Effizienzmessung im Sparkassensektor am Beispiel regionaler Cluster [1 ed.] 9783896446015, 9783896736017

Die Primärinstitute der Sparkassen-Finanzgruppe standen über viele Jahre im Zentrum nationaler und internationaler Kriti

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German Pages 272 [274] Year 2011

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Effizienzmessung im Sparkassensektor am Beispiel regionaler Cluster [1 ed.]
 9783896446015, 9783896736017

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SCHRIFTENREIHE FINANZIERUNG UND BANKEN Herausgeber: Prof. Dr. Detlev Hummel

Markus Tischer

Effizienzmessung im Sparkassensektor am Beispiel regionaler Cluster

Verlag Wissenschaft & Praxis

Effizienzmessung im Sparkassensektor am Beispiel regionaler Cluster

SCHRIFTENREIHE FINANZIERUNG UND BANKEN herausgegeben von Prof. Dr. Detlev Hummel

Band 18

Markus Tischer

Effizienzmessung im Sparkassensektor am Beispiel regionaler Cluster

Verlag Wissenschaft & Praxis

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-89673-601-7 © Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 2011 D-75447 Sternenfels, Nußbaumweg 6 Tel. +49 70 45 93 00 93 Fax +49 70 45 93 00 94 [email protected] www.verlagwp.de Druck und Bindung: Esser Druck GmbH, Bretten

Alle Rechte vorbehalten Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

V

Geleitwort Die Besonderheiten der Bankengruppen Deutschlands in ihrem wettbewerblichen Veränderungsprozess sind seit Jahrzehnten Gegenstand der bankbetrieblichen Forschung sowie der Diskussionen innerhalb der Branche. Der Sparkassensektor in Deutschland gilt als eine besonders starke, geschlossene Bankengruppe mit regionalen, flächendeckenden Geschäftsmodellen innerhalb des Dreisäulensystems. Die Folge eines relativ geringen Konzentrationsgrades sind erhebliche regionale Differenzierungen. Wirtschaftsstrukturen der Regionen sowie demografische Entwicklungen beeinflussen die Geschäftsmodelle vor allem der Sparkassen. Der internationale Vergleich z. B. im europäischen Markt wirft interessante Fragen zur Effizienz/Ineffizienz der deutschen Kreditinstitute insgesamt auf. Die Bewertung der Sparkassen ist in diesem Kontext aufgrund des öffentlich-rechtlichen Auftrages eine besonders anspruchsvolle Aufgabe. Dem stellt sich der Autor des neuesten Bandes unserer Schriftenreihe. Tischer wählte als Dissertationsthema die Effizienzmessung der deutschen Sparkassen und konzentriert sich auf die Entwicklungen von 1994 bis 2008. Die Kriterien Gewinnmaximierung, „Share holder value“ oder „Return on Equity“ sind dabei aufgrund der Selbstbeschränkungen der Sparkassen auf den öffentlichrechtlichen Auftrag sowie wegen des Regionalprinzips („Schicksalsgemeinschaft“ mit der Region) nicht das alleinige Maß aller Dinge. Tischer stellt dabei im Gegensatz zum in der Wissenschaft dominierenden Intermediationsansatz erneut produktive Aspekte des Bankgeschäftes in den Mittelpunkt. Themen wie technische Effizienz, der optimale Einsatz von Produktionsfaktoren und indirekt auch die Managementleistung werden mit quantitativen Methoden auf Basis einer besonderen Datenbasis - im Zusammenhang mit regionalen Wirtschaftsstrukturen analysiert. Damit können externe Einflüsse, wie auch die demografischen Veränderungen berücksichtigt werden. Der Autor kommt damit im Rahmen unserer Lehrstuhlforschungen zu besonderen Einsichten - beispielsweise über die besondere Effizienz von Sparkasseninstituten in strukturschwachen Regionen. Der Herausgeber wünscht dem geneigten Leser aus Wissenschaft und Praxis viele Anregungen und bittet ausdrücklich um Hinweise und weiterführende Vorschläge zur Diskussion. Potsdam, im Mai 2011

Prof. Dr. Detlev Hummel

VI

VII

Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand während und nach meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Finanzierung und Banken der Universität Potsdam. Gereift ist die Idee bereits im Rahmen meiner Diplomarbeit an der Humboldt-Universität zu Berlin. Mein Doktorvater Prof. Dr. Detlev Hummel ermöglichte es, die Thematik weiter zu bearbeiten. Ihm gilt besonderer Dank für die Betreuung der Arbeit. Insbesondere die mir gewährten Freiheiten und sein fachlicher Rat schafften die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung des Dissertationsprojektes. Herrn Prof. Dr. Marcus Riekeberg danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens sowie die zahlreichen theoretischen als auch praktischen Anregungen und konstruktiven Diskussionen. Weiterhin geht mein Dank an das gesamte Lehrstuhlteam sowie die Professoren und Doktoranden, die im Rahmen der Doktorandenseminare wertvolle Hinweise lieferten. Eine empirische Arbeit lebt zudem vor allem von der zugrunde liegenden Datenbasis. An dieser Stelle möchte ich die Unterstützung durch die Deutsche Bundesbank bzw. die Mitarbeiter des Zentralbereichs „Banken und Finanzaufsicht“ hervorheben. Von besonderer Bedeutung bei so einem langfristigen Projekt ist der Rückhalt der Familie und Freunde. Diesen habe ich erfahren und dafür bin ich euch sehr dankbar. Ohne ein intaktes Umfeld wäre das Gelingen dieser Aufgabe wohl entscheidend schwerer geworden. Insofern habt ihr alle einen wesentlichen Teil dazu beigetragen. Großer Dank gebührt hier insbesondere Marlene. Neben ihrem eigenen zeitfüllenden „Projekt – J.“, korrigierte sie große Teile der schriftlichen Ausarbeitung dieser Arbeit. In den letzten Jahren habe ich gelernt, dass sich die komplexe Welt der Wirtschaftswissenschaften durchaus anschaulich formulieren lässt. Meine Dankbarkeit in Worte zu fassen, fällt mir dagegen ungleich schwerer. Das gilt vor allem in Bezug auf dich, Nicole. Neben deinem fachlichen Beistand und der kritischen Durchsicht der Arbeit, bist du mit mir durch die Höhen und Tiefen eines Promotionsverfahrens gegangen, hast mich Tag für Tag unterstützt und viel Geduld bewiesen. Dafür danke ich dir von Herzen! Die Dankbarkeit für die in jeder Lebenslage alles umfassende und liebevolle Unterstützung meiner Eltern auszudrücken, würde mir nie in ausreichendem Maße gelingen. Deshalb möchte ich euch als kleines Zeichen diese Arbeit widmen. Markus Tischer

VIII

Inhaltsverzeichnis

IX

Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis ..................................................................................... XIV Tabellenverzeichnis ........................................................................................ XVII Abkürzungsverzeichnis .................................................................................... XIX Symbolverzeichnis .......................................................................................... XXII 1

2

Einleitung ....................................................................................................... 1 1.1

Ausgangslage und Problemstellung .........................................................1

1.2

Gang der Arbeit ........................................................................................5

Strukturelle Analyse des deutschen Bankenmarktes ..................................... 9 2.1

Die Elemente des Drei-Säulensystems ....................................................9

2.1.1 Kreditbanken........................................................................................9 2.1.2 Genossenschaftssektor .......................................................................10 2.1.3 Der öffentlich-rechtliche Sektor ........................................................10 2.2

Entwicklungen auf dem deutschen Bankenmarkt und Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle der Marktteilnehmer ............12

2.2.1 Kreditbanken......................................................................................14 2.2.2 Genossenschaftssektor .......................................................................16 2.2.3 Sparkassensektor................................................................................17 2.2.4 Aufstrebende Wettbewerber ..............................................................19 2.3 3

Marktanteile und Ableitung geschäftspolitischer Ausrichtungen im Spiegel der Bilanz ..................................................................................21

Wettbewerb auf dem deutschen Bankenmarkt ............................................ 27 3.1

Ansätze der Wettbewerbsmessung.........................................................27

3.1.1 Der internationale Kontext ................................................................27 3.1.2 Der nationale Kontext ........................................................................30 3.2

Wettbewerbsmessung und Konzentration im Bankwesen .....................34

3.2.1 Strukturorientierte (nicht-formale) Ansätze der Wettbewerbsmessung ........................................................................35 3.2.2 Konzentrationsmaße ..........................................................................37

X

Inhaltsverzeichnis

3.2.3 Alternative Ansätze ...........................................................................42 3.3

Wirtschaftliche Situation im deutschen Bankensektor ..........................47

3.3.1 Die Rentabilität im innerdeutschen Vergleich ..................................47 3.3.2 Die Rentabilität im internationalen Vergleich ...................................53 4

Kritische Würdigung der Kennzahlen zur Beurteilung der Effizienz ......... 57 4.1

Terminologische Grundlagen der Effizienz ...........................................57

4.1.1 „Praxisübliche“ Betrachtungen..........................................................57 4.1.2 Die Produktionstheorie und Effizienz ...............................................59 4.1.3 Produktive und ökonomische Effizienzbetrachtungen ......................63 4.1.4 Komponenten der Effizienz ...............................................................64 4.1.5 Methoden der Effizienzmessung .......................................................71 4.1.5.1 Parametrische Verfahren .............................................................72 4.1.5.2 Nichtparametrische Verfahren.....................................................73 4.1.5.3 Kritische Würdigung parametrischer und nichtparametrischer Verfahren .....................................................................................75 4.2

Data Envelopment Analysis - DEA .......................................................77

4.2.1 Das DEA-Basismodell von Charnes, Cooper und Rhodes................78 4.2.2 Modifikationen des DEA-Basismodells ............................................83 4.3

Die Modellierung des Bankgeschäfts ....................................................88

4.3.1 Der Produktionsansatz .......................................................................88 4.3.2 Der Intermediationsansatz .................................................................90 4.3.3 Der Benutzer-Kostenansatz ...............................................................93 4.3.4 Der Wertschöpfungsansatz ................................................................94 4.3.5 Die Quantifizierung der In- und Outputs...........................................95 4.4

Stand der Forschung ...............................................................................98

4.4.1 Die Bedeutung von X-Effizienz und Skaleneffizienz .......................98 4.4.2 Die X-Effizienz deutscher Kreditinstitute .........................................99 4.5

Der Einfluss soziodemografischer Veränderungen auf die Aktivitäten der Banken und Sparkassen ..............................................104

Inhaltsverzeichnis

5

XI

Der Sparkassensektor in Deutschland ........................................................ 109 5.1

Die Grundstruktur der Sparkassenorganisation ...................................109

5.2

Wesensmerkmale der Sparkassen ........................................................111

5.2.1 Die historische Entwicklung des deutschen Sparkassenwesens .....111 5.2.2 Geschäftspolitische Aspekte ............................................................114 5.2.2.1 Geografische Beschränkungen - Regionalprinzip .....................114 5.2.2.2 Enumerationsprinzip..................................................................118 5.2.2.3 Subsidiaritätsprinzip ..................................................................119 5.2.3 Öffentlicher Auftrag ........................................................................121 5.2.3.1 Gewährleistungsfunktion ...........................................................124 5.2.3.2 Wettbewerbssicherungsfunktion ...............................................125 5.2.3.3 Struktursicherungsfunktion .......................................................126 5.2.3.4 Hausbankfunktion......................................................................128 5.2.3.5 Förderfunktion ...........................................................................130 5.2.3.6 Zwischenfazit.............................................................................131 5.3

Reformierungsansätze des Sparkassenwesens im europäischen Vergleich ..............................................................................................134

5.3.1 Schritte zur Deregulierung innerhalb europäischer Sparkassensektoren ..........................................................................134 5.3.2 Bisherige Lösungsansätze zur Reformierung des deutschen Sparkassenwesens ............................................................................140 6

Empirische Untersuchung .......................................................................... 145 6.1

Selektion vergleichbarer Untersuchungseinheiten mittels Clusteranalyse ......................................................................................145

6.1.1 Kennzahlen der Clusteranalyse .......................................................146 6.1.1.1 Siedlungsstruktur .......................................................................146 6.1.1.2 Bevölkerungsdichte ...................................................................146 6.1.1.3 Veränderungsrate der Bevölkerung ...........................................148 6.1.1.4 Bevölkerungsstruktur ................................................................148 6.1.1.5 Produktivität der Region............................................................150 6.1.1.6 Kaufkraft der Bevölkerung ........................................................151

XII

Inhaltsverzeichnis

6.1.1.7 Arbeitslosenquote ......................................................................152 6.1.2 Datengrundlage und Untersuchungsebene ......................................153 6.1.3 Theoretische Vorüberlegungen zur Clusteranalyse .........................154 6.1.4 Ergebnisse der Clusteranalyse .........................................................156 6.1.5 Die Bewertung der Ergebnisse unter Anwendung der Diskriminanzanalyse .......................................................................160 6.2

Untersuchungsergebnisse der Effizienzanalyse (DEA) im Vergleich zu den Auswertungen der CIR.............................................................163

6.2.1 Beschreibung der Datenbasis...........................................................163 6.2.2 CIR-Werte auf Basis der Clusterlösungen ......................................165 6.2.3 DEA-Effizienzwerte auf Basis der Clusterlösungen .......................166 6.2.3.1 Rein technische Effizienz (VRS) ..............................................167 6.2.3.2 Technische Effizienz (CRS) ......................................................171 6.2.3.3 Skaleneffizienz (SE) ..................................................................172 6.3

Effizienzuntersuchungen in Abhängigkeit von der Betriebsgröße ......173

6.4

Vertiefende Analyse eines ausgewählten Clusters ..............................176

6.4.1 CIR ...................................................................................................177 6.4.2 Rein technische Effizienz (VRS).....................................................178 6.5

Ableitung differenzierender Geschäftsmodelle auf Basis quantitativer Analysen bilanzieller und außerbilanzieller Geschäftsaktivitäten .............................................................................179

6.5.1 Kreditgeschäft im Firmen- und Privatkundenbereich .....................179 6.5.2 Aktivseitige Alternativgeschäfte .....................................................183 6.5.3 Die Struktur der Passivseite .............................................................184 6.5.4 Analyse der Unterschiede auf Basis der Gewinn- und Verlustrechnung...............................................................................185 6.5.5 Kreditrisiko und Risikovorsorge .....................................................189 6.5.6 Zwischenfazit ...................................................................................190 6.6

Exkurs: DEA-Effizienzanalyse unter Einsatz nichtmonetärer Kennzahlen ..........................................................................................193

Inhaltsverzeichnis

7

XIII

Fazit ............................................................................................................ 197 7.1

Zusammenfassung und zentrale Ergebnisse ........................................197

7.2

Kritische Stellungnahme und Forschungsausblick ..............................205

Anhang .............................................................................................................. 207 Literaturverzeichnis .......................................................................................... 220

XIV

Abbildungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1.1:

Aufbau der Arbeit ......................................................................7

Abbildung 2.1:

Durchschnittliche Bilanzsumme 2009 in Mrd. Euro...............22

Abbildung 2.2:

Durchschnittliche Bilanzsumme 2009 in Mrd. Euro...............22

Abbildung 3.1:

Anzahl der Kreditinstitute .......................................................30

Abbildung 3.2:

Anzahl der Bankstellen............................................................32

Abbildung 3.3:

Bankstellendichte ....................................................................33

Abbildung 3.4:

Zinsüberschuss in Relation zur durchschnittlichen Bilanzsumme ...........................................................................48

Abbildung 3.5:

Provisionsüberschuss in Relation zur durchschnittlichen Bilanzsumme ...........................................................................50

Abbildung 3.6:

Cost-Income-Ratio (CIR) ........................................................51

Abbildung 3.7:

Jahresüberschuss vor Steuern in Relation zur durchschnittlichen Bilanzsumme ............................................52

Abbildung 3.8:

Eigenkapitalrendite vor Steuern ..............................................53

Abbildung 3.9:

CIR im internationalen Vergleich (Durchschnitt 1994 – 2006) .....................................................54

Abbildung 3.10: Eigenkapitalrendite vor Steuern im internationalen Vergleich (Durchschnitt 1994 – 2006) ....................................55 Abbildung 4.1:

Technische Effizienz nach Farrell ...........................................63

Abbildung 4.2:

Technische und allokative Effizienz .......................................65

Abbildung 4.3:

Skaleneffizienz .......................................................................68

Abbildung 4.4:

Effizienzkomponenten.............................................................71

Abbildung 4.5:

Relevante Methoden der Effizienzmessung ............................74

Abbildung 4.7:

Effizienzmaße im Ein-Faktorfall .............................................85

Abbildung 6.1:

Cost-Income-Ratio (CIR) ......................................................166

Abbildung 6.2:

Rein technische Effizienz; Durchschnittswerte (1994 – 2008) ........................................................................167

Abbildung 6.3:

Entwicklung der rein technischen Effizienz der Cluster 1 – 4 (1994 – 2008) ...................................................168

Abbildungsverzeichnis

XV

Abbildung 6.4:

Relative Anteil der effizienten Sparkassen im Cluster an allen effizienten Sparkassen in der Grundgesamtheit ...........169

Abbildung 6.5:

Relative Anteil der effizienten Sparkassen im Cluster an allen Sparkassen im Cluster ..................................................170

Abbildung 6.6:

Entwicklung der technischen Effizienz (CRS) der Cluster 1 – 4 (1994 – 2008) ...............................................................171

Abbildung 6.7:

Entwicklung der Skaleneffizienz (SE) der Cluster 1 – 4 (1994 – 2008) ........................................................................172

Abbildung 6.8:

CIR, Rein technische Effizienz (VRS), Skaleneffizienz (SE) unter Berücksichtigung der Betriebsgröße (Mittelwerte: 1994 – 2008)....................................................175

Abbildung 6.9:

Cost-Income-Ratio (CIR) ......................................................177

Abbildung 6.10: Rein technische Effizienz (VRS) ..........................................178 Abbildung 6.11: Rein technische Effizienz (VRS); Vergleich monetäre und nicht monetäre Betrachtung...................................................194 Abbildung 6.12: Rein technische Effizienz (VRS), Entwicklungen auf Clusterebene ..........................................................................195

XVI

Abbildungsverzeichnis

Anhang Abbildung A.1: Zins- sowie Provisionsüberschuss in % der Summe der Überschüsse im operativen Geschäft ....................................210 Abbildung A.2: Entwicklung des Zinsertrags in Relation zur Bilanzsumme .210 Abbildung A.3: Entwicklung des Zinsaufwands in Relation zur Bilanzsumme .........................................................................211 Abbildung A.4: Allgemeiner Verwaltungsaufwand in % der durchschnittlichen Bilanzsumme ..........................................211 Abbildung A.5: Entwicklung der durchschnittlichen Bilanzsummen .............212 Abbildung A.6: Elbow-Kriterium zur Bestimmung der Clusteranzahl...........215 Abbildung A.7: CIR, Rein technische Effizienz (VRS), Skaleneffizienz (SE) unter Berücksichtigung der Betriebsgröße (Mittelwerte 2008) .................................................................218 Abbildung A.8: Technische Effizienz unter Annahme konstanter Skalenerträge (CRS) effizienter und ineffizienter Sparkassen (Cluster 4) ...........................................................218 Abbildung A.9: Skaleneffizienz (SE) effizienter und ineffizienter Sparkassen (Cluster 4) ...........................................................219

Tabellenverzeichnis

XVII

Tabellenverzeichnis Tabelle 6.1:

t-Werte der Vier-Cluster-Lösung, Beobachtungszeitraum 1994 – 2008 ...........................................................................159

Tabelle 6.2:

Eigenwerte .............................................................................160

Tabelle 6.3:

Wilks-Lambda .......................................................................161

Tabelle 6.4:

Zuordnung der In- und Outputfaktoren für die Effizienzanalyse (DEA) unter Anwendung des Produktionsansatzes ..............................................................164

Tabelle 6.5:

Größenklassen .......................................................................174

Tabelle 6.6:

Relative Kreditvergabe ..........................................................180

Tabelle 6.7:

Forderungen an Unternehmen nach Fristigkeit im Verhältnis zu den Forderungen an Unternehmen insgesamt.181

Tabelle 6.8:

Forderungen an Privatpersonen nach Fristigkeit im Verhältnis zu den Forderungen an Privatpersonen insgesamt ...............................................................................182

Tabelle 6.9:

Aktivgeschäfte in Relation zur Bilanzsumme .......................183

Tabelle 6.10:

Passivgeschäfte in Relation zur Bilanzsumme ......................185

Tabelle 6.11:

Aufwendungen ......................................................................186

Tabelle 6.12:

Überschüsse ...........................................................................187

Tabelle 6.13:

Risikobetrachtungen ..............................................................190

XVIII

Tabellenverzeichnis

Anhang Tabelle A.1:

Anzahl der Kreditinstitute und Bankstellen in europäischen Ländern ............................................................207

Tabelle A.2:

Strukturdaten – Länder des EU-Bankensektors (2007) ........208

Tabelle A.3:

Herfindahl Index und Konzentrationsrate (CR5) europäischer Bankenmärkte (2003 – 2007) ..........................209

Tabelle A.4:

Aufwand- und Ertragslage der Banken in Ländern der EU-15.....................................................................................213

Tabelle A.5:

RoE und RoA der Bankensektoren europäischer Länder sowie der USA .......................................................................214

Tabelle A.6:

Standardisierte kanonische Korrelationskoeffizienten ..........215

Tabelle A.7:

Gleichheitstest der Gruppenmittelwerte ................................216

Tabelle A.8:

Schrittweise Diskriminanzanalyse ........................................217

Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis Abs.

Absatz

ADD

Additives Modell

AG

Aktiengesellschaft

BAKIS

Bankenaufsichtliches Informationssystem

BB

Brandenburg

BCC

Banker, Charnes, Cooper

BCC-I

inputorientiertes BCC-Modell

BCC-O

outputorientiertes BCC-Modell

BCCP-I

primales inputorientiertes BCC-Modell

BISTA

Bilanzstatistik

bspw.

bspw.

BVerwGE Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgerichts BW

Baden-Württemberg

BY

Bayern

bzw.

beziehungsweise

CCR

Charnes, Cooper, Rhodes

CCRP-I

primales inputorientiertes CCR-Modell

CIR

Cost-Income-Ratio

CR

Concentration Ratio

CRS

Constant Returns to Scale

DEA

Data Envelopment Analysis

DFA

Distribution Free Approach

DMU

Decision Making Unit

DRS

Decreasing Returns to Scale

DSGV

Deutscher Sparkassen- und Giroverband e.V.

EE

Entscheidungseinheit

EU

Europäische Union

XIX

XX

Abkürzungsverzeichnis

FDH

Free Disposal Hull

FK

Firmenkunden

GenG

Genossenschaftsgesetz

ggü.

gegenüber

GK

Größenklasse

GuV

Gewinn- und Verlustrechnung

HB

Freie Hansestadt Bremen

HGB

Handelsgesetzbuch

HE

Hessen

HHI

Herfindahl-Hirshman-Index

i.d.R.

i.d.R.

IRS

Increasing Returns to Scale

KWG

Kreditwesengesetz

Mrd.

Milliarden

MV

Mecklenburg-Vorpommern

NI

Niedersachsen

Nr.

Nummer

NRW

Nordrhein-Westfalen

OLS

Ordinary Least Square

o.V.

ohne Verfasser

PK

Privatkunden

RP

Rheinland-Pfalz

RoA

Return on Assets

RoE

Return on Equity

SCP

Structure-Conduct-Performance

SE

Skaleneffizienz

SFA

Stochastic Frontier Approach

SH

Schleswig-Holstein

SL

Saarland

SN

Schwerin

Abkürzungsverzeichnis

SpkG

Sparkassengesetz

ST

Sachsen-Anhalt

TFA

Thick Frontier Approach

TH

Thüringen

u.ä.

und ähnliches

vgl.

vergleiche

VRS

Variable Returns to Scale

XXI

XXII

Symbolverzeichnis

Symbolverzeichnis h0

DEA-Effizienzwert der Entscheidungseinheit 0 in der Zielfunktion

i

Zählvariable über alle 1,…, m Inputfaktoren

j

Zählvariable über alle 1,…, n Entscheidungseinheiten

m

Anzahl der Inputs

n

Anzahl der Entscheidungseinheiten

N

Anzahl der Entscheidungseinheiten (Matrixschreibweise)

r

Zählvariable über alle 1,…, s Outputfaktoren

s

Anzahl der Outputs

si

Schlupfvariable des Inputfaktors i

sr

Schlupfvariable des Outputfaktors r

T

Technologie bzw. Produktionsmöglichkeitenbereich

z0

Hilfsvariable

ur

Gewichtung des r-ten Outputs

vi

Gewichtung des i-ten Inputs

xij

Wert des i-ten Inputs der Entscheidungseinheit j

yrj

Wert des r-ten Outputs der Entscheidungseinheit j

ε

Hilfsgröße

θ0

minimale Input-Effizienzfaktor der Entscheidungseinheit 0

λj

Gewicht der Entscheidungseinheit j

μr

modifizierte Gewichtung des r-ten Outputs

σj

Grad der Skaleneffizienz der Entscheidungseinheit j

ωi

modifizierte Gewichtung des i-ten Outputs

1. Einleitung

1

1 Einleitung 1.1 Ausgangslage und Problemstellung Die deutsche Bankenlandschaft unterliegt seit einigen Jahren einem tiefgreifenden Veränderungsprozess. Die zunehmende Globalisierung und Liberalisierung der Märkte sowie die Schaffung bzw. Entwicklung des europäischen Binnenmarktes stellen die deutschen Kreditinstitute vor große Herausforderungen. Zudem werden sie neben steigenden aufsichtsrechtlichen Anforderungen auch mit einem geänderten Kundenverhalten konfrontiert. Die sinkende Kundenloyalität wird durch die rasante Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie zusätzlich bestärkt und trägt wesentlich zum Verfall lange bestehender Barrieren und somit zu einem erhöhten Wettbewerbsdruck bei. Denn die bedeutend gestiegene Markttransparenz geht zu Lasten des, teils über Jahrzehnte aufgebauten, Informationsvorsprungs der Kreditinstitute. In diesem Kontext spielen auch die Harmonisierungsbemühungen der Europäischen Union eine wichtige Rolle. Mit dem Ziel nationale Marktzugangsbarrieren abzubauen, sehen sich die deutschen Kreditinstitute einem steigenden Konkurrenzdruck durch neue Marktteilnehmer ausgesetzt. Vor allem der Markteintritt neuer Banken und Finanzdienstleister, insbesondere von Spezialanbietern mit einer begrenzten Produktpalette und extrem schlanken Kostenstrukturen, führten auf dem deutschen Bankenmarkt zu strukturellen Veränderungen. Diese beschränkten sich bisher aber lediglich auf Konsolidierungsprozesse innerhalb der einzelnen Säulen des deutschen Bankensystems. Vor diesem Hintergrund ist die starre Struktur des Drei-Säulen-Systems Gegenstand kontrovers geführter Diskussionen, welche sowohl auf internationaler als auch auf nationaler Ebene geführt werden. Insbesondere die Abschottung bzw. die Nicht-Öffnung des Sparkassensektors führe dazu, dass auf dem deutschen Bankenmarkt ein geringer Konzentrationsgrad, folglich ein enormer Konkurrenzdruck, vorherrsche, so die Kritiker des Sparkassenwesens. Dieser mündet schließlich in einer im internationalen Vergleich geringen Produktivität und relativen Ineffizienz der deutschen Kreditinstitute sowie des deutschen Bankenmarktes insgesamt. Den Forschungsgegenstand der vorliegenden Arbeit bilden die deutschen Sparkassen, wobei sich die Untersuchung der Effizienz auf den Zeitraum von 1994 – 2008 erstreckt. Die Arbeit fokussiert somit diejenige Institutsgruppe, die in den Diskussionen um die Effizienz bzw. die allgemeine Situation des deutschen Bankenmarktes eine wesentliche Rolle spielt. Von besonderer Bedeutung sind in diesem Kontext die speziellen Charakteristika der öffentlich-rechtlichen Sparkassen. Deren originäre Zielfunktion ist nicht auf die Gewinnmaximierung ausgerichtet, sondern stellt die Erfüllung des öffentlichen Auftrags voran. Ferner unterliegen sie dem

2

1. Einleitung

Regionalprinzip und bilden somit eine Schicksalsgemeinschaft mit der Region, in der sie aufgrund der öffentlich-rechtlichen Trägerschaft verankert sind. Dies zielt gleichermaßen auf die Ausrichtung der Geschäftspolitik bzw. des Geschäftsmodells ab, denn im Mittelpunkt stehen hierbei die im kommunalen Raum ansässigen Wirtschaftsakteure. Die Brisanz für die lokal verwurzelten Sparkassen zeigt sich im Spiegel des weitreichenden demographischen Wandels in Deutschland. Die Schrumpfung und Alterung der Bevölkerung sowie die Binnenmigration haben teils erhebliche Auswirkungen auf die Regionen und somit auf die ansässigen Kreditinstitute. Ausmaß und Wirkungsrichtung sind diesbezüglich durchaus unterschiedlich. Städtisch geprägte und wirtschaftlich stärkere Regionen gelten derzeit noch als Profiteure der soziodemographischen Veränderungen und dies i.d.R. zu Lasten peripherer, wirtschaftlich schwacher Gebiete. Diese Entwicklungstendenzen unterstreichen die Notwendigkeit einer effizienten Leistungserstellung speziell in den Regionen, welche von den negativen Auswirkungen des demographischen Wandels bereits erfasst wurden oder in naher Zukunft davon betroffen sein werden. In der Vergangenheit wurde der Problematik sich verschlechternder Umfeldbedingungen i.d.R. mit Fusionen begegnet. Auf diesem Weg sollte in erster Linie die Überlebensfähigkeit der involvierten Sparkassen gesichert werden. Im Zuge von Fusionen wird generell davon ausgegangen, dass vermeintliche Betriebsgrößennachteile durch die Realisierung von Skaleneffekten beseitigt werden können. Unabhängig von Fusionsbetrachtungen gilt es dennoch zu berücksichtigen, dass weitere Arten von Ineffizienzen die Wirtschaftlichkeit eines Untersuchungsobjektes beeinflussen. Dazu zählt die technische Ineffizienz, die sich im Allgemeinen mit der Verwendung der Betriebsmittel bei der Herstellung von Leistungen oder Produkten beschäftigt und zugleich Anhaltspunkte über die Leistungen des Managements liefert. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich theoretisch und empirisch mit der Effizienz der deutschen Sparkassen unter produktiven Aspekten. Daher steht die technische Effizienz im Zentrum der Analysen. Insbesondere vor dem Hintergrund der bereits skizzierten demographischen Veränderungen ist zu klären, inwiefern sich die Sparkassen bereits auf die Veränderungen ihres regionalen Umfelds eingestellt bzw. ihr Geschäftsmodell den Gegebenheiten vor Ort angepasst haben, um ihre Geschäftsfähigkeit auch für die Zukunft sicherzustellen. Das Ziel dieser Arbeit ist daher, festzustellen, ob und in welcher Höhe Effizienzunterschiede zwischen den Sparkassen existieren und ferner aus welchen Gründen sich als effizient oder ineffizient klassifizierte Sparkassen in ihrer geschäftspolitischen Ausrichtung unterscheiden. Die Suche nach charakteristischen Merkmalen, welche die Abweichungen zwischen den Geschäftsmodellen erklären sollen, erfolgt auf Basis jahresabschlussorientierter Kennzahlen, überwiegend im Spiegel der Bilanzen sowie Gewinn- und Verlustrechnungen.

1. Einleitung

3

Zur Quantifizierung der genannten Kennzahlen werden i.d.R. die Eigenkapitalrentabilität sowie die Aufwand-Ertrag-Relation (Cost-Income-Ratio, CIR) bemüht. Speziell Letztere ist, aufgrund ihrer vergleichsweise einfachen Berechnung, in der Praxis als Maß für die Effizienz relativ populär geworden. Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht ist die Aussagefähigkeit der CIR als Effizienzmaß jedoch äußerst kritisch zu hinterfragen. Im Rahmen dieser Arbeit wird die CIR diesbezüglich auf den Prüfstand gestellt. Jedoch steht methodisch, insbesondere im empirischen Teil mit der Data Envelopment Analysis (DEA), ein nichtparametrisches Verfahren zur Effizienzmessung im Mittelpunkt. Mittels linearer Programmierung wird hierbei ein effizienter Rand einer Produktionsfunktion geschätzt. Bezüglich dieses Randes können alle untersuchten Einheiten evaluiert werden. Die hierbei betrachtete Effizienz basiert dabei grundsätzlich auf dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit. Ein fortwährendes Abweichen von diesem Prinzip gefährdet den Erfolg und die Überlebensfähigkeit der betrachteten Untersuchungseinheiten. Dies verdeutlicht das grundlegende Interesse der Kreditinstitute an Effizienzanalysen und zudem die Aktualität des Forschungsgebietes. Von besonderem Interesse ist dabei der Vergleich zwischen effizienten und ineffizienten Sparkassen in strukturschwachen Regionen. Die Ergebnisse sollen Aufschluss darüber geben, mit welchem Geschäftsmodell effiziente Sparkassen in der Lage sind, sich den Widrigkeiten ihres Umfelds erfolgreich entgegenzustellen. Ferner sollen Implikationen für die Sparkassen offengelegt werden, denen die negativen Veränderungen voraussichtlich noch bevor stehen. Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen begründet sich auch der Forschungsbedarf aus Sicht des Verfassers. Daraus lassen sich konkreter die folgenden zentralen Fragenstellungen ableiten: - Treten die Sparkassen grundsätzlich mit dem gleichen Geschäftsmodell auf dem deutschen Markt auf und sind folglich als eine Menge homogener Primärinstitute zu charakterisieren? - Inwiefern schlägt sich die Unterschiedlichkeit der Geschäftsgebiete sowie deren Bearbeitung in den Erfolgskennzahlen Zins- und Provisionsüberschuss nieder? - Spiegelt sich die differierende Leistungserstellung der Sparkassen in der Aufwand-Ertrag-Relation (CIR) als auch in den DEA-Effizienzwerten wider? Ist die CIR für eine Bewertung im Sinne der Effizienz geeignet? - Welche Bedeutung haben Skalenineffizienzen und technische Ineffizienzen? Sind demzufolge Bemühungen hinsichtlich einer optimalen Be-

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1. Einleitung

triebsgröße oder die Vermeidung von Verschwendung von Produktionsfaktoren anzustreben? - Ist die Performance (z.B. Zins- und Provisionsüberschuss, Effizienz) der Sparkassen in strukturschwachen Gebieten relativ betrachtet schlechter als jene in strukturstarken Gebieten? - Unterliegen Sparkassen in strukturschwachen Gebieten einem höheren Kreditausfallrisiko? - Unterscheiden sich die Sparkassen in strukturschwachen Regionen bezüglich ihrer Geschäftstätigkeit (bspw. im Kreditgeschäft)? - Welche Implikationen lassen sich aus der geschäftspolitischen Ausrichtung effizienter Sparkassen ableiten, um auch zukünftig die Wettbewerbs- und Überlebensfähigkeit aller Sparkassen zu sichern? Die Beantwortung dieser Fragestellungen bzw. die Ergebnisse der Arbeit verstehen sich als Teil der Forschungen am Lehrstuhl für Finanzierung und Banken der Universität Potsdam (Prof. Dr. D. Hummel). Daher werden hier bestimmte Themengebiete ausgeklammert. Im Rahmen der arbeitsteiligen Forschung sind diese teilweise bereits Schwerpunkte anderer Arbeiten. Dazu zählen bspw. Aspekte der Risikobetrachtung bzw. -messung sowie ein weitestgehend internationaler bzw. länderübergreifender Fokus, also Inhalte, welche die bankbetriebliche Forschung der letzten Jahre dominieren. Die Schwerpunkte dieser Arbeit sind somit bewusst auf den nationalen Fokus gerichtet, wobei die Risikokomponente des Geschäftsmodells auch aufgrund der Datenlage lediglich eine untergeordnete Rolle spielen musste. Die Eingrenzungen lassen gleichwohl Ableitungen aus den gewonnenen Erkenntnissen zu, welche insbesondere mit Blick auf die seit 2007 andauernde internationale Finanzkrise Aktualität besitzen. Die Ergebnisse implizieren bspw., dass die Sparkassen einen wichtigen Beitrag zur Stabilität des deutschen Bankensystems leisten, was gleichzeitig im internationalen bzw. europäischen Kontext von Bedeutung ist. Die Arbeit greift weiterhin, mit der Modellierung der Banktätigkeit, eine bereits historisch geführte Debatte der Bankbetriebslehre auf. Entgegen der überwiegend herrschenden Meinung, dass eine Bank als Intermediär zu verstehen ist, basiert hier die empirische Komponente auf den Annahmen des Produktionsansatzes. Insbesondere vor dem Hintergrund der betrachteten Fragestellungen und dem speziellen Fokus auf die deutschen Sparkassen, im Zusammenhang mit deren relativer Unabhängigkeit vom internationalen Kapitalmarkt, erscheint es interessant wieder vom einseitigen Intermediationsansatz abzurücken und die regional verankerten und dezentral organisierten Sparkassen als produzierende Untersuchungseinheiten

1. Einleitung

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zu betrachten. Die Analyse kann hier aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht auf der Ebene einzelner Untersuchungseinheiten erfolgen, sondern bedarf der Clusterung und Aggregation der Untersuchungsergebnisse.

1.2 Gang der Arbeit Die vorangestellten Überlegungen bekräftigen auch die hohe praktische Relevanz von Effizienzanalysen. Die bisherige geringe empirische Durchdringung des deutschen Bankenmarktes, oder vielmehr vergleichbarer Einheiten einer Institutsgruppe, insbesondere unter Berücksichtigung von Umfeldfaktoren, findet mit der vorliegenden Arbeit eine Erweiterung. Den Ausgangspunkt bildet mit dem Kapitel 2 eine strukturelle Analyse des deutschen Bankenmarktes. Hierbei werden die wichtigsten Akteure mit ihren spezifischen Geschäftsmodellen vorgestellt. Außerdem sind die Rahmenbedingungen bzw. die Besonderheiten des Marktes sowie die Kräfteverhältnisse zwischen den Marktteilnehmern Gegenstand des Kapitels. Gleichzeitig werden die Untersuchungsobjekte (Sparkassen) institutionell eingeordnet und ihre Bedeutung auf dem deutschen Bankenmarkt herausgestellt. Darauf aufbauend dient das dritte Kapitel zur Analyse der wettbewerblichen Situation auf dem deutschen Bankenmarkt. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass dem Markt ein geringer Konzentrationsgrad und als Folge daraus ein intensiver Wettbewerb bescheinigt wird. Im Zuge dessen wird den deutschen Kreditinstituten ein im internationalen Vergleich hohes Maß an Ineffizienz unterstellt. Daher werden klassische Verfahren vorgestellt und kritisch beleuchtet, welche die Wettbewerbssituation beschreiben sollen. Obgleich diese Verfahren nur sehr begrenzt aussagefähig sind, werden sie in der Praxis verwendet. In dieser Arbeit werden dagegen Alternativen präsentiert, welche eine verbesserte Darstellung der Wettbewerbsintensität ermöglichen. Das Kapitel 3 schließt mit einer rentabilitätsorientierten Analyse der deutschen Kreditinstitute im nationalen und internationalen Vergleich. Im Verlauf des vierten Kapitels wird das theoretische Fundament für die eigene empirische Studie gelegt. Dazu werden praxisübliche und produktionstheoretische Kennzahlen dargestellt und kritisch gewürdigt. Dies umfasst u.a. die Beschreibung möglicher Effizienzkomponenten, wobei speziell die Bedeutung der technischen Effizienz herausgestellt wird. Anschließend stehen die Methoden der Effizienzmessung, parametrische und nichtparametrische Verfahren, im Mittelpunkt einer kritischen Gegenüberstellung. Daran anknüpfend werden die Grundlagen der in

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1. Einleitung

dieser Arbeit bevorzugten nichtparametrischen Methode, Data Envelopment Analysis (DEA), beschrieben. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, wie die den Produktionsprozess beschreibenden In- und Outputfaktoren definiert und operationalisiert werden. Daher erfolgt im Anschluss die Modellierung der bankbetrieblichen Tätigkeit, wobei für die vorliegende Arbeit letztlich der Produktionsansatz gewählt wird. Demnach werden die Sparkassen als Produzenten von Produkten und Dienstleistungen verstanden, sodass neben den Forderungen u.a. auch Verbindlichkeiten als Output klassifiziert werden. Einen weiteren Teil des Kapitels bilden die bisherigen Forschungsergebnisse. Es kann daran bereits verdeutlicht werden, dass i.d.R. die technische Ineffizienz die Skalenineffizienz dominiert. Meist werden jedoch soziodemographische Faktoren im Rahmen der Effizienzanalyse vernachlässigt. Deren Relevanz wird am Ende des Kapitels skizziert. Kapitel 5 widmet sich im Wesentlichen dem Untersuchungsgegenstand, den deutschen Sparkassen. Nachdem zunächst die Grundstruktur des Sparkassensektors beschrieben wird, stehen die Wesensmerkmale im Mittelpunkt. Neben einer historischen Betrachtung werden geschäftspolitische Aspekte wie das Regionalprinzip thematisiert sowie die Funktionen des öffentlichen Auftrags konkretisiert und bewertet. Um den Entwicklungsstand des deutschen Sparkassenwesens auch im internationalen Kontext einordnen zu können, werden anschließend die Deregulierungsbemühungen in anderen europäischen Ländern skizziert. Zum Abschluss des Kapitels werden die bisherigen Ansätze zur Reformierung des deutschen Sparkassensektors beleuchtet. Gegenstand des Kapitels 6 ist die empirische Effizienzanalyse der Sparkassen. Der Darstellung und Auswertung der Effizienz-Ergebnisse geht eine Clusteranalyse voraus. Ziel der Clusterung ist, auf Basis ausgewählter Umfeldvariablen Gruppen von Geschäftsgebieten bzw. Sparkassen zu identifizieren, welche in sich möglichst homogene Eigenschaften aufweisen. Somit kann die Vergleichbarkeit der Effizienzwerte verbessert werden. Das bedeutet, dass bei Vergleichen innerhalb eines Clusters die errechneten Ineffizienzen nicht den Umfeldvaribalen geschuldet sind, sondern vielmehr dem ineffizienten Wirtschaften der Sparkassen. An die Auswertung der Effizienzanalyse anknüpfend, erfolgt die Analyse bilanzieller und außerbilanzieller Kennzahlen, auf deren Basis Unterschiede in den Geschäftsmodellen der Sparkassen sichtbar gemacht werden. Den Abschluss des empirischen Teils bildet eine DEA-Effizienzanalyse (Exkurs), welche, im Gegensatz zu vorherigen Betrachtungen, auf nicht monetären Kennzahlen beruht. Kapitel 7 beschließt die Arbeit und fasst die wichtigsten Forschungsergebnisse zusammen. Ferner werden auf deren Grundlage relevante Handlungsempfehlungen formuliert und weiterer Forschungsbedarf aufgezeigt. Die Abbildung 1.1 verdeutlicht den Aufbau der Arbeit anhand wesentlicher Gliederungspunkte.

1. Einleitung

1. Einleitung •1.1 •1.2

Ausgangslage und Problemstellung Gang der Arbeit

2. Strukturelle Analyse des deutschen Bankenmarktes •2.1 •2.2 •2.3

Die Elemente des Drei-Säulensystems Entwicklungen auf dem deutschen Bankenmarkt und Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle der Marktteilnehmer Marktanteile und Ableitung geschäftspolitischer Ausrichtungen im Spiegel der Bilanz

3. Wettbewerb auf dem deutschen Bankenmarkt •3.1 •3.2 •3.3

Ansätze der Wettbewerbsmessung Wettbewerbsmessung und Konzentration im Bankwesen Wirtschaftliche Situation im deutschen Bankensektor

4. Kritische Würdigung der Kennzahlen zur Beurteilung der Effizienz •4.1 •4.2 •4.3 •4.4 •4.5

Terminologische Grundlagen der Effizienz Data Envelopment Analysis - DEA Die Modellierung des Bankgeschäfts Stand der Forschung Der Einfluss soziodemografischer Veränderungen auf die Aktivitäten der Banken und Sparkassen

5. Der Sparkassensektor in Deutschland •5.1 •5.2 •5.3

Die Grundstruktur der Sparkassenorganisation Wesensmerkmale der Sparkassen Reformierungsansätze des Sparkassenwesens im europäischen Vergleich

6. Empirische Untersuchung •6.1 •6.2 •6.3 •6.4 •6.5

Selektion vergleichbarer Untersuchungseinheiten mittels Clusteranalyse Untersuchungsergebnisse der Effizienzanalyse (DEA) im Vergleich zu den Auswertungen der CIR Effizienzuntersuchungen in Abhängigkeit von der Betriebsgröße Vertiefende Analyse eines ausgewählten Clusters Ableitung differenzierender Geschäftsmodelle auf Basis quantitativer Analysen bilanzieller und außerbilanzieller Geschäftsaktivitäten

7. Fazit •7.1 •7.2

Zusammenfassung und zentrale Ergebnisse Kritische Stellungnahme und Forschungsausblick

Abbildung 1.1: Aufbau der Arbeit

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2. Strukturelle Analyse des deutschen Bankenmarktes

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2 Strukturelle Analyse des deutschen Bankenmarktes 2.1 Die Elemente des Drei-Säulensystems Das deutsche Bankensystem ist ein Universalbankensystem mit einer historisch gewachsenen Dreisäulenstruktur, bestehend aus privaten, genossenschaftlichen und öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten.1 Als Universalbanken ist es diesen Banken grundsätzlich erlaubt, alle möglichen Bankgeschäfte zu betreiben. Dazu zählen gemäß § 1 KWG u.a. das Einlagen- und Kreditgeschäft, das Depotgeschäft und das Emissionsgeschäft. Ferner existieren Spezialbanken unter denen bspw. Realkreditinstitute, Bausparkassen, Direktbanken, Kapitalanlagegesellschaften, Wertpapiersammelbanken und Kreditinstitute mit Sonderaufgaben subsumiert werden. Für diese Banken ist charakteristisch, dass sie häufig nur einzelne der oben genannten Bankgeschäfte betreiben.2 Aufgrund der relativen Bedeutung für den deutschen Bankenmarkt werden nunmehr einige der eingangs erwähnten Elemente der Dreisäulenstruktur kurz vorgestellt. 2.1.1 Kreditbanken Zu den Kreditbanken zählen gemäß der Statistik der Deutschen Bundesbank Großbanken, Regionalbanken und sonstige Kreditbanken sowie Zweigstellen ausländischer Banken. Die Großbanken, gemeint sind die Deutsche Bank, die Commerzbank (Dresdner Bank), die Bayerische Hypo- Vereinsbank und die Postbank3, firmieren als Aktiengesellschaften. Ihre Ursprünge gehen teilweise bis in das 19. Jahrhundert zurück. Die Gründungen waren Folge der in Deutschland zügig voranschreitenden Industrialisierung. Damit einhergehend erforderten bspw. die Finanzierung von Großunternehmen sowie der Ausbau des Eisenbahnnetzes gewaltige zusätzliche Mittel, welche Privatbankiers nicht bereitstellen konnten.4 Heute erstrecken sich die Geschäftsaktivitäten nicht nur auf den nationalen, sondern ebenso auf den internationalen Bankenmarkt. Der Ausweitung des Geschäftsstellennetzes obliegen dabei insbesondere in Deutschland keinerlei räumliche Beschränkungen. Dementgegen agieren Regionalbanken in einem geografisch be-

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vgl. Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber (2007), S. 25. vgl. Büschgen (1998), S. 78. aus der Deutschen Bundespost hervorgegangen; seit 1995 in der Rechtsform der Aktiengesellschaft vgl. Hansen (2006), S. 32.

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2. Strukturelle Analyse des deutschen Bankenmarktes

schränkten Gebiet.5 Der Entwicklungsfähigkeit von Regionalbanken sind dennoch keine Grenzen gesetzt. Beispielhaft sei die Bayerische Hypo- Vereinsbank genannt, deren Geschäftstätigkeit sich von einer Regionalbank hin zu einer Großbank entwickelte.6 2.1.2 Genossenschaftssektor Zum genossenschaftlichen Bankensektor gehören zum einen die auch als Primärinstitute bezeichneten Volks- und Raiffeisenbanken sowie die Sparda-Banken7. Die zweite Ebene bilden die Zentralinstitute Westdeutsche GenossenschaftsZentralbank (WGZ-Bank) und die Deutsche Genossenschaftszentralbank (DZBank). Beide Ebenen agieren als arbeitsteiliger genossenschaftlicher Finanzverbund. Historisch betrachtet reichen die Anfänge der Genossenschaftsbanken, zeitlich ähnlich denen der Großbanken, bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück. Sie entsprachen dem Zweck einer Selbsthilfeorganisation insofern, dass ein Teil der Mitglieder Gelder bei der Genossenschaftsbank ansparen konnte, während andere Mitglieder die Möglichkeit hatten, auf diese Einlagen in Form von Krediten zurückzugreifen.8 Gemäß § 1 Abs. 1 Genossenschaftsgesetz (GenG) besteht die grundlegende Aufgabe der Genossenschaftsbanken auch heute noch darin, „den Erwerb und die Wirtschaft… durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern“. Allerdings rückt der Fördergedanke bei den eher ländlichen Raiffeisenbanken, den im städtisch-gewerblichen Umfeld angesiedelten Volksbanken sowie den Sparda-Banken weiter in den Hintergrund. Die Vergabe von Krediten an NichtMitglieder ist bereits seit 1974 erlaubt, die Annahme von Einlagen sogar weitaus länger. 2.1.3 Der öffentlich-rechtliche Sektor Zum öffentlich-rechtlichen Sektor zählen Sparkassen, Landesbanken, Landesbausparkassen und Banken mit Sonderaufgaben. Eigentümer sind mit Bund, Ländern und Gemeinden folglich öffentlich-rechtliche Träger.9

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vgl. Marjanovic (2006), S. 27. vgl. Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber (2007), S. 30. „früher“ Spar- und Darlehenskassen; synonyme Bezeichnungen für die Primärinstitute: Genossenschaftsbanken, Kreditgenossenschaften Mitglieder überwiegend Handwerker und Bauern; Gründer für den ländlichen Bereich: Friedrich-Wilhelm Raiffeisen; Gründer für den gewerblichen Bereich: Hermann Schultze-Delitzsch, vgl. HartmannWendels/Pfingsten/Weber (2007), S. 34. vgl. Sachverständigenrat (2008), S. 85.

2. Strukturelle Analyse des deutschen Bankenmarktes

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Betrachtet man speziell den Sparkassensektor, bilden die Sparkassen die Primärebene. Diese werden größtenteils seit 1931 als Anstalten des öffentlichen Rechts betrieben.10 Formal sind die Aufgaben der Sparkassen im Sparkassengesetz des jeweiligen Bundeslandes geregelt, in dem das Institut ansässig ist. Grundlegend identisch sind die Zweckbestimmungen in den einzelnen Sparkassengesetzen seit der Errichtung der ersten Sparkasse im Jahr 1778. Demnach dienen die Sparkassen vorrangig der Förderung des Sparsinns und der Vermögensbildung sowie der Kreditversorgung breiter Schichten der Bevölkerung im jeweiligen Geschäftsgebiet.11 Folglich sollen die Sparkassen gemeinnützige Aufgaben erfüllen, wobei die Geschäfte nach wirtschaftlichen Grundsätzen zu führen sind. Diese sind allerdings nur als sekundär zu betrachten.12 Innerhalb des horizontalen Verbunds der Sparkassenfinanzgruppe13 fungieren derzeit neun Landesbanken, darunter nur noch sieben selbständige, als Zentralinstitute der Sparkassen und Hausbanken der Länder. Grundsätzlich sollen die als Anstalt des öffentlichen Rechts oder Aktiengesellschaft geführten Institute, ebenso wie die Sparkassen, gemäß dem öffentlichen Auftrag gemeinnützige Aufgaben erfüllen.14 Zu diesem Zweck galten viele Jahre spezielle Haftungsbedingungen für die Sparkassen und Landesbanken. Die Prinzipien der Anstaltslast und der Gewährträgerhaftung sorgten dafür, dass das gesamte Vermögen des öffentlichen Trägers als haftendes Kapital für die Verbindlichkeiten der Institute zur Verfügung stand. Die Aufgabe der Anstaltslast bestand in der Sicherung der wirtschaftlichen Basis der Institute durch die jederzeit ausreichende Ausstattung mit Finanzmitteln durch den Träger. Die Gewährträgerhaftung steht für den unmittelbaren Anspruch der Gläubiger gegenüber dem Gewährträger im Falle einer Insolvenz. Die genannten Haftungsprinzipien waren vor allem den privaten Banken stets ein Dorn im Auge. Diese sahen in den günstigeren Refinanzierungsmöglichkeiten am Kapitalmarkt, bedingt durch das geringe Bonitätsrisiko und dadurch besserer Ratings, eine Art Subvention bzw. Wettbewerbsvorteil für die öffentlich-rechtlichen Banken. Die Bemühungen, gegen Anstaltslast und Gewährträgerhaftung vorzugehen, endeten mit einem Erfolg aus Sicht der Privatbanken. Die Europäische Bankenvereinigung reichte am 21. Dezember 1999 bei der EG-Kommission Be-

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vgl. Kessler (1996), S. 30. vgl. Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber (2007), S. 31. vgl. Marjanovic (2006), S. 33. Zur detaillierten Zusammensetzung des Verbunds sowie die Aufgabenteilung innerhalb des Verbunds siehe Kapitel 5.1. vgl. Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber (2007), S. 34.

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2. Strukturelle Analyse des deutschen Bankenmarktes

schwerde15 gegen die Anstaltslast und Gewährträgerhaftung, speziell bei der Westdeutschen Landesbank, der Stadtsparkasse Köln und der Westdeutschen Immobilienbank, ein.16 Die Europäische Kommission folgte nach eingehender Prüfung der Argumentation der Europäischen Bankenvereinigung, dass die genannten Institute keine besonderen Aufgaben der bankwirtschaftlichen Versorgung erfüllen und eine Sonderbehandlung durch den Staat daher nicht gerechtfertigt sei. Folglich stellen Anstaltslast und Gewährträgerhaftung eine staatliche Beihilfe dar, da sie Auswirkungen auf die Wettbewerbsstellung der Institute haben. Die sich anschließenden ausführlichen Verhandlungen zwischen der Europäischen Kommission und der Bundesrepublik Deutschland führten zur Brüsseler Verständigung über Anstaltslast und Gewährträgerhaftung vom 17. Juli 2001.17 Inhalt war die Abschaffung der Gewährträgerhaftung und die Abschwächung der Anstaltslast auf die wirtschaftliche Unterstützung der Institute im Rahmen der Beihilferegelungen des EG-Vertrages. Für den Wegfall der Garantien wurden Übergangsregelungen beschlossen. Im Einzelnen gilt für Verbindlichkeiten, die vor dem 18. Juli 2001 entstanden sind, weiterhin uneingeschränkte Haftung. Verbindlichkeiten, die zwischen Juli 2001 und Juli 2005 eingegangen wurden, unterliegen nur der vollständigen Haftung, wenn deren Laufzeit den 31. Dezember 2015 nicht überschreitet.18 Demzufolge haften die öffentlich-rechtlichen Institute selbst mit ihrem Kapital für alle Verbindlichkeiten, die nach dem 18. Juli 2005 entstanden sind, und unterliegen folglich wie die privaten Banken grundsätzlich dem Insolvenzrisiko.19

2.2 Entwicklungen auf dem deutschen Bankenmarkt und Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle der Marktteilnehmer Der deutsche Bankenmarkt befindet sich seit Jahren in einem tiefgreifenden Veränderungsprozess, der die Geschäftsmodelle der etablierten Kreditinstitute bis heute auf den Prüfstand stellt. Die zunehmende Globalisierung und Liberalisierung der Bankenmärkte haben Spuren hinterlassen und Reaktionen der deutschen 15

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Beschwerde gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen Verletzung des Art. 87 Abs. 1 und Art. 88 Abs.3 des EG-Vertrages vgl. Gleiss et al. (2000), S. 2. vgl. Zurheide (2008), S. 168 – 177. vgl. Sachverständigenrat (2004), S. 292. vgl. Engerer (2006), S. 14.

2. Strukturelle Analyse des deutschen Bankenmarktes

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Kreditinstitute erzwungen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich des zunehmenden Wettbewerbs. Der Eintritt ausländischer Banken und branchenfremder Anbieter mit anderen Geschäftsmodellen (z.B. hinsichtlich Produkten, Preisen, schlanken Prozessen) spielt dabei eine nicht unwesentliche Rolle. Gleichermaßen beeinflusst das veränderte Konsumentenverhalten verbunden mit verbesserten Informationsund Kommunikationstechniken die operativen und strategischen Ausrichtungen der deutschen Kreditinstitute. In diesem Kapitel wird dargelegt, mit welchen Geschäftsmodellen die Kreditinstitute bzw. die einzelnen Säulen grundsätzlich am Markt agieren. Die genannten Entwicklungen, vor allem die hohe Veränderungsgeschwindigkeit, machen es für die Entscheidungsorgane immer schwieriger, ihre Kreditinstitute erfolgreich am Markt zu positionieren. In diesem Zusammenhang rückte zunehmend die Diskussion um die Geschäftsmodelle in den Fokus von Wissenschaft und Praxis. Der Terminus Geschäftsmodell wird dabei selten präzise abgegrenzt.20 Gemäß der Definition von Büschgen/Börner (2003) handelt es sich beim Geschäftsmodell einer Bank um eine „oberzielorientierte, konsistente und integrative Festlegung von Zielen, Strategien und Strukturen“.21 Demzufolge hat das Geschäftsmodell darüber Auskunft zu geben, welcher Wert für Kunden, Eigentümer und andere Stakeholder generiert wird und ferner wie dieser Wert generiert wird. Darüber hinaus muss die Frage beantwortet werden, wie nachhaltig Gewinn22 erzielt wird. Heinrich (2002) definierte das Geschäftsmodell allgemein als „ … in Bezug auf einen bestimmten Stichtag auf strategischer Ebene anhand von maßgeblichen, organisationsendogen determinierbaren Dimensionen und deren wechselseitigen Beziehungen den markt-, wertschöpfungs- und potentialbezogenen Zustand eines Unternehmens oder einer Geschäftseinheit, die selbständig am Markt agiert bzw. agieren könnte“.23 In dieser Arbeit wird im Wesentlichen unter einem Geschäftsmodell verstanden, inwiefern ein Kreditinstitut die für sich relevanten Märkte bearbeitet. Das Geschäftsmodell wird als ein dynamisches Konstrukt angesehen, das einerseits historisch gewachsen ist, sich aber andererseits den Gegebenheiten des Marktes anpassen kann. Das bedeutet, in einem gewissen Rahmen bspw. auf gesetzliche, demographische oder wettbewerbliche Veränderungen so reagieren zu können, dass die

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vgl. Börner/Maser/Schulz (2005), S. 36. Büschgen/Börner (2003), S. 200. Gewinn: aus Sicht einer erwerbswirtschaftlich orientierten Bank; zur Bedeutung des Gewinnziels bei den verschiedenen Bankengruppen siehe Kapitel 2.1. Heinrich (2002), S. 56.

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2. Strukturelle Analyse des deutschen Bankenmarktes

eigene Wirtschaftlichkeit bzw. die Überlebensfähigkeit am Markt auch für die Zukunft gesichert wird. 2.2.1 Kreditbanken Die Geschäftstätigkeit der Kreditbanken ist schon seit den Gründerjahren am erwerbswirtschaftlichen Grundprinzip ausgerichtet.24 Zur Zielerreichung änderten sich in den letzten Jahren speziell bei den Großbanken die Prioritäten hinsichtlich der Ausrichtung der Geschäfte wie dem mit der Privatkundschaft, mit Unternehmen, an Kapitalmärkten und dem Assetmanagement.25 Die Betrachtung der Kundensegmente zeigt, dass die Großbanken sowohl im Retailbanking als auch im Wholesalebanking aktiv sind. Charakteristisch für das Retailbanking, also das Geschäft mit Privatkunden, Gewerbekunden und kleineren mittelständischen Unternehmen, sind allgemein weitestgehend standardisierte Produkte mit hohen Stückzahlen und geringen Volumina. In diesem Segment konnten die Großbanken nur unzureichende Margen erzielen, was dazu führte, dass das Retailbanking vernachlässigt wurde. Als Ursache wurde stets der hohe Grad der Fragmentierung auf dem deutschen Bankenmarkt und somit der intensive Wettbewerb herausgestellt. Zur Hebung erhoffter Skaleneffekte strebten die Großbanken daraufhin Fusionen an. Beispielhaft seien die Fusionsbemühungen zwischen der Deutschen Bank und der Dresdner Bank genannt. Der misslungene Versuch veranlasste die Deutsche Bank das Massenkundengeschäft in die Deutsche Bank 24 auszugliedern.26 Es wurde somit eine für jedermann erkennbare Kategorisierung der Privatkunden in attraktive und weniger attraktive Kunden, die der eigens gegründeten Tochtergesellschaft zugewiesen wurden, vorgenommen. Unter dem späteren Vorstandsvorsitz von Josef Ackermann wurde dieses Projekt beendet und das Privatkundengeschäft wieder entsprechend eingegliedert.27 Mittlerweile haben die Banken das Privatkundengeschäft nicht nur wiederentdeckt, sondern auch verstärkt ausgebaut. Hintergrund ist der relativ stabile Charakter der Erträge aus dem Retailbanking. Die Übernahmeaktivitäten der Deutschen Bank belegen diese Tendenz. Dem Kauf der Norisbank folgte die Beteiligung an der Postbank, was die zunehmende Rolle des Retailbankings für das Geschäftsmodell der Bank zum Ausdruck bringt.

24 25 26 27

vgl. Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber (2007), S. 27. vgl. Büschgen/Börner (2003), S. 64. vgl. Dombret/Gossow (2003), S. 292 – 295. vgl. Möschel (2005), S. 3.

2. Strukturelle Analyse des deutschen Bankenmarktes

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Das ebenfalls von den Großbanken betriebene Wholesale-Geschäft ist im Wesentlichen gekennzeichnet durch meist maßgeschneiderte Lösungen für mittlere und größere Firmenkunden. Im Vergleich zum Retailkundengeschäft charakterisieren absolut höhere Volumina, aber auch größere Risiken dieses Geschäftsfeld. In den letzten Jahren nutzten zahlreiche Firmenkunden aufgrund ihrer Größe den direkten Weg zum Kapitalmarkt, um ihre Kapitalbasis zu stärken. Folglich war es für die Banken von großer Wichtigkeit, diese versiegten Ertragsquellen zu ersetzen. Besonders Provisionsgeschäfte rückten daraufhin zunehmend in den Fokus. In diesem Zusammenhang erlangte das sogenannte Investmentbanking große Bedeutung.28 Unter diesem Begriff werden Geschäftsaktivitäten subsummiert wie z.B. die Platzierung, der Handel und das damit verbundene Dienstleistungsgeschäft mit handelbaren Wertpapieren und wertpapierähnlichen Instrumenten. Der Unternehmens- und Beteiligungshandel (Mergers & Aquisitions) sowie das Asset Management werden ebenfalls diesem Geschäftsfeld zugeordnet.29 Die deutschen Großbanken, allen voran die Deutsche Bank, haben ihr Investmentbanking vornehmlich durch die Akquisition britischer und amerikanischer Banken zunächst ausgebaut.30 Die hohe Volatilität der Erträge, welche die Abhängigkeit des Geschäfts von konjunkturellen Entwicklungen und denen auf den Aktienmärkten widerspiegelt, veranlasste einige Banken ihre Geschäftsaktivitäten im Investmentbanking wieder geringer zu gewichten.31 Ein weiterer Grund liegt in der Tatsache, dass sich die deutschen Großbanken verstärkt mit Marktgegebenheiten konfrontiert sahen, die denen auf dem Heimatmarkt nur noch in einem geringen Umfang entsprachen. In diesem Zusammenhang wird bereits deutlich, dass bei der Klassifikation der Geschäftsfelder regionale Unterschiede zu berücksichtigen sind. Neben den Aktivitäten auf dem heimischen Markt bedingt die seit Gründung der Großbanken bestehende internationale Firmenkundschaft einen gewissen Umfang im Auslandsgeschäft. Demzufolge sind bspw. Tochtergesellschaften, Repräsentanzen und Auslandsniederlassungen an vielen internationalen Finanzplätzen ansässig, was für den Ausbau des Investmentbanking ebenfalls von Vorteil und auch notwendig war.32 Zur Refinanzierung dient den Kreditbanken neben der Ausgabe eigener Schuldverschreibungen das Einlagengeschäft. Ein wichtiger Vertriebskanal zur Stützung des Einlagengeschäfts ist ein über das gesamte Bundesgebiet aufgespanntes Filialnetz mit circa 11500 Zweigstellen, wovon 8873 Zweigstellen den Großbanken zu-

28 29 30 31 32

vgl. Dombret/Gossow (2003), S. 292 – 295. vgl. Büschgen/Börner (2003), S. 64. vgl. Ackermann (2006), S. 43. vgl. Kern/Dombret (2003), S. 460. vgl. Büschgen/Börner (2003), S. 63 – 65.

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gehörig sind (Ende 2009).33 Die deutschen Kreditbanken konzentrieren das Filialgeschäft vornehmlich auf städtische Regionen mit hoher Bevölkerungsdichte und das mit steigender Tendenz. Die eher ländlichen Gebiete, d.h. Gebiete mit geringerer Bevölkerungsdichte, werden verstärkt den Sparkassen und Genossenschaftsbanken überlassen.34 In den innerstädtischen 1a-Lagen weist die Commerzbank nach ihrer erst kürzlich vollzogenen Fusion mit der Dresdner Bank die größte Filialpräsenz auf.35 2.2.2 Genossenschaftssektor Die geschäftspolitische Ausrichtung der Genossenschaftsbanken ist durch einen spezifischen gesetzlichen Auftrag determiniert. Der sogenannte Förderauftrag ist formal in §1 Abs. 1 GenG geregelt.36 Demzufolge ist nicht die Gewinnmaximierung primäres Ziel der Genossenschaften, sondern vielmehr die Förderung ihrer Mitglieder. Allerdings vermeidet der Gesetzgeber eine genaue Definition des Förderbegriffs, was Raum für Interpretationen lässt.37 Vor allem seitdem die Vergabe von Krediten auch an Nichtmitglieder ermöglicht wurde, ist der Fördergedanke zunehmend in den Hintergrund gerückt. Dass die Erfüllung des Förderauftrags grundsätzlich einer Geschäftstätigkeit ausgerichtet am erwerbswirtschaftlichen Grundprinzip bedarf, zeigt sich auch bei der Einhaltung aufsichtsrechtlicher Vorgaben. Demzufolge ist in Bezug auf das haftende Eigenkapital ein Mindestmaß an Gewinnrücklagen erforderlich. Mittelbar kann über die Aufstockung des haftenden Eigenkapitals auch das Fördervolumen erhöht werden. Die Mitglieder der Genossenschaften profitieren ferner bei den Gewinnausschüttungen.38 Demzufolge kann geschlussfolgert werden, dass die Erzielung von Gewinnen grundsätzlich als wichtiger Baustein betrachtet werden kann, mit dem die Genossenschaften in der Lage sind, ihren Förderauftrag überhaupt erst zu verfolgen. Die Ende 2009 existierenden 1144 Genossenschaftsbanken mit ihren 11888 Zweigstellen39 stehen untereinander nur sehr begrenzt in direktem Wettbewerb. Sie agieren, ähnlich dem Regionalprinzip der Sparkassen, lokal beschränkt. Zahlreiche Fusionen trugen dazu bei, dass sich die Gemengelagen zwischen den Genossenschaftsbanken weiter verringert haben.40 Entsprechend bildeten sich bei

33 34 35 36 37 38 39 40

vgl. Deutsche Bundesbank (2010a) vgl. Prätsch/Sievert/Kau (2008), S. 42. vgl. o.V. Die Bank Heft 01/2009, S. 45. vgl. Ashauer (2005), S. 51. vgl. Reicherter (2000), S.6. vgl. Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber (2007), S. 34 – 35. vgl. Deutsche Bundesbank (2010a) vgl. Ashauer (2005), S. 52.

2. Strukturelle Analyse des deutschen Bankenmarktes

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diesem Konzentrationsprozess größere und leistungsfähigere Banken heraus, die in der Lage sind, eine breite Palette an Leistungen anzubieten. Damit sind neben den traditionellen Geschäften wie bspw. die Vergabe von Krediten und die Betreuung von Mittelständlern, beinahe alle möglichen Bankgeschäfte gemeint. Das Hauptgeschäft ist nach wie vor in der Vergabe von Krediten zu sehen. Das Wertpapier- und Deviseneigengeschäft spielen dagegen eine relativ geringe Rolle. Die Passivseite der Bilanzen zeigt deutlich, dass die ausgegebenen Kredite speziell durch einen hohen Anteil an Spareinlagen refinanziert werden.41 Ferner ermöglicht die Einbindung in den genossenschaftlichen Finanzverbund und somit in die arbeitsteiligen Prozesse, dass die Genossenschaftsbanken ihr Universalleistungsprogramm anbieten können. Sie stellen als örtlich operierende Einheiten die Primärstufe des Verbundes dar. Die auf Freiwilligkeit basierende Zusammenarbeit mit den Zentral- und Spezialinstituten42 ermöglicht weiterhin die Wahrung einer gewissen Marktnähe und autonomen Entscheidungsfreiheit. Die DZ Bank und die WGZ-Bank als Zentralinstitute bieten den Kreditgenossenschaften bestimmte Dienstleistungen an, deren Selbsterstellung für diese nicht oder nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand möglich wäre.43 Sie sind für die Kreditgenossenschaften zentrale Verrechnungs-, Liquiditätsverwaltungs-, sowie -Ausgleichsstellen und fungieren damit im Wesentlichen wie die Landesbanken im Sparkassensektor.44 2.2.3 Sparkassensektor Geschäftspolitisch sind die Sparkassen gemäß den Sparkassengesetzen der Länder an das Gemeinnützigkeitsprinzip gebunden. Demzufolge dürfen die Sparkassen bei der Ausübung ihrer Geschäfte nicht nach Gewinn streben, sondern nur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten agieren.45 Die Erfüllung gemeinnütziger Aufgaben erfordert aber durchaus die Gewinnerzielung. Gemäß Süchting und Paul (1998) ist „… die langfristige Gewinnerzielung auch für die Geschäftspolitik einer Sparkasse als wichtiges Ziel anzunehmen.“46 Bedeutsam ist dies ebenfalls im Sinne bankrechtlicher Vorschriften bezüglich des Eigenkapitals von Kreditinstituten. D.h. es ist Kernkapital, als wesentlicher Bestandteil der nach §10 KWG und der Solvabilitätsverordnung (ehemals Grundsatz I) über die Eigenmittel der Kreditinstitute geforderten haftenden Eigenmittel, zu bilden. 41 42 43 44 45 46

vgl. Büschgen/Börner (2003), S. 76 – 77. z.B. Bausparkassen, Hypothekenbanken, Investment-, Immobilien- und Leasinggesellschaften vgl. Reicherter (2000), S.11 – 12. vgl. Eilenberger (1996), S. 128. vgl. Büschgen/Börner (2003), S. 70 – 71. vgl. Süchting/Paul (1998), S. 206.

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2. Strukturelle Analyse des deutschen Bankenmarktes

Die Alternativen zur Erhöhung des Eigenkapitals, speziell die Beschaffung des Kernkapitals, sind bei den Sparkassen relativ begrenzt. Somit sind sie auf die Gewinnerzielung und Gewinnthesaurierung angewiesen.47 Eine angemessene Eigenkapitalausstattung ist ferner für die Erfüllung des öffentlichen Auftrags notwendig. Büschgen (2000) formulierte die Ansprüche an die Sparkassen dabei wie folgt: „Im Rahmen des Aktivgeschäfts sind die Bedürfnisse der lokalen Wirtschaft besonders zu berücksichtigen; das Passivgeschäft soll dem Leitgedanken der Sparförderung zur Vermögensbildung durch ein ausreichend großes Leistungsangebot im Sparbereich entsprechen.“48 Über die geld- und kreditwirtschaftliche Versorgung hinaus haben die Sparkassen Gemeinwohlaufgaben zu erfüllen, die bspw. Spenden für gemeinnützige, soziale und kulturelle Zwecke sowie Gewinnausschüttungen an die kommunalen Eigentümer einschließen.49 Der Geschäftspolitik der Sparkassen sind zudem weitere Grenzen gesetzt.50 Eine Restriktion ergibt sich aus dem sogenannten Enumerationsprinzip, welches eine aus dem Sparkassenrecht resultierende Beschränkung der Sparkassen auf bestimmte Geschäfte vorsieht. Geschäfte, die als risikoreich eingestuft wurden, wie bspw. Spekulationsgeschäfte, dürfen demnach nicht getätigt werden.51 Zudem unterliegen die Sparkassen dem Regionalprinzip, welches die Ausweitung der Geschäfte begrenzt. Die Sparkassengesetze fordern die Übereinstimmung der Geschäftsgebiete der Sparkassen mit dem Gebiet des jeweiligen kommunalen Trägers (z.B. Stadt oder Landkreis). Somit hat eine Sparkasse ausschließlich Geschäftsstellen auf dem Gebiet des Trägers zu eröffnen und grundsätzlich nur Kredite an Einwohner dieses Gebietes zu vergeben. Die Ausübung von Passivgeschäften hingegen ist über die Gebietsgrenzen hinweg erlaubt. Das Regionalprinzip soll zudem grundsätzlich verhindern, dass die Sparkassen untereinander konkurrieren.52 Die Nachteile, die den Sparkassen aus der Gebietsbegrenzung entstehen, sollen durch das sogenannte Subsidiaritätsprinzip relativiert werden.53 Damit gemeint ist die Arbeitsteilung im Sparkassenfinanzverbund. Grundsätzlich gilt in diesem Zusammenhang das Dezentralitätsprinzip, welches die autonome und eigenverantwortliche Stellung der Sparkassen vor Ort bekräftigt. Gleichwohl können Leistungen, vornehmlich zur Abwicklung des Mengengeschäfts, von Verbundunternehmen effizienter erbracht werden.54

47 48 49 50 51 52 53 54

vgl. Gerlach (1999). S. 310 – 311. Büschgen (2000), S. 11. vgl. Gerlach (1999). S. 311. Für die ausführlichere Diskussion vgl. Kapitel 5.2.2. vgl. Grundmann (2001), S. 77. vgl. Güde (1995), S. 41 – 43. vgl. Stern/Nierhaus (1991), S. 1. vgl. Gerlach (1999), S. 310 – 312.

2. Strukturelle Analyse des deutschen Bankenmarktes

19

Geschäfte, deren Ausübung die einzelne Sparkasse nicht gewährleisten kann, werden bspw. durch die Landesbanken übernommen. Im Wesentlichen handelt es sich um dabei um Auslands-, Effekten- und Kreditgeschäfte. Die Landesbanken fungieren zudem u.a. als Verrechnungsstelle für den Zahlungsverkehr zwischen den Sparkassen und vergeben Kredite an die Sparkassen und Kommunen. 55 Die Geschäftsmodelle der Landesbanken gerieten verstärkt mit Bekanntwerden des Wegfalls der Anstaltslast sowie der Gewährträgerhaftung und damit verbundenen höheren Refinanzierungskosten unter Druck. Außerdem sind zunehmend Engagements an den internationalen Kapitalmärkten getätigt, um die Ertragssituation zu verbessern. Im Zuge der internationalen Finanzkrise gerieten die Landesbanken durch diese Geschäfte massiv unter Druck.56 Die Sparkassen sind davon zumindest mittelbar betroffen, da sie i.d.R. Miteigentümer der Landesbanken sind. Dass die Sparkassen im Allgemeinen relativ unbeschadet durch die Finanzkrise gesteuert sind, bestätigt das Geschäftsmodell dezentraler Sparkassen. Die Fokussierung auf die flächendeckende Versorgung der Bürger und des Mittelstandes mit Finanzprodukten und Beratungsleistungen sowie die Konzentration auf das traditionelle Einlagen- und Kreditgeschäft gelten mehr denn je als Erfolgsgaranten.57 2.2.4 Aufstrebende Wettbewerber Die etablierten Kreditbanken, die Sparkassen sowie die Genossenschaften sehen sich seit einigen Jahren wachsender Konkurrenz ausgesetzt, die sich vornehmlich im Retailbankinggeschäft Marktanteile sichert. Ausschlaggebend sind deren Geschäftsmodelle. Direktbanken bearbeiten den Markt mit einem schlanken Produktportfolio, weisen flache Strukturen auf und verzichten auf Filialen und sonstige Geschäftsstellen. Dies führt zu Kostenvorteilen gegenüber den klassischen Banken. Diese bieten speziell Online-Banking als alternativen Vertriebsweg zum Filialgeschäft an. Bei entsprechender Nutzung durch den Kunden können zwar Kosten gespart werden, im Vergleich zu den Direktbanken aber zu wenig.58 Die potentiellen Kunden, die ihre Bankgeschäfte online oder per Telefon erledigen, profitieren von der Weitergabe der Kostenvorteile in Form geringerer Gebühren. Der Großteil der Direktbzw. Onlinebanken sind als Tochterunternehmen eines Finanzkonzerns gegründet worden.59 Die derzeit größte in Deutschland ansässige Direktbank ist die ING55 56 57 58 59

vgl. Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber (2007), S. 34. vgl. Schrooten (2008), S. 79 – 80. vgl. Haasis (2009), S. 29. vgl. Tellings (2008), S. 29. vgl. Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber (2007), S. 36 – 37.

20

2. Strukturelle Analyse des deutschen Bankenmarktes

DiBa. Vor der Übernahme 1998 durch die niederländische ING-Bankengruppe war die Allgemeine Deutsche Direktbank (DiBa) seit 1994 am Markt aktiv. Seither ist es der Bank gelungen, die im Retailgeschäft unverzichtbaren Skalenerträge zu erzielen.60 Auch aus dem Nichtbankenbereich sind den Traditionsbanken Wettbewerber erwachsen. Vor allem die großen Automobilkonzerne, die über eine große Kundenbasis verfügen und deren originäre Produkte häufig einen Finanzierungsbedarf nach sich ziehen, sind hier anzuführen.61 Ihre auf Financial Service ausgerichteten Tochtergesellschaften waren, wie die bereits 1949 gegründete Volkswagen Bank, zunächst im Finanzierungsgeschäft aktiv. Als Direktbanken sind sie heute nicht mehr ausschließlich auf die Automobilfinanzierung spezialisiert.62 Ihre breite Palette an Finanzdienstleistungen umfasst ebenso das Kartengeschäft, das Einlagengeschäft und die Vermittlung von Versicherungen. Auch die Präsenz ausländischer Banken63 hat sich in den letzten Jahren verstärkt. Gleichwohl fällt diese im internationalen Vergleich relativ gering aus. Die Geschäftsmodelle der Auslandsbanken sind i.d.R. spezialisiert und von unterschiedlicher Natur. Ihre Markteintrittsstrategien führen zu einem Verdrängungswettbewerb, speziell bei Konsumentenkrediten, Tagesgeldern und Baufinanzierungen. Auch das Girokonto spielt dabei eine wichtige Rolle, vor allem mit Blick auf das nachfolgende Cross-Selling.64 Das geringe Bilanzvolumen der Auslandsbanken in Deutschland ist auch Ursache der Kundenfokussierung. Internationale Großbanken wie die Schweizer UBS betreiben in Deutschland eher außerbilanzielle Geschäfte, z.B. mit der Verwaltung großer Vermögen. Im Gegensatz dazu ist die Citybank Privatkunden AG im Privatkundengeschäft erfolgreich engagiert.65 Seit der Übernahme der KKBKundenkreditbank stehen Beratung und Vertrieb sowohl mit eigenen als auch mit Produkten von Partnern im Mittelpunkt der Geschäftsaktivitäten. Dabei bilden das Kreditgeschäft, die Vermögensberatung und das Kreditkartengeschäft die Kerngeschäftsfelder der Multikanalbank.66 Ein weiterer strategischer Vorstoß, um auf dem deutschen Markt Fuß zu fassen, sind brancheninterne und –übergreifende Kooperationen. Beispielhaft sei hier die Kooperation zwischen Tchibo und der Royal Bank of Scotland (RBS) genannt, 60 61 62 63

64 65 66

vgl. Ashauer (2005), S. 29 – 30. vgl. Seeger/Stürtz (2003), S. 25. vgl. Karsch (2008), S. 34. Zweigstellen ausländischer Banken und deutsche Banken, deren Kapital vollständig oder mehrheitlich von ausländischen Banken gehalten wird. vgl. Netzel (2007), S. 23. vgl. Ashauer (2005), S. 32 – 33. vgl. Buschbeck (2003), S. 472 – 473.

2. Strukturelle Analyse des deutschen Bankenmarktes

21

welche der RBS in nur zwei Jahren mit einem standardisierten Ratenkredit 1,2 Mio. Kunden bescherte. Die gemeinsame Marktbearbeitung zielt dabei meist auf die Kundenbindung durch einzigartigen Mehrwert gemeinsamer Produkt- und Servicebündel, die Neukundengewinnung in aktiven oder noch nicht erschlossenen Märkten oder die Schaffung neuer Märkte.67 Dennoch scheinen der Einstieg und die Etablierung auf dem deutschen Bankenmarkt für ausländische Kreditinstitute schwer, was der gefestigten Drei-Säulen-Struktur, insbesondere dem relativ geschlossen agierenden Sparkassenverbund zuzuschreiben sein dürfte.

2.3 Marktanteile und Ableitung geschäftspolitischer Ausrichtungen im Spiegel der Bilanz Die Bilanzsummen aller 1939 an die Deutsche Bundesbank berichtenden Kreditinstitute summierten sich für das Jahr 2009 auf durchschnittlich rund 7725 Mrd. Euro.68 Abbildung 2.1 verdeutlicht diesbezüglich die absoluten Anteile der einzelnen Institutsgruppen. Der Marktanteil des öffentlich-rechtlichen Lagers belief sich 2009 auf etwa ein Drittel des Gesamtmarktes, wobei rund 20% auf die Landesbanken und 13% auf die Sparkassen entfielen. Die privaten Kreditbanken verwalten mit circa 30% einen unwesentlich geringeren Anteil, der insbesondere auf die Großbanken zurückgeht. Der genossenschaftliche Sektor vereint noch etwa 12% der Bilanzsummen auf sich. Hierbei leisten die Kreditgenossenschaften (9%) im Vergleich mit ihren Zentralinstituten (3%) den größeren Beitrag.69

67 68 69

vgl. Holley/Leopold (2006), S. 33. vgl. Deutsche Bundesbank (2010b) Die Gruppe „Sonstige“ Kreditinstitute setzt sich im Wesentlichen aus Realkreditinstituten, Bausparkassen, Banken mit Sonderaufgaben und Auslandsbanken zusammen, wird aber hier nicht detaillierter betrachtet.

22

2. Strukturelle Analyse des deutschen Bankenmarktes

Kreditbanken Sonstige Landesbanken Großbanken Sparkassen Kreditgenoss. Genoss. ZB 0

500

1000

1500

2000

2500

Abbildung 2.1: Durchschnittliche Bilanzsumme 2009 in Mrd. Euro Quelle: Deutsche Bundesbank (2010b), eigene Darstellung und Berechnung

In Abhängigkeit von der Anzahl der Kreditinstitute innerhalb der jeweiligen Bankengruppe ergeben sich daraufhin die in Abbildung 2.2 dargestellten durchschnittlichen Bilanzsummen je Kreditinstitut für das Jahr 2009 in Mrd. Euro.

345,5 350,0 300,0 250,0 200,0

151,5

131,5

150,0 100,0 50,0

4,0

8,4

2,5

0,0

Abbildung 2.2: Durchschnittliche Bilanzsumme 2009 in Mrd. Euro Quelle: Deutsche Bundesbank (2010b), eigene Darstellung

0,6

2. Strukturelle Analyse des deutschen Bankenmarktes

23

Die Ergebnisse deuten bereits darauf hin, dass die Kreditinstitute der verschiedenen Säulen grundlegend unterschiedlich am Markt aufgestellt sind. Die durchschnittlich kleinsten Kreditinstitute sind die Kreditgenossenschaften mit einer Bilanzsumme in Höhe von rund 0,6 Mrd. Euro. Auch die Sparkassen sind im Rahmen dieser Betrachtung mit einer durchschnittlichen Bilanzsumme von 2,5 Mrd. Euro vergleichsweise klein. Dies gilt vor allem im Vergleich mit den Großbanken, die auf dem deutschen Markt aktiv sind. Aufgrund der differenzierten Geschäftsmodelle und den damit verbundenen Geschäften ist die Bilanzsumme als solche aber nur begrenzt aussagefähig. Daher gilt es nunmehr die bilanzwirksamen Geschäftsschwerpunkte der Banken, insbesondere das traditionelle Kredit- und Einlagengeschäft, genauer zu beleuchten.70 Die Struktur der Aktiva spiegelt die Bedeutung des traditionellen Kreditgeschäfts in Deutschland wider. Von herausragender Bedeutung ist dabei die Vergabe von Krediten an Nichtbanken, obgleich sich der Anteil an der Bilanzsumme seit 1991 (60%) bis Ende 2009 (52%) zu Gunsten anderer Geschäftsfelder verringert hat. Allerdings zeigt sich anhand der differenzierten Analyse, dass dies nicht für alle Kreditinstitute gleichermaßen zutrifft. Bei den Kreditbanken ist tendenziell ein Rückzug aus dem eher kleinteiligen Geschäft mit Nichtbanken zu erkennen. Wurden 1991 noch 67% der Bilanzsumme als Kredite an Nichtbanken vergeben, waren es 2009 lediglich 47%. Die geschäftlichen Schwerpunkte verlagerten sich zum Teil hin zum Interbankengeschäft. Die Vergabe von Krediten an Banken stieg im Betrachtungszeitraum von 25% auf 41% der Bilanzsumme. Eine genauere Analyse zeigt, dass die Geschäftspolitik zunehmend internationaler ausgerichtet wurde. Die Kreditvergabe an ausländische Banken erhöhte sich von 14% auf 26%, die an inländische Banken von 11% auf 15%71. Ein Indiz, welches speziell die Vernachlässigung des heimischen Retailgeschäfts signalisiert, ist die Kreditvergabe an inländische Unternehmen und Privatpersonen. Die Quote beläuft sich mittlerweile auf nur noch 29% gegenüber dem Vergleichswert von 1991 in Höhe von 54%. Noch gravierender gestaltet es sich bei den Großbanken, deren aktivisches Geschäft mit dieser Kundengruppe im Betrachtungszeitraum von 58% auf 22% zurückging. Der Richtungswechsel ist besonders bei den Krediten an inländische Unternehmen zu erkennen. Sowohl bei den Kreditbanken insgesamt als auch speziell bei den Großbanken haben sich die prozentualen Werte nahezu gedrittelt. Bei Letzteren kann ferner die gesunkene Relevanz des Privatkundengeschäfts insofern verdeutlicht werden, als dass das 70

71

Die Berechnungen erfolgten auf Basis von der Bundesbank veröffentlichter Daten. Vgl. Deutsche Bundesbank (2010b) Die Großbanken haben den Anteil der Kredite an ausländische Banken von 14% auf 29% mehr als verdoppelt sowie an inländische Banken von 9% auf 13% ausgebaut.

24

2. Strukturelle Analyse des deutschen Bankenmarktes

Volumen 1991 noch 16% und 2009 nur noch 8% der Bilanzsumme entsprach. Insgesamt ist, speziell bei den Großbanken, die Abkehr vom traditionellen Heimatgeschäft anhand der genannten Kennzahlen ablesbar. Innerhalb der öffentlich-rechtlichen Säule lassen sich bei der Kreditvergabe an Nichtbanken gegenläufige Entwicklungen feststellen. Traditionell sind sowohl die Landesbanken als auch die Sparkassen in diesem Segment stark engagiert. Letztere bauten den Anteil sogar gegen den allgemeinen Trend von 66% auf 69% aus. Die Landesbanken reduzierten das prozentuale Volumen im Kreditgeschäft mit Nichtbanken (Bilanzanteil 1991 = 56%; 2009 = 45%) und wiesen dagegen dem Interbankengeschäft eine größere Bedeutung zu. Der Anteil der Kredite an Banken stieg von 44% auf 48%. Eine zunehmende Rolle spielte dabei die Kreditvergabe an ausländische Banken, deren Quote sich von 17% auf 23% erhöhte. Die Ausreichung von Krediten speziell an inländische Unternehmen und Privatpersonen sank bei den Zentralinstituten der öffentlich-rechtlichen Banken relativ von 26% auf 19%. Die Sparkassen bauten das Geschäft dagegen von 53% auf 56% aus. Das Engagement im kleinteiligen Retailgeschäft ist ebenso prägnant bei der Kreditvergabe an inländische wirtschaftlich selbständige Privatpersonen72. Der Anteil an der Bilanzsumme blieb nahezu konstant bzw. schrumpfte nur leicht von 15% auf 14%. Bei den Kreditgenossenschaften wird diesem Kundensegment mit rund 15% der Bilanzsumme in etwa die gleiche Bedeutung beigemessen. Bezüglich der Kreditvergabe an Nichtbanken insgesamt sind die prozentualen Werte von 1991 und 2009 nur geringfügig von 67% auf 65% zurückgegangen. Bis Mitte der neunziger Jahre stieg der Anteil auf rund 75%, fiel anschließend aber kontinuierlich bis leicht unter das Ausgangsniveau zu Beginn des hier gewählten Vergleichszeitraums. Der Anteil der Kredite an Banken blieb ausgehend von 1991 mit 29% der Bilanzsumme konstant. Die genossenschaftlichen Zentralbanken weiteten dagegen das Interbankengeschäft aus. Die Ausrichtung auf dieses Geschäftsfeld unterstreicht die hohe Konzentration auf die Rolle als Zentralinstitut der Kreditgenossenschaften. Das Volumen erhöhte sich relativ von 56% auf 64%. Dies ging u.a. zu Lasten des Kreditgeschäfts mit inländischen Unternehmen und Privatpersonen. Auch bei der Refinanzierung der Aktivgeschäfte sind Unterschiede bei den Geschäftsmodellen der Marktakteure erkennbar. So spielen bspw. Einlagen ausländischer Banken hauptsächlich bei den Kreditbanken (speziell den Großbanken) eine größere Rolle als bei den Sparkassen oder Kreditgenossenschaften. Die Großbanken beziehen hierbei Mittel in Höhe von 22% der Bilanzsumme. Weitere 7% der Bilanzsumme entfallen auf die Einlagen ausländischer Nichtbanken. Hinsichtlich

72

u.a. Einzelkaufleute, Gewerbetreibende und freiberuflich Tätige

2. Strukturelle Analyse des deutschen Bankenmarktes

25

der Mittelbeschaffung erlitt der Heimatmarkt speziell bei den Großbanken einen Bedeutungsverlust. Wurde der Anteil der Einlagen von inländischen Banken bei 9% noch konstant gehalten, fiel die Quote von Seiten der Nichtbanken von 45% auf 33%. Für die Primärinstitute des Sparkassen- und Genossenschaftssektors spielt die internationale Refinanzierung eine unbedeutende Rolle. Dagegen machen die Einlagen von inländischen Banken und Nichtbanken den wesentlichen Teil der Mittelherkunft aus. Obwohl die Anteile der Einlagen von inländischen Nichtbanken jeweils gesunken sind, bei den Sparkassen von 69% auf 66% sowie bei den Kreditgenossenschaften von 79% auf 68 %, repräsentieren sie dennoch den Hauptteil der Mittelherkunft. Das Volumen aus Einlagen von inländischen Banken entwickelte sich gegenläufig. Die Sparkassen messen diesem Geschäft mit 17% weniger Bedeutung zu als noch 1991 (26%). Die Kreditgenossenschaften erhöhten den Anteil von 8% auf 12%. Bei den genossenschaftlichen Zentralinstituten kristallisiert sich bei der inländischen Refinanzierung besonders das Interbankengeschäft heraus, obwohl der Anteil von 68% auf 42% deutlich gesunken ist. Bei den Landesbanken liegt der Anteil der Einlagen von Nichtbanken an der Bilanzsumme bei knapp über einem Viertel gegenüber 18% aus Einlagen von inländischen Banken. Neben den bisher gezeigten Ergebnissen stützen die Berechnungen der Marktanteile die Aussagen zu den jeweiligen Geschäftsmodellen, die anschließend nur aus Sicht des öffentlich-rechtlichen und des genossenschaftlichen Sektors skizziert werden. Offenkundig spiegeln die hohen Marktanteile der Sparkassen und Kreditgenossenschaften im Geschäft mit inländischen Nichtbanken die Ausrichtung auf das heimische Retailgeschäft wider. Die Konzentration auf diese Kundensegmente drückt aus, inwiefern die Versorgung der Bevölkerung sowie der Mitglieder und darüber hinaus des deutschen Mittelstandes im Mittelpunkt der Geschäftsaktivitäten steht. Die Sparkassen vereinen ein Viertel aller Einlagen von Nichtbanken auf sich, die Genossenschaften etwa 17% und damit etwas mehr als die Großbanken (16%). Auch im Rahmen der Kreditausreichung an wirtschaftlich selbständige Privatpersonen dominieren die Sparkassen mit einem Marktanteil in Höhe von 38% gefolgt von den Kreditgenossenschaften, deren Anteil sich auf etwa 27% beläuft. Der größte Anteil der Kredite an wirtschaftlich unselbständige Privatpersonen wird von den Kreditbanken (30%) ausgereicht. Circa ein Drittel davon entfällt auf die Großbanken, wobei dies im Wesentlichen durch die anteilige Übernahme der Postbank durch die Deutsche Bank beeinflusst ist, die im Privatkundengeschäft stark vertreten ist. Ferner stellt dieser Wert bereits die Bemühungen der Großbanken zur Ausweitung des Breitengeschäfts dar. Hierbei treffen sie allerdings auf die

26

2. Strukturelle Analyse des deutschen Bankenmarktes

weiteren Marktführer, die Sparkassen und Kreditgenossenschaften mit jeweils 28% bzw. 20%. Die Landesbanken sind insbesondere im inländischen Interbankenbereich relativ dominant, was im Wesentlichen auf die Geschäftsaktivitäten innerhalb des Sparkassenfinanzverbunds zurückzuführen ist. Aber auch im Auslandsgeschäft mit Banken sind die Landesbanken aktiv und folgen mit knapp 27% Marktanteil den Großbanken (31%). Einen weiteren Schwerpunkt der Geschäftsaktivitäten, verbunden mit einem hohem Marktanteil (24%), bildet außerdem die Kreditbereitstellung für inländische Unternehmen. Die Zentralbanken der Kreditgenossenschaften nehmen bei der Betrachtung des Marktanteils i.d.R. keine hervorstechende Position ein. Vielmehr wird die differenzierte Ausrichtung von Landesbanken und genossenschaftlichen Zentralbanken erkennbar. Letztere konzentrieren sich offenkundig deutlich stärker auf ihre Rolle als Zentralinstitut der Kreditgenossenschaften. In diesem Kapitel wurden die grundlegende Struktur des deutschen Bankenmarktes und die Besonderheiten der einzelnen Säulen dargestellt. Die geschäftspolitischen Zielsetzungen konnten anschließend anhand ausgewählter bilanzieller Kennzahlen verdeutlicht werden. Erkennbar wurden vor allem die internationale Ausrichtung der Großbanken sowie die Ausrichtung der Geschäftsaktivitäten von Sparkassen und Kreditgenossenschaften auf den heimischen Markt. Diese grundlegenden Ergebnisse konnten anhand der Betrachtungen der Marktanteile einzelner Kennzahlen gestützt werden. Daraus ersichtlich wurde ebenso der geringe Einfluss ausländischer Banken auf den deutschen Bankenmarkt. Dies und die vorherrschende Drei-Säulen-Struktur, mit der Besonderheit abgeschotteter Verbünde, sind häufig der Ansatzpunkt nationaler und internationaler Kritik. Insbesondere die Auswirkungen auf den Wettbewerb, die Ertragslage und die Effizienz deutscher Kreditinstitute stehen dabei im Fokus. Welche Kennzahlen den Anlass zur Kritik in der Vergangenheit bestärkten und inwiefern die Aussagekraft bzw. -fähigkeit gegeben ist, bildet den Inhalt des nachfolgenden Kapitels.

3. Wettbewerb auf dem deutschen Bankenmarkt

27

3 Wettbewerb auf dem deutschen Bankenmarkt 3.1 Ansätze der Wettbewerbsmessung Die bereits angeführte Diskussion um die Kritik an der im internationalen Vergleich geringen Profitabilität deutscher Kreditinstitute wird meist mit den besonderen strukturellen Merkmalen des deutschen Bankenmarktes in Verbindung gebracht. Regelmäßig werden in diesem Zusammenhang die Begriffe „overbanked“ und „overbranched“ bemüht. Inwiefern diese Strukturen tatsächlich zu erkennen sind, soll nachfolgend beleuchtet werden. Dazu wird zunächst der internationale Vergleich herangezogen, um im Anschluss daran die Sichtweise auf den heimischen Bankenmarkt zu beschränken. 3.1.1 Der internationale Kontext Betrachtet man die absolute Anzahl der Kreditinstitute im europäischen Vergleich, liegt Deutschland offenkundig an der Spitze. Ende 2007 waren hierzulande 2026 Kreditinstitute aktiv. Innerhalb der EU folgen Italien (821), Frankreich (808) und Österreich (803) erst mit großem Abstand.73 Dennoch ist die bloße Beschreibung des Bankenmarktes anhand dieser Kenngröße unzureichend. Insbesondere verleiht die Relativierung der Kennzahl um Größen wie z.B. Größe eines Landes, Einwohnerzahl oder Wirtschaftskraft der Anzahl der Banken einen größeren Aussagegehalt. Zieht man das Verhältnis zur Einwohnerzahl heran, reiht sich Deutschland mit 40603 Einwohnern pro Kreditinstitut auf Platz 6 in der EU ein, unterschreitet allerdings den EU-Durchschnitt (59401). Zu beachten ist ferner, dass nur kleine Staaten wie Dänemark, Österreich und Finnland eine größere Bankendichte als Deutschland aufweisen. Dagegen sind die Werte größerer Nationen wie Großbritannien und Spanien wesentlich niedriger.74 Die Vorwürfe der mangelhaften Konsolidierung beziehen sich neben der Argumentation bezüglich der hohen Bankenzahl auch auf die Anzahl von Zweigstellen oder Bankstellen (overbranching). Diese Kennzahl soll einerseits Auskunft über den Grad der Konsolidierung geben. Darüber hinaus ist damit eine Indikatorfunktion verbunden, welche Rückschlüsse auf die strategische Ausrichtung und somit die räumliche Nähe zum Kunden zulassen. Außerdem soll die Kennzahl Anhaltspunkte zur Gewährleistung der flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung 73

74

vgl. EZB (2008) sowie BdB (2009); Die Auswertungen zum internationalen Vergleich beziehen sich aufgrund der Verfügbarkeit lediglich auf das Jahr 2007, geben die Verhältnisse aber grundsätzlich wieder. Eine vergleichende Übersicht siehe Tabelle A.2

28

3. Wettbewerb auf dem deutschen Bankenmarkt

und Bestrebungen zur (Fix-) Kostenreduktion im Filialbetrieb liefern. Ein dichtes Zweigstellennetz kann sowohl auf Überkapazitäten hindeuten aber auch, durch die Kundennähe erzeugte, positive Erfolgswirkungen implizieren.75 Deutschland rangierte Ende 2007 in der EU auf Platz 2 mit 39777 Bankstellen (Hauptstellen und Zweigstellen) hinter Spanien mit 45500 Bankstellen. Dies entsprach einem Anteil von etwa 17% aller Bankstellen der EU. Ähnliche Dimensionen sind ebenfalls in den Nachbarländern Frankreich und Italien zu erkennen, wobei die dortigen Bankenmärkte sogar einen Anstieg der Bankstellenzahl zu verzeichnen haben.76 Am Beispiel Frankreichs kann aber deutlich gemacht werden, dass die Kennzahlen im internationalen Vergleich für sich genommen nur unzureichende Aussagen zulassen. In die Statistik fließen in Frankreich ebenso wie seit geraumer Zeit in Deutschland die Filialen der Post bzw. der Postbank mit ein.77 Die Berücksichtigung dieses umfassenden Filialnetzes ist problematisch, da vor allem Ende der 1990er Jahre in Deutschland weit über 16000 Filialen dazu zählten. Die Statistiken wurden insofern verzerrt, dass der Großteil der Filialen zur Deutschen Post AG und nicht zur Postbank AG gehörte. Folglich wurden sämtliche Stützpunkte der Post AG, wie in Schreibwarenläden oder Lebensmittelgeschäften, erfasst, die überwiegend lediglich Ein- und Auszahlungen ermöglichten. Somit ist es durchaus gerechtfertigt, diesen Stützpunkten die Klassifikation einer traditionellen Bankfiliale abzusprechen.78 Vergleichbare Dienstleistungen bieten auch die britischen Poststellen an. Eingang in die Bankstellenstatistik finden sie dennoch nicht.79 Mit dem gleichen Problem behaftet, gleichwohl aussagekräftiger, ist die Betrachtung der Bankstellendichte. Die Zahl der Einwohner je Bankstelle hat sich auf den Bankenmärkten der EU ebenfalls unterschiedlich entwickelt. Deutschland gehört zu jenen Ländern, deren Bankstellendichte in den letzten Jahren gesunken ist. Waren es im Jahr 2000 noch 1444, hatte eine Bankstelle 2007 schon 2068 Einwohner zu versorgen.80 Damit entfallen in Deutschland mehr Einwohner auf eine Bankstelle als im Durchschnitt bei den Euro-Ländern (1735). Demzufolge kann dem Vorwurf des „overbranching“ auf dem deutschen Bankenmarkt grundsätzlich widersprochen werden. Die Bereinigung um die Poststellen bestärkt dies zusätzlich. Der deutschen Kreditwirtschaft wird ferner eine im Vergleich mit anderen großen Wirtschaftsräumen hohe Bindung volkswirtschaftlicher Ressourcen im Kreditgewerbe attestiert. Eine Studie der KfW (2005) widerlegt dies wie folgt. Es wurde 75 76 77 78 79 80

vgl. Paul/Kästner (2006), S. 41. vgl. Tabelle A.1 vgl. BdB (2009), S. 8. vgl. Walter/Lahusen (2004), S. 3. vgl. Rickes (2006), S. 155. vgl. BdB (2009), S. 9.

3. Wettbewerb auf dem deutschen Bankenmarkt

29

herausgestellt, dass andere global dominierende Volkswirtschaften wie die USA, Japan und die damaligen EU-15 (ohne Deutschland) ähnliche Strukturanteile aufwiesen. Im Durchschnitt waren sowohl hierzulande als auch in den genannten Ländern etwa 2% der Erwerbstätigen in der Bankenbranche beschäftigt. Demzufolge ist Deutschland makroökonomisch gesehen, gemessen an internationalen Standards, nicht als overbanked einzustufen.81 Absolut betrachtet, ist die Zahl der Beschäftigten im deutschen Kreditgewerbe seit Jahren rückläufig. Diese Entwicklungen sind somit sogar gegenläufig, verglichen mit den meisten anderen EU-Staaten (Stand 2007).82 Ursächlich hierfür dürften im Wesentlichen die Ertragsprobleme der deutschen Kreditinstitute zu Beginn der Dekade sein. Die damit einhergehende Straffung des Zweigstellennetzes, verbunden mit der Bankautomation sowie zunehmende Outsourcingaktivitäten der Banken und Sparkassen schlagen sich nunmehr in den Beschäftigtenzahlen nieder.83 Allerdings wurde in Deutschland in Relation zur Wohnbevölkerung mehr Personal beschäftigt (119 Einwohner je Bankmitarbeiter) als im EU-Durchschnitt (153 Einwohner je Bankmitarbeiter).84 Die Analysen zur Produktivitätsperformance im Sinne der Bruttoerlöse85 je Mitarbeiter zeigten, dass die deutschen Kreditinstitute keineswegs im internationalen Vergleich zurückstehen. Im Gegenteil - gegenüber Banken in Ländern mit hohem Konsolidierungsgrad schnitten sie sogar besser ab. Auf Basis von OECD-Daten, vornehmlich von 1996 – 2003, erlöste jeder einzelne deutsche Mitarbeiter im Durchschnitt mehr als jene bspw. in den USA, Spanien oder Italien.86 Wie zu erkennen ist, lässt sich aus den bisher vorliegenden Ergebnissen keineswegs ableiten, dass der deutsche Bankenmarkt im internationalen Vergleich Überkapazitäten hinsichtlich Anzahl der Kreditinstitute, Bankstellenzahl und Bankmitarbeiter aufweist. Es gilt außerdem bei der Beurteilung diesbezüglich zu berücksichtigen, dass der Diskussion der Begriffe wie overbanked oder overbranched meist keine einheitlichen Definitionen zu Grunde liegen. Vielmehr basieren die Ergebnisse auf teils unterschiedlichen Datengrundlagen und abstrahieren zugleich von Gegebenheiten des Bankensystems sowie regionalen Siedlungsstrukturen der Vergleichsländer.

81 82 83 84 85

86

vgl. KfW (2005), S. 10. vgl. BdB (2009), S. 10. vgl. Ashauer (2005), S. 161. vgl. Tabelle A.1 Summe aus Zins- und Provisionserträgen, Handelsergebnis und Saldo der sonstigen betrieblichen Aufwendungen und Erträge vgl. Pieper (2006), S. 454.

30

3. Wettbewerb auf dem deutschen Bankenmarkt

Daher stehen weitere vermeintliche Aspekte auf dem Prüfstand, welche ebenfalls als Ursache für die mangelhafte Leistungsfähigkeit des deutschen Bankenmarktes gelten. Dazu richtet sich der Fokus neben der Untersuchung relevanter Indikatoren auf internationaler Ebene auch auf die differenzierten Entwicklungen zwischen den verschiedenen Säulen der deutschen Bankenlandschaft. 3.1.2 Der nationale Kontext Wie bereits gezeigt wurde, hat auch auf dem hiesigen Bankenmarkt seit Beginn der 1990er Jahre eine signifikante Konsolidierung stattgefunden. Abbildung 3.1 verdeutlicht nochmals die Entwicklung der Anzahl jener Kreditinstitute, die auf dem deutschen Bankenmarkt aktiv sind.

5000 4500 4000 3500 3000 2500 2000 1500 1000 500 0 1990

1997

2003

2009

Abbildung 3.1: Anzahl der Kreditinstitute Quelle: Deutschen Bundesbank (2010c), eigene Darstellung

Dennoch wird den deutschen Kreditinstituten postuliert, die Strukturveränderungen nur unzureichend vorangetrieben zu haben. So werden Begriffe wie „fragmentiert“ und „unkonsolidiert“ immer noch zur Beschreibung des deutschen Bankenmarktes herangezogen. In diesem Zusammenhang wird i.d.R. die geringe durchschnittliche Größe der deutschen Kreditinstitute betont. Aber auch dieser Vorwurf hält den Fakten nicht stand. Weder im kontinentaleuropäischen noch im Vergleich

3. Wettbewerb auf dem deutschen Bankenmarkt

31

mit den durchschnittlichen Institutsgrößen der US-amerikanischen Banken bleiben die deutschen Banken und Sparkassen zurück.87 Die dennoch immer wieder aufkeimende Kritik verlangt daher eine detaillierte Analyse der Veränderungen des deutschen Bankensystems.88 Der beachtliche Rückgang der Anzahl von Kreditinstituten geht insbesondere auf den hohen Konsolidierungsgrad im Genossenschaftssektor zurück. Die Zahl der Kreditgenossenschaften sank von 3410 im Jahr 1990 auf 1160 im Jahr 2009 und damit um knapp zwei Drittel. Die durchschnittliche Betriebsgröße erhöhte sich zwar im gleichen Zeitraum, bleibt aber mit etwa 0,6 Milliarden Euro vergleichsweise gering. Eine ebenfalls deutliche Konsolidierung ist im Sparkassensektor zu erkennen. Die Institutszahl ging im Betrachtungszeitraum um rund 44% von 772 auf 431 zurück. Die durchschnittliche Bilanzsumme stieg nahezu um das 2,5-fache auf etwa 2,5 Milliarden Euro. Ein tendenziell ähnliches Bild, nur in geringerem Ausmaß, zeigt sich bei den Kreditbanken. Erst seit 2006 steigt die Anzahl der Institute wieder leicht. Insgesamt hat sie jedoch im Betrachtungszeitraum um etwa ein Viertel abgenommen (1990: 365, 2009: 288). Die durchschnittliche Bilanzsumme erhöhte sich um 75% auf rund 8,4 Milliarden Euro. Zu betonen ist in diesem Kontext nochmals, dass der Konsolidierungsprozess nicht säulenübergreifend erfolgt. Vielmehr findet, bezogen auf die Architektur des Dreisäulensystems, bislang eine vertikale, aber keine horizontale Konsolidierung statt.89 Wie bereits beschrieben, spricht mit der Schließung zahlreicher Zweigstellen (oben: Bankstellen) ein weiteres Indiz für die Konsolidierungsbestrebungen der Banken und Sparkassen. Allerdings verliefen diese in den einzelnen Bankengruppen ebenso uneinheitlich, was in Abbildung 3.2 beispielhaft für die Entwicklung von 1997 – 2009 dargestellt wird.90

87 88

89 90

vgl. Schackmann-Fallis (2005), S. 554. Die Verfügbarkeit der Daten durch die Bereitstellung der Deutschen Bundesbank erlaubt es, den Betrachtungszeitraum für die Kennzahlen dieses Abschnitts auf die Jahre 1990 – 2009 zu erweitern. vgl. DIW (2004), S. 28 – 29. Der extreme Sprung bei den Kreditbanken resultiert aus der Zuordnung der Deutschen Postbank AG zur Bankengruppe der Großbanken.

32

3. Wettbewerb auf dem deutschen Bankenmarkt

20000 15000 10000 5000 0 1997

1998

1999

2000

Kreditbanken

2001

2002

2003

Sparkassen

2004

2005

2006

2007

2008

2009

Kreditgenossenschaften

Abbildung 3.2: Anzahl der Bankstellen Quelle: Deutsche Bundesbank, diverse Bankenstatistiken der Jahre 2000 – 2009, eigene Darstellung

Abbildung 3.3 verdeutlicht die Entwicklung der Bankstellendichte. Während die Gesamtzahl der Bevölkerung von 1997 bis 2009 um circa 0,25% schrumpfte, verringerte sich die Zahl der Bankstellen um rund 38%91. Dies führt zu einer Erhöhung der Bankstellendichte von rund 60%.

91

Betrachtung inkl. Postbank AG; Für den Zeitraum von 1997 bis 2006 verringert sich die Zahl der Bankstellen (exkl. Postbank AG) um etwa 29%, was letztlich einer Steigerung der Bankstellendichte in Höhe von 40% entspricht.

33

3. Wettbewerb auf dem deutschen Bankenmarkt

2400 2200 2000 1800 1600 Bankstellen exkl. Postbank AG 1400 Bankstellen inkl. Postbank AG 1200 1000 1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

Abbildung 3.3: Bankstellendichte92 Quelle: eigene Berechnungen

Die Aussagekraft der Bankstellendichte unterliegt bei Betrachtungen auf nationaler Ebene gleichermaßen Einschränkungen wie im internationalen Vergleich. Mit dieser Kennziffer kann der kreditgewerbliche Erschließungsgrad einer Region nur ungenau widergespiegelt werden. Weiterhin kann keine Schlussfolgerung bezüglich eines funktionierenden Wettbewerbs gezogen werden, da die Bankstellendichte lediglich die Verteilung der Bevölkerung auf die Bankstellen repräsentiert und aus Sicht des Kunden keinerlei Hinweis auf eventuelle Wahlmöglichkeiten bei der Bankverbindung zulässt.93 Somit erlaubt die Kennzahl nur eingeschränkte Rückschlüsse auf die Versorgungsqualität. Errechnet sich für eine dünn besiedelte Region eine ebenso hohe Bank- oder Zweigstellendichte wie für eine dicht besiedelte Region, ist in erst genannter die Versorgungssituation insofern schlechter, dass die durchschnittlichen Wege zur Bank i.d.R. länger sind.94 Insbesondere stellt sich die Diskrepanz der Versorgungssituation im Vergleich zwischen städtischen, prosperierenden und peripheren Regionen im Sinne der Wettbewerbsintensität dar. Kon-

92

93 94

Neben Daten des Statistischen Bundesamtes zur Bevölkerungsentwicklung in Deutschland wurden den Bankenstatistiken der Deutschen Bundesbank die Anzahl der Bankstellen in den jeweiligen Jahren entnommen (soweit von der Deutschen Bundesbank ausgewiesen). Die Abweichungen zwischen den Verläufen heben nochmals den Einfluss der Berücksichtigung der Deutschen Postbank AG hervor. vgl. Riekeberg (1995b), S. 480 – 481. vgl. Gärtner (2008), S. 116.

34

3. Wettbewerb auf dem deutschen Bankenmarkt

kurrieren in den Ballungsgebieten Privatbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken miteinander, reduziert sich der Wettbewerb auf dem Lande zumeist auf die Kreditgenossenschaften und die Sparkassen.95 An dieser Stelle kann bereits festgehalten werden, dass die bisher betrachteten Indikatoren keine substanziellen Anhaltspunkte liefern, die im internationalen Vergleich eine explizite Herausstellung des deutschen Bankenmarktes als overbanked oder overbranched rechtfertigen. Nunmehr werden verschiedene Konzepte bzw. Ansätze der Wettbewerbsmessung vorgestellt, die Aufschluss über die wettbewerblichen Bedingungen auf dem deutschen Bankenmarkt geben sollen.

3.2 Wettbewerbsmessung und Konzentration im Bankwesen Die zuvor beschriebenen Kennzahlen, wie die Anzahl der Kreditinstitute oder Bank- und Zweigstellen, dienen ihrerseits zur deskriptiven Charakterisierung der Bankenmärkte. Die Struktur eines Marktes lässt sich indes schwerlich damit abbilden. Die quantitative Zustandsbeschreibung verlangt also ein geeignetes Maß. An dieser Stelle sind Konzentrationsmaße hilfreich, welche die aktuelle Struktur, aber auch deren Änderung widerspiegeln können. Insbesondere zur Verdeutlichung des Fragmentierungsgrades von Bankenmärkten werden gängige Konzentrationsmaße wie die Konzentrationsrate und der Herfindahl-Hirschman-Index verwendet.96 Darüber hinaus werden diese Kennzahlen herangezogen, um die Ergebnisse (Performance) der Marktakteure in Abhängigkeit vom Wettbewerb zu erklären. Bevor aber die spezielle Anwendung der Konzentrationsmaße in den Fokus rückt, werden zunächst grundlegende Ansätze betrachtet, welche in der Literatur teilweise seit Jahrzehnten großes Interesse finden. Im Rahmen der Forschung zur Messung des Wettbewerbs haben sich zwei Pfade herausgebildet. Es kann diesbezüglich in strukturorientierte und nicht-strukturorientierte Ansätze unterschieden werden. Zu den strukturorientierten Modellen zählen u.a. das SCP-Paradigma97 und die Effizienz-Strukturhypothese. Die Wirkungskette des SCP-Paradigmas unterstellt im Falle erhöhten Wettbewerbs einen ebenfalls steigenden Anreiz der Marktteil95 96 97

vgl. DIW (2004), S. 33. vgl. Sachverständigenrat (2008), S. 96. Engl.: structure-conduct-performance-paradigm; deutsch: Marktstruktur-Marktverhalten-Markt-Ergebnis-Paradigma

3. Wettbewerb auf dem deutschen Bankenmarkt

35

nehmer die Kosten zu senken und Ineffizienzen abzubauen. Solange intensiver Wettbewerb vorherrscht, werden die Erträge gering ausfallen. Erst durch kollusives Verhalten erlangte Marktmacht ermöglicht höhere Erträge. Im Vergleich dazu geht die Effizienz-Strukturhypothese umgekehrt davon aus, dass der Erfolg kausal für die Konzentration ist und nicht die zunehmende Konzentration zu mehr Erfolg führt. Sowohl theoretische als auch empirische Einschränkungen der strukturorientierten Modelle führten zur Entwicklung der nicht-strukturorientierten Modelle der Wettbewerbsmessung. Ansätze wie das Panzar-Rosse-Modell verzichten auf den Einsatz von Proxivariablen (z.B. die Marktstruktur) und versuchen das Verhalten der Banken direkt zu bestimmen.98 3.2.1 Strukturorientierte (nicht-formale) Ansätze der Wettbewerbsmessung Das SCP-Paradigma in seiner ursprünglichen Form stellt auf den strengen Zusammenhang zwischen der Marktstruktur, dem Marktverhalten und dem Marktergebnis ab.99 Die Beziehungen zwischen den einzelnen Komponenten des Paradigmas sind indes nicht theoretisch formal und statistisch abgeleitet, sondern werden als kausale Wirkungskette interpretiert.100 Es basiert in seinen Grundannahmen auf einem Ansatz von Mason (1939), welcher eine zweistufige Vorgehensweise zur Marktanalyse für sinnvoll erachtet. Zunächst ist dabei die Marktstruktur zu bestimmen. Sowohl das Marktverhalten als auch das Marktergebnis leiten sich anschließend auf Basis dieser Marktstruktur direkt ab und sind folglich durch diese determiniert.101 Die Marktstruktur wird bspw. approximiert durch Größen wie die Anzahl der Unternehmen oder deren Marktanteile. Daraus folgen z.B. die Preis- oder Mengenstrategien der Anbieter, welche demnach das Marktverhalten charakterisieren. Größen wie Marktpreise, Gewinne oder die Produktivität spiegeln das daraus resultierende Marktergebnis wider. Insbesondere sind die Zusammenhänge zwischen der Marktstruktur und dem Marktergebnis von Interesse. Diese Beziehung wurde erstmals von Bain (1951) untersucht, wobei die Konzentrationsrate als Proxy für die Marktstruktur und die Profitrate für das Marktergebnis herangezogen wurden. Im Wesentlichen konnte Bain die Hypothese bestätigen, dass ein hoher Konzentrationsgrad Kollusion erleichtert und somit höhere Profitraten ermöglicht.102 98 99 100

101 102

vgl. Bikker (2004), S.63. vgl. Scherer /Ross (1990) Das SCP-Paradigma wird somit bei den sogenannten non-formal approaches eingeordnet, zu denen ebenfalls die Effizienzstrukturhypothese gezählt wird. Vgl. Bikker/Haaf (2000), S. 17. vgl. Mason (1939) vgl. Bain (1951)

36

3. Wettbewerb auf dem deutschen Bankenmarkt

Die empirischen Untersuchungen von Bankenmärkten konzentrieren sich vorwiegend auf das Gebiet der USA. Dies ist vor allem durch die Verfügbarkeit regionaler Bankmarktdaten begründet, an denen es zur Analyse europäischer Bankenmärkte mangelt. Folglich liegt die Problematik bereits in der Definition der Bankenmärkte, weshalb vergleichsweise wenige Studien existieren.103 Speziell für den deutschen Bankenmarkt wurde die Gültigkeit des SCP-Paradigmas bisher nicht empirisch untersucht. Jedoch existieren Studien, welche die Abhängigkeit bankspezifischer Erfolgskennzahlen von der Betriebsgröße (als Proxy für Marktmacht) in den Mittelpunkt stellen und somit die Anwendung des SCP-Paradigmas für Deutschland indirekt untersuchen. Entgegen den meisten internationalen Studien konnte dabei grundsätzlich kein oder ein negativer Zusammenhang zwischen der Betriebsgröße und dem Erfolg festgestellt werden.104 Nicht zuletzt ist bei der Analyse zu berücksichtigen, unter welchen Annahmen die Ergebnisse schlussendlich abgeleitet werden. Häufig richtet sich die Kritik am Modell gegen den unterstellten einseitigen kausalen Zusammenhang von der Marktstruktur zur Marktperformance.105 Zudem sind neben der Definition der lokalen Märkte die Operationalisierung und Quantifizierung der ParadigmaKomponenten mit Schwierigkeiten behaftet.106 So dient bspw. die Konzentration regelmäßig als ein Maß für die Marktstruktur. In den meisten Fällen werden diesbezüglich relativ einfach bestimmbare, aber in ihrer Aussagekraft eingeschränkte Kennzahlen wie die Konzentrationsrate, der Herfindahl-Hirshman-Index oder auch die Anzahl der Banken herangezogen. Im Vergleich zwischen dem klassischen SCP-Paradigma und der EffizienzStrukturhypothese besteht die theoretische Übereinstimmung in der Annahme, dass mit einer höheren Marktkonzentration eine höhere Profitabilität einhergeht. Die Argumentationskette des SCP-Paradigmas unterstellt den Zusammenhang zwischen steigender Marktkonzentration und einer daraus resultierenden steigenden Marktmacht aufgrund strategischer Spielräume zur Reduzierung der angebotenen Mengen oder der Erhöhung der Preise zur Steigerung der Gewinne.107 Im Rahmen der Effizienz-Strukturhypothese, die von Demsetz (1973) und Peltzman (1977) entwickelt wurde, ist die Marktkonzentration nicht exogen über die 103

104 105

106

107

Studien einzelner nationaler Bankenmärkte in Europa finden sich bspw. bei Mendes/Rebelo (2003) und Bos (2004); Goldberg /Rai (1996) untersuchen die Beziehung zwischen Marktstruktur und Performance für Europa (Sample von 11 europäischen Ländern), in dem jedes Land als lokaler Bankenmarkt definiert wurde vgl. Varmaz (2006), S. 141 – 142. Bikker/Haaf (2000) weisen ferner daraufhin, dass in den meisten Studien, welche das SCP-Paridigma auf die Bankenindustrie anwenden, auf die Betrachtung und Einbeziehung des „conducts“ verzichtet wird. Vgl. Bikker/Haaf (2000), S. 18. zu ausführlicheren Übersichten empirischer Studien und deren kritische Betrachtungen vgl. bspw. Gilbert (1984) und Berger et al. (2004) vgl. Bikker (2004), S. 5.

3. Wettbewerb auf dem deutschen Bankenmarkt

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Marktstruktur vorgegeben. Vielmehr resultiert eine hohe Marktkonzentration aus dem Ausbau der Marktanteile effizienterer Banken. Diese nutzen ihren Effizienzvorsprung gegenüber der Konkurrenz, indem bspw. realisierte Kostenersparnisse in Form geringerer Preise an die Nachfrageseite weitergegeben und somit Marktanteile gewonnen werden können.108 Die Effizienz-Strukturanalyse lehnt deshalb eine höhere Konzentration nicht a priori ab, da entgegen der Annahmen des traditionellen SCP-Paradigmas ein Anstieg der Marktkonzentration nicht zwangsläufig geringere Wettbewerbsintensität bedeutet. 3.2.2 Konzentrationsmaße In der bankbetrieblichen Literatur werden als Proxy für die Marktstruktur in den strukturorientierten Modellen zur Messung des Wettbewerbs insbesondere die Konzentrationsrate und der Herfindahl-Hirshman-Index verwendet.109 Die Konzentrationsrate (Concentration Ratio, CRk) ist ein diskretes Konzentrationsmaß zur Beschreibung der Marktstruktur und wird formal wie folgt gebildet: CRk

k

¦s

i

(3-1)

i 1

Dargestellt wird somit der kumulierte Marktanteil der k-größten Kreditinstitute, wobei die verbleibenden Kreditinstitute am Markt nicht berücksichtigt werden. Dies folgt aus der Annahme, dass das Wettbewerbsverhalten auf einem Bankenmarkt von einer kleinen Anzahl großer Banken geprägt wird. Der Wertebereich des Marktanteilskriteriums ist auf Werte zwischen Null und Eins beschränkt. Somit ist das Normierungskriterium nach Häni (1987) erfüllt.110 Höhere Werte symbolisieren demzufolge eine stärkere Konzentration. Nimmt die Konzentrationsrate den Wert Eins an, liegt maximale Konzentration vor und der betrachtete Bankenmarkt ist monopolisiert. Sind hingegen n gleich große Kreditinstitute am Markt aktiv, resultiert daraus für die Konzentrationsrate ein Wert in Höhe von k/n. Zur Beurteilung der Konzentration auf einem Bankenmarkt bzw. der Marktmacht der k-größten Kreditinstitute wird meist die Bilanzsumme herangezogen. Im internationalen Vergleich ist die CR5, also der Marktanteil der fünf größten Kreditinsti108 109

110

vgl. Molyneux/Forbes (1995), S. 155. Aus diesem Grund werden die Konzentrationsrate und der Herfindahl-Hirshman-Index an dieser Stelle näher beleuchtet. Einen Überblick über weitere Konzentrationsmaße findet sich u.a. bei Piesch (1975), Häni (1987) und Bikker (2004). Häni verlangt, dass ein Konzentrationsmaß, wenn auch nur theoretisch, Werte zwischen 0 und 1 annehmen soll. Vgl. Häni (1987), S. 66.

38

3. Wettbewerb auf dem deutschen Bankenmarkt

tute gemessen an der Bilanzsumme, in Deutschland relativ gering.111 Obwohl in den letzten Jahren leicht gestiegen, ist die Konzentrationsrate in Höhe von 22% die mit Abstand niedrigste innerhalb der EU. Im Umkehrschluss signalisiert dieser Wert einen starken Wettbewerb auf dem deutschen Bankenmarkt. Gleichwohl die Kennziffer schnell ableitbare Schlüsse zur Wettbewerbsintensität zulässt, ist deren Aussagekraft zu hinterfragen. Zum einen liegt ein wesentlicher Kritikpunkt bereits in der Annahme, dass nur die k-größten Banken berücksichtigt werden. Der Einfluss der verbleibenden Marktteilnehmer spielt somit keine Rolle. Ferner gibt der bloße Wert bei einer mehrperiodigen Betrachtung keine Auskunft über mögliche Veränderungen bei der Zusammensetzung der einbezogenen Kreditinstitute. Weiterhin erlaubt das Maß keinen Einblick, wenn die Verteilung der Konzentration gefragt ist. Gleiche Konzentrationsraten können Ausdruck völlig unterschiedlicher Marktverhältnisse sein. Obwohl diese Grenzen hinlänglich bekannt sind, verhelfen die Einfachheit in der Handhabung und die relativ geringen Ansprüche an die Datenbasis der Konzentrationsrate zur Popularität. Ein weiteres und gleichzeitig das in der Literatur am stärksten verbreitete Proxy zur Darstellung der Marktstruktur ist der Herfindahl-Hirschman-Index (HHI).112 Es wird vorgeschlagen, diese Maßzahl der absoluten Konzentration insbesondere für quantitative Untersuchungen der Konkurrenzsituation zu verwenden.113 Der HHI ist definiert als:

HHI

N

¦s

2 i

(3-2)

i 1

Der HHI beschränkt sich im Gegensatz zur Konzentrationsrate nicht ausschließlich auf die Betrachtung der absoluten Marktanteile der k-größten Kreditinstitute. Vielmehr fließen die quadrierten Marktanteile aller Kreditinstitute in die Berechnungen ein, wobei deren Summe den HHI ergibt. Der Wertebereich des HHI beschränkt sich auf 1/n ≤ HHI ≤ 1. Folglich wird das Normierungskriterium nach Häni (1987) ebenso erfüllt wie bei der Konzentrationsrate.114 Im Falle maximaler Konzentration nimmt der HHI den Wert 1 an und symbolisiert ein bestehendes Monopol auf dem betrachteten Markt. In einem atomistisch strukturierten Markt 111 112 113 114

vgl. Tabelle A.3 vgl. Bikker (2004), S. 51. vgl. Piesch (1975), S. 151. vgl. Häni (1987), S. 66.

3. Wettbewerb auf dem deutschen Bankenmarkt

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mit unendlich vielen Kreditinstituten strebt der Wert des HHI gegen Null, wird also bei Gleichverteilung minimal.115 Die Quadrierung des Marktanteils des jeweiligen Kreditinstituts dient als Gewichtung. Das Ergebnis wird folglich durch größere Kreditinstitute stärker beeinflusst als durch vergleichsweise kleinere Kreditinstitute.116 I.d.R. liegen bei Untersuchungen nur Daten großer Kreditinstitute sowie die Anzahl aller Kreditinstitute vor. Die Verfahrensweise kann in diesem Fall insofern angepasst werden, dass die Kreditinstitute der Größe nach geordnet werden und in die Berechnung einfließen. Ist eine bestimmte Größe erreicht, welche vermuten lässt, dass Kreditinstitute dieser Größenordnung den HHI nicht mehr bedeutend verändern, stoppt die Berechnung an dieser Stelle. Die untere Grenze resultiert aus dem bis dahin errechneten HHI. Unter der Annahme, dass der restliche Marktanteil gleichmäßig auf die nicht berücksichtigten Kreditinstitute verteilt ist, ergibt sich die obere Grenze.117 Es wird deutlich, dass die Interpretation des HHI im Vergleich zur Konzentrationsrate durchaus schwieriger ist. Eine Hilfestellung bietet das Reziproke des HHI, welches als Numbers-Equivalent von Adelman (1969) eingeführt wurde.118 Zunächst muss also der HHI errechnet und anschließend formal umgeformt werden. Das Numbers-Equivalent besagt nunmehr, dass die Konkurrenzsituation auf dem betrachteten Markt der eines Marktes mit Numbers-Equivalent gleich großen Kreditinstituten entspricht. Der Bankenmarkt ist folglich umso konzentrierter, je kleiner der Wert des NumbersEquivalent ist.119 Dennoch werden in den Statistiken meist die HHI-Werte veröffentlicht und auf deren Basis Aussagen über die Marktstruktur abgeleitet. So stützen sich bspw. in den USA Beurteilungen im Rahmen der Prüfung von Fusionsverfahren auf die ermittelten HHI-Werte.120 Die analysierten Märkte werden in Abhängigkeit von der Konzentration nach dem Unternehmenszusammenschluss unterschieden in unkonzentrierte (HHI