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German Pages 24 Year 1834
Predigt am Sonntage Septuagesimö 1832 am Dankfest nach der Befreiung von der Cholera
in der Dreifaltigkeitskirche gesprochen
von
Dr. Fr. Schleiermacher.
Berlin, 1833. Gedruckt bei G. Reimer.
Text.
Hebr. XII., 11 und 12.
Alle Züchtigung,
wenn
sie
da ist dünkt sie
uns nicht Freude sondern Traurigkeit zu sein: aber
darnach wird sie geben eine friedsame Frucht der
Gerechtigkeit denen die dadurch geübt sind.
Dar
um richtet wieder auf die lässigen Hände und die müden Kniee. a. Fr.
Die Schrekkensgestalt der verheerenden Krank
heit, welche so lange in dieser großen Stadt umhergetobt,
hat uns nun verlassen, und wir sehen ihr nach, nicht mit einer vollen Zuversicht als ob sie nicht wiederkehren könne,
denn es wäre nicht das erste Beispiel daß sie an einem so
eng mit Menschen angefüllten Ort zum zweiten Mal er
schiene, um ihre Verheerungen zu wiederholen;
aber wohl
mit Recht benuzen wir die wahrscheinliche Ruhe, welche uns durch die gütige Fügung
Gottes geworden ist,
unsern Dank darzubringen —
vorübergegangen ist?
um ihm
dafür daß die Züchtigung
Aber nein!
das würde die
Worte
des heiligen Schriftstellers, die wir eben vernommen haben, nicht erschöpfen.
Wenn
auch
diese Krankheit ein? solche A 2
Züchtigung gewesen ist, aus der eine sriedsame Frucht der
Gerechtigkeit hervorgeht, sofern wir sie uns nur haben zur Uebung gereichen lassen: so gebührt uns ja wol nicht nur
dafür zu danken, daß sie vorübergegangen, sondern auch dafür daß sie da gewesen ist.
vorher von den
So redet der Verfasser auch
göttlichen Züchtigungen, indem er sagt *)
wenn wir ganz ohne dieselben blieben, da doch alle Kinder
Gottes derselben theilhaft geworden wären, so dürften wir uns selbst nicht für Söhne achten,
sondern für unachte.
Darum gebührt uns wol bei einer Gelegenheit wie diese,
die göttlichen Fügungen, auf die es hiebei ankommt, in ihrem ganzen Zusammenhang zu betrachten. Doch-will ich dies freilich nicht so verstanden wissen, m. a. Z., als müßten wir einsehn und begreifen können,
warum grade diese oder irgend eine andere einzelne Züch tigung derselben oder einer anderen Art nothwendig gewe
sen sei: aber daß wir nicht ohne Züchtigung bleiben dür fen, und — da freilich schon wenig Selbsterkenntniß hin reicht um uns hiervon im allgemeinen zu überzeugen — daß
auch eben deshalb der mannigfaltige Wechsel von Gestal ten der Züchtigung, welche izt in diesem dann in jenem
Stükk christlicher Gottseligkeit uns zu üben bestimmt sind, von dem Vater der Geister aus seiner väterlichen Liebe für
uns alle so geordnet ist, wie wir es im Äerlauf unseres Lebens erfahren, das ist die Ueberzeugung,
welche unsere
Gemüther zum Dank gegen Gott stimmen soll, sobald die Züchtigung so weit vorüber ist,
daß wir freier aufathmen
und uns zu ruhigen Betrachtungen erheben können.
5 So angesehen, m. th. Fr., Textes gleichsam
sind di« Worte unsere»
eine Erklärung und
Anwendung jener
Worte des Apostel Paulus, die wir so oft in unser gemein schaftliches Gebet verflechten, auf die auch nicht selten in
unsern Betrachtungen
hingewiesen
wird,
daß denen die
Gott lieben, und das sind -och nur die, welche alles was
von ihm kommt als zu ihrer Uebung und Erziehung von ihm gesendet nicht nur ansehn sondern auch benuzen, daß diesen, alles mitwirken muß zum Guten *).
Und eben so
verwandt ist unser.Text jenen andern Worten
desselben
Apostels, in denen er die Christen auffordert, in allen Din gen, mögen sie nun, wenn sie da sind, Freude zu sein schei
nen oder Traurigkeit, Danksagung vor Gott zu bringen **); und, zwar Danksagung mit Gebet und Flehen, von dem
Bewußtsein ausgehend^ daß wir immer noch so wie neuer
Gnadenbezeugungen so auch neuer Züchtigungen als Erzie hungsmittel bedürfen werden.
Damit wir also
auch un
sere heutige Danksagung m. a. Z. so vor Gott bringen,
toi« «s seinen Kindern geziemt: so laßt uns sehen, was die Worte unsres Textes uns darstellen als das Gute, welche.s aus
dieser
Züchtigung
uns hervorgeht.
Dessen erwähnt er aber zweierlei; zuerst wird gesagt,
es
erwachse daraus hernach eine friedsame Frucht der Gerech
tigkeit, und dann werden wir auch zweitens ermuntert,
und wer wollte das nicht ebenfalls für ein großes Gut achten? nach überstandener Züchtigung wieder aufzurichten
die lassen Hände und die müden Knie, das heißt uns wie der zu erheben zu ungeschwächtem
Muth und
Thätigkeit.
’) Mm. 8, 28»
') Phil. 4, 6.
freudiger
6 I. WaS nun^das erste betrifft, m. a. Z., wenn der Ver
fasser unseres Briefes sagt, die Züchtigung ,
wenn sie da
ist, dünke sie uns nicht Freude zu sein, sondem Traurigkeit,
hernach aber bringe sie hervor eine friedsame Frucht der Gerechtigkeit: so laßt uns doch zuerst einen Augen»,
blikk dabei verweilen, wie natürlich auch er es findet und es keinesweges verwirft,
Traurigkeit zu sein.
daß
uns
die Züchtigung
dünkt
Wenn bisweilen starke Geister die
Forderung aufstellen, der Mensch solle unerschütterlich sein,,
auch das schwerste solle ihn nicht beugen, auch das herbste
und bitterste solle keine Spur in seinen Gesichtszügen zurükklassen: die Schrift verlangt das nicht von uns!
Un
terbricht irgend ein schweres ungewohntes Uebel den ruhi
gen Lauf des menschlichen Lebens; machen wir unerwartete, verlustreiche Erfahrungen davon, wie ohnmächtig alle Kunst
und Wissenschaft sich noch immer zeigt gegenüber den un erforschten Kräften der Natur; will es uns gemahnen, als
ob der edlen Herrschaft über dir Erde, zu der uns Gott
berufen hat, gleichsam alle Sehnen durchschnitten wären, und als werde sich der Geist von einer großen Niederlage die er im Kampf mit der Natur erlitten hat nur lang
sam erholen können : die Schrift begehrt nicht, daß uns das
solle Freude dünken; sondern, wie das in der menschlichen Naturliegt,
es darf uns Traurigkeit fein.
wir die Worte
unseres
Nur
Textes auch nicht so
dürfen
beschrankt-
verstehen, als ob bie- friedsame Frucht der'Gerechtigkeit nicht eher zum
Vorschein kommen könne,' bis die Traurigkeit
ganz vorüber sei.
Das könnte nur gelten von schnell vor-
7 übergehenden Leiden, wie sie freilich oft den Einzelnen tref
fen, nicht von solchen btt längere Zeit hindurch, sei es auch von einem, zum andern wandernd auf -derselben Gesellschaft
von Menschen lasten, Md di« Traurigkeit sich also täglich erneuert.
So ist es
lins ergangen t« diesen Monaten!
Wenn wir in den öffentlichen Blättern die tägliche Zahl der
Erkrankten, der Gestorbenen lasen, und von ganz geringem
anfangentz nur sehr allmählig sich mehrend die Liste der Ge
nesenen, das große Mißeerhaltniß erregte uns Traurigkeit; hatte uns schon ein Schimmer von Hofnung gedämmert,
die Gewalt der Krankheit werde sich brechen, und sie griff dann aufs neue mit »erstarkter Wuth um sich,
uns in tiefer Traurigkeit: aber
das beugte
die ftiedsame Frucht der
Gerechtigkeit keimte schon zwischen dieser wechselnden Trau rigkeit auf und nährte sich an ihr.
Ich rede nicht beson
ders von denjenigen Gliedern der christlichen Gemeinen die
ser Stadt,
welche die traurige Bekanntschaft dieser gräß
lichen Krankheit ist der Nähe gemacht^ denen einzelne Glie der ihres häuslichen.Kreises: —1 und wie ost häuften sich
nicht auch
die Leichen in demselben Hause — durch den
Tod sind entrissen worden.
Schon am- Ende des Jahres,
als wir unsern gewohnten Gedenktag, feierten,, schwebte die
ses Bild in ängstlicher Klarheit vyr unfern Augen, war
dieses der Schmerz den wir am innigsten theilten mit den Betroffenen,
unser
Blikk
und des
umher
in
tiefsten Mitgefühles voll dem
Kreise
schweifte
dieser. Verhemngen.
Jezt laßt uns vielmehr, so viel wir können, den ganzen kaum zu übersehenden Umfang
unseres gemeinsamen. Le
bens ins Auge fassen, wie es sich ;e länger je mehr gestal tet hat; dann werden wir ituie werden, welches dann vor-
8 züglich dir friedsame Frucht der Gerechtigkeit ist, die aus solcher Traurigkeit hervorgeht, ja die sich bei einem länger
dauernden öffentlichen und allgemeinen Leiden immer schön
während desselben zeigen, und tn demselben Maaß wachsen und reistn muß, als wir genöthigt sind mit dem zu ringen-
was uns drükkt. Es giebt keine große göttliche Züchtigung, m. a. Z., sei
es- eine verherende Krankheit, sei es ein verwüstenderKrieg, sei es daß die Natur sich einmal ungewöhnlich karg beweist und nicht Früchte genug hervorbringen will zur Erhaltung
großer in engen.Raum zusammengedrängter Menschenmassen,
oder was es sonst sei, alle ähnliche Uebel, welche wirklich drükkend werden, erscheinen uns in einem natürlichen und ge nauen Zusammenhang mit der Gestaltung der menschlichen
Gesellschaft.
Theils würden sie sich milder ausbilden, theils
würden sie leichter ertragen werden,
wenn sich nicht auS
dem gegenwärtigen so verwikkelten Gang unsers Lebens im
mer wieder ja sogar immer stärker eine so große Ungleich heit der äußeren Verhältnisse erzeugte.
Das ist es,
wo
von wir unter solchen Umständen besonders tief ergriffen werden, der große Unterschied zwischen denen,
welche nicht
nur alles, was überhaupt von dem Menschen abhängt und in feinen Kräften
steht, für sich selbst zur Abhülfe bereit
haben, -sondern auch vielen Anderen sich hülfreich erzeigen kön nen, wenn sie kaum hie und da etwas von dem Ueber« sluß ausstreichen und sich um ein weniges zusammenziehen wollen, und Venen welche, weil sie auch in dem gewöhnlichen
Laufe des Lebens alle ihre Kräfte anstrengen müssen, um
nur die ersten und dringendsten Bedürfnisse zu befriedigen, solchen Zeiten ungewöhnlicher Noth und Leiden nicht kön»
9 nm gewachsen sein.
Dieses Unterschiedes werden wir in
solchen Zeiten auf besonders schmerzliche Weise inne; denn
wir bedauern mit Recht unsere Brüder weniger deshalb, weil sie in gewöhnlichen Zeiten sich nicht
und verfeinerten Lebensgenusses wie
edeln
desselben
wir erfreuen können,
als deshalb, daß sie in ungewöhnlichen sich des Drukkes
der Noth nicht zu erwehren vermögen.
Und je mehr wir
an den Vortheilen unseres gesellschaftlichen Zustandes An theil haben, je mehr wir uns bewußt werden, wie auch die
geistigen Hülfsmittel die uns zu Gebote stehen mit diesm
äußeren Vorzügen zusammenhängen: um
desto ängstlicher
fühlen wir uns durch diese Ungleichheit gedrükkt.
Aber dar
aus entsteht uns dann auch um so gewisser die Frucht des
Leidens und der Züchtigung, welche ist die Gerechtigkeit. Diese Tugend nämlich, m. gel. Fr., hat überall nur
Raum
in dem
gesellschaftlichen
Zustand
der Menschen;
wäre dieser nicht vorhanden, so gäbe es auch keine Gerech
tigkeit.
Wenn jeder von uns nur von seinem eignen Thun
und Lassen abhinge,
auch nur für sich und
den
engsten
Kreis der seinigen zu sorgen hätte: so würden wir von ei ner solchen Tugend, von den mannigfaltigen
Pflichterfül
lungen die daraus hervorgehen, so gut als gar nichts wis sen.
Was ist also Gerechtigkeit? Nichts
anders wol, -n.
Th., als das richtige leitende Bewußtsein von dem Verhält
niß des Einzelnen zu der menschlichen Gesellschaft der angehört,
das Bestreben diesem Zusammenhang in
Stükken zu
Willen
genügen,
er
allen
und durch eine aus seinem freien
hervorgehende dem
was
die
angemessene Verwendung aller Güter,
Verhältnisse fodern
die er diesem
Zu-
. stand vereinigter menschlicher Kräfte verdankt, den Strom
10 des Wohlseins dahin zu leiten, wo am wenigsten von selbst
gedeiht, und wo sich am deutlichsten der Einzelnen offenbart,
die Unzulänglichkeit
mit seiner Wirksamkeit zuzutreten^
damit die dennoch übrig bleibende Ungleichheit
das Auge,
des Wohlwollens eher erfreue als verleze, und alles an sei
nem Ort des Ganzen würdig erscheine und den Geist des» selben ausspreche.
Die Zeiten der Ruhe, mögen wir sie
nun mehr aus dem Gesichtspunkt der Thätigkeit oder auS dem des Genusses betrachten, bringen eher mancherlei Ver
suchungen zur Ungerechtigkeit mit sich, und sind, das lehrt
die Erfahrung, nicht vorzüglich dazu geeignet, eine richtige Schäzung unserer Verhältnisse gegen Andere und unserer
Pflichten gegen das Ganze zu begünstigen-. - So lange Alle
um uns her sich wenigstens
in einem leidlichen
Zustand
befinden, glaubt jeder mehr begünstigte nur zu leicht, daß
ihm alles, was er besizt und genießt, auch mit ganzem vol len Recht gebühre, und daß er damit ohne im geringsten Andern verhaftet zu sein ganz nach seinem Gutdünken zue
Erfüllung seiner eigenen Wünsche schalten könne.
der Anfang
der Ungerechtigkeit;
wenn nichts dazwischen tritt,
Das ist
und wie leicht kann sie,
von diesem Anfang an zu
einer drohenden gefährlichen Höhe emporwachsen.
Darum
führt der Höchste von Zeit zu Zeit durch unbekannte und unbeherrschte Kräfte der Natur oder vermöge der Keime bet Zwietracht, die immer in der menschlichen Gesellschaft vor handen sind oder aus einem allgemeinen Aufglimmen der.
Leidenschaften scharfe in weitem. Umfang fühlbare Züchti
gungen herbei; und wohl kann man dann mit Recht sagen, ü>en er lieb hat den züchtiget er.
Dann verflüchtigen sich
jene Güter oft plözlich in Dunst und Rauch; dann stürzt
11 im Augenblikk das festeste, Gebäude zusammen; und so er», fährt dann Zeder, was er besize und genieße sei nicht fein,
eignes Werk, sondern auf alle Weise abhängig von vielem was nicht tu seiner Gewalt steht vor allen Dingen aber
von der Gewährleistung- und dem Schuz des Gemeingei«
stes und des Wohlwollens, auch sich mehr ansehn
Und daraus lernt dann jeder
als Verweser eines Gemeingutes,
und giebt, .so überzeugt, die falsche Ansicht auf, als sei er
ein sich selbst genügender Eigenthümer und ein so vollkom men berechtigter Besizer, daß e.r Ersaz zu /ordern habe, wie,
ihm auch immer ein Schade geschehen sei.
Und
ähnliches
gilt selbst von dem herbesten Verlust,, den solche Zeiten der
Züchtigung dem Einzelnen bringen können.
Denn wenn
die Liebe einen theuern Gegenstand, verloren hat, so liegt
auch in dem. Schmerz, den wir empfinden das Bewußtsein
einer Krafts die nicht gebrochen iß aber ruht; und schon
zmschen.dem Schmerz hindurch regt sich das Verlangen und mahnt uns, diese Kraft sei ein anvertrautes Pfund, ein gemeines Gut; und wir. erkennen es mit Dank, wenn die selbe Züchtigung uns nicht eben einen Ersaz bietet für das
verlorene,
aber doch eine Befriedigung dem Triebe,
sam zu sein durch die Liebe.
wirk
Wenn nun so jeder nicht
nur sich in (einem äußeren Besiz als einen Verwalter ge
meinsamen Gutes betrachtet, sondern auch in dem Bewußt
sein lebt, wie er sich selbst dem Ganzen schuldig ist:
das
wird ein neuer Anfang,, ein frischer Keim der Gerechtigkeit unter einem Volk.
Und diese Frucht, m. Gel., nennt unser Text eine stieb»
same.
Dieser Ausdrukk des heiligen Schriftstellers steht im
genauesten Zusammenhang mit dem unmittelbar vorherge»
12 henden, daß jede Züchtigung in dem Augenblikk, wenn sie
uns ergreift, uns nicht Freude dünkt sondern
Traurigkeit.
Freude und Traurigkeit, der Wechsel dieser entgegengesezterr
Zustände, hängt mit unserer sinnlichen Natur auf das ge naueste zusammen.
haft äußert,
daß
Wo die Freude sich so stark und leb
sie ein gewisses Maaß,
das uns vor
schwebt fast überschreitet, und eben so, wo wir den Men schen
einhergehen sehn
gedrückt
Traurigkeit, da ahndet uns,
und
niedergebeugt
vor
daß es für den Augenblikk
wenigstens übel ja fast gefährlich stehe um die Gewalt des Geistes über das Fleisch; da sehen wir wie leicht die Seele
hinausgerükkt werden kann aus dem rechten Gleichgewicht,
welches ihr doch nothwendig ist, ivenrr der Geist die Zügel
festhalten soll, und seine waltende Stellung behaupten ge
gen das Fleisch.
Aber alle Wechsel des Lebens, mögen sie
uns nun aus der Freude in das Leid stürzen oder umge kehrt, sollen uns eben durch die Uebung, durch das vorsich.
tige Bestehen der Gefahr, immer mehr über dieses Schwan ken erheben, so daß wir uns vor dem Uebermaaß bewah ren, und der Gleichmuth in unserm ganzen Leben herr
schend werde.
Aber wir bestehen sie nur, wenn das Be
wußtsein des geistigen Wohlergehens, welches nicht von den Veränderungen des sinnlichen Lebens abhängt, unser eigent
liches Selbstgefühl, der wahre Gehalt und die Kraft unse res Lebens geworden ist.
Dann werden diese wechselnden
Bewegungen des Gemüths immer mehr zurükktreten, und
das sich gleichbleibende höhere Leben wird vorwalten;
das
Del des Friedens wird die unruhige Oberfläche immer mehr
glätten und ebnen,
und das Berufen in
dem
göttlichen
Willen wird uns unter allen Stürmen so sicher stellen wie
13 ja dem verschlossensten Hafen.
Aber vorzüglich ist eS die«
selbe Gerechtigkeit, zu welcher die göttlichen Züchtigungen
uns auffordern, die auch diesen Frieden in uns hervorrust und befestigt.
Denn wie können wir von Gewinn und
Verlust äußerer Güter noch
heftig
bewegt werden, wenn
wir uns nur als Verwalter derselben ansehn, das was ihnen genommen ist,
die ja für
auch weiter keine Rechen
schaft abzulegea haben? Und wenn wir in Leid und Freuds gleich sehr das Bedürfniß fühM, Glauben zu- halten und
Liebe zu üben an denen,
unter die uns Gott gesezt hat.:
wie sollte dann nicht auch schon während der väterliche»
Züchtigung Gottes sein Friede vorwalten in einer so
gv»
übten Seele! Das, m. a. Z., ist ja die segensreiche Erfahrung, die
wir schon gemacht haben in der • jezt vorübergegangene» Zeit, als jene herbe Züchtigung wahrlich schwer und brüt*
kend genug auf uns lag.
Ja, was ich eben ausgesprochen-
das war die Ansicht und Gemüthsstimmung, welche im gan
zen angesehn überall herrschte! und wie haben wir uns ge stellt, diesen Samen
keimen zu sehen, wenige
der
Gerechtigkeit überall nicht nur
sondem so
leicht zu vergessende
gedeihen,
daß wir bis auf
Augenblikke einer vorüberge
henden Aufwallung, welche sich vielleicht hie und da zeigte,
überall in unserm Lande bewahrt geblieben sind vor aller
lei Frevelthaten,
wie sie häufig genug aus großen allge
meinen Leiden hervorzugehen pflegen.
Und das sind ge
wiß Viele zu ihrem Segen inne geworden, es sei nur der,
wenngleich
im gewöhnlichen Lebm
überhaupt
nicht
überall
doch durch Gottes Gnade
äußerlich
sich ost
verbergende,
hervortretende
aber
unserm Volk tief eingeprägte,
14 und in dessen Sinn und Geist wohl unterhaltene und ge«
pflegte Sinn der Frömmigkeit und der Ergebung in den göttlichen Willen,
der uns in dieser schweren sorgenvollen
Zeit von allem frei gehalten hat, was uns hindern würde, izt im reinen Gefühl der Dankbarkeit auf die Züchtigung zurükkzusehen, die Gott von uns genommen hat.
Ach!
wenn sich zu allem Elend, das wir gesehen und mitgetra-
gen haben, auch das Verbrechen gesellt hätte! wenn Unge
horsam gegen die Geseze, sei es nun gegen die welche im4ntr unser Leben beherrschen,
oder gegen die Anordungen,
die in dieser schweren Zeit für nöthig erachtet wurden, um die verderbliche Verbreitung der Krankheit zu beschränken,
wenn dieser Ungehorsam in gewaltthätige Handlungen aus gebrochen wäre, so daß innerer Friede und Sicherheit wäre
gestört werden: wie gewaltig würde der Vorwurf, der auf unserm gemeinen Wesen dann lastete, uns niederdrükken, daß
wir nicht vermöchten Gebet und Flehen wohlgefällig vor
Gott zu bringen! und wie wenig würden wir mithin auch im Stande sein, die lassen Hände und die müden Knie wieder aufzurichten!
Also wohl uns, und laßt uns
Gott
dafür besonders danken, daß mitten unter der Trauer und
den Leiden dieser schweren Zeit die friedsame Frucht der Gerechtigkeit unter uns gewachsen ist, daß
der Sinn für
christliche Milde und Wohlthätigkeit sich so regsam bewie sen hat, daß selbst die, welche bei unserm verwikkelten ge
sellschaftlichen Zustande am meisten zu kurz kommen, doch
mit Freude und Dank eingestehen mußten, ihre Mitbürger seien nicht unwürdige Verwalter der zeitlichen Güter, und
seien ihnen getreu zu Hülfe gekommen in der Zeit der Noth. So hat sich denn auch durch diese Prüfung jedes schöne
15 Band der Eintracht und des Vertrauens feste« geknüpft. Laßt uns nur nicht von irgend etwas, was der Augenblikk bringt, zu stark bewegt, der Züchtigung die Gott über uns
gebracht und nun uns wieder abgenommen hat, leichtsinnig vergessen: so dürfen wir hoffen, daß der Baum der Gerech»
tigkeit von einer Zeit zur andern noch reichere und schönere Früchte tragen wird, daß wir uns immer reichlicher schmükken wpden^rnit allen bürgerlichen und christlichen Tugen,
den, und daß wir uns durch Gesezlichkeit und Gemeingeist, durch Rechtschaffenheit und reines Wohlwollen würdig zei-
gen werden der göttlichen Züchtigung.
Denn der Vater
züchtiget die er lieb hat, und will sie durch
seine Züchti
gung üben in der Gottseligkeit.
II. Nun aber, m. a. Z., laßt uns auch das zweite Wort
unseres Textes beherzigen!
So richtet nun wieder
quf, sagt der h. Schriftsteller, die lässigen Hände
und die müden Knie; Das nämlich, Ihr werdet es gestehen müssen, ist die daß auf mehr als eine
Natur aller solcher Züchtigungen,
Weise die Menschen dadurch gehemmt werden in ihrer ge wohnten Thätigkeit.
Wir
haben
uns
vieler heilsamere
Werke brüderlicher Liebe zu erfreuen, welche diese Zeit un
ter uns ans Licht gebracht hat:
aber laßt uns nur auch
nicht vergessen, wie dringend die Aufforderung dazu war;
und dann werden wir wol gestehen müssen, wie rühmlich sich auch im allgemeinen das Mitgefühl ausgesprochen hat
wahrend dieser Noth,
das ist immer noch kein Beweis,
daß unsere Hände nicht wären laß geworden und unsere
— Knie müde;
nur
16
—
daß man diese Wirkung oft erst spater
empfindet! Waren wir nicht alle weit über das gewöhnliche
hinaus erfüllt mit dem Bewußtsein der Unsicherheit aller menschlichen Dinge? und daß eben dieses nicht anders kann als Lust und Eifer zu allen den ineinandergreifenden Thä
tigkeiten und gesellschaflichen Bewegungen, denen doch das
gemeinsame Wohlergehn immer wieder gleichsam aufs neue entsprießen muß, auf mancherlei Weise schwächen, das ist
die allgemeine Erfahrung, so daß nur zu oft während sol
cher allgemeinen Plagen und nach denselben gar Viele sich in dem frevelhaftesten und gewagtesten Spiel mit den ir dischen Gütern verderben.
Aber thun dieses nur die leicht
sinnigeren: so bemerken wir verwandte Veränderungen fast
bei Allen, und nur Wenige werden sich dadurch auszeichnen, daß sie ganz dieselben bleiben.
Und gehen wir auf die
Ursache zurükk, welche solche Wirkungen hervorbringt:
so
ist offenbar, daß dieser Zuruf unseres Textes unmittelbar
gegen sie gerichtet ist.
Schon als diese Seuche unsren an
Kunst und Wissenschaft so reichen Welttheil zu verheeren
ansing, wie lebhaft haben wir es empfunden, daß doch alle unsere Kenntniß von den Kräften der Natur, unsere
Geschiklichkeit eine der andern gegenüberzustellen, eine durch
die andere zu überwinden, sich doch immer wieder unzu
reichend zeigt, sobald ein unbekanntes Uebel plözlich herein
bricht, so daß diese Schrekkensgestalt unentlarvt und uner griffen einen Welttheil nach dem andern durchzogen hat! Und
als sie in unsere Mitte getreten war,
wie fühlbar
ward es da Allen, auch abgesehen von der Art, wie man
bei
uns
das
Uebel
abzuschneiden und
suchte, .daß der gewöhnliche Gang
des
zurükkzudrängen
Lebens und der
17 Geschäfte auf gewaltsame Weise zerrissen war! Lritt unS
das nun überall entgegen, wenn wir das große Feld der mannigfaltigsten Thätigkeit in unserm bürgerlichen Leben
mit unsern Blikken durchlaufen: wie natürlich, daß sonach, auch wenn das Uebel vorübergezogen ist, Zeder bei sich selbst
sagt, Was wird denn nun die Frucht aller Mühen und
Sorgen sein, in welche du dich jezt aufs neue hinein be»
geben willst? Das. ist geweiß, gebrauchst du auf gewohnt« Weise deine Kräfte: so wirst du dich auch bald wieder dem Zustande nähern, in welchem du dich in der früheren
freien und fröhlichen Zeit wohlbefandest.
Dein« Werke
werden wieder fortgehen durch deine Hand, und der Preis derselben wird dir wieder zukommen wie sonst; Fleiß und Treue,
Einsicht und Geschikk werden wieder wenn auch
nicht allein doch großentheils das Maaß bestimmen, in wel«
chem du an den Gütern dieses Lebens in deinem Kreise Antheil haben wirst: aber wie nichtig ist doch dieses ganze Treiben! wie fehlt es doch noch immer diesem großen Ge
bäude menschlichen Wirkens an einem haltbaren Grunde!
Ja wenn es keine andere Gefahr gäbe als die in der Men-
schen Hände zu fallen, keine andern Störungen als die aus dem Zusammenstoß menschlicher Leidenschaften aus den Verwiklungen menschlicher Verhältnisse entstehen! da giebt
es noch, Wahrscheinlichkeiten zu berechnm; da läßt sich auch aus dem ungünstigen noch günstiges hervorlokken.
Aber
wenn die Natur uns mit ganz neuen furchtbaren Uebeln aus ihrem Schooße überschüttet, daß allen Vorsichtsmaaß
regeln und aller Kunst der Aerzt; zum Troz das mensch liche Leben in großen Massen dahin welkt: was lohnt es
denn bei solcher Unsicherheit der menschlichen Dinge über B
18 die wir längst hinweg zu sein glaubten, sich aufs neue tn
ein Leben zu stürzen, das nichts ist als Mühe und Arbeit? mit welcher Lust kann auch das einfachste eingeleitet werden,
wenn so schnell der Tod zwischen Anfang und Ende treten
kann! wozu säen, pflanzen und begießen wir, wenn wir so wenig wissen, ach, nicht ob wir selbst aber auch nur einer
entfernt -von den Unsrigen
jenem schnell
Uebel entgehen wird um zu erndten?
hinwegraffenden
warum nicht zurük-
kehren zu dem möglichst einfachen Leben ohne so viele Zu rüstungen, die doch so oft vergeblich sind, ohne soviel An strengungen,
die doch so leicht auf Spott gezogen werden
können? Durch solche Gedanken bekundet sich die Lähmung
der Thätigkeit, die wol leider bei Wielen von der göttlichen
Züchtigung zu-cükkbleibt.
Sind da nicht alle Sehnen des
Muths zerschnitten, wo wir solche Worte vernehmen? sind
da nicht gewiß die Hände lässig geworden, und die Knie
müde? Aber wo die friedsame Frucht der Gerechtigkeit wahr
haft gereift ist unter der Hize der Züchtigung, da wer den
auch solche Reden
nicht
Stimmen lassen sich vernehmen.
gehöret,
sondern
frischere
Wir deren Ziel nicht der
Genuß ist, und die wir nicht ringen nach dem Besiz um des Genusses willen, warum sollten wir inne halten und
zurükgehen? etwa weil wir auf das kräftigste freilich über
zeugt worden sind von der Unsicherheit des Genusses und der Trüglichkeit des Besizes?
Der Besiz ist nicht der Sporn
unseres Eifers, der Genuß nicht der Lohn unserer Arbeit! Unser Lohn ist bei unserm Vater im Himmel, der ins Ver
borgene sieht, und dieses Verborgene ist der Geist in dem,
die Treue mit der wir
theilnehmen an
dem gestimmten
19 Beruf der Menschen auf der Erde.
Sollen wir Herr»
schast auf derselben üben und diese immer mehr ausbilden
und vervollkommnen:
laßt
so
uns
unser
bestes
thun!
Wieviel von unsern Werken bleiben soll, das steht bei dem der es weiß, wie er überall den geistigen Leib Christi auch
äußerlich zieren und schmükken will. wird, laßt uns emsig
Was daran zerstört
von neuem beginnen, damit
Schade bald rrsezk werde!
Werden
der
wir auch durch di«
Züchtigung inne, wieviel uns noch fehlt an der Vollkom
menheit in diesem irdischen Beruf: laßt uns desto treuer darauf achten,
daß alles ersprießliche möglichst Allen zu
gute komme, keine heilsame Erfahrung verloren gehe, da mit das geistige Auge sich immer mehr schärfe,
die Be
wegung der Kräfte sich beschleunige, und so der Bau des
gemeinen Wohls auf immer festeren Gründen ruhe.
Hat
der Tod ungewöhnlich viel hinweggerafft von den Kräften,
die mit uns arbeiten sollten: laßt uns jeden nach Vermö
gen ihr Werk aufnehmen und ihre Last tragen, und vor
nehmlich auch laßt uns auf andern Seiten da wo und so wie wir es können die
Gewalt
des Todes beschränken,
durch nüchterne Mäßigkeit, durch gottgefälligen Frohsinn. Und warum sollte die Züchtigung die über uns ergangen ist, uns die Gestaltung des Lebens, die wir ererbt und fort
gebildet haben, irgend verleiden? Haben wir doch auch in
dieser Leidenszeit und wol mehr als sonst erfahren, welche Seligkeit es ist, auch unter Trauern und Thränen Liebe
und Wohlthun zu üben. ein Leben' wie das unsrige, hältnissen,
die nur durch
Und gewährt uns nicht hiezu mit diesen verwikkelten Ver Liebe und
Treue zu ordnen,
mit diesen vielfältigen Schwierigkeiten, die nur durch Liebe
20 und Treu- zu überwinden sind, di« meisten Gelegenheiten)
und mit dieser Leichtigkeit Kräfte zu löblicher Wirksamkeit zu vereinigen auch die reichlichsten Hülfsmittel dazu? So
laßt uns unsern gemeinsamen Berus ins Auge fassen! so
laßt uns auf die Stimme der göttlichen Züchtigung hören:
dann werden wir, ehe sie noch verklingt, auch schon anfangm die lässigen Hände zu erheben und die müden Knie auf» zurichten, um, wie es im Berfolg unsres Textes heißt,
sichere und kräftige Schritte zu thun ohne Sttaucheln.
Dazu denn, m. gel. Fr., möge uns, möge Allen, die der Herr heimgesucht hat, diese Zeit gereichen!
Und daraus wird dann auch denen — damit auch diese schmerzliche Seite nicht unberührt bleibe in unserer
festlichen Betrachtung — deren Angehörige als Opfer die« ser verheerenden Krankheit gefallen sind,
Trost erblühen.
ein besonderer
Sterben doch die Menschenkinder immer
und werden aus der Mitte der ihrigen herausgerissen! ja
das gewöhnliche Maaß des Todes wird, schon wenn wir auf einen.Umfang wie der unseres Landes ist sehen, durch
diese Seuche nur um ein geringes erhöht worden sein.
Ster«
den sie doch immer aus allen Lebensaltern bald schnell
bald langsam, nach mehr oder weniger Leiden; und das eine oder andere macht, wenn die ersten Bilder etwas »er«
bleicht sind, für die Zurükkbleibenden in Bezug auf daS
wesentliche ihres Perkustes nur einen geringen Unterschied. Laßt uns also diesen als minder bedeutend bei Seite stel» len, und dafür einen andern ans Licht ziehen.
Jeder To»
dessall soll auf einen Theil unserer Gemeinen wenigstens immer auch einen lehrreichen und erhebenden Eindrukk ma« chen, und unS von der äußeren Erscheinung auf das in?
21 nere Geheimniß und die tiefere Bedeutung des Lebens zu» rükführen; und dies ist gleichsam der lezte Dienst, de» jeder der Gemeinschaft leistet, in der er selbst des göttlichen Mortes theilhaftig geworden ist. Aber das einzelne Ster ben der Menschen auf die gewöhnliche Weise bringt diese wohlthätige Wirkung in einem weit geringeren Grade her vor, und verbreitet sie immer nur in einem kleineren Kreise, der größtentheils schon seit längerer oder kürzerer Zeit vor bereitet den Eindrukk nur allmählig in sich aufnimmt. Und wenn nun Angehörige und Freunde die entseelte Hülle eines geliebten Todten zur Ruhe begleiten: kommen sie wol leicht dazu, im Gefühl ihres Verlustes sich über das einzelne zu erheben? denkt man wol leicht daran, wieviel solche Trauer züge täglich unsere Stadt durchwandeln? denkt man dabei an die im großen betrachtet so feste und geregelte Ordnung des Abgelöstwerdens aus dem Leben wie des Eintritts in dasselbe? Aber diese große Erndte des Todes, wie allgemein hat sie das Bewußtsein von der Unsicherheit dieser irdischen Wanderschaft gewekkt und erhöht! wie hat sie durch die ungewohnte Gestalt der Krankheit, die schon immer selbst als ein Tod erschien, durch die unbegreifliche Schnelligkeit, mit der das Leben sich löste, Allen das geheimnißvolle die» fts Ueberganges nahe gerükkt! wie dringend Allen ans Herz gelegt, daß wir anders nicht würdig und heiter in dieser Nähe des Todes wandeln können, als wenn das Ge müth zu jeder Zeit in wohlgefälliger Ordnung gehalten und der Friede Gottes ungestört bewahrt wird, so daß wir uns der Bereitschaft bewußt sind, zu jeder Zeit und wie der Herr es beschlossen haben mag, in Frieden dahin zu fahren als seine Diener. Und so haben die Opfer dieser
22 Krankheit, auch die welche fern von den Ihrigen der oft fentlichen Pflege anvertraut den lezten Athem ausgehaucht haben und auch abgesondert von ihren Vorangegangenen
nur unter denen, die dasselbe Loos getheilt, ruhen, diesen
lezten und wichtigen Dienst auf eine ausgezeichnete Weise geleistet. Wenn nun aber freilich auch diese Zunahme an Weis
heit, so wie die friedsame Frucht der Gerechtigkeit und die Wiedererwekkung der Kraft und des Muthes nur denen zu
Theil wird, welche, wie unser Text sagt, durch die Züchti
gung des Herrn sich haben üben lassen: so haben wir ja
wol Alle an dieser Uebung Theil genommen.
Denn nur die
jenigen haben sich selbst davon ausgeschlossen, die entweder
im Wirbel
leerer
Zerstreuungen das Bewußtsein
dessen,
was um sie her vorging, zu ertödten suchten, oder die sich,
nicht ohne sich zugleich
ihrem natürlichen Beruf zu entzie
hen, durch Entfernung dem Anblikk der gemeinsamen Noth
entzogen haben. Jeder der seiner gewohnten Lebensordnung
treu auf dem Wege seines Berufes fortgegangen, im Be wußtsein der Allen gleich nahen Gefahr thätig geblieben ist und der gemeinen Sache nach Kräften gedient hat, ist auch so geübt worden, jeder andern.
wie eine solche Zeit es voraus hat vor
Nun laßt uns diese Uebung nicht etwa nur
auf die jezt glükklich
vorübergeführte Züchtigung beschrän
ken und sie daher mit der heutigen Feier beschließen.
Nein,
so wenig Einer unter uns diese Zeit wird vergessen, • eben so unauslöschlich möge auch uns Allen die Erinnerung sein,
daß wir in solcher unmittelbarer Nähe des Todes äur un verzagt und sicher blieben, weil das Bewußtsein in uns die
Oberhand hatte, daß wir Bürger einer höheren Welt sind,
23 welche an der Unsicherheit und Vergänglichkeit keinen Theil hat, und weil das ewige Leben, welches wir dem verdan ken, der mit demselben die wahre Unsterblichkeit ans Licht
gebracht hat, auch in allen widrigen Zufällen weit über windet, und die Freudigkeit des Herzens zu Gott auch un
ter seinen Züchtigungen nicht untergehen läßt.
Dünkten
uns diese ihrer Zeit freilich auch Traurigkeit zu sein: so war es doch nicht die Traurigkeit dieser Welt, sondern je
ner göttlichen verwandt, welche nicht nur zur Seligkeit führt, sondern auch die Seligkeit in sich schließt.
In sol
chem Sinn laßt uns das Gedächtniß dieser Zeit festhalten,
auf daß es uns zum bleibenden Segen gereiche als ein
heilsames Zeichen aus unserm eignen Leben heraus,
daß
wenn wir auch hier unter der Vergänglichkeit und im An
gesichte des Todes wandeln, Wandel im Himmel ist.
doch auch hier schon unser
Amen.
Ja, gnädiger Vater im Himmel! wir wissen es, Du züchtigest die Du lieb hast! Auch wir haben in Deiner Züch
tigung Deine väterliche Liebe erkannt, nach welcher du uns
reifer machen wolltest in christlicher Gottseligkeit, uns inni
ger unter einander verbinden und uns ein neues theures Un terpfand davon geben, daß denen, die Dich lieben, auch das drükkendste und schmerzlichste zum Guten mitwirken
muß.
So werde nun auch Deine Führung von uns ver
herrlicht dadurch,
daß Deine Züchtigung an Keinem ver
loren gehe, und wir immer der friedsamen Frucht der Ge rechtigkeit uns erfreuen, welche daraus hervorwächst. Dann
wird unser Gang immer sichrer werden und unsere Tritte fester; und so geübt im Verständniß dessen, was zu unserm
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Frieden dient, werden wir auch immer würdiger werden des herrlichen Namens, daß wir. daS königliche Priester» thum sind, daS Volk Deiner Wahl, welches Du auch
durch irdische Leiden nach Deinem gnädigen Wohlgefallen zum ungetrübten Frieden hinführst. Amen.