Ehren und Ehre: Eine ethisch-soziologische Untersuchung [Reprint 2019 ed.] 9783111694153, 9783111306414


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Vorbemerkung
Hochansehnliche Festversammlung!
Anmerkungen
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Ehren und Ehre: Eine ethisch-soziologische Untersuchung [Reprint 2019 ed.]
 9783111694153, 9783111306414

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Ehren und Ehre Line ethisch-soziologische Untersuchung von

D. Dr. Ferdinand Uattenbusch Geh. Rirchenrat, Professor der Theologie in Halle

Verlag von Alfred Opelmann (vormals 3- Nicker) Gießen 1909

Druck von L. G. Röder G. m. b. h., Leipzig

Vorbemerkung. Nachstehend biete ich in einer Erweiterung und unter Beifügung von Anmerkungen die Rede, die ich am 27. Januar dieses Jahres bei dem Festaktus der Friedrichs-Universität Halle-Wittenberg gehalten habe. Ich habe nicht die Absicht gehabt, alle Fragen, die mit dem Thema Zusammenhängen, zu berühren. Denn ich glaube, die positive Erörterung der beiden Begriffe, die der Titel nennt, ist schwierig und wichtig genug, um auch für sich allein Interesse heischen zu dürfen. „Neue" Resultate habe ich natürlich nur im relativen Sinne zu bringen; der Weg, den ich eingeschlagen, ist immerhin noch wenig betreten gewesen. Ich habe den Juristen nicht ins Handwerk pfuschen mögen. Doch will ich meine Meinung über die versuche, verletzte Ehre zu heilen, nicht verbergen. Ich bin persönlich Mitglied der Antiduell-Liga und glaube also nicht, daß das Duell ein brauchbares Mittel im Kampfe um die Ehre ist. Ich verstehe es nicht ganz, wie speziell ein christlich denkender Mann ein Duell anbieten oder annehmen kann. Aber ich sehe, daß viele Männer, deren ernstliche Thristengesinnung ich nicht zu bezweifeln vermag, den Mut nicht finden, dem Duell abzusagen. Da liegen teils soziale Verhältnisse vor, denen zu widerstehen der einzelne aus ehren­ werten Rücksichten sich nicht imstande fühlt, teils doch auch Un­ klarheiten. Soweit Gedankenklärung überhaupt helfen kann, wird nur eine Klärung der positiven Gedanken über Ehren i*

4 und Ehre die Grundlage für eine Besserung der Verhältnisse bilden können. 3m übrigen verweise ich auf den vortreff­ lichen, ebenso einsichtigen wie umsichtigen Artikel von M. Bade „Zweikampf, Duell" in der „Realencqklopädie für pro­ testantische Theologie und Kirche", 3. Auflage (herausgegeben von A. Hauck), Bö. 21, 1908, S. 759-768; man findet dort auch eine im wesentlichen erschöpfende Übersicht über die weit­ läufige Literatur. 3ch mißbillige die Beleidigungsklagen durchaus nicht und glaube, daß sie in vielen Fällen schon jetzt volle Genugtuung bringen können. Erfolgreicher dünken mir doch autoritative Ehrenerklärungen durch besondere Ehrengerichte, die zumal auch befugt sein müßten, den frivolen Beleidiger, zumal denjenigen der unter Mißbrauch von Freund­ schaft und vertrauen die Ehre eines anderen kränkt oder der sonstwie eine niedrige, rohe Gesinnung in seinem ehrverletzen­ den Tun gezeigt hat, dauernd selbst mit einem ausdrücklichen Makel zu behaften. Wer mit solchem Makel behaftet worden, müßte der „gesellschaftlichen Ehrenrechte" verlustig sein. Es müßte eine Aberkennung dieser Ehrenrechte (nach Analogie der Aberkennung der „bürgerlichen Ehrenrechte") ausgesprochen werden können, von Erfolg könnte das freilich nur sein, wenn die „Gesellschaft" sich nicht weigerte, als Vollzugsorgan einzutreten. Und das wird erst zu hoffen sein, wenn die öffentliche Meinung sich klarer darüber wird geworden sein, als sie ist, was in den verschiedenen Kreisen, zumal in den führenden Kreisen des Volks, die Grundlage für Ehren und Ehre sein sollte.

Halle, März 1909.

F. Kattenbusch.

Hochansehnliche Festversaminlung! Kaiser und König Wilhelm II. feiert heute seinen fünfzigsten Geburtstag. „Fünfzig Jahre Stillstand", sagt der Volksspruch. Der fünfzigste ist wohl der erste Geburtstag, wo das Besinnen auf vergangenes stärker ist als das hoffen auf Zukünftiges. Der Kaiser mag heute wohl von widersprechenden Gefühlen durchflutet werden. Möchte ihm zum Bewußtsein kommen, wie sein Volk in festen Treuen zu ihm steht und ihn im „Stillstände", auf dem Gipfel seines Lebens, umleuchtet sieht von der Sonnen­ helle der äußerlich und innerlich zur höhe gestiegenen Mannes­ kraft! Ls ist kein Jubiläum des Kaisers, das wir feiern, aber es ist doch für lebendiges Gefühl ein eigen gearteter Festtag, als besonderer höhentag auch ein besonderer Ehrentag unter den natürlichen Gedenktagen des Lebens. Ich habe gedacht, wir feiern diesen Tag recht, wenn wir ihm zu Ehren von Ehren und Ehre reden. Es ist doch so: Der Kaiser repräsentiert uns unsere nationale Ehre, vielleicht ist es in aller Schlichtheit das höchste Prädikat für ihn, daß er als Deutschlands erster Edel­ mann so gänzlich unbezweifelt ein Ehrenmann nach deutschen Begriffen ist. Ich sage „nach deutschen Begriffen" und rühre schon damit an die eigentümliche Schwierigkeit des Themas, das ich mir gestellt habe. Über Ehren und Ehre denken fast alle Völker verschieden. Und wir Deutschen unter uns sind auch noch mannigfach gespalten in unseren Gedanken darüber! Aber merkwürdig: über den Begriff des Ehrenmanns sind wir letzt­ lich doch einig. Wir geben dieses Prädikat niemandem ohne weiteres, auch dem Geehrtesten nicht. Und wir wissen, in diesem Prädikat liegt ein Ausgleich zwischen allen möglichen Gegensätzen.

6 Unter dem Titel des Ehrenmanns können sich der vornehmste, Mächtigste, Bedeutendste und der Geringste, Schwächste, Gewöhn­ lichste wie ihresgleichen nach unserer Empfindung begegnen. Ich

gedenke jedoch nicht eigentlich, von diesem Titel oder Begriffe aus weiter vorzugehen. Ich habe vielmehr eine Erörterung im Sinn, in der unsere deutschen Begriffe und Empfindungen nur neben andern zu Rate gezogen werden sollen. Venn es ist mir um eine prinzipielle Erfassung der Sache zu tun. So werde ich auch nicht gerade von Tagesfragen reden. Vie eigentliche Tagesfrage in Bezug auf den Gedanken der Ehre ist ja die Duellfrage. Sie mit ins Rüge zu fassen, würde mir unfestlich erscheinen, denn es ist kein Zweifel, daß ich dabei höchstens einem Teile unserer Versammlung willkommenes zu sagen vermöchte. Wichtiger ist mir, daß ich dann wesentlich von den Schmerzen auf dem Gebiete der Ehre sprechen müßte, ich möchte aber vielmehr den Hellen Klang der Freude vernehmbar machen, der überall da in den herzen schwingt, wo ein Volk oder einzelner Ehren und Ehre hat. Indes die Hauptsache ist mir einfach dies, daß über die rechte Art, verletzte Ehre zu heilen, erst dann mit dem Ernste, der sich da geziemt, zu reden ist, wenn wir uns ganz klar ge­ worden, was im gesunden Sinne Ehren und Ehre sind. Darüber ist nicht oft genau reflektiert worden, was dann zur Folge hat, daß man in der Duellfrage pro et contra vielfach entweder bloß flach verstandesmäßig oder unklar gefühlsmäßig argumentiert?

hinsichtlich der Begriffe am schärfsten haben über das Thema der Ehre bisher zweifellos die Juri st en gehandelt?

I. Zunächst die Frage:

gehören Ehren und Ehre überhaupt Wir wiffen alle, daß ein tiefgehender Unterschied jedenfalls zwischen der Ehre besteht, die in einer Mehrzahl auf­ treten kann, und derjenigen, von der wir schlechthin nur in der Einzahl reden können. Was wir unter dem Gedanken der Ehren verstehen, strebt in schier unüberwindbarer weise nach der Mehrzahl. Wer erst eine Ehre erlangt hat, verlangt wie von selbst nach weiteren Ehren, denn nichts nutzt sich in der Empfinzusammen?

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düng so rasch ab wie die einzelne Ehre, die wir empfangen haben. Ganz umgekehrt das, was wir als „die Ehre" im Sinne haben! Sie schafft Befriedigung in sich selber. Der Mann von Ehre kann kein Ehrenjäger sein. Er hat einen Besitz, der sich

befestigen, in innerer Entwicklung zu vollerer Reife bringen, aber nicht der Menge nach häufen läßt. Ls kann deutlicher heraustreten, es kann umgekehrt mit Recht oder Unrecht zweifel­ haft werden, ob einer Ehre hat. Mit Bezug auf die Ehren ist alles, was den Tatbestand betrifft, leicht zu ermitteln. Aber daß einer Ehren hat, ist kein vollgültiger Beweis, höchstens eine vorläufige Anwartschaft auf den Glauben, daß er auch Ehre habe.

3n Bezug auf Ehren sind die Menschen meist höchst eifersüchtig aufeinander, zum mindesten indirekt, wie sagt doch Rückert? „Der eitlen Ehren kann ich wohl entbehren, ja gründlich kann ich sie verachten, doch schäm' ich mich? es wurmen mich die Ehren, die sie statt meiner, andern brachten."'

In Hinsicht der Ehre gibt es keinen Neid. Der Mann von Ehre Kann als solcher Eifer in uns wachrufen, aber nicht Miß­ gunst, er kann uns durch seine Art vielleicht schamrot, aber nicht begehrlich machen. An dem Besitz von Ehren kann man inner­ lich verderben, an dem von Ehre nie; denn Ehre weckt keine Leidenschaft, oder doch nur edele. Sollte es also so stehen, daß unsere Sprache nur durch irgendeinen Umstand auf eine falsche

Bahn geführt ist, indem sie darauf hinausgekommen, zwei ganz verschiedene Dinge mit einem und demselben Worte zu benennen?

Wäre es vielleicht zu wünschen, daß wir aufhörten, von Ehren zu sprechen, um ohne Mißverständnis von Ehre reden zu können, oder umgekehrt? In der neueren Literatur begegne ich zwei in ihrer Sphäre gleich ausgezeichneten Denkern, die von dem ent­ gegengesetzten Eindrücke erfüllt sind. Bin ding meint wirklich, daß, was die Ehre ohne Plural sei, eine Sache so sehr sui ge­ ltens sei, daß die Ehren nur den Namen mit ihr teilten. (Er bemerkt ausdrücklich, daß nicht nur die Ehren, die sich wie ein äußerer Schmuck darstellen, sagen wir also z. v. Orden, die man auf dem Leibe trägt, nein, daß auch die Standes-, Amts-, ve-

8 rufsehre u. bergt, die, wer Ehre im Leibe hat, doch nicht bloß äußerlich besitzt, mit der Ehre, der Personehre, rote er hier nun zum Unterschiebe sagt, nur bett Namen gemeinsam hätten. Dagegen Paulsen, bet treffliche geistvolle Ethiker, ber rote wenige es überall versteht, ins volle Menschenleben hineinzu­ greifen, betrachtet bte Ehre offenbar nur rote bte feinste Gestalt, bie sittliche Potenzierung ber Ehren? Ich stimme Paulsen zu.

Ich kann es hoch nicht nur wie eine Art von Entgleisung unserer Sprache ansehen, batz wir von „Ehre" sprechen auch wo wir keine Mehrzahl ins Auge fassen, wenn wir zugleich boch eben Ehren kennen. Vie Ehre ist richtig verstanden bte wirklich zu ben Ehren gehörige Einheit, wenn auch nicht bte Stimme ihrer Einheiten. Es liegt hier unzweifelhaft eine Gebankenschwierigkeit vor, unb es wirb sich fragen, rote sie zu lösen ist. Aber baß sie zu lösen ist, verbürgt uns bte Tatsache, batz wir alle praktisch eine Klammer zwischen ber Ehre unb ben Ehren kennen. Ich benke an ben Begriff unb bie Stimmung ber „Verehrung". Wir „verehren" nur ben, ber Ehre hat, aber gerabe ihm möchten wir Ehren gewährt sehen, erweisen sie ihm, soweit wir können?

Das Ursprüngliche in ber Geschichte sinb sicher bte Ehren gewesen! Ich weiß nicht, ob man es belegen kann, daß alle Völker Ehrungen gekannt haben, baß bte primitiven, wie man bte annoch Kulturlosen Völker nennt, sämtlich sie kennen; bis zum Nachweis des Gegenteils aber darf man es wohl ohne Zweifel annehmen. Ein „Ehren" ber Götter zum mindesten werben alle kennen. Die kultischen Ehrbezeigungen dürften historisch die ältesten systematisch entwickelten sein. Aber was sinb denn Ehren ober Ehrungen? Wir brauchen nicht etwa in Überlegung zu ziehen, was alles in concreto dafür gegolten hat ober unter uns gilt. Die Methoden des Ehrens haben je unb je gewechselt; freilich in gewissem Maße sind sie sich auch immer gleichgeblieben. Gewiß ist eine ber ältesten bie Ehrengabe. Aber was macht eine Gabe zur Ehre? Je nach ben Umständen kann jede Gabe zur Ehre werben unb jede auch eine andere Bedeutung, ja bte entgegengesetzte, bte des Schimpfs haben. (Es ist kein Zweifel, baß der Begriff ber Ehrengabe unter uns vielfach ein kon­ ventioneller geworben ist unb nach ber Stellung ber Person,

9 ihrem Amte, ihrem Range usw. sich richten muß.

Nicht 'jedem

dürfen wir eine private, gar eine einfach geldmäßige Ehrengabe darbringen, aber wir dürfen ihm zu Ehren etwa eine „Stiftung"

machen und ihn zum Herrn darüber bestellen. Je nach den Um­ ständen, im individuellen Falle dürfen wir immerhin auch dem Reichsten und vornehmsten, dem Kaiser selbst, eine für ihn rein persönlich bestimmte Wertgabe, sagen wir ein Pracht- und Prunkstück für seine Tafel verehren; es Kommt darauf an, was der Brauch des Landes gestattet und empfiehlt. Faßen wir den Gedanken des Konventionellen etwas tiefer, so ist es der Gedanke des Sozialen, der uns an ihm entgegentritt. Ehren und Ehrun­ gen setzen eine Gemeinschaft zwischen Menschen, ein Maß von „Gesellschaft" voraus. Was dem einzelnen als Naturgabe zu­ fiel, was die unerwartete Fügung, das sog. Glück, sagen wir im Gedanken an primitive Verhältnisse etwa das Jagdglück ihm zuteil werden ließ, galt ihm nie als „Ehre" - es sei denn, daß religiöse Gedanken hereinspielten, daß einer es wie eine Ehrung durch die Götter (mit denen er ja in „Gemeinschaft" stand) deutete, wenn er großes Glück hatte, Körperkraft, Schön­

heit, Reichtum in das Leben als Besitztum mitbekam. Ehre ist nicht einfach bloß. Herrlichkeit, Glanz, sondern das alles nur, wenn es einem von andern bereitet wird. Personen, Götter oder Menschen, müßen es sein, die einem die Gabe stiften. Schon Lenophon redet davon, daß Tiere die philotimie, die Freude an,

das verlangen nach Ehre nicht kennten,

vielleicht kann man Tiere prahlen bekanntlich nicht selten einander etwas vor; ferner ist zu erkennen, daß Tiere, die gesellig dem Menschen nahe stehen, der Hund, das Pferd zu Ehrgeiz erzogen werden können. Aber Tiere verstehen allenfalls die passive Ehrung, nicht das aktive Ehren, sie ehren ihrerseits weder jemals den Menschen, noch ihresgleichen. Es gehört also das in gewißem Matze beanstanden.

zum Menschentum als solchem, ist durch es bedingt, daß es Ehren gibt; Menschen verstehen beides, zu ehren und sich ehren zu laßen, sie ehren einander. Ist die Ehrengabe notwendig ein Geschenk? Die Frage ist nicht so einfach, wie sie aussieht. Im ersten Augenblick wird jeder denken, sie sei es natürlich nicht. Wie ja doch nicht jedes Geschenk,

10 jede freie Gabe, eine Ehre bedeute, so gehöre es auch nicht zur

Ehrengabe, daß sie frei sei oder ein Geschenk darstelle; sie werde ost und vielleicht meist ein solches sein, brauche es doch aber nicht zu sein; Ehren könnten, ja sollten doch wahrlich verdient sein, könnten erworben, unter Umständen erzwungen werden. Der Tyrann, der siegreiche Feind habe doch oft gerade die bleiche Furcht, die Angst mit der die Gabe dargebracht worden, die Ab­ wesenheit aller Freiwilligkeit der Spendung als den eigentlichen Hochgenuß der Ehrung betrachtet. Aber damit ist die Sache nicht schlechthin erledigt. Andern wir die Fragestellung ein wenig: mögen Ehrungen erkauft werden? Ist es noch eine Ehrung dem Begriff und Wesen nach, wenn etwas, was in bestimmtem Falle eine Ehrung gewesen, in einem anderen Falle sachlich ge­ nau so durch Kauf jemandem zuteil geworden? Ist ein ge­ kaufter Titel noch eine Ehre? Der gekaufte wissenschaftliche Titel sicher nicht, aber auch der gekaufte geschäftliche Titel nicht? Auch er wohl sicher nicht, wenn nichts als Geld für ihn gefordert wurde. Aber wie wenn bei einem Kauf - irgend­ eines Gegenstandes — der kaufende nichts als eine Ehre für den Reichtum selbst, den er besitzt, im Sinne hat? Wer im­ stande ist zu kaufen, was niemand sonst kaufen kann, weil „niemand so reich ist", kann er nicht denken, daß er sich eine Ehre „kaufe"? Aber dann liegt das eigentliche Ehrenmoment an dem Kaufe doch eben in den Umständen. Und welche Um­ stände müssen vorliegen, wenn etwas Gekauftes nicht als bloßer Besitzwechsel, als bloßer Sacherwerb, sondern eben als ein Ehren­ erwerb, ein Erwerb, der Ehre bringt, Ehre bedeutet, erscheinen

soll? Die Antwort, die ich glaube geben zu können, führt doch wirklich an die Idee eines Geschenks heran. Die Ehrung ist nicht direkt, ihrem Begriffe nach ein „Geschenk", aber sie be­ hält stets ein Dergleichsmerkmal mit einem Geschenke. Das Grundmoment der Ehrung ist die Auszeichnung. Die Aus­ zeichnung kann nur vorgestellt werden als Herstellung eines Kontrasts, eines Abstands. Natürlich eines Abstands derart, daß jemand als der höhere, größere, der bevorzugte sich darstellt. Wem sich darstellt? Etwa schon der eigenen Personbeurteilung? Aber daß einer sich selbst als der höhere, bedeutendere, oder

11 wie man es ausdrücken will, erscheint, bedeutet doch in Wirk­ lichkeit keine Ehrung. Nein, eine solche kann nur durch andere bereitet werden. In der Einsamkeit sind Ehren nicht denkbar. Robinson konnte so klug und erfinderisch sein wie er wollte, erst als er seinen „Freitag" bekommen hatte, oder nachdem er von seiner Insel erlöst und in die Heimat, unter die Leute zurückge­

kehrt war, etwa beim Erzählen, konnte er Ehren ernten, wer in seinen eigenen Augen ein bevorzugter ist, wird Ehre heischen, wenn er kann, Ehre als verdient hinnehmen, wenn jemand sie ihm spendet, aber wenn er Ehren nur „beanspruchen" kann,

hat er sie eben noch nicht, wann ist denn die Spendung seitens eines anderen eine Ehrung, eine wirkliche, nicht bloß scheinbare, vorgetäuschte? Ich meine, nur wenn bei dem anderen ein wirk­ licher Eindruck von dem Vorzug jenes ersteren vorhanden ist. Und dieser Eindruck läßt sich nicht bestellen, er ist zwar nicht freiwillig, aber freiwüchsig, er kann durch Belehrung geweckt, aber doch nicht durch Verabredung oder wie ein Tauschwert beschafft werden. Vas ist dasjenige an der Ehrung, was sie immer irgendwie einer Schenkung ähnlich macht. wenn jemand aus dem Eindruck des Vorzugs, der Ausgezeichnetheit eines andern heraus durch irgendein Tun diesen Eindruck als solchen kund gibt, also an seinem Teile dazu mit­ wirkt, ihn als abstehend von anderen, hinausragend über andere hinzustellen, so ehrt er ihn, so bedeutet sein Tun dem Begriff und Wesen nach, so unwichtig, so sachlich inhaltlos es sein mag, eine Ehrung. Natürlich darf das Tun nur in dem Sinne sachlich inhaltlos, als Gabe etwa materiell mehr oder weniger wertlos sein, datz man zu anderem Tun nicht imstande wäre, oder weiß, daß der andere unter den gegebenen Umständen auf Geldwert kein Gewicht lege. Dann ist der Wille der Ehrung ausreichend als wirkliche Ehrung. Ein solcher Wille kann auch in der Furcht und Angst stecken und ihre Äußerung rein an sich zur Ehre machen. Den „willen" der Ehrung, mindestens den Eindruck der „Ausgezeichnetheit" kann auch etwa der bestimmte Rauf

jemandes erwecken: Der Rauf offenbart den andern seinen „Vorzug", seinen Abstand nach feiten seines Reichtums, wer zu imponieren vermag, gewinnt Ehre!

12 Man braucht den Abstand desjenigen, den man ehren will, nicht gerade an sich selbst, an der eigenen Person zu Konstatieren. (Es ist sehr wohl möglich, daß man sich selbst als höherstehend weiß und den andern nur im vergleich mit dritten in einem Abstande, auf einer höhe vor sich sieht. Nicht minder ist es möglich, daß man die Ausgezeichnetheit des anderen an einem Dienste erkennt, den er einem persönlich oder einem Ganzen, in das man sich mit einrechnet, leistet und in diesem Sinne das „Verdienst" ehrt, hieran wieder kann der Gedanke anschlietzen,

daß die Zumutung einer großen schweren Arbeit eine Auszeich­ nung bedeute. Auch Mühsal und Leid kann zur Ehre werden; wer da weiß, daß sie so gemeint sind, sieht auch in ihnen etwas wie Glanz: Das kärglich gelohnte travailler pour le roi de Prusse hat ehedem vielen rechten Preußen dafür ge­ golten! Aber kann ich mich wirklich nicht auch selbst ehren? Jeder von uns kennt doch die Rede, daß dieser oder jener „sich selbst ehrte", etwa indem er eine Arbeit, die niemand leisten wollte,

auf sich nahm, indem er, über eine Ungebühr hinwegsehend, sich hilfreich zeigte; besonders oft sagen wir, daß jemand sich selbst geehrt habe, indem er einen andern ehrte. Vas ist doch nur eine verkürzte Rede, lvir wollen da nur sagen, daß jemand von uns Ehren verdiene (für seine Dpferbereitschaft, seine vornehme Gesinnung, sein überlegenes sicheres Urteil, seine Neid­ losigkeit usw.); wir wollen dann oft zugleich andeuten, daß wir die Person zuvor nicht verstanden hätten, daß wir auch wohl nicht in der Lage seien, sie nun von uns aus durch besonderes

Tun zu ehren; oder wir wollen bezeugen, daß wir die Aus­ zeichnung empfänden, die in der wackeren Tat an und für sich liege. Wo immer wir in den Gedanken der „Ehrung" ein­ dringen, sehen wir in der Tat, daß die „anderen" es sind, die Gesellschaft, davon sie ausgeht oder worin sie zustande kommt. Je komplizierter und feiner die sozialen Verhältniße sind, um so mannigfacher und abgestufter sind die möglichen Motive und Formen des Ehrens geworden. Im psychologischen Sinne ist die Ehrung eine Lusterweckung, die nicht bloß darauf ba­ siert, daß normalerweise alles, was (nach welchem Maßstabe es sei) Glanz bedeutet, auch eine Freude für den Menschen ist,

15 sondern speziell darauf, daß das Individuum in einem für es vorteilhaften Gegensatze gezeigt wird. Dieses „Zeigen" kann

unter Umständen bewirkt werden, die einen Irrtum enthalten, objektiv und subjektiv, in der Person des Geehrten, dem keine wirkliche Ausgezeichnetheit eignet, oder dem aus Schmeichelei, vielleicht auch aus edleren, nur sachlich unzutreffenden Motiven eine Auszeichnung bereitet wird, in der Person der Ehrenden, die urteilslos sein mögen usw. Dem Begriffe nach bedeutet die Ehrung den Willen zur Anerkennung einer vorhandenen Ausgezeichnetheit durch eine Auszeichnung.

II. Der Weg, der in der Geschichte von den Ehren zur Ehre geführt hat, ist ein langer. Ich unterscheide fünf Faktoren, die dabei mitgewirkt haben: die Sitte und das Recht, ihnen zur Seite gehend irgendwie begründetes, verschiedenartiges Volks­ empfinden, von bestimmter Zeit ab die begriffliche Verarbeitung deffen, was wir Menschen in der Welt und unserer Geschichte er­ leben, nennen wir es die Philosophie; ich füge hinzu: stark auch die Religion. 1. Die Sitte ist die eigentliche Herrscherin in dem Ge­ biete der Ehrungen geworden, vielleicht ist keine $orm bloßer Rulturschöpfungen so früh zu einer reichen Fülle von Möglich­ keiten entwickelt gewesen als die der Ehrungen. Die Sitte hat dann nicht nur dafür gesorgt, daß das gesamte Gebiet der Kultur sich damit sättigte, sondern hat zugleich einer Menge einzelner Formen eine schier unverwüstliche Dauer gegeben. Auch an den Sitten der Ehrung kann man studieren, auf wie wenigen Grundelementen sich das Geschichtsleben erbaut. Diese Grundelemente lassen sich nur eben endlos variieren. Drei Dinge bilden, außer dem einfachen Jubel, die Hauptgestalten der Ehrung: die Gabe, das Merkzeichen, die Zeremonie. Daß die Gabe, das Geschenk, der Tribut, die erste oder die Grundform der Ehrbezeugung sei, glaubte ich vorhin ohne weiteres behaupten zu dürfen, wir werden uns das Motiv der Anerkennung einer Ausgezeichnetheit gewiß ursprünglich und auch

14 in der Gegenwart noch sehr oft nicht als ein selbstloses vorstellen dürfen. Auch wenn es sich um spontane Äußerung eines wirklich lebhaften Eindrucks von den Vorzügen eines anderen handelt, kann füglich der Nebengedanke eines zu erhoffenden Gewinnes

in dem Willen der Ehrung mitspielen, und daß dieser Neben­ gedanke leicht merkantile werte als zweckmäßiges Mittel der Ehrung mutmaßen läßt, daß er zumal ursprünglich oft solche an die Hand gegeben hat, verstehen wir. Aber auch ganz abgesehen von den Antrieben einer do ut des-politik, verstehen wir die Gabe

als eine immer sich wiederholende, Keinem Nulturstadium fremde Form der Ehrung. Es wäre eine Frage für sich, wie es komme, daß die religiöse Gabe, das Gpfer (es ist nicht immer bloße Ehrengabe), seltener selbstlos gespendet wird als die Ehrengabe

unter Menschen; die letztere ist zweifellos sehr ost einfacher Dank ohne weitere „Absicht" und „Hoffnung". Soll es sich mit Bewußtsein um Dank bei der Auszeichnung handeln, so liegt die Vorstellung, daß man (nicht „bezahlen", aber) „lohnen" könne,

und eben durch Gabe „recht" lohne (Freude und Nutzen für den Ausgezeichneten in einem schaffen könne) nahe genug, um den

Willen der Ehrung in der Darbringung von Gabe auszudrücken. Und wie die Größe und die Schönheit, so kann die gewählte Eigenartigkeit der Gabe, unter Umständen die taktvolle verdecktheit ihrer Darbringung, die zartesten Nüancen der Auszeich­ nung, der individuellen Ehrung zum Ausdruck bringen. Vas Merkzeichen ist als Mittel der Ehrung ebenfalls be­ greiflich genug, zumal in seiner unmittelbarsten Form als Ab­ zeichen, das dem einzelnen zum Tragen verliehen wird, das ihn also sinnenfällig bemerklich macht als „ausgezeichnet". 3n Form

des besonderen Gewandes, eines eigenartigen Schmuckes ist es gewiß ein uraltes Mittel der Ehrung. Aber gerade auch die Gegenwart liebt es noch sehr und widmet ihm alle Aufmerksam­ keit und pflege. 3n gewissem Sinne ist jede Sondertracht, sofern sie Abstufungen unter den Menschen anschaulich macht, eine Ehren­ tracht. Die Rangunterschiede an sich bedeuten zwar nicht eigentliche Unterschiede der Geehrtheit, sie sind die unvermeidliche Begleit­ erscheinung jeder „Grdnung" einer Vielheit; ein Staat, ein Heer, eine geschäftliche Betriebsgemeinschaft kann nicht ohne Ausstellung

15 von Leitenden und Geleiteten, höheren und niederen Beamten gedacht werden. Der Gehorsam, der den Vorgesetzten gewidmet wird, ist nicht gemeint als „Ehrung", so sicher es zur „Ehre" der Obrigkeit gehört, daß ihr der Gehorsam für gewöhnlich an­ standslos erwiesen und unter gegebenen Umständen nur in „ge­ ziemender" Form, d. h. nicht ohne „Ehrerbietung" geweigert werde. Es ist Sache jedes Beamten an seiner Stelle, in seinem „Range", sich so zu betätigen, daß er sich - gemessen an einer „erforderten" Durchschnitts- oder doch Mindestleistung — erkennbar „auszeichne" und dadurch einer „Ehrung" wert werde. Nimmt man an, daß die Beförderung zu höheren Stellen innerhalb einer Ordnung schon eine Auszeichnung bedeute - und das darf man, ja überhaupt die Zulassung zu einem öffentlichen obrig­ keitlichen Amte ist eine Ehre, eine „Auszeichnung", freilich nur in dem Sinne, daß sie die nicht jedem eignende Tauglich­ keit zur Wahrnehmung einer Gewalt für den betreffenden doku­ mentiert — so mag die Sondertracht, die jeweils dem „höheren" zusteht, letztlich jede Amtstracht (des „Königs Rock"), schon eine Ehrung heißen. Aber auch nur in diesem relativen Sinne ist die Sondertracht an sich eine Ehrentracht. (Das schlichte Bürgerkleid ist dann für den, der in seinem Berufe „tüchtig" ist, auch ein „Ehrenkleid".) Dagegen oder daneben haben sich als

Mittel der spezifischen Ehrung vielmehr besondere Abzeichen an der Tracht herausgebildet (ich denke natürlich an die vielerfreuen­ den Orden u. dergl.). Jedes Volk, zum mindesten jedes Kultur­

volk, Kennt das Abzeichen als Ehrung. Der materielle wert eines solchen spielt großenteils keine Rolle (so gewiß er hinzu­ treten und dem Merkzeichen den Rebencharakter der „Gabe" verleihen Kann): Der olympische Fichtenkranz war dem Griechen das höchste Ehrenzeichen, das er gewinnen mochte. Künstlerische Interessen können sich an die Form heften, die für das Zeichen gewählt wird — sie mögen helfen, dem Zeichen das sinnenfällige Merkmal des Glanzes, der Pracht zu verleihen -, auch sie sind doch die Nebensache: die einfache Kennzeichnung der Person als „ausgezeichnet", als sich abhebend von andern, zumal auch von den ihr nächststehenden, ist die begriffliche Grundlage für den Charakter des Abzeichens als Ehrung.

16 (Eine uns sehr geläufige Hrt der ehrenden Kennzeichnung ist auch der „Titel". Htt sich ist der Titel wie die Sondertracht

nur die Markierung einer Stellung, eines Amts und fällt inso­ fern unter die oben gebotene Beurteilung der Rangstufen. Wie wir daneben das Titelwesen als Mittel der Ehrung im eigent­ lichen Sinne kennen, in jener eigentümlichen Form, daß jemand einem bestimmten Amtsträger fiktiv gleichgesetzt wird, auch die Beilegung von Prädikaten (Majestät, Hoheit, Exzellenz, Magni­

fizenz usw.; das Adelsprädikat, die bloße Nobilitierung des Na­ mens sei hier miterwähnt), diese abstrakten Tharakterisierungen

sind wohl jung; ich muß bekennen, daß ich nicht weiß, wie es damit etwa in Lhina steht, für uns Europäer gehören speziell die Prädikate zum Erbe von Byzanz. Daß einer zum „Ge­ heimen Rat" ernannt wird, ohne daß er im mindesten irgendwo im geheimen etwas zu raten hat, ist meines Wissens freilich noch viel später aufgekommen (wohl nicht vor dem siebzehnten Jahr­ hundert, wenn nicht erst im achtzehnten). Letztlich verstehen wir die

Ehrung durch an sich „leere" Titel u. dergl. doch wohl und brauchen sie nicht als Wunderlichkeit zu belächeln. Sie ist in gewissem Maße verwandt mit der Verleihung von „Ehrenmitgliedschaften", die

die verschiedenen Körperschaften, Vereine usw. zu beschließen pflegen. Man kann ja zuweilen fragen, wer eigentlich der Lhrenträger bei solcher Verleihung sei, die Körperschaft oder ihr „ehrenhalber" angegliedertes Mitglied: war es für die Universi­ täten oder für Bismarck die höhere Ehre, wenn jene diesen zum Doctor honoris causa „promovierten" ? Vie anerkannt höchste Form der Ehrung jemandes durch ein „Merkzeichen" ist die Errichtung eines dauernden Gedächtnisses an

ihn, des Denkmals. Die Griechen kannten als eine reguläre Art von Ehrbezeigung auch das solenne „Ehrendekret", das mit rechtlicher Wirkung für jemand eine Ehrung, die Errichtung seiner Statue oder sonst eines Monuments auf dem Markte, im Tempelbezirk, vielleicht auch an dem (Drte seiner Taten, auf dem Schlachtfelde, anbefahl, dazu die stilisierte „Ehreninschrift". Mutatis mutandis hat sich auch von diesen letzteren Formen der Ehrung vieles zu uns herübergepflanzt: das Ehren diplom, bie „Adresse", die „öffentliche Belobung", die Gedenktafel usw.

17 Am merkwürdigsten ist das Zeremonienwesen. (Es hängt ursprünglich mit dem Feste zusammen. Aber wenn das Fest nicht bloße Schmauserei, also Darbringung schmackhafter Gabe war, worin beruhte seine Lust? Und wie ward seine Lust der Träger der Empfindung von Ehre? Wie kam der Wille der Auszeich­ nung vollends dazu, die Zeremonie, die symbolische Verrichtung, den besonderen Gestus, die eigentümliche Art der Uörperhaltung, der Bewegung usw. zu verselbständigen und wie ein spezifisches Mittel seiner Äußerung zu behandeln? Ich darf mich natürlich

nicht auf genauere psychologische Erörterungen einlassen. Kein Zweifel, daß überall Kontrastempfindungen die Grundlage sind. Die besondere Bemessenheit des Verhaltens gegenüber der „ge­ wöhnlichen", formlosen, bloß impulsiven, an sich ja vielleicht em­ pfindungsreicheren Stimmungsäußerung gibt hier der Situation

den Charakter von bewußt auszeichnender Unterschiedlichkeit. Früh­ zeitig hat dann gerade hier auch die Kunst begonnen mitzu­ wirken und der Zeremonie, zumal der Festfeier mit Musik, Tanz und Lied einen seelischen Reiz zu vermitteln, der die feinste geistigste Lust der sinnenfälligen Geehrtheit auslöste. Es ist nicht zu verwundern, daß die Zeremonie besonders die Form geworden, in der der Mensch die Gottheit ehrt. In der künstlerisch ver­ edelten Zeremonie findet letztlich auch die Trauer — um einen Toten etwa - ein besonders sicheres Mittel, sich zu sinnvoller Ehrung zu erheben?

In der Verallgemeinerung, wenn man will vulgarisierung der Ehrungen durch Sitten hat nach historischer Erfahrung ein starkes Erziehungsmittel der Menschen für die Ehre ge­ legen. Durch sie verlor die Ehrung den Charakter der Außer­ ordentlichkeit und wurde zu einem Momente des alltäglichen Lebens. Besonders die Zeremonie hat als Etikette oder ein­ fache Verkehrsform, die das Benehmen bis hin zur Begegnung auf der Straße regelt, wie eine heilsame Disziplin gewirkt, von früh auf lernte jeder sich zu merken, was den Göttern gebühre, den Fürsten, den Eltern, den Gästen. Das hat die Autoritäts­ verhältnisse gestärkt. Aber schließlich hatte jedes Glied eines Volkes oder Hauses seinen Anspruch auf ganz besttmmte Behand­

lung nach Stand, Alter und Leistung. Kattenbusch, Ehren und Ehre.

Auch der geringe Mann 2

18 erfuhr, daß ihm ein Matz von Ehre zugedacht sei. Immer blieb dabei doch für den einzelnen die Möglichkeit, datz ihm die Ehrung versagt wurde. So lernte er Ansprüche an sich selbst stellen, um sich auszuweisen als einen, der Anerkennung an seinem Platze fordern dürfe. Der Gedanke, datz zur schlichten Vürgermätzigkeit Geehrtheit mitgehöre, ist der bedeutsamste Ertrag der Ausgestaltung der allgemeinen sozialen Ehrensitten? In­ mitten der vielen „gewöhnlichen", kleinen Ehrungen blieb Raum

genug für die besondere grotze Ehrung, nur datz ihr fortab der Gedanke des Ruhmes entsprach. Traten Ehre und Glanz in gewisser Weise auseinander, gesellte sich der Glanz wesentlich nur noch zum Ruhme oder zu der spezifisch überragenden Stel­ lung, so traten dagegen Ehre und allgemeines Ansehen in ein geschwisterliches Verhältnis. 2. Was in der Sitte sich entwickelte, fand im Rechte viel­ fach seine Sicherung! Vas Recht hat sich als solches erst heraus­ gearbeitet, als der Gedanke sich einstellte von Formen und Gütern des Lebens, die sein sollen. In dem Matze, als das System gegenseitiger, abgestufter Ehrungen sich ausbreitete und der Gedanke von „bürgerlichen" Ehrenansprüchen sich entwickelte, fand das Recht auch an den Ehren einen Gegenstand, dessen es sich annehmen mutzte. Es ist dem Rechte freilich je länger je

schwerer geworden, dem Ehreninteresie der Menschen gerecht zu werden. Venn es selbst bedeutet Zwang, in dem Begriffe der Ehrung aber liegt, wie ich andeutete, ein Moment von Freiheit und Inkommensurabilität. Vie Gesellschaft, der „Staat" kann daher zwar frei entstandene Ehren schützen und selbst Ehren gewährend auftreten, kann aber die Ehrung weder ganz an sich ziehen, noch sonstwie ganz beherrschen. Es bleiben immer Sphären übrig, die das Recht höchstens indirekt beeinflussen kann. Je sensibler das Individuum in Ehrensachen wurde, um so hilf­ loser wurde das Recht vielfach, wir empfinden das noch alle Tage. Aber das schlietzt nicht aus, datz das Recht der Entwick­ lung auch hier grotze Dienste getan hat. Am wichtigsten war die Erkenntnis, datz das Recht sich die Aufgabe zuschreiben dürfe, ja, um der Gesamtheit willen, der es diene, zuschreiben müsse, die Ehrenansprüche der einzelnen weithin im Entstehen, mehr

19 noch im weiteren Bestehen einer Prüfung nach allgemeinen Normen zu unterstellen. Speziell am römischen Recht ist die Tendenz auf Schutz wohl erworbener, gegebenenfalls der ererbten Ehren zu erkennen

und dagegen die auf Unterdrückung solcher Ehrenansprüche und Minderung solcher Ehren, die nicht von entsprechender Ausgezeichnetheit der Person getragen würden. Die Ausgezeichnetheit war dem Recht ursprünglich gegeben, nicht sowohl mit besondern Eigen­ verdiensten einzelner, als mit dem Adelstände, dem Patriziat der Familie. Aber jedes Glied der Volksgemeinde, der „Bürger" hatte dann die angeborene „Ausgezeichnetheit" erlangt. Das Recht forderte nun doch für die Zubilligung von Ehren (nicht nur beim Adligen, vielmehr überhaupt beim Bürger, beim Adligen nicht weniger als bei jedem freien Bürger) ein Mindestmaß auch von selbsterzeugter „Rusgezeichnetheit", sagen wir von in­

nerer Vornehmheit, gesinnungsmätziger Brauchbarkeit. Es erhob seine Forderung in Form ausschließender Rategorien, durch

Feststellung disqualifizierender Merkmale, was ich meine, betrifft die Unterscheidung und Verbindung von honor und existimatio. Der honor erscheint in den honores, und diese sind

vor allem die staatlichen Ämter und bestimmte rechtliche Funk­ tionen. Nur wer die existimatio besaß, den Status illaesae dignitatis, den Gesetz und Sitte umschrieb, d. h. wer ein un­ geschmälertes Ansehen seiner Person unter dem Gesichtspunkt, daß ihr zweifellos volle Staatstreue und Rechtsgesinnung innewohne, zu behaupten wußte, wurde zu den honores zuge­ lassen. Es handelt sich in concreto größtenteils um politische (juridische) Interessen. Aber die staatliche, rechtliche Gesinnung ist nur relativ zu unterscheiden von der moralischen. Und mo­ ralische Maßstäbe, Unterscheidungen von sittlicher Art, anhebend bei der ignominia und turpitudo, der Schimpflichkeit eines „recht­ lich" nicht verbotenen Tuns, bis zu der nota, oder levis macula,

der Ungehörigkeit, wie das vielleicht zu übersetzen ist, hatten auch einen praktisch bedeutsamen Spielraum bei der Beurteilung der Personen und ihrer Tauglichkeit für die honores. Wir emp­ finden heute die römisch rechtlichen Bestimmungen über Ehrver­ letzungen, freilich nicht sowohl die, welche die Person durch

2*

20 eigenes Tun sich zufügt, d. h. wodurch sie sich selbst um ihre existimatio bringt (wie das Rechtsverfahren letztlich nur eben konstatiert), sondern diejenigen, die einem andere böswillig zufügen, als noch unzulänglich. Aber die Hauptsache ist, daß das römische Recht so klar damit vorgegangen ist, allgemeingültige, sichtende Maßstäbe mit Zwangskraft, und das will heißen mit sehr eindringlicher Lehrkraft, in das Gebiet der Ehren einzuführen. So haben die Römer erreicht, daß die Idee der „bürgerlichen Geehrtheit" sich über die konventionelle, private Sphäre hinaushob? 3. Wenn ich auch des altgermanischen Rechtes gedenke, so geschieht es, weil ich damit zugleich dem individuellen volksempfinden die Aufmerksamkeit meine gewinnen zu können, die ihm in der Geschichte der Ideen über die Ehre gebührt. Es ist ja bekannt, daß am Ausgange des Rlittelalters das römische Recht in Deutschland rezipiert wurde. Sind unserem Volksleben damit viele heilsame Rechtsbegriffe und Rechtsformen zugewachsen, so doch auch viel Störung und Verwirrung. Insonderheit hat unser Volk sich in seinen Gedanken über die Ehre am römischen Rechte nicht wirklich zu klären gewußt. Sehe ich recht, so handelt es sich dabei um Unterschiede der geistigen Disposition der Römer und Germanen, die gewiß nicht einfach unüberwindlicher Art, nicht einfach durch die „Natur" gestiftet sind, die aber da, wo die Völker sich in der Geschichte treffen, schon so fest geworden waren, daß sie bis auf weiteres nur als Gegensätze sich auswirken Konnten, vielleicht nähern wir uns jetzt einem Ausgleich. — wenn ich die Stelle des römi­ schen Rechts in der Entwicklung des Ehrenlebens hauptsächlich von da aus bestimmte, daß es (zuerst) Ehren und Ehrenwert heit in feste, objektive (letztlich prozessualisch regulierte) Beziehung brachte, so ist das dem germanischen Rechte nicht an sich fremd, nur daß alle konkreten Formen hier andere sind. Wenn auch das germanische Recht Ehren und Ehrenwertheit verknüpft, so sind zunächst schon die Vorstellungen von Ehren anders, vor allem aber auch die von Ehrenwertheit. Was dem Germanen eine Ehrung war, bedeutete dem Römer vielleicht nur wenig. Sicher ist, daß dem Germanen die „Ämter" und die Ausstattung mit „politischen" Befugnissen nicht ebensoviel im Sinne der Ehrung

21 bedeuteten, als dem Römer. (Oder jedenfalls, daß er die Schätzung, die er einem „öffentlichen" Amte entgegenbrachte, ganz anders

innerlich bei sich begründete. Seine Gedanken über Ehren waren in gewißem Sinn umgekehrt orientiert, als die des Römers. Das ist nicht bloß als historische Tatsache zu behaupten und mit kühlem wissenschaftlichen Interesse festzustellen, sondern das wirkt noch bei uns fort. Rlle Volker, die mit germanischem Blute gemischt, durch germanisches Recht „belehrt" sind, haben von da einen solchen Einschuß in ihrem gemeingültigen Ehren­ wesen, daß sie bei vielen Differenzen im einzelnen doch dem rö­ mischen Empfinden gegenüber sich relativ einheitlich abheben. Es handelt sich um das Gepräge von Subjektivismus und Gefühligkeit, das die germanischen Begriffe von Ehren, Ehre, Ehrenhaftigkeit aufweisen. Fassen wir alles zusammen, was wir von Äußerungen des subjektiven Ehrgefühls bei den Römern kennen, so ist nicht zu bezweifeln, daß es - in der klassischen Zeit, aber nachgewirkt hat diese noch lange in der Raiserzeit - sich besonders in poli­ tischer Ehrenhaftigkeit dargestellt hat. Vie Romer sind gute Lehrmeister geworden für das, was die „politische Ehre", die „Ehre" des „Politikers" fordert. Richt als ob sie als Privat­ leute stumpf in Sachen der Ehre gewesen wären, aber sie sind da nicht originell. Dagegen den Charakter der ehrwürdigen politischen Persönlichkeit, des vorbildlichen Beamten, des nicht streberhaften und doch hochtrachtenden Mannes der Öffentlichkeit, des „intakten" Parteiführers (wir würden heute sagen „Parlamenta­ riers"), haben recht eigentlich sie herausgebildet. Die Germanen haben den Charakter des fteigestellten und doch durch festen Maßstab gebundenen Ehrenträgers gebildet. Der „Mann" als solcher ist

ihnen Subjekt und Gbjekt aller Ehre, vielleicht treffe ich den besten Ausdruck, wenn ich sage: nicht die politische, sondern die

gesellschaftliche Persönlichkeit sei es, die bei den Ehrerwägungen des Germanen in Betracht komme. Vie römische Idee von Ehre geht in persönlicher Erscheinung über in die der Würde (dignitas, auctoritas, gravitas), die germanische in die der Reizbarkeit.

Der römische Inhaber von honores ließ sich leiten von verstand und Wille, von objektiver, immer letztlich juridisch sich zuspitzender

22 Formel über das, was an persönlichen (Qualitäten zu seiner Stel­ lung „gehöre": er stritt, wenn's darauf ankam, im Prozeß wider die Verleumdung (calumnia) um seine existimatio und fand eventuell sein Genüge in dem Entscheid des Richterspruchs zu seinen Gunsten, gleichgültig ob er „Knklang" fand. Der ger­ manische Ebeling war, wie der einfachste Bauer, beherrscht von starkem, tiefem, erregtem Gefühl, wenn er geehrt wurde oder in der Gefahr einer Schande stand - und er fühlte sich ab­ hängig von der Gesinnung seiner Genossen gegen ihn. Der Römer konnte für seine Selbstbeurteilung, wenn er sich von schimpflichem Tun frei wußte, über die „Volksstimmung" hin­ sichtlich seiner Person (die aura popularis) hinwegsehen, der Germane nicht? Die Methoden des deutschen Rechts, den „Bescholtenen" zu rechtfertigen, — vor sich selbst zu rechtfertigen,

ihm selbst den Mut zu erhalten, daß er an sich „glaube" gehen alle darauf hinaus, die „andern", die Standesgenossen, die Volksgenossen zu „überzeugen", daß es recht um ihn stehe, daß

Und alle Ehrung wird recht eigentlich wenn man's nicht Über­ treiben will, darf man sagen: für den Germanen sei in allen Ehrenfällen entscheidend, nicht das „Erwägen" der „Sache", sondern der Blick in die herzen derer, zu denen er sich rechnet (der Glieder seines Stamms, seines Standes). So sind die Germanen, er der „Ehre" wert sei.

als Spendung der Genossen gekostet,

vor andern, scheint mir, wir Deutschen, diejenigen geworden, die die intimsten Formen der Ehrung aufgebracht haben, auch die individuellsten, deshalb oft bis zur Rleinlichkeit abgestuften. Zu­ gleich sind sie diejenigen, durch welche die Geschichte der Ehre so weithin eine Geschichte persönlicher Leiden geworden ist.10

4. Des Beitrags, den die Philosophie zu der Entwicklung der Ehrbegriffe beigesteuert hat, mögen wir uns (im Schema) im Hinblick auf die Griechen entsinnen.11 Ich beziehe mich da in

der Rürze auf das stoffreiche Werk von Leopold Schmidt über die „Ethik der alten Griechen". Es hat den Vorzug, nicht bloß die Theorien, die die Griechen über die Ehre ausgebildet haben, vorzubringen, sondern auch an lebendigen Proben des Emp­ findens und Tuns aller Schichten des Volks zu zeigen, wie es über die Ehre dachte, was mich hier interessiert, sind aber

23 doch gerade die von den Griechen vielfach auch angestellten, ein­

dringlichen Überlegungen dessen, was mit der Ehre zusammen­ hängt?^ Schmidt wird nicht unrecht haben, wenn er die „Ehr­

liebe" als eine der stärksten Triebfedern in dem Gemeinleben des großen Volkes schildert. Lr meint, „im ganzen" habe der Hellene von der Vorstellung nicht zu lassen vermocht, daß „das Streben nach Geltung und Ehre das menschenwürdigste sei, das es gebe". Vie Hellenen waren das Volk der Wettkämpfe. Ja was ist bei ihnen nicht in der Form der „Wettkämpfe" gepflegt worden! Mr alles und jedes gab es Preise, selbst für die Schön­ heit alter Männer und für die Schönheit des Küssens von Seiten der Knaben! Vie Denker des Volkes, mindestens feit Plato und Aristo­ teles, die Dichter ebenso, haben scharf die vielerlei möglichen Arten der Ehre und des Ehrtriebs ins Auge gefaßt und geprüft, sie haben in reicher Mlle die Nüancen, die dabei in Betracht kommen, be­ obachtet: die kleine, viel verstreute Ehre und Auszeichnung und ihr gegenüber den eigentlichen Ruhm, ihn wieder in allerlei Mrm, den Ruhm, den die raschentflammte Menge bereitet und den die Sachkenner spenden, den Ruhm im Leben und den bei der Nachwelt, die Berühmtheit des echten Helden, des einsam aufragenden großen Mannes und den eines herostratos, der den Frevel nicht scheute, in den herrlichsten Tempel von Ephesus die Brandfackel zu werfen, nur um von sich „ewig" reden zu machen. Sie haben sehr genau unterschieden zwischen Ehrliebe und Ehr­

sucht, Ehrtrieb und Ehrgeiz, Ehrgefühl, Ehrerbietung, Ehrfurcht. Unter den Ausdrücken aidmc (Aidos) und cdcxüvr) (Aischyne) befassen sie so viele Schattierungen der Lhrgesinntheit, daß man ost kaum ganz zu übersetzen vermag, was der Schriftsteller meint. Und welch ein Leuchten geht aus von dem Ideale des mit Recht geehrten Mannes, das Aristoteles in dem Bilde des jueYaXoqiuxoc (Megalopsychos) vergegenwärtigt, des Mannes „mit der großen Seele", mit dem tiefen Stolze, den Armseliges nicht berührt, der

nur hohes sinnt und für es sich einsetzt!

Sie waren schon sehr feine Psychologen, die Griechen, und wir können uns nur freuen, wenn unsere Jugend noch etwas mitbekommt von dem hauche desien, was ihnen wie wahre Ehre erschien."

5. Aber muß ich, wenn ich solchen Wunsch hege, mich nun

24 nicht als Theolog dessen erinnern, wie gleichgültig das Evan­ gelium gegen alle Ehren sich stellt? Muß ich nicht, wenn ich nun den letzten entscheidenden Fragen entgegengehe, die zu mei­ nem Thema gehören, mit einer Klage anheben, daß das Lhristentum, ich meine nicht das vielfach deklassierte, oft unheimlich auf Ehren bedachte Thristentum der langen Zeit, die uns von Jesus trennt, sondern das Christentum, welches sich auf das Evangelium besinnt, von Ehre nichts wissen wolle? Indes ich habe vielmehr wissenschaftlich ein sehr gutes Gewissen, wenn ich sage: Vie kennen den Mann, welchen gläubige Christen ihren Herrn nennen, nicht wirklich in seiner Art, welche meinen, daß ihm Ehre überhaupt nichts bedeutet habe. Nein, auch die geschichtliche Religion, unter deren Einwirkungen die Begriffe unserer Gesellschaft stehen, hat gerade von ihrem Ursprünge her in Bezug auf die Würdigung und die Deutung dessen, was Ehre ist, einen großen Einsatz zugute. Nietzsche hat ja gemeint, das unedle Geheim­ nis der Macht des Evangeliums aufgedeckt zu haben, das Ge­ heimnis der Umdeutung des Sklavensinns in Herren sinn. Lassen wir die erste Hälfte dieses Gedankens einmal auf sich be­ ruhen und halten wir uns nur an die zweite, so hat das Evan­ gelium doch eben auch nach Nietzsches Eindruck Herr en sinn ent­ bunden. Und wahrlich als einen Herrn, als der Könige größten hat sich der empfunden, dem nichts für die Hoheit seiner Hrt ein entsprechender Ausdruck war, als die von himmlischem Glanze umstrahlte messianische Krone. Aber freilich der Himmels­ glanz war ihm nicht ein unerhörter Erdenglanz, sondern ein Glanz im Reiche der Geister, die befreit werden sollten von allem bloß gleißenden Erdenglanz. Ich kann hier kein eigent­ liches Charakterbild Jesu entwerfen wollen. Aber ich erlaube mir in meinem gegenwärtigen Zusammenhangs auf Jesus kurz­ weg den Titel des Megalopsychos unter denen, die reines Her­ zens sind und darum Gott schauen, zu übertragen. Daß Hoheit in Reinheit auf seiner Stirn throne, hat in seiner Zeit auch der Römer Pilatus empfunden. Überhaupt wer wird ihn in seiner Falschlosigkeit als Person wegweisen wollen aus der Halle derer, die zu Fürsten über die Geister emporgestiegen sind? Das hat auch Nietzsche nicht gekonnt und nicht gewollt; sein Lvange-

25 lium hat er bekämpft als das Gegenteil einer wirklich „frohen" Botschaft für die Menschen, aber ihm selbst hat er Hoheit zuge­

standen und eine königliche Art: wie hätte er sich sonst mit ihm vergleichen mögen als der „Antichrist"? Ich glaube nicht, daß der Antichrist den Christ besiegen wird. Venn anders noch als Ari­ stoteles hat Jesus von Größe und Hoheit der Seele zu reden gewußt. „Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme Schaden an seiner Seele?" 3m Menschen ist etwas, die „Seele" ist etwas, was an Wert von nichts er­

reicht, geschweige Überboten würde! Und Jesus hat dabei an einen eingestifteten Adel jeder Seele gedacht. (Es ist das rich­ tige an Nietzsches ingrimmig vorgebrachten Anklagen, daß das Evangelium dem kalten, harten Aristokratismus des Griechen­ tums, sagen wir überhaupt der antiken Welt, sich entgegen­ geworfen hat. Aristoteles hätte es gewiß nicht für möglich gehalten, daß ein Barbar, ein Sklave, ein Megalopsychos sei, vielmehr hat er deutlich den freien Vollbürger im Sinne, ja eigentlich nur den vornehmen Mann, der sich als solchen recht begreift, wenn er sich zu gut ist, um in schlaffem Genusse und in bloßem Scheine der Ausgezeichnetheit oder Ehre dahinzuleben. 3m Sinne Jesu ist jede Seele groß, wenn sie sich überhaupt als Seele erfaßt und es nur wagt, sich der Welt gegenüber mit ihm auf die Seite Gottes zu stellen. Jeden fordert er auf, sich nur zuversichtlich dem Wesen nach als „überweltlich" zu be­ urteilen. Seine eigene Person wußte er als „Gottessohn" (Mes­ sias) zugleich als das Urbild eines Menschentums, das wahrhaftig „Adel" trägt, den Adel solcher, die „zweimal geboren" sind, von Menschen nicht nur, sondern auch von Gott. Über das, was seine Seit Ehre nannte, war er hinaus. Aber er kannte sehr wohl auch „Ehre", nur eben auf seine weise. (Es ist eine re­ ligiöse 3ntuition, die Jesus mit dem Gedanken der Ehre ver­ bunden hat: Das Ehre bei Gott oder vor Gott haben, das ist, was ihm im entscheidenden Sinne Ehre dünkt. Wenn man so will, hat das Evangelium einen neuen Aristokratismus aufge­ richtet, den der „Rinder Gottes". Aber es hat diesen Aristo» kratismus so unbedingt verknüpft mit der 3dee der Liebesge­ sinnung gegen die Menschen, des vienenwollens auch ohne allen

26 Lohn, ohne alle Ehre von feiten der Menschen, daß sein KristoKratismus doch Keinen andern Hintergrund hat als den der ein­ fachen sittlichen Würde. Ich möchte ein antikes Wort und ein Wort Jesu neben einander stellen, vielleicht beleuchtet das die Stellung Jesu zur Ehre am kürzesten. Euripides läßt eine seiner Personen sagen, ohne daß das zu ihrer bloß individuellen Eharakteristik gehörte: nicht schlecht zu sein und dennoch in schlechtem Rufe zu stehen, das sei ein größeres Übel als schlechten Ruf mit Recht haben." Jesus sagt in der Bergpredigt

den Jüngern: „selig seid ihr, wenn die Menschen allerlei Übeies wider euch reden, so sie daran lügen" (Matth. 5, 11). 3u Unrecht eine Schmach tragen zu müssen, tüchtig zu sein und verachtet zu werden, das ist für Jesus kein Anlaß zu seufzen, sondern sehr

freudig zu werden. Ruch Athen hat einen Mann gehabt, der für einen solchen Gedanken erschlossen war, Sokrates, und ich lasse ihm alle Ehre, die ihm dafür gebührt! Wenn niemand zweifelt, daß Sokrates nicht stumpf war gegen die Empfindung der Ehre überhaupt, warum denkt man, daß Christ im Sinne Jesu sein bedeuten müsse, unempfänglich für Ehren überhaupt zu sein? Daß ernste, aber ängstliche Geister gemeint haben, sich auch verdienter menschlicher Ehren nicht freuen zu dürfen, bedeutet nicht das rechte, sondern ein Mißver­ ständnis des Evangeliums. Paulus schärst den Christen zu Rom ein: „Gebet jedermann, was ihr schuldig seid: (Steuer dem die Steuer gebühret), Ehre dem die Ehre gebühret" (Röm. 13, 7).

Das bedeutet zunächst: Christen haben jedem seine Ehre zu gönnen und zu geben. Vas heißt weiter: sie mögen sich auch selbst der Ehren freuen, die ihnen Zufällen, wenn sie ihnen zukommen. Sie sollen nur nichts um der Ehren willen tun und wissen, es gibt eine Ehre unter Umständen nicht trotz, nein vermöge er­ fahrener Schmach." Wenn Sitte und Recht, lebendige eigenartige Volksempfin­ dung und scharfe psychologisch-charakterologische Überlegung der Philosophen die Gedanken über die Ehre verbreitert und ver­ tieft, verdeutlicht und veredelt hatten, es ist doch der Religion vorbehalten gewesen, vollends herauszuarbeiten, was wir ohne Widerspruch jetzt schon lange gelten lassen, daß nicht nur Ehre

27 und soziales konventionelles Ansehen, auch nicht nur Ehre und Zeingefühl der Person für berechtigten Anspruch ihrer selbst und anderer an sie, sondern darüber hinaus Ehre und Gewissen, Ehre und um des Gewissens willen souveräne Selbstbehauptung

zueinander gehören. Ich meine, auch in Sokrates sei es das baifioviov (sein „Dämon", sein „Gott im Herzen") gewesen und vollends in Israel, dessen Propheten vor Jesus hergegangen sind, sei es die Religion, die erst die Tiefe und Lust dessen, was wahr­ haft Ehre ist, erschlossen habe.

III. Es erübrigt mir noch, eine systematische Zusammenfassung der Ideen zu versuchen, die die Geschichte entbunden hat. Vie

Zusammenfassung kann und soll auch zu abschließender Begriffs­

bezeichnung den Anlaß bieten. Zunächst eine methodologische Frage: ist es richtig, auf Grund geschichtlicher Orientierung über Begriff und Zusammen­ hang von Ehren und Ehre zu reden? Über den Begriff der Ehren habe ich ja auch schon zum voraus geredet und dabei schließlich eine Definition gewonnen (S. 8 ff., speziell S. 13). Aber die Ehrung, das Geehrtwerden, das Ehren bietet der begrifflichen Und nun haben wir doch wohl bemerkt, daß gerade die Geschichte es ist, die von dem Interesse an Ehren zu dem an Ehre hinübergeleitet hat, das erstere bei vielen einzelnen Menschen geradezu bedrohend, wenn nicht aufhebend durch Herausbildung des letzteren. Können wir nunmehr zum Schluffe einfach sagen, es gelte der Logik der Ge­ schichte aufzuachten? Jedoch was ist nach dem Zeugnis der Ge­ schichte Ehre im Verhältnis zu Ehren? wie bringen wir die Geschichte zum Sprechen, daß sie uns sage, was Ehre sei? Schleiermacher nennt die Geschichtskunde das „Bilderbuch" für die Sittenlehre, die letztere das „Formelbuch" für die Geschichts­

Deutung überhaupt nicht viel Schwierigkeit.

kunde. Es sei: wie lauschen wir denn der Geschichte ihre „For­ meln" ab? Was ist der Sinn der geistigen Kräfte, deren lebendiges Ringen sie uns hier zeigt? Welche innere Spannkraft ist es, die die Menschen bei Ehren sich nicht beruhigen ließ und doch letztlich —

28 aufs große geblickt - die Menschen nicht gleichgültig werden ließ gegen sie? Ich glaube nicht, daß es ein bloß individueller Ein­ druck von der Natur der Menschen ist, wenn ich meine, die Menschen werden auch sicher niemals gleichgültig gegen die Ehren werden. Aber wir alle sind zugleich von dem tiefen Wunsche und auch von der Hoffnung beseelt, daß doch die Ehre sich vollends dabei herausarbeite aus den Ehren. Geht es zwischen Ehren und Ehre fiir erstere nicht ohne viele „Wenn" und „Aber" ab, so können wir das verstehen. Aber Kraft welcher „Formel" über die Lhre?^ wir haben eine Reihe von Begriffen, die nicht nach der nächsten, gewöhnlichen Regel ihren Wortausdruck in einem Sin­ gular und Plural finden. Schon Kant hat darauf gelegentlich die Aufmerksamkeit hingelenkt. Er bespricht die vier Begriffe oder Worte: Einheit, Vollkommenheit, Wahrheit, Möglichkeit. Ich füge hinzu (andere werden sofort weitere wissen): Frei­ heit, würde, Herrschaft, Herrlichkeit, Andacht, Dummheit usw. Kant meint bei seinen vier Exempeln, daß überall klar sei, der Singular habe eine formale oder qualitative, der Plural eine materiale, quantitative Bedeutung. „Einheit im Singular! ge­ braucht ist qualitativ, im plurali gebraucht quantitativ. Quali­ tative Einheit ist wie der Grund des Ganzen, quantitative wie ein Teil des Ganzen zu betrachten. So kann man z. B. nicht sagen, die Wärme bestehe aus Lauigkeiten; man bestimmt also ihre Größe nicht nach Teilen, welche sie enthält, sondern nach den Wirkungen, welche sie hervorbringt, z. B. daß sie die Körper ausdehnt, und man kann ihr daher nicht eine eigentliche Größe beilegen, sondern einen Grad; die Einheit, die sich in ihr findet, ist also qualitative Einheit. Die Einheiten, aus welchen diskrete Größen (Zahlen) bestehen, sind quantitative Einheiten." An dem Begriff der „Einheit", der sich ja noch im besonderen mit dem des „Singulars" begegnet, ist der Gedanke, den Kant erfaßt hat, leicht klar zu machen; versuchen wir es einmal, ihn statt auf die Wärme, auf die Ehre anzuwenden?? Es leuchtet uns ein, daß die „Ehre" nicht in quantitative Einheiten aufzulösen ist, daß die „Ehren" nicht als „Teile" zusammen ihr „Ganzes" sind. Ja, es ist recht eigentlich das Ergebnis der Geschichte der Ehren unter den Menschen und der Entwicklung der Empfindungen ihnen

29 gegenüber, daß sie als kollektive Einheit nicht dem ganzen Be­ dürfnis, dem sie entgegenkommen, genügen. Umgekehrt gibt es eine Möglichkeit, nicht zwar die einzelnen Ehren (oder sie doch

nur unter besonderer Anwendung der Kategorie der qualitativen Einheit, nämlich auf jede für sich in ihrer Art), aber die eine „Ehre" nach dem „Grade" zu bestimmen. So werden wir sie auch dem Wesen nach an den „Wirkungen, welche sie hervor­

bringt", verstehen können. Und das ist nun wohl die Frage, um die es sich für uns handelt, ob wir nicht unter der „Ehre" das­

jenige zu verstehen haben, was als „Wirkung" der Person durch ihre eigene Haltung, ihre Selbstbeurteilung auf Ehrenwertheit und ihre Beurteilung der anderen auf Qualifikation zur Ehrung, den „Ehren" erst vollständig die (Qualität eben als solcher gebe. Wenn ich mich so ausdrücke, rechne ich ja mit einer unendlich variablen Größe, der der „Person". Aber letzt­ lich ist es einleuchtend, daß die Person den Ehren erst zubilligt, wieweit sie wirklich Ehren sind, nämlich für sie, die bestimmte Einzelperson, und daß diese von ihrer „Ehre", ihrem „Ehrgefühl"

aus die Entscheidung darüber fällt. Nun ist keine Person denk­ bar ohne die „Gesellschaft". Jede hat ihre Wirklichkeit nur in der Gesellschaft, und wie sie alles, was ihr die Gesellschaft antut, mit einem „Urteil" begleitet, so begleitet umgekehrt die Gesell­ schaft auch sie stets mit einem Urteil. Zu den „Urteilen" der

Gesellschaft über den einzelnen gehört das über seine „Ausgezeichnetheit", also das, woraus je nach den Umständen der „Wille zur Auszeichnung", oder die Ehrung entspringt. Es hat lange gedauert, ehe die Person sich in derjenigen Selbständigkeit, die das Vollbewußtsein ihrer Individualität ausdrückt, von der Ge­ sellschaft nicht abgelöst (das kann sie nicht und soll sie nicht ver­ suchen), aber in ihrer Selbstempfindung abgehoben hat, ehe sie, zumal in ihrer Selbstempfindung, der Gesellschaft gegenüber auch ihre Selbstverantwortlichkeit für alles, was sie tue und

an dem Tun anderer, speziell auch mit Bezug auf sie selbst, an­ erkenne, entdeckte und mit festem Willen bejahte. So ist das erste Stadium der Stellung der Menschen zu den Ehrungen seitens der Genosien die naive Hingabe daran, die ungeschmälerte, un­ geprüfte Freude über ihren Glanz gewesen. Das zweite ist der

30 Beginn einer Differenzierung gewesen, wo das Lhrverlangen, das an sich naiv (natürlich) ist, in sich selbst unsicher wurde, oder auch bei den Befriebigungen, die es erfuhr, ab stufte, bald sich wirklich für gestillt, bald mehr oder weniger für ungestillt, nicht „nach Verdienst" anerkannt erklärte. 3n diesem Prozeß ist dann

unter der Einwirkung all derjenigen Faktoren, unter denen die Menschheit ihre „Innerlichkeit" gewonnen hat, auch jenes innere Heiligtum der „Ehre" entstanden, in welchem der Mensch das rechte Gradabstufen mit Bezug auf eigenes und fremdes Ur­ teilen über „Ausgezeichnetheit" und „notwendige" Anerkennung derselben gelernt hat. Der Gedanke der „Ehre", das wäre das bisherige Resultat, ist der der qualitativen Norm der „Ehren". Entsprechend ist uns die Ehre praktisch, wenigstens der Absicht nach, die conditio

sine qua non der Ehren. Die moderne Gesellschaft, „unser" Kultur« kreis ist sich in der Tat darüber einig, daß Ehren nicht gespendet werden „sollten", wo Ehre nicht vorhanden ist, daß nur ein Ehrenmann ein geehrter Mann sein „dürfte". Die richtige Ver­

knüpfung der Begriffe von Ehren und Ehre ist dadurch erschwert, daß erstere der Außenwelt angehören, letztere in der Innenwelt des Menschen lebt. Aber die äußern Ehren haben ja einen Hinter­ grund an der Innerlichkeit derer, die sie spenden, an ihren Ein­ drücken und Urteilen, an ihrer Stimmung und Absicht. Und sie wirken hinein in die Innerlichkeit dessen, der geehrt wird! Um­ gekehrt hat die innere Ehre die Tendenz, sich zu dokumen­ tieren, sich in der Äußerlichkeit zu offenbaren und den „andern" dadurch das richtige Urteil zu ermöglichen. Man will sich nicht einfach „etwas bieten lasten", sich weder von freundlicher noch feindlicher Absicht ohne weiteres etwas „gefallen lasten". Die Ehre äußert sich natürlich unendlich verschieden, je nach der Person und nach der Situation, bzw. nach dem Urteil der Person über sie. Aber sie hat kein Interesse, sich verborgen zu halten, sich heim­ lich ihrer selbst zu freuen.18 Vie zu sittlichem Verständnis durch­

dringende Gesellschaft sieht an der Person, ttt der sich „Ehre" entwickelt und die sich damit verselbständigt gegen sie, ohne gleich­ gültig gegen sie zu werden, das lvunschziel des gemeinsamen Ehrenlebens sich verwirklichen. In dem Maße, als sich das Ehr-

31 gesühl in jedem einzelnen wie ein „Eigentum" herausgestaltet, gewinnt, daß ich so sage, die Gesellschaft als ganze ihre „Aus­ zeichnung", erhöht sie sich zu neuem Niveau ihres Lebens. Venn je mehr die Person zur „Ehre" emporsteigt, überwindet sie die Unfreiheit gegenüber der „ehrenden" Gesellschaft, ohne doch den Zusammenhang mit ihr zu verlieren. — Es ist keine Frage, daß unter uns Ehre und Gewissen sich begegnen. In vielen

Fällen ist es bei uns ebenso möglich, sich aus das Gewissen wie auf die Ehre zu berufen. Indes es dient doch der Klarheit, daß wir gewisse Grenzen zwischen beiden nicht übersehen. Wir können uns Situationen vergegenwärtigen, wo wir sagen würden: die Ehre gebietet dem Gewissen zu folgen, und andere, wo wir sagen würden: das Gewissen gebietet der Ehre zu folgen. Also Ehre und Gewissen gehen doch nicht etwa ineinander auf. Wer unter uns auf Ehre hält, wird nie ganz das Gewissen überhören. Wer unter uns Gewissen hat, wird noch sicherer nie die Ehre außer acht lassen. Es steht indertat so, daß das Gewissen die Ehre umfaßt, die Ehre aber nicht (vielleicht nur noch nicht) mit der gleichen Zwangskraft auch das Gewissen. Das gemein­ same zwischen beiden ist das Moment einer innerlich spürbaren „unbedingten Forderung". Vas unterschiedliche ist, soweit ich

sehe, gegeben mit dem spezifischen Zusammenhang, den die Ehre mit der Gesellschaft hat - den das Gewissen so nicht hat — und mit den konkreten Faktoren, unter denen sich der Ehrgedanke in der Gesellschaft entwickelt. Vas bedarf einer weiteren Erörterung und wird uns zu den letzten prinzipiellen Erkenntnissen hinüberführen. Vie Ehre kann definiert werden als die Geltung, in der wir stehen, nur daß wir bei denen, für die wir „gelten", an uns selbst als solche, bei denen wir auch gelten wollen, mit­ denken. Das letztere Moment rückt die Ehre mit der Selbst­ achtung zusammen und macht uns unter Umständen selbstherr­ lich in Ehrensachen. Aus Selbstachtung, aus Ehre können wir gegebenenfalls auf die höchsten angebotenen Ehren verzichten und das Ausbleiben verdienter Ehren verschmerzen. Indem wir uns über das empirische Urteil derer, mit denen wir in concreto zusammenleben, die uns Ehren antragen oder versagen, innerlich

32 erheben, sehen wir jedoch letztlich nicht gänzlich ab von dem Urteil

anderer über uns. Ich denke hier nicht daran, daß der Christ in seinem Glauben an Gott sich je nachdem die Schmach unter Menschen als Ehre vor oder von Gott anrechnet, vielmehr meine ich, daß wir auch ohne religiöse Reflexion da, wo wir in Ehren­

dingen keines der uns kund werdenden Urteile der „anderen" anerkennen, ihre Ehrung verschmähen, ihre Beleidigung verachten, uns innerlich getragen denken von der Zustimmung des ver­ borgenen Ureises der „wahrhaft Guten". Das stolze Wort ich weiß nicht welches Römers: nolo laudari nisi a laudato viro (nur wer selbst geehrt ist, soll mich ehren dürfen) und das noch stolzere jenes namenlosen Mannes im Neuen Testament, welches die „Schmach Christi" für „größeren Reichtum" erklärt als die „Schätze Ägyptens",19 sie sind beide umfaßt von der Zuversicht, daß die Sachverständigen in Ehrendingen den nicht mißbilligen, der sich im Widerspruch mit der „Menge" ein Eigenurteil über das, was Ehre für ihn sei, zugestehe. Indem ich soeben für bestimmten Fall den allgemeinen Ge­ danken der „Gesellschaft" ergänzt habe durch den eines idealen

„Ureises" in ihr, Kann ich nun Kurzerhand weiter darauf ver­ weisen, daß überhaupt die menschliche Gesellschaft nur in „Ureisen"

besteht und uns bei jedem Ureise unterscheiden lehrt zwischen seiner momentanen, zufälligen Art und seiner eigentlichen Idee und möglichen besseren persönlichen Zusammensetzung. Das gibt dem Gedanken der Ehre erst seine Lebendigkeit und die An­ schaulichkeit, deren wir praktisch bedürfen. Denn das ist nicht zu verkennen, daß unter „uns" - in der „westlichen", europäisch-amerikanischen Uulturwelt - eine Vielheit von Ehrbegriffen besteht, sofern wir uns nicht an die formale Bestimmung, sondern den materialen Gehalt dieser Begriffe halten wollen. Zwischen den Völkern, innerhalb der einzelnen Völker

zwischen den verschiedenen Ständen und Berufen, in diesen wieder nach einer Fülle besonderer Beziehungen, nach Alter und Ge­ schlecht, klaffen tiefe Gegensätze, vielfach freilich erkennen wir, daß die „Ureise" der Gesellschaft doch nicht einfach nebeneinander liegen. Manche verhalten sich offenbar konzentrisch zueinander

und unterscheiden sich nur dem Umfange nach.

Fast alle haben

33 Segmente miteinander gemein und gewähren also ihren Ange­ hörigen wenigstens einen Teilboden zur Begegnung, vor allem

aber stehen fast alle Menschen gleichzeitig und dauernd in meh­ reren Kreisen: in einem Volke, einer Familie, einem Stande steht so sehr die überwiegende Mehrzahl aller zugleich, daß auch daraus

ein Matz von Übereinstimmung trotz aller Unterschiede sich ent­ wickelt. Venn naturgemätz bieten die prinzipiell gleichgedachten „Kreise" eine relativ ähnliche „Schulung" in den Lebensbegrisfen und also auch im Ehrbegriff, vergessen wir letztlich nicht, datz trotz aller Sonderkreise die Gesellschaft, die „Menschheit" doch keine blos) „quantitative Einheit", keine bloße Zusammenstellung und Addition von Gruppen bedeutet, datz über allen natürlichen und geschichtlichen Differenzierungen eine qualitative Einheit der Menschen in ihrem „Menschentum" besteht, so werden wir uns nicht wundern, datz wir uns in Fragen der Ehre immerhin sehr vielfach auch treffen, uns oft plötzlich in überraschendster Weise einig finden, nachdem wir uns soeben noch in scharfen Gegensätzen erblickt hatten. Aber nun kommt als scheidender Faktor wieder das in Betracht, daß keiner der Kreise der Menschheit einfach stabil ist. 3n jedem gibt es Entwicklungen und damit Streitig­ keiten in Rücksicht auf die Ziele, die Güter, Aufgaben, Rechte, Pflichten, die gerade diesem Kreise eigen seien. Da erscheint immer wieder, wie mit Notwendigkeit, der Widerstreit der empirischen „Wirklichkeit" und der idealen, erstrebten „Wahrheit". Daran

setzen sich die Konflikte nicht sowohl zwischen den verschiedenen Kreisen, als vielmehr in intimster Weise in ihnen an. Immer wird es solche geben, die am Bestehenden, „Traditionellen" haften,

und solchen, die der Zukunft entgegenblicken, für ihre Person ein Urteilen und handeln vorwegnehmen, was den andern noch un­ gehörig, zu gleichgültig oder zu streng erscheint. Gerade in den Gedanken über die Ehre tritt das alles auch zutage. Und das ist dann oft das schwerste: datz der einzelne unter gegebenen Umständen gar nicht umhin kann, um seiner Auffassung willen von dem, was in einem Kreise zur Ehre gehöre, sich abzulösen von diesem Kreise und seiner „herrschenden" Menge. Nicht minder ist der Fall möglich, datz die verschiedenen Kreise, zu denen jemand gehört, auf bestimmtem Punkte für ihn anfangen, Uattenbulch, Ehren und Ehre.

sich auszu3

34 schließen, daß er sich gezwungen sieht, zu wählen zwischen ihnen, vielleicht den ihm sonst liebsten und vertrautesten Kreis zu ver­ lassen oder zu verleugnen. Wie aber soll einer sich überhaupt orientieren über das, was zur Ehre gehöre, „seine" Ehre sei, sein müsse in seinen

viel verschlungenen Beziehungen und seinen vielleicht verworrenen

Kreisen? hier erreiche ich den Punkt, wo ich glaube im relativen Sinn noch auf Neues in Hinsicht der Lehre von der Ehre auf­ merksam machen zu können. Die allgemeine Definition der Ehre als die „Geltung, die wir haben, in unserm Kreise (unsern Kreisen) und vor uns selbst", soll nicht etwa in Frage gestellt werden. Aber es mutz ernstlicher, als gemeinhin geschieht, zur Frage ge­ stellt werden, wie wir inne werden können, ob und wieweit wir Geltung zu beanspruchen haben. Uns einfach auf unser

„Gefühl" dabei zu stellen, geht nicht an. Denn der Gefahr der öden Eigenbrödelei und Nechthaberei, letztlich wohl gar der Idiosynkrasie, der krankhaften Reizbarkeit und unfruchtbaren Überstiegenheit müssen wir zu entgehen wissen. Nicht nur die Jurisprudenz hat das Interesse, einen deutlichen, praktisch an­ wendbaren Nlaßstab zu erhalten, wonach sie „Recht" und „Un­ recht" derer, die sich in Ehrendingen feindlich begegnen, unter­ scheiden könne. Ruch die Ethik, jeder von uns zu seiner Selbst­ beratung und zur ausreichenden Beleuchtung des Weges, den er

tatsächlich geht oder den er sich erspäht, hat Rnlatz, die Frage zu stellen, woran wir erkennen, was unsere Ehre ist und heischt. Es ist nicht gerade bedeutsam, ob wir die Ehre wie ein „Gut" ins Rüge fassen oder als eine innere „Haltung", ein Empfinden, einen Willen, denn sie ist letztlich beides. Sobald bei dem Gedanken des Gutes die Idee von etwas Ruhendem in uns oder um uns herum sich vordrängt, ist es nötig zu betonen, daß vielleicht nirgends so sehr als bei der Ehre das Wort von der Notwendigkeit des immer neuen „Erwerbens" als Sicherung

des „Besitzes" gelte. Andrerseits kann und darf uns im „Ehr­ gefühl" gegenwärtig sein, daß wir der Ehre, wenn's normal mit uns steht, nicht nur wie einer Hoffnung entgegenblicken und entgegenstreben, sondern sie in uns „haben". Und doch ist nicht

35 viel damit gesagt, wenn einer dapon redet, daß er Ehre „im Leibe" habe, sie also für sich selbst als Wirklichkeit sehr ver­ bürgt „besitze". Denn gerade nun fragt sich, wie es zugehe,

-atz sie so intim mit der Person verwachsen könne. Vie Antwort kann, jedem für sich Konkret und der Wissen­

schaft in Gestalt eines Schemas, nur die Analyse der vielen, über-, unter- und zueinander geordneten Kreise oder Beziehungen geben, in denen der einzelne steht und sich selbst besitzt. Diese Analyse wieder mutz ins Auge fassen, was für jeden Kreis ob­ jektiv den Wert begründet. Solange der einzelne in einem Kreise steht und zu ihm gehören will, mutz er diesen Wert kennen und anerkennen. Und je nachdem er entschlossen oder zaudernd, sicher und fördersam oder ungeschickt und gar storsam, ihn (den betreffenden Wert) mit seinem Willen sich aneignet, wird er teilhaben an dem, was seinen Kreis „auszeichnet", seiner Person in den Augen seiner Genossen Geltung verschafft, ihm auch in seinem Eigenbewutztsein Wert und „Ehre" gibt. Wer zu einem Kreise so gehören will, daß er darin nicht bloß „geduldet", nein als „vollgültig" betrachtet werde, gar wer darin voran­ leuchten und „geehrt" werden will, mutz sich solidarisch machen mit dem, was des Kreises „Wert" und Stolz ist. Lr mützte sich als Heuchler, als Feigling, als Schmarotzer erscheinen unter

seinen Genossen, wenn er nicht eintreten wollte für das, was doch zu ihm, wie zu jedem Gliede des Kreises „gehört", was gerade auch seinem Leben Gehalt und Form gibt. Nur in dem Illatze als er für unwert erkennt, was andern, etwa seinen

bisherigen Genossen als wertvoll erschien, mag, ja soll er sich von dem, was Ehre unter seinen Genosten bedeutet, zurückziehen, dann aber auch um seiner neuen „Ehre" willen auf sich nehmen, was zu tragen ihm nun wahrscheinlich gerade von eben seinen bisherigen Genosten zu dulden auferlegt wird. Wer in neuer Weise der Ehre eine Bahn brechen will, mutz auch INärtyrer zu werden wissen! Nur daran bewährt er sich als wirklicher Mann der bessern Ehre. Es ist ein fruchtbarer und hilfreicher Gedanke, datz die Ehre

sich innerlich bemesse an den Werten, durch welche die Kreise der Gesellschaft der Idee nach zusammengehalten sind, um welche 3*

36 sie sich in ihrem Bewußtsein sammeln. Denn damit wird die Ehre als tradierbar und im Zweifelssalle objektiv prüfbar erkannt. Ich brauche den Ausdruck „werte" nur, um in der

Kürze den Orientierungspunkt zu fixieren. Der „wert" kann gegeben sein in gemeinsamem historischen Besitz, nicht minder in Aufgaben, in Rechten und Pflichten. Er kann haften an den Personen, ihren individuellen Beziehungen und ihren ganz all­ gemeinen, menschlichen Beziehungen. Er kann von zufälliger und ewiger Begründung und Dauer sein. Er kann die einzelnen sehr fest oder auch locker verbinden, viel Raum lassen für ein Belieben der einzelnen und wenig. 6s wird vielleicht oft schwer sein, ihn völlig zu erfassen, ihn zumal dem Außenstehenden (ev. dem Richter) zu verdeutlichen. Das alles ist nur selbstverständ­

lich in einem reichen, komplizierten Rulturleben. Aber mit Hilfe der Reflexion auf dasjenige, was charakteristisch ist für das Sonderleben eines Kreises unter dem Gesichtspunkte seiner Selbst­ bewertung wird man die Möglichkeit finden, klarer als durch irgend etwas anderes zu erfaßen, was man in dem gegebenen Kreise Ehre nennt, Ehre nennen „muß". Natürlich kann die Gesellschaft als ganze, die „Menschheit" als übergeordnete Größe über all ihren Ausprägungen in Völkern, Staaten, Familien, Ständen nicht immer zugestehen und in Schutz nehmen, was der einzelne Kreis jeweils empirisch für einen Wert, seinen Wert, seine Auszeichnung und „Ehre" erachtet. Sie wird viele ver­ breitete Urteile für Vorurteile, ja für unerlaubte Ansprüche, für „Ungebührlichkeiten" erklären müssen. Wer es zugesteht — und die „Menschheit" auf ihrer geschichtlichen höhe, als christ­ liche Menschheit, gesteht es zu, — daß das Gewissen überall in der Gesellschaft mit im Rate sitzen müsse, daß das „Sitten­ gesetz" übergreife über alle Gesetze der bloßen Sitte, des zu­

fälligen Rechts, der historisch partialen Ideale, wer in diesem Sinne sittlich denkt, weiß, daß nicht jeder empirische, nicht einmal jeder ernstgedachte und innerlich seine Ehrgedanke einen Anspruch hat, geschont und gehegt zu werden. Er wird nur bedenken, daß, wenn selbst das Gewißen irren Kann und doch auch als irrendes noch etwas (Ebles und Großes ist, so auch der Ehrenwille, das Ehrgefühl, die Ehrenhaftigkeit, auch wenn der höchste und der

- 37 „richtige" dient?"

Gesichtspunkt

noch

mangelt,

immer

Achtung

ver­

Ich mutz es mir natürlich versagen, zu erörtern, wie wir von dem konkreten Matzstabe aus, den ich angedeutet habe, die einzelnen Formen von „Ehre", die uns geläufigerweise ent­ gegentreten, an denen jeder von uns nach seiner Person und Stellung Teil hat, zu fixieren oder zu kritisieren haben.. Es erhebt sich hier eine Fülle noch offener Fragen. Man kann verstehen, wie einer sich des Ehrgefühls meint entschlagen zu dürfen. Wer seine Sach' „auf nichts gestellt", wie der wackere Falstaff, mag wirklich denken, datz die Ehre ein „Nichts" sei, ein „gemaltes Schild beim Leichenzug "?* Wir andern, denen das Leben als

ernstes Ding erscheint, denen die großen Lebensgemeinschaften „etwas sind", werden uns besinnen, datz ein Mann wissen müsse, was Mannesehre sei. Wir brauchen und können dabei nicht verkennen, datz einer unter Umständen wohl zweifeln könne, was für ihn Mannesehre sei. Auch wer persönlich sehr klar darüber ist, was seine Mannesehre fordere (was er unter „Männern", unter

„Berufs- und Standesgenossen", unter solchen, denen das „Sitten­ gesetz" gilt, als einen wert, ein ideales Gut, einen unveräutzerlichen Anspruch anerkennen und verteidigen müffe), auch ein solcher wird es andern zugute kommen lassen, datz ihre Situation vielleicht eine dunkle, schwer zu beurteilende sei. von Frauenehre,

Familienehre, Freundschaftsehre gilt das gleiche. Die sittliche Erziehung, der „gesunde" Geist des Hauses, des Freundeskreises wird dem einen für immer eine güldene Mitgift sein. Dem andern mag ein trübseliges Erbe von ursprünglichen Beziehungen alle Instinkte verdorben haben. Unsere großen Standes- und Berufsgenossenschaften, Adel und Bürgertum, die immer mannig­ faltiger sich gestaltende Beamtenwelt, sie alle haben noch eine Aufgabe, festzustellen, wieweit sie in „rechten" Ehrbegriffen leben.

An sich sind es definierbare Realitäten, was wir Beamtenehre,

Gelehrtenehre, Uünstlerehre, Kaufmanns ehre, Soldatenehre, Ar­ beiterehre usw. usw. nennen. Überall darf es sich letztlich nur

handeln um Sicherung der sittlichen Menschenehre, der „Men­ schenwürde", aber es handelt sich darum in besonderen For­ men und an besonderen Aufgaben oder Werten?" Auch kann

38

Keiner unserer Stände und Berufe ohne weiteres ausjchalten, was ihm die Vergangenheit hinterlassen hat. Zu manchem Kreise gehört es, daß jedes Glied mit seinem Ehrbegriff sich dem per­ sönlichen Urteil gerade der momentanen Genossen unterstellt. Das ist überall da im Prinzip berechtigt, wo die Kameradschaft als solche den Nachdruck trägt (z. B. in einer Schule). Auch da, wo spezifisch persönliche Eigenschaften, wie der Mut, eine Hauptsache

sind, z.B. im Militär: ein Soldat, ein Offizier darf niemandem, am wenigsten seinen Kameraden, verdächtig sein, daß er für sein Leben fürchte. (Ich rechtfertige damit nicht etwa das Duell, aber ich weiß es von da aus selbst bei christlich gesinnten Offizieren, Edel­ leuten u. a. doch in gewissem Matze zu würdigen!)^ Die Reiz­

barkeit unserer Studenten in ihren Ehrideen gerade auch von Person zu Person ist sehr verständlich und sie könnte in besonderem Maße heilsam wirken, wenn die Studentenschaft ihre schöne Eigen­ stellung in der jungen Mannschaft unseres Volkes mit höherem Ernste erfaßte. Doch bei dem allem komme ich zu unmöglich hier zu erledigenden Einzelproblemen. Es ist kein Zweifel, daß von Ehre nicht nur bei den ein­ zelnen Ungehörigen der „Kreise", in denen sich die Menschheit organisiert hat, zu reden ist, sondern auch bei diesen Organisa­ tionen selbst. Auch der Staat hat seine Ehre, nicht nur seine Beamten (seine Gesetze sollen zeigen, daß er Ehre hat). Die

Kirchen, die Schulen, die Kunst, die Wissenschaft usw., vollends ein Volk hat eine Ehre, war es Phrase oder war es echtes notwendiges Pathos, wenn Schiller in der Situation vor hun­ dert Jahren uns Deutschen (ob auch verdeckt unter der Apostrophe eines Franzosen an seinen König2B) zugerufen hat: Nichtswürdig ist die Nation, die nicht Ihr Alles freudig setzt an ihre Ehre! Er dachte nicht an den Ruhm, aber an die Freiheit, und unser Studentenlied kündet es ja auch, daß für sie um hohen Tod zu werben, sei „deutsche Ehre, deutsche Lust"!

Ich breche ab, denn ich glaube verständlich gemacht zu haben, I. daß die „Ehren" an der „Ehre" ihren ausschlaggebenden Oualitätsmesser, ihren ideellen Exponenten gesunden haben,

39 2. daß die Ehre ein im Grundzug durchaus klar zu erfassender Gedanke über die Person und ihre Stellung ist. Die Ehre ist in gegebener Zeit immer ein Reflex der miteinander sich gel­ tend machenden Werte des Lebens, die niemand „alle" umfaßt und die doch jeder in ihrer prinzipiellen, das Lebensniveau der Menschheit erhöhenden Triebkraft erfassen kann. Die Ehre kann nicht der Ersatz des Glaubens an ein Sittengesetz sein, aber sie ist schon jetzt ein starker Rückhalt für die Realisierung dieses Glaubens. Jeder von uns will sie haben (in seiner Weise selbst der Verbrecher). 3n dem Matze, als sie für „notwendig" erachtet wird, gibt sie den „Ehren" wieder einen Spielraum für sich, den der nur durch „andere" frei und mit Bezug auf spezielle Leistungen geschehenden besondern Auszeichnung. Dabei Können Irrungen aller Art entstehen. Aber der einzelne mag sich der „Ehren" wert fühlen, ohne sie zu bekommen, er mag sie herrisch verlangen, wo er sie glaubt beanspruchen zu dürfen: er be­ greift doch, daß er an der „Ehre" letztlich den nötigen und auch den besten, sichersten Rückhalt der Geltung bei andern, wie bei sich, hat. — Jakob Burkhardt meint, was man modernerweise in der Durchschnittsanschauung Ehre nenne, sei ein „Gemisch von Egoismus und Gewissen". Das ist unser ganzes Leben?" Aber ich finde in Burkhardts Wort zum Schlufie auch noch eine Rechtfertigung für meinen versuch, die Ehre nicht nur nach ihrer Empirie und nicht nur nach ihrer höchsten Idee zu verdeutlichen.

Anmerkungen. Sette 6: x) Die Ethiker haben selten über die psychologisch-historischen Grund­ lagen alles dessen, was Ehre heißt, gehandelt. Irgendwo nimmt wohl jeder, der ein „Lehrbuch" oder „System" der Ethik verfaßt hat, Gelegen­ heit, sich über Ehren und Ehre zu äußern, aber es fehlt an Methode in der Behandlung- meist bestimmt sich das Urteil alsbald nach dem „Standpunkt" des Verfassers. Um eingehendsten wohl hat unter Theo­ logen H. Rothe, Theol. Ethik, 2. Hufl. (1869 u. 70) sich über die Ehre geäußert. Schon in der Lehre von der „moralischen Gemeinschaft" kommt er auf sie zu sprechen und definiert sie hier grundlegend, § 277 (—Bd. 2, $. 216ff.); in der Lehre von der „Tugend" streift er sie nur, § 618 (— Bd. 3, S. 213), um dann jedoch in der Lehre von der „Pflicht sich selbst zu er­ ziehen", nämlich XII. zu „tugendhafter Ehrenhaftigkeit", § 953-964 (— Bd. 4, $. 117-142), um so genauer darauf einzugehen. Ruch seine Er­ örterung hat den Mangel, den Grundbegriff der Ehre wie einen bekannten, gegebenen nur kurz hinzustellen, statt ihn zu begründen. Indem er fest­ stellt, daß das „Individuum" Kraft des „Berufs", den es in der „organi­ sierten Gemeinschaft" sich gibt, bezw. „innehat", beanspruchen dürfe, „sich selbst Zweck" oder „Person" zu sein, so leitet er daraus die „moralische Würde" des Individuums ab und gewinnt dann alsbald die Definition der Ehre als „Anerkennung der moralischen würde von feiten der Ge­ meinschaft". Ehren sind ihm der Ausdruck dieser Anerkennung, berechtigt in dem Maße als die „moralische würde", die „Berufstüchtigkeit" (die „Tugend") tatsächlich in der „Person" vorhanden ist. In der Haupterörterung ist Rothe nur darauf bedacht, zu erläutern, welchen Umfang die richtige Ehre hat, und darzulegen, welches praktische Verhalten (vgl. dazu auch § 1036-1038 = Bd. 4, $. 283 ff.), auch in Üonfliktsfällen, der

Ehrenhaftigkeit entspricht. Das alles ist ebenso fein empfunden als ge­ dankenvoll ausgeführt. Über das Ganze ruht bei Rothe auf verallge­ meinerter persönlicher Überzeugung oder sittlichem Wunsch. Rothe teilt in Anmerkungen eine Reihe von Äußerungen anderer (meist zeit­ genössischer) Ethiker (evangelischer und katholischer, theologischer und philosophischer) mit. Sie spiegeln wesentlich den gleichen persönlichen Eindruck von „wahrer Ehre", bezw. den gleichen „Wunsch" (dem ich an

41 sich nicht etwa zu widersprechen gedenke). Soweit ich die ältere theo­ logische Literatur kenne (sie ist nicht groß (die Ethik hat gegen die Dog­ matik sehr zurückgestanden]; eingesehen habe ich bei gegenwärtigem Rnlaß: St. Volkmar Reinhard, System der christl. Moral, 4. HufL, 2. Bb., 1805 [§ 234 „Christi. Ehrbegierde": unter der Rubrik „Christi. Vollkommenheit im Empfinden oder von den Pflichten des christl. Sinns"] u. 3. Bb., 1807 [§ 272 „Christi. Pflichten in Rbsicht auf die Ehre. Erwerbung der Ehre, (vb man auch Nachruhm suchen dürfe," § 273 „Erhaltung der Ehre," § 274 „Gebrauch der Ehre," alles unter der Rubrik „Christlich vollkom­ menes Verhalten beim Suchen und Genießen des äußern Glücks"]; Ivilh. IH. L. de wette, Christliche Sittenlehre, 3. Teil, 1823, § 490-93, bezw. 94, und Vorlesungen über die Sittenlehre, 2. Teil, 2. Bb., 1824, S. 278-298; Chr. Fr. v. Rmmon, Handbuch der christl. Sittenlehre, 2. Bb., 2. Rbtlg., 1827, S. 176ff. [§ 134 „von der Ehre", die als „einer der angenehmsten und edelsten Lebensreitze" gepriesen wird, § 135 „von dem Chrgeitze"]; Schleiermacher hat die Ehre in seinen Werken zur Sittenlehre nicht berücksichtigt): soweit ich hier sehe, ist nirgends genauer untersucht, was Ehre ist; alsbald wird nur versucht, über konkrete Fragen mehr der Ehren als der Ehre zu urteilen. 3m Grunde herrschen Stimmungen. Es fragt sich aber, wie wir über dieses vage Gebiet hinausgelangen können. - w. Herrmann, Ethik8,1904, S. 137 u. 178, und ctrt „Ehre" in Protest. Real­ enzyklopädie für Theologie und Kirche, 3. Rufl. v. Hauck, Bb. 5, S. 227—29, definiert (an letzterer Stelle) die Ehre wie Rothe; er handelt dann wesent­ lich nur von der Bedeutung des „Geehrtwerdens" oder der „Ehre bei Rlenschen" nach christlichem Maßstab. Bemerkenswert eigenartige Gesichtspunkte bei Th. Häring, Das christliche Leben auf Grund des christlichen Glaubens, 1902, S. 246 u. 250ff.; lesenswerte Rusführungen auch bei L. Lemme, Christliche Ethik, 1905, in § 65 „Die Selbstpflicht", (Bb. 2; die beiden Bände haben einheitliche, durchgeführte Seitenzählung) S. 701-706.

Seite 6: 2) Es liegt den Juristen von ihrer Praxis aus näher als den Theologen und Philosophen, sich begrifflich möglichst scharf klarzumachen, was Ehre sei. 3ch nenne diejenigen Arbeiten, die ich speziell benutzt habe, auf die ich mich stütze oder mit denen ich in Widerspruch stehe, je nach Veranlassung. Eine Geschichte der wissenschaftlichen Gedanken über Ehren und Ehre — wohl zu unterscheiden von der geschichtlichen Entwicklung der praktischen Ehrbegriffe, des Lebens der Ehre - gibt es bisher kaum. Es fehlt an einer wirklichen Tradition der wissenschaftlichen „Lehre". IRonographisch behandeln die Ehre von philosophischer Seite eine Studie von ITl. Lazarus: „Ehre und Ruhm" (in „Das Leben der Seele, in Monographien über seine Erscheinungen und Gesetze", 1. Band, 1856, S. 107 — 178) und eine von Jos. Eckstein: „Die Ehre in Philosophie und Recht", 1889. h. Cohen, System der Philosophie, 2. Teil, „Ethik des

42 reinen willens", 1904, bewertet die Ehre als den „Hfseht der Tugend" (bezw. der „Tugenden ersten Grades"), den „Motor" (nicht den „Faktor"!) des Tugendstrebens; sie bedeute die „Gleichheit der Menschen in ihrem Berufe zur Sittlichkeit" und werde so zur „Münze der Sittlichkeit, zur Prägung der Gleichheit". Sie verlange, daß man jeden als Menschen behandele, „wenn Sittlichkeit das Wesen des Menschen ist, so macht sie [bte Ehre) dieses Wesen, die Seele des Menschen, mit unfehlbarer Sicher­ heit offenbar." vgl. S. 463ff. Das sind nur kurze Dekrete. Recht ansprechend, wenn auch nicht von wissenschaftlichem Belang, ist die kleine Schrift von G. Huyssen, „Die Ehre, die sittliche Triebfeder für deutsche Manner" (10. Rufi., o. I., in „Ethische Schriften für die deutsche Rrmee"). Sehr flach, ja gehässig ist P. Wenzel Lerch, S. I., „Die moderne Ehren­ haftigkeit" (in „Lehr und wehr für Freunde der Wahrheit", Nr. 60, o. I.) vgl. auch Oberst Freiherr v. Eber st ein, „Uber die Ehre und falsche Ehrbegriffe", o. I. Ich kann nicht versichern, daß ich systematisch darauf ausgegangen wäre, der ganzen etwa vorhandenen neueren Literatur habhaft zu werden, doch ist mir schwerlich eine bedeutsame Rrbeit ent­ gangen.

Seite 7: 3) vgl. „poetisches Tagebuch", hier „im Frühling 1860".

Seite 8: 4) vgl. K. Binding, „Die Ehre und ihre Verletzbarkeit", 1. und 2. Rufi., 1892 (eine Rektoraisrede). Binding meint, die Worte „Ehre und Ehren" glichen einem „Vogelschwarm von verschiedenen Dingen". „(Es würde eine heiße Jagd werden, diese ganze flüchtige Schar in einer kurzen Stunde haschen zu wollen, und zur Teilnahme daran wage ich nicht, Sie einzuladen." „Nur eine Rrt möchte ich greifen und sie zu ganz be­ stimmtem Zwecke: die Ehre der Person als solcher". Sie hat mit Ehren, die verliehen werden, nichts zu tun; der „Person" kann auch der Staat ihre Ehre nicht geben oder nehmen; der Rusdruck „bürgerliche Ehrenrechte" hat irreführenden Schein (S. 10). Der „ganz bestimmte Zweck", den Binding bei seiner Erörterung im Rüge hat, ist im Titel der Rebe ja angebeutet. Um sich ihm zu nähern, macht er auf die ver­ schiedenartige Bewertung aufmerksam, die der Ehre durch die „Sitte" einerseits, das „Recht" andrerseits gewidmet wird. 3u erledigen sei der Streit zwischen beiden nur durch die Philosophie. Rber meint Binding, bas Recht trage eine „esoterische Philosophie" in sich, z. B. eine „Philo­ sophie über das Willensproblem, die Schuld und ihre Rrten, über die Kausalität", so auch über die Ehre. „In dem Streite der Meinungen aber fordert sie [bieje „esoterische Philosophie") aus doppeltem Grund volle Beachtung: durch das Mittel der Rechtssätze beherrscht sie einen Teil des menschlichen Gemeinlebens; dann aber sind ihre Grundanschauungen gesund, weit gesunder als die der Sitte. Gebührt der Güte der Gedanken der Sieg, so haben die Grundgedanken des Rechts über die Ehre auf ihn

43 Anwartschaft" (S. 7). Für bas Recht ist die Ehre eines ber „Güter", bie „von allen zu respektieren, vom Staate zu schützen" sinb. Unb nun sucht Binbing eben zu zeigen, baß, was bas Recht „Ehre" nennt, nur ben „eigentümlichen Menschenwert" bebeutet, ber teils „bem Menschen vom Tage seiner Geburt an, eignet", teils bei jebem „seiner Hänbe eigenstes Werk" ist, seinen „erworbenen Sozialwert" barstellt. Sachlich begegnet sich Binbing letztlich mit Rothe, ben er auch wieberholt nennt unb auszeichnet. Soweit er im Hamen bes „Rechts" rebet, geht er freilich seinen eigenen Weg, unb er hat ba unter ben Juristen sehr anrcgenb gewirkt. Ich streite mit ihm auch nicht etwa über bas „Recht", am wenigsten über bas positiv geltenbe, benn bas liegt jenseits ber Sphäre, in ber ich mit­ sprechen zu können glaube, vorerst beanstanbe ich nur Btnbings sprach­ lichen Rigorismus. von §. Paulsen vgl. „System ber Ethik mit einem Umriß ber Staats- unb Gesellschaftslehre"; bas Werk ist 1906 in 7. unb 8. verbesserter Auflage" zweibänbig erschienen. Ich habe bie 2., noch einbänbige Auf­ lage von 1891 zur Hanb. Im „3. Buche", ber „Cugenb- unb Pflichten­ lehre" hanbelt Paulsen hier S. 469-481 von „Ehre unb Ehrliebe". Er befiniert bie Ehre in „objektiver Bebeutung" (eine anbere bespricht er aber überhaupt nicht) als bas „Matz von Wert ober bie Geltung, bie jemanb in ben Augen seiner Umgebung hat". Hirgenbs scheibet er zwischen „Ehre" unb „Ehren", ber Gebanke von beiben geht ihm - wie auch z. B. Herrmann - ohne weiteres ineinanber über. Ausführungen, wonach ber Person selbst ein Urteil vorzubehalten ist, baß sie ehren­ wert sei, auch wenn ihr Ehren versagt bleiben, unb umgekehrt barüber, was bie einzelne ihr gebotene Ehre bebente, ob sie wirklich eine Ehre für sie sei, ergeben einen Gebanken, ber in ben Ehren bie Ehre als ben Hintergrunb zeigt; vgl. besonbers bie Erörterungen über bie rechte „Lhrliebe". Ich habe es hier jeboch nur erst mit Paulsens sprach­ licher Zusammenfassung ber Ehren unb ber Ehre zu tun. Cr ist gänzlich Ethik er. W. Wunbt berührt in seiner „Ethik" (ich benutze bie 1. Auflage 1892) bie Ehre nur unter ben Exempeln, batz ein ethischer Begriff „seinen objektiven [ursprünglich sinnenfälligen] Inhalt bewahren könne unb nur von ber Beurteilung bes Äußern auf bie bes Innern übertragen sei". So sei es bei „Achtung" (ursprünglich bie Aufmerksamkeit, bie man einem anbern, vermöge seines Vorrangs, erwiesen habe), bei „Würbe" (ursprünglich ibentisch mit Wert, Kaufpreis, bann Charaktereigen­ schaft), schließlich „wahrscheinlich" auch bei Ehre: „ursprünglich bie Gabe bezeichnens bie sich nach bem Werte bessen richtet, was burch sie erreicht ober erkauft werben soll, hat sich bie Bebeutung zunächst teilweise auf biesen Wert selbst zurückgezogen, also ben Wanbel aus bem Objektiven ins Subjektive erfahren, wobei aber boch bie objektive Bebeutung mit­ erhalten blieb. Wir reben noch heute von einem Manne von Ehre [Wert], ebenso wie von einem Manne, bem Ehre wiberfährt [Gabe].

44 In diesen beiden nebeneinander beharrenden Bedeutungen hat sich dann aber der moralische Zinn -es Worts zusehends vertieft. Ursprünglich auf den äußern Glanz gehend, den jemand um sich verbreitet, oder durch den er von andern ausgezeichnet wird, ist es allmählich vorwiegend zur Charaktereigenschaft und ihrer Schätzung geworden." Ich habe durch Unterstreichungen und eingeklammerte Zusätze angedeutet, wie ich diese sehr kurze Erörterung verstehe.

Seite 8: 6) wer sich für die linguistische Herkunft und Entwicklung des Worts „Ehre" interessiert, mag zu $. Kluge, „Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache" greifen. Grimm brachte das Wort etymologisch mit lateinisch aes und mit dem Grundgedanken von dem, was „glänzt", zu­ sammen. Kluge (5. Hufl., 1894) denkt an die Sanskritwurzel iS „be­ gehren, zu erlangen suchen". In der Geschichte treten Nüancen auf, die mehr oder weniger geschwunden sind. So notiert Kluge für das angel­ sächsische dr u. a. die Bedeutung „Hilfe, Gnade" (drian „schonen, be­ gnadigen"). Das gotische Äquivalent aiza fehle zufällig; „es wäre verwandt mit got. ais-tan scheuen, achten", wir reden doch noch in dieser weise davon, daß wir jemandes Schmerz „ehren". Indes die mög­ lichen sprachlichen Anwendungen des Worts „Ehre, ehren" sind gleich­ gültig neben der einen tatsächlichen, die gesiegt hat und uns einen Begriff vor Äugen stellt, dessen Inhalt und Umfang sich vielleicht nur zufällig, durch historisch nicht aufzuhellende Umstände mit dem Worte verknüpft hat, dessen Charakter auch Teil gewonnen hat an den Unterscheidungen zwischen bloßer Empirie und einem Ideale. Niemand denkt daran, den Begriff etwa einzugrenzen nach etymologischen oder lexikalischen Rücksichten. So darf man ihm ruhig auch zu weiterer sprachlich-sach­ licher Entfaltung verhelfen durch Reflexion auf den Komplex seelischer, individueller und sozialer Verhältnisse, der gemeint ist. 5ln sich möchte dabei auch zugestanden werden, daß „Ehren" und „Ehre" ganz verschie­ dene Stränge der Entwicklung repräsentierten, wenn es richtig ist, daß es Worte gibt, die als singulare tantum existieren (z. B. Hrmut, De­ mut), warum nicht sollte „Ehre", selbst neben „Ehren", ein solches Wort für uns sein? Ich meine nur zu erkennen, daß es sachlich dem Verständ­ nis der „Ehre" nicht dient, wenn sie von den „Ehren" einfach abgerückt wird. — Natürlich wäre zuletzt noch zu fragen, ob alle Kulturvölker, die die Ehre kennen, sich in der gleichen Lage befänden, daß sie für die gemeinte Sache ein singulare tantum herausgebildet hätten. Und bei der Betrachtung der empirischen Differenzen zwischen den Völkern in Hinsicht der Idee der Ehre ist andrerseits nicht zu verkennen, daß es auf diesem Gebiete fast in jeder Sprache unübersetzbare Rusdrücke gibt. „Gentleman" und „Ehrenmann" sind nahe verwandte, aber doch sich nicht deckende, sich nicht gegenseitig zur Übersetzung dienende Äusdrücke.

45 Seite 17:

6) Das Kapitel „Merkzeichen" hat kulturhistorisch wohl das größte Interesse. 3m einzelnen hat jede Form ihre komplizierte Entwicklung; darauf einzugehen, verbietet sich von selbst. Die „Orden" sind ja ur­ sprünglich Merkmale von Genossenschaften (die als solche „ordines“ waren und sich nannten), Kennzeichen, nicht Ehrenzeichen der Tracht. Nur sofern die betreffende Genossenschaft, der Ritterorden usw., sich schon unter dem Charakter „erlesener", „erlauchter" Mitglieder, „hoher" frei­ williger Rufgaben über die „Menge" erhob, war ihr Kennzeichen eo ipso auch Ehrenzeichen. In gewissem Maße sind auch die Grden, die nichts als Ehrenzeichen sein wollen, — sie sind als solche seit dem 17. Jahr­ hundert in Europa fast in allen Staaten „gestiftet" - noch Merkzeichen einer Genossenschaft, wenigstens einer „Zusammengehörigkeit" der Trager, durchweg unter einem „Haupte", dem „Großmeister" (dem Staatsober­ haupte); bei den bedeutendsten erfolgt daher eine feierliche „Investitur" (Einkleidung) im Kreise der schon vorhandenen Träger oder „Ritter", unter „Einführung" durch „Paten" und unter Riten, die eine „Erhebung" in einen besonderen „Stand" symbolisieren. Wie die Lhrbereitung, so hat auch die Schmachbereitung ein Haupt­ mittel an der Kennzeichnung gefunden. Die Verfeinerung der sittlichen Kultur hat hier freilich sehr einschränkend gewirkt. Das Brandmal, die Darstellung in besonderer Tracht, die Prangerung, all das gibt's unter uns nicht mehr. Doch gibt's noch entehrende Zeremonien, die militä­ rische Degradation u. a. Ls ist nicht ohne Interesse, zu bemerken, wie die Formen des Ehre- und Schandebereitens sich begleiten (natürlich mit entgegengesetztem Inhalt dort zur Lust, hier zum Leid) und verlassen. Das Recht begrenzt immer mehr die Formen der Strafe, die Gesell­ schaft nicht minder die Rußerungen der Geringschätzung. Das hängt letztlich mit derjenigen Entwicklung zusammen, die von den Ehren zur Ehre geführt hat. Seite 18:

7) Nicht das Interesse an Ehrungen, wohl aber das an der Ehrung durch Zeremonien scheint unter uns abzunehmen. Die Formen des Verkehrs, der Höflichkeitsbezeugung, gar der spezifischen Etikette werden leichtere, bequemere. Man hat gelernt, sicherer als ehedem zu unter­ scheiden zwischen dem willen der Ehrung und seinem Rusdruck. Nur wo ersterer fehlt, wird der verstoß gegen die konventionelle Form ernst­ lich empfunden und geahndet. Man kann sagen, die „Erziehung" durch die alltägliche Ehrensitte, speziell die Zeremonie, sei in gewissem Maße zum Ziele gekommen, mit ihrer Rufgabe „fertig" geworden. - Das zeremoniöseste Kulturvolk ist das chinesische, es hat das genaueste System von Ehrungen ausgebildet und fest gelegt. Die Lehre des Konfuzius betrifft als die Hauptsache das „Li", den „Rnstand". Der Begriff von diesem ist fteilich ein so innerlicher wie äußerlicher. Er berührt oder

46 umschließt auch die Idee der Ehrfurcht und der Pietät, der Selbstbeherr­ schung und der Vornehmheit, der Abwendung von Gemeinem, Rohem; nur daß diese Gesinnung als echt sich nicht erweise ohne die Zeremonie (die konventionelle, „heilige" Form, eine Form selbst der Husdrucksweise). Hlle menschlichen Grundverhältnisse, in abgestufter Weise (vom Kaiser an) die Beziehung zur Gottheit (den Göttern), der Verkehr zwischen dem Kaiser und seiner Umgebung (seinen Beamten), zwischen Ehemann und Ehe­ frau, Vater (Mutter) und Söhnen, zwischen Brüdern, Freunden usw., kurz alle staatlichen und natürlichen Ordnungen haben ihr Li. Hile Verhält­ nisse, wie sie von den vorfahren her bestehen, haben einen „Sinn": Das Li enthüllt ihn und erhält ihn. wer das Li in seiner Stellung kennt und befolgt, ist der Thinese, der Mensch, wie er sein soll: der Tchuntze. vgl. Hackmann, Hrt. „Konfuzianismus" in „Die Religion in Geschichte und Gegenwart". (Der Hrtikel ist noch nicht erschienen, war zum Teil jedoch bereits zugänglich in der „Probelieferung".)

Seite 20: 8) Es ist für den Nichtjuristen schwer, sich in den Begriffen des römischen Rechts zurechtzufinden. So hinsichtlich des der injuria. Soweit ich sehe, gilt die außerordentlich viel verhandelte, auch den Juristen recht unklar erscheinende Idee für bedeutsam neuorientiert, ja zum Teil für definitiv erhellt durch Th. Mommsens Erörterung, Röm. Strafrecht, 1899 (in Bind in g§ Sammelwerk „Srfftemat. Handbuch d. deutschen Rechts­ wissenschaft", 1. Hbteilg., 4. Teil), S. 784 ff. Danach hätte man im Grunde alles wegzudenken, was uns der deutsche Begriff der „Injurie" an die Hand gibt, wir verstehen unter dem Husdruck ein Tun (in Worten oder Handlungen), welches Verachtung ausdrückt. Hber dafür hat der Römer das Wort contumelia (mit contemnere zusammengehörig). Nach Mommsen ist injuria ein Sammelbegriff für allerhand rechtswidriges Tun, nämlich solches, letztlich wohl all solches, welches nicht unter recht­ liche Sonderbegriffe gestellt war. DerHusdruck bezeichnet eine Fülle von Personalverletzungen und Sachbeschädigungen, die unter sich keinen direkten Begriffszusammenhang haben, aber doch alle geahndet werden sollten, wiewohl sie unter den geläufigen und, daß ich so sage, regulären Delikten nicht mit unterzubringen waren, verstehe ich die Sache recht, so handelt es sich bei injuria um einen in der Wissenschaft, wenn nicht sprachlich geschaffenen, so doch eigentümlich zugespitzten Begriff. Hn sich ist ja injuria einfach das Widerspiel zu jus. Hber nicht alles, was das jus verbietet, ist „injuria“ — in der Juristensprache. Und noch viel weniger ist injuria überall „Injurie", contumelia. Der Husdruck be­ zeichnet in den zwölf Tafeln eine Reihe von schwereren Körperverletzungen, allerhand Belästigungen auf der Straße, Störungen im hause, gewisse Freiheitsberaubungen, auch gewisse Verführungen u. a.; erst neben all diesem auch Schmähungen, jedoch nur solche, die in einem Schmäh­ gedicht, carmen famosum, oder einer Schmähschrift, libellus famosus,

47 vorgebracht sind. Ich habe neben Mommsen besonders K. Leonhard, Der Schutz der Ehre im alten Rom (Rektoratsrede), 1902, und Kasimir Thiel Injuria und Beleidigung, 1905 (in „Strafrechtl. Abhandlungen", heraus­ gegeben von L. Veling, 62. heft), gelesen, hiernach würde der Gedanke der injuria doch dem der contumelia allenthalben nahe treten und ein rechtswidriges Tun bezeichnen, welches mindestens das Moment der „Ungeziemendheit", nämlich der betroffenen Person gegenüber, ein­ schloß. wichtiger als der „Sammelbegriff" injuria, der unter allen Um­ ständen ein nicht sehr fein entwickeltes Gefühl für „Privatbeleidigungen" verrät - vielleicht auch nur einen erfreulichen Mangel an „Empfindlich­ keit"-, ist der positive Gedanke der existimatio, der „Geachtet­ heil". Diese wird von dem Juristen Lallistratus definiert als „Dignb tatis illaesae Status legibus ac moribus comprobatus, qui ex delicto nostro auctoritate legum aut minuitur aut consumv tur“ ({. dazu z. V. vangerow, Lehrb. d. Pandekten?, 1876, S. 84 ff., und daneben Leonhard a. a. (D. 25). Also existimatio ist die öffent­ liche Anerkanntheit der dignitas einer Person. Sie kann verloren gehen durch „Delikte". Uber dabei kommen die leges in Betracht. Also es wird irgendwie gesetzlich umschrieben sein, welche Delikte die dignitas aufheben, und es ist ein Prozeßverfahren, welches sie für ver­ loren „erklärt", bzw. das Gegenteil für sie eintreten läßt, ausdrücklich „verhängt". Dieses Gegenteil der existimatio ist die infamatio (in unserem Rechte identisch mit „Aberkennung der bürgerlichen Ehren­ rechte" ) was nun den honor betrifft, so kann natürlich jedes und alles, wodurch jemand ausgezeichnet wird, so heißen, insonderheit aber heißt das staatliche Amt so. Vie honores (der Ausdruck kann wechseln mit dignitates) sind die magistratus. vgl. Mommsen, Röm. Staats­ recht (in „Handbuch d. röm. Altertümer" von Marquardt u. Momm­ sen), 1876, S. 8. Das öffentliche Amt ist öer honor schlechthin. Ja, der Amtsträger wird selbst gelegentlich honor genannt. Aber ber honor ist unbedingt an die existimatio geknüpft. Nur diese gibt der Person die Nechtsfähigkeit. Sie ist auch andrerseits die „unverkürzte Rechtsfähigkeit". Man sehe bei vangerow, wievielerlei „Delikte" die „Infamie" begründeten, dann wird man erkennen, wie streng die Römer die honores unterbauten! Ja, dabei kam letzlich nicht einmal nur die gesetzlich, durch Richterspruch deklarierte Infamie in Betracht, sondern auch die durch die „öffentliche Meinung" gesetzte, welche noch manche Handlungen traf, bei denen eine „Anklage" und „Verurteilung" nicht möglich war, die aber bürglicherweise verachtet wurden. Also die „boni mores" hatten auch mitzusprechen, wenn es sich um die existi­ matio und die honores, die Zulassung zu Ehren, handelte. Das Charakteristische bei den Römern in der Geschichte der Ehren scheint mir die feste Kontrolle der öffentlichen Ehrungen und ihre

48 Schätzung des Amts als die eigentliche Ehrung zu sein. Dabei ist für die existimatio und wenigstens die richterliche infamatio deutlich zu erkennen, daß man Sicherheit für die staatlich-rechtliche Gesinnung suchte, nämlich Bürgschaft dafür, daß die mit dem Rmte, mit dem honor gegebene Gewalt nicht gemißbraucht werde. Nicht jedes Delikt schuf infamia, wohl aber solche Delikte, welche die Staatstreue und den Rechtssinn suspekt erscheinen ließen. Ganz auseinanderhalten muß man offenbar die infamatio und diejenige etwaige contumelia, die durch „injuria“ begründet wurde. Die injuria hob die existimatio nicht auf; (die contumelia auch in keiner Weise: sie trifft den „pudor“, das „Ehrgefühl" im privaten Sinn). Nur an der existimatio lag dem rechten Römer!' Ich habe nicht die Rufgabe, von allem zu reden, was den römi­ schen Ideen über Ehren und Ehre eigen war. Sonst wäre noch hinzu­ weisen auf die Götterhonos und virtus. Sie stehen unter Mars, dem Kriegsgott! Und sie gehören zusammen! vgl. G. Wissowa, Religion und Kultur der Römer, 1902, S. 135 ff. - Im übrigen verweise ich noch auf G. Schneidewin, Die antike Humanität, 1897, speziell auf seine Nachweise über die Begriffe des „rectum et honestum“ bzw. der „honestas" in der Ruffassung der Rmtsbefugnisse und Rmtsprivilegien, Seite 280 ff. Ciceros Schriften sind Schneidewins Hauptquellen; möglich daß zum Teil nur individuelle Empfindungen dieses feinsinnigen, hochstehenden Mannes zu erkennen sind.

Seite 22: 9) vgl. Schneidewin, S. 281—82. „Die Rlten (nach dem Zu­ sammenhang speziell die Römer) fühlten sich mehr unter dem Richter­ spruch der Idee, als der Personen stehend". Was Schn, hier die „Idee" nennt, ist wesentlich der Gedanke des „Gesetzes".

Seite 22: 10) Ich habe konsultiert: C. Reinh. Köstlin, Die Ehrverletzung nach deutschem Recht (in „Zeitschr. f. deutsches Recht u. deutsche Rechts­ wissenschaft" 15. Bö., 1855, S. 151 ff. u. 364ff.); h. hälschner, D. preuß. Strafrecht 2.Teil 1868,4.Kap. „verbrechen gegen die Ehre", wo S.197-233 eine ausführliche Darlegung der „geschichtlichen Entwicklung" der (römischen und) deutschen Gedanken über Ehre geboten wird. Sodann R. Heusler, Institutionen d. deutschen Privatrechts (bei Binding, „Systemat. Hand­ buch der deutschen Rechtswissenschaft" H, 2) 1. Bd., 1885, S. 190 ff. („Recht­ losigkeit, Ehrlosigkeit, Cchtlosigkeit", sei. im Mittelalter), auch 2. Bd., 1886 S. 245 ff. („Ehrenwort"); h. Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte (ebenfalls bei Binding, a. a. (v. II, 1); 2. Bd. 1893, S. 671 ff. 5. ferner Binding, D. Ehre (oben Rnm. 4), §. 31 ff.; G. v. Below, D. Duell u. d. germanische Ehrbegriff, 1896. G. Zehr, v. Zweikampf 1908. Überall überwiegt, wie in der Literatur zum römischen Recht, das Interesse an der „Ehr­ verletzung". Das ist verständlich, denn dem Juristen, genauer gesagt:

49 dem Richter und der doch in erster Linie für ihn arbeitenden Juris­ prudenz, kommt besonders die „verletzte" Ehre vor Augen. Einen Begriff von der „gesunden" Ehre muß der Richter natürlich auch haben (wie der Rrzt vom gesunden Körper), aber seine Zach frage ist die, ob und wie die Ehre verletzbar (und ev. „heilbar") sei. De facto ist doch das Chrenwesen glücklicherweise überwiegend bei den Leuten ge­ sund. Werke wie G. Freytags „Bilder aus der deutschen Vergangen­ heit", überhaupt alles, was uns die Chrempfindungen unserer vorfahren in positiven Bildern vor Rügen treten läßt, muß also mit bedacht werden. Danach ist wohl zweierlei als „germanisch" in Ehrendingen zu konstatieren: 1) das sensible Gemüts empfinden, das sich (nicht nur bei den „Deutschen", ich denke auch an die Spanier mit ihrem west­ gotischen Zusammenhang u. a.) an alles heftet, was eine Ehrung oder Schmähung ist. Überaus stolz kann der Germane sein, aber eigentlich nicht hochmütig; er pocht auf seinen persönlichen Wert und setzt sich „ganz", Leib und Leben, ein, um sie zu behaupten; „sachliche" Güter (außer den Werkmalen der „Geburt") treten zurück. (Die „uneheliche" Geburt gab im alten Recht Ehrlosigkeit; aber die legitime Blutserbschaft hat doch auch noch für unsere Empfindung eine „persönliche" Bedeutung!) Ist jede Ruszeichnung dem Germanen eine Gefühlserregung spezifischer Rrt, so nicht minder die Schmähung. Richt zufällig haben wir Deutschen das Wort „Kränkung": die Schmähung macht uns krank. Und wir nennen sie eine „Beleidigung": sie bedeutet uns nur zu sehr ein (SeelesLeid. Dem Germanen, sagt Kostlin, S. 178, „hebt sich der Rngriff auf die Ehre von dem Rngriff auf jedes anderweitige Recht (Freiheit, Ge­ sundheit, Eigentum usw.) entschieden ab; er durchbohrt ihm das Wark und bebt in allen Nerven nach." 2) Der Germane erlebt Ehre und Un­ ehre wesentlich im Verkehr, in der Beziehung auf „seine" Leute, vor „seinem" Fürsten zu bestehen, von ihm ausgezeichnet zu werden, ist dem Germanen die höchste Ehrung. Dem Herrn zu gleichen, „herrenhaftigkeit" (eine gewisse „Vornehmheit") gehört zur Ehrengesinnung (vgl. gentleman, gentilhomme, wörtlich: der Wann einer gens, jemand „von Familie"). Die „Treue" ist lange die entscheidende Probe der Lhrenwertheil. Soweit es nicht der „Herr" ist, ist es der Kreis der besonderen Genossen, in dem der Germane sich „geehrt" oder „verunehrt" fühlt. Kostlin gibt auch dieser Beobachtung lebhaften Rusdruck; er hebt zugleich die Kehrseite dazu hervor, S. 179: „Ein Rngriff, den man für sich selbst lediglich mit Ver­ achtung strafen würde, brennt als siedender Tropfen auf der Seele, weil man seinen halt in der Gesellschaft dadurch gefährdet glaubt.... (Um­ gekehrt:) Wenn man versichert sein kann, von der Gesellschaft nicht be­ argwöhnt zu werden, kann man auch den schnödesten Rngriff mit ruhiger Kälte abschütteln." (Wir kennen noch beide Typen, den letzteren in dem Wann mit dem point d’honneur ohne wirkliche Ehre!) Die Ehrlosigkeit wird auch nach deutschem Rechte „erklärt" und hängt an bestimmten Dingen, nach Tacitus besonders an Feigheit und Nattenbusch, Ehren und Ehre.

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50 Untreue in der Schlacht, später an Preisgabe zur Sklaverei (wer nicht siegen konnte, mutzte zu sterben wissen) und bestimmten Strafen (viel­ leicht auch Mißhandlungen), die einer über sich hatte ergehen lassen müssen, je länger je mehr an dem Mangel der Geburt und an Lebens­ berufen bzw. Untaten eines unedlen Sinns (die ursprünglich zu selten gewesen sein mögen, um in den Rechten speziell berücksichtigt zu sein). Vie Ehrlosigkeit bedeutet in abgestuftem Matze Weigerung der Rechts­ gemeinschaft, speziell des Verkehrs als mit einem Genossen. Wo nicht die „rechtsmäßige" Ehrlosigkeit drohte, konnte noch vielfach die tatsäch­ liche nach erlittener verächtlicher Behandlung eintreten. Der „Be­ leidigungen" unter Genossen gab's viele, die man nicht, wie der Romer, einfach ignorieren durfte. Vas Recht bot natürlich auch Mittel, wo­ durch einer sich „reinigen" d. h. von dem verdachte dessen, was ihn ehrlos machen müßte, befreien konnte, zumal eine Reihe von Grdalien (Gottesurteilen). Der Zweikampf mit dem Beleidiger gehört mit in die Reihe der Reinigungsmittel: Ruch die Ruflagen, die vielfach dem Be­ leidiger im Prozeß (eventuell als Strafe) gemacht wurden, enthalten deutlich die Rücksicht auf das Gefühl des verletzten, speziell auch gegen­ über seinen Genossen.

Seite 22: n) Ich sage „im Schema", denn wie bei der Erörterung über die Bedeutung, die das Recht für das Leben der Ehre hat, greife ich nur zur Veranschaulichung nach einer konkreten Form oder Phase der Philosophie. (Es wäre die Möglichkeit für mich gegeben gewesen, lediglich prinzipiell darüber zu reflektieren, wie Ehren und Ehre sich gestalten, sich in das Gemeinleben der Menschen hineinfügen „könnten" oder „sollten". Für eine akademische Rede zog ich es vor, die einzelnen Faktoren, die dabei eine Rolle nicht nur spielen können, sondern auch gespielt haben, an typischen Beispielen historisch zu verdeutlichen. Wie alle diese Faktoren etwa unter uns wirken, wie weit die historischen Exempel für sie, die ich berühre, tatsächlich von Einfluß auf die Geschichte im großen gewesen sind, kann ich nicht eigens untersuchen. Mannigfaltig vermittelt (am meisten wohl literarisch) hat die griechische Philosophie sicher auch mit­ gewirkt (neben dem germanischen Recht, bezw. unserer ererbten geistigen Rassendisposition, und neben der noch zu besprechenden christlichen Reli­ gion), sowohl in Hinsicht der Ehren als der Ehre die Formen und Ge­ fühle (Urteile) zu gestalten, die unter uns lebendig sind.

Seite 25;. 12) Eine große Schranke hat das Werk von Schmidt („Die Ethik der alten Griechen", 2 Bände, 1882), sofern es alles wie in einem ruhenden Bilde, fast wie in einem Relief, ohne Perspektive zeigt. Cs zeigt nicht die Entwicklung, am wenigsten die Entstehung, die historischen Bedingungen der sittlichen Rnschauungen des Volks. In Wirklichkeit ist alles sittliche Leben wie ein Drama. Die „Ideen", gar die „Theorien"

51 sind nur ein Feinprodukt der Mühlen des Lebens. Soeben hat Max Wunöt in eigentlich „historischer" Themafassung begonnen, die Ethik der Griechen zusammenhängend neu zu behandeln. Der 1. Banb, 1909, kommt aber noch nicht über die Anfänge öer Kultur hinaus, in der die Griechen das Eigenartige ihres Sittenlebens und ihre reiche, das Ethos betreffende Ivissenschaft gebildet haben, vorerst ist das Werk von Schmidt noch gänzlich unentbehrlich, und was der treffliche, grundge­ lehrte, feinsinnige Marburger Philolog in der Art einer älteren Schule geleistet hat, wird überhaupt immer wert bleiben, geehrt zu werden. Er handelt von der Ehre in dem Kapitel über „Die Motive des sittlich Guten", speziell I, $. 168 ff.

Seite 25: 13) Die Schranke der griechischen Reflexion war damit gesetzt, daß der Ehrgedanke noch sehr, ja im Grunde völlig gebannt blieb in dem des Ruhms. Die Gefährlichkeit des Ruhmesstrebens, zumal auch für das Gemeinwesen, entging den Tieferblickenden nicht. Aber gerade diese Nüance des Ehrtriebs blieb. Dazu kam noch, daß kaum jemand die innere Freiheit gewann, den Gedanken der „Ehre" (Tigri) anders zu fassen als den einer Abhängigkeit von fremdem Urteil. Aber hier liegt ein begriffliches Problem vor, welches noch jetzt keineswegs leicht lösbar ist! Den Philosophen trat es nahe in der Reflexion über das wirklich „höchste" Gut. Sie sind dabei nicht weiter gekommen als zu dem Ge­ danken, daß auch auf die Ehre das unbev dyav („nichts zu sehr") anzu­ wenden sei, sowie zu dem, daß man an sich selbst sehr hohe Ansprüche stellen müsse, um sich der Ehren freuen zu dürfen. Der Gefahr, in die Knechtschaft eines Ehren sch ein wesens zu geraten, haben sie damit vorgebeugt. Aber daß es auch eine Unfreiheit gegenüber verdienten Ehren und in begründetem Chranspruch gibt, ist ihnen noch kaum zum Bewußtsein gekommen, vielleicht am ehesten den späteren Stoikern. Aristoteles handelt hauptsächlich an zwei Stellen der Uikomachischen Ethik von der Ehre und der auf sie gerichteten philotimie, II, 7 und IV, 7 ed. 3- Rekker, $. 1107 s. u. 1123. Die Megalopsychie, die Art der „großen Seele", bewährt sich als die Mitte zwischen „tiuh“, (der Ausdruck ist hier kaum anders zu übersetzen als:) Streben schlechthin nach Aus­ zeichnung (Auszeichnung quand meme, gleichgültig worin), und ihrem Gegenteil, der Gleichgültigkeit gegen Auszeichnung, der „Atimie". Das maßlose Ehrbedürfnis führt zur Aufgeblasenheit, ein zu geringes zu der Art der „kleinen Seele" (Mikropspchie). Dem Megalopsychos ist es darum zu tun, sich durch Großes auszuzeichnen, wer „zuviel" mit Bezug auf Auszeichnung erstrebt, ist nach dem Ausdruck des Aristoteles an dieser Stelle der „qnXÖTiiaoc“, der „Ehrgeizige" (oder „Ehrsüchtige"), wer „zuwenig" in Einsicht von Auszeichnung erstrebt, ist äqpiXÖTijuoc. wer das rechte Maß hält, der Mann mit der großen Seele in Dingen der Ehre, ist ävckvvjaoc, anonym, „namenlos", hat keinen technischen Namen 4*

52 (denn die Megalopsychie betrifft nicht nur die Ehren). (Es geht dem Aristoteles wie uns noch immer, daß ihm die Sprache nicht genug ge­ prägte technische Termini bietet. Wenn er hier den „Ehrgeizigen", denjenigen, der tadelnswert ist in seinem Chrenstreben, als „philotimos" bezeichnet, so ist das ein momentanes Belieben der Ausdruckswahl, ein Ausfluß sprachlicher Verlegenheit. Denn gemeinhin war der Titel des philotimos oder der philotimie vielmehr im guten Sinn Bezeichnung des „Ehrliebenden". In IV, 7 führt Aristoteles die gleichen Gedanken wie II, 7 aus, nur deutlicher noch davon handelnd, warum „Ehre", „Geehrtwerden" gerade auch dem Manne mit der großen Seele, der sich gewiß nicht für „Geringes", gar „Schimpfliches" einsetzen würde, er­ strebenswert ist. Gerade weil er „Großes" sinnt, auf „Tugend" hält, „gut" ist, muß er die Ehre lieben, denn diese ist das „größte der äußeren Güter". Er trachtet nur, unbedingt durch Großes großer Ehre „wert" zu sein. Über platos Ausführungen berichtet Schmidt besonders genau. Aber auch auf charakteristische Stellen bei den Dichtern und Historikern geht er gründlich ein.

Seite 26: 14) Schmidt, S. 186; Euripides, Helena, v.270-72, Helena selbst:

. . . o6k ouca äbiKoc eijui dvcxXehc. Kai toüto peiZov Tfjc äXT]6€iac kqköv, ÖCTIC Ta Hf] TtpOCÖVTa K€KTT)Tai KaKOL

Franz Fritze übersetzt das, 1858:

... wo keine Schuld mich drückt, folgt Schande mir. Und größres Weh, als wenn in Wahrheit wir gefehlt, Ist's, wenn uns Vorwurf nicht vorhandner Fehler trifft.

Seite 26: 16) von Josef Stier, Rabbiner, ist ein Vortrag erschienen „Vie Ehre in der Bibel", will heißen: im Alten Testament, 1897. Interessanter, die Bedeutungsentwicklung des hauptbegriffs (den auch Stier speziell be­ rücksichtigt), nämlich der kabod, auf sprachlicher Grundlage beleuchtend, ist die Schrift von Wilh. Caspari, Die Bedeutung der Wortsippe im hebräischen, 1908. Am direktesten in die Geschichte des Begriffs „Ehren, Ehre" greift ein die Wendung, wonach kabod Bezeichnung der „Persön­ lichkeit" werden konnte: kebodi — „mein Selbst", „Ich" unter dem Nebengedanken kräftigen Selbstgefühls. - Line monographische Darstellung des Chrgedankens int Neuen Testamente fehlt noch.

Seite 28: 16) Für Schleiermacher vgl. „Entwurf eines Systems der Sitten­ lehre", herausgegeben von Alex. Schweizer, 1835, § 108 (S. 68). Ich sehe im weiteren von den „Ehren" ab. (Es würde in Trivialitäten führen, die

53 „rechte" Stellung zu ihnen näher zu erörtern. So geistvoll, wie es eben wenigen autzer ihm möglich ist, hat Paulsen, S. 473ff. von den mög­ lichen Entartungen des Verlangens nach Geehrtheil geredet. Er unter­ scheidet das weibliche und männliche Chrverlangen; jenes erzeuge in feiner Verbildung die „Eitelkeit", dieses die „Ehrgier". Cr redet dann davon, was die einzelnen Stände als Glanz besonders schätzen. Da ließe sich historisch noch manches Licht aufsetzen. „Vie Ehre des Kaufmanns ist der Reichtum", meint Paulsen. (Es wird nicht ohne weiteres hier „Ehre" = Ruhm zu setzen sein. Der Begründer des Hauses Rothschild erklärte in einem Briefe an den Kurfürsten von Hessen (ich kann ihn leider nicht näher zitieren): „Wer mir mein Geld nimmt, nimmt mir meine Ehre." $ür den Kaufmann, in Kaufmannskreisen bedeutet das Geld, dem einzelnen „sein" Geld, nichts Banausisches, sondern das Rrbeitsmittel und die Möglichkeit, Großes zu leisten. Ein Kaufmann darf Geld nicht so leicht fahren lassen, wie etwa der Gelehrte. — Reizend ist, was Balthasar Schuppius (der bekannte theologische Humorist des 17. Jahrhunderts, gebürtig aus Gießen, Hofprediger eines der hessischen Landgrafen, zuletzt Hauptpastor in Hamburg) uns Theologen nachsagt, (in dem „Traktätlein" mit der Überschrift „Freund in der Not", Ge­ sammelte Schriften, 1663, S. 222ff.); er schreibt da (S. 241): „Mercke und lerne jetzo, was für ein Unterschied sey zwischen der politischen und Theologischen Hoffart. Vie Theologi fliehen offtmals für der Ehr. Allein sie haben nichts liebers, als daß man sie mit der Chr jage." (Er ist ehrlich und bekennt sich speziell für schuldig: „Ich sage nicht, daß es alle tun, sondern bekenne offenhertzig, wie Mir damals zu Muth ge­ wesen sey. Ich konnte mich in mich selbst nicht schicken. Ich dachte offt bei mir selbst: bist du ein solcher Kerl wie die Leut sagen und du hast es bißhero nicht gewust?" usw. Das „damals", wo ihn besonders die „subtile" Hoffart der Theologi befallen, hat er vorher geschildert, als die vierte Gelegenheit, da er „extraordinär! hoffärtig" gewesen, nämlich als er in Hamburg zu hören bekam, welch ein glänzender Prediger er sei. („Das ist ein Mann, der einem die Thränen auß den Rügen predigen kan".) Vie drei anderen Male, da seine „Hoffart sehr groß war", waren diese: „Erstlich ... als ich auß dem Pennal kam und ein Student wurde", „zum andern ... da ich in Rostock Magister wurde und primum locum hatte", „zum dritten ... als meine Magd kam und sagte: Herr, Glück zum jungen Sohne" [Öen letzten Satz hat er selbst dreifach unterstrichen). Das war nämlich beim ersten Sohn! Seine drei „ersten Hoffarten" hat ja wohl auch mancher andere als gerade ein Theologus zu bestehen gehabt. Die vierte ist allerdings eine rechte Theologenhoffart gewesen.

Seite 28: 17) vgl. Kant, Über formale und materiale Bedeutung einiger Worte (Sämtl. Werke, herausgeg. von G. Hartenstein, 4. Bö., $. 507). Die vier Worte, die Kant bespricht, haben (wie er selbst ausdrücklich

54 bemerkt) Bezug auf die „Titel der Kategorien: Quantität, Qualität, Re­ lation, Modalität". Es sind also Worte oder Begriffe, die einen Inhalt erst an andern gewinnen. Wie der Begriff der Einheit helfen kann, den der Ehre logisch zu erfassen, so können auch die drei andern, die Kant vorbringt (Vollkommenheit, Wahrheit, Möglichkeit) für die Erkenntnis des Gedankens der Ehre Dienste tun; es wäre aber pedantisch, das aus­ zuführen.

Seite 50 : 18) Die Ehre hat Zusammenhang mit der Religion und Moral, wenig­ stens in der Geschichte, speziell im Christentum. Rber sie hat nicht ganz die gleichen Beziehungen zu jener und zu dieser, „vor Gott in Ehren zu bestehen", ist eine Zuversicht, die zu zeigen der Fromme freilich kein Bedürfnis hat; vor den Menschen in Ehren zu bestehen, ist eine Zuversicht, die der Sittlichernste gern und nach innerem Bedürfnis kundgibt. Das beweist nur mit, daß die Ehre, wie die Ehren, zu dem Wechselspiel der geistigen Kräfte der Menschen als Gesellschaft gehört.

Seite 32; 10) vgl. Brief „an die Hebräer" 11, 26.

Seite 57: 20) Was ich im obigen ausgeführt habe, kombiniert historische und idealistische Gesichtspunkte. Man muß in der Tat, um den Gedanken der Ehre konkret zu erfassen, immer beide taten der Reflexion verfolgen. Denn die Ehre ist mindestens uns immer gegenwärtig als ein Sein und Sollen in einem. Ich habe es unterlassen, den Weg der spezifisch psycho­ logischen Rnalyse zu beschreiten. Die in tarn. 2 genannten Studien von Lazarus und Eckstein bewegen sich ganz besonders auf ihm; an ihnen aber habe ich gerade erkannt, daß dieser Weg die Gefahr hat, in die Irre, d. h. auf eine zu enge Deutung des Begriffs zu führen. Lazarus kommt dazu, die Selbständigkeit des Individuums in seiner Selbstbeurteilung auf Ehre fast zu leugnen. Er definiert „Ehre und Ehrgefühl" (daß er beides kurzweg zusammenfaßt, unterliegt für mich keinem Bedenken) als die „Erweiterung des Selbstgefühls in andern und durch sie" (S. 116 f). Das ist zweifellos eine zu enge Fassung des Gedankens; das „Selbstgefühl" ist in der Ehre viel herrischer und kritischer, als Lazarus bemerkt. Eckstein hat dafür ein Rüge, ja er übertreibt es und macht die Ehre (die „innere Ehre", wie er sagt) zu einem spezifischen Sonderdatum in der Seele. Sie erscheint wie ein Phänomen sui generis, für das er aber doch in „einem in der Seele vorhandenen, eingewurzelten, immerfort genährten, und daher stets rezenten Gedankenkomplex" einen Ursprung erkennt. Wäre er diesem „Ursprung" näher nachgegangen, so würde er wohl auf den Weg gekommen sein, den ich eingeschlagen habe. Es ist kaum zu bezweifeln, daß alle Kulturvölker zwischen Ehre und Ehren unterscheiden und sich irgendwie in der Ruffassung der ersteren formal begegnen. Gestatte ich mir eine rein psychologische Orientierung, so traue ich mir kein Urteil

55 zu, welches über „unsere" Empfindung hinausginge. Das „Allgemeine" an dieser erscheint mir dann als etwas Dreifaches. 1. Im Ehrgefühl machen „wir" stets einen Vorbehalt zugunsten unseres eigenen Urteils gegenüber demjenigen der andern, wir sprechen mit in Einsicht dessen, was wir „gelten". 2. Wir wollen Kraft des Ehrgefühls wirklich etwas gelten, etwas bedeuten. In irgendeinem Sinne wollen wir etwas leisten (vielleicht nur etwas „festhallen") und dadurch vor andern und vor uns selbst etwas „wert" sein. 3. Wir sind immer in unserem Empfinden, wenn auch in variablem Maße, abhängig von den Maßstäben der Ureise, zu denen wir gehören. Wir lernen es, diese Ureise gegen­ einander abzustufen, ihre Maßstäbe zu vergleichen und inhaltlich - letztlich nach der höchsten Norm des „Sittengesetzes" — zu beurteilen. Uber wir wollen uns in dem Ureise,zu dem wir uns „rechnen",zweifellos behaupten. Daher, daß das Ehrgefühl im Uonfliktsfalle zunächst Selbst verteidigungsw i l l e ist! vielleicht kommt es uns nur darauf an, uns unter den im h ö ch sten Sinne Sachverständigen in Ehrendingen (den Sachverständigen in Dingen, die den „Menschen" ehren, wertmachen) zu behaupten. (Mir scheint dies das Hauptmerkmal des „Ehrenmannes": dieser Titel kommt niemandem zu, der nicht „moralisch" denkt). Die drei Momente des Ehr­ gefühls sind nicht in jedem Lalle gleich deutlich und stark beieinander; in manchem Menschen überwiegt das eine oder andere.

Seite 37: 21) vgl. Shakespeares „König Heinrich der vierte", Erster Teil, fünfter Auszug, erste Szene.

Seite 37: 22) Der „Ureis", der recht eigentlich an der pflege der „Menschen­ würde", der höchsten und allgemeinsten Idee von einem „Werte", der unter Menschen gelten dürfe, vielmehr solle, seine besondere Gemein­ schaftsehre hat, ist die Uirche. Aber die Uirche will letztlich nicht nur ein Sonderkreis, eine „Institution" sein, so sicher sie (wie das „Volk" den Staat) eine solche auch nötig hat oder ist. Sie will als „Reich Gottes" die ideale „Menschheit" im ganzen sein (bzw. werden). So gehen die religiös-sittlichen Gedanken des Christentums, die sie vertritt, durch alle Schichten unserer Uulturgemeinschaft hindurch, freilich nicht ohne viele bewußte Ablehnungen einzelner größerer oder kleinerer Ureise und unter stetigen Kämpfen. C§ gibt doch zweifellos ein gewisses Mindestmaß moralischer Forderung bei jedem Ehrbegriff unter uns; wieweit das historisch mit dem Christentum zusammenhängt, mag auf sich beruhen. Auch die moralisch-gleichgültig st en Ureise fordern unter dem Gedanken der „Ehre" bei ihren Mitgliedern eine Gesinnung, die mindestens eine Art von Treue beweist und einiges Edle in der persönlichen Haltung sichert, verlangt wird eine bestimmte „Ehrlichkeit" (z. B. Anerkennung der sog. „Ehrenschulden" fnicht klagbare Schulden unter „Genossen"^), Respekt vor dem „Ehrenwort", ein Maß von „Ritterlichkeit", besonders Frauen gegen-

56 über, eine gewisse Entschlossenheit die Konsequenzen seines Tuns zu ziehen (Fähigkeit zum Selbstmord unter gewissen Umständen, besonders um die Familie nicht in die eigene Schande mit zu verstricken) usw. Man darf das moralische Mindestmaß, welches auch die „Nichts als Kavalierkreise" verlangen, nicht mit der römischen Nechtsforderung der existimatio vergleichen. Mit letzterer sind nur die Forderungen zu vergleichen, die bei uns das „Rmt" in Staat, Gemeinde, privilegierter oder anerkannter Erwerbsgenossenschaft und dergleichen als „Ehre" an dem Träger beansprucht.

Seite 58: 23) vielleicht der herbste Konflikts fall für die Ehre, speziell bei dem, der auf das persönliche Urteil der „Kameraden" zu halten nicht umhin kann, ist der der Verkennung. Das ist der Fall, wo man nicht von Böswilligen, sondern von Gutwilligen in der Ehre verletzt, nicht „beleidigt", aber am tiefsten „gekränkt" wird. Ich denke hier an eine Lage, wie diejenige Tellheims in Lessings „Minna von Barnhelm". Der Major hat ungewöhnlich ehrenhaft gehandelt, aber man hatte ihn merken lassen, daß man ihn für „bestochen" halte. Er hat seinen Rbschied „bekommen"; er würde ihn „gefordert" haben (er hält sich selbst für „unmöglich" in seinem Kreise). Der Fall erinnert an den der Helena bei Euripides, oben Rnm. 14. Tellheim erschießt sich nicht, wiewohl er nicht sieht, wie er einen Kampf um sein Recht führen könne. Daß er aushält, ist die größte Tapferkeit, die er bewährt. Cr steht auf seinem „Gewissen". Uber wir verstehen doch, wenn er der Minna, die seine Ehre für unverletzt hält, erklärt: „Nein, mein Fräulein, Sie werden von allen Dingen recht urteilen können, nur hierüber nicht. Die Ehre ist nicht die Stimme des Gewissens, nicht das Zeugnis weniger Rechtschaffenen-" Minna: „Nein, nein, ich weiß wohl. Die Ehre ist - die Ehre." (4. Ruf­ zug, 6. Ruftritt). Es gibt zweifellos Fälle, in denen das gute Gewissen die Geltung bei den empirischen „Rnderen", die für die Gegenwart gewährleistete soziale oder „äußere" Ehre nicht zu ersetzen vermag. Ruch das religiöse Urteil kann über dieses Leid nur hinweghelfen, nicht ihm seinen Charakter als Leid nehmen. Jesus und Sokrates sind da nicht typisch. Venn sie litten Schmach im Dienste ihres Gottes, um ihrer Rufgabe willen. Tellheims Situation ist nicht von solchen Gedanken aus zu beleuchten. Ich habe oben $. 26 das Wort Matth. 5,11 nicht ganz vollständig zitiert. Cs lautet vollständig: „Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und reden allerlei Übles wieder euch, so sie daran lügen". Das Wort hat unmittelbar eine Beziehung auf eine konkrete Situation (die sich auch als solche für viele wiederholt hat). Ich durfte es immerhin oben dieser unmittelbaren Beziehung entnehmen, denn es enthält auch eine allgemeine sittliche Wahrheit. Ein Fall, wie derjenige Tellheims kann jedoch verständlich machen, daß es sich für christliches Urteil nicht darum handeln soll, stumpf

57 zu sein gegenüber den Vorstellungen anderer von uns, am wenigsten sofern unsere sittliche Tüchtigkeit in Frage steht. Man bemerke immerhin, daß Tellheim sich 1. nicht der Verzweiflung ergibt, 2. praktisch nur nicht wagt, Minna mit in seine „Unehre" zu verstricken. Täte er letzteres, so dürfte (vielmehr müßte) er sich als wirklich unehrenhaft beurteilen. Ja da wäre es nicht der Kreis der „Kameraden", sondern gerade der der „wenigen Rechtschaffenen", der ihn der Chre verlustig erklären würde.

Seite 58: Ts liegt in der Natur der Zache, daß der Jurist sich mehr um die empirischen Ehrbegriffe, der Ethiker mehr um die „rechten" Ehrbegriffe kümmert. Den Anlaß für jenen, den Ehrbegriff zu zergliedern, bietet das Delikt der „Beleidigung" (im Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871 der § 185 feinfache Beleidigung; vgl. daneben § 94-101 „Beleidigung des Landesherrn, Beleidigung von Bunbesfürften"]). Die Kommentare zu dem Gesetzbuch und die systematischen Darstellungen des deutschen Strafrechts bieten relativ kurze Erörterungen. Sonderstudien, die ich durchgegangen, sind: H. Heß, Die Ehre und die Beleidigung des § 185 Z1.G.B., 1891 (tritt besonders dafür ein, daß das Delikt von dem Moment des „Gefühls", der Verletzung des Ehrgefühls, also auch dem des Bewußtseins um eine erfahrene Verletzung aus erfaßt werde); E). Kratz, Der strafrechtliche Ehrbegriff und das passive Subjekt der Ehrverletzung, 1891 (Gießener Dissertation); sodann Jos. Kohler, Ehre und Beleidigung (in „Archiv für Strafrecht und Strafprozeß", 47.Jahrgang, 1900, $.1 ff.; ist bemüht, die Beleidigung als einDelikt kenntlich zu machen, das eine „Antastung der Person in Bezug auf die Chre" darstelle, aber kein solches sei, „dessen Tatbestand darin besteht, daß die Ehre ver­ letzt wird" [benn die Ehre als die „innere würde der Person" sei „überhaupt unantastbar"^); endlich besonders M. Liepmann, Einfache Beleidigung (in „vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts", herausgegeben von Birkmeyer, van Talker usw., besonderer Teil, IV. Band, 5. 217—385). Die letztere Arbeit ist wohl die ausführlichste der neueren Literatur über die Beleidigung. Man mag in ihr (wie auch bei Kohler) sehen, wie viele Fragen der Jurist hier nach seinen Sondergesichtspunkten stellen mutz. Liepmann hat aber auch dem Ehrbegriff als solchem wohl die genaueste Überlegung innerhalb der neueren Literatur gewidmet. Um feststellen zu können, wiefern die Ehre angreifbar sei, wo und wie jemand in seiner Ehre sich verletzt fühlen könne, nimmt er die konkrete (moderne) Person unter die Lupe und entdeckt da natürlich alsbald ihren Sondercharakter je nach ihrer Stellung in der Gesellschaft. Das berührt sich mit den Erörterungen über die vielerlei „Kreise", die ich oben an­ stellte. Run vermeidet auch Liepmann es, die verschiedenen tatsächlich gegebenen Stellungen, Kreise, Verhältnisse (oder wie man sich ausdrücken will), in denen die Gesellschaft den einzelnen unter uns als ihr Glied

58 besitzt, konkret zu beleuchten. Das wäre ja auch endlos. Jeder Stand, Beruf, Kreis mutz da für sich Sorge tragen, seinen Genossen durchsichtig zu machen, was für ihn charakteristisch und maßgebend sei, sofern er auf Ehre halte. Liepmann begnügt sich mit kürzesten Illustrationen und Exempeln. Aber er differenziert die Person in sich selbst. Das entspricht meiner Betonung der Vielheit der „Kreise", in der normalerweise der einzelne zu gleicher Seit stehe. Und hier sucht nun Liepmann im Schema, oder in typischer Bezeichnung, festzustellen, was alles am einzelnen zu berück­ sichtigen sei, um ihn und seinen berechtigten Anspruch, in seiner Ehre un­ gekrankt zu bleiben, zu verstehen. Nicht alles, was einer als eine Kränkung seiner Ehre empfindet, kann das Gesetz oder der Richter be­ rücksichtigen. (Es gibt überempfindliche Menschen, Leute von solch rein individueller Reizbarkeit und Verletzbarkeit, daß kein Gesetz darauf Rück­ sicht nehmen, kein Richter da „schützend" (heilend) eingreifen kann. Aber es ist doch von großem Interesse, daß gerade auch der Richter nicht nach gar zu grober Mitempfindung und gar zu flacher Begriffsschablone seines Amtes bei Beleidigungsklagen walte. Liepmann unterscheidet vier Seiten an der Person, und was er da ausführt, kann ich mir mitaneignen. Er verweist 1. auf den Geschlechtscharakter der Person, so zwar, daß er dabei die „Aufgaben" des Mannes einerseits, der Frau andrerseits als das Gebiet, wo sie Ehre haben oder in Anspruch nehmen dürfen, ins Auge faßt. Denn zum „Inventar der Ehre des Menschen" gehören diejenigen Eigenschaften, und nur sie (juristisch), „die für die Erfüllung seiner Sonder­ ausgaben als unentbehrlich gelten". „Wir rechnen zur Ehre eines Mannes nicht Liebe, Gutherzigkeit, Wohltätigkeit, wohl aber Mut, Zuverlässigkeit, Treue. Die Ehre der Frau fordert nicht Mut und kraftvolle Betätigung im Außenleben, sondern Gefühlsreinheit und Keuschheit." Des weiteren handelt es sich 2. um den Stand und Beruf. Auch hier sind die spezi­ fischen „Fähigkeitswerte" das Rückgrat der Ehre. „Ich habe den Geist­ lichen nicht injuriiert (sagt Liepmann unter Anlehnung an einen früheren Autor), dessen Herzhaftigkeit im Duell ich in Zweifel zog, nicht den Offizier, dem ich eben keine Keuschheit nachredete usw". Aber 3. kommt dann doch in Betracht, daß die Menschen auch eine gemeinsame Aufgabe haben. „Jeder Mensch hat, nicht bloß als Angehöriger einer bestimmten sozialen Gemeinschaft, als Geschlechtswesen oder Mitglied einer Kaste oder Berufsart, sondern als Mensch spezifischen Wert: alles, was Menschen­ antlitz trägt, darf Ehre in diesem Sinne beanspruchen". „Menschsein sein heißt für diesen Standpunkt: sittliche Pflichten haben, und diesen Menschenwert greift an, wer andern ethisch mangelhafte Eigenschaften, Verletzung seiner Pflicht als Mensch, fwohlgemerkt im prinzipiellen Sinne! also nun nicht mehr nach einer naturhaften oder sozialen Besonderheit, ich denke etwa an Lügenhaftigkeit^ nachsagt". Liepmann zieht hier den Be­ griff der „Würde" des Menschen heran, um zu zeigen, daß auch hier noch eine Art von „Beleidigungen" möglich ist. Endlich 4. konstruiert Liepmann noch eine „Ehre des Kulturmenschen". Das soll auf diejenigen Fähigkeitswerte

59 gehen, die mit der „Verfeinerung" aller Funktionen, Empfindungen usw. Zusammenhängen. Natürlich überläßt Liepmann cs dem einzelnen, selbst geltend zu machen, nach welcher Seite er sich verletzt fühlt. Nur sofern auch Tote, Geisteskranke (Idioten), Rinder beleidigt werden können, kommen Substituten als Kläger in Betracht. Ich meinerseits habe als Cthiker keinen Anlaß, Liepmanns Theorie von den „Seiten" der Person und den danach bemessenen „Arten" ihrer Ehre zu bestreiten, sondern nur darauf hinzuweisen, daß einerseits diese Seiten sehr verschieden ausgebildet und verbunden sind, und andrerseits doch nicht auf gleicher Stufe nebeneinander stehen, vielleicht darf ich zugeben, daß die „Kreise", in denen sich unsere christliche Kulturwelt differenziert hat, großenteils an einem der vier Gesichtspunkte, die Liepmann be­ zeichnet, ganz oder überwiegend orientiert sind. (Für den vierten würde ich besonders an unsere „Gesellschaft" im engeren Sinne, die organisierte „Geselligkeit" denken. Die in diesem „Kreise" geltenden Werte, das, was hier zur Ehre gehört, ist wirklich nur für spe­ zifisches Empfinden vorhanden; ich würde es aber eher „konventionelles" Empfinden nennen, als „kulturelles".) Ich vermisse bei Liepmann Rück­ sicht auf die Ehre der Person als Glied eines Volks und einer Religions­ gemeinde! Daß nicht „jeder" solche „Ehre" hat bzw. für seine Person begehrt, darf nicht verdecken, daß der Richter auch für sie in Anspruch genommen werden kann und Verständnis haben muß. Welcher seiner vier Seiten würde Liepmann diese Arten von Ehre zuweisen? Wohl der zweiten. Aber das geht doch nur sehr künstlich. vielleicht ist es nicht gleichgültig, daß noch das Folgende aus­ gesprochen wird. Man kann mehr oder weniger überall bei den Kreisen oder Seiten des Rlenschen, die für seine Ehre in Betracht kommen, solche Momente unterscheiden, die in der subjektiven Haltung sich zeigen, als „Eigenschaften" der Person gefordert werden, und solche, die als objektive Faktoren bestimmend sind, die „Realien" der Ehre darstellen. Um einige Beispiele zu nennen, so kann man beim Soldaten den IHut, die Manneszucht usw. als seine Ehre bezeichnen, man kann auch sagen die „Fahne" sei seine Ehre, sie als das Sonderbesitztum des Regiments, der Zeuge der früheren Ruhmestaten desselben usw. Der Herrscher inmitten seines Volks hat seine Ehre an seinem Willen überall das Staatswohl im ganzen zu bedenken; er hat sie auch an seiner „Krone", daran daß er „Macht" besitze (nicht bloßer Scheinherrscher sei). Das Familienglied hat seine Ehre an seiner Entschlossenheit für die Seinen einzutreten, seine Ehre ist auch der „Ruf der Familie" (je nachdem ihre „Tradition" u. drgl.). Jeder Bürger sieht seine Ehre in seinen „Fähigkeitswerten" (mit Liep­ mann zu reden), aber auch objektiv in seinem „Rechte", vgl. zu dem Gedanken von dem „Rechte" der Person als ihrer „Ehre" besonders v. Jhering, Der Kampf um’s Recht, 1872 u. ö. Cs gehört zu den Schwierigkeiten der Aufgabe, den Gedanken der Ehre vollständig zu er­ fassen, daß er so persönlich wie sachlich gewürdigt werden muß. Man

60 kann beide Gesichtspunkte zusammenfassen in der Formel: all das gehört zur Konstitution der Ehre, womit die Person (bei den andern und im tiefsten bei sich selbst) als mit positiven werten ihres Daseins soli­ darisch ist.

Seite 58: 25) vgl. „Die Jungfrau von Orleans", erster Auszug, fünfter Auf­ tritt (vunois an König Karl). Seite 59: 26) 3- Burkhardt, Die Kultur der Renaissance in Italien, 3. Hufl., besorgt von £. Geiger; 2. Bb., S. 202. Unser „modernes Ehrgefühl" verträgt sich, meint Burkhardt (der es doch zu sehr wie etwas Einheit­ liches ansieht!) „mit vielem Egoismus und großen Lastern und ist unge­ heurer Täuschung fähig; aber auch alles Edle, das in einer Persönlich­ keit übrig geblieben, kann sich daran anschließen und aus diesem Ouell neue Kräfte schöpfen". Noch irgendwo und irgendwie in einem Kreise und bei sich selbst gelten zu wollen, ist wirklich eine Art von halt, schafft noch ein Pflichtgefühl, „auch dem, der durch oder ohne seine Schuld alles übrige, Glauben, Liebe und Hoffnung eingebüßt hat". „Chr is Dwang gnog", lautet der Spruch, den die Kaufmannschaft zu Münster zu Anfang des 17.Jahrhunderts in ihrem Gildehaus, dem sog. Kramer-Amthaus über dem Herd des Hauptsaals hat anbringen lassen (siehe dazu hupssen, in der Anm. 2 bezeichneten hübschen Schrift, S. 5). Des Kaufmannstandes „Ehre" ist in erster Linie die Rechtschaffen­ heit des Geschäftsgebarens (die „Reellität"; in anderer Wendung ist der „Kredit" seine Ehre, dessen Hauptbedingung aber ist wieder die Reellität). Sie ist wirklich für ihn „Zwang genug". Auch der sittlich gefährdetste Zweig des Kaufmannstandes, die „Börse", kann mit dieser „Ehre" auskommen. (Gewagte Formen des Handels sind noch nicht For­ men, die nicht „gellen" dürften; im einzelnen entscheiden teils technische Erfahrungen, teils sittliches Urteil, was erlaubt oder verboten sei.)

Verlag von Alfred Opelmann in Gießen

Das Züchen der Zeit Blätter deutscher Zukunft herausgegeben von

Friedrich Daab und Hans Wegener (früher Verlag von K. H. Langewiesche)

Jeder Band BI. 1.80 Erster Banb: Unsere Hoffnung (Hrtur Bonus) — Vie Sehnsucht nach Persönlichkeit ($. Daab) — IHaran Ütha (h. Weinei) — Das religiöse Denken der Gegenwart (F. Niebergall) — Väter und Söhne (Hans Wegener) — Die geheimen Erfahrungen der Propheten Israels (h. Gunkel) — Übermensch und Herdenmensch (H.LHotzky) - Lin Hemmnis deutsch. Zu­ kunft u.seine Überwindung (F.Meyer) — Erfüllung (G. Prellwitz).

Zweiter Banb: Die Selbsterhaltung des Ichs (F. Naumann) — Was ist Religion? (Hans Wegener) — Die Seele Jesu (F. Daab) — Das Mysterium (h. Lhotzky) — Der Rulturwert der Renaissance (H. Bonus) — ver­ gib uns unsere Schuld(Ej.Weinei) — Gedanken (Carl hauptmann).

Dritter Band:

Was ist die Bibel? (Hans Wegener) — „Sonnig". Geschichte eines Einsamen (h. Lhotzky) — Das Armenevangelium (Fritz Werner) — Erlösung (F. Daab). vierter Band:

Die Furcht vor dem Denken (Hans Wegener) — Bekenntnisse eines versöhnten Menschen (Fritz Werner) — vom jungen Leben (F. D a a b).

Der fünfte Banb wird im herbst 1909 erscheinen.

Verlag von Alfred Göpelmann in Gießen

Walter Kinkel Dom Sein und von der Seele Gedanken eines Idealisten Sein geb.

1906

2 Mark

Hus Traum und Wirklichkeit der Seele Sülle Gedanken aus einsamen Stunden Zein geb.

1907

2 Mark

In diesen beiden Bändchen veröffentlicht der Gießener Philosoph eine Reihe tiefempfundener Aufsätze: zwei Büchlein für das Leben im umfaßenden Sinne des Wortes, voll innigen Idealismus. All die intimsten Fragen, die das menschliche Gemüt quälen können, werden aufgeworfen und mit begeisternder, hinreißender und poetischer Sprachgewalt dargestellt. Die Bücher ent­ halten viele allerpersönlichste Erlebnisse, und wir be­ kommen einen Einblick in die reiche Innenwelt einer leidenden, tief angelegten Natur, die über das Schmerz­ liche, das Schöne, wahre und Gute der Welt nachge­ dacht, die gelitten und sich durchgerungen hat. Alle die, denen die Probleme des Lebens am Herzen liegen, können in den schönen Büchern einen Führer finden.

Verlag von Alfred Töpelmann in Gießen

Gesundheit und Erziehung Line Vorschule der Lhe von

Univ.-Prof.

Georg Stufier,

2. vermehrte Auflage

Dr.med.

Gebunden 5 Mark

Bücher vom Werte öes Stickerschen werden nicht häufig ge­ schrieben. Gewiß! was es sagt, lautet selbstverständlich. Aber ist die Wahrheit nicht immer selbstverständlich und einfach? Man braucht sie nur ernstlich zu suchen und mutig auszusprechen. Aber das Buch ist damit längst nicht erschöpft. In seinen Ab­ handlungen zur Erziehung enthält es ebensoviel perlen, die es sich lohnt, aufzulesen. Aus allem spricht der erfahrene Arzt und liebevolle Beobachter der Kmöesfeele ... Ist es noch nötig, den Wunsch der weitesten Verbreitung hinzuzufügen? Eltern und Lehrern diene das Buch zu ernstem Studium, der Vater möge es dem Sohne mit auf die Universität geben, und hoffentlich sind viele Mütter frei genug von ungesunder Prüderie, um es der er­ wachsenen Tochter zu empfehlen. (Germania, Berlin.) Lin wahrhaft guter Mensch und ein geistreicher Gelehrter spricht aus diesem Buche, das mehr enthält, als der Titel verspricht. Um zu lehren, wie man trotz der Uberkultur unsrer Zeit, die, indem sie den Körper schädigt, auch dem Geiste Gefahren bringt, an beiden gesund bleiben kann, wie man insbesondere die Kinder auch bei einer anspruchsvollen Erziehung gesünder und stärker machen kann, dazu ist dies Buch geschrieben. (Wissen für alle, Wien.)

Verlag von Alfred Opelmann in Gießen

Über Naturheilkunst vier Reden von

Univ.-Prof. Kart. 3 Klarst

Georg Sticher, 1909

Dr. med.

Geb. 4 Mark

Die für den Druck erweiterten Heben würben in ben letzten Jahren zur Belehrung von Laienkreisen gesprochen, aus benen wieberhott an ben Verfasser bie Frage gerichtet war, was von ber Naturheilkunst zu halten sei. Seine Antwort: „Alles unb gar nichts!" hatte bie Aufmerksamkeit erregt, ohne zu befriedigen, unb deshalb entschloß sich ber Verfasser zu einer ausführlichen Darlegung. Der Laie wirb bie gewünschte Auf­ klärung, bie Schule Anbeutungen für bas natürliche System ber Heilkunst barin finben.

Mutter und Rind wie man heikle Gegenstände mit Rindern behandeln kann

Ernste Antworten auf Kinberfragen Mit einem Vorworte von

Univ.-Prof. Georg Sticker, Dr. med. 5.—10. Tausend

hübsch gebunben Kl. -.90

3n welch zarter Weise bie notwenbige Aufklärung bem Kinbe gegeben werben Kann, wie sie sich schrittweise mit ber zunehmenben Heise besfelben erweitert, unb wie sie barum, weil ber körper­ lichen unb geistigen Verfassung bes Kinbes sich unpassend, viel leichter ohne sittlichen Nachteil als die von unberufenem Munde gemachte Unterweisung ertragen werben kann, bas zu zeigen be­ müht sich am besten wohl dies Büchlein. (Hochland.)

Verlag von HIfreb Löpelmann in Gießen

Das nächste Geschlecht Lin Buch zur Selbsterziehung für Eltern Das sexuelle Problem in der Kindererziehung von

Ejans Wegener Verfasser von „Wir jungen Männer" Kart. M. 2.-

1.-20. Tausend

Geb. M Z.-

Peter Kosegger schreibt in seinem Heimgarten: Offener, eindringlicher und ehrlicher über geschlechtliche Dinge kann man nicht leicht reden, als es in diesem Buche geschieht. (Es handelt von Geschlechtsliebe und Geschlechtskraft, von dem Verhältnis zwischen Bräutigam und Braut, zwischen wann und Weib und von der Erziehung und Aufklärung des Kindes in dieser wichtigsten, heiligsten Angelegenheit des Menschen. Männer und grauen, dieses Buch müßt ihr lesen. Und solltet ihr auch nicht mit allem und jedem einverstanden sein, so manches werdet ihr finden, was in keinem anderen Buche zu finden ist, und vieles, was euch zum Legen fürs Leben werden kann.

Verlag von Alfred Töpelmann in Gießen

Jesus und seine predigt Lin Volkshochschulkursus von

D. Karl Thieme a. o. Professor der Theologie in Leipzig

Geh.rN. 1.-

1908

Geb. M. 1.50

. . . Einem solchen Führer darf sich auch wohl ein mißtrauischer

Zinn anvertrauen; wer aber noch bedenklich auf die wissen­ schaftliche Arbeit blickt, als wenn sie Thristentum und Glauben

zerstören wolle oder doch, auch ungewollt, verwüsten werde, der mag hier zu der Überzeugung kommen, mit deren Ausdruck Th.

schließt: „Jesus ist so groß, daß wir dies und jenes preisgeben können, ohne von ihm wegzugehen" — preisgeben natürlich

nur, wenn die Wahrhaftigkeit und das wissenschaftliche Gewissen

dazu zwingt. Diese ganze Darstellung gibt in gemeinverständ­ licher Sprache eine so gute Zusammenfassung, daß sie bei ihrem billigen preise recht weite Verbreitung verdient.

Neues Sächsisches Kirchenblatt.

Verlag von Alfreb Opelmann in Gießen

Pas nächste Geschlecht Gin Buch zur Selbsterziehung für Eltern Das sexuelle Problem in der Kindererziehung von

Hans Wegener Verfasser von „Wir jungen Männer" Kart. M. 2.—

1.-20. Tausend

Geb. IN 3.—

Peter Rosegger schreibt in seinem Heimgarten: Offener, eindringlicher und ehrlicher über geschlechtliche Dinge kann man nicht leicht reden, als es in diesem Ruche geschieht. (Es handelt von Geschlechtsliebe und Geschlechtskraft, von dem Verhältnis zwischen Bräutigam und Braut, zwischen Mann und Weib und von der Erziehung und Rufklärung des Kindes in dieser wichtigsten, heiligsten Rngelegenheit des Menschen. Männer und Frauen, dieses Buch müßt ihr lesen. Und solltet ihr auch nicht mit allem und jedem einverstanden sein, so manches werdet ihr finden, was in keinem anderen Buche zu finden ist, und vieles, was euch zum Legen fürs Leben werden kann.

E. G. Höher G. m. b. H., Leipzig.