Zwei Predigten: Am 22sten Julius und am 5ten August in der Dreifaltigkeitskirche zu Berlin gesprochen 9783111477503, 9783111110479


202 59 2MB

German Pages 52 Year 1810

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Vorerinnerung
Erste Predigt. Die Verklärung des Christen in der Nähe des Todes
Zweite Predigt. Gedächtnisfeier der hochseligen Königin Majestät
Recommend Papers

Zwei Predigten: Am 22sten Julius und am 5ten August in der Dreifaltigkeitskirche zu Berlin gesprochen
 9783111477503, 9783111110479

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Zwei Predigten 22sten Julius und am 5ten August in der

Dreifaltigkeitökirche zu Berlin gesprochen

D. F. Schleiermacher.

Berlin,

im Berlage der RealschulbuchHandlung. i 8 * o.

Vorerinnerung. ^ein Bewohner unserer Hauptstadt darf wohl erst daran erinnert werden, daß der 221k Julius der erste Sonntag war nach dem Tode unserer geliebten Königin, und daß alle unsere Kirchen angefüllt waren von

solchen,

die ein Wort

christlicher Tröstung und Beruhigung zu hören wünschten. Seit Pfingsten war ich in einer Reihe von Vortragen über die Apostelgeschichte begrif­ fen: aus dieser wollte ich weder herausgehn, noch verstattete mir mein eignes Gefühl einen der herrschenden Gemüthöstimmung ganz frem­ den Gegenstand zu behandeln.

Dies mag die

Wahl des Textes zu der ersten Predigt, und die Art,

wie über ihn geredet worden ist, rechtfer­

tigen. Von dem zur allgemeinen Gedachtnißfeier besonders bestimmten Tage gebe ich hier »ucht nur die über den vorgeschriebenen Text gehaltene

Predigt, sondern fast den ganzen Verlauf des Gottesdienstes.

Es wäre zu wünschen,

dies häufiger geschehen könnte,

daß

und daß dabei

auch noch den Lesern anschaulich würde, wie die andern Theile des Gottesdienstes nicht minder kräftig als die Predigt selbst zu einer bestimm­ ten Art der Erbauung mi?gewirkt haben.

Dies

war hier in einem hohen Grade der Fall, vor­ züglich dadurch, daß, wie auch schon vorher ein­ mal der Fall gewesen war, rine Anzahl von Mit­ gliedern der Singakademie, denen ich hier noch öffentlich meinen und der Versammlung herzli­ chen Dank bringe, unsern Gottesdienst verschön­ ten.

Möchten wir doch je länger je mehr dahin

kommen, die Bedeutsamkeit des Klrchengesanges, sowol der Gemeine als kunsirelcherer Chöre, wieder herzustellen, und seine erbauende Kraft zu empfinden. Berlin, im August 1810. D.

F Schleier-macher.

E r st e Predig t. Die Verklärung des Christen in der Nähe des Todes.

Herr, dir leben und dir sterben wir! Gieb uns deinen Frieden, beides im Leben und im Tode!

Amen.

‘ÜO^eine andächtigen Zuhörer! Bald nachdem durch die Wirkungen jener segenvollen Ausgießung des Gei­ stes die Schaar der Gläubigen gewachsen, nachdem unter ihnen jener Bund der Liebe und der Verläugnung geschloffen war, der sie zur auödaurenden hülfreichen Treue,

zur muthigen Aufopferung alles an­

dern für den gemeinsamen Zwek verband, und wäh­ rend dieser göttliche Sinn sich durch mancherlei wun­ derbare Thaten bewährte, und alles umher zu Liebe Bewunderung

Staunen

und Furcht aufregte,

mannte sich auch derselbige Haß wieder,

er­

der seinen

ersten Sieg, den Tod des Erlösers, nicht vergeblich wollte errungen haben, und die Geschichte der christ­ lichen Lehre zeigt «ns das erhabene Schauspiel des ersten Märtyrers, des ersten, der seinem Herrn folgte

8 zum Tode

für

die Verkündigung seiner göttlichen

Kraft und Wahrheit,

und

dem hernach selbst so

große Schaarcn mit dem freudigsten Muthe densel­ ben herben glorreichen Weg gefolgt sind, daß man nicht ohne einen Schein der Wahrheit sagen konnte, die Christen

geizten eben so sehr nach dem Tode,

wie die übrigen Menschen nach dem Leben. dieses leztere wahr ist,

meine Freunde,

Wenn

so wollen

wir es nicht loben; wir wollen es als eine Schwach­ heit anerkennen,

der eine Täuschung zum Grunde

liegt, aber eine sehr natürliche in jener Zeit, wo noch nicht das ganze Feld für die Wirksamkeit und für den Heldenmuth des Christen eröfnet war.

Keiner,

in dem Liebe zu Gott und dem Erlöser brennt, wird sich des Gefühls entschlagen können,

daß es etwas

Großes und Herrliches fei um das Märtyrerthum; und ganz etwas anderes, nur sterben weil man ge­ lebt hat,

nur sterben

abzutragen,

um

der Natur eine Schuld

und sterbend nur die Hinfälligkeit des

Körpers zu bezeugen,

oder sterben unter dem grö-

ßern Zeugniß des geistigen und ewigen Lebens, ster­ bend dem Erlöser der Welt eine Schuld abtragen, und ihm sterben, nicht etwa nur,

wie man ihm gelebt hat. um uns darüber zu trösten,

Aber daß

wir diese Krone nicht mehr auf demselben Wege er­ langen können

wie

jene,

sondern mit Grund der

9 Wahrheit können wir uns sagen,

daß jeder wahr­

hafte treue Jünger Jesu den Märtyrertod stirbt.

Wir

sind ja alle Streiter des Herrn und Arbeiter in sei­ nem Dienst.

Der Kampf gegen das Böse reibt,

mit welchen Waffen und auf welche Art er auch ge­ führt werde, die Kräfte des Lebens auf, es muß al­ len Übeln Witterungen getrozt, es muß einem unver­ meidlichen Feinde widerstanden werden,

Schmerzen

und Kränkungen müssen erduldet, Wunden können oft lange nicht verbunden werden;

ja wenn auch eine

Zeitlang das Leben den äußern Schein des Krieges ganz verliert, so läßt der Dienst in dem Weinberge des Herrn weder Zeit noch Lust es so zu pflegen, jeden Keim des Verderbens so sorgfältig auszuschnei­ den wie die Andern thun,

und so können wir uns

rühmen,

erfolge er nun spät oder

daß unser Tod,

früh, immer keine unfreiwillige Naturbegebenheit ist, sondern ein freudiges Opfer, welches wir dem Herrn darbringen. Meine Brüder, wir sind iezt alle tief gebeugt! der Tod hat ein theures, vielgeliebtes und verehrtes Opfer unter uns gefordert. anstehn,

um gleich die

Was kann uns besser ersten Empfindungen

des

Schmerzes zu heiligen, als daß wir den Tod unter dieser edleren Gestalt betrachten. also wollen wir uns jenes Bild,

In solchem Sinne auf welches ich

10 schon gedeutet habe,

gleichsam als die

allgemeine

Gestalt des sterbenden Christen vorhalten.

Text. Ap. Gesch. 6, 15.

Und sie sahen alle auf ihn die im Rath saßen, und sahen sein Angesicht wie eines Engels Angesicht. Wenige Worte nur konnte ich auswählen, um uns die ganze rührende

und erhabene Geschichte in

Einem Moment zu vergegenwärtigen, ich Eure Aufmerksamkeit gewiesen,

wo

nicht

daher habe

an

den vorzüglich

der herrliche Monn

schon von der

Wuth des aufgebrachten Haufens entstellt beugte,

um

die

tödtlichen Stöße

die Knie

zu empfangen,

denn nicht durch irgend ein widriges sinnliches Bild des Todes wollen wir unsere Betrachtungen stören; auch nicht auf jenen herrlicheren,

wo er

emzükt

und des heiligen Geistes voll den Himmel offen sah, aus Furcht, es möchte nicht jeder unmittelbar fol­ gen können;

sondern eben diesen, wo die Aehnlich-

keit des ganzen Verfahrens mit dem gegen den Er­ löser schon zu groß war, lichkeit des

als daß er an der Aehn-

Ausgangs sollte gezweifelt

haben,

wo

wir ihn in der sichern Erwartung des Todes sehen und uns feine Gestalt beschrieben wird, gleich einer

himmlischen Erscheinung vor

allen die ihn sahen.

Das also wollen wir uns darstellen zu unserm Trost und unserer Erwekkung,

Die Verklärung des Christen im Angesicht des TodesSo wie eines Engels Angesicht

erscheint er,

er der Erstlich gemeinhin verkannte und un­ schuldig verläumdete, er, Zweitens ber Ueber# wundene vor den siegreichen Feinden, er end­ lich der

Treue,

indem er scheidet aus

sei­

nem Berus. I. Und sie sahen auf ihn. Alle die im Rath saßen und sahen sein Angesicht wie Angesicht.

eines Engels

So stand er vor ihnen, der unschuldig

verläumdete! Denn sie hatten falsche Zeugen darge­ stellt, welche sprachen: Dieser Mensch höret nicht auf Läsierworte zu reden wider diese heilige Stätte und das Gesez.

Denn wir haben ihn hören sagen,

»Jesus von Nazareth wird diese Stätte zerstören und „ändern die Sitten, die uns Moses gegeben hat." Lästerworte aber hatte Stephanus nicht ausgestoßen. In seiner Rede,

welche gewiß nicht gemacht war

um seine Richter der Wahrheit entgegen zu beste­ chen,

zeigt sich überall Ehrfurcht für

das Gesez

und seinen Stifter. Wol aber mochte er verkündiget

12 haben, daß die Herrschaft dieses Gesezes keine ewige sei, und das Ende derselben herannahe, mochte hin­ gewiesen

haben

auf die größere Herrlichkeit

freieren erleuchteteren Gottesreiches,

eines

und strenge ge­

redet gegen diejenigen, welche unter dem Vorwände des Gesezes das Volk drükten, Aufstreben

zum Besseren

Kräfte

eigenmächtigen

zu

hintergingen,

verhinderten, Absichten

sein

und

seine

mißbrauchten.

Und eben diese waren es zunächst, welche eine Ver­ folgung erregten, deren erstes Opfer er ward.

Aber

so geht es, wenn auch in einem andern Maaßstabe, überall dem Christen, und die Erfahrung davon ge­ hört zu den alltäglichsten. recht

und

Wo giebt es nicht Un­

Gewaltthätigkeit,

welche

den

Schein

wohlthätiger weitsichtiger Vorsorge für die Menschen annimmt?

Wo giebt es nicht Frevler, welche unter

dem Vorwände das Heilige zu befchüzen und freche Neuerungen

zurükzuhalten die

fruchtbarsten Keime

des Guten erstikken? Wo giebt es nicht auch ohne bösen

Willen

eine

verblendete

das Alte und Hergebrachte,

Anhänglichkeit

an

welche jeden Fortschritt

zum Bessern um jeden Preis zu

hemmen

Wer nun diese Verblendung aufheben, Betrug entdekken will, wer muthig

sucht?

wer jenen

das für Recht

erkannte geltend zu machen sucht, gegen den werden alle Waffen, welche wirken können, zu Hülfe ge-

nommen,

auch die der Verläumdunq.

Und das

lehrt die Erfahrung, keine Tugend ist so rein, kein Ruf so unbeflekt, kein Wandel so vorsichtig, gegen den sie nicht irgend einen Vorwand auffinden sollte. Jede Tugend laßt sich in den Schein des Lasters verkehren,

der schuldlosesten Unbefangenheit

lauern

diejenigen am wenigsten vergeblich auf, welche böses erdichten wollen; die ehrlosesten Kinder des Guten verschmähen auch die rohesten Lügen nicht,

wenn

auch von tausenden nur eine Glauben findet,

und

eben je lebendiger ein Mensch in der Besserung seiner Einsichten, seiner Sitten, seines Lebens begrissen ist, um desto leichter läßt sich Verdacht auf ihn werfen. Am leichtesten aber vor allen geschieht dies in solchen bedenklichen Zeiten, als die des Stephanus waren, und als auch die unsrigen sind, wie wir uns nicht verber­ gen können, Zeiten nemlich, in denen Erneuerung und Besserung, und

was ihnen

nothwendig vorangeht,

nicht nur in Einzelnen, sondern im Ganzen sollen be­ wirkt werden; Zeiten, wo vieles gelöst wird und vie­ les umgestürzt, damit besseres aufkommen könne, wo in tausind Fällen die noch bestehenden Formen und Buchstaben ihre alte Gültigkeit nicht mehr behaup­ ten können, und das Gewissen eines Jeden mehr als sonst sein einziger Richter sein kann.

In sol­

chen Zeiten vornemlich treibt die Verläumdung ihr

H Spiel, und läßt auch das Edelste und Zarteste nicht unangetastet. Und wenn sie auch nicht unmittelbar zum Tode führt, wie hier, so weiß doch Jeder, wie tief unschuldig gekränkter Name schmerzt, und oft auf unheilbare Weise am Mark des Lebens zehrt, und wie selten die Verläumdung ein einmal gefaß­ tes Opfer eher als am Ende des Lebens verläßt. Aber auch so scheint dann daö Angesicht des Christen, wie eines Engels Angesicht. Es leuchtet daraus her­ vor der himmlische Glanz der Wahrheit, der in­ nern Zuversicht und Gewißheit, der durch das Ur­ theil der Menschen nicht irre gemacht wird, der Ueber­ zeugung, nur das gewollt und gesucht zu haben, was Recht ist vor Gott. Der göttliche Geist, der Zeugniß giebt im Innern, und auch die verläster­ ten Thaten für die ftinigen erkennt, das Bewustsein die geistigen Vorzüge sich immer erhalten und sie immer gebraucht zu haben, die die verläumderische Beredsamkeit ihm absprechen wollte, so wie rein zu sein von den Flekken, die sie ihm anzudich­ ten sich bemüht, die ruhige Erinnerung, die den innern Zusammenhang des Lebens übersehn kann, ohne Reue und ohne Schmerz, dies erhebt ihn über alles mitten im Gewühl des Lebens sowol als im Angesicht des Todes; aber je näher diesem, desto Heller tritt Vas Engelsangesicht hervor, daß es auch

denen, die der Verläumdung lauschen und sie leiten, nicht entgehen kann, und desio leichter und froher sieht er den Himmel offen, den Himmel der die Rechtfertigung des Frommen herbeiführt wie der Mittag, sieht des Menschen Sohn, der auch ver­ klärt worden ist und erhöht, nachdem er verkannt gewesen war und verläumdet. II. Und sie sahen auf ihn alle die im Rath saßen, und sahen sein Angesicht, wie eines Engels Angesicht. So stand er vor ihnen, der Ueber# wundene vor seinen siegreichen Feinden. Ueberwunden war er freilich, indem noch einmal die Stimme des Volkes sich gegen den erklärte, den er ihnen als den einzigen Retter vorgestellt l>ute, und noch um ein Opfer mehr die Vorurtheile ihnen theurer wurden, von denen das Volk so schwer zu befreien war. Und ihm blieb keine Hofnung den Kampf zu erneuern und zu dem späteren Siege et­ was beizutragen. Er also war überwunden, sein fer­ neres Streben und Wirken war gehemmt, die Kraft die von ihm ausging, war in ihrer unmittelbaren Wirkung nnterdrükt; und dennoch stand er so da! Und dennoch ist er auch so nur das Sinnbild eines jeden Christen. Der Kampf eines Jeden hört nie auf; alle Wahrheiten die der Christ verkündet mit Wort und That, alle göttlichen Ordnungen und

i6 Rechte die er aufrecht halten will, alle Liebesbande die er unter den Menschen knüpfen, befestigen, er­ halten möchte; alle haben ihre Feinde, ihre thätigen listigen mächtigen Feinde. Manche glauben, indem sie sich in dem offenbarsten Widerstand be­ finden gegen das Rechte und Gute, doch Gutes oder wenigstens Erlaubtes zu verfechten, und so find ste nur desto eifriger durch den Glauben an eine gute Sache. Andre wissen es oder ahnden es we­ nigstens in Augenblikken des Zweifels, daß sie sich in der Feindschaft gegen Gott befinden, aber um desto mehr verhärten sie sich in Leidenschaft. In diesem Kampf ist der unmittelbare Sieg nur selten nur in einzelnen Fällen auf der Seite des Christen, und je eifriger er kämpft, je unausgesezter er die­ sen Kampf fortsezt, um desto öfterer sieht er sich überwunden. Ja wir müssen nicht nur auf die Fälle sehen, wo er sich den Bösen in ihren Wün­ schen und Unternehmungen widersezt, sondern auch auf die, wo er die Lauen die Unsichern die Gleich­ gültigen auffordert zur Thätigkeit für die gute Sache. Wenn nun diesen der Lohn zu entfernt ist oder zu schwer zu erringen, wenn sie gleich anfangs den entgegengefezten mehr schmeichelnden Eingebun­ gen Gehör geben, oder mitten im Werke laß wer­ den und umkehren: so ist er auch der Ueberwundene. Und

r? Und weil es so fort geht das ganze Leben hindurch, wie selten müssen die Fälle sein, wo es grade schließt mit dem Gefühl des Sieges! wie viel häufiger die,

ja wohl allgemein können wir sagen, wenn wir auf das Ganze aller Bestrebungen sehen, Fälle sein,

müssen die

wo der Christ am Ende seines Lebens

eben so besiegt da steht vor seinen Feinden, wie dort der heilige Märtyrer.

Aber auch so ist sein Ange­

sicht zu sehen wie eines Engels Angesicht, es leuchtet

daraus hervor

der

nemlich

himmlische

Glanz

des Glaubens, des Glaubens, daß das Böse nie­ mals siegen kann, und daß wenn auch der Einzelne untergeht, wenn auch unmittelbar dem Anschein npch nichts erreicht wird,

dennoch die innere Kraft des

Guten bei jedem Kampf zunimmt,

und

ihm der

endliche Sieg nicht kann entrissen werden.

Sein

persönliches Streben kann gehemmt sein, der nächste Zwek

den er unmittelbar vor Augen hatte

verei­

telt, aber daran hängt er nicht wie die, die überall nur sich selbst suchen und Denkmäler für ihre Kraft und ihren Ruhm.

Sondern er sucht nur das Gute

und Wahre, das Reich Gottes, wie wann und durch wen es auch komme, und so glaubt er an die unüber­ windliche Macht dessen, dem er dient, an den noth­ wendigen Sieg der Sache die er verficht, Jeden, der für sie thätig ist,

an eines

unverlorne Wirksam-

[aj

seif, wenn sie auch an Einzelnen nicht erscheint, und die Welt nichts von ihr wahrnimmt.

So sieht er

den Himmel offen und wohlthätige Einflüsse herab» gießend auf die Erde, auch noch

in seinem Tode,

und fühlt den lohnenden Beifall dessen, dem er ge­ lebt hat. III.

Und sie sahen

Engels Angesicht.

sein Angesicht

als

eines

So stand er endlich da verklärt

im Angesichte des Todes, wiewol im Begrif von einem Beruf zu scheiden, den er liebte. Wir wissen aus Apostelgeschichte,

der früheren

Erzählung der

welche Stelle dieser heilige Mann

einnahm in der ersten Kirche, wie er als vorzüglich bewährt zeichnet,

und

mit

dem allgemeinen Vertrauen t>«

mit noch einigen andern erwählt worden

war, um die Gaben, die aus den Darbietungen der Einzelnen als ein Gemeingut zusammenflössen,

mit

weiser Rechtschaffenheit und liebevoller Treue zu ver­ theilen unter die Dürftigen

und Verlassenen.

So

war in die innere Häuslichkeit der Kirche seine Be­ rufsthätigkeit eingeschlossen,

und wenn sie an und

für sich angesehen geringer erscheint als die der ho­ hen Apostel: so ist doch gewiß,

daß ohne jene zu­

sammenhaltende Einrichtung der ersten Liebe die Ge, meine des Herrn damals nicht könnte bestanden ha, ben,

und immer ist der Dienst der Armen ein eh-

>9 renvolles

Amt

gewesen

in

der christlichen Kirche.

Wer kann also zweifeln, daß dieser Mann, voll Weis­ heit und heiligen Geistes, nicht werde eingesehen,

die Wichtigkeit desselben

und an ihm mit Lust und

Liebe werde gehangen haben. mancher bei sich, geblieben,

Aber, denkt vielleicht

wenn er nur bei seinem Beruf

wenn er nicht in unberufene Geschäftig­

keit darüber hinaus geschweift wäre, könnte er wol noch lange darin zum Wohl des Ganzen wirksam geblieben sein, und würde nicht diese Verfolgung er­ regt haben gegen sich und dir ganze Gemeine. scheint es freilich!

So

aber eine genauere und richtigere

Ansicht der Sache wird wol

jeden

Vorwurf von

dem heiligen Mann entfernen, oder wir müßten an­ nehmen, daß jeder Beste am meisten demselben Ta, del

ausgcsezt wäre.

Jeder Mensch hat seinen be­

sondern Beruf, den er betreibt als Auftrag der Ge­ sellschaft, welcher er angehört, und in Sachen eben dieses Berufes ist es wohlgethan,

sich über seine

Grenzen nicht hinaus zu versteigen, weil man sonst Verwirrung in dem Kreise eines Andern anrichten könnte.

Aber niemand wird wol glauben, daß die­

ser Beruf,

wie vielumfaffend

und wichtig er auch

sein möge,

alles in sich schließt,

was ein Mensch,

der den Willen Gottes zu erfüllen trachtet,

in der

Welt zu thun hat; sondern es giebt allgemeine Thä-

20 tigkeiten, an denen Jeder Theil nehmen muß, die nicht als

besonderer

Beruf

übertragen werden. kündigung

des

auf

einige Wenige

Und so

können

war damals die Ver­

Evangeliums etwas,

dessen sich in

gewissem Maaß jeder Christ mit Recht unterzog, und das nicht den Aposteln allein konnte überlassen sein. Wenn auch öffentlich im Tempel und in den Schu­ len das versammelte Volk

zu

ßende Amt der leziern war;

lehren

das ausschlie­

so kam es doch jedem

zu, in dem besondern Kreise seiner persönlichen Ver­ bindungen Rechenschaft zu geben von seinem Glau­ ben und seinen Erwartungen, und an denen, di« ihm nahe waren, suchen. ses,

die Kraft

des Evangeliums zu ver­

Daß Stephanus mehr gethan habe als die­

haben wir keine Ursache zu glauben;

aber je

mehr er sein Volk auf der einen und seinen Glau­ ben auf der andern Seite liebte,

desto eifriger that

er eben dieses, und je ausgebreiteter die Veibindungen waren, in die ihn sein Amt brachte, um so we­ niger konnte das,

was er that,

verborgen

bleiben.

Und ist es nicht noch jezt mit jedem von uns, nach Maaßgabe seiner Kraft und seiner Verhältnisse, eben dasselbe? sich

Ist es nicht eine allgemeine Pflicht,

keiner entziehn zu

dürfen fühlt,

daß

der

er der

Wahrheit, von der das Herz vo I ist, auch Zeugniß gebe mit dem Munde? daß durch freimüthiges Be»

21 kenntniß und

allerlei Aeußerungen

des

Eifers für

das Gute und Wahre, jeder so viele von den andern wie er kann, belebe, antreibe, begeistere? daß den Un­ willen gegen das Böse, den Haß gegen Lügen und Untreue keiner verschweige,

und wie

es

auch der

Apostel als Regel aufstellt,

aus Furcht vor Men­

schen keiner dem Gehorsam gegen Go» und die Stimme seines in unser Herz

geschriebenen Gesezes entsage?

Je mehr nun jene unedle Feigherzigkeit unter den Menschen überhand genommen hat, die engsten

welche

sich in

Grenzen des bestimmten Berufs zurük-

zieht, und die Theilnahme an den allgemeinsten und höchsten Pflichten als bedenklich oder unnüz und ge­ fahrvoll treue

bei

Seite fezt,

um desto mehr kann die

Beharrlichkeit der hervorragende Eifer,

auch

ohne daß sie, wie Stephanus, schon durch ihre äußere Lage hervorragen, wirklich gefährlich werden. Doch wie dem auch sei, wenn und auf welche Art wir auch dem Tode entgegengeführt werden, we­ nige sind es immer, die jenes späte Ziel des Lebens erreichen, vor welchem der Mensch schon, weil sein eigentlicher Lauf beendigt ist,

weil seine Kräfte ab­

nehmen, aus aller eigentlichen Berufserfüllung aus­ geschieden ist, und ruhig, vielleicht sehnsuchtsvoll der Stunde wartet, Welt.

Sondern

die ihn gänzlich

abruft aus dieser

die 9Jüt|len scheiden früher,

und

22

werden, eben wie Stephanus, mitten aus einem schö­ nen und lieben Beruf hinweggerisscn. Sollte da nicht bange Sorge die lezten Augenblikke des Lebens trüben? wenn wichtige Geschäfte müssen zurükqelasi sen werden, unvollendet, vielleicht in einer mißlichen Lage, diejenigen, welche sie zu führen haben, ohne einen treuen Gehülfen, ja vielleicht ohne den leitenden Geist, der sie vorzüglich beseelte und aufklärte? wenn geliebte Menschen zurükgelassen werden, ohne vielleicht daß die ihnen gewidmeten Bemühungen schon zum Ziel gelangt wären, ohne Sicherheit für ihr Schiksal, vielleicht mit so vielen Sorgen, wie Stephanus, seine Freunde und Geliebten unter den Jüngern zurüklaffen mußte! Aber dennoch sahen sie sein Angesicht wie eines Engels Angesicht, und so ist auch das Angesicht jedes Christen. Er ist verklärt durch die Liebe, die in der Seele des Chri­ sten immer himmlisch ist und rein, aber von der sich im Angesicht des Todes mehr als je alles Jrrdische und Unvollkommene ablöst, durch das Gefühl, daß er in Gott und in Christo Eins ist mit de­ nen die er liebt, daß er wohnt und lebt in ihren Herzen, uud daß auch in ihnen das Gefühl feiner Nähe und das verklärte Bild, welches ihnen zurükbleibt, reiner und heiliger wirken wird, als die im­ mer getrübte Gegenwart es vermochte. Das heißt

2Z den Himmel offen sehn,

die unzerstörbare Gemein­

schaft des Göttlichen und Ewigen mit dem Zeitlichen und Irdischen, und des Menschen Sohn zur Rech­ ten Gottes,

ihn,

der alle

und mit sich vereiniget, Liebe

die ©einigen unter sich

ihn,

dessen ewig gesegnete

auch den fortdauernden Segen jeder wahren

Liebe verbürgt, und der selbst mit der tröstlichen Ver­ sicherung schied, daß er Alle zu sich ziehen wolle. Ja,

meine Freunde,

das Licht der göttlichen

Wahrheit, der Glanz des ungetrübten Glaubens, dar Feuer der himmlischen Liebe,

das ist es,

was den

Christen auch im Tode noch verklärt, dieselben gött­ lichen Gaben und Zeichen,

die auch im Leben jene

ehrfurck tgebietende Hoheit über ihn ausgießen, welche alles Irdische überragt, sich offenbaren,

wenn

die

aber

desto

alles Irdische zu

herrlicher verschwin­

den anfangt, ja deren Kraft auch die Schmerzen des Todes

unterdrükt

und

seinen

Stachel

Diesen ewigen Gütern nachjagend,

abstumpft.

und unersättlich

in ihrem Besiz, laßt uns denen muthig folgen, die uns so vorangegangen sind,

und alle selig preisen,

die da vollendet haben in dem Herrn.

Amen.

f Hierauf folgte die vorgeschriebene Bekanntmachung des Absterben« der hochseligen Königin.!

Zweite Predigt. Gedächtnißfeier der hochseligen Königin Majestät.

Ges

a

n

g.

Gemeine.

993ie

fleucht dahin der Menschen Zeit!

Wie eilen wir zur Ewigkeit! Wie mancher hat, eh er's gedacht, Zur Todesnacht Sein kurzes Leben schon gebracht. Dies Leben ist gleich einem Traum; Gleich einem leichten Wasserschaum Ist alle seine Herrlichkeit; Der Strom der Zeit Reißt schnell uns fort zur Ewigkeit. Nur Du, o Gott, Du bleibest mir Das was du bist, ich traue Dir. Laß fallen Berg und Hügel hin! Mir bleibt's Gewinn, Daß ich bei Dir und Jesu bin. So lang ich in der Hülle wohn Sei Du mein Führer, Gottes Sohn! Gieb daß ich zähle meine Tag Und munter wach, Und eh' ich sterbe sterben mag.

26 Was hilft die'Welt in letzter Noth? Lust, Ehr und Reichthum in dem Tod? O Mensch, lauf nicht dem Schatten zu, Bedenk es nu! Du kommst sonst nie zur wahren Ruh. Weg Eitelkeit, der Thoren Lust! Mir ist das höchste Gut bewußt, Das such' ich nur,

das bleibet mir,

Und mein Begier, Herr Jesu, zieht mein Herz nach dir.

Gebet. Barmherziger getreuer Gott, du ewiger Vater unsers Herrn Iem Christi, und Älter, die durch ihn deineKmder geworden sind! du weiser Gebie­ ter, unter dessen Schutz wir leben und nach dessen wohlbedachter Vorsehung wir sterben.

Wir

sind jezt versammelt vor Dir, um einFeftderWehmmh und Trauer zu feiern zum Andenken der allgeliebten Köni in, die Du vollendend von dieser Erve abgerufen hast. O laß uns, damit unsere Empfindungen rein und Dir wohlgefällig sein mögen, damit anfangen, daß es ein F^st des Dankes sei für alle Wohlthaten und Segnun­ gen ,

die Derne Güte über ihr Leben auöge-

29

streut, und noch mehr für alles Gute und Trefliche, wodurch Du Dich in ihr verherrlichet hast. Ja reichlich hattest Du ihre Seele ausgestattet mit Gaden aus der Höhe! aber vor allem da­ für gebührt es uns Deine Gnade zu preisen, daß lhr Herz durchdrungen war von Liebe zu Dir, daß auch lhr aufgegangen war das Licht der christlichen Wahrheit zur Erkenntniß Dernes Willens,

zum Dir wohlgefälligen Leben und

zum rrlhigen und seligen Ererben.

So laß denn

uns allen, die wir sie geliebt und verehrt haben im Leben,

auch jezt die Feier ihres Gedächt­

nisses dazu erweklich fein, daß auch wrr durch Jesinn Christum unsern Heiland und durch die Kraft seines Geistes uns je langer je mehr hei­ ligen zu wahrer Gottgefalligkeit,

und unsere

Seelen ausschmükken mit chrürlichen Tugenden, damit wir ein angenehmes Volk sein vor Dir. Und wenn wir denn auch im Gefühl unseres Verlustes um Trost flehen zu Dir für uns und für diejenigen, die noch mehr verloren haben als wir, o so laß uns kräftig gestärkt werden in dem Glauben, daß es eine Wiedervereinigung giebt vor Dir, und Alle, dre Dir treu gewesen sind,

5o im helleren Licht Deine Liebe schauen, und mit höheren Kräften Deine Barmherzigkeit preisen werden immerdar. Amen. Der Herr sei mit uns und bewahre uns unsträflich auf die Zu­ kunft unseres Herrn Jesu Christi. Getreu ist Er, der uns ruft, Er wird es auch thun. Amen. Gesang. Chor. Requiem aetemam dona Ei Domine! et lux perpetua luceat Ei.

^ Ewige Ruhe schenke Zhr, o Herr! und ein beständi­ ges Licht leuchte Zhr.) Staub bei Staube ruhst Du nun In dem friedevollen Grabe! Möchten wir wie Du auch ruhn Einst im friedevollen Grabe! Ach, der Welt entrannst Du schon, Kamst zu Deiner Tugend Lohn! Nur ein Herz, das Gutes liebt, Nur ein ruhiges Gewissen, Das vor Gott auch Zeugniß giebt, Konnte Dir den Tod versüßen. Solches Herz, von Gott erneut, Ist des Todes Freudigkeit.

5i Gemeine. Herr, Du unsre Zuversicht! Unser Theil ist einst das Leben; Wenn auch unser Auge bricht Wirst Du Mittler es uns geben, Gottes und des Menschen Sohn, Deinen Frieden gabst Du schon. Daß wir Dein sind, nicht der Welt, Daß Du uns wirst auferwekken, Diese Kraft der bessern Welt Laß in unserm Tod uns schmekken! Segnend hast Du uns bedacht Als Du riefst: Es ist vollbracht!

32

Herr! Deine Ruhe über die, welche schlafen, und Dein ewiges Licht leuchte ihnen!

Aber

Deine Ruhe und Dein Licht auch üver uns, die wir noch hier sind, daß auch unser Wan­ del sei im Himmel! Amen/V

schmerzlicher Rührung sind wir heute hier ver­ sammelt.

Es hat dem Herrn gefallen, die weiland

durchlauchtigste

großmächtige Frau,

Luise Auguste

Wilhelmine Amalie Königin von Preußen, Prinzessin von Meklcnburg-Streliz,

geborne

am lyten des

vergangenen Monats, im Ztzsten Jahre ihres Lebens, aus unserer Mitte abzurufen, und dadurch den Kö­ nig unsern Herrn und

sein hohes Haus,

und mit

demselben auch alle getreue Unterthanen in die tiefste Trauer

zu versezen.

Meine andächtigen Freunde!

Nicht leicht nimmt der Tod einen Menschen, der ir­ gend des Namens werth war, aus diesem Leben hin­ weg, daß nicht eine oder die andere menschliche Brust von schmerzlichen Empstndungen bewegt würde.

Je

größer nun der Werth des Hinscheidenden war, und je mehr derer in

deren Leben das feinige eingriff, um

53 um desto tiefer wurzelt, um desto weiter verbreitet sich der wehmüthige Eindruk, so daß die Besten und die Höchsten der Erde es sind, deren Tod die meisten Gemüther und aufs innigste erschüttert. Wie selten die Fälle sind, wo beides sich vereinigt, wissen wir; aber auch unter diesen ist der Verlust, welcher uns getroffen hat, einer der seltensten und schwer­ sten. Denn nicht leicht ist ein Werth allgemeiner anerkannt worden, als der unsrer verewigten Köni­ gin; nicht überall, das Zeugniß dürfen wir uns ge­ ben, verbindet ein so inniges und festes Band der Liebe das Volk mit seinen Fürsten, als dieses treue Volk mit dem erhabenen und gesegneten Hause, wel­ ches über uns herrscht; und wol seit langen Jahren haben wir aus demselben kein so geliebtes und ver­ ehrtes Haupt verloren, als das, um welches wir jezt trauern. Wie nun in allen solchen Fällen der Mensch, welcher nicht ganz fern ist von dem Leben aus Gott, zuerst bei dem Trost sucht, dessen Fügung ihn niedergebeugt hat: so sind auch heute die Hau­ ser der Andacht in dieser königlichen Hauptstadt da­ zu eröfnet, um den gemeinsamen Schmerz aufzuneh­ men und durch Andacht zu heiligen. Denn der Trost, welchen der Christ sucht, ist nicht nur Hem­ mung der Thränen und Lüftung der beklommenen Brust; sondern darnach vornemlich strebt er, daß

C 5 ]

34 auch die Schickung, die ihn am tiefsten beugt, ihm zugleich zu einer neuen Kraft des geistigen Lebens gedeihe.

Diese Richtung nehme denn auch in die«

ser frommen Todeöfeier unser Andenken an die ver­ ewigte Königin.

Wir erflehen

dazu Gottes Segen

im Gebet des Herrn, und erwekken unsere Andacht durch Gesang. An uns stirbt nichts als Sterblichkeit, Wir selbst sind unverloren, Der Leib wird nur der Last befreit Und himmlisch neu geboren. Denn was man hier verweslich sät, Was hier verdirbt im Dunkeln, Das wird, sobald es aufersteht, Von Glan; und Schönheit funkeln. Unser Vater rc. Text.

Zes. 55, g. 9.

Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der Herr. Sondern so viel der Him­ mel höher ist denn die Erde, so sind auch meine Wege höher denn eure Wege, und meine Gedanken denn eure Gedanken. Von der ersten Hälfte dieser Worte,

m. chr.

Freunde, hören wir oft im gemeinen Leben der Men-

oo schm eine Anwendung machen, die dem Frommen nicht genügen kann. täuscht,

Wenn ihre Erwartungen ge­

ihre Hofnungen zerronnen sind, wenn der

Erfolg alles anders bringt, als ihre leichtsinnige Ein­ bildung, oder ihre eingebildete Klugheit ausgerechnet hatte,

dann hören wir sie bald nach dem

ersten

Schmerz in jenen Worten eine scheinbare Beruhi­ gung finden. Aber was ist es damit? Ihre Gedan­ ken schienen ihnen doch so hell, sicher zum Ziele führend,

ihre Wege doch so

zu demselben Ziele,

wel­

ches wie sie meinen, der Höchste doch auch vor Augen hat.

Seine Wege also sind ihnen anders nicht nur,

sondern dunkel,

unerforschlich,

aber sie hoffen,

irgend einer Ferne würden sie sich aufhellen.

in

Allein

diese gehofte Aufhellung muß ihnen immer wieder verschwinden in dem Dunkel,

in welchem sie wan­

deln, denn sie leben nur im Irdischen und suchen nur dieses.

Solche unhaltbare Veruhignng bedarf

der freilich nicht,

welcher über die Wandelbarkeit

alles Irdischen, einmal für alle zum klaren Bewußt­ sein gekommen ist, welcher es weiß, Mensch sicher

glüklich ist,

daß nur der

der ohne sich eine be­

stimmte Gestalt der Zukunft auszubilden,

aus dem

gegenwärtigen Augenblik alles nimmt, was er geben kann, und nur der sicher weife, welcher ohne sich auf Erfolge zu verlassen,

in jeder Stunde das treu-

36 lich thut, wozu Pflicht und Gewissen ihn antreiben. Aber, meine Freunde, es ist auch nur ein Mißbrauch, der so von den Worten unsers Textes gemacht wird. Denn es ist nicht die Rede von dem Gegensaz zwi­ schen

Erwartung

und

Ausgang,

sondern

göttlichem und ungöttlichen Sinn;

zwischen

nicht in irgend

eine irdische Ferne werden wir verwiesen,

um uns

dort mit den göttlichen Gedanken wieder zusammen zu treffen, sondern auf die himmlische Güte und das himmlische Licht über uns. vorher:

So nemlich lautet es

„Der Gottlose lasse von seinem Wege und

„der Uebelthäter seine Gedanken,

und bekehre sich

„zum Herrn, so wird er sich sein erbarmen und zu „unserm Gott,

denn bei ihm ist viel Vergebung."

In diesem Sinn also

wollen wir die vorgeschriebe­

nen Worte auffassen und anwenden;

und wenn es

nicht scheinen mag, als ob in unsern Gedanken bei dieser traurigen Veranlassung

irgend gottloses und

übelthäterisches sein könne, so laßt uns nicht verges­ sen, daß je irdischer sie sind, um desto unreiner und ungöttlicher sie auch sein müssen,

und

desto näher

also auch dem, was dem Herrn zuwiderläuft.

Wolan

denn! je inniger unsere Liebe und unsere Verehrung gegen die Vollendete ist, um desto mehr muß uns ja daran liegen, auch unfern Schmerz zu läutern und zu heiligen.

Se laßt uns demnach

überlegen,

5? wie wir auch in Bezug auf das Anden­ ken

an

die

vollendete Königin

unsere

Gedanken mit Gottes zu einigen haben. Vorzüglich aber, und darauf will ich eure Aufmerk­ samkeit hinlenken, Erstlich unsere Gedanken über den Werth des Lebens und seiner Güter. Zweitens unsere Gedanken über das Wesen und

den Ursprung menschlicher Liebe

Verehrung,

und

endlich

unsere

und

Gedanken

über die Art und den Umfang menschlicher Wirksamkeit. I. Einigen wir unsere Gedanken mit Gottes, über

den Werth

des

Lebens

und

seiner

Güter! Wie weit sich hierin der große Haufe der Men­ schen von dem Sinne Gottes entfernt,

wissen wir.

Ich will jezt nicht darauf hinweisen, daß noch Viele der Meinung sind, der in seiner Länge,

Werth des Lebens bestehe

da doch Gott demselben bald früh

bald spat sein Ziel sezt

ohne Unterschied der Besse­

ren oder Schlechteren.

Denn Viele von denen, wel­

che doch nur an der irdischen Seite des Lebens hän­ gen, sind mit uns darüber einig, es komme bei der Schäzung des Lebens nicht auf die Zeit an,

son­

dern darauf, wie reichlich sie mit demjenigen ange­ füllt ist, was den wünschenswerthen Inhalt des Le-

58 ocns ausmacht.

Aber eben dieses,

daß sie dabei

nur auf die irdische äußere Seite des Lebens sehen, nur auf alle Weise trachten nach sinnlichem Genuß, und Schmerz

und

Unannehmlichkeit als

lebenzer­

störend fliehen, und nur das für die Güter des Le­ bens halten,

was ihnen eine ununterbrochene Folge

angenehmer Eindrükke sichert, und um sie her Wache hält, daß das Widrige nicht eindringen könne, das eben ist das ungöttliche in ihren Gedanken. dem göttlichen Sinn zu Folge,

Denn

ist was dem Men­

schen begegnet, was ihm von außen kommen kann, auch nur das Aeußere, die Schale des Lebens, sein Werth aber liegt in dem Kern, in dem

was das

innerste Selbst des Menschen ist und wird, wie er das Ebenbild Gottes,

zu dem er geschaffen ist,

je

länger je mehr in sich gestaltet, wie dieses zu herr­ lichen Tugenden und Kräften des Geistes nach allen Seiten gedeiht.

Denenjenigen, und es ist ihrer eine

große Zahl, welche, wie sehr sie auch hierüber klar sehen mögen

in

stiller Betrachtung,

doch in der

unmittelbaren Ausübung und im Gewühl der Er­ eignisse unschlüssig und wechselnd schwanken zwischen dem Wesen und dem Schein,

kommt der Höchste

zu Hülfe durch mannigfaltige Gestalten die er vor ihnen aufstellt, stigen.

des Lebens,

um ihr Urtheil zu befe­

Merkwürdige Beispiele führt er unö vor,

39 vorzüglich solcher, gcstzt ist,

in denen beides strenge entgegen-

wo wir alles finden was des Menschen

Sinnlichkeit begehrt, wo sich alle jene Güter häu­ fen, die das Leben äußerlich bereichern und sichern, wo aber innen ein leerer ungebildeter Geist wohnt, und wir uns dann nicht erwehren können, dag ganze Dasein für leer und werthlos zu erkennen und alle jene äußeren Zurästungen gleichsam für verschwen­ det zu halten; oder wo innnere feindselige Leidenschaf­ ten herrschen, und eine der göttlichen ganz entgegengesezte Gestalt wohnt,

so daß wir Weh und Ver­

derben rufen, und statt selig zu preisen, gern ausrot­ teten,

nicht aus Neid über den reichen Besiz,

der

doch in der inneren Unruhe und Bitterkeit eines lieb­ losen Gemüthes

nicht

genossen wird,

sondern um

gegen ein solches Wesen dasjenige zu retten, dem wir auch bei dieser Vergleichung allein Werth zuschrei­ ben können.

Eben

so zeigt

Seite Gott auch solche,

uns auf der

andern

wo ein ihm gefälliges und

ähnliches Gemüth aller äußeren Zierden und Reize des Lebens entbehrt, und nur mit Widerwärtigkeiten zu kämpfen hat, aber doch immer so siegreich sich of­ fenbart, daß wir sagen müssen, hier ist was dem Le­ ben seinen wahren Werth giebt,

und alles was die­

sem fehlt, verschwindet dagegen als nichts.

Biswei­

len aber erfreut, belehrt, rührt uns der Höchste durch

40 solche seltene Erscheinungen der Menschheit, in wel­ chen beides das Innere und das Aeußere zum schön­ ten Einklang verbunden ist, reiner und edler Sinn, Kräfte und Gaben des Geistes zu Tugenden und Fertigkeiten aller Art ausgebildet, mit allen jenen äußern Vorzügen und Gätern. Wenn ein solches Le­ ben jeder ohne Bedenken selig preisen muß, so frage er sich denn, um sich ganz zu verständigen, wobei er wol ohne jenes Gefühl zu verlieren, zuerst anfan­ gen dürfe zu entkleiden und zu berauben, bei dem Aeußeren oder Inneren? und wo sich jenes heilige Wohlgefallen am festesten einwohne? Eine von diesen seltenen Gestalten war unsere verewigte Königin! Wer hätte nicht ihr Leben glüklich und selig gepriesen! Aber jeder prüfe sich, wor­ auf sein Wohlgefallen geruht hat; und wer das Recht haben will mit den Frommen und Guten unter ihren Getreuen zu trauern über ihren Verlust, das Recht ihr herrliches Bild fest zu halten als einen Schaz und Besizthum in seinem Herzen, der sei fern von ungöttlichen Gedanken. War es der Glanz des Thrones weshalb wir sie glüklich priesen? jene Leich­ tigkeit, welche die Macht darbietet alle Wünsche zu erfüllen? jene Huldigungen, welche der gefeierten Kö­ nigin von allen Seiten dargebracht wurden in den glüklichsten Tagen des Staates und ihres erhabenen

4i Hauses? Nein ihr ganzes Leben und Dasein steht in gleicher Herrlichkeit vor uns auch in den trüben Tagen des Unglüks, und sie scheint, wiewol auf eine Höhe gestellt, auf welcher sonst Stürme und Ungewitter dieser Art nicht zu toben pflegten, eben deshalb die Herbesien Wechsel erfahren zu haben, um zu zeigen, daß das Heil und der Werth ihres Lebens nicht auf Glanz, Glük und steigender Ho­ heit ruhte. Waren es die Reize der körperlichen Anmuth und Schönheit, mit denen Gott ihre Per­ son so reichlich ausgestattet hatte? Der Tod hat diese Reize ganz zerstört und bis auf die lezten Spuren davon die geliebte Gestalt zerrüttet; aber wenn er seine zerstörende Macht auch bis auf unser Gedächt­ niß ausdehnen könnte, daß wir allmählig unfähig würden die wohlbekannten tief eingeprägten Züge uns zu vergegenwärtigen: wenn wir nur alles übrige festhalten, wird uns der Eindruk von Seligkeit und Fülle, den uns ihr Leben hinterläßt nichts verlieren. Also ist es nur die Anmuth und Schönheit der Seele, der edle und reine weibliche Sinn, das liebevolle für alles Gute empfängliche Gemüth, es ist der Glanz jener Tugenden der Gattin der Mutter, der hülfreichrn Beschüzerin, die sie unter uns ausübte, und dieses, daß alle Huldigungen die ihr dargebracht wur­ den, zugleich Huldigungen gegen Tugend und Fröm-

42

migkeit waren, es ist die Hoheit der Gesinnung und des Muthes, die innere Heiterkeit des Gemüthes, diese Fülle ist es, um derentwillen jeder ihr Leben selig pries; und Gott sei gelobt, der sie ihr verliehen hatte. II. Einigen wir mit Gottes Gedanken die unsrigen über den Ursprung menschlicher Liebe und Verehrung. Noch immer giebt es Menschen genug, welche um soviel zu gering denken von sich selbst und ihrem ganzen Geschlecht, daß sie meinen, der Mensch könne ursprünglich nichts anders lieben als seine eigne Per­ son, sich selbst in der flüchtigen Erscheinung des ver­ gänglichen Lebens, und alle andere Liebe sei nur von dieser abgeleitet; kurz alle Liebe sei Eigennuz. Jeder liebe nur den der in diesem Sinne wohlthätig auf sein eigenes Leben gewirkt habe, oder von dem er er­ warten könne, daß er es werde; alle Liebe, alle Ver­ ehrung die menschlichen Tugenden und großen Eigen­ schaften gezollt werde, habe nur den Grund, daß durch sie das Leben und die Freiheit gesichert, der Wohlstand gefördert, die Gewalt des Menschen über die Natur erhöhet werde, und daß jeder Einzelne sein Theil ihrer Anwendung sich für empfangen an­ rechne, wenn er auch ihren Einfluß nicht bestimmt und einzeln bis in sein Leben verfolgen könne. An-

43 bett erweitern doch um etwas jene eng gezogene Be­ deutung des menschlichen Lebens;

eine gesellige Nei­

gung schreiben sie dem Menschen zu von Natur, Ge­ meinschaft mit Andern sei ihm ein ursprüngliches Be­ dürfniß.

Nachdem nun einer jene Neigung zu be­

friedigen und ihren scheinbaren Streit mit der Selbst­ liebe und dem Eigennuz zu beseitigen, nachdem einer diese Gemeinschaft zu erhalten und zu beleben wisse, nachdem also einer hingebend sei, unterhaltend, gefäl­ lig, nachdem er einen Reichthum von geselligen Ta­ lenten besize,

und sie auch gern und anspruchlos an­

wende, nachdem werde er geliebt. Wir wissen es recht gut meine Freunde,

daß

das ungöttliche Gedanken sind: aber wie viele unter uns sich davon ganz losgemacht haben, das möchte schwer sein zu untersuchen.

Jeder der jemals mehr

das Gelingen von Thaten, als die Gesinnung in der sie gedacht waren, zum Maaßstab seiner Liebe und Achtung gegen einen Menschen gemacht hat, Jeder der um angenehmer Gaben und Talente willen von den Ansprächen an Redlichkeit, an Tugend, an ord­ nungsmäßigem Betragen etwas nachgelassen, ja Jeder der sich jemals über den Mangel an äußeren Gütern beklagt,

und sich mehr davon gewünscht hat,

nur

um mehr Liebe von den Menschen zu gewinnen, was hat er anders gethan,

als

vorausgesezt Liebe und

44 Achtung entstehn nur auf diesem Wege,

was anders

als sie selbst nach diesem Geseze gespendet? Aber Nie­ mand rühme sich der Liebe und Verehrung,

die er

in diesem Sinne unserer Vollendeten weihet! laßt es vielmehr unser Erstes sein bei der Feier ihres Anden­ kens auch hierüber unsere Gedanken zu reinigen. Denn ganz andre sind herüber Gottes Gedanken, und eben so deutlich als gewiß mit Zustimmung unseres besse­ ren Gefühls belehrt uns darüber sein Wort.

Der

Mensch liebe zuerst Gott, und alles andre sich selbst sowohl als seinen

Nächsten nur in Beziehung auf

Gott. Wo ihm Aehnlichkeit entgegenstrahlt mit gött­ lichen Eigenschaften, chen Gesezen,

wo gehandelt wird nach göttli­

da neige sich sein Herz hin;

und je

reiner dieser Sinn, je kräftiger alles andre beherr­ schend ,

desto mehr gehe seine Liebe über in Vereh­

rung. Wer von uns sollte es auch nicht fühlen, daß

es

diese Liebe und Verehrung ist, die unsere Herzen

so unablöklich fesselt an unsere verewigte Königin! Freilich würde sic immer auch von allen denen ge­ liebt worden sein, die nur jener engherzigen Den­ kungsart anhängen.

Viel hat sie immer wohlthätig

auf Einzelne gewirkt, viel Kummer gelindert;

viel Thränen

getroknet und

keine Aufforderung mensch­

licher Noth abzuhelfen ging ihr unbeachtet vorüber;

45 und wenn Alle, die ihr mit solcher Dankbarkeit zu­ gethan zu sein Ursache hatten, ihrer Leiche gefolgt wären, eö wäre ein zahlreicher und rührender Zug gewesen. Auch viel beglückt und erfreut hat sie durch die Anmuth in ihrem Betragen und durch den Reiz ihrer geselligen Talente; sie hat über jene hö­ here Gegenden des Lebens, welche gemeinhin für ihre Höhe büßen müssen, durch eine kalte und unfrucht­ bare Oede den belebenden Zauber der Heiterkeit und Freiheit ergossen. Aber war es nur dies, und vor­ züglich dies, was uns an ihr so theuer war? Ha­ ben wir sie nur geliebt in der Erinnerung irgend ei­ nes persönlichen Einflusses auf unser Leben, oder in der tröstlichen Hoffnung, daß er auch uns nicht feh­ len würde in bedenklichen Umständen? nur in der Erinnerung ihrer huldreichen Nähe, fei es auch wäh­ rend eines kurzen Augenblikkes, oder indem wir uns in Veranlassungen träumten, wie dies Glück auch uns zu Theil werden könnte? Nein, tiefer in dem Innern ihres Gemüths liegt der Grund unserer Liebe und Verehrung, in der göttlichen Milde ihres We­ sens, ohne Rüksicht auf alles das, was sie gewäh­ ren konnte oder versagen mußte; in ihrem reinen Sinn für das Wahre; in ihrem beständigen Bestre­ ben, das Gute und Schöne darzustellen; und wer mag aufzählen die verschiedenen Arten, wie ssich uns

4ö in ihr die gottähnliche Natur und Abstammung des Menschen offenbarte! Ja, nur wer sie in diesem Sinne geliebt und verehrt hat, verdient mit einzustimmen in unsere Trauer und unsern Schmerz. Endlich III. Einigen wir unsere Gedanken mit Gottes über die Art und den Umfang menschlicher Wirksamkeit. Hier darf und muß ich wol vie­ lerlei falsche und ungöttliche Gedanken unberührt lassen, und nur auf die mich beschränken, welche wol nicht Jeder schon für sich von den göttlichen und wahren unterscheidet. Viele nemlich, auch von den besseren Menschen, legen einen zu großen Werth auf den Erfolg, wollen nur da Wirksamkeit eines Men­ schen anerkennen, wo sich, gleichviel, ob im Großen oder Kleinen, etwas äußerlich in der Welt nachwei­ sen läßt, waö aus seiner Thätigkeit entsprungen ist. Darum freuen sie sich leicht zu sehr, wenn ihnen etwas der Art gelingt, betrüben sich zu sehr über Zögerungen und Widerwärtigkeiten dieser Art, und legen einen falschen Maaßstab an ihr Leben, der auf der einen Seite mehr der Eitelkeit schmeichelt, auf der andern mehr zur Unzufriedenheit anreizt, als daß er die Wahrheit an Tag legte. Denn wenn wir einen Menschen vor uns stellen, der nach nichts Weltlichem strebt, der rein ist und wahr und über­ all geneigt, Gott die Ehre zu geben, wie er überall

47 nur Gott sucht, wird nicht dieser, wenn ihm auch das Schönste

und Größte gelang, weit mehr das

darin sehn was Gott gewollt, als das, was er selbst gethan hat?

und wenn er etwas verfehlt hat, wird

er nicht bisweilen wenigstens eben so aufrichtig be­ kennen,

daß seine Thätigkeit hiebei eben so

eben so eifrig,

rein,

eben so vollständig gewesen ist als

dort? Darum, meine Freunde, sind auch jenes un­ göttliche Gedanken.

Denn das hat Gott dem Men­

schen gar nicht verliehen,

etwas

durch feine eiaene

Kraft äußerlich zu bewirken in der Welt,

scndern

dies ist immer gemeinsames Werk, wie es gemeinsa­ mes Gut ist, und alles kommt darauf an, wie die Thätigkeit und der Sinn der Anderen mit dem was der Eine will, zusammenstimmt oder nicht

Darum

ist in dem allen der Mensch nur ein Werkzeug in der Hand Gottes.

Wie dieser im Reich der Na­

tur jeder Wirksamkeit einer einzelnen Kraft Maaß und Ziel sezt, durch die der andern, so auch in der Menschenwelt der Wirksamkeit jedes Einzelnen durch die der übrigen.

Und gleichermaßen hält er eö so

mit den Guten und Bösen.

Wie sich in den schein­

bar großen Thaten der leztern oft mehr als ihre eigne Kraft die zusammentreffenden Schwachheiten und Fehler der Guten spiegeln; so hängen auch die schönen und edlen Werke der erstem eben so sehr ab

48 von der Unterstüzung oder dem Widerstande, den sie finden; und der Mensch also, der, ich sage nicht sich selbst,

sondern auch nur den Umfang seiner Wirk­

samkeit darnach schäzen wollte, zu welchem Ziele Gott sie lenkt, wäre offenbar auf ungöttlichem Wege. Nein, sondern das wahre ist dieses, der Schauplaz für die Thaten des Gemüthes ist auch nur das Gemüth; und die Wirksamkeit, die der Mensch mit Recht sich selbst und sich allein zuschreiben kann, ist keine andre als die innere und größtentheils stille, die er auf die Seelen der Menschen ausübt.

Wie er in diesen dem

Guten zu Hülfe gekommen ist und die schwache Ver­ nunft gestärkt hat,

den Irrthum ausgetrieben und

das Licht der Wahrheit angezündet, wie er in ihnen den Trieb zum Guten gewekt und die Liebe zu al­ lem Schönen und Edlen genährt hat, oder wie dem Bösen Widerstand

geleistet und

di« Leidenschaften

gedämpft und besänftiget, wie er sein Bild in ihren Seelen befestiget hat, als eine leitende und fchüzende Kraft, so und so viel hat er gewirkt.

Das sind die

Thaten, die ihm Gott selbst zuspricht als die seinigen von dem innwohnenden göttlichen Geiste gethan. Zu dieser richtigen Ansicht menschlicher Dinge führt uns auch das Andenken an unsere vollendete Königin, und nur wenn wir sie so betrachten, wird es rein sein und ihrer würdig.

Sie nahm eine er-

habene Stelle ein in diesem Leben, wie innig sie, schreiten,

und wir wissen

ohne jemals die Gränzen zu über­

die auch für jene Höhen der Unterschied

des Geschlechtes feststellt, Antheil genommen hat an allen großen Begebenheiten,

wie sie sich eben durch

die Liebe zu ihrem königlichen Gemahl, mütterliche Sorge

durch die

für die theuren Kinder alles an­

geeignet hat, was das Vaterland betraf; wie leben­ dig sie immer erfüllt war von den ewig herrlichen Bildern des Rechtes und der Ehre, wie begeisternd ihr Bild und ihr Nahme, eine köstlichere Fahne als welche die königlichen Hände verfertigt hatten, den Heeren im Kampfe voranging.

Wir wissen wie ihre

Anmuth und Würde auch die schwereren Handlungen der Ergebung und Entsagung zu adeln und zu ver­ schönern vermochte.

Aber in dem allen war auch sie

nicht die Herrin ihrer Thaten, der Erfolg stand nicht in ihrer Hand, und wir wissen, wie wenig von dem, was sie sehnlich wünschte in Erfüllung gegangen ist. Sollten

wir aber deswegen

gering halten? Nein! fang nach schäzen r

ihre

Wirksamkeit für

wollen wir diese ihrem Um­ so laßt uns auch dahin sehen,

wo wir sie gesondert von allem Fremden betrachten können. Jene innere siille Wirksamkeit des Gemüthes, die sie ausgeübt hat auf den König ihren Gemahl, stärkend, beruhigend, erheiternd; im häuslichen Kreise

5o ein Glück bereitend, zu dem er immer sicher zurückkeh­ ren konnte, ein Bild innrer Schönheit darsiellend, vor welchem alles andre verschwand; die Wirksamkeit die sie ausgeübt hat auf jene schönen Hofnungen besserer Zeiten ihren köstlichsten Nachlaß,

einpflanzend eben

jenes Bild in die Gemüther der königlichen Kinder, welches sie auf immer festhalten wird bei dem Gu­ ten und Schönen, und sie bewahren vor allem, was der vollendeten Mutter unwürdig sein könnte.

Und

von diesem innersten Heiligthum aus wie weit hat sich dieselbe Wirksamkeit verbreitet über alle, die ihr nahten, die ihr in Liebe und Verehrung angehörten! Darauf laßt uns sehen:

so werden

müssen, wie viel sie gewirkt hat,

wir bezeugen

und Gott preisen

mitten in Schmerz und Trauer für den Reichthum seiner Gnade.

Und von dieser Wirksamkeit mehr

als von jeder scheinbar größeren gilt was in den auf unsern Text

folgenden Worten

gesagt ist: „Das

„Wort, das aus meinem Munde geht, soll nicht leer „zu mir zurük kehren.

Denn wie der Regen nicht

„wieder gen Himmel kehrt, „fruchtet,

sondern die Erde be«

so soll auch mein Wort nicht zurük keh-

„ren, sondern soll ihm gelingen, wozu ich es gesen„det habe."

Denn wie der Sohn Gottes das ewige

Wort des Vaters genannt wird: so ist auch jedes edlere Gemüth,

das ein Zeugniß von Gott giebt

durch sein Dasein, ein Wort des Herrn, und kehret nicht leer zurük,

wenn es von der Erde verschwin­

det, sondern trägt noch späte bleibende Frucht! mehr wir verloren haben, halten wir,

um desto mehr auch be­

und auch von ihr der Vollendeten gilt

es: „der Gerechte stirbt, im Seegen."

Je

aber sein Andenken bleibt

Amen.

Heiliger Gott, der Du giebst und nimmst. Dem Name sei gepriesen für beides. Wenn Du uns gebeugt hast und wir schauen in Dein Angesicht, so werden wir wieder erquikt.

Denn jeder fromme Schmerz über

das Verlorne befreundet uns aufs Neue Deine Ordnungen und Geseze. So wohne denn auch das Andenken an die theure Für­ stin, die Du von uns genommen hast, in unsern Herzen, und pflanze sich segnend fort auf späte Zeiten und Geschlechter.

So laß

auch unsern theuersten König, denTrefgebeugten, deine Fügungen ehren,

laß ihn

Trost finden in dem Bewußtsein wie nahe dem Geiste nach ihm die Verlorene ist, und in unser aller Schmerz laß ihn empfinden die treue Liebe seilies Volkes.

Den könig-

62

lichen Kindern sei das heilige Bild der vol­ lendeten Mutter immerdar der Gegenstand der Nachfolge in allen christlichen und fürst­ lichen Tugenden, Ihr Sinn, Ihre Wün­ sche, Ihre Hofnungen der Vereintgungspunkt aller derer, die es wohlmeinen mit dem Vaterlands. Ja erwekke uns allen in diesem Schmerz zugleich das erhebende Ge­ fühl, wie alle die dir dienen und dich lie­ ben auch Eins und unzertrennlich sind vor Dir. Amen.