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German Pages [130] Year 1969
MANFRED WEBER
Zur Lehre vom Wirtschaftsgut
Schriften zum Steuerrecht Band4
Zur Lehre vom Wirtschaftsgut Zugleich ein Beitrag zur Lösung von Bilanzierungsproblemen bei schwebenden Geschäften
Von
Dr. Manfred Weher
DUNCKER & HUMBLOT I BERLIN
Alle Rechte vorbehalten
@ 1969 Duncker & Humblot, Berlln 41
Gedruckt 1969 bei Alb. Sayffaerth, Berlln 61 Printed in Germany
Meinen Eltern
"Facilis plerumque controversiarum solutio reperietur, si eadem verba in diversis significationibus a diversis auctoribus posita defendere poterimus" Abaelard
Vorwort Der zentrale Begriff des Bilanzsteuerrechts ist der Begriff "Wirtschaftsgut". Das Wirtschaftsgut ist gesetzestechnischer Ausdruck des Einkommensteuer- und Bewertungsrechts. Bereits vor seiner Aufnahme in das Gesetz im Jahre 1935 hat der Reichsfinanzhof in den 20er Jahren diesen Begriff herausgearbeitet. Seitdem stützt sich die Finanzrechtsprechung in einer unvermindert großen Zahl von Entscheidungen zu Fragen des Bilanzansatzes und der Bewertung von Bilanzposten auf den Wirtschaftsgutbegriff. So ist die Lehre vom Wirtschaftsgut entstanden. In zunehmendem Maße wird der Begriff "Wirtschaftsgut" nach der dynamischen Bilanzauffassung interpretiert. Gerade vom Standpunkt der dynamischen Bilanzauffassung her erscheinen jedoch viele der mit Hilfe des Wirtschaftsgutbegriffs gewonnenen Lösungen als unbefriedigend. Die vorliegende Arbeit prüft den methodologischen Wert der Lehre vom Wirtschaftsgut Sie will darüber hinaus einen Beitrag zur bilanztheoretischen und begrifflichen Durchdringung der Erfolgsbilanz und der Vermögensaufstellung liefern und behandelt daher in ihrem ersten Teil das Verhältnis der Lehre vom Wirtschaftsgut zur dynamischen Bilanzauffassung. Bei dieser Untersuchung dient der Problemkreis der schwebenden Geschäfte als praktisches Modell, an dem z. B. die Realisierungszeitpunkte oder die Bedeutung der transitorischen Rechnungsabgrenzungsposten für die Vermögensaufstellung aufgezeigt und im zweiten Teil der Arbeit die Ergebnisse des dogmatischen Teils in einigen speziellen Bilanzierungsproblemen exemplarisch dargestellt werden. Denn bei der Abwicklung der mehrperiodisch schwebenden Geschäfte muß jeweils zu den Bilanzstichtagen nicht nur entschieden werden, wie die in der abgelaufenen Periode erbrachten Teilleistungen und die dafür empfangenen Anzahlungen in der Erfolgsbilanz und Vermögensaufstellung ansatzmäßig und begrifflich zu behandeln sind. Vielmehr muß auch der vom Leistungsaustausch innerhalb des schwebenden Geschäftes abhängige Aufwand, z. B. Umsatzsteuer- und Provisionszahlungen sowie der durch drohende Verluste ver-
Vorwort
8
ursachte Aufwand, begrifflich zugeordnet und seine Verrechenbarkeit mit voraussichtlichem Gewinn geklärt werden. Die Lösung dieser Bilanzierungsprobleme wird mit der Untersuchung der Begriffe "Wirtschaftsgut, Rechnungsabgrenzungsposten, Rückstellung" und der Abgrenzung des Aufwandbegriffes in sich nach realisiertem, entstandenem und verursachtem Aufwand angestrebt. Frechen, im Juli 1968 Der Verfasser
Inhaltsverzeichnis Erster Teil
Das Verhältnis der Lehre vom Wirtschaftsgut zur dynamischen Bilanzauffassung, dargestellt im Hinblick auf die Bilanzierung schwebender Geschäfte 1. Kapitel: Widerstreitende Bilanzauffassungen und Prinzipien der Ge-
winnrealisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
I. Die betriebswirtschaftliche Auffassung, insbesondere die dyna mische Bilanzauffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 II. Das Handelsrecht und die statische Bilanzauffassung . . . . . . . . . . . . . . . .
18
III. Die verschiedenen Prinzipien der Gewinnrealisierung . . . . . . . . . . . . . .
21
1. Verursachungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zuflußprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Realisationsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21 22 23
2. Kapitel: Die bilanztheoretische Konzeption des Steuerrechts . . . . . . . . . .
26
I. Die Maßgeblichkelt der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung . .
28
II. Der dynamische Charakter der steuerlichen Gewinnermittlung . . . . . . .
30
III. Die Lehre vom Wirtschaftsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
1. Der statische Charakter des Begriffs "Wirtschaftsgut" . . . . . . . . . . .
2. Die dynamische Interpretation des Begriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kasuistik, Inversion und Begriffsvertauschung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36 37 40
3. Kapitel: Der Einfluß des Aktienrechts von 1965 auf die Erfolgsbilanz . . .
43
4. Kapitel: Die "realisationsdynamische" Steuerbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
I. Ihre Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
1. Die Realisierung von Gewinnen: Prinzip der Vorsicht . . . . . . . . . . . .
47
2. Die Verursachung von Verlusten: Imparitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die dynamischen Termini . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49 50
II. Ihre Brauchbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
54
1. Unter betriebswirtschaftliehen Aspekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51'
10
Inhaltsverzeichnis 2. Unter dem Aspekt der Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unter dem Aspekt der Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Unter dem Aspekt der Praktikabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56 59 60
5. Kapitel: Das Wirtschaftsgut und die Behandlung schwebender Geschäfte in der Vermögensaufstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 I. Die Vermögensaufstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61
1. Statuscharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
2. Paritätisches Realisationsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Wirtschaftsgutbegriff in der Vermögensaufstellung . . . . . . . . . . .
64 66
II. Der bedingte Erwerb von Anzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
III. Die immateriellen Vermögensgegenstände bei schwebenden Geschäften 69
Zweiter TeU
Die selbständige Funktion der realisationsdynamischen Begriffe, dargestellt anband besonderer Ansatzprobleme bei schwebenden Geschäften 6. Kapitel: Der Begriff "schwebende Geschäfte" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
I. Juristisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
II. Buchungstechnisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
7. Kapitel: Ansatzprobleme in der Erfolgsbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75
I. Die Aktivierung der Umsatzsteuer für Kundenanzahlungen . . . . . . . . . .
75
II. Der Unterschied zwischen verursachtem und entst andenem Aufwand, insbesondere bei Rückstellungen für Provisionsverpflichtungen . . . . . . 83 III. Rückstellungsfähiger Aufwand und seine Verrechenbarkeit mit voraussichtlichem Gewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 8. Kapitel: Ansatzprobleme in der Vermögensaufstellung . . . . . . . . . . . . . . . .
91
I. Die Bewertbarkeit des Außengewinns und drohender Verluste . . . . . . .
91
II. Die Bewertbarkeit der Umsatzsteuer für Kundenanzahlungen . . . . . . .
93
Zusammenfassung 9. Kapitel: Über die Motive der Lehr e vom Wirtschaftsgut und ihre Unver-
einbarkeit mit der Rechtssicherheit und den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
Inhaltsverzeichnis
11
Anhang
Tabelle IV: Rückstellungsfähiger und verrechenbarer Aufwand .. .. ...... 104 Tabelle V: Zur einheitlichen Anwendung des Realisationsprinzips in der Vermögensaufstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Literaturverzeichnis
106
Urteilsregister
117
Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1:\4
Abkürzungsverzeichnis ADHGB AG AktG ALR AO
BankA BB Bd. BewG BFH BFuP BGB BGH BSG BStBl. BVerfG BVerwG cc DAkt DB DSt DStBl. DStR DStZ EFG EStG EStDV EStR FG FR GenG
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Abkürzungsverzeichnis GmbHG Geh. Obertribunal GG GoB HdSW HFR HGB KStG KStR MinBlFin. NB NJW OFH OLG RAP RFH RGBl. RStBl. PrOVG ROHG StAnpG StbJb StBp StKRep StRK StW UStDB UStG VG VStDV VStG VStR Wpg Wpr ZdAfDR ZfB ZfbF ZfhF ZfphF ZPO
13
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Erster Teil
Das Verhältnis der Lehre vom Wirtschaftsgut zur dynamischen Bilanzauffassung, dargestellt im Hinblick auf die Bilanzierung schwebender Geschäfte 1. Kapitel
Widerstreitende Bilanzauffassungen und Prinzipien der Gewinnrealisierung Im Streit der Meinungen über Inhalt und Funktion der Begriffe "Wirtschaftsgut, Rechnungsabgrenzungsposten, Rückstellung, Aufwand" basieren die Argumente auf bilanztheoretischen Grundlagen1 • Die bilanztheoretischen Ansichten laufen seit Jahrzehnten in die mehr juristisch-statische und die betriebswirtschaftlich-dynamische Richtung auseinander. Nicht zuletzt aus diesem Grunde stellt das Bilanzsteuerrecht kein geschlossenes theoretisches System dar, läßt die Gesetzgebung keine für alle Einzelfälle geltenden Axiome erkennen2 und geht vor allem die Rechtsprechung weitgehend kasuistisch vor 3• Die statische und die dynamische Bilanzauffassung bilden schon nach ihren Zielen Gegensätze. Die beiden Auffassungen seien kurz dargestellt: I. Die betriebswirtschaftliche Auffassung, insbesondere die dynamische Bilanzauffassung
Nach der dynamischen Bilanzauffassung bemißt sich der Erfolg eines Unternehmens nach dem Unterschied zwischen Ertrag und Aufwand einer Rechnungsperiode. Aufwand ist die Summe der vor, während oder nach der Rechnungsperiode für die bestimmungsgemäße Abgabe oder den zufälligen Verlust von Gütern in dieser Rechnungsperiode zu Lasten des Vgl. Tomfohrde, aaO., S. 3/4. Vgl. Urt. d. BFH v. 24. 8. 56- I 73/56 U- in BStBl. 1956 III, S. 323; Kosiol in StW 1949, Sp. 145; Gnam in FR 1954, S. 349; Institut der Wirtschaftsprüfer, Gutachten Nr. 2/1949 in Wpr 1949, S.183; Wündisch in FR 1962, S. 459 ff. a Vgl. Neumann, aaO., S. 72/75; Yorck v. Wartenburg in FR 1962, S. 46/47. 1
t
16
1. Kapitel: Widerstreitende Bilanzauffassungen
Unternehmens gemachten Ausgaben4 • Ertrag ist die Summe der vor, während oder nach der Rechnungsperiode erzielten Einnahmen, die bestimmungsgemäßer oder außerordentlicher Gewinn von Gütern in dieser Periode darstellt. Demzufolge ist der Erfolg einer Rechnungsperiode nicht identisch mit dem Überschuß der Einnahmen über die Ausgaben. Die Einnahmen und Ausgaben können zu Ertrag und Aufwand einer ganz anderen Periode gehören. Ausgaben und Einnahmen sind Zahlungsvorgänge, die mit ihrem nominalen Geldwert in Buchführung und Bilanz festgehalten werden; die Zahlungsvorgänge bei künftigen Einnahmen und Ausgaben aus Forderungen und Verbindlichkeiten müssen als bereits erfolgt angesehen werden, damit Aufwand und Ertrag periodisch richtig zugeordnet sind. Das hat die pagatorische Bilanztheorie5 als geschlossenes theoretisches System in Verfeinerung der dynamischen Bilanzauffassung erkannt'. Den Unterschied von 1. Erfolg = Verhältnis von Ertrag zu Aufwand und 2. Überschuß = Verhältnis von Einnahmen zu Ausgaben, der durch die Verlagerung von Einnahmen und Ausgaben in Vor- und Nachperioden entsteht, zeigt nachfolgende Darstellung. Die Funktionen der eigenständigen Bilanzbegriffe, die der Rechnungsabgrenzung dienen, werden aus den Pfeilen ersieh tlich. Das eigentlich "Dynamische" besteht darin, daß Aufwand und Ertrag durch Abgrenzung der vor- und nachperiodischen Ausgaben und Einnahmen periodengerecht ermittelt und gegenübergestellt werden, das "Pagatorische" darin, daß der Wert der verausgabten und vereinnahmten Güter sich entsprechend den Zahlungsvorgängen aus dem Rechenwerk der Buchhaltung ergibt, indem bei Forderungen und Verbindlichkeiten der Zahlungsvorgang als bereits erfolgt fingiert wird7• Das bedeutet, daß der planmäßige Periodenerfolg vermittels Abgrenzung der erfolgten wie fingierten Zahlungsvorgänge errechnet werden kann8 und nicht durch Zählung und Bewertung der Vermögensgegenstände ermittelt zu werden braucht. Wenn trotzdem alljährlich eine Inventur gemacht wird, soweit sich Zahlungsvorgänge in Vermögensgegen4 Vgl. Schmalenbach in ZfhF 1915/16, S. 379/380; ders., aaO., 3. Aufl., S. 55, 92/93; Muscheid, aaO., S. 12113; Tomfohrde, aaO., S. 13/15; Kemper, aaO., S. 75/
83. s Vgl. Kosiol, aaO., S. 53. 8 Vgl. Münstermann in ZfbF 1966, S. 519; Bense, aaO., S. 42. 7 Kosiol, aaO., S. 165. 8 Vgl. Tomfohrde, aaO., S. 27 bis 30.
I. Die dynamische Bilanzauffassung
17
Tabelle I
Vorperiode 1. Einnahme jetzt
Rechnungsperiode
Nachperiode
Ertrag später _11.
akt. trans. R.-Abgrenzungsposten 2. Ertrag jetzt
Einnahme später Forderungen
3. Einnahme jetzt,
Ertrag jetzt
4. Ausgabe jetzt Aufwand später I pass. trans. R. - Abgrenzungsposten 5. Aufwand jetzt
Ausgable später
Verbindlichkeiten, Rückstellungen 6. Ausgabe jetzt, Aufwand jetzt Überschuß
Erfolg
Überschuß
ständen niederschlagen, so erfolgt diese Inventur nur zur Abstimmung mit der Buchhaltung, nicht zur Feststellung des planmäßigen Gesamterfolges. Abweichungen, die bei der Inventur festgestellt werden, stellen als außerordentliche Bestandsgewinne oder -verluste lediglich einen gesonderten Aufwands- oder Ertragsposten dar. Da die Grundsätze periodengerechter Gewinnermittlung im Sinne der dynamisch-pagatarischen Bilanztheorie nichts anderes als die wissenschaftliche Erkenntnis9 seit langem bestehender kaufmännischer Übung und buchhalterischer Zielsetzung sind und die nach diesen Grundsätzen erfolgte Terminierung und Systematisierung wiederum Rechnungswesen, Handelsrecht und Bilanzsteuerrecht beeinflussen, wird behauptet, die dynamisch-pagatarische Bilanztheorie sei Bestandteil der Grund9 Vgl. Muscheid, aaO., S. 14/15. Über die rechtsphilosophischen Grundlagen dieses Erkenntnisprozesses vgl. Larenz, aaO., S. 353/354 und 356/357: "Apriorischer Sinnbegriff"; Hegel, aaO., S. 353 ff.: "Konkr~tallgemeiner Begriff".
2 Weber, Wirlacbaftaeut
1. Kapitel: Widerstreitende Bilanzauffassungen
18
sätze ordnungsmäßiger Buchführung, finde über dieses Merkmal Eingang in die Gesetze10 und müsse von der Rechtsprechung11 beachtet werden.
U. Das Handelsrecht und die statische Bilanzauffassung
Der Gesetzgeber des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs von 1861 wollte, vermutlich in Erinnerung an die zur Vermeidung des betrügerischen Bankrotts in der Ordonnance civile von 1667 und der Ordonnance criminelle12 von 1673 enthaltenen strengen Vorschriften, handelsgesetzliche Vorschriften zur "genauen" Bilanzierung "sämtlicher" Vermögensgegenstände geben, damit eine Vermögenshinterziehung im Konkursfall ersichtlich werde13• Dazu reicht eine rein statische "Bilanz" im Sinne einer Vermögensaufstellung aus, und mehr war daher vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt. Im Gegenteil machte der Gesetzgeber im Hinblick auf die Gewinnermittlung des ordentlichen Kaufmanns keine Einzelvorschriften, schrieb den unordentlichen Kaufleuten lediglich eine ordnungsgemäße Bilanzierung vor14• Die Ausbildung dessen, was als ordnungsgemäße Buchführung bezeichnet wird, blieb weiterhin den Kaufleuten, später der Betriebswirtschaftslehre überlassen, wenngleich Art. 28 ADHGB keine Verweisung auf die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung enthielt15 • Die Rechtsprechung ermittelte die kaufmännische Übung und ihre Veränderungen. So waren auch die Aktiengesetze von 1870 und 1884 in ihrer Bilanzauffassung entsprechend den verfolgten Zielen statisch. Das derzeit geltende Handelsgesetzbuch von 1897 knüpft in §§ 38 bis 40 HGB an diese Auffassung an16• Die Merkmale der statischen Bilanz sind folgende: In grundsätzlich gegenständlicher, inventarisierender Betrachtung des Vermögens werden 10 Vgl. §§ 38 Abs. 1, 39 Abs. 3 und 4 Ziff. 1 und 2, §§ 40 Abs. 4 HGB, 148 Abs. 1 AktG, 5 Abs. 2 EStG, 7 EStG. 11 Vgl. Schmatenbach in ZfhF 1933, S. 232; Muscheid, aaO., S. 14-20; Hast, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, S. 6; Hax in ZfhF 1953, S. 300; Dornemann in BFuP 1957, S. 169; Littmann in StW 1948, Sp. 655; ders. in DStR 1966, S. 234; Neumann, aaO., S. 75; Martin, aaO., S. 38/39; Pütz, aaO.,
s. 21/22.
Enthaltend die Ordonnance de Commerce. Vgl. Schmalenbach, aaO., 3. Aufl., S. 279, S. 265 : Behandlung der Beratung der Nürnberger Kommission v. 1875; Mü.nstermann, aaO., S. 333; Savary, aaO., S. 322, führte zu diesem Zweck in einer reinen Inventarbilanz nur Sachen, Forderungen und Schulden, insgesamt Gegenstände genannt. 14 Vgl. Schmalenbach, aaO., 3. Aufl., S. 273. 15 Vgl. dazu Arensberg, aaO., S. 14/15. 18 Vgl. Neumann, aaO., S. 119; Schmalenbach, aaO., 3. Aufl., S. 282; Gnam, aaO., S. 38. 12
13
II. Die statische Bilanzauffassung
19
die einzelnen Vermögensgegenstände mit den ihnen zukommenden gesonderten Werten in die Bilanz eingestellt. Diese Werte werden unter der Fiktion einer Veräußerung des Gewerbebetriebes den mutmaßlichen Verkaufserlösen gleichgesetzt1 7 • Abgesehen von den Grundstücken unterliegen alle gegenständlichen Vermögensbestandteile einer mehr oder weniger stetigen Wertminderung18, Rechte unterliegen je nach Realisierbarkeit Wertschwankungen. Grundlage der Vermögenserfassung ist die jährliche Inventur10• Durch Vergleich des Vermögens mit dem am Ende der Vorperiode ermittelten Vermögen wird eine Vermögensminderung oder -mehrung festgestellt. Dieses Ergebnis ist nach statischer Auffassung Gewinn oder Ver1ust der Ermittlungsperiode20 • Weil die Periodenabgrenzung vernachlässigt wird, drohende Verluste nicht berücksichtigt werden und die Gewinn- und Verlustrealisierung sich am Zu- und Abfluß orientiert, muß ein so erzieltes Geschäftsergebnis von der Erfolgsermittlung nach der dynamisch-pagatarischen Bilanztheorie erheblich abweichen. Die dynamisch-pagatarische ErfoLgsermittlung ist keine Erfindung, sondern eine Methode nach der Erkenntnis der Ziele und Aufgaben, die dem betrieblichen Rechnungswesen von alters her innewohnen21 • So sah§ 642 des ALR von 1794 vor, daß neben dem Inventarium der Abschluß aus den Handelsbüchern angefertigt werde. Auch die Vorschriften der§§ 644 und 645 ALR über Bewertung und Abschreibung müssen im Sinne einer Erfolgsbilanz gedeutet werden, was das Urteil des Geheimen Obertribunals zu Berlin vom Jahre 1840 bestätigt22• Diese Zusammenhänge haben weder die Schöpfer der Ordonnance civile und Ordonnance criminelle noch die Väter der Aktiengesetze von 1870 und 1884 und der Handelsgesetzbücher von 1861 und 1897 übersehen23• Sie wollten Vgl. Urt. d. RFH v. 27. 3. 28- I A 470/27- in RStBl. 1928, S. 261. Entgegen der richtigen Auffassung von der Abschreibung als Ausgabe, vgl. Helpenstein, aaO., S. 28, 231. 19 Ausgenommen bei Forderungen und Verbindlichkeiten; vgl. dazu Martin, aaO., S. 30-34; insbesondere S. 33. 20 Vgl. Le Coutre, aaO., S. 8; Übersicht bei Kemper, aaO., S. 47 ff. 21 Vgl. Lion, Geschichtliche Betrachtungen, S. 421; ter Vehn, aaO., S. 3 ff. Im 14. und 15. Jahrhundert führte der Kaufmann in Deutschland und den Niederlanden eine laufende Erfolgsrechnung; Vermögensrechnungen und Inventaraufnahmen waren nicht bekannt. Ab 1518 ist das durch Literatur belegt. Bei van den Dycke, 1598, treffen wir in Form des Passivansatzes von "noch nicht fälliger Miete" bereits dynamisches Verursachungsdenken an. 22 Urt. d. Geheimen Obertribunals Berlin v. 1840, veröffentlicht 1841 in Bd. 5, S. 389 ff.; vgl. auch Arensberg, der nachweist, daß der Begriff der Rechnungsabgrenzungspasten bereits 1850 bekannt war. 23 Vgl. auch Schmalenbach, aaO., 3. Aufl., S. 283; Lion, Geschichtliche Betrachtungen, S. 420; Muscheid, aaO., S. 29; Tomfohrde, aaO., S. 4/5; Gnam, aaO., S. 42, ist dagegen der Meinung, das Wesen der dynamischen (Erfolgs-) und der statischen (Vermögens-)Bilanz sei vom Gesetzgeber nicht erkannt worden. 17
18
2•
20
1. Kapitel: Widerstreitende Bilanzauffassungen
es im Hinblick auf die Ziele und Aufgaben einer periodengerechten Gewinnermittlung bei der als Gewohnheitsrecht anerkannten Übung der ordentlichen Kaufleute belassen24. Kodifiziert wurde lediglich zum Zweck des Gläubigerschutzes. Es ist verfehlt, diese gesetzlichen Bestimmungen für die Erfolgs- und Steuerbilanz heranzuziehen25 • Denn da das Prinzip des Gläubigerschutzes gedanklich zerschlagene Unternehmen und aus diesem Denkprozeß erwachsende Bilanzen fordert26, können die dieser Vorstellung dienenden Begriffe unmöglich die geeigneten Bausteine für die auf betriebswirtschaftliche und damit gleichzeitig ertragsteuerrechtliche Ziele gerichtete jährliche Erfolgsbilanz sein27• Ebensowenig können, ohne daß sich methodelogische Fehler allenthalben einschleichen, unter die historisch gewachsenen Termini nunmehr die den auseinanderlaufenden Zielen entsprechend extremen statischen und dynamischen Begriffe einheitlich gefaßt werden28• Eine strenge Un24 Die Ansicht, die kaufmännische übung periodengerechter Gewinnermittlung widerstreite den statischen Vorschriften des Handelsgesetzbuches und könne daher nicht anerkannt werden, entstammt den Entscheidungen des Preußischen OVG (Urt. d. PrOVG v. 17.5.1897- Rep. E. IX, 84/96- in Bd. 6, S. 34; Urt. d. PrOVG v. 25.11.1899- Rep. V. a. 50/99- in Bd. 8, S. 96; Urt. d. PrOVG v. 2. 7. 1902- Rep. V. A. 136/01 - in Bd. 10, S. 303; Urt. d. PrOVG v. 20. 10. 1909 - Rep. V. A. 64/09 - in Bd. 14, S. 232; Urt. d. PrOVG v. 3. 3. 1909 Rep. VI. A. 5/08- in Bd. 14, S. 274; Urt. d. PrOVG v. 20. 12. 1911 - Rep. V. A. 129/10 - in Bd. 15, S. 263). Lion, aaO., S. 80/81, hat vortrefflich nachgewiesen, daß diese Rechtsprechung der Trennung zwischen einkommen- und vermögensteuerlicher Betrachtung ermangelt. Die handelsrechtliehen Vorschriften gelten nur für die Vermögensaufstellung; für die Erfolgsbilanz als Grundlage der Ertragsbesteuerung verweist das HGB auf die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung. Vgl. dazu Urt. d. PrOVG v. 17.5.1897- Rep. E. IX, 84/96in Bd. 6, S. 44/45, sowie Urt. d. ROHG v. 3. 12. 1873 - II. Sen/Rep. 934/73 - in Bd. 12, S. 17: "Die kaufmännische Bilanz hat den Zweck, die übersieht und Feststellung des Vermögensbestandes in einem bestimmten Zeitpunkte und damit zugleich, vermittelst des Vergleichs der für verschiedene Zeiten aufgenommenen Bilanzen, auch des Resultates der Geschäftsführung während der dazwischenliegenden Perioden zu bewirken." S. 19: .,Der Bilanz liegt hiernach in der That die Idee einer fingirten augenblicklichen allgemeinen Realisirung sämmtlicher Activa und Passiva zum Grunde, wobei jedoch davon ausgegangen werden muß, daß in Wirklichkeit nicht die Liquidation, sondern vielmehr der Fortbestand des Geschäfts beabsichtigt wird und daß daher bei der Ermittlung und Feststellung der einzelnen Werthe derjenige Einfluß unberücksichtigt zu lassen ist, welchen eine Liquidation auf dieselben ausüben würde." So auch Motive zu dem preußischen Entwurf 1850 (pag. 21 i. f. u. 22 zu Art. 31 ADHGB von 1861). Dieses Urteil betrifft die Vermögensaufstellung und konnte fortan nicht, wie geschehen, als Grundlage ertragsteuerlicher und damit erfolgsbilanzieller Betrachtung dienen. 25 Vgl. Gebhard-Lutz, aaO., S. 659/660; Meier in ZfbF 1966, S. 543; Thiel in ZfbF 1966, S. 577, im Hinblick auf die Bilanzierungsvorschriften des AktG 1965; Ad1er-Düring-Schma1tz, aaO., 4. Aufl., S. 600. 28 Vgl. Gutenberg in ZfB 1926, S. 506. 27 Vgl. Jacob, aaO., S. 63, der dies für den Teilwertbegriff nachgewiesen hat. 28 Der Gegensatz zwischen Liquidation und Fortbestand des Unternehmens, der bereits im Urt. d. ROHG v. 3. 12. 1873 deutlich wird, ist begrifflich und daher auch terminologisch unüberbrückbar.
III. Prinzipien der Gewinnrealisierung
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terscheidung der Begriffe, vor allem im Hinblick auf die Termini "Vermögensgegenstand" und "Wirtschaftsgut", wird daher im Verlauf der weiteren Betrachtung notwendig sein, um zu richtigen und berichtigenden Ergebnissen zu kommen. 111. Die verschiedenen Prinzipien der Gewinnrealisierung
Die unterschiedlichen Bilanztheorien bevorzugen verschiedene Bilanzierungsprinzipien. Unter diesen verkörpern die Realisierungsprinzipien die Anschauungen davon, wann Gewinne und Verluste verwirklicht sind, wann sie als dermaßen gefestigt angesehen werden, daß sie durch den Ansatz in der Bilanz bei der Ermittlung des Periodenerfolges berücksichtigt werden. Der Realisierungszeitpunkt hat entscheidende Bedeutung für die Bilanzierung von Gewinnen und Verlusten, insbesondere bei mehrperiodisch schwebenden Geschäften. Über den richtigen Realisierungszeitpunkt streiten Verursachungs-, Zufluß- und Realisationsprinzip. 1. Verursachungsprinzip
Der dynamischen Bilanzauffassung entspricht das Verursachungsprinzip. Das Verursachungsprinzip erfüllt die Forderung nach einer periodengerechten Gewinnermittlung. Denn nur, wenn die Gewinne und Verluste unabhängig von ihren einnahme- oder ausgabemäßigen Folgen auf den Zeitpunkt ihrer rechtsverbindlichen Entstehung zurückgeführt werden, sind sie ihrer Verursachung nach periodengerecht ausgewiesen29 • Rechtsverbindlich bedeutet, daß alle die geschäftlichen Tätigkeiten, die wie üblich zwar auf geschäftlichen Erfolg gerichtet sind, aber nicht den verbindlichen Beginn bestimmter Rechtsfolgen setzen, als Ursache ausscheiden30• Folglich sind Verluste, die wegen vorherrschender rechtlicher Bindung eintreten müssen, nicht erst im Zeitpunkt verlustbringender Ausgaben, sondern bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses der verlustbringenden Verbindlichkeit entstanden und daher in dieser Periode gewinnmindernd durch Rückstellungen in der Bilanz zu berücksichtigen31 • 29 Vgl. Helpenstein, aaO., S. 138, nach dessen Ansicht § 12 Abs. 2 EStG v . 10. 8. 25 im Gegensatz zu§ 13 EStG 1925 das Verursachungsprinzip verkörpert, indem er lautet: "Ist während des Steuerabschnitts ein Gegenstand veräußert worden und das Entgelt bis zum Schlusse des Steuerabschnitts noch nicht fällig geworden (§ 11), so ist bei Berechnung des Gewinns anstelle des Gegenstandes der Wert der Gegenforderung anzusetzen." 3o Vgl. Neumann, aaO., S. 87. 81 Vgl. Urt. d. RFH v. 7. 5. 20- I A 302/19- in Bd. 3, S. 22 ff.; Urt. d. RFH v. 25. 3. 1925- VI 67, 68, 69/25- in RStBl. 1925, S. 166; Urt. d. BFH v. 28. 1. 54IV 255/53 U- in Bd. 58, S. 523; Urt. d. BFH v. 13. 8. 57- I 46/57 U- in BStBl. 1957 III, S. 351; Urt. d. BFH v. 13. 5. 58 - I 290/56 U - in BStBl. 1958 III, S. 333;
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1. Kapitel: Widerstreitende Bilanzauffassungen
Ebenso sind Gewinne, die aufgrund vorherrschender rechtlicher Bindung planmäßig eintreten müssen, nicht erst im Zeitpunkt gewinnbringender Einnahmen oder mit der Erhebung gewinnträchtiger Forderungen, sondern bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses gewinnversprechender Geschäfte entstanden und bilanzmäßig zu berücksichtigen. So müßte jedenfalls nach dem rein dynamischer Auffassung entsprechenden paritätischen Verursachungsprinzip verfahren werden32 . 2. Zuflußprinzip
Nach dem Zuflußprinzip ist für die Erfolgsermittlung der Zeitpunkt entscheidend, in dem Einnahmen zufließen und Ausgaben abfließen33. Das Zuflußprinzip hat als vereinfachte Gewinnermittlungsweise nach § 11 EStG praktische Bedeutung. Der Zufluß wird in der Erlangung der Verfügungsmacht über eingegangene Zahlungen, der Abfluß im Verlust der Verfügungsmacht gesehen34. Die früher in § 11 EStG 1925 verankerte weite Fassung des Zuflußbegriffs, derzufolge eine Leistung, auf die ein fälliger Rechtsanspruch bestand, als zugeflossen anzusehen war, ist in § 11 EStG 1934 auf den ursprünglichen, engen Zuflußbegriff zurückgeführt worden. Für die wiederkehrenden Einnahmen und Ausgaben ist nach § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG eine periodengerechte Abgrenzung vorgeschrieben, wodurch das Zuflußprinzip eine Modifikation zugunsten der wirtschaftlichen Zugehörigkeit erfahren hat35. Das Zuflußprinzip, das bei den Einkunftsarten nach § 2 Ziff. 4 bis 7 EStG zwangsläufig gilt, findet bei den Einkunftsarten des § 2 Ziff. 1 bis 3 EStG unter den Voraussetzungen des§ 4 Abs. 3 EStG Anwendung: Dann gilt als Gewinn der Überschuß der Einnahmen über die Ausgaben; der Gewinn wird also an dem gemessen, was im Ermittlungszeitraum an Einnahmen Urt. d. BFH v . 4. 6. 59- IV 115/59 U- in BStBl. 1959 III, S. 326; Urt. d. BFH v. 14. 1. 60- IV 108/58 U- in BStBl. 1960 III, S. 138; Urt. d. BFH v. 9. 8. 62I 167/62 U- in BStBl. 1963 III, S. 8; Urt. d. BFH v . 27. 4. 65- I 324/62 S - in BStBl. 1965 III, S. 409. 32 In der Praxis sind a us dem Prinzip der Vorsicht heraus entscheidende Abweichungen notwendig; vgl. auch Götzen, aaO., S. 27, 37. 33 Vgl. Becker in StW 1926, Sp. 1055 ff.; Lion, aaO., S. 97 ; ohne jegliche Abgrenzung noch § 12 Abs. 1 EStG 1925. 34 Vgl. Urt. d. RFH v. 20. 11. 41 -IV 193/41 -in RStBl. 1942, S. 77; Urt. d. BFH v. 2. 9. 54- IV 159/53 U- in Bd. 59, S. 270; Urt. d. BFH v. 6. 3. 59- VI 130/55 U- in Bd. 68, S. 604; Urt. d. BFH v. 1. 12. 61- VI 222/61- in HFR 1962 Nr. 261, S. 276 ; Urt. d. BFHv. 2. 11. 62- VI 284/61 S - in BStBl. 1963 III, S. 97; BWmich-Falk, aaO., 9. Aufl., § 11, Anm. 2, S. 1145; Littmann, aaO., 8. Aufl., § 11, Anm. 2, S. 1049; Neumann, aaO., S. 58/59, 62/63 ; Felix in StW 1962, Sp. 272, 274. 35 Felix in StW 1962, Sp. 272; Neumann, aaO., S. 55/56; Urt. d. BFH v. 15.10. 1953- IV 196/53- in BStBl. 1953 III, S. 317.
III. Prinzipien der Gewinnrealisierung
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zugeflossen und an Ausgaben abgeflossen ist; eine periodengerechte Gewinnermittlung im Sinne der dynamischen Auffassung erfolgt nicht. Dazu fehlt mangels ordnungsmäßiger Buchführung36 bei den unter § 4 Abs. 3 EStG fallenden Steuerpflichtigen auch weitgehend die Grundlage. Das Zuflußprinzip ist somit nicht geeignet, im Sinne der periodengerechten Abgrenzung in der Bilanz Gewinnermittlungsprinzip zu sein37 • 3. Realisationsprinzip
Weder nach dem Verursachungs- noch nach dem Zuflußprinzip kann konsequent38 vorgegangen werden; denn beide Prinzipien kollidieren mit handelsrechtliehen Grundsätzen. Die Grundsätze der Vorsicht und der Bilanzwahrheit verbieten es, den unter der Voraussetzung des planmäßigen Ablaufs des Geschäfts zwar bereits durch Vertragsabschluß verursachten, aber mangels Erfüllung der vertraglichen Leistung noch nicht realisierten Gewinn auszuweisen. Sie verbieten aber auch, die bereits verursachten und in ihren Auswirkungen absehbaren Verluste erst mit dem Abfluß der daraus folgenden Ausgaben auszuweisen. So richtet sich die Realisierung für den Gewinn nach dem Realisations-39, für den Verlust nach dem Verursachungsprinzip. Das Realisationsprinzip äußert sich im wesentlichen in zwei Ebenen: einmal bei der Bewertung des Anlagevermögens nach dem bei der Anschaffung des Wirtschaftsgutes hingegebenen Gegenwert im Gegensatz zum Zeitwert, beim Umlaufvermögen ebenfalls nach dem Anschaffungswert im Gegensatz zum Niederstwert40• Damit schließt das Realisationsprinzip zum anderen auch die Frage danach ein, wann die Realisierung stattfindet. Da es in der Problematik des Bilanzansatzes nicht interessiert, wie hoch bewertet wird, sondern wann Gewinn realisiert wird, soll hier das Realisationsprinzip nur im Hinblick auf den Realisationszeitpunkt untersucht werden41 • 38 § 12 Abs. 2 EStDV enthält im Hinblick auf § 6 Abs. 2 EStG nur die Fiktion der Ordnungsmäßigkeit einer in Wirklichkeit unzureichenden Buchführung. 37 Vgl. Becker, aaO., S. 238/240. 38 Vgl. Schmalenbach, aaO., 4. Aufl., S. 112; Lion, aaO., S. 67, nennt es Imparitätsprinzip. 39 Vgl. Helpenstein, aaO., S. 136: Eine Wahlmöglichkeit, den Gewinn frühestens bei seiner Verursachung, spätestens bei Realisierung auszuweisen, muß abgelehnt werden; ders., aaO., S. 533; Vellguth, aaO., S. 32/33 sowie 41; Schmalenbach, aaO., 3. Aufl., S. 83/84, 148; Becker, aaO., S. 41/42, 391/392; Neumann, aaO., S. 110/111, sieht das Realisationsprinzip als Synthese von Verursachungsund Zufiußprinzip; vgl. auch Urt. d. RFH v. 30. 10. 29- VIA 1052/28- in StW 1929, Nr. 981; Urt. d. RFH v. 22. 10.31 -VI A 935/30- in StW 1932, Nr. 7; Urt. d. RFH v. 11. 1. 39- VI 744/38- in RStBl. 1939, S. 323; Urt. d. OFH v. 13. 1. 50- IV 62/49- in StW 1950, Nr. 49. 40 Vgl. Schmalenbach, aaO., S. 147/149. 41 Kein Untersuchungsgegenstand ist daüber hinaus das sogenannte "reine
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1. Kapitel: Widerstreitende Bilanzauffassungen
Darüber, wann auf dem Weg vom Vertragsschluß bis zur beiderseitigen Erfüllung die Realisierung des Gewinnes eintritt, herrscht Streit. Die verschiedensten Stadien der Leistungsverwirklichung sind als Realisierungszeitpunkt angesehen worden42 : die Herstellung oder der Einkauf der zu liefernden Ware, die Versandbereitschaft der Ware, die Versendung und Übergabe der Ware, der Zeitpunkt der Rechnungstellung. Im Schrifttum hat sich auch bis heute die Meinung erhalten, im Sinne einer periodengerechten Ertragsbesteuerung müsse bei Teilleistungen auf die mehrperiodische Ausführung schwebender Geschäfte ein anteiliger Periodengewinn geschätzt und ausgewiesen werden43. Vellguth44 hat untersucht, ob die Realisierung des Gewinnes bereits im Zeitpunkt, in dem die Ware versandbereit ist, angenommen werden kann, oder ob für die Realisierung verlangt werden muß, daß die Ware an den Empfänger abgesandt und in Rechnung gestellt worden ist45 , daß zumindest aber bei noch lagernder Ware die Gefahr auf den Empfänger übergegangen sein muß. Die Untersuchung wurde durch den Fall angeregt, daß fertiger Wein bei dem Erzeuger bis zum Versand lagert. Der Fall hat weniger praktische Bedeutung, als zunächst scheinen mag. Nur selten lagern verkaufte und fertiggestellte Waren lange bei ihrem Hersteller, ohne daß die Gefahr des zufälligen Untergangs auf den Empfänger übergeht und bereits Rechnung gestellt wird. Lagert die Ware bei ihrem Hersteller und ist die Gefahr der zufälligen Verschlechterung und des zufälligen Untergangs auf den Empfänger übergegangen, so hat der Hersteller die Hauptpflichten aus dem Vertrag erfüllt, der Empfänger hat das Eigentum an der Ware erlangt, lediglich die Versendung als Nebenpflicht des Herstellers steht noch aus. In dieser Situation erlaubt die Rechtslage die Rechnungstellung, und kaufmännische Grundsätze gebieten sie. Wird die Rechnung nicht gestellt, so ist das ein Versäumnis, durch das die Gewinnrealisierung nicht gehindert wird41 •
Realisationsprinzip", das den Bilanzausweis sowohl realisierter Gewinne als auch realisierter Verluste verfolgt. Das deshalb nicht, weil dieses Prinzip die drohenden Verluste nicht berücksichtigt, dadurch zu hohe Gewinne ausweist, was unliebsam nachteilige Überraschungen zur Folge haben muß. Vgl. Heinicke in StBp 1961, S. 212; Götzen, aaO., S. 63-110. 42 Siehe insbesondere die übersieht der Realisationsgrade bei Aufermann, Verlust- Komp., S. 38-44. 43 Vgl., allerdings nicht ohne eigene Bedenken, Hax, Betriebsunterbrechungsversicherung, S. 167; Arensberg, aaO., S. 44; a. A. mit Recht Vellguth, aaO., S. 42: "Die Größe des Erfolges läßt sich vor der Erstellung der Leistung nicht berechnen." Ebenso Helpenstein, aaO., S. 541; Schmalenbach, aaO., S. 124; Arensberg muß zwar zugegeben werden, daß im Falle geringer Gewinnspanne eine Schätzung naheliegt, um ausweispftichtige Verluste festzustellen; doch ist das noch kein Argument für eine Schätzung des Gewinns. 44 Vgl. Vellguth, aaO., S. 48-57. 45 So Urt. d. OFH v. 13. 1. 50 -IV 78/49 U- in StW 1950, Nr. 49. ca Vgl. Gold, aaO., S. 399.
III. Prinzipien der Gewinnrealisierung
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Davon streng zu unterscheiden ist die Situation, in der die zur Versendung bestimmte Ware lediglich versandbereit steht. Hier liegt noch keine Gewinnrealisierung vor47 • Bedenken gegen die Annahme einer Gewinnrealisierung bestehen, wenn der Verkäufer die Ware dem Frachtführer übergeben, dem Käufer dadurch das Eigentum verschafft und Rechnung gestellt hat, aber aufgrund besonderer Vereinbarungen die Versendungsgefahr trägt48 • Obwohl in diesem Falle noch ein beträchtliches Risiko bei dem Verkäufer verbleibt, muß aus praktischen Erwägungen die Gewinnrealisierung im Zeitpunkt der Erfüllung durch Eigentumsübergabe anerkannt werden40 • Nur so läßt sich ohne unverhältnismäßigen Aufwand für das Rechnungswesen ein geeigneter Realisierungszeitpunkt finden. Im Ergebnis ist daher festzustellen, daß folgende drei Merkmale die Gewinnrealisierung bestimmen: 1. Gefahrübergang, 2. Eigentumsübergang, 3. Rechnungstellung50• Bei Vorliegen von mindestenszweiendieser Merkmale51 ist die Gewinnrealisierung nach dem Prinzip der Vorsicht, nach rechtlichen Erwägungen und nach praktischen Erfordernissen deshalb anzunehmen, weil mit erfahrungsgemäß ausreichender Aussicht auf Realisierung zu einem buchungstechnisch einfach und genau zu bestimmenden Zeitpunkt eine dem Ertrag entsprechende Forderung entstanden ist5z. 47 A. A. Vellguth, aaO., S. 56, der aber aufS. 57 selbst einräumt, daß ein nicht geringes Risiko vor Erfüllung besteht, daß der Kunde die Ware nicht mehr gebrauchen kann und der Hersteller aus Kulanzgründen zur Rücknahme gezwungen ist. Vellguth, aaO., S. 58, widerspricht seinen Argumenten für eine Gewinnrealisierung bei Versandbereitschaft, wenn er unter Berufung auf die Gegner dieser Ansicht die Gewinnrealisierung für den Fall der Bereitstellung von Waren bei Zulieferem des Verkäufers, dem sogenannten Streckengeschäft, ablehnt. Wie Vellguth: Helpenstein, aaO., S. 138, Urt. d. RFH v. 22. 10.31 -VIA 935/30- in Bd. 29, S. 288/289; vgl. dagegen Schmalenbach, aaO., 5. Aufl., S. 124; Götzen, aaO., S. 287/289; Gold, aaO., S. 398; Walb, aaO., S. 202; Leffson, aaO., S. 167/168; Maaßen in StBp 1965, S. 85. 48 Diese Konstellation ergibt sich bei dem auch zivilrechtlich nicht unproblematischen Fall, daß die Parteien "Zahlung gegen Dokumente", gleichwohl aber auch Tragung der Versendungsgefahr entgegen § 447 BGB durch den Verkäufer vereinbart haben. 49 Vgl. Gold, aaO., S. 399; Götzen, aaO., S. 259. 50 Vgl. Hax, Betriebsunterbrechungsversicherung, S. 168; Schmalenbach, aaO., 3. Aufl., S. 125; Maaßen in StBp 1964, S. 314; Mutzein FR 1962, S. 34. 51 z. B.: Verkauf unter Eigentumsvorbehalt, vgl. Urt. d. RG v. 13. 10. 1914II 253/14- in RGZ Bd. 85, S. 320; versäumte Inrechnungstellung. 52 Vgl. Urt. d. RFH v. 10. 1. 34- VI A 610 in StW 1934, Nr. 210; Schmalenbach, aaO., 13. Aufl., S. 76; Aufermann in ZfB 1951, S. 235 ff.; BHlmich-KleinSteinbring, aaO., 4. Aufl., S. 431; a. A. Arensberg, aaO., S. 74/75, der den Eigentumsübergang für entscheidend hält, zusätzlich die Zahlungsvorgänge in seiner "nur" Vermögensaufstellung (Bilanz) berücksichtigen muß und dadurch beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt zu einer kuriosen Bilanzierungsmethode greifen will. A. A. auch Götzen, aaO., S. 308, 320: Gewinnrealisierung erst bei Eingang des Forderungsbetrags, Kritik: Zuflußprinzip; vgl. dagegen Hast, aaO.,
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2. Kapitel: Die bilanztheoretische Konzeption des Steuerrechts
Abgesehen von der Übergabe durch Besitzkonstitut, wird das Merkmal 2 in der Regel nur bei rechtzeitiger Absendung der vertragsgemäßen Leistung erfüllt sein. Dagegen kann ausnahmsweise der Gefahrübergang auf den Käufer vereinbart worden sein, während die Ware noch beim Verkäufer lagert und dieser noch Eigentümer ist. Was in der Folge unter dynamischer Bilanzauffassung verstanden wird, ist die imparitätische Ermittlung der Verluste nach dem Verursachungsprinzip, der Gewinne aber nach dem Realisationsprinzip. In dieser Form ist die dynamische Bilanzauffassung Leitgedanke der Praxis, und nur in dieser Form kann sie daher überhaupt Bestandteil der Grundsätze ord;. nungsmäßiger Buchführung sein. Nicht gemeint ist die ein paritätisches Vorgehen nach dem Verursachungsprinzip fordernde, reine dynamische Bilanzauffassung, die als Theorie Bedeutung hat, für die kaufmännische Praxis aber unbrauchbar ist.
2. Kapitel
Die bilanztheoretische Konzeption des Steuerrechts Die bilanztheoretische Konzeption des Steuerrechts sollte sich in den Steuer- und Handelsgesetzen niederschlagen und im Wege der Auslegung1 S. 33/34; ähnlich Gnam, aaO., S. 34; Maaßen in StBp 1965, S. 85; Beine, aaO., s. 38. 1 Vgl. § 1 StAnpG; Art. 1 Schweizerisches Zivilgesetzbuch lautet: "Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält. Kann dem Gesetze keine Vorschrift entnommen werden, so soll der Richter nach Gewohnheitsrecht und, wo auch ein solches fehlt, nach der Regel entscheiden, die er als Gesetzgeber aufstellen würde. Er folgt dabei bewährter Lehre und Überlieferung." Vgl. auch Meier-Hayoz in Berner Kommentar, Art. 1, S. 84 ff.; ähnlich auch der gewohnheitsrechtlich anwendbare Art. 4 cc: "Le juge qui refusera de juger sans pretexte du silence, de l'obscurite ou de l'insuffisance de la loi pourra etre poursuivi comme coupable de deni de justice." Schreiber, aaO., S. 162/163, empfindet das Fehlen gesetzlich klar formulierter Auslegungsregeln zu Recht als einen Mangel. Vgl. weiterhin Hessdörfer, aaO., S. 33 ff.; Spitaler in StbJb 1949, S. 275 ff.; ders., in BB 1956, S. 7 ff.; Kaiser, aaO., insbes. S. 41 ff.; Tipke in FR 1962, S. 195; Paulick in Die Auslegung der Steuergesetze in Wissenschaft und Praxis, S. 168/ 169; über die im Steuerrecht nicht anwendbare streng grammatische Andeutungstheorie vgl. Kaiser, aaO., S. 43; Gast, aaO., S. 3, zur Rechtsprechung vgl. Niemann, Hahnhäuser, Oskierski, Janssen, Thoma jr., Die Rechtsprechung des BFH zur Auslegung, aaO., S. 224 ff.; Beschluß des BVerfG vom 19. 12. 61- 2 BvL 6/59- in StRK, KStG § 19 R. 17; Beschl. d. BVerfG v. 17. 5. 60-2 BvL 11/59, 11/60 ~in Bd. 11, S. 129 ff.; Felix in Von der Anwendung und Auslegung der Steuergesetze, S. 29; Tipke-Kruse, aaO., § 1 StAnpG, Anm. 8, S. 1339; Meier-Hayoz, aaO., Nr. 181, S. 131; Burmeister, aaO., S. 128; Germann, aaO., S. 79 ff.
2. Kapitel: Die bilanztheoretische Konzeption des Steuerrechts
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aus ihnen zu entnehmen sein. Die Gewinnermittlung hat die Komponenten Bilanzansatz und Bewertung der Bilanzposten. Maßgebend sind die Vorschriften der §§ 4, 5 und 6 EStG. Nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 EStG erfolgt die Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich; diese Terminologie folgt statischen Überlegungen. §§ 5 und 6 Abs. 2 EStG nehmen Bezug auf die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung. Sollten die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung den handelsrechtliehen Vorschriften der§§ 38, 39 und 40 HGB entnommen werden, so wäre die bilanztheoretische Konzeption des Steuerrechts tatsächlich statisch. Dem steht entgegen, daß die handelsrechtliehen Vorschriften lediglich die Vermögensaufstellung zum Zweck des Gläubigerschutzes regeln, während sie im übrigen selbst wiederum Bezug auf die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung nehmen, so in §§ 38 Abs. 1, 40 Abs. 1 HGB. Die ordnungsmäßige Buchführung und Bilanz des Kaufmanns, insbesondere die Gewinn- und Verlustrechnung, ist aber von ihrer Zielsetzung her mit den sich aus dem Realisationsprinzip ergebenden Einschränkungen dynamisch angelegt2 • Da gemäߧ 5 EStG das Betriebsvermögen nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung3 auszuweisen ist, würden demnach die Grundsätze periodengerechter Gewinnermittlung über den Betriebsvermögensbegriff in den § 4 Abs. 1 EStG getragen. Erweist sich die bilanztheoretische Konzeption des Steuerrechts aus dieser Sicht als dynamisch, so ist zu beachten: Von der Zielsetzung, dem Bilanzansatz, der Bewertung, der Ermittlungsmethode und dem Gewinnrealisationsprinzip her sind die dynamische und die statische Auffassung so unterschiedlich, daß sie in jedem Fall zu verschiedenen Bilanzergebnissen führen müssen. Daraus ergeben sich zwei Schlußfolgerungen: 2 Der Begründung zu dem Entwurf eines Handelsgesetzbuchs (Akten des Reichsjustizministeriums, Reichsjustizamt: Acta betr. die Revision des HGB, Vol. 1, Act. 59), S. 40/41, und der Denkschrift zu dem Entwurfe eines Handelsgesetzbuches und eines Einführungsgesetzes (9. Legislaturperiode, 4. Session, i895/97, Drucksache 632, S. 3161 ff.) ist im Gegensatz zu Arensberg, aaO., S. 4954, nicht zu entnehmen, daß der Gesetzgeber des Handelsgesetzbuches von 1897 die Geltung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung auf die laufende Buchführung beschränken und diese durch die eine, statische Inventurbilanz der Vermögensgegenstände (= Vermögensaufstellung) abschließen wollte. Zu dieser falschen Schlußfolgerung kommt Arensberg, weil er den Unterschied zwischen statischer und dynamischer Auffassung, zwischen Vermögensaufstellung und Erfolgsbilanz nicht beachtet. Der Handelsgesetzgeber wollte zum Zweck des Gläubigerschutzes nur die Vermögensaufstellung vorschreiben, hinsichtlich der laufenden Buchführung und der Erfolgsbilanz als ihrem sinnvollen Abschluß verwies er auf die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung. 3 Der Zusatz "handelsrechtlich" meint das Gewohnheitsrecht, nicht die §§ 38-40 HGB; vgl. die Begründungen zu§ 5 EStG v. 16. 10. 34 in RStBI. 1935,
S.37.
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2. Kapitel: Die bilanztheoretische Konzeption des Steuerrechts
a) Es kann im Ertragsteuerrecht nicht wechselweise nach der dynamischen und nach der statischen Bilanzauffassung verfahren und argumentiert werden4 • b) Ist die dynamische Auffassung vorherrschend, so sind die statischen Termini in den Ertragsteuergesetzen nicht nur methodologisch falsch, sondern verursachen auch weitreichend weitere methodische Fehler. De lege lata muß dann auf diese Fehler hingewiesen werden5 ; de lege ferenda müssen sie durch Änderungen des Gesetzeswortlauts vermieden werden. I. Die Maßgeblichkeit der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung
Handels- und Steuerbilanz weichen in Gliederung und Bewertung voneinander ab. Für die Bewertung ergibt sich der Unterschied beim Vergleich des § 6 EStG mit den §§ 153 und 155 AktG. Die Handelsbilanz gestattet den Wechsel zur höheren Bewertung; die Steuerbilanz kann, um willkürliche Verschiebungen zum Zweck der Steuerersparnis zu vermeiden, ein solches Wahlrecht nicht gestatten. Hinsichtlich des Bilanzansatzes, der z. B. im Rahmen schwebender Geschäfte problematisch ist, sind handelsrechtliche Vorschriften in§ 151 AktG niedergelegt. Das Einkommensteuergesetzsagt über den Ansatz in der Steuerbilanz nichts aus. § 5 EStG und Abschn. 13 EStR verweisen auf die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung6 • §§ 160 bis 163 AO und Abschn. 29 EStR betreffen überwie4 Siehe Urt. d. BFH v. 14. 12. 1966- VI 245/65- in Bd. 87, S. 616 ff.: "Der Begriff ,Ordnungsmäßige Buchführung' ist, wenn er im EStG verwandt wird, einheitlich auszulegen." 5 Hermann-Heuer, 11. Aufl., § 4, Anm. 16, S. 196, sehen diese Notwendigkeit nicht und stimmen der ausdehnenden Auslegung des Begriffs "Wirtschaftsgut" grundsätzlich zu. Vgl. auch Tomfohrde, aaO., S. 95/96, 102/103. 1 Becker, aaO., S. 231, 268; Schmalenbach, aaO., 3. Aufl., S. 263; Greifjenhagen in Beiträge zum neuen Aktienrecht, S. 161; Tipke-Kruse, aaO., § 162, Anm. 2b; Anderson, aaO., S. 26; die GoB werden bestimmt durch Anschauung und Übung aller ordentlichen und ehrenwerten Kaufleute. Anschauung und Übung werden beeinflußt von den Gewinnermittlungsgrundsätzen der Betriebswirtschaftslehre. Vgl. Muscheid, aaO., S. 14; Leffson, aaO., S. 6 und 16; Martin, aaO., S. 18, muß widersprochen werden, daß auch die Steuerrechtsprechung die GoB beeinflusse. Bei der Beurteilung unbestimmter Rechtsbegriffe hat sich die Rechtsprechung streng an die tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten zu halten, um nicht in die Gesetzgebungskompetenz einzugreifen, Art. 20 Abs. 3 GG. Entgegen Leffson, aaO., S. 16/17, können keine GoB deduktiv aus dem Sachverhalt gewonnen werden; die vorhandenen GoB werden vielmehr ermittelt. Soweit RFH und BFH auch GoB "gewonnen" haben, geschah das induktiv und ist unzulässig. So im Ergebnis Littmann, aaO., S. 215; vgl. auch Urt. d. BGH- II ZR 292/59- v. 27. 2. 61 in BGHZ, Bd. 34, S. 326/328; vor allem Anderson, aaO., S. 26-29; extrem a. A. Dö!lerer in BB 1959, S. 1217 ff.; neuerdings sehr bemerkenswert Urt. d. BFH v. 12.5.1966- IV 472/60 -in Bd. 86, S. 119 ff.
I. Die Maßgeblichkeit der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung
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gend den formellen Teil der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung7• Soweit die Vorschriften des Handelsrechts herangezogen werden, insbesondere§§ 38 bis 40 HGB, enthalten auch sie für die Zwecke des Bilanzansatzes in der Ertragsteuerbilanz keine materiellen Regeln. Mangels gesetzlicher Regelung ist es bisher Sache der Rechtsprechung gewesen, darüber zu entscheiden, inwieweit die Bilanzansätze der Steuerbilanz von denen der Handelsbilanz abweichen. Damit wird die Rechtsprechung aufgerufen, dort Unterschiede8 zu machen, wo nach dem Gesetzeswortlaut keine sein dürften; denn da§ 151 AktG die einzige Vorschrift ist, die die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung im Hinblick auf den Bilanzansatz ausfüllt9, müßten die dort gemachten Ansätze, sofern auch das Aktiengesetz 1965 allgemein als Niederschlag der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung anerkannt wird, für die Steuerbilanz übernommen werden. Das Dilemma wird dadurch vollkommen, daß die Rechtsprechung sich möglichst auf geschriebene Rechtssätze beziehen muß. Als einziger beziehungsfähiger Rechtssatz 10 bietet sich das normative Gesetzesmerkmal "Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung" an. So steht die Rechtsprechung vor der fatalen Situation, unter Berufung auf die einheitlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung die uneinheitlichen Bilanzansätze zu rechtfertigen. Doch mit Hilfe wechselnd dynamischer und statischer Argumentation, verpackt in den ungemein elastischen Begriff "Wirtschaftsgut", lassen sich trotz aller methodologischen Bedenken in pragmatischer Konsequenz fiskusfreundliche Ergebnisse11 scheinbar wissenschaftlich fundiert begründen. Das kann zwar nicht richtig sein, aber es ist der Rechtszustand. Somit darf von der Maßgeblichkeit der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung für die Steuerbilanz de facto nicht gesprochen werden, in materieller Hinsicht erst recht nicht von der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz12• 7
Vgl. Tipke-Kruse, aaO., § 162, Anm. 2c; Martin, aaO., S. 19; Littmann, aaO.,
s. 213.
z. B. hinsichtlich der Rückstellungen. Hinsichtlich der Gliederungs- und Bewertungsvorschriften des neuen Aktienrechts wird das angezweifelt, vgl. Klein in BB 1967, S. 91; Mutzein StBp 1965, S. 39, zählt eine vom Aktienrecht und der dynamischen Auffassung abweichende Wahl des Bilanzansatzes zu den GoB. Da das neue Aktienrecht vorab nicht als allgemeine GoB anerkannt ist, müssen sich die GoB entgegen Mutze unmittelbar an der dynamischen Auffassung orientieren. 1o Vgl. Tipke-Kruse, aaO., § 1 Anm. 13, S. 10. 11 Unter dem Deckmantel der gerechten Besteuerung, vgl. Greiffenhagen, aaO., S. 175; Gnam in StW 1956, Sp. 250; Hermann-Heuer, aaO., 11. Aufl., § 4, Anm. 16, S. 191; Urt. d. BVerfG v. 24. 1. 62 - BvL 32/52 und 1 BvR 232/60 in BStBl. I 1962, S. 506, warnt mit Recht davor, die rechtliche Methode durch außerrechtliche Gesichtspunkte und Begriffe aufzulösen. Im Ergebnis ähnlich (trotz verschiedener Betrachtungsweise) Feuerbaum, aaO., S. 70 und 74; siehe vor allem auch Fritsch in StbJb 1957/58, S. 437. 12 Der Zusatz "handelsrechtlich" in§ 5 EStG ist insoweit nur als Hinweis auf die§§ 38 ff. HGB inhaltsleer. 8 8
30
2. Kapitel: Die bilanztheoretische Konzeption des Steuerrechts
Lediglich in formeller Hinsicht kommt dem Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz eine rudimentäre Bedeutung zu: Der Steuerpflichtige ist an die Ansätze in der Handelsbilanz gebunden, soweit es möglich ist, sie in die Steuerbilanz zu übernehmen13 • Wer sich gehalten sieht, die gesetzgeberische Bezugnahme auf die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung bei der Ermittlung des Betriebsvermögens in ernsthaftem Beurteilungsbemühen als den Vorrang kaufmännischer Übung anzusehen, kann sich de lege lata schwerlich mit dem Ergebnis anfreunden, daß es materiell eine Maßgeblichkeit der Steuerbilanz gibt14, die auch festlegt, was die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung sind. De lege ferenda sollten die finanzpolitisch und besteuerungstechnisch sicherlich begründeten Abweichungen der Steuerbilanz von den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung enumerativ normiert werden15, damit die Steuerrechtsprechung aus der unökonomischen, die Rechtssicherheit störenden Situation, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung beurteilen zu sollen, weitgehend befreit wird. II. Der dynamische Charakter der steuerlichen Gewinnermittlung
Nach§ 4 Abs. 1 EStG ist Gewinn der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluß des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahres. Wie das Betriebsvermögen zu ermitteln ist, bestimmt § 5 EStG: Danach ist für den Schluß des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtliehen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist. Was die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung sind, 13
So im Ergebnis bereits Lion, aaO., S. 15; vgl. auch ders., in StW, Bd. 7,
s. 1073; Helpenstein, aaO., S. 239; Götzen, aaO., S. 26; Brönner, aaO., S. 39-48
und 56-60, 141; vgl. Urt. d. RFH v. 29. 6. 34- li A 215/34- in Bd. 36, S. 255; Urt. d. RFH v. 23. 5. 35- I A 110/33- in RStBl. 1935, S. 1467; Urt. d. RFH v. 21. 7. 37- VIA 447/37- in StW 1937, Nr. 463; Urt. d. BFH v. 8. 2. 52- I 10/52 S- in BStBl. 1953, S. 71; Gutachtend. BFH v. 26. 1. 60- I D 1/58 S - in BStBl. 1960 III, S. 195. 14 Vgl. im Ergebnis Bii.hler, aaO., 5. Aufl., S. 130; Aufermann, aaO., S. 16; Kosiol in StW 1949, Sp. 166; Martin, aaO., S. 14; Neumann, aaO., S . 70/71 und 132; ders. in ZfB 1964, S. 195/196; Groener-v. Wallis, aaO., S. 329; Feuerbaum, aaO., S. 39; im Ergebnis auch Mutze in StBp 1962, S. 39, dessen Auffassung von den GoB jedoch nicht voll geteilt wird. Urt. d. RFH v. 21. 10. 31 -VI A 2002/29 -in RStBl. 1932, S. 307; Urt. d. BFH v. 28. 1. 54- IV 225/53 U- in BStBl. 1954 III, S. 110. So war es aufgrund der Bewertungsvorschriften schon nach dem EStG 1925. Die Tatsache, daß die Begründung zu § 5 EStG 1934 in RStBl. 1935, S. 37, diese Wirkung mißbilligt, läßt auf entgegengesetzte Absichten des Gesetzgebers schließen. 15 So war es mit Recht z. Z. des gemeinen deutschen Steuerrechts geregelt. Vgl. dazu Lion, aaO., S. 13; das fordert auch Friedrich in BB 1958, S. 928; vgl. auch Thiel in ZfbF 1966, S. 547; Mutzein StBp 1962, S . 41; Flume in StbJb 1967/ 68, S. 74/75, insbesondere 83 ff.
li. Der dynamische Charakter der steuerlichen Gewinnermittlung
31
orientiert sich nicht am Einzelfall, sondern daran, was die Betriebswirtschaftslehre als die Ziele der kaufmännischen Praxis erkannt hat und was als Lehre in die Praxis zurückgeflossen ist18, was die kaufmännische Übung gefestigt oder gewandelt und was zum Teil gesetzliche Fixierung im Aktienrecht gefunden hat. Das ist hinsichtlich des Bilanzansatzes im wesentlichen die dynamische Bilanzauffassung von der periodengerechten Gewinnermittlung17. Demgegenüber läßt der Wortlaut des§ 4 EStG eine statische Begriffswelt des Gesetzgebers erkennen. So ist von Vermögensvergleich die Rede, und die Definition der Entnahmen und Einlagen besagt, daß sich das Betriebsvermögen aus Wirtschaftsgütern zusammensetzt. Aus diesem Wortlaut wird sogar abgeleitet, alle Aktivposten stellten begrifflich Wirtschaftsgüter dar18• Mögen auch bei der Redaktion des§ 4 Abs. 1 EStG die statisch orientierten Vorschriften des Handelsgesetzbuchs Pate gestanden haben19, so lag 16 Vgl. Schmalenbach in ZfhwF, 27. Jg., S. 232; Littmann, aaO., § 4, 5, Anm. 7, S. 186; Klein W. in BB 1967, S. 89; Rehbinder in NJW 1966, S. 1550. 17 Vgl. Schmalenbach, aaO., 8. Aufl., S. 4; Becker, aaO., S. 232 und 268; Helpenstein in ZdAfdR 1936, S. 978; van der Velde in ZfhF 1949, S. 159; ders. in Gegenwartsfragen des Steuerrechts, S. 222; Glade in StbJb 1966/67, S. 378; wie ter Vehn, aaO., S. 24, mit Recht feststellt, kann auch Savarys Kommentar zur Ordonnance de Commerce nicht für die statische Bilanzauffassung in Anspruch genommen werden. Vgl. weiter Werninger, aaO., S. 40 und 307; Muscheid, aaO., S. 16/17; Aprath in StbJb 1950, S. 147; von WaHis, Die Steuerbilanz des Kaufmanns, S. 10; Aufermann in DAkt 1948, S. 467; im wesentlichen auch Littmann, aaO., §§ 4, 5, Anm. 10, S. 187; Hoffmann in StbJb 1954, S. 22; Hermann-Heuer, aaO., 11. Auf!., § 4, Anm. 16, S. 197 und 199 mit umfangreicher Wiedergabe der Rechtsprechung und des Schrifttums; in denneueren Urteilen des BFH gewinnt die Beurteilung nach der dynamischen Bilanzauffassung, allerdings nicht ohne Fehler, Raum: vgl. Urt. d. BFH v. 22. 5. 58- IV 222/56 U - in BStBl. 1958 III, S. 333; Urt. d. BFH v. 21. 4. 59 - I 129/58 - in StRK, EStG § 5, R. 190; Urt. d. BFH v. 24. 1. 60- IV 108/58 U- in BStBl. 1960 III, S. 137; Urt. d. BFH v. 7. 11. 63- IV 396/60 S- in BStBl. 1964 III, S. 123; a. A. Zitzlaff in Die Steuer, 1948, S. 239; Gnam in StW 1956, S. 257, der jedoch die "Steuerbilanz" als dynamische Bilanz ansieht; Hoffmann in FR 1949, S. 274; Anderson, aaO., S. 46/48, und Huth in ZfbF 1966, S. 582/587, laufen offene Türen ein, wenn sie den Einfluß der dynamischen Bilanzauffassung neben den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung oder durch sie auf die Steuerbilanz kritisieren, um den BFH daran zu hindern, die GoB im fiskalischen Interesse zu manipulieren. Die dynamischen Grundsätze bilden innerhalb der GoB das einzige überschaubare Gefüge, auf das die Rechtsprechung des BFH festgelegt werden kann. A. A. neuerdings Saage in NBW 1967, S. 8, der von zweierlei Gewinn und einer Handelsbilanz außerhalb der dynamischen Bilanz spricht und in Wahrheit nur den Unterschied zwischen Erfolgsbilanz und Vermögensaufstellungmeinen kann. A. A. auch Feuerbaum, aaO., S. 66. Gl. A. aber Pütz, aaO., S. 25. 18 Das macht verständlich, wieso es überhaupt zur Herausbildung der Lehre vom Wirtschaftsgut und von der Prädominanz des Wirtschaftsgutbegriffs kommenkonnte. 19 Das mag dem Terminus "Vermögensübersicht" in § 4 Abs. 2 EStG entnommen werden.
32
2. Kapitel: Die bilanztheoretische Konzeption des Steuerrechts
dem Gesetzgeber doch die Absicht20 fern, statische Bilanzvorstellungen zum verbindlichen Gewinnermittlungsprinzip zu erheben21 • Vielmehr hat der Gesetzgeber das bei der Gewinnermittlung zu vergleichende Betriebsvermögen in § 5 EStG als einen Ausweis dargestellt, der nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung erfolgt. Dieses Merkmal ist ein unbestimmter Gesetzesbegriff. Da dieser unbestimmte Gesetzesbegriff Bezug nimmt auf die Übungen ordentlicher Kaufleute22, also auf eine in der Wirklichkeit vorzufindende Tatsache, ist er zu den Rechtsnormen mit faktischer Geltung zu zählen23• Das bedeutet nun nicht, die überwiegende kaufmännische Übung sei bereits Rechtssatz. Rechtsnormen mit faktischer Geltung setzen wie das Gewohnheitsrecht voraus, daß sie nach offenkundiger Rechtsüberzeugung als geltend anerkannt werden müssen. Dabei kann nur die fundierte Rechtsüberzeugung maßgebend sein, die sich im Zusammenwirken der aufzeichnungspflichtigen Unternehmen, ihrer Berater, der Wissenschaft und des Gesetzgebers herausbildet24• Die Rechtsprechung hat im Widerstreit von Meinungen das Übergewicht zu ermitteln. Im Rahmen dieser Ermittlung haben die Rechtsnormen mit faktischer Geltung den Vorteil, daß bei der Nachprüfung des Beurteilungsspielraums durch die Finanzgerichte die Rechtsfindung nicht durch einen Irrtum in der Wahl der Auslegungsmethoden 20 Was Spitaler in StbJb 1949, S. 286/288, unter genetischer Auslegung, soweit die Entstehungsgeschichte im Gesetz erkennbar ist, versteht, ist eine spezifisch grammatische Erwägung unter Beachtung genetischer Merkmale. Soweit Spitaler auf S. 298 von einer darüber hinausgehenden speziellen genetischen Auslegungsmethode spricht, die er an vorletzter Stelle seiner Regelskala einordnet, handelt es sich tatsächlich um die subjektiv-historische Methode, die als Auslegungsmethode abgelehnt werden muß. Vgl. dazu Meier-Hayoz, aaO., S. 128, und Urt. d. BVerfG v. 21. 5. 1952 - 2 BvH 2/52 - in Bd. 1, S. 312, sowie Beschluß d. BVerfG v. 17. 5. 60-2 BvL 11/59, 11/60- in Bd. 11, S. 129 ff.; vgl. weiterhin Tipke in FR 1961, S. 169; der subjektiv-historischen Methode ist insbesondere im Hinblick auf die Praxis des Bundesfinanzministers, seine unveröffentlichten Vorstellungen über die Auslegung einzelner Steuergesetze den Finanzgerichten zu oktroyieren, entgegenzutreten. Tipke in FR 1961, S. 170, sagt dazu: "Bringt die Fassung eines Steuergesetzes nicht hinreichend zum Ausdruck, was bestimmt werden sollte, so mag man die Vorschrift ändern, das Risiko unklarer Fassungen darf nicht einseitig den Steuerpflichtigen angelastet werden." So auch Hessdörfer, aaO., S. 35, 41. Zur Bedeutung der genetischen Erwägungen vgl. auch Friedrich Klein in Die Auslegung der Steuergesetze in Wissenschaft und Praxis, S. 148/149; Paulick in Die Auslegung der Steuergesetze in Wissenschaft und Praxis, S. 173; Tipke-Kruse, § 122 FGO, A. 2. 11 Vgl. Tomfohrde, aaO., S. 43; der später entstandene§ 6 a EStG spricht in Abs. 3 von "Steuerbilanz". 22 Vgl. Richtlinien zur Organisation der Buchführung v. 11. 11. 1937 in Min.Bl. für Wirtschaft, 1937, S. 239. n Vgl. Schreiber, aaO., S. 160. u Vgl. Spitaler in StW 1959, Sp. 640; van der Velde in StbJb 1954/55, S. 55; Schulze zur Wiesch, aao., s. 38/39; Anderson, aaO., s. 10 ff., insbesondere S. 26/28; trotz teilweise abweichender Ansicht im wesentlichen auch Leffson, aaO., S. 27, 35, 38/39; Bense, aaO., S. 121 bis 133; Sehröder in StKRep 1967, 8.199/200.
II. Der dynamische Charakter der steuerlichen Gewinnermittlung
33
beeinträchtigt wird, sondern sich die Wahrheit durch die Beobachtung der Wirklichkeit erkennen läßt25• Die in der kaufmännischen Praxis vorherrschende Auffassung von der Gewinnermittlung richtet sich unter Berücksichtigung des Vorsichtsprinzips und anderer Bilanzierungsprinzipien nach der dynamischen Periodenabgrenzung und baut auf dynamischen Begriffen auf. Es erübrigt sich daher ein Streit darüber, ob im Wege der grammatischen Auslegung die statische Bilanzauffassung aus § 4 EStG gerechtfertigt werden kann26 • In gleicher Wei.se ist der Lehre von der Prädominanz des Wirtschaftsgutbegriffs die Argumentation aus dem Wortlaut des Gesetzes entzogen27 • Ebensowenig kann ein Einwand gegen die Berechtigung der dynamischen Interpretation der Steuerbilanz aus den Vorschriften der §§ 38 bis 40 HGB geführt werden. Wie aufgrund allgemeiner und spezieller Auslegungserwägungen bereits herausgestellt wurde, treffen diese Vorschriften lediglich zum Zweck des Gläubigerschutzes Anordnungen über die Vermögensaufstellung und die gegenständliche Aufnahme der Vermögensgegenstände. Über die Gewinnermittlung und Erfolgsbilanz ist den §§ 38 bis 40 HGB nicht mehr zu entnehmen, als daß § 38 Abs. 1 HGB auf die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung verweist, soweit es darum geht, die Lage des Vermögens und damit auch die Vermögensmehrung im Sinne einer Erfolgsbilanz sichtbar zu machen. Unlängst erst hat der Gesetzgeber den in der Praxis bewährten modernen Bestandfortschreibungs-und -bewertungsverfahren unter Bezugnahme auf die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung Rechnung getragen28 • Dadurch bestätigt der Gesetzgeber, daß die handelsrechtliehen Vorschriften für Buchfüh25 Die empirischen Wahrnehmungen haben die Volksanschauung, die Meinung aller billig und gerecht Denkenden, die Ansichten und Übungen aller ordentlichen Kaufleute zu ermitteln. Vgl. dazu Tipke in FR 1959, S. 577: "Es ist bekanntlich immer gefährlich für den Richter, die Erfahrung, die er im eigenen Lebenskreis gemacht hat, einer allgemeinen Lebenserfahrung gleichzusetzen." So auch Urt. d. BFH v. 25. 6. 53 - Vz 150/52 S- in BStBl. 1953 III, S. 254; Kaiser, aaO., S. 31; Huthin ZfbF 1966, S. 583 und 587; ein gutes Beispiel dafür gibt Urt. d. BFH v. 12. 5. 1966IV 472/60- in Bd. 86, S. 119 ff.; Glade in StbJb 1966/67, S. 379; Urt. d. BFH v. 23. 9. 1966- VI 117/65- in Bd. 87, S. 73 ff. 28 Der Gesetzgeber muß in § 4 Abs. 1 EStG von einem dynamischer Auffassung entsprechenden begrifflichen Unterschied zwischen Wirtschaftsgut, Abgrenzungsposten und Rückstellungen ausgegangen sein; denn er spricht von Wirtschaftsgütern nur im Zusammenhang mit Einlagen und Entnahmen. Gleiches gilt gemäß § 6 KStG für das Körperschaftsteuerrecht 27 Eine solche Auslegung entlarvt sich überdies selbst als falsch, weil sie zu ständigen Konflikten mit der Wirklichkeit führt. Siehe dazu auch Germann, aaO., S. 88: "Auch sonst bilden die Rechtsfolgen für die sinngemäße Gesetzesauslegung oft einen zuverlässigeren Anhaltspunkt als die gesetzlichen Tatbestände, für die sie vorgesehen sind und die man früher meist für sich allein auszulegen versuchte, ohne die Rechtsfolgen überhaupt dazu heranzuziehen." 28 Vgl. die durch das Gesetz zur Änderung des HGB und der AO v. 2. 8.1965, BGBl. 1965 I, S. 665, eingefügten §§ 39 Abs. 4 und 40 Abs. 4 HGB.
3 Weber ,Wirlschaflagut
34
2. Kapitel: Die bilanztheoretische Konzeption des Steuerrechts
rung und Bilanz nur Mindestanforderungen mit beschränkter Zielsetzung darstellen. Das ergibt sich auch aus den in § 42 GmbHG und insbesondere in §§ 33-33 f GenG29 im Hinblick auf den Ansatz und die Bewertung in der Erfolgsbilanz vorgenommenen Präzisierungen. Nun enthält § 4 Abs. 1 EStG auch den Begriff "Wirtschaftsgut", der jedoch vom Gesetzgeber nicht definiert worden ist. Falsch wäre es, unter dem Gesetzesbegriff "Wirtschaftsgut" das zu verstehen, was die Rechtsprechung im Laufe der Herausbildung der Lehre vom Wirtschaftsgut alles unter diesen Terminus begrifflich gefaßt hat, um im einzelnen über den Bilanzansatz zu entscheiden. So würde das höchstrichterliche Fallrecht zur Absicht des Gesetzgebers erhoben30• Vielmehr kann auch der Gesetzesbegriff "Wirtschaftsgut" nur von einer einheitlichen theoretischen Grundlage her ausgelegt werden. Welche von den Bilanzposten der Aktivseite den einheitlichen Begriff bilden, der den Terminus "Wirtschaftsgut" verdient, das ergibt sich ebenso aus den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung wie die Antwort auf die Frage, was überhaupt einen Bilanzansatz erfährt31• Demnach muß auch darüber, wie die Bilanzposten begrifflich zu gruppieren und welche Aktivposten als Wirtschaftsgüter zu betrachten sind, im Sinne der periodengerechten Gewinnermittlung entschieden werden. Ein solches Vorgehen stimmt auch mit den Vorstellungen des Gesetzgebers überein32, der sich des Wirtschaftsgutbegriffes ertragsteuerrechtlich nur bei der Bewertung in § 6 EStG und im Hinblick auf Entnahmen und Einlagen in § 4 Abs. 1 EStG bedient. Die Tatsache, daß die nach der dynamischen Bilanzauffassung vom Wirtschaftsgutbegriff zu trennenden Rechnungsabgrenzungsposten und Rückstellungen nicht Entnahmen oder Einlagen darstellen können und nicht der Bewertung im Sinne des§ 6 EStG unterliegen, rechtfertigt den Schluß, daß der Gesetzgeber den Wirtschaftsgutbegriff eng und eigenständig neben den dynamischen Abgrenzungsbegriffen verstanden hat und die Lehre vom Wirtschaftsgut, soweit die Rechtsprechung die Prädominanz des Wirtschaftsgutbegriffs vertritt, eine gesetzesfremde Interpretation darstellt. 29 Die §§ 33a-h GenG wurden durch die VO über die Bilanzierung von Genossenschaften vom 30. 5. 33, Reichsgesetzbl. 1933 I, S. 317, eingefügt. 30 Vgl. Bühler in BankA 1930, S. 378; Werninger, aaO., S. 296. 31 Becker, aaO., S. 65, weist darauf hin, wie sehr die Bildung des Begriffs "Wirtschaftsgut" aus der Notwendigkeit wirtschaftlicher Betrachtungsweise heraus ein Fortschritt gegenüber der rechtspositivistischen bürgerlich-rechtlichen Betrachtungsweise darstellte. So muß der Begriff, seinem Entstehungsgrund treu bleibend, sich auf die Orientierung an den wirtschaftlichen Gegebenheiten beschränken. 32 Vgl. Martin, aaO., S. 40; Begründung zum EStG v. 16. 10.34 in RStBl. 1935, S. 37; Greifjenhagen in Wpg 1964, S. 653; Thiel in FR 1964, S. 420; Littmann in BB 1964, S. 651 ff.; Minz in Wpg 1965, S. 149; Döllerer in BB 1965, S. 329; Hermann-Heuer, aaO., 11. Aufl., § 4, Anm. 16, S. 190.
III. Die Lehre vom Wirtschaftsgut
35
Wenn Zweifel gehegt werden, ob§ 4 EStG auf dynamischer Grundlage entstanden ist33 , so nähren sich diese Zweifel aus dem Gesetzeswortlaut, demzufolge der Gewinn durch Vermögensvergleich ermittelt wird. Doch in Wahrheit ist der Einfluß statischer Bilanzvorstellungen ausgeschlossen, da Vergleichsobjekt das nach dem Prinzip der periodengerechten Gewinnermittlung festgestellte Betriebsvermögen ist und zudem die doppelte Buchführung den Gewinn unabhängig vom Vermögensvergleich durch Gegenüberstellung von Aufwand und Ertrag aus der Gewinn- und Verlustrechnung ermittelt. Der sich so ergebende Gewinn ist nur dann richtig, wenn Aufwand und Ertrag zuvor im Sinne der dynamischen Bilanzauffassung periodengerecht abgegrenzt worden sind. Der periodengerechten Verteilung von Anschaffungsaufwand dient ausdrücklich § 7 EStG und zeigt damit ebenfalls die dynamische Intention des Gesetzgebers an.
m.
Die Lehre vom Wirtscllaftsgut
Die Bilanz setzt sich aus vielen, nach ihrer Entstehung oder Aufgabe voneinander verschiedenen, aktiven und passiven Bilanzposten zusammen, die bewertbare, selbständige Einheiten darstellen. Nach dynamischer Auffassung bestimmt sich der Wert der Bilanzposten nach den bei ihrer Entstehung gemachten Ausgaben. Jeder Bilanzposten bildet einen seiner Eigenart gemäßen Begriff, der seine betriebswirtschaftliche oder rechtliche Terminierung erfahren hat, wie § 151 AktG zeigt. Aus betriebswirtschaftlicher und kaufmännischer Sicht reichen diese Begriffe vollkommen aus; denn es lassen sich mit ihnen Buchführung und Bilanz bewältigen. Wenn alle aktiven Bilanzposten Wirtschaftsgüter sein sollen und alle passiven Bilanzposten negative Wirtschaftsgüter34, so meinen die Termini "Bilanzposten" und "Wirtschaftsgut" begrifflich dasselbe, und der jüngere Terminus "Wirtschaftsgut" scheint überflüssig zu sein. Folglich muß mit Mißtrauen untersucht werden, wie die Rechtsprechung dazu 33 Vgl. Hermann-Heuer, aaO., 11. Aufl., § 4, Anm. 16, S. 191; Dornemann in ZfhF 1954, S. 377. 34 Vgl. Urt. d. OFH v. 28. 2. 48- I 10/47- in StW 1948, Nr. 5; Urt. d. BFH v. 22. 6. 49- I 174/43 S- in StRK, EStG § 4, R. 6; Urt. d. BFH v. 28.1. 54- IV 255/53 U- in BStBl. 1954 III, S. 110; Urt. d. BFH v. 14. 7. 55- I 154/54 Uin BStBl. 1955 III, S. 222; Urt. d. BFH v. 25. 8. 55 -IV 510/53 U- in BStBl. 1955 Ill, S. 307; Urt. d. BFH v. 13. 3. 56- I 209/55 U- in BStBl. 1956 III, S. 150; Urt. d. BFH v. 15. 4. 58- I 27/57 U- in BStBl. 1958 III, S. 261; Urt. d. BFH v. 13. 5. 58 - I 290/56 U - in BStBl. 1958 III, S. 331; Urt. d. BFH v. 25. 9. 56 I 103/55 U- in BStBl. 1956 III, S. 349/51; Urt. d. BFH v. 13. 8. 57 - I 46/57 Uin BStBl. 1957 III, S. 350; Grieger in BB 1957, S. 919 und DStZ. A, 1957, S. 318; Waldner in BB 1958, S. 1055; Flume in DB 1958, S. 1050; Littmann, aaO., §§ 4, 5, Anm. 336, S. 318, und Anm. 340, S. 320; Everding in StW 1959, Sp. 172; Spitaler in StW 1959, Sp. 642, und FR 1961, S. 158; Flume in DB 1961, S. 211; Vogel in StKongrRep. 1963, S. 117; Littmann in DStR 1963, S. 676 und 1964, S. 60; Hermann-Heuer, aaO., 11. Aufl., § 4, Anm. 16, S. 197; Mutzein StBp 1962, S. 41.
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2. Kapitel: Die bilanztheoretische Konzeption des Steuerrechts
kam, noch vor Aufnahme in das Gesetz den Begriff "Wirtschaftsgut" einzuführen, in welchem Umfang sie den Begriff heute verwendet, ob eine Verwendung in diesem Umfang überhaupt gesetzmäßig ist oder ob nicht vielmehr das Einkommensteuergesetz eine beschränkte Verwendung gebietet. Darüber hinaus muß geprüft werden, ob der Terminus "Wirtschaftsgut" aussagefähig und damit praktisch nützlich und seine Beibehaltung methodologisch35 gerechtfertigt ist. 1. Der statische Charakter des Begriffes "Wirtschaftsgut"
Die Gegenständlichkeit der statischen Vermögensaufstellung verursachte terminologische Schwierigkeiten bei den Bilanzposten. Nicht nur Sachen und Rechte, sondern auch abgeleitete ideelle Werte und Verrechnungswerte bilden nach Auffassung des Reichsfinanzhofs insofern einen einheitlichen Begriff, als es sich um Güter eines Betriebes handelt, von denen zumindest in den nächstfolgenden Perioden ein Nutzen zu erwarten ist. Um sich von den differenzierten und die wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht treffenden bürgerlich-rechtlichen Begriffen zu lösen, schuf der Reichsfinanzhof aus wirtschaftlicher Betrachtungsweise heraus den Begriff "Wirtschaftsgut"36 • Dieser Schöpfung kam das Verdienst zu, die größte Gruppe aktiver Bilanzposten verständlich zu bezeichnen. Sie barg aber gleichzeitig den großen Nachteil in sich, zur Begriffsjurisprudenz zu verleiten, indem alle Aktiva und alles, was aktiviert werden soll, nach der Devise gerechtfertigt werden: "Warum ist dieses Gemüse so sauer? Weil es Sauerkraut heißt! 37 " In ihrer Vorstellung blieben die Väter des Wirtschaftsgutbegriffs der statischen Vermögensaufstellung verhaftet. Statt der Ausgaben zum Nominalwert, die zu verteilender Aufwand auch künftiger Perioden sind, sahen sie die Anschaffung oder Herstellung eines Gutes38, das bestimmt 35 Juristisch-methodische Erwägungen haben die Auslegung freizuhalten von jedem formallogischen Vorgehen, sei es scholastisch, dogmatisch, Begriffsjurisprudenz, Rechtslogismus etc. 36 Vgl. Urt. d. RFH v. 18. 5. 27- VIA 189/27- in Bd. 21, S. 196; Urt. d. RFH v. 27. 3. 28- I A 470/27- in RStBl. 1928, S. 261; Urt. d. RFH v. 9. 4. 30- VIA 434/29- in StW 1930, Nr. 759; Urt. d. RFH v. 21.10. 31- VIA 2002/29- in Bd. 30, S. 146; Urt. d. RFH v. 25. 4. 33- VIA 666/32- in Bd. 33, S. 98; Becker, aaO., S. 276, 65; Begründung zum EStG v. 16. 10. 34 in RStBl. 1935, S. 37; Helpenstein, aaO., S. 231; Paulick in Die Auslegung der Steuergesetze in Wissenschaft und Praxis, S. 209; Noack, aaO., S. 4/9. 37 Vgl. Brauer, aaO., S. 59: Hier handelt es sich um den methodischen Fehler der Inversion. Vgl. auch Neumann, aaO., S. 144. 38 Ausführlich dargestellt im Urt. d. BFH v. 15. 4. 58 I 27/57 U - in BStBl. 1958 111, S. 260; vgl. auch Urt. d. RFH v. 21. 10. 31 - VI A 2002/29 - in RStBl. 1932, S. 305; Urt. d. RFH v. 28. 11.39- I 394/39- in RStBl. 1940, S. 31.
III. Die Lehre vom Wirtschaftsgut
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ist, dem Betrieb zu dienen, und sich in diesem Dienste abnutzt39 . Statisch blieb demgemäß auch die Vorstellung von einer Gewinnermittlung, zu deren Zweck die Bestände an Wirtschaftsgütern verglichen werden sollen40. Statischer Betrachtungsweise entspricht schließlich auch die Bewertung der Wirtschaftsgüter nach dem Teilwert41 , auf dessen Problematik im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen werden soll. 2. Die dynamische Interpretation des Begriffs
In dem Maße, in dem die dynamisch-pagatarische Bilanztheorie von der Betriebswirtschaftslehre anerkannt und ihre Forderungen von der steuerrechtlichen Praxis beachtet wurden42, wuchs in der Rechtsprechung die Bereitschaft43, ihre Entscheidungen unter Hinweis auf die Grundsätze der periodengerechten Gewinnermittlung zu begründen. Die Berufung auf die dynamische Bilanzauffassung wäre der Rechtsprechung konsequenterweise nur möglich gewesen, indem sie die Lehre von der Prädominanz44 des Wirtschaftsgutbegriffs aufgab. Denn die dynamische Bilanzauffassung hatte Rechnungsabgrenzungsposten und Rückstellungen als Begriffe eigener Art erkannt, die niemals als Wirtschaftsgüter in einer Einheit mit den übrigen Bilanzposten aufgehen können. Statt dessen führen die Entscheidungen des Bundesfinanzhofes heute ständig die "dynamische Bilanzauffassung" in der Feder, ohne aber von der Ausdehnung des Wirtschaftsgutbegriffs auf alle, sogar die passiven Bilanzposten, abzugehen 45. 39 Urt. d. RFH v. 25. 3. 42- VI 358/41- in RStBl. 1942, S. 434; Urt. d. OFH v. 28. 2. 48- I 10/47- in StW 1948, Nr. 5; vgl. auch Tomfohrde, aaO., S. 120, 225, insbesondere S. 228. 40 So noch wörtlich § 4 Abs. 1 EStG, wenn die Ermittlung des Betriebsvermögens statisch gesehen wird. 41 Vgl. Urt. d. BFH v. 28. 1. 54 IV 255/53 U - in BStBl. 1954 III, S. 109; Urt. d. BFH v. 13. 8. 57- I 46/57 U - in BStBl. 1957 III, S. 350; Urt. d. BFH v. 9. 10. 62 - I 167/62 U - in BStBl. 1963 III, S. 7; vgl. auch Werni nger, aaO., s. 297. 42 Vgl. Gnam, aaO., S. 25; Muscheid, aaO., S. 16; Götzen, aaO., S. 25 ; Neumann, aaO., S. 75. 43 Vgl. Gast in Von der Auslegung und Anwendung der Steuergesetze, S. 119: "Nach § 1 Abs. 2 StAnpG sind sowohl Finanzrichter als auch Verwaltungsbeamte gehalten, bei der Interpretation und Anwendung steuerrechtlicher Normen die Änderung der tatsächlichen Lebensbedingungen - verursacht durch technischen Fortschritt sowie durch wissenschaftliche, soziologische, kulturelle, weltanschauliche oder politische Erkenntnisse und Strömungen - zu beachten, ... (um) Gesetz und Leben im Einklang zu halten." Vgl. w eiterhin Gast, aaO., S. 38 ff., insbes. S. 50/51; zu den Grenzen der Auslegung nach der Entwicklung der Verhältnisse vgl. Hartz in Die Auslegung der Steuergesetze in Wissenschaft und Praxis, S . 96/97. 44 Vgl. Anm. 34 aufS. 35 und die dort aufgeführte Rechtsprechung. 4 ~ So Urt. d. BFH v. 26. 2. 57- I 196/56 U- in BStBl. 1957 III, S. 161; Urt. d. BFH v . 19. 12. 57- IV A 432/56 U- in BStBl. 1958 III, S. 163; Urt. d. BFH v . 22. 5. 58- IV 222/56 U- in BStBl. 1958 III, S. 333; Urt. d. BFH v. 25. 10. 63IV 433/62 S - in BStBl. 1964 III, S. 138. Diese Urteile sollten nicht schon als Abkehr von der Prädominanzlehre angesehen werden, da sie sich nicht ausdrücklich gegen den Wirtschaftsgutcharakter der Abgrenzungsposten wenden.
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2. Kapitel: Die bilanztheoretische Konzeption des Steuerrechts
Eine theoretisch klare Ausgestaltung des Begriffs wird zusätzlich dadurch erschwert, daß der nach dynamischen Gesichtspunkten akzeptable Wirtschaftsgutbegriff im engeren Sinne, also getrennt von Abgrenzungsposten und Rückstellungen, seinem Charakter nach sowohl statische als auch dynamische Elemente hat: Wenn das Wirtschaftsgut46 einmal statisch, einmal dynamisch oder auch verknüpft definiert wird als Aufwand, der noch erkennbar einer kommenden Periode Nutzen bringt47, als die durch klar abgrenzbare Ausgaben erworbenen Gegenstände48 , Rechte und sonstigen wirtschaftlichen Werte, die im Falle der Betriebsveräußerung gesondert greifbar und zu entgelten sind und sich nach ihrer Anschaffung auf den Ertrag der Folgezeit auswirken49 , als Eigentum oder sonstiges Recht an einem Gegenstand50, als Bilanzansatz, der ein Wirtschaftsgut darstellt und für den die Bewertungsbestimmungen des Einkommeusteuergesetzes Beachtung gefunden haben5 1, als gemeinhin alle Aufwendungen, die selbständig bewertbar sind52, so treffen diese Merkmale auch auf den Wirtschaftsgutbegriff im engeren Sinn zu53 • Erst die Ausdehnung des Wirtschaftsgutbegriffs auf die Abgrenzungsposten54 und Rückstellungen und sogar auf schlechthin alle Posten, die nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung der Bilanzierung fähig sind, geht zu weit55 • Sicher muß de lege lata am Terminus "Wirtschaftsgut" festgehalten werden, da er in §§ 4 bis 6 EStG gesetzestechnischer Ausdruck ist. Er kann aber im Einklang mit den §§ 4 bis 6 EStG und der Auslegungslehre50 nur Vgl. Tipke-Kruse, aaO., § 11 StAnpG, Anm. 3. Vgl. Vangerow in StW 1954, Sp. 298; Schlüter in Wpg 1951, S. 437. 48 So Urt. d. RFH v. 21. 9. 27- VIA 383- in StW 1927, Nr. 565. 49 Vgl. Urt. d. BFH v. 28. 1. 54 IV 255/53 U - in BStBl. 54 III, S. 110; Urt. d. BFH v. 13. 8. 57 - I 46/57 U - in BStBl. 1957 III, S. 351; Urt. d. BFH v. 15. 4. 58- I 27/57 U- in BStBl. 1958 III, S. 261; Urt. d. BFH v. 4. 8. 59- I 69/ 58 U- in BStBl. 1959 III, S. 422; Urt. d. BFH v. 22. 7. 1964 - I 188/62 U in Bd. 80, S. 256; Urt. d. BFH v. 29. 4. 1965- IV 403/62 U- in BStBl. 1965 III, S. 415; Littmann in DStR 1963, S. 677. 50 Vgl. Mirre in StW 1942, Sp. 545 ff.; ähnlich i. S. von wirtschaftlichem Eigentum: Becker, aaO., 1940, S. 65. 51 Vgl. Urt. d. OFH v. 28. 2. 48- I 10/47- in StW 1948, Nr. 5. 52 Vgl. Urt. d. BFH v. 15. 4. 58- I 27/57 U- in BStBl. 1958 III, S. 261; Urt. d. BFH v. 13. 5. 58 - I 290/56 U - in BStBl. 1958 III, S. 331; Gutachten d. BFH v. 26. 1. 60- I D 1/58 S- in BStBI. 1960 III, S. 191. 53 Einer statisch-dynamischen Synthese, wie bei Littmann in DStR 1963, S. 678, oder einer dynamischen Synchronisation, wie bei Neumann, aaO., S. 154, bedarf es dazu nicht. Vgl. auch Schlüter in Wpg 1951, S. 437. 54 Vgl. Everding in StW 1959, Sp. 173 ff. 55 So weitgehend Hermann-Heuer, aaO., 11. Aufl., § 4, Anm. 16, S. 197; Waldner in BB 1958, S. 1055. 56 Vgl. Tomfohrde, aaO., S. 52:§ 4 Abs. 1 EStG spricht nicht für ein statisches Gewinnermittlungsverfahren. Wenn§ 4 Abs. 1 EStG von Vermögensvergleich spricht, so hat damit nicht die statische Bilanzauffassung, sondern der Grundsatz der Bilanzidentität i. S. einer langfristigen Betrachtungsweise Aufnahme gefunden. Vgl. auch Dornemann in ZfhwF 1954, S. 375; Urt. d. RFH v. 23. 10. 46
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III. Die Lehre vom Wirtschaftsgut
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auf den einen, identischen Begriff angewendet werden, den er seinem gegenständlichen Charakter nach zu bezeichnen vermag, und muß der funktionalen Situation der also bezeichneten Güter in der Bilanz entsprechend dynamisch interpretiert werden57• Demnach gibt es Wirtschaftsgüter des Anlage- und Umlaufvermögens. Sie sind statisch greifbar, in ihrem Entstehungsaufwand abgrenzbar, in der Gesamtheit der Betriebswerte erkennbar und bewertbar, bei Zerschlagung der Gesamtheit selbständig zu entgelten, insoweit von den Vermögensgegenständen in der Vermögensaufstellung nicht verschieden, aufgrundihres statischen Habitus' mit "Wirtschaftsgut" verständlich bezeichnet, doch aufgrund ihrer dynamischen Funktion begrifflich etwas anderes als in ihrer Erscheinungsform als bloße Vermögensgegenstände und daher auch notwendigerweise "Wirtschaftsgüter" und nicht "Vermögensgegenstände" genannt. Das Dynamische ihrer Funktion liegt in ihrer ausstrahlenden Wirkung auf künftige Rechnungsperioden, sei es, daß sie von gleichbleibendem oder von sich veränderndem oder verbrauchendem Wert für den Zweck des Betriebes sind. In dieser Aufgabe unterscheiden sich die Wirtschaftsgüter, statisch wie dynamisch, begrifflich von den Abgrenzungspostenss. Die gegebene Definition macht auch deutlich, daß der Terminus "negatives oder passives Wirtschaftsgut" 59 nicht mehr aussagefähig sein kann 29- VIA 1622/29- in RStBl. 1930, S. 344; a. A. Waldner in BB 1958, S. 1052/ 1053, der sonderbarerweise im Hinblick auf die Aktivierung in der Erfolgsbilanz einen Unterschied zwischen betriebswirtschaftliehen Postulaten (periodengerechte Gewinnermittlung und Realisationsprinzip) und den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung sieht. Vgl. auch Everding in StW 1959, Sp. 175 ff. 57 So im Ergebnis Urt. d. BFH v. 28. 1. 54 - IV 255/53 U- in BStBl. 1954 III, S. 109; Urt. d. BFH v. 13. 3. 56- I 209/55 U- in BStBl. 1956 III, S. 149; ähnlich auch Hermann-Heuer, aaO., § 4 EStG, Anm. 16; Helpenstein, aaO., S . 238; i. S. einer Synthese auch Littmann in DStR 1962/63, S. 678; Neumann, aaO., S. 150/ 151; ähnlich auch Dornemann in ZfB 1957, S. 102; weiterhin i. S. einer Reduzierung auf den statischen Gehalt durch dynamische Interpretation: Walb, aaO., S. 110 ff.; Aufermann, aaO., S. IV; Kosiol in StW 1949, Sp. 141/142; Schlüter in Wpg 1951, S. 437; Neumann, aaO., S. 154. 58 Im Ergebnis so Urt. d. BFH v. 26. 2. 57 I 196/56 U - in BStBl. 1957 III, S. 161, und vor allem Urt. d. BFH v. 22. 5. 58- IV 222/56 U- in BStBl. 1958 III, S. 335; vgl. auch Urt. d. BFH v. 25. 10. 63- IV 433/62 S - in BStBl. 1964 III, S. 138; Urt. d. BFH v. 31. 5. 67- I 208/63- in Bd. 89, S. 191; Gnam, aaO., S. 43 und 33: "Es kommt (bei den Rechnungsabgrenzungsposten, Anm. d. Verf.) nicht auf den Wert eines Wirtschaftsgutes an, es kommt nicht einmal darauf an, ob dem Betrieb überhaupt ein Wirtschaftsgut zugeflossen ist, es erübrigt sich, mit Hilfe einer Gedankenakrobatik ein sog. immaterielles Wirtschaftsgut zu kreieren. Nicht das Wirtschaftsgut, sondern der Geldeinsatz steht im Zentrum der Erfolgsermittlung." 59 Vgl. insbesondere Neumann in ZfB 1964, S. 192; weiterhin Urt. d. RFH v. 28. 11. 39- I 232/39- in RStBl. 1940, S. 537; Urt. d. OFH v. 28. 2. 48- I 10/47in StW 1948, Nr. 5; Urt. d. BFH v. 28. 1. 54- IV 255/53 U- in BStBl. 1954 III, S. 110; Urt. d. BFH v. 25. 9. 56- I 122/56 U- in BStBl. 1956 III, S. 334.
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2. Kapitel: Die bilanztheoretische Konzeption des Steuerrechts
und korrespondierenderweise den auf der Passivseite vorhandenen Begriffen nicht angemessen ist60• Der Terminus "negatives Wirtschaftsgut" ist fehl am Platz, und die Rückstellungen verstehen sich begrifflich am wenigsten als negative Wirtschaftsgüter. 3. Kasuistik, Inversion und Begriffsvertauschung
In der abendländischen Philosophie und im Rechtsdenken ist die Entwicklung anhaltend durch Mißverständnisse beeinträchtigt worden, die von der Verwechslung der Bildung und Benennung von Begriffen herrühren. Dabei warnte Sokrates bereits den Trasymachos: "Aber vor allen Dingen sollst Du an dem Begriff festhalten, so wie Du ihn erklärt hast. Oder wenn Du ihn abänderst, so tu es offen und hintergeh uns nicht61 ." Durch die Lehre vom Wirtschaftsgut ist gegen diesen Grundsatz verstoßen worden: Mit dem Ziel der Aufwandaktivierung wurde von der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofes den bürgerlich-rechtlichen Begriffen "Sachen" und "Rechte" und den immateriellen Vermögenswerten der Wirtschaftsgutbegriff übergeordnet. Fortan wurden die Wirtschaftsgüter als aktive Bilanzposten und alle aktiven Bilanzposten als Wirtschaftsgüter verstanden. Die Praxis zwang dazu, den Begriff "Wirtschaftsgut" näher zu umreißen. Da er als Zweckschöpfung nicht über klare natürliche Grenzen verfügte, erfuhr der Begriff in zunehmendem Maße kasuistische Ausdehnungen und Einschränkungen. Einen guten Eindruck von der Unklarheit des Begriffes vermittelt das Urteil des Reichsfinanzhofes vom 27. 3. 192862 : " ... besteht für einen kaufmännische Bücher führenden Gewerbetreibenden wegen derjenigen Wirtschaftsgüter, die er gegen eine Aufwendung, regelmäßig also gegen eine Geldleistung, erworben hat, steuerrechtlich eine Aktivierungspflicht dann, wenn sie nach allgemeiner Verkehrsanschauung an und für sich einer besonderen Bewertung zugänglich sind und nach eben dieser Verkehrsanschauung einen wesentlichen und über die Dauer des einzelnen Steuerabschnitts wesentlich hinausreichenden Wert für das gewerbliche Unternehmen besitzen. Darunter können geeignetenfalls auch solche Erwerbungen fallen, die weder körperliche Sachen sind noch Rechte im bürgerlichen Sinne begründen; freilich stellt noch keineswegs jedweder gegen Entgelt erlangte wirtschaftliche Vorteil ein solches steuerrechtlich aktivierungspflichtiges Wirtschaftsgut dar." 80 Vgl. Everding in StW 1959, Sp. 178; Kosiol in StW 1949, Sp. 153; Littmann in DStR 1964, S. 60; Neumann, aaO., S. 132; Tomfohrde, aaO., S. 123; Martin, aaO., S. 45 und 47; instruktiv weiterhin van der Velde in Wpg 1952, S. 330. 81 Platon, Der Staat, S. 23; vgl. auch Aristoteles, Top. II 2, p. llOa, 16 ff., zit. aaO., S. 26; vgl. dazu auch Heck, aaO., S. 166 ff.; Reichet, aaO., S. 65; Schreiber, aaO., S.173 und 177; Spitaler in StbJb 1949, S. 278. 82 Urt. d. RFH v. 27. 3. 28- I A 470/27- in RStBl. 1928, S. 261; vgl. auch Urt. d. BFH v. 13. 3. 56- I 209/55 U- in BStBl. 1956 III, S. 149.
III. Die Lehre vom Wirtschaftsgut
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Obwohl zunächst noch nahezu alle Erklärungsversuche einheitlich nach der statischen Bilanzauffassung erfolgten, wurde bereits der terminologische Fehler evident. Die Evidenz bestand darin, daß es nicht gelingen konnte, den Begriff so zu erklären, daß feste Grenzen sichtbar wurden, an denen fortdauernd mit Sicherheit festgehalten werden konnte. Daraus erwuchs der Verdacht, daß mehrere wirklich vorhandene Begriffe nur durch einen Terminus verbunden worden waren. Wenn mit dem "Wirtschaftsgutbegriff" trotzdem gearbeitet wurde, so stellt dieses Verfahren den methodischen Fehler der Inversion (Umkehrung) dar63 : Die Rechtsfolge wurde an einen Terminus geknüpft, dessen heterogener begrifflicher Inhalt kasuistisch64 ausgefüllt und daher alles begründend verwendet werden konnte. Statt dessen hätten die Aktivierungsvorschriften nur durch Aufdeckung der ratio legis und der Interessenlage erklärt werden können65• Wenn dieses Verfahren seinerzeit nahezu uneingeschränkt als Errungenschaft der wirtschaftlichen Betrachtungsweise gefeiert wurde, so ist das nur daraus zu verstehen, daß die damals noch keineswegs überwundene Begriffsjurisprudenz den methodischen Fehler der Inversion zur Methode machte. Der Einkommensteuergesetzgeber von 1934 hat nicht den Versuch gemacht, das Wirtschaftsgut zu definieren. Dadurch erscheinen die genannten Fehler als sanktioniert. Da der Gesetzgeber in den§§ 4 bis 6 EStG die Gewinnermittlung über das Merkmal der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung auf die in der kaufmännischen Praxis weitgehend verwirklichte dynamisch-pagatarische Bilanztheorie ausrichtete, wandte sich auch die Rechtsprechung von der anfangs nur statischen Interpretierung des Wirtschaftsgutbegriffs teilweise ab und der dynamischen Interpretierung zu. Als Folge gesellten sich zu den beibehaltenen alten Fehlern neue terminologische Fehler, die darin bestehen, daß erstens die von der dynamischen Bilanzauffassung als Vgl. Brauer, aaO., S. 58 ff.; vgl. auch Walb, aaO., S. 96. u Vgl. Urt. d. RFH v. 30. 6. 27- VIA 290/27- in Bd. 21, S. 346; Urt. d. RFH v. 28. 3. 28- I A 364/27- in RStBl. 1928, S. 209; Urt. d. RFH v. 20. 3. 30- VIA 147/30- in Bd. 27, S. 82; Yorck v. Wartenburg in FR 1962, S. 46; Neumann, aaO., S. 73; Wündisch in FR 1962, S. 459 ff.; Werninger, aaO., S. 296; für den Bereich des "negativen Wirtschaftsgutes" vgl. Urt. d. OFH v. 28. 2. 48- I 10/47 -in StW 1948, S. 5; Urt. d. BFH v. 26. 6. 51- I 54/51 S- in StW 1952, S. 32; Urt. d. BFH v. 15. 2. 55- I 54/54 U- in BStBl. 1955 III, S. 172; vgl. im übrigen für den Bereich schwebender Geschäfte Arensberg, aaO., S. 37/38. 65 Vgl. Heck, aaO., S. 73/74, S. 94-103; ders., Das Problem der Rechtsgewinnung, S. 17 ff.; Rümelin, aaO., S. 23 ff.; vgl. für das Verwaltungsrecht die Ausführungen über die teleologische Methode von Forsthoff, aaO., 7. Aufl., S. 146/147, unter Hinweis auf die Erkenntnisse Ernst v. Hippels in Untersuchungen zum Problem des fehlerhaften Staatsakts, Beitrag zur Methode einer teleologischen Rechtsauslegung, 2. Aufl., 1931; weiterhin Germann, aaO., S. 82 ff. Da es sich im Steuerrecht um ein öffentlich-rechtliches Subordinationsverhältnis handelt, ergibt sich aus der schutzwürdigen Interessenlage des Steuerpflichtigen: Steuerbelastungen müssen sich als vom Gesetzgeber gewollt klar und eindeutig aus dem Gesetz ergeben. 63
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2. Kapitel: Die bilanztheoretische Konzeption des Steuerrechts
selbständig und verschiedenartig erkannten Begriffe wie Rückstellungen und Rechnungsabgrenzungsposten mit einem Terminus bezeichnet werden, zweitens die Übertragung eines Terminus', der dem statischen Begriffsbereich entstammt, auf dynamische Begriffe terminologischen und semantischen Grundregeln widerspricht66 • Darüber hinaus ist dem methodischen Fehler der Begriffsvertauschung Tür und Tor geöffnet, wenn durch den einheitlichen Terminus "Wirtschaftsgut" die verschiedenen dynamischen Begriffe (auf der Aktivseite zum Beispiel Rechnungsabgrenzungsposten, Wirtschaftsgüter des Umlauf- und des Anlagevermögens; auf der Passivseite zum Beispiel passive Rechnungsabgrenzungsposten, Rückstellungen, Rücklagen und Verbindlichkeiten) gleichgesetzt werden. Die Unklarheit des Wirtschaftsgutbegriffs ist schließlich noch der Anlaß zu offenen und versteckten Zirkelschlüssen, die bei dem Versuch einer Erklärung gemacht werden, wie z. B.: Die Aktivierung richtet sich nach der Wirtschaftsguteigenschaft; Wirtschaftsgüter sind alle Aktivposten67, oder Wirtschaftsgut ist ein selbständig bewertbares Gut68 • Die terminologische und methodologische Untersuchung zeigt also, daß der von der Rechtsprechung teleologisch ausgedehnte Wirtschaftsgutbegriff auch juristisch unhaltbar ist und die Lehre von seiner Prädominanz eine der Natur der Sache69 zuwiderlaufende Entstellung verursacht7o.
88 Vgl. dazu Heck, aaO., S. 84; Schreiber, aaO., S. 174/175; Klug, aaO., S. 94/95. Im Ergebnis kommt auch Birkholz in DStZ 1967, S. 1039, zur Scheidung der Begriffe Rechnungsabgrenzungsposten und Wirtschaftsgut 87 Vgl. Everding in StW 1929, Sp. 173 ff.; Waldner in BB 1958, S. 1055; Hermann-Heuer, aaO., 12. Aufl., § 4, Anm. 16, S. 197. 68 Vgl. Urt. d. OFH v. 28. 2. 48- I 10/47- in StW 1948, Nr. 5; Urt. d. BFH v. 15. 4. 58- I 27/57- in BStBl. 1958 III, S. 261; Gutachten des BFH v. 26. 1. 60I D 1/58 S- in BStBl. 1960 III, S. 191. 89 Vgl. Ballweg, aaO., S. 67: "Natur der Sache ist die objektiv feststellbare, sachlogische Strukturiertheit der Wirklichkeit, deren seinsmäßiger Ordnungscharakter das Recht maßgebend konstituiert." 70 Vgl. Heck, aaO., S. 99: " ... sie verschleiert die Bedeutung, welche der Interessenwirkung in Wirklichkeit zukommt, und sie unterstützt die begriffsjuristische Normgewinnung, weil sie Belege für die Angemessenheit der Ergebnisse vortäuscht." Vgl. auch Neumann, aaO., S. 144; Flume in DB 1958, S. 1050 ff. und DB 1961, S. 211, muß entgegengehalten werden, daß methodische Fehler ein schlechter Garant der Gleichheit der Besteuerung und erst recht kein juristisches Bollwerk gegenüber der uneingeschränkten Geltung der dynamischen Bilanzauffassung darstellen. So auch Tomfohrde, aaO., S. 193; Pütz, aaO., S. 24, meint, auf den Begriff "Wirtschaftsgut" könne verzichtet werden. Die Bildung oberster Begriffe einer Begriffspyramide ist auch keineswegs rechtssystematisch bedingt; vgl. Larenz, aaO., S. 367. Die These von der Prädominanz verdeckt darüber hinaus die Transparenz (im Hinblick auf die dynamischen Grundbegriffe) des abstrakt-allgemeinen Begriffs "Wirtschaftsgut"; vgl. Larenz, aaO., S. 368/369, unter Bezugnahme auf die Hegel'sche Logik.
3. Kapitel: Die Erfolgsbilanz nach dem Aktienrecht von 1965
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3. Kapitel
Der Einfluß des Aktienrechts von 1965 auf die Erfolgsbilanz
Nach dem Aktienrecht werden die Bilanzposten u. a. begrifflich in Vermögensgegenstände, Rechnungsabgrenzungsposten und Rückstellungen unterteilt. Das ergibt sich insbesondere aus § 151 Abs. 1 Nr. III B 12, IV AktG. Die Vermögensgegenstände sind in die des Anlage- und die des Umlaufvermögens unterteilt. Das sind begriffliche Unterscheidungen, wie sie auch die dynamische Bilanzauffassung macht1. Also muß der aktienrechtlich als "Vermögensgegenstand" bezeichnete Begriff mit dem Wirtschaftsgut im Sinne der dynamischen Bilanzauffassung identisch sein2 • Keine Identität besteht dagegen zwischen dem vom Aktienrecht als "Vermögensgegenstand" bezeichneten Begriff und dem ausgedehnten Wirtschaftsgutbegriff, wie er von der höchsten Finanzrechtsprechung herausgebildet worden ist3 • Der nach der Lehre vom Wirtschaftsgut vorherrschende Begriff "Wirtschaftsgut" schließt nämlich die in Wahrheit selbständigen Begriffe "Rechnungsabgrenzungsposten" und, soweit es sich um negative Wirtschaftsgüter handelt, "Rückstellungen" mit ein, während nach dem Aktienrecht diese Begriffe neben den Vermögensgegenständen existieren. Leider hat das Aktienrecht auch in seiner neuen Fassung den dem statischen Begriffsbereich entstammenden Terminus "Vermögensgegenstand" beibehalten. Dieser Terminus ist dem statischen Zielen4 dienenden Abschnitt 4 des Handelsgesetzbuches angeglichen5, obwohl die Gliederungs- und Bewertungsvorschriften des Aktienrechts dem dynamischen Ziel der periodengerechten Gewinnermittlung und des entsprechenden Ausweises in der Bilanz dienen6 • Denn der Jahresabschluß der AktienSiehe Gnam in NB 1958, S. 122. Vgl. van der Velde in Gegenwartsfragen des Steuerrechts, S. 234. 3 A. A. Littmann in DStR 1966, S. 233 ff.; Thiel in ZfbF 1966, S. 548. 4 Auch das Aktienrecht ist weitgehend dieser Zielsetzung entsprungen, wie die Änderungen vom 18. Juli 1884, 10. Mai 1897 und 19. Sept. 1931 zeigen. 5 Eine Folge des gemeinsamen Ursprungs von Handels- und Aktienrecht, der im ADHGB von 1861 und seinen Vorläufern liegt. Es handelt sich hierbei um sogenannte aequivocationes. In diesem Fall kann eine gleichartige Auslegung nicht mit der Einheit der Rechtsordnung begründet werden. 6 Nach dynamischer Bilanzauffassung umfaßt der Wirtschaftsgutbegriff einen gegenständlichen Wert mit dynamischer Funktion, ebenso ist es im neuen Aktienrecht. Vgl. Saage in NB 1967, S. 6/7; der aktienrechtlichen Bilanz geht es unter vorsichtiger Bewertung und Anwendung des Realisationsprinzips um die Ermittlung des ausschüttbaren Gewinns. Vgl. Busse v. Colbe in ZfB 1966, S.90-93. 1
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3. Kapitel: Die Erfolgsbilanz nach dem Aktienrecht von 1965
gesellschaft folgt nach § 149 Abs. 1 AktG den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung. Zu diesen Grundsätzen gehört es, den Gewinn periodengerecht zu ermitteln und sich dabei dynamischer Begriffe zu bedienen. Unberührt von dem verfehlten Terminus "Gegenstand", gliedert sich auch die Bilanz der Aktiengesellschaft nach dynamischen Begriffen. Die Rechtsprechung entfernt sich dagegen mit der Lehre vom Wirtschaftsgut in einer uniformen Vergegenständlichung der Leistungsströme von den dynamischen Begriffen und den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung. Zu diesem Auseinanderstreben konnte es trotz des Grundsatzes der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz kommen. Das beweist deutlich, wie sehr dieser Grundsatz verwässert ist und in den grundlegenden Bilanzierungsfragen, insbesondere der begrifflichen Ordnung, auf die sich im tieferen Sinne aus§ 5 EStG ergebende Maßgeblichkeit der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung zurückgeführt werden muß7 • Die Tatsache, daß die bisherigen aktienrechtlichen Gliederungs- und Bewertungsvorschriften als Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung anerkannt waren8 , ergab sich aus ihrer weitgehenden begrifflichen und sachlichen Übereinstimmung mit der dynamischen Bilanzierungspraxis der Kaufmannschaft. Aus dieser Tatsache kann jedoch nicht eine generell die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung gestaltende Bedeutung des Aktienrechts hergeleitet werden9 • Denn die geänderten Aktienrechtsnormen verändern noch nicht die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung; sie haben allenfalls einen Einfluß auf die Entwicklung des Faktischen, an dem sich die Grundsätze als unbestimmter Gesetzesbegriff orientieren10• Lediglich für die Aktiengesellschaften stellen die geänderten Aktienrechtsvorschriften Grundsätze dar. Vgl. hierzu v . Wallis in NB 1967, Nr. 2, S. 21/22. Vgl. Urt. d. RFH v. 28. 7. 1936- I A 216/55- in BStBl. 1936, S. 989; Urt. d. RFH v. 14. 3. 1939- I 72/39- in RStBl. 1939, S. 746; Urt. d. BFH v. 1. 12. 1950IV 302/50 S- in BStBl. 1951 III, S. 10; Urt. d. BFH v. 27. 3. 1952- IV 356/51 Uin Bd. 56, S. 310; Urt. d. BFH v. 27.8.1953- IV 296/250 U- in Bd. 58, S. 170. 8 Vgl. Greiffenhagen, aaO., S. 159, 167-172; derselbe in Wpg 1964, S. 621: "Die aktienrechtlichen Gliederungsvorschriften gelten nicht für Einzelkaufleute, OHG, GmbH, eGmbH, Gewerkschaften, Vereine und Stiftungen. Für sie gelten die§§ 38-40 HGB." Paulick in StKRep 1966, S. 198; Birkholz in BB 1966, S. 709, 716; a. A. Döllerer in BB 1965, S. 1405 ff. und BB 1966, S. 632; Littmann in DStR 1966, S. 233 ff., die für eine Anerkennung des neuen Aktienrechts als GoB eintreten. 10 Vgl. Klein, W. in BB 1967, S. 90: "Die Möglichkeit des Transponierens von Grundsätzen in Rechtsnormen darf nicht dazu verleiten, in allen auf den Jahresabschluß bezüglichen Rechtsnormen kodifizierte Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung zu sehen, ..." Vgl. auch Huthin ZfbF 1966, S. 583; Mutzein StBp 1962, S. 42; Rehbinder in NJW 1966, S. 1550; siehe auch Urt. d. BVerwG v. 23. 2. 1960- I C 240/58- in NJW 1960, S. 1409; a. A. Glade in StbJb 1966/67, S. 406; die Auffassung von Döllerer in BB 1959, S. 1217, die GoB seien die Summe der Gebote (womöglich noch in Gerichtsentscheidungen aufgestellt) und einschlägigen Normen und nicht die tatsächliche Übung der Kaufleute, 7
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Für die Behandlung der mehrperiodisch schwebenden Geschäfte hat das Aktienrecht von 1965 insoweit Bedeutung, als sich einige Vorschriften über den Aktiv- und Passivansatz in der Bilanz geändert haben: nach § 153 Abs. 3 AktG darf für immaterielle Anlagewerte ein Aktivposten nur angesetzt werden, wenn sie entgeltlich erworben wurden. Diese Regelung ist richtig, weil bei unentgeltlich gewachsenen immateriellen Anlagewerten zumindest bereits mangels abgrenzbaren Entstehungsaufwandes und mangels Bewertbarkeit kein Anlagewirtschaftsgut vorliegt11 • Nach § 152 Abs. 9 AktG dürfen als Rechnungsabgrenzungsposten nur noch die transitorischen Rechnungsabgrenzungsposten ausgewiesen werden. Nach den Materialien des Aktiengesetzes und der überwiegenden Meinung im Schrifttum12 sind darunter die Rechnungsabgrenzungsposten im engeren Sinn zu verstehen, also nicht auch die Vorausleistungen im Rahmen mehrperiodisch schwebender Geschäfte. Ob diese enge Fassung der Rechnungsabgrenzungsposten als Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung Geltung erlangt, muß sich in den nächsten Jahren erst erweisen. Die in § 152 Abs. 7 AktG ausgesprochene Beschränkung 13 der Rückstellungen kann von vornherein nicht als Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung angesehen werden: schon werden Rückstellungsfälle14 sichtbar, die nach dynamischer Bilanzauffassung mit ihrer Forderung nach dem Ausweis verursachter, aber noch nicht realisierter Verluste nicht durch § 152 Abs. 7 AktG von der Rückstellung ausgeschlossen sein dürften. Die Steuerrechtsprechung ist daher, ausgenommen bei Aktiengesellschaften, an einer weitergehenden Zulassung von Rückstellungen nicht gehindert. Im übrigen handelt es sich bei den Prognosen über den Einfluß des neuen Aktienrechts auf die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung um Prognosen rein spekulativen Charakters. Für deren Verwirklichung lassen sich zwar mannigfaltige Indizien finden, zu beweisen und zu begründen ist in dieser Frage jedoch noch nichts. Denn die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung können sich im Prinzip unabhängig vom wird abgelehnt. Nach DöHerer, S. 1219/1220, stehen die GoB zur Disposition des nachdenkenden Finanzrichters, "sehr zum Neid der Handelsrichter", die zu Recht anderer Meinung sind, wie Urt. d. OLG Frankfurt vom 21. 5. 1959 II U 145/57 - in BB 1959, S. 1226, zeigt. Vgl. auch Urt. d. BFH v. 12. 5. 1966 IV 472/60- in Bd. 86, S. 120. 11 Urt d. BFH v. 9. 10. 1962- I 167/62 U- Bd. 76, S. 16, kann daher nicht zugestimmt werden; so auch Pautick in StKRep 1966, S. 180. 12 Vgl. Thiel in ZfbF 1966, S. 546; Schönnenbeck in DB 1960, S. 1137; Paulick in StKRep 1966, S. 184 und BB 1959, S. 1218; Fasold in StbJb 1966/67, S. 421/422; Scherpf, aaO., S. 93; Adler-Düring-Schmaltz, aaO., 4. Aufl., S. 349; a. A. Littmann in DStR 1966, S. 234. 13 Wohl entsprechen die aufgeführten Rückstellungen den GoB. Vgl. Birkholz in BB 1966, S. 711. t4 Vgl. Thiel in ZfbF 1966, S. 550/551.
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3. Kapitel: Die Erfolgsbilanz nach dem Aktienrecht von 1965
Aktienrecht entwickeln15• Die Grundsätze sind Rechtsnormen, da sie unbestimmter Gesetzesbegriff des Handels- und Einkommensteuerrechts sind. Jede als Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung anerkannte kaufmännische Übung ist daher abgeleiteter Rechtssatz und nicht Gewohnheitsrecht. Werden jedoch einzelne Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung wie im Aktienrecht kodifiziert und entwickelt sich die kaufmännische Übung wider diese gesetzlich fixierten Bestimmungen, so kann sich Gewohnheitsrecht bilden, das die gesetzlichen Bestimmungen ausschließt. Erst die zukünftige kaufmännische Praxis wird zeigen, ob die Gliederungs- und Bewertungsvorschriften des Aktienrechts von 1965 nicht nur den handelsrechtliehen Besonderheiten der Aktiengesellschaften dienen16 und von den übrigen Gesellschaftsformen und der Kaufmannschaft im allgemeinen überhaupt nicht praktiziert werden17• Wenn die Vorschriften des Aktienrechts auch die Vermutung, zu Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu werden, in sich tragen, so handelt es sich doch zunächst nur um Spekulationen im Hinblick auf eine Änderung der steuerlichen Erfolgsbilanz aufgrund der Maßgeblichkeit der Handels-, sprich Aktienbilanz. Diese Spekulationen übersehen, daß die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz nur im Einzelfall eine Rolle spielt, für eine generalisierende Betrachtung aber allein die übergeordnete Maßgeblichkeit der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung gilt18• 15 Das bestätigt der dem Bundestag vorliegende Gesetzesentwurf zur Änderung des Einkommensteuerrechts: Durch eine Neufassung der§§ 5 und 6 EStG soll klargestellt werden, daß die Bilanzierungsgebote und -verbote des neuen Aktienrechts auch im Steuerrecht gelten. 15 Nach Thiel in ZfbF 1966, S. 545, entspringen sie weitgehend dem Grundsatz der Publizität. Nach Huth in ZfbF 1966, S. 587, wird in erster Linie die Bildung stiller Reserven im Umlaufvermögen verhindert. Vgl. auch Greiffenhagen, aaO., S. 163: "Soweit bewußt zu niedrig bewertet wurde." Weiterhin Forster, aaO., S. 18, 43/44; Gördeler, aaO., S. 108/109; Döllerer in BB 1966, S. 632; Gessler in AG 1965, S. 343 ff.; Klein, W. in BB 1967, S. 91; v. Wallis in NB 1967, s. 31. 17 Es ist jedoch nicht unwahrscheinlich, daß die steuerberatenden Berufe bei ihrer Bilanzierungstätigkeit wie bisher von den Vorschriften des Aktienrechts ausgehen. 1B Ein Beispiel dafür sind die von Thiel in ZfbF 1966, S. 549, gegebenen Prognosen. Zur Maßgeblichkeit der GoB vgl. Hast, aaO., S. 2/3; Lion in StW 1928 I, S. 1054 ff.; Urt. d. RFH v. 27.3. 1928- I A 470/27 -in RStBl. 1928, S. 261; Urt. d. RFH v. 30. 4. 1935 -VI A 1131/33 - in RStBl. 1935, S. 834; Urt. d. RFH v. 17. 3. 1937- VIA 127/37- in RStBl. 1937, S. 1202; Urt. d. OFH v. 13. 1. 1950IV 78/49 U- in MinBlFin. 1949/50, S. 343; Urt. d. OFH v. 23. 2. 1951- IV 15/ 515- in BStBl. 1951 III, S. 75; Urt. d. FG Düsseldorf v. 24. 9. 52- II 41-42/52 E -in DB 1952, S. 829; Urt. d. BFH v. 15. 12. 1953- I 102/53 U- in BStBl. 1954 III, S. 59; Urt. d. BFH v. 30. 9. 1954- IV 294/ 53 U- in BStBl. 1954 III, S. 344; Urt. d. BFH v. 13.5.1954- IV 483/53 U- in BStBl. 1954, S. 213; Urt. d. BFH v. 24. 6. 1954- IV 296/53 U- in BStBl. 1954 III, S. 282; Urt. d. BFH v. 26. 10. 1955- IV 131/54 U- in BStBI. 1956 III, S. 3; Urt. d. BFH v. 17.11.1955- IV 335/54 U- in BStBI. 1955 III, S. 393; Urt. d. FG Nürnberg (r.) v. 26. 3. 1957III 29-30/55- in EFG 1957, S. 325; Urt. d. BFH v. 3. 9.1957- I 303/55 U- in
4. Kapitel: Die "realisationsdynamische" Steuerbilanz
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4. Kapitel Die "realisationsdynamische" Steuerbilanz Die Fragen des aktiven und passiven Bilanzansatzes lassen sich ohne die Lehre vom Wirtschaftsgut, ohne Prädominanzanspruch, aber unter Beibehaltung des Wirtschaftsgutbegriffs im engeren Sinn gemäß den §§ 4 bis 6 EStG zusammen mit den begrifflich selbständigen dynamischen Bilanzelementen nach dem Grundsatz der periodengerechten Gewinnermittlung lösen, wobei das handelsrechtlich bedeutende Prinzip der Vorsicht eine Regulierung nach dem imparitätischen Realisationsprinzip verlangt. Die hinsichtlich der Aktivierung und Passivierung nach dieser Auffassung ausgerichtete Steuerbilanz wird als "realisationsdynamische Bilanz" verständlich bezeichnet1 .
I. Ihre Elemente Die realisationsdynamische Steuerbilanz besteht aus folgenden Elementen: 1. Die Realisierung von Gewinnen: Prinzip der Vorsicht
Nach dem Grundgedanken der dynamischen Bilanzauffassung werden Gewinne und Verluste in der Periode ihrer Verursachung ausgewiesen. Da der Erfolg eines Unternehmens durch die Dispositionen der Unternehmensführung bestimmt wird, müssen diese Dispositionen als die Gewinn- und Verlustursachen angesehen werden. Das entspricht der reinen dynamischen Bilanzauffassung, die sogar als geschlossene Theorie zu bezeichnen wäre. Nach ihr müßte der Periodengewinn durch Gegenüberstellung der dispositiv geschätzten Gewinn- und Verlustaussichten ermittelt werden. BStBl. 1958 III, S. 102; Urt. d. BFH v. 8. 5. 1958- IV 115/57 U- in BStBl. 1958 III, S. 350; Urt. d. BFH v. 16. 9. 1964- IV 42/61 U- in Bd. 80, S. 506 und 508; Urt. d. BFH v. 5. 3. 1965- VI 154/63 U- in Bd. 82, S. 104; Urt. d. BFH v. 27. 4. 65- I 324/62 S- in Bd. 82, S. 447 ff.; Urt. d. BFH v. 12. 5. 1966- IV 472/60in Bd. 86, S. 119 ff.; Urt. d. BFH v. 25. 3. 1966- VI 313/65- in Bd. 86, S. 303; nunmehr sind die Aktiengesellschaften an das Aktivierungsverbot des § 153 Abs. 3 AktG gebunden, woran sich nach dem Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz auch die steuerliche Erfolgsbilanz halten muß. Doch mag sich für die übrigen Kaufleute durchaus ein Aktivierungswahlrecht als GoB herausbilden, wenngleich auch das Prinzip der Vorsicht m. E. entgegenstehen könnte. Erst dann mag die Rechtsprechung berechtigtermaßen eine generelle Aktivierung in der Steuerbilanz verlangen. Siehe auch Scherpf, aaO., S. 33/34. A. A. Littmann in DStR 1966, S. 240; vgl. weiterhin Paulick in StKRep 1966, s. 188, 199/200. 1 Vgl. ähnliche Bezeichnung bei Kosiol, aaO., S. 53, 88 ff., 92.
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4. Kapitel: Die "realisationsdynamische" Steuerbilanz
Nun hat gerade Schmalenbach keinen Augenblick daran gezweifelt, daß diese reine Bilanzauffassung nicht praktizierbar ist, da sie dem wichtigen handelsrechtliehen Prinzip der Vorsicht zuwiderläuft2 • Wie schnell kann doch die Wirklichkeit sich von den Dispositionen entfernen und einen errechneten Gewinn in Verlust umkehren; der vorsichtige Kaufmann verläßt sich deshalb nicht auf Gewinnschätzung. Daher haben auch die Anhänger der dynamischen Bilanzauffassung seit jeher betont, daß der Gewinn nicht aufgrund dispositiver Schätzungen ermittelt werden könne, sondern abgewartet werden müsse, bis die Dispositionen durch Abwicklung der Geschäfte verwirklicht seien und der Gewinn feststehe 3• Dieser Zeitpunkt wird Realisierungszeitpunkt, das Vorgehen nach dieser Erkenntnis Realisationsprinzip genannt. Diese Auffassung -der Dynamiker von der Gewinnrealisierung zeigt, daß es nicht erforderlich war und ist, einer Ausuferung der Gewinnermittlung durch die dynamische Bilanzauffassung mit der Lehre vom Wirtschaftsgut entgegenzutreten. Werden die Dispositionen noch in derselben Periode durch Geschäftsabwicklung verwirklicht, so ergibt sich im Jahresergebnis kein Unterschied zwischen der Gewinnermittlung nach dem Verursachungs- und Realisationsprinzip, da die Gewinnschätzung von der Gewinnrealisierung überholt wird. Erfolgt die Abwicklung von Geschäften dagegen über mehrere Perioden, handelt es sich also um schwebende Geschäfte, so ist die Gewinnermittlung nach dem Realisationsprinzip bis zur endgültigen Abwicklung zurückgestellt. Die im Rahmen der schwebenden Geschäfte erbrachten Leistungen sowie die empfangenen Vorauszahlungen werden am Bilanzstichtag neutral behandelt und durch Aktivierung und Passivierung in die nächste Periode übernommen, um nach Abwicklung des Geschäftes zum Zweck der Gewinnrealisierung gegeneinander verrechnet zu werden4 • Die zunächst neutralisierten Ausgaben und Einnahmen sind noch nicht als Aufwand und Ertrag anzusprechen. Das Realisationsprinzip verlangt auch eine begriffliche Projizierung auf den Realisierungszeit2 Vgl. Schmalenbach, aaO., 3. Aufl., S. 148, 149, nunmehr 13. Aufl., S. 70 und 81; Münstermann in Wpg 1948, S. 35; zum Unterschied zwischen Bilanzauffassung und -theorie vgl. Feuerbaum, aaO., S. 12. 3 Vgl. Helpenstein, aaO., S. 139, 143/144, 194; Walb, aaO., S. 204, hat allerdings
nicht zu Unrecht auf die Erfolgsverschiebungen bei mehrperiodisch schwebenden Geschäften hingewiesen. Vgl. weiterhin Fasselt, aaO., S. 95; Götzen, aaO., S. 39, 113 ff.; Neumann, aaO., S. 80, 112; Werninger, aaO., S. 341; vgl. auch Neumann in ZfB 1964, S. 197: "So kann das Schmalenbach'sche Postulat der vergleichbaren Periodengewinne, auch Prinzip der Vergleichbarkeit genannt, steuerrechtlich nur insofern relevant sein, als es sich innerhalb der periodengerechten Erfolgsermittlung realisieren läßt." So im Ergebnis auch bereits Becker, aaO., S. 232; vgl. weiterhin Waldner in BB 1961, S. 401; Aufermann, Verlustkompensation, S. 35-37. 4 Vgl. Urt. d. RFH v. 30. 10.29- VIA 1052/28- in RStBl. 1930, S. 9; Urt. d. BFH v. 31. 5. 67 - I 208/63 - in Bd. 89, S. 191; Urt. d. BFH v. 17. 8. 1967 - IV 285/65- in BStBl. 1968 II, S. 80; Feuerbaum, aaO., S. 113.
I. Ihre Elemente
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punkt. Sind Ausgaben noch nicht Aufwand und Einnahmen noch nicht Ertrag, so handelt es sich um den dynamischen Begriff der passiven und aktiven transitorischen Rechnungsabgrenzungsposten. Erst nach Abwicklung des schwebenden Geschäftes heben sich die aktiven und passiven transitorischen Rechnungsabgrenzungsposten als bis dahin erfolgsneutrale Verrechnungswerte gegeneinander auf; der Saldo stellt bei Gewinn ein neugewonnenes Wirtschaftsgut, bei Verlust eine Minderung des Wirtschaftsgüterbestandes und (oder) eine Mehrung der Verbindlichkeiten dar. 2. Die Verursachung von Verlusten: Imparitätsprinzip
Das Prinzip der Vorsicht verlangt weiterhin, drohende Verluste möglichst früh, also bei ihrer Verursachung zu berücksichtigen, damit später realisierte Verluste die Unternehmung nicht unangenehm überraschen. Wird hinsichtlich der Verluste ein Bilanzansatz nach dem Verursachungsprinzip vorgenommen, so entspricht dieses Verfahren der reinen dynamischen Auffassung und verläuft imparitätisch5 zum Realisationsprinzip. Doch darf aus der Anwendung des Imparitätsprinzips nicht geschlossen werden, der zur Rückstellung führende Aufwand sei stets nur erst verursacht6. Das Korrelationsprinzip7 besagt, daß es in aller Regel zur Entstehung von rückstellungsfähigem Aufwand der Realisierung eines mit dem Aufwand verknüpften und belastbaren Ertrages bedarf. Dann ist der Aufwand entstanden, aber noch nicht realisiert. Wird dagegen die Entstehung des Aufwandes lediglich aufgrund des Imparitätsprinzips unterstellt8, so ist es schon eher gerechtfertigt, von verursachtem Aufwand zu sprechen. Für die steuerliche Erfolgsbilanz ist es von überragender Bedeutung, auf welche Grundlagen sich die Schätzung künftiger Verluste stützen sol19 , damit nicht unter dem Deckmantel der Vorsicht in übertriebener Höhe gewinnmindernde Rückstellungen gebildet werden. Für den Bereich der schwebenden Geschäfte sind drohende Verluste noch am ehesten mit einer einigermaßen ausreichenden Sicherheit zu bestimmen. Bei den schwebenden Geschäften sind die Leistungen und Gegenleistungen vertraglich fixiert, so daß Störungen der Dispositionen durch Kostenerhöhungen oder 6 Wegen dieser Imparität oder Inkonsequenz ist die dynamische Bilanzauffassung nicht als Theorie anzusehen, vgl. dazu Rieger, aaO., S. 131; Lion, aaO., S. 67; Münstermann in Wpg 1948, S. 33. s Vgl. Werninger, aaO., S. 53/54. 7 Vgl. Gnam in FR 1954, S. 348, 352; Littmann, aaO., §§ 4, 5, Anm. 510, S. 388; Werninger, aaO., S. 54. e Vgl. Werninger, aaO., S. 30 bis 32. 9 Vgl. Urt. d. BFH v. 26. 1. 56- IV 566/54 U- in BStBl. 1956 III, S. 114; Urt. d. BFH v. 3. 7. 56 - I 118/55 U - in BStBl. 1956 III, S. 249, sowie Koch in Wpg 1957, S. 31 ff.; Urt. d. BFH v. 27. 4. 1965- I 324/62 S- in Bd. 82, S. 447.
4 Weber Wlrtacballagut
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4. Kapitel: Die "realisationsdynamische" Steuerbilanz
Entgelteinbußen und die daraus resultierenden Verluste sich ziemlich genau bestimmen lassen10• Schon schwieriger ist die Bestimmung der Höhe einer künftigen wirtschaftlichen Last, für die eine Rückstellung gebildet werden soll. Hierhin gehören die auf rechtlicher Verpflichtung und auf betrieblicher Notwendigkeit beruhenden Rückstellungen für Pensionen einerseits und Abraumrückstände und Instandsetzungsaufwand andererseits11. Doch lassen sich auch diese wirtschaftlichen Lasten aus Erfahrung und durch Vergleich mißbrauchfrei bestimmen. Wo jedoch weder aufgrund rechtlich fixierter Verpflichtungen noch aufgrund tatsächlichen technischen Aufwands Bestimmungsmaßstäbe für Höhe und Dauer der Rückstellung gegeben sind, muß die Beachtung trotzdem denkbarer künftiger Verluste in der steuerlichen Erfolgsermittlung entschieden abgelehnt werden. Rückstellungen für Eventualverluste können selbst nach dem Prinzip der Vorsicht nicht gefordert werden und haben daher auch für die Handelsbilanz keinen Sinn12 • In dieser Beziehung gilt für die Verursachung von Verlusten das Determinationsprinzip. Die Schätzungsmaßstäbe bezüglich der Höhe und des Entstehungszeitpunkts wirtschaftlicher Lasten und drohender Verluste sind nach wie vor umstritten. Im Zusammenhang mit der wiederkehrenden Frage, in welcher Höhe Rückstellungen auf der Passivseite der Bilanz angesetzt werden dürfen, entwickeln sich diese Maßstäbe weiter. Der Problemkreis ist eindeutig nach dem dynamischen Begriff "Rückstellung" benannt. Rückstellungen gehören nach dem Verrechnungsfall "Aufwand jetzt, Ausgabe später" im weiteren Sinne zu den antizipativen Rechnungsabgrenzungsposten. Doch ist dieser begrifflich eigenständige und klar umrissene passive Bilanzposten mit dem Terminus "Rückstellung" ausdrucksfähig bezeichnet. Insbesondere dürfte daneben begrifflich und terminologisch kein Raum mehr für den Sammelnamen "negatives Wirtschaftsgut" sein.
3. Die dynamischen Termini Die Lehre von der Prädominanz des Wirtschaftsgutbegriffs und ihre Anwendung in der Steuerrechtsprechung begegnen terminologischen Bedenken: "Weil ... bei sehr ähnlichen Begriffen, die dennoch eine ziemliche 10 Vgl. Lion, aaO., S. 67, 170; Helpenstein, aaO., S. 546-550; Vellguth, aaO., S. 85 ff.; Schönnenbeck. in DB 1960, S. 1133; Gnam, Bilanzsteuerrecht, Nr. 121, S. 3; Urt. d. RFH v. 4.11.1925- VIA 491/25- in Bd. 17, S. 332; Urt. d. RFH v. 24. 6. 1926- VIA 212/26- in StW 1926, Nr. 499 ; Urt. d. BFH v. 17. 7. 1956I 292/55 U- in BStBl. 1956 III, S. 379; Urt. d. BFH v. 4. 6. 1959- IV 115/59 Uin BStBl. 1959 III, S. 326. 11 Vgl. hierzu Urt. d. BFH v. 31. 5. 54 IV 549/53 U - in BStBl. 1954 III, S. 223; Urt. d. BFH v. 19. 7. 55- I 149/54 S- in StW 1955, Nr. 249 sowie kritische Anmerkungen von van der Velde in Wpg 1952, S. 330. 12 Vgl. Werninger, aaO., S. 34; Urt. d. BFH v. 27. 4. 65- I 324/62 S- in BStBl. 1965 III, S. 409.
I. Ihre Elemente
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Verschiedenheit versteckt enthalten, öfters einerlei Worte gebraucht werden, so muß man hier bei jedesmaliger Anwendung des Begriffs, wenngleich die Benennung desselben nach dem Redegebrauch sich genau zu schicken scheint, mit großer Behutsamkeit Acht haben, ob es auch wirklich einerlei Begriff sei, der hier mit eben demselben Zeichen verbunden worden13." Prüfen wir den Begriff "Wirtschaftsgut" daraufhin, ob er im Sinne der dynamischen Bilanzauffassung alle aktiven und als "negatives Wirtschaftsgut" alle passiven Bilanzposten einheitlich erfaßt, so müssen wir mit Leonard Nelson feststellen: "Begriffe können sich nicht ändern, aber Worte können ihre Bedeutung ändern, d. h. man kann verschiedene Begriffe mit ihnen verbinden14." Dieser Fehler soll nicht aufgezeigt werden, ohne daß ein Lösungsvorschlag gemacht wird: Die Wirtschaftsgüter unterscheiden sich in solche des Anlagevermögens und solche des Umlaufvermögens. Anlagewirtschaftsgüter sind anhand ihrer Er- oder Entstehungskosten unter Berücksichtigung etwaiger Abnutzung selbständig bewertbar. Sie wirken mindestens noch in der nächsten Gewinnermittlungsperiode auf den Gewinn des Betriebes ein, den sie nur durch Abnutzung, Zerstörung oder Veräußerung verlassen. Ihre Anschaffungskosten sind Vorausgaben, die auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Wirtschaftsgutes zu verteilen sind. Umlaufwirtschaftsgüter sind anhand ihrer Fertigungs- oder Einstandskosten oder ihres Nennbetrages unter Berücksichtigung etwaiger Wertberichtigung selbständig bewertbar. Sie wirken zumeist nur noch in der nächsten Gewinnermittlungsperiodeentweder aktiv umschichtend oder im Wege der Verrechnung auf die Entwicklung der Bilanzpositionen ein, nämlich durch Verkauf, Tausch, Aufrechnung und Zahlungseingang. Anlage- und Umlaufwirtschaftsgütern ist u. a. gemeinsam, daß der zu ihrem Erwerb führende Vorgang im Sinne der Gewinn- oder Verlustrealisierung abgeschlossen ist; hierdurch unterscheiden sie sich wesentlich von den transitorischen Abgrenzungsposten. Wo liegt nun darüber hinaus begrifflich der Unterschied zwischen Wirtschaftsgut und Abgrenzungsposten15 und wo muß terminologisch demnach unterschieden werden? 13 14
Vgl. Kant, aaO., S. 743 ff.; ferner Apelt, aaO., S. 7 ff. Nelson, aaO., S. 17; hieran schließt Altred Kastil in ZfphF 1946, S. 483 ff.,
die Feststellung, daß die Bezeichnungzweier Begriffe durch dasselbe Wort das beste Rezept sei zur Erschleichung von Beweisen jeder Art; vgl. ferner Rüstow, aaO., S. 4 ff., und die semantischen Arbeiten der Vertreter der linguistischen Philosophie. Kastil, S. 494/495: Die Wahrheit des Urteils (des Begriffs, a. d. V.) richtet sich nach der Evidenz des Urteils. 15 Vgl. dazu bereits Gnam, aaO., S. 33 und 43. Die Rechtsprechung, vgl. insbesondere Urt. d. BFH v. 13. 8. 1957 - I 46/57 U - in BStBl. 1957 III, S. 350, läßt diese Unterscheidung vermissen. Birkholz in BB 1967, S. 1037: " ... diese Posten lediglich die Gewinn- und Verlustrechnung betreffen und nicht unter
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4. Kapitel: Die "realisationsdynamische" Steuerbilanz
1. Wirtschaftsgüter sind, auf den statischen Ursprung des Begriffs zurückgeführt, Grund und Boden, die abnutzbaren Wirtschaftsgüter wie Gebäude und Maschinen, die Finanzanlagen, die Vorräte und Finanzmittel des Umlaufvermögens und schließlich die Forderungen aus realisierten Geschäften. Alle diese Aktiva sind definitiver Bestand des Firmenvermögens und geeignet, unter Verzehrung ihrer selbst oder auch bei Substanzerhaltung mehrperiodische bis dauernde produktive Wirkungen für den Betrieb zu zeitigen.
2. Abgrenzungsposten sind, der dynamischen Auffassung von der periodengerechten Gewinnermittlung entsprechend, alle diejenigen Ausgaben und Einnahmen, die durch Aufwand und Ertrag künftiger Perioden verursacht sind16, also auch diejenigen Ausgaben und Einnahmen, die Leistungen und Gegenleistungen im Rahmen der erst in künftigen Perioden realisierten schwebenden Geschäfte darstellen. Abgrenzungsposten sind dagegen nicht Ertrag und Aufwand, die als realisierte Forderungen und Verbindlichkeiten in die nächste Periode hinüberreichen17 ; das sind bereits Wirtschaftsgüter18 bzw. Verbindlichkeiten. 3. Im weiteren Sinne sind zwar auch die Forderungen und Verbindlichkeiten am Bilanzstichtag antizipative Rechnungsabgrenzungsposten, da sie in künftigen Perioden zu Einnahmen und Ausgaben führen 19• Aufgrund ihrer wirtschaftlichen Effektivität, der rechtlichen Verfügbarkeit über sie, ihrer Kredit- und Aufrechnungswirkung ähneln sie jedoch den Zahlungsmitteln, können als Forderungen bereits zu den Wirtschaftsgütern gezählt werden und bilden als Verbindlichkeiten unter diesem Terminus einen passiven Bilanzposten20• die Bestandsposten der Bilanz fallen." Zur Abgrenzung der RAP im engeren und weiteren Sinn siehe Mutze in StBp 1962, S. 40, van der Vetde in Gegenwartsfragen des Steuerrechts, S. 228. 18 z. B. Versicherungszahlung und Mieteinnahme; vgl. Brönner, aaO., S. 608; entgegen Theis in FR 1956, S. 196, ist die Begrenzung der transitorischen RAP nicht eine Frage der Vorsicht, sondern der Bilanzklarheit. Zu den transitorischen RAP gehören alle Leistungsforderungen und -Verpflichtungen, die sich auf Arbeitsdienstleistungen und Kapitaldienst beziehen, so Kalveram, aaO., S. 42, 52; Voltmer in DB 1957, S. 97, 121. Zu den begrifflich eigenständigen und von den Wirtschaftsgütern streng zu unterscheidenden transitorischen RAP gehören die sogenannten "RAP im engeren Sinn" gemäߧ 153 Abs. 9 AktG und die RAP im Rahmen schwebender Geschäfte. Vgl. Urt. d. BFH v. 17. 8. 67IV 285/65 -in BStBl. 1968 II, S. 80; Urt. d. BFH v. 31. 5. 67- I 208/63- in Bd. 89, S. 191. 17 z. B. Zinsforderungen und Lohnverbindlichkeiten. 18 So nunmehr das Aktienrecht 1965, § 152 Abs. 9; vgl. Döllerer in BB 1968, s. 639. 19 Vgl. Neumann, aaO., S. 90; Urt. d. BFH v. 1. 4. 1952- I 13/52 U- in BStBl. 1952 III, S. 143; § 153 Abs. 9 AktG sieht nur noch transitorische RAP vor. A. A. neuerdings Birkholz in BB 1967, S.1037. 2o Zum Teil a. A. Schütz in DB 1958, S. 30, 58.
TabeHe II:
a) erfolgsneutral b) Erfolg realisiert
a) Rückstellungen b) Verbindlichkeiten
5. Aufwand jetzt, Ausgabe später
Erfolg realisiert
Damit wird die begriffliche Identität von handelsrechtlicher und steuerrechtlicher Erfolgsbilanz nach den einheitlich maßgebenden Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung gewahrt.
jetzt, Einnahme ,6. Ertrag später
= nominalwertiges Umlaufwirtschaftsgut
erfolgsneutral
passiver transitorischer Rechnungsabgrenzungsposten
4. Einnahme jetzt, Ertrag später
Forderungen
erfolgsneutral
aktiver transitorischer Rechnungsabgrenzungsposten
3. Ausgabe jetzt, Aufwand später
umschichtend oder gewinnrealisierend
Wirtschaftsgut
umschichtend oder ver lustrealisierend
Funktionen
2. Einnahme jetzt, Ertrag jetzt
jetzt
Kriterium: Statischdynamischer Wirtschaftsgutbegriff
Abgrenzungen
a) laufender Aufwand oder b) Wirtschaftsgut
Begriffe
1. Ausgabe jetzt, Aufwand
Verrechnungsfälle
In der realisationsdynamischen Erfolgsbilanz entsprechen den Grundverrechnungsfällen folgende Begriffe:
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54
4. Kapitel: Die "realisationsdynamische" Steuerbilanz
Wie die Verrechnungsfälle und ihre Funktionen gelten die dynamischen Grundbegriffe einheitlich den Zielen steuerlicher und kaufmännischer Gewinnermittlung, da es nur einen richtigen Gewinn21 und mithin nur eine verbindliche Erfolgsbilanz geben kann; diese ist realisationsdynamisch22. Sie entspricht allein den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und Bilanzierung, wenngleich sich die Handelsbilanzen der verschiedenen Unternehmen voneinander und von der Steuerbilanz in ordnungsmäßigen Nuancen des Ansatzes und der Bewertung durchaus unterscheiden mögen. Mit der einheitlichen Orientierung von steuerrechtlicher und handelsrechtlicher Erfolgsbilanz an den .gemeinschaftlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung23 und mit ihnen am realisationsdynamischen Bilanzmodell ist die begriffliche Identität beider Bilanzen a priori gegeben24. Außer vom begrifflichen Modell sind Abweichungen, solange sie sich im ordnungsmäßigen Rahmen halten, also z. B. nicht gegen das Vorsichtsprinzip, die Bilanzklarheit oder -wahrheit verstoßen, legitim. Die Ermittlungsprinzipien, Begriffe und Termini der realisationsdynamischen Erfolgsbilanz werden in der nachfolgenden Übersicht dargestellt und gleichzeitig der Unterschied zum Ermittlungsprinzip und zu den Begriffen und Terminider statischen Vermögensaufstellung aufgezeigt: II. Ihre Brauchbarken
Wichtig ist, daß die realisationsdynamische Erfolgsbilanz für die Zwecke der Einkommensbesteuerung Vorteile gegenüber der Lehre vom Wirt21 Vgl. Huthin ZfbF 1966, S. 581; Huths weiteren Ausführungen über das Verhältnis der dynamischen Bilanzauffassung zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung kann jedoch nicht gefolgt werden: Huth konstruiert aus den verschiedenen Bezeichnungen derselben Begriffe künstlich Gegensätze. 22 Die realisationsdynamische Erfolgsbilanz stützt sich zwar auf die dynamischen Begriffe und die periodengerechte Erfolgsermittlung, ist aber streng zu unterscheiden von der reinen dynamischen Bilanzauffassung nach dem paritätischen Verursachungsprinzip. Insbesondere wird in der Zielsetzung der Unterschied zwischen dynamischer Bilanzauffassung und steuerlicher Erfolgsbilanz anerkannt und Schmalenbachs Prinzip der Vergleichbarkeit dem strengen Realisationsprinzip untergeordnet. Vgl. dazu Neumann, aaO., S. 83 ; Walb, aaO., S. 80; Rieger, aaO., S. 224; Gold in ZfhF 1932, S. 398; Muscheid, aaO., S. 83; Saage in BFuP 1961, S. 431; Pohmer in Wpg 1957, S. 462; Koch in Wpg 1957, S. 60; Götzen, aaO., S. 179/180; Saage in NB 1967, S. 7. Die realisationsdynamische Erfolgsbilanz ist auch Grundlage der Kapitalzuflußrechnung, die ihre Werte aus der Erfolgsbilanz entnimmt und lediglich eine weitere Aufstel· lung bietet, die zahlreiche Informationsbedürfnisse besser befriedigt. Deshalb muß Busse von Colbe in ZfB 1966, S. 97, 113/114, entgegengehalten werden, daß eine Heranziehung dieses Rechnungswerkes als steuerlicher Bemessungsgrundlage steuerrechtliche Probleme nicht löst. 23 Vgl. Werninger, aaO., S. 242; Thiel in ZfbF 1966, S. 544/545; Muscheid, aaO., S. 16/17; Glade in StbJb 1966/67, S. 381/382; v. Wallis in NB 1967, S. 21/
22.
24
Zum "apriorischen Sinnbegriff" vgl. Larenz, aaO., S. 353/354.
Vorräte Zahlungsmittel Forderungen
transitorische RAP = Vorauszahlungen oder Vorausleistungenfl
UmlaufwirtSchaftsgüter
Rechnungsabgrenzungsposten•J
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Rückstellungen für verursachten Aufwand
transitorische RAP= Vorausempfangvon Zahlungenoder Leistungen
Verbindlichkeiten Rückstellungen für entstandenen Aufwand
Kapital Offene Rücklagen Wertberichtigungen
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Vermögensgegenstände
Terminus:
-
Weber, Wirlschaft•gut
Noch vermögensneutrale drohende VerlustegJ
Terminus
transitorische RAP -
Steuerschulden gern. § 105 BewG,Betriebsbedingte VerVermögensabbindlichkeiten, Rückstellungen zugsposten ge m. § 104 BewGdl und Abschn. 28 Abs. 3 VStR 1966
Rücklagenbl Wertbericht!gungen