vielmehr wurde das Argument sehr bewusst eingesetzt: Der athenische Zusatz unter der Stele des Nikiasfriedens legt davon ein beredtes Zeugnis ab. Wie lassen sich diese Ergebnisse nun im Rahmen einer allgemeineren Fragestellung nach dem Verhältnis von religiösem und rechtlichem Feld im antiken Griechenland verorten? Eide haben in der Antike immer sowohl eine religiöse als auch eine rechtliche Dimension: Die beiden Felder lassen sich in Bezug auf die Institution des Eides nicht strikt voneinander trennen. Untersucht man aber den Eid als Argument, zeigt sich, dass doch häufig einzelne Aspekte besonders hervorgehoben werden. Man wird ohne Zweifel konstatieren können, dass es in der Mehrzahl der Fälle ein religiöser Aspekt des Eides war, der betont wurde. Es konnte durchaus 258 Vgl. dazu etwa Martin (2009), 234: „(…) we see that religious argumentation can mostly be found in speeches delivered in crises. At these moments it is necessary to take action.“ Vgl. auch Ebd., 293. 259 Martin (2009), 226 in Bezug auf andere religiöse Argumente. 260 So auch Baltrusch (2006), 167: „In jedem Fall bedarf Außenpolitik der Legitimation, zum einen innerhalb der jeweiligen Gemeinschaft, zum anderen aber auch innerhalb der ‚Völkergemeinschaft‘.“ 261 Hornblower (2007), 139.
262
V. Der Eid als Argument in der zwischenstaatlichen Kommunikation
mit dem Eid argumentiert und dabei auf seine Zugehörigkeit zu einem der beiden Felder rekurriert werden. Dies war allerdings nicht zwingend, wie die Fälle verdeutlichen, bei denen der rechtliche und der religiöse Aspekt gemeinsam auftreten, mithin die Felder überlappen.
VI. VERTRAGSEIDE ZWISCHEN GRIECHEN UND NICHTGRIECHEN Den Ausgangspunkt dieses Kapitels bildet die Frage, ob und wenn ja inwiefern sich die griechische Vertrags- und Eidespraxis veränderte, wenn sie auf Vertreter eines fremden Kulturkreises traf. Das Kapitel gliedert sich in drei Abschnitte. In den ersten beiden steht die Eidespraxis im Vordergrund, also zum einen die im Eidritual geschlachteten Opfertiere und zum anderen die Liste der Schwurgottheiten. Im dritten Abschnitt gilt es, das Ausmaß gegenseitigen Vertrauens bei Vertragsschlüssen zwischen Griechen und Nichtgriechen zu untersuchen.1 Es steht jeweils zu fragen, ob sich signifikante Unterschiede zu den innergriechischen Verhältnissen finden lassen. In Bezug auf die Eidespraxis ist zu untersuchen, inwieweit auf typisch griechische Formen zurückgegriffen wurde bzw. inwieweit diese an das jeweilige Gegenüber angepasst werden konnten oder mussten. Wenn möglich, gilt es, das Ausmaß des gegenseitigen Vertrauens mit den im Eidritual getroffenen Maßnahmen in Beziehung zu setzen. Vorab ist auf ein Quellenproblem hinzuweisen: Es wird in den antiken Zeugnissen zwar vielfach en passant von Bündnissen griechischer Poleis mit nichtgriechischen Mächten berichtet,2 die originale Bündnisurkunde ist aber in den allermeisten Fällen nicht erhalten. Stattdessen finden sich zumeist die wichtigsten Vertragsklauseln an verstreuten Stellen in den historiographischen Quellen. Dieser Befund ist für die hier verfolgte Fragestellung deshalb besonders wichtig, da es zu den Gattungskonventionen griechischer Historiographie gehörte, dass ihre Vertreter bei der Wiedergabe von Vertragstexten die religiösen Elemente des Bündnisschlusses wie das Eidritual und v. a. die Liste der Schwurgötter außer Acht ließen.3 Wenn aber aufgrund einer glücklichen Fügung der Überlieferung gelegentlich doch Teile des Eidrituals bzw. der Schwurgötter bezeugt oder rekonstruierbar sind, so muss stets das Problem der Repräsentativität der zu gewinnenden Aussagen in Rechnung gestellt werden. Generelle Schlussfolgerungen über die griechische Eidespraxis bei 1
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Dies ist zugegebenermaßen ein schwieriges Unterfangen, das sich des Einwandes erwehren muss, auf allzu vagen Annahmen zu beruhen. Es wird gleichwohl zu zeigen sein, dass sich durchaus valide Indikatoren dafür finden lassen, den Umfang gegenseitigen Vertrauens zu bestimmen, sei es anhand des epigraphisch überlieferten Vertragsformulars oder sei es anhand des Verlaufs der Verhandlungen oder der auf den Vertragsschluss folgenden Beziehungen, wie sie sich nach den historiographischen Quellen darstellen. So hört man in den Quellen nicht nur von Verträgen griechischer Poleis mit antiken Großmächten wie den Lydern (StV II 105, 109, 113), Persern (Belege, s. Anm. 30), Ägyptern (StV II 221), Karthagern (Belege s. Anm. 65) und Römern (StV III 444, 467, 536, 542 und IG VII 2225 [= HGIÜ III 475]), sondern auch von solchen mit Kelten (StV II 246, III 469), Nabatäern (StV III 427) und sogar mit einem indischen Herrscher (StV III 441). Vgl. Berti (2006), 200 (mit Bezug auf Thukydides).
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VI. Vertragseide zwischen Griechen und Nichtgriechen
Vertragsschlüssen mit fremden Mächten sind daher immer mit einer gewissen Zurückhaltung zu ziehen. VI.1. DIE WAHL DER OPFERTIERE Einen Bereich, in dem es möglich ist, sich der Vertragspraxis zwischen Griechen und Nichtgriechen anzunähern, stellt das Eidritual dar. Von großer Bedeutung ist hier eine Passage aus Xenophons Anabasis, die bereits in Kapitel III.3. kurz angesprochen worden ist: Bei der Beschreibung eines Bündnisschlusses zwischen den griechischen Söldnern und dem Perser Ariaios erwähnen einige Handschriften neben einem Eber, einem Widder und einem Stier auch einen Wolf als Opfertier.4 Diese Lesung ist freilich umstritten.5 Es ist daher vorab auf das textkritische Problem einzugehen, bevor eine historische Interpretation der Passage erfolgen kann. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Lesart ταῦρον καὶ λύκον καὶ κάπρον καὶ κριόν den consensus codicum (L) repräsentiert und das in Frage stehende καὶ λύκον nur in C1, also der ersten Hand des Parisinus 1640, fehlt. Der Handschrift C ist zwar lange eine große Bedeutung beigemessen worden, aber auch in ihr ist der Wolf durch eine spätere Hand (C2) ergänzt worden; zudem ist ihr Rang umstritten.6 Es ist somit zu konstatieren, dass sich die Lesung καὶ λύκον in beiden großen Handschriftenklassen findet, in die sich die Überlieferung der Anabasis einteilen lässt.7 Sie ist außerdem durch eine unabhängige Parallelüberlieferung gestützt: So findet sich in der Suda unter dem Lemma συνθήκη eine Paraphrase von Xen. an. II 2,8–9, die unter den Opfertieren auch den Wolf anführt.8 Es ist allerdings unklar, ob hier direkte Benutzung der Anabasis vorliegt oder ob der Kompilator der Suda die Xenophon-Passage indirekt aus lexikalischen Quellen geschöpft hat.9 In jedem Fall gelangt man aber mit den ältesten Handschriften der
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Xen. an. II 2,9: ταῦτα δ’ ὤμοσαν, σφάξαντες ταῦρον καὶ λύκον καὶ κάπρον καὶ κριὸν εἰς ἀσπίδα, οἱ μὲν Ἕλληνες βάπτοντες ξίφος, οἱ δὲ βάρβαροι λόγχην. Der Text ist hier nach Hudes Edition gegeben. (Unterstreichung v. Verf.). In den Text nehmen λύκον die Ausgaben von Dindorf und Hude. Die Lesung ohne λύκον bevorzugen Hug, Rehdantz, Marchant und Masqueray. In den Wörterbüchern und Indices von Sauppe (1869), Strack (101909) und Vollbrecht (81894) taucht die Passage Xen. an. II 2,9 unter dem Lemma λύκος jeweils auf. Vgl. etwa schon Strack (101909), I: „Ob C so überwiegendes Ansehen verdient, wie man ihm infolge des Einflusses von Hug und Gemoll fast allgemein zuerkennt, ist mir seit langer Zeit zweifelhaft.“ Vgl. Marchant (1904), III: „Iam inde a prima L. Dindorfi editione (Lips. 1825) constat codicum Expeditionis Cyri duo esse genera, (…).“ Suda s. v. συνθήκη (Σ 1588): ὁμολογία. Ξενοφῶν· οἱ δὲ σὺν Κύρῳ ἀναβάντες Ἕλληνες πρὸς Πέρσας συνθήκας ἔθεντο, σφάξαντες ταῦρον καὶ λύκον καὶ κάπρον καὶ κριόν· εἰς ἀσπίδα βάπτοντες οἱ μὲν Ἕλληνες ξίφος, οἱ δὲ βάρβαροι λόγχην, ὀμόσαντες, μὴ προδώσειν ἀλλήλους, σύμμαχοί τε ἔσεσθαι. οἱ δὲ βάρβαροι προσώμοσαν καὶ ἡγήσεσθαι ἀδόλως. (Unterstreichung vom Verf.). Adler (1931), 702.
VI.1. Die Wahl der Opfertiere
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Suda, dem Parisinus 2626 und dem Vossianus, bis ins 12. Jahrhundert zurück, d. h. gut 200 Jahre weiter als mit den frühesten Handschriften der Anabasis.10 Eine examinatio der handschriftlichen Überlieferung führt somit zu dem Ergebnis, als beste Lesart ταῦρον καὶ λύκον καὶ κάπρον καὶ κριόν anzunehmen. Zu diskutieren bleibt allerdings noch eine Konjektur Friedrich Heinrich Bothes, auf die noch in einigen neueren Ausgaben verwiesen wird: Bothe konjizierte καὶ λύκον zu πάλλευκον.11 Seine Erklärung der von ihm angenommenen Korruptel (πάλλευκον – καλλευκον – και λευκον – καὶ λύκον) ist nach den Regeln der Textkritik schulmäßig – nur ist sie gar nicht notwendig. Es ist wichtig zu betonen, dass Bothes Konjektur ein historisch-interpretatorisches, nicht ein textkritisches Problem zugrundeliegt: Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die Beobachtung, dass der Wolf bei den Griechen nirgends als Opfertier auftauche und daher suspekt sei.12 Dies ist allerdings nur in Bezug auf Eidopfer richtig,13 als Opfertier bei anderen Ritualen ist ein Wolf dagegen für Argos und – laut Pausanias VII 18,12 – auch für Patrai belegt.14 Der Wolf als Opfertier war den Griechen also nicht gänzlich unbekannt. Zudem hat man gerade in außergewöhnlichen Situationen wie derjenigen, in der sich die griechischen Söldner zweifellos befanden, mit einer besonderen, vielleicht intensivierten Form des Rituals zu rechnen.15 Man wird daher nicht fehlgehen, den am besten überlieferten Text zu akzeptieren. Wie ist nun aber die Wahl des Wolfes als Opfertier zu erklären? Eine Möglichkeit wäre es, den Wolf als ein ‚persisches Element‘ zu deuten. Nach dieser Interpretation wäre der Wolf von Ariaios als Opfertier mitgebracht worden. Allerdings ist der Wolf auch bei den Persern kein gängiges Opfertier, wie ein Blick in jungavestische Texte und griechische Beschreibungen der persischen Religion verdeutlicht: Hier tauchen v. a. Pferde, Schafe und Rinder als Opfertiere auf.16 Von den zwei in der älteren Forschung17 gelegentlich für den Wolf als persisches Opfertier an10 11 12
Adler (1931), 675 f. Vgl. Bothe (1845), 632 f. Bothe (1845), 633: „Dieß Bundesopfer der Griechen und Perser wäre einzig in seiner Art, wenn man annehmen könnte, daß der Wolf hier an seiner Stelle sei. Aber nirgend, wo Bündnisse, feierliche Eidschwüre, Lustrationen, wie die Suovetaurilia der Römer, beschrieben werden, erscheint das Raubthier neben jenen Hausthieren, deren Fleisch, nachdem die Götter ihren Theil empfangen, zum Opferschmause verwendet ward.“ – Zurückweisung der Konjektur Bothes bei Stengel (1910), 196, Anm. 1. 13 Zwar verweist Stengel (31920), 137, Anm. 14 auf Lykophr. Alex. 329, wo auch tatsächlich λύκοις und ὅρκιον in ein und demselben Vers auftauchen. Allerdings ist λύκοις hier – wie so oft in der Alexandra – metaphorisch gebraucht und bezeichnet nicht Wölfe als Raubtiere, sondern eine Personengruppe – entweder alle Achaier vor Troja oder konkret Achills Myrmidonen. Vgl. zu diesem Vers Holzinger von Weidich (1895), 219, Lambin (2005), 79 und Hurst (2008), 148. 14 Vgl. Stengel (31920), 133 und bes. Richter (1978), 976. 15 Vgl. Kap. III.3. (Eidritual). 16 Vgl. hierzu mit den Belegstellen jüngst Knäpper (2011), 118–120, 146. 17 Vgl. etwa Windischmann (1863), 281 f. („Richtig ist auch, dass der Wolf ein ahrimanisches Thier ist.“) und Kelsey – Zenos (1889), 275 („The wolf was doubtless offered up by the Persians, who sacrificed wolves to Ahriman, the spirit of darkness.“). Aufgenommen wird diese alte Erklärung jetzt wieder bei Sommerstein – Torrance (2014), 140.
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VI. Vertragseide zwischen Griechen und Nichtgriechen
geführten Passagen gibt die eine (Plut. mor. 369e) für die persische Religion des vierten vorchristlichen Jahrhunderts nicht viel her und bezeugt die andere (Ys 9,21) gar kein Opfer.18 Die Quellenlage kann somit eine Interpretation des Wolfes als ein ‚persisches Element‘ nicht stützen. Eine zweite mögliche Erklärung zielt auf die Symbolik des Wolfes als einem reißenden Raubtier. Dies passt auf den ersten Blick gut, um die Strafe, die den Eidbrüchigen erwartet, zu verdeutlichen.19 Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass eine solche Interpretation eine leichte Verschiebung des im Ritual inszenierten Sinns nach sich zöge. Es steht bei den Tieropfern des Vertragsrituals ansonsten ja immer eine Identifikation mit dem Schicksal des Opfertieres im Vordergrund: Durch das Töten des Tieres wird das Leiden des Eidbrüchigen inszeniert. Die Symbolik des reißenden Raubtieres bezieht sich aber auf das, was das Opfertier potenziell auslöst, nicht das, was es selbst erleidet. Plausibler ist daher eine dritte Erklärungsmöglichkeit: Nach dieser würde die Verwendung des Wolfs als Opfertier eine bestimmte Klausel des Eides im Ritual symbolisch verdeutlichen. Der Wolf „als Wegführer Fremder in unbekanntem Gelände“20 stellt nämlich ein typisches Motiv griechischer (Gründungs-)Sagen dar.21 Genau in einem solchen „unbekannten Gelände“ befanden sich auch die griechischen Söldner, als sie sich mit Ariaios verbündeten, damit dieser sie führen sollte; und bei Xenophon heißt es ausdrücklich, dass die Perser „zusätzlich schwören“ müssen (προσώμοσαν), dass sie die Griechen ohne Trug führen würden (ἡγήσεσθαι ἀδόλως).22 Die Schlachtung des Wolfes dürfte daher genau diesen Aspekt der Wegweisung durch die Perser illustrieren. Zwar gelangt man mit den Quellen für das Motiv des Wolfes als Wegweiser nicht weiter zurück als bis in das 2. Jahrhundert – Aelian zitiert Polemon Periegetes23 in seinen Tiergeschichten –, Plut. Perikles 21,3 belegt aber zumindest die Existenz einer delphischen Wolfsstatue, an die sich die hier relevante Geschichte von gestohlenen Tempelschätzen und ihrer Auffindung unter Führung eines Wolfes anlagert, spätestens für die Zeit des Perikles. Da Erzählungen von anderen Tieren als Führer von Kolonisten sich schon 18 Vgl. zu der Plutarch-Stelle Benveniste (1929), 73 f., De Jong (1997), 177–180. 19 Vgl. zur symbolischen Rolle des Wolfes im Mithraismus und im gesamten kleinasiatischen Raum Benveniste (1929), 74 f., der vom „symbol of greed and cruelty“ (74) spricht. 20 Richter (1978), 976. 21 Vgl. die bei Pease (1917), 8, Schmid (1947), 159–165, Strosetzki (1954), 47–67, Gierth (1971), 87–94, Dougherty (1993), 20 und Bernstein (2004), 105 zusammengestellte Evidenz. Wichtig sind: Delphi (Wiederauffindung von gestohlenen Tempelschätzen): Paus. X 14,7; Ail. nat. XII 37; Gründung von Halos in der thessalischen Phthiotis: Apollod. I 84; Schol. Plat. Min. 315c; Steph. Byz. s. v. Ἄλος; Tzetz. Lyk. 21; Schol. Apoll. Rhod. II 513; Gründung von Lykoreia: Paus. X 6,2; Gründung von Hirpinum: Strab. V 4,12; Paul. Fest. 93,25; Gründung des Letoons von Xanthos: Ant. Lib. 35 m. Pryce (1983) und Graf (1999), 96. 22 Xen. an. II 2,8. – Zu der in diesem Schwur enthaltenen ‚anti-deceit clause‘ vgl. die Ausführungen am Ende dieses Kapitels. 23 Polemon wird bei Aelian zwar ohne Epitheton zitiert, der Inhalt des Zitats weist aber deutlich auf Polemon Periegetes – und eben nicht auf den eponymen Scholarchen der platonischen Akademie. Das Fragment ist folgerichtig auch nicht aufgenommen bei Gigante (1976), erscheint aber in der immer noch einschlägigen Fragmentsammlung von Preller (1838), F 29 zu Polemon Periegetes. S. dazu Donohue (2001).
VI.1. Die Wahl der Opfertiere
267
für die klassische24 und sogar die archaische25 Zeit belegen lassen und das Motiv des Tieres als eines Führers bei Koloniegründungen somit eben nicht erst eine hellenistische Erfindung ist, spricht nichts gegen eine Existenz des Wolfsmotivs an der Wende vom 5. zum 4. Jahrhundert und damit gegen eine Rückwirkung dieser Geschichte(n) auf die am Vertragsabschluss beteiligten griechischen Söldner26 – stellten Gründungsgeschichten doch fundierende Texte dar, die für die Bürger einer jeden griechischen Stadt so wichtig waren, dass sie eine Bekanntheit weit über eine kleine intellektuelle Elite der jeweiligen Polis hinaus erlangten. Unter einem solchen Blickwinkel erhält zudem ein bei Plut. Alexander 37,1 überlieferter Orakelspruch eine ganz neue Bedeutung: Dort heißt es, die Pythia habe Alexander geweissagt, ein Wolf werde ihn auf seinem Feldzug gegen die Perser führen (ὡς λύκος ἔσται καθηγεμών Ἀλεξάνδρῳ τῆς ἐπὶ Πέρσας πορείας). Dass dieser ‚Wolf‘ sich später als ein Lykier herausstellt und der Orakelspruch Alexander zu einem Zeitpunkt gegeben worden sein soll, als sich die Perspektive des Perserzuges noch gar nicht klar abzeichnete (ἔτι παιδὸς ὄντος Ἀλεξάνδρου), spricht nicht gegen eine Gängigkeit des Wolfs-Motivs, sondern eher dafür, da es nach der Logik der Passage ja gerade die naheliegendste Interpretation des Orakelspruchs darstellt, λύκος als ‚Wolf‘ zu verstehen. Das Motiv hatte sich also spätestens zu Plutarchs Zeit fest etabliert. Der erwähnte λύκος καθηγεμών erklärt sich somit eben nicht allein aus der zweifelhaften etymologischen Nähe von λύκος zu Λύκιος. Die typische Doppeldeutigkeit des delphischen Orakelspruchs kommt ferner erst richtig zum Tragen, wenn man das Motiv des Wolfs als eines Wegführers in unbekanntem Gelände in Rechnung stellt. Für welche Erklärung des Wolfsopfers man sich auch immer entscheidet, in jedem Fall verdeutlicht die Passage, dass es auch zwischen Griechen und Nichtgriechen möglich war, ein Bündnis religiös abzusichern. Es ist offensichtlich, dass beide Seiten sich vor der gegenseitigen Eidesleistung über die Art und Weise verständigen mussten, in der diese ablaufen sollte. Bei den Verhandlungen müssen auch die Opfertiere eine Rolle gespielt haben. Es ist auffällig, dass – wie bei griechischen Vertragsopfern üblich – auch hier nur männliche Opfertiere geschlachtet wurden. Die Verwendung von Stier, Eber und Widder ist zudem für griechische Eidopfer typisch.27 Auf den Eber als Opfertier dürften sich beide Seiten besonders 24 Eine Kuh in der thebanischen Gründungsgeschichte: Eur. Phoen. 638–648. 25 Ein Rabe führt die Kolonisten von Kyrene: SEG XLIV 1541,1 (ca. 550) und Kall. h. 2,65 f. Vgl. hierzu auch Bernstein (2004), 178. 26 Für einige dieser Söldner könnte es zudem eine Rolle gespielt haben, dass sie solche Opfer von zu Hause her gut kannten. Denn unter ihnen befanden sich nach Roy (1967), 301–306 und (2004a), 265–267, 272–276 besonders viele Arkader, in deren Hauptheiligtum Zeus Lykaios verehrt wurde. Obwohl für dessen Kult bisher keine Wolfsopfer belegt sind, spielte das Tier bei der Verehrung des Gottes sicher eine wichtige Rolle, da man sein Epitheton etymologisch von λύκος herleitete und Werwolfgeschichten mit seinem Kult verband (Plat. rep. 565d-e; Paus. VI 8,2). Im Rahmen der nächtlichen Rituale, die zu Ehren von Zeus Lykaios veranstaltet wurden, könnte daher durchaus ein Wolfsopfer erfolgt sein, wie wir es aus Argos für den Kult des Apollon Lykaios ja auch kennen. 27 Der epigraphische Befund ist hier allerdings nur für Sympolitie- und Bürgereide eindeutig (vgl. Kap. IV.2.3.2.).
268
VI. Vertragseide zwischen Griechen und Nichtgriechen
leicht geeinigt haben: Er ist als ein Tier des Mithra auch bei den Persern in Verbindung mit Eiden gut bezeugt.28 Da auch Stier- und Widderopfer den Persern nicht fremd waren,29 lag die Wahl dieser Trias als Opfertiere nahe. Der Wolf symbolisiert nach obiger Interpretation den zusätzlichen Schwur der Perser und dürfte von den Griechen ins Spiel gebracht worden sein. Zugegebenermaßen beruht die vorgestellte Deutung der Xenophon-Passage auf Plausibilitätserwägungen. Wichtig ist aber vor allem, dass die Episode einen Einblick in ein Vertragsritual ermöglicht, das den griechischen Kulturkreis überschreitet. Die Quellen berichten zwar sehr häufig von Verträgen zwischen Griechen und Persern – und gelegentlich werden auch die geleisteten Eide angeführt;30 wie aber bei solchen Eiden genau verfahren wurde, inwieweit man die eigenen Gebräuche dem Vertragspartner anpasste, bleibt fast immer unerwähnt. Gerade deshalb ist die oben diskutierte Xenophon-Passage von so erheblicher Bedeutung und es nimmt wunder, dass weder das textkritische Problem noch das Potenzial der Stelle in der neueren Forschung Beachtung gefunden haben.31
28
Vgl. Erdmann (1942), 366, der gezeigt hat, dass der Eber im Zusammenhang mit Mithra steht und „ein Zeichen für die Unverletzlichkeit des Eides“ (Von Gall [1986], 332) darstellt. 29 Vgl. Anm. 16. 30 Verträge zwischen Griechen und Persern: StV II 115: Kyros und die Milesier (um 546), StV II 118: Kambyses und Polykrates (526), StV II 124: Verträge der ionischen Städte untereinander auf persischen Druck hin (493), StV II 152: sog. Kalliasfriede zwischen Athenern und Persern (449/ 48), StV II 183: sog. Epilykosvertrag zwischen den Athenern und Dareios II. (424/ 23), StV II 200–202: drei Verträge zwischen Spartanern und Persern (Tissaphernes) von 412/ 11, StV II 206: attische Strategen und Pharnabazos (409), StV II 219: Spartaner Derkylidas mit Tissaphernes und Pharnabazos (397), StV II 220: Waffenstillstand zwischen Tissaphernes und Agesilaos (396), StV II 222: Waffenstillstand zwischen Agesilaos und Tithraustes nach Enthauptung des Tissaphernes (395), Milet I 2, 9 (= HGIÜ II 210): Schiedsspruch des persischen Satrapen Struses im Gebietsstreit zwischen Myus und Milet (zwischen 392 und 388), StV II 241–242: Friede zwischen Spartanern und Persern (387) als Voraussetzung für den Königsfrieden (386), StV II 282 (von 367): der von Pelopidas ausgehandelte Vertragsentwurf zwischen dem Perserkönig und den Thebanern wird von den anderen Griechen auf dem Kongress von Theben nicht beschworen (Xen. Hell. VII 1,33–40), StV II 292 (= HGIÜ II 233): koine eirene von 362/ 61, StV II 305 (von 357): Maussollos stiftet Chier, Rhodier, Byzantier und Koer an, aus dem Zweiten Attischen Seebund auszutreten, StV II 324 (von 349/ 48): (Handels-)Vertrag zwischen den Athenern und Orontes, dem Satrap von Mysien, StV II 333 (von 343): Bündnis zwischen Philipp II. und dem Perserkönig Artaxerxes III. Ochos, StV III 406: Mytilener und Dareios III. (333), StV III 407: Rechtssicherheitsvertrag zwischen den Milesiern und Sardis (milesischer Beschluss um 330 oder früher), StV III 425: Vertrag zwischen Antigonos Monophthalmos und dem Satrapen Asandros von Karien (313). Passagen des Vertragseids im Wortlaut sind allein im Bündnis zwischen Maussollos und den Phaseliten (StV II 260 = HGIÜ II 218; zwischen 377/ 76 und 353/ 52) überliefert. Vgl. zu griechisch-persischen Verträgen zuletzt Klinkott (2005), 367–386. 31 Faraone (1993), 66, 69 kennt nur die Lesung ohne den Wolf und spricht schlicht von den „typischen“ suovetaurilia. Berti (2006), 194, Anm. 66 (drei Opfertiere) und 196 (Wolf mit erwähnt!) zitiert unkommentiert beide Versionen und scheint den Widerspruch gar nicht zu bemerken. Anders Stengel (³1920), 137.
VI.2. Die Wahl der Schwurgötter
269
VI.2. DIE WAHL DER SCHWURGÖTTER Eine Parallele zu der Einigung über die zu verwendenden Opfertiere ist in einem anderen zentralen Element der Schwurzeremonie zu sehen, das ebenfalls vor der Eidesleistung ausgehandelt werden musste: So galt es auch bei einem Vertrag zwischen Griechen und Nichtgriechen, sich auf die Eidgötter zu verständigen. Ein Beispiel für das Ergebnis solcher Verhandlungen stellt der inschriftlich überlieferte Vertrag zwischen dem persischen Satrapen Maussollos und den Phaseliten dar, von dem Teile der Eide beider Seiten erhalten sind.32 Während Maussollos (und vielleicht Artemisia33) bei Zeus, Halios, Ga – letztere werden in ihrer dorischen Form angerufen – und den θεοὺς βασιλείους schwören, wird für den Eid der Phaseliten ausdrücklich vorgeschrieben, dass sie den Königseid bei ihrem Schwur „weglassen“ sollen (ἐξαιρῶντες τὸ βασι[λέως ὅρκιον?]).34 Unter den θεοὶ βασιλείοι sind Ahura Mazda und – sofern der Plural richtig ergänzt ist – wahrscheinlich Anahita und Mithra zu verstehen, deren Verehrung für Artaxerxes II. (404–359) in der Susa-Inschrift bezeugt ist.35 Neben dem Königseid fällt die Reihenfolge der Schwurgötter auf. Die genannten Gottheiten sind die drei am häufigsten vorkommenden griechischen Schwurgötter. Allerdings treten sie ansonsten immer in der Reihenfolge Zeus, Ge, Helios auf.36 Dass Halios hier in einer Schwurformel vor Ga angeführt wird, ist exzeptionell.37 Eine Erklärung könnte in der besonderen Verbindung zwischen Maussollos und dem Sonnengott liegen, auf die Simon Hornblower mit überzeugenden Argumenten hingewiesen hat: So figuriert der Sonnengott nicht nur in den Münzprägungen des Maussollos und im Statuenprogramm des Mausoleums äußerst pro32 Vgl. StV II 260 (= HGIÜ II 218). 33 Die Ergänzung ist unsicher. 34 Die gesamte linke Seite des Steines fehlt. θεοὺς βασιλείους am Anfang von Z. 3 ist von Wilhelm (1898), 162 nach dem Ende von Z. 6 ergänzt (ein Schwur zu θεοὺς […] βασιληίους auch bei Hdt. V 106). Als Alternative schlug Wilhelm wenig überzeugend βασιλέως τύχαν vor, das er nach eigener Angabe auch selbst für weniger wahrscheinlich hielt. Nichtsdestotrotz nahm Bengtson die letztere Ergänzung unter Bezugnahme auf Wilhelm – und TAM II 3, 1183 (Kalinka) – in StV II 260 in den Text. Es ist Hornblower (1982), 153, Anm. 127 zuzustimmen, der zeigen kann, „that βασιλέως Τύχη, which is restored (in the form βασι[λέως τύχαν]) […], is not an attested – or a likely – Achaemenid formula.“ Vgl. allerdings zu einem Vertrag, bei dem die Tyche eines Königs im Eid der Gegenseite ausfallen konnte, StV III 492 (Tyche des Seleukos). 35 Gerade Mithra, dessen Name im Altpersischen ‚Vertrag‘ bedeutet, bietet sich als Eidgottheit an. Er ist ferner als persischer Schwurgott bezeugt bei Xen. Kyr. VII 5,53 (Schwur des Artabazos gegenüber Kyros) und Xen. oik. IV 24,2 f. (Eid des Kyros gegenüber dem Spartaner Lysander). 36 Vgl. StV II 308, 309, StV III 403, 429, 445, 446, 453, 476, 481, 492, 549b, I.Iasos I 2, IG II/III³ 1, 2, 488, IOSPE I² 402, Ducrey (1970), Nr. 2, B, SEG XXXVIII 1252, XLI 322, Wörrle (2003a) und Lefèvre (1998b), dazu Tabelle I im Anhang dieser Untersuchung; s. zu der ungewöhnlichen Reihenfolge auch Brulé (2005), 154, Anm. 31. 37 Wenn die Ergänzung von Helios richtig ist, findet sich jetzt allerdings eine Parallele in einem neuen Staatsvertrag aus Akarnanien, der noch in das 4. Jahrhundert datiert, vgl. Funke – Hallof (2013), II, Z. 9 f. (m. 63, Anm. 25). Offenbar war die Reihenfolge dieser Gottheiten im 4. Jahrhundert noch nicht so starr, wie dies ab dem 3. Jahrhundert der Fall sein sollte.
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VI. Vertragseide zwischen Griechen und Nichtgriechen
minent (als Apollon Helios), sondern es ist in einer unter dem Namen Plutarchs überlieferten Schrift gar von einem mythischen Mausolos, Sohn des Helios, die Rede.38 Von einem gewissen Theodektes ist ferner bezeugt, dass er eine Tragödie mit dem Titel Mausolus verfasst hat.39 Davon ausgehend vermutet Hornblower, „that Theodektes’ tragedy was an attempt to link the historical Mausolus with a mythical eponymous hero Mausolus, thus legitimating the real Mausolus’ dynastic claims.“40 Auch wenn der tatsächliche Inhalt der Tragödie des Theodektes letztlich Spekulation bleiben muss, ist doch die besondere Beziehung des Maussollos zum Sonnengott evident. Da außerdem Ge weder für Maussollos noch in Karien insgesamt eine nennenswerte Rolle spielte,41 dürfte Maussollos bei den Verhandlungen über die Liste der Schwurgötter auf eine frühere Nennung des Sonnengottes – an zweiter Stelle nach Zeus – hingewirkt haben. Die Reihenfolge der Schwurgottheiten war somit nicht arbiträr, sondern Teil der Verhandlungen. Auch wenn hier also nichts über den genauen Ablauf der Verhandlungen, die zu diesem Vertragseid geführt haben, verlautet, so können sie doch von ihrem Ergebnis her zumindest ansatzweise rekonstruiert werden. Der Vertrag zeigt allerdings auch den problematischen Charakter von Kategorien wie ‚Griechen‘ und ‚Nichtgriechen‘. So stammen beide Vertragspartner aus Gebieten, die am Rande des griechischen Kulturkreises im Einflussbereich der persischen Großmacht angesiedelt sind. Beiden eignet zudem eine lokale Identität (altanatolisch-karisch bzw. lykisch). Dass der eine (Maussollos) hier als ‚nichtgriechisch‘, die anderen (die Phaseliten) als ‚griechisch‘ klassifiziert werden, hängt zum einen an ihrem jeweiligen Rechtsstatus – während die Phaseliten den Vertrag als Bürger einer autonomen Polis abschließen, handelt Maussollos als persischer Satrap –, zum anderen am Grad ihrer Hellenisierung in religiosis: Auch wenn es unter den Hekatomniden einen Hellenisierungsschub Kariens gegeben hat, so ist Maussollos doch karischer Herkunft und „muß als Bewahrer und Förderer der altanatolisch-karischen Kultur gelten, v. a. auf dem Gebiet der Rel.(igion).“42 Unter seiner Herrschaft „ist wenig Nähe zu griech.(ischen) Kulten feststellbar“,43 was in besonderem Maße in Bezug auf die panhellenischen Kulte im griechischen Mutterland gilt.44 Anstelle von diesen wandte Maussollos sich lokalen Kulten wie dem 38
Vgl. Hornblower (1982), 261 (zur Ikonographie des Mausoleums nach Waywell [1978], XV, 249 m. Anm. 63), 271 und 335 f.; Μαυσωλὸς τοῦ Ἡλίου bei Ps.-Plut. libellus de fluviis 25,1 (mor. 1166a). 39 Vgl. Gell. X 18,7. Die Tragödie wurde im Rahmen eines Dichteragons bei der Leichenfeier zu Ehren des Maussollos uraufgeführt. Neben Theodektes nennt Gell. X 18,6 als weitere Teilnehmer Theopomp, einen gewissen Naukrates und Isokrates. 40 Hornblower (1982), 336. 41 Vgl. die Indices bei Laumonier (1958) und Hornblower (1982). 42 Högemann (1999), 1064. Vgl. Laumonier (1958), 57–64; 591–644; zu Maussollos s. Hornblower (1982), der überzeugend nachweisen kann, dass die Hellenisierung Kariens nicht erst unter Alexander, sondern schon unter den Hekatomniden beginnt, was Maussollos aber noch nicht zu einem Griechen macht; zu persischen Satrapen zuletzt umfassend Klinkott (2005), hier bes. 270–276 (Religionspolitik der Hekatomniden). 43 Högemann (1999), 1064. 44 Vgl. Hornblower (1982), 276: „No overseas dedications, no attempt to buy membership of
VI.2. Die Wahl der Schwurgötter
271
des karischen Zeus Labraundos zu und förderte Bauaktivitäten in dessen Heiligtum in Labraunda (Nordstoa, Andron B).45 Phaselis dagegen – eine rhodische Gründung des 7. Jahrhunderts – ist eben keine indigen lykische, sondern eine griechische Polis: So finden sich in Phaselis weder die typisch lykischen Grabmonumente noch lykische Inschriften; ferner prägte die Stadt im 4. Jahrhundert ausschließlich griechische Münzen.46 Auch wenn die Kategorien ‚griechisch‘/ ‚nichtgriechisch‘ hier aufgrund der verschiedenen Identitätsebenen der Vertragspartner auf den ersten Blick nicht ganz trennscharf zu sein scheinen, erweist sich Phaselis bei genauerem Hinsehen als eine griechische Polis, während Maussollos zwar nicht als Perser, aber doch als Karer unter persischer Oberhoheit und somit als Nichtgrieche anzusprechen ist. Festzuhalten bleibt, dass eine genaue Analyse der im Eid angeführten Gottheiten verdeutlicht, wie unter den Bedingungen des antiken Polytheismus eine vertragliche Vereinbarung auch kulturübergreifend religiös fundiert werden konnte: Die Schwurgötterliste ist das Produkt von Verhandlungen, bei denen sogar die Reihenfolge der Götter eine Rolle spielte. Sie zeigt, dass eine Akzeptanz fremder Götter grundsätzlich möglich war; dies ist ja nicht selbstverständlich. Dennoch gab es für den eigenen Eid Grenzen: So ist eine Anrufung der Götter des persischen Großkönigs, der θεοὶ βασιλείοι des Vertrags, in einem griechischen Eid unmöglich, weshalb es auch im Vertrag ausdrücklich festgeschrieben ist, dass die Phaseliten auf diese Gottheiten verzichten sollen. Es ist daher auch mit Recht darauf hingewiesen worden, dass dieser Vertrag den autonomen Status von Phaselis für das 2. Viertel des 4. Jahrhunderts bezeugt.47 In Bezug auf Maussollos ist die Anrufung der θεοὶ βασιλείοι als ein intelligenter politischer Schachzug zu werten. Wie Hilmar Klinkott gezeigt hat, waren persische Satrapen nämlich nicht dazu befugt, eigene Verträge abzuschließen – Ausnahmen waren Handels- und Waffenstillstandsverträge.48 Bei dem hier diskutierten Vertrag zwischen Maussollos und den Phaseliten handelte es sich – wie in der Forschung mittlerweile unstrittig ist – um ein gegen Perikles von Limyra geschlossenes Bündnis.49 Maussollos dürfte hier also versucht haben, sein eigenständiges Agieren nach außen hin etwas zu kaschieren, indem er sich durch die Anrufung der θεοὶ βασιλείοι gleichsam demonstrativ unter die Oberhoheit des persischen Großkönigs stellte. Auch wenn er sich schon unter Artaxerxes II. (404–359) eine halbautonome Machtposition in Karien verschafft hatte, so konnte ein Konflikt mit dem persischen Großkönig doch nicht in seinem Interesse liegen. any religious confederacy, no participation in Greek games, and no initiation. Instead, sponsorship of the purely local shrines. Here, as elsewhere, one may speak of deliberate ‘Karianizing’: Hekatomnid hellenization goes hand in hand with the adornment of the backward Karian homeland.“ 45 I.Labraunda II 13 und 14; s. hierzu Hornblower (1982), 278 f. 46 Vgl. zu Phaselis als einer dezidiert pamphylischen und nicht-lykischen Polis Hornblower (1982), 122 f.; zur Münzprägung von Phaselis s. Heipp-Tamer (1993). 47 Vgl. Thomsen (2000), 757; vgl. auch Hornblower (1982), 123. 48 Vgl. Klinkott (2005), 367–386, hier bes. 383. 49 Vgl. Thomsen (2000), 757, der auf Bayburtluoğlu (1985–1986) verweist.
272
VI. Vertragseide zwischen Griechen und Nichtgriechen
Ein weiteres epigraphisches Zeugnis, das Einblicke in das Schwurverhalten von Griechen und Persern erlaubt, stellt die Trilingue von Xanthos50 dar. Diese 1973 im Letoon gefundene Inschrift ist zwar kein Staatsvertrag – vielmehr wird in ihr die Einrichtung eines Kultes für Basileus Kaunios und seinen Begleiter Arkesimas51 in Xanthos vorgeschrieben –, sie stammt aber aus derselben Großregion wie der Vertrag zwischen Maussollos und den Phaseliten. Ihre Analyse verspricht weitere Erkenntnisse darüber zu liefern, wie in einem Großreich mit vielen verschiedenen Ethnien und Religionen politische Entscheidungen religiös fundiert wurden.52 Die Trilingue ist ferner nur unwesentlich später datiert53 als der Vertrag zwischen Maussollos und den Phaseliten und hat, wenn auch mit anderen Akteuren, eine ganz ähnliche politische Konstellation zum Inhalt: Formal handelt es sich zwar um einen Beschluss der Xanthier und ihrer Periöken (ἔδοξε δὴ Ξανθίοις καὶ τοῖς περιοίκοις54); nichtsdestotrotz ist hier mit Pixodaros, dem Satrapen von Karien und Lykien, auf dessen Veranlassung die Einrichtung des Kultes für Basileus Kaunios und Arkesimas erfolgt, nicht nur ebenfalls ein Hekatomnide beteiligt, sondern die verschiedensprachigen Versionen des Dekretes verdeutlichen zudem, dass man es auch hier mit einer regionalen (karisch-lykischen) Identität im Spannungsfeld zwischen dem persischen und griechischen Kulturkreis zu tun hat. Auf die zweifellos interessanten politisch-administrativen Aspekte der Einführung des Kultes kann an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden.55 Wichtig für die hier verfolgte Fragestellung ist, dass der Inhalt der Urkunde am Ende beschworen wird. Beachtenswert ist v. a. die Liste der Schwurgottheiten, die in allen drei Versionen der Inschrift zu finden ist: Genannt werden Basileus Kaunios, dessen Begleiter Arkesimas, sowie Leto, Artemis, Apollon und die Nymphen. Die Wahl gerade dieser Götter ist leicht zu erklären: Neben den Gottheiten, deren Kult durch die Inschrift begründet werden soll (Basileus Kaunios, Arkesimas), handelt es sich um die im Letoon als dem Aufstellungsort der Inschrift verehrten Gottheiten.56 Obwohl in allen drei Fassungen sinngemäß dieselben Gottheiten angeführt werden, gibt es 50
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Editiones principes: Metzger (1974), 85 (griechischer Text), Laroche (1974), 116 f. (lykisch), Dupont-Sommer (1974), 136 f. (aramäisch); die maßgebliche Edition stammt von Metzger u. a. (1979), 32 f.; vgl. zu Verbesserungen des aramäischen Textes Lemaire (1995) und Kottsieper (2002); der griechische Text erneut in SEG XVII 942 und bei Hornblower (1982), M9, Rhodes – Osborne (2003), 78 und Marek (2006), T 114; eine deutsche Übersetzung aller drei Texte bei Kottsieper (2001), 196–199. Zu Arkesimas vgl. Carruba (1999). Der historische Kontext ist hier zwar ein innenpolitischer; allerdings befanden sich sowohl die Xanthier als auch die Hekatomniden unter einer lockeren persischen Oberhoheit, was gerade den karischen Dynasten eine recht eigenständige Politik erlaubte. Man hat es hier daher zwar nicht mit eigenen Völkerrechtssubjekten zu tun, aber eben doch mit politisch einigermaßen selbständig agierenden Parteien. Gegen die Herausgeber der Inschrift, die sie in das Jahr 358 setzten, hat sich trotz DupontSommer (1979) und Maddoli (2006) seit Badian (1977) die Spätdatierung auf das Jahr 337 durchgesetzt: so etwa Hornblower (1982), 46–49, Kottsieper (2002), 233 f., Briant (2002), 1011 f., (2006), 322 f. und Funke (2008), 604 f., Anm. 4. Metzger u. a. (1979), Z. 5 f. Vgl. hierzu Kottsieper (2002), 234, Briant (2002), 1012 und Funke (2008), . Dem Mythos zufolge soll Leto am Ort des Letoons auf der Flucht vor Hera ihre Kinder Artemis
273
VI.2. Die Wahl der Schwurgötter
doch einen bedeutenden Unterschied zwischen der aramäischen Version einerseits und der lykischen und griechischen Fassung andererseits. Eine kurze tabellarische Übersicht mag diese Differenz verdeutlichen: Lykische Fassung
Griechische Fassung
Aramäische Fassung
diese Götter
diese Götter (οἱ θεοὶ οὗτοι)
der Gott KNDWS (= König) sein Genosse
die Mutter dieses Heiligtums aus Pandoras (ẽni qlahi … pñtrẽñni)
Leto (Λητώ)
Leto (L’TW)
ihre Abkömmlinge (tideime ehbijel)
ihre Nachkommen (ἔγγονοι)
Artemis (’RTMWŠ) Apollon (HŠTRPTY)
Nymphen (elijãna)
Nymphen (Νύμφαι)
Nymphen (’HWD/K/ RNYŠ)
Dass in der aramäischen Fassung der Gott KNDWS und „sein Genosse“ noch einmal aufgeführt werden, während sie in der griechischen und lykischen Version unter „diesen Göttern“ subsumiert werden, hat wohl sprachliche Gründe und ist hier nicht weiter von Bedeutung. Instruktiv ist aber, dass die Kinder der Leto, Artemis und Apollon, in der lykischen und griechischen Fassung schlicht als ihre „Abkömmlinge“ (tideime ehbijel) bzw. „Nachkommen“ (ἔγγονοι) angesprochen werden, wohingegen der aramäische Text beide namentlich auflistet (’RTMWŠ, HŠTRPTY).57 Offensichtlich konnte bei dem persischen Zielpublikum des aramäischen Textes das Wissen um den griechischen Mythos, der Artemis und Apollon zu Nachkommen der Leto machte, nicht vorausgesetzt werden: Die beiden Gottheiten mussten daher mit Namen genannt, ihre genealogische Beziehung zu Leto gleichsam ‚aufgelöst‘ werden. Damit verschiebt sich in der aramäischen Fassung aber auch ein wenig der Akzent weg von Leto als der Hauptgöttin des Letoons, wie sie in der griechischen und lykischen Version – in letzterer explizit als „Mutter dieses Heiligtums“ (ẽni qlahi … pñtrẽñni) – angesprochen wird, hin zu einer Liste gleichrangiger Gottheiten. Bei einer genauen Analyse des Schwures zeigt sich ferner, dass einige Aspekte für einen griechischen Eid untypisch sind: So tauchen etwa die Schwurgottheiten nicht in der invocatio, sondern erst in der Fluchformel auf.58 Ferner wird in grieund Apollon gewaschen haben, was die Nymphen als Gottheiten der entsprechenden Quelle ins Spiel bringt (vgl. Ant. Lib. 35, Ov. met. VI 337 f., dazu Graf [1999], 95). 57 Zur Identifikation der angeführten aramäischen Götternamen mit den griechischen Gottheiten s. Kottsieper (2001), 199; zu den Götternamen der lykischen Fassung s. Laroche (1979) und (1980). 58 Dies findet sich, wie gezeigt werden konnte (vgl. Kap. IV.1.1.), nur in frühen griechischen Eiden (vgl. etwa StV II 104 [Amphiktyoneneid] und SEG LI 642 [Messenier-Naupaktier]).
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VI. Vertragseide zwischen Griechen und Nichtgriechen
chischen (Vertrags-)Eiden gewöhnlich nicht der gesamte Text der Urkunde (ὅσα ἐν τῆι στήληι ἐγγέγραπται)59 beschworen, sondern es existiert ein vom Vertragstext abweichender Eidestext. Dieser ist zudem für gewöhnlich in der ersten Person gehalten, was ein weiteres Signum griechischer Eidesformeln darstellt. In der vorliegenden Inschrift dagegen wird der Eid in einer abhängigen Infinitivkonstruktion wiedergegeben (ποιήσειν60, μετακινήσειν61, ἐπιτρέψειν62).63 Bei dem hier Beobachteten handelt es sich in erster Linie um Aspekte, die das sprachliche Formular der Urkunde und nicht notwendig auch die praktische Umsetzung in der Zeremonie der Eidesleistung betreffen. Anders als bei den beiden zuvor gewählten Beispielen geht es nicht um die Wahl der Opfertiere und das Aushandeln der Eidgottheiten, sondern es lässt sich beobachten, wie flexibel sich das griechische Eidesformular an fremde Gewohnheiten angleichen ließ und mit diesen verschmelzen konnte.64 Ein drittes und letztes Beispiel für Schwurgötterlisten bei zwischen Griechen und Nichtgriechen geleisteten Eiden stammt aus etwas späterer Zeit und führt in einen anderen Kulturkreis. Es handelt sich um ein 215, ein Jahr nach der Schlacht von Cannae, zwischen Philipp V. und Hannibal geschlossenes Bündnis, den einzigen im Originaltext erhaltenen karthagischen Staatsvertrag überhaupt.65 Dieser ist allein durch eine glückliche Fügung der Überlieferung auf uns gekommen: Das siebte Buch des polybianischen Geschichtswerks ist nur fragmentarisch erhalten, das hier relevante 9. Kapitel ist aber durch die Excerpta antiqua eines byzantinischen Kopisten (Codex Urbinas 112) überliefert. Die Passage stellt schon aus formalen Gründen ein einzigartiges Zeugnis dar: So handelt es sich um die griechische Übersetzung eines phönikischen Originals, das Polybios wohl in einem römi59 60 61 62 63
Metzger u. a. (1979), Z. 28 f. Metzger u. a. (1979), Z. 29. Metzger u. a. (1979), Z. 30 f. Metzger u. a. (1979), Z. 31 f. Vgl. allerdings den Vertrag zwischen Erythrai und Hermias von Atarneus StV II 322 (nach 350), bei dem der Eid der Erythraier in der ersten Person, derjenige des Hermias dagegen in einer Infinitivkonstruktion – auch hier Inf. Fut. – verzeichnet ist. 64 Eine solche Anpassung stellte allerdings keine ‚Einbahnstraße‘ dar; vgl. etwa die Bemühungen eines thrakischen Dynasten über die griechische Dekret- und Eidespraxis kulturell an die griechische Welt Anschluss zu finden. S. zu diesem „Eid der Berenike und ihrer Söhne“ instruktiv Elvers (1994). 65 Vgl. zu diesem Vertrag Bickerman (1944), (1952), Chroust (1954), Walbank (1967), 42– 56, StV III 528 mit der älteren Literatur, Weil (1982), 10–13, Gschnitzer (1993), 529–533, Mantel (1995) und Giovannini (2007), 285; zum politischen Kontext mit jeweils unterschiedlicher Bewertung der historischen Bedeutung des Vertrags Seibert (1993), 240–246 und Christ (2003), 102–106. – Weitere karthagische Verträge mit griechischen Poleis: StV II 131 (Gelon und die Karthager, Ende 480), StV II 208 (Athener und Karthager, 406) – dieses Bündnis stellt den frühesten epigraphisch überlieferten Staatsvertrag zwischen Griechen und Nichtgriechen überhaupt dar –, StV II 261 (Dionysios I. von Syrakus und die Karthager, 376 oder 374; vgl. auch StV II 233), StV II 338 (Bündnis sizilischer Städte gegen die Karthager von 342/ 41), StV II 341 (Bündnis des Markos von Katana und des Hiketas von Leontinoi mit den Karthagern von 341), StV II 344 (Friede zwischen Timoleon und den Karthagern, 339), StV III 436 und 437 (Vertrag und Friede zwischen dem Heer des Agathokles und den Karthagern von 307 bzw. 306), StV III 527 (Hannibal und die epizephyrischen Lokrer, 216), StV III 529 (Hieronymos von Syrakus und Karthago, 214) und StV III 531 (Hannibal und Tarent von 212).
VI.2. Die Wahl der Schwurgötter
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schen Archiv eingesehen hat, wie Elias Bickerman in einer einflussreichen philologischen Analyse des Vertragstextes plausibel machen konnte.66 Das häufige Auftreten des Hiats zeigt, dass Polybios, der nach den literarischen Konventionen seiner Zeit den Hiat sonst streng vermeidet, den Text der Urkunde nicht paraphrasiert, sondern wörtlich wiedergegeben hat.67 Hierfür spricht auch die Nennung der Schwurgottheiten, die für einen historiographisch überlieferten Staatsvertrag singulär ist. Die zahlreichen Semitismen in Wortwahl, Wortstellung68 und Syntax weisen neben Abweichungen vom griechischen Vertragsformular darauf hin, dass der Text in Hannibals Kanzlei verfertigt wurde. Ein im Vertrag erwähnter Gesandter Philipps, der Athener Xenophanes, ist nach dem Zeugnis des Livius auf der Rückreise von Italien mitsamt seinem Schiff und dem ins Griechische übersetzten phönizischen Vertragstext den Römern in die Hände gefallen.69 Die Urkunde dürfte daraufhin in einem römischen Archiv überlebt haben und dort von Polybios eingesehen worden sein.70 Wendet man sich nun dem Text der Urkunde zu, so sticht sofort dessen programmatischer Beginn ins Auge: Ὅρκος, ὃν ἔθετο Ἀννίβας.71 Nimmt man dies wörtlich, würde es sich nicht um einen gegenseitigen Vertrag, sondern nur um einen Teil davon, eben den Eid Hannibals, handeln. Elias Bickerman hat diese ersten Worte der Passage mit der Beobachtung in Bezug gesetzt, dass dem Eid die obligatorische Exsekrations- und Segensformel fehlt, und daraus geschlossen, dass es sich um eine einseitige Selbstverpflichtung Hannibals – nicht des karthagischen Staates – handele, die keinen nach griechischen Maßstäben ‚normalen‘ Staatsvertrag, sondern einen einseitig abgeschlossenen Typus eines Bündnisses darstelle, der aus dem Vorderen Orient stamme und den er mit der aus dem Alten Testament bekannten Vertragsform der berīt identifiziert. Eine solche Annahme bringt allerdings mehrere Probleme mit sich: Zum einen beinhaltet der Vertrag auch Verpflichtungen der makedonischen Seite, zum anderen ist die erste Person Plural nicht konsequent durchgehalten und bezeichnet verschiedene Personengruppen, zu denen auch die Makedonen gehören. Fritz Gschnitzer hat Bickerman daher auch entschieden widersprochen – und es ist ihm hierin zu folgen.72 Die bei Polybios überlieferte
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Vgl. Bickerman (1944). Vgl. Bickerman (1944), 89, der auf die Beispiele ἔθετο Ἀννίβας (Pol. VII 9,1) und δοκῇ ἀμφοτέροις (Pol. VII 9,17) verweist und fortfährt: „Such cacophony was distasteful to Polybius and painstakingly avoided by every literary writer of his age, as well as by Sosylus, Hannibal’s teacher of Greek.“ Instruktiv ist Pol. VII 9,1, wo der Makedonenkönig als Φίλιππος ὁ βασιλεὺς Δημητρίου bezeichnet wird, was aufgrund der Trennung des Patronymikons vom Namen keinesfalls griechischen Sprachgewohnheiten entspricht; vgl. Bickerman (1944), 98. Xenophanes, S. d. Kleomachos, im Vertrag in: Pol. VII 9, 1; zu seiner Gefangennahme durch die Römer vgl. Liv. XXXIII 33,9; weitere Erwähnungen des Vertrags bei App. Mac. 1,2 f.; Eutr. III 12,2 f.; Zon. IX 4,2 f.; vgl. zu diesen Passagen den Kommentar in StV III 528. So zuletzt Giovannini (2007), 285. Pol. VII 9,1. Vgl. Gschnitzer (1993), 349–351.
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VI. Vertragseide zwischen Griechen und Nichtgriechen
Urkunde ist Teil eines gegenseitigen Staatsvertrags, dessen Inhalt in der Form eines Eides der einen, nämlich karthagischen Seite erhalten ist.73 Von Bedeutung für die hier verfolgte Fragestellung ist im Besonderen die Liste der Schwurgötter. Die Gottheiten erscheinen aufgeteilt in fünf Einheiten von jeweils drei Einzelgottheiten, wobei die vierte Gruppe zu einer Vierergruppe erweitert ist.74 Auf diese folgen drei jeweils durch πάντες θεοί bzw. θεοὶ πάντες eingeleitete ‚Alle-Götter-Formeln‘, von denen die erste alle karthagischen, die zweite alle makedonisch-griechischen und die dritte summarisch alle auf dem Feldzug anwesenden und über den Eid wachenden Gottheiten auflistet. Eine derartige Häufung von drei aufeinander folgenden, kollektiven Schwurgötterformeln zeigt deutlich das Bedürfnis, in einem solchen wahrhaft ‚internationalen‘75 Staatsvertrag keinen Gott zu vergessen bzw. durch eine möglichst große Anzahl von Eidgottheiten keine Schlupflöcher für potentielle Eidbrecher zu bieten. Sprachlich ist ungewöhnlich, dass die Gruppen jeweils durch den linguistischen Marker ἐναντίον + Genitiv eingeleitet werden, was für griechische Vertragseide singulär ist.76 Die entscheidende und in der Forschung viel diskutierte Frage ist nun, um wessen Götter es sich hierbei eigentlich handelt. Während besonders die ältere Forschung annahm, dass man es mit alternierenden Gruppen aus griechischen (die Gruppen I, III, V und VII) und karthagischen (II, IV, VI und VIII) Gottheiten zu tun habe,77 setzte sich in Anschluss an Eduard Meyer und Stéphane Gsell mehr und mehr die Position durch, dass hier allein die karthagischen Schwurgötter angeführt seien.78 Allerdings hat auch die ältere These jüngst wieder Anhänger gefunden.79 73
Vgl. Gschnitzer (1993), 531: „Es war ein gewöhnlicher, zweiseitiger Bündnisvertrag, dem nur die Formulierung durch Hannibals Kanzlei ein für uns etwas fremdartiges Aussehen verleiht.“ Die karthagische Redaktion zeigt sich auch am Fehlen der für griechische Verträge in dieser Zeit obligatorischen Publikationsformel. 74 Vgl. für eine bessere Übersichtlichkeit die in Tabelle 3 beigefügte Übersicht über die in diesem Eid angerufenen Gottheiten. 75 Zu der problematischen Anwendbarkeit dieses Begriffes auf antike Verhältnisse vgl. die Einleitung dieser Studie. Es wird hier nur dann ausnahmsweise auf ihn zurückgegriffen, wenn der innergriechische Bereich überschritten wird. Er wird dann als Gegenbegriff zu ‚innergriechisch‘ verwendet. 76 Vgl. für ἐναντίον im Sinne von „in Anwesenheit von … (als Zeugen)“/ „vor … (als Zeugen)“ Chaniotis, Nr. 1, Z. 2, der selbst ([1996a], 68 m. Anm. 352) auf die Parallele zu dem hier diskutierten Vertrag hinweist. Diese Parallele trägt aber nicht sehr weit, da es sich bei den in dem kretischen Staatsvertrag genannten Zeugen um Sterbliche (eine Gruppe von Spartanern, von denen einer, Kleonymos, namentlich genannt ist) handelt. 77 So als erster Reiske (1763), 464 f. und im Anschluss an diesen Schweighäuser (1792), 411, Münter (²1821), 105, Movers (1841), 536, Pietschmann (1889), 181 f., Ziebarth (1892), 23 f. und Meltzer (1896), 145. 78 Vgl. Meyer (1890), 2872, Benedetto (1920), 101–104, dann ausführlich Gsell (1929), 222 m. Anm. 3, Bickerman (1944), 90, Walbank (1967), 46–51, bes. 46 und 51, der sich strikt gegen die alte Position einer gemischten Götterliste ausspricht, Schmitt (1969), 249 (= StV III 528) und ausführlich Barré (1983), der dieser Frage gar eine Monographie widmet; s. jetzt auch Lee (2015). 79 Vgl. Mantel (1995), 176, der sich allerdings der Forschungsdiskussion gar nicht bewusst zu sein scheint, und insbesondere Brulé (2005). Letzterer listet in seiner „Liste ‚hellénique‘
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Die Befürworter der These von den ausschließlich karthagischen Eidgöttern verweisen zunächst darauf, dass der Eid zu Beginn der Passage explizit als Schwur Hannibals bezeichnet wird und es sich zudem bei den genannten Gottheiten nicht um im Hellenismus typische griechische Schwurgötter handele. Für eine gemischte Formel aus griechischen und karthagischen Eidgottheiten spricht dagegen v. a. die Anrufung der θεοὶ πάντες ὅσοι Μακεδονίαν καὶ τὴν ἄλλην Ἑλλάδα κατέχουσιν (VII). Diese ausdrücklich makedonisch-griechischen Gottheiten sind bei einem einseitig von karthagischer Seite geleisteten Eid nicht zu erklären.80 Um bei der Frage nach dem Charakter der Götterliste weiterzukommen, werden im Folgenden beide möglichen Formen einmal durchgespielt. Wendet man sich dabei nun zunächst der ersten Möglichkeit einer rein karthagischen Liste zu, so fällt auf, dass die Identifikation der mit interpretatio Graeca angeführten Gottheiten alles andere als einfach und auch unter den Verfechtern einer rein punischen Schwurgötterliste stark umstritten ist.81 Wirklich gesichert scheint eigentlich nur die Identifikation von Herakles mit Melqart zu sein.82 Für die anderen Gottheiten sind bis zu vier verschiedene Assoziationsmöglichkeiten (δαίμων Καρχηδονίων und Iolaos) angeführt worden, und selbst Hauptgottheiten wie Zeus und Hera lassen sich nicht eindeutig zuweisen.83 Auch ist es bisher nicht gelungen, alle Gottheiten ohne Doppelungen zuzuordnen, was sich am besten an der Figur des Apollon verdeutlichen lässt: Dieser wird entweder als Eshmun, Reshef oder Baal (Hammon) interpretiert. Bei der ersten Deutung ist man mit der Schwierigkeit konfrontiert, dass Eshmun auch für Iolaos die wahrscheinlichste Interpretation darstellt, bei der zweiten entsteht eine Doppelung mit Ares-Reshef und bei der dritten ist die Abgrenzung von Zeus problematisch. Letztlich muss festgehalten werden, dass es bisher nicht gelungen ist, die einzelnen Gottheiten unter der Annahme rein punischer Eidgötter widerspruchsfrei zuzuordnen. Versucht man sich nun aus einer ‚griechischen Perspektive‘ den genannten Gottheiten zu nähern, so mutet die Liste in ihrer Gesamtheit zwar zunächst recht ungewöhnlich an. Die Beleglage erweist sich für die einzelnen Götternamen aber als gar nicht schlecht. So stellt Zeus (Horkios) geradezu den griechischen Eidgott par excellence dar und erweist sich sein Auftreten an erster Stelle als absolut typisch. Was verwundert, ist, dass Ge und Helios, die Zeus gerade im Hellenismus (LH)“ unter der Nr. 29 ohne weitere Erklärung als Eidgötter des Vertrags nur Zeus, Hera, Apollon, Ares, Triton, Poseidon und „alle Götter, die Makedonien und das übrige Griechenland in Besitz haben“. Diese müssen für ihn somit die griechischen Schwurgottheiten des Vertrags darstellen. 80 Der Ansatz von Walbank (1967), 51, der meint, die griechisch-makedonischen Eidgötter erschienen hier „for the sake of completeness“, ist so wenig überzeugend wie sein Verweis auf einen Vertrag zwischen Assurhaddon und Ba’alu von Tyros als Parallele, der aus der 1. Hälfte des 7. Jahrhunderts stammt. 81 Vgl. bes. die einschlägigen Passagen bei Gsell (1929) und Walbank (1967), 46–51, der minutiös auf die ältere Literatur eingeht und bei dem daher die Strittigkeit der einzelnen Identifikationen gut deutlich wird. S. auch Barré (1983). 82 Walbank (1967), 48: „The equation of Heracles with Melqart seems certain.“ 83 Für die einzelnen Belege vgl. die tabellarische Übersicht im Anhang (Tabelle 3) und die detaillierte Auflistung bei Walbank (1967), 46–52.
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zumeist unmittelbar folgen, erst in der vierten Gruppe der Götternamen auftauchen. Allerdings erweist sich Hera direkt nach Zeus als eine gute Alternative, die gerade für hellenistische Schwurgötterlisten bezeugt ist.84 Es existiert zwar kein anderer griechischer Staatsvertrag mit der ununterbrochenen Folge Zeus, Hera, Apollon, Apollon als Schwurgott tritt aber schon in klassischer Zeit sehr häufig im zwischenstaatlichen Kontext auf und gehört etwa zu den drei attischen Eidgöttern.85 Insgesamt sind von den angeführten Gottheiten neben den ersten dreien – also Zeus, Hera und Apollon – Ares, Poseidon86, Helios und Ge typische griechische Schwurgottheiten. Diese Gottheiten bilden, wenn auch in der Reihenfolge ein wenig durchmischt, mit zwei Ausnahmen die typischen und kanonisch angerufenen Eidgottheiten hellenistischer Alleinherrschereide.87 Es ist somit schlichtweg falsch, dass in diesem Eid keine typischen griechischen Schwurgötter angerufen würden. Das Gegenteil ist der Fall. Als für griechische Vertragseide eindeutig untypische Schwurgottheiten lassen sich neben dem oder der δαίμων Καρχηδονίων, Herakles88, Iolaos89, Triton90 und Selene91 ausmachen. Die ersten beiden Triaden teilen sich also noch 84 Vgl. StV III 495 (Messenier und Phigaleer, vor 240), 545 (Koer und Kalymnier, um 205) und IG IX 1, 98 (Boioter und Lokrer, nach 196); im kretischen Material ist die Folge Zeus – Hera sogar der Regelfall, wobei Zeus zumeist verschiedene Epitheta beigegeben werden: vgl. IC III IV 8 (Bürgereid von Itanos, 3. Jahrhundert), Chaniotis, Nr. 8 (Gortynier und Arkader, 3. Jahrhundert; Hera ist ergänzt), 26 (Hierapytnier und Lyttier, nach 205), 27 (Gortynier, Hierapytnier und Priansier, nach 205; Hera ist ergänzt), 60 (Lyttier und Oluntier, 111), 61 (Latier und Oluntier, 110/ 09 oder 109/ 08) und 74 (Isopolitievertrag zwischen Hierapytniern und ihren Außensiedlern, 2. Jahrhundert), StV III 552 (Hera ergänzt; Rhodier und Oluntier, 201?). 85 Vgl. hierzu Kap. IV.1.4. 86 Poseidon wird sonst häufig direkt nach Zeus und Hera angerufen (vgl. StV III 545 und IG IX 1,98; zum Gebrauch dieser drei Schwurgötter im ptolemäischen Ägypten s. Brulé [2005], 166, Anm. 12 m. weiterer Literatur), taucht zumeist vor Apollon, fast immer vor Ares auf (vgl. aber auch das Chremonidesdekret StV III 476 von 267–265, in dem Ares vor Poseidon angerufen wird, wobei Poseidon in der Inschrift allerdings ergänzt ist). 87 Bei den Ausnahmen handelt es sich um Athena Areia und Tauropolos. Vgl. Kap. IV.2.2. und IV.2.5. 88 Dieser ist im attischen Ephebeneid (vgl. Robert [1938]) einmal zumindest in einem verwandten Kontext als Eidgottheit bezeugt. Die Schwurgötterliste des Ephebeneides ist allerdings auch in Bezug auf die anderen Gottheiten singulär, vgl. Appendix III. Bei informellen Schwüren, die in einem alltäglichen Kontext geleistet wurden, stellt Herakles für Athener und Thebaner eine geläufige Eidgottheit dar: vgl. SEG XXIX 77 (Vaseninschrift), Aristoph. Ach. 860, Av. 1391, Equ. 481, Thesm. 27, Vesp. 758, Plut. 337; Aischin. Ctes. 212, Tim. 88; Demosth. or. 18, 294; 25, 51; Deinarch. or. 2, 3. Er tritt aber nie in einem zwischenstaatlichen Kontext auf. 89 Den einzigen weiteren Beleg für Iolaos als Eidgottheit im griechischen Raum stellt Aristoph. Ach. 867 dar (kein Vertragseid). 90 Triton erscheint einmal, wobei ihm das Epitheton μέγας beigegeben wird, in einer Schwurgötterliste bei Eur. Cycl. 263. Er folgt dabei unmittelbar auf Poseidon, der von dem ältesten der Satyrn, Silen, als Vater des Kyklopen, vor dem er den Eid leistet, angerufen wird. Es handelt sich hier also nicht um einen dezidiert griechischen Eid, da der Schwur von einem Satyrn geleistet wird, die mit ihren tierischen Körperteilen in der griechischen Kunst häufig für das ‚Andere‘ stehen und geradezu „ein gesellschaftlich konzipiertes Gegenbild“ (Schneider [2000], 351) zum griechischen Polisbürger darstellen (vgl. Lissarrague [1993], bes. 220). 91 Selene ist in keinem griechischen Eid als Schwurgottheit bezeugt, was bei der griechischen
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gut in griechische (I) und karthagische Götter (II). Ab der dritten Gruppe ist eine solche Scheidung nicht mehr möglich. Die Gottheiten scheinen nun eher nach inhaltlichen Gemeinsamkeiten gruppiert zu sein: Während die Gruppe III von Kriegs- und Wassergottheiten gebildet wird,92 handelt es sich bei der vierten um Naturgottheiten (Sonne, Mond und Erde). Gruppe V schließlich wird durch das Element ‚Wasser‘ (ποταμοί93, λιμένοι94, ὕδατα95) zusammengehalten. Seltsam bleibt das doppelte Auftreten von Heeresgottheiten.96 Gut erklärbar ist dagegen allein bei der Annahme einer gemischten Götterliste das Auftreten der θεοὶ πάντες ὅσοι Μακεδονίαν καὶ τὴν ἄλλην Ἑλλάδα κατέχουσιν97 (VII). In Verbindung mit einer vorangehenden äquivalenten Formulierung, die sich auf alle karthagischen ‚Staatsgötter‘ bezieht (VI), ergibt sich eine gute Abrundung der Schwurgötterliste. Der Versuch liegt nahe, durch einen Vergleich der diskutierten Passage mit anderen von den beiden Protagonisten geleisteten Eiden, typisch ‚philippische‘ und typisch ‚hannibalische‘ Schwurgottheiten zu ermitteln und mit den hier überlieferten Gottheiten in Beziehung zu setzen. Dies führt leider nicht viel weiter: Zwar sind für Hannibal zwei weitere Eide und für Philipp V. sogar ein weiterer Staatsvertrag bezeugt, in Bezug auf die angerufenen Gottheiten ergibt sich aber nicht viel Neues. Für Hannibals Eide sind zum einen Zeus/ Juppiter, zum anderen Mars, Dido und Hekate belegt.98 Allein die Erwähnung Didos mag auf den ersten Blick weiterfüh-
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Vorliebe für Naturgottheiten als Eidgötter signifikant ist. Seit hellenistischer Zeit wird häufig Artemis als Mondgottheit verehrt, die als Eidgottheit gut belegt ist, fast immer in der apollinischen Trias oder unter ihrem Epitheton Tauropolos. Der genaue Zusammenhang zwischen Ares auf der einen und Triton – Poseidon auf der anderen Seite ist nicht ganz klar. Eine Möglichkeit wäre, Poseidon als eine Art Verbindungsglied zu deuten. Mit Ares hat er seine Urgewalt und elementare Kraft gemein (vgl. Burkert [²2011], 216 f.), mit Triton das Element des Wassers. – Die Gruppe III fällt auch sprachlich etwas aus dem Rahmen, da allein in ihr die einzelnen Gottheiten nicht durch καί verbunden sind. Die ποταμοί finden sich schon bei Homer (Il. III 278) und in hellenistischer Zeit auf Kreta (Chaniotis, Nr. 7) als Schwurgottheiten. Der Codex Urbinas hat δαιμόνων. λιμένων ist eine Konjektur von Gronovius; Walbank (1967), 51 weist mit Recht darauf hin, dass Reiskes Vorschlag λιμνῶν („Seen“) einen besseren Sinn ergibt. Eine endgültige Entscheidung ist hier aber kaum zu treffen und die meisten Ausgaben haben λιμένων. Für welche der beiden Konjekturen man sich auch entscheidet, die inhaltliche Verbindung zum Wasser ist jeweils gegeben. Nach frühgriechischer Vorstellung schworen die Götter bei τὸ κατειβόμενον Στυγὸς ὕδωρ (Hom. Il. XV 37), allerdings war dieser Eid für die Unsterblichen reserviert. Vgl. Walbank (1967), 52. Eine Anrufung von Eidgottheiten, die das Territorium eines Vertragspartners ‚innehaben‘ – und offensichtlich beschützen –, auch in IOSPE² 411 (Bürgereid der Chersonesiten), wo als letzte Gottheiten die ἥρωας ὅσοι πόλιν καὶ χώραν καὶ τείχη ἔχοντι τὰ Χερσονασιτᾶν angerufen werden; vgl. zu dieser Parallele auch Brulé (2005), 151, Anm. 25. S. ferner das Gebet zu Beginn von StV III 551, das sich abschließend auch an die „Archageten und Heroen“ wendet, ὅσοι ἔχοντι τὰν πόλιν καὶ τὰν χώραν τὰν Ῥοδίων. Der berühmte romfeindliche Schwur des jungen Hannibal, niemals ein Freund der Römer zu werden, findet sich bei Pol. III 11,5 (Zeus), Liv. XXI 1,4 (keine Götter genannt), Nep. Hann. 2,3 (Iovi optimo maximo) und Sil. I 116–120 (Kriegsgott: nostri per numina Martis, Manen Didos: per manes, regina, tuos, Hekate: triformi divae), ein weiterer Eid Hannibals, den er gegenüber seinen Soldaten leistet, bei Liv. XXI 45,8 (Iovem ceterosque…deos). Letzterer ist
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VI. Vertragseide zwischen Griechen und Nichtgriechen
ren, da sie ein Argument für die Identifikation derselben mit δαίμων Καρχηδονίων darstellen könnte. Allerdings handelt es sich bei der Quelle Silius Italicus um einen römischen Epiker des 1. Jahrhundert n. Chr., dessen Erwähnung der Dido mehr mit Vergil-imitatio als mit einem authentischen Eid Hannibals zu tun hat.99 Aus Philipps Eid in einem Vertrag mit den Lysimacheern ist nur die erste Gottheit, Zeus, überliefert,100 was im Eid der Lysimacheer, der wahrscheinlich mit demjenigen Philipps identisch war, noch durch die Nennung der θεοὶ οἱ ἐν Σαμοθράικηι ergänzt wird, deren Anrufung auch durch Philipp nicht verwundern würde.101 Alle anderen Götternamen sind nicht erhalten: Mit den durchaus plausiblen Ergänzungen Ge, Helios, Ares, Athena Areia und Tauropolos gelangt man nicht über im Hellenismus allgemein übliche Schwurgottheiten hinaus. Insgesamt betrachtet, erscheint eine Deutung, die von einer gemischt makedonisch-karthagischen Götterformel ausgeht, wahrscheinlich. Es hat den Anschein, als habe man sich auf eine Liste geeinigt, bei der zunächst zwei Triaden aus griechischen und punischen Gottheiten alternieren (I und II). Danach scheint das Ordnungsmuster zu wechseln und die Götter nach inhaltlichen Gemeinsamkeiten ihrer Zuständigkeitsbereiche gegliedert zu sein. Eine solche Interpretation des Eides passt gut zu dem Grundcharakter des Vertrages, in dem ja die Verpflichtungen beider Seiten genannt sind, und lässt sich überzeugend in die griechische Eidespraxis der Zeit einbetten, bei der es ja Usus war, sich auf eine gemeinsame Götterformel zu verständigen.102 Es ist evident, dass man die Götter des ‚Anderen‘ zumindest so weit anerkannte, dass man einen Schwur bei ihnen akzeptierte. Wie bei dem Aushandeln der Opfertiere gelang es auch in Bezug auf die Schwurgottheiten, sich auf ein gemeinsames Verfahren zu verständigen. Man wüsste hier allerdings gern noch mehr über die Art und Weise, wie solche Einigungen im Einzelnen konkret vonstatten gingen und welche Bedeutung den Göttern in den Verhandlungen genau zukam.103 v. a. deshalb interessant, weil das Eidritual von Livius in einer Weise geschildert wird, die eigentlich charakteristisch für die römischen Fetialen ist (zu den Fetialen Rich [2011]). Livius‘ Intention scheint es zu sein, auf diese Weise den dramatischen Effekt der Szene zu erhöhen, indem er eindringlich auf die Pa rallelität zwischen Opfertier (Lamm) und Eidbrecher verweist. Ähnliche Effekte sind häufig in attischen Tragödien des 5. Jahrhunderts zu beobachten (vgl. Fletcher [2012], 1 f.: „Oaths […] highlight significant moments in a plot and often provide a ceremonial flourish to its resolution.“). 99 Es ist schon lange gesehen worden, dass Silius die genannten Eidgottheiten hier anführt, um eine besonders düstere Atmosphäre zu schaffen; s. Von Albrecht (1964), 52 f. und jüngst Ganiban (2010), 78–81. 100 S. StV III 549b. 101 Eine Verbindung Philipps zu den samothrakischen Gottheiten ist durch die Weihung einer Ehrenstatue durch die Makedonen in Samothrake belegt, vgl. SEG XXIX 795: βασιλέα Φίλιππον / βασιλέως Δημετρίου / Μακεδόνες / Θεοῖς Μεγάλοις. 102 So schon Ziebarth (1905), 2078, der seit dem 3. Jahrhundert ausschließlich solche gemeinsamen Formeln ausmacht. 103 Dass bei solchen Verhandlungen bilinguale Gesandte des Perserkönigs zum Einsatz kamen, erfährt man bei Thuk. VIII 85,2 und Plut. Themistokles 6,2. Der Großkönig scheint hier verstärkt auf Karer und Lykier gesetzt zu haben. Zu zweisprachigen Karern s. die obige Thukydides-Stelle und Diod. XI 60,4, zu Lykiern Diod. XVII 68,5; Plut. Alexander 37,1; Curt. V 4,4.
VI.2. Die Wahl der Schwurgötter
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Erklärungsbedürftig bleibt, warum Polybios die Schwurgötter überhaupt anführt. Schließlich handelt es sich dabei um einen singulären Fall in der gesamten griechischen Historiographie. In dieser werden die Schwurgottheiten ansonsten niemals namentlich genannt, auch wenn Verträge mehr oder weniger wörtlich zitiert werden. Einen Grund mag man in dem besonderen Interesse sehen, das Polybios an diesem Vertrag gehabt haben dürfte. Auch für ihn stellte ein Vertragsschluss mit einer nichtgriechischen Macht etwas Besonderes dar, was ihn zur Überlieferung der Götternamen veranlasst haben dürfte. Es verwundert allerdings ein wenig, dass er sich nicht näher mit ihrer Identifikation auseinandersetzt.104 Griechische Historiker hatten ein besonderes Interesse an den Eidesgebräuchen anderer Völker. Das zeigt sich schon bei Herodot, wenn er fremde Völkerschaften häufig über deren Schwursitten charakterisiert und diese Gebräuche in großer Ausführlichkeit beschreibt.105 Dabei stehen zumeist Aspekte des Eidrituals im Vordergrund, die auf einen griechischen Betrachter befremdlich wirkten, wie das Ritzen der Haut und gegenseitige Ablecken des Blutes zur Bekräftigung eines Bündnisses.106 Bei einem Vertragsschluss, an dem Nichtgriechen beteiligt sind, Angaben über das Eidritual zu machen, ist also seit Herodot gute historiographische Tradition. Dass Polybios nichts über das Eidopfer verlauten lässt, hängt wohl schlicht damit zusammen, dass er nichts Genaueres darüber wusste, da in seiner eigenen Quelle107 – wie auf griechischen und wohl auch karthagischen Vertragsstelen allgemein üblich – keine Angaben über die Opfertiere und den genauen Ablauf des Rituals zu finden waren. Der Reiz des Fremden bestand für ihn hier daher in der für griechische Augen seltsamen Zusammenstellung der Schwurgötterliste. Es dürfte deutlich geworden sein, dass es durchaus so etwas wie eine gemeinsame Grundgrammatik des Eidrituals gab, die bei allen Unterschieden im Einzelnen von Griechen und Nichtgriechen geteilt wurde und auf die bei Vertragsschlüssen zurückgegriffen werden konnte. Walter Burkerts Vermutung: „[O]athtaking rituals of international character have the best chances to cross cultural borders“108, kann daher zugestimmt werden. Die einzelnen Elemente des Eidrituals konnten zwar nicht einfach eins zu eins übertragen werden, waren aber doch allgemein verständlich genug, um von Vertretern verschiedener Kulturkreise in einem gemeinsamen Verfahren angewandt zu werden. Grundvoraussetzung für das Funktionieren des Verfahrens war dabei, dass man die Götter des anderen akzeptierte. Man teilte ferner die Überzeugung, dass der Eidbrüchige der Strafe der jeweiligen Gottheit(en) anheimfalle. Die wichtigsten Elemente der Zeremonie, auf die es 104 Man beachte aber den fragmentarischen Charakter der Passage. 105 So etwa bei Arabern (Hdt. III 8: Bündnis zwischen Kambyses und dem König der Araber), Skythen (IV 68: Krankheit des Königs wegen Meineides auf die königlichen Hausgötter, IV 70: Eidritual), Nasomanen (IV 172), Thrakern (V 7), Lydern und Medern (I 74: Eidritual). Was bei dieser Quellenlage Torrance (2013), 321 Anlass zu der Feststellung gibt, „that Herodotus does not include oath-taking practices as a standard feature of his ethnographies“, erschließt sich dem Verfasser nicht. 106 Vgl. für diese ‚Blutsbrüderschaft‘ Hdt. I 70 (Bündnis zwischen dem Meder Kyaxares und dem Lyder Alyattes); das Element des Ritzens der Haut auch in III 8. 107 Zu dieser s. o. 108 Burkert (1992), 68.
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VI. Vertragseide zwischen Griechen und Nichtgriechen
sich zu einigen galt, stellten das Schlachten der Opfertiere und das Aushandeln der Schwurgötterliste dar. VI.3. ZU DEM AUSMASS GEGENSEITIGEN VERTRAUENS BEI VERTRAGSEIDEN ZWISCHEN GRIECHEN UND NICHTGRIECHEN Im Folgenden steht nun zu fragen, wie groß das gegenseitige Vertrauen bei Verträgen zwischen Griechen und Nichtgriechen war. Musste das Eidritual bei solch wahrhaft ‚internationalen‘ Bündnissen stärker kompensatorisch wirken oder konnte es auf einer ähnlichen Basis wie bei innergriechischen Verträgen aufbauen? Den Schwerpunkt der Überlegungen bilden erneut die griechisch-persischen Beziehungen, da diese für den Untersuchungszeitraum der Arbeit am besten bezeugt sind. Xenophon berichtet in seiner Kyropädie, dass Abmachungen und sogar beeidete Vereinbarungen bei den Persern aktuell keinen Wert mehr hätten.109 Im Gegensatz zu ihren Vorfahren seien die heutigen Perser – seit dem Tode Kyros d. J. – religiös und moralisch verkommen. Dies zeige sich besonders an ihrem Umgang mit Eiden und Versprechen.110 Solche Vorurteile im Sinne ‚ethnischer‘ Stereotype bezogen sich im Laufe der Antike häufig auf die Glaubwürdigkeit in Vertragsangelegenheiten. Den Römern war die Punica111 wie die Graeca fides112 sprichwörtlich – und dies nicht in einem positiven Sinne. Ein ähnliches Ressentiment scheint hinter dem bei Herodot überlieferten Urteil Kyros d. Ä. zu stehen, der über die Griechen – genauer die Spartaner – sagt, er fürchte „kein Volk, das inmitten seiner Städte Plätze hat, wo das Volk sich versammelt, schwört und einander betrügt.“113 Neben diesen ‚ethnischen‘ Stereotypen steht die nicht minder pauschale Abwertung einzelner Fremder. Was in den Schriften Xenophons der Großkönig Artaxerxes II. und besonders dessen Satrap Tissaphernes sind,114 entspricht in der römischen Literatur dem Bild Hannibals als des Poenus foedifragus par excellence.115 Mit 109 Xen. Kyr. VIII 8,2 f. Zum Perserbild der Kyropädie vgl. Gruen (2011), 53–65. 110 Man hat aus dieser Passage herauszulesen versucht, dass die Perser im 5. Jahrhundert geradezu berühmt für ihre Wort- und Vertragstreue gewesen seien (s. Hirsch [1985], 28 f.). Dies ist zumindest nicht der Fokus der Passage, in der ja gerade die augenblickliche Treulosigkeit der Perser herausgehoben werden soll. Dass zu diesem Zweck auf einen konstrastierenden Vergleich mit den Vorfahren zurückgegriffen wird, stellt ein ganz typisches Erzählmuster dar und besagt nicht viel, könnte es doch auch schlicht als ein rhetorischer Topos gedeutet werden. 111 Vgl. etwa Sall. Iug. 108,3; Liv. XXI 4,9; XXX 32,7; Cic. off. I 38; s. auch Prandi (1979), 93–97, Gazzano (2005), 3, Isaac (2004), 328–335 und Gruen (2011), 115–140. 112 Der locus classicus ist Verg. Aen. II 49: Timeo Danaos et dona ferentis, die Graeca fides findet sich etwa in Plaut. Asin. 198; s. dazu Isaac (2004), 331. 113 Hdt. I 153,1: Οὐκ ἔδεισά κω ἄνδρας τοιούτους, τοῖσί ἐστι χῶρος ἐν μέσῃ τῇ πόλι ἀποδεδεγμένος ἐς τὸν συλλεγόμενοι ἀλλήλους ὀμνύντες ἐξαπατῶσι. 114 Zu einem – allerdings misslungenen – Versuch, Tissaphernes als ein „model of good strategy“ zu rehabilitieren, vgl. Danzig (2007), Zitat: 37; s. dazu die kritischen Anmerkungen von Torrance (2013), 315, Anm. 15. 115 Einen weiteren besonders unsicheren Kantonisten stellt Perdikkas II. bei Thukydides (V 80,2)
VI.3. Zu dem Ausmaß gegenseitigen Vertrauens bei Vertragseiden
283
Recht weist Stephen W. Hirsch in einer Untersuchung der Haltung Xenophons gegenüber den Persern darauf hin, dass die Diskreditierung etwa des Tissaphernes oft nur als Negativfolie für andere xenophontische Charaktere gedacht ist, deren moralische Überlegenheit dadurch um so mehr zum Vorschein kommt. So wird Agesilaos in der gleichnamigen Schrift Xenophons nur und gerade im Kontrast zur Verdorbenheit des persischen Großkönigs zu einem „Panhellenic hero“116. Hirsch gelingt es, überzeugend herauszuarbeiten, dass die Urteile Xenophons über Persien und die Perser ambivalenter sind, als das in der Forschung zuvor häufig angenommen worden ist. So steht etwa in der Anabasis dem ‚schlechten‘, wort- und eidbrüchigen Tissaphernes der ‚gute Perser‘ Kyros d. J. gegenüber,117 „der es für das oberste Gebot“ hält, „nie wortbrüchig zu werden, wenn er mit jemandem einen Vertrag oder ein Abkommen geschlossen oder jemandem etwas versprochen hatte.“118 Die Charakterisierung ‚der Perser‘ durch Xenophon ist also tatsächlich facettenreicher, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Es lohnt sich, die Motive Eid und Eidbruch in der Anabasis noch ein wenig genauer unter die Lupe zu nehmen. In keinem anderen Werk der griechischen Literatur – abgesehen vom dritten und vierten Gesang der Ilias119 – tritt das Thema des Eidbruchs derart leitmotivisch in den Vordergrund, wie in dieser Schrift Xenophons. Der Vergleich mit der Ilias ist auch noch in anderer Hinsicht schlagend: Es ist sicher kein Zufall, dass es in beiden Werken um Auseinandersetzungen zwischen Griechen und Nichtgriechen geht und es jeweils die Barbaren sind, die den Vertragseid brechen.120 Die Ausführlichkeit, mit der hier immer wieder auf den Eidbruch rekurriert wird, zeigt, dass Zentrales verhandelt wird: Im Mittelpunkt stehen Fragen von Identität und Alterität. Dies gilt in besonderem Maße für die Anabasis, die exemplarisch verdeutlicht, wie Inklusion durch Exklusion funktioniert: Gerade in einem Moment, als sie durch den Verlust ihrer Anführer geschwächt sind, versudar; zu dessen „Schaukelpolitik“ vgl. jüngst Stickler (2010), 316. 116 Hirsch (1985), 39. 117 Vgl. Hirsch (1985), 22–25. 118 Xen. an. I 9,7: πρῶτον μὲν ἐπέδειξεν αὑτόν, ὅτι περὶ πλείστου ποιοῖτο, εἴ τῳ σπείσαιτο καὶ εἴ τῳ συνθοῖτο καὶ εἴ τῳ ὑπόσχοιτό τι, μηδὲν ψεύδεσθαι. 119 Vgl. Kap. II. 120 Die Frage der Ethnizität der Trojaner in der Ilias ist nicht so leicht zu beantworten, wie man annehmen möchte. Zwar werden die Trojaner auf den ersten Blick wie Griechen präsentiert (Fündling [2006], 126 erscheint der trojanische Königssohn Hektor gar als „ein Polisbürger des späten 8. Jahrhunderts“), sie tragen aber z. T. nichtgriechische Namen (Paris, Priamos) und werden von einem Herrscherhaus mit einem thrakisch-phrygischen Stammbaum (vgl. Kullmann [2002] 68 f.) regiert. Zumindest ihre Verbündeten sprechen zudem eine nichtgriechische Sprache (vgl. Hom. Il. II 803 f., 867 [Καρῶν βαρβαροφώνων]; IV 436–438 mit De Jong [1987], 126 f.). In der attischen Vasenkunst werden sie dagegen lange wie Griechen dargestellt, was sich erst mit den Perserkriegen entscheidend ändert (vgl. Erskine [2001]; die Bedeutung der Perserkriege als Einschnitt für die Stilisierung der Trojaner zu Fremden und Barbaren betont auch Patzek [2006], die auf den einflussreichen Studien von Hartog [1988], Hall [1989] und bes. Hall [1997] und [2002] zur griechischen Ethnizität beruht; s. zudem Lund [2005]). Ein Differenzbewusstsein der Griechen ist in der Ilias also bereits zu greifen, es hat aber gegenüber den ‚Anderen‘ noch keinen abschätzigen Beigeschmack (zur Entwicklung des Barbarenbegriffs vgl. etwa Nippel [1990] und Dihle [1994]).
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VI. Vertragseide zwischen Griechen und Nichtgriechen
chen die Griechen, durch den beständigen Rekurs auf die Meineidigkeit (ἐπιορκία) der Gegenseite die eigenen Reihen zu schließen. Beschrieben findet sich diese Situation im zweiten Kapitel des dritten Buches der Anabasis. Hier treten in der Heeresversammlung nacheinander der Spartaner Cheirisophos, der Orchomenier Kleanor und schließlich Xenophon selbst auf.121 Die drei Reden sind als eine Klimax mit Xenophons Rede als dem Höhepunkt konzipiert. Während Cheirisophos den „Verrat“ des Ariaios und seiner Leute noch vergleichsweise beiläufig erwähnt, setzt Kleanor direkt mit der „Meineidigkeit und Gottlosigkeit des Großkönigs“ sowie der „Treulosigkeit des Tissaphernes“ ein und malt letztere noch weiter aus, indem er auf die Verletzung des Gastrechtes durch den Satrapen hinweist.122 Daran anschließend thematisiert er den Vertragsbruch des Ariaios, wobei er erneut die religiöse Komponente hervorhebt, denn „auch dieser fürchtete nicht die Götter“123. Kleanor schließt resümierend mit einem Aufruf an die Strafgewalt der Götter.124 Darauf erhebt sich Xenophon.125 Obwohl er mit dem Hinweis beginnt, „über die Meineidigkeit und Treulosigkeit der Barbaren“ habe Kleanor ja schon gesprochen, enthält er sich in seiner Rede keineswegs dieses Themas oder gar religiöser Argumente insgesamt. Seine Ermunterung, man könne auf die „Hilfe der Götter“126, also auf Rettung, zählen, wird von einem Soldaten mit einem Niesen quittiert, was sofort als ein günstiges Zeichen von Zeus Soter interpretiert wird, dem man daraufhin ein Rettungsopfer gelobt, sobald man in befreundetes Gebiet zurückgekehrt wäre. Xenophon hebt nun erneut an zu sprechen und begründet dabei, warum die Aussichten auf Rettung gut seien. Dabei beginnt er in typischer Manier mit den religiösen Argumenten:127 πρῶτον μὲν γὰρ ἡμεῖς μὲν ἐμπεδοῦμεν τοὺς τῶν θεῶν ὅρκους, οἱ δὲ πολέμιοι ἐπιωρκήκασί τε καὶ τὰς σπονδὰς παρὰ τοὺς ὅρκους λελύκασιν. οὕτω δ’ ἐχόντων εἰκὸς τοῖς μὲν πολεμίοις ἐναντίους εἶναι τοὺς θεούς, ἡμῖν δὲ συμμάχους, (…). Erstens halten wir an den Eiden, die wir vor den Göttern geschlossen haben, fest; die Feinde aber sind meineidig und haben den Vertrag trotz ihrem Eide gebrochen. Unter diesen Verhältnissen ist es natürlich, daß den Feinden die Götter Widersacher, uns aber Kampfgenossen sein werden.128
Die Götter als Symmachoi, als aktive ‚Mitkämpfer‘ in der Schlacht!129 Diese Vorstellung erscheint zwar aus den homerischen Epen vertraut, ist aber in den nachhomerischen Quellen, die sich auf eine konkrete historische Situation beziehen, 121 Vgl. Xen. an. III 2,1–32. Zu den drei Reden vgl. Hirsch (1985), 30 f. 122 Xen. an. III 2,4: ἐπὶ τούτῳ Κλεάνωρ ὁ Ὀρχομένιος ἀνέστη καὶ ἔλεξεν ὧδε. Ἀλλ’ ὁρᾶτε μέν, ὦ ἄνδρες, τὴν βασιλέως ἐπιορκίαν καὶ ἀσέβειαν, ὁρᾶτε δὲ τὴν Τισσαφέρνους ἀπιστίαν, (…). 123 Xen. an. III 2,5: καὶ οὗτος οὔτε τοὺς θεοὺς δείσας (…). 124 Xen. an. III 2,6: ἀλλὰ τούτους μὲν οἱ θεοὶ ἀποτείσαιντο· – „Aber diese mögen die Götter bestrafen!“ 125 Zu Xenophons Reden in der Anabasis vgl. Rood (2004). 126 Xen. an. III 2,8: σὺν τοῖς θεοῖς πολλαὶ ἡμῖν καὶ καλαὶ ἐλπίδες εἰσὶ σωτηρίας. 127 Vgl. Mikalson (1983), 15: „The gods came first.“ Vgl. Habicht (²2006), 184 f. S. auch Kap. V.3. 128 Xen. an. III 2,10. 129 Vgl. dazu Dillery (1995), 109 und 184.
VI.3. Zu dem Ausmaß gegenseitigen Vertrauens bei Vertragseiden
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sehr selten. Genau genommen werden die Götter nur dann so apostrophiert, wenn es sich um Auseinandersetzungen mit Nichtgriechen handelt.130 Zwar finden sich Aufrufe „mit den Göttern“131 für eine Sache einzutreten oder der Hinweis auf ihre Funktion als Zeugen und Schiedsrichter von Eiden und Verträgen,132 zu aktiven ‚Mitkämpfern‘ werden sie aber bezeichnenderweise erst in einem Kontext, in dem es gegen Nichtgriechen geht. Mit der Rede von den Göttern als Symmachoi legt sich Xenophon selbst einen berühmten Ausspruch des von ihm bewunderten Spartanerkönigs Agesilaos II. in den Mund.133 Dieser habe, wie Xenophon an anderer Stelle zweimal wortgleich berichtet,134 seinen Gesandten einmal aufgetragen, dem auch ihm gegenüber vertragsbrüchigen Tissaphernes zu danken, weil er „durch seinen Eidbruch sich selbst die Götter zu Feinden, den Hellenen jedoch zu Kampfgenossen gemacht habe.“135 Der Gedanke der Götter als Symmachoi taucht also auch hier bei Verhandlungen zwischen Griechen und Nichtgriechen auf. Gegenüber anderen Griechen brachte man diese Vorstellung dagegen nicht derart explizit zum Ausdruck. In innergriechischen Auseinandersetzungen konzeptionalisierte man die Götter als Zeugen oder Schiedsrichter, zu Konfliktparteien wurden sie nicht. Aber zurück zur Rede Xenophons aus der Anabasis: Was die religiösen Argumente und besonders die Meineidigkeit der Perser angeht, ist mit dem Gedanken der Götter als Symmachoi der Griechen der Höhepunkt der drei Reden erreicht. Es folgen die unvermeidbaren historischen Argumente (Marathon, Xerxeszug),136 die hier in Form eines anti-persischen Freiheitsdiskurses vorgebracht werden: „Keinem 130 Vgl. etwa Hdt. VIII 64; 143,2. Auch Demosth. or. 11, 2 stellt kein Gegenbeispiel dar, sondern bestätigt das Gesagte, da hier gegenüber Philipp II. der Barbarendiskurs angeschlagen wird. Ausnahmen, bei denen ausschließlich mythische Kontexte verhandelt werden, finden sich allein in den Tragödientexten (so etwa Aischyl. Sept. 266, Soph. Ai. 117 und Eur. Heracl. 347– 352, wo sich explizit die homerische Vorstellung von den streitenden Göttern findet). Vgl. dazu auch Clavadetscher-Thürlemann (1985), 92–97. 131 Etwa Thuk. I 86,5: ξὺν τοῖς θεοῖς (…). 132 Zu den Eidgöttern als Zeugen oder Schiedsrichtern: Thuk. I 71,5 (Schiedsrichter); I 78,4, II 71,4, IV 87,2 (μάρτυρας), ähnlich VI 80,3 (μαρτυρόμεθα), II 74,2 (ξυνίστορες). Wenn dagegen in der Anabasis auf die Götter als „Schiedsrichter“ (ἀγωνοθέται) verwiesen wird (III 1,21 f.), so nicht ohne den Zusatz, dass sie „auf unserer Seite, wie es recht und billig ist, stehen werden“ (οἳ σὺν ἡμῖν, ὡς τὸ εἰκός, ἔσονται), mithin parteiisch sind. Anders in Xen. an. IV 8,7 (θεοὺς δ’ ἐπεμαρτύραντο ἀμφότεροι), wo es aber eben nicht um ein Bündnis mit den Persern geht. 133 Zu Agesilaos s. Cartledge (1987). 134 Xen. Hell. III 4,11, zitiert in Xen. Ag. 1,13. Die gesamte Passage Ag. 1,13–16 entspricht bis auf sehr kleine Abweichungen der Vorlage in Hell. III 4,11 f. 135 Xen. Hell. III 4,11 und Ag. 1,13: ἐπιορκήσας αὐτὸς μὲν πολεμίους τοὺς θεοὺς ἐκτήσατο, τοῖς δ᾽ Ἕλλησι συμμάχους ἐποίησεν. – Xenophon (Hell. III 4,6 und Ag. 1,10 f.) kommentiert die Haltbarkeit des zwischen Agesilaos und Tissaphernes im Jahre 396 geschlossenen Waffenstillstandes trocken mit den Worten: ὁ μὲν δὴ Τισσαφέρνης ἃ ὤμοσεν εὐθὺς ἐψεύσατο. – „Tissaphernes jedoch wurde sofort an dem, was er beschworen hatte, eidbrüchig.“ Das Selbstzitat Xenophons beschränkt sich hier im Gegensatz zu den in Anm. 134 genannten Passagen auf diesen einen Satz. 136 Vgl. zur Vergangenheit als Argument die instruktiven Ausführungen von Chaniotis (2005b) und – ausführlicher – (2009); s. ferner Perlman (1961), Gottlieb (2000) und jetzt Osmers
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VI. Vertragseide zwischen Griechen und Nichtgriechen
Menschen huldigt ihr als Herrn, nur den Göttern.“137 Den übrigen Teil seiner Ausführungen verwendet Xenophon darauf, den von ihm antizipierten Befürchtungen der Soldaten wie dem Fehlen einer eigenen Reiterei und dem Mangel an ortskundigen Führern entgegenzuwirken. Nach einer kurzen Zwischenrede des Cheirisophos ist es dann erneut Xenophon, der praktische Vorschläge zur Durchführung des Marsches macht, die auch angenommen werden. Die Situation stellt eine Schlüsselszene in der Anabasis dar. Xenophon gelingt es, sich als Anführer zu profilieren, dessen Vorschläge nach dem Duktus seiner eigenen Erzählung – man denke an das Niesen des Soldaten – sogar mit göttlicher Legitimation versehen werden.138 Festzuhalten bleibt, dass Xenophon, um die Soldaten zu überzeugen, bevorzugt auf religiöse Argumente zurückgreift, die der moralischen Diskreditierung des Gegners und der Stärkung des inneren Zusammenhalts der eigenen Truppe dienten. Zu diesen zählte auch das Argument der Götter als ‚Mitkämpfer‘, das nach dem Ausweis der Quellen allein gegenüber Nichtgriechen Verwendung fand und niemals bei innergriechischen Auseinandersetzungen vorgebracht wurde. Hirsch schießt daher über das Ziel hinaus, wenn er versucht, alle Barbarentopoi nur werkimmanent aus dem Kontext der jeweiligen Erzählsituation zu erklären und gleichsam zu eliminieren: „Trust and Deceit“ treten in der Anabasis tatsächlich leitmotivisch auf.139 Wenn es um Nichtgriechen geht, liegt der Schwerpunkt aber deutlich auf letzterem. Es ist wichtig festzuhalten, dass es gerade der Eidbruch ist, der in der Schrift zentral figuriert.140 Von den zahlreichen Passagen sei hier noch eine Stelle herausgegriffen, die die (oben) beschriebene Diskussion in der Heeresversammlung gleichsam vorbereitet. Bei den Verhandlungen, die dem Abschluss des Waffenstillstandes folgen, den die Perser durch den Mord an den griechischen Anführern später brechen sollten, hält Klearchos eine erstaunliche Rede, in der das Konzept der göttlichen Vergeltung, die dem Eidbrecher droht, besonders explizit hervorgehoben wird. Dort heißt es: πρῶτον μὲν γὰρ καὶ μέγιστον οἱ θεῶν ἡμᾶς ὅρκοι κωλύουσι πολεμίους εἶναι ἀλλήλοις· ὅστις δὲ τούτων σύνοιδεν αὑτῷ παρημεληκώς, τοῦτον ἐγὼ οὔποτ’ ἂν εὐδαιμονίσαιμι. τὸν γὰρ θεῶν πόλεμον οὐκ οἶδα οὔτ’ ἀπὸ ποίου ἂν τάχους οὔτε ὅποι ἄν τις φεύγων ἀποφύγοι οὔτ’ εἰς ποῖον ἂν σκότος ἀποδραίη οὔθ’ ὅπως ἂν εἰς ἐχυρὸν χωρίον ἀποσταίη. πάντῃ γὰρ πάντα τοῖς θεοῖς ὕποχα καὶ πάντων ἴσον οἱ θεοὶ κρατοῦσι. περὶ μὲν δὴ τῶν θεῶν τε καὶ τῶν ὅρκων οὕτω γιγνώσκω, παρ’ οὓς ἡμεῖς τὴν φιλίαν συνθέμενοι κατεθέμεθα· „Das Erste und Wichtigste: die bei den Göttern geschworenen Eide hindern uns, einander feind zu sein. Wer sich ihrer Mißachtung bewußt ist, den könnte ich nie glücklich schätzen. Denn wer der Götter Rache entfliehen wollte, ich wüßte nicht, mit welcher Geschwindigkeit oder in welche Richtung er enteilen könnte, noch in welche Finsternis er entwiche oder wie er sich in einer (2013). Zum Kampf um die Erinnerung an die Perserkriege s. Hölkeskamp (2001), Jung (2006) und Albertz (2006). 137 Xen. an. III 2,13: οὐδένα γὰρ ἄνθρωπον δεσπότην ἀλλὰ τοὺς θεοὺς προσκυνεῖτε. 138 Zum Niesen als günstigem Vorzeichen vgl. Burkert (2005), 9 und Trampedach (2015), 97– 100, locus classicus ist Hom. Od. XVII 541 f. 139 Vgl. etwa Hirsch (1985), 17: „This chapter explores Xenophon’s use of the motifs of trust and deceit throughout the Anabasis.“ 140 Vgl. Xen. an. II 4,7; 5,21; 5,37; 5,39; 5,41; 6,22; 6,25 f.; III 1,21 f.; 1,28 f.; 2,2; 2,4; 2,8; IV 1,1.
VI.3. Zu dem Ausmaß gegenseitigen Vertrauens bei Vertragseiden
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Feste bergen wollte. Denn überall ist alles den Göttern untertan und sie herrschen über alles in gleicher Weise. So denke ich über die Götter und die Eide, bei denen wir unsere Freundschaft geschlossen und vereinbart haben.“141
Klearchos scheint sehr sicher gehen zu wollen, dass seinem Vertragspartner auch klar ist, worauf er sich eingelassen hat. Die Ausführlichkeit, mit der er hier das Konzept der göttlichen Vergeltung ausmalt, ist frappierend. Diese erfolge schnell142 und zielsicher, der Eidbrecher könne sich nirgends vor der Rache der Götter verbergen – alles ganz typische Motive griechischer Vorstellungen über die göttliche Vergeltung gegenüber Meineidigen. Die Akteure empfanden offensichtlich in zwischenstaatlichen Verhandlungen, die den innergriechischen Rahmen überschritten, eine besondere Notwendigkeit, die eigenen Vorstellungen der fremden Seite zu verdeutlichen. Xenophon lässt Tissaphernes eine Antwort geben, die ebenfalls auf der Bedeutung eines geleisteten Eides insistiert: „Es ist überhaupt ein Zeichen plan- und ratloser Menschen, die sich in einer Notlage befinden und noch dazu verworfen sind, wenn sie durch Meineide gegenüber den Göttern und Treulosigkeit gegenüber den Menschen etwas erreichen wollen. So unvernünftig, Klearchos, und einfältig sind wir nicht.“143
Tissaphernes betont, dass ein Eidbruch ein Vergehen gegen die Götter darstelle. So unvernünftig, ein solches Risiko einzugehen, seien weder er selbst noch seine Landsleute. Ihm gelingt es tatsächlich zu lügen, während er gerade über die religiösen Konsequenzen eines Meineides spricht. Seine Lüge ist hier die Voraussetzung dafür, seinen Eidbruch überhaupt durchführen zu können, da er nur auf diese Weise Klearchos davon überzeugen kann, sich mit den anderen Anführern der Griechen ins persische Lager zu begeben. Xenophon zeichnet Tissaphernes hier als einen durch und durch verdorbenen Charakter. Dieser habe nicht nur einen Meineid auf das Bündnis geleistet und diesen ihm gegenüber mit einer Dexiosis144 bekräftigt, sondern er habe auch noch lügen müssen, um überhaupt erst eidbrüchig werden zu können. Neben Tissaphernes werden der Schwager des Großkönigs – und damit auch Artaxerxes II. selbst – sowie Ariaios als vertrags- und eidbrüchige Perser beschrieben,145 als wortbrüchig oder untreu dagegen noch zahlreiche weitere Personen – Griechen genauso wie Nichtgriechen.146 Dies kann aber nicht dahinge141 Xen. an. II 5,7 f.; zur Rolle der Religion bei Xenophon und zu dessen eigener Religiosität vgl. Pownall (1998), Bowden (2004) und Parker (2004). 142 Das Motiv der Schnelligkeit der göttlichen Rache bei der Verfolgung von Eidbrechern findet sich auch bei Hdt. VI 86γ. 143 Xen. an. II 5,21: παντάπασι δὲ ἀπόρων ἐστὶ καὶ ἀμηχάνων καὶ ἐν ἀνάγκῃ ἐχομένων, καὶ τούτων πονηρῶν, οἵτινες ἐθέλουσι δι’ ἐπιορκίας τε πρὸς θεοὺς καὶ ἀπιστίας πρὸς ἀνθρώπους πράττειν τι. 144 Xen. an. II 3,28; II 5,3. 145 Vgl. Xen. an. II 3,28 (Tissaphernes und der Schwager des Großkönigs), II 2,8 f. (Ariaios); der Verrat in II 5,30–32, 38–42 und II 6,1. 146 Der Thessaler Menon: II 6,22, 25 f.; Großkönig Artaxerxes: III 2,4; IV 1,1; Aristarchos, der spartanische Harmost von Byzanz: VII 2,12–16; 3,3; der Thrakerkönig Seuthes: VII 6,15–23 u. a.; Herakleides, ein Grieche aus Maroneia in Thrakien: VII 5,6; 6,41.
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VI. Vertragseide zwischen Griechen und Nichtgriechen
hend interpretiert werden, dass solche Vergehen aus Xenophons Perspektive auf beiden Seiten gleich häufig aufträten und denselben Stellenwert hätten. So wird etwa nach einem Verrat des Griechen Herakleides, der in Diensten des Thrakerkönigs Seuthes steht, ausdrücklich hervorgehoben, dass dieser als Grieche anderen Griechen Schaden zufüge.147 Hier dient Ethnizität als Argument dafür, den Verrat des Herakleides als umso heimtückischer erscheinen zu lassen. Das Argument kann aber nur unter der Annahme funktionieren, dass der Verrat eines Barbaren ja zu erwarten sei, keineswegs aber derjenige eines Griechen – ein klarer Hinweis darauf, wie man im 4. Jahrhundert die Vertrauenswürdigkeit eines Griechen im Vergleich zu der eines Nichtgriechen einschätzte. Gerade die für spätere Etappen des Zuges berichteten Fälle von – griechischer – Treulosigkeit dienen dazu, die Leistung Xenophons als die eines guten Anführers hervorzuheben, der auch mit Widrigkeiten umzugehen weiß. Auch handelt es sich bei diesen Fällen um den Bruch von Versprechen, nicht von mit einem Ritual beschworenen Verträgen, was nach griechischem Denken einen entscheidenden Unterschied darstellt, da ein bloßes Versprechen im Gegensatz zu einem Eid eben nicht unter göttlichem Schutz stand.148 Nach persischen Maßstäben stellte sich dies anders dar, da das Wahrheitsgebot im Zoroastrismus religiös begründet ist: Mithra liebt die Wahrheit, er repräsentiert sie.149 Dies kontrastiert mit griechischen Vorstellungen: Kein Grieche hätte je behauptet, Zeus sei besonders wahrheitsliebend oder verkörpere gar die Wahrheit.150 Es ist nun aber sicher nicht so, dass die Perser aufgrund ihrer Religion von den Griechen per se als besonders vertrauenswürdig oder vertragstreu angesehen worden wären.151 Dies zeigt sich beispielsweise, wenn man sich erneut den ‚anti-deceit clauses‘152 griechischer Staatsverträge zuwendet, für deren Verständnis die scharf147 Xen. an. VII 6,41: οὐ γὰρ δὴ οὗτός γε, ἔφη, Θρᾷξ ἐστιν, ἀλλ’ Ἕλλην ὢν Ἕλληνας ἀδικεῖ. – „Er ist ja kein Thraker, sondern als Grieche fügt er Griechen Schaden zu.“ Der Satz findet sich in einer Rede des Atheners Polykrates. 148 Vgl. zu der strikten Unterscheidung zwischen ‚Eid‘ und ‚Versprechen‘ Hornblower (2007), 146 und die Einleitung dieser Studie. 149 Vgl. Yt. 10,2, s. auch Moulton (1913), 131–137, Zaehner (1961), 34–37, Hirsch (1985), 18 f., Knäpper (2011), 65–67. 150 Blumenberg (1979), 174 urteilt gar: „Er (sc. Zeus) ist, auf lange Sicht, die Unzuverlässigkeit in Person.“ S. dazu Martin (1997), 6–8. Zeus ist stattdessen in besonderem Maße für die Bestrafung von Eidbrechern zuständig, für die Evidenz vgl. Kap. III.1. Auch lässt sich eine enge Verbindung zu Gerechtigkeitskonzeptionen feststellen, vgl. Lloyd-Jones (1971), 5–7, 27, 41 f., 57 f., 86–88. 151 Hirsch (1985), 28 ist nicht zuzustimmen, wenn er urteilt: „(…) there is some reason to believe that in the fifth century the Persians had been famous for their fidelity to oaths (…).“ Als Beleg verweist er auf Xen. Kyr. VIII 8,2 f. Der Duktus dieser Passage ist aber eindeutig darauf gerichtet, die Herrschaftszeit des Kyros und die seiner Vorgänger in panegyrischer Weise von der seiner Nachfolger abzugrenzen. Sie taugt daher nicht als Quelle für die griechische Einschätzung persischer Eidestreue. Größeres Gewicht haben die diskutierten Stellen aus der Anabasis, die auf das Gegenteil hinweisen. – Einen größeren Eindruck scheint da schon die Eidestreue der Römer auf griechische Intellektuelle wie Polybios gemacht zu haben; zur aus seiner Sicht strikten Befolgung des römischen Beamteneids vgl. Pol. VI 56,9. 152 Vgl. zu diesen auch Anm. Kap. IV, Anm. 99.
VI.3. Zu dem Ausmaß gegenseitigen Vertrauens bei Vertragseiden
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sinnige Untersuchung des Phänomens durch Francesca Gazzano einen echten Fortschritt markiert. Gazzano berücksichtigt vermehrt die literarische neben der epigraphischen Überlieferung und stellt damit die Quellenbasis auf eine breitere Grundlage.153 Indem sie bevorzugt nach dem historischen Kontext und dem Status der beteiligten Vertragspartner fragt,154 gelingt es ihr zudem, eine Reihe typischer Fälle auszumachen, bei denen ‚anti-deceit clauses‘ Verwendung fanden. Zu diesen gehörten neben den ungleichen Verträgen, wie sie etwa die Athener in ihrem Ersten Seebund schlossen,155 laut Gazzano auch „accordi fra popolazioni ‘etnicamente’ diverse“156. Diese Beobachtung ist wichtig. Gazzano hält es außerdem für wahrscheinlich, wenn auch nicht beweisbar, dass die ‚anti-deceit clauses‘ aus der Vertragspraxis des Vorderen Orients stammen.157 Was auch immer die Vorläufer dieser Formeln gewesen sein mögen, ihr gehäuftes Auftreten in Verträgen zwischen Griechen und Nichtgriechen deutet auf ein gesteigertes Misstrauen bei Vertragsschlüssen mit Fremden hin.158 Täuschung und Betrug scheinen ein besonders virulentes Problem bei Verträgen und Eiden zwischen Griechen und Nichtgriechen gewesen zu sein. Ein Grund hierfür kann darin gesehen werden, dass zwischenstaatliche Beziehungen zwischen kulturell, ethnisch und sprachlich verschiedenen Völkern oder Gemeinwesen mit speziellen Problemen zu kämpfen hatten und haben: So kann etwa nicht auf ein gemeinsames Symbolsystem oder gemeinsame kommunikative Codes zurückgegriffen werden, was die Beziehungen anfälliger für Missverständnisse macht. Ein Beispiel hierfür liefert die von Herodot aufgezeichnete Geschichte über die Unfähigkeit des Dareios, eine ihm von den Skythen gesandte Nachricht richtig zu deuten.159 Solche Missverständnisse waren sicher nicht der einzige Grund für ein größeres Misstrauen in den zwischenstaatlichen Beziehungen, wenn diese den innergriechischen Bereich überschritten, spielten aber durchaus eine Rolle. Weitere
153 Wheeler (1984), dem das Verdienst zukommt, das Phänomen überhaupt erst in den Blickpunkt der Forschung gerückt zu haben, hatte in seiner Analyse die literarischen Quellen nur in so weit herangezogen, als sie Episoden über die ‚sophistische Interpretation‘ von Eiden beinhalteten. Gazzano (2005), 15 fügt dem besonders Passagen über den Abschluss von Staatsverträgen hinzu. 154 Zu ihrer Methodik vgl. Gazzano (2005), 14 f. 155 Zu dem gehäuften Auftreten von ‚anti-deceit clauses‘ in attischen Staatsverträgen des 5. Jahrhunderts s. Wheeler (1984), 258, der es pauschal mit nicht spezifizierten „burdens of empire“ erklärt und dahinter sophistisches Gedankengut vermutet, so auch Siewert (1972), 39 f. Für letzteres ist die Zeitspanne, in der die Klauseln auftreten, aber viel zu groß, finden sie sich doch auch noch in kretischen Staatsverträgen aus hellenistischer Zeit sehr häufig. Vgl. Anm. Kap. IV, Anm. 99. 156 Gazzano (2005), 29. 157 Gazzano (2005), 28 f. 158 So auch Gazzano (2005), 32, die von „una certa mancanza di fiducia nei confronti dell’ ‘altro’“ spricht. Belegstellen finden sich etwa bei Hdt. I 69,2 (Kroisos und die Spartaner), VIII 140α,4 (Xerxes und die Athener), IX 7,α1 (Perser und Athener) und Pol. VII 9,8 (Hannibal und Philipp V.). 159 Vgl. Hdt. IV 131 f.; s. dazu auch Gazzano (2005), 32.
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VI. Vertragseide zwischen Griechen und Nichtgriechen
Gründe sind in den schlechten Erfahrungen, die man mit einzelnen Nichtgriechen gemacht hatte,160 oder in einer generellen Furcht vor dem Fremden zu sehen. Diplomatische Beziehungen zwischen Griechen und Nichtgriechen gestalteten sich in besonderem Maße problematisch. In diese Richtung deuten auch zwei bei Xenophon überlieferte Passagen, die auf besonders krasse Weise ein gegenseitiges Misstrauen der Vertragspartner schon vor bzw. auch noch nach dem Vertragsschluss bezeugen. In beiden Fällen handelt es sich bezeichnenderweise um Beziehungen zwischen Griechen und Nichtgriechen: So schlossen im Jahre 409 die amtierenden attischen Strategen mit dem persischen Satrapen von Phrygien, Pharnabazos, der die Spartaner am Ende des Peloponnesischen Krieges unterstützte, eine beeidete Vereinbarung.161 Da allerdings Alkibiades – obwohl Stratege – bei der Eidesleistung nicht anwesend sein konnte, bestand Pharnabazos darauf, dass dieser nachträglich schwören sollte, woraufhin Alkibiades seinerseits auf einem erneuten Eid des Pharnabazos beharrte.162 Beide leisteten nun den Gesandten des jeweils Anderen einen Eid, wobei sie dem offiziellen Schwur (τὸν τε κοινὸν ὅρκον) noch persönliche Zusicherungen hinzufügten (καὶ ἰδίᾳ ἀλλήλοις πίστεις ἐποιήσαντο).163 Solche zusätzlichen persönlichen Zusicherungen sind in der Forschung gelegentlich damit erklärt worden, dass im Laufe des 5. und 4. Jahrhunderts der Glaube an die Götter abgenommen habe und man daher weiterer nicht religiös fundierter gegenseitiger Versicherungen bedurft habe.164 Es wird nun aber in der Passage gar nicht gesagt, worin diese πίστεις eigentlich bestanden haben – es könnte sich also bei ihnen auch um religiös fundierte Zusicherungen handeln.165 Schließlich betont der griechische Text explizit den Gegensatz zwischen ‚öffentlichen‘ (κοινόν) und ‚privaten‘ (ἰδίᾳ) Treueversicherungen und nicht etwa zwischen ‚religiösen‘ und ‚weltlichen‘. Das muss nicht dasselbe sein. Daher ist das gegenseitige Beharren auf dem nachträglichen bzw. erneuten Schwur der Gegenseite doch v. a. als ein grundlegendes gegenseitiges Misstrauen zu interpretieren. Für das Aufkommen eines solchen Misstrauens mag es auch eine Rolle gespielt haben, dass Alkibiades sich durch seine mehrmaligen Seitenwechsel im Laufe des Peloponnesischen Krieges den Ruf eines unsicheren Kantonisten erworben hatte.166 Vielleicht ging es bei den zusätzlichen Zusicherungen auch darum, sich den 160 Das klassische Beispiel ist Tissaphernes (s. o.). 161 Vgl. Xen. Hell. I 3,9: ὅρκους ἔδοσαν καὶ ἔλαβον παρὰ Φαρναβάζου; für weitere Quellenpassagen vgl. StV II 206. 162 So Xen. Hell. I 3,10 f. 163 Xen. Hell. I 3,12. 164 So etwa Baltrusch (1994), 61, Anm. 334, auch (2008), 28 f. 165 Gegen Baltrusch (1994), 61, Anm. 334 ist zu betonen, dass das Wort πίστις keineswegs darauf beschränkt ist, ein säkulares Komplementär zu ὅρκος darzustellen, sondern eher als ein Oberbegriff für verschiedene Formen der Vertragsabsicherung anzusehen ist. Vgl. Pol. IX 31: ὅρκους, τὰς μεγίστας πίστεις παρ᾽ ἀνθρώποις, Suda s. v. συνθῆκαι (Σ 1587) Σ υ ν θ ῆ κ α ι : αἱ πίστεις αἳ διὰ τριῶν ἐτελοῦντο· λόγων, ἔργων, χειρῶν. λόγων μὲν οἷον δι’ ὅρκων, ἔργων δὲ οἷον τῶν ἐν τοῖς βωμοῖς θυσιῶν, χειρῶν δὲ ἐπεὶ αἱ πίστεις διὰ χειρῶν ἐγίνοντο. 166 Darauf spielt auch Rhodes (2011) an, wenn er Alkibiades – sicher ein wenig plakativ – im Untertitel seiner Biographie als einen „Athenian Playboy, General and Traitor“ (Hervorhebung v. Verf.) bezeichnet.
VI.3. Zu dem Ausmaß gegenseitigen Vertrauens bei Vertragseiden
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Anderen nicht nur als Vertreter der Gegenseite, sondern persönlich (ἰδίᾳ) zu verpflichten.167 Für Pharnabazos dürfte zudem die Überlegung eine Rolle gespielt haben, den zu diesem Zeitpunkt wohl erfolgreichsten und mächtigsten Athener beim Vertragsschluss nicht außen vor zu lassen. Obwohl also auch andere Motive das Schwurverhalten der beteiligten Protagonisten beeinträchtigt haben mögen, lässt sich doch nicht bestreiten, dass in dieser Episode ein ‚gesundes Misstrauen‘ zwischen griechischen und nichtgriechischen Akteuren förmlich zu greifen ist. Ähnlich verhält es sich bei einem Waffenstillstand, der im Jahre 397 zwischen dem spartanischen Feldherrn Derkylidas und den persischen Satrapen Pharnabazos und Tissaphernes geschlossen wurde.168 Auf ein von Tissaphernes ausgehendes Verhandlungsangebot reagierte Derkylidas nach Xenophon mit der Forderung nach einer Stellung von Geiseln und Bürgschaften (πιστὰ καὶ ὁμήρους169) als bloße Voraussetzung für Verhandlungen. Dies ist im Rahmen der antiken Diplomatie ein äußerst ungewöhnlicher Schritt. Es ist allerdings mit Tissaphernes ein Akteur beteiligt, der bei den Griechen seit dem Marsch der Zehntausend für seine Unberechenbarkeit berüchtigt war. Im Gegensatz zu den nachträglichen Eiden zwischen Alkibiades und Pharnabazos handelt es sich hier um einen Fall von gegenseitigem Misstrauen, das dem Vertragsabschluss vorausgeht. Dass beide Male ein Akteur mit einer besonders schlechten Reputation in Vertragsangelegenheiten beteiligt ist, schmälert das Ergebnis nicht, da vergleichbare Zeugnisse für den innergriechischen Bereich fehlen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es den Griechen relativ leicht möglich war, Elemente ihrer eigenen Eidespraxis auf Vertragsschlüsse mit Nichtgriechen zu übertragen bzw. an fremde Gebräuche anzuknüpfen, wie an den Beispielen der im Ritual geschlachteten Opfertiere und der Schwurgottheiten, bei denen der Eid geleistet wurde, gezeigt werden konnte. Die Wahl der Opfertiere wurde der konkreten Situation, in der man sich befand, angepasst (Ariaios und die griechischen Söldner), die Schwurgottheiten in gemischten Götterformeln angerufen (Philipp V. und Hannibal). Dabei wurde sogar Wert auf vermeintliche Nebensächlichkeiten wie die Reihenfolge der Schwurgottheiten gelegt, die – wie beim Vertrag zwischen Maussollos und den Phaseliten – zum Gegenstand der Verhandlungen werden konnte. Die religiöse Absicherung des Vertrags war somit zugleich von hoher politischer Bedeutung. Grundvoraussetzung für das Funktionieren kulturübergreifender Rituale war nun eine – zumindest minimale – gegenseitige Akzeptanz der jeweils fremden Gottheiten. Dabei kam es den Griechen zugute, dass sie an eine jahrhundertealte Vertragspraxis des Vorderen Orients anschließen konnten, in der sich so etwas wie eine gemeinsame Grammatik des Eidrituals mit ähnlichen 167 Besonders Alkibiades könnte auf diese Weise versucht haben, seine persischen Beziehungen zu festigen und sich damit weitere politische Optionen aufrecht zu erhalten. 168 Vgl. Xen. Hell. III 2,18–20; s. auch StV II 219. 169 Xen. Hell. III 2,18. – Zu behaupten, die Griechen hätten die Geiselstellung von den Nichtgriechen ‚gelernt‘, ginge wohl zu weit. Eine gehäufte Anwendung dieses Mittels beim Kontakt mit Nichtgriechen suggeriert allerdings ein geringeres Grundvertrauen. Zur Geiselstellung bei den Griechen vgl. Amit (1970), Lonis (1977), Panagopoulos (1978), Roos (1990), Bederman (2001), 173.
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VI. Vertragseide zwischen Griechen und Nichtgriechen
Grundstrukturen entwickelt hatte, derer sich die Großreiche und Stadtstaaten der antiken Mittelmeerwelt bedienten.170 Für diese Eidpraxis dürfte der polytheistische Charakter der Religionen der jeweils beteiligten Vertragspartner zumindest nicht von Nachteil gewesen sein. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass eine Einigung auf eine gemeinsame Schwurgötterliste unter polytheistischen Voraussetzungen ungleich leichter fallen musste, als dies der Fall gewesen wäre, wenn Vertreter einer streng monotheistischen Religion beteiligt gewesen wären: Wenn es nur den einen Gott gibt, kann ein Eid bei anderen Göttern nur schwer akzeptiert werden oder wird eben nicht als bindend angesehen.171 Ein solcher alleiniger Wahrheitsanspruch ist schwer mit einer gemeinsamen Götterliste zu vereinbaren. In einer polytheistisch geprägten Umwelt existierten dagegen in Bezug auf die Eidespraxis vergleichsweise gute Voraussetzungen für eine Einigung: Der politische Spielraum, der in Bezug auf die religiös fundierten Vertragselemente bestand, war groß, der Handlungsrahmen vergleichsweise flexibel. Dies war aber auch nötig, da sich die Vertragspartner bei solchen wahrhaft ‚internationalen‘ Verhandlungen gegenseitig noch weniger Vertrauen entgegenbrachten als bei innergriechischen Vertragsschlüssen. Eine gemeinsame Basis für Verhandlungen musste hier häufig gegen gängige Vorurteile hergestellt werden. Aussagekräftig sind in dieser Hinsicht v. a. die ‚antideceit clauses‘, deren vermehrtes Auftreten einen deutlichen Indikator für ein gering ausgeprägtes gegenseitiges Vertrauen darstellte. Auf einem potenziellen Misstrauen gegenüber dem Fremden beruht es auch, wenn die Götter bei Auseinandersetzungen mit Nichtgriechen in ganz anderer Weise mobilisiert wurden als gegenüber anderen Griechen.172 Nur gegenüber Nichtgriechen ließ sich der Eidbruch der Gegenseite rhetorisch dazu benutzen, die eigenen Götter zu Symmachoi, zu aktiven Mitkämpfern in der Schlacht, zu machen. Auch ist es sicher kein Zufall, dass der Eidbruch gerade in der Anabasis, in der es um Beziehungen zu Nichtgriechen geht, zu einem Leitmotiv wird. Das gegenseitige Misstrauen war also vergleichsweise groß und hatte durch die Perserkriege noch einmal einen Schub erhalten. Dass man
170 Schon einer der frühesten inschriftlich erhaltenen Friedensverträge der Weltgeschichte, der Vertrag zwischen Ramses II. und dem Hethiterkönig Hattusili III. aus dem 13. vorchristlichen Jahrhundert, endet mit einer reziproken Anrufung der Schwurgötter, vgl. etwa Edel (1983), 142 f., 150–152 und Schmidt (2002), 49–51. Vgl. zu dem Vertrag zudem ausführlich Edel (1997). Zu der gemeinsamen altorientalischen Vertragstradition s. Weinfeld (1973), (1989) und Rollinger (2004). 171 Ein antikes Beispiel stellen die Verträge zwischen Römern und Juden nach 161 dar, bei denen die Römer darauf verzichteten, die Juden bei den römischen Göttern schwören zu lassen – man schwor nur noch vor den eigenen Göttern. Vgl. Baltrusch (2008), 28. 172 Hier hat auch das in der griechischen Diplomatie so häufig bemühte und in der Forschung viel diskutierte Argument der gegenseitigen Verwandtschaft seinen Platz, das ja gerade darauf abzielt, Gemeinschaft durch Abgrenzung zu stiften, und damit letztlich auf einem Missbehagen gegenüber dem Fremden beruht. Vgl. dazu besonders die Arbeiten von Curty (1992), (1994a), (1994b), (1995), (1999) sowie Flaig (2005), 240–247, s. ferner Will (1956), Musti (1963), Will (1995), Hornblower (1996), 61–80, Jones (1999a), Lücke (2000), Musti (2001), Piccirilli (2001), 77–79, Gazzano (2002), 14 f., 39 f. und Sammartano (2007).
VI.3. Zu dem Ausmaß gegenseitigen Vertrauens bei Vertragseiden
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trotzdem zu Übereinkünften und Verträgen kam, lag nicht zuletzt an der beiden Seiten vertrauten Grundstruktur des Eidrituals, einer, wenn man so will, gemeinsamen Ritualgrammatik, auf die man jederzeit zurückgreifen konnte.173
173 Wenn daher Torrance (2013), 307 konstatiert, „that Greeks perceived others as having the same understanding of oaths as themselves“, kann ihr nur zugestimmt werden. Wenn sie dabei allerdings von dem Axiom ausgeht, dass „[i]n the context of oath-taking, (…), Greeks respected and admired individuals and communities on the basis of their actions, regardless of their ethnic identity“, ist dies eine zu irenische Perspektive. Auch wenn in Bezug auf die griechischen Vorstellungen von dem Fremden eine zu polare Sichtweise sicher zu vermeiden ist (vgl. gegen Isaac [2004] die Arbeiten von Gruen [2011] und Vlassopoulos [2013]), darf man die beschriebenen ethnischen Stereotypen nicht einfach deshalb beiseite wischen, weil sie einem nicht gefallen. Insbesondere die Anabasis Xenophons wie auch die Häufigkeit der ‚anti-deceit clausesʻ bei Verträgen zwischen Griechen und Nichtgriechen legen diesbezüglich ein beredtes Zeugnis ab und zeigen, dass Misstrauen gegenüber Nichtgriechen bei Vertragseiden durchaus eine gewichtige Rolle spielen konnte (s. o.). Ein zentraler Aspekt in der Argumentation von Torrance (2013) ist das Motiv der persischen Königsfrauen, die ihre Männer und/ oder Söhne zu einem Eidbruch bzw. einem von der Autorin als „‚blank cheque oathʻ“ (ebd. 320) bezeichneten Schwur überreden. Dieses Motiv stellt für sie „a gender rather than an ethnic stereotype“ (320) dar. Eine solche Sicht ist durchaus diskutabel, da es erstens – wie Torrance (2013), 320 selbst eingesteht – keine Quellen für dasselbe Verhalten griechischer Frauen gibt und es zweitens dem jeweiligen Perserkönig in griechischen Augen sicher nichts von seiner Verantwortung für das Fehlverhalten nahm, ja, dieses eher noch schlimmer machte, wenn er dazu von einer Frau angestiftet wurde. Das Auftreten des einen Stereotyps schließt das andere ja nicht aus.
VII. RESÜMEE Vertragseide stellten während des gesamten Untersuchungszeitraums dieser Arbeit das wichtigste Instrument der religiösen Fundierung zwischenstaatlicher Vereinbarungen dar. Sie bildeten, um noch einmal das berühmte Diktum Lykurgs vom συνέχον τὴν δημοκρατίαν1 aufzunehmen, tatsächlich ein Unterpfand, das auch die zwischenstaatlichen Beziehungen ‚zusammenhielt‘. Während Platon mit Bezug auf das Innere des Gemeinwesens klagen konnte, dass „beinahe die Hälfte seiner Mitbürger Meineidige“2 seien, und damit zugleich zu häufiges Schwören wie einen zu leichtfertigen Umgang mit einem einmal geleisteten Eid kritisierte,3 wird das Problem einer zu oft durchgeführten Schwurleistung in den Quellen in Bezug auf die zwischenstaatliche Sphäre nirgends thematisiert. Dies ist angesichts von Vertragseiden, in denen bis zu sechsmal dieselben Schwurgottheiten aufgelistet werden konnten,4 nicht selbstverständlich. Ein Abstumpfungseffekt, eine Art ‚Überdosis Schwur‘, lässt sich für den zwischenstaatlichen Bereich jedenfalls nirgends beobachten. Vielmehr setzte man von Anfang an voll auf dieses Mittel der Absicherung und Akzeptanzstiftung: Eide waren seit dem Beginn des griechischen Vertragswesens, dessen früheste epigraphische Spuren sich in Olympia greifen lassen, integraler Bestandteil eines jeden Vertrages.5 Ihre Bedeutung schwand auch nicht, als sich die Rahmenbedingungen griechischer Diplomatie mit dem Aufkommen der hellenistischen Königreiche von Grund auf wandelten. Dies ist umso bemerkenswerter, da sich andere Elemente der Absicherung eines Vertrages durchaus veränderten: So haben etwa griechische Alleinherrscher bei Vertragsschlüssen untereinander auf das Element der Aufstellung von Vertragsstelen in Heiligtümern verzichtet und sich stattdessen anderer Instrumente wie der Geiselstellung oder einer dynastischen Heiratsverbindung bedient. Die große Bedeutung, die man dem Mittel des Vertragseides über die longue durée beimaß, dürfte zu einem nicht unerheblichen Teil mit der großen Flexibilität der Teilelemente dieses Instruments zusammenhängen: Sowohl das Eidritual selbst als auch das hinter dem Eid stehende Konzept der göttlichen Vergeltung, ja sogar die Zusammensetzung der Schwurgötterliste und die Fluchfor1 2 3 4 5
Lykurg. 79. Plat. leg. 948d: τοὺς ἡμίσεις αὐτῶν ἐπιωρκηκότας (…). Diese Kritik wird von Autoren wie Isokrates (Isokr. or. 1, 23 m. Sommerstein – Torrance [2014], 387 f.) und Theophrast (zu Eiden bei Theophrast dies. [2014], 392) geteilt, die die Ansicht vertreten, dass man so wenig wie nur möglich schwören solle. Vgl. den Vertrag zwischen Ptolemaios I., Söldnerführern und den Iaseern (I.Iasos I 2 f. = HGIÜ II 278 f.); s. auch die Synoikie zwischen Orchomenos und Euaimon (StV II 297 = HGIÜ II 287). Vertragseide stellten damit – wie in Kap. IV.1.1. gezeigt werden konnte – eben nicht „a relatively recent innovation in Greek international relations“ (Sommerstein – Bayliss [2013], 148) dar, sondern gehörten von Anfang an zu jedem griechischen Vertrag.
VII. Resümee
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mel ließen sich je nach Bedarf steigern und den konkreten historischen Notwendigkeiten des jeweiligen Kontextes anpassen. Aus dieser Beobachtung folgt zugleich, dass die in der altertumswissenschaftlichen Forschung häufig vertretene These von einer ‚Säkularisierung des 5. Jahrhunderts‘, die einen Rückgang der religiösen Bindekraft von Vertragseiden mit sich gebracht habe, nicht haltbar ist. Weder nahmen im Laufe der klassischen Zeit säkulare Sanktionen zu, noch lassen sich dauerhafte Veränderungen in den Formen der religiösen Fundierung einer Vereinbarung ausmachen. Eine genaue Analyse der vorhandenen Quellen zeigt vielmehr, dass der Charakter der religiösen Absicherung eines Vertrages von der konkreten historischen Situation abhing, in der die Eide geleistet wurden. An die Stelle eines statischen Stufenmodells, das allzu strikt zwischen archaischen Religionsvorstellungen und einer voll entwickelten Religiosität in klassischer Zeit trennt, hat daher ein flexibleres Modell zu treten, das es erlaubt, den Zusammenhang zwischen dem jeweiligen historischen Kontext, in dem die Vertragseide geleistet wurden, und der Form der religiösen Absicherung der Vereinbarung in angemessener Weise zu berücksichtigen. Der Grad der religiösen Fundierung eines Vertrags nahm nicht konstant zu oder ab, sondern wurde nach den spezifischen Notwendigkeiten der jeweiligen historischen Situation modelliert. Ein Elitendiskurs wie die sog. ‚griechische Aufklärung‘ des 5. Jahrhunderts hatte daher keine signifikanten lebensweltlichen Auswirkungen auf die religiöse Bindekraft von Vertragseiden. Ein typischer Kontext, in dem die religiöse Fundierung eines Vertrags in außergewöhnlichem Maße gesteigert wurde, konnte in besonders prekären Situationen ausgemacht werden, in denen das Wohl und Wehe, mithin die bloße Existenz mindestens einer der beteiligten Vertragsparteien auf dem Spiel stand. Beispiele sind der Abschluss des Hellenenbundes oder Abkommen, die griechische Söldner fern der Heimat in feindlichem Gebiet eingingen. Auch die innerkretischen Vertragseide mit ihren exorbitant langen Schwurgötterlisten, ihren außergewöhnlichen Fluchformeln und ihrem auffälligen Beharren auf den ‚anti-deceit clauses‘ gehören hierher und lassen sich nicht einfach als regionale Besonderheiten abtun, da die Absicherung eines Bündnisses im hellenistischen Kreta aufgrund der dort herrschenden extrem unsicheren Verhältnisse eine besondere Herausforderung darstellte. Besonders ausgeklügelte Maßnahmen der religiösen Absicherung einer Vereinbarung fanden sich zudem bei einigen Verträgen, an denen griechische Alleinherrscher beteiligt waren: Da hört man von einem Orakelspruch, der das Bündnis legitimieren, aber doch auch zusätzlich absichern sollte (Philipp II. und die Chalkidier), da musste ein Alleinherrscher schwören, den Vertragspartner nicht an der Publikation der Vereinbarung im Heiligtum zu hindern (Eupolemos und die Theangeleer) und da wurden auf ein und derselben Stele sechsmal dieselben Eidgötter verzeichnet (Ptolemaios I. und die Iaseer). Alle diese Sicherungsmaßnahmen blieben aber Episode. Es lässt sich daher bei Verträgen mit griechischen Alleinherrschern nicht nur ein gesteigertes Misstrauen der Politen gegenüber ihrem Vertragspartner erkennen, sondern auch ein Erproben und Verwerfen neuer Instrumente der religiösen Absicherung eines Vertrages.
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VII. Resümee
Eine Steigerung von Teilelementen der religiösen Absicherung einer Vereinbarung ließ sich zudem bei Sympolitieeiden beobachten. Bei diesen bestand offenbar eine gesteigerte Notwendigkeit, die Vereinbarung auf Dauer zu stellen. Sie wiesen daher ein besonders großes Regelungsbedürfnis in religiosis auf, das sich an den äußerst präzisen Klauseln von Amnestie- und Bürgereiden orientierte. Wie in diesen wurden daher auch bei den Sympolitieeiden der Ort der Eidesleistung und die Gattung der zu verwendenden Opfertiere genau festgelegt.6 Flankiert wurden diese sakralen Vorschriften zudem von besonders scharfen weltlichen Klauseln wie der Denunziationsformel. Alle diese Beispiele zeigen sehr deutlich, dass die genaue Form der religiösen Absicherung einer Vereinbarung nicht von dem jeweiligen Vertragstyp, sondern von der konkreten historischen Situation und den beteiligten Vertragsparteien abhing. Was zählte, waren mithin der Kontext und die Trägergruppen eines Abkommens. Gelegentlich fand sich eine Steigerung der Bemühungen um eine religiöse Absicherung einer Vereinbarung auch bei Verträgen mit Nichtgriechen. Erstaunlich bei solchen Verträgen, die den griechischen Kulturkreis überschritten, ist aber v. a., dass dieselben Sicherungsinstrumente Verwendung fanden wie bei innergriechischen Verträgen. Offenbar existierte so etwas wie eine gemeinsame ‚Grammatik des Eidrituals‘, auf die man zurückgreifen konnte und für die die antiken polytheistischen Verhältnisse einen besonders günstigen Nährboden boten. Gleichwohl bestand ein kategorialer Unterschied zwischen innergriechischen und solchen Verträgen, die mit Nichtgriechen geschlossen wurden. Dies zeigt sich zum einen in einem gesteigerten Misstrauen gegenüber dem fremden Vertragspartner, zum anderen in der zwischenstaatlichen Kommunikation: So ergab eine genaue Analyse des Motivs der Götter als Symmachoi, also als aktiven ‚Mitkämpfern‘ in der Schlacht, dass der kompetitive Charakter der griechischen Götterwelt, wie er bei Homer zu greifen ist, bei innergriechischen diplomatischen Verhandlungen keine Rolle spielte. Während man bei Streitigkeiten mit Nichtgriechen sehr häufig auf dieses Motiv zurückgriff, um die Gerechtigkeit der eigenen Sache zu betonen, war es gegenüber anderen Griechen maximal möglich, davon zu sprechen, dass man ‚mit den Göttern‘ oder ‚mit göttlicher Hilfe‘ gegen die Feinde vorgehen wolle. Die genaue Rolle der göttlichen Unterstützung blieb in einer solchen Formulierung bewusst vage. Die Götter waren zwar parteiisch, man glaubte sie auf der eigenen Seite zu wissen, der exakte Grad ihrer Parteinahme wurde aber nicht evoziert. Überhaupt liefert eine detaillierte Analyse der Rolle des Eides in der zwischenstaatlichen Kommunikation einen wichtigen Schlüssel zu einem vertieften Verständnis dieses Sicherungsinstruments: Es konnte gezeigt werden, dass der Eid als ein besonders beliebtes Argument in der zwischenstaatlichen Kommunikation fungierte. Noch mehr als mit Verträgen argumentierte man mit dem Eid selbst. Eide 6
Diese Beobachtung hat Konsequenzen für die Interpretation einer fragmentarisch überlieferten kretischen Inschrift (Chaniotis, Nr. 6), die von Chaniotis (1996a), 193 als Fragment von einem „Staatsvertrag, an dem Eleutherna und Knosos beteiligt waren“, gedeutet worden ist. Aufgrund der hier genau spezifizierten Opfertiere dürfte es sich aber eher um einen Bürgereid handeln.
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tauchen derart häufig als Argument in zwischenstaatlichen Verhandlungen auf, dass es möglich ist, eine Typologie des Eidarguments aufzustellen, bei der sich sieben verschiedene Spielarten voneinander unterscheiden lassen. Wenn daher jüngst Peter Hunt „[t]he power of treaties“ als Argument in politischen Reden des 4. Jahrhunderts hervorgehoben hat,7 so ist dies umso richtiger für die Kraft des Eidarguments. Der wichtigste Grund für die Bedeutung dieses Arguments ist in seiner Multifunktionalität zu sehen, mit dem sich sowohl der religiöse als auch der rechtliche Aspekt der getroffenen Vereinbarung hervorheben ließen. Eine solche Polyvalenz des Arguments war unter den spezifischen Bedingungen griechischer Diplomatie, die nicht hinter verschlossenen Türen, sondern in der Öffentlichkeit der Volksversammlung oder des Rates stattfand, besonders nützlich, da diese Gremien zumeist sehr heterogen zusammengesetzt waren. Man benötigte daher eine möglichst „komplexe Überzeugungsstrategie“8, die dieser Zusammensetzung Rechnung trug, und griff bevorzugt auf ein Argument wie den Eid zurück, der schon in sich polyvalent war bzw. sich aufgrund seiner flexiblen Natur für eine Kombination mit anderen Argumenten in besonderer Weise eignete. Für die zwischenstaatliche Kommunikation spielte der Eid somit als Argument eine zentrale Rolle und wurde häufig gerade an den besonders betonten Stellen einer Rede in seiner religiösen Funktion angeführt, um die Bedeutung des behandelten Gegenstandes zu steigern. Auch wenn das Eidargument seiner Natur nach polyvalent war, wurde doch in bestimmten Situationen ganz gezielt ein einzelner Aspekt argumentativ hervorgehoben. Zwischenstaatliche Kommunikation war dabei allerdings keine absichtslos-unschuldige Suche nach dem besten Argument, sondern interessengeleitet und konnte sich im Extremfall sogar nach der Logik einer spezifisch griechischen Rachemoral hochschaukeln, wie die in den Verhandlungen zu Beginn des Peloponnesischen Krieges vorgebrachten Argumente verdeutlichten. Trotz der großen Bedeutung und Flexibilität des Eides sowohl als Argument in der zwischenstaatlichen Kommunikation wie auch als Instrument der Vertragsabsicherung sollte man sich daher vor einer zu irenischen und optimistischen Perspektive hüten: Eide waren ein zentrales Argument in der griechischen Diplomatie, aber die Funktion des Arguments war dabei nicht immer – oder sogar nicht sehr häufig – eine legalistische oder friedensstiftende, vielmehr dienten Eide sehr oft der Kriegslegitimation. Es kann daher nicht verwundern, dass auch die Sprache der Vertragseide die Interessen der Verhandlungspartner in vielen Fällen recht klar zum Ausdruck brachte. So etwa bei den Eiden, die die Athener im Delisch-Attischen Seebund mit ihren Bündnern austauschten und die formal und inhaltlich einseitige Regelungen darstellten, welche die Athener im Rahmen eines Psephismas für ihre Bündner mit erließen. Die Sprache der Eide bildete hier die Machtverhältnisse sehr deutlich ab, am prägnantesten in der gelegentlichen Verwendung der Denunziationsformel. Zur religiösen Absicherung der Verträge griff man auf eine ausdrücklich athenische Schwurgötterliste zurück, deren Verwendung die Athener ihren Bündnern sogar bei 7 8
Hunt (2012), 139, dessen Untersuchungsziel es ist zu zeigen, dass „[l]egalism mattered“ (142); vgl. auch Hunt (2010), 215–236. Chaniotis (2009), 156.
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VII. Resümee
innenpolitischen Angelegenheiten dekretierten. Allerdings beinhaltete diese Liste zugleich ein integratives Moment: Durch die Wahl Apollons als zweiter Schwurgottheit ließ sich an den delischen, gleichsam politisch noch unbelasteten Ursprung des Seebundes anknüpfen. Für die Athener war dabei der Umstand von Nutzen, dass Athene im 5. Jahrhundert noch keine reguläre Eidgottheit in ihrer Polis darstellte. Sie konnten daher ihren Symmachoi die eigenen Schwurgötter aufoktroyieren, ohne dabei allzu stark den athenischen Charakter dieser Formel hervorheben zu müssen – eine doppelbödige Kommunikationsstrategie, die, sofern sie absichtlich eingesetzt wurde, dazu geeignet ist, zumindest in dieser Hinsicht die gängige Vorstellung von den machtpolitisch eher plump auftretenden Athenern zu revidieren. Zwar gebrauchten die Athener sogar die Schwurgötter als ein Instrument demonstrativer Machtpolitik, sie taten dies aber auf geschickte Weise. Eine zentrale Rolle spielte die Sprache der Eide auch bei Verträgen, die zwischen Alleinherrschern und griechischen Poleis, Bünden oder Söldnertruppen geschlossen wurden. Instruktiv waren hier gerade die zwischen Eumenes I. und seinen Söldnern geschworenen Eide, bei denen die Sprache der Schwüre dem Inhalt des Dokuments widerspricht. Während für den Alleinherrscher insbesondere die demonstrativen Aspekte der Vereinbarung wichtig waren, also die Tatsache, dass der von den Söldnern geleistete Eid seiner Form nach einem Treueeid gleichkam, interessierten sich die größtenteils illiteraten Söldner nicht dafür, welchen Eindruck eine panhellenische Öffentlichkeit von ihnen haben könnte. Für sie war vielmehr ausschließlich der inhaltliche Kern der Vereinbarung von Bedeutung, bei dem Eumenes ihnen große Zugeständnisse machen musste. Wären von diesem Vertrag nur die Eide überliefert, man hätte den Eindruck, Eumenes würde aus einer Position der Stärke handeln – das Gegenteil aber war der Fall. Aus der Sprache von Vertragseiden politische Machtverhältnisse abzuleiten, kann daher immer nur im Einzelfall und mit der notwendigen methodischen Vorsicht erfolgen. Zugleich verdeutlichte dieses Beispiel, dass die Leistung eines Schwures für griechische Alleinherrscher – gerade in hellenistischer Zeit – immer auch eine demonstrative Seite hatte, der die Könige und Dynasten eine große Bedeutung beimaßen. Ein wichtiger Aspekt dieser ostentativen Funktion des Schwörens lag für griechische Alleinherrscher in der Publikation des Eides als Teil des Vertragstextes in einem möglichst bedeutenden Heiligtum. Hier gab es die Möglichkeit, eine breite Öffentlichkeit zu erreichen und entweder demonstrativ die eigene Machtfülle zur Schau zu stellen – wie im Falle des Eumenes – oder den Beherrschten durch eine ostentative Gleichstellung des jeweiligen Vertragspartners, also der griechischen Städte, zu verdeutlichen, dass man Rücksicht auf ihre Belange nahm. Hellenistische Alleinherrscher betrieben somit mithilfe der Eidesklauseln demonstrative ‚Freiheitspolitik‘, die der Legitimitätssicherung der eigenen Herrschaft dienen sollte. Sowohl diese Freiheitspolitik als auch die Zurschaustellung der eigenen Macht funktionierte aber nur bei Verträgen mit Poleis, Koina oder Söldnertruppen. Hierin ist die Erklärung für den prima facie überraschenden Befund zu sehen, dass inschriftlich kein einziger griechischer Vertragseid überliefert ist, der zwischen zwei Alleinherrschern geleistet wurde, obwohl in den historiographischen Quellen durchaus von Verträgen zwischen Alleinherrschern die Rede ist. Diese wurden auch
VII. Resümee
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mit Sicherheit durch Eide abgestützt, allerdings verzichtete man auf das Mittel der Aufstellung der Vereinbarung in Heiligtümern. Mit Alleinherrschereiden eng verbunden waren zudem chronologische und regionale Entwicklungen in den Schwurgötterlisten. Die erste nachhaltige, von Alleinherrschereiden noch unabhängige Veränderung, die sich aus dem erhaltenen Material ableiten ließ, stellte das Verschwinden des Götteranrufes (invocatio) aus der Exsekrations- und Segensformel dar. Auch die in archaischen und frühklassischen Eiden noch gelegentlich auftretenden Inkongruenzen in den Schwurgötterlisten – wenn etwa die Polis Poseidonia genauso als Garant einer Vereinbarung angeführt wurde wie die Eidgottheiten – verschwanden im Laufe der klassischen Zeit.9 Noch einschneidender waren allerdings die neuen Entwicklungen im Hellenismus: Während die angerufenen Gottheiten in archaischer und klassischer Zeit noch einen stark lokalen Einschlag aufwiesen, ließen sich seit dem Hellenismus bei allen Alleinherrschereiden und multilateralen Vereinbarungen standardisierte Schwurgötterlisten finden, deren Grundgerüst aus der Trias Zeus, Ge, Helios und dem Götterpaar Athena und Ares bestand. Es konnte gezeigt werden, dass diese Liste auf den Gründungseid des Korinthischen Bundes von 337 zurückging und nach dem Tode Alexanders noch durch Tauropolos als sechster obligatorischer Eidgottheit ergänzt wurde. Allerdings verschwanden auch die alten lokalen oder regionalen Schwurgötter nicht völlig von der Bildfläche und fanden weiterhin bei Verträgen, die bilateral geschlossen wurden und bei denen ausschließlich griechische Poleis und/ oder Koina beteiligt waren, Verwendung. Spätestens mit dem Jahr 168 hatten sich allerdings die politische Großwetterlage und die Rahmenbedingungen griechischer Außenpolitik grundlegend geändert. Der zentrale Machtfaktor im östlichen Mittelmeerraum waren nun nicht mehr die hellenistischen Großreiche, sondern Rom. Dies sollte nicht ohne Auswirkungen auf die griechischen Eidesformeln bleiben, wie ein inschriftliches Zeugnis aus dem Kyrene des Jahres 155 verdeutlicht: (…) Dies hat testamentarisch verfügt König Ptolemaios, Sohn des König Ptolemaios und der Königin Kleopatra, der Erschienenen Götter, der Jüngere; (…). Möge es mir mit der Gnade der Götter (beschieden) sein, (jene) gebührend zu strafen, die gegen mich vorbereitet haben das ruchlose Attentat und geplant haben, mich nicht nur meiner Königsherrschaft, sondern auch des Lebens zu berauben. Wenn mir aber etwas zustößt nach Menschenlos, bevor ich Nachfolger meines Königtums hinterlassen kann, hinterlasse ich den Römern die mir zukommende Königsherrschaft, denen ich von Anfang an die Freundschaft und Bundesgenossenschaft unverfälscht bewahrt habe. Den nämlichen (sc. den Römern) vertraue ich mein Reich zum Schutze an (…). Zu Zeugen hierfür mache ich den Zeus Kapetolios und die Großen Götter und Helios und Apollon Archagetes, in dessen Schutz der Text dieser Verfügungen geweiht ist. (…).10 9
Das Verdienst, als erster solche Inkongruenzen als Kennzeichen früher griechischer Vertragseide herausgearbeitet zu haben, kommt Siewert (1972), bes. 29, 36 f. zu. 10 SEG IX 7 (= HGIÜ III 482): (…) τάδε διέθετο βασιλεὺς / Πτολεμαῖος βασιλέως Πτολεμαίου / καὶ βασιλίσσης Κλεοπάτρας, θεῶν // Ἐπιφανῶν, ὁ νεώτερος·(…) / (…) εἴη μέν μοι / μετὰ τῆς τῶν θεῶν εὐμενείας μετελθεῖν / καταξίως τοὺς συστησαμένους ἐπί με / τὴν ἀνόσιον ἐπιβουλὴν καὶ προελομένους // μὴ μόνον [[ον]] τῆς βασιλείας, ἀλλὰ καὶ / τοῦ ζῆν στερῆσαί με· ἐὰν δέ τι συμβαίνηι / τῶν κατ’ ἄνθρωπον πρότερον ἢ διαδόχους / ἀπολιπεῖν τῆς βασιλείας, καταλείπω / Ῥωμαίοις τὴν καθήκουσάν μοι βασιλείαν, // οἷς
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VII. Resümee
Zeus Kapetolios, der hier unschwer als der römische Iuppiter Capitolinus zu identifizieren ist, wird zum ersten Schwurgott! Daneben tritt mit Apollon Archagetes der Gott der Griechischen Kolonisation auf, dessen Anrufung sich zwar zum einen aus dem Aufstellungsort der Inschrift im Apollonheiligtum von Kyrene erklärt, zum anderen aber auch bewusst an eine Zeit anknüpft, in der griechische Städte auf italischem Boden gegründet wurden und noch niemand auch nur ahnen konnte, dass die verstreuten Siedlungen am Tiber dereinst zur Weltmacht aufsteigen würden. Es zeigt sich somit eine für griechische Schwurgötterformeln unter römischer Vorherrschaft typische Mischung aus genuin griechischen und römischen Elementen. In dem Dokument spielt die Sprache des Eides eine wichtige Rolle: Ptolemaios VIII. präsentiert die potentielle Preisgabe seines Königreiches, zu der es ja in diesem Jahrhundert noch nicht kommen sollte, als einen Schenkungsakt und versucht damit die eigene Machtlosigkeit zu kompensieren. Dieser Aspekt macht den entscheidenden Wandel deutlich, der die römerzeitliche Geschichte des griechischen Vertragseides zu einer eigenständigen macht: Anders als bei den Vertragseiden hellenistischer Alleinherrscher mit griechischen Städten war es nun der Monarch selbst, demgegenüber eine ‚Freiheitspolitik‘ betrieben wurde: eine Politik, die ihm eine Freiheit der eigenen Entscheidung trotz aktueller Machtlosigkeit zugestand. Aber das ist eine andere Geschichte.
ἀπ’ ἀρχῆς τήν τε φιλίαν καὶ τὴν συμμαχίαν γνησίως συντετήρηκα· / τοῖς δ’ αὐτοῖς παρακατατίθεμαι τὰ πράγματα / συντηρεῖν, (…) / μάρτυρας δὲ τούτων ποιοῦμαι Δία τε τὸν Καπετώλιον // καὶ τοὺς Μεγάλους θεοὺς / καὶ τὸν Ἥλιον καὶ τὸν Ἀρχηγέτην Ἀπόλλωνα, / παρ’ ὧι καὶ τὰ περὶ τούτων ἀνιέρωται γράμματα. / (…).
VIII. APPENDICES APPENDIX I: DER VERTRAG DER ELEUTHERNAIER UND RHAUKIER Eleutherna. Zwei anpassende Fragmente (a, b) des oberen Teiles einer Kalksteinstele mit Giebel; Fragment a rechts, links und unten, b überall gebrochen; zu den genauen Fundumständen vgl. Themelis – Matthaiou (2008), 209. Zuerst erwähnt von Themelis (2004), 15 f., Abb. 5 und Themelis – Matthaiou (2004), 156, Nr. 12 (vgl. SEG LIV 838). Ed. pr.: Themelis – Matthaiou (2008), derselbe Text zuvor in SEG LIV 841 nach Mitteilung der Herausgeber; wiederabgedruckt bei Tzifopoulos (2009), Nr. 6 (mit englischer Übersetzung); zur historischen Einordnung Tzifopoulos (2008). fin. saec. III a.
a [- – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – -] [- – – – – – – – – – – – – -]ι Ἐλευ[θερναι- – – – – – – – – – – – – -] [- – – – – – – – – – – – – τ]ά̣δε ὤμο̣σαν [ο]ἱ Ἐ[λευθερναῖοι] [τοῖς Ῥαυκίοις χοἰ Ῥ]αύκιοι τοῖς Ἐλευθερναί[οις· ὀμν]4 [ύω τὰν Ἱστίαν καὶ] Ζῆνα Ûιδάταν καὶ Ζῆνα Θεν̣[ά][ταν καὶ τὰν Ἥ]ραν καὶ τὸμ Ποτειδᾶ καὶ τὰ[ν] [Ἀμφιτρίταν] καὶ Ἄρια καὶ Ἀφροδίταν καὶ Ἀθαν̣[αί][αν καὶ Ἐλευθυί]αν καὶ Ἀπέλλωνα τὸν Δελ[φί]8 [νιον καὶ Λατὼν] καὶ Ἄρτεμιν καὶ τὸν Ûελχα[νον] [καὶ τὸν Ἑρμᾶν κ]α̣ὶ Λύμφας καὶ θιὸνς πάντ[νς] [καὶ πάνσας· φίλοι καὶ] σ̣ύμμαχοι τέλεσθαι τοῖς Ῥα̣[υκί][οις οἱ Ἐλευθερναῖοι] τὸμ πάντα χρόνον χοἰ Ῥαύκιοι 12 [τοῖς Ἐλευθερναίοι]ς̣ ἐπίπανσι· ἁπλόως καὶ ἀδόλ[ως] b [πολεμ]η[σε]ῖν τῶι αὐτῶι χἰρηνησεῖν. κοὐ̣[κ ἐν-] [καταλειψί]ω τ[ὸ]ς Ῥαυκίος οὔτ᾽ ἰμ πολέμωι οὔτ᾽ [ἰν] [ἰρήναι οὔ]τ᾽ αὐ[τὸ]ς̣ ἐγὼ οὔτ᾽ ἄλλωι ἐπιτραψί̣[ω οὐ]16 [δενὶ κατὰ τὸ δυν]ατόν· κα̣ὶ εἰ μὴ ἐμμένοιεν οἱ Κνώ̣[σιοι] [- – – – – – – – – – -]γ τᾶς χ̣ώρας καὶ τᾶν ἐπιγαμιώ̣[ν.] [- – – – – – – – ὡμο]λόγησαν τοῖς Ῥαυκίοις πεδὰ τ̣[-c. 3–4-] [- – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – -]αν τὸς Ῥα[υκίος] [- – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – -]
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VIII. Appendices
Apparatus criticus: 1.
[- – ο]ἱ Ἐλευ[θερναῖοι- –] Matthaiou; [Συμμαχία Ῥαυκίων κα]ὶ Ἐλευ[θερναίων- –] Chaniotis1 3–4. [ναὶ / Ζῆνα Ἀγοραῖον] Themelis 5–6. τὰ[ν / Βριτόμαρτιν] Kritzas2 7. [καὶ Ἐλεύθυι]αν Themelis; [καὶ τὸν Ἑρμᾶν] Kritzas 8. [καὶ Λατὼν] Themelis (ohne die Ergänzung in den Text aufzunehmen) und Kritzas 9. [καὶ (τὸς) Κωρῆτας] Kritzas; [καὶ τὸν Ἑρμᾶν] Chaniotis; für Λύμφας = Νύμφας vgl. SEG XLI 744 A, Z. 10; am Ende der Zeile hat der Stein ΠΑΝΤΕ 10. [Ἐλευθερναῖοι] Themelis; [οἱ Ἐλευθερναῖοι] Matthaiou 11. [καὶ φίλοι] Matthaiou; [ἁπλόως καὶ ἀδόλως] Chaniotis; [οἱ Ἐλευθερναῖοι] Κritzas 13. [πολεμ]η[σε]ῖν Matthaiou 13–14. κοὐ̣[κ / ἀδικησί]ω Matthaiou 17–18. [ἐν τᾶι περὶ τῶν ὁρῶ]γ τᾶς χώρας καὶ τᾶν ἐπιγαμιῶ[ν ὁ/μολογίαι ἃν ὡμο]λόγησαν Matthaiou
Übersetzung: „(…) die Eleuthernaier (…). / Dies haben geschworen die Eleuthernaier / den Rhaukiern und die Rhaukier den Eleuthernaiern: ‚Ich schwö/re bei Histia, Zeus Widatas, Zeus Thena/tas, Hera, Poseidon, / Amphitrite, Ares, Aphrodite, Athe/na, Eleuthyia, Apollon Delphini/os, Lato, Artemis, Welchanos, / Hermes, den Nymphen und allen Göttern / und Göttinnen. Freunde und Symmachoi sollen sein den Rhauki/ern die Eleuthernaier auf alle Zeit und die Rhaukier / der Gesamtheit der Eleuthernaier. Ehrlich und ohne Heimtücke / sollen sie mit demselben Krieg führen und (untereinander) Frieden halten. Und nicht / werde ich die Rhaukier im Stich lassen weder im Krieg noch im / Frieden und ich selbst werde es keinem anderen gestatten /, so gut ich es vermag. Und wenn die Knosier (…) nicht treu einhalten sollten, (…) des Landes und der Heiratsverbindungen / (…) es haben übereingestimmt mit den Rhaukiern (…) / (…) die Rhaukier (…).‘“ Kommentar: Z. 2–3: Bei dem folgenden Eidestext handelt es sich um einen gegenseitigen Schwur, der in eine gemeinsame Formel gesetzt ist. Z. 3–4: Hestia steht in neun von 14 Fällen an der Spitze einer kretischen Schwurgötterliste.3 Die den Herausgebern von Charalambos Kritzas brieflich vorgeschlagene Ergänzung [ὀμνύ/ω τὰν Ἱστίαν καί] ist daher wohl korrekt; die alternative Ergänzung [ναὶ / Ζῆνα Ἀγοραῖον] nimmt Bezug auf die Inschrift Chaniotis, Nr. 6, die als zeitgenössische Parallele aus Eleutherna verstanden wird. 1 2 3
Die Ergänzungen von Charalambos Kritzas und Angelos Chaniotis erfolgten brieflich an die Herausgeber der Inschrift, die sie im textkritischen Apparat ihrer editio princeps verzeichneten. Vgl. Anm. 1. Für die Belege vgl. die Aufstellung bei Brulé (2005), 168–170.
Appendix I: Der Vertrag der Eleuthernaier und Rhaukier
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Allerdings ist diese ‚Parallele‘ zweifelhaft, da es sich nicht um einen Vertragseid handelt.4 Z. 4–5: Zeus Thenatas ist mit dieser Inschrift zumindest als ein auch spezifisch eleuthernischer Schwurgott ausgewiesen – taucht er doch sonst allein in Chaniotis, Nr. 6 (Eleutherna-Knossos, 300–250) auf.5 Er ist damit in den beiden erhaltenen Schwurgötterformeln der Eleuthernaier und sonst in keinem anderen kretischen Vertragseid bezeugt. Dies hat recht weitreichende Konsequenzen für die Inschrift Chaniotis, Nr. 6, bei der nun klar ist, dass es sich, um einen Bürger- und nicht um einen Vertragseid handeln muss: Stellte doch die Beobachtung, dass der Kult des Zeus Thenatas allein in Knossos bezeugt sei, für Chaniotis das zentrale Argument dafür dar, die im antiken Eleutherna gefundene Inschrift als den Vertragseid eines Staatsvertrags zu deklarieren.6 Für eine Deutung der genannten Inschrift als Bürger eid spricht zudem die Tatsache, dass nach Chaniotis‘ überzeugender Ergänzung der Z. 3 ([ταῦρον καὶ κριὸ]ν καὶ κάπρ̣[ον]) vor dem Eid die Spezies der zu verwendenden Opfertiere vorgeschrieben wird – ein klarer Hinweis darauf, dass es sich nicht um einen Staatsvertrag handeln kann.7 Z. 5–6: Es ist τὰ[ν] / [Ἀμφιτρίταν] aufgrund der in kretischen Vertragseiden häufigen und nicht nur für eine einzelne Polis typischen Paarstellung Poseidon – Amphitrite zu ergänzen.8 Man beachte auch, dass mit Ares und Aphrodite ein weiteres für kretische Schwurgötterlisten typisches Paar folgt. Z. 7: Eleuthyia ist von den hier ergänzten Gottheiten die unsicherste. Allerdings ist ihr Auftreten direkt vor Apollon in einer kretischen Schwurgötterliste nicht ungewöhnlich.9 Zudem bleiben keine anderen Ergänzungsmöglichkeiten, wenn man Hermes in Z. 9 ergänzt (s. u.). Als Schwurgottheit ist Eleuthyia zwar bisher nur für Lato und Priansos (als Eleuthyia Inatia) bezeugt,10 ihre Geburtsstätte vermutete man allerdings in einer Grotte bei Amnissos, die von beiden Vertragspartnern nicht allzu weit entfernt liegt. Sie bot sich bei einem Vertrag zwischen diesen beiden Poleis als Schwurgott somit durchaus an. 4 5 6
7 8 9 10
Dazu unten. Gegen Chaniotis (1996), 70, der Zeus Thenatas als einen lokalen Schwurgott der Knossier ansieht; ausführlicher zu der Verbindung von Zeus Thenatas und Knossos Chaniotis (1992a), 88–103 und (1992b), 288–296; zu Zeus Thenatas vgl. ferner Verbruggen (1981), 138 f. S. Chaniotis (1996), 193: „Das Heiligtum des Zeus Thenatas befand sich in Amnisos, in der Nähe von Knosos. Beamte aus Knosos waren dort im späten 2. und frühen 1. Jahrhundert tätig. Dieser nur in Knosos praktizierte Kult schließt die Möglichkeit aus, daß es sich um einen Bürgereid von Eleutherna handelt. Es war sicher ein Staatsvertrag, an dem Eleutherna und Knosos beteiligt waren.“ Vgl. Kap. IV.2.3.2.1.–3. dieser Untersuchung. So in Chaniotis, Nr. 59 (Hierapytna-Lato, 111/ 10), Nr. 60 (Lyttos-Olus, 111/ 10 [beide Gottheiten ergänzt]) und Nr. 61 (Lato-Olus, 110–108); vgl. zu dem Paar Poseidon – Amphitrite auch Brulé (2005), 154, 161. Vgl. Chaniotis, Nr. 59 (Hierapytna-Lato, 111/ 10). Lato: Chaniotis, Nr. 59 (Hierapytna-Lato, 111/ 10), Nr. 61 (Lato-Olus, 110–108); Priansos: Chaniotis, Nr. 27 (Gortyn-Hierapytna-Priansos), zu der Verbindung von Eleuthyia Inatia und Priansos s. Chaniotis (1996), 254. Die Kulte der Eleuthyia auf Kreta listet auf Sporn (2002), 385.
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VIII. Appendices
Z. 8: Lato kann zu Beginn der Zeile sicher ergänzt werden. Die Trias Apollon, Leto, Artemis ist – nicht nur in kretischen – Schwurgötterlisten absolut gängig. Zwar tritt sie sonst in den kretischen invocationes immer in der Form Apollon Pythios, Lato, Artemis auf,11 Apollon Delphinios und Pythios unterscheiden sich aber inhaltlich nicht voneinander. Welchanos ist eine minoische Gottheit, die auf Kreta bis in die römische Zeit verehrt wurde und auf die in Knossos und Gortyn eine Monatsbezeichnung zurückging.12 Oft taucht Welchanos als Epitheton des Zeus auf.13 Dies ist hier aber nicht der Fall, da Zeus mit verschiedenen Epitheta an zweiter und dritter Stelle der Schwurgötterliste genannt wird und es für kretische Eide ganz ungewöhnlich wäre, ihn an so später Stelle noch einmal anzurufen.14 Welchanos taucht hier zum ersten Mal als Schwurgottheit in einem griechischen Eid auf und erweitert damit die Zahl der aus kretischen Vertragseiden bekannten Götter bzw. Epitheta auf 38.15 Z. 9: Für die Ergänzung des Hermes an dieser Stelle der Schwurgötterliste sprechen folgende Erwägungen: Erstens war er in Rhaukos eine wichtige Gottheit,16 zweitens taucht er überhaupt häufig in den kretischen Schwurgötterlisten auf und fungiert dabei drittens – und das ist entscheidend – immer als letzter der olympischen Götter. Dabei hat er zudem eine Art Brückenfunktion zwischen den im Singulär genannten und den im Plural angeführten Gottheiten (Kureten, Nymphen, Kyrbanten) inne.17 Hermes kann daher nicht schon am Anfang von Z. 7 (Kritzas) ergänzt werden. Z. 10: Die auf Kritzas zurückgehende Ergänzung [καὶ πάνσας] ist ebenfalls sicher, da die abschließende kollektive Götterformel, die in den kretischen Vertragseiden so häufig auftaucht, immer dezidiert alle Gottheiten beiderlei Geschlechts umfasst.18 Ein Numeruswechsel (ὀμνύω – σύμμαχοι τέλεσθαι) inner-
11
Chaniotis, Nr. 7, Nr. 8 (ergänzt), Nr. 27 (ergänzt), Nr. 32 (Lato und Artemis ergänzt), Nr. 59, Nr. 60, Nr. 61, Nr. 74. 12 Vgl. Sporn (2002), 125, 173, Chaniotis (2004), 41. Der Monatsname Ἐλχάνιος taucht in Chaniotis, Nr. 54 (Knossos), der Ûευχάνιος in Chaniotis, Nr. 69 (Gortyn) auf. 13 Hesych. s. v. Γελχάνος (= Ûέλχανος) (Γ 316), IC I XIII 5 (Phaistos). Vgl. Verbruggen (1981), 143 f., Themelis – Matthaiou (2008), 212. 14 So auch Themelis – Matthaiou (2008), 212: „Ἡ μνεία του ἐδῶ ἐκτὸς ἱεραρχικῆς τάξεως μακριὰ ἀπὸ τὸν Δία, ὅπως εἶχε τὴν καλοσύνη νὰ μᾶς ὑποδείξη ὁ Γ. Τζιφόπουλος, ὑποδηλώνει ὅτι δὲν πρόκειται περὶ ἐπιθέτου τοῦ Διὸς, ἀλλὰ ἰδριαιτέρας θεότητος.“ 15 Die anderen 37 sind aufgelistet bei Chaniotis (1996), 71, Anm. 391. S. auch Tzifopoulos (2009), 110. 16 Zu seinem Kult in Rhaukos vgl. Sporn (2002), 143 f.; zum Hermes-Kult auf Kreta insgesamt s. Willetts (1962), 287–289 und Lebessi (1985), 163–187. 17 So auch Brulé (2005), 161, der die Funktion des Hermes in den kretischen Schwurgötterlisten als die eines „conducteur de divinités diverses, elles-mêmes plurielles“ beschreibt. 18 Vgl. Chaniotis, Nr. 64 (Praisos-Stalitai, Anfang 3. Jahrhundert), Nr. 7 (Eid der drerischen Jungmannschaft, 3. Jahrhundert), Nr. 26 (Hierapytna-Lyttos, nach 205), Nr. 27 (Gortyn-Hierapytna-Priansos, nach 205), Nr. 32 (Gortyn-Sybrita, 200–189), Nr. 59 (Hierapytna-Lato, 111/ 10), Nr. 60 (Lyttos-Olus, 111/ 10), Nr. 61 (Lato-Olus, 110–108), Nr. 74 (Hierapytna-hierapytnische Siedler, 2. Jahrhundert); StV III 468 (Magas von Kyrene-Oreioi, 280–250); III 552 (Olus-Rhodos, 201?).
Appendix II: Die ‚Amnestie der Dikaiopoliten‘ – Text und Übersetzung
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halb ein und desselben Vertragseides findet sich auf Kreta auch in Chaniotis, Nr. 64, Z. 15–25 (ὀμνύω / εὐνοησῶ – ἐάσομεν / [ἐπι]τρέψομεν). Z. 13–14: Zu der überzeugenden brieflichen Ergänzung von Kritzas κοὐ̣[κ ἐν/καταλειψί]ω vgl. die Parallele Robert – Robert (1976), Z. 3 f. und Z. 42 f. Z. 16–19: Hier wird auf ein bestehendes Bündnis zwischen Rhaukos und Knossos angespielt, das offenbar eine Epigamieklausel enthielt.19 APPENDIX II: DIE ‚AMNESTIE DER DIKAIOPOLITEN‘ – TEXT UND ÜBERSETZUNG Die Inschrift wurde im Frühjahr 2001 auf einem τούμπα Αγγελάκη genannten Hügel in der Nähe des modernen Ortes Haghia Paraskevi 15 km südöstlich von Thessaloniki gefunden.20 Die 74 (× 25 × 13,5) cm hohe Marmorstele ist an der Vorder- und der rechten Schmalseite beschrieben. Ihre editio princeps erfolgte im Jahre 2007 durch Emmanouil Voutiras und Konstantinos Sismanidis.21 Der 105 Zeilen umfassende, nahezu vollständig erhaltene Text besteht aus einer Serie von sechs Volksbeschlüssen, die die Modalitäten einer Versöhnung zwischen den Bürgern der Polis Dikaia regeln. Über die vorhergehenden Zwistigkeiten lassen sich nur aus der Inschrift selbst Rückschlüsse ziehen, da die literarischen Quellen zu diesem Konflikt stumm bleiben und weitere Inschriften nicht erhalten sind. Die eretrische Kolonie Dikaia war bereits vor dem Fund der Amnestie bekannt und wird von den Herausgebern aufgrund einer Vielzahl archäologischer und numismatischer Indizien in der Nähe der am Thermaischen Meerbusen gelegenen modernen Siedlung Nea Kallikrateia, rund 40 km südöstlich von Thessaloniki, lokalisiert.22 19 Vgl. zu den Epigamieklauseln griechischer Staatsverträge jetzt Saba (2011b), die 98, Anm. 19 auch auf den hier diskutierten Vertrag Bezug nimmt, die Klausel allerdings irrtümlich als „a grant of epigamia with Gortyn“ bezeichnet. 20 Vgl. zum Fundkontext und zur Datierung der Inschrift Voutiras – Sismanidis (2007), 253– 257, 259–267, Voutiras (2008), 781–786 und Knoepfler (2007–2008), 614–616. 21 Vgl. Voutiras – Sismanidis (2007), 257–259; erneut – mit wenig Sorgfalt, aber zwei Konjekturen Robert Parkers zu Z. 8 und Z. 17 – abgedruckt bei Voutiras (2008), 787–789; dort (790–792) auch eine französische Übersetzung mit Einteilung der Inschrift in sieben Paragraphen. Vgl. auch BE (2008), Nr. 263 (Denis Knoepfler), 339 (Miltiades Hatzopoulos). Der aktuell beste Text findet sich im SEG (LVII 576), wo die Druckfehler von Voutiras loc. cit. korrigiert und zugleich die genannten neuen Lesungen aufgenommen sind. 22 Vgl. Voutiras – Sismanidis (2007), 268; Voutiras (2008), 782. Zentrale Argumente sind das Auftreten Dikaias zwischen Aineia und Poteidaia in der Theorodokenliste von Epidauros aus dem Jahre 360 (IG IV2 94, Ib) und die Lokalisierung Dikaias am Thermaischen Meerbusen durch Plin. nat. IV 17; zu weiteren archäologischen und numismatischen Argumenten vgl. ebd. Die antiken Siedlungsspuren in Haghia Paraskevi, die aus archaischer und klassischer Zeit stammen, dürften daher – nicht zuletzt aufgrund des Fehlens eines Ankerplatzes, das von Vokotopoulou (2001), 745 f. als entscheidendes Kriterium für die Identifikation einer griechischen Kolonie in dieser Gegend ausgemacht wird – lokaler Provenienz sein. Die Gründung Dikaias muss wohl zwischen 480 und 454 angesetzt werden. Der terminus post quem ergibt sich daraus, dass Herodot Dikaia bei einer detaillierten Beschreibung griechischer Siedlungen an der thrakischen Küste noch nicht erwähnt, einer Beschreibung, die der pater historiae an-
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VIII. Appendices
Der moderne Fundort entspricht nach den Herausgebern nicht dem antiken Aufstellungsort der Inschrift,23 vielmehr handelt es sich um eine sog. „pierre errante“24. Der im Folgenden gegebene Text folgt dem im Supplementum Epigraphicum Graecum abgedruckten.25 365–359 A: I [vacat Θεὸς?] Τύχη Ἀ ̣ γαθή. ἔδοξε τῆ̣ι ἐ̣κ̣[κλησίηι· γνώμη]ν̣ [περ]ὶ τῶν συναλ[λα]γῶμ παρήν[εγκε]ν? Λύ[κιος καὶ] οἱ συναλλακταί· περὶ τ[ού]των πάντων ψη̣φ̣ί[ζ]ο[ντ]α̣ Λύκιον καὶ II ἐπιτελέοντα ἐν [τ]ῆι ἐκκλησίηι κύριον εἶ[ν]αι. : ἔδοξε τῆι 5 ἐκκλησίηι· τοὺς [π]ολίτας πάντας ὀμ̣όσ[α]ι τὸν ὅρκον τὸ[ν] συγγεγραμμέν[ο]ν ἐν τρισὶν ἱεροῖς τοῖς [ἁ]γιωτάτοις καὶ ἐν̣ ἀγορῆι, Δία, Γῆν, [Ἥ]λ̣ιομ, Ποσειδῶ, κάπ̣ρο[ν] ἱερεύσαντας. ὁ̣ρκω̣σάτω δὲ Λύκ̣ιος καὶ οἱ συνα̣λλ̣ακταί· τὸν δὲ ὅρκον καὶ τὰ πιστώματα πάντα γράψαντας εἰς λίθον 10 θεῖναι εἰς τὸ ἱερ̣ὸ̣ν τῆς Ἀθηναίης. [θε]ῖναι δὲ καὶ εἰς τὴν ἀγορὰν τὸν ὅρκον τὸν αὐτὸ̣γ καὶ τὰ πιστῶματα γράψαντας εἰς λίθον. Ὀμόσαι δὲ πάντας ἐ̣ν τρισὶν ἡμ̣έ̣ραις· ὅσο̣ι δ᾿ ἀπο̣δ[η]μοῦσιν ἢ ἀσθ̣ενοῦσιν, τὸμ μ̣ὲ̣ν̣ ἀπόδημον ὀμόσαι καὶ ἁγνισθ15 ῆναι ἐπειδὰν ἔ̣ λθ̣ηι τριῶν ἡμερῶν, τὸν δὲ ἀσθενοῦντα ἐπειδὰν ὑγιὴς γενηθῆι ἐν τρισὶν ἡμέραις ὀμόσαι. ὁρκωσάντων δὲ πρὸς ταὐτά. ὃς δ᾽ ἂμ μ[ὴ ὀ-] μό̣σηι τὸν ὅρκον καθάπερ γέγραπται, τὰ χρήματα [α-] ὐτοῦ ἱερὰ καὶ δημόσια ἔστω̣ τοῦ Ἀ[π]όλλωνος το[ῦ] 20 Δαφνηφόρ̣ου ἄτιμός τε ἔστω καὶ τ[ῶ]ν δικαίων α[ὐ-] τῶι μηδενὸς μετέστω. μάρτυρα δ[ὲ] καὶ συνίστορ[α] τῶν ὅρκωγ καὶ τῶμ πιστωμάτωμ π[ά]ντωμ Περδί[κ-] κ̣αμ ποιήσασθαι· δεηθῆναι δὲ αὐ[το]ῦ, ἄν τινές πο̣τε τοὺς ὅρκους κ̣[αὶ] τὰ πιστώματα ἐ̣[γβ]άλλωσι, τού25 τους δυνατὸν [ἐ]όντα, θανάτωι ζ[ημι]ῶσαι, ἤν τε φύγωσι, ἀγωγίμους εἶν᾽ αὐτοὺς Δι[και]οπολίταις ἐIII κ τῆς χώρης πάσης ἧς ἐπάρχει Π[ερ]δίκκας. ἔδοξε τῆι ἐκκλησίηι· δίκας ὅ̣σαι φονικαί ἐσι πρὸ τ[ῆς] Γοργύθου ἀρχῆς, αὐτὰς ἐγδικάσασθαι πάσας ἐπὶ Γοργύθο[υ ἄρχον]τος μηνὸς Δα-
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lässlich seiner Schilderung der Route der Flotte des Xerxes Richtung Therme gibt (das Argument geht auf Meritt – Wade-Gery – McGregor [1939], 482–484 zurück). Den terminus ante quem bildet die erste Erwähnung Dikaias in den attischen Tributlisten (454). Voutiras – Sismanidis (2007), 268; vgl. auch Voutiras (2008), 782, akzeptiert von Knoepfler (2007–2008), 614. BE (2008), Nr. 263 (Denis Knoepfler). SEG LVII 576. Die Übersetzung stammt vom Verfasser dieser Arbeit.
Appendix II: Die ‚Amnestie der Dikaiopoliten‘ – Text und Übersetzung
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φνηφοριῶνος πέμπτηι φθ̣ίνοντος· ὃς δ᾿ ἂ[μ] μ̣ὴ̣ ἐγδικάσηται, [ἀ]πόκλετα αὐτῶι ἔστω. ἂν δέ τις δῶι δίκημ φο[νι]κ̣ὴ̣ ἢ δικάζητα[ι ὅ-] σα ἀπόκλετα ἡ ἐκκλησί[η] ἐψηφίσατο, ὁ μὲ̣ [ν δ]ικ[α]ζόμενος φ[ευ-] γέτω τὴν γῆν Δικαιοπολιτῶν καὶ τὰ [χ]ρ[ή]ματα αὐτο[ῦ ἔ-] στω δημόσια, ὁ δὲ διδο̣[ὺ]ς τὴν δίκην ἄτι[μο]ς [ἔ]στω καὶ τὰ 35 χρήματα [α]ὐτοῦ ἱερὰ καὶ δημόσια ἔστω τοῦ Ἀ[π]όλλωνος τ[ο-] ῦ Δαφνηφόρō. εἰ δέ τι ἄλ̣λ̣ο ἐγκαλοῦσι Δήμ[αρχο]ς ἢ οἱ μετὰ Δὴμάρχου φυγόντες τοῖς μετὰ Ξενοφῶντ[ος] ἢ Ξενοφῶν ἢ ο̣[ἱ] μετὰ Ξενοφῶντος τούτοις ἐγκαλοῦ[σ]ι, ὅσα πρὸ τῆς Γοργύθου ἀρχῆς ἐγκλήματα ἐγένοντο πρὸς ἀλλήλους τ40 ούτοις ἀπόκλετα εἶναι πάντα καὶ περὶ τ[ο]ύ̣των μήτε δικαζέσθω μηδεὶς μήτε ἄρχων δίκην διδότω. ἂ[ν] δὲ δικάζηται ἢ διδῶι, ὁ μὲν δικαζόμενο̣ς̣ ἄτιμος [ἔ]σ̣τω καὶ τὰ χρήματα αὐτοῦ δημόσια ἔστω, τοῦ δὲ διδ[ό]ν̣τος τὴν δίκην τὰ χρήματα ἱερὰ καὶ δημόσια ἔστω [τ]σ̣ῦ Ἀπ45 IV όλλωνος τοῦ Δαφνηφόρου. ἔδοξε τῆι ἐκκ̣λησίηι τοὺς Ἱέρωνος παῖδας καὶ Ἐ ̣ πικράτην καὶ Ἀργαῖον τὰς δίκας καὶ τοὺς ὅρκους καὶ τὰ πιστώματα δοῦναι καὶ δέξασθαι ἐν τῶι μηνὶ τῶι Ληναιῶνι καὶ Ἀνθεσστηριῶνι καθάπ{π}ερ συγέγραπται ὁ ὅρκος. ἂν δὲ μὴ ποήσωσι τὰ δεδογ50 μένα, στερέσθωσαν τῶν ἐγκλημάτωμ πάντων ὅσα πρὸ τῆς Γοργύθου ἀρχῆς ἐγένετο καὶ τῶι ὅρκV ωι ἔνοχοι ἔστων. | ἔδοξε τῆι ἐκκλησίηι· τοὺς παῖδας τοὺς Ἑρμίππου καὶ Ἐπιχάρεος καὶ Δημωφέλεος, τούτων τοὺς μὲν ἐπιδημοῦντας ὀμνύειγ κ55 αὶ ἁγνίζειγ καὶ ἁγνίζεσθαι καὶ τὰ πιστώματα δ[ι-] δόναι καὶ δέχεσθαι πάντα, τοὺς δ᾽ἀποδημοῦντας, ὅταν ἔλθωσι, ὀμνύειν καὶ ἁγν[ί]ζειν καὶ ἁγ[νί-] ζεσθαι καὶ τὰ πιστώματα πάντα διδόν[α]ι κα̣[ὶ δέ-] χεσθαι· ὃς δ᾽ἂμ παραβῆι τῶγ γεγραμμένω[ν τι,] 60 VI ἔνοχος ἔστω κατὰ τὸν ὅρκον ὅν ἔδοξε τῆι ἐκκλ[η-] σίηι. : οἱ δὲ ὅρκοι καὶ τὰ πιστώματα ἐγένον[το] καὶ τὰ ἀπόκλειτα τοῖς ἄλλοις πολίταις πᾶσι ἐκτὸς Δάφνωνος τοῦ Πολυζήλο καὶ Κηφισοδώρ[ō] τοῦ Ἀγαθοκλέος. τούτοις δέ, ἐπειδὰν τὰς δίκας δῶσ[ι] καὶ δέξ65 ωνται κατὰ τὸν νόμον, ἂν ἀποφύγωσι, μετεῖνα τῶν ὅρκων κα[ὶ τῶ]μ πιστωμάτωμ πάντων, ὥσπερ τοῖς ἄλλοις πολίταις. ὅ̣ρκος· πολιτεύσομαι ἐπίπασι δικαίς καὶ δημοσίαι καὶ ἰδίαι καὶ τὴμ πολιτείαν οὐ μεταστήσω τὴμ πατρίαν, οὐδὲ ξένους εἰσδέξομαι ἐπὶ βλάβηι τοῦ κοινοῦ 70 τοῦ Δικαιοπολιτέων οὔτε ἰδιώτεω οὐδὲ ἑνὸς· καὶ οὐ μνησικακήσω οὐδενὶ οὔτ[ε] λόγωι οὔτε ἔργωι· καὶ οὐ θανατώσω οὐδένα οὐδὲ φυγῆι ζημιώσω οὐδὲ χρήματα ἀφαιρήσομ[α-] ι ἕνεκα τῶμ παρηκόντων· καὶ ἄν τις μνησικα̣κ̣ῆι, οὐκ αὐ[τ-] ῶι ἐπιτρέψω· καὶ ἀπὸ τῶμ βωμῶν καθελέω καὶ καθαιρεθ[ή-]
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VIII. Appendices
75 B
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105
σομαι· καὶ πίστιν δώσω καὶ δέξομαι τὴν αὐτήν· καὶ ἁγνιῶ ̣ καὶ ἁγνιοῦμαι καθότι ἂν τάξ[ηι] [τ]ὸ κοινόν· καὶ εἴ τινα ἐπίστωσα [ἢ] ἐπιστωσάμην, δώσω καὶ δ[έ]ξομαι καθάπερ ἐπίστωσα καὶ ἐπιστωσάμην· ἔν τε ταῖς δίκαις αἷς ἐδίκασεν ἡ πόλις ἐμμενέω· καὶ εἴ τινα ἄλλον ὅρκο[ν] ὤμοσα, λύω, τόνδε δὲ σπουδαιότα̣τομ ποιήσομαι. ταῦτα ἐμπεδο̣ρκήσω ναὶ μὰ Δία, Γῆν, Ἥλιομ, Ποσειδεώ. εἰ μὲν εὐορκήσαιμι, πολλά μοι ἀγαθὰ γίνοιτο κ̣α̣[ὶ] [αὐ]τῶι καὶ παισὶ καὶ χρήμασ[ι]· [ε]ἰ δὲ ἐπιορκήσαιμι, κακῶς [ἐ-] μ̣οὶ γίνοιτο καὶ αὐτῶι καὶ πα[ι-] σὶ καὶ χρήμασι. δέχομαι ἀπὸ το̣[ῦ] β̣ωμοῦ παραθήκην παρὰ τοῦ Ἀπ[ό-] [λ]λωνος κατὰ τοὺς ὅρκους οὓς ὤμ̣οσα. εἰ μὲν ἐ[μ]μείναιμι ἐν τοῖς ὅρκοις καὶ ἐν τοῖς πισστώμασι π[ᾶ]σι, πολλὰ μοι κἀγαθὰ γίνοιτο καὶ αὐτῶι καὶ παισὶ καὶ χρήμασι· εἰ δὲ [ἐπιο]ρ̣κήσαιμι δεξάμενος πα[ραθ]ήκην παρὰ τοῦ Ἀπόλλωνος, [ἐ]ξ̣ώλης εἴην καὶ αὐτὸς καὶ γένος τὸ ἐμὸν καὶ τὰ ὑπάρχοντα πάντα, τιμωρήσειεν δὲ ὁ [θ]εὸς παρ᾽οὗ ἔλαβον τὴν παραθήκην μετὰ τῶν ἄλλων θεῶν πάντων.
Übersetzung: VB I: [Gott?] Gutes Gelingen! Es hat beschlossen die Volksversammlung: Den (folgenden) Antrag über die Versöhnungen haben eingebracht Lykios und die Versöhner. Lykios soll in Bezug auf alle (relevanten) Angelegenheiten die Autorität haben, sie in der Volkversammlung zur Abstimmung zu bringen und durchzusetzen. VB II: Es hat beschlossen die Volksversammlung: Alle Bürger sollen schwören den niedergeschriebenen Eid in den drei ehrwürdigsten Heiligtümern und auf der Agora, bei Zeus, Ge, Helios und Poseidon, unter dem Opfer eines Ebers. Es sollen abnehmen die Eide Lykios und die Versöhner. Den Eid und alle Verpflichtungen soll man auf einer steinernen Stele aufschreiben und sie im Heiligtum der Athene aufstellen. Man soll aber auch auf der Agora denselben Eid und (dieselben) Verpflich-
Appendix II: Die ‚Amnestie der Dikaiopoliten‘ – Text und Übersetzung
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tungen aufstellen, nachdem man (sie) auf einer steinernen Stele aufgeschrieben hat. Es sollen alle innerhalb von drei Tagen schwören. Von allen, die abwesend oder krank sind, soll der Abwesende schwören und (durch Sühnopfer) gereinigt werden, innerhalb von drei Tagen nach seiner Rückkehr, der Kranke aber soll innerhalb von drei Tagen nach seiner Genesung schwören. Es sollen ihnen die Eide nach denselben Bestimmungen abgenommen werden, (wie allen anderen). Wer den Eid nicht schwört, wie er aufgeschrieben ist, dessen Besitz sei konfisziert und dem Apollon Daphnephoros geweiht; er soll seine bürgerlichen Ehrenrechte verlieren und keinerlei Rechtsansprüche mehr haben. Zum Zeugen und Mitwisser der Eide und aller Verpflichtungen mache man Perdikkas; an ihn soll man sich wenden, wenn sich irgendwelche Leute einmal den Eiden und Verpflichtungen widersetzen, und man soll sie bestrafen, wenn es möglich ist, mit dem Tod, und wenn sie ins Exil gehen, seien sie für die Dikaiopoliten auf dem ganzen Gebiet vogelfrei, das Perdikkas beherrscht. VB III: Es hat beschlossen die Volksversammlung: Alle Mordprozesse aus der Zeit vor dem Amtsantritt des Gorgythos sollen gerichtet werden im Archontat des Gorgythos, am sechsundzwanzigsten Tag des Monats Daphnephorion. Wer aber nicht (an diesem Tag) vor Gericht tritt, der sei (vom Rechtsweg) ausgeschlossen. Wenn jemand eine Klage wegen Mordes zulässt oder in Bezug auf etwas prozessiert, was die Volksversammlung für abgeschlossen erklärt hat, soll derjenige, der prozessiert, aus dem Land der Dikaiopoliten fliehen und sein Besitz soll konfisziert werden; derjenige aber, der eine Klage zulässt, soll seine bürgerlichen Ehrenrechte verlieren und sein Besitz soll konfisziert und dem Apollon Daphnephoros geweiht sein. Wenn aber Demarchos oder die Parteigänger des Demarchos, die mit ihm ins Exil gegangen sind, die Parteigänger des Xenophon wegen irgendetwas anderem anklagen oder (wenn) Xenophon oder die Parteigänger des Xenophon jene anklagen, in Bezug auf was auch immer für Anschuldigen vor dem Archontat des Gorgythos gegenseitig entstanden sind, so sei diesen alles verschlossen und keiner soll wegen dieser Dinge prozessieren noch soll ein Archon den Rechtsweg gestatten. Wenn aber (einer) prozessiert oder (ein Archon) den Rechtsweg gestattet, soll derjenige, der prozessiert, seine bürgerlichen Ehrenrechte verlieren und sein Besitz soll konfisziert werden; der Besitz desjenigen, der den Rechtsweg zulässt, soll konfisziert und dem Apollon Daphnephoros geweiht werden. VB IV: Es hat beschlossen die Volksversammlung: Die Söhne des Hieron sowie Epikrates und Argaios sollen sich der richterlichen Entscheidung unterwerfen, Eide und Verpflichtungen geben und empfangen im Monat Lenaion und Anthes(s) terion, wie es der Eid vorschreibt. Wenn sie aber die Vereinbarungen nicht annehmen, sollen sie alle Klage(möglichkeite)n in Bezug auf die Dinge verlieren, die vor dem Amtsantritt des Gorgythos geschehen sind, und sollen dem Eid ausgesetzt sein. VB V: Es hat beschlossen die Volksversammlung: Von den Söhnen des Hermippos, des Epichares und des Demopheles sollen diejenigen, die daheim sind, schwören, sühnen und entsühnt werden und sollen alle Verpflichtungen geben und erhalten, diejenigen aber, die in der Fremde sind, sollen, wenn sie zurückkommen, schwören, sühnen und entsühnt werden und sollen alle Verpflichtungen geben und
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VIII. Appendices
erhalten. Wer aber irgendetwas von den niedergeschriebenen Regelungen übertritt, soll dem Eid ausgesetzt sein, den die Volksversammlung beschlossen hat: VB VI: Die Eide und Verpflichtungen und die Prozessverbote betreffen alle Bürger mit Ausnahme von Daphnon, Sohn des Polyzelos, und Kephisodoros, Sohn des Agathokles. Diesen aber soll, wenn sie den Rechtsweg gemäß dem Gesetz einschlagen, Anteil sein, sofern sie freigesprochen werden, an allen Eiden und Verpflichtungen, wie den anderen Bürgern. Eid: Ich werde in jeder Hinsicht auf gerechte Weise Bürger sein, sowohl in meinem öffentlichen als auch in meinem privaten Verhalten und werde die angestammte Verfassung nicht verändern, noch werde ich fremde Feinde aufnehmen zum Schaden der Gemeinde der Dikaiopoliten und auch nicht (zum Schaden) eines einzigen (Bürgers). Und ich werde nicht Übles erinnern, weder in Wort noch Tat. Und ich werde niemanden töten noch mit der Verbannung bestrafen noch (jemandes) Besitz wegnehmen wegen der vergangenen Ereignisse. Und wenn irgendjemand Übles erinnert, will ich es ihm nicht hingehen lassen. Und von den Altären will ich (die Schutzflehenden) fernhalten und selbst ferngehalten werden. Und ich werde dieselbe Garantie geben und erhalten. Und ich will sühnen und entsühnt werden, wie die Gemeinde (der Dikaiopoliten) angeordnet hat. Und wenn ich jemanden verpflichtet habe oder von jemandem verpflichtet worden bin, will ich mich an die gegebenen und erhaltenen Verpflichtungen halten. Die richterlichen Entscheidungen, die die Polis herbeigeführt hat, will ich akzeptieren. Und wenn ich irgendeinen anderen Eid geschworen habe, löse ich (ihn und) mache diesen hier zu (meinem) wichtigsten. Ich werde fest bei meinem Schwur verharren, bei Zeus, Ge, Helios und Poseidon. Wenn ich meinen Eid halte, soll mir viel Gutes geschehen, sowohl (mir) selbst als auch meinen Kindern und meinem Besitz. Wenn ich aber meinen Eid breche, soll es mir schlecht ergehen, sowohl (mir) selbst auch meinen Kindern und meinem Besitz. Ich empfange vom Altar das Unterpfand von Apollon gemäß den Eiden, die ich geschworen habe. Wenn ich die Eide und alle Verpflichtungen halte, soll mir viel Gutes geschehen, sowohl (mir) selbst als auch meinen Kindern und meinem Besitz. Wenn ich aber den Eid breche, obwohl ich das Unterpfand von Apollon empfangen habe, will ich gänzlich zugrunde gehen, sowohl (ich) selbst als auch mein Geschlecht und mein ganzes Vermögen und es soll der Gott, von dem ich das Unterpfand empfangen habe, Rache üben zusammen mit allen anderen Göttern. Der in VB VI zitierte ungewöhnlich lange Eidestext lässt sich zum Zwecke einer besseren Übersichtlichkeit folgendermaßen tabellarisch paraphrasieren:26
26 Die in der Tabelle wiedergegebene Einteilung des Eides in Sinnabschnitte (§§) wurde vom Verfasser dieser Arbeit vorgenommen. Sie geht ausschließlich auf den Inhalt, nirgends auf die äußere Form der Inschrift zurück.
311
Appendix III: Ephebeneide Paragraph und Zeile
Inhalt der Klausel
Charakter bzw. Häufigkeit dieser Klauseln in anderen Amnestie- und Bürgereiden
§ I, Z. 67–70
Verfassungstreue
Typisch
§ II, Z. 70–74
Racheverzicht (οὐ μνησικακήσω)
Typisch (für Amnestieeide)
§ III, Z. 74–80
Reziprozitätsformeln: a) Aussetzung der Hikesie, b) gegenseitige Zusicherungen c) Reinigung
Sehr selten
§ IV, Z. 80–84
Vereidigung auf das Gemeinwesen soll verschwörerischen Parteieneid (συνωμοσία) ersetzen
Kommt gelegentlich vor
§ V, Z. 84–86
Götteranruf (invocatio)
Typisch
§ VI, Z. 86–91
Erste Fluch- und Segensformel
Typisch
§ VII, Z. 91–94
Einsatz eines zusätzlichen religiös fundierten Sicherungsinstruments (παραθήκη παρὰ τοῦ Ἀπόλλωνος)
Sonst nirgends bezeugt
§ VIII, Z. 94–105
Zweite Fluch- und Segensformel
Sehr selten
APPENDIX III: EPHEBENEIDE Eine besondere Form von Bürgereiden stellen die Eide der sog. ‚Jungmannschaften‘ dar, bei denen Jahr für Jahr nicht die gesamte Bürgerschaft, sondern nur ein Teil derselben verpflichtet wurde. Von diesen sind inschriftlich drei im Wortlaut erhalten: der berühmte attische Ephebeneid, bei dem es sich um eine Wiederaufzeichnung aus dem 4. Jahrhundert handelt, ein Eid der milesischen Epheben (um 260) und derjenige der Jungmänner (ἀγέλαοι)27 aus Dreros (um 220). Ephebeneide wurden jeweils zum Ende der Ephebie – und nicht etwa bei Dienstantritt der neuen Jungmänner – im Rahmen eines religiösen Festes geleistet, bei dem die Epheben 27 Vgl. zu den kretischen ἀγέλαοι Gehrke (1997), 31–41; zur zeitlichen Fixierung des Endpunkts der Ephebie im archaischen Kreta s. jetzt Seelentag (2009).
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VIII. Appendices
in die Bürgerschaft aufgenommen wurden.28 Dieses Fest markierte gleichzeitig den Übergang vom Jugend- zum Erwachsenenalter und stellte den wichtigsten Initiationsritus einer Polis dar. Ephebeneide sind somit als ein Schwur von Neubürgern zu verstehen. Bei ihnen schlägt der militärische Charakter der Ephebie29 voll durch, wie der attische Ephebeneid,30 verdeutlicht: Hier werden neben typischen Schwurgottheiten wie Hestia und Zeus zum einen Gottheiten mit einem besonders kriegerischen Charakter (Enyo, Enyalios, Ares und Athena Areia)31 angerufen und zum anderen solche, welche die Vorherrschaft Athens (Hegemone!)32 und deren grundsätzlichen (Thallo, Auxo)33 wie unbegrenzten Ausbau (Weizen, Gerste, Weinberge, Oliven und Feigen)34 symbolisieren, was im Übrigen sehr gut mit der zweiten Klausel 28 Ephebeneid am Ende der Ephebie: Milet I 3, 139, Z. 47–49 = HGIÜ II 331; so auch Chaniotis (1996a), 197; für wahrscheinlich, aber nicht zu beweisen, hält dies Burckhardt (1996), 57 f.; Leistung des attischen Ephebeneids „après leur entrée en service dans le corps des éphèbes“: Habicht (²2006), 36. Wenig überzeugend ist der Vorschlag von Sommerstein – Bayliss (2013), 15, die Epheben hätten ihren Eid sowohl zu Beginn als auch am Ende ihres Dienstes geleistet. 29 Zum Charakter der Ephebie vgl. Pélékidis (1962), Reinmuth (1971), Vidal-Naquet (³1983), 151–176, Burckhardt (1996) und Beck (2009), 55–61, zur hellenistischen Ephebie die entgegengesetzten Standpunkte von Burckhardt (2004) und Tracy (2004). S. ferner PerrinSaminadayar (2007). Zur Entwicklung der Ephebie in der römischen Kaiserzeit vgl. jetzt Wiemer (2011). 30 Die editio princeps ist Robert (1938), 293–316; der Text auch bei Tod II 204, Siewert (1972), 5 f. und Rhodes – Osborne, Nr. 88. Vgl. zu der Inschrift ferner Bock (1941), Conomis (1958), Daux (1971), Merkelbach (1972), Siewert (1977), Burkhardt (1996), 57–63, Rhodes – Osborne (2003), 440–449, Finkelberg (2008), Kellogg (2008), 356–358 und Sommerstein – Bayliss (2013), 13–22. Die Authentizität des Eides ist trotz Sordi (1971) und Robertson (1976) (Fälschung des 4. Jahrhunderts) heute unstrittig. 31 Dazu gehört auch der etwas später in der Liste auftauchende Herakles, vgl. Merkelbach (1972), 281 f.; zu Athena Areia vgl. Robert (1938), 305, Bock (1941), 49–55, bes. 54 und Siewert (1977), 109 f. („later intrusion“). Athena fehlt tatsächlich in der literarischen Version des Eides bei Poll. VIII 106 – allerdings auch Hestia. 32 Merkelbach (1972), 282 deutet Hegemone irrig als „‚Wegführerin‘“ der Epheben. 33 Die etymologischen Wurzeln, die für jeden Griechen bei der Nennung dieser beiden Gottheiten automatisch mitklangen, sind bekanntermaßen αὐξάνειν/ αὔξειν (‚[ver-]mehren‘, ‚vergrößern‘) und θάλλειν (‚sprießen‘, ‚wachsen‘, ‚im Überfluss vorhanden sein‘). So auch Merkelbach (1972), 282. 34 So wenigstens deutet Plutarch im ersten nachchristlichen Jahrhundert diese ungewöhnlichen Schwurgottheiten. Bei ihm (Plut. Alkibiades 15,7 f.) heißt es: οὐ μὴν ἀλλὰ καὶ τῆς γῆς συνεβούλευεν ἀντέχεσθαι τοῖς Ἀθηναίοις καὶ τὸν ἐν Ἀγραύλου προβαλλόμενον ἀεὶ τοῖς ἐφήβοις ὅρκον ἔργῳ βεβαιοῦν. ὀμνύουσι γὰρ ὅροις χρήσεσθαι τῆς Ἀττικῆς πυροῖς κριθαῖς ἀμπέλοις σύκαις ἐλαίαις, οἰκείαν ποιεῖσθαι διδασκόμενοι τὴν ἥμερον καὶ καρποφόρον. – „Indessen riet er (sc. Alkibiades) den Athenern auch, das Land (sc. das Territorium von Argos und Patrai) in fester Hand zu halten und den Eid, den man die Epheben im Heiligtum der Agraulos schwören lässt, mit der Tat zu verwirklichen. Sie schwören da nämlich, Weizen, Gerste, Reben, Feigen- und Ölbäume als Grenzen Attikas anzusehen, womit sie angewiesen werden, die gesamte bewohnbare und fruchttragende Erde als ihr eigen anzusehen.“ (Übers. v. Verf. unter Rückgriff auf Ziegler). Tatsächlich gehen auch auf der Marmorstele aus Acharnai die Grenzen des Vaterlands (ὅροι τῆς πατρίδος) dem Weizen, der Gerste, den Weinbergen, Oliven und Feigen direkt voraus. Vgl. Merkelbach (1972), 282 f., der bei diesen
Appendix III: Ephebeneide
313
des Eides korrespondiert, in der es heißt: „Ich werde kämpfen für den Schutz des Heiligen und Geheiligten und werde nicht geringer übergeben das Vaterland, sondern größer und besser (…),“35 – eine Klausel, die bestens in die Zeit des attischen Imperialismus‘ passt,36 aber auch in späterer Zeit noch verwendet wurde.37 Der militärische Charakter der Ephebie spiegelt sich zudem darin wider, dass auch die vorhergehende erste Klausel des Eides um Waffen und das Halten der eigenen Position in der Schlachtreihe kreisen.38 Damit handeln die ersten beiden Klauseln des Eides vom Krieg, der als Kampf für die patris durch die geballte Verwendung der Worte ἱερός und ὅσιος zugleich auf eine sakrale Ebene gehoben wird.39 Diese religiöse Überhöhung der Vaterstadt findet sich in der Liste der Schwurgottheiten zum einen in der Nennung der Aglauros wieder, die nach einer Version ihres Mythos den Opfertod für Athen starb40 und hier als erste Gottheit genannt wird, zum anderen in der Vergöttlichung der „Grenzen des Vaterlandes“.41 Eidgottheiten allerdings nicht an den Ausbau der attischen Herrschaft denkt, sondern an die „Unversehrtheit“ des Landes, für die die Epheben zu sorgen hätten. 35 Rhodes – Osborne, Nr. 88, Z. 8–10: ἀμυνῶ δὲ καὶ ὑπὲρ ἱερῶν καὶ ὁσ/ίων καὶ οκ ἐλάττω παραδώσω τὴν πατρίδ/α, πλείω δὲ καὶ ἀρείω (…). Diese Klausel kommt auch in Eiden anderer Poleis gelegentlich vor (vgl. etwa die Homopolitie zwischen Kos und Kalymna StV III 545, Z. 26 f. = HGIÜ III 429), nirgendwo sonst aber erhält sie durch die Wahl der Schwurgötter eine derart große Bedeutung. In den meisten Fällen bleibt es bei der Versicherung, das bestehende Territorium nicht zu schmälern (Itanos: IC III IV 8, Z. 9–14, Chersonasos: IOSPE I2 401, Z. 12 f., Dreros: Chaniotis, Nr. 7, Z. 49–60). 36 So wird der Eid auf der Stele aus Acharnai (Rhodes – Osborne, Nr. 88, Z. 5) als „herkömmlicher Eid der Epheben“ (ὅρκιος ἐφήβων πάτριος) eingeführt und mit Plut. Alkibiades 15,4 gelangt man schon bis ins letzte Viertel des 5. Jahrhunderts. Vgl. ferner Siewert (1977), 104– 107, der Spuren des Eides bei Thuk. I 144,4 und II 37,3 und wohl auch bei Aischyl. Pers. 956–962 und Soph. Ant. 663–671 nachweisen kann und 109–111 zudem einige archaische Elemente des Eides auflistet. Der Eid wird seitdem gemeinhin in das späte 6. Jahrhundert gesetzt (vgl. zusammenfassend Kellogg [2008], 357), durch Zeugnisse gesichert ist er aber erst für das 5. Jahrhundert. 37 Die Buchstabenformen der Stele aus Acharnai belegen den Text des Eides für das 3. Viertel des 4. Jahrhunderts (s. Kellogg [2008], 356 mit der älteren Literatur). Vgl. für eine spätere Zeit die literarische Version des Eides bei Poll. VIII 106: καὶ τὴν πατρίδα οὐκ ἐλάττω παραδώσω, πλεύσω δὲ καὶ καταρόσω ὁπόσην ἂν παραδέξωμαι. Für die große Reform der Ephebie aus dem Jahre 336/ 35 hört man nichts über eine Veränderung der Eidesformel (vgl. Habicht [²2006], 35–37). 38 Vgl. Rhodes – Osborne, Nr. 88, Z. 6–8: „Ich werde nicht entehren die heiligen Waffen und werde nicht verlassen meinen Kampfgenossen, wo immer ich aufgestellt sein werde.“ 39 Vgl. Rhodes – Osborne, Nr. 88, Z. 6 f.: ἱερὰ ὅπ/λα und Z. 8 f.: ἀμυνῶ δὲ καὶ ὑπὲρ ἱερῶν καὶ ὁσ/ίων. 40 Daher schworen die Epheben den Eid auch in ihrem Heiligtum, dem Aglaureion; vgl. Demosth. or. 19, 303: τὸν ἐν τῷ τῆς Ἀγλαύρου τῶν ἐφήβων ὅρκον; Plut. Alkibiades 15,7: τὸν ἐν Ἀγραύλου προβαλλόμενον ἀεὶ τοῖς ἐφήβοις ὅρκον. Vgl. ferner Lykurg. 76 f., Poll. VIII 105 und Stob. IV 1,48. – Der Opfertod der Aglauros wird bei Philoch. FGrHist 328 F 105 (= Schol. Demosth. or. 19, 303) bezeichnenderweise zusammen mit dem Ephebeneid erwähnt, vgl. Merkelbach (1972), 280 f. Zu Aglauros als „the role model par excellence for the teenaged ephebes“ vgl. Sommerstein – Bayliss (2013), 17; s. zu Aglauros ferner SourvinouInwood (2011), 26–50, 94–107. 41 Zu den „Grenzen des Vaterlandes“ als Schwurgottheiten vgl. Funke (2009–2010), 125.
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VIII. Appendices
Damit sind die folgenden Klauseln gleichsam vorbereitet, die sich auf das Verhalten als Bürger beziehen:42 Nach dem Gehorsam gegenüber den jeweils Herrschenden43 wird wie im Bürgereid aus Itanos die Treue auch zu zukünftigen Satzungen beschworen.44 Es folgen die für alle Bürgereide typische Versicherung, gegen Umstürzler vorzugehen – allerdings ohne die Denunziationsklausel – und das Versprechen, „die traditionellen Heiligtümer“ zu ehren.45 Klauseln mit Bezug auf das Sakrale rahmen somit den Eid, der statt mit einer Exsekrations- und Segensformel mit der Nennung der bereits diskutierten Schwurgottheiten als Zeugen (ἵστορες) endet. Das Auftreten der Schwurgottheiten an dieser Stelle und das Fehlen einer Exsekrations- und Segensformel sind auffällig und weisen auf ein hohes Alter des Eides hin.46 Der zweite überlieferte Ephebeneid findet sich im Rahmen eines milesischen Volksbeschlusses überliefert, der ein zuvor mit Ptolemaios I. eingegangenes Bündnis gegenüber dessen Sohn, Ptolemaios II., erneuert.47 Dem Volksbeschluss geht ein Schreiben des Königs sowie eine Ratsvorlage voraus. Der Eid selbst beinhaltet nur zwei Klauseln: zum einen eine Verpflichtung der Epheben auf die milesischen Gesetze, zum anderen die Zusicherung der Beibehaltung des Bündnisses mit den Ptolemaiern. Der Ephebeneid folgt unmittelbar auf einen Bürgereid, der „alle“ Milesier (τοὺς πολίτας ἅπαντας)48 „für alle Zeit“49 auf das Bündnis mit Ptolemaios und dessen Nachfahren verpflichtet und stellt, indem er ausdrücklich die jeweils aktuellen Epheben (τοὺς ἐφήβους τοὺς ἀεὶ γινομένους)50 bindet, eine Verstetigung desselben dar. Ein außenpolitisches Bündnis wird somit zum wichtigsten Element dieses Schwures. 42
43 44 45 46
47 48 49 50
Eine solche Teilung des Eides, bei der die militärischen Aspekte den Bürgerpflichten vorangehen, übersieht Kellogg (2008), 357, wenn sie irrig behauptet: „(…) the oath is first and foremost a citizenship oath, not a military one, (…).“ und ebd.: „(…) the Oath of the Ephebes is primarily concerned with the duties of citizenship and not military service, (…).“ Zudem missachtet ihre Deutung den eindeutig militärischen bzw. ‚imperialen‘ Charakter der Eidgottheiten. Ähnlich jetzt auch die Kritik an Kellogg bei Sommerstein – Bayliss (2013), 16. Der Eid verpflichtet damit nicht eindeutig auf ein bestimmtes Verfassungssystem. Dies macht ihn politisch erstaunlich flexibel. So findet sich in der gesamten Inschrift kein Passus, der ausdrücklich die Demokratie schützen würde. Rhodes – Osborne, Nr. 88, Z. 11–14. Vgl. Tabelle 2 im Anhang dieser Untersuchung. Rhodes – Osborne, Nr. 88, Z. 14–16. Die beste Parallele stammt aus dem 6. Jahrhundert (vor 510): Das Bündnis zwischen Sybariten und Serdaiern (StV II 120 = HGIÜ I 16), der älteste epigraphisch überlieferte griechische Staatsvertrag, endet mit der Auflistung von Zeus, Apollon, den anderen Göttern und der Polis Poseidonia als proxenoi (‚Bürgen‘), proxenoi entspricht hier dem histores des Ephebeneides. Weitere Parallelen stellen der Amphiktyoneneid und der Vertrag zwischen Messeniern und Naupaktiern (Matthaiou – Mastrokostas [2000–2003], Z. 5–9) dar, in denen die Eidgottheiten jeweils in der Exsekrationsformel angerufen werden. Frühe griechische Vertragseide folgen ganz offensichtlich noch nicht einem so strikten Schema, wie dies später der Fall sein sollte. Vgl. Milet I 3, 139 = HGIÜ II 331, Aufstellungsort ist das Delphinion. Milet I 3, 139, Z. 45. Milet I 3, 139, Z. 47 f.: τὸν ἀεὶ / χ̣ρόνον. Milet I 3, 139, Z. 48.
Appendix III: Ephebeneide
315
Ganz Ähnliches lässt sich in einem Eid der drerischen Jungmannschaft greifen, von dem Angelos Chaniotis überzeugend nachgewiesen hat, dass er ebenfalls auf eine konkrete historische Situation, den Lyttischen Krieg (221–219), zurückgeht:51 Der Eid beginnt direkt nach einer typisch kretischen invocatio von 17 Schwurgottheiten und drei Kollektivformeln mit der eidlichen Zusicherung eines jeden drerischen Jungmannes, nur ja fest an der Feindschaft mit den Lyttiern festzuhalten!52 Auch hier schlägt sich also wie im attischen Ephebeneid der militärische Charakter der Ephebie deutlich nieder. In dem Eid ist überhaupt sehr viel von zwischenstaatlichen Beziehungen die Rede: So wird auch ein vorhergehendes Bündnis mit den Knosiern beschworen.53 Auffällig ist die Bedeutung, die den Grenzfestungen (οὐρεῖα)54 dabei zugeschrieben wird. Diese waren für die Epheben – auch im Rahmen ihrer Ausbildung – von zentraler Wichtigkeit. Dass die Grenzfestungen hier erwähnt werden, hat eine ähnliche Bedeutung wie sie auch den „Grenzen des Vaterlands“ im attischen Ephebeneid zukam – nur dass letztere sogar zur Eidgottheit erhoben wurden. Ganz offenbar gehörten die Grenzen des Territoriums einer Stadt zum typischen Inventar eines Ephebeneides. Mit Blick auf die zwischenstaatlichen Klauseln des drerischen Eides bemerkt allerdings Chaniotis, es liege gar „kein typischer Ephebeneid“ vor, „insofern als sein Inhalt nicht die Epheben- oder Bürgerpflichten auflistet.“55 Dem ist entgegenzuhalten, dass sich – wie gezeigt werden konnte – außenpolitische Inhalte auch im attischen und milesischen Ephebeneid finden und dass zudem „die Epheben- oder Bürgerpflichten“ im drerischen Eid durchaus Erwähnung finden: Da ist etwa von dem Verbot, eine Stasis anzuzetteln oder eine Verschwörung zu organisieren, die Rede.56 Beides abgesichert durch eine Denunziationsformel: „Wenn ich aber von 51 Der Text findet sich in IC I IX 1 und bei Chaniotis, Nr. 7 (= HGIÜ III 449). – Lange umstritten war das Ende des Dokuments (Z. 144–164), wo von einem Anschlag der Bewohner von Milatos, einem Agon und der Pflanzung eines Baumes die Rede ist. Während die ältere Forschung, namentlich Blass (1905), 240 f. und Guarducci (1935), 88, dies noch damit erklärte, dass hier eine Abschrift aus einer älteren Urkunde vorläge, hat der Fund einer Inschrift aus dem späten 3. Jahrhundert mit denselben Beamtennamen gezeigt, dass auch der Eid der drerischen Jungmannschaft in das späte 3. Jahrhundert gehören muss. Detienne (1973), 305 f. postulierte daraufhin einen Initiationsritus, der aus dem Kampf an der Grenze des Polisterritoriums, einem Agon und dem Pflanzen eines Baumes bestünde. Dagegen hat Chaniotis (1996a), 200 eine „‚chronikartige Notiz‘“ angenommen, wie sie auch in Beamten- und Priesterlisten auftrete. Beide Erklärungen sind in sich kohärent. Eine Entscheidung der Frage kann und muss hier nicht erfolgen. 52 Chaniotis, Nr. 7, Z. 36–43. Integriert in diese gegen die Lyttier gerichtete Formel ist eine „anti-deceit clause“. Zu der besonderen Häufigkeit dieser Formel auf Kreta s. Gazzano (2005), 29 f. 53 Dass der Eid der drerischen Jungmannschaft auf einem Bündnis mit den Knosiern beruht, zeigt die gegenseitig gedachte Formulierung in Chaniotis, Nr. 7, Z. 46–48 (καὶ τέλομαι / φιλο δ ρήριος καὶ / φιλοκνώσιος), die in einem allein von Dreriern geleisteten Eid sonst unsinnig wäre. Auch die Einbeziehung des Schutzes der Knosier und ihrer Grenzposten (Z. 52–60) lässt sich dementsprechend erklären, vgl. überzeugend Chaniotis (1996a), 199. 54 Chaniotis, Nr. 7, Z. 52. 55 Chaniotis (1996a), 97. 56 Chaniotis, Nr. 7, Z. 55–74
316
VIII. Appendices
anderen erfahre, daß sie sich verschwören, werde ich es melden (…).“57 Wenn man nun eine gewisse, sei es auch nur eine minimale geographische Variatio im Formular der Ephebeneide in Rechnung stellt und sich diese nicht als einen monolithischen Block vorstellt, lässt sich der drerische Eid durchaus als ein in vielerlei Hinsicht typischer Ephebeneid ansprechen. Er ist, wie Chaniotis mit Recht bemerkt, „kein Vertragseid“58, da in ihm nur die Eidgötter der Drerier genannt sind. Die Integration einiger Elemente, die für einen Vertragseid typisch sind, gehört nun aber gerade zu den Kennzeichen eines Ephebeneides, der in dieser Hinsicht immer zwischen Bürger- und Vertragseid changiert. Es bleibt festzuhalten, dass sich Ephebeneide durch ihren militärischen Charakter, der durch die Prägung der Institution selbst vorgegeben wird, auszeichnen. Der Ephebeneid erwies sich als ein geeignetes Mittel, um Bündnisse (Milet), aber auch Feindschaften (Dreros) im zwischenstaatlichen Bereich auf Dauer zu stellen. Eine besondere Rolle spielten zudem die Grenzen der patris. Die Schwurgottheiten hatten einen vergleichsweise starken lokalen Bezug und waren gelegentlich so gewählt, dass sie einzelne Klauseln des Vertrages symbolisierten (attischer Ephebeneid). Des Weiteren war die sakrale Dimension des Schwures bei den Ephebeneiden oft sehr stark, ohne dass wie im Amnestieeid der Dikaiopoliten die strafende Funktion der Gottheiten in den Mittelpunkt gestellt werden musste. Stattdessen wurde das Opfer des Einzelnen für die patris hervorgehoben und mitunter religiös verklärt, wie dies besonders im attischen Ephebeneid deutlich wurde (Aglauros, Grenzen des Vaterlandes als Eidgottheiten). Es fällt zudem auf, welch zentraler Charakter den eigenen Landesgrenzen in Ephebeneiden zugeschrieben wurde (Athen, Dreros).
57 58
Chaniotis, Nr. 7, Z. 70 f. Chaniotis (1996a), 97.
IX. TABELLEN Tabelle I: Schwurgottheiten in griechischen Staatsverträgen Quelle
Datierung (Fundort)
Vertragspartner
Schwurgottheiten
Aischin. Ctes. 110
7./ 6. Jh.
Mitglieder der Delphischen Amphiktyonie
ἐναγής ἔστω τοῦ Ἀπόλλωνος καὶ τῆς Ἀρτέμιδος καὶ τῆς Λητοῦς καὶ Ἀθηνᾶς Προναίας
StV II 120, Z. 5–8
Vor 510 (Olympia)
Sybaris – Serdaioi
πρόξενοι ὀ Ζε/ὺς κ’ Ὀπόλον κ’ ὀ̑λλοι θ/εοὶ καὶ πόλις Ποσειδα/νία (sic!)
StV II 142, Z. 10 f.
458/ 57 (Athen)
Athen – die Delphische Amphiktyonie
[νὲ τ]ὸν Ἀπόλλο [κα/ὶ τὲν Λετὸ καὶ τὲν] Ἄρτεμιν
StV II 134, Z. 16
453/ 52? (Athen)
Athen – Erythrai
ὀμνύναι [δὲ Δ]ία κα[ὶ] Ἀπόλλο καὶ Δέμε[τρα]
StV II 145, Z. 51 f.
447/ 46 o. 427/ 26 (Athen)
Athen – Kolophon
[νὲ τὸν/ Δ]ία καὶ τὸν Ἀπό[λλο καὶ τὲν Δέμετρα]
Matthaiou – Mastrokostas (2000– 2003), Z. 7
430–420 (Naupaktos)
Messenier – Naupaktier
ἐναγὲς ἔστο τᾶς Ἀ[θάνας τᾶς Πολιάδος]
StV II 297, Z. 58–61
378–370 oder 360–350 (Orchomenos)
Orchomenos – Euaimon
Euamnier: νεὶ τὸν Δία τὸν Ἄρ[η]/α̣, νεὶ τὰν Ἀθάναν τ/ὰν Ἄρειαν, νεὶ τὸν [Ἰ]/νυάλιον τὸν Ἄρηα̣ οὐ τὸν / [Δ]ία τὸν Ἄρηα, οὐ τὰ̣ /ν Ἀθάναν τὰν Ἄρε̣[ι]/α̣ν, οὐ τὸν Ἰνυάλιο/ν τὸν Ἄρηα Orchomenier: νεὶ τὸν Δία τὸν Ἄ ̣ /[ρ]ηα, νεὶ τὰν Ἀθάναν̣ / τ̣ὰν Ἄρηαν, νεὶ τὸν Ἰν̣ /[υ]άλιον τὸν Ἄρηα οὐ τὸν Δία τὸν Ἄ ̣ [ρ]/η̣α, οὐ τὰν Ἀθάναν / [τ]ὰν Ἄρηαν, οὐ τὸν Ἰν/υ̣ άλιον τὸν Ἄρηα
377/ 76–353/ 52 (Fundort unbekannt)
Maussollos – Phaselis
Maussollos (+ Artemisia?): [ὀμόσ]αντες Δία καὶ Ἅλιον καὶ Γᾶν καὶ / [βασιλέως Τύχαν] Phaseliten: ibid., aber ἐξαιρῶντες τὸ βασι[λέ/ως Τύχαν]
Athen – Eretria
ἐ[πομνύναι δὲ τὸν Ἀπόλλω/να καὶ τὴν Λητοῦν κ]αὶ τὴν Ἄ[ρτεμιν]
Z. 64–68 Z. 77–80 Z. 83–86 StV II 260, Z. 1 f. Z. 5 f.
Knoepfler (1995), 377–341 (Eretria) Z. 10 f.
318 StV II 263, Z. 23 f.
IX. Tabellen 375 (Athen)
Athen – Korkyra
Eid der Athener: νὴ τὸ/[ν] Δία καὶ τὸν Ἀπόλλω καὶ τὴν Δήμητρα Eid der Korkyraier: να[ὶ τ]ὸν Δία [κα]ὶ / [τὸν Ἀπόλλωνα καὶ τὰν Δά]ματ[ρα]
IvO [neu] 11b, Z. 4
365/ 64 (Olympia)
Pisa – Messenien – Sikyon
Δία, Ἀπόλλωνα Ἀθάναν Ε[…]
StV II 289, Z. 67 f.
362 (Athen)
Athen – Keos
Athener: νὴ τὸν] Δία, νὴ τὴν Ἀθηνάαν, νὴ τὸν Ποσειδῶ, νὴ / [τὴν Δήμητρα] Keer: ν/[ὴ τὸν Δία, νὴ τὴν Ἀθηνάαν, νὴ τὸν Ποσειδῶ, νὴ τὴν Δ]ήμητρα
StV II 308, Z. 5
357 (westlich von Olynth)
Philipp II. – Chalkidier
ναὶ μὰ Δία, Γῆν, Ἥλιομ, Ποσειδῶνα
StV II 309, Z. 38 f.
356 (Athen)
Athen – Könige der Thraker, Paioner und Illyrer
[ὀμνύω Δία καὶ Γῆν] καὶ Ἥλιον καὶ Ποσει[δ]ῶ καὶ Ἀθηνᾶν καὶ / [Ἄρην]
IG II/III³ 1, 2, 488
Mitte 4. Jh. (Athen)
?
ὀμνύναι δὲ Δία, Γ[ῆν, Ἥλιον]
StV III 403 I, Z. 2 f. (IG II/III³ 1, 2, 318)
338/ 37 (Athen)
Philipp II. – die griechischen Poleis
[ὀμνύω Δία, Γῆν, Ἥλιον, Ποσε]ιδῶ, Ἀ[θηνᾶ/ν, Ἄρη, θεοὺς πάντας καὶ πάσα]ς
Wörrle (2003a), Z. 38–40
323–313 (Herakleia am Latmos)
Herakleia am Latmos – Pidasa
Latmier: ὀμνύω Δία Γῆν Ἥλι/ον Ποσειδῶ Ἀθηνᾶν Ἀρείαν καὶ τὴν Ταυροπόλον / [καὶ τοὺς ἄλλους θεού]ς
StV III 429, Z. 22–24
Nach 310 (Theangela)
Eupolemos – Theangela
Eupolemos: ὀμνύω Δία, Γῆν, Ἥλιον, Ἄρη, Ἀθηνᾶν / Ἀρείαν καὶ τὴν Ταυροπόλον καὶ τοὺς ἄλλους θεοὺς πάντας καὶ / πάσας
I.Iasos I 2, Z. 35 f.
309–306 (Iasos)
Ptolemaios I. – Iasos
Die Söldnerführer Machaon, Hieron, Sopolis und ihre Soldaten sowie die Iaseer: ὀμνύω Δία Γῆν Ἥλιον Ποσειδῶ Ἀπόλλω Δήμητρα / [Ἄ]ρη Ἀθηνᾶν Ἀρείαν θεοὺς πάντας καὶ πάσας καὶ τὴν Ταυροπόλον Ptolemaios: ὀμνύω Δία Γῆν Ἥλιον Ποσειδῶ Ἀπόλλωνα Δήμητρα Ἄρη / Ἀθηνᾶν Ἀρείαν θεοὺς πάντας καὶ πάσας καὶ τὴν Ταυροπόλον Iaseer: ὀμνύω Δία Γῆν Ἥλιον Ποσειδῶνα Ἀπόλλωνα Δήμητρα Ἄρη Ἀθηνᾶν Ἀρείαν / θεοὺς πάντας καὶ πάσας καὶ τὴν Ταυροπόλον Ptolemaios: ὀμ[νύω Δία Γῆν Ἥλ]ιον Ποσειδῶ Ἀπόλλωνα Δήμητρα Ἄρη Ἀ[θηνᾶν Ἀρείαν] / θεοὺς πάν[τας καὶ πάσας καὶ τ]ὴν Ταυροπόλον
303/ 02 (Athen)
Athen – Sikyon
[ὀ/μνύω Δία, Γῆν], Ἥλιον, Ἀθηνᾶν [Ἀρείαν, Ποσειδῶ, Ἄρη καὶ θεοὺς πάντα/ς καὶ πάσας?]
Z. 35 f.
Z. 79 f.
Z. 43 f. Z. 48 f. Z. 53 f.
StV III 445, Z. 5–7
IX. Tabellen
319
StV III 446 V, Z. 139 f.
302 (Epidauros)
Hellenenbund unter Antigonos Monophthalmos und Demetrios Poliorketes
[ὀμνύω] / Δία Γῆν Ἥλιον Π[οσειδῶ Ἀθηνᾶν Ἄρη καὶ θεοὺς πάντας καὶ πάσας]
Funke – Hallof (2013), II, Z. 9 f.
Ende 4. Jh. (Fundort unbekannt; heute im Museum von Thyrreion)
Amphilocher, Akarnanen, Ambrakioten
[ὀμνύειν δὲ καὶ Δία καὶ Ἅλιον καὶ] Γᾶγ καὶ Ποσειδᾶνα καὶ / [Ἀπόλλω καὶ ?]
Robert – Robert (1976), Z. 44 f.
3. Jh. (Teos)
Teos – Kyrbissos
Teier: ναὶ μὰ Δία κ[αὶ Ἥλιογ καὶ Ποσειδῶ κ]αὶ Ἀπόλλω καὶ Ἀθηνᾶ[ν / καὶ θεο]ὺς πάντας καὶ πάσας Kyrbissiten: [ναὶ μὰ Δί]α καὶ Ἥλιογ καὶ Ποσειδῶ καὶ [Ἀ/πόλλω κ]αὶ Ἀθηνᾶν / καὶ θεοὺς π[ά]ντας καὶ π[άσ]ας ‚Ermächtigungseid‘ zur Ernennung des Phrurarchen für Kyrbissos: ναὶ μὰ τὸν Ἀπόλλ[ω …]
SEG LVIII 369, Z. 8 f.
ca. 300–250 (Messene)
Messene – Aptera, Eleutherna, Sibrytos, Anopolis
[…] Ποσειδᾶ, τὸν ̓Ενυάλιον, τ[… ca. 20. … θεοὺς ὁρκίους] / πάντας καὶ πάσας
SEG XLI 322, Z. 17 f.
295 oder um 285 (Messene)
Lysimachos – Messene
Messenier: [ὀμν]ύω Δία, Γῆν Ἥλιον, Ἀθηνᾶν, θεοὺ[ς / ὁρκίους πάντας καὶ πάσας]
StV III 463, Z. 7 f.
292? (Delphi)
Aitoler/ Phoker – Boioter
ὀμνύω Δία, Γῆν, Ἥλιον, Πο/[σειδ]ῶ, Ἄρη, Ἀθηνᾶν Ἀρείαν, θ[εο]ὺς πάντας καὶ πάσας
Lefèvre (1998b), Z. 36 Z.40 f.
289 (Delphi)
Demetrios Poliorketes – Aitoler
Demetrios: [ὀμνύω Δία, Γῆν, Ἥλιον, Ἄρη(?), Ἀθηνᾶν Ἀρείαν (?), θεο]ὺς πάντας καὶ πάσας Aitoler: ὀμνύω Δία, Γῆν, Ἥ[λι/ον, Ἄρη(?) , Ἀθηνᾶν Ἀρείαν (?), θεο]ὺς πάντας καὶ πάσας]
StV III 468, Z. 15–19
280–250 (Lisos)
Magas von Kyrene Oreioi: ὀμνύω τὰν Δίκτυνναν καὶ τὸ[ς] / – Oreioi ὁμοτεμενέας τᾶς Δικτύννα[ς] / καὶ τὸς ἐμ Ποι κιλασίωι θεὸς κα[ὶ] / τὸν Δία τὸν Κρηταγενῆ καὶ θε[ὸ]/ς πάντας καὶ πάσας
StV III 476, Z. 87 f.
267–265 (Athen)
Athen – Sparta
Z. 52 f. Z. 14
[ὀμ]νύω Δία, Γ[ῆ]ν, Ἥλιον, Ἄρη, Ἀθηνᾶν Ἀρε/[ίαν, Ποσειδῶ, Δήμητρα]
320
IX. Tabellen
StV III 481, Z. 23–25
263–241 (Pergamon)
Eumenes I. – Söldner
Söldner: ὀμνύω Δία, Γῆν, / Ἥλιον, Ποσειδῶ, Δήμητρα, Ἄρη, Ἀθηνᾶν Ἀρείαν καὶ τὴν Ταυροπόλον / καὶ τοὺς ἄλλους θεοὺς πάντας καὶ πάσας Eumenes: ὀμνύω Δ[ία, Γῆ]ν, / Ἥλιον, Ποσειδῶ, Ἀπόλλω (sic!), Δήμητρα, Ἄρη, Ἀθηνᾶν Ἀρείαν καὶ τὴν [Ταυροπό]/λον καὶ τοὺς ἄλλους θεοὺς πάντας καὶ πάσας
StV III 492, Z. 60 f.
Nach 243 (Smyrna?)
Smyrna – Magnesia am Sipylos
Magnesier: ὀμνύω Δία, Γῆν, Ἥλιον, Ἄρη, Ἀθηνᾶν Ἀρείαν καὶ τὴν Ταυροπόλον καὶ τὴ[μ] / Μητέρα τὴν Σιπυληνὴν καὶ Ἀπόλλω τὸν ἐμ Πάνδοις καὶ τοὺς ἄλλους θεοὺς πάντας καὶ πάσας καὶ τὴν τοῦ βασιλέως Σελεύκου τύχην Smyrnaier: ὀμνύω Δία, Γῆν, Ἥλιον, Ἄρη, Ἀθηνᾶν Ἀρείαν καὶ τὴν Ταυροπόλον καὶ τὴμ Μη[τέρ]α τὴν Σιπυληνὴν καὶ Ἀφροδίτην Στρατονικίδα καὶ τοὺς ἄλλους θεοὺς / πάντας καὶ πάσας
StV III 495, Z. 23 f.
Kurz vor 240 (Phigaleia)
Messene – Phigaleia
[ὀμν]ύω Δία Ἰθωμάταν, Ἥρα[ν …5.. / ……14……]ον καὶ θεὼς ὁρκίως πάντας
StV III 499, Z. 8
Um 234 oder 199–190 (Orchomenos)
Achaier – Orchomenos
ὀ[μ]νύω Δία Ἀμάριον, Ἀθάναν Ἀμαρίαν, Ἀφρ[οδ]ίτα[ν καὶ τοὺ]ς θ[εοὺς πάντας]
Pol. VII 9
215
Hannibal – Philipp V.
ἐναντίον Διὸς καὶ Ἥρας καὶ Ἀπόλλωνος, ἐναντίον δαίμονος Καρχηδονίων καὶ Ἡρακλέους καὶ Ἰολάου, ἐναντίον Ἄρεως, Τρίτωνος, Ποσειδῶνος, ἐναντίον θεῶν τῶν συστρατευομένων καὶ Ἡλίου καὶ Σελήνης καὶ Γῆς, ἐναντίον ποταμῶν καὶ λιμένων καὶ ὑδάτων, ἐναντίον πάντων θεῶν ὅσοι κατέχουσι Καρχηδόνα, ἐναντίον θεῶν πάντων ὅσοι Μακεδονίαν καὶ τὴν ἄλλην Ἑλλάδα κατέχουσιν, ἐναντίον θεῶν πάντων τῶν κατὰ στρατείαν, ὅσοι τινὲς ἐφεστήκασιν ἐπὶ τοῦδε τοῦ ὅρκου
StV III 545, Z. 29 f.
205–200 (Kos)
Kos – Kalymna
ναὶ τὸν / Δία καὶ τὰν Ἥραν καὶ τὸν Ποτειδᾶ
StV III 549b, Z. 16 f.
202–197 (Dion)
Philipp V. – Lysimacheia
Lysimacheer: ὀμνύω Δί[α, Γῆν, Ἥλιον, Ποσειδῶ, Δήμητρα, Ἀπόλλω1, Ἄρη, Ἀθηνᾶν Ἀρείαν καὶ τὴν / Ταυροπόλον] καὶ τοὺς θεοὺς τοὺς ἐν Σαμοθράι[κηι καὶ τοὺς ἄλλους θεοὺς πάντας καὶ πάσας καὶ τὴν τοῦ βασιλέως Φιλίππου Τύχην?] Philipp: ὀμνύω Δ[ία, Γῆν, Ἥλιον κτλ.]
Attalos I. - Malla
Attalos: ὀμνύω Δί[α], / Γῆν, Ἥλιον, Ποσειδῶ, Δήμητρα, Ἄρη, Ἀθην/ᾶν Ἀρείαν καὶ τὴν Ταυροπόλον καὶ τοὺ ἄ/λλους θεοὺς πάντας καὶ πάσας
Z. 70 f.
Z. 23 Ducrey (1970), Nr. Um 200 (Malla) 2, B, Z. 9-12
1
Ich folge hier den Ergänzungen von Piejko (1988), 154f.
IX. Tabellen
321
Ducrey (1970), Nr. Um 200 (moderner 1, Z. 2-4 Fundort: Aghios Nikolaos)
Attalos I. – Lato
Latier: [ὀμν]ύομεν vac. Δία, [Γῆν, Ἥλιον, Ποσειδῶ, Δήμητρα, Ἄρη, / Ἀθ]ηνᾶν Ἀρείαν κα[ὶ τὴν Ταυροπόλον καὶ τοὺς ἄ]λλους θεοὺς π[άντας καὶ πάσας]
SEG XXXVIII 1252, Z. 23–26
196 (Ilion)
Antiochos III. – Lysimacheia
Eid der Lysimacheer: ὀ[μν]ύ̣[ω Δ]ία, Γῆν, Ἥλιον, Ποσειδῶ, / [Δήμη]τρα, Ἀπόλλω, Ἄρη, Ἀθηνᾶν / [Ἀρ]ε̣ ί[α]ν̣ καὶ τὴν Ταυροπόλον καὶ τοὺς / ἄ[λλους] θ[ε]οὺς πάντας καὶ πάσας
SEG LI 928, Z. 3–5
Ca. 196 (Perinthos)
Antiochos III. – Perinthos
Perinther (?): [ὀμνύω Δία – – – / – – – Ποσ]ειδῶ, Ἄρ[εα, Ἀθην]ᾶν [Ἀρείαν(?) καὶ θεοὺς / πάντας κα]ὶ πάσας καὶ τὴν Τα[υροπόλον]2
IG IX 1, 98, Z. 15 f.
Nach 196 (Elateia)
Boioter – Phoker
[ὀμνύω τὸ]ν Δία τὸμ Βασιλέα καὶ τὴν Ἥραν τὴμ Βασίλειαν καὶ τὸμ Ποσει/[δῶνα καὶ τὴ]ν Ἀθηνᾶν καὶ τοὺς ἄλλους θεοὺς πάντας καὶ πάσας
Milet I 3, 148, 82 f.
196 oder nach 185/ 84 (Milet)
Milet – Magnesia am Mäander
Magneten: ὀμνύω τὴν Ἄρτεμιν [τὴν Λευκοφρυηνὴν καὶ τοὺς / ἄλλους θεοὺς πά]ντας καὶ πάσας Milesier: ὀμν[ύω τὸν Ἀπόλλωνα τὸν Διδυμέα καὶ] τοὺς ἄλλους θεοὺς πάντας καὶ πάσας
Milet I 3, 150, Z. 112–114
184–181 (Milet)
Milet – Herakleia am Latmos
νὴ τὸ[ν] / Ἀπόλλωνα τὸν Διδυμέ καὶ τὴν Ἑστίαν τὴν Βουλαίαν καὶ τὸν Δία καὶ τὴν Ἀθηνᾶν καὶ / τοὺς ἄλλους θεοὺς
Milet I 3, 149, Z. 59
180er Jahre (Milet)
Milet – Pidasa
Gesandte der Pidaseer: νὴ τὴν Ἑστίαν τὴμ Βουλαίαν καὶ τοὺς ἄλλους θεούς Die daheimgebliebenen Pidaseer: τὸν αὐτὸν ὅρκον προσομνύντας / καὶ τοὺς κατέχοντας αὐτῶν τὴν πόλιν θεούς
IOSPE I² 402, Z. 12 f.
179 oder 155 (Chersonesos)
Pharnakes I. – Chersonesos
Pharnakes: ὀμνύω Δία, Γῆν, Ἥλιον, θεοὺς Ὀλυμπίους πάντας / καὶ πάσας
Reynolds (1982), Nr. 1, Z. 1 f.
2. Jh. viell. 167? (Aphrodisias)
Plerasa, Aphrodisias, Kibyra, Thabai
Διὶ Φιλίωι καὶ Ὁμονοίαι κα[ὶ] / Θεᾶι Ῥώμηι
SEG IX 7, Z. 24-26
155 (Kyrene)
Ptolemaios VIII. – (Rom)
Ptolemaios: μάρτυρας δὲ τούτων ποιοῦμαι Δία τε τὸν Καπετῶλιον // καὶ τοὺς Μεγάλους θεοὺς / καὶ τὸν Ἥλιον καὶ τὸν Ἄρχηγέτην Ἀπόλλωνα
85 f.
Z. 62 f.
2
Die Ergänzung Γῆν Ἥλιον stammt vom Verfasser dieser Arbeit.
365–359
Amnestie
Eber
Zweimal genannt
Datierung
Eidtyp
Explizite Nennung der Spezies der Opfertiere
Eidgottheiten
Dikaia
Zweimal genannt
-
Bürgereid
Anfang 3. Jh.
Chersonasos
Kretische Schwurgötterliste
(καθ’ ἱερῶν νεοκαύτων)
Bürgereid
frühes 3. Jh.
Itanos
Kriegerischer Charakter; Betonung der attischen Hegemonie; Opferbereitschaft für die patris; Eidgötter als ἵστορες
-
Ephebeneid
4. Jh. (Wiederaufzeichnung)
Athen
17 Eidgottheiten
-
Ephebeneid (agelaoi)
Um 220
Dreros
Je zweimal (= insgesamt viermal) angeführt; besonders militärischer Charakter
τὰ ὅρ/[κ]ια πάντα
Sympolitie (zwei Eide)
378–350
Orchomenos + Euaimon
Erste Erwähnung der Tauropolos in einem Vertragseid
Stier, Eber
Sympolitie
323–313/ 12
Herakleia a. Latmos + Pidasa
Schwurgottheitenheiten im Vertragseid: Zeus, Helios, Poseidon, Apollo, Athena; im ‚Ermächtigungseid‘: Apollo und weitere nicht erhaltene Gottheiten
Stier, Widder, [Eber]
Sympolitie
3. Jh.
Teos + Kyrbissos
Ende 3. Jh.
Kos + Kalymna
Schwurgottheiten weichen voneinander ab
(ἱεροῖς νεοκαύτοις)
Zeus, Hera, Poseidon
Stier, Eber, Widder, τέλεα
Sym politie Homopo(zwei litie Eide) (ein Eid)
245–243
Smyrna + Magnesia a. Sipylos
Hestia Boulaia; die nicht anwesenden Pidaseer zusätzlich bei ihren eigenen Schutzgottheiten
-
Sympolitie
180er Jahre
Milet + Pidasa
IX. Tabellen
Nur allgemein als θεὸς τὸς ὁρκίος
(κατὰ ἱερῶν νεοκαύτων)
Amnestie
306–301
Telos
Tabelle II: Häufige Klauseln in Bürger- und Sympolitieeiden
322
Zweimal angeführt – beim zweiten Mal gesteigert
AthenaHeiligtum, Agora
1. Reinigung 2. Unterpfand (παραθήκην παρὰ τοῦ ̓Απόλλωνος)
Vermögensver lust, Atimie, Vogelfreiheit (für Nichtschwö ren)
Exsekrations- und Segensformel
Publikationsformel
Zusätzliche religiöse Absicherung
‚Säkulare‘ Sanktionen
1000 Drachmen für Nichtschwören
-
-
Ja
-
-
- (Stein allerdings unten gebrochen)
Zweimal angeführt – beim zweiten Mal ausführlicher und mit Wiederholung der Eidgottheiten (ohne Stadtheroen)
-
-
-
Sehr ausführlich: Vieh in die Fluchformel mit einbezogen
-
-
-
-
-
-
-
Sehr ausführlich: s. Itanos
-
-
-
Viermal angeführt
-
-
Karisches Lokalkolorit
Nicht erhalten
Vogelfreiheit (für Alleinherrscher in spe)
1. Verfluchung; 2. Aufhebung der durch Mord verursachten Beflekkung
Ja: auf der Agora und in einem Heiligtum, dessen Name nicht erhalten ist
Ja; insgesamt dreimal
-
-
Smyrnaier zwei, Magneten drei Kopien
ἐξώλεια
-
-
-
Ja
30 Talente für Eidbrecher (in religiöse Formel eingebettet)
-
-
Ja
IX. Tabellen
323
Agora + Hauptheiligtümer
–
Alle Bürger
-
Drei Tage (für beide Gruppen)
Verfassungstreue
-
-
Ort der Eidesleistung spezifi ziert
homónoia als Leitbegriff
Besondere Betonung des πάντες
Mindestalter der Schwörenden
Frist für Abwesende und/ oder Kranke
Verfassungstreue/ Treue zu zukünftigen Gesetzen
Denunziationsformel
Vergrößerung des Polisterritoriums
-
Ja
-
60 Tage (für Ab - wesende)
18 Jahre
Alle Bürger
Dreimal
-
-
Ja
Verfassungstreue
-
-
-
Einmal (+ soteria + eleutheria)
-
-
Ja
Treue auch zu zukünftigen Gesetzen
-
-
Alle Itanier
-
-
-
-
-
(Verbot, eine stasis anzuzetteln)
-
Ja
Nur: Vorgehen gegen Umstürzler
-
Ja
Treue auch zu zukünftigen Gesetzen
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
Verfassungstreue
-
-
-
Einmal
Agora
-
Nur im Eid der Teier
-
-
-
-
-
Agora
-
Ja
Gesetzestreue (Magneten)
-
-
-
Einmal (Magneten)
-
Ja
Nur: Vorgehen gegen Umstürzler
Verfassungstreue
-
Im wehrfähigen Alter
Alle Bürger
-
Agora, vor dem Archeion
-
Ja
-
-
ἐν ἡλικίαι
-
-
-
324 IX. Tabellen
-
οὐ μνησικακήσω
Ungültigkeit alter Eide
-
„anti-deceitclause“
Racheverzicht
Auflösung be stehender Eide
Registrierung derjenigen, die den Eid bereits geleistet haben
-
-
οὐ μνασικακησέω
-
-
Auflösung einer bestehenden συνωμοσία
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
(Verbot, eine Verschwörung zu organisieren)
-
Ja
-
-
-
ἀψευδήων
-
-
-
-
Aufstellung eines Leukoma im Bouleuterion
-
-
-
-
-
-
Ja
-
-
-
-
Namentliche Meldung
-
-
Ja
IX. Tabellen
325
326
IX. Tabellen
Tabelle III: Übersicht zu den im Eid Hannibals (Pol. VII 9) angerufenen Gottheiten Gruppe
linguistischer Marker
Konjunktion
1. Gottheit
2. Gottheit
3. Gottheit
4.Gottheit
I
ἐναντίον + Gen.
καί
Zeus1
Hera2
Apollon3
-
ἐναντίον + Gen.
καί
-
unverbunden
Herakles5
Iolaos6
ἐναντίον + Gen.
δαίμων Καρχηδονίων4
-
ἐναντίον + Gen.
καί
Helios11
Selene
Ge
ἐναντίον + Gen.
καί
θεοὶ οἱ συστρατευόμενοι10
Poseidon9
-
ἐναντίον + Gen.
-
Wasser (ὕδατα) -
-
VII
ἐναντίον + Gen.
-
-
-
VIII
ἐναντίον + Gen.
-
-
-
II III IV V VI
1 2 3 4
5
Ares7
Flüsse (ποταμοί)12
alle karthag. Götter: (πάντες θεοὶ ὅσοι κατέχουσι Καρχηδόνα)13
Triton8
Häfen (λιμένοι) -
alle griech.makedon. Götter (θεοὶ πάντες ὅσοι Μακεδονίαν καὶ τὴν ἄλλην Ἑλλάδα κατέχουσιν) θεοὶ πάντες οἱ κατὰ στρατείαν, ὅσοι τινὲς ἐφεστήκασιν ἐπὶ τοῦδε τοῦ ὅρκου14
-
Winckler (1893), 443 und wieder Février (1956), 14–20: Baal Samem; Gsell (1929), 282, 286 f., 293 und ausführlich Barré (1983), 40–57: Baal Hammon. Winckler (1893), 443: Astarte; Gsell (1929), 282, 286 f., 293 und Barré (1983), 58–61: Tanit. Winckler (1893), 443, Vassel (1913), 214 ff.: Eshmun; Dussaud (1947), 218 und Barré (1983), 61–64: Reshef; Février (1956), 14–20: Baal Hammon. Winckler (1893), 341 f., 443: Dido; De Sanctis (1916), 67, Anm. 166: Tanit; Cumont (1910), 435: Gad oder Tyche von Karthago; Février (1956), 20–22: Baal M-g-n-n (= Eshmun); Solá Solé (1956), 349: Bes (sic); Barré (1983), 64–73: Astarte. Vgl. auch den Schwur des kleinen Hannibal bei Sil. I 116–120, in dem als zweite Gottheit Dido angerufen wird. Weil (1982), 56, Anm. 3: „doit être Melqart“. (Fettdruck v. Verf.)
IX. Tabellen
327
Movers (1841), 536 und ders. (1856), 505: Iuba oder Hiarbas; Benedetto (1920), 122–124: Sardos, S. d. Makeris; Gsell (1929), 323, Anm. 4: Iol; Dussaud (1946–1948), 211, 228, vorsichtig zustimmend Walbank (1967), 48 f. und ausführlich Barré (1983), 74–78: Eshmun. 7 Dussaud (1947), 201–224: Baal Hadad; Barré (1983), 82 f.: Baal Hadad = Baal Samem; Février (1956), 19: Reshef; Walbank (1967), 50 ist von beiden Vorschlägen nicht überzeugt: „On present evidence the identity of Poseidon, Triton, and Ares remains uncertain.“ 8 Dussaud (1947), 201–224, zustimmend Weil (1982), 56, Anm. 3 und Barré (1983), 84–86: Kousor; Charles-Picard (1967), 26–35: Begleiter Yams; vgl. Anm. 7. 9 Movers (1841), 468 und wieder Barré (1983), 80–82: Baal Saphon; Dussaud (1947), 201– 224: Yam, vgl. Anm. 7. 10 Walbank (1967), 50: dii castrenses der „various nationalities represented in Hannibal’s camp“; zustimmend Barré (1983), 87 f. (Zitat 87): „the gods of the various allies or mercenary contingents“. Die Unterscheidung von VIII ist schwierig. 11 Gsell (1929), 232, Anm. 1: Phönizier trennten scharf zwischen natürlichen Objekten und den Gottheiten, die diese kontrollierten. Walbank (1967), 50 meint, Helios, Selene und Ge hätten in dieser Form auch im phönizischen Original gestanden, da sie nicht mit den Namen der griechischen Gottheiten, die mit ihnen assoziiert würden, genannt seien. Das Argument erschließt sich mir nicht. Sollte Walbank darauf anspielen, dass Selene seit dem Hellenismus häufig Artemis entspricht, so gibt es für Helios und Ge keine vergleichbaren Phänomene. Beide Gottheiten sind zudem absolut typische griechische Eidgötter. Vgl. zu Helios, Selene und Ge als Trias Barré (1983), 88–90. 12 Walbank (1967), 51: „The worship of waters among Semitic peoples is widely attested.“ Vgl. zu diesen drei Gottheiten auch Barré (1983), 90–93. 13 Zu der karthagischen bzw. der makedonisch-griechischen „summary phrase“ vgl. Barré (1983), 93–95. 14 Die hier genannten Gottheiten unterscheiden sich offensichtlich von denjenigen, die zu Beginn von IV genannt sind. Barré (1983), 95–99 trennt in VIII ausdrücklich zwischen θεοὶ πάντες οἱ κατὰ στρατείαν einerseits (95 f.) und ὅσοι τινὲς ἐφεστήκασιν ἐπὶ τοῦδε τοῦ ὅρκου andererseits (96–99). Während er letzteres als ein „statement of divine attestation“ (96) ansieht, interpretiert er die θεοὶ πάντες οἱ κατὰ στρατείαν als „third summary phrase“, die als Teil einer allgemeinen Zusammenfassung der angerufenen Götter verstanden werden müsse, gemeint seien daher „all the gods who are thought to fight on the side of the Carthaginian forces.“ 6
X. BIBLIOGRAPHIE Antike Autoren und ihre Werke sind nach den jeweils einschlägigen Ausgaben der Teubner-Reihe und der Oxford Classical Texts zitiert. Auf die verwendeten Ausgaben wird in der Arbeit nur dann verwiesen, wenn textkritische Fragen für die Interpretation der jeweiligen Passage von Bedeutung sind.
X.1. QUELLENÜBERSETZUNGEN Die im Folgenden angegebenen Übersetzungen sind in der Arbeit verwendet. Deutsche Übersetzungen antiker Quellen, die sich der folgenden Liste nicht zuordnen lassen, sind meine eigenen. Aischines, Reden, II–III, gr.-dt., übers. u. erklärt v. G. E. Benseler, Leipzig 1859–1860. Aischylos, Tragödien und Fragmente, dt., auf der Grundlage der Übers. v . J. G. Droysen bearbeitet, eingeleitet u. teilweise neu übers. v. F. Stoeßl, Zürich – München 1952. Anthologia Graeca, III, Buch IX–XI, gr.-dt., hrsg. u. übers. v. H. Beckby, München 1958. Apollodoros, Götter und Helden der Griechen, gr.-dt., eingeleitet, hrsg. u. übers. v. K. Brodersen, Darmstadt 2004. Aristophanes, Komödien, dt., Neubearbeitung der Übers. v. L. Seeger (Frankfurt a. M. 1845–48) u. Anmerkungen v. H.-J. Newiger u. P. Rau, Zürich – München 1968. Aristoteles, Staat der Athener, dt., übers. u. erläutert v. M. Chambers, Darmstadt 1990. Arrian, Alexanders des Großen Zug durch Asien, dt., eingeleitet u. übers. v. W. Capelle, Zürich 1952. Demosthenes, Politische Reden, gr.-dt., übers. u. hrsg. v. W. Unte, Stuttgart ²2002. Diodoros, Griechische Weltgeschichte, Buch XI–XX, dt., übers. v. O. Veh, Stuttgart 1998–2009. Euripides, Sämtliche Tragödien und Fragmente, I–VI, gr.-dt., übers. v. E. Buschor, hrsg. v. G.A. Seeck, München 1972. Herodot, Historien, dt., übers. v. A. Horneffer, neu hrsg. u. erläutert v. H. W. Haussig, Stuttgart 1971. Herodot, Geschichten und Geschichte, I–II, dt., übers. v. W. Marg, Zürich – München 1983. Hesiod, Sämtliche Werke, dt., übers. v. T. von Scheffer, Bremen ²1965. Historische griechische Inschriften in Übersetzung, I–III, dt., übers. v. K. Brodersen, W. Günther u. H. H. Schmitt, Darmstadt 1992–1999. Homer, Ilias, I–II, gr.-dt., übers. v. H. Rupé, Nördlingen 1948. Homer, Die Odyssee, dt., übers. v. W. Schadewaldt, Hamburg 1958. Homer, Odyssee, gr.-dt., übers. v. A. Weiher, München – Zürich 91990. Homerische Hymnen, gr.-dt., hrsg. v. A. Weiher, München 1951. Lykurg, Rede gegen Leokrates, gr.-dt., hrsg., eingeleitet u. übers. v. J. Engels, Darmstadt 2008. Lysias, Reden, I–II, gr.-dt., eingel., übers. u. kommentiert v. I. Huber, Darmstadt 2004. Pausanias, Reisen in Griechenland, I–III, dt., aufgrund der kommentierten Übers. v. E. Meyer hrsg. v. F. Eckstein, abgeschlossen v. P. C. Bol, ³Zürich – München 1986–1989. Platon, Der Staat, dt., übers. u. hrsg. v. K. Vretska, Stuttgart ²1982. Platon, Gesetze, dt., übers. u. erläutert v. O. Appelt, Leipzig 1919. Plutarch, Große Griechen und Römer, I–VI, dt., eingel. u. übers. v. K. Ziegler, Zürich – Stuttgart 1954–1965. Plutarch, Römische Fragen. Ein virtueller Spaziergang im Herzen des alten Rom, gr.-dt., hrsg., übers., kommentiert u. interpretiert v. J. Scheid, Darmstadt 2012. Polybios, Geschichte, I–II, dt., eingeleitet u. übertragen v. H. Drexler, Zürich – Stuttgart 1961.
X.2. Sekundärliteratur
329
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330
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XI. INDICES XI.1. INDEX LOCORUM 1. Literarische Quellen: Ail. nat. XII 37 Ail. var. VI 7 Ain. Takt. 17,1–6 178 Aischin. Ctes. 1 106 109–111 130 132 207 212 Aischin. leg. 81 87 115 f. 153 Aischin. Tim. 81 88 108 114 f. Aischyl. Ag. 1189 1431–1437 Aischyl. Choeph. 576 Aischyl. Eum. 186 244–253 307–320 360 417 427 772–777 Aischyl. Pers. 956–962 Aischyl. Prom. 515 Aischyl. Sept. 42–48 266 Alex. Polyh. FGrHist 273 F 58 Alk. F 77 (Voigt) Amips. Sphendone, fr. 18 K-A Anakr. 100 And. or. 1, 31
266 215 178 219 219 69–72, 75, 250, 252, 317 154 164 250 278 213 63 69–71, 75 f., 250, 252 250 250 250, 278 250 249 51 50 51 51 51 51 50 49 50 55 313 50 61 285 54 90, 92 124 62 250
90 96–98 130 f. Anecd. Stud. I 265 f., 281 Anth. Graec. IX 385 Antiph. or. 4, 2,2 Antiph. or. 5, 11 88 Ant. Lib. 35 Apoll. Rhod. II 220 IV 95 Apollod. I 84 II 1,3 II 69 III 14,1 App. Mac. 1,2 f. App. Syr. 60 66 Archil. F 3 West Aristoph. Ach. 860 867 Aristoph. Av. 1391 Aristoph. Equ. 481 941 Aristoph. Lys. 185 f. 271 Aristoph. Nub. 397–402 Aristoph. Plut. 337 Aristoph. Thesm. 26 f. 86 225 254 270 748 Aristoph. Vesp. 629 758 Aristot. Ath. pol. 7,1 20,1 f. 23,2 f. 23,5 43,6 55,5 Aristot. eth. Nic. 1167a-b Aristot. pol. 1252
169, 174 169, 174 220 46 44 217 250 63 266, 272 f. 51 46 266 38 217 104 275 197 25 73 278 278 278 278 104 63 251 48, 49 278 251, 278 251 251 251 251 251 251 278 180 218 88 63, 88 f., 92 220 63 179
368 b 1–1253 a 1324 b 41–1325 a 5 Aristot. rhet. 1375a-b 1377a-b Arr. an. IV 27,3 VII 28,3 Cic. div. II 57,118 Cic. off. I 38 Cic. Phil. 8,23 Curt. V 4,4 Deinarch. or. 1, 47 Deinarch. or. 2, 3 14 Demosth. ep. 1, 1 Demosth. or. 1, 15 19 23 Demosth. or. 2, 1 5 10 Demosth. or. 3, 32 Demosth. or. 4, 10 f. 49 Demosth. or. 5, 25 Demosth. or. 6, 13 f. 20 f. 37 Demosth. or. 7, 10 Demosth. or. 8, 7 9 16–19 28 34 49 50 Demosth. or. 9, 11 15 34 43 65 68 76 Demosth. or. 10, 7 17 20 25 f. 50 61 73 Demosth. or. 11, 2 Demosth. or. 13, 16 Demosth. or. 14, 12 38 f.
XI. Indices 67 67 252 252 210 210 154 282 25 280 50 278 51 219 250 250 250 253 250 250 250 f. 250 250 250, 253 250 154 250 250 250 250 250 250 250 250 250 154 250 250 250 250 250 250, 253 250 250 250 250 250 154 250 285 250 250 250
Demosth. or. 15, 13 26 Demosth. or. 16, 9 Demosth. or. 17, 4 Demosth. or. 18, 117 176 201 217 294 f. Demosth. or. 19, 46 Demosth. or. 21, 198 Demosth. or. 23, 67 f. Demosth. or. 24, 151 Demosth. or. 25, 51 Demosth. or. 40, 10 Demosth. or. 52, 9 Diod. IX 10,3 X 9,1 XI 3,3 XI 29,2 f. XI 44,6 XI 45,5–9 XI 47,1 XI 60,4 XI 63,3 XII 83,3 XIII 104 f. XIV 17,4 XIV 34,2 XIV 34,3–6 XVI 8,3 f. XVI 89,1 XVII 68,5 XVII 84,1–5 XVIII 4,5 XVIII 53,5 ΧΙΧ 68,5–7 XIX 75,2 XIX 77,6 XX 53,3 XXXI 2,1–2 Diog. Laert. VΙΙΙ 33 Dion. Hal. ant. I 8 V1 VII 50 VII 70,3 Dionysios von Chalkis FHG IV 394 F 3 Ephor. FGrHist 70 F 119 Eur. Cycl. 263 Eur. Helen. 1235 Eur. Heracl. 347–352 Eur. Hipp. 612
250 250 250 250 250 154 164 250 201, 278 250 250 15, 50, 52, 63 104 278 250 250 90 235 84 79, 83 88 217 88 280 215 239 178 94 72 169 154 164 280 210, 245 136 212 131 178 131 142 25 46 11 63 63 219 54 82 278 30 285 187
369
XI.1. Index locorum 1025 Eur. Iph. T. 285–294 945 1450–1468 Eur. Med. 168–170 208 1059 Eur. Or. 255–261 315–327 Eur. Phoen. 175 638–648 Eur. Rhes. 932 Eust. ad Dionys. 609 Eust. Schol. Od. XIX 396 Eutr. III 12,2 f. Gell. X 18,6 f. Hdt. I 1–3 I 46 I 69,2 I 70 I 74 I 149 I 153 I 165 I 183 III 8 IV 68–70 IV 131 f. IV 172 V7 V 49 V 70–72 V 92 f. V 106 VI 66 VI 73 VI 74 VI 76–82 VI 86 VI 87,1 VII 132,2 VII 133–137 VII 145,1 f. VII 148,1 VIII 3 VIII 64 VIII 72 VIII 136 VIII 140α,4 VIII 143,2–144,2 IX 7,α1
46 51 54 137, 210 46 46 50 51 51 62 267 62 210 42 275 270 41 113 289 281 281 144 147, 282 63, 90, 92 108 281 35, 281 289 281 281 256, 260 215, 218 256, 260 269 232 231 97, 241 235 52–54, 71, 227, 231–236, 249, 287 233 78, 84 220, 222, 255 78 77 f. 88 285 97 255 289 256, 285 289
IX 85 Herakl. DK 22 B 94 Hes. erg. 709–711 803 f. Hes. theog. 220 Hes. F 124 Merkelbach – West Hesych. s. v. Ἀράντισιν (Α 6963) s. v. Ἀφροδίσιος ὅρκος (Α 8772) s. v. Γελχάνος (Γ 316) s. v. Ἐφόρκιος (Ε 7542) s. v. Πραξιδίκη (Π 3204) s. v. συναλλακτής (Σ 2414) Hom. h. II 478 f. Hom. h. IV 274–281 IV 368–390 Hom. Il. I 152–159 I 233–246 II 303–307 II 337–341 II 649 II 803 f. II 867 III 73 III 39–120 III 245–323 IV 64–103 IV 158 IV 160–168 IV 235–237 IV 270 f. IV 436–438 VII 76 VII 274 VII 348–353 VII 411 IX 174–178 X 328–332 X 382–464 X 521 XIII 442 XV 37–39 XV 57 f. XV 204 XIX 91–133 XIX 258–266 XIX 268 XX 471 f. XXII 119
84 50 216 39, 46, 53 50 38 50 38 304 46 54 172 251 43 42 f. 41 33, 126 28 27 121 283 283 29 30–32, 40, 56 30, 32–38, 41, 91, 186, 245 f., 279 39, 41, 246 34 37 37, 41, 246 41, 227, 246 283 37 36 33, 227 37 35 33, 39 44 34 34 36, 279 29 50 37, 53 36–38, 48 36 34 29
370 XXIII 43 XXIII 439–441 XXIII 581–585 XXIII 587–590 Hom. Od. V 185 f. VIII 74 XII 298–307 XIV 57 f. XIV 158 XIV 389 XVII 155 XVII 541 f. XIX 174 XIX 303 XIX 395–397 XX 230 XX 339 XXIV 542 f. Hor. epod. 16,25 Hyg. fab. 164 Hyp. Gegen Diondas 17 21 Isokr. or. 1, 23 Iust. XVI 1,7 f. XXXIV 3,1–4 Kall. h. 2,65 f. Kall. F 1 Pfeiffer Kall. F 365 Asper Konon FGrHist 26 F 1 Liv. I 24,7–9 XXI 1,4 XXI 4,9 XXI 45,8 XXX 32,7 XXXII 5,4 XXXIII 33,9 XLV 12,3–8 LXIV 44,4 Lukian. Tim. 1 Lykophr. Alex. 329 Lykurg. 76–82 125–127 140 Lys. or. 12, 9 f. 47 Lys. or. 30,18–21 Nep. Hann. 2,3 Nep. Paus. 5,1 Onos. IV 1 f. Ov. met. VI 70–82 VI 337 f. Panyas. EpGF F 18
XI. Indices 37 33 29 40 29 53 40 36 37 36 37 286 121 37 42 37 37 37 63, 90 104 87 201 294 212 25 267 104 90 57 90 279 282 279 282 85, 163 275 25 136 46 265 12 f., 79, 170, 249, 252, 260, 313 250, 252 250 175 175 220 279 215 237 104 273 54
Paul. Fest. 93,25 Paus. I 21,7 I 24,5 I 27,1 I 28,5 I 29,8 III 5,4 III 17,7 III 20,3 III 20,9 III 22,2 IV 15,8 IV 24,5 f. V 24,9–11 VI 8,2 VII 18,12 VII 24,2 f. VII 25,3 VII 29,2 VIII 13,2 IX 33,3 X 5,2 X 6,2 X 8,1 X 14,7 Philoch. FGrHist 328 F 105 Philostr. Ap. I 6 Plat. Hipp. mai. 285d Plat. leg. 948d-e Plat. Men. 237c Plat. polit. 307e Plat. rep. 565d-e Plaut. Asin. 198 Plin. nat. IV 17 Plin. nat. XXXIV 24 Plut. adv. Col. 1125d-e Plut. Alexander 37,1 59 Plut. Alkibiades 15,4–8 Plut. Aristides 23,6 25,1 Plut. Cimon 6,3 f. Plut. Demetrios 33 Plut. Demosthenes 20,1 Plut. Eumenes 12 17,4 Plut. Kleomenes 22,3 f. Plut. Lysander 8,1–4 19,3 Plut. mor. 202 f.–203a 209b 223a-b
266 144 104 104 47 55 228 217 96 63 54 63 215 36, 47 f., 63, 99 267 265 207 f. 215 208 208 54 207 266 68 266 313 46 41 f. 16, 260, 294 104 11 267 282 305 25 16, 170, 267, 280 210 312 f. 88 63, 89, 92 88 155 154 212 237 213 178 178 25 235 235
371
XI.1. Index locorum 229b 240a 369e Plut. Perikles 21,3 Plut. Pyrrhos 5 6,5–9 Plut. q. Rom. 44 Plut. Solon 12 25,2 Plut. Sulla 10,6 f. 13 Plut. Themistokles 6,2 Pol. III 11,5 25,6–9 IV 4,3 f. IV 31,2 V 34,2–5 V 50,1 V 63,3 f. V 66,5 V 67,9 V 70,10 f. VI 56,9 VII 9,1–17 IX 28–31 IX 33,7 XII 6,3–5 XIII 3,4 XV 24,1–3 XVIII 14 XXIX 27,1–8 Poll. VIII 86 VIII 105 f. VIII 122 Polyain. I 45,1 IV 3,20 Porph. FGrHist 260 F 50 Ps.-Plut. Libellus de fluviis 25,1 (mor. 1166a) Ps.-Xen. Ath. Pol. II 17 Q. Smyrn. XIII 378–382 Rhet. Alex. 17,1 Sall. Iug. 108,3 Schol. Aischin. leg. 81 Schol. Aischin. Tim. 114 Schol. Apoll. Rhod. II 513 Schol. Aristoph. Ach. 510 Schol. Od. IX 396 Schol. Plat. Min. 315c Schol. Soph. Ant. 265
178, 235 164 265 f. 266 213 212 13 f. 215 106 90 258 280 227, 279 90 156 156 11 147 147 147 147 147 288 32, 61, 83, 212, 275–281, 289, 320, 326 f. 227 f., 233 f., 243, 290 164 82 73 227 201 25 106 312 104 f. 178 210 25 270 16 41, 52 14, 214, 249 282 213 104–106 266 215 42 266 63, 90
Schol. Soph. Trach. 1188 Schol. Thuk. 126,3 Sil. I 116–120 Soph. Ai. 117 Soph. Ant. 264 f. 368–371 663–671 Soph. Oid. K. 1767 Soph. Phil. 1324 Steph. Byz. s. v. Ἄλος s. v. Μεσσαπέαι Stob. III 28,21 IV 1,48 Strab. V 4,12 X 1,11 f. X 4,15 X 4,17 XII 3,31 XIII 3,5 XIV 1,19 XV 2,9 Suda s. v. Ἀφροδίσιον (Α 4652) s. v. βασιλεία (Β 147) s. v. Κυλώνειον ἄγος (Κ 2673) s. v. Ὅρκιος Ζεύς (Ο 593) s. v. συνθῆκαι (Σ 1587) s. v. συνθήκη (Σ 1588) Theokr. XIV 50–56 Theop. FGrHist 115 F 153 f. Thuk. I 18,2 f. I 22,1 I 40,4 I 67–87 I 95,2 I 98,4 I 100,2–101,1 I 103,3 I 107 f. I 123,2 I 126–139,1 I 144,4 II 34,5 II 37,3 II 67 II 71,4 II 72,2 II 73,3
46 215 279, 326 285 90 15, 170 313 46, 56 46 266 96 57 313 266 73 121 125 197 144 210 213 38 130 215 46 290 264 151 80 79 225, 249 239 225–228, 233, 237, 285 88 110 110 72 55 41, 227, 245 f., 259 41, 214 f., 217–219, 233 313 84 313 220, 226 227, 237, 285 77, 79, 240 239
372 II 74,2 III 11,2 III 12,1–3 III 14,1 III 52–68 III 82,7 III 83,2 III 86,3 IV 19,2 IV 74,2 f. IV 84,2–88,1 IV 97 IV 98,5 IV 118,1–3 V 18 V 23,4 V 29,2 f. V 30 V 38,3 V 42,1 V 47,7–10 V 49 f. V 50,5 V 54,3 V 56,3 V 77 V 80,2 V 84,3 VI 6,2 VI 18,1 VI 19,1 VI 80,3 VI 82,1 VI 88,2 VII 18,2 VIII 75,2 VIII 85,2 VIII 86,8 VIII 93,3 TrGF ad. 525 N.2 Tzetz. Lyk. 21 Val. Max. VI 4,3 Vell. I 10,1–2 Verg. Aen. II 49 Verg. Ecl. VI 72 Xen. Ag. 1,10 f. 1,13–16 Xen. an. I 4,8
XI. Indices 41, 79, 237 f., 242, 245 f., 285 65 41, 65, 245 f. 65 77, 79, 239, 242, 253–258 170 170 239 102 169–171 238, 243 f., 285 230 41, 245 f. 220 85, 113, 122, 220, 244 85, 122 244 97, 226 f., 239–241, 245 242 239 85, 108, 111, 181, 244 94 226 220 234 115 282 223 239 242 239 237, 285 239 227, 244 40 f., 234 f., 245 f. 179 280 226 179 38 266 25 25 282 144 285 237, 285 247 f.
I 7,9 I 9,7 II 1,21 II 2,8 f. II 3,28 II 4,7 II 5 II 6,1 II 6,22–26 III 1,21 f. III 1,28 f. III 2,1–32 IV 1,1 IV 8,7 V 7,23 V 7,32 V 8,6 V 8,21 VI 6,17 VI 6,34 VII 2,12–16 VII 3,3 VII 5,6 VII 6,11 VII 6,15–23 VII 6,41 Xen. Hell. I 3,9–12 II 3,53 II 4,30 II 4,42 f. III 1,8 III 1,24 III 2,18–22 III 2,31 III 4,6 III 4,9 III 4,11 f. IV 1,7 IV 1,10 IV 1,14 IV 2,19 IV 4,10 IV 7,1–7 V 1,4 V 1,29 V 1,32 V 3,27 V 4,32 VI 3,18 f. VI 4,2 f. VI 5,2 f.
247 283 235 60, 264–266, 287 287 286 14, 229, 231, 236, 249, 287 287 286 f. 57, 285 f. 286 57, 227, 229, 237, 284, 286 f., 291 286 f. 285 247 247 247 247 247 247 287 287 287 247 247, 287 287 f. 290 247 244 227 235 247 94, 291 94 285 247 226 f., 237, 285 247 247 247 241 247 220 f., 233 247 f. 220 111 220 247 111 228 f., 233, 244 98, 111
XI.1. Index locorum VI 5,10 VI 5,33 VI 5,35–37 VII 1,33–40 VII 4,10 VII 5,18 VII 1,39 f. Xen. Kyr. III 1,14–31 VII 5,53 VIII 8,2 f. Xen. Lak. Pol. 15,7 Xen. Mem. IV 4,16 Xen. oik. IV 24,2 f. Zon. IX 4,2 f. IX 25
244 f. 226 227, 244 f., 259 f. 111 41 51 111 21 269 282, 288 85, 213 179 269 275 25
2. Inschriften und Papyri: A. P.Derv. col. IV 7 AvP I 1, 95 f. Chaniotis, Nr. 1 Nr. 5 Nr. 6 Nr. 7 Nr. 8 Nr. 10 Nr. 11 Nr. 16 Nr. 26 Nr. 27 Nr. 28 Nr. 32 Nr. 50 Nr. 54 Nr. 59 Nr. 60 Nr. 61 Nr. 64 Nr. 69 Nr. 74 Curbera – Jordan (2008) Ducrey (1970), Nr. 1 Nr. 2, B
50 145 276 122 47, 123 f., 296, 302 f. 124 f., 183, 279, 304, 313, 315 f., 322–325 47, 61, 278, 304 125 f. 85, 122 125 f. 47, 123 f., 278, 304 47, 85, 123–126, 278, 303 f. 85, 122 47, 85, 124, 304 85 304 47, 85, 123 f., 303 f. 47, 124, 278, 303 f. 85, 124, 278, 303 f. 115, 122, 124, 304 f. 304 47, 123–126, 278, 304 109 159, 321 61, 146, 159, 269, 320
Funke – Hallof (2013), II Habicht (1957), Nr. 64 Herrmann (1979), Nr. 2 IC I XIII 5 IC III IV 8 IC IV 51 72 IG I2 931 f. IG I3 11 15a, d 1453 f. IG II2 30 114 1126 IG II/III3 1, 2, 488 IG III App. 109 IG IV2 94, Ib IG VII 2225 2793 IG IX 1, 98 IG IX 12, 3, 609 717 IG XII 3, 429 IG XII 4, 1, 132 IG XII 5, 721 IG XII 6, 1, 127 IG XII 9, 191 I.Iasos I 2 3 32 I.Iasos II 219 f. I.Kourion 127–129 131 134–140 142 I.Labraunda II 13 14 I.Lindos 26,3 IOSPE I2 401 402 411 I.Perg(amon) I 158 Iscr. Cos I, ED 195
373 125, 177, 269, 319 199 181 304 125, 180, 183 f., 198, 278, 313, 322–325 122 118 55 103, 108 104 107 51 51 f. 76 269, 318 54 305 263 210 128, 168, 207, 209, 278, 321 58, 72 f. 104 47 169, 179–182, 188, 322–325 210 259 107, 172 61, 138–140, 164, 186, 201, 269, 294, 318 140 f., 294 132, 136 140 50 50 50 50 271 271 47 160, 174, 179, 182–184, 313, 322–325 25, 115, 160–162, 269, 321 279 144 200
374 201 Iscr. Cos I, EV 199 Iscr. Cos III, EF 332 IvO 9 IvO [neu] 11b Knoepfler (1995) Lefèvre (1998b) Matthaiou (2001), Nr. 2 Metzger u. a. (1979) Milet I 2, 9 Milet I 3, 139 148 149 150 Minon (2007a), Nr. 2–9 Nr. 10 Nr. 13 Nr. 14 Nr. 18 f. ML 20 45 OGIS 218 762 P.Fuad Univ. Cat. 3–4 P.Jena 02 P.Oxy. I 12 PY Aa 752 779 PY Vn 20 Reynolds (1982), Nr. 1 Rhodes – Osborne, Nr. 88 Robert – Robert (1976) SEG IX 3 IX 7 IX 325–339 IX 343 XVI 524 XVI 744 XX 723 XXI 451 XXVI 460 XXVI 461 + XXVIII 408 XXIX 77 XXIX 795 XXX 325 XXXI 614 XXXV 59 XXXVI 750
XI. Indices 200 202 200 54 318 107, 317 61, 209, 269, 319 155 f., 181 89, 107, 272–274 268 312, 314 166–168, 321 190, 196, 202–204, 321–325 167, 199, 203, 321 94 94 94 95 94 58 107 201 25 211 172 164 96 96 96 25, 321 61, 79, 81–84, 183, 312–314, 322–325 172, 175, 181, 190–195, 305, 319, 322–325 58 f., 91 25, 299, 321 56 56 159 124 56 56 96 97, 241 278 280 132 136, 210 181 179
XXXVI 752 XXXVI 973 XXXVII 340 XXXVIII 1252 XLI 322 XLI 744 A XLIII 630 XLIII 707 XLIV 1541,1 XLVII 2144 L 752 LI 642 LI 928 LI 1054 B LIV 841 LVII 576
SGDI III 2, Nr. 4644 StV II 110 111 120 130 134 142 145 147 148 154 155 193 205 208 216 223 229 250 257 259 260 262 263 280 289 290 292 293 297
180 158 184 f. 61, 158, 269, 321 155–157, 269, 319 302 56 158 267 47 f. 178 72, 273, 314, 317 158, 321 200 119, 124, 126, 301–305 110, 149, 157, 169, 171–177, 180, 188, 191, 193, 198, 240, 305–311, 322–325 156 28, 75, 94, 96 f. 74 f., 95, 97 28, 75, 96, 98–100, 314, 317 86 104, 108, 317 76, 89, 107, 317 104, 317 120, 128 120, 128 109, 184 109, 180, 184 111 85 274 128 112 112, 181 112 112, 200 112 129, 152, 268 f., 317 112 104, 112–116, 142, 160, 318, Taf. 3 181, 194 116, 152, 318 51, 112, 220 268 112, 181 53, 61, 105, 142,
375
XI.2. Allgemeiner Index
308 309 322 324 StV III 403 I 403 II 407 428 429 445 446 453 463 468 472 476 481 486 492
185–187, 191, 208, 220, 294, 317, 322–325 116, 129, 153 f., 269, 318 61, 112, 116, 164, 269, 318 108, 181, 274 268 129, 164 f., 269, 318 155, 163, 269 268 129, 140, 165 f., 212 f. 61, 131–135, 137, 140, 150, 269, 318 61, 116, 166 f., 269, 318 163–165, 269, 319 269 61, 206 f., 209, 319 124, 159 f., 304, 319 181 61, 116, 166 f., 269, 278, 319 61, 142–151, 162, 196, 198, 269, 320 157 61, 144, 147, 166, 190, 195–198, 211, 269, 320
495 499 545 549b 551 552 Syll.3 145 306 344 390 647 953 TAM II 174 Tit. Cal. 33 Tod, Nr. 146 Wörrle (2003a)
156, 166, 168, 181, 278, 320 108, 128, 207–209, 320 180, 186, 199–202, 278, 313, 320, 322–325 61, 147, 197, 211, 269, 280, 320 181, 220, 279 124, 278, 304 14, 107 169 194 f. 142 185 181 54 202 52 136, 166, 172, 187–190, 193, 205, 269, 318, 322–325
3. Nichtgriechische Quellen: ANET2 353 f. Je. 51, 63 f. Ys 9,21 Yt. 10,2
90 90 266 288
XI.2. ALLGEMEINER INDEX 1. Personen: Achilleus Agamben, Giorgio Agamemnon Agesilaos Agesipolis Agis Alexander der Große
37, 39, 41, 265 23 14, 31–33, 37 f., 126 235, 268, 283, 285 220 f. 94 87, 130 f., 136 f., 142, 152 f., 155, 163, 165, 209 f., 222, 245, 267, 299
Alkibiades 234, 242, 290 f. Antigonos Gonatas 166 f. Antigonos Monophthalmos 140, 163–165, 167, 178, 194, 212 f., 268, 319 Antiochos II. 157 f. Antiochos III. 61, 157 f., 161, 321 Antiochos IV. 25 Antipater 227 Archidamos 227, 238 Ariaios 60, 229, 264–266, 284, 287, 291 Artaxerxes II. 269, 271, 282, 287
376 Artaxerxes III. Artemisia Asandros Attalos I. Brasidas Chairephanes Cheirisophos Chlaineas Cinna Demetrios von Phaleron Demetrios Poliorketes Derkylidas Erxadieis Eumenes I. Eupolemos Foucault, Michel Glaukos Hannibal
Isagoras Kassander Kleanor Klearchos Kleisthenes Kleomenes I. Kleomenes III. Klytaimnestra Kyros d. J. Lysimachos Lysander Magas von Kyrene Maussollos Menelaos Nestor Orest Paris/ Alexandros
XI. Indices 268 269, 317 132, 136, 166, 188 f., 213, 268 61, 146, 159, 320 f. 238, 243 f. 107 f., 172 284, 286 227 f., 233 90 113, 132 61, 142, 155, 163–165, 167, 178, 209, 213, 319 235, 268, 291 97, 241 61, 134, 142–152, 158, 162, 196, 198, 298, 320 61, 130–138, 140, 143 f., 150 f., 158, 212, 295, 318 22 52, 57, 70 f., 74, 231 f., 249, 259 32, 61, 83, 211 f., 227, 274–277, 279 f., 282, 289, 291, 320, 326 f. 218 131 f., 140, 165 229, 284 229, 235 f., 249, 286 f. 218 97, 218, 231, 235 f., 241 213 50 60, 247 f., 269, 282 f. 140, 155–158, 161, 165, 181, 259, 319 171, 178, 235, 269 124, 159 f., 304, 319 129, 152, 268–272, 291, 317 30, 32 f., 40 28 f. 55 f., 210 30, 33, 41, 283
Pausanias, S. d. Kleombrotos Perdikkas II. Perdikkas III. Perikles, S. d. Xanthippos Perikles von Limyra Perseus Pharnabazos Pharnakes I. Philipp II.
Philipp V.
Philipp Arrhidaios Pixodaros Polyperchon C. Popilius Laenas Prothoos Ptolemaios I.
Ptolemaios II. Ptolemaios III. Ptolemaios IV. Ptolemaios V. Ptolemaios VIII. Sandrokottos Seleukos I. Seleukos II. Serdaioi Seuthes Sokles Sthenelaidas Sulla Themistokles Tissaphernes Xenophon Xerxes Weber, Max
215, 217 f. 171, 282 171, 173, 182, 309 215, 218 f., 266 271 210 268, 290 f. 25, 115, 160–162, 321 116, 129 f., 152–155, 160, 162–166, 210, 212 f., 268, 285, 295, 318 32, 61, 83, 147, 211 f., 227, 274 f., 279 f., 289, 291, 320, 326 f. 130, 163 272 163 25 228 f., 233 61, 137–142, 144, 151, 164 f., 178, 186, 201, 212, 294 f., 314, 318 166 f., 314 195, 213 201 201 25, 299 f., 321 213 197, 213 127, 166, 195–197, 211, 269 28, 75, 96, 99 f., 314, 317 287 f. 236 226–228 90, 258 215, 218 229, 268, 282–285, 287, 290 f. 229, 248, 284–286, 288 77 f., 167, 285, 289, 306 22, 66, 130
XI.2. Allgemeiner Index 2. Götter: Aglauros Ahura Mazda Alastor Amphion Amphitrite Anahita Aphrodite: Stratonikis Apollon
Archagetes Daphnephoros Delios Delphinios Didymeus em Pandois Helios Lykaios Patroos Pythios Ara Ares
Arkesimas Kaunios Artemis
Amarysia Leukophryene Parthenos Tauropolos Ate Athene
313, 316 269 58 124 123 f., 126, 302 f. 269 108, 123, 127, 207 f., 211, 251, 302 f. 127, 196, 211 16, 42 f., 71, 73, 75 f., 78, 89, 93, 104–108, 114–117, 123 f., 127, 140, 144–146, 158, 162, 164, 192, 209–211, 250 f., 272 f., 277 f., 298, 303 f., 314, 317–321, 326 299 f. 172, 176–178, 306–311, 323 105 f., 117, 298 302, 304 127, 167, 211 127, 196, 211 270 267 104–106 14, 73, 76, 107, 157, 304 56, 58 61, 83, 116, 123, 127, 135, 140, 145, 147, 158 f., 162, 164, 167, 196, 206, 209–211, 277–280, 299, 302 f., 312, 318–321, 326 f. s. Basileus 71, 75 f., 89, 93, 107, 120, 123, 209 f., 272 f., 279, 302, 304, 327 172 127, 167, 211 127, 160, 211 s. Tauropolos 30, 53 51, 89, 104 f., 113 f., 116 f., 123,
Areia
Chalkioikos Hamaria Latmia Oleria Panachaïs Polias Pronaia Samonia Auxo Basileus Kaunios Britomartis Daimon Karchedonion Dea Roma Demeter
Panachaia Dike Diktynna Eleithyia Enyalios Ares Enyo Erinnyen Ge
Götter in Poikilasion
377 136, 144, 162, 164, 167, 172, 192 f., 206–211, 250 f., 298 f., 306, 308, 318 f., 321–323 61, 105, 116, 127, 135, 140, 145, 147, 158 f., 162, 164, 167, 187, 190, 196, 206, 209, 211, 278, 280, 312, 317–321 214 f., 217 108, 217, 207, 211, 320 190 120, 123, 129 208 51 f., 72, 126, 182, 317 71 f., 75 f., 317 123, 127 312 272 f. 124, 127, 210 277 f., 280, 320, 326 25 51 f., 89, 104–106, 114, 116 f., 123 f., 127, 140, 145 f., 158, 162, 164, 167, 209–211, 250 f. 208 50 127, 159, 210 f., 319 159 61, 126, 312 61, 105, 187, 317 61, 312 38 f., 44, 49–58 31–33, 38, 105, 116, 124 f., 127, 135, 140, 145, 147, 152, 158–160, 162, 164, 167, 177, 190, 192, 196, 206, 209–211, 269 f., 277 f., 280, 299, 308, 310, 317–321, 326 f. 159, 211, 319
378 in Samothrake Grenzen des Vaterlandes Hegemone Hekate Helios Hera
Basileia Ithomata Ourania Herakles Hermes Hestia Boulaia Homonoia Horkos Iolaos Kastor Kore Leto
Mars Meter Sipylene Mithra Moiren Nymphen Oistros Olympische Götter Phobos Phoinix Polydeukes Poseidon
Asphaleios Helikonios
XI. Indices 127, 211, 280, 320 313, 316 s. Auxo 210, 279 s. Ge 37, 113 f., 123, 202, 207, 211, 272, 277 f., 302, 322 127, 207, 211 127, 168, 211 202 168, 217, 251, 277 f., 312 37, 42 f., 123, 302–304 106, 123, 126, 160, 302, 312 204, 211, 321 f. 25, 179 46, 53, 56, 237 277 f., 326 247 51 f. 14, 71 f., 75 f., 89, 93, 107 f., 123, 272 f., 301 f., 304, 317 279 127, 211, 320 32, 268 f., 288 s. Alastor 123 f., 126, 272 f., 302, 304 s. Alastor 160, 321 61 124 s. Kastor 32, 50, 104, 116 f., 123–125, 127, 140, 145 f., 152, 158 f., 162, 164, 167, 177, 190, 192, 202, 206 f., 209, 211, 251, 277–279, 302 f., 306, 308, 310, 318–322, 326 f. 202 208
Potamoi Praxidikai Selene ‚Sohn des Eides‘ Tauropolos
Tempelgenossen der Diktynna Thallo: s. Auxo Themis Horkia Triton Tyche Welchanos Zeus
Agoraios Ares Basileus Bidatas Diktaios Dipaltos Hamarios Homonoios Horkios Hypsistos Idaios/ Idatas Ithomatas
32, 124 f., 279, 320, 326 54 f., 57, 137 278, 326 f. 52–54, 58, 70 f., 231, 237 127, 135–137, 140, 145, 147, 152, 158–160, 162, 166, 189 f., 192 f., 196, 206,209–211, 278–280, 299, 318, 320–322 159, 211, 319 46 277–279, 326 f. 127, 147, 196 f., 211, 269, 317, 320, 326 126 f., 210, 301 f., 304 13, 31 f., 35–38, 43 f., 46–52, 55–57, 89, 93 f., 99, 101, 104–106, 108, 113 f., 116 f., 123–125, 127, 135 f., 140, 145, 147, 152, 158–160, 162, 164, 167, 177, 190, 192, 196, 202, 206 f., 209–211, 246 f., 250 f., 269 f., 277–280, 288, 299, 304, 308, 310, 312, 314, 317–322, 326 126 61, 105, 187, 317 104, 106, 127, 168, 207, 211, 321 302 120, 127 48, 99 108, 127, 207, 211, 320 179 38, 46–49, 99, 102, 106, 117, 246, 277 202 124, 126 127, 168, 211, 320
XI.2. Allgemeiner Index Kapetolios Kretagenes La(m)braundos Lykaios Megistos Meilichios Olympios Oratrios Philios Polieus Skylios Soter Tallaios Thenatas Xenios Zwölf Götter
299 f. 124, 126, 159, 211 190, 271 267 140 56 37, 51 f., 65, 95, 110, 153 47, 126 25 182 120 284 159 120, 302 f. 36 51 f.
3. Orte und Landschaften: Achaia Acharnai Ägypten (pharaonisch) Ägypten (ptolemäisch) Aitolien Akanthos Akarnanien Aphrodisias Argos
Arkadien Athen
51, 108, 112, 128, 163, 207–209, 220, 320 79–81, 83 f., 86–88, 312 f. 30, 263 47, 211, 278 61, 168, 206 f., 209, 227, 233, 319 238, 243 f. 112, 125, 269, 319 25, 321 55, 97, 108, 111, 115, 120, 128, 220 f., 226, 239, 265, 267, 312 51, 53, 97, 112, 185, 220, 241, 267, 278 20 f., 23 f., 41, 50–52, 55, 61, 63, 65 f., 70, 75, 80–89, 91, 98, 101–118, 124, 128 f., 132, 142, 145, 152, 154, 160, 164, 166 f., 169,171, 174, 180 f., 184, 214 f., 217–219, 222, 225–227, 231–237, 240, 243 f.,
Aufstellungsorte: Alalkomeneion Athen (Akropolis) Delos Delphi Delphinion (Milet) Dion Gryneion Isthmia Kalydon Koroneia Mytilene (Asklepieion) Nemea Olympia
Olynth Onchestos Pergamon Seleukeia (Agora) Thermos Boiotien
Chersonesos (Krim)
Chalkis (Euboia) Delos Dikaia
Dreros Eleusis Eleutherna Elis Eretria
379 250–255, 257, 259 f., 268, 274 f., 278, 288–291, 297 f., 312 f., 316–319, 322, 367–369 206 f. 112, 145, 317–319 144 f. 75, 99, 113, 153, 207, 319 167, 314, 321 153, 320 143–145 113 206 206 f. 144 f. 113 75, 93–102, 133, 294, 317 f. 153 f., 318 206 f. 144 f., 320 157 206 f. 54, 57, 61, 82, 111 f., 128, 206–209, 257 f., 278, 319, 321 25, 115, 160 f., 174, 179, 182–184, 279, 313, 321–325 73, 109 f., 112, 118, 180, 184 68, 89, 93, 105, 136 110, 149, 157, 169, 171–182, 187–189, 191, 193, 198, 240, 305–311, 316, 322–325 122, 124 f., 183, 304, 311, 313, 315 f., 322–325 52, 106, 251 119, 123–126, 296, 301–303, 319 93–98, 100 f., 118 73, 75, 85, 107, 109 f., 112, 118,
380
Erythrai Euaimon
E(u)wa Haliartos Helisson Herakleia am Latmos Hierapytna Iasos Itanos Kalymna Karthago Keos Kibyra Kolophon Korinth Korkyra
Kos Kyrbissos Kyrene
Lato Lebadeia Lebedos Lepreon Lokroi Epizephyrioi
XI. Indices 172 f., 181, 184, 255, 305, 317 104, 107 f., 181, 274, 317 53, 61, 105, 142, 168, 185–188, 191, 193, 205, 208, 220, 294, 317, 322–325 95–97 54 184 136, 166 f., 172, 187–190, 203, 205, 318, 321–325 120, 122–126, 129, 181, 220, 278, 303 f. 61, 132, 137–144, 164, 186, 201, 212, 294 f., 318 120, 125, 182–184, 198, 278, 313 f., 322–325 168, 178, 180, 199–202, 205, 278, 313, 320, 322–325 30, 90, 263, 274–281, 326 f. 116, 152, 318 25, 321 104, 107, 317 83, 97, 225–227, 236, 239–242, 260 102, 104, 107, 112–115, 117, 142, 160, 170, 214, 318, 369 168, 178–180, 182, 186, 199–202, 205, 313, 320, 322–325 172, 175 f., 181, 190–195, 205, 319, 322–325 56, 58, 91, 124, 159, 169, 267, 299 f., 304, 319, 321 61, 120, 123 f., 159, 303 f., 321 207 194 94, 97 82, 274
Lokris Lykien Lysimacheia Magnesia am Mäander Magnesia am Sipylos Makedonien
Malla Mantineia Marganea Medeon Melos Messene Milet
Mytilene Naupaktos Orchomenos (Arkadien)
Pergamon Perinthos Persien
Phaselis Phigaleia Phleius Phokaia Phokis
58, 104, 128, 181, 278 25, 54, 270–273 61, 147, 158, 161, 211, 280, 320 f. 166–168, 321 147, 166, 190, 195–198, 205, 211, 320, 322–325 25, 70, 87, 131 f., 135 f., 142, 153–155, 167, 171, 173, 201, 210–213, 227, 275–277, 280, 326 f., 61, 122, 146, 159, 320 51, 87, 184 f. 98, 111 185 21, 223, 247, 254 f. 72, 155–158, 161, 166, 168, 181, 273, 278, 314, 317–320 166–168, 171, 178, 190, 196, 199, 201–205, 268, 311, 314–316, 321–325 65 f., 144 f., 268 58, 72 f., 273, 314, 317 53, 61, 105, 108, 128, 142, 168, 185–188, 191, 193, 205, 207–209, 220, 284, 294, 317, 320, 322–325 134, 142–146, 152, 196, 202, 320 158, 321 77, 80, 84–86, 88, 93, 164, 197, 220, 260, 265 f., 268–273, 282 f., 285, 287 f., 290 f., 293 129, 152, 268–272, 291, 317 156, 166, 168, 181, 178, 320 51, 112, 220 63, 90, 92 61, 153, 168,
XI.2. Allgemeiner Index
Pidasa
Plataiai Poseidonia Priansos Priene Rhaukos Rhodos Rom
Samos Samothrake Sikyon Skillus Smyrna
Sparta
Stiris Sybaris Telos Teos Thasos Theangela
206 f., 209, 228, 319, 321 136, 166, 172, 187–190, 193, 196, 202–205, 318, 321–325 69 f., 77, 79–88, 93, 234, 237–239, 242, 252–258 99–101, 299, 314, 317 122–126, 303 f. 75, 259 119, 124, 126, 301–305 124, 142, 181, 202, 213, 220, 268, 271, 278, 304 13, 19, 24 f., 90, 134, 180, 202, 211, 258, 275, 280, 282, 288, 292, 299 f., 321 91, 113, 199, 226, 259, 367 280 61, 116, 166 f., 318 98, 111 61, 107, 144, 147, 166, 190, 195–198, 205, 211, 320, 322–325 18, 24, 41, 61, 75, 84–88, 94, 97, 102, 111, 115, 118, 122, 166 f., 178, 213 f., 217–222, 225–229, 231, 233–245, 253–260, 268 f., 276, 282, 284 f., 287, 289–291, 319 185 28, 75, 96, 99 f., 314, 317 178–182, 184, 188, 322–325 319, 172, 175, 181, 190–195, 205, 322–325 110, 184, 227 61, 131–137, 143 f., 150, 195, 212 f., 295, 318
Theben
Thera Thrakien
Triphylia Troja
381 61–63, 81, 85–87, 97, 111, 118, 217, 228 f., 234, 242, 253–258, 260, 267 f., 278 47, 58 f. 60 f., 82, 112, 114, 116, 129, 152, 210, 240, 274, 281, 283, 287 f., 305, 318 98, 111 26, 28, 30–34, 37, 39–41, 44, 52, 75, 265, 283
4. Sachen und Begriffe: Akzeptanzsystem Amphiktyonie Antalkidasfrieden anti-deceit clauses
Anti-Tyrannis-Klausel Apella Archidamischer Krieg Areopag Atimie Aufstellungsklausel Autonomieklausel Bouleuterion Bronzetafel Bürgerkrieg ‚built-in flexibility‘ Bund, Chalkidischer Korinthischer Charisma Dämonenglaube Denunziation: Denunziationsformel
66 f. 68–77, 79, 93 f., 107 f., 252, 273, 314, 317 98 60, 82, 109, 120, 128, 133, 141 f., 148, 155, 186, 197, 203 f., 266, 288 f., 293, 295, 315, 325 194, 201 225, 228 103, 234 15, 50, 52, 63 s. Sanktionen, weltlich s. Publikationklau- sel 98, 139–141, 158, 163, 165 f., 228 f., 243 47, 193, 325, 47, 99 f. s. Stasis s. ‚escape-clauses‘ 116, 129, 152–154, 171, 212, 295, 318 129, 155, 162–167, 209, 299 130 f. 56 109, 118, 148 f., 181, 183 f., 192,
382
Denunziationsprämien Dexiosis Diplomatie: interpersonal Drohritus Eber
Eid: ‚assertorisch‘ Beamteneid Bürgereid
Eidbruch
Eideshierarchie Eidesleister
Eidkollision Eidgötter
XI. Indices 194, 198, 201, 204 f., 296 f., 314 f., 324, 184 113 f., 287 29, 43 f., 216 35, 44, 58–60, 62 26, 36, 47, 60 f., 172, 186, 189, 193 f., 199, 202, 264, 267 f., 308, 322 13 13, 15, 17, 63, 85, 106, 194, 288 13, 81, 90, 102, 105, 108–110, 118, 123, 125, 148 f., 157, 160, 168–184, 187–189, 192, 197 f., 200–202, 204–206, 212, 267, 278 f., 296, 303, 311–316, 322–325 55, 87, 90, 95, 110, 126, 140, 171, 175–178, 204, 214, 229 f., 236, 242, 245 f., 249 f., 266, 281, 283–287, 292 f. 29, 194, 243 f. 32, 40, 60, 63, 83, 110, 155, 180, 189, 194, 200 f., 251, 324 17, 239–241, 248 12, 14, 17 f., 25, 31 f., 37 f., 43 f., 46 f., 49–52, 55, 57, 59, 61, 72, 75 f., 78, 82–84, 86–89, 91, 93, 100–102, 104–108, 111, 113–120, 122–129, 131, 135–137, 140–142, 144–147, 152 f., 155, 158–160, 162, 164, 166–168,
Eidkritik Eidritual
Eidstein Ephebeneid
Erneuerung Fahneneid Feierlichkeit Frist für Abwesende Gerichtseid Heliasteneid Informelle Eide Inkongruenzen Kriegseid Meineid
Mindestalter der Schwörenden
176 f., 180 f., 186 f., 189–193, 196–198, 202, 204–212, 226 f., 237–239, 244, 248, 250 f., 263, 269–282, 285, 291 f., 294 f., 297–300, 302–304, 312–323, 326 f. 294 27–37, 44, 47 f., 56, 58–64, 66, 77 f., 83, 89, 91–93, 102, 108, 153, 172, 180, 182, 184, 186, 188 f., 193 f., 197, 199 f., 202, 205, 212, 244, 263–269, 274, 280–282, 291, 293 f., 296, 303, 308, 322 105 f. 61, 79, 82 f., 85, 87, 148, 149, 151, 169, 183, 187, 201, 252, 278, 311–316, 322–325 85, 122, 253 79, 87, 134, 191 f., 197 12, 122, 170, 194, 239, 243 f., 265 173, 182, 205, 309, 324 12 f., 15, 58, 104 f., 201 f., 240, 252 104, 201 f. 13 f., 124, 246–248, 250 f., 253, 278 72, 81, 101, 299 83, 85, 87, 93 13 f., 19, 35, 37–39, 42 f., 46–49, 53–55, 58, 171, 192, 229–232, 252, 260, 281, 284–287, 294
110, 180, 201, 204, 324 (hethitische) Militäreide 59, 90
XI.2. Allgemeiner Index Öffentlichkeit ‚promissorisch‘ Ratseid Treueeid Eisenbarren Ephoren: Messene Sparta Epigamieklausel Erstschuld ‚escape-clauses‘ Ethnizität als Argument Fernwaffen Freiheit
Freund-Feind-Klausel Frevel: Frevelvorwürfe Perserfrevel Fluch- und Segensformel
Vieh einbezogen Garnison Gebet Geisel Gesandte:
zufällig anwesend Grenze
44 13, 176, 191 29, 107 12, 108, 147, 150, 152, 158, 161, 213, 298 s. μύδροι 155 f. 85, 226 168, 188 f., 301 f., 305 35, 40 f., 45, 52, 217, 245 f. 22 f., 97, 240 f. 288, 292 73 139–141, 151 f., 155–158, 161, 163, 165, 167, 179, 200, 213, 243 f., 285, 298, 300 88 f., 159 52, 214–223, 227, 236, 241, 261 80 f. 14, 31, 38, 41, 51, 53, 55 f., 58 f., 63, 71–74, 76, 82–84, 125 f., 128, 176, 182, 192, 198, 202, 204, 273, 275, 295, 299, 311, 314, 323 56 f., 72, 82, 125 f., 128, 323 183, 191, 193–195, 203 16, 31 f., 51, 219, 279 213, 231 f., 291, 294 11, 25, 33, 56 f., 138, 141, 149, 157, 167, 196, 203 f., 214, 218, 220, 222–224, 226, 236, 239, 242, 255, 257 f., 275, 280, 285, 290 226 16, 51 f., 120 f.,
Hegemonie-Formel Hegemonialsymmachie Herold Hierosylie Hikesie (Unbetonter) Hintergrund Homopolitie Intentionale Geschichte Interkalationsverbot Interpretationsverbote Isopolitie Kalenderpolitik koine eirene Loyalitätsklausel Misstrauen
Mitleid Monarchos Münzdekret Nikiasfrieden Nomotheten Normenhierarchie (Panhellenische) Öffentlichkeit Orakelspruch
im Vertrag Orakelstätte Panhellenische Normen Peloponnesischer Bund
383 145, 194, 201 f., 312 f., 315 f., 324 97, 241 86 f., 91, 93, 97, 101, 111 f., 118, 128, 163 32 f., 36, 51, 221 21, 170 f., 176, 217, 227 65, 175, 214, 217, 256 f., 310 f. 27 f. 168 f., 180, 199–202, 205, 313, 322 86–88 143, 150 f. s. anti-deceit clauses 168, 203, 278 143, 150 f., 220 f. 67, 73 f., 98, 111, 140, 163–166, 228, 268 134, 148, 159, 180 16, 40, 43, 82, 85, 109 f., 120, 122, 134 f., 137, 141 f., 148, 151, 155, 161, 174, 186 f., 197 f., 204, 212, 289, 289–293, 295 f. 257 178 107 85, 97, 113, 122, 220, 234 f., 239, 245, 261 194 174–176 98 f., 102, 221, 255, 261, 298 16, 52–54, 70 f., 74, 217 f., 220 f., 224, 231 f., 236, 259, 267 153 f., 212, 295 99, 113 17, 65–67, 170, 217, 222 f., 230, 256 65, 79, 86, 93, 97, 101, 220, 239–241
384 Pferd Philia Phrurarch Physischer Kontakt Polisreligion Polyvalenz (des Eidarguments) Priorität des Göttlichen Proxenos (elischer Kultbeamter) Proxenos Publikationsklausel
Rache Reinigung Religionspolitik (Auswärtige) Richter Rituelle Sprache Säkularisierungs- oder Verfallsthese Sanktionen: religiös
weltlich
Schild Schiedsgerichtsbarkeit (Götter als) Schiedsrichter Schutzflehende Schwören: dialektal geschlechtsspezifisch κατὰ πόλεις trickreich Schwurort Seebund: Delisch-Attisch
XI. Indices 114, 265 29, 96–98, 100, 196 147, 191–195, 203, 319 33, 60–62 17, 105
Zweiter Söldner
222–224, 230 f., 238, 242, 248, 252, 256, 261, 297 20, 185, 188, 219 f., 227, 229 74, 95 f. 11, 194, 255 75, 97, 133, 139 f., 144 f., 153, 157 f., 167, 172 f., 189 f., 200, 206 f., 306, 308 f., 323 s. Vergeltung 33, 173, 175 f., 323 96 f., 101, 104 f., 117 178 f., 182 35 19 f., 22, 55 f., 76, 115, 218, 246, 295 17, 44 f., 55–57, 94, 173, 175–178, 193 f., 198, 204, 308, 311, 323 76 f., 94–96, 101, 110, 182, 185, 193, 204, 295, 306, 309, 323 60–62, 83, 132 120 f., 165, 181, 226, 234, 254, 268, 237 f., 285 s. Hikesie: 115, 142, 160 f. 251 111, 118 37, 42 f., 170 f., 212 157, 172, 200 21, 63, 77, 88–93, 97, 101–112, 117 f.,
Stasis
Stier Sykophanten (Götter als) Symmachoi Sympolitie
Synoikismos Trankspende Transhumanz Tributlisten Trompetenstöße Überzeugungsstrategie (Falsche) Urkunden Urkundenrelief Urkundlichkeit Vergangenheitsbezug Vergeltung: Konzept der göttlichen
124, 128, 148, 180, 184, 204, 208, 289, 297 f. 21, 102, 104, 111–116, 118, 140 f., 200, 268 60–62, 119, 131–135, 137–139, 142–152, 158, 162, 173, 196–198, 210–212, 237, 245, 264–267, 291, 294 f., 298, 318, 320 17, 90, 169–171, 173–175, 178 f., 184, 197 f., 212, 240, 315, 324 60 f., 186, 189, 193 f., 199, 202, 264 f., 267 f., 322 109 57, 237, 259, 284, 292, 296, 298 105, 108, 136, 142, 144, 147, 166, 168 f., 172, 175 f., 180 f., 184–206, 209, 211 f., 267, 296, 318–325 53, 95, 105, 168 f., 185–191, 193–195, 220, 294, 322–325 15, 33, 35, 44, 60, 77, 91 121 103, 305 f. 82 f. 223 f., 233, 235, 238, 261, 297 69 f., 79–88 83, 88, 104, 112–115, 117 f., 367–369 111 233, 257–260, 285 24, 32, 35, 39 f., 46–64, 66, 134, 137, 176–178, 182, 184, 187, 198, 214, 225, 231–237, 239, 244, 248–250, 252,
XI.2. Allgemeiner Index
Schnelligkeit der Überbietende Vergeltungsmoral Verlesen der Vertragsstelen Vermögensentzug Versöhnung Versprechen Vertrag: Freundschaftsvertrag multilateral
Spondai
Symmachie
Vertrauen Völkerrecht
Volksversammlung Vorderer Orient: Vertragspraxis Vorwand Vorzeichen: Niesen Wachsfiguren Widder
259, 261, 286, 286 f., 294 52 f., 231, 236, 249, 287 48, 176, 214–218, 220–222, 227, 257 48, 216, 221, 297 85, 122, 253 s. Sanktionen, weltlich 148, 171, 171–179, 182, 184, 240, 305, 308 14, 44, 133, 178, 288 s. Philia 61, 75, 77, 79, 87, 93, 112, 162 f., 166–168, 190, 192, 206, 208 f., 211, 299 28, 30, 32 f., 39 f., 44, 46, 82, 98, 152, 220 f., 246, 268, 271, 285 f., 291 20, 28 f., 41, 51, 76, 79, 88–91, 93 f., 97 f., 101 f., 106, 108, 111 f., 115, 117, 138–142, 152 f., 155, 158, 164, 197, 298, 301 f. 28, 30, 40, 122, 219, 243, 263, 282 21, 74, 82, 108, 143, 147, 163 f., 169, 221, 230, 241, 245, 272 20, 51, 176 f., 219 f., 223 f., 297, 306–310 27, 30, 59, 90 f., 275 f., 281 f., 289, 291–293 148, 231, 240 f., 253 284, 286 59, 91 60, 186, 189, 193 f.,
385
199, 202, 264, 267 f., 322 Wolf 60, 264–268 Zwischenstaatliche Beziehungen: Theorie 20–22, 67, 241 5. Sermo Graecus: ἀβλαβέως ἀγωνοθέτης ἀδόλως αἰδώς ἀνασῴζω ἄνευ δόλου καὶ ἀπάτης ἀραῖος ἀστασίαστος ἀψευδέω διαλύομαι ἐναγής ἐνωμοτάρχης ἐξώλεια εὐνοέω θεοὶ βασιλείοι ὅρκιοι ξυμμαχικοί ἱερὰ τέλεια ἵστωρ καὶ λόγῳ καὶ ἔργῳ κατὰ ἱερῶν νεοκαύτων καταψεύδομαι κώλυμα θεῖον λεύκωμα μάρτυς
μηχανή μύδροι ὁμοβώμιος ὁμολογία ὁμόνοια ὅρκια
82 237, 285 60, 82, 100, 155, 206, 264, 266, 301 f. 14, 126 156 141 193 197 f. 186, 325 148, 170, 174 14, 71–73, 317 84, 86 71, 176, 198, 249, 323 148 f., 305 197, 269, 271, 281 s. Eidgötter 238, 248, 255 108, 186, 199 f., 322 s. μάρτυς 141, 307 180, 184, 197, 322 80 97, 239–241, 248 193 37, 101, 126, 154, 171, 181, 226 f., 237 f., 245, 250, 256, 259, 276, 285, 299 f., 306, 309, 314, 321 f. 82, 109, 197, 287 89–93 256 138 f., 165, 204, 210, 264 25, 179 f., 183, 188, 197 f., 321, 324 15, 27–31, 33, 35–37, 39–41, 46,
386
ὅρκος Ἀφροδίσιος βασιλικὸς γερούσιος ἐπιχώριος κατ’ ἀνάγκην μέγιστος νόμιμος ὁρκωμόσιον ὁρκωτής οὐ μνησικακέω παραθήκη πεντορκία πίστις
πούς στρατηγὸς αὐτοκράτωρ συμμαχία εἰς ἀεί συναγωνιστής συναλλακταί
XI. Indices 52, 56, 78, 153, 186, 193, 246
συνθήκαι
38 197, 211, 269 29 s. νόμιμος s. Eid, erzwungen 29, 194, 243 f., 250 50, 142, 159, 181, 191 f., 196, 205, 244 15 199 f. 170, 174, 177, 181 f., 307, 311, 325 176, 178, 232, 308, 311, 323 104 13, 20, 29, 31, 33, 39 f., 44, 65, 77, 100, 170, 228, 240, 243, 250, 256 f., 284, 287, 290 f., 308 52 f., 69, 71, 74, 231 164 89, 91, 197 237 172
σύνταξις συνωμοσία τέχνη οὔτε τέχνῃ οὔτε μεχανῇ/ παρευρέσει οὐδεμιᾷ τόμια τρόπος οὔτε τρόπῳ οὔτε μεχανῇ οὐδεμιᾷ ὑπόμνημα φιλιππίζω χεῖρ
131, 133, 204, 206, 228, 235, 250, 259, 264, 290 140 f. 79, 174 f., 183, 311
82, 109, 148, 197 63 197 81, 87 154 s. πούς
6. Vox latina: fides Graeca Punica foedus ferire invocatio
282 282 30 14, 31 f., 38, 51, 72, 104, 106, 116, 126, 142, 176, 179, 186, 192, 202, 205, 273, 299, 304, 311, 315
XII. TAFELN
Taf. 1: Athen und Samos (D–DAI-ATH-Akropolis-0677)
388
XII. Tafeln
Taf. 2: Athen und Kios (D–DAI-ATH-NM-3852)
XII. Tafeln
Taf. 3: Athen und Korkyra (D–DAI-ATH-NM-3869)
389
historia
–
einzelschriften
Herausgegeben von Kai Brodersen, Mortimer Chambers, Bernhard Linke, Mischa Meier und Walter Scheidel.
Franz Steiner Verlag
ISSN 0341–0056
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Die integrative Kraft von Eiden als einem Fundament der inneren Ordnung griechischer Gemeinwesen wird von den antiken Quellen viel beschworen und von der modernen Forschung häufig konstatiert. Was passierte jedoch, wenn der Eid die Grenzen einer Polis überschritt? Wie konnte der Eid in einem Kontext funktionieren, in dem das Recht des Stärkeren ganz offen zur Handlungsmaxime erklärt werden konnte? Sebastian Scharff untersucht mit den Schwurgötterlisten griechischer Staatsverträge, dem Eidritual und der Praxis der Aufstellung von Verträgen in Heiligtümern genau die Elemente griechischer
Religiosität, derer man sich bediente, um die zwischenstaatlichen Beziehungen abzusichern, die sich im antiken Griechenland vielerorts in einem dauerhaft prekären Zustand befanden. Über die Absicherung konkreter Verträge hinaus kam dem Eid damit eine immens wichtige Rolle in der Kommunikation zwischen Staaten zu. Der Autor analysiert detailliert, wie, wann und warum man im zwischenstaatlichen Verkehr des antiken Griechenlands mit Eiden argumentierte. Quellengrundlage sind erstmals alle epigraphisch und historiographisch überlieferten griechischen Vertragseide von der archaischen Zeit bis zum Tag von Eleusis (168 v. Chr.).
www.steiner-verlag.de Franz Steiner Verlag
ISBN 978-3-515-11203-1