Zwischen Selbstverwaltung und furor cameralisticus: Die Finanzverwaltung der Universität Greifswald 1566–1806 3515128603, 9783515128605

Die pommersche Universität in Greifswald war in der Frühen Neuzeit weitgehend eigenfinanziert und selbstverwaltet. Die V

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INHALTSVERZEICHNIS
VORWORT
EINLEITUNG
1. GRUNDLEGENDES UND VORAUSSETZUNGEN
2. QUELLENBASIS
3. AUSWERTUNG EINER FRÜHNEUZEITLICHEN SERIELLEN QUELLE
4. HERAUSFORDERUNGEN BEI DER AUSWERTUNG
5. AUFBAU DER ARBEIT
1. AKADEMISCHE FINANZADMINISTRATION
1.1. WIRTSCHAFTSGRUNDLAGEN DEUTSCHER UND SCHWEDISCHER UNIVERSITÄTEN IN DER FRÜHEN NEUZEIT
1.1.1. Drei Säulen der Universitätsfinanzierung
1.1.2. Mittelalterliches Pfründensystem
1.1.3. Dotationspolitik
1.1.4. Ertragsquellen und Aufwendungen
1.2. DIE ÖKONOMISCHE SELBSTVERWALTUNG DER UNIVERSITÄT GREIFSWALD: GRUNDLAGEN UND ENTWICKLUNGEN BIS 1806.
1.2.1. Ökonomischer Neubeginn nach der Reformation (1558/1563)
1.2.2. Vorboten des Dreißigjährigen Krieges und Wirtschaftskrise (1610–1630er)
1.2.3. Schenkung des Amtes Eldena und Begründung der Eigenwirtschaft (1634)
1.2.4. Schwedische Reorganisationsbemühungen (1634–1668)
1.2.5. Haushaltskonsolidierung und Entschuldung (1670er–1702)
1.2.6. Ökonomische Stabilität und Wachstum (1702–1750)
1.2.7. Wirtschaftskrise, Verschuldung und Reformdruck (1750–1775)
1.2.8. Neuordnung der ökonomischen Selbstverwaltung (1775)
1.2.9. Schuldenabbau und Investitionen (1775–1806)
1.2.10. Besitzverlust und Rückgewinnung – Napoleon, Schweden und Preußen (1806–1815)
1.2.11. Exkurs: Don Gratuit319. Chronologie eines Konflikts um Kontributionsfreiheit und Subsidien (1634–1785)
1.3. AKADEMISCHE WIRTSCHAFTSQUELLEN UND FINANZADMINISTRATIVE PRAXIS
1.3.1. Quellentypologie
1.3.2. Die Procuraturregister 1566–1768
1.3.3. Die Hauptrechnungsbücher 1774–1806
1.3.4. Ökonomische Praxis und Finanzplanung
1.4. DIE AKADEMISCHEN VERMÖGENSVERWALTER
1.4.1. Akademische Beamte im Fokus
1.4.2. Das Amt: Procuratur und Structuariat
1.4.3. Die Amtsinhaber
2. PERSONALKOSTEN
2.1. PERSONAL UND GEHALT
2.1.1. Universitätspersonal und Universitätsverwandte – ein Überblick.
2.1.2. Ordinarien
2.1.3. Weitere Lehrer
2.1.4. Verwaltungspersonal - Officiales
2.1.5. Dienstpersonal
2.1.6. Universitätsverwandte ohne Gehalt.
2.2. PERSONAL UND GEHALT IN DEN WIRTSCHAFTSQUELLEN
2.2.1. Lohnkostenverbuchung in den Procuraturregistern
2.2.2. Die Lohnkostenverbuchung in den Hauptrechnungsbüchern
2.2.3. Locarium und Naturalabgaben als Gehaltsbestandteil
2.3. PERSONAL UND GEHALT IN DER PRAXIS
2.3.1. Ordinarienbesoldung
2.3.2. Besoldung weiterer Lehrer
2.3.3. Besoldung der Bediensteten
2.3.4. Zusammenfassung
2.4. ZWISCHENFAZIT
3. BAUKOSTEN
3.1. AKADEMISCHE BAUKOSTEN
3.1.1. Universitäten und ihre Gebäude
3.1.2. Universitätsgebäude in Greifswald
3.1.3. Administration des akademischen Gebäudebesitzes
3.1.4. Akademische Handwerker
3.2. AKADEMISCHE GEBÄUDEKOSTEN IN DEN WIRTSCHAFTSQUELLEN
3.2.1. Ausgaben für Gebäude
3.2.3. Baubezogene Ausgabenverbuchung
3.2.4. Entwicklung der baubezogenen Ausgabentitel in den Rechnungsbüchern
3.3. AKADEMISCHE GEBÄUDEKOSTEN IN DER PRAXIS
3.3.1. Exkurs: Bursenheuer (Mieteinnahmen)
3.3.2. Entwicklungen und Phasen der akademischen Gebäudeverwaltung
3.3.3. Baukosten anteilig und im Verhältnis
3.3.4. Der Bau des Kollegiengebäudes um 1750
3.3.5. Neubauten der 1780er Jahre
3.3.6. Spar- und Kontrollvorschriften zu den Universitätsgebäuden
3.4. ZWISCHENFAZIT
4. STUDIENSTIFTUNGEN
4.1. STIFTUNGEN UND STIPENDIEN
4.1.1. Studienstiftungen allgemein
4.1.2. Verwaltung und Funktionsweise von Studienstiftungen
4.1.3. Typologien
4.1.4. Oeconomie und Freitischstipendien
4.1.5. Universitätsbibliothek und Stiftungen zur Bibliothek
4.2. STIFTUNGEN UND STIPENDIEN IN DEN AKADEMISCHEN WIRTSCHAFTSQUELLEN
4.2.1. Erträge von Stiftungskapital und ihre Verbuchung in den Procuraturregistern
4.2.2. Ertraglose allgemeine Stiftungen „zur Universität“
4.2.3. Ausgaben von Stiftungskapitalerträgen: Stipendien.
4.2.4. Exkurs: Oeconomie, Oeconomus und Freitischstipendien
4.2.5. Entwicklung der Registereinträge in den Hauptrechnungsbüchern
4.2.6. „Bibliothekengeld“
4.3. STIFTUNGEN UND STIPENDIEN IN DER PRAXIS
4.3.1. Die Stipendienstiftungen
4.3.2. Stiftungskapitalverwaltung
4.3.3. Stipendienvergabe
4.3.4. Stiftungsverwalterin und Kapitalhalterin
4.4. ZWISCHENFAZIT
5. KAPITALGESCHÄFTE
5.1. AKADEMISCHES KAPITALWESEN
5.1.1. Einleitung
5.1.2. Kreditforschung
5.1.3. Kredit und Kapital
5.1.4. Interessen und Bedürfnisse im Kapitalhandel
5.1.5. Kapitalwesen frühneuzeitlicher Universitäten
5.1.6. Akademisches Kapitalwesen in Greifswald – Normgebung
5.2. AKADEMISCHES KAPITALWESEN IN DEN WIRTSCHAFTSQUELLEN
5.2.1. Kapitalwesen in den Procuraturregistern des 16. und 17. Jahrhunderts
5.2.2. Kapitalwesen in den Procuraturregistern des 18. Jahrhunderts
5.2.3. Kapitalwesen in den Hauptrechnungsbüchern ab 1774
5.3. AKADEMISCHES KAPITALWESEN IN DER PRAXIS
5.3.1. Kreditgeberin Universität
5.3.2. Kreditnehmerin Universität
5.3.3. Schulden und Pflichten
5.4. ZWISCHENFAZIT
6. SCHLUSS
ANHANG
QUELLEN UND LITERATURVERZEICHNIS
TABELLEN UND ABBILDUNGEN
JAHRESRECHNUNGSBÜCHER DER UNIVERSITÄT GREIFSWALD 1566–1809
ORTSREGISTER
PERSONENREGISTER
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Zwischen Selbstverwaltung und furor cameralisticus: Die Finanzverwaltung der Universität Greifswald 1566–1806
 3515128603, 9783515128605

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Elisabeth Heigl

Zwischen Selbstverwaltung und furor cameralisticus Die Finanzverwaltung der Universität Greifswald 1566–1806

Beiträge zur Geschichte der Universität Greifwald | 13 Franz Steiner Verlag

Beiträge zur Geschichte der Universität Greifswald Herausgegeben von Dirk Alvermann Begründet von Christoph Friedrich, Jörg Ohlemacher, Heinz-Peter Schmiedebach und Karl-Heinz Spiess Band 13

Zwischen Selbstverwaltung und furor cameralisticus Die Finanzverwaltung der Universität Greifswald 1566–1806 Elisabeth Heigl

Franz Steiner Verlag

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2021 Druck: Beltz Grafische Betriebe, Bad Langensalza Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-12860-5 (Print) ISBN 978-3-515-12861-2 (E-Book)

INHALTSVERZEICHNIS VORWORT ...................................................................................................... 9 EINLEITUNG ................................................................................................ 11 1. Grundlegendes und Voraussetzungen .................................................... 11 2. Quellenbasis ........................................................................................... 13 3. Auswertung einer frühneuzeitlichen seriellen Quelle ............................ 14 4. Herausforderungen bei der Auswertung ................................................ 15 5. Aufbau der Arbeit .................................................................................. 16 1. AKADEMISCHE FINANZADMINISTRATION ..................................... 18 1.1. Wirtschaftsgrundlagen deutscher und schwedischer Universitäten in der frühen Neuzeit. ............................................................................. 18 1.1.1. Drei Säulen der Universitätsfinanzierung ................................ 18 1.1.2. Mittelalterliches Pfründensystem ............................................. 19 1.1.3. Dotationspolitik ........................................................................ 19 1.1.4. Ertragsquellen und Aufwendungen .......................................... 22 1.2. Die ökonomische Selbstverwaltung der Universität Greifswald: Grundlagen und Entwicklungen bis 1806. ......................................... 26 1.2.1. Ökonomischer Neubeginn nach der Reformation (1558/1563)26 1.2.2. Vorboten des Dreißigjährigen Krieges und Wirtschaftskrise (1610–1630er) ......................................................................... 29 1.2.3. Schenkung des Amtes Eldena und Begründung der Eigenwirtschaft (1634) ............................................................ 31 1.2.4. Schwedische Reorganisationsbemühungen (1634–1668) ........ 33 1.2.5. Haushaltskonsolidierung und Entschuldung (1670er–1702) ... 41 1.2.6. Ökonomische Stabilität und Wachstum (1702–1750) ............. 48 1.2.7. Wirtschaftskrise, Verschuldung und Reformdruck (1750–1775) ............................................................................ 54 1.2.8. Neuordnung der ökonomischen Selbstverwaltung (1775) ....... 66 1.2.9. Schuldenabbau und Investitionen (1775–1806) ....................... 71 1.2.10. Besitzverlust und Rückgewinnung – Napoleon, Schweden und Preußen (1806–1815) ....................................................... 80 1.2.11. Exkurs: Don Gratuit. Chronologie eines Konflikts um Kontributionsfreiheit und Subsidien (1634–1785).................. 82 1.3. Akademische Wirtschaftsquellen und finanzadministrative Praxis .... 90 1.3.1. Quellentypologie ...................................................................... 91 1.3.2. Die Procuraturregister 1566–1768 ........................................... 93 1.3.3. Die Hauptrechnungsbücher 1774–1806 ................................. 107

6

Inhaltsverzeichnis

1.3.4. Ökonomische Praxis und Finanzplanung ............................... 118 1.4. Die akademischen Vermögensverwalter ........................................... 134 1.4.1. Akademische Beamte im Fokus ............................................. 134 1.4.2. Das Amt: Procuratur und Structuariat .................................... 137 1.4.3. Die Amtsinhaber .................................................................... 147 2. PERSONALKOSTEN .............................................................................. 171 2.1. Personal und Gehalt .......................................................................... 171 2.1.1. Universitätspersonal und Universitätsverwandte – ein Überblick. .............................................................................. 171 2.1.2. Ordinarien .............................................................................. 174 2.1.3. Weitere Lehrer ....................................................................... 185 2.1.4. Verwaltungspersonal - Officiales ........................................... 191 2.1.5. Dienstpersonal ........................................................................ 196 2.1.6. Universitätsverwandte ohne Gehalt. ...................................... 199 2.2. Personal und Gehalt in den Wirtschaftsquellen ................................ 205 2.2.1. Lohnkostenverbuchung in den Procuraturregistern ............... 205 2.2.2. Die Lohnkostenverbuchung in den Hauptrechnungsbüchern ........................................................ 217 2.2.3. Locarium und Naturalabgaben als Gehaltsbestandteil ........... 218 2.3. Personal und Gehalt in der Praxis ..................................................... 222 2.3.1. Ordinarienbesoldung .............................................................. 222 2.3.2. Besoldung weiterer Lehrer ..................................................... 241 2.3.3. Besoldung der Bediensteten ................................................... 246 2.3.4. Zusammenfassung .................................................................. 256 2.4. Zwischenfazit .................................................................................... 256 3. BAUKOSTEN .......................................................................................... 262 3.1. Akademische Baukosten ................................................................... 262 3.1.1. Universitäten und ihre Gebäude ............................................. 262 3.1.2. Universitätsgebäude in Greifswald ........................................ 262 3.1.3. Administration des akademischen Gebäudebesitzes.............. 273 3.1.4. Akademische Handwerker ..................................................... 279 3.2. Akademische Gebäudekosten in den Wirtschaftsquellen ................. 281 3.2.1. Ausgaben für Gebäude ........................................................... 281 3.2.3. Baubezogene Ausgabenverbuchung ...................................... 284 3.2.4. Entwicklung der baubezogenen Ausgabentitel in den Rechnungsbüchern ................................................................ 285 3.3. Akademische Gebäudekosten in der Praxis ...................................... 292 3.3.1. Exkurs: Bursenheuer (Mieteinnahmen) ................................. 292 3.3.2. Entwicklungen und Phasen der akademischen Gebäudeverwaltung ............................................................... 295 3.3.3. Baukosten anteilig und im Verhältnis .................................... 298 3.3.4. Der Bau des Kollegiengebäudes um 1750 ............................. 301

Inhaltsverzeichnis

7

3.3.5. Neubauten der 1780er Jahre ................................................... 310 3.3.6. Spar- und Kontrollvorschriften zu den Universitätsgebäuden ............................................................ 313 3.4. Zwischenfazit .................................................................................... 318 4. STUDIENSTIFTUNGEN ......................................................................... 323 4.1. Stiftungen und Stipendien ................................................................. 323 4.1.1. Studienstiftungen allgemein ................................................... 323 4.1.2. Verwaltung und Funktionsweise von Studienstiftungen ....... 327 4.1.3. Typologien ............................................................................. 329 4.1.4. Oeconomie und Freitischstipendien ....................................... 333 4.1.5. Universitätsbibliothek und Stiftungen zur Bibliothek ........... 336 4.2. Stiftungen und Stipendien in den akademischen Wirtschaftsquellen ........................................................................... 339 4.2.1. Erträge von Stiftungskapital und ihre Verbuchung in den Procuraturregistern ................................................................ 339 4.2.2. Ertraglose allgemeine Stiftungen „zur Universität“ .............. 342 4.2.3. Ausgaben von Stiftungskapitalerträgen: Stipendien. ............. 344 4.2.4. Exkurs: Oeconomie, Oeconomus und Freitischstipendien .... 346 4.2.5. Entwicklung der Registereinträge in den Hauptrechnungsbüchern ........................................................ 347 4.2.6. „Bibliothekengeld“................................................................. 350 4.3. Stiftungen und Stipendien in der Praxis ............................................ 352 4.3.1. Die Stipendienstiftungen ........................................................ 352 4.3.2. Stiftungskapitalverwaltung .................................................... 358 4.3.3. Stipendienvergabe .................................................................. 362 4.3.4. Stiftungsverwalterin und Kapitalhalterin ............................... 375 4.4. Zwischenfazit .................................................................................... 380 5. KAPITALGESCHÄFTE .......................................................................... 384 5.1. Akademisches Kapitalwesen ............................................................. 384 5.1.1. Einleitung ............................................................................... 384 5.1.2. Kreditforschung ..................................................................... 384 5.1.3. Kredit und Kapital .................................................................. 386 5.1.4. Interessen und Bedürfnisse im Kapitalhandel ........................ 387 5.1.5. Kapitalwesen frühneuzeitlicher Universitäten ....................... 389 5.1.6. Akademisches Kapitalwesen in Greifswald – Normgebung.. 393 5.2. Akademisches Kapitalwesen in den Wirtschaftsquellen................... 396 5.2.1. Kapitalwesen in den Procuraturregistern des 16. und 17. Jahrhunderts .......................................................................... 396 5.2.2. Kapitalwesen in den Procuraturregistern des 18. Jahrhunderts .................................................................... 402 5.2.3. Kapitalwesen in den Hauptrechnungsbüchern ab 1774 ......... 404 5.3. Akademisches Kapitalwesen in der Praxis ....................................... 406

8

Inhaltsverzeichnis

5.3.1. Kreditgeberin Universität ....................................................... 406 5.3.2. Kreditnehmerin Universität.................................................... 416 5.3.3. Schulden und Pflichten .......................................................... 435 5.4. Zwischenfazit .................................................................................... 456 6. SCHLUSS ................................................................................................. 462 ANHANG Quellen- und Literaturverzeichnis..........................................................473 Tabellen- und Abbildungsverzeichnis....................................................501 Signaturen der Rechnungsbücher der Universität Greifswald 1566–1809...............................................................................................505 Ortsregister..............................................................................................509 Personenregister......................................................................................513

VORWORT Diese Arbeit wäre ohne Herzog Bogislaw XIV. von Pommern nicht möglich gewesen. Während des Dreißigjährigen Krieges schenkte er seiner darbenden Universität in Greifswald an die Stadt angrenzende Ländereien als akademischen Grundbesitz. Damit entlastete er natürlich vor allem seine Landeskasse, machte aber gleichzeitig die pommersche Universität zu einer der wenigen selbstfinanzierten und selbstverwalteten Universitäten, die durch die Jahrhundert hinweg Kriegen und anderen Krisen trotzen konnte. Seine langfristig kluge Entscheidung bot mir nicht nur einen wunderschönen Studienort und anschließend ein spannendes Forschungsprojekt, sondern gewährleistete darüber hinaus auch die Finanzierung meiner Dissertation. Denn die Universität Greifswald finanziert aus dem Körperschaftshaushalt seit 2010 Promotionsstipendien, sogenannte Bogislawstipendien, von denen ich dankenswerterweise eines erhielt. Im November 2019 wurde die vorliegende Arbeit von der Philosophischen Fakultät der Universität Greifswald als Dissertation angenommen. Erstgutachter war Herr Prof. emer. Dr. Karl-Heinz Spieß. Das Zweitgutachten übernahm Herr Prof. Dr. Matthias Asche. Beiden sei dafür herzlich gedankt. Das Manuskript wurde für die Drucklegung geringfügig überarbeitet. Mein besonderer Dank gilt dem Leiter des Greifswalder Universitätsarchivs Dr. Dirk Alvermann, der mich als studentische Hilfskraft an die digitalisierten Rechnungsbücher setzte, mich immer wieder motivierte und nie daran zweifelte, dass ich einer wirtschaftshistorischen Dissertation solchen Umfanges gewachsen wäre. Meinem ehemaligen Nachbarn und Universitätsbibliothekar Bruno Blüggel bin ich sehr dankbar, dass er mich 2010 an Alvermann verwies und mich später in das Team der Digitalisierungsstelle der Universitätsbibliothek Greifswald aufnahm. Des Weiteren danke ich den Mitarbeiterinnen des Greifswalder Universitätsarchivs Barbara Peters, Marianne Schumann und Marike Zenke für ihre immer herzliche Unterstützung, lieben Worte und klugen Vorschläge sowie Ulrike Najmi vom Rechenzentrum der Universität Greifswald für ihre kompetente und problemlose Beratung und Hilfe bezüglich der Speicherung und Bereitstellung meiner Forschungsdaten. Meinen lieben FreundInnen Christine Nickel, Christoph Garms, Silvia Johanning und Tilo Freitag danke ich genau so wie meinen Geschwistern Barbara Elvers, Susanne Weber, Christiane Unterberg, Andreas Heigl und sämtlichen dazugehörigen PartnerInnen und Kindern für Freude, Entspannung und Rückhalt. Der größte Dank gilt meinen Eltern Ursula und Jürgen Heigl für ihre bereitwillige finanzielle Unterstützung und für ihre endlose Geduld mit mir und meinen Plänen. Berlin, September 2020

Elisabeth Heigl

EINLEITUNG 1. GRUNDLEGENDES UND VORAUSSETZUNGEN Diese Arbeit setzt sich zum Ziel die selbstständige Finanzverwaltung einer frühneuzeitlichen Universität auf einer möglichst umfassenden Quellengrundlage zu untersuchen. Durchführbar und erfolgversprechend ist dies im Rahmen einer Fallstudie am Beispiel der selbstwirtschaftenden und selbstverwalteten Universität Greifswald. Sie versteht sich als Beitrag sowohl zur deutschen Universitätsgeschichte als auch zur allgemeinen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, zur Verwaltungs- und Institutionengeschichte der frühen Neuzeit und nicht zuletzt als Beitrag zur Landesgeschichte Vorpommerns. Die frühneuzeitliche Universitätsfinanzierung stellt ein erstaunlich großes Forschungsdesiderat dar. Eine konsequente Auswertung von akademischen Rechnungsquellen ist bisher noch gar nicht erfolgt. Kenntnisse über akademische Finanzen beruhen in der Regel auf vereinzelt überlieferten Wirtschaftsquellen, vorwiegend aber auf den Normen zur Universitätsfinanzierung (fremd- und selbstgegeben) und Reformplänen, auf Prüfberichten und Rezessen der Visitationen oder auf Beschwerdeschreiben und Bittgesuchen. Diese Quellen erlauben allesamt nur begrenzte und oft parteiische Einblicke in die akademische Finanzverwaltung und lassen nur bedingt Rückschlüsse auf die Praxis zu. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde nun erstmals ein geschlossener Fundus akademischer Wirtschaftsquellen des 16. bis 19. Jahrhunderts ausgewertet, um – – – –

die Funktionen der Rechnungsquellen und der Administration sowie ihre historische Entwicklung im Verlauf von 240 Jahren intensiv zu beschreiben, die Administrationsbeamten selbst zu untersuchen: Sowohl ihre Amtstätigkeit als auch ihre Biographien, die Inhalte der akademischen Rechnungsbücher digital zu erfassen und die Daten mit quantitativer Methode auszuwerten und darzustellen und die einzelnen universitären Geschäftsfelder eingehender zu untersuchen.

Die aus dieser umfassenden Analyse gewonnenen Kenntnisse zeigen zunächst die Rolle und Bedeutung der ökonomischen Verwaltung im Gefüge der korporativen Selbstverwaltung auf: grundlegende Normen, Funktionen und personelle Elemente. Darüber hinaus bieten sie auch die Möglichkeit die Stellung der Universität Greifswald im wirtschafts- und sozialpolitischen Machtgefüge Pommerns neu zu beleuchten. Erstmals können so die Herausforderungen und Konflikte einer weitgehend eigenfinanzierten und selbstverwalteten Universität angesichts herzoglicher, königlicher und ständischer Kontrollansprüche und Reformforderungen –

12

Einleitung

ohne Investitionsabsichten – differenziert aufgezeigt werden. Diese Zusammenhänge werden eingehender erfasst und beschrieben als dies bisher geschehen ist. Der Fokus dieser Arbeit liegt dabei auf der Finanzverwaltung der Korporation und ihrer schriftlichen Überlieferung, d.h. grundlegend auf den akademischen Einnahmen und den davon getätigten Ausgaben. Woher Die Universität ihre Erträge im Einzelnen bezog, dem kann – wie sämtlichen Fragen der agrarischen Produktion und gutsherrlichen Verwaltung des universitätseigenen Gutsbetriebes mit eigener Rechnungsführung (Amtsregister des Amtes Eldena) – in diesem Rahmen nicht nachgegangen werden. Den Beginn des Betrachtungszeitraumes dieser Untersuchung markiert das Einsetzen der Rechnungsbuchüberlieferung im Jahr 1566.1 Der Fokus insbesondere der quantitativen Auswertung liegt überlieferungs- und auswertungsbedingt in der Schwedenzeit2, verengt sich ereignisbedingt auf die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts und weitet sich zur Jahrhundertwende hin wieder. Um aber die Entwicklungen der Finanzverwaltung und ihrer Quellen nachvollziehen und erklären zu können, richtet sich der Blick häufig ebenso eingehend auf die pommersche Herzogszeit (bis 1637). Die vorübergehende ‚Enteignung‘ der Universität durch Napoleon Bonaparte im Jahr 1806 löste eine schwere Wirtschaftskrise der Korporation aus. Dies stellte noch nicht das Ende der akademischen Selbstverwaltung dar, aber die Ereignisse überschlugen sich in den darauf folgenden Jahren derart, dass sie verdienen gesondert untersucht zu werden. Darum endet der Betrachtungszeitraum der vorliegenden Arbeit im Jahr 1806. Im Mittelpunkt steht die Beschreibung der Finanz- und Vermögensverwaltung3 der Universität und der sich daran anschließenden Fragestellungen und Auswirkungen auf sie als Lehr- und Forschungseinrichtung, aber auch als Beteiligte im ökonomischen und politischen Gefüge Vorpommerns. Kennzeichnend ist dabei insbesondere für das 18. Jahrhundert der Konflikt um den Erhalt der universitären, d.h. auch professoralen Selbstverwaltung gegen ständische und königliche Einschränkungsversuche. Aus diesem Zusammenhang ergaben sich etliche Fragen,

1

2 3

Das erste überlieferte Rechnungsbuch stammt aus dem Rechnungsjahr 1566–1567 und ist somit eigentlich erst im Jahr 1567 angefertigt worden. Nichtsdestotrotz reichen seine Informationen schließlich ins Jahr davor zurück. In der Greifswalder Universitätsgeschichte ist hier das Jahr 1646 mit dem Zustandekommen des ersten schwedisch-königlichen Visitationsrezesses für die hohe Schule ausschlaggebend. Die Begriffe Finanz- und Vermögensverwaltung werden hier wie auch im Folgenden nicht synonym verwendet: „Finanzverwaltung“ umfasst die Verwaltung der Erträge, die der Korporation zur Verfügung standen, „Vermögensverwaltung“ bezeichnet die Verwaltung des gesamten Besitzes, also auch der Immobilien und der Außenstände. Der Begriff der „Wirtschaftsverwaltung“ wird in dieser Arbeit vermieden, da dieser auch die Produktionsseite einbezieht. Unter „Kassenverwaltung“ wird die Verwaltung der Geldkasse, d.h. der physische Umgang mit den Münzen und der Kassenlade verstanden. Die akademische Kassenverwaltung kann aufgrund marginaler Überlieferung von Kassenbüchern in der vorliegenden Arbeit nur gestreift werden. Diese Überlegungen zur Differenzierung der Begrifflichkeiten basieren auf „Finanzen“, „Kasse“, „Vermögen“ und „Wirtschaft“, in: Duden, S. 603, 972–973, 1895 u. 2018–2019.

2. Quellenbasis

13

die am Beginn dieser Untersuchung standen: Wie erfolgreich waren die Beschränkungsversuche eigentlich? Waren sie berechtigt? Waren die Professoren und ihre Verwalter tatsächlich unfähig und am Ende verantwortlich für die hohe Verschuldung der Universität? Überlebte die abgelegene und schwachfrequentierte Universität Greifswald vielleicht auf Grund – oder trotz – dieser Maßnahmen das allgemeine Universitätssterben um 1800? War die ökonomische Selbstverwaltung der Universität überhaupt wirklich ‚autonom‘? 2. QUELLENBASIS Solche Fragen können nicht ohne tiefgreifende Kenntnis der Finanzadministration, ihrer Quellen und existierenden Abhängigkeiten beantwortet werden. Zu diesem Zweck ist eine ausführliche Untersuchung und Auswertung der seriellen Wirtschaftsquellen unerlässlich. In Greifswald treffen diesbezüglich zwei sehr vorteilhafte Umstände aufeinander: Zum einen erweist sich die entsprechende Überlieferungssituation der kleinen und abgelegenen Universität als hervorragend: Im Greifswalder Universitätsarchiv sind die akademischen Jahresrechnungen ab 1566 bis ins 19. Jahrhundert hinein nahezu vollständig überliefert: Pro-curaturregister von 1566 bis 1768 und Hauptrechnungsbücher von 1774 bis 1874. Zum anderen sind die Procuraturregister im Zuge eines durch das Land MecklenburgVorpommern geförderten Pilotprojektes digitalisiert worden und stehen mit Struktur- und Metadaten versehen4 in der Digitalen Bibliothek MecklenburgVorpommern online zur Verfügung.5 Die Rechnungsquellen sind in Greifswald somit nicht nur vollumfänglich vorhanden, sondern außerdem jederzeit verfügbar, was eine wesentlich intensivere Nutzung und Auswertung erlaubt, als die bislang exklusive und zeitlich eingeschränkte Lesesaalnutzung. In Kombination mit den Möglichkeiten der digitalen Datenerfassung und -bearbeitung (auto-matische Tabellenkalkulation) ist es mittlerweile also deutlich einfacher, die „vielerley Vewirrungen im Cassa-Wesen“6 der frühen Neuzeit zu ergründen, einigermaßen zu ordnen und so die Funktionsweise (Entwicklungen, Phasen und Besonderheiten) der akademischen Finanzverwaltung über einen Zeitraum von 240 Jahren nachzuvollziehen. Die vorliegende Arbeit orientiert sich zuerst und grundlegend an dem Bestand der Procuraturregister und Hauptrechnungsbücher. Sie geht davon aus, dass sich 4

5 6

Als studentische Hilfskraft am Universitätsarchiv Greifswald habe ich diese Struktur- und Metadatenbearbeitung der Procuraturregister-Digitalisate durchgeführt. Aus dieser Arbeit ergab sich ein erster und bereits sehr tiefer Einblick in die Struktur der seriellen Quelle und weckte das Interesse für die Genese und Besonderheiten der Rechnungen sowie für die Rechnungsführer – die bis dahin weitgehend unbekannten Procuratoren. Procuraturregister in der Digitalen Bibliothek Mecklenburg-Vorpommern: http://www.digitale-bibliothek-mv.de/viewer/toc/PPNUAG_1_1/1/LOG_0000/ (Stand 20.11.2018). So im Protokoll der Visitationskommission vom 22. Juni 1774, in: UAG, Altes Rektorat R 1507, fol. 3r.

14

Einleitung

die Rechnungsbücher wie alle Wirtschaftsquellen, „nicht an eine Nachwelt wenden, sondern nur für die handgreiflichen Bedürfnisse einer kleinen Gegenwart geschrieben sind“ und daher ein möglichst hohes „Maß an Konkretheit“ bieten.7 Die sowohl strukturelle als auch statistische Auswertung der Rechnungsbücher wurde anschließend durch die vorhandene, sachbezogene Literatur und weiteres Quellenmaterial ergänzt. Insbesondere die edierten und aufwändig in ihren jeweiligen Kontext gesetzten Quellen zur Verfassungsgeschichte der Universität Greifswald boten ein stabiles Analysefundament. In die Untersuchung flossen außerdem sowohl die im Greifswalder Universitätsarchiv ebenfalls reichhaltig überlieferten weiteren wirtschafts- bzw. verwaltungsrelevanten Akten als auch die Protokolle der regelmäßigen Konzilssitzungen und Sitzungen der sogenannten Akademischen Administration im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts ein. Darüber hinaus trug die Überlieferung der schwedischen Regierung und der schwedischköniglichen Visitationskommissionen bezüglich der Universität Greifswald im Stockholmer Riksarkivet (RAS Pommeranica) wesentlich dazu bei die Erkenntnisse der quantitativen Auswertung einzuordnen, Kommunikationsmuster zu verdeutlichen und brachte darüber hinaus interessante Schriften von und über die Universität zum Vorschein. 3. AUSWERTUNG EINER FRÜHNEUZEITLICHEN SERIELLEN QUELLE Weil frühneuzeitliche Rechnungen von Korporationen bislang noch nicht systematisch beschrieben worden sind und weil die „Konkretheit“ von Zahlen ohne Kenntnisse über ihr Zustandekommen immer nur vorgeblich ist, wurde im Rahmen dieser Untersuchung zunächst einmal die Quelle als Gattung grundlegend typologisiert und ihre Genese ausführlich nachvollzogen und beschrieben. Dadurch entstand erstmals eine Langzeitanalyse der Buchhaltung einer frühneuzeitlichen Korporation. Die Regelmäßigkeiten und Veränderungen in Struktur und Aufbau der Rechnungsbücher zwischen 1566 und 1806 konnten so erfasst und erläutert werden. So erwies sich, dass eine statistische Auswertung der Rechnungen in den meisten Bereichen der Finanzverwaltung sich erst ab 1670, frühestens ab 1646, lohnt, als die Standards in der Buchhaltung annähernd so weit gediehen waren, dass Einträge über Jahrzehnte hinweg gleich und vergleichbar blieben. Zur statistischen Auswertung der insgesamt etwa 30.000 Seiten Rechnungsunterlagen wurden zunächst – soweit das Material dies eben erlaubte – die Zahlen in automatische Kalkulationstabellen (Excel) extrahiert: Die gesamtuniversitären jährlichen Einnahmen, Ausgaben und der Jahresvorrat aus der Bilanzierung am Ende jedes Registers, darüber hinaus aber auch konkretere Daten zu einzelnen ökonomischen Bereichen der Universität. Hierbei handelte es sich in der Regel um numerische (d.h. Geldbeträge), teilweise aber auch um personenbezogene (d.h. Namen und Berufe) Daten. Entnommen wurden Daten zu den Gehältern, Mietein7

Esch: Der Historiker und die Wirtschaftsgeschichte, S. 15.

4. Herausforderungen bei der Auswertung

15

nahmen, Handwerkerlöhnen, Baumaterial, Stipendien und Benefiziaten, Zinsen (einkommend und ausgehend) sowie Gläubigern und Schuldnern der Universität.8 Daraus ließen sich 1.) allgemeine Entwicklungen und spezifische Phasen erkennen, die 2.) miteinander in Bezug gesetzt werden konnten und die 3.) das Augenmerk auf bestimmte Auffälligkeiten, Phasen und Konflikte lenkten. Diese Funde wurden 4.) mit der vorhandenen Literatur, der jeweiligen Normgebung, inneruniversitärer Kommunikation, Beschwerdeschreiben sowie Prüf- und anderweitigen Berichten über die Universität abgeglichen. Diese Arbeit war zwar mühselig, brachte aber überzeugende Einsichten in die Funktionsweise und Logiken der ökonomischen Selbstverwaltung sowie Erkenntnisse über einige ihrer grundlegenden Konflikte mit sich. Die im Prozess entstandenen Forschungsdaten sind auszugsweise in Form von Tabellen und Diagrammen in die Arbeit integriert (vgl. Tabellen- und Abbildungsverzeichnis). In taballarischer ‚Rohform‘ werden die Ausgangsdaten der angeführten Tabellen und Diagramme auf der Homepage des Universitätsarchivs bereitgestellt: www.uni-greifswald.de/furorcameralisticus (vgl. das Tabellenverzeichnis hier im Anhang). 4. HERAUSFORDERUNGEN BEI DER AUSWERTUNG Zunächst einmal gilt es zu beachten, dass frühneuzeitliche Rechnungsquellen eine Aneinanderreihung von Ausnahmen darstellen. In diesem Zeitraum entwickelten sich Standards erst allmählich und aus einer Handlungspraxis heraus, die selbst keine Verschriftlichung erfuhr und daher heute kaum nachvollzogen werden kann. Bewährte sich eine Vorgehensweise, konnte sie zum Standard oder gar zur Norm werden. Diese Tatsache macht die statistische Erfassung frühneuzeitlicher Rechnungen nicht nur mühsam sondern sie bleibt deshalb auch immer nur eine Annäherung. Bei der vorgenommenen Datenerfassung mussten außerdem drei Rechenwährungen angeglichen werden, um eine Vergleichbarkeit der Zahlen über den gesamten Zeitraum hinweg zu ermöglichen. Ein Währungsschlüssel (S. 101) erleichterte diesbezüglich die Arbeit und auch weiterhin das Verständnis. Für die vorliegende Untersuchung gilt, dass sich die im Text verwendete Währung in der Regel an der üblichen Rechenwährung des jeweils behandelten Zeitraums orientiert:

8

Ziel dessen ist es nicht – und kann es auch nicht sein – nachzurechnen und zu überprüfen, ob die Buchhaltung stimmt. Punktuell ist dies lediglich ein Nebenprodukt der beschriebenen Vorgehensweise. Insgesamt sind Aussagen der ‚Korrektheit‘ von Berechnungen hier aber nicht relevant.

16

Einleitung



Mark Sund. 9

:

[08] Schilling10

16. Jahrhundert bis 1740er Jahre



Gulden

:

[24] Schilling

1740er Jahre bis 1747



Reichstaler

:

[48] Schilling

1748 bis ins 19. Jahrhunderts

Im Zuge dieser Untersuchung wurde außerdem von Anfang an versucht alle Quellenbegriffe möglichst nach dem zeitgenössischen Verständnis zu erfassen und zu verwenden.11 Zum einen erschlossen sich solche aus der intensiven Quellenarbeit selbst, zum anderen aber half die Ökonomisch-technologische Enzyklopädie von Johann Georg Krünitz12 aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. 5. AUFBAU DER ARBEIT Eine weitere Herausforderung stellte die Aufbereitung der Untersuchung und ihrer Ergebnisse dar. Abschließend soll daher die gewählte Struktur der vorliegenden Arbeit erläutert werden. Sie orientiert sich zentral an den Geschäftsbereichen einer Universität, welche daher die vier Hauptkapitel der Arbeit bilden: 2. Personal

3. Gebäude

4. Stipendien

5. Geldhandel

Diese vier Hauptkapitel sind wiederum in die stets gleichen drei Unterkapitel aufgeteilt: Kapitel X.1.: Der Geschäftsbereich Das erste Unterkapitel stellt den akademischen Geschäftsbereich grundlegend vor: Allgemein, an deutschen und schwedischen Universitäten und in Greifswald. In Bezug auf die Universität Greifswald orientiert es sich vor allem an den entsprechenden Normen: Was gehört zu diesem Bereich bzw. was nicht? Wann war der Bereich wie organisiert, wer setzte, kontrollierte und führte die Normen aus?

9

Mark Sundisch. Parallel wurden auch Mark Lübisch [16] Schilling verwendet, in den Rechnungsbüchern aber häufig nicht explizit ausgewiesen. Mark-Berechnungen aus den Rechnungsbüchern sind somit immer etwas unzuverlässig. 10 Zur einwandfreien automatischen Tabellenkalkulation wurden die Schillingbeträge der Rechnungen bei der Datenaufnahme direkt in Dezimalstellen umgerechnet (Wenn ein Gulden 24 Schilling entspricht, dann sind 12 Schilling also 0,50 Gulden). 11 Dieses Vorgehen ist gewählt worden, um sich „vor vorschnellen Rückprojektionen heutiger Vorstellungen [zu] hüten.“ (Mersiowsky: Rechnungslegung, S. 39, über „Rechnungen“). Damit man sich dem Verständnis von den ökonomischen Funktionen und Zusammenhängen dieser Zeit nicht verschließt, „muß man vor allem aufhören, sie [sich] durch die gleichnamigen heutigen Einrichtungen vorzustellen.“ (Friedrich Paulsen (1881), zitiert nach Rasche: Finanzierung und Ökonomisierung, S. 101). Relevant wurde diese Vorgehensweise beispielsweise bei der Analyse und Beschreibung des ‚vorkapitalistischen‘ akademischen Kapitalwesens. 12 Elektronische Ausgabe der Universität Trier: www.kruenitz1.uni-trier.de.

5. Aufbau der Arbeit

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Kapitel X.2.: Der Geschäftsbereich in den Wirtschaftsquellen Im zweiten Unterkapitel werden die Wirtschaftsquellen auf den jeweiligen Bereich hin untersucht: Wann sind welche Aspekte wie verbucht worden? Welche Standards entwickelten sich wann und warum? Diese Analyse bildet sowohl die Grundlage als auch die Erklärung der statistischen Auswertung. Kapitel X.3.: Der Geschäftsbereich in der Praxis Das dritte Unterkapitel konfrontiert schließlich die Ergebnisse der beiden ersten Unterkapitel mit der statistischen Auswertung, um die Funktionsweise der akademischen Finanzverwaltung und der Universitätswirtschaft möglichst praxisbezogen und ausgewogen darzustellen: Wie funktionierte die Administration dieses Geschäftsbereichs? Welche Besonderheiten fallen auf? Dem Hauptteil wird ein einleitendes Kapitel zur akademischen Finanzverwaltung vorangestellt, das die Finanzierungsbedingungen frühneuzeitlicher Universitäten in deutschen und schwedischen Territorien (soweit möglich) sowie den aktuellen Forschungsstand aufgezeigt (Kap. 1.1.), einen Abriss der ökonomisch relevanten Geschichte der Universität Greifswald gibt (Kap. 1.2.), die Wirtschaftsquellen und davon ausgehend die Finanzpraxis der Universitätsverwaltung beschreibt (Kap. 1.3.) sowie die Finanzverwalter der Universität vom 15. bis ins 18. Jahrhundert vorstellt – sowohl das Amt und die damit verbundenen Pflichten als auch die 22 Personen, die diese Funktion mit unterschiedlichem Erfolg ausführten (Kap. 1.4.). In der vorliegenden Form der Arbeit steht einerseits jeder Geschäftsbereich für sich. Ebenso können aber auch die drei Betrachtungsschwerpunkte für sich stehen: Eine normenfokussierte allgemeine Einführung in alle vier Geschäftsbereiche, eine Quellenanalyse aller vier Bereiche und eine statistische Auswertung aller vier Bereiche. Die Gliederung gleicht so eher einer Matrix als einer stringenten Abfolge. Ziel ist es, die ohnehin künstliche und für gewöhnlich feste Struktur etwas zu öffnen, um der Komplexität des Themas annähernd gerecht zu werden. Um angesichts der Vielschichtigkeit der ökonomischen Zusammenhänge Redundanzen zu vermeiden, erwies es sich darüber hinaus als sinnvoll, zahlreiche Verweise innerhalb der Arbeit einzufügen; von einem zum anderen Geschäftsbereich, bzw. von und zu den Aspekten der allgemeinen Finanzverwaltung.

1. AKADEMISCHE FINANZADMINISTRATION 1.1. WIRTSCHAFTSGRUNDLAGEN DEUTSCHER UND SCHWEDISCHER UNIVERSITÄTEN IN DER FRÜHEN NEUZEIT. 1.1. WIRT SCHA FTSG RUNDLAGEN IN DE R FRÜHEN N EUZEIT

1.1.1. Drei Säulen der Universitätsfinanzierung Die Finanzierung frühneuzeitlicher Universitäten basierte grundsätzlich auf drei unterschiedlichen Ertragsarten, deren Anteile von Universität zu Universität variierten und sich auch im Laufe der Zeit verändern konnten.1 Die drei Säulen der Universitätsfinanzierung sind: A. Einkünfte von Eigenbesitz B. Direkte Zuwendungen des Staates C. Studentische Honorare und Gebühren Die Einkünfte von Eigenbesitz (A) und landesherrliche Zuweisungen (B) bilden den Hauptfonds und hatten in der Regel unterschiedliche Anteile am Gesamthaushalt der Universität. Dabei konnte entweder A den Hauptanteil ausmachen, wie in Jena nach 1633 mit ca. 75 Prozent oder nur einen geringen Teil, wie in Gießen, wo die Erträge von Eigenbesitz nur 30 Prozent betrugen, oder aber gar nicht existieren, wie an den ausschließlich direkt vom Landesherrn finanzierten Universitäten Göttingen, Halle und Kiel.2 In Greifswald bestand dagegen der gesamte Hauptfonds zumindest nach 1634 aus Eigenmitteln. Direkte Zuweisungen des Staates fehlten somit völlig. Einkünfte von Honoraren und Gebühren (C) waren abhängig von der Frequentierung der Universität. Je höher ihre Studentenzahlen, desto mehr Einnahmen generierte die Hohe Schule natürlich von diesen Gebühren. Allerdings flossen solche nur zu äußerst geringen Teilen in die zentrale Universitätskasse. Vorlesungs- und andere lehrbezogene Honorare zahlte der Studierende dem Lehrenden in der Regel direkt. Auch die Immatrikulations- und Promotionsgebühren gelangten nicht vollständig in die Kasse, sondern gingen vorher anteilig z.B. an den Rektor, Dekan oder auch die Pedellen ab. Ein Großteil der Honorare und Gebühren diente somit der direkten Alimentierung des akademischen Lehr- und Dienstpersonals. Eine solche, personenbasierte Alimentierung stellte die ursprüngliche, mittelalterliche Grundlage der Universitätsfinanzierung dar.

1 2

Vgl. auch für das Folgende insbesondere das Modell von Ulrich Rasche: Finanzierung und Ökonomisierung, S. 83. Vgl. ebd., S. 83–84 sowie Heigl: Procuraturregister, S. 79.

1.1. Wirtschaftsgrundlagen in der Frühen Neuzeit

19

1.1.2. Mittelalterliches Pfründensystem Die vorreformatorische Universitätsfinanzierung gründete auf einem komplexen System von Pfründen und Stiftungen und diente vorwiegend der unmittelbaren Lehrerbesoldung. Zentrale Universitätskassen3 spielten an den spätmittelalterlichen Universitäten nur eine geringe Rolle, sofern sie überhaupt existierten4. Denn zum einen waren die zentralen Einnahmen aus Immatrikulations-, Promotions- und Strafgebühren in der Regel gering (s.o.) und zum anderen hatten spätmittelalterliche Universitäten kaum zentrale Aufwendungen. Ihre Ausgaben konnten beispielsweise aus situationsbedingten Erweiterungen von Pfründen bestehen, wenn diese einmal nicht ausreichten.5 Auch ihre Gebäudekosten werden als nicht sonderlich hoch bezeichnet; Häuser erwarben Universitäten selten käuflich, sondern erhielten sie zumeist als Geschenk, bzw. im Rahmen einer Stiftung.6 Spätmittelalterliche Universitätswirtschaft bedeutete direkte und personenbasierte Alimentation, wie es im Kirchenumfeld übliche Praxis und ebenfalls auf die universitären Korporationen übertragen worden war.7 Das kirchlich basierte Stiftungs- und Pfründensystem stattete Ordinarien unmittelbar mit Erträgen aus; sowohl monetären als auch naturalwirtschaftlichen. Landesherrliche Beiträge zur Finanzierung der Hohen Schule bestanden entweder ebenfalls in Form von Stiftungen oder sie gewährten den Universitätsverwandten gewisse Abgabenfreiheiten. Ob landesherrlich oder kirchlich basiert, erhielten in jedem Fall Einzelpersonen unmittelbare Zuwendungen aus unterschiedlichen Quellen. Das System war ein äußerst komplexes und lässt sich in Bezug auf die Korporationsfinanzierung kaum einheitlich beschreiben. 1.1.3. Dotationspolitik In Folge der Reformation brach die zu großen Teilen auf Kirchen- und Klosterbesitzungen basierende Finanzierung der meisten Universitäten zwangsläufig zusammen. Die Säkularisation von Kirchenbesitz zerstörte die Alimentierungsgrundlage der Universitätsangehörigen. Viele Universitäten mussten daher in den 1520er Jahren den Lehrbetrieb einstellen und ihre Tore ganz schließen. Gleichzeitig ermöglichte diese Entwicklung aber eine neue Form der Universitätsfinanzierung und -erhaltung.

3 4 5 6 7

Häufig handelte es sich dabei um dezentrale Kassen, wie Fakultäts-, Kollegien- und Bursenkassen, vgl. Merkel: Universität Heidelberg, S. 1–5. Nachweislich existierten solche zentrale Kassen in Freiburg, Prag, Ingolstadt und Tübingen, vgl. Pleyer: Vermögensverwaltung, S. 16–17. Vgl. ebd., S. 15, Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 75. Vgl. Pleyer: Vermögensverwaltung, S. 15. Vgl. dazu Hufen: Territorialstaat und Landesuniversität, S. 99–100, Bünz: Kirchenkredit und Pleyer: Vermögensverwaltung, S. 5.

20

1. Akademische Finanzadministration

Zum einen brachten die reformatorischen Umbrüche der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Notwendigkeit mit sich kirchliche und weltliche Ämter neu zu besetzen. Vor allem in den ländlichen Regionen herrschte schon bald großer Mangel an Lehrern und insbesondere Pfarrern neuer Konfession. Dem Mangel konnte nur durch funktionierende Universitäten Einhalt geboten werden. Daher veranlassten Fürsten, die sich zum neuen Glauben bekannten, die Wiedereröffnung oder auch Neugründung von Universitäten, die sie auf ein neues und vermeintlich sicheres ökonomisches Fundament stellten. Zum anderen hielten jene Fürsten große Mengen ehemaligen Kirchen- und Klosterbesitzes, der zu weiten Teilen nicht mehr bewirtschaftete wurde, weil die herkömmlichen administrativen und somit auch agrarwirtschaftlichen Strukturen vernichtet waren. In sämtlichen protestantischen Territorien lässt sich daher im Zuge der Reformation auch eine gezielte Dotationspolitik der Landesherren gegenüber ihren Universitäten ausmachen.8 Säkularisierte Liegenschaften bzw. die mannigfaltigen Erträge davon (z.B. der getreidebasierte Zehnt) wurden den Lehrkorporationen zu ihrer Ausstattung übertragen. Die Verwaltung dieser lag dann in der Regel in der Verantwortung der Korporation selbst. Damit sicherte der Landesherr – – – –

die Existenz der wiedereröffneten oder neugegründeten Universität. den Aufbau einer (Bildungs- und Dienst-) Elite und dadurch die Verbreitung und Festigung der neuen Konfession und eigenen Machtposition. Betrieb und Kontrolle der säkularisierten Besitzungen. eine engere Bindung der Universität an ihren Landesherrn, der sich in diesem Zuge das vormals kirchliche Patronats- und Aufsichtsrecht sicherte.9

Infolgedessen waren Universitäten nicht mehr rechtliche Entitäten dezentral verwalteter Genossenschaften von individuell alimentierten Einzelpersonen, sondern wurden zu zentral verwalteten Korporationen mit neuen Ausgabenfeldern (Bau, Bibliotheken, Studienförderung, Konviktorien, Kreditvergabe) und Lohnverpflichtung. Das Eintreiben der Erträge und die Bestimmung ihrer Anwendung oblagen der jeweiligen, in der Regel professoralen Universitätsverwaltung, die sich im Rahmen der akademischen Freiheit auch auf die ökonomische Selbstverwaltung berufen konnte. Eine tatsächliche Autonomie der Universität bestand allerdings nicht. Denn der Landesherr hatte sich im Zuge seiner Dotation und Ausstattung der Universität stets

8

9

Ähnliche Entwicklungen sind allerdings auch im Zuge der Gegenreformation zu beobachten, wobei hier Stiftungen und Besitz weiterhin im kirchlichen Kontext verblieben, vgl. dazu Hufen: Territorialstaat und Landesuniversität. Als Beispiel einer ‚gegenreformatorischen Ausstattung‘ einer Universität im 16. Jahrhundert vgl. Schubert: Universität Würzburg. Vgl. auch für das Folgende Bornhak: Korporationsverfassung, S. 1–39, hier insbes. S. 20–22, Pleyer: Vermögensverwaltung, S. 28–44, Schwinges: Fundationen, S. 108–109.

1.1. Wirtschaftsgrundlagen in der Frühen Neuzeit

21

die Kontrolle über ihre wirtschaftlichen Belange gesichert.10 Die regelmäßige Rechnungslegung und Visitationen der akademischen Finanzadministration waren den Dotationsinstrumenten immanent und sicherten zumindest pro forma den obrigkeitlichen Einfluss auf diese teilöffentliche Kasse. Aus der Rechenschaftspflicht heraus entstand so das in der Regel ausführliche, teilweise bis heute überlieferte Wirtschaftsschriftgut der frühneuzeitlichen Universitäten. Schriftliche Zeugnisse interner Geschäftsvorgänge, d.h. das Alltagsschriftgut der Finanzverwaltung, wie Manualregister, Anweisungen und Journale sind für gewöhnlich nicht aufbewahrt worden, da sie nach Erstellen einer ordentlichen Jahresrechnung keinen Nutzen mehr hatten.11 Es ist somit davon auszugehen, dass die gesamtkorporativen Jahresrechnungen überhaupt erst mit einem gesamtkorporativen Einkommen und einer zentralen Ausgabenverantwortung, wie sie die Dotationspolitik des 16. Jahrhunderts mit sich brachte, entstanden.12 Im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts können zwei Formen von landesherrlicher Ausstattung der Universitäten ausgemacht werden.

Dotationen der Revenuen von landesherrlichen Besitzungen (Stiftung) Ähnlich wie im Pfründensystem kamen der Universität zentrale Einnahmen (monetäre, Natural- und/oder Dienstleistungen) von zugewiesenen Liegenschaften zu.13 Dadurch erhielt die Universität absehbare, regelmäßige Einnahmen für deren Eintreiben sie aber oftmals selbst verantwortlich war, wie auch für deren Verwendung zum Universitätsbetrieb. Hier entwickelten sich einfache Vermögenverwaltungen unter Leitung des zentralen akademischen Gremiums (Rektor und Senat/Konzil), deren alltägliche Ausübung einem oder auch mehreren Finanzverwaltern oblag.

10 Das aus dem Patronat abgeleitete Selbstverständnis der Oberherrschaft über die Universität lässt sich bereits für die spätmittelalterlichen Gründungen nachweisen, vgl. dazu Hufen: Territorialstaat und Landesuniversität, S. 55–98. Vgl. dazu auch Kapitel 1.2.3. Schenkung des Amtes Eldena und Begründung der Eigenwirtschaft (1634), ab S. 31. 11 Vgl. dazu Kapitel 1.3. Wirtschaftsquellen und finanzadministrative Praxis, ab S. 90. 12 Vgl. Heigl: Kapitalvergabe, Heigl: Procuraturregister, Ernst: Universität Tübingen, S. 5–8. 13 Z.B. ab 1558/1562 der Canon Rugianus in Greifswald, 1551 der Klosterkanon als Pacht-Dotation in Heidelberg (vgl. Merkel: Universität Heidelberg, S. 5–20), Dotationen in Gießen Anfang des 17. Jahrhunderts (vgl. Bingsohn: Universität Gießen, S. 141), Dotationen 1632 für Dorpat und 1644 für Turku (vgl. Klinge: Universität Helsinki, S. 135) und eine Dotation 1666 in Lund (vgl. Johannesson: Lunds universitet, S. 60).

22

1. Akademische Finanzadministration

Dotation von Besitzungen (Art Schenkung) Insbesondere im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges übertrugen Fürsten ihren Universitäten ganze Güter zur Selbstbewirtschaftung.14 Diese Besitzschenkungen brachten die Notwendigkeit einer umfangreicheren Wirtschaftsadministration inklusive einer agrarökonomischen Liegenschaftsverwaltung mit sich, wie sie daraufhin an den jeweiligen Universitäten aus der bestehenden Administration heraus entstanden. Die so selbstwirtschaftenden Universitäten (Professorenkollektiv und Verwalter) führten eigenverantwortlich agrar- und gutswirtschaftliche Produktionen mit Subsistenzcharakter und nahmen darüber hinaus als patrimoniale Obrigkeit der ansässigen Bauern auch juristische und polizeiliche Aufgaben wahr.15 Die komplexe Güterverwaltung (II.) band die Universität in hohem Maße enger an den Dotalbesitz und machte sie gleichzeitig wesentlich abhängiger vom Gedeih der Gutswirtschaft, als im Fall der reinen Abgabendotationen (I.). Ihre Bindung an den Landesherrn lockerte sich dagegen deutlich, der sich damit weitgehend aus der Finanzierungsverantwortung für die Universität zurückzog. Ganz anders gestaltete sich dagegen die Fundierung der ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts neu gegründeten Universitäten wie jene in Halle, Göttingen und Kiel, die als fürstliche Stiftungen entstanden und mit direkten Anweisungen auf die Landeskasse ausgestattet wurden. Hier beschränkte sich die administrative Wirtschaftsverantwortung auf eine reine Kassenverwaltung (ein korporatives Vermögen existierte nicht und musste nicht verwaltet werden). Unter einem zunehmenden absolutistischen Herrschaftsanspruch der meisten Territorialfürsten wurden im Laufe des 18. Jahrhunderts schließlich auch die selbständigen Vermögensverwaltungen der alten, selbstwirtschaftenden Universitäten sukzessive eingeschränkt. Vor allem die preußischen Universitäten entwickelten sich rasch zu staatlichen, unter obrigkeitlicher Aufsicht verwalteten, Korporationen.16 1.1.4. Ertragsquellen und Aufwendungen Die aufgeführten Ertragsmöglichkeiten einer nachreformatorischen Universität sollen auf der Grundlage der oben gegeben Entwicklung und für das Folgende präzisiert werden. Danach konnte eine Universität ihre Einnahmen beziehen aus:

14 Die Universität in Uppsala bekam zum Beispiel im Jahr 1624 Kronland geschenkt und die Universität in Dorpat erhielt zusätzlich zu Anweisungen auf Güter ein eigenes Lehen, vgl. dazu Klinge: Universität Helsinki, S. 135. Die Universität Heidelberg übernahm im Jahr 1700 ihre bisher verpachteten Besitzungen in Eigenwirtschaft, vgl. Merkel: Universität Heidelberg, S. 34–39 und Greifswald wurde 1634 mit dem Amt Eldena dotiert, vgl. dazu auch Kapitel 1.2.3. Schenkung des Amtes Eldena und Begründung der Eigenwirtschaft (1634), ab S. 31. 15 Vgl. insbes. Bornhak: Korporationsverfassung, S. 20. 16 Vgl. Hufen: Territorialstaat und Landesuniversität sowie Bornhak: Korporationsverfassung, insbes. S. 23.

1.1. Wirtschaftsgrundlagen in der Frühen Neuzeit

23

A. Selbsterwirtschaftetem Eigenbesitz. B. Anweisungen auf landesherrlichen Besitz. C. Budgetierung aus landesherrlicher Kasse. D. Nutzergebühren und –honorare.

Woher auch immer die frühneuzeitliche Universität ihre Einnahmen bezog, wie auch immer sich ihr Hauptfonds zusammensetzte, die Anwendungsbereiche, d.h. die Kostenfaktoren des zentral verwalteten, akademischen Betriebes waren in der Regel die gleichen: I. Personal II. Immobilien III. Studienförderung IV. Kapitalwesen

In diesen vier Geschäftsbereichen lässt sich das gesamte Wirtschaftshandeln einer selbstverwalteten Universität – jenseits ihrer agrar- und naturalwirtschaftlichen Gutsverwaltung17 – erfassen.

17 Zum Greifswalder Gutsbetrieb vgl. Asmus: Gutsherrin sowie ders.: Dörfer der Universität, S. 9–27. Zum akademischen Gutsbetrieb in Uppsala vgl. Thoré: Akademibondens plikt.

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1. Akademische Finanzadministration

Abbildung 1: Karte des Grundbesitzes der Universität Greifswald. 01. Dersekow 02. Diedrichshagen 03. Eldena 04. Friedrichshagen 05. Grubenhagen 06. Hanshagen 07. Hinrichshagen 08. Kemnitz 09. Kemnitzerhagen 10. Kessin 11. Kieshof/ Hennekenhagen1 12. Koitenhagen 13. Insel Koos 14. Ladebow

1

auch Hankenhagen

15. Leist 16. Levenhagen 17. Neuendorf 18. Neuenkirchen 19. Pansow 20. Radlow 21. Schönwalde 22. Subzow 23. Thurow 24. Ungnade 25. Wampen 26. Weitenhagen 27. Wieck

Abbildung 2: Lage der Universitäts- und anderer Gebäude in der Stadt Greifswald. 1. Kollegiengebäude, 2. Schwarzes Kloster, 3. St. Nikolaikirche, 4. St. Marienkirche, 5. St. Jacobikirche, 6. St. Spiritus, 7. Rathaus.

1.1. Wirtschaftsgrundlagen in der Frühen Neuzeit

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26

1. Akademische Finanzadministration

1.2. DIE ÖKONOMISCHE SELBSTVERWALTUNG DER UNIVERSITÄT GREIFSWALD: GRUNDLAGEN UND ENTWICKLUNGEN BIS 1806. 1.2. ÖKONOMISCHE SEL BSTVE RWALTUNG DE R UNIVERSITÄT G REIFSWALD

1.2.1. Ökonomischer Neubeginn nach der Reformation (1558/1563) Im Jahr 1527 erreichte die Reformation Stralsund. Der Lehrbetrieb in Greifswald war zu diesem Zeitpunkt im Zuge der konfessionsbedingten Revolten und Auseinandersetzungen sowie diverser Pestepidemien zuvor stark eingeschränkt worden, zum Erliegen kam er nicht. Die sehr wenigen verbliebenen Professoren zeichneten sich allerdings als Gegner der neuen Ideen aus, weshalb die Universität 1539, vier Jahre nach Einführung des Luthertums im Herzogtum Pommern, personell erneuert und in diesem Zuge feierlich wiedereröffnet wurde.19 Herzog Philipp I. von Pommern Wolgast wuchs bis zum Tod seines Vaters im Jahr 1731 bei seinem Onkel (mütterlicherseits) Ludwig V. von der Pfalz in Heidelberg auf. Anschließend regierte er gemeinsam mit seinem Onkel (väterlicherseits), dem Herzog Barnim IX. von Pommern-Stettin, das Herzogtum. Um die zerrüttete Region zu befrieden, führte Philipp schließlich im Jahr 1534 die lutherische Lehre ein.20 Im Zuge der Verbreitung und Sicherung der neuen Konfession nahm die Universität in Greifswald im westlichen Pommern eine zentrale Stellung ein. Daher wehrten sich sowohl die Herzöge als auch der Reformator Johannes Bugenhagen auf dem Landtag von 1534 in Treptow an der Rega gegen die Stände, welche die Universität nach Stettin verlegen wollten.21 Der Zustand der Universität Greifswald war auch nach ihrer Wiedereröffnung miserabel. Die alten Präbenden existierten zum Großteil nicht mehr. Den Professoren war mit den Pacht- und Gültrechten, die sie größtenteils bei der Universitätsgründung erhalten hatten, nur noch „weinig gedienet“ weil „pauren und hindersassen“ nicht mehr ausreichend Gewinn erwirtschafteten. Zahlungen blieben regelmäßig aus und teilweise waren der Universität sogar Ertragsrechte entzogen worden – häufig von der Stadt.22 Das ökonomische Fundament der Universität sollte daher zunächst gesichert werden, indem ihre Ausstattung auf neue Füße gestellt würde, wie es Bugenhagen bereits angedacht hatte.23 Seit 1557 arbeitete die fürstliche Kanzlei nachweislich an einer Schenkungsurkunde, die der Universität alte Rechte sichern und ihr ebenso neue Erträge garantieren sollte.24 Im Februar 1558 wurden die drei ältesten Söhne Philipps I. an der Universität in Greifswald immatrikuliert. 19 Vgl. Alvermann: Einleitung, in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. XX–XXI. 20 Vgl. Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 185, vgl. auch von Bülow: Philipp I., in: Allgemeine Deutsche Biographie 26 (1888), S. 31–34. 21 Vgl. Buchholz: Pommersche Landtagsakten I. 1, Weimar 2000, S. 172. 22 So in der Dotation Herzog Philipps I. (1558), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 168 und 170. 23 Vgl. Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 189. 24 Vgl. Einleitung zur Erweiterung der Dotation Philipps I. (1563), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 188.

1.2. Ökonomische Selbstverwaltung der Universität Greifswald

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Unmittelbar darauf beriet sich ihr Vater mit zwei Greifswalder Professoren25 über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Universität.26 Am 2. Mai 1558 ließ Herzog Philipp I. schließlich die neue Versorgungsgrundlage für die Universität in Form seiner Dotation bekanntgeben. Diese sah eine Erweiterung des alten sogenannten Canon Rugianus, das waren Abgaben „von den kirchen im fürstenthumb Rugen“, um jährlich zusätzliche 1.200 Gulden aus der fürstlichen Kammer vor. Zur Ausstattung eines noch zu errichtenden Greifswalder Konviktoriums (die hier sogenannte „Oeconomie“) gewährte der Herzog außerdem 2 Last Mehl und 2 Last Gerste oder Malz von den Mühlenpachten der ehemaligen Klosterbesitzungen Eldena und Neuenkamp.27 Sollten die veranschlagten Erträge aber nicht für die Professorenbesoldung, die Oeconomie und die anfallenden Gebäudekosten ausreichen, so könnte die fehlende Summe aus der herzoglichen Kammer ergänzt werden. Um Missbrauch und „liderlichkeit“ vorzubeugen, setzte er einen landständischen Vertreter, den fürstlichen Amtmann in Wolgast, den Wolgaster Hofkanzler und den Greifswalder Bürgermeister als „censores und inspectores academiae“ ein. Diese Kontrolleure waren mit weitreichenden Vollmachten ausgestattet. Ihnen oblag die jährliche Rechnungsprüfung, die Berufung der Professoren sowie die Förderung der Disziplin und Beseitigung von Missständen insgemein.28 Der Dotationsplan von 1558 gewährte der Korporation ökonomische Unterstützung, weitete im Gegenzug aber die politisch-administrative Anbindung an den Herzog deutlich aus, indem er sich das herzogliche Patronat und Berufungsrecht sicherte.29 Die Dotation blieb zunächst eine reine Absichtserklärung, ohne urkundliche Umsetzung. Erst Philipps Söhne, die selbst in Greifswald studiert hatten, erstellten daraus nicht nur das Dotationsinstrument, sondern erweiterten es und passten es den Gegebenheiten an – nachdem das Konzil, die Greifswalder Ordinarienversammlung, Herzog Ernst Ludwig im April 1562 darum gebeten hatte.30 Am 23. Februar 1563 verkündeten die Fürsten ihre Schenkung in Greifswald. Die 1558 zugesagten 1.200 Gulden sollten fortan nicht mehr aus der fürstlichen Kammer fließen, sondern wurden stattdessen auf das Kloster Neuenkamp angewiesen.31 Bestätigt und präzisiert wurde der Canon Rugianus mit jährlich 200 Gulden aus den rügischen Gemeinden Altenkirchen, Sagard, Gingst, Poseritz, Kasnevitz, Garz, Wiek und Patzig32 sowie monetäre und naturalwirtschaftliche Hebungen aus den herzoglichen

25 Jacob Runge, Professor der Theologie und Georg Holsten, Professor für Mathematik, vgl. Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 199 und 204. 26 Vgl. Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 201. 27 Dotation Herzog Philipps I. (1558), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 171. 28 Vgl. Dotation Herzog Philipps I. (1558), in: Ebd., S. 171–173. 29 Vgl. Einleitung, in: Ebd., S. XXII. 30 Vgl. Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 208. 31 Erweiterung der Dotation Philipps I. (1563), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 196–197. 32 Ebd., S. 192–193.

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1. Akademische Finanzadministration

rund um Greifswald gelegenen Dörfern Wampen, Leist, Hennekenhagen, Hinrichshagen und Kreutzmannshagen.33 „Ad sustentationem oeconomiae“, d.h. zum Konviktorium sollten weiterhin jährlich 2 Last Roggen und 2 Last Gerste aus Eldena geliefert werden.34 Aufgaben und Vollmachten der Administrations- und Betriebskontrolle wurden erweitert, aber weiterhin den bereits 1558 dafür vorgesehenen Amtsinhabern erteilt, die nun erstmals als Kuratoren bezeichnet wurden.35 Sechs Jahre später wurde die Aufsicht über die Universität wieder neu aufgestellt, als die Herzogsbrüder die pommerschen Regierungsgeschäfte unter sich aufteilten. Der Jasenitzer Erbvertrag verpflichtete im Jahr 1569 den im Wolgaster Landesteil fortan alleine regierenden Herzog Ernst Ludwig zu regelmäßigen Visitationen der Universität. Auch die Zusammensetzung der Kuratoren wurde in diesem Zuge angepasst; mit jeweils einem Hofrat bzw. Amtmann und einem landständischen Vertreter aus dem Stettiner und aus dem Wolgaster Regierungsbezirk verkleinerte sich die Kuratel, blieb aber überregional. Und weil die jährlichen Erträge aus Neuenkamp nicht verlässlich in Greifswald ankamen, verlegte der Erbvertrag außerdem die entsprechende Anweisung auf das der Universität wesentlich näher gelegene Klosteramt Eldena.36 Im Laufe der 1560er Jahre sicherten und erweiterten die pommerschen Herzöge die ökonomische Grundlage der Universität stetig. Vor allem Herzog Ernst Ludwig bewies ein gesteigertes Interesse an der Hohen Schule. Die Strategie zeigte Erfolg: Zum einen war die Besoldung aller Lehrer und Bediensteten gesichert und zum anderen expandierte die Universität darüber hinaus. Im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts erwarb sie neue Grundstücke und Gebäude und verwirklichte mindestens zwei akademische Großbauprojekte: In den 1570er Jahren die 1558 bereits vorgesehene Oeconomie mit einer Regentie (Studentenspeisung und Studentenunterbringung) und ab 1591 ein zentrales Kollegiengebäude mit integrierter Burse.37 Erst die ab ca. 1610 spürbar werdende Konjunkturkrise und die darauf folgenden nicht zuletzt kriegsbedingten Ertragsausfälle und jahrelange Zahlungsunfähigkeiten der Pächter, Bauern und sonstiger Abgabenverpflichteter stellten die bestehende Ausstattung wieder in Frage und hatten weitreichende Auswirkungen auf diese.

33 Ebd., S. 195. 34 Ebd., S. 194, vgl. auch Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 202. 35 Vgl. Erweiterung der Dotation Philipps I. (1563), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 193 sowie Einleitung, in: Ebd., S. XXXI. 36 Vgl. ebd., S. XXIV, Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 2, S. 130, Dähnert: Landes-Urkunden, Bd. 1, S. 300, 308 und 322. 37 Beide Projekte sind allerdings nur durch Zusatzfinanzierung in Form von Stiftungen und landesherrlichen Krediten entstanden, vgl. dazu Kapitel 3.1.2. Universitätsgebäude in Greifswald ab S. 262 sowie Kapitel 3.3.2. Entwicklungen und Phasen der Gebäudekosten ab S. 295. Zum Greifswalder Universitätsbau vgl. Schönrock: Greifswalder Universitätsbauten, Rütz: Kollegiengebäude Greifswald, Fait: Greifswalder Universitätsbau.

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1.2.2. Vorboten des Dreißigjährigen Krieges und Wirtschaftskrise (1610–1630er38) Um das Jahr 1610 blieben immer mehr Einnahmen aus dem Amt Eldena aus. Die Universitätskasse wies zunehmend Leerstände auf, weshalb vermehrt Gehälter nicht voll ausgezahlt werden konnten. Im Jahr 1614 betrugen die offenen Gehaltsforderungen der Greifswalder Professoren insgesamt 2.677 Gulden.39 Zwei Jahre zuvor hatte sich das Konzil bei Herzog Philipp Julius bereits wegen zunehmender Gehaltsrückstände beklagt. Dieser reagierte daraufhin mit der Anweisung der offenen Forderungen auf landesherrliche Steuern und mit der Kündigung des unzuverlässigen Pächters von Eldena, dem herzoglichen Amtmann Georg Rantzow, dessen schlechte Amtsverwaltung als Ursache für die akademischen Ertragsrückgänge ausgemacht wurde. Langfristig blieben diese Maßnahmen aber weitgehend wirkungslos. 1620 betrugen die offenen Forderungen, welche die Universität an das Amt stellte, 4.000 Gulden und im Jahr darauf versiegten die Eldenaer Erträge schließlich vollständig.40 Während das Herzogtum Pommern im Sommer 1626 militärisch aufrüstete und seine Grenzen verstärkte, um sich gegen das herannahende kaiserliche Kriegsvolk zu wappnen, erfolgte ein weiterer Lösungsversuch zur ökonomischen Stabilisierung der Hohen Schule in Greifswald. Die landesherrliche Kasse und der Landkasten der pommerschen Stände konnten aufgrund steigender militärischer Ausgaben nicht dafür aufkommen. Daher rieten die Landstände dem Herzog Bogislaw XIV. im Juni 1626 erfolgreich dazu, die Universität mit fürstlichen Gütern auszustatten und die Versorgungsverantwortung dadurch ein Stück weit an die Korporation selbst abzugeben. Daraufhin übertrug Bogislaw der Universität Greifswald das Gut Grubenhagen mit den dazugehörigen Dörfern Pansow, Weitenhagen und Subzow – alle südlich der Stadt gelegen. Die Erträge von den Grubenhagener Besitzungen standen allerdings gar nicht zur Verfügung, weil sie das Auskommen der Herzogswitwe Sophia Hedwig garantierten. Die Erträge waren ihr auf Lebenszeit gewährt worden, weshalb der Universität also bis zum Tode der Witwe eine Ersatzzahlung von jährlich 1.000 Gulden aus der fürstlichen Kammer zukommen sollte.41 Diese Zahlungen erfolgten nicht, da die unmittelbare Kriegsgefahr und im November 1627 schließlich der Einzug kaiserlicher Truppen im Herzogtum Pommern sämtliche landesherrlichen Mittel beanspruchten. Die Besetzung Greifswalds im November 1627 sowie eine Pestepidemie (1628–1630) verschlechterten die Umstände aller

38 Vgl. Einleitung, in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. XXVII, Übertragung des Amtes Eldena (1634), in: Ebd., S. 418–419, Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 235–236. 39 Vgl. auch für das Folgende Professorenbesoldung und Bauangelegenheiten (1614), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 397–398 sowie Kapitel 2.2.1.d. Deserviten ab S. 213. 40 Vgl. Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 236. 41 Vgl. ebd., S. 239–240, vgl. auch Asmus: Gutsherrin, S. 66–67.

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1. Akademische Finanzadministration

Greifswalder erheblich.42 Die Zahl der Studierenden und Lehrenden nahm in den folgenden Jahren rapide ab. Die Universitätskasse verzeichnete keinerlei Einnahmen mehr. Fünf Jahre lang konnten weder Gehälter noch Stipendien gezahlt werden. Das Wirtschaftssystem der Universität war zusammengebrochen und ihr Lehrbetrieb kam weitgehend zum Erliegen. Gewillt, trotz erheblicher Kriegsbelastungen der Landeskasse, die Universität vor dem Verfall zu bewahren, bat Bogislaw XIV. im Jahr 1629 die Professoren selbst um Vorschläge zur Sicherung ihrer ökonomischen Grundlage. Das Konzil schlug daraufhin eine Art gemeinschaftlicher Administration des Amtes Eldena vor: Der herzogliche Amtmann in Eldena solle eidlich enger an die Universität gebunden werden. Dieser Vorschlag resultierte fünf Jahre später schließlich in einer herzoglichen Schenkung, die das Auskommen der Universität bis ins 19. Jahrhundert hinein sichern sollte. In Greifswald hatten, wie in weiten Teilen Pommerns, schwedische Truppen die kaiserlichen wieder vertrieben, als Herzog Bogislaw XIV. mit Befürwortung der Landstände erstmals in Erwägung zog, der Universität das kriegszerstörte und verschuldete Amt Eldena in Gänze abzutreten. Die Dörfer und Ackerwerke waren verwüstet und unproduktiv und auf dem Amt lasteten mindestens 4.000 Gulden.43 Unter diesen Umständen zögerten die Greifswalder Ordinarien lange, das herzogliche Schenkungsangebot anzunehmen, obwohl ihre offenen Forderungen selbst 30.000 Gulden überstiegen.44 Einen unmittelbaren Nutzen brachte die Schenkung nicht mit sich – vielmehr eine akute Verschlechterung der Lage. Auf lange Sicht versprach sie aber eine stabile Absicherungsmöglichkeit und Garantie der akademischen Wirtschaftsautonomie. Alleine zum Nutzen der nachfolgenden Generationen nahm das Konzil am 28. März 1634 die im Monat zuvor ausgestellte Dotationsurkunde über das Amt Eldena an.

42 Vgl. auch Alvermann: Einleitung, in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. XI. 43 Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 245 nennt 6.000 Gulden Schulden. Im Jahr 1655 notierten Rektor und Konzil aber, dass das Amt im Jahr 1634 mit 4.000 Gulden fürstlicher Schulden belastet gewesen sei. Dazu seien noch 8.000 Gulden Deserviten (Lohnschulden) der Universitätskasse gezählt worden, vgl. Memorial des Rektors und Konzils vom 16. Juli 1655, in: RAS Pomm. Vol. 227, o. fol. 44 Vgl. Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 245, Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1., S. 418, Asmus: Gutsherrin, S. 66–78, Asmus: Joachim Edling, S. 168.

1.2. Ökonomische Selbstverwaltung der Universität Greifswald

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1.2.3. Schenkung des Amtes Eldena und Begründung der Eigenwirtschaft (163445) Weil die herzogliche „cammer durch das landtverderbliche einquartierungs- und kriegswesen aniezo dermaßen erschöpfet“, stattete Herzog Bogislaw XIV. also die ökonomisch ruinierte Universität im Frühjahr 1634 mit dem „closter Eldena unnd deßen pertinentien“46 aus und machte die Korporation damit zur Selbstversorgerin. Ihre Aufwendungen und Schulden sollten künftig ausschließlich aus den Amtsrevenuen beglichen werden, damit „wir und unsere cammer damit nicht belestiget werden.“47 Das überschriebene Amt Eldena umfasste alle zum Klosteramt Eldena gehörigen Höfe, Ackerwerke und Dörfer, die allesamt rund um die Stadt Greifswald und die Dänische Wieck herum gelegen waren: Dersekow, Diedrichshagen, Eldena, Friedrichshagen, Hanshagen, Hennekenhagen, Kemnitz, Kemnitzerhagen, Kessin, Ladebow, Leist, Levenhagen, Neuendorf, Neuenkirchen, Radelow, Schönwalde, Thurow, Ungnade, Wampen und Wieck – inklusive all ihrer Äcker, Wiesen, Weiden und Waldungen. Bestandteil der Dotation waren auch sämtliche dazugehörige Pachtverträge, Leibeigenschaften und Dienste, sowie das ius patronatus über die Kirchen in Dersekow, Eldena, Hanshagen, Kemnitz, Levenhagen und Neuenkirchen. Das alles trat Herzog Bogislaw XIV. „als ein ewigwehrendes der universität zugehöriges patrimonium“ ab und übertrug es „als ein vermachtes eigenthumb des corporis academici“.48 Dadurch wurde die Universität Greifswald zur Guts- und Kirchenherrin mit einem eigenen, weitläufigen Körperschaftsvermögen. Die neue erweiterte Wirtschaftsverwaltung leitete die versammelte Professorenschaft, d.h. das Konzil mit dem jeweils amtierenden Rektor in der Hauptverantwortung. Die alltäglichen Aufgaben der Universitätswirtschaft besorgte – wie schon zuvor – der sogenannte Procurator, der fortan allerdings nicht mehr als herzoglicher, sondern als akademischer Bediensteter, d.h. nur noch dem Rektor und Konzil rechenschaftspflichtig und auch von ihnen direkt ins Amt gesetzt wurde.49 Zur Ausführung der Geschäfte im Amt Eldena sah das Dotationsinstrument einen nun der Universität zum Eid verpflichteten Amtmann vor, dessen Wirtschaftsadministration von zwei Professoren beratend unterstützt und kontrolliert werden sollte.50 Der Amtmann von Eldena hatte über den Universitätseid hinaus auch dem Herzog einen „special eid“ zu leisten, da sich Bogislaw XIV. das Steuerrecht im Amt (Jagdrecht und Strandgerechtigkeit) sowie gewisse Transport- und Verpflegungsdienste in fürst45 Vgl. dazu auch Seth: Universität Greifswald, S. 21–23. 46 Übertragung des Amtes Eldena (1634), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 421. 47 Ebd., S. 428. 48 Ebd., S. 422. 49 Vgl. Kapitel 1.4. Die akademischen Finanzverwalter ab S. 134. 50 Vgl. Übertragung des Amtes Eldena (1634), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1., S. 422 sowie Instruktion für die Inspektoren im Amt Eldena (1634), in: Ebd. S. 430–436.

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lichen Angelegenheiten vorbehalten hatte.51 Der Amtmann von Eldena war sowohl der Universität als auch dem Herzog verpflichtet, verfolgte in seinem Amt aber primär wirtschaftliche Eigeninteressen, was in den folgenden Jahren und Dekaden regelmäßig Konflikte mit sich brachte. 52 Die Universität verzeichnete von dem selbst zu verwaltenden Grundbesitz eigene Erträge und war dadurch ökonomisch selbständig - zunächst noch theoretisch. Ihre Wirtschaftsführung kann allerdings nicht als autonom oder souverän bezeichnet werden, weil sie weder unabhängig noch frei von extern gesetzten Regeln oder von einer Rechenschaftspflicht war. Zum einen legte die Schenkungsurkunde bereits die Anwendungsbereiche der zu erwartenden Erträge fest: 1. Ausreichende Alimentierung der Ordinarien, sodass diese ausschließlich davon und „ohne bekümmernuß“ leben konnten. 2. Zu Einrichtung und Betrieb eines Konviktoriums. 3. Zum Unterhalt der akademischen Gebäude. 4. Zum Abbau der Lohnschulden53 und anschließend Lohnerhöhungen.54 Zum anderen sicherte sich der Herzog die Rechnungsprüfung „so offt es für nötig erachtet wirdt“ sowie Visitationen „zu iederzeit nach unserm belieben“ und unter „zuziehung unser Hoff- und Landräthe.“55 Die Oberaufsicht verblieb also beim Herzog und dessen Nachfolgern. In Anbetracht fehlender Nachkommen sicherte Bogislaw XIV. der Universität das Fortbestehen des Dotationsinstrumentes auch für den Fall einer brandenburgisch-kurfürstlichen Herrschaftsübernahme, wie sie im Ergebnis des Stettiner Erbfolgestreites „vermöge (...) erbeinigung“56 Ende des 15. Jahrhundert vereinbart worden war.57 Auf lange Sicht generierte die Dotation relativ regelmäßige naturalwirtschaftliche und monetäre Erträge. Sie sicherte in hohem Maße die Autonomie der Universität,

51 Vgl. Übertragung des Amtes Eldena (1634), in: Ebd., S. 424. 52 Vgl. Einleitung zur Instruktion für die Inspektoren im Amt Eldena (1634), in: Ebd., S. 431. Zur Rolle des Amtmanns von Eldena im 17. Jahrhundert vgl. insbesondere Asmus: Vertrauen und Kontrolle sowie Asmus: Joachim Edling. 53 Für drei Sonderfälle besonders hoher Lohnforderungen stellte das Dotationsinstrument vorübergehend alternative Amortisierungspläne auf: Die beiden Professoren Georg Maskow (Theol.) und Matthias Stephani (Jur.) erhielten jeweils Hypotheken auf Neuenkirchener Ackerpachten, woraus ihre Lohnforderungen abgebaut werden sollten. Sobald diese abgetragen wären, sollte die Ackerpacht auslaufen und die jeweiligen Äcker dem Universitätsbetrieb wieder zur Verfügung stehen. Generalsuperintendent Barthold von Krakevitz erhielt bis Schuldenbegleichung die Erträge von 2 Höfen in Kemnitzerhagen sowie 1.000 Gulden, 1 Last Gerste und 1 Last Roggen aus den Kronhebungen. So in der Übertragung des Amtes Eldena (1634), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 426–427. 54 Vgl. ebd., S. 423. 55 Ebd. 56 Ebd., S. 428. 57 Zum Frieden von Prenzlau von 1472 vgl. Buchholz: Pommern, S. 189 und Wehrmann: Geschichte von Pommern, S. 211–224.

1.2. Ökonomische Selbstverwaltung der Universität Greifswald

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brachte aber gleichzeitig auch eine hohe Konjunktur- und Krisenanfälligkeit sowie einen wesentlich erweiterten Verantwortungsbereich mit neuen Amtspflichten (Amtmann, Pächter, Kirchenpatronat) mit sich.58 Zunächst verschlimmerte sich die Wirtschaftslage der Korporation durch die Dotation von 1634 allerdings erheblich. Das lag zum einen an den Schulden, die mit dem Amt übernommen worden waren und den ausbleibenden Erträgen von dort. Zum anderen verschlechterte sich im Zuge ständig wechselnder Truppen und Einquartierungen und dadurch stetig steigender Schulden die Lage in Pommern insgesamt dramatisch. 1.2.4. Schwedische Reorganisationsbemühungen (1634–1668) Das politische Machtgefüge im Herzogtum brach nur wenige Jahre später, mit dem Tod Bogislaws XIV. am 10. März 1637, zusammen. Dem einige Jahre zuvor vorsorglich geschlossenen Erbvertrag zufolge hätte der Kurfürst von Brandenburg als Nachfolger des Greifengeschlechts Anspruch auf das Herzogtum Pommern gehabt. Nach dem Tod des letzten Greifenherzogs verhinderten anhaltendes Kriegsgeschehen sowie die seit 1631 relativ konstante schwedische Besatzung Pommerns, dass der Kurfürst seine Nachfolge unmittelbar durchsetzen konnte. Die Regierungsgeschäfte übernahmen stattdessen vorläufig Bogislaws Räte – gegen den ausgesprochenen Willen des Kurfürsten. Als dieser im Jahr darauf militärische Gewalt gegen die geschäftsführende Regierung im Herzogtum Pommern einsetzte, legte diese ihre Ämter nieder. Das entstandene Machtvakuum füllten die ohnehin vor Ort militärisch präsenten Schweden, die die brandenburgischen Truppen in Pommern schlugen und schließlich die Nachfolge der pommerschen Fürsten antraten.59 Pommern litt während der 1630er Jahre außerordentlich unter den Durchzügen und Einquartierungen kaiserlicher, kurfürstlich-brandenburgischer sowie schwedisch-königlicher Truppen. Die gesamte Region wurde im Prinzip zerstört, entvölkert und handlungsunfähig gemacht.60 Von den gerade der Universität zu ihrem Auskommen geschenkten Dörfern wurden mindestens sechs vollständig zerstört. Die überlebenden Bewohner der Umgebung flohen nach Greifswald und fanden innerhalb der Stadtmauern Notunterkünfte und Schutz. Trotz gewährter Schutzgarantien schwedischer Generäle verheerten marodierende schwedische Soldaten auch das Universitätsvermögen; im November 1637 zündeten sie das Kloster in Eldena an und zerstörten im Süden Greifswalds außerdem die Oeconomie und die Regentie der Universität. Unter diesen Umständen harrten nur noch wenige Professoren in Greifswald aus und nahm die Zahl der Studenten rapide ab.61

58 Vgl. Asmus: Gutsherrin, S. 75 sowie Schleinert: Universität als Kirchenpatron, S. 105. 59 Vgl. Herling: Universität Greifswald, S. 195, Inachin: Pommern, S. 69–71, Kosegarten: Universität Greifswald Bd. 1, S. 251–252. 60 Vgl. ebd., S. 251; Langer: Universität im Dreißigjährigen Krieg. 61 Vgl. Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 251–252.

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1. Akademische Finanzadministration

Eine leichte Verbesserung der Lage lässt sich ab 1640 ausmachen: In Stettin setzte die schwedische Regierung mit General Banér ihren ersten Statthalter für Pommern ein, dem kurz darauf Johann Oxenstierna im Amt nachfolgte. Wie der schwedischen Königin Christina lag auch Oxenstierna viel an einem Wiederaufbau der pommerschen Universität und einer möglichen Verbesserung der Verhältnisse ihrer Professoren und Studenten. Das königliche Interesse fand Ausdruck in Neubesetzungen vakanter Lehrstühle, dem Einsetzen eines neuen Amtmanns in Eldena und in einzelnen Anweisungen auf landesherrliche Steuern zur Professorenbesoldung in den Jahren 1640 und 1641.62 Soweit der nach wie vor herrschende Krieg und die stets überlastete Kriegskasse es zuließen, versuchte die schwedische Königin auch im weiteren Verlauf der 1640er Jahre die administrativen und ökonomischen Grundlagen des Herzogtums und dessen Universität zu stärken. Im Juni 1643 erfolgte in diesem Sinne die offizielle Anerkennung der akademischen Privilegien. Johann Oxenstierna bestätigte und garantierte damit das der Universität im Jahr 1634 vermachte patrimonium sowie die im Dotationsinstrument gewährte Steuer- und Kontributionsfreiheit.63 Ziel der schwedischen Universitätspolitik in Pommern war bis in die 1660er Jahre vor allem eine Verbesserung auch der Lehre durch die Sicherung und einen Ausbau ihrer Finanz- und Vermögensverhältnisse. Die Aufmerksamkeit galt daher insbesondere dem Schuldenabbau und der Ertragssteigerung im Amt sowie der Optimierung der Amtsadministration durch eine Intensivierung ihrer Kontrolle. Die erste schwedische Visitation der Universität Greifswald im Jahr 1646 widmete sich daher insbesondere den ökonomischen Voraussetzungen des Universitätsbetriebes sowie der drängenden Besoldungsfrage und setzte erste Lösungsvorschläge in einem die Visitation abschließenden Rezess fest.64 In diesem Zuge erhielt die Universität erstmals einen normativ vorgeschriebenen Etat, der ihre ökonomische Grundversorgung (Project) sichern sollte.65 Darüber hinaus gehende Erträge und davon zu leistende Ausgaben (Extraproject) lagen im Ermessen von Rektor und Procurator. Für sämtliche Rechnungsjahre bis 1654 war dem Visitationsrezess von 1646 jeweils ein Project beigefügt, d.h. dass die Versorgung der Professoren, der Unterhalt von Gebäuden und der Oeconomie sowie der Schuldenabbau für acht Jahre im Voraus veranschlagt worden und für die akademische Administration theoretisch bindend war.66

62 Vgl. Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 253. Eine etwas ausführlichere Beschreibung dazu bei Seth: Universität Greifswald, S. 32. Ob die Anweisungen auf die Landeskasse tatsächlich zum Tragen kamen, kann überlieferungsbedingt nicht verifiziert, muss erfahrungsgemäß aber angezweifelt werden. 63 Vgl. Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 468–472. 64 Vgl. Ebd., S. 478–490. 65 Zu den akademischen Etats vgl. Kapitel 1.3.4.c. Die Etats ab S. 122. 66 Zu den Etatbasierten Rechnungsbüchern nach 1646 und der weiteren buchhalterischen Entwicklung vgl. im Kapitel 1.3.2.c. Aufbau und Merkmale der Procuraturregister: 1646–1670 Etatorientierte Register ab S. 103.

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Hinsichtlich der hohen Lohnschulden (Deserviten)67 hatten die Visitatoren mit den Professoren einen Vergleich getroffen, dass jene auf ihre Lohnforderungen aus der Zeit vor 1634 verzichten und keine Zinsen für die Lohnforderungen nach 1634 verlangen würden. Damit war der Schuldenberg von insgesamt 39.000 Gulden68 immerhin etwas verringert worden – wenn auch noch lange nicht abgetragen. Als Hauptursache der schlechten Universitätswirtschaft hatten die Visitatoren 1646 die schlechte Amtsverwaltung und daher zu geringe Revenuen ausgemacht. Darum wurde in Folge dieser Visitation der seit 1641 amtierende Amtmann Georg Gamberotius freigesetzt und ein Jahr später Joachim Edling mit der Amtsverwaltung betraut.69 Einmal jährlich war eine interne Rechnungsprüfung vorgesehen, die einem Gremium aus dem Generalsuperintendenten, dem Rektor und den sogenannten Aedilen oblag.70 Mängel sollten möglichst korrigiert und „bey die register in verzeichnuß“71 gebracht werden, damit bei den zeitlich nicht festgelegten, externen Inspektionen durch Kuratoren bzw. Visitatoren fertige und möglichst korrekte Bücher zur Verfügung stehen würden. Mitte des 17. Jahrhunderts waren die herzoglichen Privilegien und das Patrimonium von der schwedischen Regierung bestätigt, der akademische Haushalt weitgehend geordnet und auf etliche Jahre prognostiziert, die Lohnschulden gesenkt und die bislang unzuverlässige Amtsverwaltung ersetzt worden. Zu diesen hoffnungsvollen Voraussetzungen für eine Besserung der akademischen Wirtschaftslage kamen außerdem Friedensverhandlungen und damit ein Ende der wiederholten Zerstörung der Lebensgrundlage hinzu. Nach sieben Jahren Krieg in und Verhandlungen um Pommern erfolgte im Jahr 1647 schließlich eine langfristige Einigung zwischen Schweden und Brandenburg bezüglich des ehemaligen Herzogtums, die im Friedensvertrag von Osnabrück im Oktober 1648 noch einmal bestätigt und etwas präzisiert wurde. Der Kurfürst erhielt das östliche Pommern und verzichtete auf seine Erbansprüche auf den westlich der Oder gelegenen Teil. Das westliche Pommern fiel (inklusive Wollins, der Odermündung, Stettins und einiger weiterer Städte östlich der Oder wie auch Wismar und Bremen-Verden) nun offiziell der schwedischen Krone zu.72

67 Seit 1629 waren Löhne nur teilweise und immer häufiger gar nicht mehr gezahlt worden, vgl. dazu Kapitel 2.2.1.d. Deserviten ab S. 213. 68 Visitationsrezess (1646), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 478– 490 sowie Seth: Universität Greifswald, S. 33. 69 Vgl. Asmus: Gutsherrin, S. 76, Asmus: Vertrauen und Kontrolle sowie Asmus: Joachim Edling. 70 Zum Amt und den Aufgaben der Aedilen vgl. Kapitel 3.1.3.b. Administration des akademischen Gebäudebesitzes in der Stadt ab S. 274. 71 Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 486. 72 Pommern fiel als Reichslehen an die schwedische Krone und behielt somit den Status eines deutschen Reichsterritoriums. Der schwedische König erhielt einen Sitz im deutschen Reichstag. Zu den politischen Verhältnissen und Bedingungen Pommerns bei Kriegsende, vgl. Inachin: Geschichte Pommerns, S. 73–74, Buchholz (Hg.): Pommern, S. 233–246.

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1. Akademische Finanzadministration

Die hohen Erwartungen an die Konjunktur der Universitätsgüter, die sich im Visitationsrezess von 1646 und die in diesem Zusammenhang vorgenommenen Kalkulationen für die folgenden fünf Jahre ausdrücken, sind nicht erfüllt worden. Als sich die königliche Einrichtungskommission für Pommern im Jahr 1650 in Greifswald aufhielt und sich auch der Universität widmete, zeigten sich ihre Vertreter von den Verhältnissen der Universität enttäuscht. Die Revenuen entsprachen nicht den Prognosen, sodass auch die Ausgabenkalkulation fehlschlug. Die akademischen Ausgaben überstiegen die Einnahmen regelmäßig. Unter diesen Umständen konnten die hohen Amtsschulden nicht abgetragen werden, sondern wuchsen stattdessen immer weiter an.73 Hauptsächlich habe mangelhaftes Wirtschaften des Amtmanns und der Korporationsadministration, d.h. der Professorengemeinschaft sowohl zu einer Verschlechterung in der Lehre als auch zur Schuldenzunahme geführt. Weder die Geschäfte des Amtmanns noch die des Konzils seien von Externen geprüft worden, was den Abwärtstrend hätte mildern können. Die Kommission stellte angesichts der akademischen Wirtschaftslage schließlich sogar die Existenz der Universität Greifswald in Frage, als sie ihre Vorschläge zur Neuordnung der Hohen Schule bei Königin Christina einreichte: „vorausgesetzt, daß sie bestehen bleiben soll.“74 Diese Zweifel an der Notwendigkeit einer pommerschen Universität trafen allerdings weder in Stettin noch in Stockholm auf Zustimmung. Denn Königin Christina hatte – zumindest zu diesem Zeitpunkt noch – den Anspruch, die pommersche Universität auf eine Stufe mit der schwedischen Universität in Uppsala zu stellen. Dazu sollte unter anderem die Professorenschaft von zwölf auf 21 Personen erweitert und deren Jahresgehälter von maximal 100 auf 600 Gulden angehoben werden.75 Ein weiteres Zeichen für die Aufwertung der Universität Greifswald setzte die Königin, als sie im Dezember 1650 einmalig 20.000 Reichstaler zur Amortisierung der Amtsschulden auf die Regierungskasse anwies, um die akademischen Amtserträge für die Personalbesoldung freizugeben. Diese Anweisung zog sie aber ein halbes Jahr später wieder zurück, entband die Regierungskasse von dieser Aufgabe und lenkte die finanzielle Sanierungsverantwortung stattdessen auf die pommerschen Stände um. Diese neue königliche Amortisierungsstrategie traf in Pommern allerdings auf Widerstand bei den Landständen. Dass die Königin die Stände für den Schuldenabbau der Universität verantwortlich machte, bedeutet de facto, dass sie von ihnen einen Schuldenerlass forderte; denn die Gläubiger des Amtes Eldena waren hauptsächlich pommersche Adelige. Der ständische Widerstand basierte also weniger auf einer generellen Ablehnung der ökonomischen Regeneration der Universität Greifswald, sondern vielmehr auf der Furcht vor dem Verlust der eigenen Vermögens- und Zinsenansprüche. Immerhin hatten auch deren Liegenschaften unter den oben genannten Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges schwer gelitten.

73 Vgl. auch für das Folgende Seth: Universität Greifswald, S. 36–42. 74 Zitiert aus der „Denkschrift an die Königin vom August 1650“ nach Seth: Universität Greifswald, S. 37. 75 Vgl. Kapitel 2.3.1.b. Drei Phasen der Professorenbesoldung ab S. 227.

1.2. Ökonomische Selbstverwaltung der Universität Greifswald

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Königin Christina und ihren Mitstreitern für eine Sanierung und Aufwertung der Greifswalder Universität gelang es Anfang der 1750er Jahre nicht, ein eigenes Finanzierungskonzept zur Durchsetzung ihrer großen Ziele für die Universität zu entwickeln, sodass die ursprünglichen Pläne am Widerstand der Landstände scheitern konnten. Infolgedessen senkten die Schweden ihre Ansprüche und passten ihre Vorstellungen von einer funktionierenden Universität den herrschenden ökonomischen Bedingungen an.76 Statt 21 sollten fortan 18 Professuren eingerichtet werden, die jährlich jeweils 400 Gulden erhalten würden. Aber selbst diese Realitätsanpassungen waren immer noch nicht zu erfüllen: Tatsächlich lehrten durchschnittlich gerade einmal zwölf Ordinarien in Greifswald, die jährlich durchschnittlich ca. 200 Gulden empfingen. Auch die Amortisierung schritt in keiner Weise voran, sodass die Schulden 1653 bereits über 60.000 Gulden betrugen.77 Die Wirtschaftsgrundlage selbst konnte nicht erweitert, aber ihre Administration optimiert werden. Es hatte beinahe Tradition, dass der Amtmann in Eldena auf Grund schlechten Wirtschaftens bzw. Wirtschaftens zum Nachteil der Universität entlassen und das Amt neu besetzt wurde. So auch 1653, als Joachim Döpke den Amtmann Edling ersetzte. Außerdem stärkte die Königin die externe Kontrolle indem sie den amtierenden Generalgouverneur Johann Oxenstierna als Kanzler der Universität installierte78 und zwei Schweden zu Kuratoren ernannte. Vorgesehen war außerdem – ganz im Sinne des Konzils – eine eingehende Amtsvisitation. Diese Visitation ist unter Leitung des neuen Kurators Rensköld zwar begonnen worden, ihren Verlauf unterbrach aber bald schon der Ausbruch des Schwedisch-Polnischen Krieges (1655–1660). In seinem Verlauf verwüsteten wechselnde Truppendurchmärsche, Einquartierungen und Belagerungen Schwedisch-Pommern erneut. Der Universitätsbetrieb musste stark eingeschränkt und die Oeconomie geschlossen werden. Die ohnehin geringe Professorenanzahl halbierte sich in dieser Zeit. Gehälter konnten so gut wie gar nicht mehr gezahlt werden und auch die Immatrikulationszahlen waren stark rückläufig und erholten sich auch in den folgenden Jahrzehnten nicht mehr.79 Die Amtsverschuldung stieg immer weiter an ohne dass eine Verbesserung der Revenuen in Sicht war.80 Eine finanzielle Lösung der schlechten Lage war nicht in Sicht. Sämtliche Verbesserungspläne waren bislang gescheitert und die „wirtschaftlichen Voraussetzungen [der Universität] praktisch nicht mehr

76 Vgl. auch für das Folgende: Resolution Königin Christinas (1653), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 27–35 sowie Seth: Universität Greifswald, S. 40–42. 77 Vgl. Seth: Universität Greifswald, S. 41, vgl. auch Kapitel 2.1.2.a. Professorenanzahl und Gehälter bis 1702 ab S. 175. 78 Seitdem war das Amt des Universitätskanzlers mit dem des Generalgouverneurs verbunden. 79 1653: 149 Immatrikulationen, 1656: 83 Immatrikulationen, 1659: 37 Immatrikulationen. 80 Eindrücklich schildern diverse Schreiben des Konzils an den König seit Mitte der 1650er Jahre die verheerende Lage der Universität, in: RAS Pommeranica Vol. 227. Die Schilderungen dienten allerdings der Bitte um ökonomische Hilfe, vgl. dazu Kapitel 2.3.1.e. Kampf ums „Augmentum Salariorum“ ab S. 236. Zur ökonomischen Entwicklung vgl. auch die Tabelle „Einnahmen und Ausgaben der Universität Greifswald 1646–1813“ unter www.uni-greifswald.de/furorcameralisticus.

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vorhanden.“81 Mit der Abdankung Christinas 1654 und dem Tod Johann Oxenstiernas 1657 verlor die Universität außerdem ihre beiden einflussreichsten Fürsprecher. König Karl X. Gustav hatte kein Interesse an der Hohen Schule in Pommern. Ende der 1650er Jahre engagierten sich in Pommern daher auch kaum noch Schweden für die universitären Belange. Die Verantwortung über diesen Bereich war mittlerweile vorwiegend an Pommern abgegeben worden. Die vom Krieg unterbrochene Amtsvisitation wurde 1665 unter Leitung des ehemaligen Greifswalder Rechtsprofessors und mittlerweile Vizepräsidenten des Wismarer Tribunals David Mevius wieder aufgenommen und auf die gesamte Universität ausgeweitet. Im Verlauf der Universitätsvisitation kam als mögliche Lösungsstrategie für die desolate Lage der Universitätswirtschaft schließlich auch der Plan auf, die Hohe Schule nach Stettin zu verlegen und mit dem dortigen Paedagogium zu verbinden.82 Vor allem Mevius setzte sich aber erfolgreich dagegen ein, sodass die Universität weiterhin in Greifswald blieb.83 Hauptaugenmerk des im Jahr 1666 die Visitation abschließenden Rezesses lag auf der akademischen Wirtschaftsverwaltung. Er war aber weit entfernt von den Reformplänen, die Königin Christina in den 1640er Jahren verfolgt hatte. Die Visitatoren setzten nun vielmehr die Greifswalder Verfassungstradition fort und manifestierten damit auch die Unabhängigkeit der pommerschen Universität vom schwedischen Universitätswesen. Außerdem passten sie die Regelungen zu ökonomischen Belangen weiter an die tatsächlichen Bedingungen vor Ort an. Im Gegensatz zu den utopischen Ertragsprognosen des Rezesses von 1646 und zu den für das darbende Nachkriegspommern etwas überzogenen Reformplänen Königin Christinas um 1650 stand die neue Optimierungsstrategie für die Universität 1666 unter der Voraussetzung ihrer gesicherten Finanzierung: Die Professorenschaft solle „zu anfangs“ bei 14 belassen und erst auf 18 Personen erweitert werden, wenn die Schulden abgetragen und die Jahreserträge ausreichend wären.84 Auch das Auslösen von verpfändeten Liegenschaften (reluition) müsse warten, „biß die universität zu beßern mitteln gelanget“.85 Die ökonomischen Vorsichtsmaßnahmen wurden noch ergänzt durch eine striktere Regelung, d.h. formale Festlegung durch Beschreibung der ökonomischen Administrationsvorgänge und durch die Etablierung fester Kontrollelemente. Aufgrund der desolaten Finanzlage galt es zunächst die Revenuen aus dem Amt zu steigern. Dazu bedurfte es vor allem eines kompetenten Amtmanns, der im Sinne der Universität wirtschaftete. Daher wurde im Rezess auch betont, dass ein neuer

81 Seth: Universität Greifwald, S. 43–44. 82 Diese Debatte lässt sich nachvollziehen anhand der „Gewechselte Schriften [...] vor- und wider die [...] Verlegung der Universität Greifswald nach Stettin“ des Jahres 1666 in: Oelrichs: Historisch-Diplomatische Beyträge, S. 17–46. 83 Vgl. Seth: Universität Greifswald, S. 45–46. 84 „[...] wan aber der universität zu beßern mitteln gelanget [...].“, Visitationsrezess (1666), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 89. 85 Visitationsrezess (1666), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 94.

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Amtmann vom Rektor und dem Konzil auszuwählen und einzusetzen sei.86 Neben einer Steigerung der Amtsrevenuen sollten aber auch andere Ertragsquellen der Korporation akribisch geprüft, so weit wie möglich ausgeschöpft und falls nötig auch reaktiviert werden. Dazu gehörten die Pachtabgaben und andere grundbezogene Hebungen (Zinse87) jenseits des Amtes, auf die die Universität bereits vor 1634 Anspruch gehabt hatte sowie alte und teilweise in Vergessenheit geratene Außenstände und die Zinsen davon. Auch Strafgebühren in jeglicher Form (Brüche und Neglecten), Vakanzgelder und die Hälfte der Immatrikulationsgebühren sollten fortan gewissenhafter eingezogen werden.88 Die Einnahmen der Korporation dienten laut des Rezesstextes an erster Stelle der Alimentierung der Ordinarien und Bediensteten89 und des Weiteren – in dieser Reihenfolge – der Instandhaltung der Universitätsgebäude, dem Unterhalt von mindestens zwei Freitischen90 in der Oeconomie sowie der Zinsenbegleichung und dem Abtrag der Lohn- und Kapitalschulden. Erstmals budgetierte ein Rezess die verschiedenen Geschäftsbereiche der Universität. Dem Procurator setzte er jeweils einen finanziellen Rahmen, an den er sich hinsichtlich des übergeordneten Sparsamkeitsgebots möglichst zu halten hatte.91 Für den Fall besonders knapper Einnahmen in Krisenzeiten legte der Rezess eine strikte Ausgabenpriorisierung fest, wonach die Project-Ausgaben92 (Gehälter, Gebäudekosten, Oeconomie-Kosten) absoluten Vorrang vor dem Schuldenabtrag, der Zinsenbegleichung und allen sonstigen Ausgaben hätten. Erstmals beschrieb ein Normtext auch die Aufbewahrung des Geldes in der Universitätskasse und deren Handhabung. Die „cassa academiae“ sollte demnach aus zwei Kisten bestehen:

86 Ebd., S. 95–97. 87 Vgl. dazu Kapitel 5.2.1. Zins und Zinsen ab S. 396. 88 Vgl. Visitationsrezess (1666), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 99. 89 „Zu bedienung des corporis academici und Professorum seind diese persohnen nötig befunden, alß ein Procurator universitatis oder Structuarius, ein Secretarius, dan zewy Pedellen, dehro annehmung bey der universität stehet und die salaryrung von deroselben mitteln geschiehet.“ Visitationsrezess (1666), in: Ebd., S. 91. 90 Vgl. Kapitel 4.1.4. Oeconomie und Freitischstipendien ab S. 333. 91 Z.B. waren jährlich 600 Gulden zu den Freitischen veranschlagt, 1.000 Gulden zu den Gebäuden und 400 Gulden für sonstige Ausgaben. Im Visitationsrezess (1666), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 105–107. Zur unzulänglichen Baukostenbudgetierung vgl. auch Kapitel 3.3.2. Entwicklungen und Phasen der Gebäudeverwaltung ab S. 295. Zum Sparsamkeitsgebot vgl. Kapitel 3.3.6. Spar- und Kontrollvorschriften zu den Universitätsgebäuden ab S. 313. 92 Der 1646 eingeführte Project-Begriff taucht im 1666er Rezess nicht mehr auf. Vielmehr werden die Grundausgaben umschrieben mit: „[...] was die conservatio der universität erheischet, alß wozu die mittel eigentlich bewiedmet.“ Im Visitationsrezess (1666), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 105–106.

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Einer „ordinairen“ Kasse für die erwarteten und regelmäßig erfolgenden Einnahmen, wie beispielsweise die Amtsrevenuen und andere Hebungen. Daraus sei der reguläre Kernbetrieb zu finanzieren (Project-Ausgaben). Einer „extraordinairen“ Kasse für unerwartete Einnahmen, wie beispielsweise alte Hebungen, Abtrag alter Kapitalforderungen oder auch Strafgebühren. Die Gelder in dieser Lade würden ausschließlich zur Amortisierung genutzt werden.93

Die Kisten seien mit drei Schlössern zu versehen. Einen Schlüssel verwahre der Rektor, den anderen der Procurator und den dritten der Amtmann in Eldena, sodass theoretisch die Anwesenheit aller drei Finanz- und Vermögensverantwortlichen der Korporation erforderlich war, um Geld aus der Kasse zu nehmen oder hineinzulegen.94 Diese Maßnahme diente, wie auch eine vorgesehene jährliche Rechnungslegung der Amtsregister vor dem Rektor und den senioribus facultatem (Seniorat), dem Ausbau einer korporationsinternen Kontrollstruktur.95 Die externe Kontrolle nicht nur des akademischen Finanzwesens lag weiterhin bei den Kuratoren, die zum einen jährlich zu Trinitatis eine allgemeine Inspektion der Universität vorzunehmen hatten und zum anderen als eine Art Schlichtungsinstanz jederzeit vom Rektor herangezogen werden konnten, wenn Konflikte zwischen dem Amtmann und dem Rektor, dem Konzil, dem Procurator oder den Bauern nicht intern gelöst werden konnten. Den Kuratoren kam die allgemeine „auffsicht“ über den Universitätsbetrieb zu, sehr viel konkreter waren ihre Aufgaben noch nicht umschrieben. Sollten sie aber in Konfliktfällen „selbst nicht dabey ausrichten“ können, so hatten sie sich – und erst dann – an den Kanzler zu wenden. Der Kanzler beschäftigte sich demnach erst in bereits extern nicht mehr zu lösenden Konfliktfällen mit der Universität.96 Die Wirtschaftsplanung ist mit dem Rezess von 1666 insgesamt an die ökonomischen Realitäten vor Ort angepasst worden. Die neuen Normen erwiesen sich hinsichtlich der Erweiterungs- und Investitionsvorhaben, wie sie die Schweden im Laufe der 1650er und 60er Jahre immer weiter hatten einschränken müssen, als wesentlich zurückhaltender als die Vorgängernormen. Stattdessen betonten sie umso deutlicher die internen Kontrollmechanismen und stärkten also vor allem die akademische Selbstverwaltung. In Stockholm war das Interesse an der pommerschen Universität mittlerweile deutlich zurückgegangen. Die königliche Regierung hatte sich seit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges trotz vereinzelter Zusagen wiederholt aus der Zahlungsverantwortung gezogen und versucht diese an die regionalen Mächte in Pommern 93 Vgl. Visitationsrezess (1666), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 100. Diese Einteilung nach ordinairen (erwarteten) und extraordinairen (unerwarteten) Geldern ähnelt der alten Etatorientierten Project-/Extraproject-Kategorisierung des 1646er Rezesses weitgehend. 94 Vgl. ebd. 95 Ebd., S. 97–98. 96 Ebd., S. 112.

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zu delegieren, die diese aber auf Grund von Eigeninteressen ebenso mieden. Für sämtliche Reformpläne waren die ökonomischen Voraussetzungen der Universität selbst zu keinem Zeitpunkt gegeben, weshalb deren Umsetzung stets an der Wirtschaftsrealität scheiterte.97 Die daraus resultierende Resignation der schwedischen Regierung98 führte allerdings, nachdem die Verlegung der Universität nach Stettin 1669 auf ein Neues hatte abgewendet werden müssen99, an der Universität Greifswald zur Erweiterung ihrer Eigenverantwortlichkeit. Weitgehend befreit von obrigkeitlichen Reform- und Kontrollansprüchen gelang der akademischen Finanzverwaltung am Ende des Jahrhunderts schließlich die Konsolidierung ihres Haushalts. 1.2.5. Haushaltskonsolidierung und Entschuldung (1670er–1702) Angesichts der schwedischen Resignation in Bezug auf die darbende Universität Greifswald war man in Pommern und insbesondere korporationsintern erst recht bestrebt die akademische Verwaltungsstruktur und die Geschäftsgänge zu ordnen. Ausdruck dessen ist unter anderem die neue „Instruktion für den Procurator und Structuarius“ beim Amtswechsel 1669100, die Rektor und Konzil erteilten. Diese Instruktion diente dem neuen Amtsinhaber als Handlungsanweisung bzw. -kodex. Sie zeigt sowohl das offenkundige Bemühen um Ordnung und Strukturierung der internen Geschäftsabläufe als auch die Erweiterung seines Verantwortungsbereichs und eine damit einhergehende Aufwertung dieses Amtes.101 Der Finanzverwalter der Universität wird darin sowohl als Procurator als auch als Structuarius und Notarius bezeichnet, da er neben der Universitätswirtschaft und der Oberaufsicht über die Amtsgeschäfte außerdem die akademische Gebäudeverwaltung (Structuariat) sowie diverse notarielle Aufgaben in der Stadt und im Amt zu führen hatten.102 Erstmals wurde explizit festgelegt, dass sämtliche Geldgeschäfte ausschließlich über seinen Tisch geführt werden sollten, damit sie verlässlich in seine Rechnungen aufgenommen würden, denn er sollte „alle der universität intraden“ einziehen „und zu register setzen.“103 Im Falle säumiger oder gar widerspenstiger Schuldner standen ihm der Rektor und die juristischen Berater der Universität zur Seite. Die Be-

97 Vgl. auch Seth: Universität Greifswald, S. 43–44. 98 Vor allem die Gründung der Universität in Lund im Jahr 1668 ließ das Interesse der Schweden an der Universität in Greifswald beinahe gänzlich schwinden. Vgl. ebd., S. 55. 99 Beschreibung der 1669 erneut ausgebrochenen Debatte um eine Fusion der Greifswalder Universität und des Stettiner Pädagogiums in Stettin, vgl. ebd., S. 48–55. 100 Vgl. auch für das Folgende Kapitel 1.4.2. Das Amt: Procuratur und Structuariat ab S. 137. Zum Amts-wechsel von 1669 und der Aufwertung des Amtes vgl. im Kapitel 1.4.3.b. Die akademischen Procuratoren, 16. Moevius Völschow ab S. 157. 101 Instruktion für den Procurator und Structuarius (1671), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 136. 102 Vgl. Kapitel 1.4.2.b. Aufgaben der akademischen Vermögensverwaltung ab S. 142. 103 Instruktion für den Procurator und Structuarius (1671), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 135.

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tonung der alleinigen Handlungsverantwortung des Procurators in akademischen Geschäften, „damit keine fernere confusion (...) in den registern verursachet werden“104, legt nahe, dass bislang akute Ausgaben vom Rektor und anderen Konzilsmitgliedern getätigt und erst anschließend dem Procurator mitgeteilt wurden – oder auch nicht. Bestehen blieb die Dreieraufsicht über die Kassenöffnungen. Sie wurde aber vermutlich aus Pragmatismus auf vier feste Termine im Jahr festgelegt.105 Denn so mussten nun bei Bedarf nicht immer alle drei Personen – vor allem der Amtmann aus Eldena – in den Räumen des Rektors zusammenkommen.106 Die Einschränkung der Aus- und Einzahlungen entzog dem Rektor den regelmäßigen Einblick und damit unmittelbare Kontrolle über die Universitätsgeschäfte und stärkte dagegen deutlich die Stellung des Procurators, dem dadurch eine wesentlich größere Eigenverantwortung zukam.107 Ein weiteres Anzeichen der Neuordnung finanzadministrativer Abläufe war auch die von dem neuen Procurator Moevius Völschow bereits vor der Instruktion umgesetzte neue Gliederung der Jahresrechnungsbücher.108 Vermutlich war Völschow am Zustandekommen seiner Instruktion sogar selbst beteiligt. Die wirtschaftliche Situation der Universität verbesserte sich vorübergehend zu Beginn der 1670er Jahre. Rektor und Konzil sprachen diese Entwicklung hauptsächlich der 1670 erfolgten Resolution zu, die „dem Closter Eldena die immunität und Exemption von aller Landes oneribus und contributionen“ gewährt hatte.109 Es blieb aber nicht ausreichend Zeit zu einer tatsächlichen Erholung oder gar einem Ausgleich des Haushalts. Denn seit 1672 ließ die schwedische Krone auch in Pommern erneut aufrüsten. In dieser Situation hielten sich die pommerschen Stände nicht an die Kontributionsbefreiung des Amtes Eldena, sodass zwischen 1672 und

104 Instruktion für den Procurator und Structuarius (1671), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 136. 105 Vgl. ebd. 106 Ein zufällig überliefertes Manualregister von 1656 verdeutlicht, wie häufig frequentiert die Universitätskasse tatsächlich war: Darin verzeichnete der Procurator, dass er am 25. April „Vom H. Magnifico Rector D. Beringio zur Universität Gebewden und andern Gemeinen Ausgabe auß der Lade“ 96 Gulden und 15 Schilling erhalten habe. Den nächsten Betrag erhielt er am 1. Mai, dann wieder am 14. Mai, am 24., 28. und 29. Mai. Am 19. Juni erhielt er dann einmal 25 Gulden und 6 Schilling und am gleichen Tag, vermutlich etwas später, noch einmal 1 Gulden und 7 Schilling, vgl. UAG, Kurator St. 949, Manualregister von 1656–1657, fol. 1a– 6a. 107 Vgl. Kapitel 1.3.4.b. Die Kasse ab S. 119. 108 Vgl. im Kapitel 1.3.2.c. Aufbau und Merkmale der Procuraturregister: 3. 1670–1769 Gesamtuniversitäre Register ab S. 105. 109 So im Schreiben des Konzils an die Königin Hedwig Eleonora vom 6. August 1672, in: RAS Pommeranica Vol. 227, o. fol.; vgl. auch Resolution Königin Hedwig Eleonoras (1670), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 126. Zum Kontext der Befreiung des Amtes von Kontributionen vgl. auch für das Folgende Kapitel 1.2.11. Exkurs: Don Gratuit ab S. 82.

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1674 knapp 6.400 Gulden aus dem nach wie vor verschuldeten Universitätsvermögen für Kontributionen und die Truppenverpflegung gleistet werden mussten.110 1674 erreichten die Landstände schließlich sogar die offizielle Aufhebung der „Exemption“ für das Amt, indem sie der Universität im Gegenzug aus dem Landkasten 50.000 Reichstaler zuwiesen, die sie zwar nicht direkt auszahlen konnten, ihr aber den Betrag als Kapital vorläufig verzinsen würden. Allerdings erreichte im Jahr darauf das schwedisch-brandenburgische Kriegsgeschehen endgültig auch Greifswald und zerstörte erneut die Wirtschaftsgrundlage der Universität. Das Amt Eldena wurde „verwüstet und großentheis [!] niedergebrannt durch Freunde und Feinde.“111 Die Universitätsdörfer Leist und Hanshagen brannten vollständig ab und auch Thurow und Radelow lagen anschließend wüst. Die weitgehende Befreiung der Korporation und einzelner Universitätsangehöriger von kommunalen bzw. städtischen Steuern112 muss während dieser Zeit hinsichtlich der herrschenden Umstände als lokaler Versuch gewertet werden, die Universitätskasse etwas zu entlasten. Nichtsdestotrotz kam der Universitätsbetrieb aber währenddessen zum Erliegen – insbesondere während der fünfmonatigen Besetzung Greifswalds durch brandenburgische Truppen im Jahr 1678. Unmittelbar nachdem die Brandenburger wieder abgezogen waren, verzeichnete die Universität insgesamt gerade einmal 493 Gulden jährlicher Einnahmen. Löhne konnten erneut nicht mehr geleistet werden. Es residierten aber ohnehin nur noch neun Professoren in der Stadt, während sich gerade einmal acht Studenten immatrikulierten.113 Die Universität stand wieder einmal kurz vor ihrer Auflösung, weil ihre Vermögensgrundlage größtenteils zerstört worden war. Unter diesen Umständen kam im Zuge der Reorganisation Pommerns nach dem Krieg durch die schwedische Regierung – die nach wie vor kein Interesse an einer aktiven Förderrolle zeigte114 – der alte Plan einer Universitätsverlegung nach Stettin bzw. einer Zusammenlegung mit dem Stettiner Pädagogium auf. Diesmal scheiterte der Versuch am sehr effektiven Widerstand der pommerschen Stände, die auf den wirtschaftlichen Verlust für Greifswald und die Region hinwiesen.115 Die Existenz der Universität in Greifswald war rechtlich damit zwar erneut gesichert, stand aber ökonomisch weiterhin in Frage. Gleichzeitig waren beide ihr vorgesetzten Schlichtungs- und Kontrollinstan110 Vgl. dazu auch die „Specification waß Sieder dem October ao. 1672 daß Ambt Eldenow an Einquartirung Vnnd Contribution tragen mueßen nach an Lage der Hueffen etc.“ im Anhang des Schreibens des Konzils an den König vom 3. November 1674, in: RAS, Pommeranica Vol. 227, o. fol. 111 Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 263. 112 Vgl. Die Steuerfreiheit der akademischen Häuser (1676), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 165–174. 113 Vgl. Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 263. 114 Die königliche Regierung gewährte der Universität zwar Unterstützung aber explizit nur solange „dadurch Ihrer Königlichen Majestät einkünffte nicht graviret werden [...].“ So in der Resolution der königlichen Regierung (1681), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 185. 115 Vgl. Einleitung, in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. XVIII, Melander: Greifswalder Universitätsgeschichte, Seth: Universität Greifswald, S. 53–54.

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zen und damit auch wichtige Fürsprecher so gut wie nicht mehr vorhanden: Die ständische Kuratel war bereits in den 1670er Jahren eingeschlafen und wurde nicht mehr wahrgenommen und das Amt des Kanzlers blieb nach dem Tod des Generalgouverneurs und Kanzlers Wrangel im Jahr 1676 zunächst vakant bis es 1679 mit dem neuen Generalgouverneur O. W. Königsmark wieder besetzt wurde. Königsmark hielt sich jedoch weitgehend aus den universitären Angelegenheiten heraus, sodass die erneute Vakanz des Kanzelariats ab 1685 kaum noch auffiel.116 Die 1680er und 1690er Jahre zeichneten sich für die Universität Greifswald als Phase der geringsten externen Einflussnahme aus. Dieser Umstand war ihrer ökonomischen Erholung durchaus förderlich. Innerhalb dieser Zeit stiegen ihre jährlichen Gesamteinnahmen von knapp 2.400 Gulden im Jahr 1680 auf rund 12.700 Gulden zur Jahrhundertwende an.117 Diese lang ersehnte Ertragsteigerung kann auf diverse Ursachen zurückgeführt werden: –



– –

Die zwanzig Friedensjahre waren geprägt von einem allgemeinen agrar- und gesamtwirtschaftlichen Aufschwung (Wiederbevölkerung, Aufforstung, Aufbau, Innovationen etc.). Die neu geordnete akademische Finanzverwaltung erschloss nach und nach alte und neue Einnahmequellen, u.a. durch verlässliche und beharrliche Administratoren in der Stadt (Procurator) und in Eldena (Amtmann), die gleichzeitig gezielt und erfolgreich den Schuldenabbau vorantrieben.118 Die Professoren verzichteten bis 1693 auch weiterhin – trotz vorläufiger Besserung der ökonomischen Verhältnisse – auf einen Teil ihrer Gehälter.119 Zwischen 1681 und 1700 leisteten die Landstände relativ regelmäßig mit jährlich durchschnittlich knapp 1000 Gulden die Zinsen aus dem sogenannten Don Gratuit. 1782 machte dieser Betrag immerhin ca. 18 Prozent der akademischen Gesamteinnahmen aus, 1698 noch 8 Prozent.120

Unter diesen Voraussetzungen gelang es der relativ autonomen akademischen Finanzverwaltung den Universitätshaushalt zur Jahrhundertwende zu konsolidieren. Ab dem Rechnungsjahr 1693–1694 zahlte der Procurator erstmals sämtliche Löhne in ihrer vorgesehenen Höhe (200 Gulden für Ordinarien) aus121 und der Schulden-

116 Vgl. Seth: Universität Greifswald, S. 52–54. 117 Vgl. Tabelle „Einnahmen und Ausgaben der Universität Greifswald 1646–1813“ unter www.uni-greifswald.de/furorcameralisticus. 118 Vgl. auch Seth: Universität Greifswald, S. 76. Zum programmatischen Schuldenabbau Ende des 17. Jahrhunderts vgl. insbesondere Kapitel 5.3.3.e. Schuldenabbau ab S. 450. 119 Vgl. Kapitel 2.2.1.d. Deserviten ab S. 213 sowie im Kapitel 2.3.1.b. Phasen der Professorenbesoldung: I. 1646–1693 Minimalvergütung ab S. 227. 120 Vgl. Kapitel 1.2.11. Exkurs: Don Gratuit ab S. 82 und die Tabelle „Don Gratuit für die Universität Greifswald“ unter www.uni-greifswald.de/furorcameralisticus. 121 Vgl. im Kapitel 2.3.1.b. Phasen der Professorenbesoldung: II. 1694–1756 Normentsprechende Vergütung ab S. 229.

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abbau, dem Moevius Völschow oberste Priorität zukommen ließ, konnte 1701 abgeschlossen werden.122 In den 1690er Jahren kam erneut die ‚traditionelle‘ Debatte um eine Verlegung der Universität Greifswald nach Stettin auf. Diesmal war ihr Auslöser aber nicht mehr die finanzielle Dauernotlage der Hohen Schule – die sie überwunden hatte – sondern eine ausgeprägte Unzufriedenheit des neuen Kanzlers Bielke und dessen Beraters Johann Friedrich Mayer123 mit der Qualität der Lehre und mit einer allzu familiären Personalstruktur an der pommerschen Universität. Eine Verlegung nach Stettin sollte ihnen zufolge den vorhandenen Nepotismus ausmerzen, die Korporation personell erneuern und so die Einrichtung einer Reformuniversität ermöglichen.124 Angesichts drastisch abnehmender Studentenzahlen in Greifswald und vermeintlicher Nachlässigkeiten im Lehrverhalten der Professoren, die oftmals Vorlesungen ausfielen ließen, empfahl Mayer bei einem Besuch in Stockholm 1696 zunächst eine Visitation der Universität. Eine solche sollte seiner Meinung nach möglichst zu dem Ergebnis kommen, „dass eine Verlegung das natürliche Ergebnis sein würde.“125 Der im Juli 1696 erfolgte königliche Beschluss zu einer Visitation ging auf die Verlegungspläne allerdings gar nicht ein, zeigte aber erstmals wieder ein zumindest vorübergehendes Kontrollinteresse der schwedischen Regierung an der Universität in Greifswald. Die akademische Finanz- und Vermögensverwaltung stand nicht mehr im Fokus der Visitatoren, da es in diesem Bereich kaum noch Beanstandungen gab126, sondern vor allem das Unterrichtswesen, die Arbeitsmoral der Professoren und die Disziplin der Studenten. Hatte der bis 1698 amtierende Kanzler Bielke noch gefordert die Universität notfalls unter Zwang zu reformieren, empfahlen die gemäßigteren Visitationskommissare stattdessen „der Universität größtmögliche Freiheit für die innere Entwicklung“ zu lassen.127 So sei es immerhin allgemein an Universitäten üblich128 und so hatte es sich außerdem speziell in Greifswald hinsichtlich der Finanzverwaltung innerhalb der vorangegangenen zwanzig Jahre bereits deutlich gelohnt. Daher übernahm der Rezess, der die Visitation im Jahr 1702 endgültig abschloss129, auch weitgehend die vermögensadministrativen Bestimmungen von 1666. Es wurde also die bewährte Greifswalder Verfassungstradition größtenteils fortgeführt und vor allem um konkrete Beschreibungen von Abläufen und Zustän-

122 Vgl. Kapitel 2.2.1.d. Deserviten ab S. 213 sowie Kapitel 5.3.3.e. Schuldenabbau ab S. 450. 123 Pastor in Hamburg und Honorarprofessor in Kiel, von 1701 bis 1712 Generalsuperintendent und Prokanzler in Greifwald, vgl. Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 277: 124 Vgl. auch für das Folgende Seth: Universität Greifswald, S. 71–73. 125 Ebd., S. 73. 126 Die Universität sei „[...] seit letzterer kriegs ruin“ von ihren Schulden „theils liberiret.“ So im Visitationsrezess (1702), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 279. 127 Einleitung, in: Ebd., S. XIX. 128 Vgl. Seth: Universität Greifswald, S. 83–84. 129 Zum Prozess der Visitation und vor allem dem komplizierten Zustandekommen des Rezesses vgl. Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 257–260.

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digkeiten sowie um die (sämtliche Bereiche tangierende) Aufforderung zu Sparsamkeit erweitert.130 Die akademische Vermögensverwaltung und Güterwirtschaft hatten sich zwar weitgehend erholt, aber dafür waren die Studentenzahlen nach wie vor rückläufig. 131 Durch die Anpassung des Lehrprogramms an moderne Strömungen und damit auch an die studentische Nachfrage sollte der Negativtrend aufgehalten und Greifswald für die studierende Jugend wieder attraktiver werden.132 In gewisser Weise stellte auch dieser Rezess die Norm auf die akademische Realität vor Ort ein, indem die Anzahl der Ordinarien an die gesunkene Nachfrage angepasst wurde: Die 1666 veranschlagte Erweiterung der Professorenschaft auf 18 Personen in wohlhabenderen Zeiten, ließ der neue Rezess trotz wohlhabenderer Zeiten wieder fallen und verringerte stattdessen die Anzahl auf sogar nur noch 13 Personen. Damit war der status quo zur Norm erhoben.133 Auch die Professorengehälter blieben vorerst auf die nicht einmal zehn Jahren zuvor tatsächlich erreichten 200 Gulden beschränkt. Eingeschränkt wurde ebenfalls die seit 1666 stark gestiegene Anzahl der Extraordinarien auf maximal 2 Personen pro Fakultät. Außerdem passte der Rezess die außerordentlichen Professuren an das schwedische Universitätssystem an, indem auch die Extraordinariate der drei höheren Fakultäten fortan zu Adjunkturen wurden.134 Auf gleicher Lohnbasis erweiterten außerdem ein Sprach-, ein Fecht- und ein Tanzmeister den Kreis der Lehrer.135 Eine weitere Anpassung an schwedische Universitäten, aber gleichzeitig auch an die pommersche Realität stellte die weitgehende Aufhebung der ohnehin ‚eingeschlafenen‘ Kuratel dar. Bestehen blieben die umfassenden Vollmachten des Rektors und Konzils insbesondere auch in finanzadministrativen Belangen.136 Ihre Berichtspflicht galt nur noch dem Kanzler, der aber Konzilsbeschlüsse nicht ändern durfte.137 Der Kanzler sollte alle vier Jahre eine special visitation der Universität und ihrer Güterverwaltung mit Hilfe eines

130 Auf dem Amt Eldena lasteten immerhin noch Schulden, vgl. Visitationsrezess (1702), in: Ebd., S. 263 und sieben der akademischen Besitzungen waren noch verpfändet, vgl. Ebd. S. 279. Zu den Sparsamkeitsgeboten in den Normtexten für die Universität vgl. sowohl Kapitel 3.3.6. Spar- und Kontrollvorschriften zu den Universitätsgebäuden ab S. 313 als auch Kapitel 5.3.3.f. Spar- und Investitionskonflikt ab S. 455. 131 Seit dem letzten Krieg waren sie in der Regel unter 50 Immatrikulationen pro Jahr geblieben, mit nur seltenen statistischen Ausreißern: 1689–1690 99 Immatrikulationen, 1693–1694 70 Immatrikulationen, nach Seth: Bilagor. 132 Vgl. Seth: Universität Greifswald, S. 86. 133 Vgl. Visitationsrezess (1702), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 263–264. 134 Vgl. ebd., S. 264–265. 135 Vgl. ebd., S. 276–277 sowie Kapitel 2.1.3. Weitere Lehrer ab S. 185. 136 Die Einnahmen- und Ausgabenrechnungen sollten jährlich zu Walpurgis dem Rektor und den Seniores zur Prüfung übergeben werden, die die Register nach erfolgter Prüfung dann „zu ferner nachfrage verwahrlich beylegen“ sollten. So im Visitationsrezess (1702), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 287. 137 Vgl. Instruktion für den Kanzler (1702), in: Ebd., S. 293–298.

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Regierungsrats und zweier landständischer Vertreter abhalten.138 Jährliche Kontrollen durch Externe waren ohnehin schon lange nicht mehr durchgeführt worden und wurden nun im Prinzip durch jährlich zu veranschlagende Etats139 ersetzt. Unmittelbare Verantwortung trug die Professorenschaft, musste aber auf Nachfrage bzw. alle vier Jahre darüber Rechenschaft ablegen können. Trotz einer zunehmend spürbar werdenden „Zentralisierungspolitik der Karolinischen Monarchie“140 hielt sich König Karl XII. auch weiterhin weitgehend aus dem pommerschen Universitätswesen und insbesondere aus den ökonomischen Belangen der Hohen Schule heraus. Denn zum einen hatte sich die wirtschaftliche Autonomie der Korporation bewährt und sprach die Regierungskasse so von jeglicher Finanzierungsverantwortung frei. Zum anderen waren die Kapazitäten der Regierungskasse ohnehin ausgeschöpft, da sich die schwedische Krone seit 1700 im Krieg um die Vorherrschaft im Ostseeraum gegen eine Allianz aus Dänemark, russischem Zarenreich und Sachsen-Polen befand. Insgesamt stellte der Rezess von 1702 sicherlich einen „natürlichen Wendepunkt“141 in der Geschichte der Universität Greifswald dar. Hinsichtlich ihrer Finanz- und Vermögensverwaltung zeichnete er sich aber durch administrative Kontinuität und insbesondere ihre Verschriftlichung aus. Durch die erstmals eingehende Beschreibung der bewährten Handlungspraxis bestärkten die Visitatoren und die schwedische Regierung die ökonomische Selbstverwaltung, wie sie im Dotationsinstrument von 1634 verliehen worden war und sich seit den 1670er Jahren weitgehend frei von externer Kontrolle und Kritik entwickelt hatte.142 Der Rezess von 1702 hatte in dieser Form Bestand, bis er 1775 im Zuge einer umfassenden Neustrukturierung der Universitätsverwaltung ersetzt wurde. Er bildete bis dahin ein wirtschaftsrechtlich erstaunlich festes Fundament für die Universität, was sich insbesondere an ihrer Resilienz in und nach den großen (Wirtschafts) Krisen des 18. Jahrhunderts zeigte. Nachdem der Große Nordische Krieg 1711 in Pommern angekommen war, das Amt Eldena wieder einmal verwüstet wurde und der Universitätsbetrieb für kurze Zeit zum Erliegen kam, erholte sich der akademische Haushalt innerhalb von nur zehn Jahren vollständig.143

138 139 140 141 142

Vgl. ebd., S. 287–289. Vgl. ebd., S. 284. Seth: Universität Greifswald, S. 87. Ebd., S. 86 und Einleitung in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. XIX. Zur Entwicklung der akademischen Rechnungsführung vgl. Kapitel 1.3.2. Procuraturregister 1566–1768 ab S. 93. 143 Schilderung der diversen Belagerungen Greifswalds und Verwüstungen der Umgebung in Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 273–276, vgl. auch Buchholz (Hg.): Pommern, S. 341–344. Auf die anschließende, rasche Erholung des Universitätshaushalts weisen neben den reinen Ertragszahlen (vgl. Tabelle „Einnahmen und Ausgaben der Universität Greifswald 1646–1813“ unter www.uni-greifswald.de/furorcameralisticus) auch die Tatsachen hin, dass bereits 1720 wieder volle Gehälter ausgezahlt und 1730 die Verschuldung abgebaut werden konnte, vgl. dazu auch Heigl: Anleihe Academischer Gelder sowie Kapitel 5.3.1. Kreditgeberin Universität ab S. 406.

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1. Akademische Finanzadministration

1.2.6. Ökonomische Stabilität und Wachstum (1702–1750) Die schwedische Krone musste seit 1700 ihre Vormachtstellung im Mare Balticum gegen eine wachsende Allianz aus moskowitischen, sächsischen, polnischen und dänischen Heeren verteidigen. In diesem Zuge erreichten im August 1711 erste alliierte Truppen Schwedisch-Pommern und brachten den Großen Nordischen Krieg auch nach Greifswald. Die Stadt wurde zunächst von sächsischen und im Jahr darauf von moskowitischen Truppen besetzt. Das Amt Eldena wurde, wie die gesamte Region, schwer verwüstet. Während der Besatzung blieben nur wenige Professoren in der Stadt, versuchten aber weiterhin den Lehrbetrieb aufrecht zu erhalten. Gehälter erhielten sie – wie auch die akademischen Bediensteten – nicht mehr und auch aus dem Amt fielen nur noch sehr wenige Naturalien ab. Nachdem Preußen und England der Allianz gegen Schweden beigetreten waren, hatte Karl XII. Pommern verlassen und überließ die Provinz den neuen Besatzungsmächten. Ende des Jahres 1715 ließ der dänische König Friedrich IV. eine neue Regierung für das nördlich der Peene gelegene Schwedisch-Pommern einrichten. Der südliche Teil Vorpommerns fiel an Preußen. In Stralsund residierte nun ein dänischer Statthalter, der zumindest formal, wie schon der schwedische Statthalter, das Amt des Universitätskanzlers übernahm.144 Die dänische Regierung bestätigte relativ schnell den administrativen Status der Universität und setzte lediglich eine Inspektion des ruinierten Amtes Eldena an145 , in deren Folge die Dänen dem Greifswalder Rektor und dem Konzil aber auch weiterhin gestatteten, „dem herkommen gemäß“ den Amtmann einzusetzen und das Patronat im Amt zu führen.146 Der Große Nordische Krieg und ca. fünf Jahre dänischer Herrschaft hatten also keinen nennenswerten Einfluss auf die administrative Gestaltung der Universität. Nach dem Tod Königs Karl XII. im Jahr 1718 verloren die Schweden schließlich den Krieg und die Vorherrschaft im Ostseeraum und waren gezwungen etliche ihrer Besitzungen abzutreten. Dazu gehörten Livland, Estland, Ingermanland und Finnland sowie die deutschen Territorien Bremen, Verden und der Süden Vorpommerns, der nach 1720 bei Preußen verblieb. Der Friedensvertrag von Frederiksborg zwischen dem dänischen und dem schwedischen König im Jahr 1720 sicherte Schweden aber – gegen eine Zahlung von 600.000 Talern – den nördlich der Peene gelegenen Teil Vorpommerns, Rügen und Wismar. Schwedisch-Pommern war nach 1720 also nur noch halb so groß wie zu Beginn des Krieges, wodurch sich auch das potentielle Einzugsgebiet der Universität Greifswald halbiert hatte. Des

144 Vgl. Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 273–276. Zur dänischen Herrschaft in Pommern vgl. Krüger: Dänenzeit Vorpommerns sowie Krüger: Pommern in der dänisch-schwedisch-preußischen Zeit. 145 Vgl. Instruktion für die Provinzialregierung (1716), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 352–353. 146 Friedrich IV. gestattet Rektor und Konzil die Amtsführung (1717), in: Ebd., S. 358–359.

1.2. Ökonomische Selbstverwaltung der Universität Greifswald

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Weiteren verlor die Korporation dadurch Ansprüche auf Außenstände und Hypotheken südlich der Peene bzw. eine effektive Handhabe bei offenen Forderungen.147 Weit größeren Einfluss hatte dagegen das Erstarken der pommerschen Landstände vor dem Hintergrund einer schwedischen Verfassungsreform zwischen 1719 und 1723, die den schwedischen Absolutismus beendete und die sogenannte Frihetstid begründete. Die Macht des Königs in Stockholm blieb fortan bis 1772 deutlich eingeschränkt durch einen starken Reichstag, der spätestens nach 1738 von nur noch zwei einflussreichen ständischen Gruppierungen, den Hüten (hattar) und den Mützen (mössor) abwechselnd dominiert wurde.148 In diesem Zuge gelang es auch den Ständen in Schwedisch-Pommern sich gewisse Machtansprüche zu sichern. Hinsichtlich der Universität erreichten sie bereits ein Jahr nach Kriegsende, dass die schwedische Regierung die Kuratel, die in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts obsolet geworden und 1702 formell abgeschafft worden war, wieder einrichtete.149 Fortan sollten zwei landständische Vertreter, einer von der Ritterschaft und einer von den Städten, sowie der amtierende Generalsuperintendent „von Zeit zu Zeit“ den Zustand der Universität überprüfen und für einen reibungslosen Ablauf und eventuelle Optimierungen in sämtlichen Bereichen Sorge tragen. Die Kontrollfunktion der neuen Kuratel umfasste die Amts- und Pachtverwaltung, die Gutswirtschaft, die Stiftungs- und die Finanzverwaltung inklusive Erstellen des Jahresetats. Auffälligkeiten sollten dem Kanzler gemeldet werden. Alle Universitätsangehörigen hatten der neuen umfassenden Aufsichtsfunktion der Kuratoren Folge zu leisten.150 Das Konzil fügte sich aber nicht, sondern weigerte sich lange gegen die obrigkeitliche Instruktion, sodass der Konflikt darüber schließlich vor das Wismarer Tribunal, das Oberappellationsgericht für die schwedischen Besitzungen in Wismar151, gebracht wurde und von dort die Regierung in Stockholm erreichte. Diese bestätigte die ständische Kuratel über die Universität Greifswald aber nachdrücklich und endgültig im Februar 1724 in Form einer Resolution an die Stände.152

147 Dabei handelte es sich allerdings um juristisch oftmals aufwendige aber wenige Ausnahmen von insgesamt geringem Wert für den akademischen Gesamthaushalt. Vgl. z.B. den Streit um Rückstände der Familie von Horn auf dem Gut Peeselin (1702–1753), in: UAG, Universitätsgericht UG 341, o. fol. 148 Vgl. auch für das Folgende Segerstedt: Den akademiska friheten. 149 Instruktion für die Kuratoren der Universität (1721), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 2–8. 150 „So wirdt auch daßelbe von denen [...] Curatoribus überall mit möglichster Application zu observiren, von denen Herren Profesoribus aber und sämbtlichen commembris der Universität alles, was demselben gemäß von Herren Curatoribus besorget und erinnert wirdt, mit gebührenden Egard und zu unümbgänglicher Nachlebung auf- und anzunehmen seyn.“ in: Ebd., S. 7–8. 151 Zum Wismarer Tribunal vgl. insbesondere Jörn: Wismarer Tribunal sowie ders.: Wismarer Tribunal als Schlichter. 152 Vgl. Instruktion für die Kuratoren der Universität (1721), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 2–4 sowie Dähnert: Landes-Urkunden, S. 918.

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1. Akademische Finanzadministration

Die Landstände bewiesen durchaus ein starkes Interesse am „Gedeyen“153 der pommerschen Universität. Nicht nur unterstützten sie die Professoren in deren Bitten beim König um die Umsetzung des seit 1666 in Aussicht gestellten „augmentum salariorum“.154 Eine Erhöhung der Ordinariengehälter sollte im Sinne eines Standortvorteils renommierte Gelehrte nach Greifswald locken, um wiederum die stets niedrigen Studierendenzahlen zu heben. Außerdem setzten sie sich hinsichtlich tiefgreifender Differenzen innerhalb des Konzils erfolgreich für eine Visitation der Universität ein, die 1730 durchgeführt wurde. Die Professorenschaft war mittlerweile im Streit um die Anerkennung und Praktizierung der pietistischen Glaubensauffassung in ein pietistisches und ein orthodoxes Lager gespalten, was Auswirkungen auf sämtliche Universitätsfragen mit sich brachte.155 Zur Verbesserung der Lehre sollte neben dem professoralen Streit auch dem herrschenden ‚Schlendrian‘ der Ordinarien entgegengewirkt werden. Pläne, die Befugnisse der Kuratoren noch zu erweitern, dass beispielsweise auch bestimmte Wirtschaftsentscheidungen im Amt nicht mehr ohne Bewilligung der Kuratel ausgeführt werden dürften, riefen allerdings den lauten Protest des Konzils hervor. Zum einen befürchtete die versammelte Professorenschaft, dass ihr damit „alle Inspection über unsere Bauren, deren Häuser und Äcker“156 genommen würden, was de facto den Verlust der akademischen Selbstverwaltung bedeutet hätte. Zum anderen wiesen sie bei dieser Gelegenheit auf die logistisch mangelnde Realisierbarkeit der Pläne hin – insbesondere im Winter – und beschwerten sich auch gleich darüber, dass die Kuratoren schon in den vergangen Jahren nicht zuverlässig gewesen seien: Den städtischen Kurator habe man in dieser Zeit kein einziges Mal gesehen. Die Bemühungen der Landstände um eine stärkere Kontrolle über und eventuellen Einfluss auf die Universitätswirtschaft waren 1721 sofort auf den Widerstand des Konzil getroffen und führten auch im Folgenden wiederholt zu Beschwerden der Professoren über die Kuratoren. Offenbar arrangierten sich die beteiligten Parteien aber im Laufe der folgenden 20 Jahre. Denn zum einen erwies sich der Wille zur Einmischung, d.h. der tatsächliche Einsatz der Kuratoren, als geringer und zurückhaltender als vom Konzil befürchtet und als auf Grund der Normen vermutet worden war. Zum anderen setzten sich die Kuratoren themenabhängig durchaus auch engagiert beim Kanzler in Stralsund und beim König in Stockholm für die Belange der Professoren ein, wie beispielsweise in der Sache um das Augmentum. Ein von den Visitationskommissaren abgefasster Bericht gab 1730 neben Ratschlägen zur Beilegung des Pietismus-Streits und zur Verbesserung der Besucherzahlen auch Empfehlungen bezüglich der akademischen Wirtschaftsverwaltung. So befürworteten die Visitatoren ausdrücklich eine Lohnerhöhung, monierten aber die 153 Instruktion für die Kuratoren der Universität (1721), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 7. 154 Vgl. dazu Kapitel 2.3.1.e. Kampf ums „Augmentum Salariorum“ ab S. 236. 155 Vgl. Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 285–286; Seth: Universität Greifswald, S. 120–121; Lother: Pietistische Streitigkeiten. 156 So im Schreiben des Konzils an den König vom 24. April 1731, in: RAS Pommeranica Vol. 228, o. fol.

1.2. Ökonomische Selbstverwaltung der Universität Greifswald

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mangelnde Umsetzung der 1702 gesetzten Norm zur Etatbildung157 und zur Einrichtung der extraordinair cassa für die Rücklagenbildung.158 Davon abgesehen, standen die wirtschaftlichen Verhältnisse allerdings nicht im Fokus der Visitatoren. Denn seit Kriegsende war es der Universitätsadministration erstaunlich rasch gelungen nicht nur ihre Revenuen erheblich zu steigern, sondern auch die bestehenden Schulden davon zu begleichen und sogar Rücklagen zu erwirtschaften.159 Der Bericht der Visitationskommissare von 1730 blieb aber in Stockholm im Kanzleikollegium liegen und geriet zunächst in Vergessenheit. Ein regelrechter Visitationsabschied entstand daraus erst Anfang der 1740er Jahre, nachdem das Kanzleikollegium dem Generalgouverneur und Kanzler Johann August Meyerfeldt in Stralsund den Bericht zur erneuten Bearbeitung überstellt hatte. Meyerfeldt bestätigte daraufhin den 1730er Bericht weitgehend.160 Allerdings hatten sich die Bedingungen in Greifswald mittlerweile erheblich verändert. Der Streit auf allen Ebenen zwischen Pietisten und Orthodoxen war nach einem Eklat und einem KonzilsSchisma (1739–1740)161 mit der Wahl Christian Rusmeyers zum Generalsuperintendenten zu Gunsten der Pietisten entschieden worden. Des Weiteren hatte sich die Wirtschaftsleistung der Korporation seit 1730 verdoppelt, von 20.612 Gulden Jahresertrag 1630 auf jährliche Einnahmen von 41.902 Gulden im Jahr 1742 – inklusive der Zinseneinnahmen von insgesamt 31.260 Gulden verliehenem Eigenkapital. Zudem machte sich im Zuge des Neuhumanismus und der Aufklärung auch in Greifswald eine „wissenschaftliche Blüte“ bemerkbar: Diverse wissenschaftliche Gesellschaften und Zeitschriften entstanden in diesem Zeitraum und insgesamt nahmen die Aktivitäten der Professoren deutlich zu bzw. wurden sie durch die verstärkte mediale Öffentlichkeit wahrnehmbarer. Vor allem der 1741 auf Empfehlung des Hallenser Universalgelehrten Christian Wolff nach Greifswald berufene Mathematiker und Physiker Andreas Mayer trug als „Mittelpunkt des geistigen Lebens

157 Das Konzil solle hinsichtlich des Etats „nunmehro mit Zuziehung der verordneten Curatorum ohne alle Anstand zu diesem Werke [...] schreiten“, um baldmöglichst einen Etat beim Kanzler einreichen zu können, heißt es im Visitationsabschied (1730), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 33. 158 „Es muß aber nunmehro der Anfang damit würklich gemachet und in der Continuation nicht aufgehöret werden.“ Ebd. 159 Die Universität hatte einen „hübschen Überschuss“ erwirtschaftet, so Seth: Universität Greifswald, S. 139. Zum Schuldenabbau vgl. Kapitel 5.3.2.b. Kapitalaufnahme zwischen 1670 und 1747 ab S. 418. Zu den Rücklagen vgl. Kapitel 5.3.1.b. Eigenkapitalvergabe nach 1670 ab S. 408. 160 Vgl. Einleitung, in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. XVI, Abschied der Visitatoren (1730), in: Ebd., S. 24–36., Entwurf eines Visitationsabschieds [1742], in: Ebd., S. 118–128. 161 Vgl. dazu Alvermann: Einleitung, in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. XV.

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1. Akademische Finanzadministration

in Greifswald“162 und als Vertreter der modernen, anwendbaren und nützlichen Naturwissenschaften zur Blüte und ihrer Wahrnehmung bei.163 Das in Schweden im Laufe der 1740er Jahre langsam wieder erwachende Interesse an der pommerschen Provinzuniversität gründete weniger in den veränderten Verhältnissen in Greifswald, als vielmehr im einschneidenden Politikwechsel durch die neue Mehrheit der aristokratischen Gruppierung der hattar im Reichstag zum Jahreswechsel 1738/`39. Die Hüte vertraten die Prinzipien des Merkantilismus und des Utilitarismus, die sie auch in die bildungspolitische Debatte trugen: Der Zweck einer Universität bestand demnach vorrangig in der Ausbildung von Staatsdienern. Eine optimale Ressourcennutzung zur Stärkung und Erweiterung der schwedischen Wirtschaftsleistung bedeutete infolgedessen die Stärkung der praktischen, d.h. wirtschaftlich verwertbaren Wissenschaften durch Investitionen in diese Lehrbereiche.164 Auf Grund dieser Annahmen führten die Hüte diverse Reforminitiativen an den reichsschwedischen Universitäten durch und förderten insbesondere die Naturwissenschaften und Medizin durch Investitionen in entsprechende Lehreinrichtungen, wie chemische Laboratorien, physikalische Instrumentensammlungen, anatomische Theater, Observatorien, Botanische Gärten und Hospitäler.165 Während also die reformwillige schwedische Regierung auch die Universität in Greifswald wieder in den Blick zu nehmen begann, zeichnete sich die Lage dort durch administrative Stabilität und ökonomisches Wachstum aus. Diese Entwicklung ließ in Stockholm die Hoffnung auf eine rasche Umsetzung der Reformen sicherlich steigen, unmittelbare Konsequenzen folgten allerdings nicht. Auch der vermutlich 1742 aufgesetzte Abschied der Visitation von 1730 blieb weiterhin ohne königliche Bestätigung und wurde nicht Gesetz. Es galt weiterhin der Rezess von 1702, erweitert um die Aufsicht durch die Kuratoren, dessen Bestimmungen nachweislich nicht immer ausgeführt wurden. Das ungelöste Hauptanliegen der akademischen Finanzverwaltung blieb während der 1730er und 1740er Jahre, die Umsetzung der seit 1666 angekündigten Gehaltserhöhung für die Ordinarien. Wiederholt versuchte sie dieses schriftlich beim König in Erinnerung zu rufen. Die Lohnerhöhungen wären finanzierbar gewesen und wurden von einer breiten Basis in Pommern (Kanzler, Visitatoren, Kuratoren166) und zwischenzeitlich selbst vom Kanzleikollegium befürwortet.167 Das schwedische Interesse blieb aber auch weiterhin sehr beschränkt und zudem bestan-

162 Seth: Universität Greifswald, S. 135. 163 Vgl. ebd., S. 135–136, Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 292, Einleitung: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. XVI-XVII. 164 Vgl. ebd., S. XIX–XX, Lindroth: Svensk Lärdomshistoria, S. 17–18 und Segerstedt: Akademiske friheten, S. 75–79. 165 Vgl. Einleitung in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. XXI und Lindroth: Svensk Lärdomshistoria und Segerstedt: Akademiska friheten. 166 Vgl. Schreiben der Kuratoren A. v. Fürstenberg und D. J. Gerdes vom 26. November 1737 und ein Schreiben des Konzils vom 28. März 1740, in: RAS, Pommeranica Vol. 228, o. fol. 167 Vgl. Seth: Universität Greifswald, S. 139 und Kapitel 2.3.1.d. Kampf ums „Augmentum Salariorum“ ab S. 236.

1.2. Ökonomische Selbstverwaltung der Universität Greifswald

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den in Stockholm diesbezüglich Zweifel, ob ein „Kassenüberschuß für Gehälter verwendet“ oder nicht eher in moderne Lehreinrichtungen investiert werden sollte.168 Die Entscheidung, ob in Lehrpersonal oder -einrichtungen investiert werden sollte, traf in Greifswald im Prinzip Andreas Mayer, als er in seinem Rektoratsjahr 1747–1748 im Konzil, in Stralsund und in Stockholm den Neubau des stark sanierungsbedürftigen Kollegiengebäudes erfolgreich propagierte. Gegen eine anfänglich starke Opposition im Konzil und unter zumindest fragwürdigen Umständen setzte Mayer seine bald schon königlich befürworteten Baupläne durch, ließ sich „die Direction über diese Baute gantz alleine“ übertragen und sorgte dafür, dass der Bau statt der veranschlagten 12.000 Reichstaler am Ende insgesamt knapp 32.000 Reichstaler kostete. Die Universität war dadurch nicht nur gezwungen innerhalb von fünf Jahren den Großteil ihrer Rücklagen aufzubrauchen, sondern sie verschuldete sich darüber hinaus mit über 30.000 Reichstalern in der ganzen Region.169 Die ökonomische Lage der Universität hatte sich 1750 vollständig gewendet: Fortan konnte weder in Personal noch in Einrichtungen investiert werden, weil die Rücklagen nicht mehr vorhanden waren. Zudem fraß die neue Verschuldung in Form von Zinsenverpflichtungen (in der Regel 5 Prozent) einen Teil der regulären Erträge, was wiederum die Verschuldung weiter anwachsen ließ.170 Das Konzil war wieder zerstritten. Diesmal bildete sich eine Front gegen Andreas Mayer, der nicht nur als uneinsichtiger Hauptverursacher der Verschuldung angesehen wurde, sondern zudem als einziger Greifswalder Professor im Jahr 1750 vom König mit einer individuellen Lohnerhöhung aus der akademischen Kasse bedacht wurde.171 Hinzu kamen der Tod des seit dreißig Jahren amtierenden und hochroutinierten Procurators Christoph Nürenberg ohne eine geordnete Geschäftsübergabe172 und die Anzeichen einer allgemeinen Rezession.173

168 169 170 171 172

Seth: Universität Greifswald, S. 119–120. Vgl. dazu Kapitel 3.3.4.b. Verschuldung durch den Kollegienbau ab S. 308. Vgl. dazu Kapitel 5.3.2.c. Circulus vitiosus debitorum – Kapitalaufnahme nach 1747 ab S. 420. Vgl. dazu Kapitel 2.3.1.c. Gehaltszulagen ab S. 232. Vgl. dazu auch Kapitel 1.4.3.b. Die akademischen Procuratoren: 18. Christoph Nürenberg und 19. Georg Balthasar Nürenberg ab S. 164. 173 Die seit 1746 jahrelang grassierende Viehseuche muss sich langfristig ebenfalls auf die akademische, agrarisch geprägte Wirtschaft niedergeschlagen haben, da es durchaus vorkam, dass „in einer Nacht 10, 20, 40 und mehr Häupter umgefallen.“ So beschrieben es zumindest die Landstände dem König am 21. Januar 1752, in: RAS, Pommeranica Vol. 220, o. fol.

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1. Akademische Finanzadministration

1.2.7. Wirtschaftskrise, Verschuldung und Reformdruck (1750–1775) a) Sommer 1750 Im Spätsommer 1750 erwies sich, dass dem Konzil de facto die Kontrolle über die akademischen Finanzen entglitten war.174 Das Geld in der Universitätskasse reichte schon seit längerem nicht mehr für alle Aufwendungen, als die Material- und Handwerkerrechnungen des Kollegienneubaus vermehrt und oftmals unerwartet eintrafen. Immer öfter musste Kapital, auch zur Bestreitung des regulären Betriebes, vor allem zur Begleichung der wachsenden Zinsenpflichten, aufgenommen werden.175 Schon im Frühjahr, als der Streit im Konzil noch nicht eskaliert, aber die Kassenlage bereits angespannt war, berichteten die akademischen Kuratoren auf Anfrage des Kanzleikollegiums176 am 12. Mai 1750 vom mittlerweile schlechten Zustand der Hohen Schule und regten zur Behebung dessen eine Visitation an.177 Die Kuratoren mahnten in diesem Zusammenhang, dass die Studentenzahlen der pommerschen Universität zu gering seien und durch ein effektives Landeskindergesetz politisch gefördert werden müssten. Die Lehre sei mit dem geringen Angebot öffentlicher und stattdessen vermehrt kostenpflichtiger privater Collegien zu teuer für das vergleichsweise arme Pommern. Die zusätzlichen administrativen Aufgaben der Professoren – insbesondere die häufige und intensive Beschäftigung mit der akademischen Guts- und Vermögensverwaltung – förderten Streitigkeiten im Konzil, die dringend unterbunden werden müssten. Vor allem aber müsste der schlechten Kassenlage und der hohen Verschuldung entgegengewirkt werden. Dazu bedürfe es der Steigerung der Revenuen durch strukturelle Optimierungen in der Gutswirtschaft.178 Das offensichtliche Versagen der kollegialen Finanzverwaltung wurde schließlich im Spätsommer 1750 durch einen Bericht des Konzils an die pommersche Regierung öffentlich gemacht. Darin gaben die Professoren ihre Überforderung mit der aktuellen ökonomischen Situation zu und baten nun ebenfalls um Un-

174 Vgl. dazu Kapitel 3.3.4.a Administrative, ökonomische und politische Umstände ab S. 301. 175 Vgl. dazu Kapitel 5.3.2.c. Circulus vitiosus debitorum – Kapitalaufnahme nach 1747 ab S. 420. 176 Vgl. Einsendung der Vorlesungsverzeichnisse und Disputationen (1749), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 162. 177 Generalsuperintendent und Professor Jacob Heinrich von Balthasar äußerte sich beim Austausch der Berichts-Entwürfe der Kuratoren untereinander zur Visitation allerdings sehr skeptisch bis resigniert. Sie sei zwar im Rezess (1702) verordnet worden, würde aber wohl nichts bewirken können – wie die vorherige Visitation auch schon. Sollten überhaupt Gesetze daraus entstehen, würde sich ohnehin keiner daran halten, weil keine Strafen folgten. So äußerte sich Balthasar in einem Schreiben an Gesterding vom 8. Mai 1750, in: UAG, Altes Rektorat R 2278, fol. 28r. 178 Zur Debatte und dem Bericht der Kuratoren vom 12. Mai 1750 vgl. UAG, Altes Rektorat R 2278, fol. 11r–31r bzw. 51r–54r, Einleitung in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. XXIV–XXV sowie Seth: Universität Greifswald, S. 145–147.

1.2. Ökonomische Selbstverwaltung der Universität Greifswald

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terstützung im Umgang mit den Schulden und der Schuldenursache durch eine Visitation.179

b) Schwedische Reformpläne Für die pommersche Regierung und die Landstände lag die Ursache der ökonomischen Notlage in der Ineffektivität der akademischen Selbstverwaltung und ihrer scheinbar gescheiterten internen Kontrollstruktur. Demzufolge galt es die externe Kontrolleinrichtung der Kuratel dringend zu stärken und auszubauen.180 Als erster Schritt in diese Richtung erfolgte die Weitergabe der Bitten um eine Visitation der Universität bei der Regierung in Stockholm. Das Ansuchen der Kuratoren vom Mai 1750 traf in Stockholm auf die erwähnten konkreten Pläne der Hüte-Regierung zur Modernisierung der Universitäten des Reiches. Kurz darauf entstand daher in einer „Kleinen Geheimen Deputation“ auf dem Reichstag von 1751/1752 ein Reformvorschlag für die Universität Greifswald nach dem Muster der Reformen in Lund und Uppsala.181 Wie an den reichsschwedischen Universitäten bereits umgesetzt, sollte nun auch in Greifswald die Lehre durch Investitionen in moderne und hauptsächlich naturwissenschaftliche Einrichtungen programmatisch optimiert werden, um dadurch mehr Studenten nach Greifswald zu locken. Die Finanzierung dessen spielte im Reformprogramm keine Rolle, war sie doch Aufgabe der Universität. Die Berichte von einer angespannten Kassenlage in Greifswald waren zu diesem Zeitpunkt entweder noch nicht bei der Regierung angelangt oder sind nicht allzu ernst genommen worden. Keine fünf Jahre zuvor hatte es immerhin noch ausgezeichnet um die akademischen Finanzen gestanden.

c) Instruktion zur Visitation 1754 Auf den Visitationsantrag der Kuratel ging die schwedische Regierung zunächst nicht ein. Weil eine Reaktion aus Stockholm ausblieb, wiederholten die Kuratoren im April 1753 erneut ihr Anliegen, diesmal noch unterstützt durch einen Beschluss der Landstände, der besagte, dass eine ausführliche Inspektion der Universität das „eintzigste Mittel“ sei, „die Unordnungen bey der Academie abzustellen und die selbige wieder in Aufnehmen und Flor zu bringen.“182 Erst im Jahr darauf erfolgte der lang ersehnte Startschuss für eine Visitation in Form einer königlichen Instruk179 Vgl. Schreiben des Konzils an den Kanzler vom 23. September 1750, in: UAG, Altes Rektorat St. 332, fol. 170r–171r; vgl. auch Kapitel 3.3.4.a. Administrative, ökonomische und politische Umstände ab S. 301. 180 Vgl. Schreiben der Kuratoren von Behr und Gesterding an Rektor und Konzil vom 19. September 1750, in: UAG, Altes Rektorat St. 332, fol. 159r–162r. 181 Vgl. Seth: Universität Greifswald, S. 145. 182 Schreiben der Kuratoren an die königl. Regierung am 11. April 1753, in: UAG, Altes Rektorat R 2278, fol. 63v.

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1. Akademische Finanzadministration

tion für die Visitationskommissare. Die Instruktion war dabei offensichtlich unter dem Einfluss sowohl der Hüte-Reformideen als auch der pommerschen Landstände183 entstanden. Denn anstatt lediglich das Inspektionsgeschehen festzulegen, enthielt die Instruktion bereits programmatische Vorsätze, die in gewisser Weise den Visitationsausgang vorwegnahmen: Um die 1751/1752 vorgeschlagenen Investitionen anstellen zu können, müsse die ökonomische Lage der Universität verbessert werden. Dazu sah die Instruktion nicht nur vor, die akademische Selbstverwaltung auf den Prüfstand, sondern die gleich unter die Aufsicht der Kuratel zu stellen.184 Die der Instruktion bereits immanenten Visitationsziele waren also zum einen der Ausbau der externen Kontroll- und Entscheidungsfunktion der Kuratel auf Kosten der akademischen Selbstverwaltung (1.) und zum anderen eine sukzessive Ertragssteigerung im Amt Eldena zum Schuldenabbau und zur Rücklagenbildung für Investitionen aus eigenen Mitteln zur Durchsetzung der schwedischen Reformpläne (2.). 1. Die internen Kontrollmechanismen hatten nachweislich versagt, wofür vor allem die hohe Verschuldung Beweis war. Auf Grund der akademischen Selbstverwaltung seien die Professoren zerstritten und würden von ihrer Lehrverpflichtung abgehalten, weshalb die externe Aufsicht ausgebaut werden müsse. Zur Entlastung der Professoren sollten die Kuratoren fortan als Prüf- und Entscheidungsinstanzen in Fragen der Landwirtschaft vom Amtmann und bei der Gebäudeverwaltung vom Structuarius herangezogen werden. Beschlossene Maßnahmen bedurften aber auch weiterhin der Zustimmung des Konzils. Den Kuratoren oblag außerdem fortan die jährliche Rechnungsprüfung, die bisher ausschließlich intern abgenommen worden war. Des Weiteren hatten sie dafür Sorge zu tragen, dass keine unnötigen Ausgaben gemacht und dass jährlich ein Etat erstellt würde.185 Die Landstände betonten allerdings ebenfalls, dass in Stockholm unbedingt darauf geachtet werden müsse, den Gesuchen einzelner Professoren aus Greifswald um Gehaltshöhungen bzw. Gehaltszulagen nicht nachzukommen, da die akademische Kasse keinerlei Kapazitäten für zusätzliche königliche Anweisungen aufweise.

183 Anliegen der Landstände war seit Anfang der 1750er Jahre allgemein eine Revision der korporativen Rechte der Universität. Im März 1753 konnten Rektor und Konzil aber das akademische Jurisdiktionsrecht erfolgreich verteidigen, vgl. Exemtion von der Jurisdiktion des Königlichen Hofgerichts (1753), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 176–178, weniger erfolgreich erwies sich die Universität im Behaupten ihres Rechts auf selbständige Vermögensverwaltung, vgl. Erneuerung der Kanzlerinstruktion von 1702 (1754), in: Ebd., S. 178–180. 184 Zur Entlastung der Professoren sollten „verordnete Curatores Academiae, in Fällen, die LandWirtschaftlichen Sachen betreffen [...], bey Bauten der Academischen Häuser und Wohnungen [...] unter ihrer, der Curatorem Direction das nützliche [...] untersuchen, [und] reguliren [...].“ in: Instruktion für die Visitatoren vom 6. Mai 1754, in: RAS Pommeranica Vol. 424, o. fol. 185 Vgl. ebd., den Bericht der Kuratoren an die Königliche Regierung vom 11. April 1753, in: UAG, Altes Rektorat R 2278, fol. 61r–64r und Seth: Universität Greifswald, S. 155.

1.2. Ökonomische Selbstverwaltung der Universität Greifswald

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2. Zur Umsetzung landesherrlicher Ausgabenanweisungen müssten zuerst die Revenuen aus dem Amt gesteigert und die bestehenden Schulden abgebaut werden. Der dazu maßgeblich von dem Kurator und Agrarreformer Felix Dietrich von Behr ausgearbeitete Plan186 sah eine Steigerung der Erträge um ca. 77 Prozent, durch das möglichst flächendeckende Anlegen von zu verpachtenden Ackerwerken vor. Im Amt Eldena sollte die direkt verwaltete, konjunktur- und dienstabhängige Gutswirtschaft erheblich eingeschränkt und stattdessen die Verpachtung gegen jährliche Fixbeträge ausgebaut werden.187 Obwohl dem Konzil seit Sommer 1750 an einer externen Beurteilung und Schlichtung der Lage gelegen gewesen war, protestierte es dennoch vehement gegen die Ziele der Instruktion und der Landstände allgemein. Insgesamt seien die neuen Bestimmungen nach Auffassung der Universitätsverwandten rechtswidrig, da sie das im Dotationsinstrument von 1634 gewährte Recht auf Selbstverwaltung aushebelten. Im Speziellen galt der Protest auch der Einsetzung zweier Schuldner der Universität: des Tribunalspräsidenten Moritz Ulrich Graf von Putbus und des Regierungsrats Philipp Ernst von Horn.188

d) Eine Frage der Reputation Unter diesen konfliktversprechenden Vorzeichen standen die folgenden zwei Jahrzehnte zwischenzeitlich unterbrochener Visitationstätigkeit an der Universität Greifswald (1754–1774)189, während der akademische Schuldenberg stetig anstieg und die Reputation der Greifswalder Professoren korrelativ dazu abnahm. Letzteres hatte viele unterschiedliche Ursachen, die sich im Laufe der 1750er und 1760er Jahre insbesondere in Stockholm zum Narrativ von den unfähigen, streitsüchtigen, gierigen und geizigen Professoren an der Universität Greifswald verwoben.190

186 Die agrarwirtschaftlichen Reformpläne stammten hauptsächlich vom Kurator, Landrat und bedeutendem Agrarreformer Felix Dietrich von Behr, der auch „Hauswirtschafftliche Vorschläge über die im Ambte Eldenow belegene academische Güter“ verfasste, in: UAG, Kurator K 5672; zu von Behr siehe auch Schleinert: Der ideale Gutsbetrieb, S. 21–25. 187 Dazu ausführlich Baumstark: Universität Greifswald, S. 15–17. 188 Zu diesem Konflikt vgl. im Kapitel 5.3.1.c. Die Schuldner der Universität, S. 415 sowie Kapitel 5.3.3.e. Schuldenabbau ab S. 450. Vgl. ebenso das Schreiben des Konzils an den König vom 17. Juni 1754, in: RAS, Pommeranica Vol. 424 sowie Baumstark: Universität Greifswald, S. 4. 189 Ausführlich wertet Baumstark: Universität Greifswald insbesondere die Visitationsakten dieses Zeitraumes aus. 190 Maßgeblich trug Johann David von Reichenbach zur Verbreitung dieses Narrativs im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts bei, vgl. dazu unten die Ausführung zu Reichenbachs Schriften im Kapitel 1.2.9. Schuldenabbau und Investitionen (1770er–1806) ab S. 71. Seth: Universität Greifswald, S. 222 berichtet zudem von einer schwedischen Schmähschrift „Berättelse om Pommern“ eines anonymen Autors aus dem Jahr 1771.

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1. Akademische Finanzadministration

Greifswalder Promotionshandel Der ursprünglich in Schweden ausgelöste Greifswalder Promotionshandel trug deutlich zum Negativbild der pommerschen Universität bei. Für die Hohe Schule selbst bedeutete er aber bis in die 1760er Jahre beachtlich steigende Studentenzahlen.191 Für die reichschwedischen Universitäten wurde Greifswald in diesem Zuge erstmals zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz. Die Ursache war die Einführung von Promotions-Quoten an den reichsschwedischen Universitäten Mitte der 1740er Jahre. Dadurch sollte der begrenzte Stellenmarkt geschützt und eine Akademikerschwemme vermieden werden. Die einzige Universität unter schwedischer Herrschaft ohne eine solche Beschränkung blieb jene in Greifswald, die darüber hinaus günstigere Lebenshaltungskosten versprach. Immer mehr Kandidaten wichen daher aus, um ihr in Lund, Uppsala oder Åbo absolviertes Studium in Pommern mit einer Magisterpromotion abzuschließen. Greifswald verlangte geringere Promotionsgebühren von ihnen und ermöglichte auch ein schnelleres Verfahren ohne vorhergehendes Examen, da sämtliche Bedingungen in der Regel an deren Universität erfüllt worden waren. Das beförderte wiederum die Nachfrage bei schwedischen Kandidaten, sodass die reichsschwedischen Universitätskanzler schließlich empört den Reichstag und den König zum Handeln aufforderten. Sie diskreditierten die Universität Greifswald und den Wert der erworbenen Magistergrade, was durch den darauf folgenden Regierungsbeschluss noch verfestigt und allgemein anerkannt wurde: 1750 beschloss der Reichstag die Einführung einer Art Nachprüfung für Promotionen, die Schweden in Greifswald erworben hatten.192 Nachdem diese Verordnung 1752 aber wieder gekippt worden war, stiegen auch die Zahlen der schwedischen Promotionskandidaten in Greifswald sofort wieder deutlich an und die pommersche Universität entwickelte ein regelrechtes Promotionshandelssystem mit einem ständigen Vertreter in Stockholm zur Verleihung von Magistergraden in absentia.193 Konflikte innerhalb der Professorenschaft Von den Konflikten innerhalb der Professorenschaft handelt ein Großteil des Schriftverkehrs zwischen der Universität und der königlichen Regierung bzw. dem König. Die Streitigkeiten zogen sich über den gesamten Visitationszeitraum von 191 Zwischen 1753 und 1763 waren fast die Hälfte der neu immatrikulierten Studenten Schweden, vgl. Seth: Bilagor, S. 8–7. 192 Vgl. Anerkennung der Magistergrade schwedischer Kandidaten (1750), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 174–175. 193 Die absentia-Promotionen von Schweden in Greifswald wurden 1764 gänzlich untersagt und das Verbot 1768 auch auf Doktorpromotionen ausgeweitet, vgl. Einleitung, in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. XXI–XXIII und Seth: Universität Greifswald, S. 190–219 sowie ebd., S. 232–233 zum konkreten Skandalfall um die Doktorgradverleihung an einen Schuhmacher aus Altona im Jahr 1774.

1.2. Ökonomische Selbstverwaltung der Universität Greifswald

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1754 bis Anfang der 1770er Jahre und betrafen auffällig häufig Universitätsexterne und schwedische bzw. schwedisch unterstützte Professoren auf der einen und pommersche Professoren auf der anderen Seite. Das Bild eines entzweiten Konzils diente dabei kaum dem überzeugenden Auftreten der Professorenschaft als Administrationsgremium im Ringen um die akademische Selbstverwaltung. Hinzu kam, dass das Konzil ab 1754 in seiner Korrespondenz nicht mehr als ein Korpus („Rector et Concilium Academiae“) auftrat, sondern fortan jeder Professor namentlich unterzeichnete und außerdem Separatvoten gestatten waren.194 Dieser Faktor könnte den Eindruck der stets zerstrittenen und somit handlungsunfähigen Professorenschaft verstärkt haben – nicht zuletzt in der historischen Auswertung des Schriftverkehrs. In besonderem Maße bedienten und befeuerten die Greifswalder Professoren Andreas Mayer195, der Mediziner Jonas Böckmann und der Philologe Johann Karl Kellmann, der ehemalige Greifswalder Student und königliche Kämmerer Johann David von Reichenbach196 sowie der Dozent in Uppsala Jonas Apelblad durch persönliche Berichte im Laufe der 1750er und 60er Jahre das in Stockholm herrschende Negativbild der Universität Greifswald, ihrer Lehre und ihrer Administration.197 Administratives Durcheinander und Inkompetenz In den ersten beiden Visitationsjahren (1754–1756) erwies sich die akademische Finanzverwaltung bei dem Versuch der Revision ihrer Rechnungen von 1730–1755 tatsächlich als unorganisiert und kaum auskunftsfähig. Einige Rechnungen und Nachweise mussten erst lange gesucht werden, wurden teilweise nicht eingereicht und auf die von den Visitatoren beanstandeten Monita konnten oder wollten weder der amtierende Rektor, noch seine Amtsvorgänger, noch der neue Procurator antworten. Jeder schob die Verantwortung über die teilweise Jahrzehnte alten Finanzvorgänge von sich und anderen zu198, was dem Konzil verständlicherweise als „hartnäckige Verschleppungstaktik“ ausgelegt worden ist.199 Denn in der Tat zeugte dieses Vorgehen für Externe von einer offenbar unübersichtlich geführten Verwaltung eines gefährlich selbständig agierenden Procurators. In den Augen der

194 „[...] falß alsdann etwan einer oder mehrere von ungleicher Meinung seyn solten, dieselben Freiheit haben mögen, selbige schrifftlich und separatim dem Schreiben des Concilii beyzufügen.“ So heißt es erstmals in der Erneuerung der Kanzlerinstruktion von 1702 (1754), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 179. 195 Vgl. Darstellung der Interessendurchsetzung Andreas Mayers durch ausgewählte Informationspolitik im Kapitel 2.3.1.d. Kampf ums „Augmentum Salariorum“ ab S. 236. 196 Zu Reichenbachs Einfluss in Stockholm auf die Belange der Universität vgl. Seth: Universität Greifswald, S. 159–160. 197 Vgl. ebd., S. 153–155. 198 Vgl. Baumstark: Universität Greifswald, S. 9–12. 199 Seth: Universität Greifswald, S. 156.

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1. Akademische Finanzadministration

1756 mittlerweile ungehaltenen Visitatoren stellte das Konzil daher ein „nicht sachverständiges Collegium“ dar, das aus „Unkenntnis oder Missverständnis der Mitglieder, von den Beamten ohne Mühe hintergangen“ werden könne.200 Des Bildes von den für die Finanz- und Vermögensverwaltung ungeeigneten Professoren, deren Lehre unter der zusätzlichen Aufgabe leiden würde, bediente sich das Konzil aber auch selbst, als es sich bspw. im Juli 1756 bei der Visitationskommission für die Verzögerungen entschuldigte. Dort verwies man unter anderem auch auf die „vielfältigen Arten unserer akademischen Arbeiten, die wir zum Schaden der akademischen Jugend doch nicht gar haben unterlassen können.“201 Vor allem zeugten aber die ökonomischen Entwicklungen selbst vom Versagen der selbständig, kollegial geführten Finanz- und Vermögensverwaltung der Universität Greifswald und rückten das Administrationskollektiv in ein schlechtes Licht. Ihr Defizit war spätestens seit 1750 strukturell und ließ daher die Verschuldung immer weiter anwachsen.202 Im Jahr 1756 sollen die Schulden der Universität 50.000 Reichstaler betragen haben und stiegen im Laufe der 1760er Jahre Inflationsbedingt sogar über 90.000 Reichstaler an.203 Erhöhte Kapitalschulden brachten höhere Zinsenpflichten mit sich, die wiederum das Gesamtbudget schmälerten und so zu erneuter Kapitalaufnahme zwangen.

e) Königliche und landständische Interessen und Motive Im Laufe der Visitation Mitte der 1750er Jahre stieß eine durch Streitigkeiten im Konzil und Versagen der Akteure aus dem Ruder gelaufene akademische Wirtschaftsverwaltung auf unterschiedliche Reforminteressen in Pommern und Stockholm: –

Reform der akademischen Wirtschaftsverwaltung. Den pommerschen Landständen war am Fortbestand der Universität aus korporativen Mitteln wie auch an einer Beschränkung der akademischen Autonomie und dem Ausbau ständischer Mitbestimmung in der Eldenaer Gutswirtschaft gelegen. Für den ersten Punkt war insbesondere eine Agrarreform zur Ertragssteigerung von Nöten, die nur durch den zweiten Punkt erreicht werden könnte.

200 So Baumstark: Universität Greifswald, S. 9–10. 201 Zitiert nach ebd., S. 12. 202 Vgl. auch für das Folgende Kapitel 5.3.2.c. Circulus vitiosus debitorum – Kapitalaufnahme nach 1747 ab S. 420, Einleitung in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. XXV und Seth: Universität Greifswald, S. 157. 203 Ebd., S. 166. Wobei die im Schriftverkehr angeführten Schuldenzahlen selten mit den entsprechenden Zahlen der Wirtschaftsquellen korrespondieren. Alleine der Umgang, bzw. die Wertung des Stiftungskapitals als Schuldbetrag waren nicht eindeutig und konnten je nach Interessenlage unterschiedlich ausgelegt werden. Vgl. dazu insbesondere Kapitel 5.3.3.a. Akademische Verschuldung ab S. 435.

1.2. Ökonomische Selbstverwaltung der Universität Greifswald



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Reform des akademischen Lehrangebots und -ausrichtung. Die königliche Regierung verfolgte sowohl den Erhalt der pommerschen Universität als auch ihre Reformierung. Das schwedische Ziel stand im Zeichen des Utilitarismus und forderte den Ausbau der praktischen Wissenschaften (Lehrer und Einrichtungen) nach dem Vorbild ihrer reichsschwedischen Hohen Schulen.

Diese beiden Pläne ergänzten und benötigten einander: Die schwedischen Pläne bedurften einer soliden Finanzierung, wie sie die Universitätskasse nicht mehr bieten konnte. Die landständischen Pläne zur ökonomischen Verbesserung versprachen eine baldmögliche Umsetzung der schwedischen Ausbauvorhaben. Aus diesem Grund unterstützte die Regierung in Stockholm auch aktiv die pommerschen Landstände im Zusammenhang der Universitätskontrolle und -verbesserung, wie beispielsweise im Fall der zielorientierten Instruktion für die Visitatoren von 1754. Ein Ergebnis der Visitation war tatsächlich bereits in der Instruktion verankert gewesen: Die Umstrukturierung der Bauerndörfer mit nur geringen Hebungen (Dersekow, Wampen und Ungnade) zu größeren Ackerwerken mit höheren Pachtabgaben. Die Umsetzung dieser agrarwirtschaftlichen Reform traute man unter den oben aufgeführten Umständen der Professorengemeinschaft nicht mehr zu.

f) Die Ökonomische Kommission für die Universität Daher beauftragte König Adolf Friedrich am 13. Dezember 1756 den Kanzler, die beiden Kuratoren und den Regierungsrat von Horn (nach wie vor Universitätsschuldner) mit der Realisierung der Meliorationsmaßnahme zur Steigerung der akademischen Erträge. Weil das in die korporative Selbstverwaltung gesetzte Vertrauen ohnehin enttäuscht worden war, betraute der König das Gremium außerdem gleich mit der Verwaltung der gesamten Gutswirtschaft sowie der akademischen Gebäude- und Bausachen in der Stadt und auf dem Land. Rektor und Konzil verloren ihre Beschlussrechte in einem Großteil der korporativen Wirtschaftsangelegenheiten.204 Dadurch war der Rechtsbruch, den die Greifswalder Ordinarien beim Ausstellen der Instruktion bereits befürchtet hatten und den sie versucht hatten abzuwenden, vollzogen: Die im Dotationsinstrument von 1634 garantierte ökonomische Selbstverwaltung der Universität Greifswald war ausgehebelt und weite Teile der Universitätswirtschaft der Kuratel unterstellt.

204 „[...] Professores aber in und von dergleichen nur eine unzureichliche practische Käntniß aber vollends gar nicht haben können; so wird es dienlich seyn, wenn sie mit solchen Dingen von ihren Amtsverrichtungen nicht abgehalten, sondern die Untersuchung und Regulirung aller oeconomicorum Curatoribus academiae dergestalt überlaßen werden, daß diese das obhandene [Gutswirtschaft und Gebäudeverwaltung] mit Zuziehung des Beamten und Structuarii besorgen, und dabey das zum Besten der Academiae gereichende observiren, jedoch Prorectori und Concilio davon Nachricht geben [...].“ Einrichtung der Ökonomischen Kommission (1756), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 220.

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1. Akademische Finanzadministration

g) Krieg, Inflation und Wiederaufbau Die Agrarreformen sind aber auch von der dafür eingesetzten Ausführungskommission zunächst nicht verwirklicht worden, weil kein Jahr später Schweden in den Siebenjährigen Krieg eintrat und Pommern zum Kriegsschauplatz machte. Greifswald wurde im Januar 1758 von preußischen Truppen besetzt und in den folgenden Jahren fand ein häufiger Wechsel schwedischer und preußischer Streitkräfte in der Region statt. Alleine 1758 leistete die Universität insgesamt 37.000 Reichstaler preußischer Kontributionen.205 Die Universitäts- und Amtswirtschaft brach diesmal zwar nicht völlig zusammen, wie wiederholt in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts und zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Die Revenuen aus dem Amt reichten aber auch diesmal nicht für sämtliche Betriebskosten und die steigende Zinsenverpflichtung, so dass zu deren Begleichung erneut bzw. weiterhin Fremdkapital aufgenommen werden musste.206 Das Geld, das in die Kasse gelangte und in Form von Löhnen, Stipendienhebungen und zur Rechnungsbegleichung ausgezahlt wurde, verlor außerdem im Laufe des Siebenjährigen Krieges und noch anschließend sukzessive an Wert.207 Die Provinzialregierung für Schwedisch-Pommern reagierte darauf unter anderem mit einer nachträglichen Abwertung von Kapitalbeträgen, die seit 1749 gehandelt worden waren208 und stellte im Frühjahr 1763 durch die Einführung neu geprägter Münzen für Pommern nach dem Leipziger Fuß die traditionelle pommer-

205 Vgl. Seth: Universität Greifswald, S. 163, Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 296. 206 Was Ende der 1750er vorübergehend nicht so leicht war, wie noch Ende der 1740er Jahre, vgl. Schreiben J. H. von Balthasars an Rektor vom 1. Februar 1758, in: UAG, Altes Rektorat R 1515, fol. 106r–106v. 207 Zum einen ließ die „Hüte“-Regierung im schwedischen Reich seit 1758 zur Geldvermehrung zunehmend Papiergeld drucken während sie gleichzeitig den Kupfervorrat der Reichsbank abbauen ließ, um mehr billige Kredite vergeben zu können. Diese Strategie löste in Schweden eine Inflation aus, die auch Auswirkungen auf Schwedisch-Pommern hatte, vgl. Buchholz: Öffentliche Finanzen, S. 83–88. Schwedisch-Pommern selbst gehörte aber dem deutschen Reich an und war in Münzsachen an die Reichsgesetzgebung (nach dem Leipzig-Torgauer Vertrag vom 4. Juli 1690 und vorwiegend Silber- und Goldmünzen) gebunden. Ab 1758 wurde aber in Stralsund eine eigene schwedisch-pommersche Münzstätte eingerichtet, wo im Laufe des Krieges zunehmend minderwertiges Geld geprägt wurde. Außerdem unternahm die Regierung gleichzeitig nichts gegen einfließende geringwertige Münzen aus Preußen und Mecklenburg. Diese Entwicklung führte in Pommern zu einem raschen und erheblichen Kursverlust des kursierenden Geldes, der seinen Höhepunkt in den beiden Jahren nach Kriegsende fand und ab 1762 zunächst mit dem sogenannten „Agioreglement“ und einer systematischen Auswechslung des Kriegsgeldes durch neu geprägte Münzen nach dem Leipziger Fuß behoben wurde. Zur Münzgeschichte Schwedisch-Pommerns vgl. Krüger: Landesherrliche Münzprägung und Marsson: Stralsund als schwedische Münzstätte. Zu den „Münz-Sachen“ vgl. auch Dähnert: Landes-Urkunden, Suppl. Bd. 2, S. 513–516. 208 Vgl. das Agio-Reglement vom 25. Juli 1762, in: Dähnert: Landes-Urkunden, Bd. 3, S. 742– 745.

1.2. Ökonomische Selbstverwaltung der Universität Greifswald

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sche Währungsstabilität wieder her.209 Eine Folge dieser Maßnahme war auch, dass die Schulden der Universität zu Beginn der 1760er Jahre durch das sogenannte Agio-Reglement an Wert verloren, die Zinsenpflicht sich minderte und dadurch der akademische Haushalt deutlich entlastet wurde.210 Bis zum Höhepunkt der Inflation waren durch den König in Stockholm vereinzelt individuelle Lohnerhöhungen und 1756 zusätzlich eine allgemeine für alle Ordinarien gewährt worden: Dem Professor Andreas Mayer sagte der König die Finanzierung einer physikalischen und mathematischen Instrumentensammlung zu (1753) und ließ eine zusätzliche Professur für schwedisches Staatsrecht211 einrichten (1757) – beides zu Lasten der verschuldeten Universitätskasse, im Vertrauen auf die sehr optimistischen landständischen Meliorations-Prognosen. Die Agrarreform ist dabei erst ab 1761, dann allerdings innerhalb von nur wenigen Jahren, umgesetzt worden. Tatsächlich stiegen in ihrem Zuge die Revenuen – wenn auch bei Weitem nicht um die vorhergesagten 77 Prozent. Zum einen war es schwer Pächter für die neuen Ackerwerke zu finden und zum anderen blieben jene, die auf Pachtverträge eingegangen waren, auch nach Kriegsende in erheblichem Zahlungsrückstand.212 Relative Mehreinnahmen aus der Gutsverwaltung und scheinbare Schuldenverringerung durch Kapitalwertminderung erlaubten nach dem Krieg und der Währungsreform, dass nach schwedischem Plan in Greifswald wieder in Lehrer und Lehreinrichtungen investiert werden konnte. Unmittelbar entstand daher ein Observatorium Astronomicum (1762), zwei Jahre darauf der bereits seit den 1670er Jahren angedachte Botanische Garten213 und 1767 wurde der Lehrstuhl für Moral und Geschichte in zwei neue Professuren aufgeteilt.214 Aber die Ertragssteigerungen reichten nicht aus, um Kriegsverluste auszugleichen215 und gleichzeitig neue Inves-

209 Vgl. Publication des neugeprägten Pommerschen Geldes nach dem Leipziger Fuß vom 11. Februar 1763, in: Ebd., S. 745–746 und Reichenbach: Patriotische Beyträge, achtes Stück, S. 25– 45. 210 Vgl. dazu Kapitel 5.3.2.c. Circulus vitiosus debitorum – Kapitalaufnahme nach 1747 ab S. 420. 211 In Uppsala ist ein solcher Lehrstuhl erst Im Jahr 1761 eingerichtet worden, vgl. Lindroth: Uppsala University, S. 106. 212 Vgl. den Bericht des Kurators von Horn und des Kanzlers von Löwens an den König vom 27. November 1761, in: RAS, Pommeranica Vol. 435, o. fol. sowie das Reglement König Adolf Friedrichs zur Auflösung der Ökonomischen Kommission (1766), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 271. 213 Vgl. im Kapitel 3.1.2.c. Lehreinrichtungen: Anlagen und Gebäude, I. Der Botanische Garten ab S. 269. 214 Vgl. Kapitel 2.1.2.b. Professorenanzahl und –gehälter 1702–1756 ab S. 179, Seth: Universität Greifs-wald, S. 172–173, Schmidt/ Spieß (Hgg.): Matrikel Bd. 2, S. 931–933 sowie Einleitung: Alver-mann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. LXVII. 215 Im Zuge des Gläubigeraufrufes von 1774 wurden den Visitatoren auch schriftliche Nachweise über Kontributionszahlungen vorgelegt, die die Bauern während des Siebenjährigen Krieges an schwedische und preußische Truppen erbracht hatten. Die Universitätskasse erstattete auch noch lange nach dem Krieg ihren Untertanen die einst geleisteten Kontributionszahlungen. Belege dazu sowie eine Auflistung dessen, was die Einwohner Eldenas „für die an die Schwe-

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1. Akademische Finanzadministration

titionen zu leisten. Außerdem zeigte es sich rasch, dass die Haushaltsentlastung im Wesentlichen eine nominelle gewesen war. Die Verschuldung der Universität nahm somit in der zweiten Hälfte der 1760er Jahre in Anbetracht der Mehrausgaben unweigerlich wieder zu. Die Einführung der neuen Münzen hatte das tatsächliche Fremdkapital im Universitätshaushalt, d.h. ihre Kapitalverschuldung gerade erst von über 95.000 Reichstalern (1763) auf 37.227 Reichstaler (1764) herabgesetzt, als alleine im Jahr 1765 ca. 31.000 Reichstaler neu aufgenommen werden mussten.216

h) Ständische Kuratoren und die Universitätsverwaltung Die Ausführungs-, bzw. Ökonomische Kommission hatte nach dem Krieg zwar erstaunlich schnell die Agrarreform im Universitätsamt Eldena umgesetzt; sie hatte aber keineswegs „in der Praxis [...] die Leitung der Finanzverwaltung der Universität übernommen [...].“217 Stattdessen leitete auch weiterhin der amtierende Rektor bzw. Prorektor, beraten nun durch den Seniorat218, gemeinsam mit dem Procurator und dem Amtmann in Eldena die Geschäfte der Korporation. Während der Zeit der angeblichen Auslagerung der akademischen Wirtschaftsverwaltung wurden anstehende Ausgaben und die Anleihe von Geld nachweislich universitätsintern im Konzil debattiert – ohne dass die Kuratoren (abgesehen vom Generalsuperintendenten, der schließlich Mitglied des Konzils war) auch nur Erwähnung fanden.219 Es handelte sich also lediglich um eine erneute Anpassungsmaßnahme der Norm an die Realität, als die Ökonomische Kommission am 6. Oktober 1766 aufgelöst und das ökonomische Selbstverwaltungsrecht der Universität wieder etabliert wurde.220 Die beiden landständischen Vertreter der Kuratel hatten ihre Aufgaben („Untersuchung und Regulirung aller Oeconomicorum“) bereits während des Siebenjährigen Krieges nicht wahrgenommen. Darüber hinaus hatten die Landstände die Universität trotz des getroffenen Vergleichs um das Don Gratuit weder vor Kontributionen bewahrt noch sie anderweitig unterstützt.221 Als die Kuratoren nach Ab-

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dischen Trouppen geliefferten Fourage“ aus der Universitätskasse erhalten hatten und „wie solches Geld angewand worden“ befindet sich in: UAG, Altes Rektorat St. 37, ab fol. 33r. Vgl. auch das Diagramm 5.9.: Fremdkapital im Universitätshaushalt 1670–1807 (S. 421) sowie die Tabelle „Fremdkapital und Zinsenausgaben für die Universität Greifswald 1670–1808“ unter www.uni-greifswald.de/furorcameralisticus. Seth: Universität Greifswald, S. 159. Vgl. Kapitel 5.1.6. Akademisches Kapitalwesen in Greifswald – Normgebung ab S. 393. Vgl. hierzu insbesondere die Zirkulare und Auszüge aus Konzilsprotokollen in: UAG, Altes Rektorat R 1515. Dazu geführt hatte unter anderem eine Beschwerde des Konzils beim Reichsrat über die beiden Kommissare; den Kanzler von Löwen und den Regierungsrat von Horn. Vgl. dazu Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 270–272, 280–281. Vgl. Kapitel 1.2.11. Exkurs: Don Gratuit ab S. 82. Zu den Kontributionsleistungen vgl. Baumstark: Universität Greifswald, S. 33, Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 253 sowie Johann Carl Dähnerts Darstellungen in UAG, Altes Rektorat St. 69, pag. 659.

1.2. Ökonomische Selbstverwaltung der Universität Greifswald

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dankung des Agrarreformers von Behrs als Kurator im Jahr 1759 die Kuratel wieder wahrnehmen wollten, verweigerten die Professoren auf Grund der erfahrenen Enttäuschung und des Vertrauensbruchs ihnen allerdings die Rechnungslegung und eine Beteiligung an der Etat-Erstellung.222 Der Widerstand der Universitätsverwaltung gegen die Kuratel hielt lange an. Eine 1760 erfolgte Aufforderung der Regierung in Stralsund, die Rechte der Kuratoren nach ihrer Instruktion von 1720 zu wahren, ignorierten die Professoren schlicht.223 Auf Bitten des neuen Generalgouverneurs und Kanzlers Hans Henrik von Liewen forderte der König schließlich im Jahr 1771 die Professoren in Greifswald dazu auf, „an die Curatoren die nun verlangten Procuraturregister, und was dabey zur Aufklärung dienen kann, abzugeben.“224 Der königliche Befehl setzte die Kuratel also wieder unanfechtbar und im Sinne der Instruktion von 1721 ein. Dagegen konnte sich die Universität nun nicht mehr wehren. Von Liewen hatte nach seinem Amtsantritt 1766 die Kuratoren bereits um einen ausführlichen Bericht über den Zustand der Universitätsfinanzen gebeten.225 Die in diesem Zusammenhang genannte Schuldensumme von knapp 70.000 Reichstalern226 offenbarte einen besorgniserregenden Zustand der Universitätswirtschaft. Der alarmierte Kanzler in Stralsund vermittelte seine Sorge darüber – lange Zeit vergeblich – auch nach Stockholm in der Hoffnung auf eine spezielle Universitätsvisitation. An den Bedingungen der akademischen Wirtschaft und ihrer Administration änderte sich aber im Laufe der folgenden Jahre weiterhin nichts. Zwar brachten wechselnde Machtverhältnisse im schwedischen Reichsrat auch in Pommern

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Augustin von Balthasar erwähnt in seinen Lebensbeschreibungen ebenfalls die Streitigkeiten („viele demelees“), die „die Academie mit denen Ständen, der Contribution halber“ hatte und wie die Professoren während des Siebenjährigen Krieges nicht von Kontributionen befreit wurden, in: Alvermann (Hg.): Augustin von Balthasar, S. 143–145. „[...] jetzt ein Collegium Curatorum sich in Bewegung setzet, welches in diesen betrübten Kriegsjahren sich gantz von der Academie los gemacht, dieselbe mit nichts unterstützt, nicht Nutz oder Hülfe gegeben.“ in: UAG, Altes Rektorat St. 69, pag. 359, zitiert nach Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 253. Die obrigkeitliche Aufforderung wurde ignoriert, weil das Konzil Anfang desselben Jahres einen Antrag auf Änderung der Instruktion für die Kuratoren gestellt hatten und ohne eine Antwort auf ihre Anfrage die Frage als ungeklärt erachteten und darauf also auch nicht eingehen mussten, vgl. Seth: Universität Greifswald, S. 176 und Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 253–255. Rechte der Kuratoren (1771), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 284. Zur Anfertigung des Berichts konnten die Kuratoren immer noch nicht auf die akademischen Rechnungen zurückgreifen, da das Konzil nach wie vor der Kuratel die Einsicht verweigerte. Die Angaben der Kuratoren decken sich in diesem Fall weitgehend mit den Zahlen aus den Rechnungsbüchern: 1766 betrug das aufgenommene Fremdkapital im Universitätshaushalt 68.000 Reichstaler, im Jahr 1767 waren es bereits 70.149 Reichstaler, vgl. Tabelle „Fremdkapital und Zinsenausgaben für die Universität Greifswald 1670–1808“ unter www.uni-greifswald.de/furorcameralisticus. Dass tradierte Schuldenbeträge der Universität häufig nicht mit der akademischen Buchhaltung übereinstimmen, dazu vgl. auch Kapitel 5.3.3.a. Akademische Verschuldung ab S. 435.

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diverse allgemeine Visitationen mit sich, in deren Verlauf auch die Verhältnisse der Universität untersucht wurden; die Inspektionen wurden allerdings immer wieder unterbrochen und blieben stets ergebnislos.227 1.2.8. Neuordnung der ökonomischen Selbstverwaltung (1775) a) Machtwechsel in Stockholm und Stralsund Als der schwedische König Adolf Friedrich im Februar 1771 verstarb, hielt sich sein Sohn und Thronnachfolger Gustav am Hof des französischen Königs Ludwig XV. auf. Gustav brach daraufhin nach Schweden auf. Seine Heimreise führte ihn Anfang Mai auch durch Greifswald, wo er unter anderem einer feierlichen Disputation im Auditorium des Kollegiengebäudes beiwohnte.228 Keine zwei Monate darauf ordnete er als König Gustav III. die bestehende Einrichtungskommission für Pommern an, im Rahmen einer speziellen Unterkommission auch die Universität und ihre Finanzen zu inspizieren.229 Ein Jahr nach seiner Inthronisierung brach König Gustav III. die Machtverhältnisse in Stockholm zum Nachteil der adligen Stände auf, indem er viele ihrer Vertreter festnehmen ließ und die königliche Gewalt im Rahmen einer neuen Verfassung wieder deutlich stärkte. Den Reichsrat degradierte die neue Verfassung zur rein beratenden Instanz. Die sogenannte Freiheitszeit mit ihrer starken Stellung der schwedischen Stände war damit endgültig beendet.230 Eine weitere Maßnahme in Gustavs Bemühen um Konfliktbeseitigung und Neuordnung der Verhältnisse stellte

227 Zwischen 1766 und 1769 untersuchte eine von den „Mützen“ eingesetzte Einrichtungskommission Pommern, von 1769 bis 1770 eine von den „Hüten“ eigensetzte Einrichtungskommission für Pommern und im Jahr 1771 eine erneute Einrichtungskommission, der König Gustav III. auch die Visitation der Universität anbefahl, nachdem er sich kurz zuvor selbst in Greifswald aufgehalten hatte. Vgl. dazu Seth: Universität Greifswald, S. 175 und die Einleitung zum Visitationsrezess (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 298. 228 Vgl. Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 299–300 und Seth: Universität Greifswald, S. 220–221. 229 Offenbar beendete diese landesherrlich eingesetzte Untersuchung interne Bemühungen um eine Neustrukturierung der Wirtschaftsadministration, die im Rahmen einer „Deputation“ stattgefunden hatten. Sie hatte „den Zustand der academischen Casse untersuchen [...], und zugleich einen gewissen Plan entwerfen [sollen], wornach dieselbe inskünftige zu administriren wäre [...].“ So im Schreiben Prof. Schuberts, ehemaligen Mitglieds besagter Deputation, an den Rektor vom 2. August 1772, in: UAG, Altes Rektorat R 1506, fol. 32r–34v. 230 Vgl. Cornell: Gustav III., insbesondere S. 8–11.

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im Dezember 1772 sein Befehl zur Fortsetzung einer ordentlichen Universitätsvisitation in Greifswald dar. Die Hohe Schule sollte endlich reformiert und ihre desolate Finanzlage geklärt und überwunden werden. Ein Termin für den Beginn der Untersuchungen wurde zwar noch nicht festgelegt, aber der neu eingesetzte Gouverneur und Kanzler Fredrik Carl Sinclair bereits mit ihrer Leitung betraut.231 Er erklärte die Reformpläne der 1750er Jahre zur Grundlage der Visitation und sprach sich außerdem unumwunden für eine Trennung des Lehrwesens von der Wirtschaftsverwaltung aus.232 Dies schürte in Greifswald die Befürchtungen, dass die landständischen Interessen erneut und diesmal persistent durchgesetzt und die akademische Selbstverwaltung tatsächlich aufgehoben werden könnte. Seit 1750 hatte sich das Konzil permanent gegen die Auffassung, dass die Ursache der schlechten Lage der Universitätswirtschaft ihre kollegiale Verwaltung sei, wehren und die akademische Selbstverwaltung immer wieder verteidigen müssen.233 So verfasste Johann Carl Dähnert im Auftrag des Konzils und auf Anfrage des Visitationsleiters Sinclaire Ende November 1773 eine „flammende Verteidigung der Selbstverwaltung als Fundamentalprinzip der akademischen Verfassung.“ 234 Dähnert erinnerte darin auch explizit an die Erfolge der weitgehend autonom handelnden Wirtschaftsverwaltung der Universität Ende des 17. Jahrhunderts und in den 1730er und 40er Jahren und wies auf die negativen Auswirkungen der Anweisungen auf die Universitätskasse „von oben herab“ hin.235

b) Visitation 1773–1775 Am 2. Dezember 1773 nahm die spezielle Universitätsvisitation ihre Arbeit auf. Eine ihrer ersten Amtshandlungen war das Verbot jeglicher Kapitalaufnahmen, d.h.

231 Nach dem Regierungswechsel in Stockholm hatte der Generalgouverneur in Stralsund, von Liewen, sein Amt niedergelegt und war durch Sinclair ersetzt worden, vgl. Seth: Universität Greifswald, S. 228–229. 232 Damit schloss sich Sinclair dem Visitationskommissar Peter Fredrik von Hegard an, der dieses Ziel bei der Eröffnung der Unterkommission zur Visitation der Universität 1771 bereits formuliert hatte, vgl. auch für das Folgende die Einleitung in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. XXVIII sowie die Einleitung zum Visitationsrezess (1775), in: Ebd., S. 396–403, Baumstark: Universität Greifswald, S. 43 und Seth: Universität Greifswald, S. 230– 241. 233 Dieser Kampf wird aus den vielen Schreiben ersichtlich, die Universitätsrektoren, das Konzil und einzelne Professoren zwischen 1754 und 1773 an den König richteten, in: RAS, Pommeranica Vol. 229, o. fol. Vgl. dazu auch Seth: Universität Greifswald, S. 222–223 sowie den Bericht des Konzils unter Federführung Johann Carl Dähnerts vom 6. März 1771, den Baumstark: Universität Greifswald, S. 33–37 ausführlich wiedergibt. 234 Einleitung zum Visitationsrezess (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 399. 235 Vgl. Baumstark: Universität Greifswald, S. 44–46; UAG, Altes Rektorat St. 28 pag. 71–92, 95–106.

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der Neuverschuldung.236 Als die Visitatoren237 kurz darauf bereits wieder die Stadt verließen, betrauten sie ihren Kommissionsekretär Thomas Heinrich Gadebusch, der schon an der Visitation von 1771 beteiligt gewesen war238, mit sämtlichen weiteren Untersuchungen. Gadebusch widmete sich insbesondere und ausführlich der Prüfung des akademischen Rechnungswesens.239 Eine ausgeprägte strukturelle Unordnung im ökonomischen Verwaltungsschriftgut stellte ihn im Prüfprozess vor große Herausforderung und brachte ihn zu der Erkenntnis, dass diese in den vergangenen zwanzig Jahren offenbar „vielerley Verwirrungen im Cassa Wesen“ ausgelöst hatte.240 In der Tat fehlte jegliche Übersicht über die Geldgeschäfte der Universität und somit auch fundiertes Wissen über ihre tatsächliche Verschuldung. Aus diesem Grund ließ Gadebusch alle Gläubiger öffentlich aufrufen, sich bei ihm einzufinden, um ihre Ansprüche vorzubringen. Erst aus diesen Konsultationen entstand ein umfassendes Gläubiger- und Schuldenverzeichnis, woraus wiederum erstmals ein geregelter Amortisierungsplan erstellt werden konnte.241 Die Procuraturregisterführung wurde in diesem Zuge durch die sogenannten Hauptrechnungsbücher ersetzt; durch ausführliche, kontenbasierte Jahresrechnungen, die erstmals auch die Stiftungs- und Kapitalverwaltung der Universität erfassten.242 Nach Beendigung der Visitation entwarf der Kanzler Sinclair zu Beginn des Jahres 1775 einen Abschied und einen darauf basierenden Rezessvorschlag, der mit einigen Änderungen am 11. Mai 1775 königliche Bestätigung erfuhr und den Höhepunkt der schwedischen Reformbestrebungen darstellte.243 Das selbständig verwaltende Konzil war in diesem Prozess übergangen worden, was in Anbetracht der nun vollzogenen Neuordnung wieder den Protest der Professorenschaft herauf beschwor.244

236 Zu dieser Anweisung im Zusammenhang des programmatischen Schuldenabbaus, vgl. Kapitel 5.3.3.d. Exkurs: Amortisierungsfonds ab S. 444. 237 Die Visitatoren waren der Kanzler und Graf Sinclaire, Regierungsrat von Olthoff, Landrat von der Lanken und Landrat Buschmann, in: Baumstark: Universität Greifswald, S. 47. 238 Als Dank für seine Dienste 1771 hatte Gadebusch bereits 1772 eine Professur in Greifswald in Aussicht gestellt bekommen, die er aber erst 1775 antreten konnte. Vgl. Seth: Universität Greifswald, S. 227–228. 239 Vgl. seine Prüfunterlagen in: RAS, Gadebuschska samlingen Vol. 112. 240 So im Protokoll der Visitationskommission vom 22. Juni 1774, in: UAG, Altes Rektorat R 1507, fol. 3r. 241 Dabei handelte es sich keinesfalls, wie bisher oftmals angedeutet, um einen Konkurs der Universität, vgl. dazu Kapitel 5.2.2. Kapitalwesen in den Procuraturregistern des 18. Jahrhunderts ab S. 402. Zum Amortisierungsplan vgl. Kapitel 5.3.3.d. Exkurs: Amortisierungsfonds ab S. 444 sowie Kapitel 5.3.3.e. Schuldenabbau ab S. 450. 242 Vgl. Kapitel 1.3.2. Procuraturregister 1566–1768 ab S. 93 und Kapitel 1.3.3. Hauptrechnungsbücher ab 1774 ab S. 107. 243 Vgl. Seth: Universität Greifswald, S. 238. 244 Vgl. Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S . 400–401. Zum Rezess von 1775 allgemein und den Veränderungen der akademischen Finanzverwaltung vgl. Visitationsrezess (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 396–439, Reglement für die ökonomische Administration (1775), in: Ebd. S. 439–461, Seth: Universität Greifswald, S. 233–238 und Baumstark: Universität Greifswald, S. 47–50.

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c) Rezess von 1775 und Akademische Administration Der neue Rezess regelte die drei akademischen Bereiche: Lehrwesen, Universitätsverwaltung und Güterverwaltung. Zum einen wurden überfällige Reformen umgesetzt, zum anderen gab das neue Regelwerk aber auch gängiger und bereits bewährter Lehr- und Administrationspraxis einen rechtlichen Rahmen – wie es 1702 auch schon praktiziert worden war.245 Das Lehrprogramm wurde nach den Zeichen der Aufklärung und des Neuhumanismus unter deutlicher Stärkung der Naturwissenschaften ausgestattet, um der pommerschen Universität das Gepräge einer „mehr practischen als theoretischen Academie“246 zu geben und sie so nicht zuletzt für ihre Hauptzielgruppe, den pommerschen Land- und Niederadel, attraktiver zu gestalten. In diesen Kontext fällt auch die erneute Aufforderung zur Errichtung einer Reitbahn.247 Hinsichtlich der Universitätsverwaltung stärkte der Rezess die Stellung des Kanzlers und schränkte die selbständige Finanzverwaltung der Professorenschaft deutlich ein. Mit dem Rezess wurde die gesamte Vermögensverwaltung (Universitätsfinanzen und Gutsverwaltung) dem Konzil entzogen und einem dafür neu geschaffenen Gremium unterstellt: Der sogenannten Akademischen Administration. Ihre Zusammensetzung, Aufgaben und Bedingungen bestimmte ein ausführliches Reglement, das gemeinsam mit dem Visitationsrezesses verabschiedet wurde.248 Der neue Finanzausschuss für die Universität bestand aus drei Kuratoren und drei Konzilsvertretern: Auf der einen Seite die beiden landständischen Kuratoren (je ein Vertreter von Ritterschaft und Städten) und der Generalsuperintendent als Kurator und Prokanzler und auf der anderen Seite der jeweils amtierende Rektor und zwei permanent Delegierte des Konzils. Tatsächlich bildeten also vier Professoren und zwei Externe die Akademische Administration. Für „den ununterbrochenen Gang und prompte Abmachungen der vorfallenden Geschäfte“ zeichnete das Reglement die beiden Konzilsdelegierten verantwortlich, denen somit die Hauptarbeit der Administration zukam. In einer ökonomischen „Sache von Wichtigkeit, oder ermangelt es an einer deutlichen Vorschrift“ sollten die externen Kuratoren eingeladen und befragt werden. Der Generalsuperintendent und der Rektor nahmen eine Art Vermittlerposition zwischen professoralen Wirtschaftsverwaltern und den externen Kontrolleuren und Entscheidern ein; der Rektor sogar ohne Stimmrecht. Die Professoren der Akademischen Administration sollten einmal wöchentlich zusammen245 So gab der Rezess von 1775 beispielsweise erstmals Regelungen zur bereits seit Jahrhunderten praktizierten akademischen Stiftungs- und Stipendienverwaltung, vgl. §20 des Visitationsrezesses (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 424–425 sowie Kapitel 4.1.2. Verwaltung und Funktionsweise von Studienstiftungen ab S. 347. 246 So im Visitationsbericht der Kommission von 1775, zitiert aus der Einleitung zum Visitationsrezess (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 401. 247 Vgl. im Kapitel 3.1.2.c. Lehreinrichtungen: Anlagen und Gebäude, II. Reitbahn ab S. 270 sowie Kapitel 3.3.5.c. Die Reitbahn ab S. 312. 248 Reglement für die ökonomische Administration (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 439–461.

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kommen und den landständischen Kuratoren wurde nahegelegt, mindestens einmal im Monat an den Sitzungen teilzunehmen.249 Immer anwesend war der Universitätssekretär, der das Protokoll führte.250 Des Weiteren waren der „Administration [...] zum Beytritt und zum Dienste verordnet“ der Syndikus als Rechtsverständiger und der Amtmann als zentraler Wirtschafts-bediensteter der Universität.251 Das Amt des Procurators existierte nicht mehr. Der Rezess hatte es abgeschafft und an dessen Stelle einen Rentmeister eingesetzt, der nur noch auf direkte Anweisungen der Akademischen Administration handeln konnte. Das Structuariat ging in den Verantwortungsbereich des fortan in der Stadt ansässigen Amtmanns über.252 Der Rezess beschränkte nicht nur die korporative Eigenständigkeit in Wirtschaftsfragen und die ihrer Bediensteten, sondern setzte vor allem die Kontroll- und Entscheidungsfunktion der Kuratel durch, wie sie seit 1721 und vehement in den 1750er und `60er Jahren von den Landständen verfolgt worden war. Die landständischen Vertreter sollten in ökonomischen und administrativen Zweifels-fällen herangezogen werden und der Finanzausschuss war ihnen und dem Kanzler und nicht mehr Rektor und Konzil zur Rechenschaft verpflichtet. Formal war der Korporation dadurch die ökonomische Selbstverwaltung entzogen, tatsächlich blieb das Alltagsgeschäft aber bei der Professorenschaft und den dafür bestimmten Delegierten und Bediensteten der Universität.253 Zur allgemeinen Überprüfung legte der Rezess für alle fünf Jahre eine Visitation durch den Kanzler, einen Regierungsrat und zwei landständische Vertreter fest. Diese Bestimmung blieb – wie schon im Fall der 1702 für alle vier Jahre angesetzten Visitationen – auch diesmal wirkungslos. Die nächste Visitation fand erst 1794 statt. Aus wirtschaftlicher Sicher bestand ohnehin kein dringender Bedarf mehr, die Universität prüfen zu lassen.

249 Vgl. ebd., S. 441–442. 250 UAG, Altes Rektorat K5674–K5707, Protokolle der Akademischen Administration (1775– 1813). 251 Der Amtmann übernahm etliche neue Aufgaben, so dass sich seine Zuständigkeiten veränderten; von einer Degradierung „zu einem Gehilfen für die Verwaltung“ kann hinsichtlich seiner umfassenden Verantwortlichkeiten aber nicht die Rede sein, vgl. dazu Curschmann: Verwaltung ihres Stiftungsvermögens, S. 9–10; Seth: Universität Greifswald, S. 239. 252 Der Amtmann musste fortan in der Stadt wohnen und durfte nicht mehr Pächter der Universität sein. Dadurch sollte potenzielles Wirtschaftshandeln des akademischen Bediensteten nach Eigeninteressen als akademischem Pächter verhindert werden. Zur Abschaffung der Procuratur und des Structuariats vgl. Kapitel 1.4.2. Das Amt: Procuratur und Structuariuat ab S. 137. 253 Vgl. auch Curschmann: Selbstverwaltungsrecht, S. 9–10.

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1.2.9. Schuldenabbau und Investitionen (1775–1806) Trotz langsamer Verbesserung der wirtschaftlichen Lage, vor allem in den 1780er Jahren, sah sich die Universität Greifswald auch weiterhin heftiger Kritik ausgesetzt und hatte insbesondere mit einem ausgeprägten Mangel an Studierenden zu kämpfen – zwei Umstände, die sich gegenseitig zu befeuern schienen. Die Studentenzahlen hatten sich nach dem Siebenjährigen Krieg noch weiter verringert.254 Zwischen 1775 und 1806 immatrikulierten sich durchschnittlich gerade einmal 33 Studenten pro Jahr.255 Im Jahr 1791 soll die Gesamtzahl der in Greifswald Studierenden zwischen 60 und 70 gelegen haben.256 Im Vergleich mit anderen deutschen und auch schwedischen Universitäten war die Greifswalder Studienfrequenz verschwindend gering. Diese Tatsache ist zwar von allen Seiten immer wieder angemerkt und kritisiert worden, zu einer politischen Lösung des Problems veranlasste sie allerdings nicht.257 Gewählt wurde stattdessen die Strategie der Anreizverbesserung: So sollte beispielsweise speziell die adelige Jugend durch eine Reitbahn und ein erweitertes Lehrangebot (Tanzen, Fechten und moderne Sprachen258) vom Studium in Greifswald überzeugt werden. Die Lehre müsste insgesamt modernisiert und vor allem renommierte, am besten ausländische Lehrer als Studentenmagnet, gewonnen werden. Diese Pläne waren nicht nur kostenintensiv, sondern blieben außerdem ausschließlich in der ökonomischen Verantwortlichkeit der Universität. Ein besonders einflussreicher Vertreter dieser Optimierungsstrategie war Friedrich Wilhelm von Hessenstein, der nach dem Tode Sinclairs 1776 als neuer Generalgouverneur und Kanzler der Universität eingesetzt wurde und bis 1791 im Amt blieb. Hessensteins Kanzlerschaft zeichnete sich durch ein gesteigertes Interesse an den Belangen der Hohen Schule und einer diesbezüglich regen Aktivität aus, wobei er aber oftmals wenig Rücksicht auf die Interessen der Universitätsadministration nahm. Das Verhältnis zwischen Hessenstein und der Greifswalder Professorenschaft sei daher auch von einer „unverkennbaren Gereiztheit“ gekennzeichnet ge-

254 Zur Debatte um die Studentenzahlen als Wirtschaftsfaktor für die Universität vgl. Einleitung, in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Quellen zur Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. LXXVIII–LXXIX. 255 Vgl. Seth: Universität Greifswald, S. 254 und ders.: Bilagor. 256 So in der kleinen anonym abgefassten Abhandlung von 1791:„Annalen der teutschen Academien“ S. 145. 257 Die 1702 verabschiedete Landeskinderverordnung versprach die Bevorzugung eines pommerschen Anwärters auf ein öffentliches Amt in Schwedisch-Pommern, wenn dieser mindestens zwei Jahre in Greifswald studiert hätte. Mit dem Rezess von 1775 ist diese Verordnung auch auf ausländische Studenten erweitert, aber die verpflichtende (Greifswalder) Studiendauer auf „ein biß zwey Jahre“ herabgesetzt worden. Mehr politischen Einfluss auf die Erhöhung der Studentenzahlen in Greifswald hat es nicht geben. Vgl. dazu Das Studium der Landeskinder in Greifswald (1702), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 254–256, Visitationsrezess (1775), in: Dies. (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 420; sowie Visitationsrezess (1795), in: Ebd., S. 520. 258 Zu den Exerzitienmeistern in Greifswald vgl. Kapitel 2.1.3.b. Sprach- und Exerzietienmeister ab S. 188 und Kapitel 2.3.2.b. Sprach- und Exerzitienmeister ab S. 245.

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wesen.259 Der Rezess von 1775 hatte die Stellung des Kanzlers gerade erst umfassend gestärkt und dem Amtsinhaber „die Oberaufsicht über das Lehrwesen, die Disciplin und Oeconomie“ verliehen. Des Kanzlers Anordnungen waren von allen Universitätsverwandten „ohne Wiederrede zu befolgen“.260 Diese Passage gab von Hessenstein einen rechtlichen Rahmen für seine absolutistische Auffassung von der Kanzlerschaft – als unmittelbarer Vertretung eines absolutistischen Königs. Sie brachte ihm dabei weder das Vertrauen noch Sympathien von Seiten der Universitätsverwandten ein.261 Allerdings setzte Hessenstein sich durchaus auch engagiert für die Interessen und Entscheidungen der Professoren ein. Nachdem der Medizinprofessor Andreas Westphal (d. J.) während seines Rektorats (1774–1775) bei privaten Geldgeschäften Korporationsvermögen als Pfand eingesetzt hatte, verurteilte ihn das Konzil 1777 zur Entlassung. Als Westphal wiederholt gegen diese Entscheidung vor dem Wismarer Tribunal und dem König klagte, setzte sich Hessenstein an höchster Stelle erfolgreich für die Beibehaltung des Konzilsbeschlusses ein.262 In ähnlicher Weise unterstützte der Kanzler das Konzil und die Akademische Administration zu Beginn der 1780er Jahre im Rechtsstreit um Lohnansprüche des verstorbenen Rechtsprofessors Johan Jakob Benzelstierna. Dessen Erbe Johan von Engström forderte die Auszahlung sämtlicher Jahresgehälter (7.800 Gulden), die die Universität seiner Meinung nach rechtswidrig einbehalten hatte, nachdem Benzelstierna 1756 beurlaubt worden und als Hauslehrer des schwedischen Prinzen nach Schweden gegangen war. Hessensteins Eingreifen erwirkte in dieser Sache 1784 einen Kompromiss, der die Gehaltsschulden im Fall Benzelstierna wesentlich verringerte.263 Hessenstein verfolgte in seinem Engagement für die ökonomischen Belange der Universität rigoros das Ziel ihrer Entschuldung als elementarer Voraussetzung zur Ertragssteigerung, damit die anstehenden Reformen aus eigener, d.h. korporativer Finanzkraft geleistet werden könnten.264 Zum Zwecke der Amortisierung setzte er die Universität, soweit ihm das möglich war, in sämtlichen Bereichen unter ein Spardiktat, bzw. nutzte er jegliche Möglichkeit zu Einsparungen: Er ließ Lehrstuhlvakanzen absichtlich bestehen, um die Lohnzahlungen einzusparen265 und zögerte zumindest jene Investitionen heraus, die nicht in seinem Interesse waren.266 259 Seth: Universität Greifswald, S. 242. 260 So im Visitationsrezess (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 421. 261 Vgl. ebd., S. 403 und Seth: Universität Greifswald, S. 240–242. 262 Vgl. dazu ebd., S. 242. 263 Zum Konflikt der Universität mit Engström um Benzelstiernas Gehalt vgl. ebd., S. 252–253. 264 Beispielsweise befahl er im Mai 1787 den Rückzug der Universität aus den privaten Kapitalgeschäften, vgl. Kapitel 5.3.3.e. Schuldenabbau ab S. 450. Zur Verbesserung der schlechten Lage der Bibliothekskasse, hatte er 1780 gefordert, dass ein Teil der Bibliothek verkauft werden sollte, vgl. dazu Seth: Universität Greifswald, S. 266. 265 Beispielsweise blieb die Medizinprofessur lange Zeit vakant nachdem Andreas Westphal von der Universität ausgeschlossen worden war, vgl. ebd., S. 242. 266 So lehnte er beispielsweise die von den Professoren geforderte allgemeine Professorenlohnerhöhung immer wieder ab, betonte aber gleichzeitig die dringende „Nothwendigkeit der Er-

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Am nachhaltigsten zerrüttete aber wohl der Streit um das Don Gratuit267 die mögliche Vertrauensbasis zwischen der Universität und ihrem Kanzler. Das Konzil hatte seit Beginn des 18. Jahrhunderts vor dem Wismarer Tribunal um die Anerkennung der als Don Gratuit bezeichneten Kompensationszahlung für den Verzicht der Universität auf Kontributionsfreiheit und um deren Begleichung durch den Landkasten gestritten. Ohne Rücksprache mit den Professoren setzte sich Hessenstein 1779 nun als erster Kanzler überhaupt für die Anerkennung und Begleichung dieser landständischen Zinsenverpflichtung ein. Allerdings sollten die Erträge davon seinen Plänen zufolge nicht mehr an die Universitätskasse fließen, sondern stattdessen zur Einrichtung einer schwedisch-pommerschen, d.h. landesherrlichen Medizinalanstalt genutzt werden. Dem Widerstand der Professoren, die sich und die akademischen Interessen verraten sahen, begegnete Hessenstein gleichgültig und erlangte 1785 schließlich auch die königliche Bestätigung für seinen neu geschaffenen Vergleich mit den Landständen. Die Verhandlungen mit den Ständen hatte er zwar auch in seiner Funktion als Kanzler geführt, sich aber wohl primär von seinen Interessen als Generalgouverneur leiten lassen. Nach 1776 waren es also weniger die landständischen Vertreter in der Akademischen Administration, die Unruhe und Konfliktpotenzial in die administrativen und ökonomischen Belange der Universität brachten, sondern vor allem der sehr selbstbewusste Kanzler, der nicht immer im Interesse der Korporation und der Professorenschaft, sondern häufig seine eigenen, des Generalgouverneurs Interessen durchzusetzen pflegte. Während sich die akademische Verwaltung mit geringen Studentenzahlen, hoher Verschuldung, strikten Sparanweisungen und einem ökonomisch nicht immer zum Besten der Hohen Schule handelnden Kanzler beschäftigen musste, wurde die Universität darüber hinaus öffentlichkeitswirksam von einem ehemaligen Studenten angegriffen. Der pommersche Kammerrat Johann David von Reichenbach der sich in den 1750er Jahren bereits engagiert für die Reformpläne der Hüte-Regierung für die Greifswalder Universität eingesetzt hatte268, veröffentlichte 1786 den fünften Band seiner „Patriotischen Beyträge zur Kenntniß und Aufnahme des Schwedischen Pommerns.“ Darin kritisierte er die Universität, ihre Professoren und deren vermeintlich unsachgemäße Wirtschaftsführung scharf. Sein harsches Urteil entsprang, neben seinen Erfahrungen aus den 1750er Jahren, vor allem einer Mischung aus persönlichen Ressentiments gegen die Greifswalder Professorenschaft sowie der Überzeugung des Aufklärers, dass die Universität veraltet, unnütz sowie personell und strukturell dringend zu erneuern sei.269 Dabei waren weder seine Kritikpunkte, noch seine konkreten Reformvorschläge neu: Für eine stärkere Ausrichtung richtung der Reitbahn und des dazu erforderlichen Stalles“ vgl. Protokoll vom 26. Juni 1787, UAG Kurator, K 5684, Protokolle der Akademischen Administration von 1787–1788, pag. 19v–20r, 21r. Vgl. auch Seth: Universität Greifswald, S. 267. 267 Vgl. auch für das Folgende Kapitel 1.2.11. Exkurs: Don Gratuit ab S. 82. 268 Vgl. Entwurf eines Visitationsabschiedes (1757), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 220–245. 269 Vgl. dazu Seth: Universität Greifswald, S. 254–264, Müller: Johann David von Reichenbach, S. 82–119, Ewe: Axel von Löwen und Johann David von Reichenbach, S. 68.

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der Universität an den Bedürfnissen des pommerschen Adels setzte sich der Kanzler bereits aktiv ein (Exerzitienmeister, Reitbahn). Eine deutliche Reduzierung der Ordinariate und gleichzeitig aber wesentlich höhere Professorengehälter, um renommierte Ausländer für die unattraktive Universität gewinnen zu können und dadurch die Personalstruktur zu erneuern, waren in ähnlicher Form seit Ende des 17. Jahrhunderts immer wieder gefordert worden.270 Und auch die Forderung nach einer strikten Trennung der akademischen Lehre und ihrer Verwaltung hatte bereits Tradition. Neu und besonders fragwürdig war dagegen Reichenbachs Idee von der Unterstellung der akademischen Güterverwaltung unter die Pommersche Kammer, um ihren ökonomischen Nutzen für das Land zu garantieren. Damit offenbarte er einen von seinen Zeitgenossen heftig kritisierten „furor cameralisticus“ und leistete einen Beitrag zur Debatte um den ökonomischen Nutzen und Schaden von Universitäten.271 Insbesondere stelle er damit aber eine interessante Auffassung von den der Universität im 17. Jahrhundert verliehenen Rechten und Privilegien unter Beweis. Denn in seinen Augen machte die Universität kein selbständiges, das ist, ein solches Corps unsers Staats aus, welches man ohne Gefahr unserer Fundamentalverfassung nicht anzutasten, oder zu verrücken hätte. Ihr Ursprung war das Werk unleugbarer Willkür. [Der Fürst] und seine Stände müssen ihr also eine jede Gestalt geben können, die Zeit, Umstände und das öffentliche Bedürfniß erheischen.272

Dass das Grundvermögen der Universität „unwiederruflich, als ein ewigwehrendes der universität zugehöriges patrimonium erblich abgetreten“273 und auch von den schwedischen Königinnen und Königen als solches bestätigt worden war – d.h. die Rechtstradition der Universität – schien für Reichenbach nicht von Bedeutung zu sein. Im Konzilsplenum reagierten die Professoren geschlossen verärgert auf Reichenbachs Publikation. In Anbetracht der ohnehin schlechten Reputation der Universität und geringer Studentenzahlen wogen seine Beschuldigungen natürlich besonders schwer.274 Daher wurde unmittelbar eine Art Offensive zur Klärung der falschen Anschuldigungen beschlossen: Dazu sollte vor allem der Kanzler gebeten

270 In dieser Tradition bemängelte auch Hessenstein den Umstand, dass „man Grund hat anzunehmen, daß kein Ausländer an dieser unglücklichen Universität einen Posten annehmen will.“ Die Ursache sah er eben darin, dass „die Ausländer im allgemeinen zu gut bezahlt werden, als daß sie nach Greifswald übersiedeln wollten.“ zitiert nach Seth: Universität Greifswald, S. 248– 249. 271 Vgl. anonym verfasste Schrift: „Annalen der teutschen Academien“ von 1791. 272 Reichenbach: Patriotische Beyträge, Bd. 5, S. 186. 273 Übertragung des Amtes Eldena an die Universität (1634), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S 422. 274 Reichenbachs Anschuldigungen würden das „so nothwendige Zutrauen beim Publico rauben und einen jeden rechtschaffenen Vater, dem das Wohl seines Sohnes nicht gleichgültig wäre, abgeschreckt, ihn der Unterweisung und Ausführung hiesiger Lehrer anzuvertrauen und folglich die Universität völlig zu Grunde gerichtet werden dürfte [...].“ So im conclusum des Konzilsprotokolls vom 16. Mai 1786, in: UAG, Altes Rektorat St. 636, Konzilsprotokolle von 1786–1787, fol. 2r.

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werden Reichenbachs Vorwürfe im Rahmen einer Inspektion zu prüfen und zu publizieren, damit sie aus der Welt geschafft und keinen Schaden anrichten könnten. Bevor aber „die Sache selbst durch die anzuordnende Untersuchung in das gehörige Licht gesetzt und entschieden würde“, sollte zunächst eine offizielle Stellungnahme der Universität in den beiden wichtigen Regionalmedien (Critische Nachrichten und Stralsundische Zeitung) veröffentlicht werden. Außerdem sollten private Publikationen der Lehrer zur Verteidigung der Universität „in einem der gangbarsten auswärtigen Journale“ erscheinen.275 Die Unterstützung des Kanzlers erwies sich wie zu erwarten als nicht sonderlich engagiert.276 Die beiden letzten Punkte der vom Konzil veranschlagten Informationsoffensive kamen dagegen zur Ausführung. Johann Georg Peter Möller277, Greifswalder Professor für Geschichte, veröffentlichte noch 1786 eine Rezension des 5. Bandes der Patriotischen Beyträge in den Neuesten Critischen Nachrichten.278 Wie geplant, entspann sich in den folgenden Jahren eine öffentliche Debatte um Reichenbachs Positionen, wobei die Gegenstimmen überwogen. Beispielsweise publizierte der aus Schweden stammende Greifswalder Dozent Jakob Wallenius in der Stockholms-Posten, Professor Christian Ehrenfried Weigel schrieb eine 1787 erschienene kleine Monographie „Über die Academie zu Greifswald gegen Hrn. Cammerrath von Reichenbach“279 und in der in Stuttgart herausgegebenen Zeitschrift Annalen der teutschen Academie verteidigte ein anonymer Verfasser 1791 die Universität Greifswald und stellte den kameralistischen Grundsatz, dass der Nutzen einer Universität für den Staat monetär zu bemessen sei, generell in Frage.280 Hinsichtlich der akademischen Wirtschaft und ihrer Administration hatten Reichenbachs Reformanstöße in Form harscher Kritik, die er 1786 in einem „Gegenpublikandum“ in der Stralsundischen Zeitung und 1789 in seinem achten Teilstück der Patriotischen Beyträge noch einmal verteidigte, keine nachvollziehbaren, unmittelbaren Auswirkungen. Allerdings erhielten sie viel Aufmerksamkeit und trugen so dazu bei, dass das Konzept der professoral, kollegial geführten, selb275 Protokoll vom 16. Mai 1786, in: UAG, Altes Rektorat St. 636, Konzilsprotokolle von 1786– 1787, fol. 1v-–2v. 276 Ohnehin war für dieses Jahr eine Visitation angesetzt, die nun auch die Vorwürfe Reichenbachs klären sollte. Hessenstein hatte dafür die königliche Bestätigung erwirkt und daraufhin den Hofgerichtspräsidenten Malte Friedrich Graf von Putbus als Leiter der Kommission eingesetzt. Als die Visitation aber wegen schwerer Krankheit und dem Tod des Grafen im Februar 1787 nicht zustande kam, erfolgte keine anderweitige offizielle Untersuchung und Klarstellung der Angelegenheit. 277 Johann Georg Peter Möller, vgl. Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 304. 278 Reichenbach würde sich irren, wenn er meine, „daß den Profeßoren die Verwaltung der Akadem. Güter (die er so gerne unter der Königl. Kammer sähe) entzogen worden, da wenn nicht auf das ganze Concilium, doch auf zween von solchem selbst erwählten deputirten Mitgliedern noch bis diese Stunde der größte Theil der akad. Administration ruhet.“ in: Neueste Critische Nachrichten, 12. Band, 19. Stück 1786, S. 146–147. 279 Vgl. dazu Seth: Universität Greifswald, S. 258–262. 280 Ohne Verfasser: Sind kleine Universitäten überhaupt unnütz oder schädlich?, in: „Annalen der deutschen Academien“ Bd. 2 (1791).

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ständigen Wirtschaftsverwaltung einer Universität zusätzlich und nachhaltig in ein schlechtes Licht gerückt wurde.281 Reichenbachs Vorwürfe dürfen dabei nicht singulär, sondern müssen im Kontext der allgemeinen scharfen Kritik der deutschen und auch schwedischen Aufklärer an den bestehenden Lehreinrichtungen, -inhalten und -methoden gesehen werden.282 Dies verstärkte die spätestens nach 1750 ohnehin landläufig schlechte Meinung von der Universität Greifswald noch einmal im Laufe der 1780er und 90er Jahre. Betrachtet man aber „die wissenschaftliche Tätigkeit in Greifswald während dieser Zeit mit leidenschaftsfreien Blicken, so erscheint die Behauptung berechtigt, daß die Universität bedeutend besser als ihr Ruf war.“283 Diese Einschätzung Ivar Seths trifft in gleichem Maße auf die ökonomische Realität der Universität im letzten Quartal des 18. Jahrhunderts zu: Während nämlich der absolutistische Hessenstein und der Kameralist Reichenbach die schlechte Lage der Universität beschworen, verbesserten sich deren Einkünfte tatsächlich fortlaufend. Die jährlichen Gesamteinnahmen der Universität stiegen zwischen 1775 und 1795 von ca. 28.000 auf ca. 48.000 Reichstaler.284 Die beachtlichen Mehreinnahmen lassen sich zum einen auf eine sukzessive Ertragssteigerung auf dem Land und die Anpassung der Pachtsummen daran zurückführen.285 Zum anderen nahmen aber auch „unfixirte und zufällige Einnahmen“, darunter beispielsweise der Holz- und Torferlös, deutlich zu.286 Den steigenden Einnahmen entsprechend, konnte (im Rahmen der Hessensteinschen Sparaufforderungen) auch mehr ausgegeben werden. Vor allem im Laufe der 1780er Jahre stiegen die gebäudebezogenen Kosten für Wirtschafts- und Wohngebäude auf dem Land und in der Stadt für Professorenhäuser und Lehreinrichtungen. Der deutliche Mehraufwand für die Gebäude ist einerseits darauf zurückzuführen, dass mehr und größere Investitionsprojekte287 gestattet und durchgeführt wurden, andererseits aber auch die Preise bei den Material-

281 So bescheinigte auch Baumstark: Universität Greifswald, S. 17 den Professoren und Bediensteten einen „Mangel an volks- und staatswirthschaftlicher Einsicht [...], Furcht vor Verlusten im eigenen [d.h. persönlichen] Haushalte [...] und menschliches Mitleid mit den Bauern [...].“ und bezeichnete auch die ökonomische Organisation als ungenügend, S.49–50. 282 Vgl. Müller: Johann David von Reichenbach, S. 83 und „Annalen der deutschen Academien“ Bd. 1 (1790) und Bd. 2 (1791). Vgl. auch Seth: Universität Greifswald, S. 273 zu Annerstedts Kritik an Uppsala, die der von Reichenbachs sehr ähnlich sei. 283 Ebd. 284 Vgl. die Tabelle „Einnahmen und Ausgaben der Universität Greifswald 1646–1813“ unter www.uni-greifswald.de/furorcameralisticus. 285 Dass die generierten Mehreinnahmen auch genutzt werden konnten und nicht im Schuldenabbau oder unerwarteten Aufwendungen versanken, lag an den zeitgleich eingeführten Optimierungen bei der Kapital- und Güterverwaltung, vgl. dazu Kapitel 1.3.4. Ökonomische Praxis und Finanzplanung ab S. 118, Kapitel 5.3.3.b. Exkurs: Assecurationskapital ab S. 437 und Kapitel 5.3.3.d. Exkurs: Amortisierungsfonds ab S. 444. 286 RAS, Gadebuschska samlingen, Vol. 112. Zum Stand der Universitätsverwaltung und -wirtschaft bis 1788 vgl. auch Gadebusch: Schwedischpommersche Staatskunde, Theil 2, S. 112– 127. 287 Vgl. Kapitel 3.3.5. Neubauten der 1780er Jahre ab S. 310.

1.2. Ökonomische Selbstverwaltung der Universität Greifswald

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und Handwerkerkosten stiegen.288 Ein weiterer Großteil der akademischen Mehreinnahmen floss darüber hinaus, vermehrt seit den 1790er Jahren, in den Ausbau der außerordentlichen Lehre, d.h. in neue Stellen für Adjunkte sowie Sprach- und Exerzitienmeister.289 Die Ordinariate blieben dagegen, trotz vereinzelter Pläne sowohl zur Aufstockung als auch zum Abbau von Lehrstühlen, bestehen und abgesehen von einer im Rezess 1775 beschlossenen Anpassung an das Agio und den vermehrten individuellen Gehaltszulagen veränderten sich auch ihre Gehälter bis 1803 nicht.290 Bei den an die steigenden Einnahmen angepassten Ausgaben gelang es der Akademischen Administration aber darüber hinaus die Neuverschuldung, wenn auch nicht wie 1775 verlangt zu vermeiden, so doch zumindest in geordneten Bahnen zu halten. Die Amortisierungsstrategie des Visitationsrezesses von 1775 griff nicht unmittelbar. Obwohl darin explizit die Neuaufnahme von Fremdkapital untersagt worden war, stieg die Neuverschuldung der Universität um 1780 zunächst erneut an; im Rechnungsjahr 1781–1782 um ca. 9.900 Reichstaler.291 Daraus entwickelte sich aber kein Trend, weil zum einen die Einnahmen der Korporation, vor allem die Revenuen, tendenziell auch weiterhin anstiegen. Zum anderen passte die Akademische Administration 1779 den bis dato unflexiblen sogenannten „Fonds d‘ Amortissement“ eigenmächtig an die herrschenden Wirtschaftsbedingungen an und sicherte die Universitätskasse vor den Risiken, die die Güterwirtschaft mit sich brachte, ab.292 Diese Faktoren ermöglichten einen sukzessiven Abbau der akademischen Kapitalschulden. Zunächst legte die Akademische Administration das Stiftungskapital, das die Universität nach 1747 gegen Zinsen-, bzw. Stipendienleistung eingezogen hatte, wieder in der Region an. Nach und nach wurde schließlich auch immer mehr Fremdkapital abgetragen – insbesondere nachdem der Kanzler von Hessenstein der Universität 1787 den Rückzug aus den privaten Kreditgeschäften angeordnet hatte.293 Während also diverse akademische Bauprojekte ohne Zusatzfinanzierung umgesetzt wurden, ließ die Akademische Administration seit Mitte der 1780er Jahre kontinuierlich Fremdkapital abtragen und minderte damit fortlaufend ihre Verschuldung und die jährliche Zinsenpflicht. Jene Schulden, die auch weiterhin noch aufgenommen wurden, waren in der Regel kurzfristige Anleihen.294 288 Vgl. Kapitel 3.3.6. Spar- und Kontrollvorschriften zu den Universitätsgebäuden ab S. 313, vgl. auch Visitationsrezess (1795), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 431–432. 289 Vgl. Kapitel 2.3.2. Besoldung weiterer Lehrer ab S. 241. 290 Vgl. Kapitel 2.3.1. Ordinarienbesoldung ab S. 222, vgl. auch Visitationsrezess (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 25 291 Vgl. die Tabelle „Fremdkapital und Zinsenausgaben für die Universität Greifswald 1670– 1808“ unter www.uni-greifswald.de/furorcameralisticus. 292 Vgl. Kapitel 5.3.3.b. Exkurs: Assecurationskapital ab S. 437 und Kapitel 5.3.3.d. Exkurs: Amortisierungsfonds ab S. 444. 293 Vgl. Kapitel 5.3.3.e. Schuldenabbau ab S. 450. 294 Ohne den privaten Kapitalmarkt, bediente sich die Akademische Administration wieder vermehrt der traditionellen Methode der akademischen Geldbeschaffung: Anleihen bei der Universität zugehörigen Institutionen, wie den Patronatskirchen, der akademischen Witwenkasse, den

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Eine fortlaufende Optimierung der Finanzplanung im Rahmen des Administrationsprozesses sorgte dafür, dass alle an der Universitätswirtschaft Beteiligten den Überblick darüber behielten und die systemische Kreditaufnahme auch kurzfristig blieb.295 Die Kapitalverschuldung der Universität wurde so bis 1805 um mehr als 50.000 Reichstaler, von 60.000 auf nur noch ca. 6.600 Reichstaler abgetragen.296 Die weiterhin vorwiegend professoral geführte Akademische Administration297 funktionierte also ganz offensichtlich bis ins 19. Jahrhundert hinein recht gut.298 Sie konnte in bescheidenem Maße investieren und dennoch auf ungünstige Umstände reagieren ohne die Universitätskasse zu überlasten. Außerdem korrigierte sie selbst ökonomisches und administratives Fehlverhalten; so z.B. als die Akademische Administration 1779 die Erweiterung des Amortisierungsfonds beschloss und dadurch erst seine effektive Umsetzung bewirkte. Oder auch als sie 1781 intern die Vereinheitlichung aller Zinsenzahltermine umsetzte, was die Finanzplanung wesentlich vereinfachte und stabilisierte.299 Die Akademische Administration sorgte nicht nur dafür, dass der Universitätsvermögen veruntreuende Professor Westphal entlassen wurde300, sondern ließ beispielsweise auch ihren altgedienten aber unzuverlässig gewordenen Rentmeister und Rechnungsführer Raths zum Jahresbeginn 1792 absetzen, nachdem sie in seinen Büchern erhebliche strukturelle Mängel gefunden hatte.301 Bezüglich der universitären Finanz- und Vermögensverwaltung gab es Ende des 18. Jahrhunderts keinen Anlass zur Beschwerde oder zu einer außerordentlichen Inspektion. Immerhin war das kontrollierende Moment der Kuratel förmlicher Bestandteil der Administration. Erst im Rahmen der Visitation von 1794–1795 unterzog die zuständige Kommission auch die Akademische Administration einer Unter-

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Fakultäten aber vor allem bei den akademisch verwalteten Stiftungen, bei denen man Einfluss auf die Zinsenkonditionen hatte, vgl. dazu Kapitel 4.3.4. Stiftungsverwalterin und Kapitalhalterin Universität ab S. 375. Vgl. Kapitel 1.3.4. Ökonomische Praxis und Finanzplanung ab S. 118. 1803–1806 hielt die Universität Fremdkapital über insgesamt nur noch 6.660,66 Reichstaler – vorwiegend akademischer Einrichtungen: 425 Reichstaler der Philosophischen Fakultät, 3.200 Reichstaler der Witwenkasse der Philosophischen Fakultät, 1.885,66 Reichstaler der Akademischen Witwenkasse, 900 Reichstaler der Gaepelschen Stiftung, 100 Reichstaler des Malers Holtzerland und 150 Reichstaler der „Berenhaeger Pfarr-Bauten Kasse“, vgl. Angeliehene Capitalia, in: UAG, Kurator RB 145, Hauptrechnungsbuch von 1805–1806. Durchschnittliche Anwesenheitsraten 1775–1808 (ermittelt anhand der Anwesenheitsvermerke von insgesamt 1.361 überlieferten Sitzungsprotokollen der Akademischen Administration): Erster Landrat 22 Prozent, zweiter Landrat 32 Prozent, Generalsuperintendent 46 Prozent, erstes Konzilsmitglied 96 Prozent, zweites Konzilsmitglied 90 Prozent, Rektor 77 Prozent. Die Quellen der Universität widerlegen Baumstarks, von Friedrich Gottlieb Canzler übernommene Einschätzung, dass die akademische Wirtschaftsverwaltung „weder glücklich noch geschickt“ gewesen sei. Baumstark: Universität Greifswald, S. 52. Zur Einführung des einheitlichen Zinsentermins vgl. Kapitel 1.3.4.d. Der Vorrat ab S. 217. Vgl. Seth: Universität Greifswald, S. 242. Vgl. Kapitel 5.3.3.d. Exkurs: Amortisierungsfonds ab S. 444.

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suchung, bestätigte aber die bestehende Wirtschaftsverwaltung weitgehend und nahm diesbezüglich keine größeren Veränderungen vor. Die 1775 geschaffenen und im Laufe der Zeit optimierten Strukturen blieben auch nach 1795 grundsätzlich bestehen. Der neue Rezess machte lediglich vereinzelte strengere Vorgaben zu Einsparungsmöglichkeiten und nahm kleiner Anpassungen an die Wirtschaftsrealität vor – insbesondere in der stets kostspieligen Gebäudeverwaltung, wie bei der veranschlagten Veräußerung möglichst aller Dienstwohnungen zu Gunsten eines monetären locarium.302 Die Entwicklung der Universitätswirtschaft blieb auch weiterhin moderat positiv. Bis 1805 stiegen die Erträge in bescheidenem Maße weiter an, wie auch die Ausgaben dementsprechend gesteigert werden konnten. Der Investitionsfokus lag während dieser letzten schwedischen Periode der Universität daher auch weiterhin nicht mehr auf der Vermögensverwaltung der Korporation, sondern auf der Verbesserung der Lehre und der Studienbedingungen303. Vor allem die Medizinische Fakultät erfuhr nach 1795 eine Aufwertung durch etliche neue Einrichtungen. Die universitär finanzierten medizinischen Lehreinrichtungen, wie das Klinische Institut304, die Entbindungsanstalt305 und die Veterinäranstalt306 waren für die Region natürlich von großem Nutzen.307 1803 erfolgte schließlich die königliche Befürwortung zur Anhebung der Ordinarienlöhne auf 600 Reichstaler308 während im gleichen Jahr die Kapitalverschuldung erstmals wieder auf den niedrigsten Stand seit Beginn des Kollegienbaus 1747 sank. All die vorsichtigen Investitionsmaßnahmen zur Modernisierung und Verbesserung der Lehre, die aus der Universitätskasse flossen, zeigten hinsichtlich der Frequenz der Hohen Schule aber zunächst keine nennenswerten Resultate. Die Studierendenzahlen blieben auch weiterhin sehr bescheiden: Nach 1775 immatrikulierten sich in keinem Jahr mehr als 50 neue Studenten.309 Ob die ökonomische Verbesserung und die Reformen langfristig auch diesbezüglich zielführend gewesen wären, lässt sich nicht beurteilen, da erneut das Kriegsgeschehen die positiven Entwicklungen der Universität unterbrach bzw. zunichte machte.

302 Vgl. Visitationsrezess (1795), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 508–533, insbesondere 523–529 sowie Kapitel 3.3.6. Spar- und Kontrollvorschriften zu den Universitätsgebäuden ab S. 313. 303 Maßnahmen zur Verbesserung der Studienbedingungen waren u.a. 1.) ein dezidierter Studienplan im Anhang des Visitationsrezesses (1795), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 530–533, 2.) die Einrichtung einer Studienkommission, vgl. Reglement für die Studienkommission (1798), in: Ebd., S. 557–578 sowie 3.) die Einrichtung eines Universitätsstipendiums (1805), in: Ebd., S. 595–598. 304 Vgl. Einrichtung des Klinischen Instituts (1789), in: Ebd., S. 545–557. 305 Vgl. Einrichtung einer Entbindungsanstalt (1802), in: Ebd., S. 578–582. 306 Vgl. Instruktion für den Direktor der Veterinäranstalt, in: Ebd., S. 588–595. 307 Vgl. auch Einleitung, in: Ebd., S. XXX–XXXI. 308 Vgl. Kapitel 2.1.2.c. Gehälter nach 1756 ab S. 181, vgl. auch Seth: Universität Greifswald, S. 295–298. 309 Vgl. Seth: Bilagor, S. 9.

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1.2.10. Besitzverlust und Rückgewinnung – Napoleon, Schweden und Preußen (1806–1815) Aufgrund akuter Bedrohung durch das herannahende napoleonische Heer forderte König Gustav IV. Adolf von der pommerschen Regierung als Teil der schwedischen Kriegsrüstung, eine pommersche Landwehr aufzustellen. Weil die Stände dies verweigerten, ließ der König am 18. Juni 1806 kurzerhand die pommersche Regierung auflösen und acht Tage später die ständische Verfassung SchwedischPommerns außer Kraft setzen.310 Durch diesen ‚Staatsstreich‘ verloren die pommerschen Stände auch ihre Aufsichtsrechte bei der Universität. Die ständische Kuratel war somit plötzlich nicht mehr existent und die Akademische Administration arbeitete fortan ohne die beiden Landräte.311 Die akademische Selbstverwaltung wurde direkt und ausschließlich dem Kanzler unterstellt.312 Kein halbes Jahr später rückten bereits französische Truppen bis Stralsund vor, besetzten am 28. Januar 1807 auch Greifswald und richteten dort eine provisorische Regierung für Pommern und Rügen ein.313 In diesem Zuge brachen die Einnahmen der Universität signifikant ein, weil Kontributionen geleistet werden mussten und die Pachtgüter kriegsbedingt wesentlich weniger Revenuen einbrachten. Die Ertragsausfälle mussten durch die Aufnahme von Fremdkapital ausgeglichen werden. Die Korporation verschuldete sich aber nicht nur erneut, sondern verlor darüber hinaus ihre Wirtschaftsgrundlage, als Napoleon am 17. Dezember 1809 der Universität das Korporationsvermögen entziehen und die Universitätsgüter mit den kaiserlichen Domänen zusammenlegen ließ. Daraus sollte dann ein Etat zur Finanzierung für die Hohe Schule erstellt werden. So war die Universität theoretisch auch ökonomisch der neuen provisorischen Regierung unterstellt und hatte also nicht nur ihr Vermögen, sondern damit auch ihr korporatives Selbstverwaltungsrecht verloren.314 Einige der ehemaligen akademischen Patrimonialgüter wurden bald an treue Gefolgsleute Napoleons verschenkt. Als der schwedische König Karl XIII. mit dem Pariser Frieden 1810 seine pommerschen Besitzungen zurückerhielt, musste er im Gegenzug diese mittlerweile getätigten Schenkungen akzeptieren. Pläne, dass die Universität ihre Güter von den neuen Besitzern zu beachtlichen Preisen auslösen sollte, scheiterten schnell an der miserablen Lage der akademischen Kasse: die kor-

310 Auflösung der Pommerschen Regierung (1806), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 602–605. 311 Im Plenum der Akademischen Administration ist dies nicht weiter thematisiert worden. Lediglich der Anwesenheitseintrag vor jedem Sitzungsprotokoll listete „ad curatorem“ zunächst nur noch den Superintendenten auf, einige Monate später wurde auch der nicht mehr geführt, vgl. UAG, Kurator K 5700, Protokolle der Akademischen Administration von 1806–1807. 312 Zum ‚Staatsstreich‘ und seinen Auswirkungen vgl. Berger: Rechtsgeschichte, S. 47–51, Dalgren: Statskuppen 1806, S. 115–119 sowie Olesen: Schwedisch-Pommern nach 1806. 313 Vgl. auch für das Folgend Einleitung, in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. XXXIII–XXXV sowie Seth: Universität Greifswald S. 311–321. 314 Vgl. Einziehung der Universitätsgüter (1809), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 313–316.

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porative Verschuldung hatte sich bereits mehr als verdoppelt. Die Frage nach der Rückgewinnung der verschenkten Universitätsgüter erübrigte sich schließlich, als die Region 1813 zum zweiten Mal zurück an Schweden fiel und die Universität Greifswald ihren vollständigen Dotalbesitz zurückerhielt. Allerdings wurde in diesem Zuge die akademische Finanzverwaltung zum ersten Mal tatsächlich konsequent vom Lehrbetrieb getrennt, als Karl XIII. die gesamte Wirtschaftsverwaltung der Leitung des Amtmanns übertrug. Ihm zur Seite standen die übrigen officiales: Syndikus, Sekretär und Rentmeister. Die neu geschaffene Vermögensverwaltung für die Universität war unmittelbar und ausschließlich dem Kanzler unterstellt.315 Sie bestand mit den Bediensteten zwar noch aus Universitätsverwandten, die Professoren waren allerdings von ihr ausgeschlossen. Laut Kanzler von Essen, der diese Maßnahme maßgeblich vorangetrieben hatte, sollten die Professoren von ihrer komplizierten und zeitraubenden, administrativen Nebentätigkeit befreit werden, damit sie nicht von ihrer eigentlichen Bestimmung, der Lehre abgelenkt würden. Der gewohnte Protest des Konzils auf obrigkeitliche Einschränkungsversuche der akademischen Selbstverwaltung blieb nach diesem 1813 vollzogenen „Akt bürokratischer Gewalttätigkeit“ allerdings aus.316 Nur zwei Jahre später änderten sich die herrschaftlichen Bedingungen für die pommersche Universität erneut grundlegend, nachdem Schwedisch-Pommern im Zuge der Wiener Friedensverhandlungen an Preußen angegliedert worden war.317 Der Wiener Friedensvertrag sicherte dem neuen Landesherrn unter anderem zu, dass die Universität Greifswald bestehen und im Besitz ihres Korporationsvermögens – unter der 1813 gebildeten Administration – bleibe.318 Nur kurze Zeit später bereute der preußische Kultusminister Altenstein diese Klausel allerdings bereits wieder, denn die ökonomische Grundlage der selbstwirtschaftenden Universität war während der vergangenen zehn Jahre schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Korporation war hoch verschuldet als sie allmählich in das preußische Hochschulsystem integriert wurde.

315 Vgl. Projekt zur Reform der Akademischen Administration (1813), in: Ebd., S. 620–630 und Sonnenschmidt: Sammlung Bd. 2, S. 289–293. 316 Außer den beiden Professoren Quistorp und Overkamp stimmte das Konzil bald schon für die Unterwerfung unter die neue königliche Anordnung, vgl. Curschmann: Recht der Universität Greifswald, S. 10–12. 317 Vgl. Weise: Integration Schwedisch-Pommerns. 318 Ähnlich wie Schweden im Friedensvertrag von Osnabrück im Oktober 1684 das Bestehen und Vermögen der Universität international bestätigt und gesichert hatte. Vgl. Altenstein: Bericht des Kultusministers, S. 353 sowie auch für das Folgende Einleitung in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. XXXV.

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1. Akademische Finanzadministration

1.2.11. Exkurs: Don Gratuit319. Chronologie eines Konflikts um Kontributionsfreiheit und Subsidien (1634–1785) Als der Universität Greifswald zu ihrer wirtschaftlichen Stabilisierung im Jahr 1634 das hoch verschuldete Amt Eldena übertragen wurde, garantierte Herzog Bogislaw XIV. im Dotationsinstrument, dass das Amt und die dazugehörigen Güter von obrigkeitlichen Steuern befreit seien.320 Daran schienen sich die Pommerschen Landstände aber offenbar nicht zu halten; andernfalls hätten sie 1651 nicht königlich dazu aufgefordert werden müssen, der Hohen Schule die Kontributionen zu erlassen.321 Zwei Jahre darauf schlug Königin Christina zwar eine Lösung des Problems vor, überließ dessen Durchsetzung aber der Pommerschen Regierung. Die Universität sollte „durch dero gouvernement mit den landtstenden handeln laßen“, dass die jährlich anfallenden Steuerquoten aus dem Amt Eldena für „etwa [...] funff jahr“ der Universität zugutekommen sollten.322 Eine entsprechende Einigung kam tatsächlich noch im gleichen Jahr zustande: Die anfallenden Abgaben aus dem Amt Eldena sollten vorübergehend statt in die landesherrliche in die akademische Kasse fließen, um davon den Wiederaufbau der ökonomisch ruinierten Universität zu unterstützen.323 Aus den veranschlagten fünf Jahren der Übertragung von Landsteuer-Anteilen wurden nicht einmal zwei Jahre. Denn mittlerweile war die kurze Friedensperiode wieder beendet. Im Zuge des Kriegsausbruchs wurden 1655 erneut Truppen in Pommern, auch rund um Greifwald, stationiert, die einquartiert und verpflegt werden mussten. Die gerade erst ausgehandelte steuerliche Ausnahmeregelung für die Universität fiel umgehend der ‚Kriegswirtschaft‘ und 1659 schließlich der Besetzung

319 Als „Don gratuit“ wurde ein „freywilliges Geschenk“ bezeichnet, das „eine Art außerordentlicher, jedoch freywilliger Abgabe“ darstellte, „welche die Regenten bey außerordentlich starkem Aufwande des Staats von ihren Ständen zu fordern pflegen“, vgl. „Don gratuit“, in: Johann Georg Krünitz: Ökonomisch-technologische Enzyklopädie, Bd. 9 (1776/1785), S. 373. 320 Darin garantierte der Herzog, dass „[...] wir, unsere erben und nachkommende herrschaft uns hiedurch der intraden, als welche hiemit ad pios usus consecriret sein sollen, im geringsten nicht anmaßen, auch dieselben keineswegs [...], zu uns ziehen oder zu andern, als iezt specificireten usibus und des corporis academici besten erogiren und anwenden laßen.“ Übertragung des Amtes Eldena (1634), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 423. 321 Vgl. Auszug aus dem königlichen Memorial an die Kommissarien der Landstände [1651] (in Kopie), in: UAG, Kurator K 2022, fol. 178r–182v. 322 Königin Christina schlug vor „die quota an steuren, so dem ampt Eldenow iedesmahls zu tragen kommen möchte, etwa uff funff jahr [zu] ubertragen, wobey dann auch die patrimonial gueter pro rata mit antretten mußen, damit es den landtständen umb soviel winiger bedencklich fallen möchte.“ Resolution Königin Christinas für die Universität (1653), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 32–33. 323 Von der Kontributionspflicht waren die Universitätsgüter damit aber nicht ganz befreit. Davon zeugt erstmals ein gesondertes „Nebenmodus“-Verzeichnis im Procuraturregister von 1654– 1655, wonach insgesamt 2.545 Gulden aus „land-Steurn [...] auß dem Ambt colligiret undt berechnet“ worden waren, vgl. UAG, Kurator St. 944, Procuraturregister von 1654–1655, fol. 15r.

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Greifswalds durch brandenburgische Truppen zum Opfer. Ab 1656 hatte die Universität teilweile erhebliche Kontributionszahlungen zu leisten. Tabelle 1.1. „Nebenmodus“324, Einnahmen aus der Landsteuer und Kontributionsausgaben, 1656–1670 (Gulden) Einnahmen Ausgaben Rechnungsjahr325 (Landsteuer) (Kontribution) 1656–1657 (St. 948) 305,00 2319,00 1657–1658 (St. 953) 342,75 3343,67 1658–1659 (St. 954) 2544,33 6447,17 1659–1660 (St. 958) 0,00 96,83 1660–1661 (St. 959) 0,00 111,58 1661–1662 (St. 960) 37,63 34 1662–1663 (St. 962) 0,00 12,46 1663–1664 (St. 963) 0,00 3,33 1664–1665 (k. Reg.) 1665–1666 (St. 965) 0,00 216,08 1666–1667 (St. 973) 0,00 211,08 1667–1668 (St. 975) 0,00 804,65 1668–1669 (St. 977) 0,00 633,00 1669–1670 (St. 978) 0,00 199,00 1670–1671 (St. 979) 0,00 108,38

Die geleisteten Kontributionen bestanden nicht aus regelmäßigen Geld- oder Kornabgaben an den Landkasten oder eine andere zentrale Sammelstelle, sondern hauptsächlich aus unterschiedlichsten Einzelleistungen an vor Ort stationierte Militärs sowie monatlich 14 Gulden zum Betrieb der „Wiecker Schantze.“326 Auch nach dem Krieg wurden die Kontributionen weiterhin geleistet, teilweise in Form von Gerste und Roggen an zentrale Kornmagazine. Dagegen protestierte das Konzil aber vehement. Wiederholt baten Rektor und Konzil die Regierungen in Pommern und Schweden, dass ihre Korporation endlich von der Kontributionspflicht befreit würde und ihr darüber hinaus direkte Finanzhilfen zukämen.327 Auf die Bitte um Subsidien ging die schwedische Krone nicht ein, immerhin bemühte sie sich in den

324 Als Nebenmodus wurden die Kontribution bezeichnet, vgl. Back: Striden om Nebenmodus und Buchholz: Öffentliche Finanzen 186–189. 325 Dem Rechnungsjahr ist hier in Klammern die Signatur des dazugehörigen Procuraturregisters beigefügt, aus welchem die entsprechenden Einnahmen und Ausgabenbeträge entnommen wurden. 326 Vgl. z.B. Kontibutionsausgaben des Rechnungsjahres 1656–1657, in: UAG, Kurator St. 948, pag. 120–121. 327 Vgl. insbesondere die Schreiben der Universität Greifwald vom 11. Dezember 1663, 29. November 1667 und 15. Juni 1670, in: RAS Pomm. Vol. 227, o. fol.

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1660er Jahren selbst aktiv um Finanzhilfen zur Rüstungsfinanzierung.328 Aber Königin Hedwig Eleonora versuchte hinsichtlich der Abgabenfreiheit augenscheinlich einen Kompromiss zu finden: Sie schlug vor, nur die beiden Ackerwerke Eldena und Wieck von Abgaben zu befreien. Auf die dadurch der „königlichen cassa“ ausfallenden Einnahmen würden keine Ansprüche erhoben werden. Damit nahm sie Rücksicht auf die Landstände, die befürchteten, dann selbst für die der Universität erlassenen Abgaben aufkommen zu müssen.329 In ähnlicher Weise wiederholte Königin Hedwig Eleonora diese Regelung 1670 noch einmal: Was an Landessteuern aus Eldena nicht erfolgen würde, solle man „als bezahlt annehmen“.330 Die Universität war pro forma also von der Steuerpflicht befreit, ohne eine zusätzliche Belastung des Landkastens. Theoretisch war damit allen Parteien gedient und offenbar zeigte die Maßnahme auch Wirkung. Im August 1672 konstatierte der Rektor Professor Petrus Maskow in einem Schreiben an den König, dass sich eine wirtschaftliche Entspannung bemerkbar machen würde.331 Er schrieb nach Stockholm allerdings nicht nur, um sich für die Kontributionsfreiheit zu bedanken, sondern vor allem aus Sorge vor dem erneut aktiv gewordenen Widerstand der Landstände gegen die Abgabenbefreiung der Universität. Was war geschehen? Im April 1672 hatte die schwedische Regierung mit Frankreich einen Vertrag zur Stationierung französischer, bzw. alliierter Soldaten in Pommern abgeschlossen.332 Am 22. Mai erging der königliche Befehl zur Aufrüstung und zur militärischen Schutzvorbereitung an die pommerschen Stände.333 Spätestens danach dürfte ein mögliches Vertrauen der Landstände in die königliche Bereitschaft, auf Kontributionen zu verzichten, verschwunden sein. Außerdem war damit offiziell bestätigt, dass durch die kommenden Ereignisse die Kosten für die Landstände und damit der Geldbedarf im Landkasten enorm steigen würden. Den pommerschen Landständen war also seit Mai 1672 erneut sehr daran gelegen, dass das Beneficium exemptionis wieder aufgehoben würde und die gutsbesitzende Universität ihren Beitrag zur Truppenverpflegung leistete. Rektor und Konzils setzten sich wiederum in glei328 Vgl. Frost: The Northern Wars, ab S. 208. 329 Das unbezahlte Kontributionskontingent solle „dann bey der königlichen cassa in decurtat gebracht werden.“ Resolution der Königin Hedwig Eleonora (1661), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 70. 330 „[...] wan daß landt Ihre Königliche Majestät einiger contribution künfftig bewilligen undt deß ambtes Eldena in den landes steuren gehabtes contingent mit zu übertragen difficultiren solte, sich alßdan solche des ambtes quotam zurechnen laßen, als bezahlt annehmen undt darunter die universität selbst überheben wollen.“ So in der Resolution der schwedischen Königin Hedwig Eleonora (1670), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 127. 331 Vgl. Schreiben des Rektors Petrus Maskow an den König vom 6. August 1672, in: RAS, Pomm. Vol. 227, o. fol. 332 Gegen jährlich 400.000 Riksdaler sowie einmalig 600.000 Riksdaler, wenn Schweden in den Krieg einsteige, vgl. Frost: The Northern Wars, S. 209. 333 Vgl. das Antwortschreiben landständischer Vertreter vom 13. Juli 1672 auf ein königliches Schreiben vom 22. Mai 1672, in: RAS, Pomm. Vol. 219, o. fol. Darin heißt es u.a.: „das Ewr. Königl. Maj.tt wegen der befindlichen Conjuncturen, für nötig erachten, zue dieser lande securität sich in etwas stärckere Armatur zuesetzen, undt desfals einen beytragk zue thuen [...].“

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chem Maße für die Beibehaltung der Befreiung ein.334 Wiederholte königliche Bestätigungen der Kontributionsfreiheit und direkte Aufforderungen an die Landstände, diese auch zu wahren335, blieben ergebnislos. Zwischen 1672 und 1674 seien aus dem Amt Eldena alleine 2.936 Gulden und 10 Schillinge für Kontributionen und Fourage gezahlt worden.336 Die königliche Bestätigung der Abgabenbefreiung galt vor Ort nichts: „ohngeachtet, daß Ihr. Königl. Maytt. das Ambt Eldena von diesem Titul befreyet müßen die Reuter verpfleget werden“ erklärte der neue akademische Procurator Moevius Völschow die Ausgaben für Kontributionen.337 Von Seiten der Landstände verwies man insbesondere auf die Königlichen Rezesse (zuletzt den von 1669), in denen betont worden war, dass alle im Land die schweren Lasten gleichermaßen zu tragen hätten.338 Ende 1673 gab die Regierung schließlich dem Drängen der Landstände nach. Am 20. Dezember entstand in Wolgast ein Vergleich zwischen der königlichen Regierung in Stralsund und Vertretern der Landstände über die Kontributionsfreiheit der Universität.339 Das Amt Eldena hatte auch weiterhin Abgaben zu leisten. Damit die Universitätsfinanzierung aber trotzdem gesichert sei, erklärten sich die Landstände im Gegenzug dazu bereit zum (Hypothekar-) Schuldenabbau der Universität aus dem Landkasten 10.000 Gulden zur Verfügung zu stellen. Solange das Kapital nicht überreicht würde, verpflichteten sich Ritterschaft und Städte der Universitätskasse die jährlich dafür anfallenden Zinsen von 500 Gulden zu leisten. Das damit eingerichtete340, sogenannte Don Gratuit341, stellte einen inner-pommerschen Kompromiss im Streit um Kontributions-

334 Vgl. dazu die Schreiben der Universität vom 8. Oktober 1672, 11. Februar 1673 u.v.m. in: RAS, Pomm. Vol. 227, o. fol. 335 Am 12. Mai 1673 und am 4. Juni 1673 erging der königliche Befehl zur Wahrung der akademischen Kontributionsfreiheit an die Landstände, vgl. Balthasar: Historische Nachricht von denen Landes-Gesetzen im Herzogthum Pommern, Greifswald 1740, S. 140. 336 Laut angehängter „Specification“ im Schreiben des Konzils an den König vom 3. November 1674, Pomm. Vol. 227, o. fol. Aus den Procuraturregistern selbst sind nur 339,46 Gulden Kontributionsleistungen für diesen Zeitraum ersichtlich, allerdings ist 1.) das Register von 1674– 1675 nicht überliefert und 2.) nicht ersichtlich, welche Beträge im Rahmen der Güterverwaltung, d.h. an anderer Stelle verrechnet worden sind. 337 UAG, Kurator St. 918, Procuraturregister von 1672–1673, pag. 45. 338 Vgl. Schreiben der Landstände an den König vom 26. März, 6. August und 2. Dezember 1673, in: RAS Pomm. Vol. 219, o. fol. Nicht nur die Universität, sondern das ganze Land sei in „miserablem Zustand“, betonten auch die Stände in zahlreichen Berichten an den König, vgl. dazu RAS, Pomm. Vol. 218, o. fol. 339 Da kein Vertreter der Universität unter den Unterzeichnenden auszumachen ist, handelte es sich auch nicht um einen Vergleich zwischen Landständen und Universität, wie in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 159. 340 Königliche Bestätigung erfuhr dieser Vergleich 1674, vgl. Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 159. 341 Die Landstände willigten also in eine „freywillige Abgabe“ ein, die der schwedische König wegen „außerordentlich starkem Aufwande des Staates von [seinen] Ständen“ forderte, vgl. die Definition „Don gratuit“, S. 82, Anm. 319.

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freiheit und landesherrliche Finanzhilfen für die Universität Greifswald dar.342 Die königliche Regierung war dadurch jeglicher Finanzierungsverantwortung für die pommersche Universität enthoben, wie sie es für die gesamte Provinz anstrebte.343 In den folgenden Jahren wurden aber weder das Kapital noch die vereinbarten Zinsen geleistet. Erneut verhinderte ein Krieg die Durchsetzung der erstrittenen Privilegien für die Universität. 1674 war der Schwedisch-Brandenburgische Krieg ausgebrochen und das Kriegsgeschehen erreichte im Herbst 1675 SchwedischPommern. Das Konzil sah sich 1677 wieder gezwungen die schwedische Regierung um direkte Finanzhilfen zu bitten, nachdem schwedische Truppen zwei Jahre lang in Eldena hatten verpflegt werden müssen und das Holz aus den Universitätsforsten zum Festungsbau verwendet worden war. Die Behauptung, dass keinerlei Revenuen eingekommen seien und daher zwei Jahre lang auch keine Löhne hatten gezahlt werden können, diente der Verdeutlichung des herrschenden Elends344, war aber tatsächlich übertrieben.345 Nach Kriegsende verwies die Universität umgehend, im September 1679, auf das nach wie vor nicht geleistete Don Gratuit und die somit theoretisch einhergehende Befreiung der Universität von Kontributionsleistungen.346 Zwar musste sie ihren Anspruch auf die offenen Zinsenforderungen der Jahre 1676–1679 aus Rücksicht auf die allgemeine schlechte Wirtschaftslage aufgeben347, ab Dezember 1681 setzten aber dann tatsächlich die jährlichen Zahlungen aus dem Landkasten ein. Verbucht wurden sie im Procuraturregister als eine der Zinseneinnahmen „Zu den Stipendiaten und gemeinen Tisch“. Vermutlich erfolgte dies weniger auf Grund der expliziten Zuordnung der Erträge zur Studienförderung, als vielmehr aus Ermangelung einer stiftungsunabhängigen Verbuchung von Kapitalgeschäften.348 342 Vom Konzil ist das Kapital des Don Gratuit in einem Memorial vom 17. September 1679 als „loco immunitatis patrimonialis et reductionis, item reluitionis hypothecarum verheißene Subsidium an Capital und rückstelligen Zinsen“ bezeichnet worden. Diese Formulierung unterstützte den Antrag des Konzils auf Befreiung von der Abgabenpflicht, weil das Don Gratuit nicht gezahlt wurde (s.u.), in: RAS, Pomm. Vol. 227, o. fol. 343 Ziel der schwedischen Regierung der 1680er Jahre war die Versorgung der pommerschen Provinz ausschließlich auf Basis von Subsistenzwirtschaft („[...] nämligen att provinsen skulle vara självförsörjande [...].“), Back: Striden om nebenmodus, S. 7. 344 Schilderung des ruinösen Zustandes vgl. u.a. Schreiben des Konzils an den König vom 20. April 1677, in: RAS, Pomm. Vol. 227, o. fol. 345 Aus den Rechnungsbüchern von 1675–1677 geht hervor, dass durchaus Einnahmen und (Gehalts-) Ausgaben getätigt wurden, allerdings auf deutlich reduziertem Niveau und in der Bilanz verschuldend. 346 Vgl. Memorial des Konzils vom 17. September 1679, in: RAS, Pomm Vol. 227, o. fol. 347 „Wegen der von den ständen bewilligten 5000 reichsthaler haben sich stände erklähret, daß sie die zinsen von anno 1675 item 1680 geben, und damit hinführo richtig continuiren wollen. Im übrigen aber gebeten, wegen des landes unvermögen und obliegenden schweren ungelegenheit nicht weiter in sie zu dringen. Alß hat man für dieses mahl dabey weiter nichts thun können, und wird sich die universitet für der hand damit vergnügen laßen und sich ratione solvendae fortis gewißer terminen zu vereinigen haben.“ Resolution der Königlichen Regierung auf Bitten der Universität (1681), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 186. 348 Vgl. dazu Kapitel 5.2. Akademisches Kapitalwesen in den Wirtschaftsquellen ab S. 396.

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Am 5. Dezember 1681 beglich der „Mandatorius“ des Landkastens zum ersten Mal die offenen Forderungen: mit insgesamt 1000 Gulden zwei Jahressätze.349 Fortan gingen in die Universitätskasse jährlich 500 Gulden aus dem Landkasten ein. Die Datenkurve der Einnahmen aus dem Don Gratuit seit den 1690er Jahren erinnert in ihrer Unregelmäßigkeit an die einkommenden Zinsen von den tatsächlichen Stiftungskapitalien. Unvollständigkeit und Unregelmäßigkeit der Zahlungen aus dem Don Gratuit waren allerdings wesentlich umstrittener und mündeten in einen hundertjährigen Rechtsstreit zwischen der Universität und den Landständen. Diagramm 1.2. Jährliche Einnahmen aus dem Don Gratuit, 1681–1720 (Gulden)350

1681 1682 1683 1684 1685 1686 1687 1688 1689 1690 1691 1692 1693 1694 1695 1696 1697 1698 1699 1700 1701 1702 1703 1704 1705 1706 1707 1708 1709

1800,00 1600,00 1400,00 1200,00 1000,00 800,00 600,00 400,00 200,00 0,00

Nachdem das Don Gratuit wiederholt unvollständig gezahlt worden war, hatte König Karl XI. auf Bitten der Universität bereits 1684 die Einrichtung einer Kommission zur Prüfung dieses Sachverhaltes bei den Landständen angewiesen. Zwei Jahre später riet er der Universität schließlich gerichtlich gegen die ausbleibenden Zahlungen vorzugehen und wies außerdem die Stralsunder Regierung erneut an, für die Einrichtung einer „solche[n] commission, so weit es noch nicht geschehen“ zu sorgen.351 Dessen ungeachtet kam das Don Gratuit aber auch weiterhin nicht richtig ein [...], sondern [blieb] von seiten der Ritterschaft alle Zeiten deficit [...], so hatt endlich die Universität darüber [...] geklaget.352

Kurzfristig führte diese Klage zu einem Abbezahlen der offenen Schulden (1706: 1.705,20 Gulden), langfristig allerdings zur endgültigen Einstellung des Don Gra349 800 Gulden wurden dem Rektor für die Universitätskasse ausgehändigt und „auf 200 aber hatt die Königl. Regierung einen arrest geleget und hernach dieselbe an H. Doct. Friedelieben assigniret.“ UAG, Kurator St. 972, Procuraturregister von 1681–1682, pag. 45. 350 Die Beträge sind in Gulden angeführt, vgl. die Tabelle „Stiftungskapital und Erträge für die Universität Greifswald 1670–1807“ unter www.uni-greifswald.de/furorcameralisticus. 351 Resolution König Karls XI. (1686), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 202. 352 UAG, Kurator St. 1001, Procuraturregister von 1700–1701, pag. 54.

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tuit von Seiten der Landstände. Hinzu kam, dass erneut – bereits zum dritten Mal – die Auswirkungen von unmittelbarem Kriegsgeschehen durch den Großen Nordischen Krieg die Verteidigung universitärer Ansprüche verhinderten. Nach Kriegsende wurde die Klage der Universität gegen die Pommerschen Landstände wegen des Don Gratuit vor dem Wismarer Tribunal wieder aufgenommen und resultierte 1728 in einem Tribunalsbeschluss zu Gunsten der Hohen Schule: Die Landstände seien verpflichtet umgehend die mit 4.436,86 Gulden angegebenen rückständigen Zinsen zu begleichen.353 Dagegen klagten wiederum die Stände. Aus einer von ihnen angefertigten Zusammenstellung der Ereignisse geht hervor, dass sich die Landstände vor allem darum bemühten, den Zusammenhang zwischen dem Don Gratuit und dem Entzug der akademischen Kontributionsfreiheit abzuerkennen.354 Denn ohne diesen Zusammenhang könnten die Zahlungen auch ohne größere Konsequenzen eingestellt werden. „Es scheinet, das sie [die Landstände] nur die Verzögerung der Sache intendiren“355 vermutete Augustin von Balthasar während seines Rektorats 1737 und tatsächlich war durch die Vermeidung der Entscheidungsfindung dem Landkasten bereits gedient. Aus der Universitätskasse wurden weiterhin Kontributionen geleistet356, aus dem Landkasten kam dagegen nichts. So zog sich der Rechtsstreit um das Don Gratuit weiter hin. Die Universität verlagerte im Laufe ihrer ökonomischen Krise ab 1750 ihre Bemühungen größtenteils auf dringlichere und aussichtsreichere Forderungen, erinnerte aber auch weiterhin immer wieder an das ausstehende Don Gratuit. 1772 wurde das Konzil allerdings aufgefordert, den Rechtskampf um die offenen Forderungen einzustellen.357 Der Generalgouverneur und Kanzler Fredrik Wilhelm von Hessenstein brachte das Thema 1779 schließlich wieder auf den Verhandlungstisch, im Zusammenhang des „Medizinalwesens Pommerns“, das sich „in größter Unordnung“ befand.358 Zu

353 Vgl. UAG, Kurator K 2021, Don Gratuit Vol. II, fol. 42r, 89r–90v. 354 In dem „Acten-mäßigen Bericht“ vom 14. Juli 1730, den die Landstände beim Wismarer Tribunal einreichten, heißt es u.a., dass auf Bitten der königlichen Regierung die Landstände im Jahr 1673 „ohne Schuldigkeit, aus einen puren freyen belieben sich entschloßen [hätten], ein Donum gratuitum von 5000 Rtlr. dem patrimonium Universitatis zu dessen Erhalt- und Verbesserung zu fließen zu laßen.“ Das Don Gratuit sei ein „freiwillich gratuitum [...] aus einem erbarmenen Mitleiden“, „ein blosses Werck der Barmherzigkeit [...], woraus Niemand eine obligation deduciren kan.“ UAG, Kurator K 2022, Don Gratuit Vol. III, fol. 114r–v. 355 Zirkular des Rektors A. von Balthasar vom 31. Dezember 1737, in: UAG, Kurator K 2022, Don Gratuit Vol. III, fol. 110r. 356 Zwischen 1728 und 1769 [sieben Register sind nicht überliefert] leistete die Universität Greifswald mindestens 2.037,39 Gulden (1.018,70 Reichstaler) Kontributionen. 357 So beschrieb es Johann Muhrbeck im Januar 1773 in einem an den König gerichteten Schreiben (das den König aber nicht erreichte), in welchem er auch angibt, dass die gesamte ausstehende Forderung aus dem Don Gratuit (Kapital und Zinsen) mittlerweile 20.000 Reichstaler betrage („Förledit åhr fick Concilium befallning at icke vidare therom [Don Gratuit] påminna. Men thetta ärende är dock för Academien af så mycket större vigt, som Husvudstol med Ränta nu mera stiger öfver 20000 Rdl.”), in: RAS, Pommeranica Vol. 229, o. fol. 358 Seth: Universität Greifswald, S. 245, zur Einrichtung des Collegium medicum vgl. ebd. S. 245– 247.

1.2. Ökonomische Selbstverwaltung der Universität Greifswald

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diesem Zeitpunkt war bereits zehn Jahre lang um eine Medizinalordnung für die Provinz gestritten worden, deren Umsetzung vor allem an Finanzierungsfragen scheiterte. Erst als sich die Provinzialstände bereit erklärten die Einrichtung eines Collegium medicum, einer Art Landesaufsichtsbehörde für das Medizinalwesen359, mitzutragen, ist auch eine entsprechende Ordnung auf den Weg gebracht und am 7. Dezember 1779 verabschiedet worden.360 Dabei gab die Hessensteinsche Regierung der landständischen Forderung nach, dass deren Finanzierungsanteil aus dem Don Gratuit bestehen würde, d.h. aus jener Zahlungsverpflichtung, die die Stände seit 1706 abgestritten hatten. Die Universität war an den Verhandlungen um das Don Gratuit und dessen Anwendung für das Collegium medicum nicht, bzw. ausschließlich durch ihren Kanzler von Hessenstein vertreten gewesen. Dagegen sowie gegen die Entscheidung das Don Gratuit der Universitätskasse zu entziehen, reichte das Konzil 1782 beim Wismarer Tribunal eine ausführliche Beschwerde ein.361 Von Hessenstein sah dadurch seine Stellung als Kanzler beleidigt. Er forderte die Universität zunächst selbst auf, das Schreiben zurückzunehmen. Als die sich aber weigerte, sandte er einen entsprechenden Bericht nach Stockholm, worauf der König mit einer Anweisung zur Rücknahme der reservation antwortete.362 Statt aber die Professorenschaft tatsächlich von der Verfolgung dieser Sache abzubringen, fühlte diese sich durch die königliche Anordnung viel mehr ermutigt, dem offensichtlich uninformierten König den genauen Sachverhalt darzulegen.363 Der Weg des daraufhin aufgesetzten Schreibens an den König führte aber über die Kanzlei des Generalgouverneurs, der sich wiederum weigerte das Schriftstück nach Stockholm weiterzuleiten, solange nicht die Beschwerde aus Wismar zurückgezogen worden sei.364 Ohne eine informierte königliche Reaktion ließen die Professoren die reservation aber zunächst stehen und gaben ihren Anspruch auf das Don Gratuit noch nicht auf. Vielmehr bemühten sie sich um Pläne möglicher Ausgleichszahlungen, wie beispielsweise einem Einbehalten der an den Landkasten zu zahlenden Hufensteuer. Die Land-

359 Vgl. Goerke: Deutsch-schwedische Beziehungen in der Medizin, S. 31–33 sowie Einleitung zur Medizinalordnung für Schwedisch-Pommern und Rügen (1779), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 479–483. 360 Vgl. Ebd., S. 483–500. 361 Vgl. Schreiben König Gustavs III. an den Kanzler vom 11. November 1782, in: UAG, Kurator K 2022, Don Gratuit Vol. III (1728–1785), fol. 427r. 362 Aus dem Schwedischen übersetztes Schreiben König Gustavs III. an den Generalgouverneur vom 11. November 1782, in: UAG, Kurator K 2022, Don Gratuit Vol. III, fol. 427r–v. 363 Das Konzil wollte die „beim Königl. Hohen Tribunal eingelegte reservation“ durchaus zurücknehmen, da „es wol keinen Zweifel leiden könne, hierin gehorchen zu müßen.“ Damit wollte man allerdings noch warten, „bis man bei Sr. Königl. Maytt. gehörige Vorstellung gethan [...].“so im Protokoll vom 16. April 1783, in: UAG, Altes Rektorat Hbg 3/5, Konzilsprotokolle 1782–1783, pag. 43r–47v. 364 Vgl. auch für das Folgende Seth: Universität Greifswald, S. 245–246.

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1. Akademische Finanzadministration

stände machten im Mai 1785 allerdings deutlich, dass sie solche Ertragsausfälle nicht akzeptieren würden.365 Es bleibt zu vermuten, dass das Konzil daraufhin tatsächlich seine Beschwerde zurückzog. Denn im Juli 1785 ging das 1782 an den König aufgesetzte Konzilsschreiben, erweitert durch Anmerkungen von Hessensteins, schließlich in Stockholm ein. Statt der von den Professoren erhofften Unterstützung durch den König im Ringen um ihre alten Ansprüche bestätigte König Gustav III. kurz darauf die von Hessenstein arrangierte Einrichtung des Collegium medicum unter finanzieller Beteiligung der pommerschen Landstände aus dem Don Gratuit.366 Damit war der akademische Anspruch auf Zahlungen aus dem Landkasten, die die Universität in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in finanzieller Not gegen ihre Kontributionsfreiheit eingetauscht hatte, für deren Umsetzung sie jahrzehntelang rechtlich hatte vorgehen müssen und deren Legitimität ebenso lange ignoriert worden war, gleichzeitig sowohl bestätigt, als auch zunichte gemacht. Die königliche Bestätigung von 1785 erkannte das Don Gratuit, entgegen der landständischen Argumente der vergangenen 70 Jahre, zwar als zu leistende Verpflichtung des Landkastens an, entzog es aber der rechtmäßigen Empfängerin. 1.3. AKADEMISCHE WIRTSCHAFTSQUELLEN UND FINANZADMINISTRATIVE PRAXIS 1.3. WIRT SCHA FTSQ UELLEN UND PRAXI S

Rechnungen bzw. Rechnungsbücher machen in der Regel den Großteil der heute überlieferten frühneuzeitlichen Wirtschaftsquellen aus.367 Das gilt nicht nur, aber

365 Vgl. Protokoll vom 21. Januar 1785, in: UAG, Altes Rektorat Hbg 3/6, Konzilsprotokolle 1784–1785, fol. 26v–27v., Protokoll vom 1. Februar 1785, in: UAG, Kurator K 5681, Protokolle der Akademischen Administration 1784–1785, fol. 67r. Dass sie diese Maßnahme nicht akzeptieren würden, machten Vertreter der Landstände wiederum in einem Schreiben an Rektor und Konzil vom 25. Mai 1785 deutlich, vgl. UAG, Kurator K 5901, Don Gratuit Vol. IV., fol. 6r–v. 366 Tatsächlich erfuhr die Professorenschaft auch später nicht, dass ihr Schreiben von 1783 beim König eingegangen war. Denn als 1796 ein neuer Kanzler ins Amt kam, ließ das Konzil erneut Nachforschungen zur Don Gratuit-Sache und zu dem verschollenen Schreiben von 1783 anstellen. Dabei entstand die Annahme, dass der Brief in der Unordnung des Kanzleiarchivs von Hessensteins in Stralsund verschwunden sei, weil auch der bemühte Gouvernementssekretär Thomas ihn nicht mehr auffinden konnte. Der neue Kanzler von Platen versprach, im Stockholmer Riksarkivet nach dem verschwundenen Schreiben suchen zu lassen, sowie ein vom Konzil neu aufgesetztes Schreiben an den König weiterzuleiten. Die letzte der vier Akten zum Don Gratuit endet bezeichnenderweise mit dem Vermerk des Rektors Professor Kletten, dass er besagtes Schreiben am 5. Juli nach Stralsund abgeschickt habe. Vgl. dazu UAG, Kurator K 5901, Don Gratuit Vol. IV. sowie Protokoll vom 12. Mai 1797, in: UAG, Altes Rektorat St. 651, Konzilsprotokolle 1797–1798, fol. 3v–5r. 367 Das liegt insbesondere auch daran, dass die ordentlich geführten Jahresabrechnungen im Gegensatz zum rein internen Schriftgut der Finanzverwaltung die höchste Überlieferungschance hatten, vgl. dazu Esch: Überlieferungs-Chance und Überlieferungs-Zufall.

1.3. Wirtschaftsquellen und Praxis

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eben auch für das ökonomische Schriftgut von Universitäten. Die Hürden bei der Auswertung solcher Rechnungen sind besonders hoch, „weil man sie erst ausnutzen“ sollte, „wenn man genau die Grundsätze kennt, nach denen sie angelegt und die betreffenden Finanzen organisiert waren.“368 Genese und Organisationsprinzipien frühneuzeitlicher Universitätsrechnungen bzw. allgemein korporativer Rechnungen als serieller Quelle sind dabei bislang noch nicht untersucht worden.369 So erweist sich auch die Anzahl quellenbasierter Analysen zur ökonomischen Entwicklung vormoderner Universitäten bislang als recht überschaubar.370 Das ist entweder einer zu geringen Überlieferung von Rechnungen in den Universitätsarchiven geschuldet oder aber zu zahlreich überlieferter Wirtschaftsquellen und einer mangelnden Kenntnis davon. Immerhin existierte für gewöhnlich bis ins 18. Jahrhundert keine Verschriftlichung verwaltungsrechtlicher Parameter, sodass das Verständnis der ökonomischen Quelle ausschließlich aus ihr heraus generiert werden kann. Dieser Prozess ist – erst recht ohne Unterstützung digitaler Datenverarbeitung – äußerst mühsam. Vor diesem Hintergrund stellt die Überlieferungssituation im Archiv der Universität Greifswald einen besonderen Glücksfall dar. Zum einen war die Hohe Schule durchgehend sowohl eine vergleichsweise kleine und daher überschaubare Universität mit einer selbständigen Finanzverwaltung bzw. Eigenwirtschaft. Zum anderen ist hier seit 1566 ein beinahe vollständig erhaltener Bestand von Jahresrechnungsbüchern überliefert: 1566–1768 Procuraturregister und ab 1774 Hauptrechnungsbücher. Die Procuraturregister stehen darüber hinaus größtenteils auch in digitalisierter Form zur Verfügung, was eine wesentlich intensivere Nutzung der Quelle erlaubt. Die Greifswalder Rechnungen bieten sich also als Fallbeispiel für eine Typologie akademischer Wirtschaftsquellen an. 1.3.1. Quellentypologie Bei einer Rechnung handelt es sich ganz allgemein um das schriftliche Zeugnis über einen Rechenschaftsvorgang im Rahmen der Finanzverwaltung371 – im Sinne einer 368 Van Caenegem/Ganshof: Kurze Quellenkunde, S. 97–98. 369 Die einzigen auch quellentheoretischen Analysen von Universitätsrechnungen unternahmen bislang Rasche: Jenaer Rektoratsrechnung sowie Alvermann: Vermögensverwaltung. Zur aktuellen Forschung zu vormodernen Rechnungen vgl. u.a. Glena/ Peters: Wirtschafts- und Rechnungsbücher. 370 Hervorzuheben sind hier insbesondere Brunn: Wirtschaftsgeschichte der Universität Heidelberg von 1558 bis zum Ende des 17. Jahrhunderts [1950], Merkel: Wirtschaftsgeschichte der Universität Heidelberg im 18. Jahrhundert [1973], Pfister: Die finanziellen Verhältnisse der Universität Freiburg von der Zeit ihrer Gründung bis zu Mitte des 19. Jahrhunderts [1889], Bingsohn: Zur Wirtschaftsgeschichte der Universität Gießen von der Gründung bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts [1982], Ernst: Die wirtschaftliche Ausstattung der Universität Tübingen in ihren ersten Jahrzehnten (1477–1534) [1929], sowie Schubert: Materielle und organisatorische Grundlagen der Würzburger Universitätsentwicklung 1582–1821 [1973]. 371 Vgl. Mersiowsky: Territoriale Rechnungslegung, S. 11–18, 39.

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1. Akademische Finanzadministration

regelmäßigen Abrechnung. Als Rechnungen werden im Folgenden also ausschließlich jährlich die erstellten Hauptbücher372 der Finanzadministration bezeichnet. Davon abzugrenzen sind die Einzelrechnungen, als Belege einer einzelnen Transaktion, wie bspw. die quittierten Belege einer Dienstleistung. In diesem Fall stellte ein Rechnungsleger eine erbrachte Leistung schriftlich in Rechnung. Der Rechnungsnehmer beglich den Betrag, woraufhin der Rechnungsleger den Erhalt der geforderten Summe auf selbigem Schriftstück quittierte, das anschließend zu den Akten des Rechnungsnehmers gelegt wurde. Die Einzelrechnungen bzw. die Informationen zu der dazugehörigen Transaktion wurden regelmäßig in Form eines Posteneintrages in das Rechnungsbuch oder ein Vorbuch übertragen und entweder vernichtet oder aber gesammelt und als Ergänzung zum Rechnungsbuch aufbewahrt. In Greifswald sind solche quittierten Rechnungs- bzw. Zahlbelege (Verificationen) seit dem Rechnungsjahr 1669–1670 in sogenannten Verificationsbänden relativ vollständig überliefert.373 Sie sind erstaunlicherweise weder der im 19. Jahrhundert um sich greifenden Kassation von Wirtschaftsquellen noch den beiden Weltkriegen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert zum Opfer gefallen. Rechnungsbücher sind Amtsbücher der Finanzverwaltung. Sie beinhalten „vorwiegend statistische (Massen-) Daten in verbaler und numerischer Form“ und sind gegebenenfalls ausbilanziert. Ihr primärer Zweck war die Rechnungslegung.374 Im Laufe des Betrachtungszeitraumes dienten sie außerdem in zunehmendem Maße der finanzadministrativen Übersicht und ökonomischen Planung. Bei den Procuraturregistern handelt es sich um gebundene, schmale Hefte mit einer Länge von 33 cm und einer Breite von 10,5 cm. Damit entsprechen sie dem üblichen Format frühneuzeitlicher Rechnungen. Sie umfassen durchschnittlich ca. 70 Seiten. Ab 1707 wurden die Register als Bücher in feste Deckel gebunden und ab 1754 im Quartformat ausgestellt. Der Finanzverwalter der Universität Greifswald, der sogenannte Procurator, erstellte seine Rechnung, also das Hauptrechnungsbuch, am Ende eines jeden Rechnungsjahres aus seinen und diversen anderen Geschäfts- bzw. Vorbüchern, welche in der Regel am Ende des Buchhaltungsprozesses kassiert wurden. Einige davon sind bekannt, ihre Überlieferung ist allerdings selten und häufig dem Zufall zu verdanken:

372 Hauptbücher sind keine Geschäftsbücher, wie beispielsweise ein Kassenbuch oder ein Journal, vgl. dazu Neuss: Aktenkunde, S. 52–54. 373 UAG, Kurator RB 1–110, Verificationen (Quittungsbücher) von 1622–1805. 374 Vgl. Kloosterhuis: Amtsbücher, S. 71.

1.3. Wirtschaftsquellen und Praxis

– – – –

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Das Amtsregister des Amtmanns in Eldena über seine Gutsverwaltung.375 Das Bursenregister des Procurators über die Zimmervermietung in der Burse und der Regentie.376 Das Manualregister des Procurators ist als Journal über die täglichen Geschäftsaktionen nach Einnahmen und Ausgaben gegliedert.377 Die rein chronologisch geführten Kassenbücher als Notizen zum Kassengeschehen.

Die Procuraturregister sind wie alle Jahresrechnungsbücher immer nur ein Derivat diverser Vorbücher und somit keine originären Quellen. 1.3.2. Die Procuraturregister 1566–1768 a) Normgebung Das Dotationsinstrument Philipps I. legte im Jahr 1558 fest, dass die später als Kuratoren bezeichneten censores als herzogliche Kontrolleure der Universität dort jährlich „aller einname und außgabe rechnung nemen“ sollten.378 Wer diese Rechnungen anfertigen würde, ist dagegen normativ nicht bestimmt worden. Dass es an der Universität Greifswald aber einen eigenen Rechnungsführer gab, der als Procurator bezeichnet wurde, ist seit den 1540er Jahren belegt.379 Er war zunächst kein universitärer, sondern ein herzoglicher Beamter. Rektor und Konzil wählten ihn, aber nur die Bestätigung des Herzogs setzte ihn in das Amt. Die frühen Procuratoren der Universität waren ausschließlich dem Herzog und nicht dem Rektor/Konzil zur Rechenschaft verpflichtet. Das bedeutet, dass sie ihre Rechnungen über die Einnahmen und Ausgaben der Korporation nur dem Herzog, bzw. dessen Kontrolleuren zur Prüfung vorzulegen hatten. Dagegen protestierten die Professoren, weil ihnen so der Überblick über die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel fehlte.380 Der 375 Neben dem regulären Bestand der Amtsregister des Amtes Eldena zwischen 1577 und 1670 (UAG, Kurator K 5625–5663) befanden sich vereinzelte Amtsregister auch unter den Signaturen der Procuraturregister: Amtsregister von 1632–1633 (UAG, Kurator St. 916), Amtsregister von 1635–1636 (UAG, Kurator St. 917), Amtsregister von 1641–1642 (UAG, Kurator St. 191), Amtsregister von 1650–1651 (UAG, Kurator St. 933). 376 Die Bursenregister wurden in die Procuraturregister übernommen, sind selbst aber nicht überliefert. Vgl. dazu insbesondere Kapitel 3.3.1. Exkurs: Bursenheuer (Mieteinnahmen) ab S. 292. 377 Solche Manualregister sind ausschließlich zufällig im Bestand der Procuraturregister überliefert, unterscheiden sich allerdings deutlich voneinander: Manualregister von 1656–1657 (UAG, Kurator St. 949), 1657–1658 (St. 950), 1657–1658 (St. 1076), 1657–1658 (St. 952), 1658–1659 (St. 955), 1661–1662 (St. 961), 1665–1666 (St. 964), 1667–1668 (St. 976), 1678– 1679 (St. 982). 378 Dotation Herzog Philipps I. (1558), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 173. 379 Vgl. auch für das Folgende Kapitel 1.4. Die akademischen Vermögensverwalter ab S. 134. 380 Vgl. Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 186.

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1. Akademische Finanzadministration

Herzog ging auf die Beschwerden aber nicht ein. Vielmehr bestätigten die Söhne Herzog Philipps im Januar 1563 erneut die direkte Unterstellung des Procurators unter ihre Aufsicht381 und forderten die Professorenschaft auf, sich „sampt unnd sonderlich inn euerm beruff unnd ampternn mit lesenn, disputirenn und declamirenn [...]“ zu befleißigen, d.h. sich nicht unnötig in die offenbar landesherrliche Angelegenheit der akademischen Finanzverwaltung einzumischen.382 Kurz darauf erweiterten die pommerschen Herzöge den Aufgabenbereich und das Gehalt des herzoglichen Procurators und werteten dadurch seine Position deutlich auf.383 Der Überlieferungsbeginn der akademischen Jahresrechnungen dürfte nicht zufällig in diesen Zeitraum fallen, als die Procuratur der Universität neu formiert und gestärkt wurde. Das älteste Procuraturregister im Bestand des Greifswalder Universitätsarchivs stammt aus dem Rechnungsjahr 1566–1567.384 Es ist anzunehmen, dass es sich hierbei tatsächlich um das erste so geführte Procuraturregister handelt. Nur zwei Rechnungsjahre nach diesem vermutlich ersten Procuraturregister regelte auch erstmals ein Visitationsabschied förmlich die Rechnungslegung: Jährlich sollte der Generalsuperintendent gemeinsam mit dem Rektor, den Aedilen385 und wer noch dazu benötigt würde, die Rechnung prüfen, um Mängel ausfindig zu machen und zu korrigieren, damit die Bücher bei einer Visitation der Universität vollständig und korrekt wären. Mit der Dotation von 1634 übertrug Herzog Bogislaw XIV. das Amt Eldena und damit auch die Haupteinnahmequelle in den Besitz der Universität. Das machte nicht nur den Amtmann in Eldena, sondern vor allem auch den Procurator zu einem akademischen Beamten, d.h. dass er fortan ausschließlich dem Rektor und dem Konzil zur Rechenschaft verpflichtet war. Die Procuraturregister wurden jährlich weiterhin intern geprüft. Weil nun die Universität direkt dem Landesherrn in ökonomischen Fragen verpflichtet war, mussten fortan auch der Rektor und das Konzil dem Herzog von den akademischen Finanzen „rechnung [...] thun“ und nicht mehr der nun akademische Procurator.386 Die universitäre Rechnungslegung vor dem 381 Vgl. Rechnungslegung des Procurators (1563), in: Ebd., S. 186–187. Im Jasenitzer Erbvertrag heißt es: „Es soll auch der Procurator Universitatis eben sowol als die Diaconi des Paedagogii zu Alten-Stettin, beiden Oertern sich mit Eyden und Pflichten verwandt machen, und die Rechnungen beiden Regierungen jährlich auf Dionysii, wenn andere gemeine Rechnungen aufgenommen werden, zu thun schuldig seyn.“ in: Dähnert: Landes-Urkunden Bd. 1, S. 301. 382 Rechnungslegung des Procurators (1563), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 187. 383 Vgl. Bestätigung und Erweiterung der Dotation Philipps I. (1563), in: Ebd., S. 188–199 sowie Kapitel 1.4.2. Das Amt: Procuratur und Structuariat ab S. 137. 384 UAG, Kurator St. 865, Procuraturregister von 1566–1567. Eine ältere Rechnung ist in diesem Bestand noch erhalten (St. 864, Register von 1543–1544) wobei es sich hier um eine Rechnung des Klosters Eldena handelt, die aufgrund ihres Formats versteckt im Bestand der Procuraturregister überliefert worden ist. 385 Zum Amt der Aedilen vgl. Kapitel 3.1.3.b. Administration des akademischen Gebäudebesitzes in der Stadt ab S. 274. 386 Übertragung des Amtes Eldena (1634), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 423.

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Landesherrn war nicht regelmäßig oder termingebunden vorgegeben, sondern sollte „so offt es für nötig erachtet wirdt“ durchgeführt werden können. Die Rechnungen mussten also theoretisch immer einer Kontrolle genügen können. Nachdem die schwedische Krone die Macht in Vorpommern übernommen hatte, bestimmte die Königin im Jahr 1639, dass die Universität mit ihren Finanzen fortan ihrem Statthalter in Stralsund, dem Generalgouverneur, zur Rechenschaft verpflichtet sei.387 Der ließ sich in der Kontrolle der Universitätsfinanzen allerdings bald von den landständischen Kuratoren vertreten. Über die Rechnungsführung machten auch die Schweden zunächst keine schriftlichen Vorgaben, sondern bestimmten lediglich, dass über alle Einnahmen und Ausgaben guhte richtige rechnung gehalten werden [sollte], damit wan [...] von dem Königlichen gouvernement [...] status begehret wirdt, sich selbigeß darauß ersehen unndt ob der vorgesetzte zwegk erreichet werde, erkundigen könne.388

Die Rechnungen wurden nach dem Rezess von 1646 ausschließlich in Greifswald389 von Universitätsverwandten geprüft. Das vereinfachte das Verfahren und steigerte außerdem den Grad der Selbständigkeit der akademischen Finanzverwaltung enorm. Dieses Vorgehen wurde bis zum Ende der Procuraturregisterführung390 weitgehend beibehalten. Allerdings verzögerte sich die interne Rechnungsabhörung häufig über mehrere Jahre und führte bei den sehr seltenen landesherrlichen Inspektionen erwartungsgemäß zu entsprechenden Monita. Die Frage der Buchhaltung war lange Zeit kein Bestandteil der überlieferten Gesetzgebung zur akademischen Finanzverwaltung. Erst in der „Instruktion für den Procurator und Structuarius“ aus dem Jahr 1671 lassen sich detailliertere Vorgaben zur Rechnungsführung finden. Demnach hatte der Procurator die Jahresrechnungen über „alle dero intraden und außgaben“ zu führen. Darin sollte er prinzipiell „die alten titul beibehalten“. Das Streichen von „unnützen“ Titeln war ihm nur gestattet, wenn er dieses im Register unter dem fraglichen Titel schriftlich erläuterte.391 Hier lässt sich das Streben der Gesetzgeber nach höchstmöglicher Transparenz in der akademischen Buchhaltung erkennen. Tatsächlich war das so geforderte Vorgehen, bestehende Titel zu übernehmen, selbst wenn sie nichts mehr einbrachten, zu diesem Zeitpunkt bereits einhundert Jahre lang gängige Handlungspraxis gewesen. Neben dem Procuraturregister verlangte die Instruktion von 1671 außerdem ein Verzeichnis über die Kreditgeschäfte der Universität (Schulden- und Forderungs387 Vgl. Zuständigkeit des schwedischen Generalgouverneurs (1639), in: Ebd., S. 436. 388 Visitationsrezess (1646), in: Ebd., S. 486. 389 Zuvor waren die Rechnungen offenbar in der Regel von dem Procurator zu den herzoglichen Kontrolleuren nach Wolgast oder Stettin geschickt worden. Vgl. UAG, Altes Rektorat R1512. 390 Die Procuraturregister wurden als solche von den akademischen Finanzverwaltern bis mindestens 1769 geführt. Der Bestand umfasst also ca. zweihundert Jahre und weist lediglich zwei nennenswerte größere Lücken auf: Aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges (1730er und 40er Jahre) fehlen mehrere aufeinanderfolgende Jahrgänge. Auch aus den Jahren zwischen 1769 und 1773 sind keine Rechnungen überliefert. 391 Vgl. Instruktion für den Procurator und Structuarius (1671), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 138.

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verzeichnis).392 Ein solches ist nicht überliefert, vermutlich auch nicht geführt worden.393 Die „Erneuerte Instruktion“ von 1703 fügte den genannten Bestimmungen auch konkretere Buchhaltungs-Vorgaben hinzu. Der Procurator hatte demzufolge Seitensummierungen zu führen und diese am Ende des Registers in einer Bilanz aufzurechnen. Alle Restanten (ausstehende Forderungen) sollten außerdem extrahiert und separat summiert werden.394 Wie im Fall der Titelübernahme aus den alten Registern waren sowohl die Seitensummierungen als auch die Bilanzierung am Registerende in den 1560er Jahren bereits Bestandteil jedes Procuraturregisters. Normen zur Kassenverwaltung und zur Buchhaltung sind erst ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts verschriftlich worden. Zum Zeitpunkt ihrer Aufnahme waren sie größtenteils gängige Praxis. Bewährtes Vorgehen ist also im Falle der Finanzadministration nachträglich zur Norm gesetzt worden. Die Procuraturregister des 16. und 17. Jahrhunderts dienten vor allem der Rechnungslegung vor dem Landesherrn, der von der selbstverwalteten Universität Rechenschaft über ihr ökonomisches Handeln beanspruchte. Aus der Betrachtung sowohl der Normgebung als auch der Buchhaltung wird allerdings sehr deutlich, wie die Register im Laufe der Zeit zunehmend auch als internes Kontrollinstrument zur Übersicht über ausstehende Forderungen, Schulden, Außenstände etc. genutzt wurden. Je höher der Grad der akademischen Selbständigkeit war, umso mehr dienten die Procuraturregister der Universität Greifswald ihrer Finanzplanung.395

b) Verbuchung Nachdem 1646 der Grundsicherungsetat konkrete Revenuen prognostiziert hatte, beschränkten sich die Einnahmenvermerke nicht mehr nur auf die Auflistung der diversen Hebungen, sondern der Procurator verbuchte fortan zu jedem Einnahmenposten auch den jeweils veranschlagten Ertrag.396 Jeder Einnahmenposten bildet also seit 1646 eine kleine Soll-Ist-Rechnung und in diesem Sinne eine Art frühe

392 Vgl. Instruktion für den Procurator und Structuarius (1671), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 135–136. 393 Vgl. dazu auch Kapitel 5.2.2. Kapitalwesen in den Procuraturregistern des 18. Jahrhunderts ab S. 402. 394 Erneuerte Instruktion für den Procurator und Structuarius (1703), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 312 sowie die Instruktion für den Structuarius der Akademie. Vom 27. Nov. 1713, in: Dähnert: Landes-Urkunden, Bd. 2, S. 1014–1018. 395 Gegen Ende des 17. Jahrhunderts, als das landesherrliche Interesse an der Universität am geringsten war, wurden in den Procuraturregistern beispielsweise die sehr zielführenden Deservitenlisten zur Schuldenabbau-Planung sowie Soll-Ist-Rechnungen zur verbesserten Übersicht über ausstehende Forderungen eingeführt. Vgl. dazu Kapitel 2.2.1.d. Deserviten ab S. 213 und Kapitel 1.2.5. Haushaltskonsolidierung und Entschuldung (1670er –1702) ab S. 41. 396 Bis dahin machten zumindest einige der Procuratoren durch einzelne „dedit“-Vermerke kenntlich, ob ein veranschlagter Betrag auch tatsächlich gezahlt worden war.

1.3. Wirtschaftsquellen und Praxis

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Form doppelter Buchführung.397 Hinsichtlich der Ausgabenverbuchung stand insbesondere die Rechtfertigung, d.h. die Legitimierung einer Transaktion im administrativen Vordergrund. Neben dem Betrag, dem Empfänger und dem Datum der Transaktion (bzw. der Dienstleistung) gaben die Procuratoren des 16. und 17. Jahrhunderts hier sehr häufig kurze Erklärungen zur Transaktion an – insbesondere bei den gebäudebezogenen Ausgaben und den nicht näher klassifizierten „Gemeinen Ausgaben“. Insgesamt lässt sich über den Zeitraum von 200 Jahren eine sukzessive Verknappung der Registereinträge, insbesondere im Laufe der 1670er Jahre, feststellen. Nach seinem Amtsantritt 1669 begann Moevius Völschow398 die über den reinen Rechenwert hinausgehenden Zusatzinformationen der Ausgabenposten systematisch aus den Registern auszulagern: Seine Ausgabenposten bestanden in der Regel nur noch aus dem gezahlten Betrag, dem Empfängernamen sowie einer fortlaufend geführten Verweisnummer. Diese Ziffer verwies auf den zum jeweiligen Posten gehörigen Zahlbeleg bzw. quittierten Rechnungsbeleg, der sämtliche weiteren Informationen zur Transaktion enthielt und im Verificationenband des jeweiligen Rechnungsjahres aufbewahrt wurde.399 Die Verificationen waren fortan neben dem Procuraturregister ebenfalls Bestandteil der Rechnungsabhörung. Dieses Vorgehen entlastete auf der einen Seite den Buchhalter in der Rechnungsführung, optimierte aber vor allem auch das Nachvollziehen seiner Geschäfts- und Buchführung im Kontrollprozess. Die Registereinträge, bislang aus den diversen Vorbüchern übertragen und potenziell verknappt, werden also zum deutlich reduzierten Derivat der jeweiligen Rechnungsbelege.

c) Aufbau und Merkmale der Procuraturregister In jedem Procuraturregister folgt auf das Einnahmenregister ein in der Regel längeres Ausgabenregister. Die jeweiligen Rechnungseinträge zu einem Geschäfts-

397 Vgl. Abbildung 3: Begrifflichkeiten der Rechnungsbuchführung. 398 Vgl. im Kapitel 1.4.3.b. Die akademischen Procuratoren, 16. Moevius Völschow ab S. 157. 399 Die Bestandsüberlieferung von „Verificationen“ im Universitätsarchiv setzt zwar bereits in den 1620er Jahren ein (UAG, Kurator RB 1, Verificationen von 1622), umfassend und regelmäßig, einschließlich konsequent korrelierender Nummernverweise im Procuraturregister, wurden sie allerdings erst seit den 1670er Jahren geführt. Der jüngste Quittungsband stammt aus dem Jahr 1805 (RB 110).

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Abbildung 3: Begrifflichkeiten der Rechnungsbuchführung: 1. Rechnungs- oder Postentitel, 2. Rechnungseintrag mit Postentext und Betrag, 3. Währungsspalte, 4. Verificationsnummer, 5. Seitensummierung (Summa Lateris). Professorenbesoldungstitel aus den Procuraturregistern von 1597– 1598 (links, UAG, Kurator St. 889, fol. 12r) und 1690-1691 (rechts, UAG, Kurator St. 991, pag. 72).

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vorfall (Posten) wurden darin unterschiedlichen, gegenstandsbezogenen und klassifizierenden Rubriken (Rechnungstitel) zugeordnet. Die Titel wurden in der Regel von dem vorhergehenden Procuraturregister übernommen und weisen daher eine ausgeprägte Kontinuität auf. Ließ sich eine Transaktion nicht einem der bestehenden Titel zuordnen, verbuchte der Procurator diese unter dem jeweils am Ende der Einnahmen- und Ausgabenregister platzierten „Gemeinen Einnahmen“ bzw. „Gemeinen Ausgaben“ (seit Ende der 1680er Jahre nur noch als „Extraordinaria“ bezeichnet). Häuften sich solche Transaktionen im Laufe der Zeit, wurden sie in der Regel unter einem neuen Rechnungstitel zusammengebracht.400 Inaktive Titel wurden insbesondere in der Einnahmenregistratur fortgeführt, sodass auch sehr alte Ansprüche aufrecht erhalten blieben.401 Innerhalb der Rubriken sind die einzelnen Posteneinträge chronologisch aufgeführt. Ein Posten gibt allgemein Auskunft über den gehandelten Betrag und mit wem, wann und weshalb eine Transaktion stattgefunden hat. Im konkreten Fall beinhaltet aber ein Posteneintrag in der Regel selten sämtliche der genannten Informationen. Diesbezüglich kann deutlich zwischen Registereinträgen der Einnahmen und der Ausgaben unterschieden werden: Bis in das 17. Jahrhundert hinein erfolgte der einzelne Posteneintrag in ausführlichen, relativ ungeordneten Einzelbuchungsrechnungen in Textform. Der zugehörige Betrag steht gesondert, zumeist am linken Seitenrand. Ab ca. 1630 entwickelte sich die Darstellung hin zu einer Spaltengliederung mit doppelter Währungsspalte für die Betragsbuchungen, ab ca. 1650 einheitlich am rechten Blattrand.402 Bis 1630 verwendeten die Greifswalder Procuratoren in ihren Registern als Rechnungswährung ausschließlich Mark403 (m.) und Schilling (ßl.).404 Die Mark ist nachweislich ab 1642, vermutlich im Zuge der schwedischen Herrschaftsübernahme in Pommern, als Rechnungswährung durch den Gulden ersetzt worden. 1748 begann der Procurator Christoph Nürenberg schließlich mit dem Reichstaler zu rechnen. Ohnehin wurde im Laufe des späten 17. und 18. Jahrhunderts der Großteil

400 So beispielsweise im Fall neuer Handwerkertitel in den Registern der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts (vgl. Kapitel 3.2.4.b. Entwicklung der baubezogenen Ausgabentitel. Gesamtuniversitär ab S. 286) oder bei neuen Rechnungstiteln zu den akademischen Kapitalgeschäften (vgl. dazu Kapitel 5.2.2. Kapitalwesen in den Procuraturregistern des 18. Jahrhunderts ab S. 402). 401 Vgl. hierzu insbesondere die Entwicklung der Verbuchung der Bibliotheksstiftungen im Kapitel 4.2.6. „Bibliothekengeld“ ab S. 350. 402 Vgl. Abbilung 4: Entwicklungen in der Rechnungsbuchführung im 16. und 17. Jahrhundert. 403 Verwendet wurden parallel sowohl Lübische (0,67 Gulden) als auch [Stral]Sundische Mark (0,33 Gulden). Die beiden unterschiedlichen Mark-Währungen sind allerdings nicht als solche gekennzeichnet worden, so dass sich Rückschlüsse darauf nur ziehen lassen, wenn zufällig Vergleichsbeträge mit angegeben wurden (insbes. bei der Kapitalzinsenverbuchung), vgl. dazu Anm. 65 in Heigl: Kapitalvergabe. 404 Bis in die frühen 1760er Jahre hatten Münzsorten und Münzwertveränderungen auf die Procuraturregister keinen nachvollziehbaren Einfluss, da dadurch auftretende Ausgleichsrechnungen von den Finanzverwaltern vermutlich bereits im Kassenbuch ausgeglichen und somit rechnerisch bereinigt waren.

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Abbildung 4: Entwicklungen in der Rechnungsbuchführung im 16.und 17. Jahrhundert. Exemplarische Einträge von Handwerkerkosten für Zimmerleute aus Procuraturregistern des 16. und 17. Jahrhunderts..

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der Einzelrechnungen in Reichstalern gestellt. Diese drei Rechenwährungen wurden in Vorpommern jeweils überlagernd verwendet, woraus sich folgender Währungsschlüssel ergibt405: 01 Reichstaler (rtlr.) = 02 Gulden (fl.) = 03 Mark Lübisch (m.) = 06 Mark Sundisch (m.) = 48 Schilling (ßl.) Die eingenommenen und gezahlten Beträge wurden bis ca. 1600 ausschließlich in römischen Ziffern angegeben. In den darauf folgenden zwanzig Jahren fanden vermehrt arabische Zahlzeichen Verwendung; zunächst lediglich innerhalb der Postentexte der Handwerkerlöhne und langsam zunehmend auch in der Seitensummierung am linken Rand. Über zwanzig Jahre wurden beide Formen der Zifferndarstellung also parallel verwendet, wobei die Einnahmen (interne Zahlenproduktion) vorwiegend in römischen und die Ausgaben (häufig externe Zahlenproduktion durch Rechnungen) zunehmend in arabischen Ziffern angegeben wurden. Ab 1620 erfolgte die Darstellung der Beträge dann einheitlich arabisch. Es war also nicht die Spaltengliederung, die die Verwendung der arabischen Zahlzeichen mit sich brachte, sondern die arabischen Ziffern förderten vielmehr erst die Spaltengliederung.406 Die Procuratoren hatten die Verwendung römischer Zahlen tatsächlich vor Einführung der konsequenten Spaltengliederung bereits abgelegt. Neben diesem numerischen Wandel lässt sich in den Procuraturregistern außerdem ebenso deutlich der sprachliche Wandel vom Mittelniederdeutschen zum Neuniederdeutschen innerhalb von nicht einmal zehn Jahren nachvollziehen: Bezahlte der Procurator Martin Ribow 1606 noch die „Timmerlude“, so waren es zwei Jahre später bereits die „Timmerleute“ und weitere zwei Jahre darauf die „Zimmerleute“. Die Anordnung der Rubriken erfolgte innerhalb der Einnahmen- und Ausgabenregister in seitenorientierter Titelgliederung. Bis auf wenige Ausnahmen wurde mit den jeweils folgenden Rechnungstiteln auf einem neuen Blatt begonnen, was nicht nur eine größere Übersichtlichkeit des ganzen Registers mit sich brachte, sondern auch Nachträge erlaubte. Die konsequente Seitensummierung (summa lateris oder nur Latus) ermöglichte von Beginn an, bzw. seit 1566 ein schnelles Auswerten und Prüfen des Registers im Zuge der Rechnungsabhörung. Allerdings hielten sich die Procuratoren ab ca. 1610 diesbezüglich nur noch sporadisch an die Vorlage ihrer Amtsvorgänger. Erst Ende der 1660er Jahre – lange bevor die Instruktion für den Procurator und Structuarius 1703 die Seitensummierung und eine sich daraus ergebende Bilanzierung am Registerende vorschreiben sollte – setzte sich diese Praxis 405 Dieser Währungsschlüssel ist zusammengestellt aus Biederstedt: Münzen, Gewichte und Maße, S. 44–45, Kosegarten: Universität Greifswald Bd. 1, S. 211, Baumstark: Universität Greifswald, S. 82 sowie Buchholz: Öffentliche Finanzen, S. 83–88 und hat im Laufe der intensiven Arbeit mit den Rechnungen wiederholt Bestätigung gefunden, vgl. dazu auch Anm. 65 in Heigl: Kapitalvergabe. 406 Vgl. Alvermann: Vermögensverwaltung, S. 181.

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dann wieder endgültig durch. Ergänzend dazu finden sich in beinahe allen Procuraturregistern des 16. und 17. Jahrhunderts außerdem Titelsummierungen (summa titulis), die sich allerdings aufgrund der seitenorientierten Titelgliederung häufig mit der summa lateris deckten und nach 1703 auch nicht mehr gebildet wurden. Bis 1681 führten die Procuratoren die Summenbeträge der gesamten Einnahmen und Ausgaben am Registerende auf und bilanzierten diese vorwiegend in Textform, wie die folgende Beispielbilanz aus dem Rechnungsjahr 1573–1574 verdeutlicht: Summa summarum aller Innahme wegen des Collegii unnd des Klosters ist von diesem Jar VM IXC unnd LXXIX m. Summa summarum aller uthgaue wegen deß Collegii unnd Klosters ist von diesem Jahr IIIM VIIIC unnd XXVII m. XV ßl. Wenn nu die Uthgaue von der innahme were affgetagen bliffe in Vorradt van diesem Jahre IIM IC unnd LI m. XII ßl.407

Diese Form der textbasierten kleinen Bilanzierung erweiterte Moevius Völschow ab 1682, indem er sämtliche Seitensummierungen am Registerende auflistete und so die Berechnung der Gesamtsummen transparenter gestaltete. Seine summarische Bilanzierung ist zwar raumgreifender, erfüllte aber den gleichen Zweck der kleinen Bilanz: Die Ermittlung des Vorrats für das Folgejahr.408 Die Titelsetzung und die Ausgestaltung der Posteneinträge übernahmen die Procuratoren weitgehend von ihrem Amtsvorgänger, so dass administrative Vorschriften diesbezüglich nicht notwendig waren. Im Laufe der 200jährigen Procuraturregisterführung blieben viele der Rechnungstitel daher bestehen. Ihre Anordnung, d.h. die Struktur der Register, änderte sich allerdings durchaus, in Abhängigkeit der Umstände des Universitätsvermögens und seiner Administration. Die Procuraturegisterführung lässt sich demzufolge in drei Phasen unterschiedlicher Registerstrukturtypen einteilen, die wiederum Rückschlüsse auf die jeweilige akademische Wirtschaft und ihre Verwaltung zulassen409: 1566–1670: Register für das Kollegium und das Schwarze Kloster Die Procuraturregister waren, so wie die Universitätsfinanzen insgemein, in zwei Bereiche der Korporation unterteilt. An erster Stelle standen die Einnahmen und die Ausgaben des „Collegii“ (Lehre und Administration). Darauf folgten die Einnahmen und Ausgaben des sogenannten Schwarzen Klosters, einem Komplex am

407 Auszug aus einer solchen frühen, beschreibenden Bilanz, in: UAG, Kurator St. 869, Procuraturregister von 1573–1574, fol. 36r. 408 Zum Vorratsbegriff vgl. Kapitel 1.3.4.d. Der Vorrat ab S. 127. 409 Vgl. auch für das Folgende Heigl: Procuraturregister, S. 92–99.

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südlichen Stadtrand, wo die Oeconomie und die Regentie untergebracht waren (Studentenversorgung).410 Erst die Bilanzierung am Registerende berechnete den gesamten Vorrat (s. Beispielbilanz oben). Die Einnahmen für das Schwarze Kloster beschränkten sich auf Legate und Kornabgaben aus dem Kloster Eldena. Seit den 1570er Jahren kamen zusätzlich geringe Feld- und andere Pachtabgaben sowie die Erträge von der Vermietung der Studentenzimmer auf der Regentie ein.411 An Ausgaben fielen für das Schwarze Kloster die Besoldung des Oeconomus zum Betrieb der Oeconomie, die Stipendienhebungen sowie Ausgaben zum Bau bzw. zur Gebäudeerhaltung an. Die Finanzen des Collegii gestalteten sich dagegen etwas umfangreicher: Tabelle 1.3. Einnahmen- und Ausgabentitel das Kollegium betreffend, 1566–1670 Einnahmen des Collegii Pacht- und Zinshebungen Getreideabgaben und Erlös aus dem Verkauf Bursenmieten (Studentenzimmer im Kollegium) Fürstliche Dotation aus Eldena und von Rügen412 Legate (Zinsen von Stiftungskapital) Brüche (Strafgelder) Immatrikulationsgebühren Gemeine Einnahmen

Ausgaben des Collegii Besoldung der Lehrer Besoldung der Bediensteten Baukosten (Material und Handwerkerlöhne) Trinkgelder und Botenlöhne Gemeine Ausgaben

1646–1670: Etatorientierte Register (Project/ Extraproject) Im Zuge der ersten schwedischen Visitation wurde die akademische Finanzverwaltung im Jahr 1646 zum ersten Mal mit einem Jahreshaushaltsplan ausgestattet. Dieser Basisetat413 wurde für insgesamt sieben Rechnungsjahre erstellt und legte einen Basisetat zur Grundsicherung (Project) und die darüber hinausgehenden Finanzen (Extraproject) fest. Aus den fürstlich gestifteten Abgaben waren durch die Dotation 410 Zum Schwarzen Kloster vgl. insbesondere Kapitel 3.1.2.b. Versorgungseinrichtungen: Oeconomie und Burse ab S. 266 sowie Kapitel 3.2.4.a. Kollegium/ Schwarzes Kloster ab S. 285. 411 Vgl. Kapitel 3.3.1. Exkurs Bursenheuer (Mieteinnahmen) ab S. 296. 412 Vgl. Kapitel 1.2.1. Ökonomischer Neustart nach der Reformation (1558/ 1563) ab S. 26. 413 Vgl. Kapitel 1.2.4. Schwedische Reorganisationsbemühungen ab S. 33 sowie Kapitel 1.3.4.c. Die Etats ab S. 122.

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1. Akademische Finanzadministration

Bogislaws XIV. vielfältige Pacht- und anderweitige, lehnsrechtliche Hebungen aus dem Amt Eldena und darüber hinaus geworden. Von den Project-Einnahmen waren die veranschlagten Project-Ausgaben zu tätigen. Was darüber hinaus ging sowie die nicht zuverlässigen Erträge im Extraproject, konnten zur Begleichung der Extraproject-Ausgaben verwendet werden. An den etatmäßigen Vorgaben des Projects orientierte sich fortan auch ein neuer Rechnungsbuch-Typus, den der Procurator Michael Knuth414 zusätzlich zu den Registern alter Ordnung (Kollegium/Kloster) führte und der wie folgt gegliedert war: Tabelle 1.4. Einnahmen- und Ausgabentitel im Project und Extraproject, 1646–1670 1a. Einnahmen im Project (zuverlässig)

2a. Einnahmen im Extraproject (ungewiss)

Pachthebungen von Gütern415 Canon Rugianus Dienstgeld aus Levenhagen und Ungnade Pachtzahlungen von den Mühlen417 Hufenpacht

Pachthebungen von Gütern416 Ackerheuer Wasserpacht, Kruggeld, Herbstbitte etc. Ablass- und Auflassgeld418 Brüche (Strafgelder) Immatrikulationsgebühren Gemeine Einnahmen

1b. Ausgaben im Project (notwendig) Besoldung der Lehrer Besoldung der Beamten Baukosten Alte Deserviten

2b. Ausgaben im Extraproject (zweitrangig) Lohnzulagen für Lehrer Besoldung weiterer Universitätsverwandter Neue Deserviten Reisekosten Gemeine Ausgaben

Das Project umfasste die relativ zuverlässigen Pachtzahlungen, wie auch die Abgaben von den Mühlen, der Papiermühle in Hanshagen sowie von den Rügischen Pfarreien. Zur Grundsicherung des Universitätsbetriebes mussten aus dem Project die Professoren- und Bedienstetenlöhne und die Begleichung alter Lohnschulden, der Erhalt der Universitätsgebäude und der Betrieb der Oeconomie (die nun finanzadministrativ nicht mehr vom Lehrbetrieb getrennt war) geleistet werden. Die hier aufgeführte Struktur der Register neuer Ordnung bleibt beispielhaft und orientiert sich vorwiegend an den Rechnungen um 1650419, da sich eine konse-

414 Vgl. im Kapital 1.4.3.b. Die akademischen Procuratoren: 15. Michael Knuth. 415 Von den Gütern Eldena, Wampen, Diedrichshagen, Hanshagen, Grubenhagen, Dersekow, von der Insel Koos, aus Neuendorf, Kemnitzerhagen und Radelow. 416 Von den Gütern Neuenkirchen, Wieck, Züssow, Zarnevantz, Hohenwarde und Hohenmühl. 417 Von den Mühlen in Neuenkirchen, Hennekenhagen, Weitenhagen und Schönwalde. 418 An- und Freikaufgelder im Zusammenhang der Leibeigenschaft. 419 Von 1646 bis 1653 befindet sich für jedes Rechnungsjahr jeweils ein Register neuer und eines alter Ordnung im Universitätsarchiv: UAG, Kurator St. 923–931, St. 934, St. 936–942, St. 944.

1.3. Wirtschaftsquellen und Praxis

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quente Buchführung im weiteren Verlauf nicht durchsetzte. Vielmehr entwickelte Michael Knuth, nachdem das Project 1653 geändert worden war420, eine dritte Variante der Jahresrechnung, in der er sowohl die Einnahmen und Ausgaben im Project und Extraproject verbuchte, ihnen aber noch eine dritte Abteilung „nach dem Procuratur Register“ anhängte. Vermutlich wurden also nur die Register alter Ordnung (Kollegium/Kloster) im Gegensatz zu den neuen Registern (Project/Extraproject) als Procuraturregister bezeichnet. Ob und welche unterschiedlichen Funktionen die beiden Rechnungs-Arten besaßen, ist allerdings weder vorgeschrieben noch schriftlich erklärt worden und lässt sich auch aus den Büchern selbst nicht ableiten. Es bleibt zu vermuten, dass die Register alter Ordnung vorwiegend der Haushaltsführung, -übersicht und -planung (intern) dienten und die neuen Register am Ende des Rechnungsjahres alleine zum Zweck der Rechenschaft (extern) angefertigt wurden. 1670–1769: Gesamtuniversitäre Register Die buchhalterische Findungsphase der akademischen Finanzadministration beendete der Procurator Moevius Völschow, als er unmittelbar nach Amtsantritt im Sommer 1669 die Rechnungsführung der Universität vereinheitlichte, vereinfachte und fortan sämtliche Einnahmen und Ausgaben der Korporation im Procuraturregister als ein Gesamtvermögen verbuchte. Das Einnahmen- und das darauf folgende Ausgabenregister sind nach den alten und wenigen neuen Registertiteln unterteilt. Vielfältigere Ausgaben brachten auch eine differenziertere Titelgebung mit sich (Vgl. Tabelle 1.5. Einnahmen- und Ausgabentitel in den gesamtuniversitären Procuraturregistern, 1670-1768). In dieser Ausprägung blieb das Procuraturregister bestehen bis es im Zuge der Visitation der 1770er Jahre durch das Hauptrechnungsbuch vollständig ersetzt wurde. Zur Anpassung der Rechnungen an die Wirtschaftsrealitäten der Universität fügten zwar auch die beiden langjährigen Procuratoren des 18. Jahrhunderts (Nürenberg und Mayer) einige neue Titel hinzu421, die Struktur modifizierten sie aber nicht mehr. Lediglich der letzte Procurator Johann Georg Mayer nahm noch eine vergleichsweise geringfügige Veränderung vor, als er im

Aus dem Jahr 1647–1648 sind sogar vier Bücher erhalten, von jedem Strukturtyp jeweils zwei (St. 924–928). 420 Offenbar waren Königin Christinas Forderung nach strukturellen Veränderungen in der akademischen Administration (vgl. Resolution Königin Christinas für die Universität (1653), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 34–35) in Bezug auf die Etatisierung umgehend umgesetzt worden. Im Einnahmenregister von 1656–1657 heißt es auch: „Einnahmen nach dem bey der Visitation Anno 1646 gemachten und Anno 1653 geenderten Project.“ UAG, Kurator St. 948, Procuraturregister von 1656–1657, pag. 1. 421 Vgl. auch S. 99, Anm. 400.

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Zuge der Umstellung der Rechnungsbücher auf Quartformat auch die alphabetische Gliederung der Pachteinnahmentitel einführte.422 Tabelle 1.5. Einnahmen- und Ausgabentitel in den gesamtuniversitären Procuraturregistern, 1670– 1768 Einnahmen

Ausgaben

Pachthebungen Zeesekahn Canon Rugianus Dienstgeld Ackerheuer Kruggeld etc. Zinsen von Kapital Zinsen von Stiftungskapital Kirchen-Schuld Bursenmieten Korn- und Mühlenpacht Brüche Immatrikulationsgebühren Weitere Einnahmen423 Extraordinaria

Besoldung der Lehrer Besoldung der Bediensteten Contribution Stipendien Besoldung weiterer Universitätsverwandter Zinsen für Kapital Kirchen und Prediger Ehrenausgaben Almosen (Exulanten und Arme) Reisekosten Gerichts- und Schreibkosten Brief- und Botenlöhne Bauernhilfen Baumaterial und Handwerkerlöhne Tage- und Fuhrlöhne Extraordinaria

c) Fazit Knuth und Völschow blieben mit ihren radikalen Umstrukturierungen der Register in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts die Ausnahme unter den Procuratoren und nehmen beide eine besondere Rolle in der Entwicklung der akademischen Wirtschaftsverwaltung ein. Michael Knuth, Procurator der Reorganisationsphase nach dem Dreißigjährigen Krieg, war deutlich bemüht die akademische Buchhaltung an die hohen landesherrlichen Anforderungen auf der einen Seite und die widrigen ökonomischen Umstände auf der anderen Seite anzupassen und dabei höchstmögliche Transparenz dessen, vor allem für die Rechnungsprüfung, zu garantieren. Zu diesem Zweck führte er mehrere und unterschiedliche Rechnungen. Als der Procurator der Konsolidierungsphase, Moevius Völschow, das Amt von Knuth übernahm, war allerdings das Interesse der schwedischen Regierung und der pommer422 So erstmals im Register von 1754–1755 wobei Eldena als größtes Ertragsgebiet auch weiterhin an erster Stelle stand, vgl. dazu UAG, Kurator St. 1051, Procuraturregister von 1754–1755, pag. 1–36. 423 Beispielsweise die Pia Collatio, Ablass- und Auflassgeld, Erlöse aus dem Verkauf von Holz (Holzgeld) und Gebühren für die Schweinemästung im Universitätsforst (Mastgeld).

1.3. Wirtschaftsquellen und Praxis

107

schen Landstände an der Universität nach scheinbar erfolglosen Reorganisationsbemühungen nur noch marginal, sodass die Bedeutung der Rechnungsprüfung und obrigkeitlicher Ansprüche mittlerweile in den Hintergrund getreten war. Die akademische Finanzverwaltung konnte sich nun auf die Optimierung ihrer Finanzplanung durch eine Vereinfachung der Buchhaltung konzentrieren, ohne externen Vorgaben und Zielsetzungen nachkommen zu müssen. Im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts lässt sich also anhand der akademischen Rechnungsbuchführung eine Fokusverschiebung von extern geprägten ökonomischen Zielsetzungen (Project) und deren möglichst transparenter Befolgung, hin zu einer Vereinfachung des Finanz- und Rechenschaftsprozesses für eine verbesserte interne Finanzplanung und -übersicht, jenseits landesherrlicher Vorgaben, erkennen. 1.3.3. Die Hauptrechnungsbücher 1774–1806424 Nachdem die Visitationskommission der 1770er Jahre unter Federführung Thomas Heinrich Gadebuschs die akademische Finanzverwaltung der vorangegangenen 100 Jahre eingehend studiert425 und Fehlerquellen, d.h. auch buchhalterische Ursachen für die enorme Verschuldung nach 1750 ausgemacht hatte, gestaltete sie die Rechnungsführung der Universität um und erließ ausführlichere Bestimmungen zur Buchhaltung der hohen Schule erstmals normativ.426 Die einfache Rechnungsführung der Procuraturregister mit ihren aufeinanderfolgenden Einnahmen- und Ausgabenregistern und einer abschließenden Bilanzierung zur Ermittlung des Vorrats wurde nun in eine kontenbasierte Form nach den Prinzipien der Kameralbuchhaltung427 übertragen und um die Erfassung des gesamten akademischen Vermögens (Kapitalwesen) erweitert. In den neuen Hauptbüchern fand fortan jeder der bestehenden Einnahmen- und Ausgabentitel Darstellung in einem eigenständigen Konto. Ein Konto gibt bezüglich des jeweiligen Titels insgesamt Auskunft darüber, 1. was im Rechnungsjahr eingehen/gezahlt werden soll (Etatvorgaben). 2. was im Rechnungsjahr eingegangen/gezahlt worden ist (Wirtschaftsrealität). 3. was nach Rechnungsschluss noch aussteht/ gezahlt werden muss (Finanzplanung).428

424 Eingeführt 1774 reicht der Bestand bis ins Jahr 1874 (UAG, Kurator RB 114–242), zur Auswertung für die vorliegende Arbeit wurden die Bände bis einschließlich 1807 herangezogen. 425 Vgl. RAS, Gadebuschska samlingen Vol. 112 sowie Kapitel 1.2.8. Neuordnung der ökonomischen Selbstverwaltung (1775) ab S. 66. 426 Vgl. Reglement für die ökonomische Administration (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 541–545. 427 Vgl. Puechberg: Kameral-Rechnungsfuß. 428 Vgl. Reglement für die ökonomische Administration (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 451, 453.

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1. Akademische Finanzadministration

Wie das im Hauptbuch auszusehen hatte, stellten die Visitatoren 1774 in einem „Formulaire zum Academischen Rechnungs Buch“429 vor. Erstmals schrieb eine obrigkeitliche Verordnung ausdrücklich auch die Rechnungsbildung und –übertragung von den diversen Rechnungsbüchern der Verwaltung (Kassenbuch und Memorial, Rechnungen der Stiftungen, „Buch und conto“ für jedes Haus und Gut) in die gesamtkorporative Jahresrechnung vor. Dieses finanzadministrative Vorgehen war aber tatsächlich schon lange üblich gewesen, die entsprechende Normsetzung daher vielmehr eine Bestätigung sowie Ermahnung zur Einhaltung. Neu war hingegen, dass der nach 1775 Rentmeister genannte akademische Rechnungsführer das Hauptbuch am Ende des Rechnungsjahres „in Gleichförmigkeit mit dem oben angeführten Formular“ anzufertigen hatte.430 Wenn der Rentmeister das Hauptbuch sowie die Verifikationen in gebundener Form zusammengestellt hatte, oblag den Kuratoren zunächst ein eingehender Abgleich des Hauptbuches mit dem „diario“ des Universitätssekretärs. Denn der Rentmeister durfte seit 1775, im Gegensatz zum bisherigen Procurator, Transaktionen ausschließlich auf Anweisung der Akademischen Administration vornehmen. Über diese Anweisungen hatte der Universitäts- und Administrationssekretär ein Buch zu führen, das am Ende des Rechnungsjahres mit dem Hauptbuch abgeglichen wurde. Diese neue Regelung stellte den akademischen Finanzverwalter fortan unter strenge Kontrolle. Im weiteren Verlauf der jährlichen Rechnungsprüfung hatten sämtliche Mitglieder der Akademischen Administration sowie der Rentmeister und der Sekretär das Hauptbuch möglichst zügig zu revidieren und zu unterschreiben431, damit es bis spätestens Mitte Juni432 zur eigentlichen Abhörung durch den Kanzler nach Stralsund geschickt werden könne.433 Die Hauptrechnungsbücher weisen, abgesehen von einzelnen Ergänzungen im Laufe der Zeit434, bis ins 19. Jahrhundert den gleichen Aufbau des vorgegebenen

429 So der Titel des ersten Hauptrechnungsbuches von 1773–1774, in: UAG, Kurator RB 114. 430 Reglement für die ökonomische Administration (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 453. 431 Vgl. Berichte zur Rechnungsprüfung und insgesamt den Schriftverkehr zwischen Rentmeister, Akademischer Administration, Kuratoren und dem Kanzler zwischen 1774 und 1792, in: UAG, Altes Rektorat R 1507: Den academischen Stat betreffend. 432 Diese Frist ist nicht immer eingehalten worden. Am 3. Juli 1777 forderte beispielsweise der Kanzler von Hessensteins den Rektor und das Konzil in Greifswald auf, „die Haubt Bücher für die beyden letzten Jahre mit dazugehörenden Verificationen“ einzusenden, wie es das Reglement vorsehe, in: UAG, Altes Rektorat R 1507, fol. 40r. 433 Nach der Rechnungsprüfung gingen die beiden Bücher zur Archivierung an das Konzil. Das Konzil war sowohl von der Finanzverwaltung als auch von der Rechnungsabhörung ausgeschlossen. Vgl. Reglement für die ökonomische Administration (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 454. 434 So beispielsweise das Einzelkonto „Unterhaltung der Academischen Reitbahn“ ab dem HRB 1789–1790, das befristete Konto zum Bau der Generalsuperintendentur zwischen 1784 und 1787 oder auch Konten zu neuen, hauptsächlich medizinischen Lehreinrichtungen, wie sie im Hauptrechnungsbuch 1805–1806 aufgeführt und offenbar an die bestehenden Baukosten-Konten angehängt wurden: „Unterhaltung der Astronomischen Instrumente“, „Zur Einrichtung ei-

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Formulars auf. Es lässt sich nur eine markante Abweichung der Vorlage ausmachen, die auf die Einführung des Amortisierungsfonds zum Abbau der hohen Verschuldung zurückzuführen ist. Die Verbuchung dieses „Fond d‘ Amortissement“ war planmäßig erst ab 1775 aufgenommen worden und somit noch nicht im Formular integriert. Der Rentmeister Raths platzierte den Fonds zunächst innerhalb der Ausgabenrechnung und experimentierte anschließend mit der Fonds-Verbuchung, bis sein Amtsnachfolger Peetschius diesen ab 1792 endgültig an das Ende des Hauptbuches, zwischen das Kassenkonto und die Kassenbilanz setzte.435 Den Kern und quantitativen Hauptteil des Hauptrechnungsbuchs bildet die Einnahmen- und Ausgabenrechnung des Rechnungsjahres, also im Prinzip das alte Procuraturregister. Deren Rechnungstitel wurden nun aber in Einzel- oder auch Personenkonten (PKen) geführt, ergänzt durch Überblicks- oder auch Sammelkonten (SKen) der diversen Geschäftsbereiche, wie beispielsweise „Revenuen aus dem Ambte Eldena“, „Pächte und Hebungen außer dem Ambte Eldena“, „Salaria Professorum et Academicorum“, „Stipendia für Studirende“ und „Bau-Kosten“. Am Beginn jedes Buches steht immer die Kapitalbilanz des vorherigen, abgeschlossenen Rechnungsjahres. Die Kapitalbilanz des Vorjahres (VJ) gewährt den Überblick über die bestehenden Schulden und offenen Forderungen zu Beginn des Rechnungsjahres (RJ). Darauf folgt die sogenannte Hauptrechnung über die im Etat veranschlagten Bedürfnisse für das RJ inklusive der Vorjahrsschulden (im Debet) und über die voraussichtlichen Einkünfte des RJ inklusive der offenen Forderungen des VJ (im Credit). Am Ende des Hauptbuches steht das Kassenkonto, eine gesonderte Getreiderechnung und zum Schluss die Kapitalbilanz des RJ nach Rechnungsschluss, die wiederum den Beginn des folgenden Hauptrechnungsbuches bildet. (Vgl. Tabelle 1.6. Struktur der Hauptrechnungsbücher nach dem „Formulair“ von 1774) Alleine in Anbetracht der neuen Reglementierung zur Verschriftlichung sämtlicher Zahlungsanweisungen kann durchaus davon ausgegangen werden, dass die „neue administrative Organisation [...] einen heillos langsamen Geschäftsgang und einen endlosen Hader unter ihren Elementen“ mit sich brachte. Dass aber die Einführung der doppelten, kameralen Buchhaltung „ohne eigentlich practischen Werth“ und „kein Ersatz für ordentliche Einnahme- und Ausgabe-Etats“436 gewesen sei, widerlegt nicht zuletzt die deutlich positive Wirtschaftsentwicklung der Universität im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts. Tatsächlich brachte die Erneuerung der akademischen Buchhaltung (kombiniert mit weiteren administrativen Optimie-

ner Veterinär-Anstalt“, „Zu bleibenden chemischen Apparaten“, „Zu vergänglichen chemischen Apparaten“, „Zum Clinischen Institut“, „Zu Cadavern und Vermehrung der Präparate“, „Zu Chirurgischen Instrumenten und Bandagen“, „Miethe für das Zimmer des Mineralien Cabinets“, „Zu Oeconomischen Modellen“, „Entbindungs Institut“, „Industrie Schule zu Hanshagen“, in: UAG, Kurator RB 145, Hauptrechnungsbuch von 1805–1806, pag. 260–285. 435 Zur Verbuchung des Amortisierungsfonds, vgl. Kapitel 5.3.3.d. Exkurs: Amortisierungsfonds ab S. 444. 436 Baumstark: Universität Greifswald, S. 49–50.

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1. Akademische Finanzadministration

rungsmaßnahmen437) gegenüber der bisherigen einfachen Rechnungsführung der Procuraturregister drei nachvollziehbare Vorteile mit sich, wie sie von der Visitationskommission auch intendiert gewesen waren.438 1. Bezüglich der Etatvorgaben: Die Aufstellung eines Jahresetats und dessen Integration in das Hauptbuch ermöglichte einen unmittelbaren Abgleich der Vorgaben und ihrer Erfüllung, verbesserte und vereinfachte zum einen den Prozess der Rechnungslegung und zum anderen insgesamt die Kontrolle der akademischen Wirtschaftsführung.439 2. Bezüglich der Wirtschaftsrealität: Erstmals fand auch die Kapitalverwaltung Niederschlag in der akademischen Jahresrechnung. Aus den Procuraturregistern wird nicht unmittelbar ersichtlich, wie hoch die offenen Forderungen und die Schulden der Universität insgesamt waren. Im Hauptrechnungsbuch ermöglicht die ausführliche Verbuchung der akademischen Vermögensverwaltung dagegen einen vollständigen Überblick über das gesamte Kapitalwesen der Universität, d.h. ihre tatsächliche Wirtschaftsrealität, was eine wesentlich realitätsnähere Finanzplanung erlaubte.440 3. Bezüglich der Finanzplanung: Insgesamt brachte die neue Hauptbuchführung eine Optimierung der akademischen Wirtschaftsplanung mit sich. Die Akademische Administration konnte fortan leichter die jährlichen Erträge und Aufwendungen, was die Universität weiterhin zu fordern hatte und was sie schuldig war, für die gesamte Korporation ermitteln und rechtfertigen sowie planerisch darauf eingehen.

437 Vgl. beispielsweise die Einführung eines Pflichtvorrates und die Vereinheitlichung der Zinsenzahltermine im Kapitel 1.3.4. Ökonomische Praxis und Finanzplanung ab S. 118 sowie die Optimierungen hinsichtlich des programmatischen Schuldenabbaus im Kapitel 5.3.3.d. Exkurs: Amortisierungsfonds ab S. 444. 438 So bestimmten die Visitationskommissare:„Durch das Hauptbuch aber ist [...] darzuthun: Erstlich, was die Academie bey Ablauf des vorigen Jahres zu fordern gehabt, und was sie schuldig gewesen; zweytens, wie hoch sich die gesamten Revenuen in dem Jahr, wofür Rechnung abgeleget werden soll, betragen, und was davon nach dem Staat auszugeben gewesen; drittens, was die Academie fürs nächste Jahr zu fordern hat und schuldig ist [...].“ so im Reglement für die ökonomische Administration (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 453. 439 Vgl. dazu Kapitel 1.3.4.c. Die Etats ab S. 122. 440 Vgl. Kapitel 5.2.2. Kapitalwesen in den Procuraturregistern des 18. Jahrhunderts ab S. 402 sowie Kapitel 5.2.3. Kapitalwesen in den Hauptrechnungsbüchern ab 1774 ab S. 404.

1.3. Wirtschaftsquellen und Praxis

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Tabelle 1.6. Struktur der Hauptrechnungsbücher nach dem „Formulair“ von 1774 1. 2.

4.

Alphabetisches Register der Konten Kapitalbilanz VJ (Abbildung 5) Hauptrechnung (Abbildung 6) Einnahmenrechnung

5.

Ausgabenrechnung

6.

Vermögensverwaltung

7.

Kassenkonto (Abbildung 7) Fond d‘ Amortissement445 (Abbildung 8) Getreiderechnung Kapitalbilanz RJ

3.

8. 9. 10.

Debet: Schulden, Credit: Forderungen Debet: Bedürfnisse nach dem Etat und Schulden VJ Credit: Einkünfte nach dem Etat und Forderungen VJ Konten: a) Revenuen aus dem Amt Eldena (SK+PKen) b) Hebungen außer dem Amt Eldena (SK+PKen) c) Weitere Einkünfte (PKen)441 d) Einfließende Zinsen von Stiftungs-/Eigenkapital (PK442) e) Getreideerlös (PK) f) „Angeliehene Capitalia“ (SK+PKen) g) Getreidekonten (PKen) h) „Bespahrte Mittel“ (PK) Konten: a) Löhne (SKen+PKen) b) Bibliothek (PK) c) Oeconomie/ Konviktorium (PK) d) Stipendien (SK+PKen) e) Baukosten (SK+PKen) f) Zinsen von Fremdkapital (Verw. zu PKen 4.f.)443 g) Zinsen von Assecurationskapital (PK) h) Abgetragene Capitalia (PK) i) Weitere Ausgaben444 (PKen) Konten: a) PKen der Creditores der Universität b) Ausgaben über den Etat (PK) c) Fond d‘ Amortissement d) Assecurationskapital der Pächter (PK) Debet: Einnahmen, Credit: Ausgaben

Debet: Forderungen, Credit: Schulden

441 Canon Rugianus, Holzgeld, Looskaufgeld, Promotionsgebühren, Immatrikulationsgebühren, Strafgeld, zufällige Einnahmen. 442 Personenkonten bedeutet in diesem Fall Einzelkonten der Kapitalhalter. 443 Verweise zu Einzelkonten der „Angeliehenen Capitalia“, in dieser Tabelle gelistete unter 4. Einnahmenrechnung, f. „Angeliehene Capitalia“ 444 Z.B. Kontribution, Amtspacht und Grundgeld, zufällige Ausgaben, Gratificationes, verteilter Roggen, und außerordentliche Abschreibungen. 445 Ab 1779 heißt das Konto „Abzutragende Pöste ausser dem Fond d‘ Amortissement“ (Abbildung 9), der eigentliche Amortisierungsfonds steht im Anschluss an das Kassenkonto, vgl. Kapitel 5.3.3.d. Exkurs: Amortisierungsfonds ab S. 444.

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1. Akademische Finanzadministration

Abbildung 5: Kapitalbilanz des Vorjahres im Hauptrechnungsbuch von 1773–1774, „Formulair“ (UAG, Kurator RB 114, pag. 2–3)

1.3. Wirtschaftsquellen und Praxis

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Abbildung 6: Hauptrechnung im Hauptrechnungsbuch von 1773–1774, „Formulair“ (UAG, Kurator RB 114, pag. 20–21)

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1. Akademische Administration

Abbildung 7: Kassenkonto im Hauptrechnungsbuch von 1773–1774, „Formulair“ (UAG, Kurator RB 114, pag. 512–513)

1.3. Wirtschaftsquellen und Praxis

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Abbildung 8: Fond d’Amortissement im Hauptrechnungsbuch von 1782–1783 (UAG, Kurator RB 122, pag. 526–527)

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1. Akademische Finanzadministration

Abbildung 9: Spezialkonto „Abzutragende Pöste ausser dem Amortissements-Fond“ im Hauptrechnungsbuch von 1782–1783 (UAG, Kurator RB 122, pag. 508–509)

1.3. Wirtschaftsquellen und Praxis

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Abbildung 10: Exemplarisches Einzelkonto: Konto des Tanzmeisters Kayser im Hauptrechnungsbuch von 1773– 1774 (UAG, Kurator RB 114, pag. 216– 217)

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1. Akademische Finanzadministration

1.3.4. Ökonomische Praxis und Finanzplanung a) Das Rechnungsjahr Zwischen 1566 und 1669 begann und endete ein Rechnungsjahr an der Universität Greifswald am 29. September (Michaelis). Als Moevius Völschow die Procuratur von seinem Vorgänger Knuth im Juni 1669 übernahm, rechnete er das letzte halbe Rechnungsjahr gesondert ab und führte daraufhin den neuen Jahreswechsel zum 1. Mai (Walpurgis) ein. Das Rechnungsjahr entsprach dabei bis zum Jahr 1722 nicht dem Rektoratsjahr. Denn der Rektorenwechsel fand seit 1571 erst kurz nach Beginn des neuen Rechnungsjahres am 18. Oktober (Luce)446 und seit 1702 am 11. November (Martini)447 statt. Seit 1670 hatte der jeweilige Rektor als Hauptverantwortlicher über die Finanzverwaltung also nach nur einem halben Amtsjahr bereits den Rechnungsabschluss mit vorzunehmen und übergab die Geschäfte ein halbes Jahr später unabgeschlossen schon wieder seinem Nachfolger. Das Konzil verlegte den Termin der Rektorenwahl schließlich im Jahr 1722 auf Walpurgis und setzte somit zum ersten Mal das Rektorats- mit dem Rechnungsjahr gleich.448 Unabhängig vom Rektorenwechsel sollte am Ende des akademischen Rechnungsjahres das Erstellen des Rechnungsbuches durch den Procurator erfolgen. Die Revision dieses Registers sollte dann möglichst zeitnah, zu Beginn des neuen Rechnungsjahres, stattfinden, um den Kassen- und Schuldenstand zu prüfen. Darauf basierend könnte das neue Geschäftsjahr sicher geführt werden. Die Einnahmen der selbstwirtschaftenden Universität Greifswald kamen dabei weder zu Beginn des neuen Rechnungs- oder Rektoratsjahres, noch zu einem anderen bestimmten Stichtag gemeinsam in die akademische Kasse, um daraufhin über das Jahr verteilt ausgegeben zu werden. Die frühneuzeitliche Wirtschaftsverwaltung der hohen Schule war ohne landesherrliche Budgetierung wesentlich komplexer, weil sie, basierend auf agrarischer und lehnsrechtlicher Gutswirtschaft, abhängig von vielfältigen Ein- und Auszahlterminen war.449 Das ganze Jahr hindurch flossen Gelder in die und aus der Universitätskasse. In Anbetracht der höchst fluktuativen akademischen Wirtschaft waren eine verlässliche Informationsverschriftlichung und eine elaborierte Wirtschaftsplanung natürlich von besonderem Interesse.

446 Vgl. Renovierte Ordnung (1571), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 294. 447 Vgl. Visitationsrezess (1702), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 271. 448 Vgl. Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. XLVII sowie Schmidt/ Spieß (Hgg.): Matrikel, Bd. 1, S. 108 und dies. (Hgg.): Matrikel, Bd. 2, S. 744. 449 Die Ein- und Auszahlungen der Universität Greifswald waren nicht im Sinne einer Fondswirtschaft (bestimmte Erträge für bestimmte, festgelegte Aufwendungen) miteinander verknüpft, vgl. dazu auch Kapitel 1.3.4.d. Der Vorrat ab S. 127.

1.3. Wirtschaftsquellen und Praxis

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b) Die Kasse Als Universitätskasse wird sowohl abstrakt der gesamte Geldbesitz der hohen Schule als auch die physische Kiste zur Unterbringung von Münzen sowie monetären Verschreibungen (assignationes)450 bezeichnet. Unter Zeitgenossen galt die akademische Kasse – insbesondere in der Kommunikation mit königlichen Stellen – als „cassa publica“.451 Tatsächlich bestand über den gesamten Betrachtungszeitraum das unumwundene landesherrliche Aufsichtsrecht über die akademische Administration, inklusive ihrer Finanzangelegenheiten. Als „commune“ war die Korporation rechenschaftspflichtig und hatte in diesem Rahmen ihr Wirtschaftsgebaren offen zu legen.452 Allerdings stammten die Erträge der Greifswalder Universität nach 1634 beinahe ausschließlich aus agrarbasierter Eigenwirtschaft und nicht von Steuerzuweisungen oder Anweisungen auf eine öffentliche (landesherrliche, ständische) Kasse. Zeitweise wurde auch die Finanzkontrolle ausschließlich intern, d.h. von Professoren (Rektor, General-superintendent, Konzil) ausgeübt. Somit handelte es sich bei der frühneuzeitlichen Universitätskasse in Greifswald allenfalls um eine teilöffentliche Kasse. Bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts stand die Universitätskasse in den Räumlichkeiten des jeweils amtierenden Rektors.453 Das Geld darin sollte er aber möglichst nicht in den Händen halten.454 Der Umgang mit den Münzen, die Geschäfte selbst, oblagen dem Procurator. Seit 1666 legten die Visitationsrezesse wiederholt fest, dass die Universitätskasse mit drei Schlössern zu verschließen sei und 450 Beispielsweise überprüfte die Akademische Administration im November 1776 „die Cassa Lade“, um festzustellen „theils was [sich] darin an depositio, theils an praetiosis und angelegenen Papieren befinden würde [...].“ In der offensichtlich großen Kassenkiste befanden sich zu diesem Zeitpunkt alte Lohnzettel, diverse gefüllte, teils unversiegelte Geldbeutel, „eine kleine Schublade, in welcher [diverse] praetiosis“ (u.a. „die goldene Crojanische Kette“ mit „mit Edelgesteinen eingefaste goldene Gedächtnißmünze“), etliche Dokumente zu diversen Geldverhandlungssachen sowie viele Obligationen. Bei den relativ regelmäßig folgenden Kasseninventuren ist nur noch Geld als Kasseninhalt verzeichnet worden. Vgl. dazu insbes. das Protokoll vom 16. November 1776, in: UAG, Altes Rektorat R 1523, Protokolle der der Akademischen Administration von 1776–1777, fol. 1r–2r. 451 So beispielsweise in einem Scheiben von Rektor und Konzil an den König am 31. Oktober 1741, in: RAS, Pommeranica, Vol. 229 Skrifvelser från Greifswald akademi 1741–1815, o. fol. 452 Augustin von Balthasar bezeichnete die akademische Korporation 1750 indirekt als commune, so im Zirkular des Prorektors Böckmann vom 26. Mai 1750, in: UAG, Altes Rektorat R 1515, Geld-An- und Ausleihe-Sachen, fol. 57v. 453 Die Kasse sollte „[...] in dem hauße deß jederzeidt seyenden Rectoris [...]“ aufbewahrt werden. So im Visitationsrezess (1702), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 284. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde zumindest ein Teil des Geldes auch im Keller des Kollegiengebäudes aufbewahrt. Zumindest verbuchte der Procurator Georg Bachmann, dass man zwei Kapitalien „aus dem gewelbe genommen“ habe, in: UAG, Kurator St. 912, Procuraturregister von 1625–1626, pag. 5–6. 454 Es handelte sich also nicht um eine Rektorats-, sondern um eine Korporationskasse, vgl. dazu auch den Bericht von Aemingas an die Visitationskommission vom 30. Mai 1756, in: UAG, Kurator St. 24, Visitationsakten 1755–1756, fol. 273 r–v.

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1. Akademische Finanzadministration

die drei Schlüssel dazu jeweils beim Rektor, beim Procurator und in Eldena beim Amtmann aufbewahrt werden sollten.455 Die Öffnung der Kasse erforderte also die Anwesenheit aller drei Administratoren, die sich so gegenseitig kontrollieren würden.456 Der Procurator und der Amtmann brachten zum einen die Erträge in die Universitätskasse beim Rektor und zum anderen erhielt der Procurator daraus das Geschäftsgeld, das er wiederum in seinen Räumen, vermutlich in einer eigenen Geschäftskasse, aufbewahrte. Ein im Bestand der Procuraturregister zufällig überliefertes Geschäftskassenbuch gewährt einen Einblick in den offensichtlich regen Kassenbetrieb im Frühsommer 1656: Innerhalb von knapp drei Monaten wurde die zentrale Kasse mindestens acht Mal zur Auszahlung der Geschäftsgelder an den Procurator geöffnet, am 19. Juni sogar zwei Mal.457 Das Vorgehen muss sich im Alltag als äußerst unpraktisch erwiesen haben, weshalb kurze Zeit später die Instruktion für den neuen Procurator die Kassenöffnung fortan auf nur noch vier Termine im Jahr beschränkte.458 Eine Einschränkung der Ein- und Auszahltermine für den Procurator entzog auf der einen Seite dem Rektor den jederzeitigen Einblick und damit die unmittelbare Kontrolle über die Universitätsausgaben und stärkte auf der anderen Seite die Stellung des Procurators, der zunehmend den Weg der Münzen über die Kasse beim Rektor sogar gänzlich umging. Stattdessen behielt er die Erträge in seiner Geschäftskasse, um davon direkt Ausgaben tätigen zu können. Im September 1705 führte sein selbstbewusstes Übergehen der zentralen Kasse und des Rektors zu Irritationen und Streit mit dem amtierenden Rektor Caspar March459,

455 1775 sprach das Reglement für die ökonomische Administration den dritten Schlüssel an Stelle des Amtmanns einem der Kuratoren zu, vgl. Reglement für die ökonomische Administration (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 449. Bis dahin war der Schlüssel des Amtmanns ohnehin zumeist (wenigstens in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts) beim Procurator in der Stadt gewesen, vgl. das Schreiben des akademischen Sekretärs und des Syndikus an den Rektor vom 24. August 1751, UAG, Altes Rektorat St. 198, fol. 252r–253r. 456 Außerdem sollte die Universitätskasse fortan aus zwei Laden bestehen: Einer für die Grundversorgung der Universität (Project/ ordinaire) und einer zweiten für alles was darüber hinaus ging (Extraproject/ extraordinaire), vgl. dazu auch im Visitationsrezess (1666), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Quellen zur Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 100. 457 Am 25. April, 1. Mai, 14. Mai, 24. Mai, 28. Mai, 29. Mai, zwei Mal am 19. Juni, so im Manualregister, bzw. Kassenbuch des Procurators von 1656–1657, in: UAG, Kurator St. 949. Dort verzeichnete Michael Knuth unter den Einnahmen, jene Beträge, die er „aus der Geldlade erhalten“ und „zur Ausgabe bekommen“ hatte. Vgl. auch Fragmente von Geschäftskassenbüchern des Procurators Nürenberg aus den Jahren 1747 und 1748 in: UAG, Universitätsgericht UG 395, ab fol. 189r. 458 Vgl. Instruktion für den Procurator und Structuarius (1671), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 136. 459 March hatte den Procurator Völschow drei Mal schriftlich ermahnt, gerade abgetragene Stiftungsgelder (ca. 600 Gulden) in die Zentralkasse zu bringen. Völschow reagierte darauf über eine Woche lang gar nicht und schickte dann lediglich den Pedell mit dem Geld und der Aufforderung, dass der Rektor das Geld zählen und einen Empfangsschein ausstellen möchte. March war daraufhin sehr brüskiert: „Wie mich nuhn solche Zumuhtung, von der ich nicht sagen mag, was ich davon gedencke, gar sehr befrembdete, sandte ich den Pedellen mit dem Gelde

1.3. Wirtschaftsquellen und Praxis

121

blieb aber auf Grund der mittlerweile sehr starken Stellung des akademischen Procurators460 ohne weitere Konsequenzen sowohl für den Verwalter als auch für die Verwaltungspraxis. Knapp fünfzig Jahre später waren die Kassenöffnungstermine sogar auf nur noch zwei im Jahr beschränkt.461 Als die akademische Vermögensverwaltung in den 1770er Jahren grundlegend neu organisiert wurde, verloren sowohl der Rektor als auch der Procurator ihre Wirtschaftsverantwortung, die stattdessen an das neue Gremium der Akademischen Administration überging. Die Universitätskasse gehörte unter diesen Umständen natürlich nicht mehr in die Räume des Rektors, sondern wurde fortan im Kollegium „in einem wohl versicherten Zimmer und tüchtig beschlagenen Kasten verwahret [...].“462 Der Rentmeister erhielt nach 1775 am Anfang jedes Monats sein Geschäftsgeld aus der Universitätskasse, die zudem alle drei Monate einer Inventur durch die Akademische Administration unterzogen werden sollte. Im Gegensatz zu dem bisher relativ frei agierenden Procurator wurde die Geschäftstätigkeit des Rentmeisters fortan streng kontrolliert und durfte er Ausgaben ausschließlich auf Anweisung der Administration tätigen.463 Der jederzeitige Überblick über den Zustand der cassa academica war nicht mehr nur einer Person überlassen, sondern lag fortan bei dem neuen, exekutiven Gremium der Akademischen Administration. Bei der akademischen Kassenlade muss es sich um eine relativ große Kiste gehandelt haben, die bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts teilweise beachtliche Mengen an Münzen sowie Obligationen, alte Lohnverschreibungen, diverse ökonomische Dokumente und außerdem die „praetiosis“ der Universität464 beinhaltete. Erst nach einer ausführlichen Inventur der Lade im November 1776 ist der Kasseninhalt größtenteils auf Münzen beschränkt worden. Die übrigen Wertgegen-

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geschwinde wieder zurücke, mit der ordre Ihm zu sagen, daß Er selber komen, den H. Amtman oder an deßen staat (wie sonsten wol geschehen) den H. Prof. und Coll. Saalbach mitbringen, müßte, umb die Gelder Recess-mäßig in die darzu verordnete Lade zu legen, undt zu verwahren.“ Im Zirkular des Rektors March vom 9. bis 15. März 1705, in: UAG, Altes Rektorat R 1512, fol. 37r–38v. Vgl. dazu insbesondere Kapitel 1.4.1.a. Königliche Auszeichnung eines Procurators ab S. 134. Der Procurator sollte die Erträge halbjährlich, lediglich explizit „der Nothdurft nach alle viertel Jahr“, zum Rektor in die zentrale Kasse bringen, so in der Instruktion für den Procurator und Structuarius (1750), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 166. Kurz darauf musste der Structuarius aber noch gemahnt werden, dass er die Einnahmen überhaupt ad cassam bringe und nicht einbehalte, um davon direkt die Ausgaben zu tätigen, so im Protokoll zu einer Sitzung des Rektors und der Senioren mit den Kuratoren am 19. Oktober 1753, in: UAG, Altes Rektorat St. 198, fol. 280r–v. Reglement für die ökonomische Administration (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 449. Der Kassenort wird bestätigt bspw. im Konzilsprotokoll vom 15. Juni 1786, in: UAG, Altes Rektorat St. 636, Konzilsprotokolle von 1786–1787, fol. 2v. So im Reglement für die ökonomische Administration (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 454. Z.B. „die goldene Crojanische Kette“ mit einer „mit Edelgesteinen eingefaste goldene Gedächtnißmünze“, in UAG, Altes Rektorat R 1523, Inventarium der Kassen-Lade (1776–1807), fol. 1r.

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stände und Dokumente wurden ausgelagert.465 Vorübergehend befanden sich also regelmäßig enorme Werte in der Kasse im Haus des Rektors, bzw. nach 1774 in den Universitätsräumen im Kollegium. Als Problem wurde diese Tatsache im Konzil und in der Akademischen Administration registriert und überdacht, nachdem man am 15. Juni 1786 festgestellt hatte, dass 4.470 Reichstaler aus der Kasse gestohlen worden waren.466 Die Kasse sollte „hinführo unten in dem sogenannten juristischen archivo, welches mit einer neuen und mit Eysen beschlagenen Thüre versehen werden solte hingesetzt werden“ und außerdem ein „neuer eiserner Kasten“ aus härterem Holz und mit stärkeren Eisenbeschlägen angefertigt werden.467 Darin befanden sich zu Beginn des Rechnungs- und Rektoratsjahres 1788–1789 beispielsweise zum einen in sieben „Beuteln a 600“ 4.600 Reichstaler sowie zwei Deposita über insgesamt 360,79 Reichstaler von der Kirche in Wieck.468

c) Die Etats Dem Procuraturregister von 1574 liegt ein „Vorzeichnis, was den Professorn zu Greifswaldt vor besoldung von der Vniuersitet einkommen das Jar vber werden geben“, bei.469 Hierbei handelt es sich um eine frühe Version eines akademischen Etats. Ob dieses Verzeichnis bereits einen korporativen Finanzplan zum Zweck der Selbstkontrolle470 darstellte, bleibt zu vermuten. Es führte aber ganz im Sinne eines vormodernen Etats471 sämtliche für ein Jahr veranschlagten, personalbezogenen 465 Vgl. UAG, Altes Rektorat R 1523, Inventarium der Kassen-Lade (1776–1807) sowie Inventurbericht im Protokoll vom 16. November 1776, in: UAG, Kurator K5674, Protokolle der Akademischen Administration von 1776–1777, fol. 92r–93v. 466 Vgl. Konzilsprotokoll vom 15. Juni 1786, in: UAG, Altes Rektorat St. 636, Konzilsprotokolle von 1786–1787, fol. 2v–3v sowie Protokoll vom 17. Juni 1786, in: UAG, Kurator K 5683, Protokolle der Akademischen Administration 1786–1787, fol. 10r. 467 So der Vorschlag Prof. Muhrbecks in der Sitzung der Akademischen Administration am 17. Juni 1786, in: UAG, Kurator K 5683, Protokolle der Akademischen Administration 1786– 1787, fol. 10r. Im April 1788 ließ das Konzil schließlich, das „untere Archiv nach dem obern Zimmer unterm Dach“ verlegen, damit der freie Raum „der Caße eingeräumet werden“ könne, so im Protokoll vom 2. Mai 1788, in: UAG, Altes Rektorat St. 637, Konzilsprotokolle von 1787–1788, fol. 104r. 468 So im Protokoll vom 9. Mai 1788, in: UAG, Kurator K 5685, Protokolle der Akademischen Administration von 1788–1789, fol. 4r. Der im Hauptrechnungsbuch von 1787–1788 (UAG, Kurator RB 127) berechnete Vorrat betrug allerdings 7.056,86 Reichstaler. Der errechnete Vorrat und das zur Verfügung stehende Bargeld in der Kasse stimmten auch noch Ende des 18. Jahrhunderts nicht unbedingt überein, bzw. war der Stand des Vorrats zum Zeitpunkt seiner Niederschrift und Prüfung in der Regel bereits schon wieder überholt. 469 Erster Lohnetat für die Professoren im Anhang des Procuraturregister von 1574-1575 (UAG, Kurator St. 870, fol. 49r-51r Auszug des Lohnetats im Anhang, sowie die Tabelle 2.1.: Lohnetat der Greifswalder Professoren, 1574–1575 im Kapitel 2.2.1.c. Professorenbesoldung, S. 212. 470 Vgl. Alvermann: Vermögensverwaltung, S. 177. 471 Allgemein ist ein „Wirtschaftsetat [...] ein wohlüberlegter Entwurf aller Ausgaben, damit dieselben mit der berechneten Summe aller Einnahme in gewissem Verhältniß stehen, und dadurch

1.3. Wirtschaftsquellen und Praxis

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Kosten der Universität sowie knapp ihre zu erwarteten Einnahmen, inklusive ihrer Einnahmen von Nebenerwerb, auf. Die pommerschen Herzöge verlangten einen solchen Etat nicht, zumindest lässt sich nicht nachvollziehen, dass ein solcher Bestandteil der Rechnungsprüfung gewesen wäre. Erst unter der neuen schwedischen Landesherrschaft wurde die Forderung nach einem akademischen Etat nicht nur laut, sondern im Verlauf der Visitation von 1646 auch unmittelbar umgesetzt. Im Anhang des Visitationsrezesses von 1646 zur ökonomischen Stabilisierung der Universität nach den verheerenden Kriegswirren der vorangegangenen zwanzig Jahre befindet sich daher nicht nur ein ausführliches Schulden- und Deservitenverzeichnis, sondern insbesondere sieben Jahresetats für die kommenden Rechnungsjahre bis 1653.472 Diese Etats umfassten noch nicht den gesamten Universitätshaushalt, sondern dienten der Sicherung der Grundversorgung. Die Visitationskommissare hatten zu diesem Zweck die jährlich zu erwartenden Erträge aus dem Amt kalkuliert und darauf basierend einen Ausgabenetat für die wichtigsten Aufwendungen, die davon zu leisten wären, gebildet. Die basalen Ausgaben zur Mindestsicherung des Universitätsbetriebes waren die Lehrer- und Bedienstetenlöhne, Ausgaben zur Oeconomie, für dringende Instandhaltungsmaßnahmen am Gebäudebesitz sowie ein jährlich festgelegter Satz zur Amortisierung insbesondere der Lohnschulden.473 Das sogenannte Project umfasste also die Grundsicherung der Korporation. Sämtliche darüber hinaus gehenden Geschäfte, das später sogenannte Extraproject, überließ der Rezess der Verantwortung der Professorenschaft und ihres Procurators, unter der Vorgabe, dass die Amortisierung oberste Priorität habe. Michael Knuth führte zwar auch nach 1653 weiterhin jeweils ein Rechnungsbuch nach dem Project und Extraproject, erweiterte diese Kategorien aber um die darüber hinaus gehende, übrige Wirtschaftsverwaltung der Universität.474 Unter Völschows Procuratur, als die Regierung und Stände ihre Aufsichtsfunktion wieder deutlich vernachlässigt hatten, spielte schließlich auch das Project (zumindest buchhalterisch) keine Rolle mehr.

aller zur Nothdurft, Nutzen und Wohlanständigkeit [der Korporation] erforderliche Aufwand bestritten werden könne.“ In: „Civil-Etat“, in: Johann Georg Krünitz, Ökonomischtechnologische Enzyklopädie, Bd. 8, (1785), S. 182, vgl. auch „Kammer=Etat“, in: Ebd., Bd. 33 (1785), S. 275. 472 Siehe Abbildungen 11 und 12: Project und Extraproject für den Universitätshaushalt 16461647, S. 128-129. 473 Vgl. Visitationsrezess (1646), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 478–490 sowie UAG, Altes Rektorat St. 6, fol. 203–206. Vgl. auch die am Anfang einiger Procuraturregister zwischen 1646–1653 aufgeführten „Projecte“, z.B. in: UAG, Kurator St. 923, Procuraturregister von 1646–1647, o. fol., ebd., St. 924, Procuraturregister von 1647–1648, o. fol. und ebd., St. 937, Procuraturregister von 1651–1652, fol. 2r. 474 Vgl. dazu sowie zu den allgemeinen Auswirkungen des neuen Etats auf die Buchhaltung im Kapitel 1.3.2.c. Aufbau und Merkmale der Procuraturregister: Etatorientierte Register 1646– 1670 ab S. 103.

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1. Akademische Finanzadministration

Ein „eigentlicher“475, d.h. ein das gesamte Vermögen umfassender und nach offenbar geläufigem Muster („Cammer Stylo“) erstellter Etat ist von der Universität erst im Zuge der Visitation von 1699/1700 gefordert worden476: „Die außgaben der universitet betreffend [sollte] [...] ein eigentlicher staat von jährlicher einnahme und ausgabe nach maaßgebung dieses recesses formiret werde[n], welcher dan auch beständig [...] gehalten“

und über die Vorgaben des Rezesses hinaus nicht verändert werden.477 Vor allem sollten der Etat und die darin festgelegte Ausgabenpriorisierung dem Schuldenab bau bzw. der Vermeidung erneuter Verschuldung dienen, damit die Universität sich weiterhin aus eigenen Mitteln ausreichend finanzieren konnte und nicht auf landesherrliche Mittel angewiesen wäre.478 Ein solcher Etat479 ist von den Visitatoren erstellt worden und bildet den ältesten Gesamtetat der hohen Schule. Bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts diente er manchen Rektoren und Procuratoren – in Ergänzung zum Etat-Paragraphen des Visitationsrezesses von 1702 – als Vorlage bei der eigenständigen Einrichtung eines Jahresetats.480 Bis in die 1770er Jahre wurden akademische Etats aber nicht regelmäßig und für jedes Rechnungsjahr erstellt481, sondern vermutlich in Abhängigkeit der Einsicht des jeweils amtierenden Rektors. Aus den Rechnungsjahren 1753–1754, 1757–1758, 1760–1760, 1764–1765 und 1766–1767482 sind Etats überliefert.483 Dass es nicht weitere solcher Jahresetats zur 475 „Ein sogenanntes Project und Extraproject wird in den Rechnungen schon des 17. Jahrhunderts angeführt, aber [ein] eigentlicher Etat war dasselbe nicht.“ Baumstark: Universität Greifswald, S. 83. 476 Am 26. Juli 1699 wiederholten die Visitationskommissare erneut ihre Aufforderung, „das nemlich ein specialer staat von Ihnen [der akademischen Finanzverwaltung] nach Cammer Stylo formiret und also eingereichet werden solte.“ So im Protokoll der Visitationskommission, in: RAS Pommeranica, Vol. 437, pag. 166–167. 477 Visitationsrezess (1702), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 284. 478 Vgl. ebd., S. 263. 479 „Greiffswaldische Universitet Staat von Walpurgis Anno 1700 biß Walpurgis Anno 1701“, in: RAS, Pommeranica Vol. 438, o. fol. 480 Davon zeugt beispielsweise eine knappe Beschreibung Prof. Marchs auf einer Abschrift des Etats von 1700–1701 vom 7. März 1705: Der vorliegende Etat sei „Abgeschrieben nach dem Original der damahligen Visitation“, welches ihm der Prokanzler Mayer im Februar 1705 hatte zukommen lassen, „umb mit jetzigem zu conferiren, und selbigen darnach einzurichten oder zu renoviren: wie er dann alle Jahr billig von neuem eingerichtet und renoviret werden muß [...].“, in: RAS, Gadebuschska samlingen Vol. 112, o. fol. 481 Prof. Dähnerts Aussage vor der Visitationskommission im Oktober 1771, dass „Etats [...] nicht üblich gewesen“ seien, traf sicherlich zu; aber Baumstarks Weiterführung dieses Zitats, dass nämlich „das Concil in dieser Hinsicht planlos gewirthschaftet hat“, ist eine irreführende Behauptung. Baumstark: Universität Greifswald, S. 40. 482 Vgl. UAG, Altes Rektorat R 1511. Die Etats von 1700–1701, 1753–1754 und 1760–1761 befinden sich außerdem in: RAS, Gadebuschska samlingen Vol. 112, o. fol. 483 Als die Visitatoren von 1755 die Professorenschaft fragten, ob jährlich akademische Etats veranschlagt würden, bestätigten dies die meisten von ihnen. Jacob Heinrich von Balthasar betonte, dass er in seinem Rektorat 1743 die Etats wieder eingeführt hätte und auch Andreas Mayer bestätigte trotz aller Kritik an Rektorat und Seniorat, dass seit Mitte der 1740er Jahre

1.3. Wirtschaftsquellen und Praxis

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akademischen Finanzplanung gibt, kann vermutlich auch darauf zurückgeführt werden, dass diese zum internen Verwaltungsschriftgut mit einer geringeren Überlieferungschance gehörten. Denn auch ihre Funktion war eine interne; sie dienten vorwiegend der Finanzplanung und der Orientierung während des Rechnungsjahres. Die akademischen Etats waren keine genehmigten Etats, d.h. Haushaltspläne mit landesherrlicher bzw. ständischer Mitwirkung und Autorisierung, wie sie seit 1721 mit dem wiedererstarkenden Interesse der Landstände an der pommerschen Universität und ihrer Wirtschaft wiederholt gefordert worden waren.484 Somit ist es auch wenig verwunderlich, dass die Korrektheit der existierenden Etats nach 1750 prinzipiell in Frage gestellt wurde.485 Der im Spätsommer 1772 als neuer Generalgouverneur und Kanzler der Universität eingesetzte und kurz darauf vom König mit der Fortführung der Universitätsvisitation betraute Fredrik Carl Sinclair, verlangte von der Universität, kaum hatte er sein Amt angetreten, die Übersendung des „academischen Staats für das laufende Jahr von Walpurgis 1772 bis dahin 1773“, um daraus einen Einblick in die ökonomischen Verhältnisse der hohen Schule zu erlangen.486 In Ermangelung eines solchen, arbeitete der amtierende Rektor Becker daraufhin gemeinsam mit dem Procurator Johann Georg Mayer und dessen Bruder Prof. Andreas Mayer einen akademischen Etat für das bereits laufende Rechnungsjahr aus.487 Insbesondere die Tatsache, dass dieser Vorzeige-Etat ohne Heranziehen der Vorjahresrechnungen, die noch nicht einmal revidiert worden waren, entstanden war, rief aber den Widerstand einiger Konzilsmitglieder hervor, die sich weigerten, den Etat und den Bericht dazu zu unterschreiben, bevor dieser nach Stralsund geschickt wurde.488 Sinclair reagierte verärgert sowohl auf die Separat-Vota bzw. den dadurch offenbarten Konflikt im Konzil als auch auf den unzureichenden Etat und den entsprechenden Bericht: „Solches alles kann meinen Wünschen und Absichten zur Aufnahme der Akademie gar nicht behülflich seyn.“ Der akademische Etat dürfe „kein idealisches project vom Staate der Akademie“ sein, sondern müsse

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jedes Jahr Etats erstellt worden wären. So die Antworten zu Frage 3 in der Befragung der Professoren durch die Visitationskommission im Januar und Februar 1755, in: RAS, Pommeranica Vol. 424, o. fol. So in der Instruktion für die Kuratoren (1721), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 6. Im Jahr 1730 mahnten die Visitatoren die Universitätsverwaltung erneut „auffs ernstliche“ an, mit Hilfe der Kuratoren einen Etat nach den Rezessvorgaben von 1702 zu erstellen, vgl. Abschied der Visitatoren für die Universität (1730), in: Ebd., S. 33. Vgl. Entwurf eines Visitationsabschiedes (1757), in: Ebd., S. 235. Schreiben Sinclairs an Rektor und Konzil vom 18. September 1772, in: UAG, Altes Rektorat R 1506, fol. 38r. Vgl. Zirkular des Rektors des Vorjahres Bernhard Friedrich Quistorps in Vertretung des amtierenden Rektors Hermann Becker vom 20. September 1772 und Auszug aus dem Konzilsprotokoll vom 9. Oktober 1772, in: UAG, Altes Rektorat R 1506, fol. 39r–45v und fol. 46. Vgl. dazu das Zirkular Rektor Hermann Beckers vom 11. Oktober 1772, in: UAG, Altes Rektorat R 1506, fol. 53r–56r.

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1. Akademische Finanzadministration eine richtige Kenntnis des itzigen würlichen Zustandes ihrer Oeconomie [...] haben [...], welche letztere ohne Balance der vorigen Jahres Rechnungen unmöglich zu erhalten ist.489

Damit machte er noch einmal seine Erwartungen an den akademischen Etat und dessen Zustandekommen deutlich und forderte die Professorenschaft auf, danach einen neuen Etat zu erstellen. Die Verantwortung für die Verfehlungen (nicht revidierte Jahresrechnungen und Unkenntnis vom Kassenzustand) sah Sinclair beim Konzil, hauptsächlich aber beim Rektor. Sinclairs Reaktion rief eine erneute Debatte im Konzil hervor, aus der schließlich Ende November ein neuer Etat hervorging, den die Professorenschaft gemeinsam vertreten konnte und der nun den Ansprüchen des Kanzlers entsprach.490 Die Funktion und das Zustandekommen des akademischen Etats schienen fortan allen Beteiligten klar gewesen zu sein, denn eine entsprechende, grundlegende Diskussion darüber lässt sich für den Rest des Betrachtungszeitraumes nicht mehr ausmachen. An dieser Stelle sei noch einmal darauf hingewiesen, dass der akademische Etat bis dahin keine Funktion bei der Rechnungslegung hatte, sondern vor allem einer möglichen Ertragssteigerung durch Amortisierung und Schuldenvermeidung, d.h. planerischen Aspekten der Finanzverwaltung diente – die in Anbetracht der enormen Verschuldung der 1750er und 1760er Jahre auch für die Landesherrschaft zunehmend an Bedeutung gewannen. Es ist daher nur eine logische Konsequenz, dass der akademische Etat im Zuge der Visitationsbemühungen Anfang der 1770er Jahre nicht nur erneut dringend eingefordert, sondern gleich zu einem festen Bestandteil der neuen Jahresrechnungen und dadurch auch der jährlichen Rechnungsprüfung wurde.491 Fortan dürfte „unter keinerley Vorwand unterbleibe[n]“, dass für „alle Jahre ein förmlicher Staat gemachet“ werde – und zwar rechtzeitig im April, sodass er noch vor Beginn des neuen Rechnungsjahres vom Kanzler geprüft werden könne.492 Erstmals wurden auch einzelne Aspekte des akademischen Etats vorgeschrieben.493 Das Erstellen des Etats lag nun ausschließlich in der Verantwortung der Akademischen Administration. Er sollte ihr im Laufe des Rechnungsjahres „als Richtschnur“494 dienen – als obrigkeitlich genehmigte Richtschnur. 489 Vgl. auch für das Folgende das Schreiben Sinclairs an Rektor und Konzil vom 5. November 1772, in: UAG, Altes Rektorat R 1506, fol. 63r–65r. 490 Am 2. Dezember 1772 schickte der Rektor den neuen „Staat der Königl. Academie zu Greifswald von Walpurgis 1772 bis Walpurgis 1773“ an den Kanzler, vgl. UAG, Altes Rektorat R 1506, fol. 65r sowie 103r–107r. 491 Zur Integrierung des Etats in die Jahresrechnung vgl. Kapitel 1.3.3. Die Hauptrechnungsbücher 1774–1806 ab S. 107. 492 So im Visitationsrezess (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 436. 493 Beispielsweise wurde vorgegeben, dass keine Posten ausgeschlossen und keine Veränderungen vorgenommen werden dürften, „die nicht vorhero authorisiret worden“, dass nur Restanten als Einnahmen einkalkuliert werden dürften, „als wovon mit Sicherheit erwartet werden kann, dass es richtig einfliesse.“ Reglement für die ökonomische Administration (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 448. 494 „[...] so verbleibet mitlerweile der Staat vom abgelaufenen Jahre, und das auf vorbemeldete Weise verfassete Project, der Administration zur Richtschnur.“ Ebd., S. 449.

1.3. Wirtschaftsquellen und Praxis

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Auch nachdem über zehn Jahren lang der akademische Etat ordnungsgemäß und jährlich erstellt und obrigkeitlich bestätigt worden war, konnte die Verschuldung der Universität aber trotzdem kaum abgebaut werden – sie nahm zweitweise sogar weiter zu. Trotz optimierter Finanzplanung traten weiterhin „öfters nach Formirung des Staats zufällige und nicht vorher zu sehende Umstände ein, die Ausgaben“ erforderten. Tatsächlich stand dieses Problem mit der Etatführung kaum in Verbindung, was allerdings erst erkannt werden konnte, nachdem die etatbasierte Finanzplanung etabliert war und auch weiterhin weder die Amortisierung vorangetrieben, noch neue Schulden hatten verhindert werden können. Der Umstand der stetigen Neuverschuldung lässt sich vielmehr auf die Missverständnisse bei der jährlichen Vorratsberechnung sowie ungünstige Umstände hinsichtlich der Zäsur des Rechnungsjahres495 zurückführen. Anfang der 1780er Jahre erkannte die Akademische Administration schließlich diese Schwachpunkte und passte daraufhin umgehend ihre entsprechende Geschäftspraxis der Wirtschaftsrealität an.

d) Der Vorrat Der Procurator erstellte, ebenso wie der spätere Rentmeister, seine Hauptbücher gegen Ende des Rechnungsjahres primär zum Zweck der Rechnungslegung, damit sie möglichst zeitnah und gleich zu Beginn des neuen Jahres intern und/oder extern geprüft werden konnten. Im Laufe des 17. und erst recht des 18. Jahrhunderts gewann das Procuraturregister darüber hinaus als Mittel zur akademischen Finanzplanung sukzessive an Bedeutung. Einerseits durch spezifische Soll-Ist-Rechnungen innerhalb der Einnahmen- und Ausgabenverbuchung und andererseits durch die von Beginn an geführte Vorratsberechnung für das neue Rechnungsjahr am Ende jedes Procuraturregisters. Dort bilanzierte der Procurator die gesamten Jahreseinnahmen und –ausgaben und ermittelte daraus den Vorrat für das neue Rechnungsjahr. Dieses Vorgehen erweckt den Eindruck eines abgeschlossenen Rechnungsjahres und eines jährlichen ökonomischen Neustarts, was so aber nicht der Fall war.

495 Vgl. dazu Kapitel 1.3.4.d. Vorrat ab S. 127.

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1. Akademische Finanzverwaltung

Abbildung 11: Project für den Universitätshaushalt 1646–1647, im Anhang des Procuraturregisters von 1646–1647 (UAG, Kurator St. 923, o.fol.)

1.3. Wirtschaftsquellen und Praxis

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Abbildung 12: Extraproject für den Universitätshaushalt 1646–1647, im Anhang des Procuraturregisters von 1646–1647 (UAG, Kurator St. 923, o.fol.)

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1. Akademische Finanzadministration

Denn die Erträge der korporativen Gutsbesitzerin flossen über das gesamte Rechnungsjahr verteilt in die Universitätskasse, zu unterschiedlichen, in der Regel festgelegten, Pacht-, sonstigen Abgaben- und Zinsenterminen.496 Feste Pacht- und Abgabentermine waren beispielsweise Johannis (24. Juni), Michaelis (29. Sept.), Neujahr (1. Jan.), Antonii (17. Jan.), Petri (22. Febr.), Palmsonntag und Walpurgis (1. Mai). Zu den Hauptterminen Martini (11. Nov.), Weihnachten (25. Dez.) und Ostern kamen die meisten Erträge in die Universitätskasse. Die Zahlungen kamen allerdings oftmals nicht termingerecht, sondern einige Wochen oder sogar Monate später in die Kasse, was die Unregelmäßigkeit der Einnahmen zusätzlich erhöhte. Die regelmäßigen Aufwendungen der Korporation erfolgten ebenfalls zu festgelegten Terminen.497 Hier sind insbesondere die Lohnzahlungen als besonders großer Posten der korporativen Ausgaben hervorzuheben: Die Ordinariengehälter und in der Regel auch die Löhne des weiteren Lehr- und Dienstpersonals wurden idealtypisch quartalsweise, zu Johannis, Michaelis, Weihnachten und Ostern, ausgezahlt. Zinsenausgaben für angeliehenes Kapital, wie sie ab 1747 einen immer größeren Stellenwert im Universitätshaushalt einnahmen, richteten sich nach den in den jeweiligen Wechseln veranschlagten Zahlterminen (i.d.R. der Tag des Geschäftsabschlusses) und waren daher über das ganze Rechnungsjahr verteilt zu leisten. Der erste Abgabentermin des Rechnungsjahres (ab 1670, Stichtag Walpurgis) der größere Geldmengen in die Universitätskasse brachte, war der Martinstag am 11. November. Zwischen Walpurgis und Martini nahm die Hohe Schule nur sehr wenig Geld (und Naturalien) ein. Im Juni waren zum Johannistag allerdings bereits die ersten Quartalslöhne zu leisten.498 Erschwerend kam hinzu, dass Reparatur- und Bauarbeiten vorwiegend im Sommer durchgeführt wurden und somit noch vor Einnahme der reichlichen Martini-Abgaben erhebliche Baukosten beglichen werden mussten.499 Zur ökonomischen Überbrückung der Sommermonate diente in der Regel der Vorrat aus dem vorherigen Rechnungsjahr. Wenn dieser nicht ausreichte oder erst gar nicht vorhanden war, wurden in der Regel bis Michaelis oder spätestens Martini, Kurzzeitkredite aufgenommen.500 496 Eindrücklich veranschaulicht dies die zweiseitige „Nachricht auff welchen Terminen der Universität Intraden jährlich einkommen“ in: RAS, Gadebuschska samlingen Vol. 112. 497 Nicht so die Stipendien, denn die Auszahlung der Hebungen richtete sich nach den einfließenden Zinsen für das Stiftungskapital und somit nach den Bestimmungen der jeweiligen Obligationen, vgl. dazu Kapitel 4.3.3.b. Einnahmenorientiertheit ab S. 365. 498 Die terminierten Pachtabgaben zu Johannis 1672 betrugen 35 Gulden (Einnahmenterminplan in RAS Gadebuschska samlingen Vol. 112, o. fol.), während zum gleichen Zeitpunkt alleine an Professorenlöhnen theoretisch 441,25 Gulden hätten ausgezahlt werden müssen (UAG, Kurator St. 918, Procuraturregister von 1672–1673, pag. 40). 499 Vgl. Beschreibung des systemischen, sommerlichen Geldmangels der Universität im Memorial des Superintendenten Jacob Heinrich von Balthasars [1752], in: UAG, Altes Rektorat R 1506, fol. 13v–15r. 500 Zum sogenannten systemischen Geldmangel, vgl. Kapitel 5.1.4. Interessen und Bedürfnisse im Kapitalhandel ab S. 387. Vgl. dazu auch frühe Debatten im Konzil bezüglich des ‚monetären Sommerlochs‘, in: UAG, Altes Rektorat R 1515, ebd. R 1506 und ebd. R 1507.

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Bei dem in der Rechnungs-Bilanz zum Mai errechneten Vorrat handelte es sich also keineswegs um einen Betrag, der im Sinne einer Rücklage oder eines Überschuss, übrig war und somit außerhalb des Haushaltes stehen konnte501, sondern tatsächlich um Geldmittel, die im neuen Rechnungsjahr bis zum Oktober in der cassa academica vorrätig waren – um einen Vorschuss. In der Jahresrechnung bildete der Vorjahresvorrat daher immer auch die erste Rubrik der Einnahmenverbuchung, also einen Bestandteil der Einnahmen. Die Bilanz der Procuraturregister gibt somit keine eigentliche Ertragsbilanz des Rechnungsjahres zur Ermittlung eines Jahresgewinns oder –verlusts. Um einen solchen Wirtschaftsüberschuss (oder Verlust) zu ermitteln, muss der Vorjahresvorrat jeweils von den Einnahmen abgezogen werden. Die Sommerpause in den Einnahmen sowie das nicht ganz eindeutige Verständnis vom Vorrat und einem damit einhergehenden mangelnden Überblick über den gesamten Jahreshaushalt, trugen nicht zuletzt zu „vielerley Verwirrungen im Cassa-Wesen“502 bei, führten um 1750 in die Verschuldung der Universität und befeuerten im weiteren Verlauf einen Schuldenkreislauf.503 Dass der Vorrat ab Walpurgis bis frühestens Ende September reichen sollte und wenn er nicht reichte, der Geldmangel durch Kapitalaufnahme überbrückt werden musste, gehörte für die frühneuzeitliche Finanzverwaltung der Universität zum Wirtschaftsalltag. Im Übrigen bestimmten in der Regel die Einzahl- auch die Auszahltermine – weniger im Sinne einer strukturierten Fondswirtschaft504, als vielmehr situativ, bedarfsorientiert und zufällig. Eine das Rechnungsjahr überspannende Finanzplanung, wie sie obrigkeitlich durch das Erstellen akademischer Etats im Laufe des 18. Jahrhunderts immer wieder gefordert wurde, konnte unter solchen Umständen natürlich nur beschränkt wirken. Erst gegen Ende des Jahrhunderts setzte die Akademische Administration gezielte Maßnahmen zur Optimierungen der Finanzplanung durch.

501 Als solches ist der akademische Vorrat vor allem im Laufe des 18. Jahrhunderts wiederholt ins argumentative Feld geführt worden, vgl. dazu insbesondere Andreas Mayers Vorrat-Argumentation im Streit um seine Gehaltszulagen im Kapitel 2.3.1.d. Kampf ums „Augmentum Salariorum“ ab S. 236. 502 So im Protokoll der Visitationskommission von 22. Juni 1774, in: UAG, Altes Rektorat R 1507, fol. 3r–3v. 503 Vgl. Zusammenfassung der ökonomischen Probleme der Universität durch die Visitationskommissare am 22. Juni 1774, in: UAG, Altes Rektorat R 1507, pag. 4v, vgl. außerdem die entsprechende Debatte im Konzil in den 1750er und 1760er Jahren, in: UAG, Altes Rektorat R 1515 sowie Kapitel 5.3.2.c. Circulus vitiosus debitorum – Kapitalaufnahme nach 1747 ab S. 420. 504 Wenn „eine jede Art der Ausgaben ihren gewissen Fond“ hat, „daraus sie bestritten wird, d.i. sie ist auf eine gewisse Art der Einkünfte angwiesen“ so kann von einer Fondswirtschaft gesprochen werden, vgl. dazu sowie zu den vielen Nachteile die eine Fondwirtschaft mit sich bringen konnte, „Civil-Etat“, in: Krünitz: Ökonomisch-technologische Enzyklopädie, Bd. 8 (1785), S. 183. Vgl. dazu auch Buchholz: Öffentliche Finanzen, S. 205.

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1. Akademische Finanzadministration

Pflichtvorrat Im März 1781 beschloss die Akademische Administration auf Vorschlag Prof. Röhls505 erstmals explizit, dass ein, durch Kapitalabtrag mit 2.000 Gulden ungewöhnlich hoher, „Baar Vorrath“ in der Universitätskasse „beim Schluß dieses Rechnungs Jahres“ statt – wie offenbar üblich – zum Begleichen von Kapitalschulden, vorläufig „in Cassa verbleiben, und solcher zur Vermeidung des Geld-negoce in den Monaten Maj et seqq. zur Bestreitung der in diesen Monathen vorfallenden Ausgaben angewandt“ werde.506 Der Erfolg dieses festgesetzten, weitgehend an die sommerlichen Bedürfnisse angepassten Vorrats stellte sich unmittelbar ein. Das Prinzip eines ausreichenden Pflichtvorrats in der Kasse, „welcher am Schluß des Akademischen Jahres, zur Bestreitung der Bedürfniße in den Monaten vom May – Decemb. in der Caße sein soll“ ist daher bereits für das folgende Rechnungsjahr übernommen und auf 3.000 Reichstaler angehoben worden.507 Und „weil die Revenuen in den gedachten Monaten [...] nicht reichten“ erhöhte die Akademische Administration den Pflichtvorrat wenige Jahre später noch einmal auf 5.000 Reichstaler.508 Diese Maßnahme beendete erstmals den in den Sommermonaten üblichen systemischen Geldmangel und konnte so tatsächlich das Geld-negoce, deutlich einschränken.509 Zinsenterminierung Die Universität war also systembedingt dazu gezwungen vorwiegend in den Sommermonaten Kapital aufzunehmen. Das hatte aber zur Folge, dass auch die meisten Termine zur Begleichung von Zinsenforderungen, die sich in der Regel nach dem Ausstelldatum der Obligation richteten, in das monetäre Sommerloch fielen und den Geldmangel nur weiter verschärften. Um daraus auszubrechen, schlug ebenfalls Prof. Röhl seinen Kollegen sowohl in der Administration als auch im Konzil vor, 505 Lambert Heinrich Röhl, Professor für Mathematik und Astronomie brachte diese Idee im Juli 1780 in einer Sitzung der Akademischen Administration ein: „Wen daher dafür gesorget wird, daß beym Abschluß der Rechnung allezeit 2000 rthl. baar in Cassa sind, die ihre bestimmte Anweisung zu den Bedürfnissen des folgenden Sommers haben und zu nichts anders verwandt werden dürfen, so würde dem Geldnegoce, in so ferne es nicht durch Aufkündigung von Capitalien nöthig wird, gäntzlich vorgebeuget seyn.“ in: UAG, Altes Rektorat R 1507, fol. 109r– 109v. 506 Protokoll vom 13. März 1781, in: UAG, Kurator K 5677, Protokolle der Akademischen Administration 1780–1781, pag. 122. 507 UAG, Kurator RB 122, Hauptrechnungsbuch von 1781–1782, pag. 516. 508 UAG, Kurator RB 124, Hauptrechnungsbuch von 1784–1785, pag. 514. 509 Ende des 18. Jahrhunderts wurde es für die Universität immer schwieriger Kurzzeitkredite zu erhalten. Sie war als teilöffentliche Korporation in der Region eine attraktive Möglichkeit zur Geldanlage geworden. Daher wurden ihr aber auch Gelder vorzugsweise nur für längere Zeiträume angeboten. Vgl. dazu insbesondere Kapitel 5.3.2.e. Die Gläubiger der Universität ab S. 426.

1.3. Wirtschaftsquellen und Praxis

133

sämtliche Zinsentermine der Sommermonate (Mai bis Oktober) einheitlich auf den Winter zu verlegen, und zwar hinter den ertragreichen Abgabentermin Weihnachten.510 Röhl war davon überzeugt, dass durch dergleichen Anordnungen [...] die Administration der Finanzen einen sicheren und ungestöhrten Gang erhält, die von den Personen der Administratoren ganz unabhängig ist [...].511

Seine Kollegen pflichteten ihm bei und auch der Rentmeister zeigte sich „völlig überzeugt, daß eine beßere Ordnung der Finanzen und Erleichterung der Administ ration dadurch erhalten“ werde.512 Die Akademische Administration beschloss daher im März 1780 die Verlegung der sommerlichen Zinsentermine.513 In einer entsprechenden Bekanntmachung an die betroffenen Kreditoren versicherte die Universität ihnen, daß wenn einige Herrn Creditores mit dieser Versetzung des Zahlungs Termins der Capitalien und Zinsen nicht zufrieden sein sollten, Sie nach vorgängiger halbjährigen Kündigung den Abtrag ihrer Capitalien erwarten können.514

Die Kapitalgeber unterzeichneten und akzeptierten damit die Veränderung; ein unzufriedener Kreditor lässt sich nicht ausmachen.515 Die Universität war zwar hochverschuldet, als sichere Anlagebank in der Region konnte sie aber dennoch Bedingungen stellen. Die Einführung eines ausreichenden Mindestvorrates für das erste Rechnungshalbjahr und die Bündelung der Kapital- und Zinsentermine in einen ertragreichen Zeitraum verhinderten fortan die bis dato übliche Verschuldung über den Sommer. Die Verringerung dieser ökonomischen Unsicherheitsfaktoren ermöglichte eine verbesserte Wirksamkeit der jährlichen Etats und eine verlässlichere Finanzplanung und trug zur Erholung der Universitätswirtschaft ab den 1780er Jahren bei.516

510 Eine durch die sommerlichen Geldverhandlungen hervorgerufene „stetige Revolution“ käme sowohl den Kreditoren als auch „der Casse [...] ungelegen“, so Professor Röhl im Juli 1780, in: UAG, Altes Rektorat R 1507, fol. 106r–110v. 511 Ebd., fol. 110r. 512 Schreiben des Rentmeisters Raths an Professor Röhl vom 9. September 1780, in: UAG, Altes Rektorat R 1507, fol. 111r. 513 Vgl. Protokoll vom 13. März 1781, in: UAG, Kurator K5677, Protokolle der Akademischen Administration von 1780–1781, pag. 122–123. 514 Bekanntmachung der Akademischen Administration an die Kreditoren der Universität vom 15. März 1781, in: UAG, Altes Rektorat R 1507, fol. 129r. 515 Vgl. Bestätigungen und Unterschriften der Gläubiger unter diversen Ausfertigungen der Bekanntmachung vom 15. März 1781, in: Ebd., fol. 129r–132v. 516 Vgl. Kapitel 1.2.9. Schuldenabbau und Investitionen (1770er–1806) ab S. 71 und die Tabelle „Einnahmen und Ausgaben der Universität Greifswald 1646–1813“ unter www.uni-greifswald.de/furorcameralisticus.

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1. Akademische Finanzadministration

1.4. DIE AKADEMISCHEN VERMÖGENSVERWALTER 1.4. DIE AKADEMI SCHEN VE RMÖG ENSVE RWALTE R

1.4.1. Akademische Beamte im Fokus a) Königliche Auszeichnung eines Procurators Am 20 Mai 1702 gewährte der schwedische König Karl XII. dem Finanzverwalter der Universität Greifswald, Procurator und Structuarius Moevius Völschow, eine persönliche Ausnahme, weiln wir vernehmen, daß die academie mit besagtem Structuarius gar wohl zufrieden, [und] demselben auch von obgemelter unserer [Visitations-] commission ein gutes gezeugnus seiner rühmlich geführten administration halber gegeben [...].517

Völschow war knapp fünf Jahre zuvor in den Magistrat der Stadt Greifswald gewählt worden woraufhin ein Streit entbrannte, ob ein Universitätsverwandter überhaupt Mitglied des Magistrats sein dürfe. Die meisten Universitätsangehörigen sahen darin einen unüberwindbaren Loyalitätskonflikt. Der erste, der dies schriftlich zum Ausdruck brachte war der Amtmann in Eldena, Wolfgang von Holle. Er erklärte Völschow noch im Jahr der Wahl kurzerhand für abgesetzt und schlug gleich einen eigenen Kandidaten für die nun freie Stellung vor.518 Des Königs Schreiben beendete diesen Konflikt schließlich. Er entschied endgültig, dass ein Universitätsverwandter nicht Mitglied des Stadtrats sein sollte, weiln die academie mit dem magistrat in vielen stücken verschiedenes interesse hätte undt demnach dergleichen differente bedienungen nicht wohl könten combiniret werden.519

Aufgrund Völschows hervorragender Reputation als fähiger Universitätsbediensteter gewährte der König diesem allerdings die Ausnahme davon und vertraute darauf, dass der amtserfahrene Mann von jenen Ratssitzungen fernbleibe, die einen potenziellen Konflikt zwischen Universität und Stadt mit sich bringen könnten.520 Diese Ausnahmeregelung für den amtierenden Procurator Völschow kann als große Auszeichnung und königliches Lob für hervorragende Leistungen in der akademi-

517 Verbot von Ämterkombinationen (1702), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 290. 518 Moevius Völschow habe „sein Ambt nemblich das Structuariat abgedanket, auch dieser Uhrsach halber nicht behalten kan, weil Er sich hat laßen in daß Collegium Senatorium wehlen [...].“ Schreiben des Amtmanns von Holle an die Regierung in Stralsund vermutlich im Oktober 1697, in: UAG, Altes Rektorat St. 198, fol. 46r–47r. Zur Debatte innerhalb der Universität um Völschows Wahl in den Magistrat vgl. allgemein UAG, Altes Rektorat St. 198, fol. 46r–103v, Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 289, Anm. 3 sowie im Kapitel 1.4.3.b. Die akademischen Procuratoren, 16. Moevius Völschow ab S. 157. 519 Verbot von Ämterkombinationen (1702), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 290. 520 Völschow dürfe ausnahmsweise „beyde bedienungen verwalten undt behalten [...], nach seinem abgang aber sollen dieselbe allemahl geschieden undt nicht mehr zugelaßen seyn, von einer persohn alleine verwaltet zu werden.“ Ebd.

1.4. Die akademischen Vermögensverwalter

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schen Finanzverwaltung gewertet werden. Eine solche Ehrung eines Universitätsbediensteten stellt einen besonderen Einzelfall dar und ist geschichtswissenschaftlich bislang nicht beachtet worden521, wie überhaupt das akademische Personal jenseits des Lehrkörpers in der Universitätsgeschichtsforschung weitgehend ignoriert wird.522

b) Beamte in der Universitätshistoriografie Geschichtswissenschaftliche Betrachtungen zu deutschen Universitäten in der Frühen Neuzeit widmen sich hauptsächlich den Professoren und Studenten sowie geisteswissenschaftlichen Entwicklungen. Universitätsbeamte spielen dabei eine ebenso marginale Rolle, wie das administrative und ökonomische Funktionieren der frühneuzeitlichen Korporationen.523 Dabei bildete das akademische Verwaltungs- und Dienstpersonal gemeinsam mit den Professoren den Sozialkörper der Universität und trug ebenso zum alltäglichen Betrieb und Fortbestehen der Hohen Schule bei. Die nach wie vor sehr geringe Kenntnis von der Verwaltung frühneuzeitlicher Universitäten kann demnach auch nicht ohne hinlängliches Wissen von den Beamten und dem Dienstpersonal erweitert werden.524 Das vorherrschende Narrativ akademischer Finanzverwaltung ist insgesamt negativ. Universitätswirtschaft und ihre Administration werden sowohl in Quellen als auch in der Forschungsliteratur525 in der Regel nur dann thematisiert, wenn sie problematisch waren.526 In der Tat rangen die deutschen Universitäten insbesondere in der frühen Neuzeit sehr häufig mit widrigen ökonomischen Bedingungen. Zum einen waren Komplikationen in der Geldbeschaffung und nicht ausreichende Finan521 Einzige Ausnahme stellt hier die Edition des Verbots von Ämterkombinationen (1702) dar, in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 289–291. 522 Auf dieses Desiderat weist Ulrich Rasche mit Fokus auf die Universität Jena hin, vgl. Rasche: „Unruhe“ am „academischen Uhrwerck“, S. 50. 523 Silke Wageners Arbeit zum Dienstpersonal der Universität Göttingen bildet hier eine lesenswerte Ausnahme, vgl. Wagener: Pedelle, Mägde und Lakaien. Das verwaltende Personal ist bislang noch nicht im Fokus geschichtswissenschaftlicher Betrachtung. 524 Vgl. Rasche: „Unruhe“ am „acdemischen Uhrwerck“, S. 48–54. 525 Vgl. dazu R. C. Schwinges kompakte Übersicht über die Finanzierung vormoderner Universitäten, die bezeichnenderweise den „grossen Mangel“ gleich im Titel anführt (Schwinges: Von Fundationen, Dotationen, Geld und grossem Mangel). 526 Die Verschriftlichung ökonomischer Aspekte (und deren Überlieferung) unterliegt in besonderem Maße der Chancen-Ungleichheit, wie sie Arnold Esch beschreibt: "Die ChancenUngleichheit der Überlieferung [...] prämiiert das Ungewöhnliche, das Fatale, und diskriminiert das Alltägliche, das Normale. Das sinkende Schiff hat die größere Überlieferungs-Chance, erzeugt mehr Quellen als das heil zurückkehrende Schiff; gerade der schlechte Wechselbrief, gerade der bankrotte Kaufmann bringt sich, durch Gerichtsakten, besonders nachdrücklich in Erinnerung. Von vielem erfahren wir Historiker überhaupt nur w e i l es mißlang." Esch: Wirtschaftsgeschichte, S. 19–20. Zum Aspekt der erhöhten Überlieferungschance negativer Ereignisse und dessen Auswirkungen auf die geschichtswissenschaftliche Auswertung, vgl. auch Esch: Überlieferungs-Chance.

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1. Akademische Finanzadministration

zierung angesichts regelmäßiger Kriege und anderer Katastrophen wie Tierseuchen und Ernteausfälle keineswegs ausschließlich Probleme von Universitäten527, zum anderen ‚funktionierten‘ viele frühneuzeitliche Universitäten auch ohne eine aus heutiger Sicht geregelte und verlässliche Finanzierung – zumindest in der Langzeitbetrachtung – doch erstaunlich gut und überstanden immer wieder ökonomisch kritische Phasen, nicht zuletzt durch die Arbeit ihrer Administratoren. In Anbetracht der insgesamt negativen Beurteilung des korporativen Wirtschaftens der Universitäten ist es kaum verwunderlich, dass auch die akademischen Finanzverwalter persönlich in der Regel nur Erwähnung fanden (und finden), wenn sie schlechte Arbeit leisteten. In der vorhandenen Rezeption der Greifswalder Universitätsfinanzen lässt sich auf jeden Fall beobachten, dass die Procuratoren ausschließlich im Zusammenhang mit Vorwürfen und Problemen genannt werden: 1804 stellte beispielsweise der Ökonom und Historiker Friedrich Gottlieb Canzler in seinen Bemerkungen über das akademische Rechnungswesen insbesondere der Universität Greifswald dem akademischen Rentmeister öffentlich, wenn auch ohne diesen namentlich aufzuführen, ein besonders schlechtes Zeugnis aus: Seine Rechnungsbücher seien chaotisch, er erfülle nicht die Tugenden eines guten Finanzverwalters (Pünktlichkeit, Ordnung, Ehrlichkeit) und erhielte darüber hinaus "[...] ein herrliches Einkommen, um höchstens etwa ein Viertel der Tage im ganzen Jahr dafür zu arbeiten!"528 Eduard Baumstark erwähnt den letzten Procurator der Universität, Johann Georg Mayer, im Rahmen seiner Festschrift von 1866 namentlich und beschreibt ihn als herausragend unfähigen Beamten.529 Warum Ivar Seth von allen akademischen Procuratoren der Greifswalder Schwedenzeit ausgerechnet Petrus Haselberg, der das Amt lediglich fünf Jahre bekleidete, als einzigen namentlich aufführt, ist nicht nachvollziehbar. Vielleicht weil er von Haselberg zu berichten weiß, dass dieser in dem Ruf stand „seinen Aufgaben nicht gewachsen“ und für die Finanzverwaltung „nicht geeignet“ gewesen zu sei.530 Die Verbesserungen der Universitätsfinanzen im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts führt Seth dagegen ausschließlich auf das Wirken des Eldenaer Amtshauptmanns von Holle zurück und unterschlägt hier gänzlich den Procurator Völschow – dessen Reputation immerhin bis zum schwedischen König vorgedrungen war.531 Eine explizite Anerkennung geleisteter administrativer Arbeit lässt sich in den Quellen kaum finden; Völschows königlich gewährte Ausnahme stellt diesbezüglich einen Ausnahme und deshalb einen besonderen Glücksfall dar. Die kontinuierlich verlässliche Arbeit vieler Procuratoren des 16. bis 18. Jahrhunderts und ihre

527 Vgl. sämtliche Beiträge in: Signori (Hg.): Prekäre Ökonomien. 528 Canzler: Bemerkungen über Hauptbücher, S. 16. 529 Der Procurator Mayer sei kein „williges Werkzeug“ und ein „vielfach getadelter Beamter“ gewesen, der „vieles nicht zu erledigen“ vermochte, so Baumstark: Universität Greifswald, S. 10–11. 530 Seth: Universität Greifswald, S. 104. 531 Vgl. Seth: Universität Greifswald, S. 76. Völschow findet bei Seth lediglich in der Anmerkung (d.h. nur im schwedischen Originaltext) Erwähnung, vgl. Seth: Universitetet i Greifswald, S. 150.

1.4. Die akademischen Vermögensverwalter

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stetigen Optimierungen in der Finanzverwaltung fanden keinen expliziten schriftlichen Niederschlag in den Quellen und können daher ausschließlich aus der Analyse ihrer Arbeit selbst, der Rechnungsführung und ökonomischen Entwicklungen ersichtlich werden. Die normativen Grundsätze bilden sich hingegen in den unterschiedlichen Vorgaben zur akademischen Finanzverwaltung ab. Dazu gehören die Quellen zum Dienstantritt einzelner Procuratoren (Schwurformel, Bestallung oder Instruktion) sowie die seit der Mitte des 17. Jahrhunderts immer differenzierter werdenden Regelungen zur Amtsführung und Buchhaltung im Rahmen von Visitationsrezessen für die Universität. 1.4.2. Das Amt: Procuratur und Structuariat532 a) Gesetzgebung und Vorgaben zur Vermögensverwaltung Die Pflichten der frühen Procuratoren der Universität sind entweder nicht verschriftlicht worden oder ihre Niederschrift ist nicht überliefert. Somit kann über die konkrete Aufgabenzuweisung keine verlässliche Aussage getroffen werden. Es ist aber davon auszugehen, dass die herzoglichen Procuratoren der Universität im Mindesten die unterschiedlichen Einkünfte eintrieben und diese sowie die universitären Ausgaben und ausstehende Zahlungen schriftlich festhielten. Denn dass sie dem Herzog ihre Rechnungen vorzulegen hatten, steht außer Frage.533 Im Januar 1563 erließen die pommerschen Herzöge ein Reglement zu dieser Rechnungslegung des Procurators. Das geschah nicht zur allgemeinen Erklärung von Funktion und Ablauf des Prozederes, sondern in Reaktion auf eine Beschwerde der Professorenschaft, die verlangt hatte, dass der Procurator seine Rechnungen auch dem Konzil regelmäßig offenlegen sollte.534 Das fragliche Reglement legte fest, dass der akademische Procurator auch weiterhin den Herzögen direkt unterstellt und ausschließlich diesen rechenschaftspflichtig sei. Das Konzil durfte den Procurator zwar wählen, war aber immer auf die Bestätigung der Wahl durch den Landesherrn angewiesen.

532 Die Procuratur und das Structuariat bildeten eigentlich unterschiedliche Bereiche der Vermögensverwaltung, vgl. dazu Kapitel 1.4.2.b. Aufgaben der akademischen Vermögensverwaltung ab S. 142. Die beiden Begriffe Procurator und Structuarius werden aber in der vorliegenden Arbeit – wie im 17. und 18. Jahrhundert auch – synonym verwendet. Beide bezeichnen den einen Vermögensverwalter der Universität Greifswald. 533 Vgl. Kapitel 1.3.2.a. Normgebung (Procuraturregister 1566–1768) ab S. 93. 534 Vgl. Reglement zur Rechnungsprüfung des Procurators (1563), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 186. Zum letzten Mal musste die Universität im Jahr 1629 die Bestätigung für ihre Wahl Heinrich Roses zum neuen Procurator suchen, vgl. Friedländer: Matrikel, Bd. 1, S. 501. Zur Rechnungslegung vgl. auch Kapitel 1.3.2.a. Normgebung (Procuraturregister 1566–1768) ab S. 93.

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1. Akademische Finanzadministration

Die älteste überlieferte Bestallung eines akademischen Procurators stammt aus dem Jahr 1573 und macht noch keine spezifischen Angaben zu den Aufgaben und Verantwortlichkeiten des Procurators.535 Gleiches gilt weitgehend für sämtliche Regularien des 16. Jahrhunderts, die sich auch der akademischen Administration widmeten. Sie gehen nur in äußerst geringem Maße auf die Amtsausführung ein. Nur im Zusammenhang des Ausbaus der akademischen Bursen536 sind zumindest die gebäudebezogenen Aufgaben des Procurators etwas eingehender beschrieben worden. Dem Procurator oblag demnach – gemeinsam mit den Aedilen – die Verantwortung über die Universitätsgebäude, die Aufsicht über ihren baulichen Zustand und über ihre Ausstattung sowie – gemeinsam mit dem Rektor – darüber, dass die Bursenmieten vierteljährlich eingehoben und registriert wurden.537 Erst als die Rechnungsprüfung einen „grossen nachstand“ offengelegt hatte, forderten die Visitatoren den Procurator auch ausdrücklich dazu auf, „solche restanten unvorzuglich außzufurdern“ und garantierten ihm dazu auch die rechtliche Unterstützung durch den Herzog, „da sich etlig der zahlung weigerten.“538 Die älteste Schwurformel eines Greifswalder Procurators ist aus dem Jahr 1629 überliefert. Heinrich Rose leistete bei seinem Amtsantritt nicht nur einen Eid auf den Rektor, sondern schwor ebenso, die ihm aufgetragenen Aufgaben gewissenhaft auszuführen. Welche Aufgaben das waren, wird hier erstmals zusammenhängend ersichtlich. Er sollte 1. „der Universität Zinsen und ander innkommen, mit Fleiße“ und zur Not mit rechtlichen Mitteln eintreiben, 2. regelmäßig den Gebäudebestand begutachten, für dessen Erhalt sorgen und die akademischen Handwerker beaufsichtigen, 3. von seiner „administration jährlich rechnung thun“, 4. allgemein Schaden von der Universität abwenden und „Ihr bestes aber befordern“.539 Wenige Jahre später erweiterten sich im Zuge der herzoglichen Dotation des Amtes Eldena das Einnahmengebiet der Universität sowie perspektivisch auch die Verantwortlichkeiten des Procurators erheblich. Das Procuratorenamt wurde – wie auch die Amtsverwaltung in Eldena – zu einer akademischen Beamtenstelle. Die ehemals

535 Bestallung des Procurators Nicolaus Maskow vom 20. Februar 1573, in: UAG, Altes Rektorat St. 198, fol. 1r–4v. 536 Zum Bau der Oeocnomie und Regentie vgl. Kapitel 3.1.2.b. Versorgungseinrichtungen: Oeconomie und Bursen ab S. 266. 537 Vgl. dazu Visitationsabschied (1568), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 213–214 und S. 218 sowie Renovierte Ordnung (1571), in: Ebd. S. 305. Vgl. auch Kapitel 3.1.3.b. Administration des akademischen Gebäudebesitzes in der Stadt ab S. 274. 538 Visitationsabschied (1578), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 323. 539 Formula Juramenti a Procuratore Universitatis [1629], in: UAG, Altes Rektorat St. 198, fol. 32r.

1.4. Die akademischen Vermögensverwalter

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herzoglichen Beamten waren fortan Universitätsverwandte und ausschließlich dem Rektor und dem Konzil unterstellt; der Procurator war mit seinen Registern direkt nur noch diesen verpflichtet. Nachdem die schwedische Krone den Status quo der pommerschen Universität am Ende des Dreißigjährigen Krieges weitgehend bestätigt hatte, ließ sie im Rahmen einer Visitation der verschuldeten Korporation eine Art Stabilisierungsplan zu deren Grundversorgung entwickeln und setzte ihr darin ökonomische Zielvorgaben.540 Handlungsanweisungen für den akademischen Verwalter gab der erste schwedische Visitationsrezess von 1646 aber noch nicht. Erst im Laufe der zweiten Hälfte des 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts lässt sich beobachten, dass immer detailliertere Vorgaben zur Ausführung der Finanzadministration gemacht, d.h. dass der Modus einzelner Aufgabenbereiche immer expliziter in die Normtexte aufgenommen wurde.541 Erstmals erhielt der 1669 ins Amt gewählte Moevius Völschow im Jahr 1671 eine Art Überblick und Spezifikation seiner Aufgaben als Procurator, Structuarius und Amtsnotar.542 Rektor und Konzil behielten sich vor, die Instruktion jederzeit erweitern oder einschränken zu können, wobei sich der Procurator neuen Instruktionen ebenfalls „mit schuldiger dexterität und ungesäumet vermöge seines eydes“543 zu fügen habe. Und tatsächlich beriet das Konzil im Laufe der folgenden Jahrzehnte immer wieder über die Handlungspraxis des Procurators; über mögliche Veränderungen seiner Aufgaben und Arbeitsabläufe. Nachdem der allgemeine Visitationsrezess von 1702 auch die Amtspflichten des Procurators ausführlicher aufgenommen und präziser geregelt hatte, wurde die Instruktion von 1671 überarbeitet und den neuen Regelungen angepasst. Die „Erneuerte Instruktion für den Prokurator und Structuarius“ von 1703544 macht dabei weniger tatsächlich neue Vorgaben als vielmehr detailliertere Bestimmungen zu einer bewährten Amtsführung des Procurators. Wie der Rezess von 1702 insgesamt so hatten auch die Bestimmungen der Instruktion für den Procurator weitgehend Bestand bis die Procuratur im Zuge der Neugestaltung der akademischen Finanzadministration 1775 umgestaltet, bzw. abgeschafft wurde.545 Die folgende Zusammenstellung der Amtspflichten des Greifs540 Vgl. dazu Kapitel 1.2.4. Schwedische Reorganisationsbemühungen (1634–1668) ab S. 33 und Kapitel 1.3.4.c. Die Etats ab S. 122. 541 Ein Visitationsrezess gab erstmals 1666 konkretere Beschreibungen zum Umgang u.a. mit Lohnschulden, säumigen Schuldnern, Strafgebühren (Neglecten) sowie der Kassenlade, vgl. Visitationsrezess (1666), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 99– 107. 542 „Instructio, so nach dem visitations-recess abgefasset, wornach sich der Structuarius oder Procuratur und Amts Notarius [...] in der universität so wohl als im closter Eldena zu achten.“ So lautet der Titel der Instruktion für den Procurator und Structuarius (1671), in: Ebd., S. 135. 543 Instruktion für den Procurator und Structuarius (1671), in: Ebd., S. 139. 544 Ebd., S. 304–314. Gleichzeitig passte das Konzil auch die Instruktion für den Amtmann in Eldena an die neuen Rezess-Vorgaben an, vgl. Instruktion für den Amtmann auf Eldena, in: Ebd., S. 314–327. 545 Vgl. dazu auch Kapitel 1.2.8. Neuordnung der ökonomischen Selbstverwaltung (1775) ab S. 66.

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1. Akademische Finanzadministration

walder Procurators und Structuarius gilt daher mindestens für den Zeitraum zwischen 1671 und 1775.

b) Aufgaben der akademischen Vermögensverwalter zwischen 1566 und 1775 Procuratur Eine Hauptaufgabe des Finanzverwalters der Universität war das Einbringen offener Forderungen – alter und neuer – sowie das Begleichen akademischer Schulden. Zur verbesserten Übersicht sollte er dazu ein Verzeichnis über sämtliche ausstehenden Forderungen und Schulden führen. Weigerten sich Schuldner zu zahlen oder kam es anderweitig zu Komplikation beim Geldeintreiben, hatte er diese Fälle an den Rektor abzugeben, der rechtliche Mittel einsetzen konnte.546 Der Procurator erhob möglichst termingerecht „alle der Universität intraden ohn unterscheidt“.547 Die Erträge sollte er im besten Fall bar einziehen; das Akzeptieren von Verschreibungen wurde dem Procurator 1671 explizit untersagt.548 „Alle der Universität außgaben“ sollten ausschließlich durch ihn getätigt werden, „damit keine fernere confusion der vielerlei außgaben und einnahmen in den registern verursachet werden.“549 Über die im Rechnungsjahr regulär eingenommenen Erträge und die davon getätigten Ausgaben hatte der Procurator verlässliche Register führen. Aus ihnen sollte er am Ende des Rechnungsjahres die Jahresrechnung, das sogenannte Procuraturregister erstellen. Die Einnahmen- und Ausgabentitel, wie sie bereits seit vielen Jahrzehnten in den Procuaturregistern geführt wurden, lassen sich ebenfalls den Instruktionen entnehmen.550 Eine detaillierte Ausgabenpriorisierung insbesondere für den Fall nicht ausreichender Erträge ordnete erst die Instruktion von 1703 an.551 Der Procurator war zwar für sämtliche akademischen Einnahmen und Ausgaben verantwortlich, die Universitätskasse stand aber beim Rektor in Verwahrung. Neben Magnifizenz und dem Procurator besaß außerdem noch der Amtmann in Eldena einen der drei Schlüssel zur Kassenlade.552 Dem Procurator kam eine sehr hohe Eigenverantwortung für den Universitätshaushalt zu; erst recht, wenn man be-

546 Vgl. Instruktion für den Prokurator und Structuarius (1671), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2. S. 135. 547 „[...] als pensiones, dienstgelder, pächte, zinsen, brüche, holtz-auf- und ablaß, wie auch daß auß den korn pächten gelösete geldt [...]“ sowie Promotionsgelder und Neglecten, in: Instruktion für den Prokurator und Structuarius (1671), in: Ebd., S. 135. 548 Vgl. Instruktion für den Prokurator und Structuarius (1671), in: Ebd., S. 136. 549 Ebd. 550 Die Instruktion von 1671 blieb diesbezüglich noch allgemein, 1703 wurden die Titel bereits präziser aufgelistet. Vgl. dazu auch Kapitel 1.3.2. Procuraturregister 1566–1768 ab S. 93. 551 Vgl. Instruktion für den Prokurator und Structuarius (1671), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2. S. 309. 552 Vgl. auch für das Folgende Kapitel 1.3.4.b. Die Kasse ab S. 119.

1.4. Die akademischen Vermögensverwalter

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denkt, dass bestehende Einschränkungen und Kontrollfunktionen teilweise aus praktischen Gründen tatsächlich nicht übernommen worden sind.553 Im Zuge der Visitation von 1699 erhielt der Procurator neben seinen Aufgaben der Finanzführung und –registrierung erstmals auch jene der Finanzplanung zugeschrieben. Er sollte zum Beginn eines neuen Rektoratsjahres einen Etat anfertigen, diesen dem neuen Rektor überreichen und im laufenden Jahr bei der Professorenschaft die Einhaltung des Etats anmahnen.554 Im Rahmen der akademischen Stiftungs- und Stipendienverwaltung, die ebenfalls Bestandteil der akademischen Finanzverwaltung war, sowie bei der Bursenaufsicht und der Neglecten kam dem Procurator außerdem immer auch eine gewisse disziplinarische Verantwortung zu. Structuariat Seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde der Procurator immer häufiger auch und bald schon ausschließlich als Structuarius bezeichnet. Beide Bezeichnungen wurden synonym für das gleiche Amt verwendet, titulieren aber eigentlich die beiden unterschiedlichen Aufgabenbereiche: Der Procurator verwaltete die Finanzen der Universität und der Structuarius ihren Gebäudebestand. Dem Procurator und Structuarius oblag die gesamte Vermögensverwaltung der Universität Greifswald. Wie schon im 16. Jahrhundert führte der Procurator als Structuarius außerdem die Aufsicht über die Universitätsgebäude. Er erstellte Inventarien der Professorenhäuser, leitete die Zimmervermietung (Burse und Regentie) und führte darüber Register. In einem gegebenen Budgetrahmen war ihm die Entscheidungsgewalt über Reparatur- und Instandhaltungsmaßnahmen gegeben; über bauliche Änderungen und Neubauten sollte allerdings der Rektor befinden.555 Auch die Aufsicht über die Handwerker und das Baumaterial oblag dem Structuarius.556

553 Wie beispielsweise der Amtmann in Eldena seinen Schlüssel in der Stadt verwahrte, „weil er nicht alle tage herein kommen kan [...].“ Marginale Völschows in der Erneuerten Instruktion für den Prokurator und Structuarius (1703), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2. S. 307. Vgl. auch Kapitel 1.3.4.b. Die Kasse ab S. 119. 554 Erneuerte Instruktion für den Prokurator und Structuarius (1703), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2. S. 310. Vgl. auch Kapitel 1.3.4.c. Die Etats ab S. 122. 555 Vgl. Instruktion für den Procurator und Structuarius (1671), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 137. Spätestens nach 1721 war vorgesehen, dass die Entscheidungsgewalt über sogenannte Hauptbauten der Universität bei den Kuratoren und dem Kanzler liegen sollte, vgl. Abschied der Visitatoren für die Universität (1730), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 32–33 sowie Kapitel 3.3.6. Spar- und Kontrollvorschriften zu den Universitätsgebäuden ab S. 313. 556 Zum Structuariat und den dazugehörigen Aufgaben vgl. auch Kapitel 3.1.3.b. Administration des akademischen Gebäudebesitzes in der Stadt ab S. 274.

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1. Akademische Finanzadministration

Amtsnotariat Dem akademischen Vermögensverwalter kamen seit dem 16. Jahrhundert stets auch notarielle Pflichten zu; Procuratoren waren immer wieder auch mit diversen Notariaten betraut.557 Bereits in den 1560er Jahren waren die akademische Vermögensverwaltung und das Universitätsnotariat nachweislich zusammengelegt worden. Jacob Bliseke wurde bereits als „notarius et procurator noster“558 bezeichnet und sein Nachfolger Nicolaus Maskow ist nachweislich für beide Amtspflichten entlohnt worden.559 Die Kombination von Finanzverwaltung mit der Gebäudeaufsicht und dem Notariat blieb zunächst 30 Jahre lang bestehen, bis der Procurator Martin Ribow das Universitätsnotariat 1593 an seinen Bruder Christoph übergab.560 Die beiden Ämter kamen aber schließlich auf anderem Wege wieder zusammen, nachdem das Vermögen der Universität um das Amt Eldena erweitert worden war. Als Christoph Ribow sein Amt 1625 niederlegte, wählte das Konzil Michael Knuth zu seinem Nachfolger. Knuth war zu diesem Zeitpunkt Sekretär im herzoglichen Amt Eldena und verband fortan das herzogliche und das akademische Notariat.561 Nachdem das herzogliche Amt Eldena durch die Dotation Bogislaws XIV. im Jahr 1634 in den Besitz der Universität übergegangen war, blieb Knuth auch weiterhin sowohl Amts- als auch Universitätssekretär. Offensichtlich hatte er sich auf diesem Posten bewährt, in jedem Fall verfügte er über ausreichende Kenntnis von den Umständen im Amt, so dass im Zuge der Reorganisation der Universität gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges die Wahl für einen neuen Vermögensverwalter der Universität im Jahr 1646 auf den Amtssekretär Michael Knuth fiel. Fortan

557 Nähere Beschreibung der Aufgaben des Notars/Sekretärs und des Syndikus in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. LXV–LXVI, zum Greifswalder Syndikus vgl. auch Jörn: Universität vor Gericht, S. 170–177. 558 Friedländer: Matrikel, Bd. 1, S. 283, vgl. auch im Kapitel 1.4.3.a. Die herzoglichen Procuratoren: 4. Jacob Bliseke, S. 149. 559 Im zweitältesten Procuraturregister (1567–1568) heißt es im Ausgabenregister für das Kollegium: „Notario, unnd Prcouratori Vniuersitatis. Disse beiden Ampter sint nhw up [unser gnädigen Herrn] Consens coniungiret unnd Nicolao Maskowen beuhalen, die ock Notarius Consistorii Ecclesiastici iss.“ UAG, Kurator St. 865, Procuraturregister von 1567–1568, pag. 455 (Das Universitätsnotariat war also außerdem mit dem Sekretariat des Geistlichen Konsistoriums verbunden). Pläne zur Kombination der akademischen Vermögensverwaltung mit dem Notariat existierten seit mindestens 1557, vgl. dazu Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 186, Anm. 3. 560 In den Procuraturregistern wurde der Lohn für den Procurator und Notarius der Universität auch weiterhin in einem gemeinsam Ausgabentitel aufgeführt, ab 1594 erhielt aber „Martin Ribow wegen der Procuratur XXX m.“ und die übrigen 30 Mark „wegen des Notariats“ empfing „Christophorus Ribowii.“ In: UAG, Kurator St. 887, Procuraturregister von 1593–1594, fol. 47v. 561 Vgl. die Bekanntmachung des Konzils vom 9. April 1634, in: UAG, Altes Rektorat St. 198, fol. 36r–36v. Vgl. auch Schwurformel des neuen „Secretarius academiae“ in der Matrikel, in: Friedländer: Matrikel 2, Bd. 1, S. 480, vgl. auch Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. LXV.

1.4. Die akademischen Vermögensverwalter

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blieben die Procuratur und das Amtsnotariat personell verbunden. Das Universitätsnotariat gab Knuth 1646 dagegen an Jacob Christiani ab.562 Neben seinen Aufgaben als akademischer Procurator und Structuarius im Amt Eldena (Abgaben berechnen und einsammeln, Aufsicht über die Gebäude führen, Bauten und Reparaturen veranlassen und organisieren) nahm der akademische Finanzverwalter als Notarius im Amt hauptsächlich Kontroll- und eben notarielle Funktionen wahr: Er sollte die Aufsicht über die Pachtverträge führen, das Amtsnotariat (inklusive Amtsarchiv) in Eldena verwalten, alle Kriminal- und Zivilklagen vor dem Eldenaer Amtsgericht protokollieren und außerdem dem Rektor davon Bericht erstatten, die Strafgelder verzeichnen sowie die Aufsicht über den Eldenaer Forst führen und daraus in der Stadt benötigtes Bau- und Feuerholz besorgen.563 Der Procurator nahm somit in gewisser Weise immer auch eine kontrollierende Position gegenüber dem ihm im Rang eigentlich gleichgestellten Amtmann in Eldena ein. Bis die Beamtenstelle eines Procurators und Structuarius 1775 abgeschafft wurde, blieb sie mit dem Amtsnotariat verbunden564, wobei seit 1751 durchaus Stimmen laut wurden, dass die beiden Ämter getrennt werden sollten.565 1775 wurde das Notariat dem Amtmann übertragen: „Zu besserer Bestreitung der ihm auferlegten Geschäfte werden ihm 50 Reichstahler zum Unterhalt eines Amtsnotarii bestanden.“ Dem neuen Amtsnotar oblagen weiterhin die gleichen Aufgaben, wie sie bis dato der Procurator und Structuarius auch wahrgenommen hatte.566 Normdurchsetzung Für den Zeitraum von 1566 bis 1775 lässt sich also festhalten, dass der Finanzverwalter der Universität Greifswald – ob herzoglicher oder akademischer Beamter – sowohl das monetäre als auch das immobile Vermögen der Korporation verwaltete

562 Christiani verband wiederum das Universitätssekretariat mit jenem der Juristischen Fakultät, vgl. Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. LXV. „Die Octobris 6. dns.[1645] Michael Knuth, hactenus secretarius universitatis, constitutus est a concilio structuarius et procurator academiae. In cuius locum suffectus dns. Jacobus Christiani. Iurarunt ambo coram pleno senatu.“ In: Friedländer: Matrikel 2, Bd. 1, S. 635. 563 Die erste überlieferte Beschreibung der Pflichten des Amtsnotars stammt vermutlich aus dem Jahr 1656, ist also zu Leb- und Amtszeiten des langjährigen und erfahrenen Sekretärs und Procurators Michael Knuth aufgesetzt worden: Amtspflichten des Quästors und Amtsnotars in Eldena [1656], in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 51–52. Vgl. dazu auch Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. LXXXIV–LXXXVI. 564 Die Instruktionen für den Procurator und Structuarius von 1671 und 1703 bestätigten die Ämterverbindung: Der Procurator solle „im ampte [bzw. Amtsgericht] protocolla halten und daselbst daß notariat verwalten.“ So in der Erneuerten Instruktion für den Procurator und Structuarius (1703), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 313. 565 Vgl. Zirkular des Rektors Möller vom 4. Oktober 1751, in: UAG, Altes Rektorat St. 198, fol. 256r–257r. 566 Vgl. Reglement für die ökonomische Administration (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 461.

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und darüber die benötigten schriftlichen Nachweise zu führen hatte. Darüber hinaus waren im Laufe des Betrachtungszeitraumes in der Regel auch diverse Notariate mit der Finanzadministration verbunden. Lediglich das Amtsnotariat wurde, nachdem der Amtssekretär Michael Knuth zum Procurator und Structuarius gewählt worden war, auch weiterhin bis 1775 von dem akademischen Vermögensverwalter in Personalunion geführt.567 Die Vorgaben der Instruktionen für den Procurator und Structuarius von 1671 und 1703 hatten bis zur administrativen Umgestaltung der Universität im Jahr 1775 weitgehend Bestand. Hinsichtlich der Buchhaltung lässt sich feststellen, dass die entsprechenden normativen Vorgaben zum Zeitpunkt ihrer Niederschrift in der Regel bereits gängige Handlungspraxis waren. Bewährte Praxis ist also nachträglich zur Norm gesetzt worden.568 Auf dieser Grundlage kann davon ausgegangen werden, dass so auch im Fall etlicher anderer Vorgaben zur Finanzadministration verfahren wurde: Das im Amt tradierte Vorgehen der Procuratoren ist im Laufe der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zunehmend verschriftlicht worden. Diese Vorschriften sind mit hoher Wahrscheinlich tatsächlich so ausgeführt worden, wie die Instruktionen und Rezesse das vorsahen. Andere administrative Normen sind in der Praxis wiederum nicht umgesetzt worden. Einen seltenen Einblick in diesen Sachverhalt vermitteln Marginalien des Procurators Völschow in einem Exemplar der Erneuerten Instruktion von 1703. Seine teilweise bissigen Bemerkungen zeugen deutlich von Problemen in der Umsetzung vor allem jener Vorschriften, die die Interaktion des Procurators mit den Professoren berühren: Wenn beispielsweise die Ausgaben zu den Gebäuden das rezessmäßig vorgegeben Budget des Procurators überstiegen, sollte dieser, bevor er weitere Ausgaben tätigte, eine schriftliche Bewilligung des Konzils abwarten. Völschow bemerkte dazu aber, dass er auf eingereichte Anträge keinerlei Reaktion des Konzils erhalten hätte.569 Die Kommunikation innerhalb der Körperschaft funktionierte demnach nicht so wie es der Rezess und die Instruktion voraussetzten. Auch dem Rektor machte Völschow Vorwürfe: Für anfallende Reparaturen und Bauten sollte der Procurator mit den Handwerkern einen Kostenvoranschlag erstellen und diesen dem Rektor zur Prüfung und Bewilligung vorlegen. Tatsächlich habe der Rektor eine solche „repräsentation“ aber anstatt sie zu bewilligen, entsorgt.570 Auch bezüglich des Materialhauses wichen die Umstände der Procuratorentätigkeit offensichtlich enorm von den Vorstellungen der Instruktion ab. So sollte der Schlüssel zum Materialhaus beim Rektor aufbewahrt, aber ausschließlich vom Procurator genutzt werden. Ohne dessen Wissen sollte nichts dort heraus genommen oder hineingebracht werden. Tatsächlich aber soll „nach belieben, ohne den Structuarius 567 Vgl. auch den Amtseid des Procurators Haselberg vom 11. August 1707, der alle drei Aufgabenbereiche einschließt, in: UAG, Altes Rektorat St. 198, fol. 190r. 568 Vgl. dazu auch Kapitel 1.3.2. Procuraturregister 1566–1786 ab S. 93 und Kapitel 1.3.4. Ökonomische Praxis und Finanzplanung ab S. 118. 569 Erneuerte Instruktion (1703), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 308. 570 Ebd., S. 311.

1.4. Die akademischen Vermögensverwalter

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darnach zu fragen“ Material aus dem Lager genommen worden sein.571 Aber auch der Procurator hielt sich natürlich nicht an alle ihm gesetzten Vorgaben. Insbesondere Bestimmungen, die seinen Handlungsspielraum zu Kontrollzwecken einschränkten und die Administration verkomplizierten, wie das regelmäßige Einzahlen der eingenommenen Gelder in die Kassenlade beim Rektor, ignorierte er in der Regel.572 Die vielfältigen Pflichten des Procurators (Structuarius und Amtsnotar) gingen auch über den Bereich der direkten Vermögensverwaltung hinaus und wurden bis ins 18. Jahrhunderts hinein vielleicht nicht unbedingt zahlreicher, aber in jedem Fall zunehmend deutlicher bestimmt und ausformuliert. Insbesondere die wirtschaftliche Eigenverantwortung des akademischen Procurators nahm im Laufe des Betrachtungszeitraumes, wie auch sein Ansehen innerhalb des Universitätsgefüges sowie sein Gehalt erheblich zu.

c) Kollektive Vermögensverwaltung und der Rentmeister ab 1775 Der Visitationsrezess von 1775 entzog dem Konzil formal die selbständige Wirtschaftsverwaltung und richtete zur ökonomischen Administration die sogenannte Akademische Administration ein.573 Die Verwaltungsinstanz bestand aus nur noch zwei Delegierten des Konzils, dem Rektor ohne Stimmrecht, dem Generalsuperintendenten in seiner Funktion als Kurator, wie auch zwei landständischen Vertretern. Sämtliche finanzadministrativen Entscheidungen über das Vermögen der Korporation und ihre Stiftungsverwaltung lagen fortan ausschließlich in der Verantwortung dieses neuen Gremiums.574 Das bis dahin in jenen Bereichen äußerst eigenverantwortliche Amt des akademischen Procurators und Structuarius ist in diesem Zuge abgeschafft und seine vielfältigen, insbesondere „die mit dem Amte eines Structuarii bisher verbundene[n] Geschäfte“575 wurden auf andere, vorwiegend an das Amt Eldena angegliederte Posten verteilt: Die notariellen Pflichten im Amt Eldena übertrugen die Visitatoren einem eigens dafür eingesetzten Amtssekretär, der unmittelbar dem Amtmann unterstellt war. Das Structuariat ging weitgehend in den Verantwortungsbereich des Amtmanns über, der also fortan zusätzlich zu seinen amtsbezogenen Aufgaben auch die Aufsicht über die Gebäude in der Stadt zu führen hatte. Die Aufsicht über Neubauten war bereits ab 1740 an einen „Bauschreiber und Amtsdiener“ aus dem Structu571 Ebd. 572 Vgl. dazu auch den Streit zwischen Moevius Völschow und dem Rektor Caspar March im Jahr 1705 wegen der Aus- und Einzahltermine, im Kapitel 1.3.4.b. Die Kasse ab S. 119. 573 Vgl. insbesondere das gemeinsam mit dem Visitationsrezess verabschiedete Reglement für die ökonomische Administration (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 439–461. 574 Vgl. Kapitel 1.2.8. Neuordnung der akademischen Selbstverwaltung (1775) ab S. 66. 575 Auszug aus der Resolution des Kanzlers und der Visitationskommission vom 21. Dezember 1775, in: UAG, Altes Rektorat St. 198, fol. 341r–v.

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1. Akademische Finanzadministration

ariat ausgelagert und also ebenfalls an das Amt angegliedert worden.576 Die finanzpraktischen Pflichten, wie das Eintreiben577 und Auszahlen der Gelder und die Rechnungsführung darüber, führte fortan der sogenannte Rentmeister aus. Der Rentmeister wurde wie der Amtmann auch vom Kanzler ernannt und von der Akademischen Administration präsentiert. Im Rang stand er gemeinsam mit dem Secretarius und im Gegensatz zum Amtmann und dem Syndicus unter den Adjunkten. Der Rentmeister durfte explizit weder dem Lehrkörper noch dem Pächterkreis der Universität angehören, um mögliche Interessenskonflikte von vorneherein auszuschließen.578 Interessanterweise galt diese Bestimmung nicht für den Amtmann, dessen Amtspflichten in ihrem Ausmaß mittlerweile denen des früheren Procurators und Structuarius glichen. Der dritte Schlüssel zur Kassenlade war nun allerdings nicht mehr dem Amtmann, sondern stattdessen einem der Kuratoren anvertraut. Der erste blieb beim Rektor und den zweiten erhielt der Rentmeister.579 Weitreichendere Befugnisse wurden dem Rentmeister in der Ausübung der Finanzadministration nicht mehr zugestanden. Im Prinzip durfte er nur noch auf Anweisung durch die Akademische Administration und schriftlich vermittelt durch den Secretarius handeln: Wie er Einnahmen zu verzeichnen hatte, ist ihm vom Secretarius angewiesen worden und Auszahlungen durfte er ausschließlich „auf förmliche Assignationen [...], die von der Administration ausgefertiget, und vom Secretario im diario verzeichnet“ wurden, tätigen. Selbst „der Titul [...] wozu die Ausgabe gehöret“ ist darin „genau ausgeführet“ worden. Nur mit solch einer sehr konkreten Anweisung und nur gegen Quittung auf diese durfte der Rentmeister die entsprechende Ausgabe dann vornehmen. Die quittierte Anweisung diente anschließend als einzig gültige Verification im Prozess der Rechnungslegung.580 Ab 1775 wurden also sämtliche Kassenbewegungen von der Akademischen Administration schriftlich angewiesen und bestätigt. Dies diente unter anderem explizit „gegen den Rentmeister zur Controll“.581 Dass man sich tatsächlich daran hielt, bestätigen die überlieferten Verificationsbände ab 1775, deren Umfang im Vergleich zu ihren Vorgängern naturgemäß erheblich zugenommen hatte. Auch die Rechnungsführung des Hauptbuches war dem Rentmeister – im Gegensatz zum Procurator –

576 Vgl. dazu Kapitel 3.1.3.b. Administration des akademischen Gebäudebesitzes in der Stadt ab S. 274 sowie Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. LXXXVI, den Visitationsrezess (1775), in: Ebd., S. 437, das Reglement für die ökonomische Administration (1775), in: Ebd., S. 453 und auch die Instruktion für den Bauschreiber und Amtsdiener (1769), in: Ebd., S. 276–279. 577 Beim Geldeintreiben wurde er auch weiterhin von den reitenden Dienern der Universität und dem Landreiter unterstützt, vgl. Visitationsrezess (1775), in: Ebd., S. 436. 578 Amtmann und Syndikus nahmen die Stelle „nach denen Professoren und über die Adjuncten“ ein, ebd., S. 428–429. 579 Reglement für die ökonomische Administration (1775), in: Ebd., S. 449. 580 Ebd., S. 450. 581 Reglement für die ökonomische Administration (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 450.

1.4. Die akademischen Vermögensverwalter

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in Form des 1774 erstellten „Formulaire zum Academischen Rechnungs Buch“582 sehr detailliert vorgegeben.583 Die zeitweise äußerst selbstverantwortliche, akademische Procuratur ist 1775 also abgeschafft und der Großteil der vielfältigen Aufgaben des Procurators anderen Ämtern übertragen worden. Der neue Finanzverwalter trug in ökonomischen Belangen der Universität kaum noch eigene Verantwortung. Der Rentmeister handelte nunmehr ausschließlich auf Anweisung durch die Akademische Administration. 1.4.3. Die Amtsinhaber a) Die herzoglichen Procuratoren584 1. Erasmus Scrader/Schroder [1543] Der älteste Nachweis eines akademischen Vermögensverwalters in Greifswald stammt aus einem Wechselbrief aus dem Jahr 1543: Am 11. November 1543 hatte „Erasmus Scrader, der genanten universiteten procuratori“ dem in Menzlin ansässigen Joachim Horn aus dem akademischen Vermögen ein Kapital von 300 Mark Sundisch ausgezahlt.585 Bei diesem ersterwähnten Procurator der Universität handelte es sich wahrscheinlich um einen ihrer ehemaligen Studenten.586 2. Erasmus Wendt [–1549] Nur wenige Jahre später, im Jahr 1549, wurde in der Universitätsmatrikel der Tod eines weiteren Finanzverwalters, Erasmus Wendt vermerkt. Er wird dort zwar nicht explizit als Procurator, aber doch als „collector redituum academiae [...]“ bezeichnet. Wendt war, wie Schroder vor ihm auch, herzoglicher Beamter gewesen, der zur 582 Vgl. dazu Kapitel 1.3.3. Die Hauptrechnungsbücher 1774–1806 ab S. 107. 583 Ausnahme war lediglich der Amortisierungsfonds, der im „Formulair“ noch nicht enthalten war. Ausgerechnet die Rechnungsführung dieses Amortisierungsfonds kostete den Rentmeister Rats am Ende die Anstellung, vgl. Kapitel 5.3.3.d. Exkurs: Amortisierungsfonds ab S. 444, vgl. allgemein zur Rechnungsführung der Rentmeister auch Kapitel 1.3.3. Die Hauptrechnungsbücher 1774–1806 ab S. 107. 584 Erste Erkenntnisse und Funde zu den Biografien einiger Procuratoren waren bereits Bestandteil meiner unveröffentlichten Masterarbeit: „Die Kassen- und Rechnungsbücher der Universität Greifswald 1570–1720“, sind aber im Zuge der vorliegenden Arbeit chronologisch und inhaltlich wesentlich erweitert worden. 585 Aus der Obligation zitiert nach Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 2, S. 126. Zu dieser Obligation von Horns vgl. auch Kapitel 5.2.1.a. Zins und Zinsen, S. 396. 586 Bei dem am 18. März 1518 immatrikulierten „Erasmus Schroder de Sundis, d. Swerinensis“ handelte es sich vermutlich um den späteren Procurator, in: Friedländer: Matrikel, Bd. 1, S. 184.

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1. Akademische Finanzadministration

Zufriedenheit der Universitätsverwandten seine Aufgaben „[...] nequaquam debita diligentia et fide administravit.“587 Wendt stammte aus Greifswald und hatte ebenfalls zuvor an der hiesigen Universität studiert.588 3. Martin Sarnow [–1562] Am 8. Januar 1563 teilten die pommerschen Herzöge in einem Reglement zur Rechnungslegung des Procurators für die Universität Greifswald u.a. mit, dass vom Konzil ein neuer Procurator angenommen worden sei. Der bislang amtierende Procurator und Stadtsekretär Martin Sarnow589 hatte demnach sein Universitätsamt im Jahr zuvor niedergelegt.590 Auch Sarnow hatte in Greifswald studiert.591 Als er sich am 29. Dezember 1554 nach fürstlicher Bestätigung 300 Gulden aus der akademischen Kasse lieh, war er allerdings vermutlich noch nicht Procurator der Universität gewesen.592 Wann seine Amtszeit begann, lässt sich ebenso wenig festmachen, wie der Zeitpunkt und der Grund für sein Ausscheiden. Unumstritten ist auf der einen Seite die Tatsache, dass Martin Sarnow zwei Mal innerhalb kurzer Zeit (1562 und 1563) durch verheerende Brände seinen gesamten Hausstand verlor und auf der anderen Seite, dass der Universität in seiner Amtszeit hohe Schulden entstanden waren.593 Ob diese beiden Aspekte sowohl ursächlich miteinander als auch mit Sarnows Ausscheiden aus dem Amt zusammenhängen, bleibt Spekulation.

587 „Mortuus est etiam Erasmus Wendt, civis Gryphiswaldensis, qui fuerat collector redituum academiae et constitutus a principe, ut aedificia scholae sartatecta conservaret, quod munus nequaquam debita diligentia et fide administrativ.“ Friedländer: Matrikel Bd. 1, S. 228. 588 Immatrikuliert als „Erasmus Went, incola“ am 12. April 1523, in: Friedländer: Matrikel, Bd. 1, S. 194. 589 Vgl. Rechnungslegung (1563), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 187 sowie Friedländer: Matrikel, Bd. 1, S. 279. 590 Bei Kosegarten: Universität Greifswald, S. 209 wird Martin Sarnow für den 10. Juni 1563 fälschlicherweise noch als Procurator genannt, obwohl er in der Matrikel von 1563 für den 13. März als Stadtsekretär und „quondam procuratoris academiae“ bezeichnet wird, in: Friedländer: Matrikel, Bd. 1, S. 279. 591 1547 wurde zumindest ein „Martinus Zarnow Wistockcensis“ immatrikuliert, so in: Friedländer: Matrikeln, Bd. 1, S. 218. 592 Vgl. das Bestätigungsschreiben der Herzöge sowie die eigentliche Obligation vom 29. Dezember 1554, in der Sarnow sich ausschließlich als „wohnhafftiger Bürger zum Greifswalde“ und in keiner Weise als mit der Universität in Verbindung stehend bezeichnete, in: UAG, Altes Rektorat R 1512, fol. 1r–5r. 593 „Die 12. Martii [1562] hora noctis 12. Martini Sarnovii procuratoris quondam academici fidelissimi domus incendio conflagravit.“ Chronikeintrag 1561–1562, in: Friedländer, Matrikel, Bd. 1, S. 269. Im Jahr 1563 ereilte ihn erneut das gleiche Schicksal, vgl. dazu seinen ausführlichen Bericht an den Herzog, in: UAG, Altes Rektorat R 1512, fol. 6r–10r.

1.4. Die akademischen Vermögensverwalter

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4. Jacob Bliseke [1563] Jacob Bliseke aus Golnow trat offenbar die Amtsnachfolge Martin Sarnows an. Am 28. Oktober 1564 wurde Bliseke zumindest als „notarius et procurator noster“ bezeichnet und sein Bruder auf Grund dessen gratis an der Universität immatrikuliert.594 Wie und wie lange er das Amt führte, ist nicht bekannt. Bliseke war somit aber der erste Procurator der Universität, der nach Durchsetzung der ersten Dotation einen eigentlichen Korporationshaushalt zu verwalten hatte.595 5. Nicolaus Maskow [1566596]–1573 Der erste Procurator und Notarius597 der Universität Greifswald, der sich nicht nur anhand vereinzelter Erwähnungen in der Überlieferung ausmachen lässt, sondern dessen Amtszeit und Biographie umfassender nachvollzogen werden kann, ist Nicolaus Maskow. In seine Amtszeit als Procurator fällt der Überlieferungsbeginn der jährlichen akademischen Rechnungsbücher. Vielleicht war Nicolaus Maskow aber auch der erste Procurator, der diese Form der gemeinsamen Jahresrechnungen der Korporation einführte. Er war nicht nur ein einfacher herzoglicher Beamter, der die Universitätsfinanzen beaufsichtigte, sondern er bekleidete diverse administrative Ämter und durchlief eine beachtliche Karriere in fürstlichen Diensten.598 Nicolaus wurde im Jahr 1532 als Sohn des Stargarder Stadtrats Maskow geboren. Er entstammte einer angesehenen und verdienten pommerschen Familie: Seine Brüder Henning und Christoph standen beiden hoch in Diensten des Herzogs Barnim IX., der im Jahr 1553 auch den Adelstitel der Familie Maskow bestätigte.599 Nicolaus besuchte die Stargarder Stadtschule und anschließend das Paedagogium in Stettin. Mit 26 Jahren soll er sein Studium in Greifswald aufgenommen haben600, wo er nach drei Jahren das Trivium abschloss und zum Baccalar promoviert wurde.601 Anschließend führte er seine Studien an der Juristischen Fakultät fort und legte 1566 die Notariatsprüfung ab. Spätestens zu diesem Zeitpunkt übernahm er die Procuratur und das Notariat der Universität und wurde außerdem zum Advoka-

594 Friedländer: Matrikel, Bd. 1, S. 283. 595 Vgl. Kapitel 1.2.1. Ökonomischer Neustart nach der Reformation (1558/1563) ab S. 26. 596 Nicolaus Maskow wurde im Rechnungsjahr 1566–1567 als „Notari[us] et Procurator[...] universitatis“ entlohnt, in: UAG, Kurator St. 865, Procuraturregister von 1566–1567, fol. 31v. 597 Vgl. Kapitel 1.4.2.b. Aufgaben der akademischen Vermögensverwaltung ab S. 142. 598 Vgl. Leichenpredigt für Nicolaus Maskow, in: UBG 544 VP, Bd. 25, vgl. auch Lange: Vitae Pomeranorum, S. 206. 599 Vgl. die Stammtafel der Familie Maskow einschließlich der Kopie des Adelsbriefes, in: UBG 544 VP, Bd. 25, vgl. auch Lange: Vitae Pomeranorum, S. 205–207. 600 Vgl. Leichenpredigt für Nicolaus Maskow in: UBG 544 VP, Bd. 25. In den Matrikeln der Universität lässt sich allerdings keine Eintrag zur Immatrikulation Nicolaus Maskows finden, vgl. Friedländer: Matrikel, Bd. 1 S. 255–256, allerdings fehlt die Matrikel für das Jahr 1559. 601 Vgl. Friedländer: Matrikel, Bd. 1, S. 264.

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1. Akademische Finanzadministration

ten am Hofgericht in Wolgast ernannt.602 1572 erhob Herzog Ernst Ludwig von Pommern-Wolgast den Juristen Nicolaus Maskow schließlich zum fürstlichen Berater und Procurator fisci.603 Aus seiner Leichenpredigt geht naturgemäß nicht hervor, dass die Professoren mit Maskows Arbeit keineswegs zufrieden waren. Im Februar 1573 war eine Delegation von ihnen beim Herzog vorstellig geworden, um ihm persönlich von der schlechten Finanzverwaltung ihres Procurators zu berichten. Insbesondere das Eintreiben der Erträge wurde für „gantz nachlessig Vnnd vnfleissig“ befunden. Die offenen Forderungen der Universität habe ihr Procurator in keinem Jahr „vollenkhomlich eingemanet vnnd zue register gebracht“. Die Rechnungen seien darüber hinaus weder ordentlich geführt noch regelmäßig vorgelegt worden. Der Universität sei aus Maskows ungenügender Amtsführung ökonomischer Schaden entstanden. Herzog Ernst Ludwig bestätigte diese Vorwürfe und ermahnte den Procurator in diesem Zuge zu zuverlässigerem Eintreiben der Rückstände und zu einer besseren Registerführung.604 Allerdings hatte Maskow zu diesem Zeitpunkt den Herzog bereits um seine Entlassung aus dem Universitätsamt gebeten, u.a. seiner „anderer geschefte vnnd sseiner stadtlichenn procuratur halbenn“. Maskow bekleidete demnach zu viele Ämter, so dass er zumindest sein universitäres Amt nicht ausreichend ausführen konnte. Der Herzog gewährte Maskows Bitte um Amtsentlassung allerdings erst zum Ende des laufenden Rechnungsjahres (zu Michaelis), um eine geordnete Amtsübergabe zu garantieren.605 Nicolaus Maskow quittierte also im September 1573 seine Dienste bei der Universität, blieb aber weiterhin im fürstlichen Dienst und in gutem Kontakt zum Herzog. Am 26. September übertrug Letzterer „dem Ehrbaren, unserm HofgerichtsFiscali, und lieben getreuen, Niclas Maskowen“ sogar das ehemalige Collegium Juristiarum Minus in Greifswald (heute Lange Straße 53).606 Von zunehmender sozialer Bedeutung und Einflussnahme Nicolaus Maskows und seiner Familie zeugen auch die Lebensläufe seiner Kinder und Enkel in Greifswald und an der Universität. Seine beiden Söhne studierten ebenfalls dort; der älteste, Caspar Maskow, führte zeitweise das Universitätsnotariat, der zweitgeborene Georg Maskow trat 1609 die außerordentliche Professur an der Theologischen Fakultät an.607 Hatte Georg Mas602 „[...] in promotione trium Magistrorum Philosophiae, Baccalaureatus artium gradu [...]. Mox ab Universitate nostra ad officium Notariatus & Procuraturae vocatus est.“ so in der Leichenpredigt für Nicolaus Maskow, in: UBG 544 VP, Bd. 25. 603 „[...] eum de consilio Consiliariorum, Advocatum et Procuratorem fisci Anno 1572 designarit.“, in: Ebd. 604 Vgl. Memorial Herzog Ernst Ludwigs über die Anhörung am 20. Februar 1573, in: UAG, Altes Rektorat St. 198, fol. 1r–2v. 605 Vgl. ebd. fol. 3r. 606 Aus dieser Schenkung entwickelte sich ein Rechtsstreit zwischen Nicolaus Maskow und den Professoren, die ihm vorwarfen sich nicht an die Schenkungs-Bedingungen zu halten, vgl. dazu Balthasar: Akademische Gebäude, S. 17 und Schönrock: Greifswalder Universitätsbauten, S. 16. 607 Kosegarten: Universität Greifswald, S. 231–232 und Leichenpredigt für Nicolaus Maskow, in: UBG 544 VP, Bd. 25.

1.4. Die akademischen Vermögensverwalter

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kow bei seiner Immatrikulation noch einen halben Gulden gezahlt608, so blieb dessen Sohn, der wie sein Großvater Nicolaus hieß, 1633 bereits von der Immatrikulationsgebühr befreit.609 Nicolaus, der Sohn des Extraordinarius theologiae, wurde 1659 zum außerordentlichen Professor für Griechische und Hebräische Sprache in Greifswald.610 Die beiden Töchter des Advokaten und Procurators Nicolaus Maskow heirateten in ebenfalls angesehene und einflussreiche Familien der Stadt ein611: Emerentia Maskow ehelichte den Rats- und Kammerherrn Caspar Bunsow und Margareta Maskow heiratete Johannes Ribow, den Sohn des Ratsherrn Lorenz Ribow612 und Bruder von Martin und Christoph Ribow, die einige Jahre später das akademische Notariat von der Procuratur trennten.613 Nicolaus Maskow kam als auswärtiger Student nach Greifswald und pflegte vor Ort keine auffälligen Beziehungen zu einer der Professorenfamilien. Im Umkreis des Wolgaster Hofes war er dagegen durchaus vernetzt. Der Werdegang Maskows verdeutlicht in gewisser Weise biografisch, dass die Universitätsprocuratur das Amt eines fürstlichen und nicht eines akademischen Beamten war. Die Universitätsadministration hatte Maskow in gewisser Weise eine Möglichkeit zur praktischen Ausbildung für größere Aufgaben geboten, blieb für ihn aber nur eine relativ kurze Station seiner administrativen Tätigkeiten im Dienste des Herzogs.614 6. Bernhard Scharffenberg 1573–1578 Die Professoren waren mit der Amtsführung Maskows offenbar so unzufrieden gewesen, dass sie knapp zwei Jahre bevor sie aus diesem Grund beim Herzog vorstellig wurden, einen Bernhard Scharffenberg aus Brandenburg entweder als zweiten Procurator oder aber bereits für die Finanzadministration des überforderten Mas-

608 Vgl. Friedländer: Matrikel, Bd. 1, S. 362 und Kosegarten: Universität Greifswald, S. 268. 609 Am 25. Januar 1633: „Nicolaus Maschovius, Grypsswaldensis, domini d. Georgii filius – gratis“ So in der Matrikel von 1632–1633 in: Friedländer: Matrikel, Bd. 1, S. 527. 610 Friedländer: Matrikel, Bd. 1, S. 527 und Friedländer: Matrikel, Bd. 2, S. 85, vgl. auch Stammtafel der Familie Maskow einschließlich der Kopie des Adelsbriefes, in: UBG 544 VP, Bd. 25, fol. 4–14. 611 Weiteres zur Familie Maskow und die Leichenpredigt für Nicolaus Maskow, in: UBG 544 VP, Bd. 25. Die Leichpredigt für Margarete Ribow, geb. Maskow in: UBG 544 VP 9. 612 Der Schwiegervater von Margareta Maskow und Vater von Johannes Ribow, der Ratsherr Lorenz Ribow hatte mit der adligen Katharina Süminge insgesamt drei Söhne und zwei Töchter. Zu Johannes Ribows Herkunft vgl. auch Roth: Leichenpredigten, Bd. 5, R 4147, S. 91. 613 Vgl. Kapitel 1.4.2.b. Aufgaben der akademischen Vermögensverwaltung sowie unten: 8. Martin Ribow ab S. 153. 614 Eine akademische Karriere über die genannten Grade hinaus machte er nicht. Er erlangte nicht den Grad des Doktors, wie es fälschlicherweise bei Friedländer: Matrikel, Bd. 1, S. 329 angegeben wird. Aus dem Original (UAG, Handschriften, Matrikel Bd. 1, fol. 144v) wird ersichtlich, dass das „D.“ vor Maskows Namen in diesem Fall für Dominus und nicht für Doctoris steht.

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1. Akademische Finanzadministration

kows anwiesen.615 Die Wahl des Konzils erfuhr aber erst am 1. August 1573, kurz vor der tatsächlichen Amtsübergabe, ihre fürstliche Bestätigung.616 Wie sein Amtsvorgänger erhielt auch Scharffenberg während seiner fünf Jahre währenden Amtszeit ein Gehalt von jährlich 60 Mark: 30 Mark als Procurator und 30 Mark als Notarius.617 Und wie bei seinem Amtsvorgänger wies die Universitätskasse auch beim Amtsaustritt Scharffenbergs einige Nachstände auf. 7. Joachim Brunnemann 1578–1588 Als Joachim Brunnemann die Geschäfte von Scharffenberg übernahm, stand daher auch die Frage nach der Haftung für die Rückstände (Schulden und vor allem offene Forderungen) im Universitätshaushalt im Vordergrund. Nachdem Brunnemann sich in seine neuen Pflichten und die Amtsschriften seines Vorgängers eingearbeitet hatte, stellte er dem Rektor gegenüber eben diese Haftungsverantwortung für die Nachstände des Amtsvorgängers deutlich in Frage.618 Zwei Jahre nachdem Scharffenberg seinen Dienst als Procurator quittiert hatte, waren seine Register zwar vom Herzog aber noch nicht von der Universität geprüft und somit auch weder eine Schuldenabrechnung erstellt, noch die Haftungsverantwortung endgültig geklärt worden. Sowohl Scharffenberg als auch Brunnemann wurden in ihrem Mahnen dazu bald schon vom Herzog unterstützt.619 Herzog Ernst Ludwig soll in seiner Funktion als Universitätskanzler dabei der Ansicht gewesen sein, dass „die procuratorn [...] für den nahstand so bei ihren Zeiten geworden, haften, und denselbigen erleggen.“620 Zu einer Entscheidung darüber, ob die Nachstände dem scheidenden Procurator persönlich oder dem Amt und somit dem neuen Procurator anzulasten wären, scheint es aber auch weiterhin nicht gekommen zu sein. Der von persönlichen Schicksalsschlägen gebeutelte621 Joachim Brunnemann übernahm mit dreißig Jahren im Jahr 1578 das Amt des Procurators der Universität. Seit 1563 soll er Student in Greifswald gewesen sein.622 Wie bereits das eine Schrei-

615 Immatrikulation Berhard Scharffenbergs aus Brandenburg, „quia ei iam assignatum erat munus procuratoris in hac universitate“ am 14. Mai 1571, in: Friedländer: Matrikel, Bd. 1, S. 303. 616 Vgl. Friedländer: Matrikel, Bd. 1, S. 312, sowie die herzogliche Bestätigung der Wahl des neuen Procurators und Notarius vom 1. August 1573, in: UAG, Altes Rektorat St. 198, fol. 5r. 617 Vgl. UAG, Kurator St 869–873, Procuraturregister von 1573–1574 bis 1577–1578. 618 Vgl. undatiertes Schreiben Brunnemanns an den Rektor, in: UAG, Altes Rektorat St. 198, fol. 7r–8v. 619 Vgl. dazu diesbezügliche Korrespondenz zwischen Januar 1580 und Juni 1581, in: UAG, Altes Rektorat R 1512, fol. 19r–34v. 620 So beschreibt es Brunnemann in seinem undatierten Schreiben an den Rektor in: UAG, Altes Rektorat St. 198, fol. 7r. 621 So in der Leichenpredigt für Brunnemann (gest. 1603), in: UBG 544 VP 4–236. 622 In der Matrikel lässt er sich allerdings nicht finden, vgl. Friedländer: Matrikel, Bd. 1, S. 277– 281.

1.4. Die akademischen Vermögensverwalter

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ben, das Brunnemann nach Amtsantritt an den Rektor verfasst hatte623, vermuten lässt, war der neue Finanzverwalter ausgesprochen fleißig und korrekt624, weshalb die Wahl für einen neuen Procurator auch auf ihn gefallen sein soll. Zehn Jahre lang führte er dieses Amt625 zur vollsten Zufriedenheit sowohl der Professoren als auch des Herzogs aus, bis er 1588 in den Greifswalder Stadtrat gewählt wurde. Nur wenig später wurde er sogar zum Bürgermeister gewählt und blieb bis zu seinem Tod im Jahr 1603 ein zuverlässiger Verwalter der Stadtangelegenheiten.626 8. Martin Ribow 1588–1612 Martin Ribow (1561–1612) war der zweite Sohn des Ratsherrn Lorenz Ribow, jüngerer Bruder Johann Ribows und Schwager Magareta Maskows, der Tochter des ehemaligen Universitätsprocurators Nicolaus Maskows.627 Martin Ribow ist im Jahr 1578 mit 17 Jahren in Greifswald immatrikuliert628 worden und schlug den Weg eines Rechtsstudiums ein. 1585 übernahm er zunächst das mit nach wie vor mit 30 Mark vergütete Notariat der Universität und des Konsistoriums629 von Daniel Runge630 und als der amtierende Procurator Brunnemann wegen seiner Wahl in den Magistrat 1588 aus dem Universitätsamt ausschied, trat Ribow auch diese Stelle an. Die Procuratur und das Notariat blieben ca. fünf Jahre unter Ribow verbunden631, bis letzteres seinem jüngeren Bruder Christoph übertragen wurde.632 Christoph hatte 1584 mit 19 Jahren sein Studium in Greifswald aufgenommen633, welches ihn vorübergehend auch an die Juristischen Fakultäten in Wittenberg und Jena führte.634 Zurück in Greifswald übernahm er schließlich im Jahr 1593 die beiden universitären Notariatsämter (academico et ecclesiastico) von seinem Bruder

623 Vgl. das undatierte Schreiben Brunnemanns an den Rektor, in: UAG, Altes Rektorat St. 198, fol. 7r–8v. 624 Vgl. auch angehängte Abrechnungen und Quittungen in seinem ersten Procuraturregister von 1578–1579, UAG Kurator St. 874. 625 Brunnemann koppelte allerdings die Procuratur vom Notariat ab. Die Ausgabenposten für den Procuratorenlohn geben preis, dass andere das Gehalt für das Sekretariat von Universität und Konsistorium erhalten haben, vgl. UAG, Kurator St. 874, Procuraturregister von 1578–1588. 626 Vgl. Leichenpredigt für Joachim Brunnemann (gest. 1603), in: UBG 544 VP 4–236. 627 Vgl. oben 5. Nicolaus Maskow. 628 Martin Ribow „Gryphiswaldensis“, in: Friedländer: Matrikel, Bd. 1, S. 315. 629 Friedländer: Matrikel, Bd. 1, S. 354. 630 Vgl. UAG, Kurator St. 879, Procuraturregister von 1584–1585, fol. 21v. 631 Im seinem ersten Procuraturregister quittierte Martin Ribow, dass er nun erstmals sowohl den Notars-, als auch den Procuratorenlohn erhalten habe: „Das [gesamte] Geldt habe ich Martinus Ribow entfangen.“ UAG, Kurator St. 885, Procuraturregister von 1588–1589, fol. 22v. 632 Ab dem Rechnungsjahr 1593–1594 erhielt Christoph Ribow die 30 Mark „wegen des Notariats“, UAG, Kurator St 887, Procuraturregister von 1593–1594, fol. 47v. 633 Friedländer: Matrikel, Bd. 1, S. 328. 634 Vgl. Leichenpredigt für Christoph Ribow (gest. 1629) von Fridericus Gerschow, in: UBG 544 VP 32.

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1. Akademische Finanzadministration

und führte diese insgesamt 33 Jahre lang. Christoph Ribow kündigte vermutlich aus Altersgründen, weshalb das Konzil im September 1626 Michael Knuth zu seinem Nachfolger wählte.635 Die beiden Zuständigkeitsbereiche Universitätsfinanzen und Rechtsschriften der Universität sind seitdem nicht wieder vereint worden.636 Martin Ribow bekleidete das Amt des Universitätsprocurators 24 Jahre lang, vermutlich ausschließlich. Er war der erste Procurator, der mit dem Tod aus dem Amt trat. Offensichtlich waren also beide beteiligte Parteien (Universität und Fürst) mit seiner Arbeit weithin zufrieden. Seinen Zeitgenossen blieb er nach seinem Tod als ausgesprochen engagierter Finanzverwalter, insbesondere im Zusammenhang mit der Errichtung des Kollegiengebäudes, in Erinnerung. Herzog Ernst Ludwig von Pommern-Wolgast hatte den Bau des später daher Ernst-Ludwig-Kollegium genannten Hauptgebäudes der Universität in Auftrag gegeben und war als Bauherr wichtiger Entscheidungsträger und Finanzier gewesen.637 Mit dem Tod des Herzogs im Juni 1592 brach dem großen Bauvorhaben plötzlich die ökonomische Basis weg.638 Offenbar ist es zu einem großen Teil Martin Ribows Einsatz und umsichtiger Finanzverwaltung zu verdanken, dass mit Hilfe der Professoren dennoch genug Gelder akquiriert werden konnten, um den Bau Anfang des 17. Jahrhunderts dennoch erfolgreich zu beenden.639 9. David Reckling 1613–1620 Am 27. März 1613 wählten die Universitätsvertreter den bereits betagten David Reckling zu ihrem neuen Procurator.640 Auch er war einst Student der Universität gewesen641. Über seinen weiteren Lebenslauf ist allerdings nichts bekannt. Die Procuratur übernahm er im stolzen Alter von 74 Jahren und führte sie vermutlich sieben Jahre lang.642 Während seiner Amtszeit verschlechterten sich die ökonomischen

635 Vgl. Friedländer: Matrikel, Bd. 1, S. 480, 485, 490 sowie unten 13. Michael Knuth. Vgl. auch „Christoph Ribow“ in: UAG, Kurator St 912, Procuraturregister von 1625–1626, pag. 16 und „Sectretarius Michael Knaut“ in: UAG, Kurator St 913, Procuraturregister von 1626–1627, pag. 16. 636 Dafür ist aber nach 1646 (bis 1775) das Amtsnotariat fest mit der Procuratur verbunden worden. Vgl. Kapitel 1.4.2.b. Aufgaben der akademischen Vermögensverwaltung ab S. 142. 637 Vgl. dazu Kapitel 3.1.2.d. Zentralbau: Kollegiengebäude ab S. 271. 638 Zum Bau und zur Architektur des Kollegiengebäudes vgl. auch Fait: Greifswalder Universitätsbau, S. 158–161. 639 Vgl. das Leichenprogramm für Martin Ribow (gest. 1612) in: UBG 544 VP 32. 640 Vgl. Friedländer: Matrikel, Bd. 1, S. 414. 641 Vielleicht handelte es sich bei dem Procurator David Reckling um den am 21. November 1569 immatrikulierten „David Rekelingus, Cyserensis,“ der wegen Armut nur die Hälfte der Immatrikulationsgebühr leisten musste. Wenn es sich hier tatsächlich um die gleiche Person handelt, so wäre Reckling zum Zeitpunkt seiner Immatrikulation bereits 30 Jahre alt gewesen, vgl. Friedländer: Matrikel, Bd. 1, S. 297. 642 Die Procuraturregister seiner Amtszeit sind von verschiedenen Händen geführt worden, wahrscheinlich ließ Reckling sie von einem oder unterschiedlichen Schreibern anfertigen.

1.4. Die akademischen Vermögensverwalter

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Verhältnisse der Universität sowie der gesamten Region deutlich. Die Erträge aus dem Amt Eldena nahmen in diesem Zeitraum immer weiter ab, sodass die Lohnrückstände der Professoren und die Verschuldung der Universität dementsprechend anstiegen.643 Als die Revenuen aus Eldena im Jahr 1621 schließlich vollständig versiegten, hatte David Reckling sein Amt bereits gekündigt.644 10. Georg Bachmann 1621–1628 Im Jahr 1621 einigten sich Universität und Herzog als Nachfolger David Recklings645 auf den Greifswalder Bürger Georg Bachmann, der zum neuen Rechnungsjahr 1621–1622 seinen Dienst antrat.646 Noch während der neue Konfessionskrieg in Form von kaiserlichen Truppen in das Herzogtum Pommern eingefallen, zwischenzeitlich auch Greifswald besetzt worden und eine Pestepidemie ausgebrochen war, gab Georg Bachmann sein Amt als Procurator einer mittlerweile wirtschaftlich handlungsunfähigen Universität irgendwann zwischen 1628 und 1629 schließlich auf. 11. Heinrich Rose 1629–1631 Wann genau Bachmann kündigte, ist nicht bekannt. Es ist aber davon auszugehen, dass es zu einer längeren Vakanz kam, da es zu dieser Zeit schwierig gewesen sein dürfte einen Nachfolger, geschweige denn einen geeigneten, zu finden. Dementsprechend unkompliziert fiel auch das Einstellungsprozedere im Fall eines geeigneten Kandidaten aus: Am 8. September 1629 empfahl sich der 42jährige Heinrich Rose dem Rektor und dem Konzil selbst für das vakante Amt in Form eines regelrechten Bewerbungsschreibens.647 Am Tag darauf wurde Rose zum neuen Procurator erklärt. Auf den Umstand, dass die fürstliche Bestätigung der ProcuratorenWahl ausblieb, ist offenbar schon keine Rücksicht mehr genommen worden.648 Heinrich Rose entstammte einer Bürgerfamilie aus Greifswald, wo er auch die Stadtschule besucht hatte. Mit 19 Jahren wurde er an das Stettiner Paedagogium gesandt und erhielt dort zunächst das „beneficium communis Mensae“ und später

643 Vgl. auch Kapitel 1.2.2. Vorboten des Dreißigjährigen Krieges und Wirtschaftskrise (1610er– 1630er) ab S. 29. 644 Vgl. Recklings Kündigungsschreiben vom 15. August 1620, in: UAG, Altes Rektorat St. 198, fol. 27r–27v. 645 Vgl. Friedländer: Matrikel, Bd. 1, S. 446. 646 Für das Rechnungsjahr 1620–1621 erhielt David Reckling noch die gesamten 30 Mark für die Procuratur, vgl. UAG, Kurator St. 908, Procuraturregister von 1620–1621, fol. 8r. Das Register des folgenden Rechnungsjahres ist nicht überliefert. 647 Vgl. das Bewerbungsschreiben Heinrich Roses in: UAG, Altes Rektorat St. 198, fol. 30r–31r. Die Bestallung Heinrich Roses ist nicht überliefert. 648 Vgl. Friedländer: Matrikel, Bd. 1, S. 501.

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1. Akademische Finanzadministration

ein „Hospitium“ bei einem Kaufmann, d.h. dass er während seiner Studienzeit am Paedagogium bei diesem Kaufmann wohnte und im Gegenzug dessen Kinder unterrichtete. Anschließend arbeitete er als Lehrer drei Jahre lang in Lauenburg. Am 28. Juli 1614 habe er in Greifswald „seine studia fortgesetzet.“649 Es folgten Aufenthalte an den Universitäten in Rostock und Königsberg. 1621 kehrte er endgültig nach Greifswald zurück, heiratete er Catharina Marckward, die Tochter eines Advokaten am Hofgericht, gründete eine Familie und bot sich 1629 schließlich als „Universitet Structuarius“ an. Seine Frau starb 1630 an der Pest und ließ Heinrich mit drei Kindern zurück.650 Rose quittierte offenbar unmittelbar darauf die Procuratur bei der Universität.651 Erst ein Jahr später nahm er eine Anstellung als Gerichtssekretär an und wurde nach acht Jahren außerdem Provisor von St. Nikolai. Im Gegensatz zur Procuratur blieb Heinrich Rose ausgesprochen lange in seinen Anstellungen als Gerichtssekretär und Kirchenverwalter und legte damit nicht zuletzt den Grundstein für den sozialen und ökonomischen Aufstieg seiner Kinder: Seine älteste Tochter Magdalena heiratete beispielsweise einen angesehenen Greifswalder Gewürzhändler, sein jüngster Sohn Christian arbeitete bei einem eben solchen in Hamburg und sein zweitgeborener Sohn Johannes reiste jahrelang mit „einem Italienischen Grafen von Leyden“ durch Mitteleuropa.652 Heinrich Rose führte die akademische Finanzverwaltung höchstens zwei Jahre lang. Aus Roses kurzer Amtszeit ist, wie auch aus der seines Nachfolgers Georg Pauli, keine einzige Jahresrechnung überliefert. [12. Joachim Völschow 1632–1633] 1632 fasste Herzog Bogislaw XIV. auf Anraten der Landstände den Entschluss das Amt Eldena in den Besitz der Universität zu übertragen653, um endgültig das Auskommen der Hohen Schule zu garantieren, bzw. sich selbst von dieser finanziellen Belastung zu befreien. Es ist daher anzunehmen, dass während dieser Zeit des Ab649 So im der Lebensbeschreibung im Leichenprogramm für Heinrich Rose (gest. 1657), in: UBG 544 VP 97. In der Matrikel steht Roses Name weder an diesem, noch an den folgenden Tagen oder Monaten. Allerdings ist an besagtem 28. Juli 1614 der spätere Professor Joachim Völschow eingeschrieben worden, der nach Roses Kündigung die Procuratur kommissarisch übernahm. vgl. Friedländer: Matrikel, Bd. 1, S. 418. 650 Vgl. Leichenprogramm für Heinrich Rose (gest. 1657), in: UBG 544 VP 97. 651 In seinem Bewerbungsschreiben vom 31. Oktober 1630 zeigte Georg Pauli, dass er bereits davon wusste, dass Heinrich Rose seinen Dienst quittiert hatte, vgl. UAG, Altes Rektorat St. 198, fol. 34r–v. 652 In der Lebensbeschreibung im Leichenprogramm für Heinrich Rose (gest. 1657), in: UBG 544 VP 97. 653 Vgl. Alvermann/ Spieß (Hgg.): Quellen zur Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 418, Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 243, Asmus: Gutsherrin, S. 67, UAG, Altes Rektorat, St. 2–3 sowie Kapitel 1.2.3. Schenkung des Amtes Eldena und Begründung der Eigenwirtschaft (1634) ab S. 31.

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wartens und Verhandelns vorläufig noch kein neuer Procurator eingestellt wurde, um eventuell neue Konditionen für dieses Amt abzuwarten. Dies würde zumindest erklären warum das Konzil im Jahr 1632 mit Joachim Völschow654 ausnahmsweise einen aus den eigenen Reihen mit der Procuratur beauftragte655 und ebenfalls, dass das Amt nach dem Vollzug der Schenkung im Jahr 1634 schließlich wieder mit einem eigentlichen Finanzverwalter besetzt wurde. Der neue Procurator war, wie auch seine Amtsnachfolger, kein fürstlicher Beamter mehr, sondern fortan ausschließlich dem Rektor und Konzil verpflichtet.

b) Die akademischen Procuratoren 13. Georg Pauli 1634–1642 Der seit 1625 in Greifswald immatrikulierte Georg Pauli aus Treptow656 hatte sich bereits im Oktober 1630 beim Rektor als Procurator beworben, nachdem er erfahren hatte, dass der […] Universitet gewesener Procurator Dn. Hinricus Rose abzudancken vermeinet, Inmittels aber die lobliche Universitet ohn procuratore zu verbleiben nicht vermeinet sein soll.657

Zum einen führte aber Heinrich Rose die Geschäfte noch einige Zeit weiter und zum anderen schien es die löbliche Universität zunächst vorzuziehen, ohne Procurator zu verbleiben, und übertrug die Amtsgeschäfte vorläufig dem Ordinarius Joachim Völschow. Sobald die Universität aber im Jahr 1634 mit dem Amt Eldena als eigenem Vermögen ausgestattet worden war, besetzte sie auch die Procuratur wieder; mit Georg Pauli.658 Pauli führte zumindest Journale659, regelrechte Procuraturregister sind aus seiner Amtszeit allerdings nicht überliefert. Weil im Laufe der 1630er und frühen 1640er Jahre kaum noch Erträge in die Universitätskasse flossen und daher so gut wie keine Ausgaben mehr getätigt werden konnten, stellte der Rektor (nicht mehr der Herzog) dem ersten akademischen Procurator Georg Pauli daher eine Generalvollmacht zur Verfolgung und Bestrafung säumiger Schuldner der Universität

654 „Procuratorem tamen accepit universitas dnm. Joachim Volschovium [...].“ Joachim Völschow war zur gleichen Zeit „oratoriae professor ordinarius“, Friedländer: Matrikel, Bd. 1, S. 525– 526. 655 Vgl. Friedländer: Matrikel, Bd. 1, S. 526. 656 „Georgius Pauli, Treptoa-Pomeranus“ wurde am 11. Oktober 1625 immatrikuliert, Friedländer: Matrikel, Bd.1, S. 473. 657 Bewerbungsschreiben Georg Paulis vom 31. Oktober 1631, in: UAG, Altes Rektorat St. 198, fol. 34r–34v. 658 „Georgius Paulinus, procurator academiae“, in: Friedländer: Matrikel, Bd. 1, S. 540 659 Vgl. Art Memoriale von Georg Pauli aus dem Jahr 1636, in: UAG, Universitätsgericht UG 395, fol. 50r–54v.

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1. Akademische Finanzadministration

aus.660 Insgesamt acht Jahre lang führte er die akademische Finanzverwaltung unter denkbar schlechten Bedingungen. 14. Michael Grass 1642–1646 Von 1642 bis 1646 – bis der erste schwedische Visitationsrezess die akademische Finanzverwaltung neu aufzustellen versuchte – führte Michael Grass die Procuratur der Universität Greifswald und offensichtlich auch wieder regelrechte Jahresrechnungsbücher. Der aus Rostock stammende Grass hatte sein Studium in Greifswald im Juli 1628 angetreten.661 Über seine Tätigkeit in der Zwischenzeit ist nichts bekannt. Nach seinem vierjährigen Dienst bei der Universität führte ihn sein Weg aber nach Wolgast, wo er die Pflichten eines herzoglichen Advokaten, Procurators und Sekretarius wahrnahm und Mitglied des Stadtrates wurde.662 15. Michael Knuth 1646–1669 Am 19. September 1646 erließ die schwedische Regierung ihren ersten Visitationsrezess für die Universität, der vor allem die ökonomische Grundlage und die Finanzadministration der Hohen Schule stabilisieren sollte.663 Keinen Monat darauf wählte das Konzil einen neuen Procurator, der für die alltägliche und die buchhalterische Umsetzung der neuen Wirtschaftsvorgaben zuständig sein würde. Die Professoren vertrauten dieses Amt einem zu diesem Zeitpunkt bereits langgedienten Universitätsbeamten an: Michael Knuth. Er war am 5. Januar 1600 als Sohn des Greifswalder Stadtrats Werner Canutus und der Elisabeth Schlichtkrull geboren664 und hatte Schulen in Greifswald, Wismar und Parchim besucht bevor er mit 21 Jahren von seiner Mutter zum Studieren an die Universität in Rostock geschickt wurde. Dort widmete er sich der Rechtslehre; knüpfte währenddessen aber auch Kontakte zur Juristischen Fakultät in Greifswald. Spätestens 1626 kehrte er endgültig nach Greifswald zurück, als er Elisabeth Battus, die Tochter des Greifswalder Theologen

660 „Weil aber der Universität Aerarium fast erschöpfet und man bey diesen annoch anhaltenden geschwinden leufften, ander keinen rhatt weiß, als das der Universität Debitoren mit allem Fleiße executiret werden.“ Schreiben des Rektors vom 19. Januar 1636, in: UAG, Altes Rektorat R 1513, fol. 101r–v und UAG, Altes Rektorat St. 198, fol. 15r–v. 661 Am 18. Juli 1628 wurde „Michael Grassus, Rostochiensis Megapolitanus“ immatrikuliert, in: Friedländer: Matrikel, Bd. 1, S. 499. 662 “Michaelis Grassi, citerioris Pomearniae Advocati & Procuratoris ordinarii, ut & Civitatis Wolgastanae Senatoris & Secretarii fidelissimi [...].” So im Leichenprogramm der Agnes Casper (gest. 1651), in: UBG 544 VP 6–280. 663 Vgl. auch Kapitel 1.2.4. Schwedische Reorganisationsbemühungen (1634–1668) ab S. 33. 664 Zu seinem Leben vgl. die Leichenpredigt für Michael Knuth (gest. 1671), in: UBG 544 VP 6– 278.

1.4. Die akademischen Vermögensverwalter

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Bartholomäus Battus, heiratete und außerdem im gleichen Jahr die Nachfolge Christoph Ribows als Universitäts- und Konsistorialsekretär antrat.665 Als das Amt Eldena in den Besitz der Universität übergegangen war und deren Vermögen beträchtlich erweitert hatte, beauftragten die Professoren ihren Secretarius Michael Knuth zusätzlich mit dem Eldenaer Amtsnotariat666; nicht zuletzt ein Zeichen des Vertrauens in seine Zuverlässigkeit. Tatsächlich erwies sich Knuth als gewissenhafter und fleißiger Amtsnotar, der nachweislich zumindest die Arbeit des Amtsschreibers, der die Amtsrechnungen erstellte, akribisch kontrollierte und kritisierte.667 Michael Knuth dürfte einen großen Anteil am Aufbau der administrativen Strukturen im Amt nach 1634 gehabt haben. Als Knuth am 6. Oktober 1646 zum „structuarius et procurator universitatis“ ernannt wurde, hatte er sich also bereits lange Jahre in teilweise schwierigen Ämtern bewährt. Seine Pflichten als Universitätssekretär (sowie Sekretär des Konsistoriums und der Juristischen Fakultät) gab er bei Amtsantritt der Procuratur an Jacob Christianus ab.668 Das Amtsnotariat dagegen blieb weiterhin in seiner Verantwortung und fortan fester Bestandteil der Procuratur.669 Als Structuarius bzw. Procurator und Amtsnotar erhielt Michael Knuth nun jährlich 50 Gulden und somit 20 Gulden mehr als seine Amtsvorgänger.670 Am Ende seiner Amtszeit betrug sein Jahreslohn bereits 160 Gulden671, während die Professorengehälter weiterhin nicht voll ausgezahlt wurden.672 In seiner Amtszeit gelang es Knuth vor allem die finanzplanerischen Ansprüche der schwedischen Regierung zumindest innerhalb seiner Buchhaltung umzusetzen, indem er neben den traditionellen Jahresrechnungen der Procuraturregister, jährlich mindestens ein zusätzliches Rechnungsbuch führte. Die neuen Rechnungen gliederte er zunächst nach den im Rezess gesetzten Etatvorgaben. Im weiteren Verlauf seiner Amtszeit experimentierte Knuth aber auch weiter, um seine Buchhaltung sowohl an die herrschaftlichen Kontrollvorgaben als auch an die klägliche Wirtschaftsrealität anzupassen.

665 Für diese Anstellung war er bereits im Jahr zuvor „ad probam“ angenommen worden, vgl. Friedländer: Matrikel, Bd. 1, S. 480 und 490. 666 Vgl. Schreiben des Konzils vom 9. April 1634, in: UAG, Altes Rektorat St. 198, fol. 36r–36v. 667 Vgl. „Defecte, so in Martin Kempen Rationibus gefunden“ und weitere „Defecte“ in den Amtsregistern von 1634–1638, in: UAG, Kurator K 5741, fol. 87r–132v und fol. 190r–207v. 668 Vgl. Friedländer: Matrikel, Bd. 1, S. 635. 669 Vgl. auch Kapitel 1.4.2.b. Aufgaben der akademischen Vermögensverwaltung ab S. 142. 670 Vgl. UAG, Kurator St 1074, Procuraturregister von 1646–1647, o. fol. Zu dem Gehalt von 50 Gulden erhielt der Procurator wie schon im 16. Jahrhunderts auch weiterhin ein Dromt Roggen aus Eldena, vgl. dazu sowie allgemein zur Entwicklung der Procuratorengehälter Kapitel 2.1.4.d. Procurator, S. 196. 671 Vgl. UAG, Kurator St. 975 und 977, Procuraturregister von 1667–1668, fol. 46v und 1668– 1669, fol. 29v. 672 Vgl. dazu sowie für das Folgende Kapitel 2.3.1.b. Phasen der Professorenbesoldung ab S. 227 sowie Kapitel 2.3.3.c. Besoldung der Bediensteten, Procurator und Secretarius im Vergleich ab S. 251.

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Knuth selbst litt, zumindest während seiner letzten Jahre, zunehmend unter seinen schlechten Augen. Zwischenzeitlich stand es um seine Sehkraft so schlecht, dass er sich in seinen Verwaltungsaufgaben vertreten ließ.673 Am 10. Januar 1665 dankte er dem Rektor für das Verständnis und die Unterstützung durch die Professorenschaft „in jüngster meiner Schwachheit“ und kündigte an, dass er beabsichtige den Dienst zu quittieren.674 Nachdem auf seine zunehmende Erblindung dann auch noch ein Schlaganfall folgte, gab er im Jahr 1669 seine Universitätsämter ab und verstarb zwei Jahre darauf.675 16. Moevius Völschow 1669–1707 1669 wählte das Konzil den 28 jährigen Moevius Völschow zum neuen Procurator und damit nicht nur den Spross einer in Stadt und Universität etablierten Familie, sondern außerdem einen in besonderem Maße für dieses Amt talentierten Mann. Geboren und getauft in Demmin im Jahr 1641, verlor er schon früh seinen Vater, den Generalsuperintendenten und ersten Theologen in Greifswald Moevius Völschow.676 Seine Mutter, Elisabeth von Krakevitz, heiratete daraufhin den Bürgermeister von Anklam, weshalb Moevius auch in Anklam zur Schule ging, wo er bereits mit seinem außergewöhnlichen Verstand und durch hervorragende Leistungen aufgefallen sein soll.677 Elisabeth starb 1656 ebenfalls, woraufhin der mittlerweile fünfzehnjährige Moevius von ihrer Schwester in Stralsund in Obhut genommen wurde. Moevius Tante war mit Baltahsar Rhaw, dem dortigen Superintendenten verheiratet. Zwei Jahre später starb nun auch sein Onkel Balthasar, woraufhin Moevius erneut das Zuhause wechseln musste. Er blieb aber in Stralsund; bei Joachim Kuse, einem Stralsunder Bürger, obwohl er mit einem Onkel in Greifswald zumindest noch einen direkten männlichen Verwandten hatte: Joachim Völschow, der jüngere Bruder von Moevius I., war dort seit 1627 Professor für Rhetorik678 und hatte u.a. zwischen 1632 und 1634 die Procuratur der Universität geführt (s.o.). 673 Vgl. Leichenpredigt für Michael Knuth (gest. 1671), in: UBG 544 VP 6–278. Zwischen 1656 und 1661 sind die Procuraturregister nicht von Michael Knuth geführt worden, der auch in diesen Jahren deutlich weniger Gehalt bezog (vgl. UAG, Kurator St. 948, 953, 954, 956 und 958). Sein letztes Register fertigte er für das Rechnungsjahr 1666–1667 (UAG, Kurator St. 973) an. 674 Schreiben Michael Knuths an den Rektor vom 10. Januar 1665, in: UAG, Altes Rektorat St. 198, fol. 39r–v. 675 Michael Knuth starb am 24. April 1671, vgl. die Leichenpredigt für Michael Knuth (gest. 1671), in: UBG 544 VP 6–278. 676 Moevius I. Völschow (1588–1650), Professor für Mathematik in Greifswald (1612–1615), Präpositus in Bergen/Rügen (1615–1622), Präpositus in Demmin (1622–1642) und Professor der Theologie und Generalsuperintendent (1642–1650), vgl. Kosegarten: Universität Greifswald, S. 235 sowie Adam: Die Familien Völschow, S. 23. 677 Vgl. auch für das Folgende die Leichenpredigt für Moevius Völschow (gest. 1707), in: SUB DD95 B 28. 678 Vgl. Kosegarten: Universität Greifswald, S. 246, sowie Adam: Die Familien Völschow, S. 23.

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Aber Greifswald war angesichts des herrschenden Krieges offenbar keine Option für den jungen Völschow gewesen. Bald schon musste er auch aus Stralsund fliehen und gelangte nach Lüneburg, wo er seine Studien weiterführen konnte. Nach Kriegsende kehrte er dann nicht mehr nach Stralsund, sondern direkt nach Greifswald zurück und nahm dort das Studium an der Juristischen Fakultät auf.679 Offenbar auch zur Finanzierung seiner Studien nahm er eine Stelle als Hauslehrer an und begleitete seine beiden Schüler auf einer Art Bildungsreise nach Schweden, die ihn auch an den Hof in Stockholm führte. Als er 1667 wieder nach Greifswald zurückkehrte, trat er zunächst für zwei Jahre als Sekretär in die Dienste der Stadt, bevor er vom Konzil der Universität im Jahr 1669 zum neuen Structuarius und Procurator gewählt wurde. Kurz darauf heiratete er Catharina Backmann, die Tochter eines Greifswalder Kaufmanns und gründete mit ihr eine Familie. Drei ihrer vier Kinder überlebten: Der älteste Moevius III. wurde später Advokat am Hofgericht, Georgius studierte ebenfalls an der Juristischen Fakultät in Greifswald680 und Bartholdus wurde Kaufmann. Nach zwanzig Ehejahren starb Catharina. Eine zweite Ehe ging Völschow erst einige Jahre später, im Juli 1696 mit Anna Corswant, Tochter des Stralsunder Ratsherrn Petrus Corswant, ein.681 Zusätzlich zu Procuratur, Stuctuariat und Amtsnotariat übernahm Völschow 1675 außerdem das Sekretariat der Juristischen Fakultät.682 Alleine als akademischer Finanzverwalter hatte er ein ausgesprochen breites Aufgabengebiet und einen hohen Grad an Eigenverantwortung, den er äußerst erfolgreich zu nutzen wusste. Er verfolgte beharrlich den Schuldenabbau und optimierte auch unmittelbar nach Amtsantritt die Buchhaltung indem er erstmals gesamtkorporative Jahresrechnungen einführte, die den Überblick über die Universitätsfinanzen und somit auch die Kontrolle darüber deutlich vereinfachten.683 Dies dürfte mit dazu beigetragen haben, dass innerhalb von knapp 15 Jahren der Haushalt konsolidiert wurde, sodass erstmals seit dem Dreißigjährigen Krieg wieder alle Gehälter voll ausgezahlt werden konnten. Außerdem gelang es Völschow innerhalb von 30 Jahren die hoch verschuldete Universität vollständig von ihrer Schuldenlast zu befreien. Völschow war nicht nur ein umsichtiger Finanzverwalter sondern er vertrat auch die ökonomi679 Immatrikuliert am 3. Mai 1661: „Maevius Volschow, Gryphiswaldensis, ante aliquot annos anscriptus, hoc tempore iuravit nihilque dedit“, Friedländer: Matrikel Bd. 2, S. 88. Gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Daniel war Moevius bereits am 5. Oktober 1649 in Greifswald immatrikuliert worden. Friedländer: Matrikel, Bd. 2, S. 27. 680 Die beiden älteren Söhne sind gemeinsam am 4. Dezember 1686 immatrikuliert worden: „fratret et pueri, dni. Moevii Völschovii universitas procuratoris et structuarii filii ergo gratis.“ Friedländer: Matrikel, Bd. 2, S. 171. 681 Anna Corswandt überlebte ihren Mann sehr lange. Davon zeugt ein an den Rektor vom 5. Juni 1739 gerichtetes Schreiben, worin sie die Universität um eine Lieferung Feuerholz bat, da sie selbst alt und kränklich sei und nicht mehr aus dem Haus komme. Ihre Bitte ist im Konzil einstimmig gewährt worden, vgl. UAG, Altes Rektorat R 531, fol. 14r–v. 682 Völschow folgte hier Jacob Christiani im Amt. Das Universitäts- und Konsistorialnotariat übernahm Martin Droysen von Christiani, vgl. Friedländer: Matrikel, Bd. 2, S. 147. 683 Vgl. dazu auch Kapitel 1.3.2.c. Aufbau und Merkmale der Procuraturregister ab S. 103.

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schen Interessen der Universität einige Male persönlich vor dem Wismarer Tribunal, der Regierung in Stralsund und dem Hofgericht in Greifswald. Solche Verhandlungen soll er „cum autem imprimis excelleret in scientiis oeconomicis“684 und in der Regel zum Vorteil für die Hohe Schule geführt haben, wie beispielsweise im Fall der ständischen Ersatzleistung für die Kontributionszahlungen der Universität (Don Gratuit), die erst nach langem Ringen und dann ausschließlich während seiner Amtszeit tatsächlich gezahlt wurde.685 Die meisten Bestimmungen zur Finanzadministration, die der Rezess von 1702 und die kurz darauf folgende Erneuerte Instruktion für den Procurator (1703) setzten und die bis 1775 Gültigkeit hatten, basierten unmittelbar auf Völschows Amtsführung.686 Bewährte, d.h. seine Praxis ist hier größtenteils687 zur Norm gesetzt worden; Völschows Administration diente somit den folgenden Finanzverwaltern als Modell. Dabei war Völschow unter Zeitgenossen durchaus umstritten, spätestens nachdem er 1697 die Wahl in den Stadtrat angenommen hatte und nicht beabsichtigte sein Universitätsamt zu quittieren.688 Es folgte eine viele Jahre währende Auseinandersetzung um diese Ämterkombination, die von vielen Universitätsverwandten aufgrund des potenziellen Interessenkonflikts als nicht zulässig angesehen wurde. Vor allem der Eldenaer Amtmann Wolfgang zu Holle setzte sich dafür ein, dass Völschow sein Universitätsamt, das er für den Amtmann vielleicht zu erfolgreich führte, aufgab.689 Währenddessen gingen beim Rektor schon etliche Bewerbungen für die angeblich frei gewordene Stelle ein.690 Tatsächlich war sich die Professorenschaft längere Zeit im Unklaren, wie mit der Situation umzugehen sei und was man nach Stockholm berichten solle. Im November 1698 forderte der Rektor Benjamin Potzerne691 die Professoren trotzdem auf, aus den offensichtlich zahlreichen Bewerbern einige für das Amt zu nominie-

684 Leichenpredigt für Moevius Völschow (gest. 1707), in: SUBG DD95 B 28. 685 Vgl. dazu Kapitel 1.2.11. Exkurs: Don Gratuit ab S. 82 und Friedländer: Matrikel, Bd. 2, S. 229. 686 Bereits die ursprüngliche Instruktion für den Procurator von 1671 ist wahrscheinlich unter dem Einfluss von Völschow entstanden, vgl. Kapitel 1.3.2.a. Normgebung (Procuraturregister 1566–1768) ab S. 93. 687 Dass viele der administrativen Regulierungen nicht seinen Vorstellungen entsprachen, bzw. im Alltag nicht praktikabel waren, davon zeugen seine Marginalien in einem Entwurf des RezessTextes, vgl. dazu Erneuerte Instruktion für den Procurator und Structuarius (1703), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 304–314. 688 Vgl. auch für das Folgende Kapitel 1.4.1.a. Königliche Auszeichnung eines Procurators ab S. 134. 689 Schreiben des Amtmanns zu Holle vom 16. Oktober 1697, in: UAG, Altes Rektorat St. 198, fol. 46r–47r. 690 Es bewarben sich u.a.: Georgius Michaelis, Sohn des Professors Johannes Michaelis (UAG, Altes Rektorat St. 198, fol. 49) und Herkules Wendt, in Greifswald promovierter Sohn des Pfarrers in Weitenhagen (UAG, Altes Rektorat St. 198, fol. 60r–61v). 691 Seit 1691 Professor an der Philosophischen Fakultät für Logik, Metaphysik und Pneumatik, vgl. Kosegarten: Universität Greifswald, S. 269.

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ren.692 Völschow führte die Procuratur aber unbeeindruckt weiter und ließ keinen Zweifel daran, dass er im Amt bleiben würde.693 Erst König Karl XII. beseitigte 1702 mit seiner Ausnahmeregelung für Moevius Völschow alle Zweifel und klärte den Konflikt endgültig.694 Dass Völschow durch den König persönlich in seiner angefochtenen Rolle als Procurator bestätigt wurde, verdeutlicht die soziale und politische Stellung des akademischen Finanzverwalters, die Moevius Völschow durch seinen beeindruckenden Einsatz für die Universität erreicht hatte. In der Zusammenarbeit zwischen den jeweils amtierenden Rektoren und ihrem engagierten und selbstbewussten Procurator kam es auch im Administrationsalltag zu Konflikten695, aus denen Völschow aber in der Regel unversehrt hinausging. Denn der langjährige und versierte Verwalter war dem jährlich neu eingesetzten Rektor in Finanzfragen selbstverständlich überlegen und konnte diesem dementsprechend souverän begegnen. Mit der sozialen und politischen Aufwertung der Procuratur ging auch eine monetäre Verbesserung einher. Völschows Einstiegsgehalt hatte mit 160 Gulden bereits über dem der meisten Ordinarien gelegen.696 Während die Professorenlöhne 1694 mit 400 Gulden erstmals wieder voll ausgezahlt wurden, ist im gleichen Zuge auch das Procuratorengehalt fast auf 300 Gulden worden. Moevius Völschow, der Sohn eines Generalsuperintendenten und Neffe eines Ordinarius, war ein herausragend kompetenter und selbstbewusster Procurator, dem es gelang, den Universitätshaushalt auszugleichen und die Korporation von ihren Schulden zu befreien, der den Professoren auf Augenhöhe begegnete und dessen Leistungen sogar vom schwedischen König gewürdigt wurden. Als er im Mai 1707 verstarb, trauerten Universität und Stadt gleichermaßen.697

692 Die Anfrage des Amtmanns ist in Kopie dem Antwortschreiben aus Stettin an die Universität vom 16. Oktober 1697 beigelegt, in: UAG, Altes Rektorat St. 198, fol. 64r–64v. 693 Völschow schrieb am 20. April 1699, dass er im Amt bleiben werde, in: UAG, Altes Rektorat St. 198, fol. 75r. 694 Vgl. UAG, Altes Rektorat St. 198, fol. 103r–103v. 695 Vgl. Marginalien Völschows im Entwurf zur erneuerten Instruktion für den Procurator und Structuarius (1703), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 304–314 sowie Kapitel 1.3.4.b. Die Kasse ab S. 119. 696 Vgl. auch für das Folgende Kapitel 2.3.1.b. Phasen der Professorenbesoldung ab S. 227 und Kapitel 2.3.3. Besoldung der Bediensteten ab S. 246. 697 Vgl. Leichenpredigt für Moevius Völschow (gest. 1707), in: SUB DD95 B 28 sowie den Eintrag zu Völschows Tod in der Matrikel: „Diem supremum obiit dominus structuarius Moevius Völschow, cuius industriam et fidem in administrandis negotiis academicis posteritas nunquam transmittet silentio. In huius locum suffectus est dominus Petrus Haselberg Bardensis, cuius merita cum sequenti tempore experiemur.” UAG, Handschriften Matrikel 3, fol. 69r–v.

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17. Petrus II. Haselberg 1707–1713 Das Konzil bestellte im August 1707 Petrus Haselberg zum neuen akademischen Finanzverwalter.698 Seine Amtszeit war relativ kurz und vor allem gegen Ende geprägt von kriegsbedingter Mangelwirtschaft, in deren Verlauf erneut Gehälter und Stipendien nicht mehr ausbezahlt werden konnten. Petrus Haselberg stammte aus einer bürgerlichen Familie in Barth. Sein Vater, ebenfalls Petrus Haselberg, war dort Bürgermeister und wies verwandtschaftliche Beziehungen in viele Städte Schwedisch-Pommerns und Mecklenburgs auf.699 Petrus II. Haselberg wurde am 22. Mai 1681 geboren, besuchte vermutlich in Barth die Schule und ging mit 17 Jahren zum Studieren nach Rostock. Zwei Jahre lang widmete er sich dort der Jurisprudenz bis er im Oktober an die Juristische Fakultät der Universität Greifswald wechselte.700 Nach Moevius Völschows Tod 1707 betraute das Konzil also Petrus Haselberg mit den Aufgaben der akademischen Finanzverwaltung.701 Weihnachten 1712 übernahm er zusätzlich noch das Sekretariat der Universität und des Konsistoriums, weil Friedrich Jacob Gerdes sein Amt quittiert hatte.702 Diese Ämterhäufung, wie sie Ende des 16. Jahrhunderts immerhin üblich gewesen war, schien mittlerweile, vermutlich auch in Anbetracht der schlechten Wirtschaft, eine zu große Belastung. Haselberg gab daher die Procuratur und das nach wie vor damit verbundene Amtsnotariat ein Jahr darauf, Weihnachten 1713, ab703 und verblieb stattdessen bis zu seinem Tod im Jahr 1733 im Amt des Universitäts- und Konsistorialsekretärs.704

698 Vgl. UAG, Handschriften Matrikel 3, fol. 69v. Seinen Amtseid leistete er am 11. August 1707, UAG, Altes Rektorat St. 198, fol. 190r. 699 Seine Mutter war Catharina Arnholtzen, vgl. auch für die folgenden biografischen Angaben die Leichenpredigt für Petrus Haselberg (gest. 1733), in: UBG 544 VP 15 XXXVIII. 700 Vgl. Friedländer: Matrikel, Bd. 2, S. 238. 701 Schmidt/ Spieß: Matrikel, Bd. 1, S. 44. 702 Vgl. UAG, Kurator St. 1014, Procuraturregister von 1712–1713, pag. 81. Vgl. auch Leichenpredigt für Petrus Haselberg (gest. 1733), in: UBG 544 VP 15 XXXVIII sowie Schmidt/ Spieß: Matrikel der Universität, Bd. 1, S. 152. 703 Vgl. UAG, Kurator St. 1015, Procuraturregister von 1713–1714, pag. 81. 704 Seine Nachkommen waren ebenfalls Juristen: Sein Sohn, Peter Matthäus Haselberg (1712– 1780), war Advokat am Tribunal in Wismar und am Greifswalder Hofgericht und ab 1764 pommerscher Landsyndicus. Dessen Sohn, Gabriel Peter Haselberg (1763–1838), war Rechtsprofessor in Erlangen und Richter am Wismarer Tribunal, vgl. Jörn: Professoren am Wismarer Tribunal, insbes. S. 214–215. Im Jahr 1810 wurde er durch König Karl XIII. in den Adelsstand erhoben, vgl. Knuth: Ernst von Haselberg, S. 394–397.

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18. Christoph Nürenberg 1713–1750 Zum Jahreswechsel 1713/1714 übernahm Christoph Nürenberg die Finanzverwaltung der Universität705 von Petrus Haselberg. Nürenberg blieb ebenso lange im Amt wie Moevius Völschow und führte es, abgesehen vom Ende seiner langen Amtszeit, auch ebenso erfolgreich. Christoph Nürenberg stammte aus einer bürgerlichen Familie in Greifswald706 und nahm auch dort im November 1696 ein juristisches Studium auf.707 Über seinen frühen Werdegang ist nur sehr wenig bekannt; zum Zeitpunkt seiner Hochzeit mit Dorothea Gertrud Gerdes, der Tochter des Konsistorialdirektors Friedrich Gerdes, war Nürenberg Advokat und Procurator am Hofgericht in Greifswald.708 Diese erste Ehe blieb kinderlos, aus der zweiten Ehe mit Margaretha Schlichtkrull ging sein erster Sohn Christoph II. Nürenberg hervor, der später Konsistorialsekretär709 wurde. Mit seiner dritten Ehefrau Elisabeth Sophia Gerdes hatte Nürenberg fünf weitere Kinder: Georg Balthasar, Emerentia Elisabeth710, Franz Jacob711, Catharina Sophia und Friedrich.712 Als akademischem Finanzverwalter gelang es Christoph Nürenberg zunächst nach der wirtschaftlichen Not, die das Große Nordische Kriegsgeschehen ausgelöst hatte, d.h. ab 1721 innerhalb von nur zehn Jahren nicht nur die zwischenzeitlich wieder gemachten Schulden der Universität abzubauen, sondern darüber hinaus sogar Rücklagen zu erwirtschaften und dadurch erstmals das Korporationsvermögen zu erweitern.713 Von Unstimmigkeiten zwischen den Professoren und ihrem Procurator ist zumindest nichts bekannt. Das administrative Durcheinander, das durch Nürenbergs Schwäche Ende der 1740er Jahre und schließlich sein Ableben im Jahr 1751 ausgelöst wurde, belegt stattdessen, wie sehr sich die Rektoren und das Konzil

705 Vgl. UAG, Kurator St. 1015, Procuraturregister von 1713–1714, pag. 81, sowie UAG, Handschriften Matrikel 3, fol. 101v. 706 Sein Großvater väterlicherseits war der 1675 im Amt verstorbene Greifswalder Bürgermeister Christoph Nürenberg, sein Vater war der Stadtkämmerer Baltahsar Nürenberg (1648–1719), seine Mutter Regina Schwarz, die Tochter eines Joachim Schwarz, vgl. Gesterding: Stipendien, Bd. 2, S. 26 und 35, vgl. auch Lange: Vitae Pomeranorum, S. 229. 707 Vgl. Friedländer: Matrikel, Bd. 2, S. 213. 708 Vgl. Hochzeitsgedichte anlässlich der Trauung Dorothea Gertrud Gerdes und Christoph Nürenbergs am (1705), in: UBG 544 VP 27 XVIII. 709 Christoph II. Nürenberg (1715–1771), vgl. Lange: Vitae Pomeranorum, S. 229 und Gesterding: Stipendien, Bd. 2, S. 44–45. 710 Sie heiratete 1745 den Theologen Ehrenreich Christoph Koch, der ab 1774 Superintendent in Wismar war, vgl. Gesterding: Stipendien, Bd. 2, S. 55. 711 „[...] ward 1755 Kammersecretair in Greifswald, gab aber 1758 diesen Dienst auf, und soll nach Indien gegangen seyn.“, Gesterding: Stipendien, Bd. 2, S. 55. 712 Friedrich wurde Jurist und „Sachwalt und Procurator“ am Tribunal in Wismar, Gesterding: Stipendien, Bd. 2, S. 55. 713 Vgl. Kapitel 1.2.6. Ökonomische Stabilität und Wirtschaftswachstum (1702–1750) ab S. 48 sowie Kapitel 5.3.2.b. Kapitalaufnahme zwischen 1670 und 1747 ab S. 418. Zu den Rücklagen der Universität vgl. Kapitel 5.3.1.b. Eigenkapitalvergabe nach 1670 ab S. 408.

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in den 1730er und 1740er Jahren auf die routinierte Verwaltung ihres Procurators714 verlassen und wie wenig Einblick sie daher tatsächlich in die regulären Angelegenheiten ihrer Finanzadministration hatten. Dabei kam der Tod des Procurators keineswegs ganz unerwartet. Zum einen waren den Professoren und Universitätsbeamten kleine Krankheiten und die allgemeine Altersschwäche des Procurators nachweislich bekannt715 und zum anderen hatte sich Nürenberg einige Jahre vor seinem Tod bereits selbst aktiv um seine Nachfolge bemüht: 19. Georg Balthasar Nürenberg 1750–1751 Im Frühjahr 1745 bat Christoph Nürenberg das Konzil, „umb die Substituirung“ seines ältesten Sohnes Christoph II. im Amt des Procurators.716 Die Professoren stellten zunächst gewisse Bedingungen, um eine reibungslose Amtsübergabe zu sichern, schienen aber prinzipiell nichts gegen die Nachfolge des Sohnes zu haben.717 Offensichtlich kam es aber gar nicht zu einer Amtsübergabe, der Vater schien die Geschäfte zunächst weiterzuführen. Immerhin bat er im Mai 1750 erneut, diesmal aber Georg Balthasar, seinen Zweitgeborenen, als Nachfolger anzuerkennen; denn der ältere, Christoph II. Nürenberg war gerade verstorben. Der amtierende Rektor Aeminga trug dieses Anliegen im Konzil vor, wo sich eine deutliche Mehrheit für die Annahme Georg Balthasars zum neuen Procurator aussprach und unmittelbar eine neue Instruktion und Bestallungsurkunde für diesen ausfertigen ließ.718 Zu diesem Zeitpunkt war den Professoren bereits klar, dass sich die finanzielle Situation der Universität mittlerweile wesentlich verschlechtert hatte, eine immer höhere Verschuldung nicht mehr aufzuhalten war und sie selbst mit der ökonomischen Situation überfordert waren. Am 12. Mai hatten die Kuratoren diesbezüglich auch bereits das Kanzleikollegium um eine Visitation der Universität gebeten. Wer die Procuratur in dieser Zeit führte ist unklar; der altersschwache Vater oder der vermutlich überforderte Sohn und Neuling im Fach – in jedem Fall eskalierte die Lage 714 Jacob Heinrich Balthasar beschrieb den bereits verstorbenen Nürenberg 1755 als sehr sorgfältig und ordentlich, vgl. Frage 36 und dazugehörige Antworten im Rahmen der Visitation von 1755, in: RAS Pomm. Vol. 424, o. fol. 715 Vgl. dazu auch Kapitel 5.3.2.c. Circulus vitiosus debitorum – Kapitalaufnahme nach 1747 ab S. 420. 716 Schreiben Christoph Nürenbergs an den Rektor (o. Dat.), in: UAG, Altes Rektorat St. 198, fol. 213r–215v. 717 Das Konzil wollte Nürenbergs Bitte stattgeben, wenn zuvor „völlige Rechnung von denen verfloßenen Jahren abgeleget werden, damit man sähe, ob unsere Cassa mit denen ProcuraturRegistern übereinkomme, und der Sohn wüste, wie er sie empfinge und wofür er respondiren müste [...].“ Auszug aus dem Konzilsprotokoll vom 23. April 1745, in: UAG, Altes Rektorat St. 198, fol. 219r. 718 Als einziger sprach sich leidglich Johann Karl Kellmann dagegen aus. Er meinte, dass man mit der Besetzung eines so wichtigen Amtes keine vorschnellen Entscheidungen treffen sollte, vgl. UAG, Altes Rektorat St. 198, fol. 221r. Vgl. auch den Entwurf zu einer neuen Instruktion, ebd. fol. 225r–234r und den Entwurf der Vocation, ebd. fol. 237r.

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wirtschaftlich und politisch zunehmend.719 Beide förmlich bestallten Procuratoren – Vater und Sohn – starben zu allem Unglück innerhalb kürzester Zeit im Sommer 1751.720 20. Johann Georg Mayer 1751–1775 Während der akademische Syndicus und der Sekretär damit beauftragt worden waren, das Schriftgut im Haus Nürenbergs zu sichten, zu sichern und zu versiegeln721, entschied die Professorenschaft über die Nachfolge des verstorbenen Structuars. Auf die frei gewordene Anstellung bei der Universität hatten sich einige Kandidaten beworben722, aber nur zwei von ihnen sind überhaupt in Betracht gezogen worden. Zum einen war das Johann Friedrich Mayer, der Sohn des Medizinprofessors Johann Abraham Mayer (1684–1726) und Enkel des Greifswalder Theologen Johann Friedrich Mayer (1650–1712). Johann Friedrich II. soll zu diesem Zeitpunkt bereits zehn Jahre lang im Dienst der Universität gestanden haben, genaueres ist über sein Leben aber nicht bekannt.723 Der zweite Kandidat, Johann Georg Mayer, war dem Rektor von der Witwe Christoph Nürenbergs empfohlen worden – nicht zuletzt aus Eigennutz.724 Bei ihm handelte es sich um den jüngsten Bruder des Greifswalder Mathematikprofessors und umstrittenen Erbauers des neuen Kollegiengebäudes, Andreas Mayer, der seinen Bruder ebenfalls empfohlen hatte.725 Die Professorenschaft entschied sich am 24. August 1751 mit sechs gegen vier Stimmen für den letzteren der beiden Kandidaten726 und am 11. Oktober trat Johann Georg Mayer offiziell seinen Dienst als neuer Procurator und Structuarius der Universität an.727

719 Vgl. Kapitel 1.2.7. Wirtschaftskrise, Verschuldung und Reformdruck (1750–1775) ab S. 54. 720 Vgl. Schreiben der Witwe Elisabeth Sophia Nürenberg an den Rektor vom August 1751, in: UAG, Altes Rektorat St. 198, fol. 239r–240v. 721 Vgl. Entsprechende Anweisung des Rektors vom 23. August 1751 sowie den Bericht des Sekretärs und des Syndikus vom 24. August 1751, in: UAG, Altes Rektorat St. 198, fol. 250r–253r. 722 Vgl. Empfehlungs- und Bewerbungsschreiben, in: Ebd., fol.241r–249v. 723 Dass Johann Friedrich Mayer der Universität seit 1741 diente, führte Augustin von Balthasar in der Wahl des neuen Prcouartors als Vorteil des Bewerbers an, vgl. Zirkular Rektor Möllers vom 24. August 1751, in: Ebd., fol. 254r–255r. 724 Elisabeth Sophia Nürenberg empfahl in einem Schreiben an den Rektor im August 1751, als Nachfolger ihres Mannes Johann Georg Mayer zu wählen, von dessen „Geschicklichkeit zu solchem Ambte ich nicht nur völlig bin versichert worden, sondern von demselben mir auch in meinem Verlaßenen Zustande gewiße Vortheile zufließen werden, die mir vielleicht in Ansehung meines andern Subject entstehen dürften.“, in: Ebd., fol. 240r. 725 Vgl. Schreiben Andreas Mayers an den Rektor, o. Dat., in: Ebd., fol. 241r–242r. 726 Für Johann Friedrich Mayer hatten sich die Brüder Jacob Heinrich und Augustin von Balthasar, Christian Stephan Scheffel und Johann Karl Kellmann ausgesprochen, vgl. Zirkular Rektor Möllers vom 24. Aug. 1751, in: Ebd., fol. 254r–255r. 727 Die Bekanntmachung der Ernennung, die neue Instruktion für den Structuarius sowie die Übergabe des Schriftgutes sind alle auf den 11. Oktober 1751 datiert, vgl. ebd., fol. 258r–273v.

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1. Akademische Finanzadministration

Biographische Details sind über den Structuarius Mayer nicht bekannt und über seine Amtsführung herrscht die Auffassung, dass er kein „williges Werkzeug“ und ein „vielfach getadelter Beamter“ gewesen sei, der „vieles nicht zu erledigen“ vermochte.728 Tatsächlich hatten sich aber auch die Arbeitsbedingungen für den Procurator erheblich verändert. Waren zuvor noch die Professoren kaum in die alltäglichen Belange der Administration involviert gewesen und hatte der Procurator relativ freie Hand in seinen Amtsgeschäften gehabt, so wurden ihm viele Entscheidungen fortan abgenommen und seine Arbeit deutlich strenger kontrolliert; nicht mehr nur von den Professoren, sondern mittlerweile auch von den Kuratoren und ab 1754 immer wieder von königlichen Visitatoren. Die akademische Finanzverwaltung und ihr Beamter standen seitdem wieder unter äußerst kritischer Beobachtung und dass der Procurator keine Antworten auf Fragen geben konnte, die die leidlich dokumentierte Geschäftsführung seines Vorgängers betrafen, ist ihm natürlich negativ ausgelegt worden.729 Die Beurteilung des Procurators durch die Professoren selbst fiel gegenüber den Visitatoren 1755 zwar zurückhaltend aber wohlgesonnen aus. Einige bezeichneten ihn als geschickt und fleißig, die anderen zweifelten zumindest nicht an seiner Kompetenz. Und sogar der stets kritische Jacob Heinrich Balthasar hielt J. G. Mayer immerhin zugute, dass er noch ein Anfänger sei und sich noch verbessern könne.730 In jedem Fall blieb Mayer aber über zwanzig Jahre lang im Amt; in einer Zeit in der sich die akademische Finanzverwaltung nicht nur erneutem Krieg und einer damit verbundenen Wirtschaftskrise gegenübersah, sondern ihr außerdem ohne Rücksicht auf die Kassenlage Investitionsvorgaben gemacht wurden. Nachweislich Probleme mit Johann Georg Mayer hatte das Konzil allerdings zu Beginn seiner Amtszeit im Zusammenhang mit der Kaution, die er bei Amtsantritt hinterlegen sollte. Die Problematik mit der Haftung des Procurators für Verluste bzw. Schulden des Amtsvorgängers oder Schulden während seiner eigenen Amtszeit, wie sie Joachim Brunnemann bereits 1578 zur Sprache gebracht hatte731, blieb offenbar erstaunlich lange zumindest formal ungeklärt. Angesichts der Formulierung, die der Procurator Michael Knuth neben die Bilanz der Rechnung für 1658–1659 wählte: „Bleibt mir die löbliche Universität schuldig“732 stellt sich die Frage, ob die Procuratoren auch in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts im Ernstfall mit ihrem eigenen Vermögen haften mussten. Tatsächlich dürften sich die

728 So Baumstark: Universität Greifswald, S. 10–11. Zur Problematik dieser Einschätzung vgl. Kapitel 1.4.1.b. Beamte in der Universitätshistoriografie ab S. 135. 729 Vgl. die vorwiegend aus den Visitationsakten zusammengestellte Beschreibung des Visitationsgeschehens ab 1754 bei Baumstark: Universität Greifswald, sowie allgemein auch für das Folgende Kapitel 1.2.7. Wirtschaftskrise, Verschuldung und Reformdruck (1750–1775) ab S. 54. 730 Vgl. dazu die Antworten auf die 36. Frage der Visitationskommissare („Ob der Structuarius seinem Ambte wohl vorzustehen geschickt sey [...].“) in der Befragung der Professoren vom 24. Januar bis 8. Februar 1755, in: RAS, Pommeranica Vol. 424, o. fol. 731 Vgl. im Kapitel 1.4.3.a. Die herzoglichen Procuratoren, 7. Joachim Brunnemann ab S. 152. 732 UAG, Kurator St. 956, Procuraturregister von 1658–1659, pag. 25.

1.4. Die akademischen Vermögensverwalter

169

Parteien aber gegebenenfalls stets geeinigt haben, andernfalls würden die Quellen davon Zeugnis geben und wäre es der Universität außerdem – insbesondere vor 1670 – schwer gefallen überhaupt Kandidaten für dieses Amt zu finden. Eine entsprechende Regelung wurde aber erst 1702 in den Visitationsrezess aufgenommen: Bei der „bestellung eines [...] Structuari [...]“ heißt es im Rezesstext „bleibet Rectori et concilio academico daß recht und die potestet“ selbst einen versierten und vertrauenswüriden Kandidaten auszuwählen, der „wan er nicht an immobilibus gnugsahm geseßen, sufficente caution“ leisten könne.733 Eine allgemeine Haftung für schlechte Administrationstätigkeit war damit geregelt. Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurden noch vereinzelte Versuche unternommen, konkrete Fälle zu bestimmen, in denen der Procurator für potenzielle Verluste durch vermeintlich schlechte Arbeit haften sollte.734 Ob diese umgesetzt wurden, ist fraglich. Die Kaution bei Amtsantritt musste aber ab 1702 in jedem Fall geleistet werden; auch von Johann Georg Mayer. Mayer selbst konnte die Kaution aber nicht aufbringen und beantragte daher, dass er diese stattdessen durch eine Art Bürgschaft ersetzen dürfe. Als Bürgen schlug er einen Herrn Zander, Mitglied des Stadtrates vor, der dem Rektor für Mayer eine Cautions-Notul ausstellte. Offenbar fehlte aber noch die Einwilligung des Stadtrats. Zwischenzeitlich ließ sich Mayer das Dokument auch aushändigen, um es einem Freund zu zeigen und sich mit diesem zu beraten. In jedem Fall musste der Procurator im Oktober 1753 erneut ermahnt werden, endlich seine „Caution zu beschaffen [...].“735 Kurz darauf präsentierte Mayer einen neuen Bürgen, Zander war offenbar zurückgetreten. Das Konzil weigerte sich allerdings den nun vorgeschlagenen Kaufmann Kolpin als Bürgen annehmen und stellte stattdessen dem Structuarius eine Frist von 14 Tagen zur Erbringung der Amtskaution. Auf Mayers nächsten Vorschlag eines Bürgen ließen sich die Professoren ein, obwohl der erkorene Hofrat von Behrenfels selbst noch nicht eingeweiht war. Erst im Februar 1754, zweieinhalb Jahre nach Amtsantritt, wurden sich die drei Parteien einig und nahm das Konzil schließlich von Behrenfels‘ Bürgschaft für den akademischen Procurator und Structuarius Johann Georg Mayer an.736 Im Rezess von 1775 wurde daraufhin wesentlich schärfer formuliert und bestimmt, dass keiner mehr zum Finanzverwalter bestimmt werden dürfe, „der nicht

733 Visitationsrezess (1702), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 275. 734 Im Visitationsabschied wurde festgelegt, dass der Procurator für angefallene Neglecten, die er nicht rezessmässig vom Lohn der Professoren einbehalte, selbst haften müsse, vgl. Visitationsabschied (1730), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 28. In dem Entwurf eines Visitationsabschiedes von 1757, mahnte Johann David von Reichenbach, dass „Structuarius sich besonders zu achten hat, daß keine Ausgaben zur Rechnung geführet werden, die nicht mit gehörigen Beylagen versehen und bewiesen sind; maasen es ihm sonst zum eigenen Schaden“ gereiche, in: Entwurf eines Visitationsabschiedes (1757), in: Ebd., S. 235. 735 Vgl. den Auszug aus dem Konzilsprotokoll vom 19. Oktober 1753, in: UAG, Altes Rektorat St. 198, fol. 280r–281r. 736 Vgl. ebd., fol. 274r–304r. Bürgschaftsbrief Behrenfels‘ vom 25. Januar 1754, in: Ebd. fol. 374r–375r.

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1. Akademische Finanzadministration

vermögens ist, so gross Caution zu praestiren, als der vierte Theil der academischen Einkünfte beträgt.“ Das bedeutete für das Jahr 1775–1776 konkret, dass ein Kandidat für das neue Amt des Rentmeisters eine Kaution von knapp 7.000 Reichstalern aufbringen musste.737 Gleichzeitig betrug ein durchschnittliches Jahresgehalt eines Greifswalder Ordinarius etwas mehr als 400 Reichstaler. Die Visitationskommission und der Kanzler schafften 1775 das traditionelle Amt des Procurators aber ohnehin ab738 und setzten somit auch Johann Georg Mayer ab, der unter diesen neuen Bedingungen vermutlich gar nicht erst in die engere Wahl zum akademischen Finanzverwalter gekommen wäre.

737 Das Gesamteinkommen des Rechnungsjahres 1775–1776 betrug 27.838,40 Reichstaler, vgl. dazu auch die Tabelle „Einnahmen und Ausgaben der Universität Greifswald 1646–1813“ unter www.uni-greifswald.de/furorcameralisticus. 738 Vgl. auch Kapitel 1.4.2.c. Kollektive Vermögensverwaltung und der Rentmeister ab S. 145.

2. PERSONALKOSTEN 2.1. PERSONAL UND GEHALT 2.1. PERSONAL UND GEHALT

2.1.1. Universitätspersonal und Universitätsverwandte – ein Überblick. Das eigentliche Personal einer frühneuzeitlichen Universität ist zu unterscheiden von dem rechtlichen Begriff des Universitätsverwandten, unter den sämtliche der akademischen Jurisdiktion unterstehenden Personen fallen. Denn unter die vorwiegend ökonomische Definition des Universitätspersonals fallen nur jene Personen, die ein regelmäßiges, vertraglich festgelegtes Gehalt aus der akademischen Kasse erhielten, wozu bei weitem nicht alle Universitätsverwandten gehörten. Weiter lässt sich das Personal einer Universität in Lehr- und Verwaltungspersonal unterteilen, wobei an erster Stelle und als Schnittmenge die ordentlichen Professoren (Ordinarien, Lehrstuhlinhaber) stehen. Sie leiteten in der Regel sowohl Lehre und Forschung, als auch die Selbstverwaltung der hohen Schule. In der Lehre und wissenschaftlich wurden sie unterstützt von außerordentlichen Professoren (Extraordinarien). Administrativ unterstützten eigens eingerichtete Verwaltungsämter die Ordinarien vor allem in den alltäglichen Aufgaben der akademischen Selbstverwaltung und Jurisdiktion. All jene erhielten unterschiedliche Jahresgehälter, in der Regel aus der Universitätskasse. Wie hoch das Gehalt ausfiel, gaben im Falle der Ordinarien, Extraordinarien und Verwaltungsbeamten Visitationsrezesse und Reglements vor, in jedem Fall definierte aber auch immer die jeweilige Bestallungsurkunde als Dienstvertrag die zu leistende Arbeit und die Höhe des Gehalts.1 Die frühneuzeitlichen Universitäten entlohnten ihr Personal in Form von quartalsweise ausgezahlten, monetären Gehaltszahlungen, ergänzt durch Naturalabgaben (Getreide, Tiere, Bier/ Wein, Brennholz, Torf), Wohnrecht und Abgabefreiheiten.2 Bevor die Universitäten aber im Zuge der Reformation mit Dotalgütern ausgestattet wurden, bevor sie als Korporation eigene Einnahmen erhielten und dement1

2

Hier wird, wie auch im Folgenden, zwischen den Begriffen ‚Gehalt‘ und dem allgemeineren ‚Lohn‘ unterschieden. Als ‚Gehalt‘ wird ausschließlich eine vertraglich vereinbarte und regelmäßige Geldzahlung verstanden, als „Summe, für welche man jemanden zu seinen Diensten hält oder unterhält“. Unter den Begriff ‚Lohn‘ fallen dagegen auch nichtmonetäre, d.h. auch Naturalleistungen, sowie einzelne Zahlungen für geleistete Dienste ohne Dienstvertrag (auf Rechnung). Nach „Gehalt“, in: Krünitz: Ökonomisch-technologische Enzyklopädie, Bd. 16 (1779/1787), S. 629–630. Vgl. auch für das Folgende die allgemeine Beschreibung der Entwicklung akademischer Personalkosten bei Pleyer: Vermögensverwaltung sowie exemplarisch Merkel: Universität Heidelberg im 18. Jahrhundert, Brunn: Universität Heidelberg, S. 196 und Pfister: Universität Freiburg.

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2. Personalkosten

sprechend aus einer eigenen Kasse ihr Personal entlohnen konnten, hatte das klerikale Pfründensystem die Alimentierung der Professoren gesichert.3 Dem jeweiligen Ordinariat zugesprochene Erträge und Abgaben von regionalen Kirchen und Pfarreien sicherten den Lebensunterhalt der Professoren; ohne dass diese zwangsläufig die ursprünglich damit verbundenen Verpflichtungen hätten wahrnehmen müssen. Als das Pfründensystem spätestens Mitte des 16. Jahrhunderts zusammenbrach, waren die Universitäten erstmals in der Verantwortung – aber auch erstmals in der Lage – die individuellen, finanziellen Verluste aufzufangen, indem von den neuen gesamtkorporativen Erträgen regelmäßige Gehälter ausgezahlt werden mussten. Obwohl die Besoldung der Ordinarien seit Mitte des 16. Jahrhunderts in der Regel aus der akademischen Kasse erfolgte, ging die Bestallung der Lehrkräfte zunehmend in landesherrliche Verantwortung über. Formal verblieb den Universitäten zwar auch weiterhin das Selbstergänzungsrecht, tatsächlich bestätigten und ernannten aber immer häufiger die Landesherren neue Lehrer. In Greifswald ernannten der pommersche Herzog und nach 1646 der schwedische Generalgouverneur in Pommern, in den Funktionen des Patrons und Kanzlers, die neuen Professoren. Das Selbstergänzungsrecht der Universität Greifswald bezog sich lediglich auf die Auswahl geeigneter Aspiranten für eine frei gewordene Professur durch das Konzil. Die Personallöhne wurden aus der akademischen Kasse beglichen, die Entscheidungen über die Person und die Höhe ihres Gehalts lagen allerdings – vor allem hinsichtlich der Ordinarien – beim Landesherrn bzw. dem Kanzler.4 So sind im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts die Löhne und vor allem das Lehrpersonal in Visitationsrezessen und anderen Normtexten festgelegt und angepasst worden. Auch Gehaltserhöhungen und individuelle Zulagen mussten stets von der Landesregierung genehmigt werden. Dies stellt de facto eine Einschränkung des ökonomischen Selbstverwaltungsrechts der Universität dar, lässt sich aber auf die in der Regel in den Dotationsinstrumenten verankerte landesherrliche Kontrollfunktion zurückführen.5 Nicht alle Professoren erhielten dabei auch das gleiche Gehalt. In der Regel richtete sich die Lohnhöhe nach dem akademischen Rang eines Lehrers, d.h. sowohl nach Fakultätszugehörigkeit, als auch nach Lehrdeputat oder administrativer Verantwortung. Ordinarien erhielten das Meiste und Extraordinarien etwas weniger. Unter den Ordinarien waren jene der Artistenfakultät in der Regel am geringsten entlohnt. Spitzenverdiener der frühneuzeitlichen Universität waren die Ordinarien der Theologischen und der Juristischen Fakultät.6 Am geringsten entlohnt waren der Großteil der Bediensteten sowie die Sprach- und Exerzitienlehrer. Andere Lehrer wiederum, insbesondere die Privatdozenten, erhielten gar kein Gehalt aus der Universitätskasse. 3 4

5 6

Vgl. Schwinges: Fundationen, S. 181. Vgl. Pleyer: Vermögensverwaltung, S. 44, 97. Zur Universität Greifswald stellte Seth: Universität Greifswald, S. 23 bereits fest, dass „der Staat unverändert die Gehälter der Professoren festlegte.“ Vgl. dazu Hufen: Territorialstaat und Landesuniversität, u.a. S. 102. Diese Verteilung kann exemplarisch nachvollzogen werden bei Pfister: Universität Freiburg und Brunn: Universität Heidelberg, S. 197. Vgl. auch Schwinges: Fundationen, S. 189.

2.1. Personal und Gehalt

173

Der Aspekt der Professorenalimentierung bot wie kein anderer Bereich der akademischen Wirtschaftsführung erhebliches Konfliktpotenzial. Insbesondere im Laufe des 18. Jahrhunderts häuften sich auf der einen Seite Beschwerden der Universitätslehrer über zu geringe Löhne. Auf landesherrlicher Seite wurde mit ähnlicher Regelmäßigkeit der immer gleiche Vorwurf laut: Dass die Professoren sich nicht hinreichend ihren Aufgaben widmeten, nicht fleißig genug seien und den Lohn erhielten, den sie verdienten. Angeheizt wurde dieser Konflikt während des 17. und 18. Jahrhunderts immer wieder durch den „grossen Mangel“7 in den Universitätskassen. Denn insbesondere während und nach verheerenden Kriegen waren unregelmäßige Entlohnung und wirtschaftliche Not an der universitären Tagesordnung, wogegen die Professoren im Rahmen ihrer ökonomischen Autonomie bemüht waren vorzugehen. Auf diesem Wege mussten die Grenzen der akademischen Selbstverwaltung in Auseinandersetzung mit der Landesherrschaft immer wieder verteidigt (und neu definiert) werden. Nebenerwerb der Professoren ist vor allem in wirtschaftlichen Krisenzeiten, d.h. immer dann, wenn die Universitätskasse nicht mehr in vollem Umfang für die Gehälter aufkommen konnte, nicht nur akzeptiert, sondern durchaus eingeplant worden. Je nach Fakultät und Ausrichtung eines ordentlichen Professors konnte dieser durch Kirchendienste (Pfarramt, Assessorentätigkeit beim Geistlichen Ministerium), medizinische Praxis, juristische Tätigkeiten im Rahmen der Aktenversendung oder auch allgemein beratende Tätigkeiten zusätzliche und unabhängige Einnahmen generieren. Außerdem konnten Professoren auch privaten Unterricht geben, Studierende oder Reisende gegen Bezahlung beherbergen und verköstigen oder auch Naturalien gewinnbringend veräußern.8 Spätestens im 18. Jahrhundert sind den Ordinarien der deutschen Universitäten allerdings wiederholt die ersterwähnten Nebenerwerbstätigkeiten zum Vorwurf gemacht worden: Die Professoren würden sich nicht ausreichend auf ihre Kernaufgaben – die akademische Lehre – konzentrieren. Daher wurden sukzessive außeruniversitäre Tätigkeiten untersagt. Wie die Professoren im Allgemeinen, stehen auch deren ökonomische Verhältnisse eher im Zentrum universitätshistorischer Aufmerksamkeit. In Beschreibungen der finanziellen Verhältnisse einer Universität spielen sowohl aus zeitgenössischer als auch aus geschichtswissenschaftlicher Sicht die Professorenlöhne für gewöhnlich eine herausragende Rolle. Der Anteil frühneuzeitlicher Professorenlöhne an den Gesamtausgaben einer Universität wird daher auch als überdurchschnittlich ausgemacht – er soll zwischen 70 und 90 Prozent gelegen haben.9 Die „vormoderne Universitätsfinanzierung“ sei gar „mit Professorenfinanzierung gleich [zu] setzen.“10 Solche Aussagen basieren auf vereinzelten Jahresrechnungen oder ander7 8 9

Vgl. Schwinges: Fundationen, S. 175–193. Vgl. ebd., S. 178 und Baumgart: Universitäten im konfessionellen Zeitalter, S. 289. R. C. Schwinges geht davon aus, dass „...mehr als 80 Prozent der Ausgaben für den Lohn der Lehrenden reserviert“ gewesen seien (Schwinges: Fundationen, S. 176), Hermann Brunn rechnet 70 Prozent der universitären Gesamtausgaben den Personalkosten und 9 Prozent den Baukosten zu, Brunn: Universität Heidelberg, S. 215. 10 So schlussfolgert Schwinges: Fundationen, S. 181.

174

2. Personalkosten

weitigen Ausgabenlisten und müssen auf der Grundlage einer systematischen Auswertung der Wirtschaftsquellen verifiziert werden.11 Die akademischen Personalkosten jenseits der Professoren-, bzw. Lehrerbesoldung stellen dagegen ein weitgehend unbearbeitetes Forschungsfeld dar, wobei generell wenig über die Verwaltungs- und Dienstbeamten der Universitäten bekannt ist.12 Ebenfalls bisher nur tangiert, wurden die gesamtkorporativen Strukturen der Personal-Alimentierung, wie sie erst durch eine gründliche Auswertung der Universitätsausgaben über einen längeren Zeitraum hinweg möglich werden. 2.1.2. Ordinarien Als der dänische Historiker und Archivar Jakob Langebek auf seiner großen Forschungsreise um die Ostsee im November 1754 auch durch Greifswald kam, logierte er bei dem Medizinprofessor Andreas Westphal und bezahlte diesem für eine Kammer inklusive Mittagessen und Tee 3 Dukaten.13 Langebek beschrieb in knapper Form nicht nur die besichtigten Experimente Andreas Mayers und das angenehme Wesen Professor Schwartz‘, den er ebenfalls persönlich kennen gelernt hatte, sondern auch die ökonomischen Verhältnisse der Greifswalder Professoren: Es gibt 14 Professoren. Sie wohnen in zwei- bis dreistöckigen Häusern, die der Universität gehören und ausreichend Wohnraum bieten. Der Professorenlohn beträgt 200 bis 400 Reichstaler und wird hauptsächlich in Geld, aber auch in Naturalien, wie Torf, ausgezahlt. Ein Theologe bekommt noch mehr. Außer ihren Kollegien geben sie private Stunden für Kinder vornehmer Leute und einige verköstigen junge Stundierende für monatlich 6 Reichstaler oder mehr.14

Die Jahresgehälter der Greifswalder Ordinarien setzten sich also nach der Beobachtung Langebeks aus Geldzahlungen, Naturalabgaben und Wohnrecht zusammen und fielen unterschiedlich hoch aus – offenbar in Abhängigkeit des akademischen Rangs. Darüber hinaus verdienten die Professoren zusätzliches Geld durch Vermietung und Verköstigung von Studenten und Gästen sowie durch privaten Unterricht. Zu der Zeit, als Jacob Langebek durch Greifswald reiste, waren an den vier Fakultäten insgesamt 14 Professuren besetzt. In den Statuten und Visitationsrezessen für die Universität Greifswald ist die Anzahl der Ordinarien – ab dem 18. Jahrhundert auch des restlichen Lehrkörpers – wiederholt festgelegt worden. Vom 16. bis ins 19. Jahrhundert bestimmten solche Normen, dass zwischen 13 und 18 Ordinariate 11 12 13 14

Vgl. dazu Kapitel 2.3.1.a. Anteil der Personalkosten an den Gesamtausgaben ab S. 222. Vgl. Rasche: „Unruhe“ am „academischen Uhrwerck“. 10 Dukaten = 14 Gulden, vgl. Biederstedt: Münzen, Gewichte und Maße, S. 46. „Professorerne ere 14 i talet. De have huse at bor i, som høre Academiet til, 2. a 3. Vaaninger høje, og saaledes tilstrekkeligt husrum. Lønnen er 2 til 400 Rdle. meste i Penger, men og andre Vare, visse læs Tørv etc. En Theologus giør sig end mere. Foruden deres Collegier, give de privat information til forneme folks børn, og nogle spiser unge Studerende til 6 Rdle. maanedlig eller mere.” DKB, NKS 386d kvart, Dagbog paa en reise, S. 73. [Übertragung ins Deutsche durch die Autorin].

2.1. Personal und Gehalt

175

zu besetzen waren. Etliche der vorgesehenen Stellen blieben allerdings immer wieder vakant. Entweder wurden sie unter Berücksichtigung der Kassenlage eine Weile nicht neu besetzt, oder es fanden sich auf Grund des geringen Lohns keine geeigneten Anwärter. Über die Höhe der zu zahlenden Professorengehälter, eventuelle Lohnerhöhungen und Zulagen entschied auch in Pommern in letzter Instanz die landesherrliche Regierung. Wie in Heidelberg, Freiburg und an vielen anderen deutschen Universitäten15 bestimmte auch in Greifswald der stets wiederkehrende Konflikt um die Professorenalimentierung bei leeren Universitätskassen das Verhältnis der selbstverwalteten Universität zu den landesherrlichen und ständischen Kontrollinstanzen. Vor der nachreformatorischen Neuausstattung der Universität Greifswald16 hatte es eigentliche Professorengehälter, d.h. monetäre Professorenentlohnung durch die Universität, nicht geben können.17 Die Professoren bestritten ihren Lebensunterhalt bis Mitte des 16. Jahrhunderts aus unterschiedlich hoch dotierten Pfründen, im Falle der Artisten aus regelrechten stipendia, sowie aus den Honoraren von Studenten oder für anderweitige wissenschaftliche Dienstleistungen. Nachdem der Universität Greifswald im Jahr 1563 die Erträge von lokalen Gütern im Umland und von Pfarreien auf Rügen vermacht worden waren, trat die Universität nun als Korporation mit finanzieller Grundlage erstmals in eine direkte Alimentierungsverantwortung für ihr Personal. Allen Professoren konnte fortan ein festgelegtes salarium ausgezahlt werden. Nicht-monetäre Leistungen, wie beispielsweise das Recht auf eine Wohnung oder diverse Naturalabgaben blieben aber auch weiterhin Bestandteil der Entlohnung.

a) Professorenanzahl und -gehälter bis 1702 Die Theologische Fakultät bestand in der Regel aus drei ordentlichen Professuren. Im Kirchenvisitationsrezess von 1558 wurden diese darüber hinaus mit jeweils einer der drei Pfarrstellen der Greifswalder Stadtkirchen verbunden.18 Der erste Professor der Theologie war nicht nur Pfarrer zu St. Nikolai, sondern außerdem als Generalsuperintendent das Kirchenoberhaupt der Region. Der Rezess von 1702 be-

15 Vgl. dazu allgemein Pleyer: Vermögensverwaltung und im speziellen insbesondere Brunn: Universität Heidelberg, Merkel: Universität Heidelberg und Pfister: Universität Freiburg. 16 Vgl. dazu Kapitel 1.2.1. Ökonomischer Neustart nach der Reformation (1558/1563) ab S. 26. 17 Zu den Professorengehältern bis 1646 vgl. auch für das Folgende Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. XLV–XLIX. 18 Der erste Lohn-Etat der Universität von 1574–1575 erläutert sämtliche Nebentätigkeiten der Greifswalder Ordinarien, inklusive des jeweiligen Zuverdienstes, vgl. UAG, Kurator St. 870, Procuraturregister von 1574–1575, pag. 49r–51r und die Tabelle 2.1. Lohnetat der Universität Greifswald (1574–1575), S. 212. Vgl. auch Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 174–178.

176

2. Personalkosten

stätigte die bestehenden drei theologischen Ordinariate.19 Zumindest unter den Greifswalder Theologen kam wiederholt der Plan auf, dass eine vierte Professur eingerichtet werden könnte. Allerdings scheiterten sie in der Regel am Widerstand im Konzil und dem Hinweis auf die schlechte ökonomische Lage der Universität. Statuten und Rezesse des 16. und 17. Jahrhunderts sahen für die Juristenfakultät zwischen zwei und vier Ordinariate vor. Tatsächlich besetzt waren in der Regel aber nur zwei. Auch den Rechtsprofessoren der Juristen oblagen weitere Ämter: Bis 1702 waren Mitglieder der Juristischen Fakultät zum einen als Syndikus der Universität, als Amtsrichter für das Amt Eldena und als Berater des Procurators in Kapitalanlagefragen fest in die Verwaltung der Universität eingebunden;.20 Zum anderen nahm einer der Juristen das Amt des Syndikus der Stadt Greifswald wahr21 und fungierten darüber hinaus sämtliche Juristen im Spruchkollegium als Rechtsberater bis weit über die eigenen Landesgrenzen hinaus.22 Von ohnehin nur zwei vorgesehenen Professuren an der Medizinischen Fakultät, war bis Ende des 17. Jahrhunderts sogar nur eine regelmäßig besetzt. Auch die Bemühungen der Mediziner um eine nicht zuletzt personelle Aufwertung ihrer Fakultät stießen offenbar an die ökonomischen Grenzen der Universität.23 Wie seine Kollegen der Theologischen und Juristischen Fakultät stellte auch ein Professor der Medizin über die akademische Arbeit hinaus seine Fachkenntnis in einem städtischen Amt zur Verfügung: als Stadtphysikus.24 Die Ordinarien der Philosophischen, bzw. Artistenfakultät bildeten die größte Gruppe innerhalb der Professorenschaft. Wie an den höheren Fakultäten, blieben im 16. und 17. Jahrhundert auch an der Philosophischen Fakultät einige der Lehrstühle aus Kostengründen längere Zeit vakant. 1545 hatten die Statuten der Universität Greifswald acht Professuren vorgesehen, von denen aber die meisten unbesetzt

19 Vgl. auch für das Folgende Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. XXXIX–XL. 20 Nach 1702 fiel letztere Aufgaben in die Zuständigkeit des Rektors und des gesamten Konzils vgl. dazu Kapitel 5.1.6. Akademisches Kapitalwesen in Greifswald – Normgebung ab S. 393 sowie Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. XLV. 21 Vgl. Eintracht zwischen Universität, Domkapitel und Stadt (1456), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 9. Zur Juristenfakultät vor 1648 vgl. ebd. , S. XLI– XLIII. 22 Zur Tätigkeit der deutschen Juristenfakultäten als Spruchkollegien, insbesondere jener in Rostock und Greifswald, vgl. Lorenz: Aktenversendung. 23 Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. XLV. 24 Der Greifswalder Magistrat bemühte sich im Laufe des 18. Jahrhunderts wiederholt darum die seit 1456 bestehende Verbindung zwischen dem Medizinischen Ordinariat und dem Stadtphysikat aufzuheben, vgl. Eintracht (1456), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 9. Nach entsprechenden Bemühungen der Stadt im Jahr 1704, habe das Wismarer Tribunal am 21. April 1714 entschieden, dass die Verbindung bestehen bleibe, vgl. dazu diverse Abschriften Johann Benzelstiernas vom März 1748, in: RAS, Pommeranica, Vol. 480, o. fol. Zur Debatte um das Stadtphysikat vgl. außerdem das Schreiben des Konzils an den König [Juni 1748], in: RAS, Pommeranica Vol. 229, o. fol. und allgemein zur Medizinischen Fakultät vor 1648 Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. XLIII.

2.1. Personal und Gehalt

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blieben. 1613 wurden die Statuten der Philosophischen Fakultät schließlich der Realität angepasst, indem sie die ordentlichen Professuren auf nunmehr fünf beschränkten.25 Königin Christina beschloss im Zuge ihrer geplanten Neuregelung von Lehre und Verwaltung im Jahr 1653 ganz optimistisch eine Erhöhung der Professorenzahl an der Philosophischen Fakultät auf sieben. Aufgrund der ökonomisch unzureichenden Verhältnisse der Universität blieben aber auch davon wieder einige Ordinariate vakant.26 Trotz wiederholter Versuche die akademische Personalplanung unter Rücksichtnahme auf die akademische Kasse dennoch mit einer programmatischen Ausweitung und Verbesserung der Lehre zu vereinen, blieben aber selbst die fünf Lehrstühle teilweise vakant. Dem Dekan der Philosophischen Fakultät kam nach der Einrichtung einer zentralen Universitätsbibliothek im Jahr 1604 – zumindest nominell – die Aufsicht über diese Einrichtung zu.27 Die anfallende Arbeit führten in der Regel die Pedelle aus. Nach 1702 lag die Bibliotheksaufsicht nicht mehr beim Dekan allein, sondern zusätzlich wurde ein Professor der Philosophischen Fakultät als „Bibliothecarius“ eingesetzt und mit 20 Gulden entlohnt.28 Den Artisten standen aber insgesamt deutlich weniger Erwerbsmöglichkeiten jenseits des Lehrbetriebes offen, als ihre Kollegen der oberen drei Fakultäten. Diese Tatsache ist normativ offenbar durchaus berücksichtigt und in Ansätzen reguliert worden. Nachdem keine Löhne mehr gezahlt werden konnten, gestand man so beispielsweise im Jahr 1630 den Artisten als eine Art Erwerbsausgleich die höheren Ertragsanteile am Gut Grubenhagen zu.29 Im Laufe des Dreißigjährigen Krieges konnten Professorenlöhne aus der akademischen Kasse wiederholt nicht vollständig oder gar nicht gezahlt werden. Die ausstehenden Gehälter blieben als offene Lohnforderungen (Deserviten30) bestehen und wurden in den Jahresrechnungen fortlaufend summiert. Im Jahr der herzoglichen Schenkung 1634 beliefen sich die Lohnschulden der Universität Greifswald auf insgesamt 30.593 Gulden.31 Vor diesem Hintergrund sind die Gehälter der Ordinarien daher auch erstmals begrenzt und angeglichen worden: „[...] aequalia sint omnium professorum annua stipendia, quae tamen (200) decentorum fl. quantitatem non excedant.“32 Die Lohnbegrenzung stellte nach über zehn Jahren völligen 25 Zur Philosophischen Fakultät vor 1648 vgl. Alvermann/ Spieß (Hgg.): Ebd., S. XLIV–XLV. 26 Vgl. die Einleitung zur Resolution der Königin Christina (1653), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 27–29. Vgl. auch für das Folgende Kapitel 1.2.4. Schwedische Reorganisationsbemühungen (1634–1668) ab S. 33. 27 Vgl. dazu Kapitel 4.1.5. Universitätsbibliothek und Stiftungen zur Bibliothek ab S. 336. 28 Vgl. Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. XLVII–XLVIII sowie die Procuraturregistereinträge zu den Ausgaben für den Inspector Bibliothecae und den Bibliothecarius zwischen 1702 und 1748. Aus diesen geht auch hervor, dass die beiden Stellen häufig in Personalunion geführt worden sind. 29 Vgl. Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. XLVIII sowie Friedländer: Matrikel, Bd. 1, S. 282. 30 Vgl. dazu Kapitel 2.2.1.d. Deserviten ab S. 213. 31 Vgl. Übertragung des Amtes Eldena (1634), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 420–421. 32 Friedländer: Matrikel, Bd. 1, S. 542.

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2. Personalkosten

Lohnausfalls einerseits ein realisierbares Mindestgehalt für die Professoren dar und beugte andererseits, im Falle einer wiederholten Insolvenz der Universität, einer ähnlich hohen Verschuldung wie der gerade erwähnten vor. Der Rezess von 1646 bestätigte die 200 Gulden jährlichen Professorenlohns.33 Die finanzielle Situation der Professoren blieb auch weiterhin prekär: Professorengehälter konnten nicht vollständig – in akuten Kriegszeiten, z.B. 1674–1682 gar nicht – gezahlt werden. Dies minderte natürlich den Ruf der Universität Greifswald und vakante Professuren waren kaum mit externen Gelehrten zu besetzen. Königin Christina erhöhte die Professorengehälter 1653 auf 400 Gulden, nachdem sie ursprünglich sogar 600 Gulden vorgesehen hatte. Weder entsprachen 400 Gulden aber dem zumindest reichsschwedisch üblichen Professorenlohn, noch reichten die akademischen Einnahmen zur tatsächlichen Auszahlung solcher Lohnhöhen. Dennoch bestätigte Königin Hedwig Eleonora 1661 die veranschlagten 400 Gulden, die aus den „ordinarie intraden“ der Universität zu leisten seien. Weil dies aber nach wie vor die Kapazitäten der akademischen Kasse überstieg, versuchte die Königin die Gehälter universitätsextern zu sichern. Würden die akademischen Einnahmen nicht ausreichen, so sollte zum Beispiel die königliche „Licent-Kammer“ in Pommern und Mecklenburg die fehlenden Beträge aus den sogenannten Armengeldern aufstocken. Solcherlei Pläne fanden aber keine Umsetzung.34 Nachweislich haben erstmals im Jahr 1694 sämtliche Professoren der Universität Greifswald die ihnen jahrzehntelang versprochenen 400 Gulden tatsächlich erhalten. Bis dahin kompensierten sie den Lohnausfall weitgehend aus diversen oben angeführten anderen Quellen.35 Die 1666 eingeführte Umverteilung von möglichen Kassenüberschüssen auf Professoren kann als Notfallfinanzierung verstanden werden – die sich anschließend verselbständigte. Wenn eine oder mehrere Professuren unbesetzt blieben, so konnte fortan das fällige Gehalt, die sogenannten Vakanzgelder, unter den Ordinarien wie folgt aufgeteilt werden: zunächst 100 Gulden den wirtschaftlich benachteiligten Ordinarien der Philosophischen Fakultät und was übrig bliebe den Professoren aller vier Fakultäten zu gleichen Teilen.36 Dass es in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts häufig zu Verzögerungen im Prozess der Neubesetzung von Professuren kam, kann sicherlich im weitesten Sinne auf die schlechte Kassenlage zu-

33 Die offenen Gehaltsforderungen der Professoren betrugen zu diesem Zeitpunkt bereits ca. 39.000 Gulden, vgl. Visitationsrezess (1646), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 478 sowie Seth: Universität Greifswald, S. 33. 34 Vgl. Resolution Königin Hedwig Eleonoras (1661), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 69–70. Es ist anzunehmen, dass dieser Plan nicht umgesetzt worden ist, da sie neun Jahre später in einer erneuten Resolution die fehlenden Gelder zur Professorenbesoldung aus einem Teil der Kapitalerträge der Marien Stiftskirche in Stettin anwies, vgl. Resolution Königin Hedwig Eleonoras (1670), in: Ebd., S. 126. 35 Nicht zuletzt standen ihnen stets die Honorare von den privaten Lehrveranstaltungen zur Verfügung. Erläuterung zu den „privatae“, die seit 1570 auch von den Ordinarien gehalten wurden, in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. LIV–LVI. 36 Vgl. Visitationsrezess (1666), in: Ebd., S. 106.

2.1. Personal und Gehalt

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rückgeführt werden; der Passus von 1666 verdeutlicht allerdings die sehr konkrete und durchaus nachvollziehbare ökonomische Ursache dafür, dass freie Stellen nur zögerlich neu besetzt wurden: Wenn eine Stelle unbesetzt blieb, fiel das dadurch frei gewordene Gehalt den restlichen unterbezahlten Ordinarien zu.37 Auch die Immatrikulationsgebühren stellten zumindest bis 1702 als eine Art Ausgleichsfinanzierung eine Ergänzung der Professorenalimentierung dar. Dass die Einschreibegebühren unter den Professoren aufgeteilt wurden, entbehrte allerdings einer rechtlichen Legitimierung, weshalb die so veruntreuten Gelder 1702 in die akademische Kasse zurückgezahlt werden mussten.38 Völlig legal waren dagegen die den Professoren zu erbringenden Leistungen im Rahmen eines Promotionsverfahrens: Der Promovend hatte neben 6 Reichstalern „ad structuram“39 außerdem „dem Magnifico Rectori wie auch jeden dehrer [Ordinarien] so in der facultät sein, worin die promotio doctoralis gehalten, ein rosenobel“ zu entrichten.40 Die Höhe der Promotionsgebühren bestimmten die jeweiligen Fakultätsstatuten. In die akademische Kasse flossen nur die Einnahmen der „Doctorandi“.41 Alle übrigen ‚Prüfgebühren‘ (beispielsweise zur Erlangung des Magistergrades an der Philosophischen Fakultät) wurden zumeist nach einem ebenfalls in den Statuten bestimmten Schlüssel unter den Professoren der jeweiligen Fakultät aufgeteilt.42

b) Professorenanzahl und -gehälter 1702–1756 Gemäß dem Rezess von 1666 hatte die Universität Greifswald insgesamt 14 Ordinarien-Stellen zu besetzen. Sobald der akademische Haushalt es erlaube, seien die

37 Vgl. ebd., S. LII. 38 Vgl. Forderung König Karls XII. zur Rückzahlung der durch die Professoren entfremdeten Inskriptionsgelder an die Universitätskasse (1702), in: Ebd., S. 291–293. 39 Der Procurator sollte „alle der universität intranden ohn unterscheidt [...] einreiben, wie auch die 6 reichsthaler von den Doctorandis und 2 reichsthaler von den Licentiatis iuris ad structuram, welche die Herren Decani ihme vor der disputation und promotion zustellen werden“, in die Kasse legen. So in der Instruktion für den Procurator und Structuarius (1671), in: Ebd., S. 135. 40 So im Visitationsrezess (1666), in: Ebd., S. 110. Der Rosenobel war eine alte englische Goldmünze, die sich zwischen ca. 1343 bis 1649 zur Handelsmünze im Nord- und Ostseeraum entwickelte. Um 1620 entsprach ein Rosenobel ca. 30 Mark Sund (480 Schilling=10 Gulden) vgl. Biederstedt: Münzen, Gewichte und Maße, S. 46. 41 So der Einnahmentitel in den Procuraturregistern nach 1670 (disputation 4 Gulden, promotion 12 Gulden), vgl. dazu beispielsweise UAG, Kurator St. 988, Procuraturregister von 1687–1688, pag. 62. 42 Solche Prüfgebühren stellen, wie auch die Kolleggelder und andere materielle Berechtigungen, ökonomisch relevante Größen für die Alimentierung der Professoren dar. Sie bilden aber keinen Bestandteil der Personalkosten der Korporation. Ein kleiner Anteil jener Gebühren verblieb auch bei dem Pedell, der für die Eintreibung sämtlicher Promotionsgebühren verantwortlich war, vgl. dazu Kapitel 2.1.5.a. Pedell ab S. 196.

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2. Personalkosten

bestehenden um weitere vier Professuren zu ergänzen.43 Die wirtschaftliche Lage der Universität, in Verbindung mit den oben genannten Umständen, verhinderte bis zur Jahrhundertwende die veranschlagte Erweiterung der Professorenschaft. Obwohl der akademische Haushalt bis dahin so gut wie ausgeglichen war, übernahm der Visitationsrezess von 1702 weitgehend die Ordinarien-Zahlen des vorigen Rezesses. Statt der zusätzlichen, verringerte man sogar die Anzahl der Professuren um den geplanten vierten Theologen, zumindest bis „nachgehends [...] die zahl der studierenden sich vermehren und die einkünffte auff vorgesetzte ahrt ebenermaßen zunehmen“, würden.44 Zu einer Erweiterung der Theologischen Fakultät um die vierte Professur ist es – ungeachtet der Kassenlage und trotz wiederholter Bemühungen der Theologen – auch im Laufe des 18. Jahrhunderts nicht mehr gekommen.45 Fortan bestand die Greifswalder Professorenschaft aus 13 Personen: drei Theologen, drei Juristen, zwei Medizinern und fünf Ordinarien der Philosophischen Fakultät. Die Professuren an den drei oberen Fakultäten blieben so, wie sie im Rezess 1702 festgelegt waren, bis 1775 bestehen und erfuhren auch anschließend nur geringfügige Änderungen. An der Philosophischen Fakultät fanden die RezessVorgaben von 1702 Mitte des 18. Jahrhunderts allerdings weniger Beachtung: Die Fakultät selbst richtete eine Professur zunächst für Literaturgeschichte (Historia Litteraria) und nach 1757 für Schwedisches Staatsrecht (Ius Publicum Sueciae) ein. Gegen den Willen der Fakultät teilte die Regierung in Stockholm 1767 außerdem die Professur für Moral und Geschichte in zwei eigenständige professorale Fachbereiche auf.46 Statt der rezessgemäßen fünf, besaß die Philosophische Fakultät also de facto sieben Ordinarien; von insgesamt 15 Greifswalder Professoren. Um künftige Lohnerhöhungen nicht ausschließen zu müssen, untersagte der Visitationsrezess von 1775 eine weitere Vergrößerung der Professorenschaft.47 Allerdings strebten die Visitationskommissare ganz im Sinne der aufgeklärten Reformbestrebungen an, einen Artistenlehrstuhl zu streichen und stattdessen eine zusätzliche Medizinprofessur einzurichten.48

43 Vier Theologen, drei Juristen, zwei Mediziner und fünf Artisten sollten ergänzt werden um einen Juristen, einen Mediziner und noch zwei Artisten, vgl. Visitationsrezess (1666), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 89. 44 Visitationsrezess (1702), in: Ebd., S. 263. 45 Die Weigerung der übrigen Professoren zur Einrichtung einer vierten Theologieprofessur kann anschaulich anhand der Befragung der Professoren im Zuge der Visitation im Januar und Februar 1755 nachvollzogen werden, als sie gefragt wurden, ob ein vierter Theologe nötig und aus der Universitätskasse bezahlbar sei. So in: RAS, Pommeranica, Vol. 424, o. fol. 46 Vgl. Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. LXVII sowie Seth: Universität Greifswald, S. 172–173. 47 So argumentierte zumindest der Visitationsrezess von 1775 der die „[...] Anzahl der ordentlichen Lehrer auf unserer Academie Greifswald [...] auf fünfzehn Professores“ auch „fürs künftige“ beschränkt wissen wollte, in: Visitationsrezess (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 405. 48 Vgl. die Regelungen zu den Professuren der einzelnen Fakultäten im Visitationsrezess (1775), in: Ebd., S. 407–410.

2.1. Personal und Gehalt

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Das Jahresgehalt der 1702 bestimmten 13 Professoren sollte auch weiterhin 200 Reichstaler betragen. Die Auszahlung hatte quartalsweise mit jeweils 50 Reichstalern zu erfolgen. Die Gehaltstermine korrelierten dabei nicht zufällig mit den Abgabeterminen der Dienst- und Pachtgelder, da hierdurch die Wahrscheinlichkeit sehr hoch war, dass die Universitätskasse gefüllt sein würde. Neben dem monetären Lohn definierte der Rezess außerdem die weiteren, traditionellen Bestandteile der jährlichen Professorenalimentierung – die materiellen Berechtigungen: Eine Dienstwohnung oder eine entsprechende Ersatzzahlung (Locarium), 20 Fuhren Brennholz (Deputatholz), eine gewisse Anzahl Rauchhühner und die Befreiung von Steuern und Abgaben.49

c) Gehälter nach 1756 König Adolf Friedrich erhöhte im Juni 1756 sämtliche Greifswalder Professorengehälter um 200 Reichstaler. Zum ersten Mal seit sie 1646 angepasst, fixiert und anschließend eine Erhöhung bei besserer Kassenlage immer in Aussicht gestellt worden war,sind die Ordinariengehälter tatsächlich erweitert worden.50 Nach einigen Jahren der Praxiserfahrung mit der neuen ursprünglich willkommenen Lohnerhöhung brachte die Greifswalder Professorenschaft allerdings eindringliche Einwände vor. Denn tatsächlich hatte es sich nur um eine rein nominelle Verbesserung des Lohns gehandelt: Die 400 Reichstaler waren laut königlichem Beschluss „in 2/3 Stücken [...] current mit 2 pro cent l´agio“51 auszuzahlen. In Anbetracht der kriegsbedingten Inflation und hoher Wechselkurse verbesserte sich die ökonomische Situation für die Professoren de facto „durch dieses augment nicht“. Wenn schon in Zweidrittelstücken ausbezahlt würde, dann müsste man sich nach dem realen und nicht nach dem Nennwert der Münze richten, d.h. wenn in Zweidrittelstü-

49 Vgl. Visitationsrezess (1702), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 285. 50 Den Bedenken Einzelner im Rat, dass dadurch keine Mittel übrig bleiben würden, um begabte Lehrer durch individuelle finanzielle Anreize nach Greifswald zu locken und dass selbst die 400 Reichstaler im Vergleich mit den übrigen deutschen und auch schwedischen Universitäten kaum eines Professors angemessen seien, wurde offenbar erfolgreich mit dem Verweis auf die Zuständigkeit der akademischen und eben nicht der Landeskasse begegnet. Vgl. Seth: Universität Greifswald, S. 157–158. Reichenbach schlug ein Jahr später in seinem Rezessentwurf diesbezüglich vor, dass besonders ehrenhafte und berühmte Wissenschaftler aus der königlichen, bzw. Landeskasse gefördert werden könnten. Vgl. Reichenbachs Rezessentwurf (1757), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 225. 51 Erhöhung der Besoldung der Professoren (1756), in: Ebd., S. 202–204. Als Agio bezeichnete man das Aufgeld, das beim Münzwechsel anfiel; „[...] dasjenige, so bei Umsetzung der Münze oder Schließung eines Wechsels dem Wechsler als ein Gewinn bezahlet wird.“ Das Agio bildete also die stets vom jeweiligen Wechselkurs abhängige Differenz zwischen Nennwert und Ausgabewert der Münze. „Aufgeld“, in: Krünitz: Ökonomisch-technologische Enzyklopädie, Bd. 2 (1773/ 1782), S. 239.

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2. Personalkosten

cken ausbezahlt werde, dann müssten es 600 Reichstaler sein.52 Diese Forderung der Professorenschaft, die sich nicht mit der ihr gewährten Lohnerhöhung zufrieden gab, nachdem sie über hundert Jahre lang regelmäßig und scheinbar ausschließlich darum gebeten hatte, wirkt auf den ersten Blick undankbar und habgierig und spielte in diesem Sinne der Universitäts- und Professorenkritik der Autoren der Aufklärung in die Hände. Eine direkte Konsequenz hatte der Einwand der Professorenschaft 1761 zunächst nicht zur Folge. Erst mit dem Rezess von 1775 wurde das Mindestgehalt der Greifswalder Ordinarien auch normativ dem tatsächlichen Wert angepasst und um das zu zahlende Agio auf insgesamt 412 Reichstaler ergänzt.53 Im Zuge dessen wurden den Ordinarien allerdings auch explizit die privaten Nebentätigkeiten untersagt.54 So sollten die Rechtsgelehrten nicht mehr „bey irgend einem Untergerichte [...] practiciren“ und hätten sich „aller Geschäfte, die mit Reisen verknüpfet sind, schlechterdings zu enthalten.“55 Den Ordinarien der Medizinischen Fakultät war nicht mehr „verstattet, sich mit der medicinischen Praxi zu befaßen, als ohne Versäumung ihres Lehramts geschehen kann.“56 Nach wie vor lag das Professorengehalt der Universität Greifswald aber weit unter dem der meisten deutschen und schwedischen Universitäten.57 Diesbezügliche Beschwerden der Greifswalder Professoren, die insbesondere auf die permanent steigenden Lebenshaltungskosten hinwiesen, erreichten König Gustav IV. Adolf zu Beginn des neuen Jahrhunderts.58 Als dieser im Jahr 1803 zu Besuch in Stralsund weilte, gelang es dem Generalgouverneur und engagierten Kanzler der Universität den König zu einer Erhöhung des Grundgehalts zu bewegen. Sein Hauptargument zielte dabei auf das königliche Interesse an einer Reform der Universität ab: Auswärtige, talentierte Lehrer und Gelehrte würden fortan einen Ruf nach Greifswald nicht mehr aus finanziellen Gründen ausschlagen müssen.59

52 Diesen Betrag erhielten zeitgleich die Assessoren am Wismarer Tribunal, vgl. dazu sowie insgemein zu den Einwänden der Professorenschaft: Die von Kellmann in Stockholm zu vertretenden Angelegenheiten, in: UAG, Altes Rektorat R2279, fol. 45r–46v. 53 „ [...] fürs künftige zu 412 Reichstaler Pommersch courant nach dem Leipziger Fuß gesetzet.“ so in: Visitationsrezess (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 431–432. 54 Weiterhin gestattet blieben die ‚traditionellen‘ Nebentätigkeiten als Stadtpfarrer, am Geistlichen Ministerium, als Stadtsyndikus und städtischer Mediziner (Stadtphysicus). 55 Visitationsrezess (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 408. 56 Wenn sie „zu Curen außer der Stadt gerufen werden“ würden, so müsste dies immer vom Rektor bewilligt werden. So im Visitationsrezess (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 409. 57 Vgl. dazu auch Kapitel 2.3.1.b. Phasen der Professorenbesoldung ab S. 227. 58 Vgl. dazu exemplarisch das Schreiben der Professoren Schlegel, Warnekros, Muhrbeck, Möller und Haselberg an den König vom 4. August 1803 mit der Bitte um eine Lohnerhöhung wegen der gestiegenen Preise, in: RAS, Pomm. Vol. 229. o. fol. 59 Vgl. Seth: Universität Greifswald, S. 295 und Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. LXXV.

2.1. Personal und Gehalt

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d) Monetäre Abschreckungsstrategien Mit der 1702 erfolgten Vereinheitlichung der Professorengehälter fanden die unterschiedlichen Nebeneinkünfte keine strukturelle Berücksichtigung mehr. Im Gegenteil wurde den Professoren sogar explizit untersagt, sich einer oder sogar mehrerer Nebentätigkeiten zu widmen, da diese sie von ihren eigentlichen Aufgaben ablenken würden. Wie bei der vorangegangenen Visitation sollte auch 1699 durch eine Verbesserung des ökonomischen Zustandes der Universität die Verbesserung von Lehre und Wissenschaft erreicht werden. In diesem Sinne sollten die „tüchtigen, wohlqualificirten und geschickten“ Lehrer aller Fakultäten „zum fleiß“ motiviert werden, indem zu ihrer subsistence und außkommen zureichende salaria und unterhaltungsmittell angeordnet werden, damit dieselbe nicht, andere neben bedingunge zu suchen und dadurch von dehnen ihnen principaliter obliegenden geschäfften sich distrahiren zu laßen, genöthiget sein mögen.60

Die finanzielle Absicherung sollte dem Ordinarius Motivation zur zuverlässigen Lehrtätigkeit sein. Die Korporation würde für seine ausreichende Lebenshaltung Sorge tragen, damit dieser sich ausschließlich auf seine korporativen Aufgaben konzentrieren könnte. Hier zeigt sich ein neues Verständnis der Universität als Arbeitgeberin, die für die vollständige Alimentierung ihres Personals aufkommen sollte – und dazu erstmals auch die finanziellen Voraussetzungen aufwies. Neben dieser sehr abstrakten Motivierung durch finanzielle Absicherung setzten Visitatoren und Regierung 1702 zur Verbesserung der akademischen Lehre aber ebenfalls auf Strategien der finanziellen Abschreckung bei Nichteinhaltung des vorgegebenen, erhöhten Lehrpensums: Wenn ein Professor kein jährliches collegium privatum hielt, waren ihm 10 Reichstaler vom Gehalt abzuziehen, bei Ausfall einer Disputation oder eines actum oratorium 2 Reichstaler. Zur Überprüfung hatte jeder Lehrer eine sogenannte Fleißliste zu führen. Diese Strafgelder, die sogenannten Neglecten, sollten in einer „verordnete[n] extraordinair cassa“ gesammelt und „zu einem besondern capital dem corpori zum besten gehören“61, d.h. gewinnbringend angelegt werden.62 Die Maßnahme der Neglecten-Strafe war dabei kein neues Instrument. Der Vorgängerrezess hatte bereits die gleichen Strafgelder bei entsprechenden Versäumnissen verhängt sowie bestimmt, dass Neglecten als Kapital zum Nutzen der Universität anzulegen seien.63 Und auch schon vor 1666 hatte man wiederholt versucht, einer Vernachlässigung der Vorlesungen durch das Verhängen

60 Visitationsrezess (1702), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 263. 61 Ebd., S. 269. 62 Die in dieser „extraordinairen cassa“ gesammelten Gelder waren ursprünglich zur Kapitalanlage vorgesehen, vgl. dazu Kapitel 5.1.6. Akademisches Kapitalwesen in Greifswald – Normgebung ab S. 393 und Kapitel 5.3.1.b. Eigenkapitalvergabe nach 1670 ab S. 408. 63 Wenn von 100 zu haltenden Vorlesungen eine versäumt würde, sollten dem Professor 1,33 Gulden vom Gehalt abgezogen, 4 Gulden für eine versäumte Disputation oder actum oratorium und 20 Gulden für nicht gehaltene privatii collegii, vgl. Visitationsrezesses (1666), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 99 u. 109.

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2. Personalkosten

von Neglecten-Strafen entgegen zu wirken. 1629 legte ein Landtagsabschied fest, dass ein Professor für jede versäumte Veranstaltung 4 Mark (1,33 Reichstaler) abzugeben hätte.64 1634 ist dieser Passus inklusive der Verpflichtung zu einem „verzeichnuß, wie offt er gelesen“ in das Dotationsinstrument übernommen worden65 und auch Königin Christina wiederholte die Neglecten-Strafe in ihrer Resolution von 1653, zeigte dabei aber immerhin Verständnis für die finanziell schwierige Lage der Professoren als Ursache des Problems.66 Die wiederholte Strafgeld-Androhung für Lehrversäumnisse hatte aber offenbar keine Auswirkungen auf die Praxis. Die Visitatoren monierten noch 1730, dass die Neglecten-Strafe „bißhero gar nicht in Obacht genommen sey“67 und 25 Jahre später bestätigten die im Rahmen der erneuten Visitation befragten Professoren allesamt, dass keine Neglecten gezahlt worden seien. Der Medizinprofessor Scheffel68 versicherte sogar, dass Neglecten-Strafen seines Wissens bisher gar nicht nötig gewesen seien.69 Tatsächlich erlaubte eine normative Einschränkung der Neglecten-Strafe im Krankheitsfall oder wenn die Professoren „ex publica causa necessario absentes“70 wären, bis 1702 eine weite Auslegung und entsprechende Nichtbeachtung. Auffällig ist, dass im Rezess von 1702 ausgerechnet diese Ausnahme nicht übernommen, sondern nur noch allgemein an den „högsten[n] ernst und fleiße“ der Professoren appelliert wurde. Vermutlich blieb aber auch weiterhin eine großzügige Auslegung Handlungspraxis. Geldstrafen bei professoralem Fehlverhalten fanden noch 1742 Anhänger. Innerhalb der Professorenschaft war wiederholt Streit ausgebrochen, der das Konzil teilweise handlungsunfähig machte.71 Um solche Situationen künftig zu vermeiden, sollte der Rektor daher einem Professor, der „seinen Collegen verunglimpfet“, den Lohn entziehen, bis die Angelegenheit geklärt wäre.72 Im Laufe des 18. Jahrhunderts lässt sich aber eine Abkehr vom offensichtlich nur leidlich funktionierenden Straf- und eine deutliche Hinwendung zum Belohnungsprinzip erkennen. Zunehmend wurden Forderungen nach leistungsbezogenen Gehältern oder regelrechten Boni laut, wie sie 1756 von Johann David von Rei-

64 Vgl. ebd., S. LV– LVI. 65 Übertragung des Amtes Eldena (1634), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 423. 66 Vgl. Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. LV u. 32. 67 Vgl. Abschied der Visitatoren (1730), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 28. 68 Christian Stephan Scheffel, Greifswalder Professor der Medizin 1726–1760, vgl. Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 290. 69 Vgl. die Befragung der Professoren durch die Visitationskommission im Januar und Februar 1755, in: RAS, Pommeranica Vol. 424, o. fol. 70 Visitationsrezess (1666), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 109. 71 Vgl. dazu den Pietismusstreit im Konzil in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts Kapitel 1.2.6. Ökonomische Stabilität und Wirtschaftswachstum (1702–1750) ab S. 48. 72 Entwurf eines Visitationsabschiedes (verm. 1742), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 124.

2.1. Personal und Gehalt

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chenbach formuliert73 und im Rezess 1775 in abgeschwächter Form aufgenommen wurden.74 2.1.3. Weitere Lehrer Um die Lehre trotz vergleichsweise kleinem Professorenkollegium und häufiger Vakanzen zu sichern und die „erweiterte Absicht“ der Landesherrschaft „mit unserer pommerschen Academie pflichtschuldigst auszuführen“, müsse die Anzahl der Ordinarien „durch hinlängliche Adjuncten und Privatdocenten unterstützet“75 werden. So formulierten es zumindest die Visitatoren der 1770er Jahre. Zur Entlastung sollte den Professoren daher der Unterricht in andern gelehrten Sprachen, als den orientalischen, und in den schönen Wißenschaften künftig entnommen, und solcher den Adjuncten und Privatdocenten vorbehalten sein.76

Die Privatdozenten (doctores privati) hatten im 17. Jahrhundert gegen Honorare Lehraufgaben vor allem an der Philosophischen Fakultät übernommen. Gegen die wachsende Anzahl von Extraordinarien und Adjunkten konnten sie sich allerdings in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nicht durchsetzen.77 Erst gegen Mitte des 18. Jahrhunderts erwähnen akademische Quellen dann wieder die Privatdozenten – hauptsächlich an der Philosophischen Fakultät. Ihren Lehrauftrag erhielten sie offenbar mündlich durch den Kanzler. Erst 1775 wurden die Voraussetzungen und Prüfverfahren zur Erteilung der venia an Privatdozenten in Greifswald auch normativ festgelegt. Aus den Reihen der Privatdozenten rekrutierten Rektor und Konzil fortan die Anwärter zu den Adjunkturen bzw. Extraordinariaten. Sie standen in keinem Lohnverhältnis zur Universität, sondern wurden ausschließlich durch Kolleggelder, d.h. von den Studierenden direkt entlohnt. Daher werden sie im Rahmen der hier vorliegenden Betrachtung nicht zum Personal der Universität gerechnet. Dafür aber die aus der Universitätskasse entlohnten Extraordinarien, Adjunkte sowie die Sprach- und Exerzitienmeister.

73 Vgl. Ebd., S. LXXV, Seth: Universität Greifswald, S. 160 sowie Reichenbachs Schrift, auf die sich beide Texte beziehen: „Unmaßgebilcher Vorschlag wegen Verbeßerung der Universitet zu Greifswald“, in: RAS, Pommeranica Vol. 481, o. fol. 74 Tatsächlich waren Mitte des 18. Jahrhunderts bereits einige Professoren in den Genuss einer individuellen Gehaltserhöhung gekommen, was bestehende Konflikte im Konzil zumindest verstärkt hatte, vgl. dazu Kapitel 2.3.1.d. Kampf ums „Augmentum Salariorum“ ab S. 236. Zu den schwedischen Reformplänen für die Universität und Umsetzungsstrategien vgl. Kapitel 1.2.6. Ökonomische Stabilität und Wirtschaftswachstum (1702–1750) ab S. 48 und Kapitel 1.2.7. Wirtschaftskrise, Verschuldung und Reformdruck (1750–1775) ab S. 54. 75 Visitationsrezess (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 406. 76 Ebd., S. 410. 77 Vgl. Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. XLVIII–XLIX.

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2. Personalkosten

a) Extraordinarien und Adjunkte Extraordinariate und Adjunkturen sind im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts phasenweise strikt voneinander unterschieden, teilweise aber auch synonym verstanden worden. Noch im 17. Jahrhundert gehörten die Adjunkte der Philosophischen Fakultät an und die Extraordinarien den oberen Fakultäten. Beide hatten „die jugend privatim et publice [zu] informieren“.78 Vor allem gaben sie gegen Honorar in ihren jeweiligen Fachgebieten sogenannte collegia privata, in welchen sie das vorhandene Lehrangebot der Ordinarien ergänzten. Behandeln durften sie dabei nur, was nicht publice gelesen wurde. Diese Einschränkung ihres Lehrangebots wurde in dem Visitationsrezess von 1666 weitgehend aufgehoben. Gleichzeitig gestattete die neue Ordnung, dass Ordinarien fortan auch privatim lesen durften. Da die Ordinarien zeitgleich nach wie vor noch nicht ihre vollen Gehälter erhielten und wiederholt Lohnausfälle zu verzeichnen hatten, ist es nicht verwunderlich, dass sie sich zunehmend auf diese privaten, d.h. eben gebührenpflichtigen, Vorlesungen und collegia konzentrierten. In der Folge verminderte das die Qualität der öffentlichen und verpflichtenden Lehrveranstaltungen in erheblichem Maße, für deren Vorbereitung und Durchführung vergleichbar weniger Aufwand betrieben wurde. Die Zahl der Extraordinarien nahm nach 1666 außerdem deutlich zu. Dass Ordinarien und Extraordinarien in unmittelbare Lehr- und Erwerbskonkurrenz traten und sich ihre Zuständigkeiten in der akademischen Lehre annäherten bzw. überschnitten, verwischte die Grenze zwischen den beiden Ämtern.79 Der Visitationsrezess von 1702 beschränkte die außerordentlichen Lehrstellen schließlich wieder strikt und stellte die Extraordinariate sogar ganz ein. An die Stelle der Extraordinarien traten die Adjunkte von denen jeder Fakultät nur noch maximal zwei zugestanden wurden. Ein angehender Adjunkt müsse sich „zu einer solchen Funktion“ in einer öffentlichen Disputation habilitiert haben. Das Präsentations- und Berufungsverfahren entsprach dem der ordentlichen Professoren.80 Der Extraordinarius hatte somit das neue schwedische Etikett des bisher der Philosophischen Fakultät angehörigen Adjunkts erhalten, wie es für das gesamte 18. Jahrhundert gelten sollte. Spätestens in den 1760er Jahren kam das Prädikat des Extraordinariats wieder auf. Fortan verschwammen die Grenzen deutlich, als vereinzelt Adjunkte – bei gleichbleibendem Gehalt – einen außerordentlichen Professorentitel erhielten. Diese Beförderungspraxis erhob die Universität in ihren Statuten 1774 nicht nur zur Norm, sondern bezeichnete die so beförderten Adjunkten sogar explizit wieder als „extraordinariis“. Dem Titel nach, d.h. formell, ist hier zwar eine Unterscheidung

78 Visitationsrezess (1666), in: Ebd., S. 89. 79 Vgl. Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. XLVIII–L. 80 Vgl. auch für das Folgende Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. LXX.

2.1. Personal und Gehalt

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auszumachen, hinsichtlich der Besoldung jedoch nicht. Nach 1795 wurden schließlich auch reguläre Adjunkte als Extraordinarien bezeichnet.81 Dass aus den Reihen der Adjunkte vakante Professuren mit bekannten und bewährten Personen besetzt werden könnten, war 1666 schon angedacht82, aber erst 1775 konkret ausformuliert worden: Neben der Entlastung der Ordinarien in der Lehre wurde die Adjunktur als „Pflanzschule künftiger Professoren“ bezeichnet.83 Die ‚Setzlinge‘ wurden in der Regel von den Professoren präsentiert, ihre Berufung erfolgte durch den Kanzler. Die Bedingungen ihrer Präsentation und Annahme durch den Kanzler sind 1775 erstmals ausführlich definiert worden. Im Falle einer vakanten Professur, die über einen längeren Zeitraum nicht neu besetzt werden konnte (z.B. wegen Uneinigkeit im Konzil), sollte der Kanzler neue Adjunkte und Privatdozenten annehmen und zur Sicherung der Lehre einsetzen können.84 Zwanzig Jahre später versicherte der neue Visitationsrezess, dass sich der Kanzler keinesfalls auf die rezessgemäß vorgegebene Adjunkten-Zahl von jeweils einem pro Fakultät beschränken müsse. Er könne „nach findenden Bedürfnißen“ weit mehr Adjunkte einstellen und auch deren Gehalt festlegen.85 Im Gegensatz zu den Privatdozenten erhielten Adjunkte und Extraordinarien zusätzlich zu den Kolleggeldern auch ein akademisches Gehalt. Die Gehälter waren aber sehr häufig nicht festgelegt, wie jene der Ordinarien und unterlagen insbesondere während des 17. Jahrhunderts noch weit größeren Schwankungen und Unsicherheiten als die Ordinarienlöhne. Ivar Seth beschreibt, dass einige der Greifswalder Extraordinarien nicht aus der akademischen, sondern aus der Staatskasse entlohnt wurden. Dabei handelte es sich aber nur um wenige Ausnahmen; vor allem um Lehrer, die von der um die Universität Greifswald bemühten Königin Christina um 1650 als Extraordinarien in Greifswald eingesetzt worden waren – und nicht

81 Daher werden auch hier im Folgenden – das 18. Jahrhundert betreffend – beide Amtsbezeichnungen synonym verwendet. Der Visitationsrezess setzte 1775 zur Norm, dass der Weg in eine Adjunktur vorwiegend über eine Privatdozentur verlief. Zuvor waren bereits Stimmen laut geworden, dass ein angehender Adjunkt über ausreichend Lehrerfahrung verfügen und seine Befähigung in öffentlichen Disputationen unter Beweis gestellt haben sollte. So forderte Johann David von Reichenbach zum Beispiel 1757 in seinem Rezessentwurf sehr deutlich: Niemand solle als Adjunkt angenommen werden, „der nicht schon vorher durch 2jährige Vorlesung und offentliches Disputiren Proben seiner Geschicklichkeit abgeleget hat.“, Entwurf eines Visitationsabschiedes (1757), in: Ebd., S. 227. 82 Wenn sich Adjunkte und Extraordinarien als besonders geeignet erwiesen, könnten sie „bey bestellung der ordinar professionen wie auch sonst im lande insonderheit auch der Adjunctorum bey besetzung fürnehmer pfarrdienste [...]“ bevorzugt werden, so im Visitationsrezess (1666), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 90. 83 Visitationsrezess (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 411. 84 Vgl. ebd., S. 412. 85 Diese Regelung führte zu einer deutlichen Zunahme der Adjunkten-Anzahl. 1802 waren bereits zehn Adjunktenstellen eingerichtet. Während der napoleonischen Kriege war der schwedische König anderweitig beschäftigt und konnte auch keine neuen Professoren berufen. Unter diesen Umständen war es somit möglich den entstehenden Lehrermangel mit Adjunkten auszugleichen, vgl. ebd., S. LXXI.

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2. Personalkosten

lange dort blieben. Entsprechend der Personalpraxis der schwedischen Regierung für die reichsschwedischen Universitäten sollte auch die pommersche Universität trotz finanzieller Not mit zusätzlichen Lehrkräften ausgestattet werden, ohne dass die akademische Kasse dafür aufkommen sollte. In Greifswald waren es drei außerordentliche Professoren, die aus der königlichen Kasse entlohnt wurden86: – – –

Friedrich Monavius, Extraordinarius der Medizin von 1649 bis 1659. Jahresgehalt: 250 Reichstaler.87 Johann Hieronymus Staude, Extraordinarius für Orientalische Sprachen von 1651 bis 1655. Jahresgehalt: 300 Reichstaler.88 Johann Friedrich König, Extraordinarius der Theologie von 1651 bis 1656. Jahresgehalt: 300 Reichstaler.89

Diese drei landesherrlich ausgestatteten Extraordinarien erhielten also ein bis zu Dreifaches des Gehalts eines Greifswalder Ordinarius.90 Die Höhe der Gehälter jener Extraordinarien, die aus der akademischen Kasse entlohnt wurden, bestimmten hingegen Rektor und Konzil (bzw. Kanzler) im Einstellungsfall. Die Höhe der Kolleggelder, die sie von ihren Studenten verlangen durften, war dagegen in den Fakultätsstatuten festgelegt. Im Zuge der intensiven Bemühungen um eine Verbesserung der Lehre während des 18. Jahrhunderts schufen auch zunehmend die Rezesse Richtlinien für zu erhebende Gebühren als eine Art Gebührenordnung für Lehrveranstaltungen.91 Ein festes Gehalt für außerordentliche Lehrer bestimmte erstmals der Rezess von 1702: Ein Adjunkt sollte „50 reichsthaler zum jährlichen unterhalt“ haben.92

b) Sprach- und Exerzitienmeister In Greifswald lassen sich ab den 1670er Jahren auch Sprach- und Exerzitienmeister unter den außerordentlichen Universitätslehrern ausmachen, bzw. können seitdem 86 „Johann Hieronymus Staude [...] ward 1651 durch Empfehlung des Curators Johann Lillienström hier professor linguarum orientalum; die Königin gab ihm, ebenso wie dem Theologen König und dem Mediciner Monau, das Gehalt aus der Staatscasse, weil sie als überzählige Lehrer angesehen wurden, die das Patrimonium der Universität nicht zu versorgen habe“, Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 259. 87 Vgl. auch für das Folgende Seth: Universität Greifswald, S. 37–38 sowie Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 258. 88 Vgl. ebd., Bd. 1, S. 259. 89 Vgl. ebd., Bd. 1, S. 256. 90 Zur gleichen Zeit erhielten die Ordinarien durchschnittlich rund 150 Gulden im Jahr, d.h. 75 Reichstaler aus der Universitätskasse. 91 1775 legte der Rezess beispielsweise exakt fest, für welche Art Veranstaltungen welcher Betrag zu zahlen sei (je nach Aufwand des Lehrers zwischen 3 und 6 Reichstaler), vgl. Visitationsrezess (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 414–416. 92 Visitationsrezess (1702), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 264.

2.1. Personal und Gehalt

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ihre Lehrveranstaltungen an der Universität nachgewiesen werden. Die Sprachmeister lehrten als Erweiterung zu den antiken Sprachen moderne Sprachen, wie Französisch, Englisch, Italienisch, Schwedisch und Russisch. Zu den sogenannten Exerzitienmeistern zählten zunächst der Fecht- und der Tanzmeister und gegen Ende des 18. Jahrhunderts auch ein Zeichen- und ein Reitlehrer. Die Lehrenden mussten keinen akademischen Grad nachweisen, stand ihre Lehre schließlich auch in keinem Zusammenhang zu den Fakultäten und Lehrstühlen. Ihre Fächer dienten vielmehr als Zusatzangebot insbesondere dazu, die Attraktivität der Universität zu erhöhen, um mehr Studenten anzulocken.93 Die Greifswalder Sprach- und Exerzitienmeister wurden 1678 bereits als Universitätsverwandte bezeichnet94, ihre rechtliche Zugehörigkeit zur Körperschaft, d.h. ihre Teilhabe an akademischer Immunität und Jurisdiktion, bestätigte allerdings erstmals der Visitationsrezess von 1702.95 Ihre Inkorporierung zu Beginn des 18. Jahrhunderts kann auch als Anreiz verstanden werden, geeignete Kandidaten für die Universität zu gewinnen. Denn daran herrschte offenbar Mangel. Zumindest in den ersten Jahrzehnten unterrichtete häufig ein Lehrer mehrere dieser Fächer. Das quantitative Defizit an Exerzitienmeistern schien sich Mitte des 18. Jahrhunderts zu einem qualitativen entwickelt zu haben, als ein „Mangel an zureichlich und geschickten Sprach- und Exerzitienmeistern“ geherrscht haben soll. Daher sollten die Erwartungen an jene Lehrer deutlicher formuliert und geprüft werden: Anzustellen seien zwei „gründliche“ und „lieber Ausländische als Teutsche“ Sprachmeister für Italienisch, Französisch und Englisch, ein Zeichenmeister, „der zugleich etwas in Kupferstechen praestiren kann“ und ein Tanz- und Fechtmeister.96 Diese Auswahl bestätigte der Rezess von 1775 weitgehend (ohne die italienische Sprache) und ergänzte sie um einen „nächstens anzuordnende[n] Bereiter.“97 Die Einrichtung einer Reitlehrerstelle (Bereiter oder Stallmeister98) war direkt an die Realisie-

93 Vgl. auch die Arbeit zu den Sprach- und Exerzitienmeistern an der Universität in Tübingen, Schöttle: Männer von Welt. 94 Die „Exercitien-Meyster“ werden bereits „als bereite Fechtmeister, Sprachmeister und Tantzmeister“ in den Bestimmungen zur Steuerfreiheit der akademischen Häuser (1676) aufgeführt, in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 170. 95 Vgl. Visitationsrezess (1702), in: Ebd., S. 276–277. 96 So im Entwurf eines Visitationsabschiedes (1757), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 243. 97 Visitationsrezess (1775), in: Ebd., S. 428. 98 Die Bezeichnung dieses Exerzitienmeisters ist 1794 im Konzil debattiert und an die Visitatoren zur Empfehlung weiter gegeben worden: Der Rektor und ein Teil des Konzils schlugen der Visitationskommission vor „dem Lieutenant v. [Thorsten] als ersten Vorsteher der Manege statt des Titels eines Bereuters den eines Stallmeisters beizulegen.“ Einige Konzilsmitglieder hatten zwar dagegen gestimmt, die Kommission unterstütze trotzdem den „Stallmeister“-Vorschlag und wollte diesen dem König empfehlen. So im Visitationsprotokoll vom 30. Juni 1794, in: RAS, Pommeranica Vol. 450, o. fol. Dem Bereiter sollte daraufhin die Bezeichnung eines Stallmeisters genehmigt werden, unter der Voraussetzung dass dann nicht noch ein zusätzlicher Bereiter eingestellt würde, vgl. den Visitationsrezess (1795), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 521. Andreas Mayer hat den Reitlehrer in seinem Riß und Kos-

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2. Personalkosten

rung der seit langem angedachten Reitbahn gebunden. Mit Errichtung der Reitbahn im Jahr 1789 erweiterte also ein Reitlehrer den Kreis der Exerzitienmeister.99 Nachdem 1800 der Kreis der Sprachmeister um einen weiteren Lehrer für Schwedisch und Russisch ergänzt worden war, zählte die Universität zu Beginn des 19. Jahrhunderts also insgesamt drei Sprach- und vier Exerzitienmeister. 1775 übertrug der Rezess die Auswahl und Berufung der Sprach- und Exerzitienmeister ausschließlich dem Konzil. Zuvor waren sie, inklusive der Lehrproben durch den Kanzler bestimmt und eingesetzt und vom Konzil nur noch angenommen worden. Ihre Besoldung erfolgte durchgehend aus der akademischen Kasse. Im 17. Jahrhundert wurden die Gehälter in der jeweiligen Bestallung festgelegt. Das Konzil bestimmte die Gehaltshöhe und eventuelle Erhöhungen.100 Erstmals normativ und allgemeingültig wurden die Gehälter der Sprach- und Exerzitienmeister bei ihrer Inkorporierung 1702 festgelegt: Jeder von ihnen sollte jährlich 100 Gulden aus der Universitätskasse erhalten. Von den Honoraren, die sie jeweils von ihren Schülern „für den übrigen unterhalt“ frei verlangen konnten, hatten sie allerdings „Rectori und concilio [Rechenschaft und] gebührende parition jedesmahl zu leisten [...].“101 Die Möglichkeit einer Lohnerhöhung wurde – wie üblich – bei Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Universität nicht ausgeschlossen. Im Zusammenhang mit einer qualitativen Verbesserung der Sprachlehre und des Exerzitienangebots wurde 1757 eine Lohnverdoppelung für die besonderen Lehrstellen zwar angedacht, ist aber in der Folge nicht umgesetzt worden.102 Der Rezess von 1775 verdeutlicht vielmehr, dass das Gehalt wie auch die anderweitige Zulagen für die Sprach- und Exerzitienmeister nicht mehr generell festgelegt, sondern fortan mit jedem Anstellungsvertrag individuell geregelt wurden – mit der Aussicht auf Gehaltsverbesserung „nach seinen [des Exerzitienmeisters] Verdiensten“.103 Der akademische Tanzmeister, der neben den Studenten auch Familienmitglieder und Gäste von Universitätsverwandten im Tanz unterrichtete, musste im Laufe des 18. Jahrhunderts immer wieder seinen ‚akademischen Tanzbereich‘ verteidigen. Der Amtmann in Eldena ließ beispielsweise seine Tochter von einem nicht lizensierten Tanzmeister in der Stadt unterrichten, statt von Reinholdt Carger, dem

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tenvoranschlag für die Reitbahn 1756 schon als „Stallmeister“ eingeplant, vgl. RAS Pommeranica, Vol. 424, o. fol. Zur Reitbahn vgl. auch Kapitel 3.3.5.c. Die Reitbahn ab S. 312. Dem neuen Fechtmeister Daniel Beck standen 1690 noch jährlich 15 Gulden zu. Im Procuraturregister von 1691–1692 vermerkte Völschow dann, dass der Fechtmeister „nunmehro ex decrto Concilii“ 30 Gulden erhielt, vgl. UAG, Kurator St. 992, Procuraturregister von 1691–1692, pag. 88. Visitationsrezess (1702), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 277. „[...] dem [!] Sprach und Exerzitienmeister“ sollen 100 Reichstaler Gehalt und ein „locatorium von 15 Reichsthaler“ zukommen. Außerdem solle man sie „von allen Contributionen und Abgiften befreyen, und ihnen zugestehen, monathlich von jeden Scholairen 2 Reichsthaler zu nehmen.“ Der Zeichenlehrer, der Tanz- und der Fechtmeister sollten monatlich 1,5 Reichstaler Honorar verlangen dürfen, so im Entwurf eines Visitationsabschiedes (1757), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3., S. 243. Visitationsrezess (1775), in: Ebd., S. 432.

2.1. Personal und Gehalt

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akademischen Tanzmeister, der zu eben diesem Zweck eingestellt, nur äußerst ge ring entlohnt und daher in besonderem Maße von seiner Universitäts-Kundschaft abhängig war. Carger verteidigte von 1725 bis zu seinem Tod 1769 aus diesen Gründen durch möglichst häufige Beschwerden bei Rektor und Konzil vehement seine Tanzschüler- und Gebührenbasis. Sein Nachfolger Heinrich Hugo Kayser setzte statt der Abgrenzung oder Ausschaltung der lokalen Konkurrenz hingegen auf eine Aufstockung des geringen Gehalts. Bereits in seinem Bewerbungsschreiben forderte er eine Erhöhung, die er zwanzig Jahre tatsächlich erhielt: sein Gehalt wurde auf 100 Reichstaler verdoppelt.104 Bei der Akquise von Tanzschülern hatte Kayser aber womöglich auch Vorteile ganz individueller Natur, wie sie Carger nicht gehabt hatte. Jedenfalls hatte Kayser keinen Mangel an Aufträgen und Schülern; nur drei Jahre nach seiner ersten Gehaltserhöhung gestatteten Kanzler und Konzil die Anstellung eines „Adjuncti des Tanzmeisters Kayser.“105 2.1.4. Verwaltungspersonal - Officiales Das Personal einer Universität besteht auch heute nicht nur aus Lehrern und Wissenschaftlern. Vor allem im Rahmen der frühneuzeitlichen Selbstverwaltung lassen sich aber die personellen Grenzen zwischen Lehre und Verwaltung tatsächlich nicht immer deutlich ziehen. Im Konzil, der versammelten Professorenschaft mit dem aus den eigenen Reihen an die Spitze gewählten Rektor, entschieden die Ordinarien gemeinschaftlich über die alltäglichen Vorgänge ihrer Universität. Die praktische Umsetzung der Konzilsentscheidungen und vor allem die Ausführung der Administration oblagen dann dem akademischen Verwaltungs- und Dienstpersonal. Sie bilden neben den Lehrern den zweiten und nicht unerheblichen Teil des akademischen Personal- und Sozialkörpers.106 Zur akademischen Verwaltung gehörten in Greifswald, so ist es 1702 definiert worden, „ein Syndicus, ein Procurator, ein Secretarius und zwene Pedellen.“107 Im Gegensatz zu den Professoren, Adjunkten und Exerzitienmeistern, ist der administrative Bestandteil des Personalkörpers im Laufe des 18. Jahrhunderts nur geringfügig ausgebaut worden. Aber auch schon 1702 arbeiteten für die Universität – jenseits von Lehre und Wissenschaft – bereits mehr als die vier Bediensteten. Zu erwähnen seien hier der Oeconomus, der Amtmann in Eldena, seine Holzvögte und Landreiter oder auch die Handwerker, die als Universitätsverwandte alle im weitesten Sinne „zur bedienung dieses corporis“ beitrugen.108 Allerdings gehörten nicht alle, die für und in Universitätseinrichtungen und in dem ab 1634 dazugehörigen Amt Eldena arbeiteten, zum eigentlichen Personal der Universität.109 Im Fol104 105 106 107 108 109

Vgl. UAG, Altes Rektorat St. 205, ab fol. 129r. Zirkular des Rektors Quistorp vom 18. September 1794, in: Ebd., fol. 366r. Vgl. insbesondere Rasche: „Unruhe“ am „academischen Uhrwerck“, S. 53–54. Visitationsrezess (1702), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 237. Ebd. Vgl. die oben (S. 171) gegebene Definition des Universitätspersonals.

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genden werden daher ausschließlich rechtliche Universitätsverwandte mit einem regelmäßigen und vertraglich festgelegten Gehalt aus der akademischen Kasse zum akademischen Personalkorpus gezählt. a) Amtmann von Eldena110 Der Amtmann von Eldena verwaltete den 1634 dotierten außerstädtischen Grundbesitz der Universität. Vor Amtsantritt leistete er der Universität den Eid, war aber der Landesregierung gegenüber direkt zur Rechenschaft verpflichtet.111 Sein Sonderstatus zwischen zwei Verantwortlichkeiten lässt den Eldenaer Amtmann nur „im weitesten Sinne“112 zu den Bediensteten der Universität Greifswald zählen. Das Verhältnis der Universität zu den jeweiligen Amtshauptmännern war vor allem Mitte des 17. Jahrhunderts nicht selten von Auseinandersetzungen geprägt. Drei Mal in relativ kurzer Folge hatten Amtsinhaber sogar abgesetzt werden müssen. 1653 erfolgte mit einer eigenen Instruktion für den neuen Amtmann eine Art Degradierung des Amthauptmanns zum rein verwaltenden und nur noch als „Amtmann“ bezeichneten akademischen Amtverwalters. Außerdem unterstellte Königin Christina ihn im gleichen Jahr der Aufsicht durch die Kuratel und behielt sich selbst, bzw. ihren Nachfolgern das Recht der Berufung vor.113 Praktisch blieb das Wahlrecht aber beim Konzil und hatten die Kuratoren kaum Einfluss auf den Amtmann, wie es der Rezess von 1666 auch normativ bestätigte. Instruktionen für den jeweils neu eingesetzten Amtmann auf Eldena beschreiben die Verwaltungs- und Kontrollaufgaben ausführlich. Dazu gehörten hauptsächlich die Aufsicht und Kontrolle – – –

über die Grenzen der Ackerwerke, Dörfer und Waldungen, dass diese nach den Bestimmungen des Dotationsinstruments bestehen blieben; dass Bewohner von angrenzendem Territorium nicht widerrechtlich auf Amtsgrund jagten oder Vieh trieben; dass von den Amtsbewohnern alle Pflichten und Dienste eingehalten würden.

Des Öfteren im Jahr sollte der Amtmann alles persönlich begutachten. Er hatte ein Amtsbuch zu führen, in dem er

110 Das Folgende orientiert sich an den Darstellungen zum Amt des Eldenaer Amtmanns in: Asmus: Dörfer der Universität, Asmus: Gutsherrin, Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. LXV sowie Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. LXXXII. 111 Vgl. Übertragung des Amtes Eldena (1634), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 417–430. 112 Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. LVIII. 113 Vgl. Resolution der Königin Christina (1653), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 27–35, Einsetzung des Amtmanns auf Eldena (1653),in: Ebd., S. 35–37 sowie Pkt. 5 der Instruktion für den Amtmann auf Eldena (1653), in: Ebd., S. 37–39.

2.1. Personal und Gehalt

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alle deßelben pertinentien unndt hebungen verzeichnet, unndt wie dieselbe von alter conditionirett gewehsen unndt sich anitzo befinden, auch nach dem willen Gottes verbeßert werden möchten, beschrieben werde [...].114

Ausgestattet mit einer hohen Verantwortung für die ökonomische Grundlage der Universität folgte der Amtmann in der akademischen Rangfolge als erster Bediensteter gleich nach den Ordinarien.115 Seine Entlohnung war vielfältig und wurde bis 1775 ausschließlich in den jeweils den Instruktionen beiliegenden Bestallungsurkunden festgelegt. In der Regel erhielt er ein monetäres Jahresgehalt von 100 bis 200 Reichstalern, unbegrenzt Feuerholz sowie eine bestimmte Menge an Roggen, Gerste und Hafer. Sein umfangreiches Locarium umfasste eine Dienstwohnung und eine gewisse Fläche Pachtland in Eldena, von dem er eigene Pachteinnahmen erzielte.116 Darüber hinaus durfte er aber keinerlei Geldzahlungen oder anderweitige Leistungen von den Gutspächtern der Universität für sich in Anspruch nehmen, „sondern alles ander uns und der universität Einkünfften getrewlich zu fliessen lassen.“117 Lange Zeit änderte sich wenig an Aufgabenbestimmung und Gehalt des Amtmanns, obwohl die Melioration des Amtes, eine damit einhergehende Erhöhung der Revenuen und dadurch die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Universität beinahe durchgehend das ausgesprochene Ziel sämtlicher Reformbemühungen waren. In diesem Sinne schränkten 1775 der Visitationsrezess und die Einrichtung der Akademischen Administration die bisherigen relativen Freiheiten des Amtmanns drastisch ein. Auf der einen Seite verdoppelte sich zwar sein monetäres Gehalt auf 400 Reichstaler.118 Auf der anderen Seit untersagte ihm der Rezess aber gleichzeitig jegliche privaten Pachteinnahmen, um wirtschaftliche Interessenkonflikte zu vermeiden. Die Aufgaben im Amt wurden verstärkt unter den Amtsdienern aufgeteilt und das dadurch freigewordenen Potenzial des Amtmanns in die städtischen Uni-

114 Instruktion für den Amtmann auf Eldena (1666), in: Ebd., S. 116–117. 115 Es „[...] gehören zum Regiment der Academie der Amtmann und der Syndicus, welche nach denen Professoren und über die Adjuncten ihre Stellen einnehmen.“ Visitationsrezess (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 428. 116 Der entsprechende Pachtvertrag ging offenbar von einem Amtmann zum nächsten über. Zum Beispiel beschreibt die Bestallung Heinrich Strahlemans vom 13. Oktober 1654, dass ihm u.a. „[...] freye wohnunge zur Eldena und was deme vermöge contracts mit H. Jochim Edlingen [Amtsvorgänger des Amtsvorgängers] anhängig [...]“ zustehe, in: UAG Kurator K 969, fol. 252r–v. 117 Ebd., diese Bestimmung ist in Folge wiederholt bekräftigt worden: „Der Ambtmann aber soll nicht bemächtiget seyn, von den pensionariis und anderen debitoribus daß geringste an geldt, vieh und korn in bezahlung anzunehmen“, heißt es beispielsweise in der Instruktion für den Amtmann auf Eldena (1703), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 321. 118 Bestandteil des Lohnes waren darüber hinaus auch ein Locarium über 50 Reichstaler, „20 Faden Brennholtz“ und „6000 [Stück] Torf“ zum Heizen sowie 1,5 Last Hafer und die gleiche Anzahl Gänse und Rauchhühner wie sie auch die Ordinarien erhielten, vgl. Reglement für die ökonomische Administration (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 461.

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versitätsangelegenheiten verlegt, indem der Amtmann fortan das Structuariat (Bauund Gebäudeangelegenheiten) übernahm, das traditionell an das Amt des nun degradierten Procurators angegliedert gewesen war.119 Damit die Akademische Administration, der er fortan direkt unterstellt war, nicht die Kontrolle über den Amtmann im fernen Eldena verlieren konnte, musste er außerdem nach Greifswald umsiedeln (daher das Locarium). Die Stellung des Amtmanns war weitgehend an die der anderen höheren Verwaltungsämter der Universität angepasst worden.120 b) Syndikus121 Der Syndikus, im akademischen Rang dem Amtmann nachfolgend, nahm die gerichtlichen Angelegenheiten der Korporation sowohl nach innen als auch nach außen wahr, d.h. er führte sämtliche Prozesse, saß dem Amtsgericht vor und führte die Oberaufsicht über die Registraturen und Archive von Universität und Amt.122 Das Syndikat kann bereits im 17. Jahrhundert als eigenständiges Amt innerhalb der akademischen Verwaltung bezeichnet werden, obwohl der Amtsinhaber in der Regel ein Professor der Juristischen Fakultät war, d.h. den Posten zusätzlich zu seiner Lehrverpflichtung wahrnahm. Als solches fand das Syndikat erstmals 1700 mit der Instruktion des Syndikus und zwei Jahre später auch im Visitationsrezess der Universität seine normative Bestätigung. Der Rezess von 1702 verband das Syndikat fortan mit der Juristischen Adjunktur. Mit 50 Reichstalern jährlich übertraf das Gehalt des Syndikus den Adjunktenlohn um das Doppelte.123 Im Laufe des 18. Jahrhunderts geriet die traditionelle Verknüpfung des Universitätssyndikats mit der Juristischen Fakultät zunehmend in die Kritik und löste sich langsam, bis 1775 sämtliche Verbindungen des Syndikats mit anderen akademischen Ämtern explizit untersagt wurde, um daraus entstehende Konflikte möglichst zu vermeiden.124 Der Syndikus hatte sich fortan ausschließlich diesem einen Amt 119 Vgl. Kapitel 1.4.2.c. Kollektive Vermögensverwaltung und der Rentmeister ab 1775 ab S. 145. 120 Vgl. Visitationsrezess (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 461 sowie Reglement für die ökonomische Administration (1775), in: Ebd., S. 441 u. 459–460. 121 Das Folgende orientiert sich an den Darstellungen zum Greifswalder Syndikus, in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. LXVIII und Bd. 3, LXXXIII–LXXXIV sowie Jörn: Universität vor Gericht, in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Universität und Gesellschaft, Bd. 2, S. 172–197. 122 Das Amtsarchiv leitete der Procurator in seiner Funktion als Amtsnotar und das Universitätsarchiv wurde durch den Sekretär verwaltet. 123 Vgl. Visitationsrezess (1666), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 91. 124 „Wegen dieser academischen officialium insgesamt, ist unsre gnädige Willensmeynung, daß dieselben, weder als Professores und Adjuncti, oder als arrhendatores eines oder andern Grundstücks im Amte Eldena, mit der Academie in einer doppelten Verbindung stehen, und durch dergleichen vermischtes Interesse zu Versäumung ihrer Pflichten, eine Veranlaßung erhalten sollen.“ Visitationsrezess (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 428.

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zu widmen, das in seinen Aufgaben auch zunehmend umfangreicher wurde: Ab 1774 führte er neben dem Rektor als Richter die disziplinarrechtlichen Verfahren gegen Studenten und ab 1775 hatte er auch bei den Konzilsverhandlungen anwesend zu sein. Mit der Erweiterung der Aufgaben und der rechtlichen Emanzipation ging außerdem eine finanzielle Aufwertung einher. Das Gehalt des Syndikus bestand nun aus 200 Reichstalern.125 c) Sekretär/ Notarius126 Der akademische Secretarius oder auch Notarius führte den offiziellen Schriftverkehr der Universität und hatte die Oberaufsicht sowohl über die Registratur als auch über das Universitätsarchiv. Er nahm Beglaubigungen vor und führte Protokoll bei sämtlichen Konzilssitzungen, Promotionsverfahren und nach 1774 auch in den gerichtlichen Verfahren gegen Studenten. Eine regelrechte Instruktion gab es für dieses Amt nicht, Aufgaben und Gehalt legten die Bestallungsurkunden fest. Der Arbeitsvertrag des 1697 eingestellten Universitätssekretärs Friedrich Jacob Gerdes definierte seine Pflichten und legte das Gehalt wie folgt fest: Insonderheit aber dem officio Secretarii getreulich und mit fleiß vorstehen die Protocolla gebührend halten, was ihm von Magnifico Rectore und Concilio Academico an schreiben oder sonsten außzufertigen committiret wirdt, mit gehörigen fleiß und sorgfalt verrichte, der Universität Acta und Archivum in guter Ordnung undt verwahrsahm habe, die vota und alle Heimlichkeiten verschweige [...]. Wohingegen dan auch ihm nebst der sämbtlichen Universität verwandten zustehenden Freyheit und immunität Jährlich 60 Rtlr. an Salario und hiezu freye wohnung oder an dero staat eine Jährliche miete von dreyßig gulden [...] auch dazu waß seine Antecessores an zwantzig Fuder Brennholtz und andern Accidentien und Sportulen [...]

gewährt werden.127 Die Verknüpfung des Universitätssekretariats mit anderen akademischen Ämtern war bis in das 18. Jahrhundert hinein noch die Regel gewesen, entweder mit der Procuratur oder mit dem Sekretariat des Konsistoriums oder der Juristischen Fakultät. Die Kombination dieser Ämtertypen ist durchaus nachvollziehbar, war aber lange Zeit weniger geplant als vielmehr zufälliges Ergebnis in Abhängigkeit der jeweiligen Amtsinhaber. Erst 1702 verband der Rezess das Sekretariat der Ju-

125 Zuzüglich des Locariums von 20 Reichstalern, 20 Fuhren Holz und 6.000 Stück Torf, vgl. Visitationsrezess (1775), in: Ebd., S. 432. Vgl. auch Kapitel 2.3.3.a. Administrations- und Dienstpersonal ab S. 146. 126 Das Folgende orientiert sich an den Darstellungen zum Amt des Notars, bzw. Secretarius, in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. LXV und Bd. 3, S. LXXXII. Vgl. auch für das Folgende zu den Schnittpunkten von Procuratur und Sekretariat Kapitel 1.4.2.b Aufgaben der akademischen Vermögensverwaltung ab S. 142. 127 Entwurf zur Bestallung des Konsistorialsekretärs Gerdes zum Universitätssekretär vom 12. Oktober 1697, in: UAG, Altes Rektorat St. 175, fol. 24v–25r. Inhaltlich ähneln sich die Bestallungen für das jeweilige Amt weitgehend. Änderungen wurden vorwiegend an den Gehaltsbestimmungen vorgenommen.

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2. Personalkosten

ristenfakultät endgültig mit dem Universitätssekretariat. Das Gehalt regelte aber der Rezess von 1775: „Der Secretarius genießet 120 Reichsthaler Lohn, nebst 20 Reichsthaler locarium, und ebenso viel Holtz [20 Fuhren] und Torf [6.000 Stück] als der Syndicus.“128 Das akademische Sekretariat wurde außerdem zum zentralen Bestandteil der Akademischen Administration, da der Sekretär die neuen Annahme- und Auszahlungsanordnungen auszustellen und das Journal zu führen hatte. Entsprechend der allgemeinen Tendenz, wurde dem Konzil das Ernennungsrecht auch über den Universitätssekretär entzogen und alleine dem Kanzler erteilt; die Professorenschaft durfte dem Kanzler geeignete Kandidaten nur noch vorschlagen.129 d) Procurator130 Der Procurator, seit Ende des 17. Jahrhunderts auch Structuarius, verwaltete in erster Linie die Kasse und das Vermögen der Universität inklusive des anfallenden Schriftverkehrs und nahm darüber hinaus als Amtsnotar auch Aufgaben im Amt Eldena und als Structuarius solche der Gebäude- und Bauverwaltung wahr. Rezesse und Instruktionen bestimmten auch im Fall des Procurators nicht das jährliche Gehalt. Das wurde in den individuellen Bestallungsurkunden festgelegt. Auch nachdem 1775 der weitgehend selbständig agierende Finanzverwalter der Universität zu einem nur noch ausführenden Rentmeister unter der Akademischen Administration131 degradiert worden war, lassen sich im Rezess keine konkreten Angaben zu dessen Gehalt finden. 2.1.5. Dienstpersonal132 a) Pedell133 Das Amt der Pedelle (famuli universitatis) ist eines der ältesten akademischen Ämter überhaupt und war auch in Greifswald wichtiger Bestandteil im Ablauf des uni128 129 130 131

Visitationsrezess (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 432. Vgl. ebd., S. LXXXII. Vgl. Kapitel 1.4.2.b. Aufgaben der akademischen Vermögensverwaltung ab S. 142. Um jeglichen Widerstand der ausführenden Gewalt auszuschließen, wurde der Rentmeister rezessgemäß verpflichtet „alles dasjenige auszurichten und zu bewerkstelligen, was die Administration ihm anzubefehlen für nötig erachtet.“ Visitationsrezess (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 455. 132 Hier wird ausschließlich das Dienstpersonal der akademischen Korporation beachtet. Über das Dienstpersonal in den Haushalten von Universitätsverwandten (wie für Göttingen untersucht von Wagener: Pedelle, Mägde und Lakaien) geben die Wirtschaftsquellen der Universität Greifswald keine Hinweise. 133 Das Folgende orientiert sich hauptsächlich an den Darstellungen zum Amt des Pedells in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. LXV und Bd. 3, S. LXXXII.

2.1. Personal und Gehalt

197

versitären Alltags. Bereits im 16. Jahrhundert erhielten sie sowohl ein festes Gehalt aus der akademischen Kasse als auch einen bestimmten Anteil der Inscriptions- und Promotionsgebühren. Im Jahr 1686 sind die Aufgaben des Greifswalder Pedellen erstmals förmlich beschrieben und zwei Jahre später in einer Bestallung und eigenen Instruktion erweitert und rechtskräftig fixiert worden. Der sehr hohen Fluktuation in diesem in der Regel durch ältere Studenten besetzen Amt ist dadurch Einhalt geboten worden. Das Amt wandelte sich dadurch von einer Art kurzfristigem, studentischem Hilfsdient auf dem Weg einer akademischen Laufbahn hin zur lebenslangen Anstellungsmöglichkeit als Universitätsbediensteter. Vor allem widmete sich die Instruktion von 1690 aber der komplexen Entlohnung der Pedelle. Demnach erhielt ein Pedell jährlich 12 Reichstaler Lohn, zusätzlich 1 Reichstaler für Schuhe, 6 Fuhren Brennholz und genoss als Universitätsverwandter die übliche Steuerfreiheit. An Gebühren standen ihm beispielsweise pro neu immatrikuliertem Studenten 16 Schilling zu. Darüber hinaus dürfe er „von niemand mehr, als ihm gesetzet, fodern oder begehren.“134 Ein Locarium erübrigte sich, da die Pedellen ohnehin in den Bursen, d.h. im Kollegium oder auf dem Schwarzen Kloster wohnten, um dort ihre Aufgaben besser wahrnehmen zu können. Denn den Pedellen kam die Disziplinaraufsicht über die Studenten zu, sowie die allgemeine Aufsicht über die Einrichtungen der Universität, d.h. Aufsicht-, Heiz- und Schließdienste im Auditorium und der Bibliothek, Aufsicht über die Ordnung in der Oeconomie und in den Bursen. Außerdem waren sie verantwortlich für die strenge Einhaltung des akademischen Zeremoniells. Eine ihrer zentralen Aufgaben bestand in der physischen Korrespondenzvermittlung zwischen Rektor und der Professorenschaft. Als eine Art Aktenbote trug er die teils reichhaltige Konzilskorrespondenz hin und her, ermöglichte so das schriftliche Gespräch der Professoren untereinander und bedurfte daher auch eines separaten Reichstalers pro Jahr für ein zusätzliches Paar Schuhe.135 1702 betonte der Visitationsrezess wieder explizit, dass zwei Pedelle „ex numero pauperum studiosorum“ zu bestellen seien, woran sich fortan in der Regel auch gehalten wurde. Ein Universitätspedell wurde vor allem bei besonderen Anlässen von dem zweiten, dem Konsistorialpedellen, unterstützt. Der Lohnanteil aus studentischen Gebühren für den Pedellen verringerte sich im Laufe des 18. Jahrhunderts weitgehend zu Gunsten der „Anweisungen auf die akademische Kasse.“136 Sein Lohn ist erst im Jahr 1783 erhöht worden; dann allerdings innerhalb von nur 20 Jahren von den jahrzehntelang festgelegten 50 Reichstalern auf über 200 Reichstaler.137 Die Konsolidierung und Erweiterung seines Gehalts steht dabei in 134 Bestallung und Instruktion des Pedellen (1690), in: Ebd., S. 215. 135 Im Rechnungsjahr 1679–1680 erhielt der Famulus 4 Gulden für „2 p. schue“ (UAG, Kurator St. 971, Procuraturregister von 1679–1680, fol. pag. 62). Zu Beginn des 18. Jahrhunderts reichten 8 Gulden noch „zu 4 paar Schue“ (UAG, Kurator St. 1006, Procuraturregister 1705–1706, pag. 94). erst nach 1745 (Friedrich Ramm löste in diesem Jahr den langjährigen Pedell Carl Kietzmann ab), ist kein explizites Stiefelgeld mehr ausgezahlt worden. 136 Alvermann: Einleitung, in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. LXXX. 137 Der Konsistorialpedell erhielt aus der Universitätskasse dagegen lediglich 8 Reichstaler.

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2. Personalkosten

Korrelation mit einer erneuten Ausweitung seines Aufgabenbereichs: Spätestens nach 1775 fungierte der Universitätspedell zusätzlich als Bibliotheksdiener und Karzermeister.138

b) Amtsdiener Ähnlich wie die Pedelle den Professoren, dienten dem Amtmann in Eldena die „Amptsdiener“.139 Das waren ein Landreiter und insgesamt vier Holzvögte (auch „Heidereiter“) in Koitenhagen, Grubenhagen, Hanshagen und Potthagen. Die Holzvögte kontrollierten die Holzungen und Höfe der Universität, ihnen kam eine Art Polizeifunktion zu. Der Landreiter war der berittene Bote im Amt, kontrollierte neben den Holzvögten die Höfe, Ackerwerke und Forste und war Aufseher über das Amtsgefängnis.140 Oft sind die Aufgaben des Landreiters und der Holzvögte aber gemeinsam definiert worden, in der Regel im Rahmen der Instruktionen für ihre direkten Weisungsbefugte: den Amtmann auf Eldena und den Procurator. Für den Procurator trieben sie die Revenuen im gesamten Amt ein. Zur Übergabe der Gelder sowie der Berichte über ausstehende Forderungen sollten sie sich sogar zwei Mal pro Woche mit dem Procurator treffen.141 Bereits in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts galt eine der vielen Sorgen bezüglich des Amtes dem schwer geschädigten und sich kaum erholenden Universitätsforst. Der Landreiter und vor allem die Holzvögte hatten dafür Sorge zu tragen, dass „die paures leute kein holtz heimlich entwenden auch die garnison in Greiffswald“142 sich an die vereinbarten Beschränkungen halte und dass kein Vieh unkontrolliert in die Wälder getrieben würde.143 Des Weiteren oblag den Amtsdienern die Kontrolle über zugeteiltes Holz. Wenn Bauern Holz abgeben oder auch verkaufen wollten, besichtigten Landreiter oder Holzvögte das Holz auf dem jeweiligen Hof und ließen die Informationen über den Amtmann den Professoren in der

138 Vgl. Visitationsrezess (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 430–431. 139 Vgl. Instruktion für den Amtmann auf Eldena (1654), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 46. 140 Vgl. dazu auch Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S LXXXVI– LXXXVII. 141 Vgl. die Instruktion für den Procurator und Structuarius (1671) und seine erneuerte Instruktion (1703), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 134–140 u. 304–314 sowie die Instruktion für den Procurator und Structuarius (1750), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 166. 142 Instruktion für den Amtmann auf Eldena (1666), in: in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 120. 143 Vgl. Instruktion für den Amtmann auf Eldena (1703), in: Ebd., S. 324.

2.1. Personal und Gehalt

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Stadt zukommen.144 1775 sind die fünf Dienststellen (neben dem Amtsnotar) im Amt und ihre Aufgaben erneut bestätigt worden.145 Wie im Visitationsrezess 1775 bereits angedacht, beaufsichtigte ab 1813 schließlich ein Oberforstmeister als „holzverständige Person“146 die Bewirtschaftung der Universitätswälder. Zur Besoldung gestand man ihm sogar das Gehalt einer zu dieser Zeit vakanten Professur zu.147 Über das Gehalt der reitenden Amtsdiener ist normativ lediglich festgelegt worden, dass es aus der akademischen Kasse zu begleichen sei. Den Betrag bestimmten die Bestallungsurkunden. Sie bekamen ihren Lohn allerdings nicht quartalsweise ausbezahlt, sondern es war ihnen ausdrücklich gestattet, dass sie ihr Gehalt mit dem, „was an kleinen pösten die universität einzunehmen“ und von ihnen eingesammelt wurde, verrechnen durften.148 Diese Regelung, die den Amtsdienern vor Ort eine gewisse ökonomische Unabhängigkeit von der zentralen (Finanz-)Verwaltungsstelle erlaubte, ist im restriktiven Visitationsrezess von 1775 selbstverständlich nicht mehr bestätigt worden. 2.1.6. Universitätsverwandte ohne Gehalt. Die oben gegebene Definition für das akademische Personal schließt jene akademischen Bediensteten aus, die kein jährliches „Salarium“ aus der Universitätskasse erhielten, sondern Kostenerstattung und Entlohnung für konkrete Dienstleistungen, die nachträglich in Rechnung gestellt worden sind. Dabei handelte es sich vor allem um den Oeconomus und die Handwerker. Aus Gründen der Anstellung nimmt außerdem das Amt des Bibliothekars eine Sonderstellung unter den Bediensteten ein. a) Bibliothekar149 Wie das Syndikat phasenweise, existierte das Bibliothekariat der Universität Greifswald spätestens ab 1613 zwar als „selbständiger Aufgabenbereich“150, nicht aber als selbständige Personalstelle. Der Bibliothekar war ein „besonderer Aufseher 144 Vgl. ebd., S. 325. 145 „Ferner der Landreuter, zur Aufwartung beym Amtsgericht, und zum Verschicken und Ausbringen der nöthigen Befehle im Amte. Zur Aufsicht bey den Hölzungen sind vier Heydereuter bestellet, wovon jeder seinen Beritt hat, nemlich“ Koitenhagen, Grubenhagen, Hanshagen und Potthagen. „Sie haben alles zu beobachten, was beym Holtzwesen vorfallen und ihnen dabey zu besorgen aufgegeben werden kann.“ Reglement für die ökonomische Administration (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 461 (sowie S. 437–438). 146 Visitationsrezess (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 435. 147 Vgl. Seth: Universität Greifswald, S. 316–317. 148 Instruktion für den Procurator und Structuarius (1671), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 136. 149 Das Folgende orientiert sich an den Darstellungen zum Bibliothekar in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. LXIV–LXV und Bd. 3, S. LXXX–LXXXII. 150 Vgl. Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. LXIV.

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2. Personalkosten

ex numero Professorum et Docentium“151, d.h. dass auch sein Gehalt ein zusätzliches war und für den vollständigen Lebensunterhalt des Amtsinhabers nicht ausreichen musste. Seit ihrer Gründung im Jahr 1604 wurde die akademische Bibliothek ohnehin nicht von einem bibliothecarius, sondern lediglich von einem sogenannten inspector bibliothecae geleitet. Spätestens seit 1610 war der Dekan der Philosophischen Fakultät zusätzlich mit diesem Amt betraut, wofür ihm eine jährliche Aufwandsentschädigung von 10 Gulden zukam. Zwar hat es wiederholt Pläne für die Schaffung einer eigenständigen Bibliothekarsstelle gegeben, aber die Universitätsbibliothek war während des gesamten 17. Jahrhunderts und noch darüber hinaus sehr häufig mittellos. Eine solche Stelle hätte die Bibliothekskasse nicht tragen können. Der Rezess von 1702 bestimmte schließlich, dass ein Bibliothekar „ex facultate philosophica“ einzusetzen sei, „welchem die von alters pro studio et labore vermachte 10 reichsthaler verbleiben [...].“152 Den Procuraturregistern ist zu entnehmen, dass fortan nicht mehr nur dem Dekan der Philosophischen Fakultät als „Inspectario Bibliothecae“ 10 Gulden, sondern auch einem „Bibliothecario“ 20 Gulden aus der akademischen Kasse gezahlt wurden. Nicht selten waren die beiden Stellen allerdings von dem gleichen Professor besetzt.153 Erst 1747 beschloss das Konzil die Einrichtung eines eigenständigen Bibliothekariats, nachdem die Entwicklung der Universitätsbibliothek einerseits stagnierte und man darüber hinaus zu der Erkenntnis gekommen war, dass ein ordentlicher Professor den Aufbau, bzw. die Ergänzung des Bestandes, die Katalogisierung und die Benutzung im Rahmen einer Nebenbeschäftigung gar nicht leisten konnte. Zwei Jahre später lag die Instruktion für den Bibliothekar vor, der nun nicht mehr an die Philosophische Fakultät gebunden sein sollte.154 Der Kanzler hatte 1748 mit königlicher Befürwortung und ohne Wissen des Konzils eine zusätzliche Professur für Wissenschaftsgeschichte eingerichtet und kurz darauf mit dem Bibliothekarskandidaten Johann Carl Dähnert besetzt. Diese neue, für Dähnert eingerichtete Stelle rangierte nach einer Entscheidung des Wismarer Tribunals, das vom Konzil unmittelbar hinzugezogen worden war, zwischen Bibliothekariat und Ordinariat: Der sechste Professor der Philosophischen Fakultät und Bibliothekar erhielt ein volles Ordinariengehalt155, durfte aber weder zum Dekan noch zum Rektor gewählt werden. Im Konzil waren ihm Sitz und Stimme nicht als Professor, sondern nur in seiner Funktion als Bibliothekar gegeben, d.h. nur dann, wenn es um Bibliotheksangelegenheiten oder um den Buchdrucker oder den Buchhändler ging, über die er ebenfalls die Aufsicht zu führen hatte.

151 Visitationsrezess (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 426. 152 Visitationsrezess (1702), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 276. 153 Vgl. exemplarisch UAG, Kurator St. 1006, Procuraturregister von 1705–1706, pag. 84 und UAG, Kurator St. 1022, Procuraturregister von 1721–1722, pag. 83. 154 Vgl. Einleitung und die Instruktion für den Bibliothekar (1749), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 153–161. 155 Inklusive einer Gehaltszulage spätestens ab 1774, vgl. dazu Kapitel 2.3.1.c. Gehaltszulagen ab S. 232.

2.1. Personal und Gehalt

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Das Prinzip des professoralen, nicht zusätzlich entlohnten Aufgabenbereichs Bibliothek ist 1775 systematisch erneuert worden. Zumal „die Bibliothec nunmehro in Ordnung, und die dabey anzuwendende Bemühung folglich geringe“ sei, sollte, nachdem der amtierende Bibliothekar aus dem Amt geschieden sei, fortan „der zweyte Professor der Philosophie [...] die jetzt erwehnten Obliegenheiten des Bibliothekars unentgeldtlich [...] übernehmen.“156 b) Oeconomus157 Der sogenannte Oeconomus leitete das in Greifswald als Oeconomie bezeichnete Konviktorium (Studentenspeisung), das in den 1560er Jahren eingerichtet worden war.158 In den Quellen tritt der Oeconomus erstmals mit eigener Instruktion und Bestallung im Jahre 1567 in Erscheinung.159 Bis ins 18. Jahrhundert hinein veränderten sich die jeweils neu aufgesetzten Instruktionen, d.h. die im Rahmen der Bestallung definierten Aufgaben und Privilegien nur geringfügig.160 Als „ein guter Hauswirth“161 war er in erster Linie für die Zubereitung und Bereitstellung der Mahlzeiten für die Konviktoristen verantwortlich, sowohl für die zahlenden Studenten als auch für die Benefiziaten der Freitische. Darüber hinaus oblag ihm die mühsame Aufgabe der Disziplinaraufsicht in der Oeconomie, dem „‘Brennpunkt‘ pennalistischer Exzesse und Disziplinlosigkeit“.162 In der Aufsicht über die speisenden Studenten durfte er zwar auf die Unterstützung der Senioren an den Tischen

156 Visitationsrezess (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 427. Dort heißt es weiter auch, dass der Professor für gelehrte Geschichte „über die academische Bibliothek die Aufsicht“ führen solle, Ebd., S. 410. Tatsächlich war es um die Betreuung der Bibliothek aber auch weiterhin nicht gut gestellt. So musste sich der Greifswalder Privatdozent Jacob Wallenius 1785 fragen: „[...] wo wollte ich Bücher herkriegen? [...] die Akad. Bibliothek war zugeschlossen. Ich stritt mich deswegen mit dem Rektor, der mir doch zuletzt erlaubte, einige Bücher zu leihen und einige Stunden in der Bibliothek zuzubringen.“ Aus dieser Erfahrung heraus bemühte sich Wallenius um die Einrichtung eines Vice-Bibliothekariats, das er schließlich auch selbst wahrnahm, Wallenius: Begebenheiten meines Lebens, S. 97–100. 157 Das Folgende orientiert sich an den Darstellungen zum Oeconomus in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. LXXXVIII–LXXXIX, S. 192–193 und Bd. 3, S. LXXI-LXXIII. 158 Vgl. auch für das Folgende Kapitel 3.1.2.b. Versorgungseinrichtungen: Oeconomie und Bursen ab S. 266, Kapitel 4.1.4. Oeconomie und Freitischstipendien ab S. 333 und Kapitel 4.2.4. Exkurs: Oeconomie, Oeconomus und Freitischstipendien ab S. 346. 159 Instruktion für den Oeconomus (1567), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 204–206. 160 Vgl. UAG, Altes Rektorat Hbg 141/2. 161 So heißt es in den Dienstverträgen der Oeconomii, beispielsweise Johann Friedrich Röses vom 2. März 1770, in: UAG, Altes Rektorat Hbg 144/ 5, fol. 229v. 162 Alvermann: Einleitung, in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. LXXI.

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2. Personalkosten

und des sogenannten inspector oeconomiae163 zurückgreifen, hatte aber dennoch – zumindest nach der Instruktion von 1683 – seine Mahlzeiten bei den Studenten einzunehmen, um besser über die Disziplin wachen zu können. Erst 1766 ist er von der Disziplinaraufsicht entbunden worden. Mit der Dotation des Amtes Eldena im Jahr 1634 ging die vor allem naturalwirtschaftlich unterstützte Oeconomie in den direkten Verantwortungsbereich des ohnehin für die Getreide- und Holzlieferungen zuständigen Amtmanns über.164 Nachdem die meisten Gebäude auf dem Schwarzen Kloster, d.h. auch die Oeconomie, 1637 von schwedischen Truppen zerstört worden waren, kam der Betrieb vorläufig zum Erliegen. Es kann aber nicht allzu lange gedauert haben, bis der Oeconomus – dessen eigener Lebensunterhalt immerhin an dem Betrieb hing – wieder „studiosos in der communität gespeiset“, allerdings ohne „gewißen contract darüber gehabt“ zu haben.165 1683 entstand dann wieder ein regelrechter Dienstvertrag inklusive ausführlicher Instruktion.166 Seitdem liegen beinahe sämtliche Dienstverträge zwischen dem Oeconomus und der Universität vor. Darin lässt sich vor allem detailliert das Dienst- und Wirtschaftsverhältnis der beiden Parteien nachvollziehen: Der Oeconomus war Universitätsverwandter, unterstand inklusive seiner Angehörigen der akademischen Jurisdiktion und genoss das akademische Privileg der Abgabenfreiheit. Ein eigentliches Gehalt erhielt er aber nicht. Dafür unterstütze die Universität im Rahmen der Stiftungsverwaltung seinen Betrieb durch aufwandsentschädigende Lohnzahlungen und vor allem durch die Bereitstellung seiner Wirtschaftsgrundlage. Mit Unterzeichnung des Dienstvertrages übertrug der Rektor dem neuen Oeconomus „wegen speisung der studiosorum auff der oeconomie“ das Wohn-, Speise und die Wirtschaftsgebäude der Oeconomie auf dem Schwarzen Kloster. Darüber hinaus 27 Morgen Acker- und 8 Morgen Weideland sowie unbegrenzte Holzlieferungen aus Eldena. Für Erhalt, Pflege und Neuanschaffung von Geschirr und anderen Zubereitungsutensilien kam ebenfalls die akademische Kasse auf. Der Oeconomus hatte dafür lediglich eine Art Kaution zu entrichten, die er seinem Amtsvorgänger zahlte. Dafür sicherte ihm der Vertrag zu, dass er den gleichen Betrag wiederum von seinem Amtsnachfolger zurückerhielte.167 Die Bezahlung, bzw. Subventionierung der Mahlzeiten aus der akademischen Kasse erfolgte im 18. Jahrhundert quartalsweise, im Voraus und „dergestalt, daß er [der Oeconomus] bey Endigung des Quartals sein Geld vor die Speisung derer Stu-

163 Bei dem Oeconomie-Inspektor, der Mitte des 18. Jahrhunderts auch als inspector specialis bezeichnet wurde, handelte es sich in der Regel um den Professor der Philosophischen Fakultät, der seine Wohnung auf dem Schwarzen Kloster hatte. 164 In den Rechnungsbüchern heißt es ab 1646, dass auch Geldzahlungen für die Studentenspeisung „aus dem Amte“ kamen und somit „auch im Amtsregister berechnet“ wurden. UAG, Kurator St. 1074, Procuraturregister von 1646–1647, pag. 17. 165 So wurde es zumindest 1672 über den Oeconomus Joachim Bolhorn geschrieben, in: UAG, Altes Rektorat Hbg. 141/ 2b, fol. 5r, vgl. auch Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 193. 166 Vgl. Instruktion für den Oeconomus (1683), in: Ebd., S. 192–198. 167 Vgl. diverse Dienstverträge für Oeconomen, in: UAG, Altes Rektorat Hbg 141/2b.

2.1. Personal und Gehalt

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diosorum meist bis auff wenige thaler weggehbat [...].“168 Wie gut der Oeconomus für seinen eigenen Lebensunterhalt sorgen konnte, hing also immer auch von seinen wirtschaftlichen Fähigkeiten ab. Alle ökonomische Geschicklichkeit war dabei in Zeiten von Ernteausfällen, Krieg oder Inflation von nur geringem Nutzen. In diesem Zusammenhang wurde daher auch wiederholt vorgeschlagen, dem Oeconomus doch ein Salarium zu zahlen: Damit er „nicht gäntzlich außer Brod und Nahrung komme“, solle ihm zusätzlich zu den bereits genannten Subventionen und nichtmonetären Leistungen eine gehaltsähnliche Zulage von 20 Reichstalern pro Jahr „ex cassa academiae“169 gezahlt werden. Umgesetzt wurde das allerdings nicht. Stattdessen verschärften sich Vorschriften und Kontrolleinrichtungen. Um das Speisenangebot vor drastischen Sparmaßnahmen zu bewahren, wurden die Instruktionen für den Oeconomie-Betreiber in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu regelrechten Speiseplänen. Der Oeconomus wurde mit dem Visitationsrezess von 1775 ebenfalls direkt dem Kanzler unterstellt. 170 c) Handwerker171 Die akademischen Handwerker waren, ähnlich dem Oeconomus und dem Bibliothekar, wirtschaftlich weitgehend unabhängig, d.h. ohne vertraglich vereinbartes Jahresgehalt, aber rechtlich Universitätsverwandte. Zu ihnen zählten ein Buchdrucker, ein Buchbinder172, ein Zimmermann und ein Maurer. Sie standen mit der Universität in einem vertraglichen Verhältnis, hatten ihr einen Eid geleistet und wohnten, teilweise arbeiteten sie auch in akademischen Wohnungen bzw. Häusern.173 Als rechtlich bestätigte Universitätsverwandte unterstanden sie der akademischen

168 Schreiben des Procurators Nürenberg an den Rektor vom 13. August 1741, in: UAG, Altes Rektorat Hbg. 144/4, fol. 25r. 169 Entwurf eines Visitationsabschieds (1742), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 237–238. 170 In den Dienstverträgen des 17. Jahrhunderts waren bereits gewisse Grundregeln zum Speisenangebot aufgenommen, im 18. Jahrhundert wurden diese zunehmend kontrolliert und wesentlich erweitert, vgl. Gesetze für das Konviktorium (1774), in: Ebd., S. 386–393. Vgl. dazu auch die Wochen- und Monatsspeisepläne ab 1742, in: UAG, Altes Rektorat Hbg 144/4 und Hbg 144/5. 171 Vgl. außerdem zu den Handwerkern Kapitel 3.1.4. Akademische Handwerker ab S. 279 und Kapitel 3.2.4.b. Entwicklung der baubezogenen Ausgabentitel, Gesamtuniversitär ab S. 286. 172 Auch die Gesellen der Buchhandwerker waren Universitätsverwandte, die Universität also auch ein Ausbildungsbetrieb: 1652 wurden zwei Buchbindergesellen aus Nürnberg und insgesamt vier Buchdruckergesellen u.a. aus Hamburg und Meißen immatrikuliert, vgl. Friedländer: Matrikel, Bd. 2, S. 29. 173 Diese Definition der akademischen Handwerker entstammt einem vermutlich 1744 verfassten Schreiben Augustin von Balthasars an den Rektor, in: UAG, Altes Rektorat R 254, fol. 16. Vgl. auch Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. LXXIV.

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2. Personalkosten

Jurisdiktion und hatten Anteil an der akademischen Immunität.174 Allerdings war die verbriefte Freiheit von Steuern und Abgaben für Handwerker, wie sie in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhundert bereits zur Tradition geworden waren175, höchst umstritten. Immer wieder mussten Rektor und Konzil diese vor der Pommerschen Landesregierung verteidigen.176 Dies galt insbesondere für Kriegszeiten, als z.B. Ende des 17. Jahrhunderts selbst die Kontributionsfreiheit des Amts Eldena nicht erfolgreich verteidigt werden konnte.177 Aber auch während des gesamten 18. Jahrhunderts waren die akademischen Privilegien für ausgewählte Vertragshandwerker krisenunabhängig nicht immer selbstverständlich. So hatten beispielsweise 1744 die Inspektoren der „Accise- und Consumptions-Collectur“, Dittmer und Reichenbach, wiederholt ernsthafte Bedenken angemeldet, jene als akademisch bezeichneten Handwerker von eigentlich fälligen Abgaben zu befreien, wo sie doch ebenso „bürgerliche Handthierung“ wahrnahmen. Die Zollbehörde weigerte sich also, die akademischen Vertrags-Handwerker, vor allem den Zimmermann und den Maurer, anders zu behandeln als den Tischler, Töpfer oder die Schmiede, die für die Universität arbeiteten und dabei keine akademischen Freiheiten genossen.178 Tatsächlich nahm die Universität die Dienste vieler anderer – nicht vertraglich an sie gebundener – Handwerker wahr und entlohnte diese gleich den akademischen Handwerkern ausschließlich auf Rechnung. In den Prozess der Gebäudebegehung und Kostenvoranschläge waren rezessgemäß neben dem Procurator allerdings nur der akademische Zimmermann und Maurer eingebunden. Der Streit mit den Inspektoren von 1744 mündete in eine jahrzehntelange Auseinandersetzung vor dem Wismarer Tribunal. Als der Prozess 1784 beendet wurde179, hatten sich die Voraussetzungen für Handwerker im Dienst der Universität allerdings bereits grundlegend verändert: Traditionell und rechtlich begründet, waren sie bei anstehenden Arbeiten an und in Universitätsgebäuden bisher den bürgerlichen Handwerkern vorgezogen worden. Die akademischen Handwerker blieben nach dem Visitationsrezess von 1775 zwar unter akademischer Jurisdiktion, zumindest der Buchdrucker und der Buchbinder mussten sich aber vertraglich nach „verglichenen Bedingungen und Taxen“ richten. Vor allem aber sollten

174 In der Bestallung des Maurermeisters Nikolaus Preiskern vom 1. September 1698 werden zunächst seine Aufgaben umrissen. Anschließend versprechen Rektor und Konzil „demselben alle beneficia und Freiheit so wie sein Vorfahr dieselben genossen, zu genißen haben und dabey kräftigst geschützet werden solle.“ UAG, Altes Rektorat R 254, fol. 27r. 175 Um 1600 baten Buchdrucker, Buchbinder und Buchhändler noch persönlich den Rektor und das Konzil um die Gestattung von akademischer Immunität und um eine akademische Wohnung, vgl. UAG, Altes Rektorat R 259, fol. 1r.6r. 176 Vgl. UAG, Altes Rektorat, R 254, ab fol. 14r sowie UAG, Altes Rektorat R 259. 177 Vgl. auch die Auseinandersetzungen um Ersatzleistungen für Kontributionszahlungen Kapitel 1.2.11. Exkurs: Don Gratuit ab S. 82. 178 Zirkular des Rektors vom 29. Oktober 1744, in: UAG, Altes Rektorat R 254, fol. 35. 179 Sowohl die Debatte als auch der Prozess sind nachvollziehbar in UAG, Altes Rektorat R 259.

2.2. Personal und Gehalt in den Wirtschaftsquellen

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Buchbinder und andere Handwerker [...] von der Academie inskünftige nicht besonders angenommen, sondern die nöthigen Handwerksarbeiten mit bürgerlichen Handwerkern bestens behandelt werden.180

Die Auftragslage der akademischen Handwerker hing fortan von ihrer Bereitschaft zur Preisanpassung und dem Wohlwollen der Akademischen Administration ab. 2.2. PERSONAL UND GEHALT IN DEN WIRTSCHAFTSQUELLEN 2.2. PERSONAL UND GEHALT IN DEN WI RTSCHA FTSQUEL LEN

Als akademische Personalkosten werden im Folgenden ausschließlich die Ausgaben für das Personal der Universität behandelt.181 Einnahmen sind in diesem Zusammenhang nicht zu verzeichnen. Als wichtigster Kostenfaktor einer Universität nahmen die Personalkosten und darunter wiederum die Professorenlöhne eine herausragende Stellung ein, wie sie sich insbesondere in ihrer Verbuchung in den Jahresrechnungsbüchern wiederspiegelt. 2.2.1. Lohnkostenverbuchung in den Procuraturregistern a) Rang und Ordnung Sämtliche Ausgabenregister der Universität Greifswald führen an erster Stelle die Professorengehälter nach Fakultät und Rang auf, gefolgt von den übrigen Löhnen für das weitere Lehr- und das Dienstpersonal. Die Lohnkosten wurden bereits während der ersten Registerphase (Kollegium/ Kloster) den übrigen Ausgaben gesondert vorangstellt und explizit als solche betitelt: „Besoldunge der Herren Professoren unnd andern dienern der Vniuersitet“182 und schließen bis 1670 stets mit einer Zwischensumme. Dabei sind die Personalkosten ausschließlich Bestandteil der Ausgaben für das Kollegium. Unter den Ausgaben für das Schwarze Kloster verbuchten die Procuratoren an Personalausgaben lediglich die Zahlungen an den Oeconomus.183 Die rangorientierte Reihenfolge in der Verbuchung der Personalkosten ist in der gesamtuniversitären Procuraturregisterführung nach 1670 so beibehalten worden. Procurator Völschow änderte lediglich die buchhalterische Trennung der Personalkosten von den übrigen Ausgaben. Nach wie vor kamen die Professorenge180 Visitationsrezess (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 431. 181 Vgl. die eingehend angeführte Definition des Universitätspersonals, in Kapitel 2.1.1. Universitätspersonal und Universitätsverwandte – ein Überblick ab S. 171. 182 In Abgrenzung zu den zunächst nur als „andere uthgaue“ bezeichneten sonstigen Ausgaben (UAG, Kurator St. 865, Procuraturregister von 1566–1567, fol. 33r u. 34r). Ab Ende der 1570er Jahre „Volget [auf die Personalausgaben] die uthgave tho des Collegii bawte unnd anderer notturfft“ (UAG, Kurator St. 873, Procuraturregister von 1577–1578, fol. 24r). 183 Den Procuraturregistern zufolge erhielt der Oeconomus ab 1577 jährliche Beträge aus der Universitätskasse, vgl. auch Kapitel 2.1.6.b. Oeconomus ab S. 201.

206

2. Personalkosten

hälter an erster Stelle. Aber nach den Gehaltszahlungen für die akademischen Verwalter stehen zunächst die gezahlten Stipendien und anschließend erst die Löhne für das Dienstpersonal. In der Regel folgte die Verbuchung der Personalkosten dem folgenden, rangorientierten Schema184: 1. Professoren a) erster, zweiter, dritter, (vierter) Professor der Theologischen Fakultät b) für den erster, zweiter, dritter, vierter Professor der Juristischen Fakultät c) für den erster, zweiter, (dritter) Professor der Medizinischen Fakultät d) fünf bis sieben Professoren der Philosophischen Fakultät 2. Syndikus und Verwalter (Secretarius und Procurator/Structuarius) 3. Adjunkten 4. Akademische Dienstverwandte (z.B. Inspector Bibliothecam, Oeconomus, Buchdrucker, Amtmann in Eldena) 5. Sprach- und Exerzitienmeister 6. Boten/Diener (Pedell und reitende Diener: Land- und Heidereiter) Erst das Hauptrechnungs-Musterbuch von 1773–1774185 gab schließlich eine feste Reihenfolge der Personalkosten vor. Abzulesen ist sie in dem Spezialkonto „Salaria“, das in dieser Form bis ins 19. Jahrhundert beibehalten wurde.186 An erster Stelle stehen weiterhin die nach Fakultät und Rang geordneten Professorenlöhne. Darauf folgen die Lohnzahlungen für die Adjunkten, deren Anzahl, Besoldung und dementsprechend auch Bedeutung für den Lehrbetrieb in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts deutlich zugenommen hatte. Erst nach den Adjunktenlöhnen, aber noch vor den Sprach- und Exerzitienmeistern, sind die Löhne der sogenannten „Officiales“ gelistet187: Syndikus, Amtmann188, Rentmeister und Secretarius. Am Schluss stehen unter „Bedienten“ alle anderen akademischen Dienstverwandten, wie beispielsweise die Pedelle, der reitende Diener, der Land- und die Heidereiter und auch der Chirurg. Nicht als „Bediente“, d.h. nicht als akademisches Stammpersonal besoldet, wurden nach 1774 jene Bediensteten, die sich einer universitären 184 Für den Zeitraum von über 200 Jahren lässt sich selbstverständlich kein allgemeingültiges Muster in der Registerführung ausmachen. Allein die drei bis vier verschiedenen Phasen der Procuraturregisterführung erlauben dies nicht. Die hier gegebene Reihenfolge ist somit nur eine verallgemeinernde Zusammenstellung zur Orientierung. Nur die Abfolge der Professorengehälter hatte in dieser Form durchgehend Bestand. Die Zahlungen an den Oeconomus oder auch an den Amtmann in Eldena sind dagegen von diversen Finanzverwaltern in über zweihundert Jahren im Procuraturregister an unterschiedlichen Stellen aufgeführt worden. 185 Zum „Formulair“ von 1774 vgl. Kapitel 1.3.3. Die Hauptrechnungsbücher 1774–1806 ab S. 107. 186 Bei dem „Salaria“-Konto der Hauptrechnungsbücher handelt es sich um eine Überblicksdarstellung der jeweils individuellen Personalkostenkonten, die anschließend an das „Salaria“Konto, in eben jener Reihen- bzw. Rangfolge (nicht alphabetisch) verbucht waren. 187 Erstmals wird der Titel „Salaria Officialium“ 1764 als solcher in der Verbuchung verwendet, vgl. UAG, Kurator St. 1057, Procuraturregister von 1763–1764, pag. 55. 188 Zum Rang von Syndikus und Amtmann (unter den Ordinarien, über den Adjunkten) vgl. Visitationsrezess (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 428.

2.2. Personal und Gehalt in den Wirtschaftsquellen

207

Einrichtung zuordnen lassen. So verbuchte der Rentmeister das Gehalt des Bibliothekars als Bestandteil des Kontos „Akademische Bibliothek“ und die regelmäßigen Zahlungen an den Oeconomus unter „Unterhaltung des Convictorii“. Der Lohn für den Botanischen Gärtner gehörte zur „Unterhaltung des Botanischen Gartens“. Auch der Lohn des akademischen Stallmeisters ist Bestandteil der Unterhaltungskosten für die akademische Reitbahn.

b) Postengestaltung Die Gestaltung der Buchungen sowie deren Anordnung entspricht auch im Fall der Personalkosten den allgemeinen Entwicklungen der Ausgabenregisterführung: Von ausführlichen Postentexten im 16. zu immer knapperen Einträgen im 17. und 18. Jahrhundert, die teilweise nur noch die Verifikationsnummer angeben, bis hin zu den wieder etwas ausführlicheren Konten-Buchungen der Hauptrechnungsbücher nach 1773. Die gehälterbezogenen Ausgabentitel der Procuraturregister geben in der Regel die zu entlohnende Amtsstelle an. Je höher das zu besoldende akademische Amt im Rang, desto wahrscheinlicher ist es auch, dass der Name des Amtsinhabers vermerkt ist. Bis Mitte des 17. Jahrhunderts notierten die Procuratoren im noch recht ausführlichen Postentext stets den planmäßig zu zahlenden Lohn. Der tatsächlich gezahlte Betrag ist mittig unterhalb des Textes vermerkt und vereinzelt entweder mit der „dedit“-Abbreviatur oder mit einem ausformulierten Zahlvermerk versehen worden. Im Laufe des 17. Jahrhunderts setzte sich eine immer deutlichere Kenntlichmachung des tatsächlich gezahlten Lohnbetrages am (zumeist) rechten Seitenrand durch, bis die Beträge Mitte des 17. Jahrhunderts in feste Währungsspalten gesetzt wurden. Entweder stand jedem Professor eine Registerseite zu oder alle Professorenlöhne einer Fakultät wurden auf einer Seite gelistet. Die Universitätsbediensteten stehen mal getrennt voneinander, mal zusammen (Notar, Procurator, Famulus), der Oeconomus folgte in der Regel auf einer gesonderten Seite. Erst in Zeiten besonders geringer oder gänzlich ausbleibender Gehaltszahlungen, d.h. ab den 1620er Jahren lässt sich eine Abkehr von dieser raumeinnehmenden Buchführung erkennen: Die geringen Personalausgaben füllten insgesamt nur noch zwei bis drei, statt bis dato ca. sieben Seiten.

208

2. Personalkosten

Die Ausgabentitel der frühen Procuraturregister bezeichnen also das Lehr-, Verwaltungs- oder anderweitige Dienstverhältnis und nennen teilweise auch den Amtsinhaber namentlich. Sie heben außerdem den gezahlten Betrag hervor und erlauben vereinzelt eine Analyse der Differenz zwischen veranschlagtem und tatsächlich gezahltem Gehalt. Drei ausgewählte Personalkosten-Posten aus dem Procuraturregister von 1576–1577 sollen hier zur exemplarischen Veranschaulichung dienen: Besoldunge der Professorn unnd andern der Vniuersitet tienstuorwantenn In Theologica facultate [...] Dem Pastori tho S. Marien seind vonn der Vniuersitet heuungen jarlichen vorordnet IIC m. Dersuluigen hefft M. Andreas Rungius von diesem Jahre empfangen.189 In medica facultate Dem primario Medico sein jahrlichen vorordnet VI C m. Diesuluigen hatt D. Christianus Calenius von diesenn Jahre empfangenn.190 Dem Notario et Procuratori Vniuersitatis sein jarlichen vorordent XVIII m. tho dem Notariat Academiae XII m. tho dem Notariat des Geistlichen Consistorii XXX m. tho der Procuratur Noch I Drombt Roggen geburen dem Procuratori vonn der Eldena. Das Gelde alles habe ich Bernhardus Scharffenbergk diess Jahr empfangen.191

189 UAG, Kurator St. 872, Procuraturregister von 1576–1577, fol. 12r. Siehe auch für die beiden folgenden Zitate Abbildung 13: Exemplarische Besoldungseinträge, S. 209. 190 Ebd. fol. 14v. 191 Ebd. fol. 18v.

2.2. Personal und Gehalt in den Wirtschaftsquellen

Abbildung 13: Exemplarische Besoldungseinträge aus dem Procuraturregister von 1576– 1577 (UAG, Kurator St. 872, Procuraturregister von 1576–1577, fol. 12r, 14v, 18v)

209

210

2. Personalkosten

Insbesondere die Auszahlung der Professorengehälter entwickelte sich im Laufe des 17. Jahrhunderts zum alles bestimmenden Problem der Universitätskasse. Den Beginn des Jahrzehnte währenden Zahlungsnotstandes markiert das Jahr 1626, als der Procurator zum ersten Mal die akademischen Gehälter nicht in vollem Umfang auszahlen konnte, „weil die Pension aus Ruigen nicht erlegt“192 wurde. Auch in den folgenden Jahresrechnungen listete Georg Bachmann sämtliche zu zahlenden Gehaltsbeträge mit ausführlichen Vermerken, dass und aus welchen Gründen nicht gezahlt werden könne. Sein Amtsnachfolger Heinrich Rose beschränkte sich ab 1630 in der Personalkostenverbuchung schließlich nur noch auf die bedrückende Faktenlage: „Ausgabe an Besoldung der Herrn Professoren: 000.“193 Die Formalia der Procuraturregisterführung zwischen 1646 und 1670 lassen sich nicht einheitlich beschreiben, da bis zu drei unterschiedliche Registertypen parallel geführt wurden und Aufbau und Form auch der jeweiligen Typen sich von Jahr zu Jahr stark unterschieden.194 Insbesondere die Personalkostenverbuchung ist in diesem Zeitraum erweitert worden. Denn im Laufe des Dreißigjährigen Krieges hatte die Universität teilweise keine Löhne mehr auszahlen können, weshalb sich bis 1646 eine Menge offener Gehaltsforderungen (Deserviten) angehäuft hatten. Der buchhalterische Umgang mit diesen Lohnschulden entwickelte sich offenbar durch Experimentieren. Im Zusammenhang mit dem Rezess (und den daran angehängten Etats) von 1646 entstanden so die Deservitenlisten.195 Die Personalkostenverbuchung besteht seit 1711 – gemäß der vierteljährlichen Zahltermine – aus vier Teilbeträgen und vier Verweisnummern zu Empfangsbestätigungen. Damit einher geht eine räumliche Ausweitung der Personalkostenverbuchung innerhalb des Registers: Jede Fakultät erhielt eine Seite, die Officiales (Syndikus, Sekretär und Procurator/Structuarius) standen auf einer Seite und von den übrigen Bediensteten nahm fast jeder eine eigene Seite ein. Die Informationen zur erfolgten Gehaltszahlung unterschieden sich dabei nicht. Unter dem Titel verbuchten die Procuratoren des 18. Jahrhunderts auch weiterhin den Amtsinhaber (teilweise namentlich), darunter auf der linken Seite untereinander die vier Zahltermine mit den jeweils dazugehörigen Nummernverweisen zu den Empfangsbelegen196 und in der rechtsbündigen Währungsspalte den gezahlten Betrag.

192 Die Gehälter mussten aus einer anderen Quelle geleistet werden: „Besoldung der H. Professorn vndt andere, so der Universitet mit dienst vorwandt, auf dismahl aber von den 3600 m. Eldenowesche besoldung, weil die Pension aus Ruigen nicht erlegt.“ UAG, Kurator St. 913, Procuraturregister von 1626–1627, pag. 15. 193 UAG, Kurator St. 915, Procuraturregister von 1629–1630, fol. 3r. 194 Vgl. dazu im Kapitel 1.3.2.c. Aufbau und Merkmale der Procuraturregister: Etatorientierte Register 1646–1670 ab S. 103. 195 Vgl. Kapitel 2.2.1.d. Deserviten ab S. 213. 196 Bei den Verifikationen der akademischen Gehaltszahlungen handelte es sich, anders als bei den entlohnten Dienstleistungen auf Rechnung, um reine Empfangsbestätigungen durch den jeweiligen Amtsinhaber, d.h. auch um eine Art Absicherung der Universität vor ungerechtfertigten Lohnansprüchen.

2.2. Personal und Gehalt in den Wirtschaftsquellen

211

Die Informationen, die sich aus den nur noch sehr knappen Procuraturregistereinträgen zu den Personalkosten im Laufe des 18. Jahrhunderts gewinnen lassen, sind im Laufe von rund 200 Jahren in etwa gleich geblieben, da auch der Zweck ihrer Niederschrift der gleiche blieb: Die Rechenschaft vor der Landesherrschaft sowie der Nachweis für die Registratur der akademischen Korporation über bereits beglichene und noch ausstehende Lohnforderungen.197

c) Professorenbesoldung Zu Beginn der Procuraturregisterführung – als sich die akademische Finanzverwaltung erst entwickelte - lässt sich deutlich erkennen, dass der Fokus hinsichtlich des Personals weniger auf den korporativ zu tragenden Kosten, als vielmehr auf der Alimentierung der einzelnen Professoren lag – gemäß des pfründenbasierten Versorgungsystems der spätmittelalterlichen Professoren.198 Insbesondere ist diesbezüglich das erste überlieferte Procuraturregister zu beachten: Es listet noch nicht, wie die folgenden Register, ausschließlich die jährlichen Kosten der Universität für ihre Professoren (als dem primären Personal), sondern deren individuelle Einnahmen auf. Das Gehalt aus der Universitätskasse machte bei fast der Hälfte der Ordinarien tatsächlich nur einen Teilbetrag aus. Ein frühes Exemplar eines gesonderten Lohnetats liegt dem Procuraturregister von 1574–1575 bei: „Vorzeichnus was den Professorn zu Greifswaldt vor Besoldung von der Vniuersitet einkommen das Jar uber werden geben“.199 Wie bereits in dem Procuraturregister von 1566–1567 noch innerhalb der Rechnungsposten, sind auch hier sämtliche Einkünfte der Professoren aufgeführt und geben somit detaillierten Einblick in die Alimentierung der Professoren in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts - über den Kassenrand der Universität hinaus. In der folgenden Darstellung dieses ersten Lohnetats der Universität Greifswald (Tabelle 2.1.) wird dementsprechend auch zwischen dem Gehalt eines Ordinarius, für das die Universität aufkam („Gehalt“) und dem Gesamteinkommen, das einem Ordinarius – im besten Fall – jährlich aus diversen Quellen zur Verfügung stand („Einkommen“), unterschieden. Beachtet man nur das Professorengehalt fällt auf, dass augenscheinlich große Differenzen bestanden. Der erste Theologe erhielt demnach nur 25 Prozent von dem, was die Höchstverdiener der frühneuzeitlichen Universität, der erste Jurist und der erste Mediziner, bekamen. Vergleicht man aber die Professoreneinkommen, so stellen sich die Lohndifferenzen als wesentlich geringer dar. Die ersten Ordinarien der vier Fakultäten verdienten allesamt 600 Mark jährlich und die Einkommen der übrigen Professoren waren – offenbar ihrem Rang entsprechend – etwas niedriger.

197 Vgl. dazu Kapitel 1.3.1. Quellentypologie ab S. 91 und Kapitel 1.3.2.a. Normgebung ab S. 93. 198 Vgl. zum Pfründensystem Kapitel 1.1.2. Mittelalterliches Pfründensystem ab S. 19. 199 UAG, Kurator St. 870, Procuraturregister von 1574–1575, fol. 49r.

212

2. Personalkosten

Tabelle 2.1. Lohnetat der Greifswalder Professoren für das Rechnungsjahr 1574–1575 (Mark)200 Ordinarius Gehalt aus Weitere Ämter Gehalt aus anderen der Kassen Universitätsk asse Erster Theologe

150

Pfarrer in S. Nikolai und Superintendent Pfarrer in S. Marien Pfarrer in S. Jacobi Direktor des Geistlichen Konsistoriums

Zweiter Theologe Dritter Theologe Erster Jurist

150 150 600

Zweiter Jurist Dritter Jurist

450 100

Erster Mediziner Zweit. Mediziner

600 100

Erster Artist Zweiter Artist Dritter Artist Vierter Artist Fünfter Artist

450 300 300 240 60

Archidiakon für Usedom

Sechster Artist

75

„underste“ Caplan von S. Nikolai und St. Spiritus203

450 + 4 dr. Roggen

600

375 375

525 525 600

Assessor des Geistl. Konsistoriums, Stadtsyndikus,

180 von S. Nikolai,

Stadtphysikus

300 von der Stadt und von S. Nikolai 150

Caplan und Prediger

Einkom men201

450 430

150 von der Stadt

insges. 375 von S. Nikolai202 insges. 196, hauptsächlich204 von S. Nikolai

Der ausgleichende Aspekt der akademischen Gehaltszahlungen ist augenscheinlich: Professoren ohne fest entlohnte, zusätzliche Ämter erhielten ein höheres universitäres Gehalt als ihre nebenerwerbenden Kollegen.205

200 Ebd., fol. 49r–51r. Zur Abgrenzung des Etatbegriffs vgl. Kapitel 1.3.4.c. Die Etats ab S. 122. 201 Die Quelle führt das jährliche Gesamteinkommen eines Ordinarius nicht auf. Dieser Wert ist zum Zweck dieser Darstellung errechnet worden. 202 Davon sind 315 Mark „von S. Nikolai Casse [...] anno 1563 wegen disser Lectur togeordnet“. Vgl. UAG, Kurator St. 870, Procuraturregister von 1574–1575, fol. 51r. 203 „[...] unde noch vom hillgen Geiste vor der Stadt“, Ebd. 204 Davon sind u.a. 30 Mark ebenfalls „anno 1563 wegen disser lectur“ von der Kirchenkasse zu S. Nikolai angeordnet; weitere 114 Mark kamen von S. Nikolai. Ebd. 205 Wie bindend dieser Ausgabenetat tatsächlich war, lässt sich nicht nachvollziehen. Eine kursorische Durchsicht der Procuraturregister des 16. und frühen 17. Jahrhunderts zeigt allerdings, dass die im Jahr 1575 offenbar festgelegte (zumindest schriftlich zusammengestellte) Höhe der Professorengehälter weiterhin so ausgezahlt wurde. Da aber der dedit-Vermerk im Laufe des gegebenen Betrachtungszeitraumes aufgegeben wurde, lassen sich keine sicheren Aussagen über tatsächlich gezahlte Gehälter treffen. Gerade wegen der Abschaffung des dedit-Vermerks könnten die Zahlen aber durchaus auch als zuverlässig verstanden werden: Vielleicht war ein

600 400 600 300 300 240 435 271

2.2. Personal und Gehalt in den Wirtschaftsquellen

213

Der erste schwedische Rezess für die Universität sah 1646 ein einheitliches Jahresgehalt in Höhe von 200 Gulden pro Ordinarius vor. Davon war die ökonomische Realität der Universitätskasse aber weit entfernt.206 Die seit Mitte des 17. Jahrhunderts angestrebten einheitlichen Professorengehälter von 200 Gulden lassen sich in den Procuraturregistern nicht nachweisen. Ebenso wenig ist eine Differenz zwischen der gesetzlich vorgeschriebenen (bzw. angedachten) Lohnhöhe und der tatsächlich ausgezahlten Professorengehälter berechnet worden. Der Soll-Lohn richtete sich auch weiterhin nach den alten Lohnvorgaben der Vorkriegsjahre. Die Lohnschulden der Universität Greifswald nahmen dennoch weiterhin stark zu.

d) Deserviten Die Deserviten, d.h. die ausstehenden Gehaltszahlungen sowie die zinsenbedingt daraus entstandenen Schulden, verbleiben im wirtschaftlichen Kontext der akademischen Personalkosten207 und sind innerhalb des Procuraturregisters dementsprechend auch direkt im Anschluss an die Professoren- und Verwalterbesoldung verbucht worden.208 Die Deservitenlisten sind eine Erscheinung ausschließlich der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Im ersten Etat der Universität Greifswald für das Rechnungsjahr 1646–1647 werden sämtliche dieser offenen Gehaltsforderungen gemeinsam mit anderen akademischen Schulden – und nicht deutlich von diesen zu unterscheiden – in einer gesonderten Tabelle gelistet. Diese erste ausführliche Gläubigerliste209 führt in der linken Spalte die Namen der Gläubiger mit der nachgestellten Gesamtsumme der jeweils offenen Forderung und in nach rechts fortlaufenden Spalten, wieviel abbezahlt worden, was anderweitig zu verrechnen und wie hoch die Summe der verbleibenden Forderungen war. Demnach hatte die Universität im Jahr 1647 mindestens 35 Gläubiger, denen sie knapp 4.000 Gulden schuldete. Darunter befanden sich hauptsächlich Professoren210 aber auch universi-

206

207 208 209 210

gesonderter Vermerk mittlerweile überflüssig geworden, weil die Buchung an sich bereits die Auszahlung belegte. Vgl. Visitationsrezess (1646), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 478–490. Im Etat von 1646 werden die Professorengehälter mit insgesamt 1248,33 Gulden angegeben. Im gleichen Jahr sind sieben Professoren aber auch mindestens zwei Professorenwitwen (Gnadenjahr) entlohnt worden. Dem Rezess zufolge hätte die Universität 1647 somit 1.800 Gulden an Professorengehalt zahlen müssen. Zur Abgrenzung der Lohn- von den Kapitalschulden der Universität vgl. auch Kapitel 5.3.2.a. Kapitalaufnahme bis 1670 ab S. 416. In den bis 1670 weiter geführten Procuraturregistern nach alter Ordnung (Kollegium/ Kloster) sind die Deserviten nicht verbucht worden. Die Gläubigerliste trägt den Titel: „Vermuge der Tabelle soll haben [...]“, vgl. Abbildung 14. Ausführliche Deservitenlisten und Liquidationsrechnungen zu einzelnen Professoren finden sich gebündelt in: UAG, Altes Rektorat Hbg. 184.

214

2. Personalkosten

Abbildung 14: Erste Gläubigerliste als Bestandteil des Etats für die Universität Greifswald von 1646 im Anhang des Procuraturregisters von 1646-1647 (UAG, Kurator St. 923, o.fol.)

2.2. Personal und Gehalt in den Wirtschaftsquellen

215

tätsexterne Gläubiger, wie z.B. der Wittenberger Bürgermeister und Verleger Samuel Sehlfisch.211 In den Registern selbst folgen die Deserviten auf die Lohnposten der höheren Bediensteten, in der Regel im Anschluss an den Buchdruckerlohn. Bei den Deserviteneinträgen handelt es sich um recht komplizierte Rechnungen, die zumindest bis 1670 keine einheitliche Beschreibung zulassen. Allen gemeinsam ist, dass der Name und das Amt des Gläubigers als Titel fungieren. War der Gläubiger schon verstorben und sein Anspruch auf dessen Erben übergegangen, ist dies ebenfalls vermerkt. Der Posteneintrag selbst konnte sehr knapp sein; manchmal steht sogar gar nichts unter dem Gläubigernamen. Viele waren allerdings ausführlich und beinhalteten die gesamten offenen Forderungen, teilweise unter Angabe von Erläuterungen, vereinbarten Raten, einer chronologischen Übersicht über bereits abbezahlte Raten bzw. verbleibende Forderungen. Trotz solcher jährlicher Etats und Schuldenabbaupläne konnte die Universität ihre Lohnschulden aber bei Weitem nicht so rasch abbauen, wie es vorgesehen war und erwartet wurde. Ab der Mitte des 17. Jahrhunderts nahmen die Deservitenrechnungen im Procuraturregister daher zunächst immer mehr Raum ein.212 Sie schlossen in der Regel mit einer „Summa Summarum von nach der Tabelle diß Jahr gezahlet.“213 Bei „der Tabelle“ handelte es sich vermutlich um die im Zusammenhang der Jahresetats entstandene Gläubigerliste, wie sie für die Jahre von 1646–1653 angefertigt, wahrscheinlich von Jahr zu Jahr erweitert, aber nicht überliefert worden sind. Auch in den 1660er Jahren orientierte man sich beim Schuldenabbau nach wie vor noch an den 1646 erstellten Gläubigertabellen, konnte aber auch weiterhin die angestrebte Begleichung der Schulden nicht erreichen – obwohl durchgängig Schulden abgebaut wurden.214 Moevius Völschow trennte die offenen Gehaltsforderungen in seiner Registerführung zum ersten Mal deutlich – nominell und räumlich – von den übrigen Schulden der Universität. Den Titel „abgetragene Schulde“ setzte er an den Anfang des 211 Die Universität hatte 1604 mit Sehlfisch einen Vertrag zur Ausstattung ihrer ersten Universitätsbibliothek abgeschlossen. Die Begleichung der vereinbarten Raten war allerdings 1613 eingestellt worden, vgl. dazu Kapitel 4.1.5. Universitätsbibliothek und Stiftungen zur Bibliothek ab S. 336 sowie Kapitel 4.2.6. „Bibliothekengeld“ ab S. 350. 212 Beispielsweise rund 40 Seiten im Rechnungsjahr 1651–1652, UAG, Kurator St. 937, Procuraturregister von 1651–1652, fol. 18v–40r. Allerdings wurden die gesamten Forderungen eines Gläubigers nur dann aufgelistet, wenn von der Schuld auch etwas abgetragen wurde. Ist nichts gezahlt worden, befindet sich nur der Name des Gläubigers auf der Registerseite. 213 Vgl. ebd. fol. 40r. Die Gesamten Lohnschulden betrugen für das Rechnungsjahr 1651–1652 1624,67 Gulden. Bei „der Tabelle“ muss es sich um die im Zusammenhang der Jahresetats entstandene Gläubigerliste handeln, wie sie für die Jahre von 1646–1653 angefertigt, wahrscheinlich von Jahr zu Jahr erweitert – aber nicht überliefert – worden sind. 214 Im Rechnungsjahr 1661–1662 wurden von mittlerweile schon 10.864 Gulden offener Lohnforderungen (von nur noch 26 Gläubigern) 6 Prozent der Schulden (635,67 Gulden) beglichen. Vgl. dazu die nur noch drei Seiten umfassende Liste: „Die Deservita und Schulde, so nach der Tabell bey der Visitation Anno 1646 gemachet particulatim haben abgetragen werden sollen“ in: UAG, Kurator St. 960, Procuraturregister von 1661–1662, fol. 33v–34v.

216

2. Personalkosten

Ausgabenregisters – noch vor die bisher absolut priorisierte Ausgabengruppen der Professorenlöhne. Im Anschluss an die Besoldung der höheren Bediensteten folgen nun ausschließlich die akademischen Lohnschulden, die fortan auch als „Deservita“ betitelt sind. Darunter verbuchte er insgesamt 24 Gläubiger, denen die Universität zusammen ca. 11.290 Gulden schuldete, wovon in dem genannten Rechnungsjahr mit ca. 991 Gulden knapp 9 Prozent beglichen wurden.215 Tendenziell nahm die Zahl der Gläubiger also ab, während die Verschuldung zunächst weiter anstieg. Obwohl im Zuge des Schwedisch-Brandenburgischen Krieges (1675–1678) insgesamt sechs Jahre lang die akademischen Lohnzahlungen erneut ausfielen, scheint die absolute Priorisierung des Schuldenabbaus sowie eine allgemeine wirtschaftliche Erholung allmählich Früchte zu tragen. Im Rechnungsjahr 1687–1688 beliefen sich die Deserviten auf nur noch 9.732 Gulden. Darunter finden sich allerdings Namen, die bereits über 40 Jahre lang in den Deservitenlisten standen. Als prominentes Beispiel seien hier die Professoren Battus mit einer Forderung von zusammen 1.489 Gulden erwähnt.216 Der Sohn Abraham Battus hatte die Forderungen des verstorbenen Vaters, Bartholomäus Battus, zunächst übernommen und dann früh eigene hinzu ‚gewonnen‘. Des „sehligen Herrn Doctori Bartholomei Batti und Herrn Doctori Abraham Batti altes und neues Deservitum“ hatte im Rechnungsjahr 1670–1671 noch aus „in gesambt“ 2.247,83 Gulden bestanden.217 1688 waren sie schon zum Großteil abgetragen; die letzte Rate beglich die Universität aber erst im Rechnungsjahr 1700–1701.218 Dieses Rechnungsjahr markierte die endgültige ‚Entschuldung‘ der Universität – nach über 50 Jahren Deservitenlast. Unter sämtlichen 1701 verbuchten Deserviten befinden sich Vermerke, wie: „sein also bezahlet“.219 Damit verschwindet der Deservitentitel gänzlich aus den Procuraturregistern – so wie auch die „abgetragenen Schulden“. An erster Stelle der Universitätsausgaben stehen anschließend wieder die Gehaltszahlungen der Professoren. Die Universität begann das neue Jahrhundert schuldenfrei. Im 18. Jahrhundert gab es keine umfassenden strukturellen Gehaltsausfälle mehr.220 Nur in einzelnen und strittigen Ausnahmefällen erhielten Professoren weniger oder

215 Vgl. UAG, Kurator St. 979, Procuraturregister von 1670–1671, fol. 18r–19r. 216 Bartholomäus Battus, Greifswalder Professor der Theologie (1599–1639) hatte 694 Gulden offene Lohnforderungen und sein Sohn Abraham Battus, Greifswalder Professor der Theologie seit 1650 und Generalsuperintendent seit 1662, 795 Gulden, vgl. dazu Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 230, 249 und 256 sowie die Zahlen in: UAG, Kurator St. 988, Procuraturregister von 1687–1688, pag. 72. 217 UAG, Kurator St. 979, Procuraturregister von 1670–1671, pag. 18r. 218 Seit Ende der 1690er Jahre standen unter dem Titel „abgetragene Schulden“ ohnehin keine Einträge mehr. 219 Vgl. UAG, Kurator St. 1001, Procuraturregister von 1700–1701, pag. 79. 220 Darunter fallen nicht die kriegsbedingten Ausfälle zwischen 1711 und 1719.

2.2. Personal und Gehalt in den Wirtschaftsquellen

217

überhaupt kein Gehalt.221 Somit bestand im Laufe des 18. Jahrhunderts auch keine Notwenigkeit mehr, Lohnschulden strukturell zu erfassen.222

e) Extraordinarien Zwei Jahre nachdem die Extraordinariate abgeschafft und durch Adjunkturen ersetzt worden waren, passte Moevius Völschow die Buchhaltung der veränderten Personalentlohnung an.223 Den ersten Titel zur Verbuchung von Adjunktenlöhnen führte er im Rechnungsjahr 1704–1705 ein, wenn auch vorläufig nur für den „Adjunctus Philosophiae“. Als solcher erhielt Magister Nicolaus Köppen jährlich 150 Gulden.224 Bereits ein Jahr später vereinte ein allgemeiner „Adjuncti“-Titel die erfolgten Lohnzahlungen an fünf Adjunkte diverser Fakultäten. Rezessgemäß erhielt jeder von ihnen jeweils ein Jahresgehalt von 100 Gulden. Auf die expliziten Titel zur Besoldung außerordentlicher Lehrer kann man sich allerdings nicht ausschließlich verlassen. Denn wiederholt verbuchten die Procuratoren gezahlte Adjunktengehälter auch unter den nach Fakultäten gegliederten Salarien der Professoren.225 2.2.2. Die Lohnkostenverbuchung in den Hauptrechnungsbüchern Die Personalkostenverbuchung der kontenbasierten Hauptrechnungsbücher ab 1774 ist – entsprechend der allgemeinen Entwicklungen in der administrativen Schriftlichkeit dieser Zeit – weit ausführlicher als die Buchhaltung der Procuratur-

221 Vgl. dazu den Fall Benzelstiernas, in: Seth: Universität Greifswald, S. 252 und Kapitel 1.2.9. Schuldenabbau und Investitionen (1770er–1806) ab S. 71. 222 Dafür fand aber eine rechtliche Absicherung vor Lohnschulden statt: Um die Universitätswirtschaft gegen eine erneute Lohnverschuldung abzusichern, durften die Professoren nach 1702 – im Fall des Ausbleibens der Revenuen und folgender Illiquidität der akademischen Kasse – nur noch ein Viertel ihres monetären Lohns, d.h. 50 Reichstaler anschließend geltend machen, vgl. Visitationsrezess (1702), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 285. 223 Obwohl der neue Rezess die Extraordinariate nominell gerade abgeschafft hatte, ist im Rechnungsjahr 1703–1704 trotzdem unter dem neuen Ausgabentitel „Theologiae Professor Extraordinario“ erstmals eine Zahlung von 100 Gulden an „Dr. Gebhardi“ verzeichnet worden. Dieser Ausgabentitel steht im Register zwischen den Zahlungen an die Professoren der Philosophischen Fakultät und dem Gehalt des Syndikus. Er verblieb bis 1725 in den Procuraturregistern, obwohl die Stelle dieses außerordentlichen Theologieprofessors nur ein Jahr nach Etablierung des Ausgabentitels schon wieder vakant blieb. Vgl. UAG, Kurator St. 1004, Procuraturregister von 1703–1704, pag 74. 224 Vgl. UAG, Kurator St. 1005, Procuraturregister von 1704–1705, pag. 80. 225 z.B. im Fall des Extraordinarius der Juristen und akademischen Syndikus Licentiat Henning Christoph Gerdes: Als Syndikus erhielt er jährlich 100 Gulden, die unter dem entsprechenden Titel verbucht waren. Als außerordentlicher Professor der Juristen erhielt er ebenfalls 100 Gulden, die aber auch nach 1704 nicht explizit als Adjunktenlohn (oder mit eigenständigem Titel, wie im Fall des vakanten Theologie-Extraordinariats) ausgezeichnet, sondern als ein geringerer unter den Professorenlöhnen der Juristenfakultät verbucht wurde.

218

2. Personalkosten

register seit Mitte des 17. Jahrhunderts. In den Hauptrechnungsbüchern selbst fasst ein allgemeines „Salaria“-Konto zunächst den Großteil der Personalkosten auf vier Doppelseiten und entsprechend der oben genannten Rangfolge zusammen. Im Debet steht dort, welche Beträge die Universität in dem jeweiligen Rechnungsjahr für Gehälter ausgezahlt hatte. Dieses Spezialkonto, das einer Personalliste gleicht, beinhaltet die Amtsbezeichnung, oftmals namentlich den Amtsinhaber, den gezahlten Betrag und einen Seitenverweis zu dem Einzelkonto des jeweiligen Amtsinhabers. Die Personalkosten sind nach Fakultäten und sonstigen Gruppen („Extraordinarii et Adjuncti“, Beamte, Sprach- und Exerzitienmeister, Bediente, Forstbediente) zwischensummiert. Die Gesamtsumme am Ende entspricht dem Betrag auf der rechten, der Credit-Seite: Dem im Jahresetat für die entsprechende Konteneinheit veranschlagten Gesamtbetrag: „nach dem Stat.“ Das beschriebene Schema setzt sich in den Einzelkonten fort und erfuhr im Laufe der folgenden 30 Jahre keine Veränderung. Aus den Einzelkonten erfährt man schließlich die Details zu den jeweiligen Zahlungen: Die Einträge der linken Debet-Seite („Cassa Conto“) bestehen aus den nach wie vor vier Zahlterminen und sind chronologisch auch nach diesen angeordnet. Angegeben werden jeweils das Zahldatum, die Art der Leistung (Salaria, Locarium o.ä.), teilweise mit Erklärungen eventueller Ausnahmen, die jeweiligen Einzelbeträge und eine Summierung dieser. Die Einträge im „Credit“ listen wiederum auf der rechten Seite die etatgemäß vorgesehenen Beträge – aber einzeln und detailliert, um welche Art von Zahlung es sich jeweils handelte: „Salaria. Was pro h.a. im Stat für denselben aufgeführet“226, Agio, monetäres Locarium, Begleichung offener Forderungen oder eventuelle Zulagen. Die Summen der Gehaltskonten sind, wie im Falle sämtlicher Konten, ausgeglichen. Ist ein Gehalt ganz oder teilweise nicht ausgezahlt worden, so vermerkte man den entsprechenden Betrag und eine Erklärung dazu als ausstehendes Gehalt auf der linken, der Debetseite. 2.2.3. Locarium und Naturalabgaben als Gehaltsbestandteil a) Locarium „Salaria und locaria“227 sind bezüglich der akademischen Personalkosten auch in den Normtexten der Universität Greifswald stets gemeinsam gedacht worden. Unter dem Begriff „Locarium“ kann zunächst das Recht der Universitätsbediensteten auf universitären Wohnraum (Wohnung oder Haus) verstanden werden. Nahm ein Professor oder Beamter – aus welchen Gründen auch immer – das rechtliche Locarium

226 Vgl. exemplarisch das Gehaltskonto des Tanzmeisters Kayser, in: UAG, Kurator RB 114, Hauptrechnungsbuch von 1773–1774, pag. 217, vgl. auch Abbildung 10: Beispiel für ein Einzelkonto. 227 So im Visitationsrezess (1666), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 100.

2.2. Personal und Gehalt in den Wirtschaftsquellen

219

nicht in Anspruch, so erhielt er in der Regel eine monetäre Ersatzleistung, die in den Rechnungsbüchern ebenso als „Locarium“ verbucht wurde.228 Im Umkehrschluss handelt es sich bei sämtlichen in den Ausgabenregistern verbuchten „Locaria“ also um jenes Dienstwohnungs-Erstattungsgeld.229 Bis 1670 sind solche Locaria oftmals als Bestandteil des Gehaltes verbucht worden: Unter dem Titel eines Amtsinhabers, der nicht in einem akademischen Haus wohnte, ist der Betrag für das Locarium dann gesondert neben dem Jahresgehalt aufgeführt. Erst Moevius Völschow führte das Locarium als eigenständigen Ausgabentitel in den Procuraturregistern ein und stellte ihn den Gehältern der „Officialies“ nach. Die Locaria der niederen Beamten sind dagegen weiterhin als Bestandteil ihrer Gehälter aufgeführt worden. So lässt sich seit dem Rechnungsjahr 1669–1670 nachvollziehen, dass die Professoren und höheren Universitätsbeamten mit ca. 30 Gulden jeweils die gleichen Locaria-Beträge erhielten. Ordinarien bezogen nach 1670 aber nur vereinzelt, in Ausnahmefällen ein monetäres Locarium. Auch im 18. Jahrhundert wohnten vor allem ranghohe Ordinarien in der Regel in akademischen Häusern und erhielten nur selten ein monetäres Locarium. Hauptsächlich und vermehrt waren es außerordentliche Lehrer, der Secretarius und der Procurator, die ab 1670 unter dem LocariumTitel verbucht sind. Knapp 100 Jahre nach Einführung dieses eigenständigen Ausgabentitels hatten sich weder der Betrag noch die Verbuchung der Locaria in den Procuraturregistern verändert: Universitätsverwandte erhielten nach wie vor 30 Gulden als Wohn-Ersatzzahlung230 und zumindest die Zahlungen an Ordinarien, Adjunkte und Verwalter sind weiterhin an der gleichen Position im Procuraturregister verbucht worden. In den Hauptrechnungsbüchern ist das Locarium nicht mehr als gesonderter Titel bzw. nicht als eigenständiges Konto aufgeführt worden – nicht einmal als Schlagwort im alphabetischen Verzeichnis am Anfang des Rechnungsbuches. Vielmehr ist es in den Hauptrechnungsbüchern wieder zum Bestandteil der Gehaltszahlungen geworden und taucht in den individuellen Gehaltskonten nur noch im Rahmen der Aufschlüsselung der vorgesehen Zahlungen auf der rechten Credit-Seite auf. Im Debet, d.h. bei der Auszahlung des Geldes an die Bediensteten, geht das Locarium in den regulären Quartalszahlungen auf und wird als solches nicht noch einmal verbucht.231

228 Die Entscheidung über Gewährung eines monetären Locariums lag beim Kanzler, vgl. Visitationsrezess (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 432. 229 Bei dem „Locaria“-Titel in den Einnahmenregistern handelt es sich dagegen um die eingenommenen Mieten von den akademischen Gebäuden, die in dem Kapitel zu den Baukosten behandelt werden, vgl. dazu Kapitel 3.2.1. Einnahmen aus dem Häuserbesitz ab S. 281. 230 Im Jahr 1702 wurde das Locarium von 15 Reichstalern schließlich auch normativ bestätigt, Visitationsrezess (1702), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 285. 231 Im Fall eines Bediensteten ohne feststehendes Gehalt wurde dagegen das Locarium auch im Debet als solches verbucht, wie beispielsweise für den Zimmermeister Christian Rühs, vgl. Kapitel 3.1.4. Akademische Handwerker, S. 279, Anm. 88.

220

2. Personalkosten

Der seit über hundert Jahren fixe Betrag des akademischen Locariums wurde erstmals durch den Visitationsrezess von 1775 erhöht. Dem Sekretär und dem Syndikus wurde beispielsweise ein Locarium von 20 Reichstalern zugesprochen.232 Die allmähliche Umsetzung des im Visitationsrezess von 1795 gefassten Entschlusses, den akademischen Häuserbestand innerhalb der Stadt möglichst zu verringern und im Gegenzug das System des monetären Locariums auszuweiten233, lässt sich in den Hauptrechnungsbüchern Ende des 18. Jahrhunderts deutlich nachvollziehen: Im Rechnungsbuch von 1773–1774 bezogen sieben Lehrer und höhere Bedienstete das Locarium, 1798–1799 waren es bereits elf.234 Einer der Ordinarien erhielt zu diesem Zeitpunkt tatsächlich das rezessgemäß angesetzte Locarium von 120 Reichstalern. Die übrigen Professoren 80, bzw. 45 Reichstaler, Adjunkte und höhere Bedienstete zwischen 15 und 50 Reichstaler – in der Regel aber die 1775 angesetzten 20 Reichstaler.235

b) Naturalabgaben Die Professorenbesoldung bestand nicht nur in Greifswald „hauptsächlich aus Geld aber auch anderen Waren.“236 Vertrags- und rezessgemäß Bestandteil akademischer Alimentierung waren neben dem jährlichen Salarium und dem Locarium in der Regel auch gewisse Naturalabgaben aus der Güterwirtschaft des Amtes Eldena. Die zusätzliche naturalwirtschaftliche Ergänzung des monetären Gehaltes konnte aus der eher allgemeinen Zuteilung von Hebungen aus einem bestimmten Gut bestehen237 oder aber aus genau definierten zu verteilenden Naturalien, wie sie seit 1702 in sämtlichen normativen Bestimmungen zu den Personalkosten der Universität zu finden sind:

232 Vgl. Visitationsrezess (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 432. 233 „Dieserhalb wollen und verordnen wir in Gnaden, daß die in der Stadt befindlichen Wohnhäuser der Akademie, welche nicht im Nachstehenden ausgenommen sind, so wie die jetzt selbige bewohnende Profeßoren abgehen, verkauft und die neuen Profeßoren auf ein anständiges locarium von Einhundert zwanzig Reichsthalern gesetzt werden sollen.“ in: Visitationsrezess (1795), in: Ebd., S. 524. Diese Entscheidung ist im Kontext der insbesondere gebäudebezogenen Sparpolitik zu sehen, vgl. dazu Kapitel 3.3.6. Spar- und Kontrollvorschriften zu den Universitätsgebäuden ab S. 313. 234 Locarium-Bezieher 1773–1774: Die Lehrer Muhrbeck, Trägård, Gadebusch, Weigel sowie der Structuarius, der Secretarius und ein Sprachmeister. Locarium-Bezieher 1798–1799: Die Lehrer Mehl, Trägård, Wallenius, Thorild, Rudolphi, Parow sowie der Amtshauptmann, der Rentmeister, der Sekretär, die Sprachmeister und der Fechtmeister. 235 Vgl. UAG, Kurator RB 129, Hauptrechnungsbuch von 1789–1790. 236 „Lønnen er [...] meste i Penger, men og andre Vare.“, vgl. Jacob Langebeks Beschreibung im Kapitel 2.1.2. Professorenanzahl und -gehälter, S. 174. 237 Vgl. die Erträge des Ackerwerks Grubenhagen zum vorläufigen Ausgleich der fehlenden Gehälter, wie es im Visitationsrezess (1646) bestätigt wurde, in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 487.

2.2. Personal und Gehalt in den Wirtschaftsquellen

221

Außer dem salario wird ohne unterscheid jedem Professori und Adjuncto, dem nicht die kirchen oder stadt die haußung giebet, ein wohnhauß oder, wan keines verhanden, anstatt deßen ein locarium von 15 reichsthalern gutgethan, imgleichen werden 20 fuder holtz und einige rauchhüner durch die amptsbauren einem jeden gebracht.238

Die zusätzlich gewährten Naturalien wurden direkt von den Erzeugern geliefert und nicht aus der akademischen Kasse beglichen. Dementsprechend sind die Naturalleistungen auch nicht Bestandteil der jährlichen Kassenrechnung. In sämtlichen Procuraturregistern des 16. und des 17. Jahrhunderts sind die Professorenlöhne monetär verbucht worden.239 Tatsächlich bezahlten Professoren auch für Getreide, das ihnen aus dem Amt Eldena gelieferten wurde. Die Roggenernte 1610 beispielsweise, haben „die herrn professorn unter sich getheilet“ und pro Scheffel 1 Mark in die Universitätskasse gegeben. Für einen Scheffel Hafer zahlten sie außerdem 12 Schilling.240 Solche Abrechnungen sind in den Procuraturregistern allerdings nur selten zu finden. Selbst die 1656–1670 gesondert zwischen Einnahmen- und Ausgabenregister geführten Kornrechnungen machen keine Angaben zur Verteilung des Korns unter den Professoren. Unter den Salarien der Dienstboten lassen sich hingegen etliche Einträge finden, in denen auch Getreidezuteilungen mit abgerechnet worden sind. So erhielt beispielsweise Bernhard Scharffenberg als Procurator zu seinem Jahresgehalt von 60 Mark „noch I drombt Rogken [...] von der Eldena.“241 Und auch noch Michael Knuth verbuchte unter seinem Gehalt von 50 Gulden, dass er „Eidem I drombt Rogken, aus dem Ambte Eldena“ erhalte habe.242 Nachdem Moevius Völschow ab 1670 die Rechnungsführung übernommen und vereinheitlicht hatte, wurden nur noch monetäre Einträge geführt. Naturalabgaben lassen sich aus den Procuraturregistern nicht mehr rekonstruieren. Dass sie aber auch weiterhin Bestandteil der Gehälter waren, versichern uns die Rezesse und Dienstverträge, in denen neben dem Geldbetrag auch die Naturalabgaben verbrieft wurden. Tatsächlich wurden den Professoren im Laufe des 18. Jahrhunderts sogar immer mehr Naturalabgaben zugesichert. Die Erhöhung der monetären Professorenlöhne hatte nicht etwa eine Einschränkung der Naturalabgaben zur Folge – auch der Naturalanteil am Professorenlohn nahm weiter zu: Waren es 1702 lediglich Brennholz und Hühner, was den Professoren aus Eldena zugesichert

238 Visitationsrezess (1702), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 285. 239 Eine Ausnahme davon war nach 1646 hauptsächlich die „Generalsuperintendentenhebung“ mit einem gesonderten Ausgabentitel über 22 Drombt Getreide, vgl. bspw. UAG, Kurator St. 932, Procuraturregister von 1646–1647, fol. 63r. Diese ‚Getreideabrechnung‘ ist aber im Laufe der 1650er Jahre ebenfalls monetarisiert worden. 240 UAG, Kurator St. 897, Procuraturregister von 1610–1611, fol. 6r. 241 UAG, Kurator St. 870, Procuraturregister von 1574–1575, fol. 20v, vgl. auch Transkription und Abbildung 13, S. 208-209. 242 „Dem Structuario oder Procurator und Secretario“ in: UAG, Kurator St. 1074, Procuraturregister von 1646–1647, o. fol.

222

2. Personalkosten

wurde243, bestand der Naturallohn für Ordinarien 1775 neben dem Locarium außerdem aus: frey geliefert zwanzig Faden vierfüßiges Brennholtz, und sechstausend Stück Torf, wofür sie jedoch das Stecherlohn bezahlen müßen. Ferner ein jeder Professor ein Rieß Papier aus den Mühlen, und endlich einige Rauchhühner und -gänse, welche vom Amtmann unter den Professoren in gleicher Anzahl vertheilet werden.244

Holz und Torf wurde ebenfalls den übrigen Lehrern sowie den höheren Bediensteten gewährt. Die naturalwirtschaftliche Alimentierung der Universitätsverwandten ist weder in den Procuraturregistern des 18. Jahrhunderts noch in den Hauptrechnungsbüchern als Bestandteil der Personalkosten auszumachen.245 Die einzige Ausnahme davon bildet die Lohnverbuchung der niederen Bediensteten bzw. eigentlich städtischer Bediensteter, die die Universität nur anteilig entlohnte, da sie deren Dienste auch nur anteilig in Anspruch nahm. Dies waren vor allem der Torwächter im Mühlentor (jährlich 2 Scheffel Roggen) und der Scharfrichter (jährlich 5 Scheffel Roggen). Auch zwei Schulmeister in Wieck und Eldena erhielten von der Universität einen Jahreslohn von 6, bzw. 4 Scheffel Roggen. Dem Landreiter und seinem Pferd standen neben 50 Reichstalern Gehalt außerdem 12 Scheffel Hafer zu. Diese geleisteten Naturalleistungen stellen aber Ausnahmen gegenüber dem regulären monetären Entlohnungssystem der Universität dar und sind, vermutlich gerade weil es sich um Ausnahmen handelte, auch verschriftlicht worden.246 2.3. PERSONAL UND GEHALT IN DER PRAXIS 2.3. PERSONAL UND GEHALT IN DE R PRAXI S

2.3.1. Ordinarienbesoldung a) Anteil der Personalkosten an den Gesamtausgaben Die verbreitete Auffassung von einer Universitätswirtschaft, die fast ausschließlich der Alimentierung ihrer Professoren dient, muss auf Grund der Greifswalder Zahlen zu den Professorengehältern noch einmal hinterfragt werden.247 Dies mag auf die 243 Vgl. Visitationsrezess (1702), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 285. 244 Visitationsrezess (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 432. 245 Weil über die Naturalalimentierung keine Rechenschaft abgelegt werden musste, ist sie vielleicht gar nicht verzeichnet – in jedem Fall aber nicht überliefert worden. 246 Aus diesen Buchungen von einzelnen Naturalleistungen lassen sich Kornpreise und die Preisentwicklung nachvollziehen. Im Fall des Mühlentorwärters wird beispielweise für jedes Jahr der Geldwert für die ihm zustehenden 2 Scheffel Roggen angegeben: 1756–1757 2 Scheffel Roggen zu 2,08 Reichstalern, 1766–1767 2 Scheffel Roggen zu 1,17 Reichstalern, 1773–1774 2 Scheffel Roggen zu 1,33 Reichstalern. 247 Der Anteil der Lohnkosten habe im Etat frühneuzeitlicher deutscher Universitäten bei ca. 80 Prozent gelegen, so Schwinges: Fundationen, S. 175–177 und Rasche: Finanzierung und Öko-

2.3. Personal und Gehalt in der Praxis

223

pfründenbasierten Universitäten des Spätmittelalters zutreffen, nicht aber auf die grundbesitzenden und selbstwirtschaftenden Universitäten des 16. bis 18. Jahrhunderts. Zwar war die Professorenbesoldung durchaus eine Hauptaufgabe der Universitätswirtschaft, daneben galt es aber ebenso viele weitere Universitätsbedienstete zu entlohnen248 sowie eine zunehmend umfangreiche akademische Infrastruktur zu betreiben. In Greifswald machten die Personalkosten für die Professoren der Universität in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nachweislich in der Regel nicht einmal 40 Prozent der akademischen Gesamtausgaben aus, obwohl die Gehälter 1756 wesentlich erhöht und teilweise um Zulagen ergänzt wurden. In den 1790er Jahren lag der Anteil der deutlich gestiegenen Professorengehälter an den Gesamtausgaben sogar weitgehend unter 20 Prozent.249 Aber auch in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts machte der Anteil der Greifswalder Professorengehälter selten mehr als die Hälfte der gesamten anfallenden Universitätskosten aus. Diagramm 2.2. Anteil der Professorenbesoldung an den Gesamtausgaben, 1646–1806250 90,00% 80,00% 70,00% 60,00% 50,00% 40,00% 30,00% 20,00% 10,00% 1646 1651 1656 1661 1666 1671 1676 1681 1686 1691 1696 1701 1706 1711 1716 1721 1726 1731 1736 1741 1746 1751 1756 1761 1766 1771 1776 1781 1786 1791 1796 1801 1806

0,00%

Bei den bislang vorgenommenen numerischen Darstellungen akademischer Personalkosten bzw. der Professorenbesoldung einzelner deutscher und schwedischer Universitäten handelt es sich häufig, nicht zuletzt überlieferungsbedingt, um un-

nomisierung, S. 88. Für die Universität Åbo wird der Anteil der Lohnkosten gegen Ende des 17. Jahrhunderts ebenfalls mit ca. 80 Prozent beziffert, vgl. Klinge: Akademien i Åbo, S. 151. 248 So führt auch Merkel: Universität Heidelberg, S. 19 die gesamten Personalkosten – nicht nur die Professorenlöhne – der Universität Heidelberg an: „Die eingenommenen Gelder“ seien „zu etwa 70 Prozent für Besoldungsausgaben verwandt“ worden. 249 Ulrich Rasche hebt die Göttinger Professorenbesoldung als ausgesprochen modern hervor, da diese „lediglich 60 Prozent der dortigen Etatmittel“ ausmachten. Rasche: Ökonomisierung, S. 87–88. 250 Vgl. die Tabelle „Professorenbesoldung an der Universität Greifswald 1646–1807“ unter www.uni-greifswald.de/furorcameralisticus. Die Jahressumme der ausgezahlten Professorenlöhne ist anteilig zu den Gesamtausgaben der Universität Greifswald des jeweils selben Jahres berechnet worden.

224

2. Personalkosten

vollständige und eher zufällige Stichproben. Darüber hinaus stammt der Großteil der angeführten Zahlen vorwiegend aus normgebenden und planenden Quellen, die kaum Aussagen über Durchsetzung und Faktizität zulassen.251 Die reichhaltige Überlieferung von akademischen Jahresrechnungsbüchern in Greifswald erlaubt es in Kombination mit den Möglichkeiten der digitalen Datenerfassung und –verarbeitung nun erstmals auch die Personalkosten einer frühneuzeitlichen Universität umfassend nach Chronologie und Sparte darzustellen. Zu diesem Zweck wurden zunächst sämtliche Daten der Professorenbesoldung von 1646 bis 1806 aus den jährlichen Procuraturregistern und Hauptrechnungsbüchern digital erfasst und aufbereitet, woraus sich nicht nur diverse Summierungs-, sondern auch neue Darstellungsmöglichkeiten der ökonomischen Entwicklungen der Universität ergaben.252 Locarium und Naturalabgaben fließen nicht mit in die Statistik ein, da sie größtenteils auch nicht in den Rechnungsbüchern verbucht worden sind.253 Ausschließlich das in der Buchhaltung berücksichtigte, rein monetäre Gehalt ist bei der Erstellung der Datenbank aufgenommen und ausgewertet worden. So lassen sich aus den Greifswalder Procuraturregistern und Hauptrechnungsbüchern nicht nur die tatsächlich getätigten Gehaltskosten der Universität, sondern ebenfalls die Entwicklung der Kosten für Professoren, sonstige Lehrer, Verwalter und Dienstpersonal über mehr als 150 Jahre detailliert nachvollziehen.

251 Vgl. z.B. Piotrowski: Finanzierung der Christiana Albertina (herzogliche Besoldungslisten), Pfister: Universität Freiburg (v.a. Prüfberichte der Visitationskommissionen und entsprechende Rezesse), auch Johannesson: Lunds universitet, Bd. 2 (Etats von 1699, 1749 und 1770). Ausnahmen bilden hier Hermann Brunn: Universität Heidelberg und Merkel: Universität Heidelberg. 252 Im Gegensatz zu beispielsweise den Buchungen zum Kapitalwesen können die Personalkosten auf Grund ihrer frühen einheitlichen Verbuchung auch schon vor der Rechnungsbuchführung Völschows statistisch erfasst werden. Die Zäsur 1646 wurde gewählt, weil mit dem Visitationsrezess die Universitätswirtschaft zu diesem Zeitpunkt neu aufgestellt und darüber hinaus den Greifswalder Professoren erstmals ein einheitliches Gehalt garantiert wurde, vgl. die Tabelle „Professorenbesoldung an der Universität Greifswald 1646–1807“ unter www.unigreifswald.de/furorcameralisticus. 253 Vgl. Kapitel 2.2.3. Locarium und Naturalabgaben als Gehaltsbestandteil ab S. 218.

225

2.3. Personal und Gehalt in der Praxis

Diagramm 2.3.a. Greifswalder Professuren und ihre Besoldung, 1646–1701 (Gulden/Personen)254 20

25000,00

18 16

20000,00

14 15000,00

12 10

10000,00

8 6

5000,00

4 2

0,00 1646-1647 1648-1649 1650-1651 1652-1653 1654-1655 1656-1657 1658-1659 1660-1661 1662-1663 1664-1665 1666-1667 1668-1669 1670-1671 1672-1673 1674-1675 1676-1677 1678-1679 1680-1681 1682-1683 1684-1685 1686-1687 1688-1689 1690-1691 1692-1693 1694-1695 1696-1697 1698-1699 1700-1701

0

Gesamtausgaben für Professorenbesoldung

Besetzte Ordinariate

Diagramm 2.3.b. Greifswalder Professuren und ihre Besoldung, 1702–1768 (Gulden/Personen) 20

25000,00

18 16

20000,00

14 12

15000,00

10 8

10000,00

6 4

5000,00

2 0

0,00

Gesamtausgaben für Professorenbesoldung

Besetzte Ordinariate

254 Vgl. auch für die beiden folgenden Diagramme die Tabelle „Professorenbesoldung an der Universität Greifswald 1646–1807“ unter www.uni-greifswald.de/furorcameralisticus.

226

2. Personalkosten

Diagramm 2.3.c. Greifswalder Professuren und ihre Besoldung, 1773–1807 (Gulden/Personen) 25000,00

20 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0

20000,00 15000,00 10000,00 5000,00

1806-1807

1804-1805

1802-1803

1800-1801

1798-1799

1796-1797

1794-1795

1792-1793

1790-1791

1788-1789

1786-1787

1784-1785

1782-1783

1780-1781

1778-1779

1776-1777

1773-1774

0,00

Gesamtausgaben für Professorenbesoldung Besetzte Ordinariate

Im Sinne der notwendigen Generalisierung lässt sich zunächst feststellen, dass zwischen 1646 und 1806 (Diagramme 2.3.a. bis 2.3.c.) die Ausgaben der Universität Greifswald für die Professorenbesoldung (Balken und linke Achsenbeschriftung) weitgehend in Abhängigkeit zu den jeweils besetzten Ordinariaten (Kurve und rechte Achsenbeschriftung) verlief: Nahm die Anzahl der Professoren ab, verringerten sich folglich auch die Ausgaben dieses Titels in summa. Weniger besetzte Ordinariate bedeuteten weniger Professorenlohnkosten. Von dieser Gleichung weichen die Daten allerdings immer wieder ab, was sich auf ganz unterschiedliche Ursachen zurückführen lässt. a) Scheren beide Werte geringfügig nach unten aus, so handelt es sich in der Regel um eine oder mehrere, eher kurzfristige Vakanzen in dem entsprechenden Jahr. Denn im Todesfall eines ordentlichen Professors setzte die Lohnzahlung nur selten unmittelbar aus, bis der Lehrstuhl und das Gehalt von einem Nachfolger übernommen wurden. In der Regel wurde im Zuge des sogenannten Gnadenjahrs255 ein Abschlag der Lohnzahlung mindestens ein Jahr lang der Witwe oder Nachkommen ausgezahlt. 255 Das Gnadenjahr für Professorenwitwen wurde erstmals 1593 verbürgt und ist bis ins 18. Jahrhundert immer wieder bestätigt worden (vgl. auch kurze Darstellung dazu bei Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. LXXV–LXXVI). Ein solches Gnadenjahr unterstützte die „witwen und waysen“ der Professoren, die in der Regel zunächst „noch nicht zu ihrem eigenen brodt gelanget“ waren (Visitationsrezess (1666), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 90) indem sie ein Jahr lang einen Anteil des Gehalts des Verstorbenen erhielten. 1735 richteten die Professoren schließlich zu eben diesem Zweck eine eigenständige akademische Witwen- und Waisenkasse ein, die von Beiträgen, Stiftungen,

2.3. Personal und Gehalt in der Praxis

227

b) Bei einem auffälligen und mehrere Jahre anhaltenden Abwärtstrend der Werte, handelt es sich um die personellen und monetären Auswirkungen eines Krieges: Besonders deutlich erkennt man dieses Phänomen anhand der Kurvenbewegungen zwischen 1711 und 1720, als der Große Nordische Krieg die gesamte Region wirtschaftlich lahmlegte. c) Wenn die Kosten unabhängig von der Anzahl der Professoren nach oben ausscheren, kann dies in der Regel auf zwei Phänomene zurückgeführt werden: Entweder eine Erhöhung der Professorenlöhne (1693, 1756 und 1803) bzw. vermehrte Auszahlungen von individuellen Zulagen, (ab den 1760er Jahren) oder eine Erhöhung der Werte durch Inflation (um 1762).256 Die deutlichsten Zäsuren in der Entwicklung der Professorenlohnkosten des hier dargestellten Zeitraumes entsprechen aber den drei normativen bzw. faktischen Lohnerhöhungen. Im Rechnungsjahr 1694–1695 hatten die Löhne normativ bereits seit dreißig Jahren bei 400 Gulden gelegen. Aber in diesem Jahr sind sie erstmals tatsächlich so ausgezahlt worden. Die zweite Lohnerhöhung wurde im Juni 1756 königlich angeordnet257 und im Rechnungsjahr 1757–1758 erstmals umgesetzt. Wieder verdoppelten sich die Gehälter, zumindest ihrem Nennwert nach. Sehr deutlich bildet sich auch die im Jahr 1803 gewährte, erneute Lohnerhöhung (von 400 auf 600 Reichstaler) in der Kurvenentwicklung ab. Diese drei Zäsuren markieren nicht nur die einzelnen, wenigen Gehaltserhöhungen sondern rahmen auch die weitgehend charakteristischen Phasen der Personalkostenentwicklung der Universität Greifswald. Vergleicht man die jährlich tatsächlich gezahlten Löhne mit den jeweils vorgeschriebenen (Diagramm 2.4.a.), so lassen sich – zwischen den genannten Zäsuren – drei Phasen der Professorenbesoldung ausmachen.

b) Drei Phasen der Professorenbesoldung I. 1646–1693: Minimalvergütung Die ausgezahlten Professorengehälter variierten in diesem Zeitabschnitt zwischen 50 und 150 Gulden. Mehr verdiente nur der erste Mediziner mit einem Jahreslohn von 200 Gulden. Das äußerst hohe Gehalt des ersten Medizinprofessors ging aber

einem Teil der Strafgebühren und Gelegenheitseinnahmen finanziert wurde (Statuten der akademischen Witwen- und Waisenkasse von 1735, in: Ebd., S. 88–94). Die Witwen- und Waisenkasse diente nach 1747 außerdem der akademischen Finanzverwaltung als schnelle und unkomplizierte Möglichkeit der Geldaufnahme, vgl. dazu Kapitel 5.3.2. Kreditnehmerin Universität ab S. 416. 256 Zu den inflationsbedingt steigenden Werten um das Jahr 1762, vgl. Kapitel 1.2.7. Wirtschaftskrise, Verschuldung und Reformdruck (1750–1775) ab S. 54 und Kapitel 5.3.2.c. Circulus vitiosus debitorum – Kapitalaufnahme nach 1747 ab S. 420. 257 Vgl. Erhöhung der Besoldung der Professoren (1756), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 202–204.

228

2. Personalkosten

vermutlich auf Kosten des zweiten, der zeitweise sogar weniger als 50 Gulden verdiente. In Kiel erhielten die Ordinarien der neu gegründeten Universität mit 250 bis 500 Reichstalern258 (ca. 500–1000 Gulden) offenbar exorbitant mehr als ihre Greifswalder Kollegen. Auch an süddeutschen Universitäten vergleichbarer Größe und wirtschaftlicher Voraussetzungen schienen die Ordinarien ökonomisch besser gestellt gewesen zu sein: In Freiburg erhielten sie (neben reichlich Naturalabgaben) 300 bis 400 Gulden259 und in Heidelberg beliefen sich die Jahresgehälter auf 160 bis 270 Gulden.260 Die Gesamtausgaben der Universität Greifswald für ihre durchschnittlich 12 Professoren lagen in der Phase der Minimalvergütung zumeist zwischen 1.000 und 2.000 Gulden. Das Durchschnittsgehalt eines pommerschen Ordinarius betrug demnach 125 Gulden.261 Bis die im Rezess und Etat 1646 festgelegten Professorenlöhne von 200 Gulden ausgezahlt werden konnten, lagen sie also nicht nur weit unter den vergleichbaren Gehältern anderer Universitäten, sondern stagnierten auch auf der Höhe der Lohnbeträge, wie sie in Greifswald bereits vor dem Dreißigjährigen Krieg üblich gewesen waren.

258 Zur Professorenbesoldung in Kiel, vgl. Piotrowski: Finanzierung der Christiana Albertina. 259 Zur Professorenbesoldung in Freiburg vgl. auch für das Folgende Pfister: Universität Freiburg, S. 53, 59. 260 Zur Professorenbesoldung in Heidelberg vgl. auch für das Folgende Merkel: Universität Heidelberg, ab S. 260 sowie insbesondere die „Übersicht über die Professorengehälter 1558– 1676“ in: Brunn: Universität Heidelberg, S. 197. 261 In Kiel betrug der Durchschnittslohn 170 Gulden (1684: 4.750 Reichstaler für 14 Professoren), in Heidelberg 214 Gulden (für 10 Professoren 2.140 Gulden) und in Freiburg 375 Gulden (über 3.000 Gulden für mind. 8 Professoren).

2.3. Personal und Gehalt in der Praxis

229

Diagramm 2.4.a. Norm und Realität der Professorengehälter, 1646–1767 (Gulden)262 20000,00

15000,00

10000,00

5000,00

1646-1647 1650-1651 1654-1655 1658-1659 1662-1663 1666-1667 1670-1671 1674-1675 1678-1679 1682-1683 1686-1687 1690-1691 1694-1695 1698-1699 1702-1703 1706-1707 1710-1711 1714-1715 1718-1719 1722-1723 1726-1727 1730-1731 1734-1735 1738-1739 1742-1743 1746-1747 1750-1751 1754-1755 1758-1759 1762-1763 1766-1767

0,00

Soll

Ist

Die realen Professorenlohnausgaben lagen zwischen 1646 und 1693 also weit unter der Normvorgabe. Der hier gegebene Normwert ergibt sich aus der Anzahl der jeweils besetzten Professuren und der rezessgemäß für dieses Jahr zu zahlenden Gehaltssummen. Z.B. waren im Rechnungsjahr 1682–1683 elf Lehrstühle besetzt und das im Rezess von 1646 vorgeschriebene Jahresgehalt eines Ordinarius betrug 200 Gulden; der Normwert liegt somit bei 2.200 Gulden. Demgegenüber steht der „Reallohn“, d.h. die tatsächlich geleisteten Professorengehälter, die 1682–1683 insgesamt 1.450 Gulden Betrugen. II. 1694–1756: Normentsprechende Vergütung Die Professorengehälter sind 1694 erstmals in voller Höhe und – wie seit 1646 vorgesehen – auch erstmals für alle Ordinarien in gleicher Höhe ausgezahlt worden: Jeder Ordinarius erhielt 400 Gulden (200 Reichstaler), unabhängig seines Ranges, seiner Fakultät und seiner Nebenverdienstmöglichkeiten. Für die im Schnitt 13 Professoren leistete die akademische Kasse in diesem Zeitabschnitt jährlich durchschnittlich 4.662 Gulden; soweit die Mathematik. In diese Phase fiel allerdings der Große Nordische Krieg, der massive Einschnitte in

262 Vgl. die Tabelle „Professorenbesoldung an der Universität Greifswald 1646–1807“ unter www.uni-greifswald.de/furorcameralisticus.

230

2. Personalkosten

die personellen und wirtschaftlichen Belange der Universität mit sich brachte und daher auch das gleichmäßige Entwicklungsbild verzerrt (Diagramm 2.4.a.). Zwischen 1711 und 1719 konnte die Universität Greifswald daher vorübergehend nicht mehr für die vollen Gehälter der ohnehin nur noch wenigen Professoren aufkommen. Die deutlich verminderten Löhne der Ordinarien blieben untereinander allerdings relativ gleich. Selbst in einer solchen Mangelsituation ist die seit 1646 vorgesehene und 1694 umgesetzte monetäre Gleichheit der ordentlichen Professoren nicht aufgelöst worden.263 Bei dieser schweren Kriegs- und Notzeit handelte es sich dabei, den gesamten Zeitraum der hier beschriebenen Phase betrachtend, um eine ökonomische Ausnahme-, weil Krisenperiode. Von diesem vergleichsweise kurzen Kriegszeitraum aber abgesehen, deckten sich die Greifswalder Reallöhne weitgehend mit den Normvorgaben. Des Weiteren legen die Zahlen der zum Vergleich herangezogenen deutschen Universitäten nahe, dass die Greifswalder Professorenbesoldung nicht mehr ganz so weit abgeschlagen war, wie noch vor 1694.264 Sicherlich lag das Einkommen der Kieler Professoren auch weiterhin weit über dem der Greifswalder, aber in Kiel bestand die korporative Alimentierung zum einen ausschließlich aus den monetären Gehälter, d.h. umfasste keine ergänzenden Naturalleistungen, wie sie in Greifswald (und auch Heidelberg und Freiburg) üblich waren. Zum anderen verdiente in Kiel ein Ordinarius der Juristischen Fakultät mit 150 Reichstalern gerade einmal ein Sechstel dessen, was der erste Theologieprofessor erhielt – und weniger als alle Greifswalder Professoren. Auch in Freiburg und Heidelberg differierten die Löhne nach Fakultätszugehörigkeit und Rang des Ordinarius. Eine weitgehend homogene Professorenbesoldung, wie sie in Greifswald mit dem Rezess und Etat von 1646 festgelegt und seit 1693 umgesetzt worden war, scheint tendenziell ein schwedisches Phänomen gewesen zu sein. An der 1666 gegründeten Universität in Lund standen sämtlichen Professoren jährlich jeweils 600 daler zu. Auch die übrigen schwedischen Universitäten machten bei der Besoldung ihrer Professoren eher geringe Unterschiede und wenn, dann fakultätsbezogene.265 263 So erhielten im Rechnungsjahr 1714–1715 fast alle der 9 Ordinarien nur noch die Hälfte ihres Lohns (jew. 100 Gulden). Ausnahmen waren der neu berufene Medizinprofessor Johann Lembke und der Orientalist Hasselgren, die beide gar kein Gehalt empfingen. (Der Schwede Harald Hasselgren, 1708 bereits zum Orientalisten in Greifswald ernannt „und im Juni 1711 als solcher hier eingeführt [...]“, ging aber „bald nach Schweden zurück, und steht nicht in den Lectionskatalogen.“ Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 282–283. Auch in den Procuraturregistern wurde Hasselgreen ab 1712 bis zur Berufung seines Nachfolgers Köppen stets als „absens“ verbucht, UAG, Kurator St. 1014, Procuraturregister von 1712–1713, pag. 80. Vgl. dazu auch das diesbezügliche Schreiben der Landstände vom 30. Dezember 1723, in: RAS, Pommeranica Vol. 220, o. fol. 264 In Kiel betrug das Durchschnittsgehalt der Ordinarien umgerechnet ca. 600 Gulden (1734: 3.150 Reichstaler für 12 Professoren und 1713 4.200 Reichstaler für 11 Professoren mit einer Besoldungsspanne von 150 bis 900 Reichstaler), in Freiburg lag es unter 300 Gulden und in Heidelberg bei ca. 400 Gulden. 265 Vgl. Zusammenstellung der Professorenlöhne an den schwedischen Universitäten im 18. Jahrhundert bei Klinge: Akademien i Åbo, S. 152. Demnach erhielten Professoren der Theo-

231

2.3. Personal und Gehalt in der Praxis

III. 1756–1803: Prämienorientierte Vergütung Die Politik der gleichen Löhne begann sich in Greifswald ab Mitte des 18. Jahrhunderts ebenfalls unter reichsschwedischem Reformeinfluss langsam wieder aufzulösen. Ab 1750 wurde ein prämienorientiertes Lohnsystem266 – insbesondere in den 1790er Jahren – sukzessive und systematisch ausgebaut. In der Regel wurden individuelle Gehaltszulagen vom schwedischen König auf die akademische Kasse angewiesen. Auf diese Zuschüsse ist es zurückzuführen, dass ab den 1750er Jahren bis ins 19. Jahrhundert hinein die tatsächlichen Kosten für Professorenbesoldung vorwiegend über dem rechnerischen Normwert lagen.

Diagramm 2.4.b. Norm und Realität der Professorengehälter, 1773–1807 (Gulden) 25000,00 20000,00 15000,00 10000,00 5000,00

Soll

1806-1807

1804-1805

1802-1803

1800-1801

1798-1799

1796-1797

1794-1795

1792-1793

1790-1791

1788-1789

1786-1787

1784-1785

1782-1783

1780-1781

1778-1779

1776-1777

1773-1774

0,00

Ist

logischen und der Philosophischen Fakultät in Åbo jährlich 400 daler, die Juristen und Mediziner 450 daler. In Uppsala erhielten Professoren der Philsophischen Fakultäte 450 daler und jene der drei oberen Fakultäten 500 daler, mit Ausnahme des ersten Theologen, der 600 daler erhielt. Nur in Dorpat waren die Lohnunterschiede beträchtlicher, dort betrugen sie Fakultätsabhängig 300 bis 500 daler. 266 Solche „freien Gehaltszuweisungen“, zusätzlich zum Gehaltsfixum fanden im Laufe des 18. Jahrhunderts nach dem Göttinger Modell allgemein weite Verbreitung, so Rasche: Finanzen und Ökonomisierung, S. 92–93. In Greifswald stammten diese Gelder allerdings nie „aus staatlichen Sondermitteln [...].“

232

2. Personalkosten

c) Gehaltszulagen Die durch den Erlass König Adolf Friedrichs vom 1. Juni 1756 angeordnete Lohnerhöhung für die Ordinarien von 200 auf 400 Reichstaler wurde mit einem Jahr Verzögerung im Rechnungsjahr 1757–1758 umgesetzt. Regelmäßig konnte das neue Gehalt allerdings erst nach 1774 ausgezahlt werden, nachdem die Universität Greifswald finanzadministrativ neu organisiert und die Inflation und der Geldwertverfall überstanden waren. Im Erlass waren bereits „2 pro cent l‘agio“ veranschlagt, damit den Professoren keine Verluste entstünden. Dieses Aufgeld267 hatte aber nicht ausgereicht. Die Gehälter wurden daher 1775 erneut angepasst und mit 12 Reichstalern auf 3 Prozent Agio erhöht.268 Das Jahresgehalt eines Ordinarius lag daher ab 1775 bei 412 Reichstaler. Die Ausgaben der Universität für die Ordinarienbesoldung verdoppelten sich seit 1756 (zumindest numerisch) und lagen nach 1773 in der Regel zwischen 5.000 und 7.500 Reichstalern. Für durchschnittlich 15 Ordinarien wurden jährlich durchschnittlich 6.674 Reichstaler ausgegeben.269 Bei den knapp 500 Reichstalern über der Vorgabe270 handelt es sich um die zusätzlich aus der akademischen Kasse geleisteten individuellen Gehaltszulagen. Die Praxis der königlich angeordneten Prämien nahm in Greifswald ihren Anfang mit einer jährlichen Zulage von 100 Reichstalern für den Mathematikprofessor Andreas Mayer. Durch zusätzliche Vorlesungen über die „Physicam experimentales“ habe sich auch „seine öffentliche Arbeiten verdoppelt“, was eine Lohnzulage rechtfertige.271 Im Rechnungsjahr 1750–1751 erhielt er zum ersten Mal diese zusätzlichen 100 Reichstaler aus der akademischen Kasse. Drei Jahre später wies der König in Stockholm weitere 100 Reichstaler auf Mayers Gehalt an,

267 Das Agio wurde als Aufgeld zum Ausgleich des Wertverlusts beim Münzwechsel regulär berechnet, vgl. dazu Kapitel 2.1.2.c. Gehälter nach 1756 ab S. 181. 268 Zu den Agiobestimmungen vgl. Erhöhung der Professorenbesoldung (1756), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 204 und Visitationsrezess (1775), in: Ebd., S. 431–432: „fürs künftige zu 412 Reichsthaler Pommersch Courant nach dem Leipziger Fuß [...].“ Das Agio steht im Rezess von 1775 zwar nicht mehr gesondert, sondern als integraler Bestandteil des Gehalts, in den Hauptrechnungsbüchern sind die 12 Reichstaler aber durchgehend explizit als Agio verbucht worden. 269 In Kiel waren im Jahr 1773 13 Professuren besetzt, deren Entlohnung zwischen 350 und 800 Reichstalern rangierte. Das bedeutet, dass die Kieler Universität im Schnitt 535 Rtlr. pro Ordinarius bezahlte – ohne zusätzliche Leistungen, wie Naturalabgaben, vgl. Piotrowski: Finanzierung der Christiana Albertina, S. 45. In Greifswald gab es im selben Jahr 16 besetzte Ordinariate mit einem durchschnittlichen Jahresgehalt von jeweils 433 Reichstalern (ohne Naturalabgaben und Locarium). Der Unterschied in der Professorenbesoldung zu Kiel hatte sich mittlerweile deutlich verringert. 270 Wenn 15 Ordinarien jeweils ein Jahresgehalt von 412 Reichstaler erhielten, hätten die durchschnittlichen Ausgaben für die Professorenbesoldung eigentlich bei nur 6.180 Reichstaler liegen müssen. 271 So Mayer selbst, als er im Rahmen der Visitation 1756 u.a. auch zu seinem Lohn befragt wurde, vgl. Frage Nr. 64, in: Pommeranica, Vol. 424, o. fol., vgl. dazu auch die Anordnung König Friedrichs I. vom 8. März 1750, in: Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 2, S. 151.

2.3. Personal und Gehalt in der Praxis

233

damit er dieselbe zum Anbau der mathematischen und physicalischen Wissenschaften, und zur Vermehrung der mathematischen und physicalischen Instrumente verwende.272

Weitere, zeitgleich begünstigte Greifswalder Professoren waren der Historiker und Professor der Eloquenz Albert Georg Schwartz mit 100 Reichstalern zusätzlich (von 1752 bis zu seinem Tod 1755273) sowie der Schwede und Medizinprofessor Jonas Böckmann mit einer Prämie von 100 Reichstalern (spätestens 1752 bis 1757274). Den beiden letztgenannten Bezuschussungen von eher kurzer Dauer folgten zunächst wenige weitere Anordnungen auf individuelle Zulagen, die aber hauptsächlich innerhalb der Philosophischen Fakultät blieben. Johann Carl Dähnert275, seit 1747 Bibliothekar der Universität und Inhaber des für ihn geschaffenen Lehrstuhls für Wissenschaftsgeschichte, erhielt im Zusammenhang mit seiner Berufung zum Ordinarius für schwedisches Staatsrecht im Jahr 1757 fortan ein – seit 1774 auch regelmäßig ausbezahltes – „Salarium praecipuum“ von jährlich 100 Reichstalern.276 Dieses außerordentliche Gehalt war offenbar mit dem Bibliothekariat verbunden. Denn nachdem Dähnert im Jahr 1785 gestorben war, übernahm Johann Georg Peter Möller – ordentlicher Professor für Geschichte seit bereits 20 Jahren – die Leitung der Bibliothek und erhielt seit diesem Jahr ebenfalls die nun frei gewordene Gehaltszulage von 100 Reichstalern. Die Zulage stellte vor allem einen finanziellen Ausgleich für den die üblichen Aufgaben eines Lehrstuhls übersteigenden Aufwand dar.277 Als erster und lange Zeit noch einziger Angehöriger einer der drei oberen Fakultäten erhielt Oberkirchenrat, zweiter Ordinarius der Theologischen Fakultät und Wolffianer, Johann Ernst Schubert eine Gehaltszulage; ein honorarium von 200 Reichstalern.278 Als bereits renommierter und umstrittener Theologieprofessor in

272 Anordnung von König Adolf Friedrich vom 6. August 1753, in: Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 2, S. 152. So ist es auch in den Hauptrechnungsbüchern verbucht worden: 200 Reichstaler „für Collegium extra“. 273 Albert Georg Schwartz, ordentlicher Professor an der Philosophischen Fakultät seit 1732 bis zu seinem Tod 1755, vgl. Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 291. 274 Jonas Böckmann, ordentlicher Professor an der Medizinischen Fakultät seit 1747, „ward aber vom Könige mehrere Male als Arzt nach Stockholm gerufen, und legte 1763 seine Professur nieder, um in Stockholm zu bleiben“, Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 291. 275 Vgl. für das Folgende zur Person, Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 287 u. 298 sowie Alvermann/ Dahlenburg: Greifswalder Köpfe, S. 67. 276 Dähnerts Gehaltszulage wird in den Hauptrechnungsbüchern als „salarium praecipuum“ bezeichnet. 1755 hatte er persönlich beim schwedischen König um eine Beförderung und damit einhergehende Lohnerhöhung gebeten, vgl. dazu das Schreiben Dähnerts an den König vom 31. Juli 1755, inklusive eines Berichts seiner zusätzlichen Dienstleistungen – auch für die Bibliothek: RAS, Pommeranica Vol. 424, o. fol. 277 Da diese 100 Reichstaler in den Rechnungsbüchern aber nicht als Bibliothekars-Lohn o.ä. deklariert sind, wird die Zahlung dementsprechend als Professorenlohn-Zulage im Sinne einer Prämie gewertet. 278 Schubert erhielt neben seinem Gehalt (200 Rtlr.) und dem Agio (12 Rtlr.) ein „jährliches honorarium in courant ohne agio“ (200 Rtlr.), in: UAG, Kurator RB 114, Hauptrechnungsbuch von 1773–1774, pag 170–171. Vgl. dazu auch Seth: Universität Greifswald, S. 164–165.

234

2. Personalkosten

Helmstedt hatte Schubert 1764 den Ruf nach Greifswald angenommen.279 Seine Zulage diente weniger dem Zweck der finanziellen Anerkennung von zusätzlichem Aufwand (Prämie), sondern als eine Art finanzielle Anerkennung seiner theologischen Lehre und Schriften sowie als Anreiz, den Gelehrten nach Greifswald zu holen. Insgesamt wurden zwischen 1750 und 1790 sechs Ordinarien (vier Artisten, ein Theologe und ein Mediziner) mit individuellen Zulagen bedacht. Alleine im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts erweiterten weitere fünf Ordinarien diese Liste noch einmal: – Johann Christoph Muhrbeck, schwedischer Mathematiker und Ordinarius für praktische Philosophie in Greifswald (1767–1805). Auch Muhrbeck vertrat die Lehren Wolffs und soll „in lebhaften Vortrage mit vielem Beifalle“ gelehrt haben.280 Seit 1793 bis zu seinem Tod 1805 erhielt er eine jährliche Gehaltszulage von 206 Reichstalern (Gesamtgehalt: 619 Reichstaler). – Thomas Heinrich Gadebusch, Visitationssekretär zwischen 1773 und 1775 und anschließend bis zu seinem Tod 1804 ordentlicher Professor für Staatsrecht, der sich insbesondere der schwedisch-pommerschen Geschichte und Staatsverfassung widmete. Ab 1798 erhielt auch Gadebusch eine „Zulage“ von 200 Reichstalern.281 – Christian Ehrenfried Weigel, seit 1773 Adjunkt der Medizinischen Fakultät und Vorsteher des Botanischen Gartens, seit 1775 Ordinarius für Chemie und Pharmazie (1775–1831) erhielt von 1795 an eine jährliche Zulage von 200 Reichstalern (Gesamtgehalt: 612 Reichstaler), die 1801 erneut um 50 Reichstaler erhöht wurde.282 – Theophilus Coelestinus Piper, Ordinarius der Theologie und Pfarrer in St. Jakobi (1783–1814) erhielt seit 1798–1799 eine jährliche Zulage von 200 Reichstalern (Gesamtgehalt: 612 Reichstaler). Als alle Professorenlöhne 1803 auf 612 Reichstaler erhöht wurden, verblieb sein Gehalt bei dieser Summe.283 – Friedrich August Mehl, Ordinarius der Juristischen Fakultät (1797–1802), erhielt seit 1798–1799 bis zu seinem Tod zwei Jahre später eine jährliche Gehaltszulage von 120 Reichstalern.284

279 Vgl. Zimmermann, Paul, "Schubert, Johann Ernst" in: Allgemeine Deutsche Biographie 32 (1891), S. 635–637. 280 „Muhrbeck blieb Wolfianer und stritt gegen Kant.“ Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 304. 281 Gabebusch bekam also im Quartal nicht nur 103 sondern jeweils 153 Reichstaler ausgezahlt, vgl. exemplarisch UAG, Kurator RB 140, Hauptrechnungsbuch von 1800–1801, pag. 135. Vgl. auch Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 303. 282 „Er blieb über fünfzig Jahre im Amte, unermüdet wirkend als Lehrer und als Schriftsteller im Gebiete der Botanik, Chemie, Physik, Pharmacie und Mineralogie.“ Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 303–304. Vgl. auch Seth: Universitetet i Greifswald, S. 416, Anm. 40. 283 Vgl. ebd. und Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 303. 284 Ebd., S. 311.

2.3. Personal und Gehalt in der Praxis

235

Nicht nur nahm die Zahl der individuell Geförderten zu, auch die Beträge der Zulagen stiegen. Hatten sie vor den 1790er Jahren (abgesehen von Andreas Mayer) bei 100 Reichstaler gelegen, so erhielten die finanziell ausgezeichneten Professoren anschließend 120 bis 250 Reichstaler. Professor Möllers Zulage ist beispielsweise 1795 angepasst und auf 200 Reichstaler verdoppelt worden. Die Prämien sind aus dem akademischen Haushalt finanziert worden – aber erst auf königliche Anordnung. Um Aussagen über die königliche Motivation der Zulagen treffen zu können, muss der Einzelfall geprüft werden. Die monetäre Aufwertung eines Professors konnte als Anerkennung seines zusätzlichen Arbeitsaufwandes vorgenommen werden, wie z.B. der aufwändigen Leitung und Verwaltung der Universitätsbibliothek (Dähnert und Möller) oder als Anerkennung für erbrachte wissenschaftliche (oder anderweitige) Leistung und Bedeutung (u.a. Schubert, Muhrbeck und Gadebusch) oder als politische Fördermaßnahme eines Fachbereiches, einer spezifischen Lehre oder aber – wie vermutlich in den meisten Fällen – ein Konglomerat aus mehreren der genannten Motive. Die monetär zusätzlich geförderten Gelehrten verbindet in jedem Fall, dass sie alle Vertreter progressiver, moderner Strömungen ihres Faches waren. Die meisten von ihnen hatten in Göttingen und Jena studiert, waren erklärte Anhänger Christian Wolffs oder seiner Schüler und waren in den Bereichen der Rechtswissenschaft, Geschichte oder Naturwissenschaft tätig. Es wurden also Lehrer gefördert, deren Fächer und Überzeugungen dem Reforminteresse der schwedischen Regierung entsprachen. Die individuellen Gehaltszulagen waren offensichtlich eine Ausprägung jener „extraordinären Strukturen“ zur landesherrlichen Beförderung von Modernisierungsprozessen an solchen Universitäten, die sich Reformen widersetzten.285 Das in Greifswald vermehrt umgesetzte und aus den Hauptrechnungsbüchern deutlich nachvollziehbare System der individuellen Gehaltszulagen stützt die bereits erwähnte These, dass sich im Laufe des 18. Jahrhunderts das monetäre Belohnungsprinzip als Anreizstrategie durchsetzte.286 Ganz ähnliche Tendenzen sind bereits für die Universität in Uppsala beschrieben und als interessengeleitete Lohnpolitik König Gustafs II. und seiner Nachfolger ausgemacht worden.287 In Uppsala wurden seit den 1770er Jahren zunehmend „extra anvisningarna“ verordnet. Hier 285 Vgl. dazu Rasche: Beharrung und Reform, insbes. S. 22–27 über Berechtigungssysteme und Reformstrategien. 286 Vgl. Kapitel 2.1.2.d. Monetäre Abschreckungsstrategien ab S. 183. 287 Vgl. Claes Annerstedt, andra delen und tredje delen, jeweils Bd. 2 (senare afdelingen: organisation och verksamhet). Matti Klinge bemerkt lediglich, dass die Professoren der Philosophischen Fakultät in Åbo „turvis lönetillskott också ur akademins fonder“ erhalten haben, geht aber nicht weiter auf diese Zulagen ein, Klinge: Akademien i Åbo, S. 165. In Lund dagegen bewirkte ein starres „löneturssystemet“ die Professorenbesoldung und hatte zur Folge, dass nicht einmal alle Lehrstuhlinhaber ein Ordinariengehalt erhielten. Beispielsweise lebten im Jahr 1788 sechs ordentliche Professoren noch von ihrem Adjunktengehalt. Sie standen dabei auf einer regelrechten Warteliste für ein Ordinariengehalt, dass in der Regel erst durch den Tod eines anderen, Lohn-beziehenden Professors frei wurde. Eine „gratifikation“ gab es höchstens einmal, wenn ein Professor vier Jahre lang ohne entsprechendes Gehalt die Professur weitergeführt hatte, vgl. Johannesson: Lunds universitet, Bd. 2, S. 160–161.

236

2. Personalkosten

war es beispielsweise Carl Linné der um 1774 als erster Ordinarius auf königliche Anweisung eine gesonderte Gehaltszulage erhielt. Während gleichzeitig „zwei Professoren, vier Adjunkte und die gesamte Kanzlei mehr oder weniger unter zu geringen Löhnen zu leiden hatte.“288 Die individuelle Förderung einzelner ging offenbar zunehmend auf Kosten anderer Lehrer.

d) Kampf ums „Augmentum Salariorum“ Im Laufe der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zwangen schwere Verheerungen des Amtes Eldena das Konzil der Universität Greifswald wiederholt in Stockholm um die ursprünglich im Dotationsinstrument gewährte Kontributionsfreiheit des Amtes zu bitten.289 Das Konzil fragte nach 1646 in der Regel nicht nach Lohnerhöhungen für Professoren oder nach den seit Jahrzehnten ausstehenden 200 Gulden Jahresgehalt, sondern es bat um die Befreiung der akademischen Güter von Kriegsabgaben zur Steigerung der Revenuen und zur Verbesserung bzw. oftmals Erhaltung der Universitätskasse und des akademischen Betriebes, damit die Löhne in voller Höhe ausgezahlt werden konnten. Weil die Greifswalder Universität ihre Finanzen, Vermögen und Naturalwirtschaft selbständig verwaltete, wollte sie zunächst eine Verbesserung der Rahmenbedingungen erwirken.290 Nachdem die Region zwischen 1655 und 1660 erneut schwer von Truppenaufstellungen und Kampfhandlungen getroffen worden war, sahen die Greifswalder Professoren und ihr Finanzverwalter offenbar vorerst keine Möglichkeit mehr, dass sich die akademische Gutswirtschaft und damit die Universitätsfinanzierung von selbst erholen könnte. Nachdem die brandenburgischen Truppen 1660 wieder aus Pommern abgezogen waren, bat das Konzil daher die schwedische Regierung nicht mehr nur um die Befreiung von Kontributionen, sondern erstmals auch um ein „Extraordinarium Beneficium“ aus der schwedisch königlichen oder der pommerschen Landeskasse. Fortan gingen solche akademischen Bittbriefe in regelmäßigen Abständen in Stockholm ein, hoffnungsvoll gespickt mit immer neuen alternativen Finanzierungsvorschlägen, die möglichst nicht die landesherrliche Kasse beanspruchen würden.291 Eine königliche Reaktion erfolgte im November 1670 mit der Be-

288 „Två professorer, fyra adjunkter och hela kansliet voro mer eller mindre lidande på sina löner.“ Annerstedt: Uppsala universitet Del 3, Bd. 2, S. 79 [Übertragung ins Deutsche durch die Autorin]. 289 Vgl. Kapitel 1.2.4. Schwedische Reorganisationsbemühungen (1634–1668) ab S. 33. Zum Streit um die Kontributionspflicht des Amtes Eldena vgl. auch für das Folgende Kapitel 1.2.11. Exkurs: Don Gratuit ab S. 82. 290 So beispielsweise in den Schreiben des Konzils an den König, vom 15. Juli 1655 und 29. Dezember 1657, in: RAS, Pommeranica Vol. 227, o. fol. 291 Vgl. die Schreiben des Konzils an den König vom 22. Juni 1660, 11. Dezember 1663, 29. November 1667 (anderthalb Jahre hatten bereits keine Gehälter mehr gezahlt werden können) und vom 15. Juni 1670, in: Ebd.

2.3. Personal und Gehalt in der Praxis

237

freiung des Amtes von der Abgabe- und Versorgungs-pflicht, welche allerdings von den pommerschen Landständen weiterhin behindert wurde.292 Nachdem Pommern 1674 ein weiteres Mal Kriegsschauplatz geworden war, zielten die immer seltener werdenden Bittschriften des Konzils an den König und seine Regierung in Stockholm daher auch nicht mehr auf eine Befreiung von Kontributionen und Einquartierungen. Vielmehr baten die Professoren für ihre Korporation nun ganz konkret um ein jährliches „subsiduum“ von 2.000 Reichstalern293 aus der Regierungskasse oder um die Befreiung der Professorenfamilien von der Kopfsteuer.294 Die direkten Bittschriften der Greifswalder Universität an den schwedischen König hatten in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in der Regel eine allgemeine finanzielle Entlastung der wirtschaftlichen Grundlage – des Dotalgutes – zum Zweck. Monetäre Direktleistungen wurden nur in absoluten Ausnahmen erbeten. Abgesehen vom Don Gratuit blieben aber beide Strategien erfolglos. Möglicherweise endete diese Bittschriften-Korrespondenz daher auch in den 1690er Jahren. Zum einen waren die Ergebnisse in Zeiten des ausgesprochenen Desinteresses der schwedischen Regierung an ihrer pommerschen Universität ohnehin äußerst unbefriedigend295 und zum anderen war es der Professorenschaft mit ihrem Procurator mittlerweile trotz allem gelungen den akademischen Haushalt weitgehend zu konsolidieren. Ökonomische Hilfe von Seiten der schwedischen Regierung hatte es ohnehin nicht gegeben und war fortan auch nicht mehr nötig. Erst 1727 erreichten erneut akademische Bittschriften aus Greifswald die schwedische Regierung in Stockholm. Ihr Inhalt und die allgemeinen Bedingungen unterschieden sich allerdings deutlich von den Bitten um Finanzhilfen vor 1690: Das Konzil bat nämlich nun um die königliche Bewilligung einer Erhöhung der Professorenlöhne („augmentum salariorum“) mit dem Hinweis auf die in diversen Rezessen wiederholt bestätigte Option zu solch einer Lohnerhöhung bei ausreichender Kassenlage. Der Zustand der akademischen Kasse würde eine Erhöhung um 100 Reichstaler fortan zulassen.296 Während die Wirtschaft allgemein florierte und die akademischen Revenuen immer weiter zunahmen, wiederholte das Greifswalder Konzil vierzehn Jahre lang beharrlich seine Bitte um ein Augmentum. Die Bedingungen der vergangenen Rezesse zur Umsetzung waren immerhin erfüllt. Immer wieder verwies man auf Kö-

292 Vgl. die königliche Kontributionsbefreiung für das Amt Eldena vom 6. August 1672 sowie die Schreiben des Konzils an den König vom 12. August 1673 und 7. Januar 1674 sowie die Auflistung der tatsächlich geleisteten Kontributionsleistungen des Amts Eldena 1672–1674 (insgesamt 3.194,5 Reichstaler) im Schreiben des Konzils an den König vom 3. August 1674, in: Ebd. 293 Im Schreiben des Konzils an den König vom 20. April 1677, in: Ebd. 294 Vgl. das Schreiben des Konzils an den König vom 2. April 1690, in: Ebd. 295 Vgl. dazu Kapitel 1.2.4. Schwedische Reorganisationsbemühungen (1634–1668) ab S. 33 und Kapitel 1.2.5. Haushaltskonsolidierung und Entschuldung (1670er–1702) ab S. 41. 296 Vgl. das Schreiben des Konzils an den König vom 8. April 1727, in: RAS, Pommeranica Vol. 228, o. fol.

238

2. Personalkosten

nigin Christina und ihre Nachfolgerinnen.297 Unterstützt wurden die Professoren in ihrem Anliegen beim König von sämtlichen Instanzen: dem Kanzler, dem Kanzleikollegium298 und selbst von den pommerschen Landständen, die argumentativ sogar noch einmal hervorhoben, dass eine Lohnerhöhung weder die königliche noch die Landeskasse belasten würde.299 Die Visitation von 1730 war auf Initiative der landständischen Kuratel durchgeführt worden, um sich eingehend vor allem der Frage nach der ausbleibenden Gehaltserhöhung zu widmen. Die Ergebnisse der Visitationskommission lagen aber zunächst drei Jahre lang ungelesen im Stockholmer Kanzleikollegium. Es sollte weitere acht Jahre dauern bis daraus ein Entwurf zu einem Visitationsabschied entstand, der aber nie eine königliche Bestätigung erhielt, d.h. nicht umgesetzt wurde. Der nicht bindende Visitationsabschied empfahl die bereits 1727 vorgeschlagene Professorenlohnerhöhung um 100 Reichstaler.300 Aber sämtliche Bemühungen waren vergeblich und zeugen einmal mehr von dem in Stockholm ausgeprägten Desinteresse an der pommerschen Universität.301 Als die Professorenschaft 1741 zur Besprechung der Augmentum-Angelegenheit um eine Audienz in Stockholm bat, verwies die schwedische Regierung (u.a. aus Kostengründen) auf die Zuständigkeit der pommerschen Regierung in Stralsund.302 Hätte die Angelegenheit aber tatsächlich in pommerschen Händen gelegen, wäre die Sache längst umgesetzt worden. Denn zumindest in Vorpommern waren sich alle einig gewesen, dass die Professorenlöhne erhöht werden müssten, um „brauchbare Dozenten“ halten und gewinnen zu können und die Studentenzahlen dadurch zu erhöhen, damit „die Universität [nicht] in Verfall gerate [...].“303 Nachdem Konzil, Kanzler und Kuratoren über 20 Jahre lang vergeblich versucht hatten, König Friedrich von Schweden zur Bestätigung einer Lohnerhöhung aus der Universitätskasse zu bewegen, verfügte dieser am 8. März 1750, dass Andreas Mayer für sein zusätzliches Lehrangebot in der Experimentalphysik eine jährliche Zulage von 100 Reichstaler aus der akademischen Kasse zu zahlen sei. Die königliche Entscheidung bedachte nur einen einzigen der Greifswalder Ordinarien und ignorierte die übrigen weiterhin. Dies war die erste königliche Reaktion auf die pommerschen Bitten um eine Erhöhung der Greifswalder Professorenlöhne. Sie spaltete nicht nur das Konzil, indem eine Person allen anderen ökonomisch bevor297 Vgl. die Schreiben des Konzils an den König vom 15. Mai 1733, 4. Dezember 1737, 28. März 1740 (Ebd.) sowie das Schreiben des Konzils an den König vom 5. Januar 1743 (Ebd, Vol. 229, o. fol.). 298 Vgl. insbesondere Seth: Universität Greifswald, S. 139. 299 „[...] daß also nuhn ein solcher Überschuß der Jährlichen Einnkünffte ist, woraus die gesuchte Verbeserung des Lohns, ohne Ew. Königl. May:tt und des Landes beschwerde erfolgen kan.“, Schreiben der Kuratoren Fürstenberg und Gerdes vom 26. November 1737, in: RAS, Pommeranica Vol. 228, o. fol. 300 Vgl. Entwurf des Visitationsabschiedes (1742), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 122. 301 Vgl. auch Alvermann: Einleitung, in: Ebd., S. XV. 302 Vgl. die Schreiben des Konzils an den König vom 26 August 1741 und 31. Oktober 1741, in: RAS, Pommeranica Vol. 229, o. fol. 303 Seth: Universität Greifswald, S. 139.

2.3. Personal und Gehalt in der Praxis

239

zugt wurde, sondern erfolgte außerdem zu exakt dem Zeitpunkt, als die Universitätskasse ihren beachtlichen Überschuss gerade erst verloren hatte und Kredite für das laufende Geschäft aufnehmen musste.304 Erst nachdem individuelle Lohnzulagen im Sinne eines monetären Anreizes zur schleichenden Modernisierung der Universität gestattet worden waren und erst nachdem die Universitätskasse durch Schulden derartig belastet war, dass es zu Lohnausfällen kam – erst jetzt wurde der gesamten Professorenschaft eine Gehaltsverdoppelung auf 400 Reichstaler gestattet. Dass die zusätzlichen 200 Reichstaler weitgehend vom herrschenden Geldwertverlust verschlungen wurden, rief verständlicherweise den Protest der meisten Professoren hervor, auf den allerdings zunächst nicht eingegangen wurde.305 Sowohl in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts als auch in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ignorierte die Normgebung die ökonomische Realität in beeindruckendem Maße. In Zeiten, in denen über längere Phasen kein Geld in der Kasse war, betonten Reglements häufig, welche Ausgaben getätigt werden sollten, sobald die Kasse dies zuließe. Als aber tatsächlich nach vielen kargen Jahrzehnten die ökonomische Situation der Universität dies zugelassen hätte, sind alte Forderungen wie das Augmentum ignoriert und stattdessen etliche neue Anforderungen (u.a. Reitbahn, Botanischer Garten, Gehaltszulagen) gestellt worden. Nicht zuletzt aufgrund der großen räumlichen Distanz zwischen Normgeber (Königliche Regierung) und Normgegenstand (Universitätsökonomie) war Ersterer im Entscheidungsprozess natürlich abhängig von den Informationen, die er über den Zweiten – d.h. über die realen Verhältnisse vor Ort – erhielt. Solche Informationen wurden aber nicht immer im Interesse aller gegeben. Es lohnt sich also auch einmal das Wirken und die Motivation eines Informanten näher zu beleuchten. In Bezug auf die Gewährung der individuellen Zulagen und des generellen Augmentums in Zeiten akademischer Verschuldung, lässt sich dies am Beispiel der Mayerschen Gehaltszulagen nachvollziehen. Andreas Mayer informierte den König im Juni 1756 darüber, dass sich das Konzil weigere, die königliche Anweisung auszuführen und die ihm zugesagten Gelder auszuzahlen. Um zu beweisen, dass die akademische Kasse durchaus über ausreichend Mittel verfüge, legte Mayer seinem Schreiben u.a. einen Auszug des Protokolls der Visitationskommission vom 6. April des gleichen Jahres bei, aus dem ersichtlich wird, dass Mayer die Kommission – ohne Angabe von Gründen – um eine schriftliche Darstellung der jährlichen Überschüsse seit 1753 gebeten habe. Man wisse zwar nicht, so der Kommissionssekretär, warum Mayer diese Angaben benötige, aber einem Mitglied des Konzils dürfe man diese nicht verweigern. Es folgt eine entsprechende Aufstellung:

304 Am 21. Februar 1752 verpflichteten sich die Professoren für den Fall eines Augmentums sogar geschlossen dazu, dass sie die höheren Gehälter erst verlangen würden, wenn die Universitätskasse dies auch erlauben würde, – wie in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts praktiziert. So in Abschrift in RAS, Pommeranica Vol. 227, o. fol. 305 Vgl. Kapitel 2.1.2.c. Gehälter nach 1756 ab S. 181 und Kapitel 2.3.1.c. Gehaltszulagen ab S. 232.

240

2. Personalkosten 1753 Vorrat 4.090,11 Reichstaler 1753–1754 - ohne 800 Reichstaler aufgenommenes Kapital Einnahmen: 16.890,28 Reichstaler (inkl. Vorjahresvorrat) Ausgaben: 0000000014.869,15 Reichstaler (inkl. 3.500 Rtlr. abgetragenes u. 100 Rtlr. entliehenes Kapital) 1754 Vorrat 2.012,13 Reichstaler 1754–1755 – ohne 600 Reichstaler aufgenommenes Kapital Einnahmen: Ausgaben:

1755

Vorrat

15.379,67 Reichstaler (inkl. Vorjahresvorrat) 13.252,96 Reichstaler (inkl. 900 Rtlr abgetragene Kapitalien) 2.126,71 Reichstaler306

Auf den ersten Blick sieht man die Vorratssummen, die man nur allzu schnell als Überschüsse (Rücklagen), die gewinnbringend angelegt werden könnten (wie z.B. die 100 Reichstaler 1753–1754), verstehen möchte. Dabei gilt es den administrativen Ablauf der komplexen Universitätswirtschaft mit seinen unterschiedlichen, abweichenden Einzahl- und Auszahlterminen zu beachten.307 Tatsächlich handelte es sich bei dem Vorrat vielmehr um einen Vorschuss für das neue Rechnungsjahr; für Kosten, die vor den gesetzten Zahlterminen der Pächter und Bauern fällig wurden. Wiederholt man die 1756 für Mayer angefertigte Vorrats-Rechnung noch einmal ohne die jeweiligen Vorjahresvorräte und erstellt stattdessen eine Bilanzierung der Jahreserträge und –ausgaben, verändert dies zwangsläufig auch die Aussagen über den Zustand der akademischen Kasse. Tabelle 2.5. Vorrats- und Ertragsbilanzen, 1753–1755 Jahr Rtlr. 1753 Vorrat 4.090,11 1753–1754 Gesamteinnahmen 16.890,28 Revenuen (E. ohne Vorrat) Gesamtausgaben Vorrat 2.021,13 Bilanz 1754–1755 Gesamteinnahmen 15.379,67 Revenuen (E. ohne Vorrat) Gesamtausgaben Vorrat 2.126,71 Bilanz

Rtlr. 12.800,17 14.869,15 -2.068,98 13.358,54 13.252,96 105,58

Die Ergebnisse der ‚Ertragsbilanzen‘ erklären schließlich auch, warum die Universität weiterhin Kapital aufnehmen musste. Andreas Mayer nutzte die Zahlen zur Veranschaulichung des scheinbar guten Zustandes der akademischen Kasse, wobei sich mit den exakt gleichen Zahlen ebenso die desolate wirtschaftliche Lage der 306 Diese tabellarische Auflistung zitiert die Informationen der von der Visitationskommission am 10. April 1756 erstellten Specification, die dem Schreiben Andreas Mayers an den schwedischen König [vom Juni 1756] anhängt, in: RAS, Pommeranica Vol. 282, o. fol. 307 Vgl. dazu Kapitel 1.3.4.d. Der Vorrat ab S. 127.

2.3. Personal und Gehalt in der Praxis

241

Universität deutlich nachweisen lässt. Der Informant des Königs hatte in diesem Fall individuelle Interessen und bat die neutrale Instanz der Visitationskommission vermutlich nicht zufällig nach den Vorrat-Zahlen und nicht nach den Bilanzierungen. Mayers Schreiben und dessen Eingang in Stockholm lassen sich leider nicht mehr exakt datieren, aber es ist davon auszugehen, dass es den König noch vor dessen Entscheidung zur Erhöhung der Professorenlöhne erreicht hat, als einer der dem „secrete Ausschuss“ vorliegenden Berichte, welche „den gar vorzüglichen Umstand, worin sich besagte Academie für andern in Teutschen Reiche in Ansehung ihrer Einkünfte befindet“, so dass „die Einkünfte es tragen könten“308 jedem Ordinarius fortan 400 Reichstaler Jahreslohn auszuzahlen. Nur ein halbes Jahr später war dieser „vorzügliche Umstand“ der Universitätseinnahmen schon wieder obsolet. Als den Kuratoren im Dezember 1756 auf königliche Anordnung die Geschäftsleitung der Universität übertragen wurde, geschah dies auch, weil „die denen Professoren zugedachte Lohnsverbesserung [...] sich haubtsächlich auf die Vermehrung der academischen Einkünfte gründen.“309 2.3.2. Besoldung weiterer Lehrer a) Extraordinarien und Adjunkte Die Procuraturregister des 17. Jahrhunderts weisen keine gesonderten Ausgabentitel für die Besoldung der außerordentlichen Lehrer auf. Die in den Matrikeln und Dekanatsbüchern genannten Extraordinarien tauchen allesamt nicht in den Ausgabenlisten der Procuraturregister auf, d.h. dass sie auch nicht korporativ entlohnt worden sind.310 Die Extraordinarien des 17. Jahrhunderts waren bezüglich ihres Lebensunterhaltes also hauptsächlich von den Honoraren der Studierenden und somit nicht von der Universitätskasse abhängig. Diese Tatsache hatte nicht zuletzt Auswirkungen auf das Lehrangebot, das sich dem Ertragsinteresse entsprechend eher an den Studierenden als an den Vorstellungen von Rektor und Konzil orientierte.311 308 Erhöhung der Professorenbesoldung (1756), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 203. 309 Einrichtung der Ökonomischen Kommission (1756), in: Ebd., S. 215, vgl. auch Kapitel 1.2.7. Wirtschaftskrise, Verschuldung und Reformdruck (1750–1775) ab S. 54. 310 Für das Jahr 1668–1669 werden beispielsweise drei außerordentliche Professoren genannt: Der Theologe und Licentiat Albertus Voigt (gleichzeitig Ordinarius der Philosophischen Fakultät), Jonas Georg Bachmann, Licentiat der Juristenfakultät und Magister Johannes Ernst Phul an der Philosophischen Fakultät. Mit Ausnahme Voigts, der ausschließlich als Ordinarius der Philosophischen Fakultät ein Gehalt von 100 Gulden empfing, sind sie im gleichen Jahr nicht aus der Universitätskasse entlohnt worden, vgl. Friedländer: Matrikel, Bd, 2, S, 123 sowie UAG, Kurator St. 965, Procuraturregister von 1665–1666 und St. 977, Procuraturregister von 1668– 1669. 311 Diese Ausrichtung führte einerseits zum „Verfall der lectiones publicae“ (Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. XLIX) wirkte aber gleichzeitig als Katalysator für Reformen in der Lehre (Vgl. Rasche: Finanzierung und Ökonomisierung, S. 105–111).

242

2. Personalkosten

Erst mit der Umstellung auf das schwedische Adjunkten-System im Zuge der Visitation von 1699 sind die außerordentlichen Universitätslehrer mit einem festen Jahresgehalt von 100 Gulden in die korporative Versorgungsstruktur der Universität aufgenommen und dadurch nicht zuletzt fester an universitäre Vorgaben gebunden worden.312 Diagramm 2.6. Adjunktenbesoldung, 1703–1807 (Reichstaler/Personen) 313

Adjunktenbesoldung (Rtlr.) 16

6000,00

14

5000,00

12 4000,00

10 8

3000,00

6

2000,00

4 1000,00

2

0,00

Extraord. und Adjunkte Reichstaler

1804-1805

1800-1801

1796-1797

1792-1793

1788-1789

1784-1785

1780-1781

1771

1776-1777

1767-1768

1763-1764

1759-1760

1755-1756

1747-1748

1743-1744

1739-1740

1735-1736

1731-1732

1727-1728

1722-1723

1718-1719

1714-1715

1707

1710-1711

1703-1704

0

Extraord. und Adjunkte Anzahl

Der zeitliche Beginn des Diagramms 2.6. Adjunktenbesoldung markiert den beschriebenen Beginn der gezahlten Adjunktenlöhne und ihrer Verbuchung in den Registern um 1704.314 Im ersten Jahr erhielt nur der bereits erwähnte Extraordinarius Theologiae Gebhardi 50 Gulden und im folgenden Jahr als erster akademisch entlohnter Adjunkt Nicolaus Köppen 150 Gulden. In der Regel wurden während der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts nur zwei Adjunkte aus der Universitätskasse entlohnt. Ab 1743 nimmt ihre Anzahl und dementsprechend (wenn auch verhältnismäßig gering ausfallend) die Ausgaben für ihre Löhne zu. Bis zu fünf Adjunkte erhielten jährlich insgesamt 250 Reichstaler (500 Gulden). Der Gedanke, dass die Adjunkturen gänzlich ohne Gehalt bleiben und sich – wie die Extraordinarien des 17. Jahrhunderts – ausschließlich von Honoraren finanzieren könnten, kam schließlich im Verlauf der ökonomisch belastenden 1750er

312 Vgl. Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 267 und 285. 313 Vgl. die Tabelle „Lehrerbesoldung an der Universität Greifswald 1688–1807“ unter www.unigreifswald.de/furorcameralisticus. Nicht alle Adjunkte sind im Rechnungsbuch auch unter dem Adjunkten-Titel geführt worden, deshalb stellt diese Tabelle – die nur die Zahlen der Adjunkten-Titel auswertet – lediglich eine Tendenz dar. 314 Vgl. dazu Kapitel 2.2.1.e. Extraordinarien ab S. 217.

2.3. Personal und Gehalt in der Praxis

243

Jahre wieder auf. Wie an vielen deutschen Universitäten üblich, sollten auch in Greifswald nur noch die Adjunkte der Philosophischen Fakultät aus der akademischen Kasse besoldet werden. Den Adjunkten der höheren Fakultäten könne statt eines Gehaltes die bevorzugte Annahme bei der Besetzung von akademischen, staatlichen und kirchlichen Ämtern garantiert werden.315 Dieser Vorschlag fand allerdings keine Umsetzung; die vier bis fünf Adjunkte erhielten auch weiterhin ihre festgesetzten „50 reichsthaler zum jährlichen unterhalt“316; auch noch nachdem die Gehälter der Ordinarien auf 400 Reichstaler verdoppelt worden waren. Das Lohngefälle zwischen ordentlichen und außerordentlichen Professoren war fortan noch ausgeprägter. Die jährlichen Ausgaben der Universität für ihre Adjunkte überstiegen bis 1760 nicht einmal 300 Reichstaler. Um 1760 war mit dem Magister Elias Trägård zunächst nur noch ein Adjunkt angestellt, der 1761 auf Vorschlag des Kanzlers durch königliche Resolution außerdem zum Vizebibliothekar bestellt wurde.317 Eine, dem angemessene Gehaltserhöhung auf 100 Reichstaler erfolgte wenige Jahre später im Rechnungsjahr 1764– 1765. Nur ein Jahr darauf verdoppelte sich sein Gehalt erneut. Wie Trägård erhielten auch die neuen Adjunkte Christian Nicolaus Schlichtkrull318, Johann Christoph Muhrbeck319 und ab 1766 Alexander Bernhard Kölpin320 fortan ein Jahresgehalt von 200 Reichstalern. Nach 1775 blieb die Anzahl der Adjunkte längere Zeit auf nur noch zwei Stellen beschränkt. Der bereits beschriebenen Tendenz zur Besoldung nach individueller Leistung entsprechend, erhielten die beiden nicht mehr den gleichen Lohn, sondern der eine 100 und der andere 215 Reichstaler. Nachdem „dem Kanzler der Academie“ die Befugnis übertragen worden war sowohl „Adjuncten und Privatdozenten den Umständen gemaß und wenn der Vortheil der Academie es erfordert anzunehmen“321 als auch deren Löhne zu bestimmen, blieb die Anzahl der außerordentlichen Lehrer zunächst noch sehr gering. Erst ab 1788 setzte der fortschreitende Ausbau sowohl der Adjunkturen, bzw. der außerordentlichen Lehrstellen322 als auch der dafür veranschlagten Löhne ein (vgl. Diagramm 2.6.). Wäh315 Vgl. Entwurf eines Visitationsabschiedes (1757), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 242. 316 Visitationsrezess (1702), in: Ebd., S. 264. 317 Vgl. Resolution König Adolf Friedrichs für den Kanzler vom 5. Mai 1761, in: UAG Altes Rektorat St. 192, ab pag. 5 sowie Instruktion für den Vizebibliothekar [1761], in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 260. 318 Adjunkt der Juristischen Fakultät seit 1763 und Ordinarius ab 1771, vgl. Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 297. 319 Adjunkt der Philosophischen Fakultät seit 1760 und ab 1764 Ordinarius, vgl. Häckermann, Adolf, "Muhrbeck, Johann Christoph" in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 22 (1885), S. 485–486. 320 Adjunkt der Medizinischen Fakultät sowie Vorsteher des Botanischen Gartens seit 1767 bis er 1776 Greifswald verließ, vgl. Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 297. 321 Visitationsrezess (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 412– 413 sowie die Bestätigung dieses Passus im Visitatsionsrezess (1795), in: Ebd., S. 516. 322 Der Ausgabentitel fasst nominell sämtliche außerordentliche Lehrer zusammen. Darunter befinden sich neben den Adjunkten beispielsweise ab 1791 auch der Bibliothekar und

244

2. Personalkosten

rend um die Jahrhundertwende die Zahl der ordentlichen Professuren leicht zurückgegangen war, wurden bis zu 14 Adjunkte aus der akademischen Kasse entlohnt. Dabei befanden sich die Adjunktenlöhne nicht mehr annähernd auf einem einheitlichen Niveau. Als beispielsweise im Rechnungsjahr 1796–1797 die Ordinarien 412 und 512 Reichstaler erhielten, rangierten die Gehälter der außerordentlichen Lehrer zwischen 215 und 542323 Reichstalern. Die Zahl der hochentlohnten Adjunkte nahm ebenso zu, wie die Zahl der geringentlohnten.324 Die zunehmende Anzahl außerordentlicher Lehrer schien einige Ordinarien zu beunruhigen und Befürchtungen zu nähren, dass die akademischen Mittel, insbesondere die Naturalien (Emolumente), nicht für alle Lehrer ausreichen könnten. Die Angst vor einem Verteilungskampf brach sich im Konzil Bahn, als im Winter 1794/‘95 über die Ausstattung der beiden ehemaligen Adjunkte Mehl und Hagemeister325 beraten wurde, die Anfang November durch den Kanzler zu „außerordentlichen Professoren bei der Juristen Facultaet“326 befördert worden waren. Damit einher ging eine Lohnerhöhung auf jeweils 200 Reichstaler, exklusive des Locariums von 20 Reichstalern und diverser Naturalleistungen (Holz, Torf und Geflügel). Mit Blick auf die nicht regulierte Anzahl der Adjunkturen (im Gegensatz zu den rezessgemäß festgelegten 15 Ordinariaten) gab Professor Weigel u.a. zu bedenken, dass die Adjunktenzahl theoretisch die Ordinarienzahl übersteigen und die Emolumente schon bald nicht mehr für alle ausreichen könnten. Wenn die Sorge um knappe Ressourcen auch keine Auswirkungen auf den diesbezüglichen Konzilsbeschluss hatte, bestand sie auch weiterhin. Wie die Mehrheit im Konzil stimmte auch Professor Möller zwar zu, dass den neuen Professores extraordinarii die gleichen Naturalabgaben wie den Ordinarien zugestanden werden sollten, wenn auch mit der „ausdrücklichen bedingung, daß ihm [Möller] dadurch nicht das mindeste entzogen würde.“327 Die Gehaltserhöhung stand dabei weder im Konzil noch bei der Akademischen Administration zur Debatte. Sie wurde lediglich mitgeteilt, bzw. der Rentmeister zur Zahlungsänderung angewiesen. Durch eine allgemeine Verbesserung der ökonomischen Situation sowie den fortschreitenden Schuldenabbau war die Greifswalder Universität spätestens ab

323 324 325

326

327

außerordentliche Professor Thomas Thorild und nach 1795 der Vizebibliohetkar Jacob Wallenius, der neben „Anweisungen zur Bücherkenntniß“ auch publice Schwedisch und privatim außerdem Griechisch und Latein unterrichtete, vgl. UAG, Altes Rektorat R 456a. Die Löhne des Bibliothekars Thorild (480 Rtlr.) und des Vizebibliothekars Wallenius (542 Rtlr.) überstiegen so manches Ordinariengehalt. Im Rechnungsjahr 1806–1807 betrug die Lohn-Differenz von höchst- und geringst-entlohntem außerordentlichem Lehrer 570 Reichstaler (670 zu 100 Rtlr.). Emanuel Friedrich Hagemeister und Friedrich August Mehl (Ordinarius ab 1797) waren seit 1789 Adjunkte der Juristischen Fakultät, vgl. Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 303. Beide wurden 1794 und nicht 1797 ordentliche Professoren, vgl. Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 311. Protokoll vom 21. November 1794, in: UAG, Kurator K 5690, Protokolle der Akademischen Administration von 1794–1795, fol. 59v–62v. Vgl. auch das Protokoll vom 18. November 1794, in: UAG, Altes Rektorat St 644, Konzilsprotokolle von 1794–1795, fol. 66v–75r. Konzilsprotokoll vom 21. Januar 1795, in: Ebd., fol. 86r–89r.

2.3. Personal und Gehalt in der Praxis

245

Mitte der 1780er Jahren328 in der Lage ihre Ausgaben zu steigern. Fortan erlaubten es also ihre Mittel, auch die Adjunkturen bzw. Extraordinariate, summarisch und monetär zu erweitern. Das Lehrangebot wurde dadurch ausgebaut. Vermutlich ist der auffällige Ausbau der außerordentlichen Lehrstellen gegen Ende des 18. Jahrhunderts aber nicht nur ökonomischen Gründen zuzuschreiben, sondern in gleichem Maße dem strukturpolitischen Umstand geschuldet, dass eine Adjunktur im Gegensatz zur ordentlichen Professur relativ unkompliziert durch den Kanzler neu eingerichtet und besetzt werden konnte und somit einen obrigkeitskonformen Ausbau der Lehre ermöglichte – unter Vermeidung jeglicher Debatten im Konzil und Umgehung möglicher Konflikte.

b) Sprach- und Exerzitienmeister Wie die Adjunkte sind auch die Sprach- und Exerzitienmeister erst mit dem Visitationsrezess von 1702 fester Bestandteil des akademischen Personalkörpers geworden – sowohl rechtlich als auch ökonomisch.329 Der Rezess garantierte ihnen u.a. ein jährliches Gehalt von 100 Gulden. Im Gegensatz zu den Adjunkten hatten die Sprach- und Exerzitienmeister allerdings auch zuvor bereits ein jährliches Gehalt aus der Universitätskasse erhalten. Diagramm 2.7. Besoldung der Sprach- und Exerzitienmeister, 1688–1805 (Reichstaler/Personen)330 1600,00 1400,00

8 Summe Gehälter

Anzahl

7 6

1000,00

5

800,00

4

600,00

3

400,00

2

200,00

1

0,00

0 1688-1689 1692-1693 1696-1697 1700-1701 1704-1705 1707-1708 1711-1712 1715-1716 1719-1720 1723-1724 1728-1729 1732-1733 1736-1737 1740-1741 1744-1745 1748-1749 1752-1753 1756-1757 1760-1761 1764-1765 1768-1769 1772-1773 1776-1777 1780-1781 1784-1785 1788-1789 1792-1793 1796-1797 1800-1801 1804-1805

1200,00

328 Vgl. die Tabellen „Einnahmen und Ausgaben 1646–1813“ und „Kapital und Schulden 1773– 1807“ unter www.uni-greifswald.de/furorcameralisticus. 329 Vgl. auch für das Folgende Kapitel 2.1.3.b. Sprach- und Exerzitienmeister ab S. 188. 330 Vgl. die Tabelle „Lehrerbesoldung an der Universität Greifswald 1688–1807“ unter www.unigreifswald.de/furorcameralisticus.

246

2. Personalkosten

An der Universität Greifswald ist für nahezu das gesamte 18. Jahrhundert ein fester ‚Stab‘ von Sprach-, Tanz- und Fechtmeistern auszumachen. Nachdem zwischen dem Sprachmeister und den beiden Exerzitienmeistern Rangstreitigkeiten aufgekommen waren, legte das Konzil 1730 die Rangfolge fest331, wie sie allerdings in der Procuraturregister-Verbuchung bereits gebräuchlich war: 1. Sprachmeister, 2. Fechtmeister, 3. Tanzmeister. Die in Diagramm 2.7. zu beobachtenden Unterbrechungen bezüglich des beschriebenen kleinen Stabes und seiner finanziellen Ausstattung zeugen von in der Regel unfreiwilligen, häufig kriegsbedingten Vakanzen. Erst ab 1790 ist dieses zusätzliche Lehrangebot um einen weiteren Sprachmeister und einen Zeichenmeister erweitert worden.332 Allerdings nahmen nicht nur die Anzahl und die damit verbundenen Ausgaben für die Sprach- und Exerzitienmeister zu, sondern ebenso sind nach und nach die Gehälter erhöht worden. Nach 1775 betrug die jährlich aufgewendete Summe für die Sprach- und Exerzitienmeister bereits mehr als das Doppelte als die entsprechenden Jahresbudgets während der gesamten ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Das Jahr 1790 markiert im weiteren Kurvenverlauf deutlich erkennbar den Beginn des Ausbaus dieser Lehrstellen wie auch der individuellen Lohnerhöhungen. Insgesamt verdreifachten sich die jährlichen Personalkosten der Universität für ihre Sprach- und Exerzitienmeister innerhalb von nur 20 Jahren von 445 Reichstalern im Jahr 1780 auf 1.440 Reichstaler im Jahr 1800. Die Sprach- und Exerzitienmeister exemplifizieren als Kostengruppe die allgemeinen Tendenzen der akademischen Personalkosten in Greifswald im Laufe des 18. Jahrhunderts. Allerdings bleiben sie aber für die akademische Kasse im Vergleich zu den übrigen Personalkosten, vor allem für Lehrpersonal, von untergeordneter Bedeutung. 2.3.3. Besoldung der Bediensteten a) Administrations- und Dienstpersonal der Universität Vier Ämter stellen den Kern des Universitätspersonals jenseits der Lehre dar. Das waren der Syndikus, der Procurator, der Secretarius und mindestens ein Pedell.333 Des Weiteren zählen zum akademischen Dienstpersonal jene Universitätsverwandten mit regelrechten Bestallungen, die außerdem ein festgelegtes Jahresgehalt aus der akademischen Kasse bezogen und somit regelmäßig in den Rechnungsbüchern verzeichnet sind. Aus der Reihenfolge der Procuraturregister geht bereits die nach 1774 in den Hauptrechnungsbüchern auch nominell vorgenommene Unterschei-

331 Vgl. Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. LXXII. 332 1793 kam ein Musiklehrer hinzu und 1800 bis 1804 außerdem ein dritter Sprachmeister für Schwedisch und Russisch. Seth: Universität Greifswald, S. 302. 333 Visitationsrezess (1702), in: Alvermann/ Spieß: Quellen zur Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 273. Vgl. auch Kapitel 2.1.4. Verwaltungspersonal – Officiales ab S. 191.

2.3. Personal und Gehalt in der Praxis

247

dung der sogenannten Officiales (Syndikus334, Sekretär und Procurator) vom Dienstpersonal (Pedell, reitende Diener, Landreiter, Holz- und Torfwärter und ab 1795–1796 auch ein Forstinspektor335) hervor.336 Neben den Löhnen der Officiales sind auch die der übrigen Universitätsbediensteten vor allem im Laufe der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts deutlich erweitert worden. Darüber hinaus ist außerdem der Personalkorpus der Bediensteten in jenem Zeitraum ausgebaut worden. Diese Tendenz lässt sich bereits seit Beginn des 18. Jahrhunderts erkennen, wenn auch die Entwicklung wesentlich langsamer voranschritt und u.a. durch den Großen Nordischen Krieg vorläufig aufgehalten wurde. Im Rechnungsjahr 1704–1705 waren beispielsweise drei sogenannte Officiales academiae angestellt, die zusammen, jährlich 620 Gulden aus der akademischen Kasse bezogen. Für die übrigen fünf akademischen Bediensteten337 zahlte die Universität jährliche Lohnkosten von 266 Gulden. Nach dem ökonomischen Aufschwung der 1730er Jahre waren weiterhin drei Officiales für zusammen 620 Gulden angestellt. Zum übrigen Dienstpersonal war mittlerweile ein Holzvogt (in Hanshagen) hinzugekommen und der Gesamtbetrag der nun sechs Bediensteten betrug bereits ca. 465 Gulden. Mitte des 18. Jahrhunderts unterstützte ein zusätzlicher reitender Diener die akademische Verwaltung in Stadt und Land während die Anzahl der Officiales weiterhin unverändert blieb. In der anschließenden Phase äußerst hoher akademischer Verschuldung und allgemeiner Wirtschaftskrise verringerten sich die Lohnkosten zunächst wieder und stiegen auch weiterhin nur noch geringfügig an.

334 Obwohl das Syndikat in der Regel nur eine zusätzliche Stelle eines ordentlichen oder auch außerordentlichen Professors der Juristenfakultät war. 335 Die drei Heidereiter (in Grubenhagen, Hanshagen und Koitenhagen) sowie die Holz- und Torfwärter sind in der Struktur der Hauptrechnungsbücher ab 1794 als „Forstbedienstete“ zusammengefasst und von den übrigen Universitätsbediensteten gesondert gelistet worden. 336 Vgl. dazu auch Kapitel 2.2.2. Lohnkostenverbuchung in den Hauptrechnungsbüchern ab S. 217. 337 Hierzu wird das akademische Dienstpersonal in Stadt und Land gerechnet, das ein Jahresgehalt aus der Universitätskasse bezog. Das waren der Pedell, der Landreiter, der Stadtdiener und die Holzvögte von Grubenhagen und Koitenhagen.

248

2. Personalkosten

Diagramm 2.8.a. Besoldung der Officiales, 1773–1807 (Reichstaler/Personen)338 2500,00

12

2000,00

10 8

1500,00

6 1000,00

4

500,00

2

0,00

0

Gehalt

Anzahl

Diagramm 2.8.b. Besoldung der Bediensteten, 1773–1807 (Reichstaler/Personen)339 1000,00

8 7 6 5 4 3 2 1 0

800,00 600,00 400,00 200,00 0,00

Gehalt

Anzahl

Hier ist gezielt jener Zeitraum ausgewählt worden, in dem die wirtschaftliche Lage der Universität in den bereits betrachteten Personalbereichen einen deutlichen Ausbau der Stellen und Gehälter bewirkt hatte, um deutlich zu machen, dass eine derartige personelle Erweiterung im Bereich des administrativen und Dienstpersonals nur geringfügig stattgefunden hat. Nur das Forstpersonal ist im Zuge der agrarökonomischen Umstrukturierung des Amts Eldena stetig erweitert worden. Während der Visitation von 1775 bestand das im Amt tätige Dienstpersonal aus den drei Heidereitern in Grubenhagen (jährlich 40 Reichstaler), Koitenhagen (jährlich 50 Reichstaler) und Hanshagen (jährlich 25 Reichstaler) sowie dem Holzwärter (jähr338 Vgl. die Tabelle „Besoldung des Administrations- und Dienstpersonals an der Universität Greifswald 1646–1807“ unter www.uni-greifswald.de/furorcameralisticus. 339 Vgl. ebd.

2.3. Personal und Gehalt in der Praxis

249

lich 12 Reichstaler). Um die wachsenden Erträge zu sichern, ist die Aufsicht im Amt systematisch ausgeweitet und verschärft worden, indem regelrechte Kontrolleure angestellt wurden: 1788 ein Holz- und Torfwärter (jährlich 50 Reichstaler)340, ein zweiter Holz- und Torfwärter (jährlich 50 Reichstaler) im Jahr 1793 und 1804 ein sogenannter Plantagenmeister mit einem Jahresgehalt von 36 Reichstaler. Insgesamt betrugen die Lohnkosten der Universität für ihr Dienstpersonal im Rechnungsjahr 1775–1776: Rechnungsjahr 1785–1796: Rechnungsjahr 1795–1796: Rechnungsjahr 1805–1806:

1.124 Reichstaler 1.552 Reichstaler 3.237 Reichstaler 4.119 Reichstaler

Für das Dienstpersonal lässt sich gemäß der allgemeinen Entwicklung ein gradueller Anstieg der Lohnkosten erkennen, ohne besonders markante Einschnitte oder Phasen.

b) Syndikus - exemplarisch „[...] die beeden eltesten der juridischen facultet [hatten] dieses officium bißhero unter sich getheilet und verwaltet“, was sich vor allem hinsichtlich ihrer Lehramtsverrichtung als „hinderlich“ erwiesen habe. Daher befanden die Visitatoren von 1699, „daß hiernegst sothanes Syndici ampt allemahl dem Adjuncto juris solle übertragen werden.“341 Tatsächlich verblieb das Syndikat aber im Laufe des 18. Jahrhunderts auch weiterhin vorwiegend im Verantwortungsbereich eines Ordinarius der Juristenfakultät. Zunächst hatte noch der 1699 in Greifswald zum außerordentlichen Professor berufene Jurist Henning Christoph Gerdes342 das Syndikat inne. Als er 1704 zum Doktor promoviert und im Jahr 1714 schließlich zum ordentlichen Professor berufen wurde, verblieb er auch weiterhin im Amt des akademischen Syndikus. Nach seinem Tod übernahm der ihm nachfolgende Rechtsprofessor Joachim Andreas Helwig343 auch das Syndikat, das Gerdes über 20 Jahr lang

340 Die Akademische Administration erklärte am 24. Mai 1788 dem vorgeladenen Heidereiter Ihlenfeld, dass man „es für nöthig und nützlich erachte, einen Holtz- und Torfwärter zu Neuenkirchen anzustellen, der jene Höltzung und Torfmohr besser beobachten könnte und würde“, da der Heidereiter diese, seine Pflicht „bishero so schlecht und nachlässig erfüllet hätte.“ Die entsprechende Anweisung auf diese Aufgabe (50 Rtlr.) ging ebenfalls trotz Widerstands des Heidereiters auf den neuen Wärter über, vgl. Protokolle vom 9. und 24. Mai 1788, in: UAG, Kurator K 5685, Protokolle der Akademischen Administration von 1788–1789, fol. 4r u. 10v. 341 Visitationsrezess (1702), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 274. 342 Henning Christoph Gerdes (außerordentlicher Professor seit 1699, ordentlicher Professor seit 1714), vgl. Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 279. 343 Joachim Andreas Helwig (ordentlicher Professor seit 1722 war zuvor Regimentsrichter bei den schwedischen Besatzungen Stettins und Stralsund), vgl. Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 289.

250

2. Personalkosten

geführt hatte. Wie Gerdes auch, übernahm Augustin Balthasar344 1727 als Adjunkt die Aufgaben des Syndikats und behielt es auch nachdem er 1734 zum ordentlichen Professor berufen worden war. Ihm folgte 1737 der im gleichen Jahr zum ordentlichen Professor berufene Hermann Heinrich Engelbrecht345 als neuer Syndikus. Unter Engelbrecht entstand eine Art Vertreterstelle (Syndicus secundus), die der Adjunkt Emanuel Christoph von Essen346 besetzte. Die Besoldung des Vertreters begann bei 50 Gulden und verdoppelte sich spätestens 1755, während das Gehalt des Primus Engelbrecht zeitgleich verringert wurde.347 Der Lohn und damit auch die Verantwortung im Syndikat verlagerte sich fortschreitend vom ersten zum zweiten Syndikus, bis von Essen im Jahr seiner Berufung zum Ordinarius in Greifswald 1758 auch die Stelle Engelbrechts und damit das gesamte Syndikat übernahm. Obwohl es der Rezess von 1702 ausdrücklich nicht so vorgesehen hatte, wurde das Amt nun weiterhin wieder von einem ordentlichen Professor geführt. Mit dem neuen und einfachen Syndikat ging eine deutliche monetäre Aufwertung des Rechtvertreters der Universität einher: Hatten Engelbrecht und von Essen gemeinsam noch ca. 150 Gulden erhalten, betrug das Jahresgehalt Professor von Essens als Syndikus nach 1759 bereits ca. 400 Gulden, wie sie der Rezess von 1775 dann auch normativ bestätigte.348 In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts hatte der akademische Syndikus in der Regel 100 Gulden jährlich erhalten, die als Ergänzung zum Adjunktenlohn die Alimentierung des Amtsinhabers komplettierten – so war es im Rezess 1702 vorgesehen. Die tatsächlich das Syndikat führenden Ordinarien verdienten allerdings das Vielfache eines Adjunktengehaltes. Als der Jahreslohn des Syndikus 1758 auf 200 Reichstaler erhöht wurde, erhielten die Ordinarien bereits mindestens 400 Reichstaler jährlich. Erst 1775 wurde aber das Amt des Syndikus von der Juristenfakultät gelöst und dadurch endgültig auch die Personalunion eines voll entlohnten Juristenprofessors und dem hoch dotierten Syndikat verhindert.349 Ein höherer Lohn sollte fortan eine neutrale Vollzeitstelle finanzieren und sichern. Tatsächlich stieg das Gehalt des Syndikus aber erst im Jahr 1804 auf 320 Reichstaler.

344 345 346 347

vgl. ebd. Hermann Heinrich Engelbrecht, vgl. Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 289. Vgl. Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 290. Vgl. dazu die Instruktion für den zweiten Syndikus der Universität (1749), in: Alvermann/Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S.149–153. 348 Neben den 200 Reichstalern courant stand dem Syndikus außerdem ein Locarium von 20 Reichstalern sowie gewisse Mengen an Holz und Torf aus dem Amt zu. 349 Tatsächlich untersagte der Rezess jeglichen Einfluss der Juristenfakultät und darüber hinaus auch aller anderen Professoren, Adjunkte und Pächter auf das Syndikat. Der Syndikus müsse möglichst frei von eigenen Interessen an Entscheidungsausgängen sein.

2.3. Personal und Gehalt in der Praxis

251

c) Procurator und Secretarius im Vergleich350 Die Lohnentwicklung sowohl für den Procurator als auch für den Universitätssekretär gleicht jener der Ordinarien351: Vor den 1680er Jahren erhielten sie einen situationsbedingten Mindestlohn, wiederholt unterbrochen durch Lohnausfälle auf Grund diverser Kriegs- und Krisenjahre. Seit den 1680er Jahren konnten die Gehälter regelmäßig ausgezahlt werden und sind im Zuge der Haushaltskonsolidierung im Jahr 1694 erhöht worden. Während des Großen Nordischen Krieges erhielten auch der Procurator und der Sekretär nicht den vollen, teilweise auch gar keinen Jahreslohn. Zwischen dem Kriegsende 1720 und der nächsten schweren ökonomischen Krise der Universität nach 1750 erfolgte die Auszahlung der Gehälter zunächst konstant. Es folgte eine Phase sowohl relativ unregelmäßiger Lohnzahlungen als auch teilweise fehlender Dokumentation durch nicht überlieferte Rechnungsbücher. Dass sich der Lohn des Procurators zwischen 1760 und 1770 verdoppelt habe, wie die Statistik zunächst nahelegt, kann ausgeschlossen werden. Auch der Sekretär erhielt zwischenzeitlich weniger oder keinen Lohn. Diese ausgefallenen Zahlungen sind in der Regel zusätzlich zu den laufenden Jahresgehältern nachgezahlt worden und treiben somit die Kurve der getätigten Gehaltszahlungen deutlich in die Höhe. Nachdem die Voraussetzungen und die Gehälter für das Universitätspersonal 1775 wieder grundlegend festgelegt worden waren, folgten für Procurator und Sekretär bis 1806 zwei reguläre Lohnerhöhungen (Diagramm 2.9.). Auffällig ist überhaupt die weitgehend parallele Entwicklung der Gehälter der beiden administrativen Schreiber Procurator und Sekretär, wobei Ersterem in der Regel mindestens 100 Gulden (50 Reichstaler) mehr zustanden. Der Procurator bekleidete immerhin auch zwei weitere Ämter: Das Structuariat und das Amtsnotariat. Im Zuge des Visitationsrezesses und der Einrichtung der Akademischen Administration 1775 ist das Amt des jahrhundertelang weitgehend selbstverantwortlich arbeitenden Procurators durch den Rentmeister ersetzt worden, der ausschließlich Weisungsempfänger der neuen Wirtschaftsverwaltung der Universität Greifswald war. Sein Verantwortungsbereich war fortan von wesentlich geringerer Bedeutung als die des Procurators, sein Gehalt betrug aber auch weiterhin mehr als das des ebenfalls vorwiegend ausführenden Sekretärs.352

350 Vgl. auch für das Folgende Kapitel 1.4.2. Das Amt: Procuratur und Structuariat ab S. 137. 351 Abweichungen im Kurvenverlauf sind in der Regel den gleichen Ursachen zuzuschreiben, wie im Fall der Ordinarienlöhne: Schert die Kurve nach unten aus kann dies entweder auf ökonomische Auswirkungen eines Krieges zurückgeführt werden oder auf verringerte Gehaltszahlungen im Zusammenhang des Todes des Amtsinhabers und dem auch dessen Witwe gewährten Gnadenjahres. Schert die Kurve nach oben aus sind in der Regel noch ausstehende Gehälter nachgezahlt worden, vgl. Kapitel 2.3.1.b. Phasen der Professorenbesoldung ab S. 227. 352 Jahresgehalt 1775: Rentmeister 450, Sekretär 280 Gulden. Jahresgehalt 1795: Rentmeister 550, Sekretär 480 Gulden. Jahresgehalt 1804: Rentmeister 750, Sekretär 680 Gulden. Vgl. auch die Tabelle „Besoldung des Administrations- und Dienstpersonals an der Universität Greifswald 1646–1807“ unter www.uni-greifswald.de/furorcameralisticus.

252

2. Personalkosten

Diagramm 2.9. Besoldung des Procurators und des Universitätssekretärs, 1647–1807 (Gulden)353 900,00 800,00 700,00 600,00 500,00 400,00 300,00 200,00 100,00

1647-1648 1651-1652 1652-1653 1655-1656 1659-1660 1665-1666 1670-1671 1676-1677 1681-1682 1686-1687 1691-1692 1696-1697 1701-1702 1706-1707 1710-1711 1715-1716 1720-1721 1725-1726 1730-1731 1735-1736 1740-1741 1745-1746 1750-1751 1755-1756 1760-1761 1765-1766 1770-1771 1776-1777 1781-1782 1786-1787 1791-1792 1796-1797 1801-1802 1806-1807

0,00

Procurator

Secretarius

Rentmeister

d) Pedell/ Famulus Die höchste monetäre Aufwertung erfuhr das Amt des Famulus academiae zwischen 1775 und 1807.354 Bis 1784 erhielt er jährlich 50 Reichstaler, fünf Jahre später mit 110 Reichstalern bereits das Doppelte. Zuvor war sein durchaus schmales Gehalt Jahrzehntelang nur geringfügig, bzw. in der Regel gar nicht erhöht worden.

353 Vgl. die Tabelle „Besoldung des Administrations- und Dienstpersonals an der Universität Greifswald 1646–1807“ unter www.uni-greifswald.de/furorcameralisticus. 354 Die Famuli academiae waren: 1650–1666 Johannes Born, 1666–1687 Christian Horstmann, 1687–1690 Andreas Hoyer, 1690–1705 Nicolaus Ries, 1705–1715 Daniel Zahrend, 1715–1745 Carl Kietzmann, 1745–1749 Friedrich Ramm, 1749–1769 Günther.

2.3. Personal und Gehalt in der Praxis

253

Des Weiteren ist ein Famulus secundus, bzw. Konsistorialpedell355 seit 1703 mit jährlich 8 Reichstalern ebenfalls aus der Universitätskasse entlohnt worden.356 So vielseitig die Aufgaben des ältesten akademischen Dienstamtes waren, so vielseitig waren auch seine Ertragsquellen. Einen festen Teil seiner Alimentierung machten die universitären Kassenanweisungen aus, wie sie aus den Procuraturregistern und Hauptrechnungsbüchern nachzuvollziehen sind.357 Neben den üblichen Privilegien der Universitätsangehörigen standen dem Pedell insbesondere mindestens eine Stube (im Kollegium und/oder auf dem Schwarzen Kloster), ein gewisser Anteil Holz aus Eldena, ein Freitisch bzw. Speisegeld358 und das Schuhgeld359 zu. Außerdem erhielt er, wie auch die möglichen anderen Pedelle: – – – – – –

Acht Schilling im Quartal von jedem Studenten Sechzehn Schilling von jedem neu immatrikulierten Studenten Anteil an Inskriptionsgeldern, die ihm der Rektor zukommen ließ Einen halben bis ganzen Reichstaler von den „deponirten“ Einen bis zwei Reichstaler von Kandidaten und Promovenden Je acht bis zwölf Schilling pro Quartal optional von sechs Professoren360

Der Pedell war, wie kein anderer Universitätsangehöriger, grundlegend abhängig von den Studenten- und Absolventenzahlen, die in Greifswald allerdings auffällig gering waren (Diagramm 4.9., S. 371).

355 Es gab auch immer wieder einen zweiten, eine Art Hilfs-Pedell, der aber zunächst noch nicht aus der Kasse entlohnt wurde, sondern vor allem von dem Abgaben-Anteil der Studenten lebte. Außerdem standen diesem Famulus secundus „freyer tisch in der communität“ zu, sowie „freye stube und 3 fuder holtz, vom quartal gelde die helffte“ und „von promotionibus die helffte.“ Schreiben des zweiten Pedells M. T. Albinus an den Rektor vom 14. März 1656, in: UAG, Altes Rektorat St. 218, S. fol. 6r. 356 Die Konsistorialpedellen waren: 1703–1712 Christian Peich, 1712–1715 Johann Peich (Christians Bruder), 1715–1748 Alexander Bohn, 1748 bis mindestens 1757 Hauer, spätestens 1759 bis mindestens 1768 Koch. Als dritter Pedell ist ausschließlich von spätestens 1763 bis mindestens 1768 ein Herr Lindemann mit einem Jahresgehalt von 30 Reichstalern verbucht worden. 357 Ein jährliches Deputat von 24 Reichstalern, bestehend aus 12 Reichstalern Jahresgehalt und 3 Reichstalern Quartalsgeld, vgl. die Instruktion und Bestallung für den Pedellen (1690), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 214–215. 358 Das Recht des Pedellen auf freie Speisung in der Oeconomie ist zu Beginn des 18. Jahrhunderts monetarisiert worden: 1704–1705 betrug das fortan so genannte Speisegeld 20 Gulden. Einige Jahre später (1710 und 1714) ist aber das Jahresgehalt von nach wie vor 24 Gulden in den Procuraturregistern als „Speisegeld“ bezeichnet worden. 359 Die Instruktion sah 1690 einen Reichstaler für ein Paar Schuhe vor. Vermutlich ist diese Ausgabe dem Bedarf angepasst worden, da der Pedell nicht selten jährlich zwei, beispielsweise 1700–1701 drei und 1713–1714 vier neue Paar Schuhe finanziert bekam. Vgl. auch Kapitel 2.1.5.a. Pedell ab S. 196. 360 So bestimmt es die Instruktion und Bestallung für den Pedellen (1690), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 216.

254

2. Personalkosten

Die Einnahmen der Pedelle aus den diversen Ertragsquellen lassen sich natürlich nicht anhand der akademischen Rechnungsbücher nachweisen. Aus Beschwerdeschreiben einzelner Pedelle an den Rektor und das Konzil geht aber deutlich hervor, dass die Situation der Pedelle in der Regel schwierig war. Die tatsächlich gezahlten Quartals- und Examensgelder waren äußerst gering. Von den vergleichsweise ohnehin wenigen Studenten waren beispielsweise Söhne aller Universitätsverwandten von den Abgaben ausgenommen, ebenso arme Studenten. Darüber hinaus kam es vor, dass sich einzelne Studenten weigerten, das geforderte PedellenGeld zu zahlen, wogegen der selbst auch eintreibenden Abgabeempfänger kaum Handhabe hatte.361 Den Beschwerden des Pedellen, dass er für seine Arbeit insgesamt zu wenig erhalte, stimmte Ende des 17. Jahrhunderts auch die Mehrheit des Konzils zu.362 Änderungen erfolgten aber keine. Das unter Pedellen auffällige Alkoholproblem363 könnte auch auf deren prekäre ökonomische Lage zurückgeführt werden. Allerdings bestand in mindestens einem Fall besagtes Problem bereits vor der Amtsübernahme. Obwohl das Konzil von dem Anwärter Nicolaus Ries wusste, dass er stark trank und offenbar seinetwegen deutliche Formulierungen der Entsagung in die Bestallung aufnahm, ist Ries doch zum Pedell vereidigt worden364 und blieb immerhin 15 Jahre im Amt. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts war sich die akademische Verwaltung selbst im Unklaren über das komplizierte Besoldungssystem des Pedellen, das offenbar nicht mehr den Bestimmungen in der Bestallung von 1690 (oder späteren) entsprach.365 Als Nicolaus Ries 1705 aus dem Amt schied und ein Nachfolger bestimmt werden musste, befragte der amtierende Rektor Professor March daher auch seine Kollegen bezüglich der Pedellenbesoldung, „was? wofür? und wieviel? derselbe ex Cassa Academiae würklich zu genißen habe?“366 Die darunter zitierten di-

361 Vgl. Schreiben des Pedellen Ries vom 22. September 1692, in: UAG, Altes Rektorat St. 218, fol. 23r–24r. 362 Vgl. Zirkular vom 22. September 1692, in: Ebd., fol. 24v. 363 Vgl. Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. LXII. 364 Allerdings noch nicht, als er am 1. Mai 1790 zum ersten Mal vor das Konzil zitiert worden war, um zu den Vorwürfen Stellung zu beziehen und zu versprechen, dass er sich „des gesöffs enthalten“ wolle. Zu diesem Termin aber entschied das Konzil die Beeidigung vorerst aufzuschieben, da Ries „aber itzo etwas besoffen scheinet“, vgl. Auszug aus dem Konzilsprotokoll vom 1. Mai 1790, in: UAG, Altes Rektorat St. 218, fol. 17v. Dabei beinhaltete schon seine Instruktion einen Passus, dass er sich „der pietät und eines nüchteren, ehrbaren lebens sich befleißigen“ solle. So in der Bestallung und Instruktion für den Pedellen (1690), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 213. 365 Bei der Neubesetzung des Pedellenamtes wurden zumindest in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts bezüglich der Besoldung offenbar zunächst die Bedingungen des Vorgängers übernommen, um dann bei längerer Amtszeit auch individuell erweitert zu werden, vgl. dazu auch die Beobachtung Professor Saalbachs, dass der neue Pedell „fast in allen Stücken der alte Horstmann werden soll. Dem was Horstmann de facto introduciret hat, darüber soll er [nun zum ersten Mal] schriftliche Instruction bekommen.“ Im Zirkular vom 20. November 1686, in: UAG, Altes Rektorat St. 218, fol. 14v . 366 So Rektor March im Zirkular vom 27. April 1705, in: Ebd., fol. 39r–v.

2.3. Personal und Gehalt in der Praxis

255

versen Vorgaben zum akademischen Pedellenlohn stimmen nicht mit der Realität überein. Vor allem das allgemeine Salarium variiert dort zwischen 24 und 68 Gulden, wie auch die weiteren Bestandteile nicht eindeutig sind. Professor Saalbach führte zur Klärung die Angaben des Pedellentitels aus den Procuraturregistern der vergangenen Jahre an.367 Daran schien man sich im Folgenden weitgehend zu orientiern. Die Bestandteile der Pedellenbesoldung blieben in den Procuraturregistern weitgehend unverändert.368 Diagramm 2.10. Greifswalder Pedellenbesoldung, 1773–1807 (Reichstaler)369 300,00 250,00 200,00 150,00 100,00 50,00

1773-1774 1775-1776 1776-1777 1777-1778 1778-1779 1779-1780 1780-1781 1781-1782 1782-1783 1783-1784 1784-1785 1785-1786 1786-1787 1787-1788 1788-1789 1789-1790 1790-1791 1791-1792 1792-1793 1793-1794 1794-1795 1795-1796 1796-1797 1797-1798 1798-1799 1799-1800 1800-1801 1801-1802 1802-1803 1803-1804 1804-1805 1805-1806 1806-1807 1807-1808

0,00

Die dem Pedell aus der Kasse tatsächlich gezahlten Summen variierten aber auch weiterhin. Vor allem in Krisenzeiten hatten die ohnehin gering entlohnten Pedellen mit als erste Lohneinbußen bzw. –ausfall zu verzeichnen. Ob das auch in Hinblick auf ihre weiteren Ertragsquellen zutraf, kann zwar nicht definitiv festgestellt werden, allerdings nahm der studentische Lohnanteil im Laufe des 18. Jahrhunderts in gleichem Maß ab, in dem das akademische Pedellengehalt zunehmend erweitert wurde.

367 Vgl. ebd. 368 Ab 1705 schlüsselte der Procurator aber die Bestandteil der Besoldung des Pedells auch in den Rechnungsbüchern auf: Er erhielt 48 Gulden an Speisegeld und Salarium, 12 Gulden für das Locarium, 8 Gulden für vier Paar Schuhe und 4,66 Gulden für zwei weitere Paar Schuhe, sowie 8,66 Gulden Speisegeld. 369 Vgl. die Tabelle „Besoldung des Administrations- und Dienstpersonals an der Universität Greifswald 1646–1807“ unter www.uni-greifswald.de/furorcameralisticus.

256

2. Personalkosten

2.3.4. Zusammenfassung Vor 1700 galt die Sorge der akademischen Finanzverwaltung hauptsächlich der Abtragung der Deserviten. Die aktiven Professoren erhielten nicht den ihnen eigentlich königlich zugestandenen Lohn, weil die Universitätswirtschaft bis 1694 die anfallenden Kosten nicht leisten konnte. Ziel musste also eine Erhöhung der Universitätseinnahmen sein, um auch ihre Ausgaben steigern zu können. Allerdings ließen sich die Erträge aus der naturalwirtschaftlichen Güterverwaltung in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts kaum langfristig erweitern, da wiederholte Einquartierungen, Truppenversorgungen und aktives Kriegsgeschehen Felder, Wälder, Gebäude, Vieh und Menschen ruinierten. Daher bat das Greifswalder Konzil in Stockholm beharrlich um die Befreiung des Amts Eldena von der Kontributionspflicht und nur in besonderen Notsituationen um finanzielle Direkthilfen. Reaktionen darauf blieben entweder aus oder blieben lange Zeit im schwedisch-pommerschen Kommunikationsgefüge zwischen Stockholm und Stralsund stecken. Als das Don Gratuit aus dem Landkasten schließlich doch gezahlt wurde370, erholte sich auch die akademische Güterwirtschaft. So konnten zu Beginn der 1690er Jahre die Löhne ausgezahlt werden, die den Professoren rechtlich seit über 30 Jahren bereits zustanden. Eine Erhöhung dieser Beträge konnte jedoch noch nicht geleistet werden. Erst im Zuge des ökonomischen Aufschwungs der 1730er Jahre erlaubte es der Zustand der Universitätskasse die seit 1646 wiederholt in Aussicht gestellte Lohnerhöhung tatsächlich umzusetzen, wenn das sogenannte Augmentum Salariorum königlich bestätigt würde. Aus Stockholm erfolge allerdings keine Reaktion, trotz eines breiten pommerschen Unterstützungsbündnisses. Erst als bereits das nächste Konjunkturtief die Universität erfasst hatte, ordnete König Adolf Friedrich nicht nur das Augmentum an, sondern zudem etliche individuelle Gehaltszulagen. Zum einen brachte dies inflationsbedingt bei den Professoren zunächst kaum ökonomische Verbesserung mit sich und belastete zum anderen die Kasse zusätzlich. 2.4. ZWISCHENFAZIT 2.4. ZWISCHENFAZIT

Die Ordinariengehälter machten in Greifswald im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts weit weniger als 70 Prozent der Gesamtausgaben aus. Ihr Anteil lag im Laufe des 18. Jahrhunderts zwischen 50 und 20 Prozent (durchschnittlich um 40 Prozent).371 Der Großteil der akademischen Personalausgaben bestand aber in der Tat aus den Gehältern für die ordentlichen Professoren. Bis 1775 machten die Professorengehälter in der Regel bis zu 80 Prozent der jährlichen Personalkosten aus. Erst mit dem deutlichen Ausbau der außerordentlichen Lehre seit Ende der 1780er Jahre nahm der Ordinarienanteil an den Personalkosten zu Gunsten der Gehälter für Ex370 Vgl. dazu Kapitel 1.2.11. Exkurs: Don Gratuit ab S. 82. 371 Vgl. dazu Diagramm 2.2. im Kapitel 2.3.1.a. Anteil der Personalkosten an den Gesamtausgaben ab S. 222 sowie die Tabelle „Professorenbesoldung an der Universität Greifswald 1646–1807“ unter www.uni-greifswald.de/furorcameralisticus.

2.4. Zwischenfazit

257

traordinarien bzw. Adjunkte stetig ab und lag zu Beginn des 19. Jahrhunderts schließlich – unabhängig von Zulagen und Lohnerhöhungen – bei nur noch 50 Prozent der gesamten Ausgaben für das Personal der Universität Greifswald. Den zweitgrößten Anteil an den Personalkosten nahmen die Gehälter für die akademischen Bediensteten, hauptsächlich für die sogenannten Officiales, ein. Im Zusammenhang mit den akademischen Bediensteten kann und muss nämlich das in der Regel akademisch gebildete Verwaltungspersonal von dem einfachen Dienstpersonal unterschieden werden. Die Officiales waren der Amtmann in Eldena (Gutsverwaltung), der Syndikus (juristische Vertretung), der Procurator und Structuarius (Finanz- und Gebäudeverwaltung) und der Sekretär (Schriftführung). Dieses administrative Personalkorpus der Universität hatte so weitgehend über den gesamten Betrachtungszeitraum Bestand. Zum akademischen Dienstpersonal in der Stadt ist hauptsächlich der Pedell – zweitweise auch mehrere Pedelle – zu zählen und auf dem Land führten ein bis vier berittene Diener (Land- und Heidereiter) ähnliche Aufgaben wie der Pedell in der Stadt aus: Botendienste und diverse exekutive und Kontrollaufgaben. Das Dienstpersonal des akademischen Gutsbetriebes wurde gegen Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts erweitert, während das korporative Dienstpersonal in der Stadt auch weiterhin nur aus einem oder mehreren Pedellen bestand. Das Gehalt der Bediensteten konnte in drei unterschiedlichen Ausprägungen erfolgen. Der Procurator und der Sekretär waren wie die ordentlichen Professoren durch die Universität theoretisch ‚vollalimentiert‘. Sie bekleideten in der Regel nur ihr akademisches Amt und wurden dafür voll entlohnt, so dass sie ihren Lebensunterhalt ausschließlich daraus bestreiten konnten. Das Gehalt des Procurators überstieg zu Beginn des 17. Jahrhunderts sogar das, eines Professors. Der Syndikus, bis 1775 ein Mitglied der Juristenfakultät, erhielt dagegen eine Aufwandsentschädigung für die Ausübung eines zusätzlichen Amtes - neben der Professur, bzw. Adjunktur.372 Wie die außerordentlichen Lehrer erhielten auch die Pedelle aus der Universitätskasse eine Komplementäralimentierung. In ihrem Fall ergänzte das korporative Gehalt ihre Einnahmen, die sie von studentischen Gebühren und Honoraren erzielten. Insbesondere der Pedell, der in Greifswald zumindest seit dem 17. Jahrhundert zum ‚hauptberuflichen‘ Dienstpersonal zu zählen ist, war von einem außerordentlich komplexen Besoldungssystem abhängig. Er hatte Anspruch auf Erträge in unterschiedlichen Formen aus vielfältigen Quellen. Neben einem geringen Gehalt erhielt er außerdem spezifische Naturalleistungen und unterschiedliche Anteile von diversen studentischen Gebühren. Die Entlohnung der in der Amtsverwaltung tätigen Bediensteten gilt es noch zu prüfen; vermutlich handelte es sich bei ihrem akademischen Exekutivamt um ein zusätzliches Beschäftigungsverhältnis und somit bei ihrem Gehalt um eine Zusatzoder Komplementäralimentierung.

372 Ähnlich verhielt es sich auch mit dem Bibliothekar, der allerdings in der Regel nicht aus der zentralen Universitäts- sondern aus der Bibliothekskasse entlohnt wurde.

258

2. Personalkosten

Der Kreis des universitären Dienstpersonals ist bis in die 1780er Jahre kaum erweitert worden. Allerdings erfuhren die Dienstboten wie auch die Verwalter im Laufe des 17. und des 18. Jahrhunderts fortschreitend ökonomische Absicherung durch ihre Arbeitgeberin in Form von Lohnerhöhungen und der Optimierung von Ertragsbedingungen. Auf der anderen Seite sicherte sich die Korporation hinsichtlich der bestehenden Arbeitsverhältnisse aber auch zunehmend rechtlich ab, indem Rektor und Konzil vermehrt und immer detailliertere Instruktionen für ihre Bediensteten aufsetzten. Während die Korporation also ihren Bediensteten mehr und exaktere Aufgabenvorschriften machte, wurden diese von ihr zunehmend ökonomisch abgesichert. Diese Entwicklung ist deutlicher Ausdruck einer Professionalisierung der Universitätsverwaltung im Laufe der zweiten Hälfte des 17. und des 18. Jahrhunderts. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurden sowohl die außerordentliche Lehre (Extraordinarien und extra curricula) der Universität Greifswald wie auch der Kreis der Dienststellen im agrarwirtschaftlichen Bereich des Amts Eldena auffällig ausgebaut. Im 17. Jahrhundert empfingen die Extraordinarien der drei höheren Fakultäten kein Gehalt aus der akademischen Kasse. Ihren Lebensunterhalt bestritten sie hauptsächlich von studentischen Honoraren. Erst mit der Umstellung der außerordentlichen Lehre auf das schwedische Adjunktensystem im Jahr 1702 erhielten die neuen Adjunkte in Ergänzung zu den Kolleggeldern jährlich 50 Reichstaler aus der Universitätskasse – ein Viertel eines Ordinariengehalts. Ein deutlicher Ausbau der bis dahin in der Regel wenigen Adjunkturen und ihrer geringen Gehälter vollzog sich aber erst nach 1788. Zum einen erlaubte dies fortan der Zustand der Universitätskasse, zum anderen war es dem schwedischen Generalgouverneur und Kanzler der Universität seit 1775 möglich eigenmächtig Adjunkturen einzurichten und zu besetzen. In den 1650er und 1660er Jahren hatte es in Greifswald eine ähnliche Entwicklung gegeben, als mindestens drei Extraordinarien von der schwedischen Königin eingesetzt worden waren. Sie standen aber in keiner ökonomischen Beziehung zur Korporation, denn ihre Gehälter trug die Staatskasse. Die gegen Ende des 18. Jahrhunderts durch den Kanzler eingesetzten außerordentlichen Lehrer wurden hingegen aus der Universitätskasse entlohnt. Die Universitätsverwaltung hatte keinen Einfluss auf die Lehrstellen, musste aber für das entsprechende Gehalt aufkommen. Im Gegensatz zu den Extraordinarien erhielten ein Sprachmeister, ein Fechtmeister und ein Tanzmeister bereits in den 1680er Jahren ein jährliches Gehalt von 50 Reichstalern aus der akademischen Kasse. Rechtlich gehörten sie, wie auch die Adjunkte, erst ab 1702 zu den Universitätsverwandten. Der kleine Kreis der Greifswalder Sprach- und Exerzitienmeister wurde erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts um einen weiteren Sprachmeister, einem Rittmeister und einem Zeichenmeister erweitert. Die Universität Greifswald litt während des 18. Jahrhunderts unter der sehr geringen Frequenz, sodass sich durch die wiederholten Debatten um eine Verbesserung ihres Zustanden auch stets die Frage nach einer Steigerung ihrer Attraktivität für Studenten zog. Durch die Errichtung einer akademischen Reitbahn und den Ausbau des erweiterten und unterhaltsameren Lehrangebotes sollte das Interesse

2.4. Zwischenfazit

259

insbesondere der adeligen Jugend geweckt werden, um mehr Studenten an die wenig renommierte pommersche Universität zu locken. So verdreifachten sich die korporativen Ausgaben für die Sprach- und Exerzitienmeister alleine zwischen 1780 und 1800. Für den mittlerweile deutlich gewachsenen Universitätshaushalt blieb dieser Kostenfaktor allerdings auch weiterhin von sehr geringer Bedeutung. Bei den Gehältern aller außerordentlichen Lehrer (Adjunkte und Sprach- und Exerzitienmeister) handelte es sich nicht um Vollgehälter, sondern um eine ergänzende Finanzierung zu ihrem Hauptertrag von Kolleggeldern. Es lässt sich nachvollziehen, dass jene Lehrer mit höheren Honoraransprüchen weniger Gehalt erhielten et vice versa. Nach 1775 wurden diese gebührenausgleichenden Gehälter tendenziell erweitert und so die Wirtschaftsgrundlage nicht nur der Sprach- und Exerzitienmeister, sondern auch des Pedells auf ein sicheres Fundament gestellt, um sie so weniger den honorar- und somit frequenz- und vertrauensbedingten ökonomischen Unsicherheiten auszusetzen. Je stabiler die Wirtschaft der Korporation war, desto mehr wirtschaftliche Sicherheit konnte sie ihrem Personal geben. Im Zusammenhang der Professorenalimentierung lassen sich im Laufe der zweiten Hälfte des 17. und des gesamten 18. Jahrhunderts drei Phasen der Professorenentlohnung ausmachen. Zwischen 1646 und 1694 bestand die Ordinarienalimentierung der Universität lediglich aus einer Minimalvergütung. Die Universitätskasse konnte in diesem Zeitraum die normativ vorgegebenen Beträge nicht leisten, sodass die tatsächlich gezahlten Gehälter auf dem Stand von vor dem Dreißigjährigen Krieg stagnierten. In den anschließenden Kriegen der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurden ebenfalls teilweise überhaupt keine Gehälter gezahlt. Diese Zeit war von Lohnverzicht der Professoren und Lohnverschuldung der Korporation geprägt. In der darauf folgenden Phase normentsprechender Vergütung (1694– 1750er) erhielten alle Ordinarien rezessgemäß volle und gleiche Gehälter. Die angelaufenen Lohnschulden konnten bis zum Beginn des neuen Jahrhunderts abgebaut werden. Ab den 1750er Jahren verpflichteten aber vermehrt königliche Anweisungen die akademische Kasse zur Auszahlung individueller Gehaltszulagen für einzelne Professoren. Während dieser dritten Phase prämienorientierter Vergütung leistete die Universitätskasse daher insgesamt höhere Ordinariengehälter als in den Rezessen vorgegeben war. Nicht nur machten die Professorenlöhne durchschnittlich nicht mehr als 50 Prozent der akademischen Gesamtausgaben aus, sondern kommt auch allgemeiner den Professorenlöhnen in der administrativen Praxis der Korporation nicht jene ökonomisch zentrale Bedeutung zu, wie sie den sich selbst verwaltenden Professoren bislang unterstellt worden ist. Von krisenbedingten Komplettausfällen der Gehälter einmal abgesehen, erweisen sich Ordinariengehälter in den Wirtschaftsdebatten der Universität lediglich als ein Kostenfaktor von vielen und standen nicht auffälliger im Fokus als beispielsweise akut anfallende Kosten zur Erhaltung von Gebäuden und Einrichtungen oder Belange der Kapital-, Stiftungs- oder auch der Gutsverwaltung. Das Narrativ von den innerhalb der akademischen Selbstverwaltung nur auf ihren persönlichen Vorteil bedachten und argumentierenden Professoren lässt sich

260

2. Personalkosten

gewiss nicht völlig negieren373, aber es muss ihm dringend das Narrativ der umsichtigen, im Sinne der Korporation und zur Erhaltung ihrer Wirtschaftsgrundlage denkenden und agierenden Professoren entgegengesetzt werden. Denn immer wieder traf das venerandum concilium, oftmals unterstützt durch seinen Procurator, ökonomische Entscheidungen zum langfristigen Nutzen der Korporation, die den Entscheidern selbst zum unmittelbaren ökonomischen Nachteil gereichten. Dazu zählen beispielsweise die Annahme der herzoglichen Schenkung des Amtes Eldena, dessen Verschuldung – das war den Professoren bewusst – die Universität zunächst für Jahrzehnte zusätzlich belasten und eine ökonomische Erholung der Korporation erst unter ihren Amtsnachfolgern ermöglichen würde. Der Lohnverzicht der Professoren war im Laufe des 17. und noch zu Beginn des 18. Jahrhunderts sogar eine regelrechte Strategie der Universität: In Krisenzeiten kürzten bzw. setzten die Ordinarien in der Regel zuerst ihre eigenen Löhne aus, um dringend anfallende Ausgaben leisten zu können. Zumindest bis Ende der 1750er Jahre war es für sie tatsächlich undenkbar, dass Kapital aufgenommen würde, um davon Gehälter auszuzahlen. Um eine Erhöhung der Professorengehälter – eine Entscheidung die trotz Selbstwirtschaftens und Selbstverwaltung ausschließlich beim Landesherrn lag – bat das Konzil den König nur, als die Universitätskasse dies auch wirklich zuließ. An den deutschen Universitäten der frühen Neuzeit waren die Ordinariengehälter für gewöhnlich nach Fakultätszugehörigkeit und Rang gestaffelt. Dies traf normativ und praktisch bis zum Dreißigjährigen Krieg auch auf die Universität in Greifswald zu. Allerdings zeigt ein Vergleich der Professorengehälter mit den gesamten Einnahmen eines Professors, dass im 16. und frühen 17. Jahrhunderts im Sinne der Komplementäralimentierung unterschiedliche Ertragsmöglichkeiten einzelner Professoren und Fachbereiche durch das korporative Gehalt ausgeglichen wurden. Die Diskrepanz zwischen den Professoreneinkommen fiel also bei weitem nicht so gravierend aus, wie jene zwischen den Professorengehältern. Nach 1646 sah die schwedische Krone für ihre ‚neue‘ Universität schließlich das Prinzip einheitlicher Professorenlöhne vor, wie sie an schwedischen Universität üblich waren. Eine Umsetzung der schwedischen Gehaltsnorm erlaubte der Zustand der Greifswalder Universitätskasse erst im Jahr 1694. Die monetäre Gleichheit der Professoren wurde allerdings ab Mitte des 18. Jahrhunderts, ebenfalls im Zuge schwedischer reformpolitischer Bemühungen, durch die Einführung individueller Gehaltszulagen fortschreitend wieder aufgelöst. Personengebundene Gehaltszulagen waren Bestandteil der schwedisch-königlichen Reformstrategie, die darum bemüht war, moderne, im ökonomischen und staatlichen Verständnis ‚nützliche‘ Wissenschaften und Lehrauffassungen auch dort zu etablieren wo das Berufungsrecht und die ‚akademischen Freiheiten‘ ihr deutliche

373 Beispielsweise verknüpfte der stets zur Sparsamkeit und ökonomischer Umsicht mahnende Johann Heinrich von Balthasar seine Warnungen vor einer leeren Universitätskasse nicht selten mit der Sorge um das Jahresgehalt oder auch das ausstehende augmentum salariorum: Wegen der fehlenden Gelder „müßen [wir] bald unser Salarien entrathen wißen.“ So im Zirkular vom 9. April 1749, in: UAG, Altes Rektorat St. 332, fol. 85r/v.

2.4. Zwischenfazit

261

Grenzen setzten. Zeigten normative Eingriffe keine oder nur verzögerte Wirkung, konnten gezielte ökonomische Anreize leichter zur Reformdurchsetzung führen.374 Diese Entwicklung korreliert mit einer auch innerhalb des Greifswalder Universitätsgefüges zu beobachtenden Tendenz: Im Laufe des 18. Jahrhundert setzte sich das monetäre Belohnungsprinzip als Anreizstrategie deutlich gegen das in der Regel nicht wirksame monetäre Strafprinzip durch. Die Zulagengewährung für Ordinarien (aber auch für Adjunkte, die vereinzelt sogar höhere Gehälter als manche Ordinarien erhielten) und der Ausbau der außerordentlichen Lehre im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts sind deutlicher Ausdruck der obrigkeitlichen Reformdurchsetzung ‚durch die Hintertür‘. Die königliche Lohnpolitik verschärfte die Wirtschaftskrise der Universität ab Mitte des 18. Jahrhunderts deutlich. Als besonders problematisch kann dabei insbesondere die Distanz zwischen dem Normgeber und dem Normgegenstand ausgemacht werden: In prosperierenden Zeiten wurden Bitten um Lohnerhöhungen ignoriert und sind – inklusive individueller Zulagen – schließlich angeordnet worden, als die akademische Kasse dies eigentlich nicht mehr erlaubt hätte. Die monetären Anreize, die die Krone und ihre Vertretung in Pommern zur Durchsetzung ihrer Reformvorstellungen schufen, leisteten sie nicht selbst, sondern wälzten sie auf die Universitätskasse ab, über deren Zustand sie zumindest bis in die 1770er Jahre erstaunlich uninformiert waren.

374 Vgl. auch für das Folgende Rasche: Beharrung und Reform, S. 22–27.

3. BAUKOSTEN 3.1. AKADEMISCHE BAUKOSTEN 3.1. AKADEMI SCHE BAUKO STEN

3.1.1. Universitäten und ihre Gebäude Die Gebäude der deutschen Universitäten in der Frühen Neuzeit werden hauptsächlich aus den Blickwinkeln von Kunst-, Ideen- und Baugeschichte betrachtet. Gefragt wird in der Regel nach architektonischen Mustern, Besonderheiten und Entwicklungen, nach den Funktionen und vor allem der Repräsentation der akademischen Gebäude, nach der architektonischen Entsprechung des Universitätsgefüges in ihren Gebäuden und nicht zuletzt nach den oftmals berühmten Architekten und Bauherren.1 Weniger im Fokus des historiographischen Interesses steht dabei die Finanzierung der akademischen Gebäude. Vor allem über die profanen Instandhaltungskosten, d.h. die stets anfallenden Reparatur- und Sanierungsmaßnahmen, ist wenig bekannt, da es sich hier um einen Aspekt der ohnehin kaum erforschten Wirtschaftsgeschichte frühneuzeitlicher Universitäten handelt. 3.1.2. Universitätsgebäude in Greifswald In Greifswald sind die akademischen Gebäude unter Berücksichtigung nicht nur der architektonischen Merkmale, sondern ebenso der oftmals komplizierten Besitz- und Rechtsverhältnisse von Felix Schönrock ausführlich beschrieben und im Jubiläumsjahr der Universität Greifswald 2006 gleich zwei Mal publiziert worden.2 Die Quellenlage ist hier ausgesprochen günstig, vor allem hinsichtlich der akademischen Bauten seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert. Über die spätmittelalterlichen und nachreformatorischen Gebäude der Universität Greifswald lassen sich dagegen kaum verlässliche Aussagen treffen. Tatsächlich existiert nur eine einzige umfassende Beschreibung des Gebäudebestandes der Universität Greifswald vor 1750, auf die sich auch Schönrocks Analyse größtenteils stützt. Augustin von Balthasar beschrieb in jenem Jahr sämtliche sogenannte akademische Gebäude.3 Er verließ

1

2

3

Zu akademischen Gebäuden und Gebäudetypen vgl. Konrad Rückbrod: Universität und Kollegium, Badstübner: Universitätsbauten sowie Michael Kalusok: Universitätsarchitektur, in: Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 13, Sp. 1035–1014. Felix Schönrock: Greifswalder Universitätsbauten und als eine Art Zusammenfassung im Rahmen einer Ausstellung zu den Gebäuden der Universität, ders.: Bauliche Strukturen der Greifswalder Universität. Augustin von Balthasar: Akademische Gebäude.

3.1. Akademische Baukosten

263

sich dabei auf eine diesbezügliche Vorarbeit, die Johann Philipp Palthen 1704 im Rahmen einer Dissertation zu den Kirchengebäuden geleistet hatte.4 Nach Augustin von Balthasar blieben die ohnehin wenigen bauhistorisch orientierten Forscher der Universität Greifswald mit ihrem Blick und ihrem Interesse in der Regel an dem zwischen 1747 und 1750 errichteten Kollegiengebäude hängen.5 Eine umfassende Analyse des vormodernen Gebäudeetats der Universität Greifswald sollte aber natürlich alle akademischen Gebäude einschließen. Sie lässt sich einerseits auf die beiden erwähnten Betrachtungen gleichen Gegenstandes stützen (Augustin v. Balthasar von 1750 und Felix Schönrock von 2006) sowie auf neuere Arbeiten, in deren Zusammenhang der Fokus zwar nicht auf den akademischen Gebäuden liegt, diese aber in die Betrachtung mit einschließt, wie Dirk Alvermanns Beitrag über die Gründung der Greifswalder Kommunität6 oder auch die Darstellungen zum Grundbesitz der Universität7 von Ivo Asmus. Weiter bedarf es der Festlegung eines Ist-Zustandes in der Chronologie von dem ausgehend die Entwicklung der bestehenden Gebäude nachvollzogen werden kann. Hierzu soll die älteste detaillierte Beschreibung des akademischen Immobilienbesitzes herangezogen und somit von dem Jahr 1750 ausgegangen. Augustin von Balthasar unterteilte den akademischen Immobilienbesitz innerhalb der Stadtmauern zunächst nach aedes publicae und aedes privatae.8 Eine klare Trennung zwischen öffentlichem und privatem akademischem Raum lässt sich allerdings, zumindest nach modernem Verständnis, für die frühneuzeitliche Universitätspraxis so nicht ziehen.9 So befanden sich beispielsweise in ‚öffentlichen‘ Gebäuden, wie dem Kollegium und der Oeconomie, auch Professorenwohnungen und Studentenzimmer. Bei den durch von Balthasar als aedes privatae bezeichneten Wohnhäusern der Professoren handelte es sich hingegen oftmals um Amtshäuser. Außerdem vermieteten Professoren nicht selten einige Zimmer an Studenten, hielten Vorlesungen oder richteten Lehrsammlungen in ihren Privaträumen ein.10

4 5

Vgl. Johann Philipp Palthen: Historia Ecclesiae Collegiatae S. Nicolai. Bezeichnend für diese „Tendenz zum Verengen des Blicks auf den repräsentativen Barockbau am Rubenowplatz“ (Schönrock: Greifswalder Universitätsbauten, S. 10) ist beispielsweis, dass sich Joachim Faits „Geschichte des Greifswalder Universitätsbaues“ beinahe ausschließlich dem Haupt- oder Kollegiengebäude widmet. 6 Alvermann: Reformatorischer Neubeginn und ders.: Das Konvikt auf dem Schwarzen Kloster. 7 Asmus: Dörfer der Universität und ders.: Gutsherrin. 8 Balthasar: Akademische Gebäude, S. 5. 9 Zur mittelalterlichen Kollegientradition vgl. auch Rückbrod: Universität und Kollegium. 10 Vgl. dazu auch Schönrock: Greifswalder Universitätsbauten, S. 22.

264

3. Baukosten

a) Wohnhäuser: Die Professorenwohnungen11 Die Universität Greifswald war im Besitz etlicher Wohnhäuser innerhalb der Stadtmauern. Als eine Art Dienstwohnung standen diese den Professoren und anderen Universitätsverwandten zusätzlich zum Jahreslohn und dem Anspruch auf bestimmte Naturallieferungen kostenlos zur Verfügung. Wohnte ein Professor nicht in einem akademischen Haus, erhielt er als Kompensation für die mietfreie Unterkunft aus der akademischen Kasse ein sogenanntes Locarium.12 Oftmals erhoben Fakultäten Anspruch auf ein bestimmtes Haus für ihre Professoren, nicht selten änderte sich aber dennoch die Fakultätszugehörigkeit des Hauses, wenn die Bewohner wechselten. Daraus erwuchsen immer wieder auch ernsthafte Streitigkeiten.13 Beinahe nie endendes Konfliktpotenzial bot darüber hinaus bereits Mitte des 16. Jahrhunderts der juristische Sonderstatus dieser Professorenhäuser: Der akademischen Jurisdiktion unterstanden nicht nur die Universitätsverwandten, sondern auch die Universitätsgebäude. Das bedeutete, dass die akademischen Gebäude von der Besteuerungs- und Einquartierungspflicht befreit waren, was vom Magistrat allerdings regelmäßig angezweifelt und beklagt wurde. In der städtischen Kritik stand aber vor allem die Pflichtbefreiung jener Häuser, die zum Besitz einzelner Akademiker als Privatperson und nicht der Korporation gehörten. Durch die Jahrhunderte hinweg stand die Landesregierung dabei eher auf Seiten ihrer Universität und bestätigte wiederholt die Steuer- und Einquartierungsfreiheit der Universitätshäuser. Auch die von Professoren und Universitätsbediensteten bewohnten Bürgerhäuser waren von dieser Pflicht entbunden14, werden allerdings in den hier folgenden Untersuchungen unbeachtet bleiben, weil sie unabhängig von ihrer juristischen Zugehörigkeit im Privatbesitz von Universitätsverwandten standen und nicht zum akademischen Vermögen gehörten. Einige Gebäude gelangten durch Erbschaft, als Stiftung oder Schenkung in den Besitz der hohen Schule, wie beispielsweise ein Häuserkomplex, den Heinrich Rubenow im Jahr 1456 der neuen Universität vermacht hatte und auf dessen Gelände Ende des 16. Jahrhunderts das erste Zentralgebäude der Universität errichtet

11 Im Folgenden werden die Professorenhäuser als Gebäude unter dem Aspekt der Finanzierung durch die Korporation betrachtet. Zum frühneuzeitlichen privaten Professorenhaus(stand) vgl. Harding: Gelehrte im Haus und Schmotz: Leipziger Professorenfamilien. 12 Davon ausgenommen waren der zweite und der dritte Ordinarius der Theologie, die als Pfarrer von St. Marien und St. Jakobi in den jeweiligen Pfarrhäusern wohnten sowie der erste Ordinarius der Medizin, der als Stadtphysikus eine Dienstwohnung von der Stadt gestellt bekam, vgl. Schönrock: Greifswalder Universitätsbauten, S. 20. Zum Locarium vgl. auch Kapitel 2.2.3.a. Locarium ab S. 218. Zur Monetarisierung der Locaria vgl. Kapitel 3.3.6. Spar- und Kontrollvorschriften zur den akademischen Gebäuden ab S. 313. 13 Vgl. auch den Streit der Juristischen mit der Philosophischen Fakultät um das Haus Domstraße 27 und weitere Beispiele bei Schönrock: Greifswalder Universitätsbauten, S. 32–33. 14 Vgl. auch für das Folgende die eingehendere Beschreibung dieses Jahrhunderte währenden Konflikts bei Schönrock: Greifswalder Universitätsbauten, S. 25–27.

3.1. Akademische Baukosten

265

wurde.15 Die meisten Professorenhäuser sind aber im Laufe der Zeit von der Universität angekauft worden, wie sich anhand der folgenden Auflistung der Wohnund Amtshäuser in unumstritten akademischem Besitz, nachvollziehen lässt16: Caspar-David-Friedrich-Straße 2 – Seit 1641 im Besitz der Universität durch Ankauf. – Amts- und Wohnhaus des dritten Ordinarius der Juristen bzw. vorübergehend auch Wohnhaus des akademischen Maurers und Zimmermanns. Domstraße 14 – Seit 1564 im Besitz der Universität durch landesherrliche Vermittlung, gemeinsam mit dem Gelände des ehemaligen Dominikanerklosters. – Vorpommersche Generalsuperintendentur, d.h. Amts- und Wohnhaus des ersten Ordinarius der Theologen. Domstraße 21 – Seit 1750 im Besitz der Universität durch Ankauf. – Amts- und Wohnhaus eines Professors der Philosophischen Fakultät. Domstraße 22 und 23 – 1456 als Schenkung in den Besitz der Universität gelangt. – Juristisches Kollegium. Domstraße 27 – Seit 1640 im Besitz der Universität durch Ankauf. – Amts- und Wohnhaus des zweiten Ordinarius der Juristen. Domstraße 28 – Seit 1459 im Besitz der Universität durch Ankauf. – Spätestens ab 1580 Wohn- und Amtshaus des ersten Ordinarius der Mediziner. Domstraße 58 a – Seit 1461 im Besitz der Universität. – Vorwiegend Wohnhaus der akademischen Handwerksmeister. Martin-Luther-Straße 10 – Vermutlich seit 1564 im Besitz der Universität. – Zunächst "Haus der Theologen" und ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts Amts- und Wohnhaus eines Ordinarius der Philosophischen Fakultät.

15 Vgl. dazu von Balthasar: Akademische Gebäude sowie Kapitel 3.1.2.d. Zentralbau: Kollegiengebäude ab S. 271. 16 Die Auflistung geht von der heutigen Bezeichnung des jeweiligen Grundstücks aus und ist zusammengestellt aus Schönrock: Greifswalder Universitätsbauten, S. 13–19 und der sehr hilfreichen Kartenübersicht, ebd., S. 48–49.

266

3. Baukosten

Eine dritte Möglichkeit des Zuwachses an akademischem Immobilienbesitz stellt der Neubau in Eigenregie dar: Bei besonderem Bedarf plante, finanzierte und errichtete die Universität Gebäude auch selbst. Dazu gehören, neben unzähligen Wohn- und Nutzgebäuden auf dem Land, vor allem die Gebäude auf dem Gelände des Schwarzen Klosters, vorwiegend zur Versorgung und Unterkunft von Studenten (b), einige im Laufe des 18. Jahrhunderts errichtete, spezifische Lehrgebäude (c) sowie das Kollegien- bzw. Hauptgebäude (d).

b) Versorgungseinrichtungen: Oeconomie und Bursen Der Komplex des ehemaligen Dominikanerklosters am nördlichen Stadtrand von Greifswald gelangte nach jahrelangen Auseinandersetzungen mit dem Magistrat und nur durch herzogliche Vermittlung im Jahr 1564 in den Besitz der Universität.17 Parallel zu den Verhandlungen um das Gelände war die akademische Planung sowohl zur Bebauung und Nutzung des Geländes als auch zur finanziellen Umsetzung dessen bereits in vollem Gange. Auf dem Gelände des Schwarzen Klosters sollte ein Konviktorium (Oeconomie) errichtet werden. Von der Existenz solch einer Einrichtung erhofften sich Universität und Landesherr steigende Studenten- und somit auch Absolventenzahlen. Da das nachreformatorische Pommern insbesondere dringend Lehrer und Pastoren benötigte, ist der Nutzen solch einer institutionalisierten und geförderten Studentenspeisung für das Herzogtum evident. Auf diesem Zusammenhang fußt schließlich auch der Plan des Konzils, dass neben der fürstlichen Stiftung auch die pommerschen Landstände für die Errichtung und Unterhaltung einer Oeconomie in Greifswald finanziell aufkommen sollten. So bat die Professorenschaft ab 1565 schriftlich – und wenn es sein musste durch Unterhändler vor Ort – in ganz Pommern bei Städten und der Ritterschaft Spenden für das geplante Projekt. Es war dabei den Spendern überlassen, ob sie Material oder Geld zum Bau oder eine Stiftung zur Unterhaltung des Betriebes oder für Freitische zur Verfügung stellten. Im Gegenzug – um das Angebot attraktiver zu gestalten – bot die Universität bestimmte Privilegien und Dienstleistungen an: Stifter konnten das Präsentationsrecht ausüben, d.h. entscheiden, welche Person von ihrer Stiftung profitieren sollte oder Spender sollten in schwierigen Rechtsfällen Anspruch auf kostenlosen Beistand durch die Juristische Fakultät erhalten.18 Die Bittgesuche der Greifswalder Universität fielen auf fruchtbaren Boden. Etliche Städte (Anklam, Pasewalk, Barth, Grimmen, Demmin) und Vertreter der Ritterschaft (Valentin von Eickstedt, Hartwig und Heinrich von Moltzahn, Hippolita von Eberstein und Friedrich von Rammin) beteiligten sich an der kollektiven Finanzie-

17 Vgl. auch für das Folgende Balthasar: Akademische Gebäude, S. 18. Vgl. auch Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 209 und Regest (Nr. 134) der Urkunde vom 2. September 1564 in: Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 2, S. 130. 18 Vgl. auch für das Folgende Alvermann: Reformatorischer Neubeginn, S. 46–47.

3.1. Akademische Baukosten

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rung des Konviktoriums in Greifswald.19 Die Stadt Greifenhagen schenkte 14.000 Mauersteine; die Stadt Stralsund stiftete 100 Taler zum Bau.20 Andere, wie Ulrich von Schwerin, förderten dagegen nicht die Errichtung sondern den Betrieb der Oeconomie: von Schwerin hatte schon 1563 ein Kapital von 500 Gulden gestiftet, „damit die Zinsen davon zur Ökonomie oder Speisung armer Studenten fließen“ solle.21 Fünf Jahre später gründete Marten von Wedel eine Oeconomie-Stiftung mit 30 Gulden jährlichem Ertrag und Joachim Moltzahn stiftete ein Kapital von 500 Gulden. Allerdings war die langfristige Finanzierungsstrategie in Form von Stiftungen oftmals unzuverlässig.22 Zum einen war sie besonders krisenanfällig, zum anderen versandeten Zahlungen oder wurden schlichtweg eingestellt. Die Stadt Anklam erklärte beispielsweise im August 1573, dass sie der jährlichen Zahlung nicht mehr Folge leisten werden, da einerseits der Bau der Oeconomie immer noch nicht abgeschlossenen sei und es darüber hinaus etliche Beschwerden über schlechte Umgangsformen der Studenten untereinander in der Einrichtung gegeben habe.23 Die tatsächliche Gebäudeausstattung auf dem Schwarzen Kloster ist nicht vollständig bekannt. Unumstritten ist aber, dass dort zusätzlich zu der Studentenspeisung auch Studentenzimmer vermietet wurden. Diese Unterkünfte sind, in Abgrenzung zu den Bursen im Kollegium24, als Regentie bezeichnet worden.

19 Vgl. dazu auch UAG, Altes Rektorat Hbg. 133. 20 Vgl. Balthasar: Akademische Gebäude, S. 18 und Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 209. 21 Regest (Nr. 132) der Stiftungsurkunde vom 28. November 1563, in: Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 2, S. 129 (Nr. 132) und UAG, Urkunden Nr. 105. 22 Vgl. dazu insbesondere Kapitel 4.3.2.a. Hohe Varianz der Erträge ab S. 358. 23 Bezüglich der jährlichen Zahlung für die Oeconomie erklärte die Stadt Anklam, „[...] das nichts daraus wirt, die buwet der Oeconomeien woll angefangen, aber vngefertigt stehende pleipt, auch etzliche vnter Ihnen, welche die Ihren zum Gripswald gehapt vnd zum teil noch haben, sich wegen bößer tractation in der Oeconomeien form so itzt bereits gehalten wirt merklich beclagt, vnd darbei vormeldet, das inen gelegener die ihren in andern frembden orten als hie dergestalt zuhalten als das sie ietzt aus obengelegenen vnnd andern vrsachen mehr, die wur vmb keine hoffnung das sie ethwas darzulegen werden.“ Erklärung der Stadt Anklam gegenüber der Universität Greifswald vom 28. August 1573, in: UAG, Altes Rektorat Hbg. 139, fol. 36r– 37, zitiert nach: Alvermann: Reformatorischer Neubeginn, S. 48. 24 Allgemein zur Burse vgl. Alexandra Weber: „Kolleg“ in: Enzyklopädie der Neuzeit, Bd.6 Jenseits–Konvikt, Stuttgart 2007, Sp. 869–872, speziell zur Greifswalder Burse vgl. Kapitel 3.3.1. Exkurs: Bursenheuer (Mieteinnahmen) ab S. 292.

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3. Baukosten

Im Mindesten befanden sich auf dem Gelände des Schwarzen Klosters folgende Einrichtungen25: –

– – – – –

Das Konviktorium, in Greifswald (und im Folgenden) als Oeconomie bezeichnet, mit mindestens einem Speisesaal, einer Küche und einem dazugehörigen Garten“26 Eine Wohnung für den Betreiber der Oeconomie, den sogenannten Oeconomus. Die Regentie mit Zimmern für Studenten und einen beaufsichtigenden Magister. Zwei Wohnungen für Professoren der Philosophischen Fakultät. Spätestens ab 1718 ein Materialhaus. Eine Buchdruckerei.

c) Lehreinrichtungen: Anlagen und Gebäude Die stetig zunehmende Bedeutung der Naturwissenschaften brachte – vor allem im Laufe des 18. Jahrhunderts – unter anderem auch einen gesteigerten Bedarf an besonderen Räumlichkeiten und Gebäuden mit sich. Diese Entwicklung kehrte gewissermaßen den zweihundert Jahre geltenden baulichen Trend der gesamtuniversitären und fakultätenverbindenden Bauten um.27 An den südlicheren deutschen Universitäten entstanden so bereits im Laufe des 17. Jahrhunderts viele separate, naturwissenschaftliche Einrichtungen. Die Universität in Altdorf (Nürnberg) ließ beispielsweise bereits im Jahr 1626, nur wenige Jahre nachdem sie zur Universität erhoben worden war, einen Botanischen Garten mit einem Gewächshaus anlegen. Im Jahr 1682 wurde ein chemisches Laboratorium in einem bunkerartigen Gebäude vor der Stadtmauer gebaut und 1711 fand ein Observatorium seinen Platz auf dem Dach des Hauptgebäudes. Diese Veränderungen waren kostspielig, hatten aber einen merklichen Zuwachs an Studierenden zur Folge.28 In Greifswald verzögerte sich diese Entwicklung wesentlich, was sich zum einen auf Streitigkeiten im Konzil, zum anderen und insbesondere aber auf die prekäre wirtschaftliche Situation der Universität zurückführen lässt.29 Erst 1752 forderte die schwedische Regierung der „Hüte“ explizit von ihrer pommerschen Universität, dass sie Lehrgebäude er-

25 Vgl. dazu auch Schönrock: Greifswalder Universitätsbauten, S. 18 sowie Balthasar: Akademische Gebäude, S. 18–20 und S. 34–36. 26 „[...] hinter diesem Gebäude [Oeconomie] ist ein räumiger Hof und Garten befindlich, welcher zur Wirtschaft des Oeconomi dienet.“ Balthasar: Akademische Gebäude, S. 19. 27 Vgl. Badstübner: Universitätsbauten, S. 15 und Rückbrod: Universität und Kollegium, ab S. 150. 28 Vgl. Rückbrod: Universität und Kollegium, S. 140–142. 29 Vgl. dazu insbesondere Kapitel 3.3.6. Spar- und Kontrollvorschriften zu den Universitätsgebäuden ab S. 313 sowie Kapitel 5.3.3.f. Spar- und Investitionskonflikt ab S. 455.

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richte, sobald die akademische Kasse dies zuließe.30 In Greifswald entstanden daher erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zahlreiche solcher spezifischen Lehreinrichtungen, wie beispielsweise ein Anatomiesaal, ein chemisches Labor und ein Observatorium. Vor allem im Fall des Botanischen Gartens und der akademischen Reitbahn, „um die studirende Jugend dahin zu locken“, dauerte es besonders lange, bis die geforderten Einrichtungen tatsächlich umgesetzt wurden:31 I. Der Botanische Garten Bereits in den 1670er Jahren hatte der Greifswalder Professor für Medizin, Christian Helwig, im Konzil die Errichtung eines „Medizinischen Pflanzengartens“ vorgeschlagen. Wie er blieben aber auch seine Amtsnachfolger, Johann Abraham Mayer32 und Christian Stephan Scheffel33, erfolglos in ihren wiederholten Versuchen das Konzil von einem „Hortus medicus“ zu überzeugen. Als Hauptargument gegen den Bau eines Botanischen Gartens wurden über einhundert Jahre hinweg stets die knappen Mittel der Universitätskasse ins Feld geführt. Erst ab 1752 wurden die Pläne für den Botanischen Garten konkreter. Der Historiker Johann Carl Dähnert, der das akademische Gelände zwischen dem Kollegiengebäude und der Stadtmauer als Privatgarten zu seiner Professorenwohnung nutzte, stellte es dem Projekt zur Verfügung.34 Der Schwede Samuel Wilke, Linnéschüler und Greifswalder Dozent für Botanik und Entomologie, reichte schließlich 1763 einen neuen Entwurf und Kostenvoranschlag ein. Die Anlage sollte demnach etwas mehr als 200 Reichstaler kosten, die aber nicht auf einmal zu zahlen seien. Dies überzeugte das Konzil 1764 endgültig, so dass der Bau des Botanischen Gartens inklusive eines Gewächshauses im gleichen Jahr ausgeführt werden konnte. 22 Jahre später waren die Wände des Gewächshauses „verfault und daher löcherig“ und die Decke einsturzgefährdet, aber das Konzil ignorierte die Beschwerden zunächst. Erst als das Gewächshaus

30 Vgl. dazu Kapitel 1.2.6. Ökonomische Stabilität und Wirtschaftswachstum (1702–1750) ab S. 48 und Kapitel 1.2.7. Wirtschaftskrise, Verschuldung und Reformdruck (1750–1775) ab S. 54. 31 Erhöhung der Professorenbesoldung (1756), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 203. 32 Johann Abraham Mayer, zweiter Ordinarius der Medizinischen Fakultät 1718–1726, vgl. Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 281. 33 Christian Stephan Scheffel, zweiter Ordinarius der Medizinischen Fakultät. Scheffel habe bereits „die in seinem Garten gebauten Pflanzen den Zuhörern“ erläutert, weil „hier damals noch kein botanischer Garten eingerichtet war“, so Kosegarten: Universität Greifswald, S. 290. 34 Ein vermutlich 1754 von Andreas Mayer angefertigter, undatierter Riß des Botanischen Gartens mit Treibhäusern hinter dem Kollegiengebäude befindet sich zwischen den Rißen Mayers, die er zum Bau einer akademischen Reitbahn inklusive eines Kostenvoranschlages im Januar 1756 der Visitationskommission hatte zukommen lassen, in: RAS Pomm. Vol. 424. o. fol.

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zwei Monat nach der Inspektion35 einem Brand zum Opfer gefallen war,36 ließ die Universität ein neues und größeres errichten.37 II. Die Reitbahn Die Idee einer akademischen Reitbahn, welche vor allem die „bemittelte Jugend“ an die abgelegene und wenig renommierte pommersche Universität locken sollte, existierte bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhundert38 und wurde im Laufe des Jahrhunderts immer wieder aufgegriffen. Ebenso blieb aber auch der Einschränkungsvermerk mit Blick auf die Universitätskasse bestehen: Die Reitbahn sollte erst gebaut werden, wenn das Amt Eldena ökonomisch reformiert und dadurch ertragreicher geworden sei.39 Im Zuge der Visitation zu Beginn der 1770er Jahre schlug das Konzil vor, dass diese Einrichtung von der Ritterschaft als „Denkmal ihrer Zuneigung zur Landesuniversität“ gestiftet werden könnte. Immerhin sei es vorrangig der Landadel, der von einer Reitbahn profitieren würde.40 Tatsächlich finanziert wurde ihr Bau dann aber doch aus der akademischen Kasse.41 Den Beschluss zum Bau einer Reitbahn trafen die Professoren schließlich 1787 im Zuge des Besuchs

35 Vgl. Konzilsprotokoll vom 13. November 1786, in: UAG, Altes Rektorat St. 636, Konzilsprotokolle von 1786–1787, fol. 32r. 36 Vgl. Konzilsprotokoll vom 11. Januar 1787, in: Ebd., fol. 38v. 37 Ausführliche Darstellung der Geschichte des Botanischen Gartens und der verantwortlichen Professoren und Gärtner (inklusive des Mayerschen Entwurfs von 1754), in: Borriss: Botanische Einrichtungen, S. 515–524. Vgl. auch Kapitel 3.3.5.b. Das Gewächshaus ab S. 311. 38 Vgl. Entwurf eines Visitationsabschiedes [1742], in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 123. 39 Vgl. Seth: Universität Greifswald, S. 145–146. David von Reichenbach übernahm diese Forderungen in seinen Rezessentwurf, bzw. bemängelte er darin, dass sie noch nicht umgesetzt worden waren, vgl. Entwurf eines Visitationsabschiedes (1757), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 244. 40 In einem Bericht zur Lage der Universität, den das Konzil im Januar 1771 an die Regierung in Stralsund, zur Vorbereitung der kurz zuvor angekündigten Visitation, sandte, heißt es: „7. Eine Reitbahn ist als wünschenswert anzusehen, weil der Landadel Gelegenheit hat zu Engagements in einem einheimischen Husarenregime und der Reitunterricht an der Landes-Universität zweckmäässig [!] wäre. Die Universität hat aber für Wichtigeres zu sorgen gehabt und die Ritterschaft könnte mit Herstellung einer Reitbahn „das erste Denkmal ihrer Zuneigung zur Landesuniversität stiften.““, zitiert nach Baumstark: Universität Greifswald, S. 36. 41 Mit Hilfe einer passiven Personalpolitik sollten Gelder für den Sonderbau der Reitbahn frei werden: Zunächst sollte das Gehalt Johann Karl Kellmanns, nachdem dieser 1780 als Probst nach Skenninge gegangen und seine Stelle nicht neu besetzt worden war, einer neu einzurichtenden Professur für Naturgeschichte zukommen. Diese Stelle wurde aber im März 1781 - vor allem zur Leitung des Botanischen Gartens – an den Medizin-Adjunkten Otto vergeben, der sich verpflichtet hatte den Posten vorläufig ohne Lohnzahlungen zu übernehmen und sich vermutlich dadurch erst die Stelle gesichert hatte, vgl. dazu Seth: Universität Greifswald, S. 249– 250 und Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 293.

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des Kanzlers von Hessenstein in Greifswald. Im Frühjahr 1789 begannen die Bauarbeiten. Die Reitbahn wurde noch im Herbst des gleichen Jahres eröffnet.42

d) Zentralbau: Kollegiengebäude Im Jahr 1750 zogen sich nach dreijähriger Bauzeit die Feierlichkeiten zur Eröffnung des neu errichteten Kollegiengebäudes mit Festreden, Festdisputationen und der feierlichen Einweihung der neuen Bibliothek von April bis Juli hin.43 Auf den Fundamenten des alten Kollegiengebäudes war das neue Haus errichtet worden. Im Mai 1747 hatten dafür die Abrissarbeiten des als Collegium Ernesto Ludovicianum bezeichneten Renaissancegebäudes begonnen. Jenes war 1591 auf Initiative des pommerschen Herzogs Ernst Ludwig errichtet worden. Vorgängergebäude des Ernestinums wiederum waren fünf einzelne Häuser auf eben jenem Platz gewesen. Diese fünf Gebäude sowie das Grundstück auf dem sie standen, waren dem Universitätsgründer Heinrich Rubenow durch Erbschaften zugefallen, der sie daraufhin 1456 der neu gegründeten Universität schenkte. Drei der Gebäude hatten das große Artistenkolleg (Philosophorum majus) und zwei das kleine Artistenkolleg (Philosophorum minus) beherbergt. Die fünf Einzelhäuser wichen 1591 also dem ersten gesamtuniversitären Kollegiengebäude, das am 7. August 1597 feierlich eröffnet wurde. Seine endgültige Fertigstellung zog sich aber bis in die 1620er Jahre.44 Kurz nachdem die Bauarbeiten an dem neuen Gebäude im Juni 1592 begonnen hatten, starb der engagierte Unterstützer des Projekts, Herzog Ernst Ludwig. Die Baufinanzierung brach vorläufig zusammen, was den Fortgang der Bauarbeiten erheblich verzögerte.45 Das Collegium Ernestinum (Abbildung 15) war ein dreistöckiges Langhaus, in Ausrichtung und Ausmaßen in etwa dem Nachfolgebau, dem heutigen Universitätshauptgebäude, entsprechend.46 Es befan-den sich darin sowohl Lehr- als auch Wohnräume. Im Erdgeschoss lagen östlich eine Anatomie (Medicum), ein kleiner, der Juristischen Fakultät vorbehaltener und ein großer, den Theologen vorbehaltener Hörsaal. Daran schlossen sich in der Gebäudemitte kleinere Räume an; unter anderem ein Raum für das Konzil und das Universitätsarchiv und seit 1706 auch

42 43 44 45

Zur Reitbahn vgl. Kapitel 3.3.5.c. Die Reitbahn ab S. 312. Vgl. Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 2, S. 293. Vgl. Fait: Greifswalder Universitätsbau, S. 158. Vermutlich bediente man sich einer ähnlichen Mischfinanzierung, wie ca. 30 Jahre zuvor beim Bau der Versorgungseinrichtungen auf dem Schwarzen Kloster: Aus der Universitätskasse, unterstützt durch Schenkungen und Anleihen aus der Region. Vgl. auch Kapitel 1.4.3. Die Amtsinhaber, 8. Martin Ribow ab S. 153. 46 Für die folgende Beschreibung der beiden Kollegiengebäude vgl. Rütz: Kollegiengebäude Greifswald, Fait: Greifswalder Universitätsbau, S. 158–161 (Abbildung 13) sowie Balthasar: Akademische Gebäude, S. 8–13. Von Balthasar ging von der Raumnutzung und Raumaufteilung kurz vor dem Abriss des Gebäudes, also der 1730er und 40er Jahre aus. Wie die Einteilung im 17. Jahrhundert aussah, ist nicht mehr nachvollziehbar.

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ein Buchladen.47 Westlich lagen zwei als Professorenhäuser bezeichnete Professorenwohnungen, „die von den Professoribus Philosophiae ordinariis bewohnet“48 wurden und sich über zwei Stockwerke erstreckten. Im zweiten Stockwerk befand sich auf der Ostseite ein großer Bibliotheksraum. Von dort verlief mittig ein langer Gang von Ost nach West bis zu den Professorenwohnungen. Von diesem Gang gingen nach Süden und Norden vermutlich die Studentenzimmer (Bursen) ab und vorübergehend befand sich dort auch einer der Karzer.49 Das Dachgeschoss war „gleichfals zu Studentenzimmern angelget“, blieb aber „überall wüste und ledig.“50 Auf der Südseite verband ein Treppenturm die Anatomie und das Collegium Juridicum im Erdgeschoss mit der Bibliothek im zweiten Stockwerk. Das Greifswalder Kollegiengebäude versinnbildlichte architektonisch – ähnlich wie die zeitgleich entstandenen Hauptgebäude der Universitäten in Helmstedt und Altdorf bei Nürnberg – die „Gemeinschaft von Lehrern und Schülern“ 51, indem der akademische Lehr- mit dem privaten Wohnraum in einem Gebäude zusammengebracht wurde. Diese formale Bestimmung des Kollegiengebäudes deutscher Universitäten verschwand ihm Laufe des 18. Jahrhunderts beinahe völlig. Zunehmend hatte das Kollegiengebäude als Hauptgebäude der Universität, die Wissenschaften, ihre Vertreter und nicht zuletzt auch die sie tragende Staatsmacht zu repräsentieren. In Greifswald entstand zwischen 1747 und 1750 ein neuer akademischer Zentralbau, der heute – aufwändig renoviert – in gewisser Weise nach wie vor gleichen Zwecken dient. In dem neuen, barocken Kollegiengebäude lagen fortan zentral im unteren Stockwerk das Auditorium Maximum und darüber, das mittlere und obere Geschoss verbindend, die Bibliothek als barocker Prachtsaal und eine Art „Gehirn der ganzen Anlage.“52 Rechts und links davon lagen die kleineren Hörsäle und die Anatomie. Diese kleineren Lehrräume wurden wiederum gerahmt von den beiden Professorenwohnungen rechts und links außen, die nach wie vor selbstverständlicher Bestandteil des Kollegienhauses waren.53

47 Der „neue Buchladen“ wird als solcher auch unter den Ausgaben für den Maurer bezeichnet, in: UAG, Kurator St. 1006, Procuraturregister von 1705–1706, fol. 119. Der Buchladen ist demnach auf Kosten der Universität eingerichtet und an einen Betreiber, inklusive einer weiteren Stube vermietet worden. Vgl. dazu auch die Mieteinnahmen („Locaria“) von dem „Buchführer Fickweiler“ in: UAG, Kurator St. 1008, Procuraturregister von 1707–1708, pag. 63. 48 Balthasar: Akademische Gebäude, S. 11. 49 Vgl. insbesondere Rütz: Kollegiengebäude Greifswald, S. 35. Fait und Schönrock machen keine Angaben zu den Studentenzimmern im Kollegiengebäude, Balthasar beruft sich diesbezüglich auf Palthens Beschreibung von 1704, dass im Ernesto Ludovicianum „ausser denen Professoribus, zusammen 350 Studenten bequehm darin logiren können.“ Balthasar: Akademische Gebäude, S. 11. 50 Ebd., S. 12. 51 Vgl. Rückbrod: Universität und Kollegium, S. 152. 52 Fait: Greifswalder Universitätsbau, S. 163. 53 Zum Kollegiengebäude vgl. Kapitel 3.3.4. Der Bau des Kollegiengebäude um 1750 ab S. 301.

3.1. Akademische Baukosten

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Abbildung 15: Der Ernst-Ludwig-Bau von 1591. Nordfaßade [oben], Grundriss des Erdegschosses [Mitte] und Grundriß des Mittelgeschosses [unten]

3.1.3. Administration des akademischen Gebäudebesitzes a) Auf dem Land Die oben eingehender beschriebenen Gebäude befanden sich alle innerhalb der Stadtmauern Greifswalds. Auch Schönrocks ausführliche Analyse der Entwicklung der Greifswalder Universitätsbauten bleibt in der Stadt. Durch die Schenkung Herzog Bogislaws XIV. fielen 1634 allerdings auch sämtliche Gebäude des Dotationsgutes in den Besitz der Universität. Wenn also die Gebäude der Universität Greifs

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3. Baukosten

wald benannt werden, gehören dazu ebenso „zehn Dorfkirchen und -kapellen, mehrere Pfarr- und Küsterhäuser, Dorfschulen“54 sowie diverse Gutshäuser, Mühlen, Bauernhäuser, Katen und Scheunen im Amt Eldena.55 In 27 Orten wohnten und arbeiteten zur Zeit der Dotation zwischen 1.000 und 1.500 Personen. Im Jahr 1697 existierten Gutshöfe in 10 Orten.56 Bereits während des Dreißigjährigen Krieges waren große Teile des Amtes verpachtet und blieben auch weiterhin in wechselnden Pachtverträgen gebunden. Die Universität war bei größeren Bau- und Instandhaltungsmaßnahmen im Amt als Lehnsherrin ebenso zahlungspflichtig, wie sie es im Falle ihres städtischen Immobilienbesitzes war. Die Aufsicht über die Gebäude im Amt oblag dem Amtmann, der 1645 in diesem Zusammenhang ausdrücklich instruiert worden war, notwendige Reparaturen an den Gebäuden und Bauten im Amt Eldena auf möglichst nicht zu hohe Kosten der akademischen Kasse durchführen zu lassen; ebenso wie der Procurator für die Gebäude in der Stadt verantwortlich und weisungsbefugt war. Dass größere Bauvorhaben erst von den Kuratoren genehmigt werden mussten, dürfte in der kuratelschwachen zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts kaum wahrgenommen worden sein.57 Im Jahr 1680 sah sich das Konzil endgültig gezwungen, die Bauverwaltung im Amt selbst zu übernehmen, da der amtierende Amtmann diesen Aufgaben seit der Dotation nicht ausreichend nachgekommen war.58 Dies bedeutete in der praktischen Ausführung, dass fortan der Procurator zusätzlich zu den Stadtgebäuden auch die Reparaturen und Neubauten auf dem Land zumindest zu beaufsichtigen hatte. Der Amtmann von Eldena sollte Reparaturen möglichst nur „mittels vorwißen unndt bewilligung des corporis academici“ in Auftrag geben und gemeinsam mit dem Procurator dazu einen Kostenvoranschlag ausarbeiten.59 Bau-, Reparatur- und Instandhaltungskosten der Gebäude im Amt fielen also in der Regel auf die Universitätskasse zurück und belasteten diese im Laufe der folgenden Dekaden teils erheblich.

b) In der Stadt Die Universität Greifswald war mit korporativem Immobilienbesitz ausgestattet, den es auch korporativ zu verwalten galt. Die Administration ihrer Gebäudeangelegenheiten war strukturell bedingt sehr eng mit ihrer selbständigen Finanzverwal-

54 Lissok: Greifswalder Universitätsbaumeister, S. 52. 55 Nicht zu den Gebäuden aber doch zum immobilen Besitz der Universität im Amt Eldena zählte auch die zu erhaltende Infrastruktur, wie beispielsweise Wege, Brücken, Stege und Brunnen. 56 Vgl. Asmus: Universität als Gutsherrin, S. 75 u. 81 und Asmus.: Dörfer der Universität Greifswald, S. 9–23. 57 vgl. Instruktion für den Amtmann auf Eldena (1654), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 46. 58 Vgl. Alvermann: Quellen zur Baugeschichte im Universitätsarchiv, S. 110. 59 Vgl. auch Instruktion für den Amtmann auf Eldena (1666), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 121 sowie die Instruktion für den Procurator und Structuarius (1671), in: Ebd., S. 135.

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tung verbunden.60 Die Aufsicht über das akademische Bauwesen führten in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gemeinsam mit dem Procurator zwei sogenannten Aedilen: Sie begutachteten und überprüften den Zustand der vorhandenen Gebäude, entschieden über die Notwendigkeit von Baumaßnahmen und kontrollierten anschließend auch das Baugeschehen. Daneben nahmen sie ebenfalls Aufgaben im Zusammenhang der Rechnungsprüfung wahr und verwahrten die Bauinventare. Die cura aedilitia sollte nach den Vorstellungen des Konzils von zwei Vertretern aus den eigenen Reihen ausgeführt werden: Dem Syndicus (erster Jurist) und dem Generalsuperintendenten (erster Theologe). Der Herzog übertrug im Jahr 1574 die Aufsicht über den Bau der Oeconomie zwei Professoren der Juristischen Fakultät.61 Keine vier Jahre später setzte er allerdings zwei Universitätsexterne, den Amtmann in Eldena und den Greifswalder Bürgermeister, als Aedilen ein.62 Die beiden Aedilen waren sowohl herzogliche Aufsichtsinstanz über die Universitätsbauten als auch Beratungsinstanz in Bauangelegenheiten für den Procurator und den Rektor.63 Der tatsächliche Einfluss der externen Aedilen auf das akademische Baugeschehen lässt sich nicht verifizieren. Es bleibt aber zu vermuten, dass er nicht sonderlich groß war. Anhand der Normtexte lässt sich immerhin deutlich nachvollziehen, wie deren Tätigkeitsbereich sukzessive in der akademischen Finanzverwaltung aufging. Hatten die Stauten von 1570 noch vorgesehen, dass der Procurator unter Aufsicht und als Handlanger der Aedilen tätig sei64, sollte 1578 „der Procurator universitatis nebenst dem Rectore iderzeit, wan etwas zu bauen wirdt“ die Aedilen „zu rate nehmen, und ire bedencken horen […].“65 Der Procurator übernahm immer mehr Bereiche der akademischen Gebäudeund Bauverwaltung66, bis er Mitte des 17. Jahrhunderts schließlich sämtliche bauadministrativen Tätigkeiten in der Stadt – und gemeinsam mit dem Amtmann auch auf dem Land – mit den Aufgaben der universitären Finanzverwaltung in Personalunion vereinte. Die städtischen Bauangelegenheiten und jene im Amt Eldena blieben fortan mit der Procuratur verbunden.67 In der Stadt oblag ihm die Aufsicht über die akademischen Gebäude, für deren Instandhaltung er verantwortlich war. Zu diesem Zweck kontrollierte er die Gebäude regelmäßig gemeinsam mit den akademischen Handwerkern als beratendem Fachpersonal und erstellte daraus Häuserinven-

60 Bereits die herzoglichen Procuratoren der Universität in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts waren immer auch mit der Aufsicht über den Universitätsgebäudebestand betraut, vgl. dazu sowie für das Folgende Kapitel 1.4.2. Das Amt: Procuratur und Structuariat ab S. 137. 61 Bauaufsicht und Verwaltung der Oeconomie (1574), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 311–313. 62 Vgl. Visitationsabschied für die Universität (1578), in: Ebd., S. 323. 63 Vgl. Alvermann: Einleitung, in: Ebd., S. LVII. 64 Vgl. Statuten der Universität (1570), in: Ebd., S. 271. 65 Visitationsabschied für die Universität (1578), in: Ebd., S. 323. 66 Vgl. Alvermann: Einleitung, in: Ebd., S. LVII 67 Vgl. Alvermann: Einleitung, in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. LXVIII. Vgl. auch Kapitel 1.4.2. Das Amt: Procuratur und Structuariat ab S. 137.

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tarien. Er veranlasste nötige Reparaturen beispielsweise in den Bursen, Auditorien oder der Bibliothek. Ein Professorenhaus in Universitätsbesitz wurde spätestens kontrolliert und ausgebessert, wenn ein Amtsinhaber bzw. dessen Hinterbliebene ausgezogen waren. Auf Veranlassung der Bewohner wurden ebenfalls anstehende bzw. gewünschte Reparaturen ausgeführt, nachdem der entsprechende Fall begutachtet worden war. „Sollten aber neue bauten oder enderungen nöthig sein“, lag die Entscheidungsgewalt beim Konzil.68 In diesem Fall hatte der Procurator den Rektor zu konsultieren, der wiederum die geforderte Baumaßnahme prüfen ließ und das Konzil zur Entscheidungsfindung heranzog. Wenn ein Neubau oder eine Änderung bewilligt war, führte ebenfalls der Structuarius die Aufsicht über Handwerker und Material.69 Zur Ausübung dieser Verantwortung wurde ihm durch den Visitationsrezess von 1702 ein jährliches Budget von 1.000 Gulden „zu denen bauten in der stadt und auff dem ambte“ gewährt.70 Allerdings wurde im Visitationsrezess an gleicher Stelle eindringlich gemahnt, sparsam damit umzugehen und den gesetzten finanziellen Rahmen möglichst nicht auszuschöpfen.71 Der Visitationsrezess von 1775 beschreibt ausführlich, wie offenbar auch schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts eine Professorenwohnung dem jeweiligen neuen Bewohner in saniertem Zustand zu übergeben gewesen sei. Der Zustand des Hauses war in einer Art Übergabeprotokoll (inventarium) festgehalten. Die Kosten für kleinere Reparaturen (Ausweißen der Zimmer, Umsetzen und Ausbessern von Öfen, Fenstern, Schlössern und Brunnen) hatte der Bewohner weiterhin selbst zu tragen. Um zu verhindern, dass die Wohnungen verfielen, wenn ein Bewohner die Kosten für Instandhaltungsmaßnahmen und kleinere Reparaturen nicht tragen wollte, sicherte man sich ab 1775 mit einer jährlichen Inspektion der Häuser ab: Eine Inspektion im Frühling legte fest, was in jedem Haus zu reparieren sei und eine zweite Begehung einige Zeit später kontrollierte die Umsetzung der vorgeschriebenen Reparaturen.

68 Instruktion für den Procurator und Structuarius (1671), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 137. 69 Vgl. Alvermann: Einleitung, in: Ebd., S. LXIX und Instruktion für den Procurator und Structuarius (1671),in: Ebd., S. 137–138. 70 Visitationsrezess (1702), in: Ebd., S. 286. Diese Budgetierung wiederholte allerdings lediglich die Bestimmung aus dem Visitationsrezess (1666), in: Ebd. S. 107, dass „zu den bauten [...] 1000 gulden jährlich auß den einkommen bewiedmet [...]“ seien. 71 Diese Mahnung richtete sich offenbar vor allem an die Bewohner der Professorenwohnungen. Die akademische Kasse käme nicht für „splendeur ihrer wohnungen“ auf und würde auch für „kleinigkeiten als fenster, offen und brunnen außbeßerung […]“ nicht mehr zahlen, wenn der neue Hausbewohner erst einmal eingezogen sei, ebd. Die Instruktion für den Procurator und Structuarius von 1703 wiederholte den monetären Handlungsspielraum in kleineren Bausachen ebenfalls, in: Ebd., S. 311. Vgl. auch Kapitel 3.3.6. Spar- und Kontrollvorschriften zu den Universitätsgebäuden ab S. 313.

3.1. Akademische Baukosten

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Hat der Bewohner die ihm aufgegebene kleine Reparation vernachläßiget, so werden sie durch die Administration veranstaltet, und ihm von seinem Lohn abgekürzet.72

Größere Reparaturen, die nicht von der Akademischen Administration abgesegnet waren, erstattete die akademische Kasse im Nachhinein nicht. Die Grenze zwischen kleineren und größeren Maßnahmen lag dabei im Ermessen der Akademischen Administration. Die Entscheidungsgewalt über Bauten und Reparaturen an den akademischen Gebäuden lag bis ins 18. Jahrhundert hinein unangefochten beim Konzil. Mit dem Visitationsabschied von 1730 und im Rahmen der landesherrlichen Bestrebung die Kuratel zu stärken, versuchten die landständischen Vertreter auch die selbständige Gebäudeverwaltung der Universität einzuschränken. Die Entscheidungsgewalt über die akademischen Bauten sowohl in der Stadt als auch im Amt sollte den Kuratoren und dem Kanzler übertragen werden. Zwar sollten weiterhin der Amtmann und der Structuarius die baulichen Angelegenheiten mit dem Konzil beraten, rechenschaftspflichtig sollten sie aber den Kuratoren sein.73 Spätestens mit der Einrichtung der sogenannten Ökonomischen Kommission im Jahr 175674 fielen auch die Bauangelegenheiten formal in den Zuständigkeitsbereich der universitätsextern geleiteten Verwaltungsinstanz: Erneut sollten Amtmann und Structuarius dem Einfluss des Konzils entzogen werden, wodurch sie den Kuratoren und dem Kanzler unterstellt wären. Die beiden akademischen Verwalter hatten fortan bei vorzunehmenden Bauten […] Curatores vorhero auch dem Herrn Cancellario und der Königlichen Regierung jedesmahl Anzeige zu thun, und deren Approbation zu suchen […].75

Wie im Falle des Visitationsabschieds von 1730 hatten auch diese königlichen Anordnungen vermutlich nur auf dem Papier Bestand; ob sie tatsächlich umgesetzt wurden, bleibt zumindest äußerst fraglich. Dass die akademische Finanzverwaltung auch nach Einsetzung der Ökonomischen Kommission 1756 tatsächlich weiterhin vom Rektor und dem Konzil geleitet wurde, ist bekannt und auch die wiederholte Normsetzung lässt auf eine mangelnde Umsetzung schließen. Als mit dem Visitationsrezess von 1775 die Finanzverwaltung der Universität Greifswald der Akademischen Administration übertragen wurde, waren die Gebäudeangelegenheiten nach wie vor untrennbarer Bestandteil derselben. Der Procurator und Structuarius verlor in diesem Prozess sowohl seine starke Stellung als auch sein breites Betätigungsfeld an der Universität. Sein Amt wurde zu dem eines nur noch ausführenden Rentmeisters umgewandelt und die Bau- und Gebäudeaufsicht sowohl im Amt als auch in der Stadt dem Amtmann übertragen.76 Fortan hatte aus72 Visitationsrezess (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 473. 73 Vgl. dazu den Abschied der Visitatoren für die Universität (1730), in: Ebd., S. 33–34 sowie Alvermann: Einleitung, in: Ebd., S. LXXXV. 74 Vgl. Kapitel 1.2.7. Wirtschaftskrise, Verschuldung und Reformdruck (1750–1775) ab S. 54. 75 Einrichtung der Ökonomischen Kommission (1756), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 220. 76 Vgl. Visitationsrezess (1775), in: Ebd., S. 437 und Kapitel 1.4.2.c. Kollektive Vermögensverwaltung und der Rentmeister ab 1775 ab S. 145.

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3. Baukosten

schließlich der Amtmann „über alle Ausgaben im Amte, sowie zu den Bauten in der Stadt“ die Aufsicht zu führen. Zur möglichst dichten Kontrollierbarkeit seiner Amtsführung hatte er diesbezüglich „ein besonderes Buch und conto für ein jegliches Guth und Haus“ zu führen.77 Seit 1730 war bezüglich der Gebäude- und Bauaufsicht immer wieder angedacht worden, den Structuarius in seiner Amtsausübung durch einen „guten und tüchtigen Bauschreiber“ zu entlasten.78 Im Jahr 1740 erstmals eingesetzt, erhielt solch ein Bauschreiber und Amtsdiener weitere knapp 30 Jahre später eine eigene Instruktion, die sein Betätigungsfeld beschrieb: Im Auftrag des Structuarius und zu dessen Entlastung führte er nun die Aufsicht über die Handwerker und deren Arbeit und verwahrte außerdem das Baumaterial, worüber er monatlich beim Structuarius Rechenschaft ablegen musste.79 Es ist anzunehmen, dass der Procurator dadurch entlastet wurde.80 Gegen Ende des 18. Jahrhunderts, nachdem ein Großteil der Aufgaben des Procurators und Structuarius‘ an den Amtmann übertragen worden waren, führte der neu berufene Zeichenlehrer Johann Gottfried Quistorp schließlich die traditionellen Aufgaben des akademischen Structuarius (Gebäudeinspektion, Reparatur- und Sanierungsmaßnahmen, Bauaufsicht) aus und erstellte darüber hinaus auch Baupläne.81 Fortan wurden also die Tätigkeiten der universitären Gebäude- und Bauverwaltung ohne direkten Bezug zur Finanzverwaltung ausgeführt, dafür aber mit den planerischen und kreativen Aufgaben eines Architekten verknüpft – so wie bereits Mitte des 18. Jahrhunderts Andreas Mayer die beiden Bereiche verbunden hatte.82

77 Reglement für die ökonomische Administration (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 452. 78 Vgl. den Abschied der Visitatoren für die Universität (1730), in: Ebd., S. 35. 79 Neben den baubezogenen Aufgaben hatte er außerdem z.B. den Universitätswagen zu warten oder dafür zu sorgen, dass im Brandfall der Rektor rechtzeitig informiert und das Archiv geräumt wurde, vgl. die Instruktion für den Bauschreiber und Amtsdiener (1769), in: Ebd., S. 276–279. 80 Am 15. Mai 1731 beschwerte sich der Procurator Christoph Nürenberg beim Generalsuperintendenten von Krakevitz, dass die Aufgaben eines Bauschreibers nicht zum Amt eines Structuario gehörten und bat ihn daher dafür zu sorgen, dass der Vorschlag der Visitatoren, ein Bauschreiber-Amt einzurichten, umgesetzt werde. Tatsächlich teilte von Krakevitz das Anliegen rasch dem Kanzler der Universität mit. Vgl. dieses Schreiben vom 15. Mai 1731 sowie das Schreiben des Generalsuperintendenten an den Kanzler vom 12. Juni 1731, in: RAS, Pommeranica Vol. 480, o. fol. 81 Vgl. Lissok: Greifswalder Universitätsbaumeister, S. 52. Das Erstellen von Bauplänen war nicht Bestandteil des Structuariats. 82 Unter preußischer Staatsverantwortung entwickelte sich daraus schließlich ein eigenständiges Amt des so genannten Universitätsbaumeisters. Dazu ausführlich: Lissok: Greifswalder Universitätsbaumeister, S. 52–55.

3.1. Akademische Baukosten

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3.1.4. Akademische Handwerker Zu den akademischen Handwerkern83 gehörten neben dem Buchdrucker und dem Buchbinder ebenso die beiden Gewerke Zimmermann84 und Maurermeister85. Als Universitätsverwandte unterstanden sie – wie auch Buchdrucker und -binder – der akademischen Jurisdiktion und waren von gewissen Steuern und Abgaben befreit.86 Obwohl sie kein korporatives Gehalt bezogen, hatten sie dennoch Anspruch auf eine Dienstwohnung. Diese übliche Form der akademischen Alimentierung87 konnte – ebenso wie beim Lehr- und Verwaltungspersonal – in ein monetäres Locarium umgewandelt und ausbezahlt werden, was aber nur selten vorkam. In der Regel nutzten die akademischen Handwerker die ihnen zur Verfügung stehende Wohnung.88 Die akademischen Handwerker waren wirtschaftlich nicht von der Universität abhängig89, sondern nahmen auch andere Aufträge aus der Stadt an. Bei Arbeiten an Universitätsgebäuden hatten sie allerdings eine Art Monopol: Wenn an und in akademischen Gebäuden Reparaturmaßnahmen oder Bauarbeiten anfielen, so mussten diese von den akademischen Handwerkern ausgeführt werden.90 Sie berieten den Structuarius bei seinen Häuserbegehungen bzw. bei baulichen Entscheidungen91 und fertigten offenbar nach der Besichtigung einer möglichen Baustelle eine

83 Zur Stellung der akademischen Handwerker im Universitätsgefüge als Universitätsverwandte aber nicht Universitätspersonal, vgl. Kapitel 2.1.6.c. Handwerker 1ab S. 203. 84 Die akademischen Zimmermeister des 18. Jahrhunderts: Spätestens 1710–1717 Egidius Toppe, 1718–1725 Jochim Breitsprecher, 1726–1731 Michel Petersdorff, 1732–1770 Christian Kirsten, 1770–1780 Christian Rühs und 1781–1806 J. Heller. 85 Akademische Maurermeister des 18. Jahrhunderts: Spätestens 1710–1727 Elias Lehmann, 1728–1743 Andreas Müller, 1744–1757 Christian Gäpel und ca. 1757–1805 J. B. Kaiser. 86 „Maeurer/ Zimmerleute und andere Handwercker [...], so unserer Jurisdiction unterworffen [...].“ Leges sumptuariae (1673), Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 154. Vgl. auch die Steuerfreiheit der akademischen Häuser (1676), in: Ebd., S. 170. 87 Vgl. Kapitel 2.2.3. Locarium und Naturalabgaben als Gehaltsbestandteil ab S. 218. 88 Vgl. insbesondere auch UAG, Altes Rektorat Hbg 305. Nach 1780 nahm der Zimmermeister Rühs längerfristig ein monetäres Locarium (8 Reichstaler) in Anspruch, das ihm jährlich – in der Regel im November - ausbezahlt wurde. Dieses Handwerker-Locarium verbuchte der Rentmeister unter den regulären Gehaltszahlungen. Vgl. Siehe z.B. UAG, Kurator RB 120, Hauptrechnungsbuch von 1780–1781, pag. 531 und ebd. RB 121, Hauptrechnungsbuch von 1781– 1782, pag. 549. 89 Sie standen in einem „begrenzten Vertragsverhältnis zur Universität“, so Alvermann: Einleitung in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. LXXIV. Die akademischen Handwerker waren weder festangestellt noch besoldet, wie es Lissok: Greifswalder Universitätsbaumeister, S. 52 vermutet. 90 Der Structuarius sollte „[…] reparation durch den universität Zimmer- und Maur-Meister verfertigen lassen.“ Instruktion für den Prokurator und Structuarius (1671), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 137. 91 „[…] Immaßen dan außer der unvermeidlichen reparation nichts dabey fürzunehmen, [...] dabey den auch verständiger Maur- undt Zimmerleute rath und guetbefinden.“ So im Visitationsrezess (1666), in: Ebd., S. 107. „Waß sonsten unvermeidlich und hochnöthig zu repariren, sol-

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3. Baukosten

Art Kostenvoranschlag an, der sowohl die Kosten als auch den zu erwartenden Umfang der Bauarbeiten prognostizierte.92 In beratender Funktion blieben die akademischen Zimmer- und Maurermeister auch noch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Ihre Sonder- bzw. Vorrangstellung bei Aufträgen der Universität gegenüber städtischen Handwerkern wurde aber ab 1775 aufgebrochen, als der Visitationsrezess erstmals empfahl, Aufträge für Arbeiten an akademischen Gebäuden nach dem Leistungsprinzip zu vergeben: Die akademischen Handwerker sollten von der Academie inskünftige nicht besonders angenommen, sondern die nöthigen Handwerksarbeiten mit bürgerlichen Handwerkern bestens behandelt werden.93

Bis dato waren also Aufträge der akademischen Bauverwaltung ausschließlich akademischen Handwerkern – soweit vorhanden – erteilt worden. Die Akademische Administration wurde ab 1775 nun explizit angehalten, Bauaufträge an jene Handwerker zu vergeben, „bey welchen sie die besten Bedingungen finden.“94 Die Vorrangstellung der rechtlich akademischen Handwerker wich rein ökonomischen Gesichtspunkten. Und da es auch in der Folge zunehmend galt insbesondere Baukosten einzusparen95, erweiterte der Visitationsrezess von 1795 die Möglichkeit der Bau-Auftragsvergabe fortan auch auf „zünftige Gewerker“, die nicht mehr zwangsläufig aus Greifswald kommen mussten.96 Die akademischen Handwerker (Maurer und Zimmermann) existierten zwar weiterhin, mussten sich aber in ihrer Preisgestaltung dem sich stets vergrößernden Markt anpassen.

92 93 94 95 96

ches wird nicht geweigert, sondern ist [...] mit [u.a.] zuziehung verstäniger Zimmer- und Mauerleute zu rechter zeidt zu beschaffen.“ So im Visitationsrezess (1702), in: Ebd., S. 286. Vgl. Schönrock: Greifswalder Universitätsbauten, S. 37. Visitationsrezess (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 431. Ebd. Vgl. Kapitel 3.3.6. Spar- und Kontrollvorschriften zu den Universitätsgebäuden ab S. 313. „Da die bisherige Kostbarkeit der akademischen Bauten sowohl in den übertriebenen Verschläge, als in der Theurung der Stadtgewerker in Greifswald mit den Grund hat [...].“ So im Visitationsrezess (1795), in: Ebd., S. 522.

3.2. Akademische Gebäudekosten in den Wirtschaftsquellen

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3.2. AKADEMISCHE GEBÄUDEKOSTEN IN DEN WIRTSCHAFTSQUELLEN 3.2. AKADEMI SCHE GE BÄUDEKO STEN IN DEN WIRT SCHAFT SQUELLEN

Zu den akademischen Gebäudekosten zählen sämtliche Ausgaben der Universität, die sie im Zusammenhang ihres Gebäudebesitzes tätigte. Hierbei handelt es sich um Aufwendungen für Reparaturen und Instandhaltungsmaßnahmen in und an den Universitätshäusern sowie für Material und Arbeitskraft zu Neubauten. Der Gebäudebesitz brachte allerdings nicht nur hohe Kosten mit sich, sondern generierte gleichzeitig Einnahmen aus Vermietung, u.a. von Studentenzimmern. Die Erträge daraus waren allerdings marginal.97 3.2.1. Ausgaben für Gebäude Der Wert des ausgedehnten akademischen Gebäudebesitzes innerhalb der Stadtmauern lag nicht in der Eigenschaft einer zusätzlichen Ertragsquelle durch Fremdvermietung. Vielmehr waren die Häuser, Wohnungen und Zimmer wesentlicher Bestandteil der frühneuzeitlichen universitären Personalpolitik zur Alimentierung der Professoren und anderer Universitätsverwandter. Die Kosten für ihre Errichtung und Instandhaltung trug die akademische Kasse. Bei den hier sogenannten Baukosten handelt es sich somit nicht nur um Ausgaben für den (Neu-)Bau von Häusern, sondern tatsächlich um sämtliche Ausgaben zum Erhalt und zur Erweiterung des akademischen Immobilienbesitzes. Nicht zu den Baukosten zu zählen sind dagegen die Ausgaben zum Unterhalt der Oeconomie und im Laufe des 18. Jahrhunderts auch des Botanischen Gartens und der Reitbahn. Die entsprechenden Ausgabentitel bezeichnen zwar ebenfalls einen Teil des akademischen Gebäudebesitzes, die entsprechenden Zahlungen deckten aber hauptsächlich die jeweiligen Löhne und die Betriebskosten ab. Auch die Entlohnung von Handwerkern wie dem Kannengießer, dem Küfer oder dem Wagenmacher, deren Arbeit offensichtlich nicht an, in oder für akademische Immobilien stattfand, ist theoretisch von den Baukosten auszunehmen.98 Darüber hinaus sind auch die zahlreichen Ausgaben zu Infrastrukturmaßnahmen, wenn auch nicht offensichtlicher, so doch wesentlicher Bestandteil der Baukosten. Zumindest auf Grund der oben gegebenen Definition der Baukosten, nach der unter anderem auch die immobilen Straßen, Brücken und Gräben eingeschlossen werden können. So fallen auch Ausgaben zu deren Unterhaltung unter die Baukosten. In den Procuraturregistern sind diese Aufwendungen allerdings

97 Der Anteil der ohnehin geringen Mieteinnahmen aus Bursen an den Gesamteinnahmen der Universität verringerte sich im Laufe des 17. Jahrhunderts noch beträchtlich: 1680: 2%, 1613: 1,7%, 1647: 0,4%, 1690: 0,001%, 1709: 0,2%. 98 In der Praxis erweist sich diese Zuweisung als nicht immer eindeutig, da beispielsweise der Kleinschmied – dessen Arbeit vorwiegend als gebäudebezogen gesehen werden kann – auch Teile für den Universitätswagen anfertigte, vgl. z.B. UAG, Kurator St. 1034, Procuraturregister von 1733–1734, pag 127.

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3. Baukosten

noch nicht unter einem verbindenden Titel zusammengefasst worden. Denn die Procuraturregister ordneten knapp zweihundert Jahre lang die Ausgabenposten hauptsächlich dem jeweiligen Dienstleister und Zahlungsempfänger zu.99 Da kleinere Reparaturen, Instandhaltungs- und auch Infrastrukturmaßnahmen oftmals aber von Tagelöhnern ausgeführt wurden, verbuchten die Procuratoren diese Kosten folglich unter den unspezifischen Ausgabentiteln Tage- und Fuhrlöhne oder Gemeine Ausgaben. Unter diesen Titeln lassen sich daher – verteilt zwischen Kosten aller Arten – etliche Posten finden, die tatsächlich im Zusammenhang mit den akademischen Gebäuden standen.100 Auch die Reinigung öffentlicher Universitätsräume und weitere notwendige Wartungsarbeiten an Häusern, Zimmern, Höfen und Gärten der Akademie sind aus der akademischen Kasse bezahlt und daher in den Jahresrechnungsbüchern verbucht worden. Diese Arbeiten wurden in der Regel von Hilfskräften und Tagelöhnern ausgeführt und sind wie auch die Infrastrukturmaßnahmen unter den vielfältigen und unspezifischen Ausgabentiteln der Tage- und Fuhrlöhne und der Gemeinen Ausgaben zu finden. Neben regelmäßigeren Reinigungsarbeiten in den diversen Stuben, Lehrräumen und Schornsteinen der Universität und den bereits erwähnten Zaunreparaturen fallen vor allem Ende des 17. Jahrhunderts regelmäßig verbuchte und vorwiegend in den Wintermonaten durchgeführte Reinigungen der akademischen Latrinen. Im Winter 1688–1689 hatte der Procurator beispielsweise insgesamt 22,63 Gulden für Arbeiten an Latrinen ausgegeben: „Herrn Doktor Caroken privet zu reinigen, zum span, schauffel und bier“, „noch zu des Ribeken hus das privet wieder mit brettern zu zu schlagen“ und „das privet hinter dem Collegio ab zu führen.“101 Wie die Latrinen gehörte zu jedem Haus auch ein Brunnen, der Instand gehalten werden musste. Die anfallenden Kosten für den Brunnenbau wurden ebenfalls aus der Universitätskasse beglichen.102

99 Verbucht wurde nach den Materiallieferanten, Handwerkern oder auch Universitätsverwandten, die in Vorleistung gegangen waren. 100 Beispielsweise hatte der Procurator Moevius Völschow im Rechnungsjahr 1682–1683, für „drei Kerle welche den Zaun am Superintendenten hoffe aufgerichtet unnd mit pfalen verwahret“, 1 Gulden und 20 Schilling bezahlt und die Transaktion den Extraordinair, d.h. den Gemeinen Ausgaben zugeordnet (UAG, Kurator St. 969, Procuraturregister von 1682–1683, pag. 102). Ebenso lassen sich unter diesem Titel allerlei vergleichbare Posten zu Zaunreparaturen, oder auch zur Reinigung von Gräben finden, z.B. für 10,67 Reichstaler „den Grenzgraben zwischen Neuendorff und Brünzow“ (UAG, Kurator St. 1067, Procuraturregister von 1756–1757, pag. 100) und für 19,31 Reichstaler die „Reinigung des Rickgrabens“ (UAG, Kurator St. 1061, Procuraturregister von 1768–1769, pag. 101). 101 Gemeine Ausgaben, in: UAG, Kurator St. 989, Procuraturregister von 1688–1689, pag. 112. 102 Diese Posten stehen bis Anfang der 1730er Jahre unter den Gemeinen Ausgaben bzw. jenen für Tagelöhner, ab 1733 aber unter einem eigenständigen Ausgabentitel für den Brunnenmeister.

3.2. Akademische Gebäudekosten in den Wirtschaftsquellen

283

Auch bei den folgenden Ausgaben-Beispielen handelt es sich ebenfalls um Ausgaben für die Gebäudeunterhaltung, wenn auch um Sonderfälle, die als solche allerdings recht interessant sind: 1. Nachtwache: Zum Schutz der Baustelle des Kollegiengebäudes in der akuten Bauphase (1747–1749) hatte die Universität einen Musketier (Jacob Molk) als Wachsoldaten abgestellt und entlohnte diesen monatlich mit durchschnittlich 5 Reichstalern.103 2. Brandschutz: Nachdem im Juni 1658 im Kollegium ein Feuer ausgebrochen war104, wurden einige Bauern mit dem Löschen oder zumindest mit Aufräumarbeiten und zwölf Soldaten mit der Aufsicht über das Gebäude betraut. Die Universität zahlte ihnen dafür ein Fass Bier für 4 Gulden.105 3. Außergewöhnliche Aufräumarbeiten: Zwei Jahre vor besagtem Brand hatte man einen tollwütigen Hund, der ins Kollegium gelaufen war, erschießen müssen. Der Gerichtsdiener erhielt 18 Schilling aus der akademischen Kasse für die Beseitigung des Kadavers aus dem Gebäude.106 Anhand der in den Procuraturregistern gegebenen Ausgabentitel lassen sich die „Baukosten insgemein“, „Materialien“ und die betitelten Gewerke als eindeutig nachvollziehbare Baukosten ausmachen. Es finden sich aber auch unter den Tageund Fuhrlöhnen, sowie den Gemeinen Ausgaben (Extraordinaria) durchgehend etliche, vereinzelte gebäude- und baumaterialbezogene Posten, die bei der statistischen Erfassung der Baukosten nicht beachtet werden konnten.107 Ab 1774 bieten die Hauptrechnungsbücher mit ihren eigenständigen Baukosten-Konten schließlich eine übersichtliche Zusammenfassung der universitären Ausgaben auch für ihren Gebäudebesitz.

103 Vgl. die Extraordinaria-Ausgaben, in: UAG, Kurator St. 1047, Procuraturregister von 1748– 1749, pag. 151–152 und ergänzend dazu die Verifikationen in: UAG, Kurator RB 59, Verificationen von 1748–1749, u.a. Nr. 600, 603, 613. 104 In den Dekanatsbüchern ist dieser Vorfall nicht festgehalten worden. 105 „Den Pawren so bey entstandener gefährlichen Feuersbrunst im Collegio bestellet, wie auch den Soldaten vom Obr. Lieut. Obsicht des Collegii bestellet. Eine tonne bier spendiret für 4 Gulden“, in: UAG, Kurator St. 954, Procuraturregister von 1658–1659, pag. 33. 106 18 Schilling „für den tollen Hund so ins Collegium gelauffen und alda todt geschoßen worden, dem Büttel denselben hinauß zu schleppen gegeben.“ UAG, Kurator St. 948, Procuraturregister von 1656–1657, pag. 140. 107 Vgl. die Tabelle „Baukosten der Universität Greifswald 1646–1806“ unter www.uni-greifswald.de/furorcameralisticus.

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3. Baukosten

3.2.3. Baubezogene Ausgabenverbuchung Die einzelnen Postentexte zu den Gebäudeausgaben beinhalten in der Regel, d.h. sowohl in den Procuraturregistern als auch in den Hauptrechnungsbüchern, die relevanten Transaktions-Informationen: den Betrag, das Zahlungsdatum, den Empfänger und Hinweise zur getätigten Arbeit. Entsprechend der allgemeinen Tendenz der Procuraturregisterführung108 enthalten insbesondere die baubezogenen Registerposten des 16. und frühen 17. Jahrhunderts noch wesentlich mehr Angaben zu den Umständen einer Transaktion als jene des späten 17. und 18. Jahrhunderts: Im Rechnungsjahr 1567–1568 hatte nach einem schweren Sturm der Maurer Jacob Smalensee für 7 Schilling zwei Laternen wieder neu in einer Mauer verankern und drei Bretter auswechseln müssen, die „dess vorigen nachts uth dem glinde109 am collegii garden uthgebraken weren.“ Außerhalb der Stadt reparierte er außerdem „etlige glindlüchte nha der Stattmuere werts, so mehren deels uthgefallen“.110 Auch der Ausgabenposten für den Kleinschmied verbuchte im gleichen Rechnungsjahr nicht nur, dass jener 3 Schilling erhalten hatte, weil er ein Blechplättchen zum Türschloss der „bursa F“ angefertigt hatte, sondern erklärt über den rein ökonomischen Informationsgehalt hinaus: „sonnst hefft men datt slot ohne slötel upkrigen konen.“111 Die frühe Baukostenverbuchung beschreibt also relativ ausführlich nicht nur die vollzogene Transaktion, sondern auch die Umstände der Dienstleistung. Diese Ausführlichkeit in den Rechnungsposten nahm im Laufe des 17. Jahrhunderts rasch ab. Immer seltener machten die Procuratoren nähere Angaben zu den einzelnen Geschäften, sondern verwiesen stattdessen auf die entsprechende Verifikation.112 Spätestens seit Völschows Procuraturregisterführung beschränken sich die Buchungen im Wesentlichen auf die Auflistung der Transaktions-Fakten: Datum der Transkation, knappe Orts- und Tätigkeitsangabe, Verifikationsnummer und erstatteter Betrag.113 Durch den Verweis auf die seit den 1670er Jahren bei der Rechnungslegung vorliegenden Verifikationen waren ausführlichere Informationen im Postentext selbst nicht mehr notwendig. Dies gilt auch für sämtliche Einträge zu den akademischen Baukosten in den Hauptrechnungsbüchern. Im Zusammenhang der akademi-

108 Vgl. Kapitel 1.3.2. Procuraturregister von 1566–1768 ab S. 93 und Heigl: Procuraturregister. 109 Als „Glind“ wurde ein Geländer oder eine Bretterbefriedung bezeichnet (Dähnert: Platt-Deutsches Wörterbuch), eine ‚Glintmauer‘ unterteilte den Hofbereich zwischen zwei Hausstätten (Igel: Bürgerhaus und Frauenhaus, S. 47). 110 Außerdem erhielten zwei Zimmerknechte insgesamt 4 Mark für das Ausbessern eines Zaunes „datt die storme hedde umme gesmeten.“ Dieser Posten sowie die beiden vorherigen, in: UAG, Kurator St. 1080, Procuraturregister von 1567–1568, pag 460–461. 111 Ebd., pag 463. 112 Zu den Verificationen als Bestandteil der Rechnungsprüfung vgl. Kapitel 1.3.2.a. Normgebung Normgebung (Procuraturregister 1566–1768) ab S. 93. 113 Vgl. exemplarisch die Ausgabenverbuchung für den Zimmerman, in: UAG, Kurator St. 986, Procuraturregister von 1685–1686, pag. 95: „d[en] 7d[en] Nov[ember] das Dersekowsche Mühlenhaus zubauen. No. 149. 50 [Gulden]: 8 [Schilling].“

3.2. Akademische Gebäudekosten in den Wirtschaftsquellen

285

schen Baukosten des späten 17. und des 18. Jahrhunderts veranschaulicht die zunehmende Reduzierung der Registerposten nicht nur die allgemeine Rationalisierungstendenz in der Administration, sondern wird darüber hinaus durch sie der unschätzbare Wert der Verifikationen und das Geschenk ihrer dichten Überlieferung erneut sehr deutlich.114 3.2.4. Entwicklung der baubezogenen Ausgabentitel in den Rechnungsbüchern a) Kollegium/ Schwarzes Kloster Die Kosten für Gebäude und Neubauten machten bereits im ersten Jahr der Rechnungsbuch-Überlieferung 1566–1567 einen Großteil der akademischen Ausgaben aus.115 Die wichtigste Ausgabe für das Kollegium waren die Gehaltszahlungen für Professoren und akademische Beamte, die daher auch im Ausgabenregister an erster Stelle stehen. Darauf „volget andere uthgave“, worunter hauptsächlich Ausgaben für Baumaterial und Handwerker verbucht sind. Dem folgen Trinkgelder, Botenlöhne und die Gemeinen Ausgaben, welche oftmals ebenfalls in Bezug zu den Gebäuden stehen. Daran sind noch weitere, gesonderte Register an diesem ersten Rechnungsbuch angefügt. In Anbetracht der Bestandsgeschichte bleibt zwar offen, ob sie dem Register ursprünglich angehängt waren. Dass sie aber als gesonderte Register geführt wurden, macht ihre Titelgebung deutlich: Hier wurde einmal aufgelistet, was die „Kloster buwete hefft gekostet“. Daran schließt ein eigenständiges „Register der buwete des nien lectorii“116 an. Aus dieser angehängten, expliziten BaukostenRechnung für das neu erworbene Gelände entwickelte sich in den darauffolgenden Jahren das Einnahmen-/Ausgaben-Register für das Schwarze Kloster.117 Zu Beginn bestanden die Ausgaben für das Schwarze Kloster also ausschließlich aus Baukosten: „uthgave wegen der Oeconomeien unnd Closter buwete.“118 Für das Rechnungsjahr 1577–1578 verbuchte der Procurator dann im Kloster-Register neben den Baukosten auch erstmals Ausgaben für Stipendien.119 Dementsprechend erweiterte sich auch der Registertitel: „thor kloster oder regentien buwte vor den stipendiatis und andere notturfft“. Sowohl für das Kollegium als auch für das Kloster wurden die Ausgaben für Baumaterial und für Handwerkerlöhne fortan jeweils gesondert verbucht. Diese Form der Gliederung bestand bis 1670.

114 115 116 117 118 119

Vgl. dazu auch Heigl: Procuraturregister. Vgl. dazu Kapitel 3.3.3. Baukosten anteilig und im Verhältnis ab S. 298. Vgl. UAG, Kurator St. 865, Procuraturregister von 1566–1567, ab fol. 26r. Vgl. Kapitel 1.3.2.c. Aufbau und Merkmale der Procuraturregister ab S. 97. UAG, Kurator St. 1081, Procuraturregister von 1568–1569, pag. 241. Vgl. Kapitel 4.2.3. Ausgaben von Stiftungskapitalerträgen: Stipendien ab S. 344. Vgl. auch UAG, Kurator St. 873, Procuraturregister von 1577–1578, fol. 40v–41v.

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3. Baukosten

Der Jahresetat von 1646 veranschlagte wie auch die folgenden Jahresetats, jährlich 100 Gulden Ausgaben „zu der Universität Gebewde.“120 Die bis 1670 folgenden, etatbasierten Rechnungsbücher121 ordnen die gebäudebezogenen Einnahmen und Ausgaben aber dem Extraproject zu, d.h. sie wurden eben nicht als budgetierte, sondern als nicht planbare und außergewöhnliche Transaktionen gewertet. Aus diesem Grund sind in den etatbasierten Registern keinerlei Baukosten verbucht, sondern wird diesbezüglich auf das Procuraturregister (alter Ordnung) verwiesen.122

b) Gesamtuniversitär Völschows gesamtuniversitäre Registerstruktur setzte die Kosten für Baumaterial und Handwerker als eigenständige Ausgabentitel an das Ende des Registers. Den Baukosten folgten nur noch die Sammeltitel der Tage- und Fuhrlöhne und Gemeinen Ausgaben. Er etablierte diesbezüglich die folgenden gebäudebezogenen Ausgabentitel, wie sie bis zum Ende der Procuraturregisterführung in dieser Reihenfolge verwendet wurden: I. Baukosten insgemein, II. Materialia, III. Handwerkerlöhne nach den Gewerken. I. Baukosten insgemein Bei den unter dem Ausgabentitel „Baukosten insgemein“ verbuchten Einträgen handelte es sich in der Regel um Baukosten, für die Universitätsverwandte in Vorleistung gegangen waren und dann nachträglich aus der akademischen Kasse beglichen wurden. Hauptsächlich erhielt hier der Amtmann in Eldena regelmäßig höhere Beträge erstattet, die er für Bauten oder Reparaturen im Amt vorgelegt hatte. Beispielsweise waren im Rechnungsjahr 1748–1749 15 der insgesamt 21 Rechnungsbelege von Samuel Cratzius, dem Amtmann in Eldena, ausgestellt worden, für Handwerkerarbeiten die er bereits beglichen hatte.123

120 Vgl. bspw. UAG, Kurator St. 923, Procuraturregister von 1646–1647, fol. 2v. 121 Vgl. im Kapitel 1.3.2.c. Aufbau und Merkmale der Procuraturregister: 1646–1670 Etatorientierte Register ab S. 103. 122 Zum Beispiel seien für das Rechnungsjahr 1648–1649 100 Gulden zu den Universitätsgebäuden verordnet worden. Dies sei „in dem ProcuraturRegister berechnet“. Bestandteil der Extraprojekt-Ausgaben waren dagegen die Ausgaben für die „Bauten im Amt“, obwohl dieser Titel ohne Posteneinträge blieb. Vgl. UAG, Kurator St. 927, Procuraturregister von 1648–1649. 123 UAG, Kurator St. 1047, Procuraturregister von 1748–1749, pag. 122–123 und UAG, Kurator RB 59, Verifikationen von 1748–1749, Nr. 386–405. Eine tatsächlich eindeutige Zuordnung dieses Procuraturregister-Titels zu Bauausgaben ausschließlich im Amt lässt sich aber nicht vornehmen, da immer wieder auch vorgelegte Reparaturkosten an Professorenhäusern unter diesem Titel zu finden sind.

3.2. Akademische Gebäudekosten in den Wirtschaftsquellen

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II. Materialkosten Am häufigsten benötigte die Universität für Reparaturen, Neubauten und Reinigungsarbeiten Sand, Teer, Steine, Dachspan und Bretter. Diese Baumaterialien machen zumindest den deutlichen Hauptanteil der Materialkosten aus. Material, das nicht aus der unmittelbaren Umgebung Greifswalds kam, erreichte in der Regel per Schiff zunächst den Hafen in Wieck. Von dort brachte es ein Fuhrmann weiter in die Stadt: Mit einem Prahm124 über den Ryck oder auf dem Landweg mit dem Universitäts- oder einem anderen Wagen. Soweit vorhanden, geben die Rechnungsbzw. Zahlungsbelege sogar Aufschluss über das jeweils verwendete Verkehrsmittel. Beispielsweise ist für das Rechnungsjahr 1748–1749 verbucht worden, dass „Rubberten fur einige Fuhren“ 2,98 Gulden erhalten hatte. Bei „Rubberten“ handelte es sich um Friedrich Rubbert, den reitenden Diener der Universität, der also das Material mit dem Pferdewagen, d.h. zu Land, beförderte.125 Bauholz kam sehr oft aus den universitätseigenen Forsten126, ist in den Rechnungsbüchern daher nur als Fuhrlohn verbucht worden. Holz aus fremden Wäldern wurde dagegen regulär bezahlt und unter dem Baumaterial gelistet.127 Was ein Handwerksmeister an Material für seine Arbeiten selbst stellte, nahm er in seine Handwerkerrechnung mit auf und ist somit Bestandteil der Handwerkerlöhne. Teilweise fungierten auch Stadthandwerker als Materialhändler, wie beispielsweise der Stadtmaurer Philip Meinck, der im August 1747 dem amtierenden Rektor Andreas Mayer für 10,21 Reichstaler „Feldt Stein“ lieferte, „so zum Colegio sindt gebraucht worden zum Fundament [...].“128 Größere Mengen von Bauholz, Mauersteinen, Kalk und anderer Materialien kamen hauptsächlich aus dem Schwedisch-Pommerschen. Sehr dicht lässt sich dies beispielsweise anhand der Register der Zeit des Kollegienbaus vor 1750 beobachten, als die Universität besonders viele Mauersteine, Bauholz und Ziegel einkaufte. Hier treten vor allem pommersche Adelige als Materialproduzenten in Erscheinung, deren Wälder und Ziegeleien auch die Universität Greifswald

124 Zum Bau des Kollegiengebäudes wurde 1748–1749 beispielsweise viel Material mit dem Stadtprahm befördert. Ein Prahm ist ein breites Fahrzeug ohne Kiel zur Beförderung von Lasten und Personen auf Flüssen, vgl. „Prahm“, in: Krünitz: Ökonomisch-technologische Enzyklopädie, Bd. 116 (1810), S. 729–730. 125 UAG, Kurator St. 1047, Procuraturregister von 1748–1749, pag. 146 und UAG, Kurator RB 59, Nr. 596. 126 Die Abgabe von Bau- und Deputatholz aus den Amtsforsten regelte u.a. das Reglement für die ökonomische Administration (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 456. 127 Auch wenn sich beispielsweise ein Amtsbauer (aus Dersekow) die verarbeitenden Baumstämme im Wald eines anderen Forstbesitzers (von Fürstenberg) selbst aussuchte und diese vermutlich auf eigene Kosten mitnahm, zahlte die akademische Kasse nachträglich dem Holzlieferanten die reinen Materialkosten (7,58 Reichstaler), vgl. UAG, Kurator RB 45, Verifikationen von 1734–1735, Nr. 201. 128 UAG, Kurator RB 58, Verifikationen von 1747–1748, Nr. 296.

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3. Baukosten

mit Baumaterial versorgten.129 Alleine zwischen August 1747 und Januar 1748, d.h. innerhalb von nur fünf Monaten kaufte die Universität bei mindestens fünf adligen Handelspartnern mindestens 425.695 Steine unterschiedlicher Größe und Bestimmung für über 1.700 Reichstaler. Die großen Mengen wurden per Schiff geliefert. Nach Erhalt der Fracht bestätigte der Procurator dies auf der Rechnung und zahlte dem Schiffsführer die Material- und eventuell angefallene Zollkosten.130 Der Schiffsführer quittierte den Erhalt des Betrages ebenfalls auf der Rechnung. Im Fall der Lieferungen aus Vogelsang gestaltete sich der Zahlungsverkehr dagegen etwas anders, da Gustav Heinrich Enckvort, der Sohn des Handelspartners Enckvort, seit 1745 in Greifswald als Student eingeschrieben war.131 So ließ der Vater auf Abschlag der zukünftigen Mauerstein-Rechnungen seinem Sohn durch den Procurator zunächst fünfzig und insgesamt knapp 540 Reichstaler auszahlen.132 III. Handwerkerlöhne Die Handwerkerlöhne sind in den Procuraturregistern nicht zusammengefasst und als solche bezeichnet worden. Vielmehr ordneten die Procuratoren den Handwerker jeweils eigenständigen Titel zu. An erster Stelle stehen zunächst die beiden akademischen Gewerker Zimmermann und Maurermeister. Ihnen folgen die städtischen Handwerker, die in dem entsprechenden Rechnungsjahr an Universitätsgebäuden gearbeitet hatten und dafür entlohnt worden waren: Kleemer133, Dammsetzer/ Pflasterer („Demmer“), Tischler, Grob-, Klein- und Nagelschmiede, Ofensetzer („Töpffer“, „Potter“), Glaser, Säger („Saager“), Dachdecker und Seiler („Reeper“, „Reiffschläger“). An der Baukostenverbuchung des späten 17. und vor allem des 18. Jahrhunderts lässt sich ablesen, dass immer mehr Handwerkszweige bzw. spezialisierte Handwerksdienstleistungen in die Baukostenverbuchung aufgenommen wurden.134 Vor 129 Wie beispielsweise die Ziegelei des Grafen von Putbus, oder von Lepels in Sekeritz oder des Guts Vogelsang. 130 Beispielsweise betrug die Zollgebühr für die drei Schiffe aus Lütkedahl mit insgesamt 18.500 Mauersteinen 21 Schilling, vgl. UAG, Kurator RB 58, Verifikationen von 1747–1748, Nr. 320. 131 Vgl. Schmidt/ Spieß: Matrikel, Bd. 1, S. 233. 132 UAG, Kurator RB 58, Verifikationen von 1747–1748, Nr. 322–323 133 Bzw. „Klehmer“/ Kleemen: Die mit Stroh umwundenen Stöcke zwischen den Balken der Boden, oder in den Fächern der Wände, mit Leim bewerfen, eben streichen und bedecken, in Dähnert: Platt-Deutsches Wörterbuch. 134 Im Laufe des 18. Jahrhunderts vermehrten und spezialisierten sich die Zünfte insgemein (Hausherr: Wirtschaftsgeschichte der Neuzeit, ab S. 153), so dass in der zweiten Jahrhunderthälfte sogar eine regelrechte „Überfüllung einzelner Handwerkszweige“ und ein Überangebot an Produkten des Grundbedarfshandwerks bestanden habe (Henning: Deutsche Wirtschafts- und Sozialgeschichte, S. 840). Diese Entwicklung lässt sich auch für Pommern und Greifs-wald im 18. Jahrhundert beobachtet (Wächter: Greifswald in der Schwedenzeit, S. 94 sowie Gadebusch: Schwedisch-Pommersche Staatskunde, Bd. 1).

3.2. Akademische Gebäudekosten in den Wirtschaftsquellen

289

allem um 1730 entlohnte die Universität auffällig mehr ‚neue‘ Handwerker. Dies bedeutet nicht etwa, dass es die handwerkliche Dienstleistung zuvor nicht gegeben hätte. Vielmehr erhielt das entsprechende Handwerk erstmalig einen eigenständigen Ausgabentitel im Register, weil es für die Universitätskasse quantitativ relevant geworden war. Die folgende Liste einiger Erstnennungen unter den Ausgaben für Handwerker veranschaulicht die Tendenz einer zunehmenden Spezialisierung der Handwerksberufe. Darüber hinaus lässt sich daraus aber auch eine zunehmend komfortablere und dekorativere Gebäude- und Raumgestaltung an der Universität Greifswald erahnen.135 – – – – – – – –

Seit 1727 wurden regelmäßig Maler und Drechsler entlohnt, ab 1731 tauchen der Riemer, ein Zinnengießer und ein „Klempener“136 im Register auf, ab 1733 der Stellmacher und der Brunnenmeister, ab 1746 neben dem Brunnenmeister zusätzlich ein Pumpenmeister, ab 1748 und mit Sicherheit im Zusammenhang des Kollegienbaus ein Bildhauer, ab 1750 ein Windelbogenleger und ein Gürtler, ab 1753 ein Uhrmacher und ab 1755 ein Gelbgießer.

Für jedes gelistete Handwerk wurde jeweils nur ein Meister, inklusive dessen Gesellen und Handlanger, entlohnt und verbucht. Der Name des Handwerksmeisters ist daher manchmal auch Bestandteil des Ausgabentitels. Eine namentliche Erwähnung der Handwerksmeister in den Registern ist aber erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts als regulär zu bezeichnen. Spätestens 1710 begann der neue Procurator Peter Haselberg jedem Handwerkertitel den jeweils verantwortlichen Meister, der auch die Rechnung eingereicht hatte, namentlich hinzuzufügen. Eindeutigere Regeln der Verbuchung von Handwerkerlöhnen lassen sich in den Procuraturregistern aber kaum festlegen. Die Reihenfolge der Handwerkerbuchungen lässt keinerlei Rückschlüsse auf eine hierarchische oder anderweitige Ordnung zu. Dass ein Unterschied zwischen akademischen und anderen, also städtischen, Handwerkern gemacht worden wäre, wird aus der Buchhaltung der Procuraturregister nicht ersichtlich. Regulär beginnen die Handwerkertitel mit dem Zimmermann (ohne das Additiv ‚akademisch‘). Danach stehen die Ausgaben für den Tischler und die Schmiede. Gefolgt von den Maurerlöhnen. Buchhalterisch nahmen der akademische Zimmer- und der Maurermeister weder in den Procuraturregistern noch in den Hauptrechnungsbüchern eine herausragende Stellung ein und sind auch nicht als solche, d.h. explizit „akademisch“ gekennzeichnet worden. 135 Felix Schönrock beschreibt für die Jahrzehnte nach dem Großen Nordischen Krieg einen „Wandel der Bau- und Wohnvorstellungen“, Schönrock: Greifswalder Universitätsbauten, S. 40. 136 2 Gulden 2 Schilling „für eine blecherne Rönne in des Herrn Magnific. Rectoris Hause“, in: UAG, Kurator St. 1031, Procuraturregister von 1730–1731, pag. 131.

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3. Baukosten

c) Stadt und Land Eine eindeutige Unterscheidung zwischen den Baukosten für Gebäude in der Stadt und für Gebäude im Amt ist innerhalb der Procuraturregister nicht vorgenommen worden. Die jeweiligen Posten stehen, auf den ersten Blick nicht voneinander unterscheidbar, unter den gleichen Titeln. Das erweist sich vor allem als logische Konsequenz aus der administrativen Verknüpfung der städtischen und ländlichen Bauaufsicht, spätestens ab 1680.137 Nach vollbrachter Arbeit stellten die Handwerker dem Amtmann ihre Leistung in Rechnung und der Amtmann beglich diese. Anschließend gab er die ausgezahlten Beträge als Forderung an den Procurator weiter. Diese Transaktionen wurden unter den „Baukosten insgemein“ verbucht. Aber auch unter den Handwerkerposten – vor allem der akademischen Handwerker – verbuchten Procuratoren ebenso ausgeführte Arbeiten auf dem Land in gleicher Form wie jene in der Stadt.138 Zumindest in den Procuraturregistern sind die Baukosten für Stadt und Land offenbar gemeinsam gedacht worden. Erst mit der oben beschriebenen fortschreitenden Fokussierung auf den Zweck (und nicht mehr den Empfänger) einer Transaktion Mitte des 18. Jahrhunderts lässt sich auch eine Trennung der Baukosten in der Stadt von jenen im Amt ausmachen. 1767 benannte der akademische Finanzverwalter Mayer diese Titel erstmals um: Die „Baukosten insgemein“ wurden zu „Bau-Kosten auf dem Lande“ und die einzelnen Handwerker erfasste er nun unter dem verbindenden Titel „Bau-Kosten in der Stadt“.

d) Baubezogene Konten in den Hauptrechnungsbüchern Der buchhalterische Fokus auf dem Dienstleister bzw. dem Zahlungsempfänger, wie er im 16. und 17. Jahrhunderts deutlich zu erkennen ist, verschob sich ab den 1760er Jahren zunehmend auf den Zweck der Transaktion. Bereits in den späten Procuraturregistern Johann Georg Mayers werden erstmals die Anfänge einer solchen zweckorientierten Buchhaltung erkennbar. 1764 teilte er den allgemeinen Baukosten-Titel nach den unterschiedlichen Baustellen auf. Diese unter Mayer begonnene Differenzierung der Bauausgaben nach den Orten der Baustellen kann als früher Beginn einer zweckorientierten Gliederung verstanden werden, wie sie sich spätestens ab 1774 in den Hauptrechnungsbüchern in Form der speziellen Konten

137 Vgl. Kapitel 3.1.3.a. Administration des akademischen Gebäudebesitzes auf dem Land ab S. 273. 138 Der akademische Zimmermeister Egidius Toppe hatte beispielsweise im Rechnungsjahr 1710– 1711 neben 15 Aufträgen an Professorenhäusern und auf dem Schwarzen Kloster auch sieben Aufträge außerhalb der Stadt ausgeführt: Im alten Amtshaus und anderweitig in Eldena, an der Papiermühle in Kemnitz, in Kemnitzerhagen, in Grubenhagen und an Wegweisern im Amt, vgl. UAG, Kurator St. 1012, Procuraturregister von 1710–1711, pag. 114–115.

3.2. Akademische Gebäudekosten in den Wirtschaftsquellen

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manifestierte und so bis ins 19. Jahrhundert hinein geführt wurde.139 Unterteilt sind die Baukosten in den Hauptrechnungsbüchern auf folgende Einzelkonten: 1. Unterhaltung der Gebäude in der Stadt 2. Unterhaltung der Gebäude auf dem Lande 3. Bau-Materialien 4. Unterhaltung der Brücken und Gräben auf dem Lande 5. Neue Bauten

e) Projektregister Sonstige buchhalterische ergänzende Unterteilungen der Baukosten nach einem Zweck sind innerhalb der akademischen Jahresrechnungsführung nur selten auszumachen und stehen in der Regel in Verbindung mit besonderen, großen Bauvorhaben, wie die bereits genannten gesonderten Register über Ausgaben zum Bau der Regentie auf dem Gelände des Alten Klosters Ende des 16. Jahrhunderts. Auch der Bau des neuen Kollegiengebäudes 1747–1750 blitzt in der Struktur der Procuraturregister kurz auf: Im Jahr des Baubeginns des heutigen Hauptgebäudes der Universität führte der akademische Finanzverwalter diverse Untertitel zu den Ausgaben für Baumaterial. Zuerst Material „zum Collegio“ und darauf folgend sonstiges Baumaterial. Vermutlich handelte es sich bei den „Baw-Materialia nach des Herrn Professor Mayer Rechnung“140 ebenfalls um Lieferungen für den Kollegienneubau.141 Gegen Ende des 18. Jahrhunderts fallen besonders hohe Sonderausgaben für Arbeiten an der Generalsuperintendentur auf. Die Hauptrechnungsbücher führen sogar für drei Jahre ein gesondertes Konto für die „Generalsuperintendentur“ (1784– 1787).142

139 Mit nur einer Ausnahme: Das Hauptrechnungsbuch von 1793–1794 (RB 133) führt lediglich ein Baukosten-Konto an, dem folgen aber keine Einzelkonten mit den zugehörigen Posten. In diesem HRB fehlen demnach die Einträge zu den einzelnen Transaktionen. 140 UGA, Kurator St. 1046, Procuraturregister von 1747–1748, pag. 122–125. 141 Dass Prof. Mayer in seiner Funktion als Bauherr aber gesonderte Bau-Rechnungen führen und dem Kanzler zur Rechenschaft einsenden musste, ist bekannt. Überliefert sind solche gesondert geführten Rechnungen der akademischen Großbauprojekte allerdings nicht. Vgl. dazu Kapitel 3.3.4. Bau des Kollegiengebäudes ab S. 301. 142 Dabei machten die Baukosten für die Generalsuperintendentur im Rechnungsjahr 1785–1786 sogar über die Hälfte der Baukosten aus, vgl. dazu auch die Tabelle „Baukosten der Universität Greifswald 1646–1806“ unter www.uni-greifswald.de/furorcameralisticus.

292

3. Baukosten

3.3. AKADEMISCHE GEBÄUDEKOSTEN IN DER PRAXIS 3.3. AKADEMI SCHE GE BÄUDEKO STEN IN DE R PRAXIS

Die Baukosten der frühneuzeitlichen Universität Greifswald blieben als ökonomisches Betätigungsfeld bislang weitgehend unbeachtet. Im Folgenden werden erstmals sowohl die Mieteinnahmen von den Bursen, die alltäglichen Ausgaben zum Gebäudebesitz als auch Umstände und Auswirkungen größerer Bauprojekte der Universität anhand ihrer Wirtschaftsquellen untersucht und ergänzend dazu die teils gegensätzlichen Spar- und Investitionsstrategien der Selbstverwaltung und ihrer landesherrlichen und ständischen Kontrollinstanzen in Hinblick auf Praktikabilität und Normdurchsetzung beleuchtet. 3.3.1. Exkurs: Bursenheuer (Mieteinnahmen) Den Hauptteil der Mieteinnahmen generierte die Universität aus den Stubenmieten der akademischen Bursen.143 Die Bursa war eine Art Studentenwohnheim unter Aufsicht einer oder mehrerer Aufsichtspersonen, wie sie bereits an mittelalterlichen Universitäten geführt wurden. Unterkunft und Verpflegung der Studierenden wurden gegen Bezahlung unter einem Dach organisiert. Den Statuten zufolge durfte an der spätmittelalterlichen Artistenfakultät in Greifswald nur promoviert werden, wer mindestens anderthalb Jahre in einer Burse gewohnt hatte, „denn der Lebenswandel derjenigen, welche zerstreut in der Stadt ohne Aufsicht der Lehrer wohnen, kann von den Lehrern nicht genügend beurtheilet werden.“144 Die Universität Greifswald akzeptierte dabei auch von Lehrern oder Bürgern der Stadt privat betriebene Bursen, solange die Studierenden dort unter Aufsicht eines Magisters standen. Über diese privaten Bursen, aber ebenso über jene, die von der Universität betrieben und in ihren Gebäuden angesiedelt waren, ist bisher nur sehr wenig bekannt.145 Aus den Bursenregistern innerhalb der Procuraturregister, lassen sich aber Erkenntnisse zu den Standorten der Greifswalder Universitätsbursen, dem Raumangebot und der Frequentierung gewinnen.146 Es existierten zwei akademische Bursen: Die eine befand sich im Kollegiengebäude147 und wurde auch als solche – Bursa – bezeichnet. Eine weitere entstand um 1570 auf dem Gelände des Schwarzen Klosters, wurde Regentie genannt und war an das Konviktorium (Oeconomie) angegliedert. Für ein Zimmer nahm die Universität n der Regel und sehr wahrscheinlich in Abhängigkeit 143 Vgl. für das Folgende auch Kapitel 3.2. Akademische Gebäudekosten in den Wirtschaftsquellen, S. 281. 144 Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 106. Vgl. auch die Statuten der Greifswalder Artistenfakultät von 1456, in: Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 2, S. 308, Nr. 102. 145 Eine der wenigen spezifischen Untersuchungen zu diesem Thema bietet Beate Kusche: Magisterkollegien in Leipzig. 146 Vgl. auch für das Folgende die Tabelle „Raumbelegung Burse und Regentie der Universität Greifswald 1571–1721“ unter www.uni-greifswald.de/furorcameralisticus. 147 Bereits im 15. Jahrhundert sollen sich in den Vorgängergebäuden des Kollegiums Studentenzimmer befunden haben, vgl. Kosegarten: Universität Greifswald, Bd. 1, S. 106.

3.3. Akademische Gebäudekosten in der Praxis

293

der Stubengröße, 2 bis 3 Mark im Quartal. Bei voller Auslastung bedeutete das potenzielle Mieteinnahmen von bis zu 200 Mark pro Jahr – dies entsprach in etwa dem Jahresgehalt eines Ordinarius. Diese Summe kam aber so weder regelmäßig noch vollständig ein, was unterschiedliche Ursachen hatte. Zum einen waren die Bursen nur selten ausgelastet und zum anderen blieben Studenten immer wieder im Zahlungsverzug. Wiederum andere Studenten hatten als Freitischstipendiaten Anspruch auf kostenlose Logis in der Regentie. Und hin und wieder kam es auch vor, dass vereinzelte Bursenbewohner „heimlich davon gezogen“148 waren, bevor der Procurator sie hatte zur Kasse bitten können.149 Von Beginn der Registerführung an, d.h. spätestens nach Ostern 1566, sind mindestens 16 Studentenstuben150 im Kollegium vermietet worden. In einem dieser Zimmer wohnte der Pedell, der dort als Aufsichtsperson installiert war. Außerdem bewohnten auch Lehrer der Artistenfakultät Zimmer oder Wohnungen im Kollegium. Abgesehen von den zwei Professorenwohnungen, die im Rahmen des Locariums vergeben waren und daher nicht im Einnahmenregister vermerkt sind, listen die Bursenregister der Jahresrechnungsbücher aber auch weitere Räume auf, die nicht an Studenten, sondern anderweitig vermietet wurden: Eine „Stube up dem kleinem[!] Lectorio“ (bewohnt von Magistern oder akademischen Handwerkern) und zwei „buden“, für die jeweils eine „Bodenheuer“ erhoben wurde.151 Im Rechnungsjahr 1576–1577 wurden die Quartalsregister für das Kollegium um ein weiteres Register ergänzt, weil auf dem Gelände des Schwarzen Klosters mit der sogenannten Regentie zusätzliche fünf Stuben152 für Studenten entstanden waren. Hier wohnte zu Beginn als Aufsichtsperson statt des Pedells ein Lehrer der Philosophischen Fakultät. Nur wenige Jahre später wurde die Regentie um weitere sechs Zimmer153 erweitert. In dieser sogenannten Neuen Regentie waren zwei Zimmer Aufsichtspersonen vorbehalten: einem Pedell und einem Magister. Die Erweiterung der Regentie könnte vor allem zur Verlagerung und Bündelung der Studenten auf einer Art ‚Wohncampus‘ auf dem Schwarzen Kloster gedient haben. Denn im Kollegium wohnten mittlerweile in einem Drittel der eigentlichen Bursenzimmer tatsächlich Lehrer und ein Pedell. Die Stuben, sowohl im Kollegium als auch

148 UAG, Kurator St. 993, Procuraturregister von 1692–1693, pag. 55. 149 Zwischen 1571 und 1584 blieben insgesamt acht Studenten ihre Bursenheuer schuldig, zwischen 1614 und 1617 waren es sieben Studenten (davon fünf Schweden). Rechtlich war für solche Fälle ein Strafgeld von 2 Mark angesetzt (Visitationsabschied (1568), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 213). Die Strafgebühr war von den verschwundenen Studenten aber natürlich kaum erfolgreicher einzutreiben, als die Mietschulden. 150 Die einzelnen Stuben der Burse und der Regentien werden im Register durch Buchstaben gekennzeichnet, von A bis Q bzw. bis T. 151 So zum Beispiel in UAG, Kurator St. 869, Procuraturregister von 1573–1574, fol. 9r. Bis 1610 betrug die Jahresmiete für das „kleine Lectorio“ mindestens 3 Mark, eine „Bodenheuer“ 2 Mark. 152 Zimmer A–E. 153 Zimmer A–F.

294

3. Baukosten

in der Regentie, waren selten vollständig ausgelastet154, die Fluktuation auf den einzelnen Zimmern war recht hoch, die Zahlungsmoral teilweise niedrig. Im Kollegium ist eine vollständige Auslastung der angebotenen Studentenstuben nur zwischen 1610 und 1614 zu verzeichnen. Von da an blieben immer mehr Räume vakant und gingen nach und nach im Locarium auf.155 Während des Krieges, bei zwangsläufigem Leerstand, wurden auch mal aus dem Amt geflohene Untertanen in den „unfertigen“ Räumen untergebracht.156 Nachdem der Häuserkomplex auf dem Schwarzen Kloster im Jahr 1637 durch schwedische Truppen zerstört worden war, vermietete die Universität dort auch keine Räume mehr; die Alte und die Neue Regentie waren „nicht mehr in Esse“157 und sind auch nicht wieder aufgebaut worden. Auch das Zimmerangebot im Kollegium war Ende des 17. Jahrhunderts deutlich verringert. Nach 1689 wurden hier nur noch neun Stuben an Studenten vermietet. Diese wenigen Bursen waren in dieser Zeit dafür aber relativ gut ausgelastet. Nach 1709 sind in den Procuraturregistern schließlich keine Mieteinnahmen von Bursen mehr verbucht, sondern ausschließlich Mieteinnahmen von Universitätswohnungen, die an Personen ohne Anspruch auf ein Locarium158 vermietet wurden. Ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurden nachweislich das „Tertia Domus Facultatis Juridicae“ (Jahresmiete: 15 Gulden), das „Domus quinta Facultatis Philosophiae“ (Jahresmiete: 16 Gulden) und mindestens zwei Wohnungen „und dabey befindliche buhde“159 auf dem Schwarzen Kloster (jeweils 12 Gulden) vermietet. Ab 1707 kam noch ein zuvor „nicht sonder Unkosten, erbauet“ Buchladen hinzu, inklusive einer „Stube C auf dem Collegio“, die zusammen für

154 Im Kollegium ist eine vollständige Auslastung der angebotenen Studentenzimmer nur zwischen 1610 und 1614 zu verzeichnen. 155 So hatten beispielsweise im Rechnungsjahr 1669–1670 „vom Collegio, die helfte [...] die Herren Philosophi, die ander helfte stuben sein unfertig, und ist einem Schweden die stube eingereumet der auch freyen tisch in der Communität erhalten, welcher aber davon gelaufen, und den schlüssel mitgenommen.“ So unter dem Einnahmentitel „Locaria“ in: UAG, Kurator St. 978, Procuraturregister von 1669–1670, pag. 39. 156 Als im Rechnungsjahr 1676–1677 offensichtlich keine Studenten mehr in der Burse wohnten, hatten „auf dem Collegio [...] H. M. Frid. Dedekind 5 und H. M. Rosenow 4 stuben. Die übrigen mehrentheils unfertig, und liegen darauf die eingeflüchteten unterthanen und hatt der H. Inspector deßfals nichts eingebracht.“ UAG, Kurator St. 966, Procuraturregister von 1676–1677, pag. 39. 157 Im Procuraturregister von 1647–1648 vermerkte Michael Knuth bezüglich der Stuben auf der Alten Regentie (A-E): „Von diesen Stuben ist keine mehr in Esse alß die Große über dem Depositorio, so dem Oeconomo eingeräumet werden müßen, weiln Er sonst gantz keinen Bodenn hatt.“ und von den sechs Räumen der Neuen Regentie konnte Knuth nicht sagen „ob diese [...] in Esse [wären], oder bewohnet, [...] zumahlen dieselben nicht visitiret.“ UAG, Kurator St. 925, Procuraturregister von 1647–1648, fol. 27v. 158 Zum Locarium als Teil der Personal- bzw. Universitätsverwandtenvergütung vgl. Kapitel 2.2.3.a. Locarium ab S. 218. 159 UAG, Kurator St. 1023, Procuraturregister von 1721–1722, pag. 62.

3.3. Akademische Gebäudekosten in der Praxis

295

jährlich 20 Gulden vermietet wurden.160 Auch diese Mieten kamen allerdings weder über einen längeren Zeitraum noch verlässlich ein. Aus den Rechnungsbüchern lässt sich nachvollziehen, dass zu Beginn des 18. Jahrhunderts der universitär vermietete Wohnraum verringert wurde. Denn die Vermietung war für die Universität wirtschaftlich von verschwindend geringer Bedeutung, aber gleichzeitig mit einem erheblichen administrativen Aufwand verbunden. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts beschränkten sich die akademischen Mieteinnahmen schließlich auf nur noch 4 Reichstaler aus der sogenannten „Hausheuer“ eines Malermeisters.161 3.3.2. Entwicklungen und Phasen der akademischen Gebäudeverwaltung Der akademische Geschäftsbereich der Gebäudeverwaltung war besonders irregulär, schlecht planbar und voller Unwägbarkeiten. Dementsprechend erweisen sich auch seine jährlichen Ausgabensummen als wesentlich diverser als die der übrigen Kostenfelder (Personal, Stipendien, Zinsen). Die jährlichen Aufwendungen für ihre Gebäude konnten vereinzelt, insbesondere in Kriegszeiten, gerade einmal knapp 80 Reichstaler betragen (1677–1678, 1712–1713) oder aber, in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, weit über 10.000 Reichstaler liegen. Tendenziell nahmen über den gesamten Betrachtungszeitraum, insbesondere von der ersten zur zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, sowohl die durchschnittlichen als auch die höchstmöglichen Ausgabenwerte für Universitätsgebäude zu (vgl. Diagramm 3.1.). In Betrachtung der Summen, die unter den Materialkosten und Handwerkerlöhnen jährlich für die akademischen Gebäude aufgeführt sind, lässt sich, wie im Falle aller Geschäftsbereiche, eine kriegs- und krisenbedingte Zurückhaltung feststellen (vgl. Zahlen der 1670er und 1710er Jahren), jeweils gefolgt von Phasen der ökonomischen Erholung und Normalisierung, d.h. wieder erfolgender, wenn auch unregelmäßiger Gebäudeausgaben. Als der akademische Haushalt im Rechnungsjahr 1683–1684 einigermaßen ausgeglichen war und die Professoren erstmals ihre vollen Gehälter erhielten, gab die Universität insgesamt 2.318 Gulden für ihre Gebäude aus. Zwanzig Jahre später betrugen die Gebäudekosten 2.370 Gulden. Diese beiden Summen machen die Höchstwerte der akademischen Baukostenaufwendung vor 1720 aus.

160 Vgl. UAG, Kurator St. 1008, Procuraturregister von 1707, pag. 62. 161 Bis in die 1750er Jahre wohnte dort der Maler Detterström, spätestens ab 1773 bis 1808 der Maler Holtzerlandt. Zwischenzeitlich zahlte außerdem noch der Buchdrucker Röse jährlich 12 Reichstaler Miete für ein „Universitätshaus“. Als zahlende Mieter gehörten die genannten Handwerker also nicht zu den Universitätsverwandten, wie es Gadebusch: Staatskunde, Bd. 1, S.142 suggeriert.

296

3. Baukosten

Diagramm 3.1. Akademische Baukosten, 1670–1807 (Gulden)162 25000,00

20000,00

15000,00

10000,00

5000,00

1670 1675 1680 1685 1690 1695 1700 1705 1710 1715 1720 1725 1730 1735 1740 1745 1750 1755 1760 1765 1770 1775 1780 1785 1790 1795 1800 1805

0,00

Während die Region im Verlaufe des Großen Nordischen Krieges Truppenversorgungs- und Kriegsschauplatz war und nachdem sie 1715 an die dänische Krone gefallen war, investierte die Universität 1718 gerade einmal 360 Gulden in allernötigste Reparaturen. Nur ein Jahr später waren es, vermutlich bedingt durch den Wiederaufbau, bereits 1.930 Gulden, mit steigender Tendenz. Die „ad structuram und zu den baukosten“ veranschlagten 1.000 Gulden163, mit denen möglichst sparsam umzugehen sei, boten also bereits zur Zeit ihrer Normsetzung keinen ausreichenden Finanzrahmen für die tatsächlich benötigten Baukosten. Bei den Baukosten und 162 Vgl. die Tabelle „Baukosten der Universität Greifswald 1646–1806“ unter www.uni-greifswald.de/furorcameralisticus. Die hier herangezogenen Zahlen für die Jahre 1760 bis 1806 werden hier zwar als genuine „akademische Baukosten“ präsentiert, entstammen aber diversen Ausgabentiteln der Procuraturregister, wie den „Baukosten insgemein“, dem „Baumaterial“ und den Löhnen für die einzelnen Handwerker, die hauptsächlich an und in den Gebäuden der Universität beschäftigt waren (Zimmerleute, Maurer, Dämmer, Tischler, Schmiede, Klein-, Grob- und Nagelschmiede, Ofensetzer, Glaser, Säger, Dachdecker und Seiler). In die Statistik fließen ebenfalls die Löhne für den Böttcher und den Kannengießer ein, obwohl es sich hierbei nicht um Aufwendungen für den Gebäudebestand handelt. Die entsprechenden Beträge sind allerdings zum einen sehr gering und lassen sich zum anderen mit den nicht in dieser Statistik erfassten geringen Ausgaben für Instandhaltung, Säuberung und kleinere Handlangerdienste ausgleichen, da letztere schließlich verstreut unter den Tage- und Fuhrlöhnen oder den Gemeinen Ausgaben verbucht worden sind. Vgl. dazu auch Kapitel 3.2.4. Entwicklung der baubezogenen Ausgabentitel ab S. 285. 163 Erneuerte Instruktion für den Procurator und Structuarius (1703), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 311. Ebenso im Visitationsrezess (1702), in: Ebd., S. 286. Vgl. auch Kapitel 3.1.3.b. Administration des akademischen Gebäudebestandes in der Stadt ab S. 274.

3.3. Akademische Gebäudekosten in der Praxis

297

im besonderen Maße bei den Reparaturkosten handelt es sich um „extraordinaire“, d.h. nicht verlässlich prognostizierbare Kosten, die sich wesentlich schlechter im Rahmen eines Etats einplanen ließen als die Gehaltszahlungen, Stipendien, anfallenden Zinsen oder Ausgaben für das Konviktorium. Ihre Begrenzung auf 1.000 Gulden war nicht nur nicht ausreichend; der Structuarius konnte sich ohnehin kaum daran halten, wenn beispielsweise ein Brand, Wetterschäden oder anderweitige Unglücksfälle Reparaturen dringend erforderlich machten. Es ist daher davon auszugehen, dass es sich hierbei weniger um einen normativ gesetzten Kostenrahmen, sondern eher um eine Orientierungsmarke handelte.164 Nachdem sich die universitäre Geschäftslage nach 1719 allmählich verbessert hatte165, folgte insbesondere in den 1730er und 1740er Jahren eine durch den allgemeinen ökonomischen Aufschwung bedingte rege Bautätigkeit.166 Der ausnehmend steile Anstieg der Baukosten-Kurve ab 1747 zeigt den plötzlichen Kostenanstieg im Zusammenhang des Kollegienneubaus, der die üblichen Aufwendungen für Reparaturen, Instandhaltung und kleinere Neubauten der Universitätshäuser nun weit überstieg. Der auffällige Rückgang der Baukosten in den 1760er und 1770er Jahren167 ist auf entsprechende Einsparungsmaßnahmen, insbesondere im Zusammenhang einer deutlich verschlechterten Wirtschaftslage der Universität zurückzuführen. Erst die Neuordnung der akademischen Wirtschaftsadministration um 1775 ließ in Verbindung mit einem erneuten allgemeinen ökonomischen Aufschwung auch die Baukosten wieder ansteigen. Im Rechnungsjahr 1775–1776 betrugen die gebäudebezogenen Ausgaben vor allem für Reparatur- und Instandhaltungsmaßnahmen noch ca. 420 Reichstaler. Ein Jahrzehnt später hatten sich die Baukosten bereits von 4.021 Reichstaler im Rechnungsjahr 1784–1785 auf insgesamt 8.464 Reichstaler im Rechnungsjahr 1786–1787 verdoppelt.168 Ein Großteil der jährlichen Ausgaben für „Neue Bauten“169 floss dabei ins Amt Eldena, in die Errichtung von Scheunen, Ställen, Bauernwohnungen und –häusern, wobei die geleisteten Summen zu den

164 Vgl. dazu mehr Kapitel 3.3.6. Spar- und Kontrollvorschriften zu den Universitätsgebäuden ab S. 313. 165 Vgl. auch Kapitel 1.2.6. Ökonomische Stabilität und Wirtschaftswachstum (1702–1750) ab S. 48. 166 Auch der Magistrat und die Greifswalder Bürger konnten sich in diesen beiden Jahrzehnten besonders viele Bauten leisten, vgl. dazu Schönrock: Greifswalder Universitätsbauten und Schönrock: Greifswalder Bürgerhäuser. 167 Der deutliche Ausreißer im Kurvenverlauf, der Wert für das Jahr 1762, kann auf die Inflation im Zuge des Siebenjährigen Krieges zurückgeführt werden, vgl. dazu sowie für die folgenden Diagramme Kapitel 1.2.7. Wirtschaftskrise, Verschuldung und Reformdruck ab S. 54. 168 Der leichte Anstieg der Bauausgaben im Rechnungsjahr 1781–1782 ist zwar kaum markant, kann aber einer eindeutigen Ursache zugeordnet werden: In diesem Jahr hatte ein schwerer Sturm zur Folge, dass alleine 1.088 Reichstaler in den Wiederaufbau vieler Gebäude im Amt Eldena investiert werden mussten. Vgl. dazu UAG, Kurator RB 121, Hauptrechnungsbuch von 1781–1782, pag. 268. 169 So der Titel eines Unterkontos der Baukosten in den Hauptrechnungsbüchern.

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3. Baukosten

einzelnen Neubauten im Amt in der Regel nicht einmal 50 Reichstaler überstiegen.170 3.3.3. Baukosten anteilig und im Verhältnis Das Diagramm der akademischen Baukosten 1670–1807 (Diagramm 3.1.) verleitet zu der Annahme, dass die Ausgaben für die akademischen Gebäude bis in die 1720er Jahre, vergleicht man sie mit jenen der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundert, äußerst gering und relativ unbedeutend waren. Eine Analyse des Anteils der Baukosten an den Gesamtausgaben und auch den Einnahmen der Universität in diesem Zeitraum bekräftigt diesen Eindruck. Tatsächlich flossen bis 1720 in der Regel nur zwischen 5 bis 25 Prozent und somit ein eher geringer Teil der jährlichen Aufwendungen überhaupt in Reparaturen und den Bau von Universitätsgebäuden. Diagramm 3.2. Anteil der Baukosten an den Gesamtausgaben, 1670–1720 (Prozent)171 40,00 35,00 30,00 25,00 20,00 15,00 10,00 5,00

Nach 1720 nahmen die akademischen Baukosten insgesamt zu, sowohl was die realen Zahlenwerte anbelangt als auch anteilig. Dieses Bild ergibt sich allerdings vor allem aufgrund diverser baulicher Großprojekte der Universität. Davon abgesehen lag der Anteil der Baukosten in der Regel auch weiterhin zwischen 5 und 25 Prozent. Die Baukosten lassen aber kaum eine Regel erkennen, sondern stellen sich sowohl anhand der realen Zahlen als auch hinsichtlich ihres Anteils an den univer-

170 Eine Ausnahme davon bildet beispielsweise die Errichtung eines Stalls und eines Gartenzauns auf dem Hof von Andreas Mayer, wofür aus der Universitätskasse insgesamt 87 Reichstaler bezahlt wurden, vgl. UAG, Kurator RB 122, Hauptrechnungsbuch von 1782–1783. 171 Vgl. die Tabellen „Baukosten der Universität Greifswald 1646–1806“ und „Fremdkapital und Zinsenausgaben für die Universität Greifswald 1670–1808“ unter www.uni-greifswald.de/furorcameralisticus.

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3.3. Akademische Gebäudekosten in der Praxis

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sitären Jahresausgaben als Posten mit sehr großen jährlichen Abweichungen, d.h. auch als offensichtlich schwer kalkulierbar, dar. Diagramm 3.3. Anteil der Baukosten an den Gesamtausgaben, 1720–1806 (Prozent)172 70 60 50 40 30 20 10 1789 1792 1795 1798 1801 1804

1765 1768 1771 1774 1777 1780 1783 1786

1741 1744 1747 1750 1753 1756 1759 1762

1720 1723 1726 1729 1732 1735 1738

0

Es waren einzelne Großbauprojekte, die den Baukostenanteil deutlich über 30 Prozent steigen ließen. Demzufolge lassen sich nach 1720 drei gesonderte Phasen erhöhter, bzw. außerordentlicher Bautätigkeiten ausmachen: 1735 1747–1750 1786–1789

Bau eines neuen Amtshauses des Amtmanns in Eldena (u.a. Bauten im Amt) Neubau des Kollegiengebäudes Neubau der Generalsuperintendentur, eines Gewächshauses und der Reitbahn

In den 1730er und 1740er Jahren entwickelten sich die Baukosten weitgehend in Relation zu den Einnahmen: Mit steigenden Einnahmen floss auch mehr in die Instandhaltung der existierenden Gebäude. Überschüssige Erträge wurden also in den Gebäudebestand investiert. Konnte die akademische Kasse Ersparnisse aufweisen, sind diese rezessgemäß in Neubauten investiert worden. Immerhin war in Rezessen und Reglements bereits jahrzehntelang betont worden, dass die Universität die bauliche Infrastruktur erweitern müsse, sobald ihre Kasse dies zuließe. Den akademischen Großbauprojekten gingen aber nicht nur Phasen der ökonomischen Erholung voraus, sondern in der Regel beendeten erstere letztere auch. Der direkte Zusammenhang zwischen einem Bauprojekt und akademischer Verschuldung zeichnet sich in der Aufstellung von

172 Vgl. die Tabellen „Baukosten der Universität Greifswald 1646–1806“ und „Fremdkapital und Zinsenausgaben für die Universität Greifswald 1670–1808“ unter www.uni-greifswald.de/furorcameralisticus.

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3. Baukosten

jährlichen Baukosten und aufgenommenen Kapitalbeträgen am deutlichsten für die Bauphase des Kollegiengebäudes zwischen 1747 und 1750 ab: Diagramm 3.4. Baukosten und Kapitalaufnahme, 1740–1759 (Reichstaler)173 14000 12000 10000 8000 6000 4000 2000

Baukosten

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Kapitalaufnahme

Obwohl die Universität in den 1740er Jahren jährlich mehr Erträge als Ausgaben verzeichnete und sogar Kapital gewinnbringend hatte anlegen können174, musste zur Errichtung des neuen Kollegiengebäudes trotzdem Geld gegen Zinsen angeliehen werden.175 Der relativ gleiche Kurvenverlauf der beiden Wertkategorien (Kapitalaufnahme und Baukosten) zwischen 1745 und 1750 zeigt deutlich, dass das Fremdkapital zunächst ausschließlich zur Begleichung der Baukosten und nicht für andere Ausgaben aufgenommen worden war.176 Zwar sind auch während der großen Bauphase in den 1780er Jahre vereinzelt höhere Beträge angeliehen worden, doch lässt sich ein Zusammenhang zwischen Baukosten und der Aufnahme von Fremdkapital nicht wieder so deutlich nachweisen, wie im Fall des Kollegien-Neubaus.

173 Vgl. die Tabellen „Baukosten der Universität Greifswald 1646–1806“ und „Fremdkapital und Zinsenausgaben für die Universität Greifswald 1670–1808“ unter www.uni-greifswald.de/furorcameralisticus. 174 Vgl. dazu Kapitel 5.3.1.b. Eigenkapitalvergabe nach 1670 ab S. 408. 175 Vgl. auch für das Folgende Kapitel 5.3.2.c. Circulus vitiosus debitorum ab S. 420. 176 Dass dieses Fremdkapital inklusive der jährlichen Zinsen theoretisch als rechnerischer Bestandteil der Baukosten für das Kollegiengebäude gewertet werden müsste, ist aus der Professorenschaft zwar gefordert, in entsprechenden Kostenaufstellungen zur Rechenschaft allerdings nie beachtet worden. Caeso von Aeminga hatte zumindest am 14. Dezember 1750 in einer Stellungnahme zur Baukostenfrage und dem daraus entstandenen Konflikt um Andreas Mayer für eine solche Erweiterung des Baukostenbegriffs plädiert, vgl. LAGW, Rep 10, Nr. 1940, o. fol.

3.3. Akademische Gebäudekosten in der Praxis

301

3.3.4. Der Bau des Kollegiengebäudes um 1750 a) Administrative, ökonomische und politische Umstände. Die feierliche Eröffnung des Hauptgebäudes der Universität Greifswald fand im Sommer 1750 in Form diverser Festveranstaltungen statt.177 Zum Anlass der Einweihung publizierte außerdem Augustin von Balthasar eine historische Übersicht über den akademischen Gebäudebestand und zeigte sich im Vorwort seines kleinen Werkes dankbar darüber, dass durch das Patrimonium unsere Einkünfte dergestalt gesegnet [sind], daß wir die Kosten dieser vorgenommenen Baute aus eigenen der Akademie Mitteln zu bestreiten vermögend sind.178

Drei Jahre später hatte er seine Auffassung von der Finanzierbarkeit des Neubaus allerdings deutlich revidiert: Die „übertriebene kostbahre Baute des neuen Collegii“ hatte mittlerweile die academische Casse in der maße erschöpffet das nicht nur der von vielen Jahren her ersparte Vorrath von 15000 Reichstaler darauf gegangen, sondern auch nach und nach an zinsbahres Capital von 20.000 Reichstaler dazu [hatte] aufgenommen werden müßen.179

In der vorhandenen Literatur lassen sich zwar vereinzelt Anmerkungen über den Zusammenhang von Kollegienneubau und Verschuldung der Universitätskasse finden, wie auch über den Konflikt des Konzils mit dem Architekten und Bauleiter Andreas Mayer180, die Voraussetzungen und Auswirkungen des Baugeschehens sind bislang aber nicht untersucht worden. Das aktive Baugeschehen begann im Jahr 1747, nachdem der Abriss des Vorgängergebäudes, des Ernestinums181 und die Ersetzung durch einen Neubau an gleicher Stelle von der Konzilsmehrheit beschlossen worden war. Dabei hatte es innerhalb der Professorenschaft durchaus Widerstand gegen die Abriss- und Neubaupläne statt einer Erhaltung und gründlichen Sanierung des alten Hauses, gegeben.182 Andreas Mayer, bauversierter Professor für Mathematik und Physik, Initiator und Architekt des Neubaus und zu diesem Zeitpunkt amtierender Rektor, überzeugte die Mehrheit seiner Kollegen schließlich mit einem realisierbaren Kostenvoran-

177 Ausführliche Beschreibung der Feierlichkeiten zur Eröffnung, in Dähnert: Akademische Gebäude, S. 35–47. 178 So in der Einleitung von Balthasar: Akademische Gebäude. 179 Schreiben des Rektors und Konzils an den König [November 1753], in: RAS Pommeranica, Vol. 229, o. fol. Wie hier nannte die Mehrheit der Professorenschaft wiederholt explizit den Bau des Kollegiengebäude als Hauptursache für die angespannte Wirtschaftslage der Universität nach 1750 und alle folgenden Konsequenzen für die Universität. 180 Der Neubau „hatte doch auch bedeutend mehr gekostet, als Mayer berechnet hatte.“ Seth: Universität Greifswald, S. 140. Andreas Mayer, „der Verhasste“, habe „die Universität durch den Bau des Universitätsgebäudes in Schulden und Verlegenheit gestürzt [...].“ Baumstark: Universität Greifswald, S. 4, 7. 181 Vgl. Kapitel 3.1.2.d. Zentralbau: Kollegiengebäude ab S. 271. 182 Vgl. Seth: Universität Greifswald, S. 140.

302

3. Baukosten

schlag über 12.000 Reichstaler für das gesamte Projekt. Zum Zeitpunkt der Einweihung war das neue Kollegiengebäude noch nicht fertig und hatte bereits 20.000 Reichstaler angeblich „aus eigenen der Akademie Mitteln“ verbraucht. Keine zehn Jahre später hatte der Bau insgesamt über das Dreifache des Kostenvoranschlages verschlungen und die Universitätskasse in große Finanznot gebracht.183 Darüber, dass das über 130 Jahre alte Kollegiengebäude dringend saniert werden müsse, debattierte das Konzil bereits im Sommer 1737. In diesem Zuge wurde das Gebäude rezessgemäß durch den Structuarius und die beiden akademischen Gewerker inspiziert und ein ordentlicher Bestandsbericht erstellt, aus dem notwendige Reparaturen und das weitere Vorgehen hervorgehen sollten. Tatsächlich blieben Reparaturmaßnahmen am Kollegium zunächst allerdings aus.184 Im Februar 1747 gab der amtierende Rektor Christian Stephan Scheffel erneut den Auftrag, den baulichen Zustand des Kollegiengebäudes prüfen zu lassen. Ein Bericht von der Begehung erfolgte im Monat darauf und stellte unter anderem gravierende Schäden an den Wänden im ungenutzten obersten Stockwerk sowie am Dach fest.185 Aber wieder erfolgten keine konkreten Handlungsanweisungen. Erst nachdem das Konzil Ende April 1747 Andreas Mayer zum neuen Rektor gewählt hatte, flammte schließlich eine rege Debatte um die Sanierung oder Neubau des Kollegiengebäudes auf, dessen miserabler baulicher Zustand in der Zwischenzeit offenbar nicht grundlegend verbessert worden war. In Anwesenheit der Kuratoren beschloss das Konzil am 26. Juni 1747 mehrheitlich den Abriss des 150 Jahre alten Ernestinums und dass an dessen Stelle ein Neubau nach den Plänen Andreas Mayers errichtet werden sollte. Der ökonomisch sehr umsichtige Generalsuperintendent Jakob Heinrich Balthasar warnte an diesem Tag bereits eindringlich, dass der Kostenvoranschlag nur auf einer Besichtigung des dritten Stockwerks beruhe und das ganze Ausmaß der notwendigen Ausgaben somit noch gar nicht ersichtlich sei. Wenn das Bauprojekt aber doch mehr als 12.000 Reichstaler erforderte, so Balthasar, würde „dadurch [...] das gantze Capitalet der academie aufgehen“.186 Die meisten Konzilsmitglieder betonten vermutlich daher auch, dass sie ihre Zustimmung nur unter der Bedingung gaben, dass der Bau auf keinen Fall mehr als von Mayer veranschlagt – nämlich 12.000 Reichstaler – kosten würde. Umgehend informierte Mayer den Kanzler und die Regierung in Stralsund über die Zustimmung des Konzils und der Kuratoren zum Neubau. Bezüglich der zu erwartenden Kosten konstatierte der Rektor in seinem Bericht aber lediglich, dass 183 Vgl. Balthasar: Akademische Gebäude, S. 12–14, Seth: Universität Greifswald, S. 140–141. 184 Vgl. dazu die Konzilsprotokolle und Baubegehungsberichte zwischen 1737 und 1738, in: UAG, Altes Rektorat St. 332, fol. 1r–20v. Obwohl das Konzil am 28. Mai 1738 beschloss, dass die Handwerker vorschlagen sollten, „wie am leichtesten die reparation zu bewerkstelligen“ sei (ebd., fol. 19r–20r), erfolgten keine Reparatur- oder anderweitige Baumaßnahmen am Kollegiengebäude. Den Handwerkerlöhnen in den Procuraturregistern der folgenden Jahre nach zu urteilen, fanden so gut wie keine bauliche Arbeiten am Kollegiengebäude statt, sondern hauptsächlich an den Professorenhäusern. 185 Vgl. ebd., fol. 21r. ff. 186 Auszug des Konzilsprotokolls vom 26. Juni 1747, in: Ebd., fol. 26r.

3.3. Akademische Gebäudekosten in der Praxis

303

man „auf die deshalb zumachende Unkosten die gebührende Aufmerksamkeit“187 richten werde. Mayer fuhr außerdem zum Generalgouverneur und Universitätskanzler nach Stralsund, um sein Projekt noch einmal persönlich zu bewerben, woraufhin der Bau am 3. Juli seine landesherrliche Genehmigung fand. Im ersten Sommer wurde zunächst der mittlere Teil abgerissen und neu errichtet, in den folgenden Jahren verfuhr man mit den beiden Seitenteilen offenbar in gleicher Weise.188 Seit September 1747 beanspruchte Andreas Mayer die alleinige Bauaufsicht, die ihm vom Konzil übertragen worden sei. So beschrieb er zumindest im Nachhinein der Regierung in Stralsund, wie ihm durch das Konzil die Direction über diese Baute gantz alleine übergeben worden, und keiner von meinen Collegen sich mit einer besondern Aufsicht befassen wollen, sondern es hat das ganze Concilium überhaupt sich vorbehalten, daß alles dem von [...] Excellence und der Königlichen Hochpreislichen Regierung [...] approbirten Plan gemäs ausgeführet würde [...].189

Als bauversiertem Architekten hätten seine Kollegen ihm also die Ausführung der königlich gebilligten Baupläne überlassen, weil sich keiner von ihnen selbst damit hatte beschäftigen wollen. Hinsichtlich der Zahlungsmodalitäten sei vereinbart worden, dass Mayer die bey unserm Corpori gewöhnlichen Methode“ beibehalte, nämlich, „daß der Herr Structuarius die Gelder auf die von dem Rectore geschehene Assignation [...] auszahle und in Rechnung führe [...].190

Die Pommersche Regierung bestätigte vier Monate später, am 31. Januar 1748, Mayers „direction allein“ in Kollegienbau-Angelegenheiten, verknüpfte diese allerdings mit der Pflicht monatliche Baukosten-Berichte nach Stralsund zu schicken sowie ausschließlich „mit Vorwißen des zu der zeitigen Rectoris Academici und Zuziehung des Structuarii“ vorzugehen. 191 Es bleibt fraglich, warum Andreas Mayer im Januar 1748 explizit die alleinige Bauaufsicht gewährt wurde, obwohl im September 1747 noch obrigkeitlich angedacht war, ihm zur Kontrolle jemanden „aus ihrem mittel annoch zu associiren und demselben die Mit-Aufsicht auf den Collegii Bau zu übetragen.“192 Schließlich war auch die pommersche Regierung daran interessiert die Kosten für das neue Gebäude möglichst im Rahmen der ökonomischen

187 Schreiben des Rektors und Konzils an Kanzler und Regierungsräte in Stralsund vom 28. Juni 1747, in: LAGW, Rep. 10, Nr. 1940, o. fol. Vgl. auch den Entwurf dieses Schreibens in: UAG Altes Rektorat St. 332, fol. 27r–28r. 188 Vgl. dazu auch den Bericht zum Bauvorgang von Andreas Mayers an die Regierung in Stralsund vom 29. Januar 1748, in: LAGW, Rep. 10, Nr. 1940, o. fol. 189 Bericht Mayers an die Regierung in Stralsund vom 13. September 1747, LAGW, Rep. 10, Nr. 1940, fol. 7v–8r. 190 Ebd., fol. 8r. Auf seine Rolle als Auftraggeber von Bauarbeiten und als Kostenverursacher geht er in seiner Rechtfertigungsschrift allerdings nicht ein. 191 Schreiben der Regierung in Stralsund an den Greifswalder Rektor und das Konzil vom 31. Januar 1748, in: UAG, Kurator St. 332, fol. 130r–v. 192 So der Kanzleivermerk auf der Rückseite des Schreibens Andreas Mayers an die Regierung in Stralsund vom 13. September 1747, in: LAGW, Rep 10, Nr. 1940, o. fol.

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3. Baukosten

Möglichkeiten ihrer Universität zu halten. Die landesherrliche Bestimmung über Mayers alleinige Bauaufsicht vom Januar 1748 blieb dem Konzil außerdem unbekannt, bis der Streit um die Mayersche „absoluta potestats“193 im Spätsommer 1750 offen ausbrach. Ob der damals amtierende Rektor und betroffene Mayer selbst davon gewusst hat, bleibt unklar. Das Konzil erreichte diese Bestimmung unter seinem Rektorat aber mit Sicherheit nicht.194 Die administrativen und kommunikativen Umstände des Kollegienbaus lassen sich nicht mehr hinreichend rekonstruieren, denn die Überlieferung weist diesbezüglich verdächtige Lücken auf. So zeichnet das Mayersche Rektorat (1747–1748) beispielsweise aus, dass es das einzige Rektoratsjahr der frühneuzeitlichen Universität Greifswald ist, in dem keine Matrikel geführt wurde. Außerdem ließ Mayer als Rektor im Konzil die Protokollführung aussetzen.195 Ob die fehlende Schriftlichkeit vorsätzlich war, bleibt offen. Allerdings erweist sie sich im Zusammenhang mit Andreas Mayers Konflikten, die häufiger in einer Pattsituation endeten, in der die eine Aussage gegen die andere stand und sich beide nicht mehr verifizieren ließen, als zumindest auffällig.196 In den ersten beiden Baujahren (1747–1749) wurde aus der Universitätskasse hauptsächlich Material zum Neubau finanziert. Obwohl das alte Kollegiengebäude stückweise abgerissen wurde, schienen die daraus gewonnenen Materialien nicht, wie eigentlich üblich, verwendet worden zu sein. Stattdessen hatte der Bauleiter und Architekt Andreas Mayer große Mengen an Steinen und Ziegeln neu angeschafft.197 Innerhalb von nur zwei Jahren verdreifachten sich alleine die Materialkosten. Die am Neubau beschäftigten Handwerker reichten ihre Rechnungen vermehrt dann in den Jahren 1749 und 1750 ein. Während der akuten Bauphase sind 193 So Jakob Heinrich von Balthasar im Zirkular des Rektors von Aeminga am 23. September 1750, in: UAG, Altes Rektorat St. 332, fol. 170r–171r. 194 Zumindest konnte sich im September 1750 keiner der Professoren daran erinnern, dass eine solche Bestimmung durch den Rektor (A. Mayer) im Konzil vorgetragen worden wäre. Vgl. Zirkular des Rektors von Aeminga vom 11. September 1750, in: Ebd., fol. 127r–128r. Tatsächlich wollte die Konzilsmehrheit aber dies gegenüber der Regierung nicht zugeben, weil sonst – zu Recht – der Vorwurf im Raum stünde, dass das Konzil das zweifelhafte Geschäftsgebaren Mayers zu spät hinterfragt hatte, vgl. ebd. fol. 177r–178r. 195 Jakob Heinrich von Balthasar bemerkte dazu im September 1750 spitz, dass Andreas Mayer sämtliche Vorwürfe von sich weisen könnte, wenn er in seinem Rektorat hätte Protokoll führen lassen. Vgl. das Zirkular des Rektors von Aeminga vom 11. September 1750, in: Ebd., fol. 127r–128r. 196 Ein Großteil der Akte UAG, Altes Rektorat St. 332 („zum Collegien Baute“ 1747–1750) ist erst „den 29. dec. 1771 von dem Herrn Professor Mayer ins Archiv geschicket“ worden (ebd., fol. 21r), war also vermutlich während der Konfliktaustragung nicht einsehbar. Außerdem gab Mayer wiederholt an, von Informationen nichts gewusst zu haben, wie beispielsweise, dass wegen der Einwände gegen den Kollegienbau „meines Wißens nach nicht eine eintzige [...] communiziert worden“ wäre (ebd., fol. 1912–203r). Auch als es um seine Rolle als Dekan im Zusammenhang mit der umstrittenen Publikation Johann David von Reichenbachs ging, zeigte Andreas Mayer sich als unwissend, vgl. dazu Seth: Universität Greifswald, S. 143. 197 Zwischen 1747–1748 wurden aus der Universitätskasse insgesamt ca. 1.800 Reichstaler für mindestens 425.000 Steine gezahlt, vgl. dazu auch Kapitel 3.2.4. Entwicklung der baubezogenen Ausgabentitel, S. 288.

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3.3. Akademische Gebäudekosten in der Praxis

also zunächst hauptsächlich Materialrechnungen beglichen worden und erst nach und nach die Handwerkerrechnungen für erbrachte Dienstleistungen. Als zunehmend Handwerkerrechnungen eintrafen, reichte schließlich das Geld in der Universitätskasse nicht mehr aus. Tabelle 3.5. Jährliche Ausgaben für Material und Handwerkerlöhne, 1746–1753 (Gulden)198 Rechnungsjahr 1746–1747 1747–1748 1748–1749 1749–1750 1750–1751 1751–1752 1752–1753

Materialkosten 4.792,55 10.818,97 12.568,84 8.867,64 3.696,30 k. Reg. 3.552,46

Handwerkerlöhne 897,01 4.677,87 6.111,84 13.038,58 12.941,76 k. Reg. 2.342,54

Baukosten ges. 6.416,64 15.873,05 19.249,88 23.059,46 17.065,02 k. Reg. 5.954,50

Der Bauleiter Andreas Mayer hielt sich selbst nicht mit dem akademischen Kassenstand au, sondern verwies die Rechnungssteller an den Procurator und sagte ihnen die umgehende Begleichung ihrer Rechnung dort zu. Da die Kasse zu diesem Zeitpunkt aber bereits leer war, gab der Procurator die Rechnungen hilfesuchend an den Prorektor Siegfried Caeso von Aeminga weiter, der sich wiederum an seine Kollegen wandte, wie mit dem ökonomisch offenbar äußerst desinteressierten Bauleiter Mayer umzugehen sei.199 Zur umgehenden Begleichung der offenen Forderungen musste Fremdkapital aufgenommen werden – die Universität sich verschulden. In diesem Zusammenhang stellte sich schnell heraus, dass das Konzil, das eigentlich über höhere Ausgaben zu entscheiden hatte, von etlichen der bereits ausgeführten Arbeiten nichts gewusst hatte.200 Es entbrannte ein Streit über die Auszahlung der Rechnungsbeträge und die Haftung für die Aufträge zwischen dem Bauleiter An198 Vgl. die Tabelle „Baukosten der Universität Greifswald 1646–1806“ unter www.uni-greifswald.de/furorcameralisticus. Weil die Procuraturregister noch keine projektbezogene Baukostenverbuchung vorweisen, umfassen die hier angeführten Zahlen der entsprechenden Baukostentitel in den Procuraturregistern nicht nur die Ausgaben für das neue Kollegiengebäude, sondern auch für die weiterhin und parallel anfallenden Bauarbeiten in und an Universitätshäusern in der Stadt und auf dem Land, vgl. dazu auch Kapitel 3.2.4. Entwicklung der baubezogenen Ausgabentitel ab S. 285. 199 In einem Zirkular vom 15. September 1750 bat von Aeminga seine Kollegen um Handlungsvorschläge, nachdem A. Mayer ihm schriftlich mitgeteilt hatte, „daß ich Ihn mit desgleichen Fragen welche seine Conduite bey der Collegien Baute betreffen, verschonen möge, und Er gleichwohl die Bezahlung aus der Academischen Casse verlange.“ in: UAG, Altes Rektorat St. 332, fol. 119r–120r. 200 Dabei ging es vor allem um in Stralsund angefertigte Stühle und eine um das gesamte Gebäude reichende, kupferne Regenrinne, vgl. z.B. ebd., fol. 106r–v, 109r–120r. Mayer wähnte sich in seinen Bauentscheidungen aber nachweislich ausschließlich der Pommerschen Regierung unterstellt und rechenschaftspflichtig, vgl. dazu Mayers Antwort vom 27. August 1750 auf ein Schreiben von Aemingas, in: UAG, Altes Rektorat S. 332, fol. 117r.

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3. Baukosten

dreas Mayer und dem Prorektor von Aeminga in den Hauptrollen. Aeminga war der Auffassung, dass Mayer persönlich für die Rechnungen aufkommen müsse, wenn die abgerechneten Arbeiten nicht mit dem Konzil abgesprochen gewesen waren und wies daher den Procurator an, dass er Handwerkerrechnungen, deren Aufträge nicht im Konzil besprochen worden waren, nicht begleichen sollte. Daraufhin ließen einige der Handwerker ihre unbezahlt bleibenden Rechnungen kurzerhand der nächsthöheren Instanz, dem Kanzler in Stralsund, zukommen.201 Nachdem auch Mayer und das Konzil jeweils ihre Stellungnahmen zu dem Konflikt an die Kanzlei in Stralsund eingesandt hatten, entschied Axel von Löwen daraufhin die umgehende Begleichung aller Handwerkerrechnungen aus der akademischen Kasse.202 Eine fortschreitende Verschuldung der Universität war damit unumgänglich. Dabei bemühte sich das Konzil akut und auch noch in den folgenden Jahren um interne Lösungsstrategien für das finanzielle Problem.203 Eine strikte Zurückhaltung im Baugeschehen lag natürlich nahe, damit sich die Kasse wieder erholen könne. Es dürften keine unnötigen Ausgaben mehr für den „übermäßigen Zierathes unser bibliothec und collegii“204 getätigt werden. Tatsächlich wurden in den folgenden zwei Jahren so gut wie keine Baukosten mehr geleistet. Insbesondere die umstrittene Frage um die Verantwortlichkeiten beim Bau verschärfte den finanzadministrativen Konflikt im Sommer 1750 deutlich. Einem Großteil der Professoren war zu diesem Zeitpunkt bereits durchaus bewusst, dass die Universität nicht mehr zahlungsfähig war und fremde Gelder hatte aufnehmen müssen, um laufende Kosten bestreiten zu können. Rektor und Konzil hatten durchaus Kenntnis von und großes Interesse am Zustand der akademischen Kasse. Weitaus geringer war dagegen ihr Einblick in das Baugeschehen. Andreas Mayer lag

201 Beispielsweise schickte der Schmied Johann Boeckenhagen eine auf den 4. September 1750 datierte Materialrechnung für Kupfer im Wert von 751 Reichstaler (200 Reichstaler waren als Abschlag bereits beglichen worden) nach Stralsund mit einer ausführlichen Beschreibung des Sachverhalts: Andreas Mayer habe ihm nach der finalen Kupferlieferung die Auszahlung des noch offenen Betrags aus der Universitätskasse bescheinigt. Prorektor von Aeminga hätte dann aber die Zahlung verweigert, weil „doch die Löbliche Academie nichts von dem gantzen Handel“ gewusst habe und auf Andreas Mayer verwiesen. Boeckehagen wandte sich daher erneut an Mayer, der mittlerweile verreist war. LAGW, Rep. 10, Nr. 1940, o. fol. Vgl. ebenso Schreiben des Tischlers Gronow an die pommersche Regierung vom [22. September 1750], ebd. 202 Vgl. Ebd. 203 Im Oktober 1750 wurden die Bauangelegenheiten gemeinsam mit den Kapitalsachen (war bereits eng verbunden) vom Konzil in den Seniorat verlagert. Der Hauptkritiker dieser Maßnahme war Andreas Mayer, der sich wiederholt und auch beim König darüber beschwerte. Vgl. dazu Kapitel 5.1.6. Akademisches Kapitalwesen in Greifswald – Normgebung ab S. 393. 204 Schreiben des akademischen Syndikus Engelbrecht an Rektor von Aeminga vom 9. August 1749, in: UAG, Altes Rektorat St. 332, fol. 79. Als das Problem Jahre später weiterhin bestand, wurden die Forderungen radikaler. Zum Beispiel forderte Prof. Schwartz im Zirkular des Rektors A. von Balthasars am 13. November 1753 sehr knapp: „Ich bin also gantz davor, daß der bau aufhöre“, in: UAG, Altes Rektorat R 1515, fol. 66r.

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dagegen viel an seinem Bauprojekt, aber dafür weitaus weniger an der Kassenlage. Schnell stand Mayer isoliert im Konzil.205 Ihm gegenüber sind vor allem der Prorektor Caeso von Aeminga und der Generalsuperintendent Jakob Heinrich Balthasar206 zu verorten – zwei ausgesprochen versierte Kenner der akademischen Finanzverwaltung, die in der Regel auch die Konzilsmehrheit hinter sich hatten.207 Mayer verwies auf die – dem Konzil bis dato unbekannte – Anweisungen der Stralsunder Regierung vom 31. Januar 1748 und weigerte sich in strikter Auslegung dieser, die Mitsprache des Konzils in seinen Bauangelegenheiten zu akzeptieren. Am 27. August 1750 verlangte er daher in einer Stellungnahme zum Streit mit Ae-minga, dass er selbst fernerhin mit allen solchen Fragen [verschont bleibe], welche meinen Amtspflichten in Ansehung der bey der Collegen Baute geführten Conduito insbesondere betreffen, ich werde deren Niemand anders rechenschafft geben als [...] hochpreisl. Kg. Regierung, welche mich dafür autorisiret [habe].208

Ab September 1750 wurde im Konzil schließlich die alte Forderung wieder laut, Andreas Mayer jemanden zur Kontrolle seiner Bauleitung „ex corpore [zu] adjungiren“209; möglichst einen Kollegen, der in „der Bau Kunst gleichfalls erfahren“ sei.210 Allerdings besaß Mayer das fachkundliche Monopol innerhalb der Professorenschaft, weshalb er schließlich überhaupt die alleinige Neubau-Direktion ausführte. In dieser Eigenschaft hatte er aber weder, wie gefordert, regelmäßige Baukostenberichte an den Kanzler geschickt, noch den Rektor und den Procurator im Vorfeld über zu vergebende Aufträge informiert, noch schien er sich in jeglicher Weise für die finanzielle Grundlage seines Projekts zu interessieren. Vor diesem

205 Vgl. Seth: Universität Greifswald, S. 142–143. 206 Bereits ein Jahr vor Ausbruch des Konflikts hatte Jakob Heinrich von Balthasar im August 1749 beispielsweise seine Sorge zum Ausdruck gebracht, dass zum einen seit Baubeginn keiner so recht wüsste „wie es mit unserer Cassa stehe“ und zum anderen, dass im Falle des „unvermutheten“ Ablebens des amtierenden und hoch betagten Procurators Rektor und Konzil sich „gewiß nicht zu rathen“ wüssten. So in Marginalien von Balthasars am Schreiben des Syndikus Engelbrecht, in: UAG, Altes Rektorat St. 332, fol. 79r. 207 Obwohl – oder vielleicht gerade weil – etliche der Professoren erstaunlich wenig über den Zustand der akademischen Kasse wussten. Diese Tatsache wird aus den Antworten der Professoren zu den vorwiegend ökonomischen Fragen im Zuge der Befragung durch die Visitationskommission vom 24. Januar bis 8. Februar 1755 ersichtlich, in: RAS Pommeranica, Vol. 424, o. fol. Es gab aber auch durchaus behutsame Gegenstimmen im Konzil. So wiesen zum Beispiel die Professoren Schwartz und A. von Balthasar den Rektor von Aeminga darauf hin, dass einige der Baumaßnahmen doch nicht ganz unnötig gewesen seien, vgl. Marginalien in von Aemingas Entwurf zur Darstellung des Konflikts vom 27. September 1750, in: UAG, Altes Rektorat St. 332, fol. 117r–178r, oder auch ebd. fol. 249r–251r. 208 Stellungnahme Andreas Mayers zum Konflikt mit von Aeminga, die er im August 1750 an die Regierung in Stralsund sandte, in: Ebd., fol. 117r. 209 Vermutlich ohne dass die Professoren wussten, dass genau diese Bedingung im Sommer 1747 von der Regierung in Stralsund eigentlich schon einmal angedacht war. 210 Zirkular des Rektors von Aeminga vom 11. September 1759, in: UAG Altes Rektorat St. 332, fol. 127r–128r.

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Erfahrungshintergrund der Professorenschaft muss auch der kurze Zeit später ausbrechende Konflikt des Konzils mit der Regierung in Stockholm um Mayers individuelle Gehaltszulagen und die Erstattung seiner Instrumentensammlung gesehen werden.211

b) Verschuldung durch den Kollegienbau Als das Konzil in Anwesenheit der Kuratoren dem Neubau des Kollegiengebäudes unter der Bedingung der Einhaltung des finanziellen Rahmens von 12.000 Reichstalern212 zustimmte, hatte die Universität noch „15000 rthl. vorräthige Mittel gehabt [...]“.213 Tatsächlich verzeichnete die akademische Finanzverwaltung im Rechnungsjahr 1746–1747 15.023,29 Reichstaler Außenstände, d.h. gegen Zinsen verliehenes Eigenkapital. Weder zu Beginn der Bauphase noch zu Beginn des Konflikts um die Baukosten ist der jährliche Überschuss, also der bare Restbestand aus dem Jahresgeschäft, in das argumentative Feld geführt worden214, sondern ausschließlich die Kapitalrücklagen, das Vermögen außerhalb des Haushalts der Universität.215 Die gesamten Baukosten der Universität betrugen im Rechnungsjahr 1747– 1748 insgesamt 9.436 Reichstaler. Dem ersten Kostenbericht zum Kollegienbau zufolge, den Andreas Mayer wie gefordert im Januar 1748 bei der Pommerschen Regierung einreichte, hatte der Neubau bis dato 4.813 Reichstaler gekostet (51 Prozent der gesamten Baukosten des Jahres), wobei Mayer in demselben Schriftstück ankündigte, dass dieser Betrag bei Weitem nicht ausreichen würde.216 Seiner Kostenaufstellung für den Zeitraum von 1747 bis 1753 lässt sich dann die Gesamtsumme für den Bau des Kollegiengebäudes über 31.938 Reichstaler entnehmen.217

211 Vgl. dazu Kapitel 2.3.1.c. Gehaltszulagen ab S. 232 und Kapitel 2.3.1.d. Kampf ums „Augmentum Salariorum“ ab S. 236. 212 In der Literatur wird der Kostenvoranschlag stets mit 16.000 Reichstalern beziffert, vgl. Seth: Universitetet i Greifswald, S. 198 oder auch Rütz: Kollegienebäude Greifswald, S. 38. Die Abstimmung im Konzil am 26. Juni 1747 basierte allerdings auf veranschlagten Kosten von 12.000 Reichstalern, vgl. UAG, Altes Rektorat St. 332, fol. 26 sowie das Schreiben von Rektor und Konzil an den Kanzler und die Pommersche Regierung vom 4. April 1754, in: LAGW, Rep. 10, Nr. 1940. o. fol. 213 So im Schreiben von Rektor und Konzil an den Kanzler und die Pommersche Regierung vom 4. April 1754, in: Ebd. 214 Lediglich Andreas Mayer nutzte (vermutlich gezielt) die Vorratszahlen, vgl. dazu Kapitel 2.3.1.d. Kampf um „Augmentum Salariorum“ ab S. 236. 215 Zu den akademischen Außenständen vgl. Kapitel 5.3.1.b. Eigenkapitalvergabe nach 1670 ab S. 408. Zur Problematik die die Geldanlage aber bei akutem Geldbedarf mit sich bringen konnte, vgl. Kapitel 5.3.3.e. Schuldenabbau ab S. 450, sowie allgemein Kapitel 5.1.4. Interessen und Bedürfnisse im Kapitalhandel ab S. 387. 216 Vgl. Kostenbericht Mayers an die Regierung in Stralsund vom 29. Januar 1748, in: LAGW, Rep. 10, Nr. 1940, o. fol. 217 Vgl. LAGW, Rep. 10, Nr. 1940, o. fol.

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Im Konzil war man allerdings davon überzeugt, dass der von Mayer errechnete Betrag zu niedrig sei.218 Dort bezifferte man die Kosten für den Kollegienbau alleine der ersten beiden Baujahre bereits auf 22.382 Reichstaler.219 Bei insgesamt 29.091 Reichstalern akademischer Bau- bzw. Gebäudekosten in dem genannten Zeitraum machte der Mayersche Neubau demnach 77 Prozent der gesamten akademischen Baukosten aus. Beide Aussagen lassen sich allerdings nicht mehr verifizieren, da die Procuraturregister der Rechnungsjahre 1751 und 1753 nicht überliefert sind. Der Neubau des Kollegiengebäudes ließ die akademischen Ausgaben rasant ansteigen und zwang die Universität, Fremdkapital aufzunehmen, um anfallende Handwerker- und Materialrechnungen begleichen zu können. Das Verhältnis von akademischen Kapitalrücklagen in der Region und universitärer Verschuldung verkehrte sich damit rasch und dramatisch: Tabelle 3.6. Verhältnis der Außenstände zur Verschuldung (exemplarisch) Rechnungsjahr 1745–1746 1749–1750

Außenstände220 15.775,00 11.823,00

Fremdkapital221 266,50 35.628,67

Das Kapital, aus dem der Bau hatte finanziert werden sollen, reichte nicht aus. Laut verabschiedetem Plan vom Juni 1747 hätten die veranschlagten 12.000 Reichstaler bei über 15.000 Reichstalern Außenständen eigentlich genügen müssen. Bloß war das verliehene Kapital so kurzfristig nicht auszulösen. Die meisten Schuldner der Universität konnten das Kapital gar nicht unmittelbar abtragen – sie beglichen schon die jährlich anfallenden Kapitalzinsen äußerst nachlässig.222 Allen Außenständen zum Trotz musste daher auch schon vor Ausbruch des Streits Fremdkapital aufgenommen werden.223 Allerdings hatte sich bis zum Sommer 1750 das aufgenommene Kapital noch im Vermögensrahmen der eigenen Außenstände befunden, d.h. dass bis dahin die Gelder theoretisch noch auszugleichen waren; vorübergehende Notstände in der Universitätskasse waren schließlich nichts Ungewöhnliches. Es ist also nicht erstaunlich, dass der Konflikt im Konzil zu dem Zeitpunkt ausbrach, als diese Vermögensgrenze überschritten war. Der Gedanke, dass das Fremdkapital und die dazugehörigen zu leistenden Zinsen eigentlich ebenfalls als Baukosten für das Kollegiengebäude gewertet werden müssten, wie von Aeminga es im Dezember 1750 forderte224, ist durchaus nach218 219 220 221 222

Vgl. Ebd., fol. 124r. Vgl. UAG, Altes Rektorat St. 332, fol. 87–89. Summe des verliehen Kapitals in Reichstalern. Summe des angeliehenen Kapitals in Reichstalern. Von den 1749–1750 noch außenstehenden 11.823 Reichstalern kamen lediglich 21% (d.h. 127 statt 597 Reichstaler) der Soll-Zinsen tatsächlich ein. 223 Vgl. auch Kapitel 5.3.3.a. Akademische Verschuldung ab S. 435. 224 Vgl. die Stellungnahme von Aemingas, die bei der Pommerschen Regierung am 14. Dezember 1750 einging, in: LAGW, Rep. 10, Nr. 1940, o. fol.

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vollziehbar, aber weder beachtet noch umgesetzt worden. Die durch den Bau ausgelöste Schuldenspirale wurde stattdessen auf mangelndes Verständnis der Professoren von den wirtschaftlichen Belangen der Universität und auf ihre „Furcht vor Verlusten im eigenen Haushalte“ zurückgeführt.225 3.3.5. Neubauten der 1780er Jahre Ob es an den neuen Spar- und Kontrollvorschriften nach 1775 lag, an der Wirkmächtigkeit der neuen Akademischen Administration, an gezogenen Lehren aus dem Kollegienbaudesaster oder an der allgemeinen, friedenszeitbedingten Erholung der Wirtschaft kann nicht definitiv konstatiert werden, vermutlich begünstigte die Kombination sämtlicher Maßnahmen, dass die nächste größere Bauphase der Universität in den 1780er Jahren nicht nur keine Neuverschuldung auslöste, sondern gleichzeitig sogar einen anhaltenden Schuldenabbau erlaubte.

a) Die Generalsuperintendentur Das Wismarer Tribunal ordnete im Herbst 1783 an, dass das marode Gebäude der sogenannten Generalsuperintendentur, das Amts- und Wohnhaus des ersten Theologen und Generalsuperintendenten, inspiziert und daraufhin entweder saniert oder neu errichtet werden sollte.226 Offenbar war es zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Jahre lang nicht mehr bewohnt gewesen. Der amtierende Generalsuperintendent Professor Quistorp wohnte in einem Haus der Philosophischen Fakultät. Eine Inspektion erfolgte im Januar 1784 durch den Amtshauptmann, der von je einem akademischen und einem städtischen Zimmer- und Maurermeister unterstützt wurde, und kam zu dem Ergebnis, dass die Generalsuperintendentur durch Reparaturen nicht mehr zu erhalten sei, sondern abgerissen und neu gebaut werden müsse. Johann Christoph Muhrbeck entwarf daraufhin den geforderten Riss und Kostenvoranschlag des neuen Gebäudes, wonach die Ausgaben für den Neubau 5.000 Reichstaler nicht überschreiten sollten. Die weitere Planung und eine lebhafte Debatte227 fanden in den Versammlungen der Akademischen Administration statt, die aber zunächst auf Bestätigung der Baupläne durch den Kanzler warten musste. Eine solche erfolgte am 26. April 1784.228 Der Abriss wurde daraufhin umgehend bei 225 Baumstark: Universität Greifswald, S. 17. 226 Vgl. dazu das Konzilsprotokoll vom 14. November 1783, in: UAG, Altes Rektorat St. 634, Konzilsprotokolle 1783–1784, fol. 5r–8v. 227 Vor allem gingen die Meinungen darüber auseinander, ob das neue Gebäude primär dem niedrigen Kostenvoranschlag oder den repräsentativen Anforderungen des Amtes entsprechen müsse, vgl. insbesondere das Protokoll vom 28. Januar 1784, in: UAG, Altes Rektorat K 5680, Protokolle der Akademischen Administration von 1783–1784, ab fol. 84v. 228 Vgl. die Debatte um den Bau der Generalsuperintendentur in den Versammlungen der Akademischen Administration, in: Ebd., fol. 63v–65r (Protokoll vom 11. Dezember 1783), fol. 75r–

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den akademischen Handwerkern in Auftrag gegeben und zog sich bis Juni hin.229 Das dabei zunächst gewonnene Material wurde vollständig komplett wiederverwertet, wie beispielsweise zur Ausbesserung des äußerst baufällig gewordenen Studen-tenchors in St. Jacobi.230 Die Bautätigkeiten dauerten über drei Jahre. Die ersten Rechnungen beglich die Administration ab Oktober 1784 bezahlt.231 Im Jahr darauf wurden die Wände bzw. die Verbandstücke gerichtet und ab September entstand am Neubau außerdem ein Waschhaus. Wiederum ein Jahr später erhielt das neue Gebäude für die Superintendentur eine Wagenscheune mit einem Pferdestall. Ausführliche Malerarbeiten im Oktober 1786, für insgesamt 93,25 Reichstaler, können als eine Art Abschluss der Bauphase angesehen werden.232 Zum ersten Mal wurde zur Abrechnung einer Baustelle in den Hauptrechnungsbüchern ein gesondertes Konto geführt.

b) Das Gewächshaus Am 10. Januar 1787 brannte das Gewächshaus im Botanischen Garten aus ungeklärter Ursache nieder.233 Im September begannen schließlich die Arbeiten an einem neuen Treibhaus234 und dauerten bis mindestens ins Jahr 1789 an. Eine der letzten größeren Rechnungen im Zusammenhang des Gewächshauses stellte der akademische Maurer für das Verlegen von 475 Fliesen235 im Gebäude. Wann das Ge-bäude tatsächlich fertig gestellt war, lässt sich nicht mit Sicherheit beantworten. In der Regel wurden aber in einem Neubau – auch wenn er bereits feierlich eröffnet worden war – weiterhin etliche Bauarbeiten ausgeführt. Als sich der Bau des Gewächshauses offiziell dem Ende zuneigte, waren nach wie vor die Bauarbeiten an der Generalsuperintendentur noch nicht vollständig abgeschlossen worden. Und

229 230 231 232

233

234 235

75v (Protokoll vom 13. Januar 1784), ab fol. 84v (Protokoll vom 28.Januar 1784), fol. 96r (Protokoll vom 17. Februar 1784) und fol. 132r (Protokoll vom 26. April 1784). Vgl. UAG, Kurator RB 124, Hauptrechnungsbuch von 1784–1785, pag. 287. Vgl. Protokoll vom 10. Juni 1784, in: UAG, Altes Rektorat Hbg. 3/6, Konzilsprotokolle von 1784–1785, fol. 4v. Vgl. UAG, Kurator RB 124, Hauptrechnungsbuch von 1784–1785, pag. 287. Vgl. die Ausgabenposten des Kontos „zur Generalsuperintendentur“, wie es zwischen 1784 und 1786 geführt worden ist: UAG, Kurator RB 124–126, Hauptrechnungsbücher von 1784– 1785 und 1786–1787. Ein Teil der darin befindlichen Pflanzen wurde durch die Hilfe der Bürgerschaft und engagierter Studenten gerettet und anschließend in das private Gewächshaus des botanischen Gärtners „vor dem Fleischer Thor“ gebracht, der dafür „hievor diesen Winter keine Miethe“, sondern lediglich um die Anfahrt des benötigten Holzes bat. So im Konzilsprotokoll vom 11. Januar 1787, in: UAG, Altes Rektorat St. 636, Konzilsprotokolle von 1786–1787, fol. 38v–39r. Vgl. auch Kapitel 3.1.2.c. Lehreinrichtungen: Anlagen und Gebäude ab S. 269 sowie Borriss: Botanische Einrichtungen, S. 515–524. Vgl. UAG, Kurator RB 129, Hauptrechnungsbuch von 1789–1790, pag. 328.

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trotzdem gelang es der Universität – vor allem ihrer Kasse – mit der Reitbahn noch ein drittes Bauprojekt zu stemmen.236

c) Die Reitbahn Seit 1752 war wiederholt von der Universität gefordert worden, dass eine akademische Reitbahn zu errichten sei. Im Hinblick auf die Kassenlage aber ist die Umsetzung dieser Forderung stets auf zukünftige Zeiten einer florierenden Universitätswirtschaft vertagt worden. Andreas Mayer hatte 1756 bei der Visitationskommission zwar schon Baupläne und Kostenvoranschläge auch für eine Reitbahn eingereicht, umgesetzt wurden seine Pläne aber nicht.237 Zwanzig Jahre später bestand kurzfristig die Idee, dass die Ritterschaft, deren Kinder immerhin hauptsächlich von einer Reitbahn profitieren würden, auch die Finanzierung übernehmen könne, die aber ebenfalls keine Umsetzung fand. 1785 hatte sich das Konzil auf einen Ort auf dem Gelände des Schwarzen Klosters für die Errichtung einer Reitbahn geeinigt. Es gab es einen vorläufigen Bauplan und ein Finanzierungskonzept (Torfrevenuen für die Betriebskosten). Die Umsetzung scheiterte aber auch weiterhin an den ökonomischen Voraussetzungen, insbesondere weil auf Befehl des Tribunals die Generalsuperintendentur neu gebaut werden musste. In der Konzilsdebatte um die Reitbahn warnte Professor Gadebusch seine Kollegen außerdem eindringlich, dass von dem bisher ersparten Geld zunächst Schulden abgetragen werden müssten und dass die veranschlagten Torfrevenuen keine zuverlässige Ertragsquelle darstellten.238 1785 schätze das Konzil den Bau einer Reitbahn daher als noch zu belastend für die Universitätskasse ein.239 Gegen Ende der Bauphase der Generalsuperinten236 Als Professor Muhrbeck am 23. Juli 1789 über den Zustand der akademischen Kasse berichtete, war er zuversichtlich, dass im folgenden Jahr die „Bauten der General Superintendentur, des Gewächshauses und der Reitbahn aufhören“ würden. So in einer „Kassenrechnung“ vom 23. Juli 1789, in: RAS, Gadebuschska samlingen Nr. 112, o. fol. 237 Die Reitbahn und die dazugehörigen Häuser (Reithaus, Pferdestall und Bereiters Wohnung) sollten „in dem hiezu erwehlten Platz der Communitaet“ errichtet werden und insgesamt 9.636,17 Reichstaler kosten. Außerdem sandte Mayer Baupläne und Kostenvoranschläge für ein Observatorium astronomicum (1.344,17 Reichstaler) und ein Laboratorium chimicum (750,83 Reichstaler) ein. Vgl. das Schreiben A. Mayers an die Visitationskommission vom 14. Februar 1756, in: RAS, Pommeranica Vol. 424, o. fol. 238 Vgl. dazu insbesondere das Konzilsprotokoll vom 15. Juli 1785, in: UAG, Altes Rektorat St. 635, Konzilsprotokolle von 1785–1786, fol. 2v–5r. Professor Muhrbeck wandte ein, dass die Schulden der Universität ohne das oftmals fälschlicherweise hinzugerechnete Assecurationskapital tatsächlich recht gering seien und auch die Einnahmen aus Torf allemal für den geringen Aufwand einer Reitbahn ausreichen würden. Vgl. dazu auch Kapitel 5.3.3.b. Exkurs: Assecurationskapital ab S. 437. 239 Im diesbezüglichen Conclusum heißt es u.a., dass „[...] die academische Casse nicht in den Umständen [...] sey [...], die Kosten zur Einrichtung der Reitbahn herzugeben und die zum Salario und Unterhaltung bestimte Torf Revenüen [...] viel zu ungewiß [seien], denn daß darauf sichere Rechnung gemacht werden kann.“, Protokoll vom 15. Juli 1785, in: UAG, Altes Rektorat St. 635, Konzilsprotokolle von 1785–1786, fol. 5r.

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dentur forderte dann zunächst der Brand des Gewächshauses dessen dringende Neuerrichtung.240 Erst im Frühjahr 1789 waren die ökonomischen Voraussetzungen gegeben, dass die Bauarbeiten an der Reitbahn (spätestens) im Mai 1789 begannen.241 Der Betrieb der sogenannten Manege ist wenige Monate später, im September noch während der Bauarbeiten aufgenommen worden. 242 Die Fertigstellung der Reitbahn erfolgte vermutlich erst 1791.243 3.3.6. Spar- und Kontrollvorschriften zu den Universitätsgebäuden Beinahe sämtliche Rezesse, Instruktionen und Reglements des 17. und 18. Jahrhunderts mahnten insbesondere bezüglich der Baukosten eindringlich zur Sparsamkeit – sowohl bei der Instandhaltung und Reparaturen als auch beim Neubau von Universitätsgebäuden. Immer wieder wurden die Verantwortlichen instruiert, die Notwendigkeit von Reparaturen und anderen Baumaßnahmen aufmerksam zu überprüfen, um eine Verschwendung von universitären Mitteln zu vermeiden. Oftmals wurden aber in den gleichen Normtexten außerdem Modernisierungsmaßnahmen, in Form von zu errichtenden Institutionen, angestrebt – wenn auch in der Regel mit dem Hinweis auf die leere Kasse vorläufig verschoben. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde der akademische Gebäudebestand durch den Dreißigjährigen und die folgenden Kriege zunehmend maroder, weil der Universität jahrzehntelang die finanziellen Mittel fehlten. „Damit mehrer ruin fürgekommen werde“ bestand zwar die Einsicht, dass die Universitätshäuser saniert werden mussten, aber die Kasse sollte dabei ausdrücklich nicht „mit andern

240 Am 26. Juni 1787 forderte von Hessenstein in der Sitzung der Akademischen Administration dringend den Bau der Reitbahn, vgl. UAG, Altes Rektorat K 5684, Protokolle der Akademischen Administration von 1787–1788, fol. 21r. 241 Vgl. UAG, Kurator RB 129, Hauptrechnungsbuch von 1789–1790, ab pag. 328. Im Hauptrechnungsbuch von 1787–1788 (UAG, Kurator RB 127) befindet sich unter den Ausgaben zu den Gebäuden in der Stadt allerdings schon ein Posten für einen Fuhrlohn „zur Reitbahn“, der vermuten lässt, dass die Vorbereitungen mindestens ein Jahr früher begonnen hatten. 242 Zur gleichen Zeit als der Bereiter von Eckensten sein erstes Quartalsgehalt von 216,25 Reichstalern erhielt, wurde beispielsweise auch der Tischler Philipp Thiemendorff für das Einbauen von Fensterluchten, Fenstern und Türen in den Gebäuden der Reitbahn entlohnt, in: UAG, Kurator RB 96, Verifikationen von 1789–1790, pag. 1311. Die letzten Ausgaben explizit „für die Reitbahn“ erfolgten im Sommer 1791. UAG, Kurator RB 131, Hauptrechnungsbuch von 1791–1792, ab pag. 318. 243 Darüber hinaus entwickelte sich die neue Einrichtung mit einer zusätzlichen Personalstelle (Stallmeister) und offenbar unerwartet hohen Betriebskosten zu einer „erhebliche[n] Belastung für die Universitätskasse“, vgl. Seth: Universität Greifswald, S. 267. Der erst im Jahr 1795 zustande gekommene Visitationsrezess konstatiert zwar, dass die seit langem geforderte Reitbahn endlich errichtet worden sei. Von einem bestehenden Kostenproblem ist darin allerdings nichts zu lesen, vgl. v.a. Visitationsrezess (1795), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 513.

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alß högst nothwendigen bauten“ belastet werden.244 Es galt also, den Bestand möglichst kostensparend zu erhalten, weitere Schäden zu verhindern und vor allem möglichst „keine unnöthige und überflüssige bauten“, d.h. Neubauten, vorzunehmen.245 Sollte dringender Bedarf für einen Neubau bestehen, sahen die Regularien vor, dass Universitätsexterne – der Kanzler und die Kuratoren als übergeordnete Entscheidungsinstanzen – solche anstehenden Bauten genehmigen mussten. Der Structuarius verfügte bereits in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts über ein jährliches Budget von 1.000 Gulden (500 Reichstaler), aus dem er die „högst nothwenige“ Instandhaltungsmaßnahmen finanzieren konnte.246 Im Rezess zu Beginn des 18. Jahrhunderts ist das alte Baubudget von 1.000 Gulden wieder bestätigt worden. In der Ausgabenpriorisierung an zweiter Stelle (nach den Löhnen) waren die 1.000 Gulden „zu erhaltung und högstnöthiger reparirung deß collegii und der universitet gebäude [...]“ vorgesehen.247 Dass sie in der Regel nicht ausreichten, ist bereits aufgezeigt worden.248 Dennoch hatte das Baubudget so lange bestand, bis der neue Rezess 1775 die pauschale Baukostenbegrenzung aufhob und sie in die jährliche Etatplanung verlagerte.249 Der normativ gesetzte Finanzrahmen wurde also viele Jahrzehnte lang regelmäßig überschritten. Dies bestärkt die Annahme, dass diese Form der Rezessvorgabe eher eine Handlungsorientierung, eine Art Ausgangpunkt für weitere Verhandlungen darstellte als tatsächlich eine strikte Budgetierung. Dafür sprechen auch die stets in den Normtexten wiederholten Aufforderungen zur Sparsamkeit bzw. zum Verzicht auf Verschwendung bei Reparatur- und Bauarbeiten an Universitätsgebäuden. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts lässt sich eine erste Präzisierung des Sparsamkeitsgedankens in der Normgebung ausmachen, indem fortan die Bewohner selbst anfallende Kosten für kleinere Reparaturen, wie „fenster, offen und brunnen außbeßerung“ begleichen sollten, mit der gewohnten Aufforderung „von selbsten sich aller Spahrsamkeit hiebey [zu] erinnern.“250 Größere bauliche Maßnahmen würde die akademische Kasse übernehmen, aber ausschließlich nach Begutachtung durch den Structuarius. Die Entscheidung über die Kostenbegleichung größerer Reparaturen bzw. Verbesserungsmaßnahmen und auch darüber, welche Maßnahmen

244 Visitationsrezess (1666), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 107, vgl. auch die Instruktion für den Procurator und Structuarius (1671), in: Ebd., S. 137. 245 Ebd., S. 136. 246 So im Visitationsrezess (1666) und in der Instruktion für den Procurator und Structuarius (1671) und erneut bestätigt im Visitationsrezess (1702), in: Ebd. S.284. 247 Visitationsrezess (1702), in: Ebd., S. 284. Vgl. dazu auch für das Folgende ebd., insbes. S. 286 und 311. 248 Siehe oben Kapitel 3.3.2. Entwicklungen und Phasen der Gebäudeverwaltung ab S. 295. 249 „Zu den Bauten in der Stadt und im Amte wird so viel als absichtlich erfordert werden kann, besonders ausgesetzet.“ heißt es im Visitationsrezess (1775), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 437. Weiterhin durften „Keine neue Bauten oder andere mit Kosten verknüpfte Einrichtungen [...] ohne vorhero eingeholete Genehmigung des Cancellarii beschlossen und bewerkstelliget werden.“ Reglement für die ökonomische Administration (1775), in: Ebd., S. 447. 250 Visitationsrezess (1702), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 286.

3.3. Akademische Gebäudekosten in der Praxis

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überhaupt klein und welche groß waren, war vom Rektor in Rücksprache mit dem Konzil zu treffen. Aufforderungen zur Sparsamkeit und entsprechende Kontrollvorkehrungen in Bauangelegenheiten bestanden in der Normgebung für die Universität seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Die immense Verschuldung der akademischen Kasse ab 1750 hatten sie aber nicht verhindert. Dementsprechend wurden in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auch die Forderungen nach ökonomischer Zurückhaltung beim Universitätsbau wieder laut und zunehmend schärfer. Ein frühes Beispiel sind die gebäudebezogenen Passagen in Johann David von Reichenbachs Rezessentwurf von 1757, der die für eine deutliche Umverteilung der Kontrollverantwortlichkeit vor allem im Amt Eldena plädierte: Bauten auf dem Land sollten von Pachtbeginn an und vertraglich vereinbart in den Zuständigkeitsbereich des Pächters fallen, um die akademische Kasse damit nicht mehr zu belasten. Von Reichenbach stellte auch fest, dass die 1702 angeordnete Zahlungsverantwortung der universitären Hausbewohner für kleinere Bauarbeiten und ihre Verpflichtung zur Sparsamkeit in der Realität keinerlei Beachtung gefunden habe. Professoren hätten auf Universitätskosten „nicht selten Bauten und Veränderungen vorgenommen [...] mehr zur Bequehmlichkeit als Nothwendigkeit.“251 Die Kontrolle müsse durch Inventare bei der Wohnungsübergabe und durch strengere Inspektionen optimiert werden. Dass die enorme Verschuldung aber durch einen sowohl von der Konzilsmehrheit als auch von der pommerschen Regierung und dem König befürworteten, zentralen Universitätsbau ausgelöst worden war, dass die existenten Spar- und Kontrollmaßnahmen ignoriert, vielleicht sogar wissentlich hintergangen worden sind, ist zumindest universitätsextern nicht einmal beachtet worden. Reichenbachs Vorschläge zur akademischen Baukostenvermeidung fanden 1775 teilweise normative Umsetzung. Das Anlegen von Inventarien für sämtliche Universitätsgebäude durch die Administration sollte die Kontrolle über anfallende Bauten und damit verbundene Ausgaben verbessern. Außerdem definierte der neue Visitationsrezess erstmals was zu den kleinen Maßnahmen zu zählen sei, deren Kosten die Bewohner zu tragen hatten.252 Darüber hinaus gestattete die neue kontenbasierte und projektorientierte Buchhaltung ein präziseres Nachvollziehen von gebäudespezifischen Ausgaben und somit auch deren Planung. Auch im Amt wurde streng auf mögliche Verschwendung geachtet: „Bei dem Bau und Reparationen,

251 Entwurf eines Visitationsabschiedes (1757), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 235. 252 Vgl. Visitationsrezess (1775), in: Ebd., S. 437. Wenn sich ein Bewohner aber zu geizig zeigen sollte und eigentlich notwendige Reparaturen nicht ausführen ließ, würden diese nach einer Inspektion des Häuserbestandes veranlasst werden. Die Rechnung würde die akademische Kasse begleichen, aber dem betroffenen Bewohner von seinem Lohn abziehen. Größere Reparaturen, die ohne Einverständnis des Amtmanns und der Akademischen Administration durchgeführt wurden, sollten dem Bewohner dagegen nicht erstattet werden. Die Kontrollausübung für sämtliche Gebäude- und Bauangelegenheiten wurde ausschließlich dem Amtmann zugesprochen. Reglement für die ökonomische Administration (1775), in: Ebd., S. 460.

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3. Baukosten

die“ zwar „nach den contracten der Universitaet obliegen, muss“ trotzdem „aller überflüssiger Aufwand durchaus vermieden“ werden.253 Diese Optimierungsmaßnahmen schienen einen positiven Effekt auf die weitere Baukostenentwicklung zu haben, auch wenn sie natürlich nicht singulär wirkten. Die akademischen Baukosten fielen im Anschluss an die nicht ganz neuen, aber präzisierten Vorschriften etwas geringer aus und blieben im Verhältnis zum vorsichtig prosperierenden akademischen Haushalt auch weiterhin vergleichsweise gering. Der Blick auf die Baukostenentwicklung nach 1774 zeigt, dass die Neubauten („Neue Bauten“) und das „Baumaterial“ den Kurvenverlauf bestimmten. Ausgaben für Reparaturen und Instandhaltungsmaßnahmen wurden etwas konstanter und somit auch verlässlicher.254 Insbesondere der Anteil der Infrastrukturmaßnahmen (Graben, Wegereinigung, etc.) und der Instandhaltungskosten für Gebäude auf dem Land waren verhältnismäßig gering. Letztere wurden immerhin auch sukzessive an die Pächter abgegeben. Für beide Bereiche lässt sich keine auffällige Vermehrung der Ausgaben und ebenso wenig ein deutlicher Rückgang feststellen. Sie lagen relativ konstant jährlich jeweils zwischen 100 und 400 Reichstalern, nur selten darunter oder darüber. Die jährlichen Reparatur- und Instandhaltungsausgaben für die Gebäude in der Stadt nahmen seit den 1780er Jahren trotz der verbesserten Kontrollfunktionen und erweiterter Sparmaßnahmen aber auch weiterhin zu; ab 1790 sogar auffällig. Die genannten Regulierungen schienen, den nummerischen Daten zufolge, ebenso wenig Beachtung gefunden zu haben, wie schon die entsprechenden Rezess-Passagen nach 1702. Denn in Gebäude muss investiert werden, ihre Unterhaltung kostet fortlaufend Geld und immer wieder neue Bewohner brachten eigene Vorstellungen von Praktikabilität und Bequemlichkeit mit, die sie in ihrer Dienstwohnung umsetzen wollten. 1795 führte man die gestiegenen Instandhaltungs- und Reparaturkosten schließlich auf zwei sich ungünstig ergänzende Faktoren zurück: Auf die nach wie vor gepflegte „bisherige Kostbarkeit der akademischen Bauten“ einerseits und die „Theurung der Stadthandwerker in Greifswald“ andererseits.255 Die Markterweiterung nach 1775 hatte also eine erneute Abhängigkeit von der Preispolitik einer begrenzten Handwerkerschaft mit sich gebracht, der man 1795 durch eine erneute Erweiterung der Dienstleistungsbasis – nun über die Stadtgrenzen hinaus – versuchte auszuweichen. Trotz aller Maßnahmen hatte der Universitätsbau „in der letzten Hälfte dieser Zeit [...] eine gar bedeutende Summe gekostet.“ Daher wurde veranlasst, die dafür „jährlich zu verwendende Summen auf ein gewißes [2.000 Reichstaler] vestzuset-

253 Ebd. 254 Vgl. die Tabelle „Baukosten der Universität Greifswald 1646–1806“ unter www.uni-greifswald.de/furorcameralisticus. 255 Visitationsrezess (1795), in: Alvermann/Spieß: Quellen zur Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 522. Vgl. dazu auch Wächter: Greifswald in der Schwedenzeit, S. 94

3.3. Akademische Gebäudekosten in der Praxis

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zen“256, sowie Neubau und Reparaturen möglichst einzuschränken.257 Außerdem wurden die anfallenden Baukosten im Amt im Rahmen neuer Pachtverträge vollständig auf die Pächter umgelegt. Auch der Gebäudebestand in der Stadt sollte aus Kostengründen wesentlich verringert werden; sowohl um Instandhaltungskosten einzusparen258 als auch Einnahmen daraus zu generieren. In diesem Zusammenhang sollte auch das wohnrechtliche Locarium in ein rein monetäres von jährlich 120 Reichstalern umgewandelt werden.259 Für rangniedere Universitätsverwandte war diese Praxis bereits früher immer wieder diskutiert, aber nie umgesetzt worden.260 Von einer Verschärfung der Sparmaßnahmen im Laufe des 18. Jahrhunderts kann aber tatsächlich keine Rede sein, da die Nichteinhaltung keine Strafmaßnahmen zur Folge hatte. Die Abwesenheit von Strafandrohungen lässt die Umsetzung der Forderungen generell stark bezweifeln. Die Vorgaben zu den Gebäudeausgaben stellten weniger strikte Beschränkungen der Baukosten dar, sondern eher eine vorläufige Budgetierung der Baukosten im Sinne einer Orientierungsmarke. Es muss allen bewusst gewesen sein, dass gerade die unsteten Baukosten nicht strikt planbar waren, dass diese Ausgabengruppe wie keine andere spontan auf Umstände reagieren können musste. Um Verschuldungen oder Illiquidität in anderen Geschäftsbereichen zu vermeiden, während dringend nötige Bauten auszuführen waren, benötigte man also zumindest einen monetären Richtwert, wie 1702 die veranschlagten 1.000 Gulden zu Reparaturen und Instandhaltung. Für eine Verbesserung in der Baukostenplanung durch die Vermeidung unnötiger Baukosten sorgte im Laufe des

256 Ebd., S. 524. Dass 2.000 Reichstaler veranschlagt worden waren, wird aus dem Protokoll der Akademischen Administration vom 15. Mai 1797 ersichtlich, UAG, Altes Rektorat K 5693, Protokolle der Akademischen Administration von 1797–1798, fol. 4r. Die Akademische Administration forderte beim Kanzler eine Erhöhung bzw. Anpassung an die Realität auf 5000 Reichstaler. Der Kanzler ging darauf aber nicht ein, vgl. das Protokoll der Akademischen Administration vom 29. Mai 1797, ebd., fol. 12r. 257 Instandhaltungskosten im Amt wie auch potenziell anfallende Kosten durch Feuerschäden waren bereits weitgehend vom akademischen Kernhaushalt losgekoppelt, damit „die Landbauten der Akademie nicht weiter sehr lästig werden.“, in: Visitationsrezess (1795), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 524. 258 Weil die „Bauten in dem akademischen Amte sowohl als auch in der Stadt [...] seit der letzten Visitation [...] eine gar bedeutende Summe gekostet“ hatte, müsse man daher in der Stadt „die Gelegenheit zum Bauen und Repariren möglichst“ einschränken; d.h., dass die Amtshäuser möglichst veräußert werden sollten, ebd., S. 524. 259 Ebd. 260 Vgl. die gezahlten Locaria-Zahlungen für die meisten Bediensteten in den Hauptrechnungsbüchern, sowie exemplarisch die Debatte der Professoren im Zirkular des Rektors vom 25. April 1771, ob das Haus, das sich der Pedell und der akademische Maurer teilten, saniert, oder ob den beiden stattdessen nicht ein monatliches Locarium ausgezahlt werden sollte. Die Mehrheit sprach sich für die einmalige Reparatur aus, weil man auch befürchtete, dass, wie Prof. Dähnert es formulierte „die locaria in wenigen Jahren die Reparationskosten übersteigen“ würden. Tatsächlich reichten die dafür veranschlagten 107 Reichstaler für die Sanierung nicht aus: Am Ende des Monats waren bereits 292 Reichstaler dafür ausgegeben worden. UAG, Altes Rektorat Hbg 305, pag. 45.

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3. Baukosten

18. Jahrhunderts daher weniger die stets wiederholte Mahnung zur Sparsamkeit, sondern viel eher Optimierungsmaßnahmen zur Vermeidung von unvorhergesehenen Kosten und zur besseren Prognostizierbarkeit von Baukosten, wie eine Feuerversicherungspflicht für Pächter261, das Assecurationsgeld262, die konten- und gleichzeitig projektbezogene Buchhaltung und ein jährlich angepasster, d.h. reaktiver Baukostenetat. Auch der Plan zur Veräußerung der meisten Professorenhäuser und einer Umwandlung des Rechts auf eine aus der akademischen Kasse getragenen Dienstwohnung in ein monetäres Locarium von jährlich 120 Reichstaler pro Ordinarius ist im Kontext der verbesserten Prognostizierbarkeit der Kosten zur verlässlicheren Etatisierung zu verstehen. 3.4. ZWISCHENFAZIT 3.4. ZWISCHENFAZIT

Die Universität Greifswald gab im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts im Rahmen ihrer steigenden Gesamteinnahmen und –ausgaben tendenziell auch immer mehr für ihren Gebäudebestand aus. Zu den akademischen Baukosten sind sowohl Reparatur- und Instandhaltungskosten am Gebäudebestand als auch Ausgaben für Neubauten zu zählen. Insgesamt machten sie zwischen 5 und 25 Prozent der jährlichen Gesamtausgaben der Universität aus. Einzelne Großbauprojekte ließen den Anteil deutlich ansteigen: Auf 30 Prozent oder sogar auf über 60 Prozent der jährlichen Gesamtausgaben. Im Vergleich zu den übrigen Kostenfaktoren (Personal, Stipendien, Zinsen) war der für ‚Gebäude‘ besonders unbeständig, weil er in höchstem Maße auf Unvorhergesehenes reagieren musste. Das bedeutet, dass die Baukosten äußerst schwer zu kalkulieren waren. Weil der akademische Gebäudebestand aber eine auch ökonomisch relevante Betriebsgrundlage der Universität darstellte, wurde seinem Erhalt gleichzeitig eine besonders hohe Bedeutung beigemessen. Vor diesem Hintergrund fällt auf, dass die Procuraturregister bis in die 1760er Jahre keine zusammenhängende oder explizite Verbuchung der Baukosten, d.h. sämtlicher im Zusammenhang des Gebäudeerhalts stehender Ausgaben, vorweisen. Stattdessen befinden sich Einträge zu ebensolchen Ausgaben (Instandhaltung, Reparaturen, Neubau) unter diversen Spezialtiteln oder auch einzeln verteilt unter Sammeltiteln. Die statistische Auswertung der Procuraturregister bleibt diesbezüglich daher in besonderem Maße unvollständig und lediglich eine Annäherung. Das bedeutet ebenso, dass die Register auch den Zeitgenossen keine Gesamtübersicht über die akademischen Baukosten erlaubten – obwohl allen Beteiligten bewusst war, dass gerade diesem veränderlichen und potenziell hohen Kostenfaktor besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden müsste. Erst in Folge der Verschuldung

261 Am 14. April 1787 beschloss die Akademische Administration folgende Feuerschutzmaßnahmen: Zwölf Ledereimer im Collegium, zwei Ledereimer, eine Handspritze und einen Feuerhaken für jede Professorenwohnung, außerdem sollten die vier Türen des Kollegiengebäudes und eine Pumpe an St. Nikolai durch große Laternen beleuchtet werden. Protokoll der Akademischen Administration vom 14. April 1787, in: UAG, Altes Rektorat K 5683, fol. 120r. 262 Vgl. dazu Kapitel 5.3.3.b. Exkurs: Assecurationskapital ab S. 437.

3.4. Zwischenfazit

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durch den Kollegienneubau um 1750 und vermutlich aus der Erfahrung, dass lange Zeit die realen Gesamtkosten für den Neubau nicht hatten erfasst werden können, entstand aus der bis dato üblichen empfängerorientierten eine zweckorientierte und somit gebündelte Verbuchung der baubezogenen Ausgaben in den Jahresrechnungen, was das Nachvollziehen der Kostengruppe als Gesamtes deutlich erleichterte. Der Gebäudebestand generierte auch Erträge in Form von Mieten. Diese können allerdings im Vergleich zu den Revenuen aus dem Amt als unbedeutend bezeichnet werden. Vermietet wurden sowohl im Kollegiengebäude als auch auf dem Gelände des Schwarzen Klosters einzelne Stuben an Studenten (Burse und Regentie) sowie weitere Räumlichkeiten in der Regel an Universitätsverwandte (Lehrer und Handwerker). Ein gewisser Anteil der Räume wurde allerdings im Rahmen von Stipendien oder des Locariums immer auch mietfrei bewohnt. Die universitäre Vermietung an Studenten (akademische Bursen), in die in den 1570er Jahren noch investiert wurde, war im Laufe des 17. Jahrhunderts deutlich rückläufig, im 18. Jahrhundert ging sie noch weiter zurück und ist kaum noch erwähnenswert. Die entsprechenden Räume wurden bereits im 17. Jahrhundert zunehmend als Dienstwohnungen, d.h. mietfrei, dem Lehrpersonal zur Verfügung gestellt. Das Interesse an den akademischen Bursen nahm bei den Studenten im Laufe des Betrachtungszeitraums offensichtlich deutlich ab – zwangsläufig zu Gunsten der privaten Bursen. Über diese Entwicklung hinaus erzielte die universitäre Vermietung nur geringe – häufig nicht verlässlich einkommende – Einnahmen, brachte aber im Gegenzug hohe Kosten und einen hohen administrativen Aufwand beim Eintreiben der Mieten und bei der Instandhaltung bzw. Reparaturen mit sich. Das Modell der akademischen Burse war nicht rentabel und verschwand im Laufe des Betrachtungszeitraumes weitgehend. Zu den Universitätsgebäuden zählen, neben den Gebäuden auf dem Land, in der Stadt zum einen die zentralen Universitäts- und die speziellen Lehrgebäude und zum anderen die vorwiegend privat genutzten Wohnhäuser von Universitätsverwandten (‚Professorenhäuser‘). Letztere wurden seit Bestehen der Universität in der Regel von der Korporation angekauft oder gelangten durch Schenkungen in ihren Besitz. Sie fungierten im Rahmen des Locariums als Dienstwohnungen und wurden im Laufe der Zeit für gewöhnlich auf Universitätskosten repariert, saniert oder auch baulich erweitert. Die kollektiv genutzten Gebäude und die Lehreinrichtungen sind dagegen zu ihrem spezifischen Zweck von der Korporation errichtet und finanziert worden – mit erheblicher Unterstützung, weil die Universitätskasse die Großbauprojekte in der Regel nicht alleine stemmen konnte. Für das 16. und 17. Jahrhundert lassen sich diesbezüglich hauptsächlich landesherrliche und ständische Schenkungen und Stiftungen als etablierte Form der Kofinanzierung ausmachen. Im 18. Jahrhundert halfen dagegen vor allem Anleihen von Fremd- und Stiftungskapital der Universität bei der Finanzierung ihrer Großbauprojekte. In Zeiten einer schwachen Universitätswirtschaft beschränkten sich die korporativen Ausgaben für die Gebäude auf dringend notwendige Reparatur- und Instandhaltungsmaßnahmen. Phasen der Prosperität brachten für gewöhnlich ein erhöhtes Baugeschehen mit sich. Davon zeugen insbesondere die akademischen

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3. Baukosten

Großbauprojekte der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts (Oeconomie/ Regentie und das Ernestinum) und Mitte des 18. Jahrhunderts (Kollegienneubau). Sie zeugen außerdem davon, dass akademische Großbauprojekte die Phase der Prosperität auch wieder beendeten. Ansätze zu projektgebundenen Rücklagen, also ein gezieltes Ansparen, um Bauprojekte zu verwirklichen, lassen sich für das 18. Jahrhundert noch nicht ausmachen. Für das 18. Jahrhundert lässt sich besonders deutlich nachvollziehen, dass die Ausgaben für die akademischen Gebäude jeweils anstiegen, wenn über mehrere Jahre die Gesamteinnahmen die Ausgaben überstiegen hatten. Überschüssige Erträge hatten also in der Regel Investitionen in den Gebäudebestand zur Folge, die – von einzelnen Großprojekten abgesehen – zum größeren Teil in den Gebäudebestand auf dem Land flossen. Bis 1795 kam die Universitätskasse auch weitgehend für die Errichtung neuer Gebäude sowie für Reparatur- und Instandhaltungsmaßnahmen im Amt Eldena auf. Die Maßnahmen an den dortigen landwirtschaftlichen Nutzbauten und Wohnhäusern waren weniger kostenintensiv und sind durchgehend vorgenommen worden. Dagegen waren neue Lehr- und Amtsgebäude in der Stadt deutlich teurer und entstanden daher seltener. Seit 1634 wurden die baulichen Maßnahmen im Amt aus akademischen Mitteln – die sich immerhin auch zum Großteil daraus speisten – geleistet, bis die Zahlungsverantwortung zumindest für Reparatur und Instandhaltung Ende des 18. Jahrhunderts den Pächtern übertragen wurde. Diese Entwicklung korreliert auch mit der Baukostenverbuchung in den Procuraturregistern, die bis in die 1770er Jahre empfängerorientiert war und daher die Baukosten auf dem Land nicht von denen in der Stadt unterschied. Nach 1646 bildete die eigene Guts- und Agrarwirtschaft das ökonomische Fundament der Universität Greifswald. Dementsprechend war die Korporation auch in hohem Maße von den Entwicklungen im Amt Eldena abhängig. Gleichzeitig wies sie aber – weit abgelegen von den schwedischen und deutschen Zentren – nur sehr niedrige Studentenzahlen auf. Unter diesen Umständen lag es zur oftmals beschworenen Verbesserung der Lage der Universität schlichtweg näher, in die eigene Gutswirtschaft zu investieren als in die Verbesserung und Modernisierung von Lehreinrichtungen zur potenziellen Erweiterung der Studentenschaft. Die selbstverwaltete Universität konnte so unmittelbarere Ergebnisse erzielen und weit mehr Einfluss in Eldena ausüben, als auf die zukünftige, studierende Jugend und auf deren Eltern. Baukosten unterlagen im Prinzip in jedem Einzelfall der Frage nach der Notwendigkeit der Ausführung: Ist die Maßnahme notwendig, ist sie dringend notwendig, kann sie vorläufig aufgeschoben werden oder ist sie unnötig und sollte unterlassen werden? Die Entscheidungsgewalt darüber lag je nach Größe der Maßnahme (und Interessenlage) beim Structuarius, beim Rektor und dem Konzil, beim Kanzler oder beim Landesherrn. Ab 1720 erhob auch die Kuratel Anspruch auf die Mitbestimmung in den universitären Bauangelegenheiten, die sie nach 1750 schließlich auch ausüben konnte. Ziel war es stets Verschwendung zu vermeiden und dadurch die Universitätskasse zu schonen. Sparsamkeit hatte in Bezug auf die Baukosten oberste Priorität, was seit 1646 auch in den Rezessen deutlich zum Ausdruck gebracht wurde.

3.4. Zwischenfazit

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Im Rahmen dieser Sparsamkeitsmahnungen wurde dem Structuarius seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ein finanzieller Rahmen vorgegeben, in dem sich die jährlichen Kosten für die anfallenden Instandhaltungs- und Reparaturmaßnahmen bewegen durften. Der Rahmen ist aber nachweislich nur selten eingehalten worden. Immerhin war eine strikte Budgetierung auf Grund der schweren Prognostizierbarkeit kaum möglich. Es kann daher angenommen werden, dass die entsprechende Rezessvorgabe ohnehin eher eine Handlungsorientierung, eine Art Verhandlungsbasis für den Structuarius, als eine tatsächliche Budgetierung darstellte. Damit blieb den Visitatoren lediglich das Mittel der wiederholten Aufforderung zur Sparsamkeit, denn die Entscheidungen in den Einzelfällen lagen – zumindest bis in die 1750er Jahre – bei der akademischen Selbstverwaltung. Eine erste auffällige konkrete Einsparmaßnahme bei den Baukosten stellt die explizite Umlage kleinerer Reparaturkosten auf die akademischen Hausbewohner zur Entlastung der Universitätskasse im Visitationsrezess 1702 dar. Weder die allgemeinen Aufforderungen zur Sparsamkeit noch konkret vorgeschriebene Maßnahmen und veranschlagte Kontrollvorkehrungen hatten allerdings die Verschuldung nach 1750 durch übertriebene Baukosten verhindern können: Die existierenden Spar- und Kontrollmechanismen sind schlichtweg nicht beachtet worden. Außerdem standen dem Spargebot immer wieder, teilweise in den gleichen Normtexten, vorwiegend obrigkeitliche Investitionsgebote gegenüber. Insbesondere im Zuge des wachsenden Reforminteresses der schwedischen Regierung an ihrer pommerschen Universität nach 1738 sind wiederholt bauliche Modernisierungsmaßnahmen oder auch Neubauten diverser Lehreinrichtungen landesherrlich eingefordert worden. Ihre Finanzierung hatte die Universitätskasse zu leisten. Manchmal konnte die Umsetzung solcher Pläne unter Rücksichtnahme auf die akademische Kasse Jahrzehnte lang aufgeschoben werden, ein anderes Mal konnte die Kasse die vorgesehene Maßnahme leisten und wieder ein anderes Mal musste die Universität verzinstes Kapital aufnehmen und sich für die Planumsetzung verschulden. Hinsichtlich der frühneuzeitlichen akademischen Bau-Gesetzgebung und der akademischen Bau-Praxis ist ein stets vorhandener Interessenkonflikt zwischen obrigkeitlichen Spargeboten und Investitionsbestrebungen nicht von der Hand zu weisen. Zwischen den beiden widersprüchlichen Forderungen versuchte die akademische Selbstverwaltung jeweils der Wirtschaftsrealität gerecht zu werden. Eine neue und wesentlich erfolgreichere Strategie zur Vermeidung überflüssiger Baukosten zur Entlastung der Universitätskasse wird im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts ersichtlich. Die seit dem 17. Jahrhundert üblichen Aufforderungen zur Sparsamkeit wurden in den Rezessen von 1775 und 1795 zwar nach wie vor wiederholt, statt einer schlichten Verschärfung der Kontrolle oder gar Sanktionen fand aber ein sukzessiver Ausbau der Baukostenplanung und –prävention statt: Auf die zweckorientierte Verbuchung der Baukosten ist bereits hingewiesen worden. Darüber hinaus wurde das Führen von Inventarien der Gebäude verpflichtend und es wurden genauere Definitionen gegeben, wer welche baulichen Maßnahmen zu tragen hätte. Neuen Pächtern wurde die Zahlungsverantwortung für die Gebäude auf ihrem Pachtgrundstück übertragen und potenziell auftretende Notfälle durch das

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3. Baukosten

Assecurationsgeld und eine Feuerversicherungspflicht abgesichert. In Anbetracht steigender Handwerkerlöhne sollte eine Markterweiterung die Kosten senken, indem die seit dem 16. Jahrhundert geltende Handwerkereinschränkung (akademischer Zimmermeister und Maurer) nach und nach aufgelöst wurde. Im Visitationsrezess von 1795 wurde sogar die Verringerung des Gebäudebestandes durch Veräußerungen hauptsächlich von Professorenhäusern veranschlagt und im Zuge dessen eine Umwandlung des regulären Locariums (Recht auf eine Dienstwohnung) in ein monetäres Locarium vorangetrieben. Diese Maßnahmen brachten insgesamt eine Verringerung der Unwägbarkeiten und eine deutliche Verbesserung der Prognostizierbarkeit zur verlässlicheren Etatisierung der Baukosten mit sich. Tatsächlich weichen die jährlichen Ausgaben für akademische Gebäude im letzten Drittel des 18. Jahrhundert immer weniger voneinander ab. Der Kostenfaktor wurde also beständiger und planbarer. Im akademischen Geschäftsbereich der Baukosten stellte sich eine gewisse Zuverlässigkeit ein.

4. STUDIENSTIFTUNGEN 4.1. STIFTUNGEN UND STIPENDIEN 4.1. STI FTUNGEN UND STIPENDIEN

4.1.1. Studienstiftungen allgemein Im November 1671 erhielt der neue akademische Procurator Moevius Völschow im Rahmen seiner Bestallung eine ausführliche universitätsintern aufgesetzte Instruktion zur Amts- und Rechnungsführung. Unter anderem sah die Instruktion vor, dass er sich bei den Ausgaben an eine vorgegebene Rangfolge zu halten habe. Zuerst mussten die Ordinarienlöhne und dann dringende Reparaturen an und in den akademischen Häusern getätigt werden. An dritter und vierter Stelle der akademischen Ausgabenpriorisierung rangierten die studentenbezogenen Kosten: „[...] zur oeconomie bedarf, dann denen stipendiaten daß ihrige [...].“1 Diese Kosten machen den sehr weiten und nicht immer deutlich umrissenen Geschäftsbereich der akademischen Stiftungen aus, der zumindest im Fall der Universität Greifswald einen bedeutenden und phasenweise elementaren Anteil ihrer Vermögensverwaltung darstellte. Diverse Greifswalder Studienstiftungen sind zwar mehrfach numerativ zusammengestellt und im Rahmen der Festschrift zur 550-Jahrfeier der Universität ansatzweise auch bereits typologisiert worden2, die administrativen Verhältnisse blieben bislang aber weitgehend unberücksichtigt.

a) Akademische Stiftungsverwaltung in der Forschung Die geschichtswissenschaftliche Forschung zum Stiftungswesen betrachtet Stiftungen als ein juristisches und kulturelles Phänomen und in der Regel aus der Perspektive der Rechts- und der Sozial- und Kulturgeschichte mit einem Fokus auf der Genese und Funktionsweise mittelalterlicher Stiftungen. Stehen die Studienstiftungen im Zentrum der historischen Analyse, so geht diese methodisch entweder von den Stiftern oder von den Nutznießern, den Benefiziaten, aus.3 Die Rolle der Vermittlungsinstanz, d.h. der Administration der Studienstiftungen, wird weitgehend vernachlässigt. Zwar werden administrative Formen wie individuelle Executoren4 oder auch kollektive Stiftungskomitees erwähnt. Insbesondere quellenbedingt kann de-

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Vgl. Instruktion für den Procurator und Structuarius (1671), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 136–137. Vgl. Gesterding: Stipendien, Gesterding: Stiftungen sowie Auge: Stipendien. Vgl. Borgolte: Stiftungen und Memoria, Ebneth: Stipendienstiftungen, Schäfer: Bürgerliche Studienstiftungen sowie Gößner: Stipendienwesen. Vgl. Ebneth: Stipendienstiftungen, S. 170–171 und Schäfer: Bürgerliche Stipendien, S. 101.

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4. Studienstiftungen

ren Vorgehen aber in der Regel nicht tiefgreifender nachvollzogen werden. Auch die teilweise etatintegrierte Stiftungsverwaltung im Rahmen von akademischen Vermögensverwaltungen ist – wie die akademische Vermögensverwaltung selbst – bislang so gut wie unbeschrieben. Zwar erwähnen wirtschaftshistorische Betrachtungen frühneuzeitlicher Universitäten im Zusammenhang akademischer Finanzverwaltung durchaus Stiftungskapitalien, allerdings ohne diese von den übrigen universitär verwalteten Kapitalsätzen zu unterscheiden. Im Umfeld der Betrachtung von akademischer Vermögensverwaltung muss unbedingt zwischen dem Eigenkapital einer Universität5 und den ihr zur Verwaltung überlassenen, zweckbestimmten Stiftungskapitalien unterschieden werden.

b) Stiftungen und Studienstiftungen Eine Stiftung ist zunächst eine erbrechtliche Einrichtung mit Ewigkeitsanspruch, die ein vorgegebenes Kapital zu einem bestimmten Zweck bereitstellt.6 Die Einrichtung einer Stiftung erfolgte in der Regel testamentarisch. Ein Stifter setzte in seinem Testament nicht alleine ein bestimmtes Vermögen zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks ein, sondern er legte ebenso fest wie und von wem das Vermögen zu verwalten sei.7 Der Wille des verstorbenen Stifters war verbrieft in dessen Testament, das als Stiftungsurkunde an sich ein autoritatives Dokument darstellte.8 Handelt es sich bei dem dauerhaften Zweck der Stiftung um die Förderung von Studierenden – sei es persönlich oder institutionell – so ist diese als Studienstiftung zu bezeichnen. Universitäten betreuten als Stiftungsverwalterinnen erwartungsgemäß ausschließlich Studienstiftungen.

c) Studienstiftungen im Zusammenhang der konfessionellen Neuausrichtung. Stiftungen bildeten „wahrscheinlich schon im Mittelalter eine nicht zu vernachlässigende externe Finanzierungsquelle für Universitätsbesucher.“9 Die nachreformatorischen Studienstiftungen waren aus mittelalterlichen Altarpfründen entstanden, als nicht mehr nur amtierende Priester, sondern bereits angehende Pfarrer, die sich

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Vgl. dazu Kapitel 5.1.6. Akademisches Kapitalwesen in Greifswald - Normgebung ab S. 393 und Kapitel 5.3. Akademisches Kapitalwesen in der Praxis ab S. 406. Vgl. auch für das Folgende vor allem Borgolte: Stiftungen und Memoria und Ebneth: Stipendienstiftungen in Nürnberg. Vgl. ebd., S. 5. Nach dem Grundsatz voluntas testatoris suprema lex. Die Stiftungsurkunde wurde seit Beginn des 18. Jahrhunderts vermehrt durch eine Satzung ergänzt, die von einer Aufsichtsbehörde genehmigt werden musste; vgl.: Schäfer: Bürgerliche Stipendien, S. 100 und Auge: Stipendien, S. 148. Ebneth: Stipendienstiftungen, S. 21.

4.1. Stiftungen und Stipendien

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noch in der theologischen Ausbildung befanden, finanziell ausgestattet wurden.10 Die Reformatoren propagierten schließlich aktiv das System der Studienstiftungen, um den drohenden Zusammenbruch des Bildungswesens, den die Wirren der Reformation mit sich gebracht hatten, zu verhindern. Martin Luther forderte in Schriften und Predigten sowohl Obrigkeit als auch Privatpersonen auf, die Ausbildung der Jugend finanziell zu unterstützen.11 Dieses System der privat finanzierten Ausbildungsförderung erwies sich als besonders notwendig, als sich in den evangelischen Territorien schon bald ein eklatanter Mangel an akademisch ausgebildeten Personen bemerkbar machte. Auch in Pommern fehlte es in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zunehmend an Pfarrern, Lehrern und Ärzten. Gleichzeitig war die Zahl der adeligen und damit vermögenden Studierenden rückläufig.12 Die dauerhafte Sorge der 1539 wiedereröffneten Universität Greifswald um ihre niedrigen Studierendenzahlen traf auf das Interesse der Landesherrschaft an einem Ausbau der akademischen Bildung in der Region. Studierende sollten nun auch aus ärmeren Bevölkerungsschichten rekrutiert werden. Da diese sich den Lebensalltag an der Universität in der Regel nicht leisten konnten, musste ihre Finanzierung anderweitig, d.h. durch Studienstiftungen, sichergestellt werden. Die Landesherrschaft propagierte das System der stiftungsfinanzierten Ausbildungsförderung aktiv, sodass es sich durch diesen einflussreichen Katalysator tatsächlich rasch verbreitete. Den Herzögen war selbstverständlich an der „akademischen Förderung der einheimischen Jugend“13 und der sich dadurch ermöglichenden konfessionellen und regionalen Entwicklung sehr viel gelegen. Den obrigkeitlichen Stifter-Vorbildern folgte der regionale Adel als privater Stipendienstifter, wobei hier eine gewisse Karenzzeit bedacht werden muss, „da private Stiftungen durchweg per Testament gegründet wurden und erst mit dem Tod des Stifters in Kraft traten.“14

d) Motive der Stifter Der Einrichtung einer Studienstiftung lagen, neben dem Wunsch nach regionaler Entwicklung, auch vorwiegend intrinsische, das eigene Seelenheil betreffende, Motive zu Grunde. Das elementarste vorreformatorische Stiftermotiv war zunächst der Glaube an die Erlösung der Seele im Jenseits durch die Gabe eines ewigen Almosens im Diesseits. Im Zuge der Reformation bemühte sich allerdings u.a. Martin Luther um eine graduelle Umdeutung dieser Überzeugung:

10 Ebd., S. 20 ff. 11 Vgl. ebd., S. 48 ff. 12 Vgl. dazu Alvermann: Reformatorischer Neubeginn, S. 43 und die allgemeine Übersicht zur sozialen Herkunft von Studierenden in di Simone: Die Zulassung zur Universität, in: Ruegg (Hg): Geschichte der Universität in Europa, Bd. 2, S. 253–262. 13 Gößner: Studenten an der Universität Wittenberg, S. 70. 14 Ebneth: Stipendienstiftungen, S. 53.

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4. Studienstiftungen Hie lösestu nicht der Verstorbenen Seelen aus dem Fegfeur, sondern hilfest durch Erhaltung der göttlichen Aempter, beide, den Lebendigen und den Zukunftigen [...], daß sie nicht hinein ins Fegfeur kommen, [...] vnd die Lebendigen, daß sie Friede und Gemach haben.15

Es galt weniger, die eigene Seele vor dem Fegefeuer zu bewahren, als vielmehr im Sinne der caritas, seine hilfsbedürftigen Mitmenschen von ewigem Leid zu befreien.16 Ein weiteres und zentrales Motiv für die Einrichtung vor allem einer Studienstiftung, war der Aspekt „über den physischen Tod hinaus in der Nachwelt lebendig zu bleiben.“17 Bestandteil der Stiftungsurkunde und Voraussetzung für den Stipendienerhalt war nicht selten – in Anlehnung an die vorreformatorische Praxis der Seelenmesse – eine jährliche öffentliche Rede, in welcher der Stipendiat dem Stifter öffentlich seinen Dank zu bezeugen hatte.18

e) Studienstiftungen im 17. und 18. Jahrhundert. Aus den oben angeführten Gründen expandierte das System der privaten Studienstiftungen im Laufe des konfessionellen Zeitalters insbesondere in den evangelischen Herrschaftsgebieten.19 Diese Entwicklung wurde nur vorübergehend durch die Ereignisse des Dreißigjährigen Krieges unterbrochen. Als Folge des verheerenden Kriegsgeschehens waren in dieser Zeit auch die Finanzmittel knapp geworden. Von angelegtem Kapital gingen in der Regel keine Zinsenzahlungen mehr ein und etliche Stiftungen erloschen sogar vollständig, weil das eigentlich unantastbare Stiftungskapital aufgebraucht werden musste.20 In Folge der allgemeinen wirtschaftlichen Erholung und Stabilisierung im Laufe der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts vermehrte sich auch die Anzahl privater Studienstiftungen wieder. Den Großteil der neu eingerichteten Studienstiftungen machten dabei die sogenannten Familienstipendien aus, bei denen der Stifter vorgab, dass primär Angehörige seiner eigenen Familie in den Genuss des vorgesehenen Stipendiums gelangen sollten. Einen erneuten Rückgang der Stiftungseinrichtungen brachten schließlich die Überzeugungen der Aufklärung, als „die dem Stiftungswesen in seiner ganzen Ge15 Luther: Ein Sermon oder Predigt, das man solle Kinder zur Schulen halten, S. 421, vgl. auch Ebneth: Stipendienstiftungen, S. 49. 16 Zu den Motiven der Stifter vgl. Schäfer: Bürgerliche Studienstiftungen, S. 104–106, Ebneth: Stipendienstiftungen, S. 152–159 und Borgolte: Stiftungen und Memoria, insbesondere S. 171– 203. 17 Ebneth: Stipendienstiftungen, S. 53. 18 Vgl. Alvermann: Reformatorischer Neubeginn, S. 42. In Greifswald formulierte beispielsweise der Stifter Eckard von Usedom in der Stiftungsurkunde von 1627, dass der Benefiziat ihm jährlich zum Todestag „eine lateinische Oration“ zu halten habe, widrigenfalls dieser das Stipendium einbüßen würde, Gesterding: Stiftungen, S. 46. 19 Im Zuge der Gegenreformation betraf diese Entwicklung ebenfalls katholische Territorien und ihre Universitäten, wie es insgemein für ökonomische Entwicklungen beobachtet werden kann, vgl. zum Beispiel Pfister: Universität Freiburg sowie Schubert: Würzburger Universitätsentwicklung. 20 Vgl. Ebneth: Stipendienstiftungen, S. 55.

4.1. Stiftungen und Stipendien

327

schichte am meisten feindliche“ Epoche, mit sich.21 Zum einen hegte der utilitaristisch-nüchterne Geist der Aufklärung allgemein eine große Skepsis gegenüber dem vorwiegend religiös motivierten System der privaten Stiftungen. Zum anderen stand der zentralistische Anspruch des Absolutismus einem System privater Familienstiftungen zur Bildungsfinanzierung zwangsläufig kritisch gegenüber. Zum Dritten aber und insbesondere bewirkte die ökonomische Rezession zu Beginn der zweiten Hälfte sowie eine sukzessiv steigende Preisentwicklung im Laufe des gesamten 18. Jahrhunderts, dass die Zinsenerträge der teilweise über einhundert Jahre alten Stiftungskapitalsätze kaum noch zur Deckung der gestiegenen Lebenshaltungskosten ausreichten.22 4.1.2. Verwaltung und Funktionsweise von Studienstiftungen a) Administration von Studienstiftungen Weithin bekannt und knapp beschrieben sind Formen der Verwaltung von Studienstiftungen, bei welchen ein oder mehrere Verwalter eingesetzt wurden, um die Studienstiftung finanzadministrativ zu betreuen, d.h. das jeweilige Stiftungsvermögen anzulegen und zu verwalten, die Zinsen einzutreiben und davon die Stipendien auszuzahlen. Die Verwalter konnten universitätsexterne Personen sein, einzelne Professoren oder auch eine Gruppe von Universitätsverwandten.23 Üblicherweise kam ihnen eine Art Aufwandsentschädigung für ihre zusätzliche Verantwortung zu. Dabei stand in Greifswald, wie auch in Tübingen, „die finanzielle Entschädigung häufig [...] in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Arbeitsaufwand.“24 In Nürnberg schien die Stiftungsverwaltungstätigkeit dagegen lohnenswerter gewesen zu sein.

21 Borgolte: Stiftungen und Memoria, S. 80–81. 22 Vgl. Ebneth: Studienstiftungen, S. 55–57. Diese Entwicklung der Stiftungsfrequenz ist u.a. am Tübinger Beispiel nachzuvollziehen bei Schäfer: Bürgerliche Stipendien. 23 Von den Tübinger Studienstiftungen ist beispielsweise bekannt, dass die Verwaltung der großen Studienstiftungen aus einem bis zu vierköpfigen Aufsichtsgremium, der sogenannten Superattendenz, bestand. Ihre Mitglieder rekrutierten sich ausschließlich aus der Professorenschaft. Zur konkreten Finanzadministration, konnten aber auch akademische Verwaltungsbeamte eingesetzt werden, vgl. Schäfer: Bürgerliche Stiftungen, S. 101. Die administrativen Formen der Nürnberger Studienstiftungen sind noch eingehender untersucht worden. Hier waren sogenannte Executoren mit der Administration der Studienstiftungen vertraut. Je nach Stiftung, bzw. Zugehörigkeit des Stifters lag die Verwaltung der Studienstiftung in der Verantwortung ganz unterschiedlicher Einrichtungen oder Einzelpersonen. Bei lokalen Behörden, Geistlichen, dem Repräsentationsorgan der Kaufleute (Marktvorstand) und Handwerkern. In der Regel wurden rechtskundige Personen, Advokaten und Juristen, bestellt. Nur selten waren Professoren der Juristischen Fakultät der Universität in Altdorf als Executoren von Stiftungen eingesetzt. Davon abgesehen hatten keine Universitätsverwandten administrative Verantwortung für Studienstiftungen, vgl. Ebneth: Stipendienstiftungen, S. 160–171. 24 Zu Tübingen vgl. Schäfer: Bürgerliche Stipendien, S. 101 und für Greifswald vgl. Auge: Private Stipendien, S. 148.

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4. Studienstiftungen

Der Verwalter hatte u.a. eine „nicht allzu gering bemessene jährliche Aufwandsentschädigung“, die Teilnahme an einem üppigen Festmahl und eine beträchtliche Zunahme an sozialem Prestige zu erwarten.25 Auch in Greifswald unterstanden viele der privaten Studienstiftungen ebenfalls der Verwaltung außeruniversitärer, städtischer Amtsträger. In der Regel handelte es sich um ein bis vier Mitglieder des Magistrats, die gemeinsam für die Aufsicht über ein Stiftungsvermögen bestimmt worden waren. Sie hatten den sogenannten Testamentarius zu kontrollieren, dem die Kassenführung oblag und der den Stadträten rechenschaftspflichtig war.26 Er legte das Kapital in der Region an, trieb die jährlich anfallenden Zinsen ein und händigte die Erträge in festgelegten Stipendiensätzen den Benefiziaten aus. Zum Zweck der Speisung der Stipendiaten im Rahmen von Freitischstipendien27 übermittelte der Testamentarius dann die dem Stifterwillen entsprechenden Beträge an die akademische Kasse, die sie wiederum an die Oeconomie weiterleitete. Zahlte er aber das Stipendium dem Stipendiaten direkt aus, hatte dieser Vorgang keinerlei Auswirkungen auf den akademischen Haushalt, fand dementsprechend keinen Niederschlag in den ökonomischen Quellen der Universität und bleibt daher in der Auswertung der akademischen, korporativen Stiftungsverwaltung unberücksichtigt.

b) Akademische Stiftungsverwaltung in Greifswald Die Universität Greifswald verwaltete als Korporation eine bedeutende Anzahl an Studienstiftungen, die dem Rektor und dem Konzil als Aufsichtsgremium der Universität vermacht, d.h. ihrer Verwaltung übergeben worden waren.28 Der Procurator betreute diese Studienstiftungen finanzadministrativ. Dem Stiftungswesen entsprechend blieb das Stiftungskapital selbst als reine Geldanlage unangetastet. Die sich daraus ergebenden Zinsen flossen zunächst in die Universitätskasse. Die Erträge von Stiftungskapital waren demnach Bestandteil des akademischen Haushalts und wurden unter diversen Voraussetzungen entweder den Benefiziaten als Stipendienhebungen zur Unterstützung ihres Lebensalltags an der Universität (Handgeld) oder an das Konviktorium (Freitisch) ausgezahlt. Über 90 Prozent der Stiftungen im Haushalt der Universität Greifswald waren ausdrücklich dem spezifischen Zweck der Stipendien zugeordnet, die übrigen waren der Bibliothek oder der Universität als Ganzes zugesprochen. Ihre Verwaltung war im Fall der Universität Greifswald in die ohnehin existierende und ebenfalls autonome akademische Kapitalverwaltung integriert.29

25 26 27 28 29

Ebneth: Stipendienstiftungen, S. 161. Vgl. Schultze: Stiftungen Städtischen Patronats, S. IV–VI. Vgl. dazu Kapitel 4.1.4. Oeconomie und Freitischstipendien ab S. 333. Vgl. auch die kurze Darstellung bei Auge: Private Stipendien, S. 148–149. Vgl. Kapitel 5.1.6. Akademisches Kapitalwesen in Greifswald – Normgebung ab S. 393.

4.1. Stiftungen und Stipendien

329

4.1.3. Typologien Studienstiftungen können je nach Forschungsinteresse auf mehrere Arten voneinander unterschieden werden. Liegt der Fokus auf dem Stifter, lassen sich zunächst die privaten von den landesherrlichen Studienstiftungen unterscheiden. Diese können jeweils weiter unterteilt werden nach den jeweiligen Stiftermotiven. Die Frage nach der Zweckbestimmung der Studienstiftungen gliedert sie beispielsweise in Stipendienstiftungen, Bibliotheks- oder andere Sonderstiftungen zu Lehreinrichtungen oder auch solche ganz allgemein zum Nutzen der zentralen Universitätskasse. Auf die Unterschiede speziell der Stipendienstiftungen hinsichtlich ihrer Bedingungen wird gleich noch näher eingegangen.

a) Verwaltungsstruktur Auch wenn angesichts „der pluralistischen Satzungen und wegen der zahlreichen Mischformen [...] keine scharf abgegrenzte Typologie der Verwaltungsstruktur [...]“30 von Stipendienstiftungen möglich ist, könnten diese Mischformen aber doch zumindest mit Hilfe einer Typisierung der administrativen Kernbereiche der Stiftungsverwaltung und der jeweils dafür Verantwortlichen vorgenommen werden. Die akademische Stiftungsverwaltung umfasste die folgenden vier Bereiche: 1. Kapitalverwaltung: Ertragreiche und krisensichere Anlage des Stiftungskapitals und regelmäßiges Einholen der Kapitalzinsen. Bei Ausbleiben der Zinsenzahlungen mussten die Kapitalhalter angemahnt werden. 2. Stipendienverwaltung: Die Verteilung der eingenommenen Kapitalzinsen entweder an Institutionen, von denen Benefiziaten profitierten (z.B. zum Freitisch an die Oeconomie, zum Locarium) oder direkt an die Benefiziaten (Handgeld). 3. Aufsicht über die Verwaltung: Rechnungsprüfung der Kapitalverwaltung und Kontrolle der Auswirkungen der getroffenen Finanzentscheidungen. 4. Aufsicht über die Benefiziaten: Aufsicht über Lernfortschritt und Lebenswandel der Stipendiaten vor Ort. Darüber hinaus auch die Präsentation von geeigneten Kandidaten für das Stipendium und vor allem die fachliche Examinierung der präsentierten Aspiranten.

30 Ebneth: Stipendienstiftungen, S. 162.

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4. Studienstiftungen

5. Kollatur: Die Auswahl der Benefiziaten lag bei den privaten Stiftungen – erst Recht seit Mitte des 17. Jahrhunderts – in aller Regel bei der Stifterfamilie.31 Vorschläge erhielten sie aber häufig von den Professoren. Teilweise konnten auch der Rektor und das Konzil den Benefiziaten auswählen. Die praktischen administrativen Aufgaben oblagen in der Regel dem Finanzverwalter der Korporation, die Kontrollaufgaben dem leitenden Gremium. So führten in Greifswald der Rektor und das Konzil32 die allgemeine Aufsicht über die Stiftungsverwaltung, nur in seltenen Fällen nahmen einzelne Professoren diese Aufgaben wahr.33 Die wirtschaftspraktischen Aufgaben (Kapital- und Stipendienverwaltung) inklusive dazugehöriger Rechnungsführung führte der mit diesem Bereich ohnehin vertraute Procurator aus.34

b) Stipendienformen Eine einfache Unterscheidung erlauben die Stipendienstiftungen nach der Form ihrer Umsetzung in einfache Geldstipendien und in Leistungsstipendien35: Entweder wurde der vorgesehene Stipendienbetrag dem Studierenden als Hebung „jährlich [...] ausgetheilet“, wovon dieser sich das Rechnungsjahr über zu finanzieren hatte.36 Oder der Benefiziat erhielt durch das Stipendium Anrecht auf eine Leistung, die er über einen gewissen Zeitraum in Anspruch nehmen konnte. In Greifswald bestand

31 Im Fall der akademisch verwalteten Studienstiftungen konnte die Kollatur auch den Nachkommen des Stifters zugesprochen werden, aber „nur mit jedesmaliger Genehmigung [...] des academischen Concils“, so wie im Fall der Blücherschen Stiftung in Greifswald von 1599, in: Gesterding: Greifswaldische Stipendien, S. 133. Auch die Greifswalder Studienstiftung der Familie von Wakenitz (letzte Erweiterung 1632) bildete eine Ausnahme, da hier der Stifterwille vorsah, dass die Professoren die Stipendiaten nicht nur präsentieren, examinieren und instruieren, sondern auch benennen sollten, vgl. Gesterding: Stiftungen, S. 52. 32 Für Greifswald ist dies erstmals im Jahr 1730 deutlich formuliert worden: Das Konzil habe die Freitisch-Stipendiaten zu beaufsichtigen und „alle Quartal gehörige Testimonia ihre Fleißes“ entgegenzunehmen, so im Abschied der Visitatoren für die Universität (1730), in Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 32. Im Visitationsrezess von 1775 wurde schließlich festgelegt, dass jeder Professor die „Unfleißigen und Ungesitteten“ Stipendiaten zunächst dem Rektor zu melden hätten. Der entsprechende Fall sei dann im Konzil zu beratschlagen, „von dem fehlerhaften Betragen der Privatstipendiaten [solle der Rektor] aber denen Collatoren des stipendii Nachricht“ erteilen, so im Visitationsrezess (1775), in Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 420. 33 Vgl. Ebneth: Stipendienstiftungen, S. 170–171. 34 „[...] zu Administratoren konnten dagegen auch Verwaltungsbeamte der Universität bestellt werden.“ Schäfer: Bürgerliche Studienstiftungen, S. 101. 35 Mit Leistungsstipendien sind hier und im Folgenden jene Stipendien gemeint, bei denen der Benefiziat durch Verleihung des Stipendiums Anspruch auf eine bestimmte Leistung, d.h. einen Platz am Freitisch und/oder kostenlose Unterkunft hatte, vgl. auch Auge: Stipendien, S. 148– 149 und Schäfer: Stipendien, S. 102. 36 Aus dem Lembkischen Stipendium von 1746, zitiert nach Gesterding: Stiftungen, S. 19.

4.1. Stiftungen und Stipendien

331

diese besondere Leistung aus mindestens einer kostenlosen Mahlzeit am Tag in der Oeconomie.37 Das darum sogenannte Freitischstipendium bildete die früheste Form der Greifswalder Stipendien. Die Stipendienarten lassen sich weiter nach dem Kreis der Kandidaten, wie er jeweils im Stifterwillen definiert war, kategorisieren. So kann zunächst die Gruppe der fachgebundenen Stipendien abgegrenzt werden. Um im Zusammenhang der reformatorischen Bestrebungen besonders das Studium der Theologie zu fördern und dadurch die Versorgung der evangelischen Territorien mit Geistlichen zu sichern, legten auffällig viele Stifter des 16. Jahrhunderts fest, dass ihre Studienstiftung ausschließlich Studierenden der Theologie zu Gute kommen sollten.38 Fachgebundene, konfessionelle, aber auch die von der Studienrichtung unabhängigen Studienstiftungen lassen sich wiederum nach dem Aspekt der vorgeschriebenen Herkunft der Kandidaten klassifizieren. Hier gab es zunächst die Familienstiftungen, die ausschließlich Angehörigen der Stifterfamilien zugedacht waren.39 Andere Stifter erweiterten den eigenen Familienkreis um weitere, bekannte Familien oder legten allgemeiner die Region fest, der die zu unterstützenden Studierenden entstammen sollten. In der Regel handelte es sich bei den Greifswalder Studienstiftungen allerdings um Mischformen, wie das Usedomsche Stipendium exemplarisch zeigt: Im Jahr 1627 hatte Eckard von Usedom der Universität Greifswald testamentarisch 3.000 Gulden vermacht. Von den Zinsenerträgen sollten zunächst „[...] jährlich drei junge Gesellen zum Studiren unterhalten werden [...].“40 Die übrigen Zinseneinnahmen kamen den Kindern bestimmter Familien zugute41. Die „jungen Gesellen“ definierte der Stifter weiter in einer Art Prioritätenliste. Vorrang hatten die Söhne des Propstes zu Wolgast und die des Stifters selbst. Es folgen adelige Söhne und „ehrlicher Leute Kinder“ von Rügen und schließlich die Kinder der Greifswalder Professoren. Die Fakultätszugehörigkeit möglicher Stipendiaten war kein Kriterium, stattdessen aber ihre konfessionelle Zugehörigkeit: „Die Beneficiarii aber sollen der Evangelischen und ungeänderten Augsburgschen Confession zugethan sein [...].“42

37 Das Blüchersche Legatum (von 1599) sah zum Beispiel die „unentgeltliche Teilnahme [des Benefiziaten] an dem akademischen Konvikt“ vor, in: Gesterding: Stiftungen, S. 8. 38 Eines der frühesten Greifswalder Freitischstipendien, die Stiftung des Joachim von Moltzahn von 1563, war ausschließlich und explizit einem Theologiestudenten vorbehalten, vgl. Gesterding: Stipendien, S. 353. Des gleichen Geistes Kind waren die konfessionellen Stipendien, die sich, wie im Fall der Usedomschen Studienstiftung von 1627, exklusiv an evangelische Studierende richtete. Anders das Wakenitzsche Stipendien, das den Aspirantenkreis auf alle Studenten, die „Logicis, Philosophicis et Theologicis studiren“ ausweitete, in: Ebd. S. 51. 39 So zum Beispiel das Lembkische Stipendium (von 1746) „für die studirende Jugend, fürnehmlich aus meiner Familie[...].“ Zitiert nach Gesterding: Stiftungen, S. 19. 40 Aus der Stiftungsurkunde, zitiert nach Gesterding: Stiftungen, S. 47. 41 Aufgelistet wurden hier die Familien Arnold Bohlens, Caspar Normanns und Erich von Gagerns. Ebd. 42 Aus der Stiftungsurkunde zitiert nach ebd.

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4. Studienstiftungen

Seltener lassen sich tatsächlich „freie Stiftungen“43 finden. Diese Form der Stipendien richtete sich theoretisch ohne weitere Einschränkungen an alle unterstützungswürdigen Studierenden, ungeachtet ihrer Herkunft. In Greifswald bildete eine solche relativ freie Stiftung die kapitalstärkste Stiftung der Universität. Das sogenannte Wakenitzsche Stipendium bestand aus zunächst 500 Gulden Kapital, das Albrecht von Wakenitz noch zu Lebzeiten der Universität Greifswald gestiftet hatte. Bis zu seinem Tod im Jahr 1636 vermehrten er und sein Bruder Jürgen von Wakenitz dieses Stiftungskapital noch auf insgesamt 6.000 Gulden.44 Der Zinsenertrag wurde auf sechs Stipendien zu jährlich jeweils 50 Gulden aufgeteilt. Die Stipendiaten sollten dabei ausdrücklich von geringer Herkunft sein.45 Lediglich die Fächerwahl war, wie bereits erwähnt, etwas eingeschränkt. Auffällig präzise zeigt sich die Wakenitzsche Stiftungsurkunde aber hinsichtlich der Verhaltens- und Leistungsnormen, an die sich die Stipendiaten zu halten hatten: Sie sollen [...] ein privatum Collegium halten; Monatlich alternis vicibus declamiren und disputiren; Sich auch in Concionando exerciren; In Doctrina et moribus unsträflich sein; Alle Jahr [...] per Orationem et Declamationem [Gott und dem Stifter] danken [...]. Ferner sollen diese Stipendiati verpflichtet seyn, ad vitam im Pommerschen Wolgastischen Orte in Schulen und Kirchen zu dienen [...] und wo sie in ihrem Studiren nicht fleißig sondern inutilia terrae pondera, fruges consumere nati, pernitiosi Ecclesiae et Scholrum Ministri seyn, sollen sie ausgemustert [...] werden.46

Sämtliche Stipendiaten, ob aus privaten oder akademischen Studienstiftungen finanziert, ob Geld- oder Freitischstipendiaten, unterstanden der Kontrolle ihrer Studien und Lebensführung. Vor allem die Freitischstipendien waren üblicherweise in besonderem Maße mit strengen Vorgaben zu angemessenem Fleiß und Verhalten verbunden und gaben hin und wieder – wie das eben angeführte Beispiel zeigt – sogar den beruflichen Lebensweg vor. Die Stiftungsurkunde selbst konnte gewisse Verhaltensvorgaben setzen und instruierte in der Regel die Professorenschaft, die strenge Einhaltung der Richtlinien zu kontrollieren und anzumahnen. Offenbar sicherten diese Vorgaben aber bei weitem nicht die Disziplin der Studierenden im Konviktorium47, weshalb der Professor für Beredsamkeit, Christian Saalbach, im Jahr 1693, ergänzend zu den bestehenden Statuta Oeconomiae, eine eigenständige Disziplinarordnung des Konviktoriums entwarf, damit es „endlich einmal or-

43 Zur Unterteilung nach Familien-, ortsgebundenen, freien und gemischten Stiftungen, vgl. auch Schäfer: Stipendien, S. 102. 44 Vgl. Gesterding: Stiftungen, S. 51–54. 45 „Es sollen keine reiche und vermögende, sondern arme Gesellen zu diesem Beneficio präsentiret [...] werden.“ So lautete der Wakenitzsche Stifterwillen, zitiert nach ebd., S. 52. 46 Aus der Stiftungsurkunde zitiert nach ebd., S. 51–52. 47 „Die Oeconomie war vielmehr ein ‚Brennpunkt‘ pennalistischer Exzesse und Disziplinlosigkeiten.“ Alvermann: Einleitung, in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. LXXI.

4.1. Stiftungen und Stipendien

333

dentlich in der communität zugehe [...].“48 Die „leges in communi academiae Gryphiswaldensis mensa servandae“ regelten vor allem die Disziplin der Stipendiaten an den Freitischen, die Aufgaben eines einzusetzenden Vorstehers und die anfallenden Strafgelder.49 1746 wurde die Disziplinarordnung zunächst einmal modernisiert und den veränderten Umständen angepasst, um dem herrschenden Sittenverfall im Konviktorium entgegenzuwirken.50 Im Zuge der Visitation Anfang der 1770er Jahre wurden die Disziplinarordnung für die Freitische und die Statuten der Oeconomie als neue „Gesetze fuer das akademische Convictorium“ zusammengefasst.51 Das neue Gesetz betonte zunächst generell, dass niemand auf „diese Wohlthat des gemeinen Tisches“ Anspruch habe, der nicht bey einem ehrbaren und christlichen Lebenswandel auch solchen Fleiß in seinem Studiren beweiset, aus welchem eine Versicherung zu nehmen ist, daß er die Wolthat nicht unwuerdig und wider die Absicht der Stiftung genieße.52

Es wiederholte damit den grundsätzlichen und allen Studienstiftungen gemeinen Stifterwillen. Im Anschluss daran finden sich unter anderem die konkreten Verhaltensvorgaben, die den Benefiziaten eines Freitisches, den sogenannten Konviktoristen, gemacht wurden. Diese begannen beispielsweise mit dem pünktlichen Erscheinen nicht erst zur Mahlzeit, sondern bereits zum Tischgebet und dem Verlassen des Tisches erst nach dem abschließenden Dankgebet. Der Konviktorist musste im Konviktorium alles Ausschweiffende und Suendliche in Reden und Handlungen vermeiden, keiner den andern verfuehren, neuankommende placken [...] [und] Zaenkereyen und Schlaegereyen sind bey Strafe [...] ernstlich untersaget.53

4.1.4. Oeconomie und Freitischstipendien In Greifswald bestand eine enge Verbindung zwischen den Studienstiftungen und dem Konviktorium, also der akademischen Institution zur Studentenspeisung, die in Greifswald als Oeconomie bezeichnet wurde. Als an der Universität Greifswald in den 1550er Jahren der Plan entstanden war, eine Studentenspeisung einzurichten, warben Rektor und Konzil bereits aktiv bei den pommerschen Ständen um die finanzielle Unterstützung dieses Vorhabens in Form von Studienstiftungen.54 Nach langen Auseinandersetzungen mit dem Magistrat und nur durch Vermittlung des

48 UAG, Altes Rektorat Hbg. 140, fol. 15v, vgl. auch Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 219–220. 49 Vgl. die Disziplinarordnung für die Freitische in der Oeconomie (1693), in: Ebd., S. 219–224. 50 Vgl. die Disziplinarordnung für die Freitische (1746), in. Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 140–145. 51 Gesetze für das Konviktorium (1774), in: Ebd., S. 386–393. 52 Ebd., S. 388. 53 Ebd., S. 389–390. 54 Vgl. Alvermann: Reformatorischer Neubeginn, S. 44–45.

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4. Studienstiftungen

Herzogs übertrug die Stadt Greifswald im Jahr 1564 ihrer Universität schließlich ein Grundstück am südlichen Stadtrand. Es war das ehemalige Dominikanerkloster (Schwarzes Kloster), wo das Konviktorium entstehen sollte. Daraufhin begannen dort unverzüglich die Bauarbeiten zur neuen Oeconomie, inklusive einiger Studentenzimmer.55 Die Oeconomie führte der daher sogenannte Oeconomus, der seit 1567 mit einer eigenen Instruktion zwar zu den Bediensteten der Universität gehörte, die Studentenspeisung aber auf eigene Rechnung führte.56 Er versorgte sowohl Benefiziaten der Freitischstipendien57 als auch Studenten, die voll für ihre Speisung bezahlten („extraordinair Tisch“). Für die Finanzierung der Freitische kamen die entsprechenden Stiftungskapitalerträge bzw. entsprechende Zahlungen aus der Universitätskasse auf, weshalb auch der Rektor deren Anzahl bestimmte. Wie viele Studenten darüber hinaus an extraordinairen Tischen versorgt werden durften, lag dagegen im wirtschaftlichen Ermessen des Oeconomus. Den Bau und die Einrichtung der Oeconomiegebäude kofinanzierten um 1564 zum einen hauptsächlich großzügige landesherrliche und private Schenkungen. Darüber hinaus sicherten zum anderen neu eingerichtete Stiftungen zum Unterhalt der Oeconomie und für Freitischstipendien den Betrieb der Versorgungseinrichtung.58 Die bereits erwähnten Bemühungen von Rektor und Konzil um Spenden für das Großprojekt bei der Ritterschaft, den Städten und Privatpersonen in der Region, hatten Früchte getragen. Vor allem die Ritterschaft reagierte auf die Bittgesuche: Teilweise in Form von Sachspenden, die den Bau vorantrieben und teilweise in Form von Legaten zur langfristigen Aufrechterhaltung der Einrichtung.59 Bei den

55 Vgl. Balthasar: Akademische Gebäude, S. 18 und Alvermann: Reformatorischer Neubeginn, S. 42–49. Vgl. auch Kapitel 3.1.2.b. Versorgungseinrichtungen: Oeconomie und Bursen ab S. 266. 56 Vgl. Kapitel 2.1.6.b. Oeconomus ab S. 201 sowie Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. LXXI–LXXII. 57 Plätze am gemeinen Tisch oder auch Freitisch wurden entweder voll durch Freitischstipendien finanziert, oder aber zur Hälfte von der Universitätskasse (ebenfalls aus Stiftungskapitalerträgen) subventioniert. Der Benefiziat musste in diesen Fällen also die Hälfte selbst leisten. „Es ist dem Oeconomo jederzeit von einem Quartal zu dem andern successive ein Vorschuß geschehen, dergestalt, daß er bey Endigung des Quartals sein Geld vor die Speisung derer Studiosorum meistens biß auff wenige thaler weggehabt.“ Der Oeconomus sei „nicht vermögend [...] ohne solchen Vorschuß sich die nötige victualien anzuschaffen.“ So schrieb der Procurator Nürenberg am 3. August 1741 an den Rektor, in: UAG, Altes Rektorat Hbg 144/4, fol. 252. Vgl. auch eine „Specificatio“ des Oeconomus über die Studenten, „so allhier auf dem Convictorio speisen, u[nd] von der [...] Academie quartaliter nehmlich von Ostern bis Johannis 1767 in Rechnung gebracht werden.“ in: UAG, Altes Rektorat Hbg. 144/5, fol. 214r sowie diverse diesbezügliche Schreiben und „Designationes“ des Oecnomus über die Studentenbeiträge zum Konviktorium (1670–1700), in: UAG, Altes Rektorat Hbg. 141/2. 58 Vgl. Kosegarten: Universität Greifswald, S. 209 und Kapitel 3.1.2.b. Versorgungseinrichtungen: Oeconomie und Bursen ab S. 266. 59 Einige Städte (Stralsund, Anklam, Barth, Grimmen und Demmin) beteiligten sich ebenfalls. Die Herzöge kamen ihrer Funktion als Katalysator für die akademische Ausbildungsförderung im Land dagegen nicht nach, sie brachten „nicht einmal die jährlichen Zahlung der [...] ver-

4.1. Stiftungen und Stipendien

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ältesten der Greifswalder Stipendienstiftungen handelt es sich daher auch vorwiegend um Ende des 16, Jahrhunderts eingerichtete Freitischstipendien.60 Im Laufe des Dreißigjährigen Krieges und dem damit einhergehenden Zusammenbruch des verbreiteten Stiftungssystems verschwand auch die wirtschaftliche Basis der Greifswalder Oeconomie, die schließlich im Jahr 1631 den Betrieb einstellte, nachdem keine ausreichenden Nahrungsmittel mehr zur Verfügung standen. Sechs Jahre später zerstörten schwedische Truppen außerdem den Komplex auf dem Gelände des Schwarzen Klosters fast gänzlich. Sämtliche königlichen Reformpläne zur Optimierung, Erweiterung und sogar Umwandlung der Einrichtung zur Studentenspeisung in der Nachkriegszeit scheiterten schließlich am Widerstand der pommerschen Stände, die finanziell nicht dafür aufkommen wollten.61 Erst im Visitationsrezess von 1666 wurde wieder die Einrichtung zweier Freitische in der Oeconomie vorangetrieben. Die Stiftungskapitalien existierten zum Großteil nicht mehr, aber die qua Stiftungserlass der Verwalterin Universität übertragene Pflicht zur Bereitstellung eines Freitisches bestand nach wie vor. So lange das verbrauchte Stiftungskapital nicht wieder akkumuliert und angelegt werden konnte, ordneten die Visitatoren jährlich 600 Gulden „auß dem gemeinen einkommen“ der Universität zum Freitisch an. „So bald sich aber dieselbe mehren, soll noch ein tisch angerichtet werden.“62 Stattdessen zwangen aber die verheerenden Umstände während des Schwedisch-Brandenburgischen Krieges dazu, die Oeconomie zwischen 1668 und 1683 erneut zu schließen. Nachdem sich die Universitätswirtschaft gegen Ende des 17. Jahrhunderts wieder erholt hatte, existierten im Jahr 1702 auch wieder zwei Freitische, die um einen weiteren erweitert werden sollten, sobald die Kapazitäten der Universitätskasse dies zulassen würden.63 Im Verlauf der 1730er Jahre konnte diese Vorgabe erfüllt werden. Im Zuge der nächsten großen akademischen Wirtschaftskrise in den 1750er Jahren sollte die Schließung der Oeconomie eine Verbesserung der Kassenlage bringen. So erläuterte zumindest Johann David von Reichenbach in seinem Rezessentwurf von 1757, was wirtschaftlich gegen das Konviktorium spräche und entwickelte einen dezidierten Abwicklungsplan für die Oeconomie und die Überführung der Freitischstipendien in monetäre Stipendien, wie es an den meisten protes-

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sprochenen [...] 1000 Gulden in vollem Umfang auf.“ Alvermann: Reformatorischer Neubeginn, S. 46–47. Bereits vor dem Bau der Oeconomie hatte Ulrich von Schwerin ein Kapital von 500 Gulden zur Speisung armer Studenten gestiftet, vgl. Kosegarten: Universität Greifswald, S. 209. Im Jahr 1599 richtete Ulrich von Blücher eine Stiftung ein, die „zweien hülfsbedürftigen Studirenden, besonders durch unentgeldliche Theilnahme an dem Greifswaldischen Convictorio“ die Zinsen des Stiftungskapitals von 1.000 Gulden gewährte, vgl. Gesterding: Stipendien, S. 133. Vgl. zur Blücherschen Stiftung außerdem Gesterding: Stiftungen, ab S. 8. Vgl. Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. LXX–LXXI. Visitationsrezess (1666), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 106– 107. Vgl. Visitationsrezess (1702), in: Ebd., S. 277.

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4. Studienstiftungen

tantischen Universitäten bereits üblich war.64 Die Visitatoren konnten sich diesbezüglich aber nicht einigen und so blieben die Freitische und mit ihnen die gesamte Oeconomie weiterhin ein wichtiger Bestandteil der Unterstützung von Studierenden.65 4.1.5. Universitätsbibliothek und Stiftungen zur Bibliothek Im Reglement für die ökonomische Administration von 1775 wurde unter anderem angeordnet, dass über die Stiftungen „die zur Casse der Bibliothek angeschlagen sind“ ein eigenes Konto geführt werden solle. Dieses Konto sei zu führen, damit ihre Existence nicht verschwinde, und diese Capitalia dermaleinst wieder auf Zinsen gethan werden können, wenn die Beschaffenheit der academischen Casse solches erlauben dürfte.66

Diese Passage verrät zum einen, dass die Finanzierung der Bibliothek aus einer eigenen Kasse und nicht aus der Universitätskasse erfolgte und zum anderen, dass offensichtlich Stiftungskapital abhandengekommen war, was wiederum in der Verantwortlichkeit der zentralen Universitätskasse lag. Bei besagten Bibliotheksstiftungen handelte es sich um insgesamt sechs Studienstiftungen. Die drei ältesten davon waren im Zusammenhang der Gründung der ersten Universitätsbibliothek im Jahr 1604 eingerichtet worden. Am 17. April 1604 hatten der Rektor und das Konzil den Wittenberger Bürgermeister und Verleger Samuel Sehlfisch beauftragt, für insgesamt 2.000 Gulden eine neue Bibliothek mit Büchern aller Fachrichtungen auszustatten.67 Es wurde langfristig gewirtschaftet: Der ausgesprochen hohe Betrag sollte innerhalb von 67 Jahren mit 30 Gulden jährlich abbezahlt werden.68 Zur Begleichung dieser Zahlungen wurde ein Art Bibliotheksfonds eingerichtet, dem die drei Greifswalder Professoren Jacob Runge69, 64 Vgl. Entwurf eines Visitationsabschiedes (1757), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 236–240. 65 Vgl. Alvermann: Einleitung, in: Ebd., S. LXXXVIII–LXXXIX. 66 Reglement für die Ökonomische Administration (1775), in: Ebd., S. 452. 67 Bis dahin hatte es nur Fach- oder private Bibliotheken gegeben, vgl. Kosegarten: Universität Greifswald, S. 228. 68 Vgl. auch für das Folgende Perlbach: Versuch einer Geschichte, ab S. 8. 69 Generalsuperintendent und Theologieprofessor Jacob Runge (1527–1595) hatte der Universität testamentarisch ein Kapital von 100 Gulden vermacht, ohne jedoch die Anwendung der Zinsenerträge näher zu bestimmen: „XVIII m. wegen 100 Gulden heuptstul Zinse, so seheliger Jacobus Rungius der heilig[en] schrifft Doctor, General Superintendens und Professor der Vniversitet zum Greipswalde, derselben Vniversitet in seine[m] Testament legirt.“ UAG, Kurator St. 891, Procuraturregister von 1600–1601, fol. 7r. Die Universität verwaltete das Kapital zunächst und lieh es gegen Zinsen dem Magister Laurentius Zircken, der die anfallenden Forderungen aber nicht leistete, vgl. UAG, Kurator St. 892, Procuraturregister von 1601–1602, fol. 6r. Im Jahr darauf wechselte besagtes Kapital stattdessen in den Besitz des Greifswalder Medizinprofessors Christian Calenus (1529–1617), der dreizehn Jahre lang zuverlässig die jährlichen 18 Mark Zinsen zahlte. Im Zuge der Bibliotheksgründung wurde die bis dato allgemeine Studienstiftung

4.1. Stiftungen und Stipendien

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Balthasar Rhaw70 und Friedrich Runge71 jeweils ein Kapital von jeweils 100 Gulden zum Nutzen der Universitätsbibliothek stifteten. Aus diversen Gründen versiegte das Kapital aber rasch, so dass ab 1613 immer öfter Zahlungen an Sehlfisch nicht mehr regelmäßig erfolgten. Eine weitere Stiftung erweiterte den Bibliotheksfonds im Jahr 1623, als Albrecht von Wakenitz der Universität auch zur Bibliotheksfinanzierung ein Kapital von 500 Gulden stiftete. Spätestens im Laufe des Dreißigjährigen Krieges mussten die ursprünglich zum Erhalt der Bibliothek vorgesehenen Stiftungskapitalien aber „zu der Universität Notturff angewandt“72 werden. Das eigentlich unantastbare und auf ewig angelegte Stiftungskapital wurde also vollständig aufgebraucht. Die fünfte Bibliotheksstiftung blieb von Beginn an kapitallos: Friedrich Gerschow vermachte der Universitätsbibliothek im Jahr 1653 symbolisch 100 Gulden, die ihm die akademische Kasse an Lohnzahlungen schuldig geblieben war. So kam es, dass „die Bibliothek nominell einen Fonds von 900 fl. [besaß], von dem sie nicht den geringsten Nutzen hatte.“73 Dieser nominelle Bibliotheksfonds hatte noch im Jahr 1775 weiterhin Bestand und sollte theoretisch von der akademischen Kassen in Zeiten des monetären Überschusses als solcher erneut eingerichtet und gewinnbringend angelegt werden. Bereits zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges war die Universität in solch große finanzielle Not geraten, dass sie die Forderungen Sehlfischs schließlich gar nicht mehr hatte begleichen können.74 Die Erben von Samuel Sehlfisch mahnten weiterhin die ausstehenden Beträge an. Aber das dafür vorgesehene Stiftungskapital war unzugänglich oder existierte nicht mehr. Um die akademische Kasse in Anbetracht der Forderungen aus Wittenberg zu entlasten, offerierten die königlichschwedischen Pläne zur Reorganisation der Universität sogar wiederholt die Finanzierung der darbenden Universitätsbibliothek aus der königlichen Kasse.75 Entspre-

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nachträglich einer konkreten Anwendungsbestimmung zugeführt: Die Erträge des Rungeschen Stiftungskapitals (das weiterhin bei Christian Calen stand) sollten nunmehr ausschließlich der Einrichtung und Unterhaltung der Bibliothek dienen. Der Theologe Balthasar Rhaw (1527–1601) vermachte der Universität nach seinem Tod die Zinseneinnahmen eines Stiftungskapitals von 100 Gulden. Seine Erben und Stiftungsverwalter zahlten der akademischen Kasse 18 Mark Jahreszinsen für die Universitätsbibliothek. Der Greifswalder Theologe und Generalsuperintendent Friedrich Runge (1559–1604) vermachte der Universität ebenfalls testamentarisch ein Stiftungskapital von 100 Gulden zum Nutzen der Universitätsbibliothek. Eine Art Bestandsaufnahme stellte der Procurator Michael Knuth mit seinem ersten Procuraturregister von 1646–1647 zusammen. Vgl. das „Bibliothecen-Geld“ in: UAG, Kurator St. 1074, Procuraturregister von 1646–1647, o. fol. Perlbach: Universitätsbibliothek, S. 12. Vgl. ebd. S. 9–10. So ordnete Königin Christina in ihrer Resolution von 1653 die jährliche Zahlung von 100 Reichstalern für die Universitätsbibliothek aus der königlichen Kammer an, vgl. Resolution Königin Christinas (1653), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 34. Dieser Betrag ist nie ausgezahlt worden, was acht Jahre später von Königin Hedwig Eleonora angemahnt und erneut in Aussicht gestellt wurde, vgl. Resolution Königin Hedwig Eleonoras (1661), in: Ebd., S. 71.

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4. Studienstiftungen

chende Zahlungen blieben aber aus. Mit ihrer Resolution von 1670 legte Königin Hedwig Eleonora schließlich die vorgesehene Summe zur Bibliotheksfinanzierung einfach auf die akademische Kasse um: Die Universität musste fortan selbstständig für den auf 100 Gulden festgelegten Jahresbeitrag für ihre Bibliothek aufkommen.76 Die letzte, sechste Bibliotheksstiftung richtete der Theologe Jacob Henning im Jahr 1689 ein. Wie schon im Fall Friedrich Gerschows handelte es sich auch hier zunächst um eine theoretische Stiftung: Henning spendete der Universitätskasse seine offenen Lohnforderungen (Deserviten77) in Form eines Stiftungskapitals über 100 Gulden zum Nutzen der Bibliothek. Erstmals organisierte der Visitationsrezess von 1702 die Bibliotheksfinanzierung umfassend, nachdem sämtliche alternativen Finanzierungsstrategien seit dem Beginn des Dreißigjährigen Krieges nicht hatten umgesetzt werden können.78 Einnahmen für die Bibliothek wurden fortan universitätsintern und unabhängig von Stiftungskapital generiert: Die drei oberen Fakultäten hatten jeweils 2 Gulden von jeder erbrachten Promotionsgebühr zum Nutzen der Bibliothek abzugeben und von der Philosophischen Fakultät sollten 24 Schilling (1 Gulden) jeder Promotionsgebühr an die Bibliothek fließen. Außerdem waren die Hälfte sowohl der Einschreibegebühren79 als auch der Strafgelder an die Bibliothekskasse abzuführen.80 Dieses Finanzierungskonzept war zwar kompliziert, versprach aber regelmäßige Erträge. Trotzdem stellte sich keine deutliche Verbesserung ein. Im Jahr 1730 bemerkten die Visitatoren, daß die in dem Visitationsrecessu de anno 1702 [...] in Ansehung der Bibliothec befindliche Anordnung fast gäntzlich außer Obacht gelaßen worden.81

Daher folgte eine intensive Aufarbeitung der finanziellen Verhältnisse durch den neuen Bibliothekar Andreas Westphal, der mit seinem Amtsantritt 1730 bereits eine ausführliche Schuldenlistung und Klärung der tatsächlichen Finanzverhältnisse forciert hatte. In Folge dessen ist eine merkliche Verbesserung der ökonomischen Verhältnisse der Universitätsbibliothek zu beobachten. Sie konnte im Laufe der 1730er Jahre vergrößert und ihre Bestände deutlich erweitert werden.82 76 Vgl. Resolution Königin Hedwig Eleonoras (1670), in: Ebd., S. 127. 77 Vgl. dazu Kapitel 2.2.1.d. Deserviten ab S. 213. 78 Insbesondere Caput II, Nr. 18 im Visitationsrezesses (1702), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 286. 79 Im Jahr 1690 hatte das Konzil bereits beschlossen, von den Studenten bei der Immatrikulation eine Bibliotheksabgabe von jeweils 8 Schilling zu verlangen. Dadurch wurden bis Beginn des Rektoratsjahrs 1691 neben 112 Gulden Immatrikulationsgebühren weitere 14 Gulden für die Universitätsbibliothek generiert. Vgl. dazu Friedländer: Matrikel, Bd. 2, S. 184. 80 Über die reinen Geldleistungen hinaus wurde der akademische Buchdrucker verpflichtet jeweils drei Exemplare jedes Druckerzeugnisses der Bibliothek zu überreichen, vgl. Visitationsrezess (1702), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 276. 81 Abschied der Visitatoren für die Universität (1730), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 31. 82 Vgl. Perlbach: Universitätsbibliothek, S. 31–34. Nach Westphals Tod im Jahr 1747 ignorierte der akademische Kanzler jeglichen Protest des Konzils und ließ eine sechste Professur an der

4.2. Stiftungen und Stipendien in den akademischen Wirtschaftsquellen

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Stiftungen spielten in Bezug auf die tatsächliche Finanzierung der Universitätsbibliothek erst recht im Laufe des 18. Jahrhunderts keine Rolle mehr. Aber ihre Kapitalsummen verblieben weiterhin als offene Forderungen im akademischen Haushalt. Im Jahr 1731 belief sich der Betrag, den die Universität ihrer Bibliothek schuldete auf 1.057 Reichstaler und die Existenz dieser Stiftungskapitalbeträge im Universitätshaushalt ist 1775 noch angemahnt worden.83 4.2. STIFTUNGEN UND STIPENDIEN IN DEN AKADEMISCHEN WIRTSCHAFTSQUELLEN 4.2. STI FTUNGEN UND STIPENDIEN IN DEN AKADEMI SCHEN WIRTSCHAFTSQUELL EN

4.2.1. Erträge von Stiftungskapital und ihre Verbuchung in den Procuraturregistern Im ersten überlieferten Procuraturregister von 1566–1567 sind bereits Einnahmen von Stiftungskapital verbucht worden. Ihre Verzeichnung fand allerdings zunächst nicht unter einem diesbezüglich prägnanten Titel statt, sondern innerhalb der Einnahmenverbuchung von Pacht und anderweitigen Kapitalgeschäften.84 Demnach können die Stiftungskapitalerträge aus den Registern des 16. Jahrhunderts nur durch aufmerksames Lesen jedes einzelnen Postens ermittelt werden, wofür eine ausreichende Kenntnis von den Stiftungen vorausgesetzt ist. Zur Veranschaulichung sei hier das Beispiel des ersten Procuraturregisters erwähnt, das zwei Einnahmenposten von Studienstiftungskapital aufweist. Diese stehen im Register zwischen den Erträgen von fürstlichen Dotationen85 und Einnahmen aus Straf- und Immatrikulationsgebühren: 1. Von der Stiftung des Ulrich von Schwerin „tho underholdinge eynes disches in der oeconomie vor arme studenten, so theologiam studiren gestifftet up 1500 m. [...]“ empfing die Universität in diesem Jahr von Melchior Wakenitz aus Passow 75 Mark von Melchior Wakenitz.86 2. Von der Stiftung des Marten von Wedel, „Kumptohen thom Wildenboke [...] is ierlicher sinse X fl. die sine W[itwe] der vniuersitet tho under holdinge der

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Philosophischen Fakultät einrichten (Historia Litterarum), die fest mit dem Bibliothekariat verbunden war. Eine ausführliche Darstellung dessen in der Einleitung zur Instruktion für den Bibliothekar (1749), in: Alvermann/ Spieß (Hgg.): Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 153–159. Vgl. auch Kapitel 2.1.6.a. Bibliothekar ab S. 199. Perlbach: Universitätsbibliothek, S. 31. Vgl. dazu Kapitel 5.2. Akademisches Kapitalwesen in den Wirtschaftsquellen ab S. 396. Abgaben aus dem Kloster Neuenkamp, Canon Rugianus und Korn aus Eldena, vgl. Dotation Herzog Philipps I. (1558), in: Alvermann/Spieß: Verfassungsgeschichte, Bd. 1, ab S. 168 sowie Kapitel 1.2.1. Ökonomischer Neustart nach der Reformation (1558/1563) ab S. 26. UAG, Kurator St. 865, Procuraturregister von 1566–1567, fol. 22v.

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4. Studienstiftungen

oeconomie vor arme scholaren so theologiam studiren [...] tho geuen vorspraken.“ Davon kamen in diesem Jahr die vollen 30 Mark ein.“87 Als hervorgehobene und dadurch ordnende Einheit fallen die Ortsangaben der Kapitalhalter, d.h. der Zinsenzahler auf: Relativ zentral und in Majuskeln stehen in beiden Fällen die Ortsnamen Passow und Wildenbrook. Nicht die Art der Einnahme, sondern ihre regionale Herkunft diente als Ordnungskriterium. Das zweite überlieferte Procuraturregister von 1567–1568 wurde bereits nach einer neuen Registerstruktur geführt, die zuerst die Geschäfte des akademischen Betriebes (Kollegium) und dann die Einnahmen und Ausgaben im Zusammenhang der Studentenversorgung (Schwarzes Kloster) aufführte.88 Hierunter fand eine erste Unterscheidung der Studienstiftungen statt: Die beiden bereits bestehenden Stiftungskapitalerträge aus Passow und Wildenbruch zur Oeconomie, wurden – wie auch alle noch folgenden Stipendienstiftungserträge – dem Einnahmenregister des Schwarzen Klosters zugeordnet. Landesherrliche und andere allgemeine Stiftungen zur Unversität (z.B. der Canon Rugianus) wurden dagegen im Einnahmenregister des Kolegiums verzeichnet. Die Einnahmenverbuchung für das Schwarze Kloster beginnt also stets mit der mehrere Seiten umfassenden Auflistung ihrer Hauptertragsquelle: der privaten Stipendienstiftungen.89 Innerhalb des Kollegienregisters fand aber keine Unterscheidung der diversen Ertragsarten Pacht, Zinse und Stiftungen statt.90 Ihre Verbuchung blieb orts- bzw. personenorientiert, bis Martin Ribow im Procuraturregister von 1599–1600 erstmals eine solche Unterscheidung vornahm, was sich an den neuen Titelüberschriften ablesen lässt (Pechte, Zinse und Legata).91 Aber auch bei den unter dem Titel Legata verbuchten Einnahmen handelte es sich nicht ausschließlich um Kapitalerträge von allgemeinen Studienstiftungen. Nach wie vor müssten die Einzelfälle jeweils eingehend geprüft werden. Die allgemeinen Stiftungen zur Universität bildeten ohnehin eine Ausnahme zur Regel der Stipendienstiftungen, wie sie bis 1670 im Register des Schwarzen Klosters verbucht worden sind. In den etatorientierten Procuraturregistern nach 1646 fand die Studienstiftungsverwaltung keinen Niederschlag, sondern blieb zunächst ausschließlich in den weiterhin parallel geführten Registern alter Ordnung. Ab 1653 nahm Michael Knuth die Stiftungskapitalverwaltung schließlich als Bestandteil der Einnahmen „Nach dem Procuratur Register“ 92

87 Ebd., fol. 23r. 88 Zur Registertrennung nach Kollegium und Schwarzem Kloster, vgl. auch für das Folgende Kapitel 1.3.2.c. Aufbau und Merkmale der Procuraturregister ab S. 97. 89 Der vollständige Einnahmentitel lautet: „Wat die vom Adell unnd die Stedte Jarlichs tho vnderholdunge des gemeinen disches in der oeconomien geuen“ UAG, Kurator St. 872, Procuraturregister von 1576–1577, fol. 30v. 90 Vgl. dazu wie auch für das Folgende Kapitel 5.2.1.a Zins und Zinsen ab S. 396 sowie Kapitel 5.2.1.b. Kapitalvergabe/ Zinseneinnahmeverbuchung ab S. 399. 91 Diese Einnahmentitel werden so erstmals im Procuraturregister von 1599–1600 (UAG, Kurator St. 1072) verwendet. 92 Vgl. UAG, Kurator St. 948, Procuraturregister von 1656–1657, pag.35.

4.2. Stiftungen und Stipendien in den akademischen Wirtschaftsquellen

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zudem in seine neuen Register auf.93 Knuth versuchte hier offensichtlich die beiden unterschiedlichen Jahresrechnungsbuchversionen zusammenzubringen, um die gesamte Wirtschaftsverwaltung der Universität abzubilden, wozu auch die Stiftungsverwaltung gehörte. Die Stiftungsverwaltung war somit erstmals in einem Register zusammengefasst: die allgemeinen Stiftungen zur Universität (Legata), die Stiftungen zur Bibliothek (Bibliothecen geldt) und die Stipendienstiftungen (Waß die von Adell und Städte zu Unterhaltung deß gemeinen Tisches und der Stipendien geben). Die im Jahr 1670 von Moevius Völschow eingeführte Registerordnung fasste dann endgültig den gesamtuniversitären Haushalt zusammen und übernahm unter anderem auch die buchhalterische Unterscheidung der Stiftungen nach ihrer konkreten Anwendungsbestimmung. Fortan folgten in den Procuraturregistern alle drei Studienstiftungsarten direkt aufeinander: die allgemeinen „Legata“ zur Universität, die Stiftungen „zur Bibliothec“ und die Stiftungen „zu den Stipendiaten.“94 Diese Einteilung der Stiftungstitel hatte über 80 Jahre Bestand, bis Johann Georg Mayer ab 1753 sämtliche Stiftungen unter einem gemeinsamen Titel „Zinsen von Legatis zur Universität“ vereinte und sie nur noch in strikter alphabetischer Reihenfolge verbuchte.95 Diese Vereinfachung in den Procuraturregistern könnte als ein weiterer Beweis für Mayers Unkenntnis von den Feinheiten der Universitätsfinanzen aufgefasst werden.96 Sie kann aber ebenso als durchaus effektive buchhalterische Rationalisierungsbestrebung des neuen Procurators gewertet werden, der erkannt hatte, dass die Anzahl der allgemeinen Stiftungen und jener zur Bibliothek sehr gering und darüber hinaus ohnehin ertraglos waren und somit keines eigenständigen Titels bedurften. Die Stiftungskapitalerträge waren vom akademischen Finanzverwalter – beraten durch den Rektor und/ oder das Konzil – in der Region angelegt worden. Die jeweiligen Posten im Einnahmenregister verraten dementsprechend den Stifternamen, die Höhe des Stiftungskapitals, den Namen und den Wohnort des Kapitalhalters, die zu erwartenden Jahreszinsen und ob diese beglichen worden sind. Wenn der Kapitalhalter die Summe schuldig geblieben war, vermerkten die Procuratoren außerdem zumeist, aus welchen Gründen die Forderung nicht beglichen worden waren. Diese Angaben ermöglichen somit einen einmaligen Einblick in kapitalwirtschaftliche Beziehungen innerhalb Pommerns, insbesondere der Universität mit der sie umgebenden Region.

93 Vgl. dazu Kapitel 1.3.2.c. Aufbau und Merkmale der Procuraturregister, 1646-1670: Etatorientierte Register ab S. 103. 94 UAG, Kurator St. 980, Procuraturregister von 1671–1672, pag. 23. 95 Vgl. UAG, Kurator St. 1051, Procuraturregister von 1754–1755, pag.37. 96 Vgl. dazu im Kapitel 1.4.3.b. Die akademischen Procuratoren, 20. Johann Georg Mayer ab S. 167.

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4. Studienstiftungen

4.2.2. Ertraglose allgemeine Stiftungen „zur Universität“ Allgemeine Stiftungen zum Nutzen der zentralen Universitätskasse ohne nähere Zweckbestimmung waren Ausnahmefälle und in der Regel waren ihre Konditionen darüber hinaus juristisch oftmals nicht eindeutig geklärt, weshalb auch das Stiftungskapital nicht zuletzt aus diesem Grund häufig ertraglos blieb. Sie stellten für die Universitätskasse also eine ohnehin geringe und zudem höchst unregelmäßige