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German Pages 242 Year 2018
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1370
Zur Legitimation des Kulturstaats Eine verfassungsrechtliche Untersuchung staatlicher Kunstförderung
Von
Peter Haversath
Duncker & Humblot · Berlin
PETER HAVERSATH
Zur Legitimation des Kulturstaats
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1370
Zur Legitimation des Kulturstaats Eine verfassungsrechtliche Untersuchung staatlicher Kunstförderung
Von
Peter Haversath
Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin hat diese Arbeit im Jahr 2016 als Dissertation angenommen.
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Vorwort Diese Arbeit wurde im Wintersemester 2015/2016 am Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin als Dissertation angenommen. Die mündliche Prüfung erfolgte am 15. April 2016. Meinem Doktorvater, Herrn Professor Christian Calliess, gebührt mein großer Dank für ein wichtiges Wort zur rechten Zeit und Respekt für seine Offenheit dem Thema und noch mehr meinem Ansatz gegenüber. Herrn Professor Kunig danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Für die Mühen des Korrekturlesens danke ich meiner Mutter, Kathrin Dingemann und meiner Schwester Julia Haversath. Meinen Freunden danke ich für die viele Ablenkung, aber auch genügend Interesse und Zuspruch, Dr. Benjamin Herz und erneut der klugen Kathrin Dingemann auch für ihre Diskussionsbereitschaft und wertvolle Anregungen. Meinen Eltern, Dr. Jochen und Dorothee Haversath, danke ich für ihre vielfältige Unterstützung, ihre Geduld und, bei dieser Gelegenheit, auch ganz ohne Bezug zur Diss für alles, was sie mir Gutes getan haben. Ich danke von Herzen meiner Frau, Maike Haversath, die mich während der Anstrengungen, die diese Arbeit gekostet hat, immer und aufopfernd unterstützt hat. Der Kinderbande danke ich dafür, dass sie da ist. Ihr seid die süßesten Sweetbacken, die man sich nur vorstellen kann. Münster, November 2017
Peter Haversath
Inhaltsübersicht Einleitung: Das Wahre, Gute und Schöne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 § 1 Kulturstaat und Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 § 2 Annäherung an den Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Erster Teil Legitimationsbedürftigkeit staatlicher Kunstförderung
33
§ 3 Grundlagen der Legitimationsbedürftigkeit des Kulturstaats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 § 4 Kunstförderung und Demokratieprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 § 5 Anforderungen des Demokratieprinzips an die Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
Zweiter Teil Legitimationsfähigkeit staatlicher Kunstförderung
93
§ 6 Angewiesenheit der Kunst auf den Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 § 7 Angewiesenheit des Staates auf die Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 § 8 Legitimation durch Einfügung einer Kulturklausel in das Grundgesetz? . . . . . . . . . . 194 Schluss: Vom Kulturstaat zum Kulturstaatsdiskurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 § 9 Reflexion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 § 10 Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Zusammenfassung in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234
Inhaltsverzeichnis Einleitung: Das Wahre, Gute und Schöne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 § 1 Kulturstaat und Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 § 2 Annäherung an den Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 A. Der Begriff des Kulturstaats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 I. Verwendung und Abgrenzung des Begriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 II. Befugnisse und Grenzen des kunstfördernden Kulturstaats nach herrschendem Kulturverfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 B. Stand der Forschung zur Legitimation des Kulturstaats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 I. Die Bedeutung des Verfassungsrechts für die Legitimation . . . . . . . . . . . . . . 24 II. Die Bedeutung der tatsächlichen gesellschaftlichen Bedingungen der Kunst für die Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 III. Defizite bei der Behandlung der Legitimationsbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . 27 IV. Defizite bei der Behandlung der Legitimationsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 C. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 D. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
Erster Teil Legitimationsbedürftigkeit staatlicher Kunstförderung
33
§ 3 Grundlagen der Legitimationsbedürftigkeit des Kulturstaats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 A. Die Allzuständigkeit des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 B. Ansätze einer Rechtfertigungsbedürftigkeit im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 I. Staatsfreiheitsgebot der Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 II. Der Gleichheitssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 III. Die Verwendung öffentlicher Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 C. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 § 4 Kunstförderung und Demokratieprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 A. Die öffentliche Willensbildung als Schutzobjekt des Demokratieprinzips . . . . . . 42 I. Materielles oder formelles Verständnis des Demokratieprinzips? . . . . . . . . . . 42 II. Zur Reichweite des Begriffs der öffentlichen Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
10
Inhaltsverzeichnis B. Die Kunst als Teil der öffentlichen Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 I. Die These der (politischen) Funktionslosigkeit der Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . 47 1. (Ideen-)Geschichtliche Entwicklung von Autonomie und Funktionslosigkeit der Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 2. Wandel des Kunstverständnisses in der Verfassungslehre . . . . . . . . . . . . . . 53 II. Besonderheiten und Normalität der Kunst im öffentlichen Diskurs . . . . . . . . 55 1. Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2. Normalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 C. Beeinträchtigung des Staatsfreiheitsgebots durch staatliche Kunstförderung . . . . 59 I. Inhalt des Staatsfreiheitsgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 II. Wirkungen staatlicher Kunstförderung und Staatsfreiheitsgebot . . . . . . . . . . . 61 1. Untersuchungsbedingungen und Normalfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 2. Die Folgen der Förderung im Verhältnis von Künstlern und Gesellschaft
63
a) Entfremdung von Künstler und Publikum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 b) Verhinderung sozialer Gruppenbildung im Bereich der Kunst . . . . . . . . 66 3. Die Folgen der Förderung im Verhältnis von Künstler und Staat . . . . . . . . 67 a) Kulturelle Staatsleistungen als Geschenke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 b) Folgen des Schenkungscharakters der Förderleistungen . . . . . . . . . . . . . 70 (1) Geringere Bereitschaft zur Machtkritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 (2) Nähe zum Leistungsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 4. Gefahr bewusster Lenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 a) Das Machtinteresse staatlicher Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 b) Die Kulturpolitik als Instrument zur Verfolgung staatlicher Interessen 79 D. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 § 5 Anforderungen des Demokratieprinzips an die Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 A. Gegenstand der Rechtfertigungsbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 B. Einschränkbarkeit des Demokratieprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 C. Ungeeignetheit pauschaler Rechtfertigungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 I. Demokratische Legitimation und staatlicher Gestaltungsspielraum . . . . . . . . 86 II. Kulturstaatlichkeit aus einer verfassungsrechtlichen Gesamtschau . . . . . . . . . 87 III. Kultur als Staatszweck, Staatsziel oder Staatsaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 1. Kultur als Staatszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2. Kultur als Staatsziel; Kulturförderung als Staatsaufgabe . . . . . . . . . . . . . . 91 D. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
Inhaltsverzeichnis
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Zweiter Teil Legitimationsfähigkeit staatlicher Kunstförderung
93
§ 6 Angewiesenheit der Kunst auf den Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 A. Freiheit der Kunst als Ziel der Kunstförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 I. Förderauftrag aufgrund einer historischen Auslegung der Kunstfreiheit . . . . 94 1. Die Kunstfreiheit als Verkörperung einer Kulturstaatstradition . . . . . . . . . 94 a) Kulturstaatliche Begriffstradition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 b) Kulturstaatliche Ideentradition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 c) Tradition kulturstaatlicher Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 2. Fortgeltung des Art. 142 Satz 2 WRV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 II. Objektiv-rechtliche Gehalte der Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 1. Das Grundrecht der Kunstfreiheit als Handlungsbefugnis des Staates . . . . 102 a) Grundrechtsspezifische Bedenken gegen die Kunstfreiheit als Befugnisnorm des Kulturstaats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 b) Grundrechtstheoretische Bedenken gegen die Kunstfreiheit als Befugnisnorm des Kulturstaats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 c) Die Rolle der Grundrechtsdogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 2. Kunstförderung als Erfüllung einer staatlichen Schutzpflicht . . . . . . . . . . . 107 a) Freiheit von wirtschaftlicher Verwertung der Kunst als Schutzgut der Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (1) Schutz des Wirkbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 (2) Schutz des Werkbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 b) Vorliegen einer schutzpflichtenbegründenden Gefahr . . . . . . . . . . . . . . 112 (1) Der Markt als Gefahr für die Freiheit der Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . 112 (2) Das Verhalten der Konsumenten als Gefahr für die Freiheit der Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 3. Die Kunstfreiheit als originäres Teilhaberecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 a) Ausmaß staatlicher und privater Finanzierung der Kunst . . . . . . . . . . . . 116 b) Staatliche Kunstförderung zur Kompensation früherer Mäzene . . . . . . . 118 4. Die Kunstfreiheit als soziales Grundrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 5. Die Kunstfreiheit als Staatszielbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 a) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . 125 b) Grundrechtsdogmatische Anforderungen an eine kunstfreiheitliche Staatszielbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 c) Freiheitsfördernde Eigenschaften staatlicher Kunstfinanzierung . . . . . . 129 (1) Das Kulturstaatskonzept Ernst Rudolf Hubers . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 (2) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 d) Freiheitsgefährdende Eigenschaften staatlicher Kunstfinanzierung . . . . 134 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
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Inhaltsverzeichnis B. Qualität der Kunst als Ziel der Kunstförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 I. Institutioneller Schutz der Eigengesetzlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 1. Enge institutionelle Deutung der Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 2. Institutionelle Deutung der Kunstfreiheit als Gewährleistung der Autonomie der Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 II. Kunst als meritorisches Gut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 III. Hochwertige Kunst als öffentliches Gut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 1. Voraussetzungen der Theorie der öffentlichen Güter als Rechtfertigung der Kulturförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 2. Kunst als öffentliches Gut; externe Effekte der Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . 145 a) Der Gütercharakter des einzelnen Kunstwerks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 b) Externe Effekte der Hochkultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 (1) Innovativität als Definiens der Hochkultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 (2) Die Rolle des Konsumenten für die Entstehung externer Effekte . . 147 (3) Externe Effekte geförderter Kultur als stillschweigende Prämisse 149 3. Erforderlichkeit staatlicher Kunstförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 a) Mangelnde Innovativität nicht geförderter Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 (1) Das Publikum als Hemmnis der Innovation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 (2) Tatsächliche Gleichförmigkeit nicht geförderter Kunst . . . . . . . . . . 153 (3) Mangelnde Innovationskraft der Kunst durch kulturindustrielle Strukturen der Gegenwart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 b) Gezielte Förderung innovativer Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 (1) Feststellung innovativer Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 (2) Strukturelle Grenzen des Staates bei der Förderung innovativer Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 (3) Innovative Kunst und nationale Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 4. Nutzungsvorteil der Konsumenten von Populärkultur . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 5. Bereitstellung innovativer Kunst als verfassungsrechtliches Gebot der Menschenwürde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 a) Bereitstellung von Kultur zur Sicherung des kulturellen Existenzminimums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 b) Bereitstellung von Kultur zur Ermöglichung der individuellen Entfaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
§ 7 Angewiesenheit des Staates auf die Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 A. Kultureller Zusammenhalt als Voraussetzung des (demokratischen) Staates . . . . 172 I. Staatstheoretische Plausibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 II. Demokratietheoretische Plausibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 1. Die Akzeptanz von Mehrheitsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 2. Homogenität als Diskursbedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
Inhaltsverzeichnis B. Verfassungsrechtliche Geltung eines unterstellten Homogenitätserfordernisses
13 180
I. Grundgesetzliche Integrationsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 II. Identitätsstiftung, Demokratie und Menschenwürde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 III. Kultur als „Gelingensvoraussetzung“ der Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 C. Kunstförderung als Mittel einer staatlichen Integrationsaufgabe . . . . . . . . . . . . . . 188 D. Kulturelle und politische Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 E. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 § 8 Legitimation durch Einfügung einer Kulturklausel in das Grundgesetz? . . . . . . . . . . 194 A. Politische Vorstöße in der Vergangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 B. Stellungnahmen in der Verfassungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 C. Bewertung im Licht der Ergebnisse dieser Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Schluss: Vom Kulturstaat zum Kulturstaatsdiskurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 § 9 Reflexion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 § 10 Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 A. Perspektiven für eine Kunst ohne Kulturstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 B. Perspektiven für eine Kunstpolitik ohne Kulturstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 Zusammenfassung in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234
Einleitung: Das Wahre, Gute und Schöne § 1 Kulturstaat und Verfassungsrecht Der Soziologe Gerhard Schulze stellt in seinem Buch „Die Erlebnisgesellschaft“ einen „Rechtfertigungskonsens“ hinsichtlich der Kulturförderung fest, den er mit den knappen Worten zusammenfasst: „Kulturpolitik ist gut.“1 Er fährt fort: „Eine fundamentale Kritik, bei der es nicht um den Wettstreit kulturpolitischer Konzepte geht, sondern um die Berechtigung kulturpolitischer Eingriffe schlechthin ginge, ist kein Thema der gegenwärtigen Diskussion. Ist dies ein Vorzug? Diese Frage kann nur bejahen, wer selbst in den Rechtfertigungskonsens mit einstimmt.“2
Ein Rechtfertigungskonsens, wie ihn Schulze konstatiert, besteht auch in der Rechtswissenschaft. Die Verfassungslehre hat immer wieder das Bedürfnis verspürt, sich mit dem Verhältnis von Staat und Kultur auseinanderzusetzen. Die grundsätzliche Frage, ob die Kunstförderung als solche zulässig ist, wurde aber nur selten aufgeworfen. Die Kunstförderung wird weithin als selbstverständlich erachtet, weil sie einer (vermeintlichen) Kulturstaatstradition und dem Selbstverständnis der Bundesrepublik entspreche. Schon die Alternative staatlicher Zurückhaltung, erst recht eines verfassungsrechtlichen Verbots staatlicher Kunstförderung gilt als „liberalistisch“ und einem veralteten Staatsverständnis zugehörig und wird deshalb von vornherein nicht ernsthaft in Betracht gezogen.3 Stattdessen wird der Diskurs über die Kulturstaatlichkeit zur Arena, wo sich Rechtswissenschaftler4 zu begeisterten Exklamationen5 hinreißen lassen: „Kultur ist 1
Schulze, Die Erlebnisgesellschaft, 2005, S. 513. Schulze, Die Erlebnisgesellschaft, 2005, S. 513; zustimmend A. Klein, in: Heinze (Hrsg.), Kultur und Wirtschaft, 1995, S. 183, 196 f. 3 Mihatsch, Öffentliche Kunstsubventionierung, 1989, S. 48; ähnlich Erbel, Inhalt und Auswirkungen der verfassungsrechtlichen Kunstfreiheitsgarantie, 1966, S. 175: Forderung nach Abschaffung der Kulturförderung beruhe auf einem „früh-liberalistischen Standpunkt des ,laissez-faire‘“; Knies, Schranken der Kunstfreiheit als verfassungsrechtliches Problem, 1967, S. 206 f.: „frühliberales Staatsverständnis“; Ridder, Freiheit der Kunst nach dem Grundgesetz, 1963, S. 22: Skeptiker seien ein „altfränkisch liberales Kaffeekränzchen“; kritisch zu einer solchen Argumentationsweise Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 441 f., 448 f. 4 An dieser Stelle sei auf den Gebrauch des generischen Maskulinums in dieser Arbeit hingewiesen. Wenn etwa von „Rechtswissenschaftlern“ und „Künstlern“ die Rede ist, sind 2
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das Wahre, Gute und Schöne in hoher – besser höchster – Form.“6 Man möchte gerne wissen, woran diejenigen denken, die sich zu solchen Ausrufen hinreißen lassen.7 Sie denken sicherlich an Homer, an Goethe, Schiller und Thomas Mann, an Mozart, Beethoven, Bach und Wagner, an die Renaissance, die alten Holländer, den Impressionismus, vielleicht an Fritz Lang, Fellini und Rossellini. Denken sie auch an die Fettecke Joseph Beuys’, an „Die Mensch-Maschine“ von Kraftwerk, an Beat-, Popund Hardboiled-Literatur? Denken sie an Woodstock oder das Wacken-Festival? An Walt Disney und die Spiderman-Comics, an „Dirty Harry“ I bis IV? Denken sie an Albert Speer, Johannes R. Becher und Andrei Aleksandrowitsch Schdanow? Eine Idealisierung der Kultur erschwert eine verfassungsrechtliche Beurteilung des Kulturstaats.8 Wenn Kulturpolitik unreflektiert mit der „Hoffnung […] auf ein ideell und materiell verbessertes Leben“9 besetzt wird, ist eine rationale Erörterung schon gescheitert. Eine nüchterne Betrachtung wird im Kulturstaat im Ausgangs-
damit Rechtswissenschaftler und Rechtswissenschaftlerinnen, Künstler und Künstlerinnen gemeint. 5 Der Ausruf ist sichtbar („!“) bei Geiger, FS Leibholz, 1966, S. 187, 193: „Der Kulturstaat „wird in der Förderung der schönen Künste eine seiner Aufgaben erblicken; gewiß!“; bei Häberle, AöR 110 (1985), S. 577, 593: „Kunst erwächst kaum aus der Normalität!“ und sie sei „ein Stück ,religion civile‘ des Verfassungsstaates als Kulturstaat!“; bei Stern, Staatsrecht IV/2, 2011, S. 360, der über Art. 35 Abs. 1 S. 3 Einigungsvertrag („Stellung und Ansehen eines vereinten Deutschlands in der Welt hängen […] von seiner Bedeutung als Kulturstaat ab.“) schreibt: „„Wohlgesetzte Worte und goldrichtig, möchte man sagen!“; vgl. auch Steiners Rezension dazu, DVBl. 2011, S. 617: „Die Befassung mit dem Grundrecht der Kunstfreiheit […] gibt auch einem Juristen Gelegenheit, unterhaltsam zu schreiben.“ 6 Alexy, VVDStRL 65 (2006), S. 91, 91. 7 Einen Überblick über seine Assoziationen zur Schnittstelle von Staat und Kunst gibt Korinek, Staat und Kunst, 2006, S. 9: Er denke an „großartige Opern- und Theateraufführungen in der Staatsoper oder einem Staatstheater, staatliche Museen […], aber auch an Staatskunst totalitärer Regime, an verbotene Autoren, Komponisten oder Maler, an ehrverletzende oder religionsstörende Kunstwerke“. 8 Zur ganz ähnlichen, aber teils überwundenen, jedenfalls wahrgenommenen Situation in der Kunstsoziologie Danko/Glaser, Sociologia Internationalis 2012, S. 3, 7 ff. Auch in der Rechtswissenschaft gibt es freilich Stimmen, die der verfassungsrechtlichen Dogmatik des Kulturstaats und den gängigen Rechtfertigungsversuchen äußerst kritisch gegenüberstehen, ohne allerdings den Rechtsfertigungskonsens im Ergebnis zu durchbrechen: Geißler, Kunstförderung nach Grundgesetz und Recht der EG, 1995, S. 39 ff., 46 ff., die jedenfalls die Berufung auf den Rechtfertigungstitel „Kunstförderung“ für unzureichend hält (a.a.O., S. 45 f., 66 f.); Kopke, Rechtschreibung und Verfassungsrecht, 1995, S. 384, 389 f.: Kulturstaatsprinzip vermittle keine Kulturgestaltungsmacht und keine „Förderungsaufgabe“ (allerdings die Frage der Rechtfertigungsbedürftigkeit der Kunstpflege offen lassend, a.a.O., S. 389 in Fn. 101); Lenski, Öffentliches Kulturrecht, 2013, S. 55 ff., 67: „Verfassungspolitische Desiderate und positives Verfassungsrecht bleiben auch im Bereich der Kultur sauber zu trennen.“ 9 H. Thurn, in: Heinze (Hrsg.), Kultur und Wirtschaft, 1995, S. 111, 111. In die gleiche Richtung der Diskussionsbeitrag Isensees, VVDStRL 42 (1984), S. 133, 133: „Wer ,Kultur‘ sagt, hat notwendig Niveau […] Jeder kann sich etwas anderes vorstellen, und jeder denkt an etwas Angenehmes.“
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punkt eine Staatstätigkeit wahrnehmen, die Gelder aus dem staatlichen Haushalt an Künstler gibt und für den Unterhalt kultureller Institutionen aufwendet. Die Rechtswissenschaft kann sich von Emotionen nicht freimachen. Aber so schön Kultur sein kann: Ein Ausrufungszeichen ersetzt keine Begründung. Die Begeisterungsstürme einiger Autoren sind vielleicht Ausdruck einer Sehnsucht, am Glanz der hommes de lettres teilzuhaben oder sie zumindest nicht durch „kleinliche“ rechtliche Erwägungen zu belästigen. Die Staatstätigkeit im Bereich der Kultur ist aber wie jede andere auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Dies ist das Ziel der vorliegenden Arbeit.
§ 2 Annäherung an den Untersuchungsgegenstand A. Der Begriff des Kulturstaats I. Verwendung und Abgrenzung des Begriffs Der Begriff „Kulturstaat“ wird in dieser Arbeit als Sammelbegriff für die tatsächlichen kulturbezogenen Maßnahmen des Staates10 verwendet.11 Unter „Kultur“ wiederum soll hier einschränkend lediglich der Bereich „Kunst und Kultur“ verstanden werden.12 Gemeint ist also der „Kulturstaat im engeren Sinne“13 unter Ausschluss der Bereiche Wissenschaft und Bildung14 und auch der Religion15. Diese Verwendung entspricht den nationalen und überstaatlichen Normierungen des Kulturbegriffs.16
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Unter Staat werden Bund, Länder und Kommunen verstanden. Deskriptive Verwendung auch bei Pabel, Grundfragen der Kompetenzordnung im Bereich der Kunst, 2003, S. 172 ff. 12 Die gleiche Eingrenzung liegt Steiners Vortrag auf der Staatsrechtslehrertagung zugrunde, VVDStRL 42 (1984), S. 7 ff.; vgl. seinen Hinweis darauf, dass sich das Wortpaar „Kunst und Kultur“ als Teil des Kulturbegriffs von Bildung, Wissenschaft und Religion als den anderen Teilen „abgespalten“ habe (ebd., S. 7, 9). 13 Maihofer, in: Benda/ders./Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 1994, § 25 Rn. 78. 14 Zu Kunst, Wissenschaft und Bildung als den klassischen Bestandteilen des verfassungsrechtlichen Kulturbegriffs grundlegend Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 29 ff.; ebenso Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 9. 15 Die Religion als Teil der Kultur betrachten Maihofer, in: Benda/ders./Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 1994, § 25 Rn. 91 in Fn. 111; Sommermann, VVDStRL 65 (2006), S. 7, 9; dagegen Grimm, VVDStRL 42 (1984), S. 46, 51 f.; wie hier für die „Ausgliederung des Staatskirchenrechts“ Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 35 ff. 16 Lenski, Öffentliches Kulturrecht, 2013, S. 29. 11
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Es empfiehlt sich – nicht zuletzt, um eine verfrühte normative Festlegung zu vermeiden17 –, den Begriff „Kunst und Kultur“ möglichst weit zu fassen und ihm eine umfassende, alle Genres, Formen und Niveaus beinhaltende Bedeutung zu verleihen.18 Eine Auseinandersetzung mit den verschiedenen begriffsbestimmenden Merkmalen, die Kunst19 und Kultur20 konstitutiv zugeschrieben werden, erfolgt an den Stellen der Arbeit, an denen diese Merkmale verfassungsrechtliche Bedeutung erlangen.21 Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit ist nur die direkte Förderung zu schaffender22 Kunst im Inland. Dazu zählen der Unterhalt öffentlicher Institutionen, direkte wirtschaftliche Hilfen, die Verleihung von Kunstpreisen und die Vergabe von Stipendien.23 Diese Bereiche bilden den Schwerpunkt der bisherigen Diskussion über den Kulturstaat.24 Die indirekte, steuerliche Kunstförderung25 wird hier nicht eigens untersucht, ebenso wenig andere Tätigkeiten, die zum klassischen Bestandteil der Kulturverwaltung zählen, etwa der Unterhalt von Museen, Gärten und Parks sowie die Denkmalpflege.26 Auch die Ausbildung der Künstler in Akademien und Kunst17 Vgl. Jäger, in: Titzmann (Hrsg.), Modelle des literarischen Strukturwandelns, 1991, S. 221, 230; F. Müller, Freiheit der Kunst als Problem der Grundrechtsdogmatik, 1969, S. 34. 18 Die in der Literatur zum Kulturstaat zu findende Gleichsetzung von „Kunst“ mit Hochkultur bestätigt die Befürchtung Blankenagels, Tradition und Verfassung, 1984, S. 230 in Fn. 169: Schon die Verankerung des Kulturstaats in Art. 5 Abs. 3 GG lade zu „eben jenen normativen und schichtenspezifischen Differenzierungen ein […], die der weite Kulturbegriff gerade verhindern soll.“ 19 Zum grundgesetzlichen Kunstbegriff Erbel, Inhalt und Auswirkungen der verfassungsrechtlichen Kunstfreiheitsgarantie, 1966, S. 3 ff.; Knies, Schranken der Kunstfreiheit als verfassungsrechtliches Problem, 1967, S. 118 ff.; F. Müller, Freiheit der Kunst als Problem der Grundrechtsdogmatik, 1969, S. 11 f.; Palm, Öffentliche Kunstförderung zwischen Kunstfreiheitsgarantie und Kulturstaat, 1998, S. 35 ff.; Ropertz, Freiheit der Kunst, 1966, S. 61 ff.; zum Kunstbegriff in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Henschel, NJW 1990, S. 1937, 1938 f. 20 Zum verfassungsrechtlichen Kulturstaats- und Kulturbegriff Droege, Staatsleistungen an Religionsgemeinschaften im säkularen Kultur- und Sozialstaat, 2004, S. 265 ff., 269 ff.; zum außerrechtlichen Kulturbegriff Britz, Kulturelle Rechte und Verfassung, 2000, S. 68 f.; Odendahl, Kulturgüterschutz, 2005, S. 356 ff., beide mit umfangreichen Nachweisen. 21 Damit wird ein „zäher“ Beginn (vgl. Steiner, VVDStRL 42 [1984], S. 7, 8) vermieden, ohne der Auseinandersetzung mit den Begrifflichkeiten aus dem Weg zu gehen. 22 Die Unterscheidung von geschaffener und zu schaffender Kunst findet sich bei Heckel, Staat – Kirche – Kunst, 1968, S. 96 in Fn. 316; vgl. auch die Unterscheidung zwischen Kulturentstehungs-, Kulturerhaltungs-, Kulturumgebungs- und Kulturnutzungsschutz von Lenski, Öffentliches Kulturrecht, 2013, S. 181 ff. 23 Darstellungen über Formen der Kulturpolitik bei Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 12 f., 33 f., und Singer, Kulturpolitik und Parlament, 2003, S. 9. 24 So bereits Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 13. 25 Dazu Heuer, Die Besteuerung der Kunst, 1984, pass.; Palm, Öffentliche Kunstförderung zwischen Kunstfreiheitsgarantie und Kulturstaat, 1998, S. 202 ff. 26 Vgl. die Aufzählung bei Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 33.
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hochschulen, die ebenfalls eine klassische Schnittstelle von Kunst und Staat darstellt, bleibt außer Betracht.27 Außen vor bleiben schließlich die Kulturvermittlung im Ausland in Form der auswärtigen Kulturpolitik und weitere Rechtsgebiete, die einen engen Bezug zur künstlerischen Tätigkeit aufweisen, etwa das Urheberrecht, der gewerbliche Rechtsschutz,28 der Kulturgüterschutz und das Sozialversicherungsrecht der Künstler. Diese weiteren Bereiche kulturbezogener Staatstätigkeit führen im Diskurs über den Kulturstaat ein Nischendasein. Mit dieser Beschränkung auf einen überschaubaren Bereich der Staatstätigkeit grenzt sich der hier verwendete Begriff des Kulturstaats von Verwendungsweisen ab, die einen sehr viel breiteren Kulturbegriff beinhalten.29 Seine Verwendung entspricht damit Forderungen in der Literatur, dem Begriff Konturen zu verleihen.30 Er unterscheidet sich insbesondere auch von einem Kulturstaatsbegriff, der die Kulturgestaltungsmacht aus der Staatlichkeit ableitet und seine Legitimation damit bereits in sich trägt.31 Der Begriff soll hier auch nicht eine bestimmte Perspektive andeuten, die den Staat und seine Verfassung gerade aus Sicht der Kultur analysiert und sie dazu selbst als Kultur auffasst.32 Und schließlich soll nicht bereits durch die Begriffsverwendung auf die tatsächlichen Zwecke des Staates vorgegriffen werden, indem
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Ausgrenzend aus der Kunstverwaltung, weil eher die Bereiche Bildung und Wissenschaft betreffend Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 34 in Fn. 4. 28 Ähnlich Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 12. 29 Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 525: „Summe der Kommunikationsprozesse, die für das einzelne Individuum in seiner Gemeinschaft identitätsstiftend sind“; Grimm, VVDStRL 42 (1984), S. 46, 60: „Zur Kultur wäre dann alles zu zählen, was sich auf Weltdeutung, Sinnstiftung, Wertbegründung, -tradierung und -kritik sowie deren symbolischen Ausdruck bezieht, sogenannte Gegen- und Subkultur eingeschlossen“; Häberle, in: ders. (Hrsg.), Kulturstaatlichkeit und Kulturverfassungsrecht, 1982, S. 1, 29: Kultur als Prozess, in dem „Denk-, Fühl- und Verhaltensweisen von Person zu Person und von Generation an Generation übergeben werden“; Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 8: „Inbegriff der Lebensformen, Werteinstellungen und Verhaltensweisen innerhalb der Gesellschaft“; vgl. auch BVerfGE 10, 20, 36: „Gesamtheit der innerhalb einer Gemeinschaft wirksamen geistigen Kräfte, die sich unabhängig vom Staat entfalten und ihren Wert in sich tragen.“ 30 Huster, VVDStRL 65 (2006), S. 51, 76: „Um transparente Argumentationen zu ermöglichen, muss der Begriff daher auf einzelne Sachfragen heruntergebrochen werden, für die das Grundgesetz dann jeweils spezielle und durchaus unterschiedliche Regelungen enthält“; ebenso Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 379; Stern, Staatsrecht, Bd. IV/2, 2011, S. 367; vgl. in diesem Zusammenhang die kritischen Anmerkungen zu einer Kulturstaatsklausel wegen der Heterogenität des Kulturbegriffs von Isensee, VVDStRL 42 (1984), S. 133, 133. 31 Dahingehend die Kritik am Kulturstaatsbegriff von Roellecke, DÖV 1983, S. 653, 654: Der Begriff des Kulturstaats setze die „Legitimation zur ,Pflege‘ bereits im Wort voraus, noch ehe sie überhaupt diskutiert wird“. 32 Dazu (mit unklaren verfassungsrechtlichen Konsequenzen) Häberle, JöR n.F. 49 (2001), S. 125 ff.; Sommermann, VVDStRL 65 (2006), S. 7, 8 ff.
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ihm per definitionem eine Förderung der Kultur „um ihrer selbst willen“ unterstellt wird.33 II. Befugnisse und Grenzen des kunstfördernden Kulturstaats nach herrschendem Kulturverfassungsrecht Konstitutiv für den Kulturstaat der herrschenden Kulturverfassungslehre ist die Befugnis zur differenzierenden Kulturförderung.34 Die „Gießkannenförderung“, die Herbert Krüger oft zugeschrieben wird,35 wird beinahe allgemein abgelehnt.36 Begründet wird diese Differenzierungsbefugnis meist aus der Sache heraus: Wegen der Begrenztheit der Mittel müsse Einigkeit bestehen, dass es „eine maßstabslose Förderung nicht geben kann.“37 Nach nahezu allgemeiner Ansicht verfügt der Staat dabei über einen äußerst weiten Gestaltungsspielraum.38 Justiziable Grenzen gibt es kaum. Rechtliche Vorgaben werden teils gar nicht in Erwägung gezogen,39 andernorts ausdrücklich ab33 So etwa Maihofer, in: Benda/ders./Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 1994, § 25 Rn. 49. Vgl. die bekannte Unterteilung Grimms, VVDStRL 42 (1984), S. 46, 58 in ein dualistisches, ein utilitaristisches, ein kulturstaatliches und ein dirigistisches Modell. Der Kulturstaat fördert nach Grimm die Kultur um ihrer selbst willen. Wie wenig weiterführend eine solche Unterteilung ist, zeigt sich daran, dass in Grimms Erzählung die Kulturförderung um der Kultur willen letztlich in wundersamer „Übereinstimmung zwischen politischem und kulturellem System“ doch dem Staat nützlich ist (ebd., S. 64 f.) und damit das utilitaristische und kulturstaatliche Modell zusammenfallen. Die Kultur wird damit an den Staat gekoppelt. Zu Recht skeptisch gegenüber derartigen Systematisierungsversuchen Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 17. 34 Vgl. nur Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 28 f.; aus kulturpolitischer Sicht Scheytt, Kulturstaat Deutschland, 2008, S. 98 f. 35 Krüger, Allgemeine Staatslehre, 1966, S. 808, der den „Grundsatz der Nicht-Identifikation“ so umschreibt: Der Staat „darf nicht eine bestimmte Kultur, Richtung oder Meinung fördern, er ist vielmehr auf Förderung schlechthin verwiesen“; Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 442 in Fn. 42, will diesen Ausführungen wegen ihrer Kürze und Zweideutigkeit ein Bekenntnis zur Gießkannenförderung nicht unterstellen. 36 Eine Verteidigung der „Gießkannenförderung“ hingegen bei Heuer, NJW 1985, S. 232, 234 (der allerdings eine ergänzende „gezielte Schwerpunktförderung“ für zulässig erachtet); siehe auch Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 442 in Fn. 42, zu weiteren Stimmen, die als Ablehnung einer Kulturgestaltungsmacht verstanden werden könnten. 37 Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 442 f.; ebenso v. Arnauld, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, 2009, § 167 Rn. 80: „Selektionsprozesse bei der Öffnung von Einrichtungen und der Gewährung von Förderung sind unumgänglich“; Heckel, Staat – Kirche – Kunst, 1968, S. 98 in Fn. 321; anders Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 30: Gestaltungsspielraum nicht notgeboren, sondern positive Ausfüllung des Kulturgestaltungsauftrags. 38 Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 2014, Art. 5 Rn. 199a; Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 30 ff. 39 Dies gilt etwa für Grimm, VVDStRL 42 (1984), S. 46 ff.; Huber, in: Häberle (Hrsg.), Kulturstaatlichkeit und Kulturverfassungsrecht, 1982, S. 122 ff.; Steiner, VVDStRL 42 (1984),
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gelehnt40 oder die Überschreitung offensichtlicher – nämlich kompetenz-rechtlicher – Grenzen ausdrücklich gebilligt.41 Die zahlreichen „Prinzipien“ staatlicher Kunstförderung – oft betont: Dezentralität, Subsidiarität und Pluralität –42 sind bei näherem Hinsehen nicht als Rechtsgebote aufzufassen, sondern als Handreichungen der Verfassungslehre: Die kulturverfassungsrechtliche Literatur besteht zu einem guten Teil mehr aus kulturpolitischen Postulaten als aus rechtlichen Äußerungen.43 Ob nur kunstinterne44 oder nur kunstexterne45 Differenzierungsmaßstäbe zulässig sind; ob politische Ziele verfolgt werden dürfen;46 ob der Staat seine Entscheidung mit Hilfe von SachverS. 7 ff. Kopke, Rechtschreibung im freiheitlichen Kulturstaat, 1995, S. 381, bemerkt zu Huber treffend, dass in dessen Ausführungen „kein einziges Mal auf das Grundgesetz Bezug genommen“ werde. 40 Stern, Staatsrecht, Bd. IV/2, 2011, S. 662: Rechtliche Grenzen seien „weder sinnvoll noch möglich. […] Die publizistische Aufmerksamkeit sollte geeignet sein, Fehlgriffe im großen und ganzen zu verhindern.“ 41 So Steiner, FS Starck, S. 449, 456 zur permanenten Verletzung der bundesstaatlichen Kompetenzordnung; unklar Lenski, Öffentliches Kulturrecht, 2013, S. 452 einerseits: „allseits gebilligt[e] Staatspraxis“, S. 129 andererseits: „eklatantes Auseinanderklaffen von Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit“ und daraus resultierender „verfassungspolitischer Reformbedarf“; kritisch dagegen Kloepfer, FS Mußgnug, 2005, S. 1, 12, 16; Schulze-Fielitz, NJW 1991, S. 2456, 2457 (mit Beispielen verfassungswidriger Praxis in Fn. 18). 42 Vgl. nur Singer, Kulturpolitik und Parlament, 2003, S. 4. 43 Dies ist nicht allein für die Rechtswissenschaft prägend; auch hinsichtlich der politikwissenschaftlichen Forschung wird ein Übermaß an „programmatischen Schriften“ zulasten einer analytischen Aufarbeitung der Kulturpolitik festgestellt (v. Beyme, Vergleichende Politikwissenschaft, 2010, S. 269); Wagner, Fürstenhof und Bürgergesellschaft, 2009, S. 21 in Fn. 6, bezeichnet v. Beymes Arbeiten als einen „der wenigen Versuche einer wissenschaftlichen Durchdringung des Feldes ,Kulturpolitik‘“. 44 Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 486: „Qualitätsorientierung [sei] tendenziell geboten“ (Hervorhebung nur hier); kulturfremde Erwägungen hält generell für unzulässig Stern, Staatsrecht, Bd. IV/2, 2011, S. 348, der sich allerdings auf Palm (Kunstförderung zwischen Kunstfreiheitsgarantie und Kulturstaat, 1998, S. 89) stützt, der wohl etwas ganz anderes meint: Der Staat dürfe „eine grundrechtliche gebotene Beschränkung des Freiheitsgebrauchs nicht durch Förderung entkräften“. Damit ist nur gesagt, dass der Staat nicht fördern darf, was auch ohne Förderung nicht erlaubt ist. Außerkulturelle Gründe nur als Hilfskriterium für zulässig hält Mihatsch, Öffentliche Kunstsubventionierung, 1989, S. 123. Ähnlich Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 34: Eine „allgemeine Orientierung am nachgewiesenen oder vermuteten sozialen Nutzen wäre mit dem Verfassungsprinzip der Offenheit staatlicher Kunst- und Wissenschaftspolitik unvereinbar“, allerdings nur, wenn diese kulturfremden Erwägungen „beherrschenden Einflusses“ seien. Aus kulturpolitischer Sicht für eine Qualitätsförderung plädiert A. Klein, in: Heinze (Hrsg.), Kultur und Wirtschaft, 1995, S. 183, 198 f. 45 Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 247 ff. (Ablehnung qualitativer Differenzierungsmaßstäbe), S. 256 f. (vorrangig wirtschafts- und finanzpolitische Differenzierungsmaßstäbe). 46 Erbel, Inhalt und Auswirkungen der verfassungsrechtlichen Kunstfreiheitsgarantie, 1966, S. 178; Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, 2011, § 190 Rn. 194: „Förderung solcher kultureller Aktivitäten und Institutionen, die den Funkti-
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ständigen treffen kann oder muss;47 ob die Förderung sich an der Bedürftigkeit der Kunst orientieren darf48 oder muss49 oder (auch) an der Bedürftigkeit der Künstler50; ob der Staat eher herkömmliche51 oder eher neuartige52 Kunst fördern soll – unabhängig davon, wie die Antwort auf diese Fragen ausfällt, sind die je nach Entscheidung geforderten Gebote und Verbote nicht darauf ausgerichtet, justiziable
onserfordernissen der Verfassung im allgemeinen und der Grundrechte im besonderen dienen und geeignet sind, ihre Voraussetzungen zu beleben.“; dagegen Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 257; Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 34: Ausrichtung am „sozialen Nutzen“ mit dem „Verfassungsprinzip der Offenheit staatlicher Kunst- und Wissenschaftspolitik unvereinbar“. 47 Für ein solches Recht v. Arnauld, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, 2009, § 167 Rn. 80 m.w.N.; Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 485: „Frage der politischen Klugheit“; Knies, Schranken der Kunstfreiheit als verfassungsrechtliches Problem, 1967, S. 225; für eine solche Pflicht Höfling, DÖV1985, S. 387, 393 ff.; Hufen, Die Freiheit der Kunst in staatlichen Institutionen, 1982, S. 386 ff.; Mahrenholz, in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 1994, § 26 Rn. 7, 14 ff.; Schreyer, Pluralistische Entscheidungsgremien im Bereich sozialer und kultureller Staatsaufgaben, 1982, S. 137 ff.; gegen eine Pflicht Erbel, Inhalt und Auswirkungen der verfassungsrechtlichen Kunstfreiheitsgarantie, 1966, S. 178; Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 36. Zur Frage, ob nur Sachverständige oder auch Laien an der Förderentscheidung beteiligt werden sollten, vgl. Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 258 f.; allgemein gegen die Übertragung staatlicher Entscheidungsgewalt auf unabhängige Gremien Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, 1993, S. 385 ff. m.w.N.; kritisch auch Classen, Demokratische Legitimation im offenen Rechtsstaat, 2009, S. 68: „eigene Entscheidungsrechte allenfalls in engen Grenzen“. 48 Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 257; Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 32: „Publikumsvorsorge für nachfrageschwache Kunst“; Stern, Staatsrecht, Bd. IV/2, 2011, S. 661 m.w.N.: Wirtschaftliche Kraft dürfe angemessen berücksichtigt werden. 49 Für die Subsidiarität der Kunstförderung Erbel, Inhalt und Auswirkungen der verfassungsrechtlichen Kunstfreiheitsgarantie, 1966, S. 176; Jung, Die Entwicklung des Kulturstaatsbegriffs, 1973, S. 113; Maihofer, in: Benda/ders./Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 1994, § 25 Rn. 94 f.; überraschend deutliche Beschränkung der Kunstförderung auf wirtschaftlich schwache Kunst im Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“, BT-Drs. 16/7000, S. 196; dagegen Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 28; unentschlossen Stern, Staatsrecht, Bd. IV/2, 2011, einerseits S. 349: Staatliches Tätigwerden sei „nur dort gestattet, wo die gesellschaftlichen Kräfte zur Gewährleistung einer vielfältigen und leistungsfähigen Kulturlandschaft nicht ausreichen, ohne dass vom Postulat einer aktiven staatlichen Kulturpolitik abgerückt werden müßte“. 50 Mihatsch, Öffentliche Kunstsubventionierung, 1989, S. 120 ff.; dagegen Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 257; Jung, Zum Kulturstaatsbegriff, 1976, S. 70 f.; Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 31: „Kulturauftrag des Staates ist kein Unterfall des staatlichen Sozialauftrags“; Stern, Staatsrecht, Bd. IV/2, 2011, S. 661 m.w.N. 51 Heckel, Staat – Kirche – Kunst, 1968, S. 89: Pflicht tendenziell allein zur „traditionellen Kunstpflege“; Jung, Zum Kulturstaatsbegriff, 1976, S. 70 f. (wenn anerkannt, aber in den Schatten getreten). 52 Jung, Zum Kulturstaatsbegriff, 1976, S. 70 f.; Weck, Verfassungsrechtliche Legitimationsprobleme öffentlicher Kunstförderung aus wirklichkeitswissenschaftlicher Perspektive, 2001, S. 31: „unverzichtbares“ Element der Kulturpolitik.
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Grenzen zu formulieren, sondern dienen als Verfassungsvorschläge für eine „selbstgewählte Beschränkung einer gut beratenen Kulturpolitik.“53 Auch der häufig verfolgte Ansatz, die rechtlichen Grenzen des Kulturstaats aus der Kunstfreiheit abzuleiten, führt im Ergebnis nicht zu einer spürbaren Begrenzung der staatlichen Befugnisse. Die „markante[n] Impulse“, die das Grundrecht dem Kulturstaat geben soll,54 belassen diesem beinah unbegrenzte Spielräume. Der Widerspruch zwischen dem abwehrrechtlichen Verbot55 und dem leistungsrechtlichen Gebot eines staatlichen Werturteils über die Kunst wird meist eher feststellend abgetan: „Eine Auswahl muss also getroffen werden. Wenn festgestellt wurde, dass dem Staat ein Kunstrichtertum untersagt ist, so bezieht sich das vornehmlich auf die Abwehr staatlicher Eingriffe, also den status negativus.“56 Insgesamt soll die Kunstfreiheit dem Kulturstaat allenfalls willkürliche Maßnahmen verbieten.57 Ansonsten richten sich die Grenzen nicht auf kulturstaatliche Einzelentscheidungen, sondern lediglich auf die Gesamtstrukturen der Kulturförderung. Die staatliche Kulturförderung habe „bei der Zusammenstellung der Palette ihrer Förderungsmaßnahmen – nicht notwendig bei jeder einzelnen Maßnahme – die Vielfalt zu berücksichtigen, in der sich Kunst heute darstellen kann.“58 Der Staat dürfe sich nicht einer „verbindlichen materiellen Kunst- und Kulturidee“ verpflichten;59 es müsse „insgesamt“ der künstlerischen Pluralität und „generell“ dem Verbot dirigistischer Lenkung Genüge getan werden.60 Die Kunstfreiheit sei nur verletzt, wenn die Kulturpolitik dazu diene, eine bestimmte Kunstauffassung zu verfestigen.61 53 Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 28, ausdrücklich nur zum Subsidiaritätsprinzip; auch generell – etwa bei Verstößen gegen das Gebot der Identifikation durch „unzulässige kulturelle Parteinahme“ – hält Steiner juristische Mittel aber für untauglich (a.a.O., S. 29); skeptisch zu richterlicher Kontrolle und verfassungsrechtlich justiziablen Kriterien auch Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 486. 54 v. Arnauld, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, 2009, § 167 Rn. 87. 55 Vgl. etwa BVerfGE 81, 278, 291: „Kunst ist einer staatlichen Stil- oder Niveaukontrolle nicht zugänglich.“ 56 v. Arnauld, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, 2009, § 167 Rn. 80. 57 Nordemann, FS Weber, 1974, S. 217, 218. Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 32, hebelt seinen engeren Ansatz, der Staat habe keine Befugnis, jemanden aus solchen Gründen von der Förderung auszuschließen, die „einen ordnungsrechtlichen Eingriff in die Kunstausübungsfreiheit nicht eröffnen würden“, selbst aus, indem er die realitätsgerechte Befürchtung, dass sich der Staat im Konfliktfall ausweichend auf seine Programm- und Qualitätskompetenz berufen werde, damit entkräftet, dafür gebe es „häufig“ auch „gute Gründe“ (ebd. in Fn. 119). 58 Evers, NJW 1983, S. 2161, 2166. 59 Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 19. 60 v. Arnauld, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, 2009, § 167 Rn. 80. 61 BVerwGE 23, 194, 200; zustimmend Nordemann, FS Weber, 1974, S. 217, 219. Skeptisch gegenüber den tatsächlichen Grundlagen der Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, der Staat habe durch seine Eingriffe (Steuerbegünstigung nach Prädikat der Filmbewertungs-
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Bei Lichte betrachtet laufen selbst diese kärglichen Vorgaben der Kunstfreiheit – und damit nach herrschender Ansicht des Verfassungsrechts überhaupt – für den Kulturstaat leer: Wenn die Grenze, die die Kunstfreiheit im Förderbereich zieht, erst erreicht ist, wenn der Staat den Kulturbereich monopolisiert,62 wird dadurch letztlich auf eine verfassungsrechtliche Einschränkung des Kulturstaats verzichtet, denn nach dieser Maßgabe ist ein Verfassungsverstoß durch kulturstaatliches Handeln schier unmöglich. Es ist schlechterdings undenkbar, dass eine solche Monopolisierung allein durch Förderung vonstattengeht, ohne dass davor und daneben auch staatliche Eingriffe in die Kunstfreiheit stattfinden, für die die Verfassung schon weit im Vorfeld derartiger Monopolisierungsversuche verfassungsrechtliche Grenzen statuiert. Es bleibt als allgemeine Leitlinie und Begrenzung der fromme Wunsch, der Staat möge seine Kulturpolitik „stets im Geiste der Kunstfreiheit […] erfüllen“.63
B. Stand der Forschung zur Legitimation des Kulturstaats Wie lässt sich – in einem Rechtsstaat64 – eine Staatstätigkeit begründen, die in einem solchen Ausmaß von rechtlichen Bindungen freigestellt wird? I. Die Bedeutung des Verfassungsrechts für die Legitimation Nach wie vor ist im Kulturverfassungsrecht die Auffassung verbreitet, „Kulturaufgabenwahrnehmung des staatlichen Gemeinwesens“ wurzele „in einer tieferen Schicht als in der Normativität von verfassungsrechtlich positivierten Kulturstaatsklauseln“.65 Kultur soll der schnöden, technischen Sphäre des Rechts überhaupt enthoben sein. Obwohl das „auffällige Schweigen des Grundgesetzes über den Begriff des Kulturstaates“66 schon früh bemerkt wurde, genügte in den jungen Jahren des Grundgesetzes die Berufung auf die Sache „Kultur“, um den Zugriff des Staates stelle) die Grundrechtsausübung praktisch unmöglich gemacht Knies, Schranken der Kunstfreiheit als verfassungsrechtliches Problem, 1967, S. 227 in Fn. 234. 62 v. Arnauld in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, 2009, § 167 Rn. 82: Grenze sei erreicht, „wenn durch die Auswahlpolitik insgesamt monopolähnliche Zustände geschaffen werden“. 63 Erbel, Inhalt und Auswirkungen der verfassungsrechtlichen Kunstfreiheitsgarantie, 1966, S. 179. 64 Vgl. die rechtsstaatlich begründete Kritik gegenüber „Staatsgüte“ von Leisner, NJW 2001, S. 1329, 1331. 65 Weck, Verfassungsrechtliche Legitimationsprobleme öffentlicher Kunstförderung aus wirklichkeitswissenschaftlicher Perspektive, 2001, S. 121, im Anschluss an Evers, NJW 1983, S. 2161, 2166. 66 Maihofer, in: Benda/ders./Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 1994, § 25 Rn. 3.
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zu rechtfertigen.67 Es schien kaum denkbar, das Recht gegen die Kultur – denn nur Kulturstaatlichkeit, darüber bestand Einigkeit, konnte diese hervorbringen – in Anschlag zu bringen. Vielmehr war oftmals „die Herausarbeitung großer, der dogmatischen Begründung enthobener Linien des Kulturrechts die dem Gegenstand ,Kultur‘ kongeniale Bearbeitungsweise der Rechtswissenschaft“.68 In einer Linie mit der Auffassung, das Recht könne zu den Befugnissen des Kulturstaats wenig beitragen, steht der Versuch, Grenzen des Kulturstaats (allein) aus dem Kulturbegriff oder dem Kulturstaatsbegriff selbst abzuleiten.69 Die Debatte war geprägt von formelhaften Bekundungen zur Autonomie der Kunst, die sich aus der Kunstfreiheit oder dem Wesen der Kunst als Kulturphänomen ableiten sollte, ohne aber die Verfassungsmäßigkeit der traditionellen und weiterentwickelten kulturstaatlichen Praxis im Kern oder auch nur in Randbereichen zu berühren. Zwischen Staat und Kultur ist nach dieser klassischen Auffassung für das Recht kein Raum; es weicht der Gesamtheit im Einzelfall ungebundener Kulturstaatstätigkeiten, die im Wege spukhafter Emergenz zu einer höheren Stufe der Staatlichkeit, kultureller Staatlichkeit, zusammenfinden sollen. In jüngerer Zeit mehren sich gegenüber dieser klassischen Auffassung kritische Stimmen.70 Die Eigenarten der Debatte haben sich über die Jahre verschoben. Wenn auch im Ergebnis nach wie vor Konsens besteht, steht die Verfassungsmäßigkeit des Kulturstaats unter zunehmendem Rechtfertigungsdruck. Herkömmliche Begründungen werden in Frage gestellt,71 und über dem Grundgesetz schwebende Ausführungen einer verfassungsrechtlichen Beurteilung unterzogen.72 Dem verfassungsrechtlichen Pragmatismus, dass es Kunstförderung nun mal gebe und sie daher gerechtfertigt sein müsse,73 wird die ungleich lebhaftere Diskussion in anderen
67 Kritisch referierend und eine darüber hinausgehende Begründung verlangend Evers, NJW 1983, S. 2161, 2166; Grimm, VVDStRL 42 (1984), S. 46, 63 in Fn. 41; Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 447; Lenski, Offentliches Kulturrecht, 2013, S. 297. 68 Steiner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, 2006, § 86 Rn. 2; so bereits in der ersten Auflage dieses Band des Handbuchs (Bd. III, 1988, § 86 Rn. 2); vgl. Höfling, DÖV 1985, S. 387, 389, der verwundert feststellt, bei der (kleinlichen) Frage nach dem Gesetzesvorbehalt für Subventionen gebe es im Kulturbereich einen „immensen Nachholbedarf“. 69 In diese Richtung Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 10 in Fn. 14: Die Wahrnehmung der Allzuständigkeit des Staates könne zum Verlust der Kulturstaatlichkeit führen. 70 Ein Gegenbeispiel bildet die (jedenfalls hinsichtlich der hier zu behandelnden Fragen) ganz in den klassischen Bahnen verlaufende Arbeit von Germelmann, Kultur und staatliches Handeln, 2013. 71 Vgl. etwa die Nachweise oben in Fn. 8 sowie die nachfolgenden. 72 Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, zum Kulturstaatkonzept Hubers. 73 Beispiele bilden Knies, Schranken der Kunstfreiheit als verfassungsrechtliches Problem, 1967, S. 205 f.; Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 15 in Fn. 37.
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Ländern entgegengehalten.74 Pauschalen Förderpflichten gegenüber wird auf den „nicht mehr bestimmbaren Kompetenzzuwachs des Staates“ hingewiesen.75 Nicht zuletzt wird auch das Staatsbild, von dem die frühere Verfassungslehre ausging, in Zweifel gezogen.76 Staatliche Kunstförderung gilt in der neueren Literatur nicht mehr als unantastbar.77 Inzwischen ist auch die „Verfassungswidrigkeit staatlicher Kunstförderung“ kein verbum prohibitum mehr.78 II. Die Bedeutung der tatsächlichen gesellschaftlichen Bedingungen der Kunst für die Legitimation Die jüngeren Tendenzen haben den verfassungsrechtlichen Konsens bislang freilich nicht durchbrochen.79 Die Ansicht, der Staat sei zur „Überantwortung“ der Kultur an die Gesellschaft verpflichtet, wird nur vereinzelt und mit Zurückhaltung vertreten.80 Warum bleibt die Verfassungsmäßigkeit des Kulturstaats trotz aller Kritik an älteren Ansätzen in der Verfassungslehre im Ergebnis unangefochten? Die einende Klammer der unterschiedlichen Ansätze ist die weiterhin geteilte Annahme, ohne den Staat ginge es nicht. Nach der traditionellen und auch heute noch überwiegenden Ansicht ist der Staat – jedenfalls im Ergebnis – „selbstverständlich“ zur Kulturförderung befugt, wenn nicht sogar verpflichtet.81 Der grundlegende Aufsatz Hubers,82 von Geis verfassungsrechtlich eindrucksvoll widerlegt,83 wirkt im Tat74 Vgl. die Nachweise bei Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 441 in Fn. 40 und die Beiträge in Cummings/Katz (Hrsg.), The Patron State, 1987 (insbesondere deren Beitrag „Government and the Arts in the Modern World“, ebd., S. 350 ff.) sowie Netzer, The subsidized Muse, 1978. 75 Heuer, Die Besteuerung der Kunst, 1984, S. 105; ähnlich Geißler, Kunstförderung nach Grundgesetz und Recht der EG, 1995, S. 45 f., 66 f. 76 Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 221 ff., 229. 77 Sehr zurückhaltend hinsichtlich Erforderlichkeit und Nutzen der Kunstförderung und einer Abschaffung jeglicher Förderung gegenüber tendenziell aufgeschlossen Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 436 ff., 486 f. 78 Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 441 f.; 486 f., dessen abschließende Ausführungen nur knapp zugunsten der Beibehaltung der staatlichen Kunstförderung ausschlagen. 79 So auch Wittreck, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 2013, Art. 5 III (Kunst) Rn. 2: „hoheitliche Indienstnahme der Kunst […] wird aber praktisch nicht problematisiert, sondern ist als Mäzenatentum grundsätzlich positiv konnotiert“. 80 Heuer, Die Besteuerung der Kunst, 1984, S. 114 ff.; tendenziell einschränkend ders., NJW 1985, S. 232 ff. 81 Für eine Pflicht Kadelbach, NJW 1997, S. 1114, 1117; Knies, Bitburger Gespräche 1977/ 78, S. 141, 155 f.; Maunz, BayVBl. 1970, S. 354, 354; Schäuble, Rechtsprobleme der staatlichen Kunstförderung, 1965, S. 100; Scheuner, Bitburger Gespräche 1977/78, S. 113, 121: „in gewissem Umfang verpflichtet“; das ältere Schrifttum zur Förderpflicht kritisch referierend Heuer, Die Besteuerung der Kunst, 1984, S. 96 ff. 82 Huber, Zur Problematik des Kulturstaats, Tübingen 1958; Wiederabdruck in: Häberle (Hrsg.), Kulturstaatlichkeit und Kulturverfassungsrecht, 1982, S. 122 ff.
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sächlichen ungehindert weiter: Die Gefahren „gesellschaftlicher Mächte“ im Bereich der Kunst sind weithin unbestritten;84 gleichzeitig ist das Vertrauen, der Kulturstaat könne diesen Gefahren entgegenwirken, ohne neue Gefahren zu begründen, nahezu ungebrochen.85 Dies erschwert die verfassungsrechtliche Auseinandersetzung mit dem Kulturstaat. Grundsätzliche Fragen des Kulturverfassungsrechts werden nebensächlich,86 wenn einmal – aus der Natur der Sache heraus – die Entscheidung gefällt ist: Kulturstaat muss sein.87 Die Schwäche des Rechts in Form der nur rudimentären verfassungsrechtlichen Bindung des Kulturstaats hat ihren Grund nicht zuletzt darin, dass die tatsächlichen Annahmen, die dem Kulturstaatsdiskurs zugrunde liegen, nach wie vor unterbelichtet sind. III. Defizite bei der Behandlung der Legitimationsbedürftigkeit Dies gilt in besonderer Weise für die Frage der Legitimationsbedürftigkeit. Wenn das Ergebnis – die Verfassungsmäßigkeit staatlicher Kunstförderung – vorgezeichnet ist, ist es müßig, die Frage zu konkretisieren, auf die dieses Ergebnis die Antwort ist. Dementsprechend erlangen Aspekte, die der Kunstförderung entgegenstehen könnten, sowohl in tatsächlicher als auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht wenig Beachtung.88 Erkannt wurden Gefahren, die mit dem Bild des „goldenen Zügels“ 83 Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990; grundsätzliche Zustimmung etwa bei Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 465 in Fn. 131; Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 373 ff.; Palm, Kunstförderung zwischen Kunstfreiheitsgarantie und Kulturstaat, 1998, S. 21; Stern, FS Heckel, 1999, S. 857, 864 f.; vgl. die Besprechung von Schulze-Fielitz, ZRP 1991, S. 271, der die Frage aufwirft, wie die Staatslehre Huber so lange „unreflektiert“ folgen konnte. 84 Aus der neueren Literatur Mihatsch, Öffentliche Kunstsubventionierung, 1989, S. 48; Pabel, Grundfragen der Kompetenzordnung im Bereich der Kunst, 2003, S. 167; Weck Verfassungsrechtliche Legitimationsprobleme öffentlicher Kunstförderung aus wirklichkeitswissenschaftlicher Perspektive, 2001, S. 127. Vgl. bereits Heckel, Staat – Kirche – Kunst, 1968, S. 83; F. Müller, Freiheit der Kunst als Problem der Grundrechtsdogmatik, 1969, S. 79; Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 442 f.; auch Geis geht stillschweigend von der Notwendigkeit staatlicher Kulturpflege aus (Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 231 ff., 235 f.). 85 Kritisch gegenüber dem großen „Zutrauen in den kultursichernden, ja kulturschaffenden Staat“ auf der Staatsrechtslehrertagung 1983 Haverkate, AöR 108 (1983), S. 625, 635. 86 Huster, Die ethische Neutralität des Staates, S. 441 beklagt diesbezüglich zu Recht die „sehr enge, fast schon provinzielle Sichtweise“. 87 Kritisch zu einer solchen „Argumentation“ in der öffentlichen Debatte A. Klein, in: Heinze (Hrsg.), Kultur und Wirtschaft, 1995, S. 183, 197: Ein Motto wie „Theater muß sein“ sei „kaum mehr als ein trotziges Manifest korporativer Handlungslogik, das sich offenkundig noch nicht einmal die Mühe machen muß, positiv den einen oder anderen (möglicherweise guten) Grund dafür anzugeben, warum Theater sein sollte“ (Hervorhebungen im Original). 88 Paradigmatisch dafür sind die neuesten Arbeiten von Lenski, Öffentliches Kulturrecht, 2013, und Germelmann, Kultur und staatliches Handeln, 2013, die der Legitimationsbedürf-
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umschrieben werden.89 Den Folgen, die der goldene Zügel für Ross und Reiter zeitigt, und den verfassungsrechtlichen Konsequenzen dieser Folgen wird allerdings nur eine stiefmütterliche Behandlung zuteil.90 Wo die Frage nicht gänzlich in verfassungstheoretische Sphären verlagert wird,91 wird das Unbehagen in aller Kürze und Unschärfe beiseitegeschoben92 und jedenfalls nicht in verfassungsrechtliche Bahnen gelenkt.93 An dieser Stelle sind aber tatsächliche und verfassungsrechtliche Fragen besonders eng, in Wechselseitigkeit verknüpft: Die fehlende Beschäftigung mit den tatsächlichen Gefahren durch staatliche Kunstförderung lässt die Bereitschaft sinken, sich mit der Frage zu befassen, warum eine Legitimation verfassungsrechtlich geboten ist, und umgekehrt führt die unzureichende Auseinandersetzung mit einer verfassungsrechtlichen Verankerung der Rechtfertigungsbedürftigkeit zu einer Vernachlässigung der tatsächlichen Gefahren. Zugleich kann eine Untersuchung sich nicht auf allgemeine Überlegungen zum Verhältnis von Staat und Kunst beschränken: Bleiben die Gefahren kulturstaatlicher Kunstförderung im Ungefähren, muss tigkeit jeweils keine zwei vollen Seiten widmen (Lenski, a.a.O., S. 295 – 297; Germelmann, a.a.O., S. 373 f.). 89 Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 252; Höfling, ZUM 1985, S. 354, 356 m.w.N.; Mihatsch, Öffentliche Kunstsubventionierung, 1989, S. 42 ff. Weck, Verfassungsrechtliche Legitimationsprobleme öffentlicher Kunstsubventionierung, 2001, S. 173 f. 90 Die hat zur Folge, dass Einwände, die sich gegen den Kulturstaat als solches richten, nicht in richtige Bahnen gelenkt werden; die gilt etwa für die kunstförderungsskeptischen Ausführungen Heuers (Die Besteuerung der Kunst, 1984, S. 96 ff.) und Sturhans (Kunstförderung zwischen Verfassung und Finanzkrise, 2003, S. 91 ff.), die sich nur gegen eine Kunstförderungspflicht wenden, und die kulturstaatskritischen Ausführungen Husters (Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 456 f.), die sich nur gegen die institutionelle Deutung der Kunstfreiheit richten. 91 Schäuble, Rechtsprobleme der staatlichen Kunstförderung, 1965, S. 100 f.; Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 16 f.; ähnlich v. Hippel, DÖV 1950, S. 257 ff.: Rechtspolitik; F. Müller, Freiheit der Kunst als Problem der Grundrechtsdogmatik, 1969, S. 129: Verfassungspolitik; unentschlossen Kopke, Rechtschreibung und Verfassungsrecht, 1995, S. 389 in Fn. 101. 92 Etwa Erbel, Inhalt und Auswirkungen der verfassungsrechtlichen Kunstfreiheitsgarantie, 1966, S. 173, der in einem Halbsatz den Schutz gegen „zwangsweise staatliche Manipulation“ anreißt; Knies, Bitburger Gespräche 1977/78, S. 141, 160, der andeutet, die Grenze zur Manipulation könne leicht „verschwimmen“; Schäuble, Rechtsprobleme der staatlichen Kunstförderung, 1965, S. 79 f., der mit spärlichen Worten auf die Spannung zur ästhetischen Neutralität des Staates hinweist. 93 Etwa Huster, VVDStRL 65 (2006), S. 51, 63 in Fn. 47; ders., Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 458 ff., dessen Ausführungen zum „kontrafaktischen“, weil dem Willen des Publikums entgegenlaufenden Charakter der Kunstförderung keine rechtliche Einordnung folgt. Der Rechtfertigungsbedarf bleibt dann ein ökonomischer (vgl. ders., Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 459 in Fn. 114). Ein anderes Beispiel sind die Ausführungen von Lenski, Öffentliches Kulturrecht, 2013, S. 335, die von der staatlichen „Nichtintervention“ einen Qualitätsgewinn der Kunst erwartet, weil der Künstler nicht der staatlichen Erwartungshaltung ausgesetzt sei, sich aber nicht um daraus abzuleitende rechtliche Folgerungen bemüht.
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auch ihre verfassungsrechtliche Einordnung oberflächlich, lückenhaft und fehleranfällig bleiben; fehlt die verfassungsrechtlich präzise Einordnung, fehlen umgekehrt die Maßstäbe, mögliche Gefahren verfassungsrechtlich zu bewerten. IV. Defizite bei der Behandlung der Legitimationsfähigkeit Damit fehlt zugleich das Fundament einer verfassungsrechtlichen Erörterung der Legitimationsfähigkeit des Kulturstaats. Dies wird auch daran deutlich, dass der festgestellten Einigkeit darüber, dass staatliche Kunstförderung notwendig ist, keine Einigkeit darüber zur Seite steht, warum sie notwendig ist. Ein schlagwortartiger Überblick vermittelt die Vielzahl und Vielfalt legitimatorischer Ansätze: Kulturstaatlichkeit, Kunstfreiheit, Kunstautonomie, Menschenwürde, Publikumserziehung, Identitätsvorsorge, Gelingensvoraussetzung der Verfassung.94 Die Antwort auf die Frage, ob die Kunstförderung gerechtfertigt ist, kann nicht unabhängig davon gegeben werden, warum sich die Kunstförderung rechtfertigen muss. Wenn die verfassungsrechtliche Legitimationsbedürftigkeit unklar bleibt, wird die Diskussion über rechtfertigende Gründe schnell zum juristischen Glasperlenspiel: Sie bedient sich hier und da außerrechtlicher Erkenntnisse und verknüpft diese mit verfassungsrechtlichen Begriffen, erschöpft sich aber in ihrem Selbstzweck, ohne auf die Rechtswirklichkeit einwirken zu wollen. Zugleich wirken bei der Frage der Legitimationsfähigkeit Verfassungsrecht und tatsächliche gesellschaftliche Gegebenheiten nicht minder zusammen als bei der Frage der Legitimationsbedürftigkeit: Voraussetzung für eine verfassungsrechtliche Antwort ist, dass die rechtstatsächliche Frage hinreichend bestimmt ist; erforderlich ist eine Konkretisierung der gesellschaftlichen Gefahren samt ihrer Art und Herkunft und der Erwartungen, die an das staatliche Tätigwerden zur Abwehr dieser Gefahren gestellt werden. Nur anhand bestimmbarer Lebenssachverhalte kann das Verfassungsrecht die Frage beantworten, vor welchen Gefahren der Staat Schutz gewähren soll und welche Gefahren als verfassungsrechtlich irrelevant seiner Gewalt entzogen sind. Je pauschaler die Gefahren benannt werden, umso beliebiger ist auch die verfassungsrechtliche Verankerung den Kulturstaat rechtfertigender Gründe. Wenn etwa die Gesellschaft als Bedrohung der Kunst angesehen wird, bedarf es einer Konkretisierung, welche tatsächlichen Auswirkungen und damit welche Gefahren für welche Rechtsgüter staatliche Eingriffe begründen. Wenn andererseits der Kultur eine unverzichtbare Rolle für die (staatliche) Gemeinschaft zugeschrieben wird, bedarf es einer über den Gebrauch von Schlagwörtern wie „Identität“ oder „Integration“ hinausgehenden Erläuterung, was konkret von der Kunst erwartet wird. Dann lässt sich untersuchen, ob ihr eine solche Rolle zukommt, und ob der Staat ihr dabei aus Sicht des Verfassungsrechts zur Seite stehen soll und darf.
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Diese Ansätze sind Gegenstand des zweiten Teils dieser Arbeit.
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C. Zwischenergebnis Die direkte kulturstaatliche Kunstförderung ist geprägt durch einen verfassungsrechtlich nahezu unbegrenzten Spielraum der staatlichen Organe. Die in der Verfassungslehre vorgeschlagenen kulturstaatlichen Prinzipien fungieren eher als kulturpolitische Postulate denn als rechtliche Grenzen. Im Ergebnis sind nach herrschendem Kulturverfassungsrecht allenfalls willkürliche Maßnahmen verboten. Die in einem Verfassungsstaat erstaunlich geringe verfassungsrechtliche Bindungswirkung des Kulturstaats ist nach klassischer Auffassung auf die besondere Beziehung von Staat und Kultur zurückzuführen, die jenseits rechtlicher Vorgaben stehen soll. In jüngerer Zeit werden zwar erhöhte Anforderungen an die verfassungsrechtliche Verankerung der kulturstaatlichen Befugnisse gestellt. Das Ergebnis, dass der Kulturstaat gerechtfertigt sein muss, bleibt allerdings aufgrund fortwirkender rechtstatsächlicher Annahmen weiterhin nahezu unangefochten. Die angenommenen tatsächlichen gesellschaftlichen Gegebenheiten sind bisher kaum hinterfragt worden. Sie sind jedoch sowohl für die Frage, ob sich die kulturstaatliche Kunstförderung rechtfertigen muss, als auch für die Frage, ob eine solche Rechtfertigung gelingt, von entscheidender Bedeutung. Die Frage nach der Legitimationsbedürftigkeit des Kulturstaats setzt Klarheit darüber voraus, welche tatsächlichen Auswirkungen der kulturstaatlichen Kunstförderung und damit welche Gefahren für welche Rechtsgüter die Rechtfertigungsbedürftigkeit begründen. Auswirkungen und mögliche Gefahren der kulturstaatlichen Kunstförderung sind in der bisherigen Diskussion weder tatsächlich noch verfassungsrechtlich hinreichend gewürdigt worden. Ohne die tatsächlichen Gefahren durch die staatliche Kunstförderung konkret zu benennen, bleibt aber auch die verfassungsrechtliche Einordnung dieser Gefahren unvollständig. Damit fehlt das Fundament einer verfassungsrechtlichen Erörterung der Legitimationsfähigkeit des Kulturstaats. Die Antwort auf die Frage, ob die Kunstförderung gerechtfertigt ist, kann nicht unabhängig davon gegeben werden, warum sich die Kunstförderung rechtfertigen muss. Zugleich fehlt es der Diskussion um die Legitimationsfähigkeit des Kulturstaats an einer tiefergehenden Auseinandersetzung darüber, vor welchen konkreten Gefahren die Kunstförderung schützen soll und welche (Gemeinschafts-)Ziele ohne sie nicht erreicht würden, vor allem aber darüber, an welcher Stelle diese Gründe verfassungsdogmatisch zu verorten sind und ob die Verfassung mithin ein kulturstaatliches Tätigwerden erfordert oder zumindest erlaubt. Das anhaltende wissenschaftliche Interesse95 zeigt, dass weiterhin grundlegende Fragen des Kulturverfassungsrechts nicht abschließend beantwortet sind. Diese 95 Die unverminderte Aktualität belegen etwa die erneute Beschäftigung mit dem Thema auf der Staatsrechtslehrertagung 2005 mit den Beiträgen zu „Kultur im Verfassungsstaat“ von Huster, VVDStRL 65 (2006), S. 51 ff. und Sommermann, a.a.O., S. 7 ff. sowie die Monographien aus jüngerer und jüngster Zeit von Germelmann, Kultur und staatliches Handeln,
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Arbeit unternimmt den Versuch, dem Verfassungsrecht auch im Bereich der staatlichen Kunstförderung mehr Geltung zu verleihen. Einen Schwerpunkt wird es dabei bilden, die tatsächlichen Gegebenheiten der Kunst im Rahmen verfassungsrechtlicher Fragestellungen zu untersuchen. Dabei soll die Entwicklung der bisherigen Kulturstaatsdebatte weitergeführt werden, von abstrakten Konzepten über Staat und Kultur hinabzusteigen zu konkreten Tatsachen und verfassungstheoretische durch verfassungsrechtliche Überlegungen zu ersetzen. Die Arbeit ist von der Hoffnung getragen, dass sie neue Erkenntnisse zutage fördert, die „das bisherige Recht in neuem Licht erscheinen lassen“ oder „Recht und Rechtswissenschaft […] zwingen, die herkömmlichen Inhalte zu verteidigen“.96
D. Gang der Untersuchung Diese Arbeit möchte eine grundlegende Untersuchung der Legitimation des Kulturstaats durchführen. Dazu soll zunächst die Legitimationsbedürftigkeit des Kulturstaats verfassungsrechtlich begründet werden (Erster Teil). Auf dieser Basis sollen mögliche Rechtfertigungsgründe einer verfassungsrechtlichen Prüfung unterzogen werden (Zweiter Teil). Im ersten Teil sollen zunächst allgemein die Frage nach der Legitimationsbedürftigkeit des Kulturstaats behandelt und Ansätze für die Rechtfertigungsbedürftigkeit im Schrifttum erörtert werden (§ 3). Im Anschluss folgt eine umfassende Darstellung des Verhältnisses von Kulturstaat und Demokratieprinzip (§ 4). Dazu ist zunächst der Anwendungsbereich des Demokratieprinzips zu bestimmen (§ 4 A.) und zu untersuchen, ob der kulturelle Diskurs in diesen Anwendungsbereich fällt (§ 4 B.). Ist dies der Fall, gilt es darzulegen, ob die Kulturförderung zum Gebot der Staatsfreiheit des Demokratieprinzips im Widerspruch steht; dies erfolgt anhand der tatsächlichen Wirkungen und der potentiellen Gefahren der Kunstförderung (§ 4 C.). Der erste Teil schließt mit einer Darstellung der Anforderungen, die das Demokratieprinzip an die Legitimation stellt (§ 5). Im zweiten Teil sollen Ansätze zur Rechtfertigung des Kulturstaats untersucht werden. Dazu wird zunächst untersucht, ob die Kunst auf staatliche Förderung angewiesen ist (§ 6). Eine solche Angewiesenheit könnte sich zum einen unter dem Gesichtspunkt der Freiheit der Kunst ergeben (§ 6 A.). Über diesen Ansatz entscheidet vor allem die Auslegung der Kunstfreiheit. Die Kunst könnte zum anderen qualitativ von staatlicher Förderung abhängig sein (§ 6 B.). Hier spielen sowohl die 2013; Lenski, Öffentliches Kulturrecht, 2013; Mihatsch, Öffentliche Kunstsubventionierung, 1989; Palm, Öffentliche Kunstförderung zwischen Kunstfreiheitsgarantie und Kulturstaat, 1998; Weck, Verfassungsrechtliche Legitimationsprobleme öffentlicher Kunstförderung aus wirklichkeitswissenschaftlicher Perspektive, 2001. 96 Häberle, Verfassungslehre als Kulturwissenschaft, 1998, S. 227; zitiert (nach der ersten Auflage) auch bei Weck, Verfassungsrechtliche Legitimationsprobleme öffentlicher Kunstförderung aus wirklichkeitswissenschaftlicher Perspektive, 2001, S. 15.
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institutionelle Deutung der Kunstfreiheit als auch kunstökonomische Ansätze eine Rolle. Das daran anschließende Kapitel setzt sich damit auseinander, inwiefern der Staat auf Kunst angewiesen ist, und ob dies zur Rechtfertigung der Kunstförderung beitragen kann (§ 7). Dazu gilt es zu untersuchen, ob staats- oder demokratietheoretische Erwägungen eine kulturelle Integration der Gesellschaft erfordern (§ 7 A.). Im Anschluss ist der Frage nachzugehen, ob der Staat einen etwaigen Integrationsbedarf selbst befriedigen darf, oder ob ein solches Bedürfnis verfassungsrechtlich der Gesellschaft überlassen werden muss (§ 7 B.). Schließlich ist zu beantworten, ob die Kunstförderung ein taugliches Mittel einer staatlichen Integrationsaufgabe sein könnte (§ 7 C.). Der letzte Abschnitt dieses Kapitels geht auf die Alternative einer politischen Integration ein (§ 7 D.). Der zweite Teil endet mit Erörterungen zur Einfügung einer Kulturklausel in das Grundgesetz (§ 8). Den Schlussteil der Arbeit bilden ein Kapitel mit einer theoretischen Reflexion der Ergebnisse (§ 9) und ein Kapitel, das sich mit praktischen Perspektiven für das Verhältnis von Staat und Kultur befasst (§ 10).
Erster Teil
Legitimationsbedürftigkeit staatlicher Kunstförderung § 3 Grundlagen der Legitimationsbedürftigkeit des Kulturstaats A. Die Allzuständigkeit des Staates Im Kulturverfassungsrecht wird häufig der Grundsatz der Allzuständigkeit des Staates1 betont: Zwar sei das Grundgesetz kulturpolitisch enthaltsam;2 dies stehe einer positiven Zuwendung zur Kultur aber nicht entgegen, da staatliches Handeln generell und damit auch kulturstaatliches Handeln keiner verfassungsrechtlichen Erlaubnis bedürfe und daher unter keinem Verfassungsvorbehalt stehe.3 Für die Befugnis des Gesetzgebers zur Regelung der Rechtschreibung4 hat dies auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Rechtschreibreform betont: „Dem Grundgesetz liegt nicht die Vorstellung zugrunde, daß sich jede vom Staat ergriffene Maßnahme auf eine verfassungsrechtliche Ermächtigung zurückführen lassen müsse. Es geht vielmehr von der generellen Befugnis des Staates zum Handeln im Gemeinwohlinteresse aus, erlegt ihm dabei aber sowohl formell als auch materiell bestimmte Beschränkungen auf. Ein Regelungsverbot kann sich unter diesen Umständen nicht schon aus einer fehlenden verfassungsrechtlichen Ermächtigung, sondern nur aus den verfassungsrechtlichen Schranken staatlicher Entscheidungen ergeben.“5
Die Allzuständigkeit befreit den Staat also von der Last, jede seiner Maßnahmen rechtfertigen zu müssen. Das Grundgesetz spricht – wie man es in einem demokratischen Staat auch erwarten kann – eine Vermutung aus, dass der Staat das Ge1 Wegen der kompetenzrechtlichen Beschränkungen auch einschränkend „virtuelle Allzuständigkeit“, vgl. Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 20 [57. Lfg. 2010] Rn. 9 m.w.N. 2 So die Formulierung von Häberle, Kulturverfassungsrecht im Bundesstaat, 1980, S. 22. 3 Für das Kulturverfassungsrecht Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 446; Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 16 f.; unentschieden Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 10 in. Fn. 14; anders, nämlich für einen Grundsatz der Staatsfreiheit des Kunstlebens plädierend, Weck, Verfassungsrechtliche Legitimationsprobleme öffentlicher Kunstförderung aus wirklichkeitswissenschaftlicher Perspektive, 2001, S. 38 f. m.w.N. 4 Zu deren kulturstaatlichen Bezügen Kopke, Rechtsschreibung und Verfassungsrecht, 1995, S. 372 ff. 5 BVerfGE 98, 218, 246.
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1. Teil: Legitimationsbedürftigkeit staatlicher Kunstförderung
meinwohl verfolgt. Eine Rechtfertigung wird erst erforderlich, wenn die Verfassung eine solche Rechtfertigung gebietet. Umgekehrt wird daher ein grundgesetzliches Subsidiaritätsprinzip – auch im Bereich der Kulturförderung –6 weithin abgelehnt. Das Subsidiaritätsprinzip, sofern ihm überhaupt neben dem Erfordernis, der Staat dürfe nur bei mangelnder gesellschaftlicher Erfüllung von Gemeinwohlzielen tätig werden, ein allgemeiner Rechtfertigungsbedarf staatlichen Tätigkeitwerdens entnommen werden kann,7 stellt der Allzuständigkeit des Staates nach ganz herrschender Meinung keine allgemeine verfassungsrechtliche Grenze.8 Dass eine Rechtfertigung des Kulturstaats geboten ist, entspricht andererseits offenbar einer verbreiteten rechtlichen Intuition.9 Auch dort, wo die Allzuständigkeit betont und ein Verfassungsvorbehalt abgelehnt wird, werden Gründe für die staatliche Kulturpolitik vorgebracht, deren es nach Ansicht dieser Autoren eigentlich nicht bedürfte.
B. Ansätze einer Rechtfertigungsbedürftigkeit im Schrifttum I. Staatsfreiheitsgebot der Kunstfreiheit Obwohl die Grundrechte dem Staat zweifellos Grenzen setzen, vermögen sie keinen umfassenden Rechtfertigungsbedarf allen staatlichen Handelns auszulösen und ebenso wenig einen Rechtfertigungsbedarf des Kulturstaats. Auch dem Grundrecht der Kunstfreiheit ist ein allgemeines Gebot der „Staatsfreiheit“ der Kunst nicht zu entnehmen. Schon die in der Literatur zu findenden Formulierungen belegen, dass auch bei den Befürwortern eines Staatsfreiheitsgebots aus der Kunstfreiheit große Unsicherheit über ihr Ergebnis herrscht: Die Freiheit der Kunst werde
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Steiner, VVDStRL 42 (1984) S. 7, 29; Erbel hingegen (Inhalt und Auswirkungen der verfassungsrechtlichen Kunstfreiheitsgarantie, 1966, S. 176) leitet ein Subsidiaritätsgebot aus Art. 5 Abs. 3 GG ab; ähnlich wohl Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 9, insb. in Fn. 11. 7 Dazu Isensee, Subsidiarität und Verfassungsrecht, 2001, S. 35 ff., 44 ff. 8 So auch das Fazit der grundlegenden Arbeit von Isensee, Subsidiarität und Verfassungsrecht, 2001, S. 314 f.: „rechtsethisches […] Prinzip“, das „nur über die Grundrechte normative Wirkungen zeitigt“; ablehnend für den Subventionsbereich Kämmerer, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, 2007, § 124 Rn. 4; kritisch zum Subsidiaritätsprinzip auch Herzog, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, 2006, § 72 Rn. 35, insb. in Fn. 41, der wegen der „Interdependenz aller gesellschaftlichen Probleme“ keine Alternative zur staatlichen Allzuständigkeit sieht; das Subsidiaritätsprinzip könne nur sinnvolles Hilfsmittel staatlicher Aufgabenwahl sein. 9 Ebenso die Einschätzung von Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 446.
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„formal“ am besten bei staatlicher kultureller Abstinenz gewährleistet.10 Die Kunstfreiheitsgarantie habe den Staat „in die Distanz gewiesen“.11 Zwischen Kunstfreiheit und Kunstförderung bestehe „eher ein Spannungs- als ein Entsprechungsverhältnis“, daher finde Kunstförderung „tendenziell trotz“ der Kunstfreiheit statt.12 Die Kunstfreiheit sei „Element“ der staatlichen Kulturförderung;13 ihr lasse sich ein „Gebot partieller ,Staatsfreiheit‘“ entnehmen.14 Die Unsicherheit ist berechtigt. Die Grundrechte begründen keine vom Einzelfall losgelöste Grenze des Staates, sondern nur die Rechtfertigungsbedürftigkeit staatlichen Handelns, das in den Schutzbereich eines (oder mehrerer) Grundrechte eingreift.15 Ob aber ein Eingriff in die Kunstfreiheit vorliegt, ist sehr fraglich.16 In Einzelfällen – etwa durch Förderauflagen oder bei Verdrängungswirkungen17 – mag ein Eingriff vorliegen.18 Grundsätzlich aber birgt die Kunstförderung nur Gefahren für die Freiheit, greift hingegen nicht in sie ein.19 Entsprechend eingeschränkt sind die Rechtsfolgen, die der Kunstfreiheit für den Kulturstaat entnommen werden können. Die Kunstfreiheit mag Verfahrensanforderungen stellen und Prinzipien der Kunstförderung vorgeben; eine allgemeine Rechtfertigungsbedürftigkeit der Kunstförderung gebietet sie nicht.20 Die Kunst-
10 Pabel, Grundfragen der Kompetenzordnung im Bereich der Kunst, 2003, S. 167, die freilich sofort einschränkt, dass staatliche Unterstützung unentbehrlich geworden sei. 11 Heuer, Besteuerung der Kunst, 1984, S. 101. 12 Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 471 (Hervorhebungen nur hier). 13 Palm, Öffentliche Kunstförderung zwischen Kunstfreiheitsgarantie und Kulturstaat, 1998, S. 33 f. 14 Britz, EuR 2004, S. 1, 19. 15 Anders offenbar Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 230 f. Geis leitet aus den Grundrechten, insbesondere aus Art. 1 Abs. 3 GG, ein Subsidiaritätsprinzip ab; wie Geis richtig erkennt, aber nicht konsequent zu Ende formuliert, erfassen die Grundrechte jedoch nur das „Wie“, nicht das „Ob“ staatlichen Tätigwerdens (so auch Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 471 zur Bedeutung des Art. 5 Abs. 3 GG für die Kunstförderung). 16 Höfling, ZUM 1985, S. 254, 256 spricht ausweichend von „Ingerenz“ und einem „Vorgehen“ im Schutzbereich der Kunstfreiheit. 17 Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 472; a. A. Haverkate, Subventionsrecht, in: Schmidt (Hrsg.), Öffentliches Wirtschaftsrecht, BT I, 1995, § 4 Rn. 68. 18 Knies, Schranken der Kunstfreiheit als verfassungsrechtliches Problem, 1967, S. 227 in Fn. 234. 19 Auch das Bundesverfassungsgericht hat organisatorische Maßnahmen (im Hinblick auf die Kunstakademie Düsseldorf) nicht als Eingriff in die Kunstfreiheit eingestuft. Geschützt sei nur die künstlerische Betätigung der Künstler innerhalb der Akademie. Daher seien organisatorische Maßnahmen kein Eingriff in die Kunstfreiheit, eine Einflussnahme also gestattet, sofern die künstlerische Entscheidung gewährleistet bleibe. Von einem solchen (nicht veröffentlichten) Beschluss berichtet kritisch Hufen, Die Freiheit der Kunst in staatlichen Institutionen, 1982, S. 380 f. 20 Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3 [Stand: 20. Lfg. 1977] Rn. 41.
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freiheit gibt Vorgaben über das „Wie“ einer Förderung, über deren „Ob“ schon entschieden ist.21 Es ist daher grundrechtlich überzeugend, das staatliche Kunstrichtertum lediglich im Abwehrbereich für unzulässig zu erachten.22 Nur darin kommt hinreichend zum Ausdruck, dass es sich bei der Kunstförderung um wirtschaftliche Unterstützung handelt, die nicht regelmäßig an grundrechtliche Grenzen stößt. Vor diesem Hintergrund ist es konsequent, für die Kunstförderung – wie für andere finanzielle, etwa steuerliche Beeinträchtigungen – aus der Kunstfreiheit nur Grenzen für Extremfälle abzuleiten, nicht aber schlechthin eine Grenze für die Förderung zu ziehen.23 Die Gegenansicht müsste begründen, warum die Kunstfreiheit ein Gebot der Staatsabstinenz enthält, während dies den einschlägigen Grundrechten in anderen Bereichen – etwa der Presse, der Wirtschaft, der Religion – in dieser allgemeinen Form nicht zu entnehmen ist.24 Der Ansatzpunkt einer solchen Begründung wird teils in den objektiv-rechtlichen Gehalten der Kunstfreiheitsgarantie gesucht, die den Schutz der Autonomie der Kunst beinhalten sollen.25 Damit würde aber im Bereich der Kunstfreiheit ein dogmatischer Sonderweg beschritten,26 dessen Richtung völlig unklar bleibt. Möglich sind sowohl die Aufhebung der Trennung von Staat und
21 Ebenso Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 471: Art. 5 Abs. 3 GG als „Schranke“ der Förderung; einem zweistufigen Aufbau nach „Ob“ und „Wie“ der Kunstförderung folgt auch Heuer, Die Besteuerung der Kunst, 1984, S. 94 ff. 22 Erbel, Inhalt und Auswirkungen der verfassungsrechtlichen Kunstfreiheitsgarantie, 1966, S. 100 f. (nimmt Maßnahmen der Kunstförderung in Fn. 1 auf S. 101 vom „Verfassungsgebot des freien Kunstlebens“ aus); Knies, Schranken der Kunstfreiheit als verfassungsrechtliches Problem, 1967, S. 205 ff., 224: „Die unausweichliche Folge jeder positiven staatlichen Kulturpolitik – betätige er sich nun durch eigene Kunstinstitute oder fördere er das private Kulturleben – ist ein staatliches Kunstrichteramt“; Scheuner, Bitburger Gespräche 1977/ 78, S. 113, 132; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3 [Stand: 20. Lfg. 1977] Rn. 16, 38, 40; mit leichter Einschränkung v. Arnauld, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, 2009, § 167 Rn. 80: „Wenn […] dem Staat ein Kunstrichtertum untersagt ist, so bezieht sich das vornehmlich auf die Abwehr staatlicher Eingriffe“ (Hervorhebung nur hier); a. A. Weck, Verfassungsrechtliche Legitimationsprobleme öffentlicher Kunstförderung aus wirklichkeitswissenschaftlicher Perspektive, 2001, S. 38 f., der sich aber zu Unrecht auch auf einige der eben zitierten Autoren stützt. 23 Kritisch Haverkate, NVwZ 1988, S. 769, 775: „Nicht einmal im Bereich der grundrechtlichen Neutralitätspflichten ist es dem Gesetzgeber versagt, durch Leistungen tätig zu werden; er darf durch seine Förderung nur keine Parteinahme für oder gegen eine Denkrichtung, Kirche, Wissenschaftsrichtung, Kunstströmung ausdrücken.“ 24 Vgl. zum Rundfunk BVerfGE 121, 30, 53: Der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks stelle „kein absolutes Trennungsgebot zwischen Staat und Rundfunk auf […] Es geht nicht um eine vollständige Freiheit des Rundfunks von jeglicher staatlicher Berührung; vielmehr ist eine weit gehende Staatsferne zur Verwirklichung der freien Meinungsbildung anzustreben.“ 25 Autonomie als eigengesetzlicher Kommunikationsbereich, der durch die Grundrechte geschützt ist: Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 214 ff. 26 Eine solche Sonderdogmatik befürwortet Britz, EuR 2004, S. 1, 18.
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Gesellschaft27 als auch ein Staatsfreiheitsgebot.28 In der Tat werden ja sowohl die Abstinenz des Staates als auch seine Hinwendung zur Kultur mit einem der Kunstfreiheit entnommenen Schutz der Eigengesetzlichkeit begründet.29 Dies zeigt, dass der Begriff der Eigengesetzlichkeit sich nicht eignet, um daran weitreichende Rechtsfolgen zu knüpfen; er kann mit nahezu beliebigen Inhalten gefüllt werden.30 Damit kann auch das Neutralitätsprinzip eine Legitimationsbedürftigkeit des Kulturstaats nicht begründen.31 Mit allgemeinen Schlagworten wie dem „Verbot der Identifikation“32 ist in der Tat „wenig gewonnen“33, wenn sie eine verfassungsrechtliche Verankerung gar nicht anstreben. Sofern das Neutralitätsprinzip in den Grundrechten seine Verankerung findet,34 setzt seine Anwendbarkeit aber den Grundrechtseingriff voraus; es wird erst bei der Prüfung, ob der Grundrechtsbeeinträchtigung ein legitimes Ziel zugrunde liegt, wirksam.35 Für seine Anwendbarkeit genügt es dann aber nicht, wenn der Staat „Lenkungsambitionen in einem grundrechtlich geschützten Bereich“ ausübt;36 vielmehr müssten gerade die Auswirkungen dieser Lenkungsambitionen einen Eingriff auslösen. Denn da beinahe jede staatliche Maßnahme das Verhalten ihrer Bürger in irgendeiner Weise steuern soll und somit zumindest die allgemeine Handlungsfreiheit immer betroffen wäre, würde dies ansonsten eben doch auf einen Verfassungsvorbehalt gegenüber sämtlichen Staatstätigkeiten hinauslaufen. Dies bedürfte aber einer eingehenden ver-
27 So Ridder, Freiheit der Kunst nach dem Grundgesetz, 1963, S. 20 mit der Behauptung einer historisch begründeten Sonderrolle. 28 Britz, EuR 2004, S. 1, 18, allerdings „partiell“ und vor allem mit den Inhalten Neutralität und Nicht-Identifikation; Weck, Verfassungsrechtliche Legitimationsprobleme öffentlicher Kunstförderung aus wirklichkeitswissenschaftlicher Perspektive, 2001, S. 38 f.; a. A. Zöbeley, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), GG, 2002, Art. 5 Rn. 239: keine „Staatsfreiheitsgarantie“. 29 So Britz, EuR 2004, S. 1, 15 ff.; Schlaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, 1972, S. 259 in Fn. 92: „Antinomie zwischen Freiheit des kulturellen Lebens vor staatlicher Lenkung und dessen Angewiesenheit auf Schutz und Pflege“; kritisch Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 16. Zur Rechtfertigung der kulturstaatlichen Kunstförderung mittels einer Deutung der Kunstfreiheit als Gewährleistung der Autonomie der Kunst ausführlich unten § 6 B. I. 2. 30 Er ist im Übrigen nicht kunstspezifisch, vgl. v. Gerber, in: ders., Gesammelte juristische Abhandlungen, 1878, S. 36, 39 ff. (Autonomie des Adels), S. 61 ff. (der Behörden), S. 65 ff. (der „Corporationen“). 31 Grundlegend Schlaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, 1972, S. 259 ff. u. ö.; Schlaich stellt das Neutralitätsprinzip freilich unter den Vorbehalt, dass der Kulturstaat entscheidungsfähig bleiben muss (ebd.), womit es letztlich eher Leitlinie denn rechtliche Grenze ist. 32 Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 29 im Anschluss an Krüger, Allgemeine Staatslehre, 1966, S. 178 ff. und Schlaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, 1972, pass. 33 Jung, Zum Kulturstaatsbegriff, 1976, S. 69. 34 Etwa Scheuner, Bitburger Gespräche 1977/78, S. 113, 121: Art. 5 Abs. 3 GG. 35 Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 652 ff., 655. 36 So aber Huster, VVDStRL 65 (2006), S. 51, 63 in Fn. 47.
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fassungsrechtlichen Begründung.37 Zudem vermag das Neutralitätsprinzip unbeabsichtigte Wirkungen staatlicher Kunstförderung schon nicht zu erfassen, wenn ihm nur ein Gebot der Begründungsneutralität, nicht aber der Wirkungsneutralität zu entnehmen ist.38 Ganz davon abgesehen ist auch fraglich, ob ein aus der Kunstfreiheit abgeleitetes Staatsfreiheitsgebot den Kern des Problems trifft. Nimmt man den Staat – und nicht die Kunst – in den Blick, sind es nicht die ästhetischen Einflüsse, die Bedenken gegenüber der Kunstförderung hervorrufen. Vielmehr sind es vor allem die außerästhetischen, sozialen Wirkungen,39 die staatliches Interesse an einer Beeinflussung des Kunstlebens hervorrufen und daher viel eher eine Vermutung für einen Rechtfertigungsbedarf staatlicher Förderung begründen können. Es spricht einiges dafür, dass die auf ästhetische Eigengesetzlichkeit der Kunst abzielende Betonung der Neutralität des Staates die eigentlichen Probleme staatlicher Kunstförderung eher verschleiert; sie nimmt einseitig die ästhetischen Fragen in den Blick, obwohl es dem Staat weniger um ästhetische, sondern mehr um politische Einflüsse gehen dürfte.
37 Zur Verfassungstheorie Anderheiden, Gemeinwohl in Republik und Union, 2006, S. 193 ff., der die staatliche Allzuständigkeit ablehnt, weil nur eine essentialistische Staatsauffassung diese begründen könne; in einem „individualistischen Rechtfertigungsrahmen“ der Staatsgewalt hingegen müsse sich der Staat durch seine Funktionen legitimieren. Dazu und dagegen Möllers, Staat als Argument, 2011, S. 158 f., der zwar eine essentialistische Staatsauffassung ablehnt, aber darauf hinweist, dass das Grundgesetz lediglich kompetenzielle, nicht aber materielle Grenzen der Staatsaufgaben vorsieht, und daher für eine Beschränkung der Allzuständigkeit keinen rechtlichen Geltungsgrund findet. Vgl. auch die Darstellung zum besteuernden Staat von Matthias Kaufmann, Aufgeklärte Anarchie, 1999, S. 151 ff.: Die sog. demokratische Theorie sehe die Grenzen des Staates durch das Wahlvolk als hinreichend gesichert an. Die sog. Leviathantheorie hingegen sehe den Staat als eigennützige Entität, die grundsätzlich auf eine Ausweitung ihrer Machtsphäre hinarbeitet und dabei nur sehr eingeschränkt zu steuern oder zu bremsen ist. 38 Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 98 ff. (allgemein), S. 474 f. (zur Kunstförderung). Das Neutralitätsgebot enthält laut Huster lediglich das Verbot für den Staat, seine Maßnahmen mit einer bestimmten „Konzeption des Guten“ zu begründen. Die Ablehnung der Wirkungsneutralität ist allerdings nicht überzeugend begründet: Auswirkungen auf „Konzeptionen des Guten“ könnten nicht deshalb als „neutral“ angesehen werden, weil derlei Konzeptionen ohnehin „im Wettbewerb“ ständen und daher untergehen könnten (a.a.O., S. 100). Es ist nämlich ein Unterschied, ob eine Konzeption des Guten durch Maßnahmen des Staates oder „von selbst“ keine Zustimmung mehr findet. Die verbleibende Begründungsneutralität ist hingegen ein stumpfes Schwert, weil Begründungen wegen ihrer Manipulationsanfälligkeit durch die politischen Entscheidungsträger objektiv kaum überprüfbar sind. Wirkungen hingegen können, trotz aller von Huster zu Recht betonten Schwierigkeiten im Einzelfall, objektiv gemessen werden. 39 Zu deren Nebeneinander BVerfGE 30, 173, 193 f.
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II. Der Gleichheitssatz Die leistungsstaatliche Verwendung öffentlicher Mittel wird vor allem durch den allgemeinen Gleichheitssatz beschränkt.40 Art. 3 Abs. 1 GG führt aber nicht zur Rechtfertigungsbedürftigkeit des Kulturstaats als solchem. Zwar liegt unbestritten eine Schlechterstellung der nicht Geförderten vor.41 Vor dem Hintergrund des weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums im Bereich der Subventionsvergabe42 führt aber weder diese noch die Ungleichbehandlung gegenüber Nicht-Künstlern oder speziell etwa gegenüber Kunsthandwerkern43 zu einer umfassenden verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsbedürftigkeit. Es geht wohl zu weit, pauschal zu behaupten, im Rahmen der Kunstförderung seien „kaum vergleichbare Tatbestände gegeben“.44 Untersagt sind aber nur willkürliche Unterscheidungen und demgegenüber alle Differenzierungen gerechtfertigt, die auf sachlichen Gründen beruhen.45 Vor allem aber macht der Gleichheitssatz nicht die Kulturförderung als solche rechtfertigungsbedürftig, sondern nur durch Kulturförderung verursachte Ungleichbehandlungen. In dieser Funktion kann er auch der Begründung neuer Förderpflichten dienen und so zu einer Ausdehnung der Staatstätigkeit beitragen.46 Er
40 Eine Rechtfertigungsbedarf auslösende Schlechterstellung der Nicht-Künstler sieht Geißler, Kunstförderung nach Grundgesetz und Recht der EG, 1995, S. 45 f.; zustimmend Weck, Verfassungsrechtliche Legitimationsprobleme öffentlicher Kunstförderung aus wirklichkeitswissenschaftlicher Perspektive, 2001, S. 103 f. Ohne nähere Konkretisierung für Art. 3 GG als Maßstab plädierend Denninger, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, 1989, § 146 Rn. 34; Mahrenholz, in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 1994, § 26 Rn. 137; Pernice, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 2004, Art. 5 III (Kunst) Rn. 30; siehe auch Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, 2011, § 190 Rn. 194. 41 Siehe nur Geißler, Kunstförderung nach Grundgesetz und Recht der EG, 1995, S. 36 in Fn. 11. 42 BVerfGE 17, 210, 216; 93, 319, 350. 43 Dieses Argument bei Bastiat, in: ders., Œuvres complètes, Bd. 5, 1863, S. 336, 348. 44 So aber Stern, Staatsrecht, Bd. IV/2, 2011, S. 662. 45 Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 471 f.: schwacher gleichheitsrechtlicher Anspruch; ebenso Lenski, Öffentliches Kulturrecht, 2013, S. 443; unklar Mahrenholz, in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 1994, § 26 Rn. 136: Der Kulturstaat habe sich bei seiner gleichheitsgerechten Ausgestaltung „relativ strikt an Art. 5 Abs. 3 GG zu orientieren“. 46 Etwa Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 254 f., der aus drohenden Wettbewerbsnachteilen eine „Interventionspflicht“ des Staates gegenüber den Benachteiligten und aus dem Bestehen staatlicher Kulturinstitutionen eine „Kompensationspflicht“ gegenüber privaten Institutionen ableitet. Vorzugswürdig, weil nur dies eine konsequente Umsetzung des Gleichheitssatzes darstellt, ist demgegenüber die Ansicht von Nordemann, FS Weber, 1974, S. 217, 222, der dem Staat die Alternative lässt, seine Förderung gleichmäßig zu verteilen oder aber zurückzunehmen, wenn „nicht geförderte Kunst nicht mehr wettbewerbsfähig ist“.
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wirkt dann als „Ölfleck auf dem Wasser“47 und nicht als Begrenzung des Kulturstaats. Schließlich erfüllt auch der Gleichheitssatz nicht das intuitive Verlangen nach einer besonderen Rechtfertigungsbedürftigkeit des Kulturstaats; denn der Gleichheitssatz stellt hier keine höheren Anforderungen als in sonstigen Tätigkeitsfeldern des Leistungsstaats.
III. Die Verwendung öffentlicher Mittel Ebenso bleibt es unbefriedigend, einen pauschalen Rechtfertigungsbedarf aus der Verwendung öffentlicher Mittel als solcher abzuleiten.48 Zwar kann der wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht entgegengehalten werden, sie sei eine „technokratisch orientierte Vorgehensweise“ und im Übrigen könne der Nutzen von Kulturpolitik nicht beziffert werden.49 Denn ebenso wie die Entscheidung, in welcher Höhe Mittel bereitgestellt werden, letztlich eine numerische Abwägungsentscheidung ist, könnte auch ihre (rechtliche) Kontrolle anhand von Zahlen erfolgen. Allerdings sind Stimmen, die für die Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip allen Staatshandelns plädieren,50 bisher – gerade im Bereich der Kulturförderung –51 vereinzelt geblieben. Die Vorschrift des Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG, an die anzuknüpfen wäre, soll nach herrschender Ansicht keine Ausrichtung allen staatlichen Handelns an Zweckmäßigkeitsmaßstäbe und Effizienz erfordern; die Vorschrift richte sich nur an die ausführende Verwaltung und enthalte keine Vorgaben für politisch-gestalterisches Verwaltungshandeln.52 Dem ist zuzustimmen, weil eine andere Sichtweise dieses haushaltsbezogene Gebot überspannen würde. Bei Art. 114 GG geht es um den effektiven und effizienten Einsatz von Mitteln für politisch ermittelte (und rechtlich legitime) Ziele, nicht um die Begrenzung der Legitimation politischer Ziele als solcher. 47 Haverkate, in: Schmidt (Hrsg.), Öffentliches Wirtschaftsrecht, Besonderer Teil 1, 1995, § 4 Rn. 84; ders., NVwZ 1988, S. 769, 775: Wenn der Gesetzgeber „allen gibt, kann er fast nichts falsch machen“. 48 So aber Huster, VVDStRL 65 (2006), S. 51, 63 in Fn. 47; ähnlich Geißler, Kunstförderung nach Grundgesetz und Recht der EG, 1995, S. 34 ff., die einen „gesteigerten Begründungszwang“ aus rechtshistorischen und steuertheoretischen Überlegungen über die Verwendung öffentlicher Mittel ableitet. 49 So aber Weck, Verfassungsrechtliche Legitimationsprobleme öffentlicher Kunstförderung aus wirklichkeitswissenschaftlicher Perspektive, 2001, S. 31. 50 Vor allem v. Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, 1988; Froch/Gusy, VerwArch 1990, S. 512, 527 ff.; ablehnend Kube, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 114 [Stand: 53. Lfg. 2008] Rn. 104 m.w.N. Einfachgesetzlich mag dies anders sein: zur Außenwirkung der Vorschriften des Haushaltsrechts Haverkate, NVwZ 1988, S. 769, 773 in Fn. 42. 51 Korinek, Staat und Kunst, 2006, S. 59: Effizienzgebot mit den Kriterien Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit als Grenze des Kulturstaats (aus Sicht des österreichischen Verfassungsrechts). 52 Kube, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 114 [Stand: 53. Lfg. 2008] Rn. 104 m.w.N.
§ 3 Grundlagen der Legitimationsbedürftigkeit des Kulturstaats
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Die Grundrechte des Steuerpflichtigen stellen ebenfalls keine qualitativen Anforderungen an die Verwendung öffentlicher Mittel, sondern allenfalls eine quantitative Obergrenze an die Besteuerung.53 Eine Begrenzung staatlicher Aufgaben gerade zum Schutz des Steuerpflichtigen ist zwar denkbar,54 dem Grundgesetz aber nicht zu entnehmen. Im Übrigen ist auch dieser Ansatz nicht geeignet, die Besonderheiten der Kulturförderung zu erfassen, sondern könnte allenfalls zu erhöhten allgemeinen Rechtfertigungsanforderungen an leistungsstaatliches Tätigwerden führen.
C. Zwischenergebnis Trotz der staatlichen Allzuständigkeit ist der Kulturstaat nach einer in der Verfassungslehre verbreiteten Intuition in besonderem Maße rechtfertigungsbedürftig. Die bisherigen Ansätze zur Rechtfertigungsbedürftigkeit des Kulturstaats vermögen dieses Bedürfnis allerdings nicht zu befriedigen. Den (spärlichen und knappen) Ansätzen in der Literatur zur Rechtfertigungsbedürftigkeit ist gemein, dass sie die Eigenheiten des Kulturstaats, die die besondere Rechtfertigungsbedürftigkeit begründen sollen, nicht erfassen. Sie werden damit der intuitiven Forderung nach einem gesteigerten Rechtfertigungsbedarf des Kulturstaats nicht gerecht. Sie überzeugen jedoch auch aus anderen Gründen nicht: - Der Kunstfreiheit sind allenfalls Vorgaben für das Wie staatlicher Kunstförderung zu entnehmen, nicht aber für das Ob. Zudem kann die Kunstfreiheit nur Bedenken gegenüber ästhetischen Einflüssen des Kulturstaats begegnen. Außerästhetische, soziale Wirkungen, die ebenfalls ein staatliches Interesse an einer Beeinflussung des Kunstlebens hervorrufen können, dürfen aber nicht außer Betracht bleiben. - Auch der Gleichheitssatz und die verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Verwendung öffentlicher Mittel können den Pol nicht aufladen, der im „Spannungsverhältnis“55 zwischen Nähe und Distanz des Staates zur Kultur den Staat fernhalten soll.
53 BVerfGE 93, 121, 137; Kirchhof, AöR 128 (2003), S. 1, 13 m.w.N. aus der Rechtsprechung. 54 Vgl. ideengeschichtlich Art. 13 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom 26. August 1789: „Pour l’entretien de la force publique et pour les dépenses d’administration, une contribution commune est indispensable.“ Dieser Artikel begrenzt die Abgabenlast, indem er die steuerfinanzierte Staatstätigkeit beschränkt; dieses Beispiel und weitere Erläuterung bei Kirchhof, AöR 128 (2003), S. 1, 3. 55 Huster, VVDStRL 65 (2006), S. 51, 58 m.w.N.
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1. Teil: Legitimationsbedürftigkeit staatlicher Kunstförderung
§ 4 Kunstförderung und Demokratieprinzip Im Folgenden soll ein Neuansatz zur Legitimationsbedürftigkeit des Kulturstaats vorgestellt werden. Es soll gezeigt werden, dass Kulturförderung in einem primafacie-Widerspruch zum grundgesetzlichen Demokratieprinzip steht.56 Dazu sind zunächst einige grundsätzliche Ausführungen zur Reichweite des Demokratieprinzips erforderlich (dazu A.). Im Anschluss soll gezeigt werden, dass die Kunst Teil der öffentlichen Meinung ist und daher den Schutz des Demokratieprinzips genießt (dazu B.). Sodann gilt es, ausgehend von den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Demokratieprinzips anhand der Auswirkungen staatlicher Kunstförderung zu untersuchen, ob die direkte Kunstförderung dem Demokratieprinzip zuwiderläuft (dazu C.).
A. Die öffentliche Willensbildung als Schutzobjekt des Demokratieprinzips I. Materielles oder formelles Verständnis des Demokratieprinzips? Voraussetzung für eine durch das Demokratieprinzip begründete Legitimationsbedürftigkeit des Kulturstaats ist zunächst, dass das Demokratieprinzip überhaupt den öffentlichen Willensbildungsprozess schützt. Die Frage ist: Verfügt das Demokratieprinzip über materielle Gehalte, die den Prozess der öffentlichen Meinung oder – synonym57 – die Volkswillensbildung schützen? Oder ist die öffentliche Meinung nur grundrechtlich geschützt und das Demokratieprinzip auf den Schutz der 56
Soweit ersichtlich zieht das Demokratieprinzip zur Begrenzung des Kulturstaats nur Blankenagel heran – und auch dieser eher nebenbei: „Die Grundrechte und das Demokratieprinzip beinhalten hier für ihn [den Kulturstaat] das Gebot, auf dem Weg von und zu dieser Sozialität ein Weggefährte zu sein und nicht der befehlende Führer“ (Tradition und Verfassung, 1984, S. 230). Ansatzweise auch Geißler, Kunstförderung nach Grundgesetz und Recht der EG, 1995, S. 47: „Schutz [des Künstlers] vor dem Absatzrisiko“ widerspreche den „Grundlagen eines demokratischen Staates“; andererseits aber stellt Geißler „Kunstgeschmack“ und „politische Meinungsbildung“ als Gegensätze dar (a.a.O., S. 51 in Fn. 60). Mahrenholz, in: Benda/ Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 1994, § 26 Rn. 135 ff. stellt fest, die Vergabe öffentlicher Aufträge an Künstler sei „nicht hoheitlicher, sondern kommunikativer Art“. Lenski, Öffentliches Kulturrecht, 2013, S. 67 ff. sieht den Bereich der staatlichen Selbstdarstellung mittels Kunst als begründet und begrenzt durch das Demokratieprinzip an, allerdings nur, wenn sich der Staat – insbesondere durch öffentliche Aufträge an Künstler – die „künstlerische Aussage […] zueigen“ mache, nicht aber im abseits der Selbstdarstellung liegenden Bereich der „allgemeinen Kulturförderung“ (a.a.O., S. 73 f.). Allgemeine, verfassungstheoretische Überlegungen zum Verhältnis von Staat, Kultur und Demokratie ohne Bezugnahme auf staatliche Kulturförderung stellt an Reuhl, JZ 1981, S. 321 ff.; ders., JZ 1983, S. 535 ff. Zum Staatsfreiheitsgebot des Rundfunks aus dem „demokratischen Prinzip der Volkssouveränität“ Gersdorf, Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung der Bundesrepublik Deutschland, 1991, S. 58 ff. 57 Vgl. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, 1993, S. 188.
§ 4 Kunstförderung und Demokratieprinzip
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Staatswillensbildung beschränkt? Dazu ist zunächst festzustellen, dass Staatswillensbildung und Volkswillensbildung grundgesetzliche Begriffe sind. Beide Begriffe finden Anhaltspunkte im Verfassungstext (Art. 20 Abs. 2 GG und Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG). Unbestritten ist auch, dass beide „in zentraler Weise Demokratie-relevant“ sind.58 Trotz dieser unbestrittenen tatsächlichen Relevanz der Volkswillensbildung für den Prozess der freiheitlichen Demokratie ist in der Literatur umstritten, ob sie dem Schutz des Demokratieprinzips unterfällt. In Teilen der Literatur wird das Demokratieprinzip lediglich als „formelles Ordnungsprinzip“ angesehen.59 Der Dualismus zwischen Staats- und Volkswillensbildung soll sich grundgesetzlich darin manifestieren, dass die Staatswillensbildung durch das Demokratieprinzip, die Volkswillensbildung hingegen durch die Grundrechte, insbesondere die Kommunikationsgrundrechte, geschützt wird. Dem in Staats- und Volkswillen zum Ausdruck kommenden Dualismus von Staat und Gesellschaft sollen danach zwei unterschiedliche grundgesetzliche Stabilisierungen vorgegeben sein: Der demokratische Freiheitsgedanke, der eine Inklusion der Beherrschten durch die Herrschenden verlange, und der grundrechtliche Freiheitsgedanke, der eine Grenze zwischen Beherrschten und Herrschenden ziehe.60 Das Demokratieprinzip schütze „allein die Legitimation politischer Herrschaft durch Inklusion der Beherrschten, nicht hingegen die inhaltliche Anleitung und Limitierung dieser Herrschaft“.61 Die Grundrechte seien lediglich faktisch demokratierelevant, die in der „Grundrechtsaktualisierung […] freigesetzten, politisch wirksamen Selbstregulierungs- und Selbstorganisationskräfte“62 in dieser Wirkung aber nicht normativ in das Demokratieprinzip einbezogen.63 Die Unterscheidung, die das Grundgesetz zwischen Volks- und Staatswillen vornehme, habe nicht nur formalen Charakter.64 Diese Ansicht vermag nicht zu überzeugen. Zunächst lässt die grundgesetzliche Unterscheidung zwischen Volks- und Staatswillensbildung keineswegs zwingend den Schluss zu, erstere müsse im Hinblick auf das Demokratieprinzip anders behandelt werden. Denn ohne Weiteres können Art. 20 Abs. 2 GG und Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG, denen diese Unterscheidung zu entnehmen ist, als Ausdruck und Konkretisierungen des allgemeinen Demokratieprinzips aus Art. 20 Abs. 1 GG angesehen werden.65 58
Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, 1993, S. 180. Huster/Rux, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar GG, 2013, Art. 20 Rn. 104; ebenso Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, 1993, S. 178 ff.; Unger, Das Verfassungsprinzip der Demokratie, 2008, S. 228 ff. 60 Unger, Das Verfassungsprinzip der Demokratie, 2008, S. 239. 61 Unger, Das Verfassungsprinzip der Demokratie, 2008, S. 239 ff., 247; ebenso Höfling, in: Der Staat 33 (1994), S. 493, 496. 62 Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, 1993, S. 188. 63 Unger, Das Verfassungsprinzip der Demokratie, 2008, S. 240. 64 Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, 1993, S. 179. 65 So für das Verhältnis von Art. 21 zum Demokratieprinzip Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. II, 2006, Art. 21 Rn. 19; Kunig, in: v. Münch/ders. (Hrsg.), GG, Bd. I, 2012, Art. 21 Rn. 4. 59
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1. Teil: Legitimationsbedürftigkeit staatlicher Kunstförderung
Dem steht die rechtliche Unverbindlichkeit der öffentlichen Meinung für die Hoheitsausübung nicht entgegen.66 Denn die öffentliche Meinung aktualisiert sich im Moment der Wahlen und wird zu diesem Zeitpunkt verbindlich. Volkswille und Staatswille sind im Zeitpunkt der Wahl untrennbar verbunden. Damit aber muss der zum Ausdruck kommende Wille auch in seiner Entstehung geschützt werden.67 Aus der rechtlichen Unverbindlichkeit der öffentlichen Meinung kann daher nicht auf die Unverbindlichkeit des Demokratieprinzips für die öffentliche Meinung geschlossen werden.68 Wichtiger noch ist der Einwand, dass auch die Staatswillensbildung nicht allein über das Demokratieprinzip geschützt wird, sondern dieser Schutz seine subjektivrechtliche Entsprechung im (aktiven und passiven) Wahlrecht findet.69 Durch Wahlen „die öffentliche Gewalt personell und sachlich zu bestimmen“, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts „der elementare Bestandteil des Demokratieprinzips“.70 Dieses elementare staatsbürgerliche Recht ergänzt als subjektives (Teilhabe-)Recht die formellen Gehalte des Demokratieprinzips, die Kommunikationsgrundrechte als materielle (Freiheits-)Rechte die materiellen Gehalte. Damit aber fällt die konzeptionelle Grundlage eines Dualismus zwischen einem formellen Schutz der Staatswillensbildung durch das Demokratieprinzip und einem materiellen Schutz der Volkswillensbildung durch die Grundrechte weg. Denn wenn beide Formen der Willensbildung subjektiv-rechtlich abgestützt sind, gibt es keinen Grund, das Demokratieprinzip im Hinblick auf die Volkswillensbildung gleichsam für überflüssig zu erachten.71 Wenn die Staatswillensbildung „doppelt“ geschützt ist, nämlich durch das Demokratieprinzip und durch grundrechtsgleiche Rechte in Form des aktiven und passiven Wahlrechts, drängt es sich vielmehr auf, auch der Volkswillensbildung einen solchen doppelten Schutz zukommen zu lassen. Das Demokratieprinzip schützt damit die formale Äußerung des Staatsvolks und zugleich den zivilgesellschaftlichen Prozess, in den die demokratische Staatlichkeit „eingebettet“ ist.72
66 Vgl. dazu Rauch, Die Anwendung des Demokratieprinzips auf die öffentliche Verwaltung, 1978, S. 151 ff.; Kriele, VVDStRL 29 (1971), S. 46, 67 in Fn. 87. 67 BVerfGE 20, 56, 98 f. 68 So auch Stern, Staatsrecht, Bd. I, 1984, S. 615 ff.: Das Demokratieprinzip schütze gerade die Freiheit des Diskurses. 69 Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. II, 2006, Art. 38 Rn. 119: Wahlrecht sei „subjektivrechtliches Komplement des Demokratieprinzips“; zustimmend H. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. I, Art. 38 [Stand: 60. Lfg. 2010] Rn. 135 in Fn. 2. 70 BVerfGE 123, 267, 341. 71 Kloepfer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. III, 2005, § 42 Rn. 12, sieht im Schutz der öffentlichen Meinung sogar die vorrangige Aufgabe des Demokratieprinzips, seien doch Bestand und Durchsetzung der so gebildeten öffentlichen Meinung durch die Wahlfreiheit gesichert. 72 Vgl. Voigt, Den Staat denken, 2007, S. 308 ff.
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Schließlich ist auch die Annahme abzulehnen, es könne streng zwischen einem demokratischen und einem grundrechtlichen Freiheitsgedanken unterschieden werden.73 Das Demokratieprinzip74 ist ebenso wie die Grundrechte75 Ausdruck der Menschenwürde.76 Dem steht aber eine Trennung zwischen grundrechtlicher und demokratischer Freiheitsidee entgegen.77 Nur wenn die Menschenwürde sich in einem staatsfreien Meinungsbildungsprozess zur individuellen Wahlentscheidung konkretisiert, kann ihr Ergebnis noch als individuelle Entfaltung angesehen werden. Die im Wahlakt mündende Wahlentscheidung ist aus dieser Perspektive nur Annex zur politischen Willensbildung. Eine rein formale Betrachtung des Demokratieprinzips wird seinem Charakter als Mittel zur Selbstbestimmung des Einzelnen nicht gerecht. II. Zur Reichweite des Begriffs der öffentlichen Meinung Der auch materielle Charakter des Demokratieprinzips wirft die anschließende Frage nach der Reichweite des Begriffs der öffentlichen Meinung auf. Diese wenig erörterte Frage78 hängt davon ab, ob der Schutz nur politische Diskurse im engeren Sinn erfasst oder in einem weiteren Sinn alle Bereiche, in denen gesellschaftliche Diskurse stattfinden. Zutreffend stellt das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung fest, Meinungsbildung vollziehe sich „nicht nur durch Nachrichtensendungen, politische Kommentare oder Sendereihen über Probleme der Vergangenheit, der Gegenwart oder der Zukunft, sondern ebenso in Hör- und Fernsehspielen, musikalischen Darbietungen oder Unterhaltungssendungen“.79 Sowohl die politische Willensbildung des Volkes als auch die „die in der ,öffentlichen Meinung‘ zum Ausdruck kommenden Tendenzen und Stellungnahmen zu politischen Fragen“ als „Vorformung der
73 Allgemein zum Zusammenhang zwischen Freiheit und Demokratie Huster/Rux, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar GG, 2013, Art. 20 Rn. 104. 74 BVerfGE 123, 267, 341: „Das Recht der Bürger, in Freiheit und Gleichheit durch Wahlen und Abstimmungen die öffentliche Gewalt personell und sachlich zu bestimmen, ist der elementare Bestandteil des Demokratieprinzips. Der Anspruch auf freie und gleiche Teilhabe an der öffentlichen Gewalt ist in der Würde des Menschen (Art. 1 Abs.1 GG) verankert.“ 75 BVerfGE 93, 266, 293; 107, 275, 284; kritisch Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 [Stand: 55. Lfg. 2009] Rn. 22 f. 76 Maihofer, in: Benda/ders./Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 1994, § 12 Rn. 100 ff. 77 Vgl. Aulehner, Grundrechte und Gesetzgebung, 2011, S. 168 ff. 78 Ausdrückliche Problematisierung der Reichweite des Begriffs der öffentlichen Meinung bei Lüdemann, Edukatorisches Staatshandeln, 2004, S. 131 ff. 79 BVerfGE 59, 231, 257 f.; 73, 118, 152; vgl. bereits BVerfGE 20, 162, 175; 35, 202, 222.
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1. Teil: Legitimationsbedürftigkeit staatlicher Kunstförderung
politischen Willensbildung des Volkes“ spielten für die Demokratie eine entscheidende Rolle.80 Ein solch weites Verständnis der öffentlichen Meinung ist das einzige der Demokratie angemessene. Eine Verkürzung auf den politischen Diskurs im engeren Sinn setzte voraus, dass abstrakt entschieden werden könnte, welche Themen oder Akteure politisch und welche unpolitisch sind. Demgegenüber ist zu Recht angemerkt worden, dass potentiell jeder Gegenstand der öffentlichen Meinungsbildung zu einem politischen Thema werden könne, ohne dass dies von vornherein feststeht.81 Folgerichtig ist auch das Bundesverfassungsgericht von seinem in der sehr frühen Rechtsprechung vertretenen akteurszentrierten Standpunkt, die Parteien spielten die „politisch allein entscheidende Rolle“, sehr bald abgerückt.82 Neben der inhaltlichen Durchlässigkeit zwischen dem öffentlichen Diskurs im weiteren Sinn und dem politischen im engeren Sinn sind auch die Diskursräume in institutioneller Hinsicht nicht im Vorhinein abzugrenzen. Nach Habermas’ These von der „Umfunktionierung“ der literarischen in die politische Öffentlichkeit gab erst die Entstehung des literarischen Diskurses den Rahmen für die Entwicklung einer politischen Öffentlichkeit.83 Auch in institutioneller Hinsicht ist also eine Wandlung von spezifischen Teilöffentlichkeiten zu politischen Räumen nie ausgeschlossen. Der Begriff des politischen Diskurses als Schutzgut des Demokratieprinzips darf daher nicht in einer Weise verengt werden, die nur unmittelbar „politischen“ oder gar nur von staatlichen oder staatsnahen politischen Akteuren aufgegriffenen öffentlichen Äußerungen verfassungsrechtlichen Schutz zuweist. Eine freiheitliche Demokratie beinhaltet die Freiheit, sich „in welcher Form auch immer“ am öffentlichen Diskurs zu beteiligen.84 Unter politischer Willensbildung ist also nicht nur in einem engen Sinn der auf konkrete Gegenstände der gegenwärtigen Politik bezogene öffentliche Diskurs zu verstehen; vielmehr ist der gesamte Bereich der öffentlichen Meinung unter den Schutz des Demokratieprinzips zu ziehen. Im Folgenden gilt es, 80 BVerfGE 8, 104, 113; zustimmend Kloepfer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. III, 2005, § 42 Rn. 23 ff.; Schmitt Glaeser, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. III, 2005, § 38 Rn. 28 f. 81 Lüdemann, Edukatorisches Staatshandeln, 2004, S. 134, der jedoch im Fortgang seiner Argumentation eben doch zwischen demokratischem Prozess und (allgemeiner) öffentlicher Meinungsbildung unterscheidet: Erst entnimmt er dem Demokratieprinzip das Gebot der Staatsfreiheit der politischen Meinungsbildung; dann stützt er dies auch auf die Kommunikationsgrundrechte; zuletzt leitet er daraus, dass das Gebot der Staatsfreiheit des politischen Diskurses auch in den Grundrechten verankert sei, ab, es müsse auch für die allgemeine Meinungsbildung gelten. Der letzte Schritt ist aber keineswegs zwingend und wäre konsequenter mit einem weiten Begriff der politischen Willensbildung begründet worden. 82 So noch BVerfGE 1, 208, 223 f.; dagegen BVerfGE 2, 1, 10; 20, 56, 114; zustimmend H. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 21 [Stand: 64. Lfg. 2012] Rn. 157 m.w.N. aus der Literatur. 83 Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, 1990, S. 116 ff. 84 H. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 21 [Stand: 64. Lfg. 2012] Rn. 157 m.w.N.
§ 4 Kunstförderung und Demokratieprinzip
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diese Erwägungen zu konkretisieren, indem die Rolle der Kunst im öffentlichen Diskurs untersucht wird.
B. Die Kunst als Teil der öffentlichen Meinung Ausgehend von einem weiten Begriff der öffentlichen Meinung ist es also grundsätzlich denkbar, den kulturellen Diskurs in den Schutzbereich des Demokratieprinzips einzubeziehen.85 Anders wäre dies nur dann, wenn die Kunst von vornherein keine Rolle für den politischen Diskurs einnehmen könnte; denn das weite Verständnis des Begriffs des politischen Diskurses wurde gerade damit begründet, dass potentiell alle Äußerungen für den staatspolitischen Diskurs relevant werden können. Eine solche „Funktionslosigkeit“ als inhärenter Wesenszug der Kunst im Hinblick auf andere gesellschaftliche Prozesse kann aber rational nicht begründet werden, sondern zeigt sich vielmehr als nur eine ideengeschichtliche, kontingente Auffassung der Kunst (dazu I.). Dennoch stellt sich, um ein umfassendes Verständnis zu erlangen, die Frage, ob der Kunst eine bestimmte Funktion in der Öffentlichkeit zukommt; dazu werden die Funktionsweise der Kunst erörtert und in der Literatur zu findende Funktionszuschreibungen untersucht (dazu II.). I. Die These der (politischen) Funktionslosigkeit der Kunst Der Schutz des kulturellen Diskurses als Teil einer weit verstandenen öffentlichen Meinung setzt voraus, dass der kulturelle Diskurs überhaupt Wirkungen erzeugt, die über die Sphäre der Kunst selbst hinausgehen. Gerade in der verfassungsrechtlichen Literatur werden solche Wirkungen nicht für selbstverständlich genommen. Ausgehend von einem idealistischen Kunstverständnis kommt hier oftmals das Verständnis einer „funktionslosen“, rein selbstbezüglichen Kunst zu Ausdruck. Nur im Bereich der „engagierten Kunst“ ist die politische Relevanz der Kultur unbestritten.86 Aber gilt damit tatsächlich der Umkehrschluss, dass alle anderen Bereiche der Kunst unpolitisch sind? Hat „nicht engagierte“ Kunst keine Relevanz für den demokratischen Diskurs?87 85 Es sei der zufällige Zusammenhang zwischen Kunst und öffentlicher Meinung erwähnt, der darin liegt, dass von „opinion publique“ erstmals in Rousseaus Diskurs über Kunst und Wissenschaft gesprochen wurde (Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, 1990, S. 165 f.). Die Bedeutung von „opinion publique“ war damals allerdings noch eine andere: Rousseau bezieht sich nicht auf das „Räsonieren eines urteilsfähigen Publikums, sondern auf „kurrente Vorstellungen und verbreitete Konventionen“ (a.a.O., S. 162, 166); zur Konkurrenzgeschichte beider Begriffsinhalte in der Staatsphilosophie a.a.O., S. 168 ff. 86 Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3 [Stand: 20. Lfg. 1977] Rn. 13. 87 So wohl Dietlein, in: Stern, Staatsrecht, Bd. IV/2, 2011, S. 106 ff., der allein Formen engagierter Kunst als Beispiele eines demokratisch-funktionellen Gehalts der Kunstfreiheit heranzieht; bestätigt wird diese Interpretation dadurch, dass er wissenschaftlichen Äußerungen politische Gehalte ausdrücklich nicht zu entnehmen vermag (a.a.O., S. 109); Dörr/Schwart-
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1. Teil: Legitimationsbedürftigkeit staatlicher Kunstförderung
Eine Erörterung der gesellschaftlichen Rolle der Kunst muss sich zunächst mit der wirkungsmächtigen Autonomie-Ästhetik auseinandersetzen, die der Kunst ihre Beziehungen für andere gesellschaftliche Bereiche abspricht, indem sie zwischen Kunst und „Welt“ eine prinzipielle Trennung vornimmt und sie zueinander in Gegensatz stellt.88 Kunst und Leben sind nach dieser Auffassung „antithetische Begriffe, die […] gegenübergestellt werden in einer prinzipiellen Differenz, einer wesensmäßigen, die Kunst als Resultat eines spezifischen Handelns (das der Künstler) einerseits und alle anderen Handlungsresultate (mit Ausnahme religiöser Praxis) andererseits unterscheidet“.89 Diese auf Kants Ästhetik zurückzuführende Position sieht die Kunst als funktionslos an.90 Die Autonomie der („schönen“) Kunst bestehe darin, dass diese „für sich selbst zweckmäßig“ sei.91 Gerade die Funktionslosigkeit ist danach entscheidend für den Charakter eines sozialen Artefakts als Kunst.92 Folgt man dieser These, kann der Kunst im Allgemeinen keine Relevanz für den öffentlichen Diskurs zugesprochen werden. 1. (Ideen-)Geschichtliche Entwicklung von Autonomie und Funktionslosigkeit der Kunst Die These von der Funktionslosigkeit der Kunst baut auf der historischen Entwicklung einer autonomen Kunst auf, geht aber darüber hinaus. Anerkennung der Autonomie bedeutet zunächst nichts weiter als die Anerkennung von kunstimmanenten Entwicklungstendenzen und -gesetzmäßigkeiten.93 Autonomie bedeutet hingegen nicht, dass die Kunst von allen (funktionalen, ideellen, materiellen) Bezügen der Lebenswelt entlastet werden muss. Diese Entlastungsforderung ist vielmehr erst Folge eines idealistischen Kunstverständnisses, das in der Kunst, aufbauend auf einer romantischen Genie-Ästhetik, eine eigene, außerweltliche Sphäre sieht: mann, Medienrecht, 2015 Rn. 94: Nur dann enger Zusammenhang zu den Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG, wenn „mit dem künstlerischen Werk auch ein Beitrag zur öffentlichen Willensbildung geleistet werden soll“. Dagegen Heuer, Die Besteuerung der Kunst, 1984, S. 127: „Ein Kunstwerk – auch ein unpolitisches – trifft meist auch eine politische Aussage.“ 88 Brock, in: ders., Ästhetik als Vermittlung, 1977, S. 178, 180. 89 Dazu kritisch Brock, in: ders., Ästhetik als Vermittlung, 1977, S. 178, 180. 90 Busch, in: ders. (Hrsg.), Funkkolleg Kunst, 1987, S. 3, 6. 91 Kant, Kritik der Urtheilskraft, in: Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften (Hrsg.), Gesammelte Werke, Bd. V, S. 306 (AA V 306). 92 Wobei Adorno in einem dialektischen Schluss gerade der Funktionslosigkeit der Kunst ihre gesellschaftliche Funktion entnimmt: „Die Funktion der Kunst der gänzlich funktionalen Welt ist ihre Funktionslosigkeit; purer Aberglaube, sie vermöchte direkt einzugreifen oder zum Eingriff zu veranlassen“ (Adorno, in: ders., Gesammelte Werke, Bd. 7, 1997, S. 389, 475; vgl. a.a.O., S. 7, 336 f.). Dergestalt aber könne sie der gesellschaftlichen Praxis eine herrschaftsfreie Alternative vor Augen halte, da jede Praxis gewaltsam, Kunst hingegen, weil „eines Sinnes mit Theorie“, gewaltfrei sei (Adorno, in: ders., Gesammelte Werke, Bd. 7, 1997, S. 7, 358 f.). 93 Brock, in: ders., Ästhetik als Vermittlung, 1977, S. 178, 187.
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Auf einer frühen Stufe ihrer Entwicklung nahm die Kunst vor allem dienende Funktionen wahr. Ihre Funktion erschöpfte sich in der Dekoration anderer gesellschaftlicher Hervorbringungen, vor allem der Religion.94 Damit einhergehend kam es kaum zur Entwicklung künstlerischer Individualität. Der Künstler stand völlig hinter seinem Werk zurück, eine Zuordnung eines Werkes zu einem Künstler fand nicht statt. Erst als der Künstler hinter seinem Werk hervorzutreten begann – eine Entwicklung, die schon in der Antike stattfand, jedoch bis zur Renaissance wieder in Vergessenheit geriet –95 konnte ein Prozess einsetzen, der gemeinhin als Ausgangspunkt für die Entwicklung künstlerischer Autonomie betrachtet wird.96 Dieser Prozess beruhte zum einen auf der Ausdifferenzierung des Kunstsystems als eigenes Funktionssystem aus anderen Funktionssystemen, vor allem der Religion.97 Dieser Prozess nahm im 14. Jahrhundert im Italien der Renaissance seinen Ausgang, als sich die Kunst als soziales Handlungsfeld verselbständigte. Bis hierhin liegt darin kein wesenseigener Zug der Kunst; die Entwicklung findet zahlreiche Entsprechungen in Ausdifferenzierungsprozessen anderer gesellschaftlicher Handlungsfelder.98 Um den Weg für ein idealistisches Kunstverständnis zu bereiten, musste vielmehr die schon der Antike bekannte Idee einer „autonomen, zweckfreien, an und für sich genießbaren Kunst“ mit der Idee verknüpft werden, in der Kunst verwirkliche sich eine „höhere, edlere Form des Daseins“.99 Mit diesem neuen künstlerischen Selbst-Bewusstsein konnte sich die Funktion der Kunst von einer vorrangig religiös bestimmten zu einer vorrangig ästhetisch bestimmten wandeln. Der Künstler wurde nicht mehr als Handwerker, als Arbeiter angesehen, sondern als „Schöpfer“.100 Die Unterscheidung zwischen der künstlerischen Inspiration und ihrer Ausführung führte dazu, dass nicht mehr der „handwerkliche Fertigungsprozess […], sondern die in der zeichnerischen Entäußerung sich niederschlagende Erfindung des Geistes“ im Vordergrund stand.101 Mit dieser Idee konnte sich Kunst nicht nur von der Religion emanzipieren, sondern sich insgesamt als eigenständiger Lebensbereich konstituieren. Die Los94 Busch, in: ders. (Hrsg.), Funkkolleg Kunst, 1987, S. 3, 6: „Die religiöse Funktion ist über Jahrhunderte die vorherrschende Funktion der Kunst gewesen; der weitaus größte Teil der überlieferten Kunst ist religiös bestimmt.“ 95 Hauser, Sozialgeschichte der Kunst und Literatur, 1990, S. 354. 96 Busch, in: ders. (Hrsg.), Funkkolleg Kunst, 1987, S. 230, 242. 97 Bürger, Theorie der Avantgarde, 1974, S. 56: Autonomwerden der Kunst als „Befreiung von der unmittelbaren Bindung ans Sakrale“. 98 Brock, in: ders., Ästhetik als Vermittlung, 1977, S. 178, 186 f. 99 Hauser, Sozialgeschichte der Kunst und Literatur, 1990, S. 354. 100 Zur Entstehung der „Gottähnlichkeit“ im Künstlerbewusstsein Busch, in: ders. (Hrsg.), Funkkolleg Kunst, 1987, S. 230, 236 ff. Vgl. auch Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, 1980, S. 480 f.: „Der einzigartige Werk des ,echten‘ Kunstwerks hat seine Fundierung im Ritual […], die auch in den profansten Formen des Schönheitsdienstes als säkularisiertes Ritual erkennbar“ bleibe. 101 Busch, in: ders. (Hrsg.), Funkkolleg Kunst, 1987, S. 230, 242.
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1. Teil: Legitimationsbedürftigkeit staatlicher Kunstförderung
lösung war insofern überschießend, als die Kunst sich nicht nur von der Religion unabhängig betrachtete, sondern sich gleichrangig neben die Religion stellte als von der Welt insgesamt anders zu denkender Bereich. Der Genie-Gedanke macht die Kunst zu etwas „Außerweltlichem“ und stellt sie dem sonstigen gesellschaftlichen Leben gegenüber.102 Kunst und Leben wurden nicht mehr als Einheit betrachtet, sondern als etwas nicht nur graduell, sondern prinzipiell zu Unterscheidendes.103 Die in diesem Sinn autonome Kunst entsprach den Bedürfnissen des romantischen Kunstpublikums,104 indem sie als Ersatz der Religion in einem rationalistischen Weltbild diente, und zu diesem Zweck als schöpferische Tätigkeit der – weltlichen – Arbeit gegenüber gestellt wurde.105 Es waren zunächst die Künstler, die sich als autonom empfanden und ihre Kunst als autonome Kunst anboten. Es waren aber in der Folge die Kunstrezipienten, die Kunst als autonome Kunst nachfragten.106 Dieser Prozess führte dazu, dass die Gemeinschaft der Kunstnachfrager von außen Ansprüche an die Kunst stellte. Gleichzeitig war das Bedürfnis nach autonomer Kunst aber weder das einzige Bedürfnis, das die Kunst befriedigen musste, noch war es ein allgemeines Bedürfnis, das das gesamte Publikum verspürte.107 Es war vielmehr vorrangig ein Bedürfnis des aufstrebenden Bürgertums. Die Vorstellung einer autonomen, zweckfreien Kunst ist also das ideengeschichtliche Ergebnis eines historischen Prozesses. Infolge der Aufklärung konnte diese Idee einer autonomen Kunst zu einer aus einem gesellschaftlichen Bedürfnis nach autonomer Kunst hervorgehenden gesellschaftlichen Forderung werden.
102
Hauser, Sozialgeschichte der Kunst und Literatur, 1990, S. 352: „In der Autonomie der Kunst drückt sich in objektiver Form – vom Standpunkt des Werkes – derselbe Gedanke aus, den der Geniebegriff in subjektiver Form – vom Standpunkt des Künstlers – zum Ausdruck bringt.“ Vgl. auch Danko/Glaser, Sociologia Internationalis 2012, S. 3, 7. 103 Brock, in: ders., Ästhetik als Vermittlung, 1977, S. 178, 180. 104 Und denen des Staates, der seine (eigennützige) Förderung gerade mit dieser außerweltlichen Bedeutung legitimierte, Wagner, Fürstenhof und Bürgergesellschaft, 2009, S. 288 ff., 294. 105 Brock, in: ders., Ästhetik als Vermittlung, 1977, S. 178 ff., insb. 184.: Die „Rolle innerweltlicher Heilsschöpfung […] hätte nicht ausgefüllt werden können, wenn der Bürger die Tätigkeit der Künstler bloß als Arbeit und nicht als Schöpfung hätte verstehen müssen“; Loacker, kreativ prekär, 2010, S. 89 f. 106 Loacker, kreativ prekär, 2010, S. 89 f. 107 Busch, in: ders. (Hrsg.), Funkkolleg Kunst, 1987, S. 3, 5: „Historisch ändert sich die ästhetische Funktion durch einen Normenwandel in der Gesellschaft; sie verfügt die Funktionsanforderungen an das Kunstwerk. Eine Norm ist eine gesellschaftliche Übereinkunft über bestimmte, hier ästhetische Werte. Die Überzeugung davon, was schön ist und was nicht, ändert sich mit der Zeit. Die ästhetische Norm kann aber auch nur von einem Teil der Gesellschaft vertreten werden, es können Normen miteinander konkurrieren, also verschiedene ästhetische Anforderungen an die Kunst herangetragen werden: Für den einen kann die Kunst die Norm erfüllen und damit eine Funktion haben, für den anderen nicht.“
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Der naive Glaube an eine autonome, funktionslose Kunst hält einer rationalen Betrachtung jedoch nicht stand.108 Der Gedanke vom kreativen Genie, der – ähnlich dem göttlichen Schöpfungsakt – eine creatio ex nihilo bewirkt109 und somit die Kunst von der Welt abkoppelt und an die Seite oder an die Stelle der Religion setzt, entspricht kaum der Lebenswirklichkeit, sondern einem romantischen Idealismus, der nicht als tatsächliche Grundlage einer rechtlichen Beurteilung des Lebensbereichs Kunst taugt. Der Künstler „produziert keine ursprungslosen Originale“, sondern stellt Kunstwerke her aufgrund seiner eigenen lebensweltlichen – und damit, vor dem Hintergrund der Einheit von Kunst und Welt110 selbstverständlich auch kunstweltlichen – Erfahrung.111 Kunst ist keine substantiell von der Gesellschaft zu trennende Sphäre, sondern das Resultat eines sozialen Prozesses, „das Ergebnis eines sozialen Konsenses zwischen der Hypothese eines Individuums, das das soziale Feld der Kunst mit seinen geistigen oder handwerklichen Fähigkeiten betreten möchte, und den Wächtern, den sozialen Instanzen, die dieses Feld konstituieren.“112 Ganz davon abgesehen stößt die Vorstellung des von der Welt unbeeinflussten künstlerischen Genies bei modernen, kollektiven Produktionsformen an innere Grenzen.113 Zudem ist der skizzierte historische Prozess mit der gesellschaftlichen Forderung nach einer autonomen Kunst nicht an sein Ende gelangt.114 Vielmehr setzt sich der Prozess der Autonom-Werdung fort, indem die Kunst ihre eigene Autonomie und die an die Kunst als autonome Kunst gestellten gesellschaftlichen Ansprüche reflektierte und künstlerisch umsetzte.115 Nicht nur die weltabgewandte Autonomie der aus108 Brock, in: ders., Ästhetik als Vermittlung, 1977, S. 178, 187: Die „Abtrennung der Kunst von allen anderen gesellschaftlichen Handlungsfeldern ist […] äußerst problematisch, seit wir wissen, welchen erheblichen Anteil die soziokulturellen Hintergrundbestimmungen selbst für die Tätigkeit eines Künstlers haben, der nichts anderes als den Autonomieanspruch der immanenten Kunstentwicklung zu verwirklichen trachtet.“ 109 Die Übertragung dieser christlichen Lehre auf die Kunst ist häufig anzutreffen; siehe referierend dazu Prochno, Konkurrenz und ihre Gesichter in der Kunst, 2006, S. 13 und Brock, in: ders., Ästhetik als Vermittlung, 1977, S. 178 ff. 110 Brock, in: ders., Ästhetik als Vermittlung, 1977, S. 178, 180: „Die Antithese [von Kunst und Welt] widerspricht einem geltenden, als unumgänglich anzunehmenden erkenntnistheoretischen Postulat von der Einheit der natürlichen und sozialen Welt, wann immer Menschen in ihr leben und mit Bezug auf Welt handeln.“ 111 Weibel, in: Werkner/Höpfel (Hrsg.), Kunst und Staat, 2007, S. 31, 45. 112 Weibel, in: Werkner/Höpfel (Hrsg.), Kunst und Staat, 2007, S. 31, 45. 113 Die gilt nicht nur für die Kunstform des Films – so das Beispiel von Weibel, in: Werkner/ Höpfel (Hrsg.), Kunst und Staat, 2007, S. 31, 48 –, sondern auch für zahlreiche Musikproduzenten, Theaterformen, selbst einige Bücher und – die wohl schon als Kunstform anzuerkennende – Computerspielindustrie. 114 Bertinetto, in: Asmuth (Hrsg.), Transzendentalphilosophie und Person, 2007, S. 335, 344 ff., 346; Loacker, kreativ prekär, 2010, S. 91 f. Anders und damit verkürzend Grimm, VVDStRL 42 (1984), S. 46, 58, der die „Entstehung kultureller Autonomie“ nur bis zu diesem Zeitpunkt verfolgt. 115 Busch behandelt die Frage nach der Entstehung der Autonomie der Kunst vor dem Hintergrund wandelnder Funktionen und zeigt, dass auch autonom gewordene Kunst „nur
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1. Teil: Legitimationsbedürftigkeit staatlicher Kunstförderung
differenzierten Kunst,116 ja sogar ihre Ausdifferenzierung selbst (Beuys‘ „Alles ist Kunst“ und „Jeder ist Künstler“)117 wurden gerade aus der Kunst selbst heraus wieder in Frage gestellt.118 „Relikte des alten Geniekults“119 sind im Diskurs über den Kulturstaat noch weit verbreitet.120 Der Künstler wird ideell überhöht: Die Kunst allein bedeutet ihm alles, die Welt wenig, Geld nichts. Es hat sich aber gezeigt, dass die gesellschaftlich funktionslose Autonomie der Kunst kein konstitutives, sondern ein kontingentes Merkmal der Kunst ist, das historischen Bedürfnissen entsprach.121 Die Perpetuierung der historischen Autonomie der Kunst122 ist keine Forderung der Kunst selbst, sondern eine (möglicherweise unbewusst) ideologische Forderung, die von außen oder innen an die Kunst herangetragen wird.123 Die Auffassung, die der Kunst ihre Funktionen abspricht und ihr die Funktionslosigkeit normativ zuschreibt, entspricht einem ästhetizistischen Kunstverständnis.124 Einem solchen Kunstverständnis steht paradigmatisch das avantgardistische Kunstverständnis gegenüber. Dort herrscht die Devise „l’art pour l’art“, hier gilt die Devise „Kunst und Leben“, die „ihren Sinn gerade in der Überschreitung der ästhetizistischen Schranke und im Übergang ins Leben“ hat.125 Die Festlegung, was Grenze des Handlungsfelds ist, ist gerade Ausdruck der Autonomie. Nicht, dass sie nichts will, sondern die Freiheit, selbst zu entscheiden, was sie will, kennzeichnet die Autonomie der Kunst. scheinbar paradoxerweise ganz direkt neue Funktionen übernehmen konnte, ohne ihren autonomen Charakter zu verlieren“ (in: ders. [Hrsg.], Funkkolleg Kunst, 1987, S. 230 ff., Zitat auf S. 252). 116 Zu Avantgardebewegungen als Protest gegen die gesellschaftliche Wirkungslosigkeit der Kunst Bürger, Theorie der Avantgarde, 1974, S. 28 f. 117 Brock, in: ders., Ästhetik als Vermittlung, 1977, S. 178, 184: „Ihre Mitglieder [die der gegenwärtigen Industriegesellschaft] glauben, in jedem Arbeitsprozess selber schöpferisch tätig zu werden.“ 118 Bertinetto, in: Asmuth (Hrsg.), Transzendentalphilosophie und Person, 2007, 335, 346; für die Gegenwart vgl. etwa Hanno Rauterberg, Zukunft der Kunst: Was ist heute noch subversiv?, Die Zeit vom 20. 08. 2009. 119 v. Beyme, Vergleichende Politikwissenschaft, 2010, S. 272. 120 Ebenso für die Soziologie Danko/Glaser, Sociologia Internationalis 2012, S. 3, 7. 121 Loacker, kreativ prekär, 2010, S. 89 ff.; vgl. auch Ladeur, in: Denninger u. a. (Hrsg.), Alternativkommentar GG, Art. 5 Abs. 3 II [Stand: Grundwerk 2001] Rn. 1 ff. 122 Brock, in: ders., Ästhetik als Vermittlung, 1977, S. 178, 184 f. spricht schon von der „ehemalige[n] Autonomiefunktion“. 123 Zur ideologischen Auffassung von Autonomie Brock, in: ders., Ästhetik als Vermittlung, 1977, S. 178, 186 f.; vgl. ebd., S. 188 f.: „Im Normalfall wird unter Funktion der Kunst eine bewusste Vorgabe von Aufgabenstellungen der Gesellschaft an die Kunst verstanden.“ Zur „Funktion der Funktionslosigkeit“ vgl. oben Fn. 92. 124 Welsch, Unsere postmoderne Moderne, 2002, S. 295, 298 spricht von einer „sektoriellen Illusion“, die verschiedene (ethische, ästhetische, religiöse, technische) „Rationalitätstypen“ verbindlich verschiedenen Sektoren zuzuordnen trachtet. Dahinter stehe die Forderung nach einer „spezialistische[n] Differenzierung als Gestalt gelingenden Lebens“ (a.a.O., S. 299). 125 Welsch, Unsere postmoderne Moderne, 2008, S. 298.
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Das Verfassungsrecht ist gegenüber diesen unterschiedlichen, historisch bedingten Sichtweisen nicht indifferent. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist eine Orientierung an der Lebenswirklichkeit geboten.126 Vor dem Hintergrund des Demokratieprinzips ist entscheidend, dass ein ästhetizistisches Verständnis die Kunst gerade aus dem öffentlichen Diskurs hinauszudrängen geeignet ist. Geboten ist dagegen ein normalisiertes Verständnis der Kunst, das sich von transzendenten Bezügen löst und Kunst als einen Teil der gesellschaftlichen Wirklichkeit betrachtet, der Besonderheiten aufweist, aber keineswegs außerhalb der Gesellschaft steht und schon gar kein aliud zu ihr ist. 2. Wandel des Kunstverständnisses in der Verfassungslehre Ein Wandel von einem „ästhetizistischen“ zu einem „avantgardistischen“ Kunstverständnis lässt sich auch in der Entwicklung der verfassungsrechtlichen Diskussion zur Kunstfreiheit als Kommunikationsgrundrecht beobachten. Das Grundgesetz geht bei unbefangener Lektüre augenscheinlich von einer engen Beziehung der Kunst zur Demokratie aus. Dies belegt schon die textliche Nähe der Kunstfreiheit zur Meinungsfreiheit.127 Gerade dieser systematische Zusammenhang ist aber in der (vor allem) älteren Literatur auf Kritik gestoßen:128 Dort wird die Kunstfreiheit teils als „Fremdkörper“ im System des Art. 5 GG angesehen.129 Ähnlich hat das Bundesverfassungsgericht die Kunstfreiheit zunächst als aliud zur Meinungsfreiheit angesehen.130 Eine die Gemeinsamkeiten der Grundrechte des Art. 5 GG stärker betonende, aber dennoch eher zurückhaltende Formulierung bezeichnet die Kunstfreiheit lediglich als „Annex“ der Kommunikationsgrundrechte.131 126 Kirchhof, in: Papier/Merten (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. I, 2004, § 21 Rn. 12: „Wirklichkeitsverpflichtung des Rechts“. 127 Die Zusammenfassung beider Freiheiten in einem Artikel war auch in einem früheren Entwurf der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vorgesehen, dazu Calliess, in: ders./Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 2011, Art. 11 EU-GRCharta Rn. 4. 128 Siehe aber schon früh Geiger, FS Leibholz, 1966, S. 187, 198 f., auch mit Hinweisen zur Diskussion über die Freiheit der Kunst in der Weimarer Reichsverfassung. 129 Deutlich Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 [Stand: 20. Lfg. 1977] Rn. 1: Die Bestimmungen des Art. 5 III GG stellen „im Gefüge eines Kommunikationsrechts eindeutig einen Fremdkörper“ dar. Bei der Erörterung des Grenzfalls der Satire, die nach der von Herzog ohne Widerspruch zitierten Rechtsprechung (BVerfGE 86, 1, 9) sowohl der Kunst- als auch der Meinungsfreiheit unterfallen kann, greift Herzog diesen Gedanken allerdings nicht wieder auf (ebd. Rn. 80 c f.); für die Wissenschaftsfreiheit ebenso v. Mangoldt/Klein, GG, Bd. I, 1957, Art. 5, Anm. X 2. 130 BVerfGE 30, 173, 200; gleichzeitig hat das Bundesverfassungsgericht freilich die sozialen (neben den ästhetischen) Wirkungen besonders betont (ebd., 193 f.; ebenso BVerfGE 80, 130, 147: „Kunstwerke können nicht nur auf der ästhetischen, sondern auch auf der realen Ebene Wirkungen entfalten.“). Zur weiteren Entwicklung der Rechtsprechung siehe Meirowitz, Gewaltdarstellungen auf Videokassetten, 1993, S. 190 ff. 131 Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, 2001, S. 514.
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Bei dieser Ansicht scheint es sich allerdings um eine im Verschwinden begriffene Auffassung zu handeln.132 Die inzwischen wohl herrschende Ansicht sieht die Kunstfreiheit als vollwertiges Kommunikationsgrundrecht an.133 Dies gilt auch für die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.134 Die (ältere) These von der Funktionslosigkeit der Kunst und ihrer fehlenden Relevanz für den politischen Diskurs verträgt sich kaum mit den Schwierigkeiten einer Abgrenzung zwischen Kunst und Meinungsfreiheit, wie sie etwa bei Äußerungen in Form von Satiren oder Parodien auftreten, die als Meinungsäußerung und Kunstwerk aufgefasst werden können.135 Es lässt sich nur schwerlich vertreten, dass die kaum trennscharf zu treffende Zuordnung zur Kunst- oder zur Meinungsfreiheit entscheidend dafür sein soll, ob es sich um einen Beitrag zur politischen Willensbildung handelt. Dieses Ergebnis findet seine Bestätigung im Vergleich mit anderen Verfassungen, die ebenfalls schon im Text Kunst- und Meinungsfreiheit in Zusammenhang stellen136 oder aber auf eine eigenständige Garantie der Kunstfreiheit verzichten und beide Grundrechte als Teile einer umfassenden liberty of speech oder liberté d’expression schützen.137 Im hiesigen Zusammenhang ist aber ein Anderes entscheidend: Die unscheinbare Verschiebung im Verhältnis von Kunst- und Meinungsfreiheit spiegelt eine grundlegend veränderte Kunstauffassung wider. Der Kunst wird eine wesensartige Ver-
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Dies wird besonders deutlich am von v. Mangoldt begründeten Kommentar zum Grundgesetz, der die Ansicht, es gebe keine Gemeinsamkeiten von Kunst- und Meinungsfreiheit (v. Mangoldt/Klein, GG, Bd. I, 1957, Art. 5, Anm. X 2) zugunsten der hier vertretenen Ansicht aufgegeben hat, da Art. 5 Abs. 1 GG nicht zwischen verschiedenen Äußerungsmodalitäten unterscheide (Starck, in: v. Mangoldt/Klein/ders., GG, Bd. I, 2010, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 28). 133 Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 2014, Art. 5 Rn. 21: Kunstfreiheit ist Teil der demokratischen Legitimationsverfassung; Heuer, Die Besteuerung der Kunst, 1984, S. 83; J. Hoffmann, NJW 1985, S. 237, 241; Knies, Schranken der Kunstfreiheit als verfassungsrechtliches Problem, 1967, S. 121 ff., 233 ff.; Schmitt Glaeser, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. III, 2005, § 38 Rn. 24; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3 [Stand: 20. Lfg. 1977] Rn. 13: Teil der „grundrechtlichen Kommunikationsverfassung“; ähnlich Pernice, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 2004, Art. 5 III (Kunst) Rn. 16, der allerdings das kommunikative Element zwar als bedeutsam, sogar als Regelfall (Rn. 19) ansieht, aber nicht für begriffsnotwendig für das Vorliegen von „Kunst“ erachtet (Rn. 22); unklar v. Arnauld, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, 2009, § 167 Rn. 54 im Anschluss an BVerfGE 30, 173, 191 f., 200: Künstlerische Äußerung sei aliud zur Meinungsäußerung; im Ergebnis stellt er dann aber auf eine Gesetzeskonkurrenz in Form der Spezialität ab. 134 BVerfGE 77, 240, 251; tendenziell anders noch BVerfGE 20, 56, 97; 44, 125, 138, wo die Kunstfreiheit nicht in den Reigen demokratierelevanter Grundrechte aufgenommen wird; vgl. die Darstellung bei Meirowitz, Gewaltdarstellungen auf Videokassetten, 1993, S. 190 ff. 135 Etwa BVerfGE 81, 278, 291. 136 Dazu Ruffert, in: Calliess/ders. (Hrsg.), EUV/AEUV, 2011, Art. 13 EU-GRCharta Rn. 1; Häberle, AöR 110 (1985), S. 577, 582 in Fn. 16, beide m.w.N. 137 Vgl. Pernice, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 2004, Art. 5 III (Kunst) Rn. 5 ff., 10.
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schiedenheit zur sonstigen Welt abgesprochen.138 Darin liegt die Anerkennung, das die Kunst bei aller Besonderheit etwas Normales – man möchte sagen: etwas Diesseitiges – ist. Demnach können auch die Erwartungen, die aus demokratietheoretischer Sicht an die Meinungsfreiheit gestellt werden, auf die Kunstfreiheit übertragen werden.139 II. Besonderheiten und Normalität der Kunst im öffentlichen Diskurs Mit der Eingliederung der Kultur in das allgemeine Kommunikationsgefüge der Öffentlichkeit, die mit der Ablehnung der These der Funktionslosigkeit einhergeht, wird deutlich, dass Kunst kein „politikfreier Raum“ ist.140 Mit der ihr eigenen (aber nicht ausschließlichen) ästhetischen Funktion ist es ihr möglich, auf andere soziale Handlungsfelder zu reagieren und ihnen ihre eigene Sicht entgegenzusetzen. Sie kann mit ihrer Formensprache „Meinung modellieren helfen“.141 Gleichwohl stellt sich die Frage, inwiefern Kunst durch diskursive Besonderheiten geprägt ist, die bei der nachfolgenden Untersuchung, inwiefern das Demokratieprinzip einer staatlichen Förderung der Kunst entgegensteht, Bedeutung erlangen können. 1. Besonderheiten Besonders pointiert hat Niklas Luhmann die Besonderheiten der Kunst für die öffentliche Meinung herausgearbeitet. Luhmann stellt zunächst fest, dass die Kunst auf Wahrnehmung angewiesen ist, und sieht ihre Funktion darin, „etwas prinzipiell Inkommunikables, nämlich Wahrnehmung, in den Kommunikationszusammenhang der Gesellschaft einzubeziehen“,142 wobei Kunst gerade die Dinge in das Zentrum der Wahrnehmung rücke, die „überraschen“ und die ohne die Kunst als bloße „Irritationen“ von der Wahrnehmung übergangen würden.143 Das funktionelle Spezifikum der Kunst liege in der „Einbeziehung eines spezifischen Umweltausschnitts,
138 Die Kunstsoziologie hat eine ähnliche Entwicklung genommen; dazu Danko/Glauser, Sociologia Internationalis 2012, S. 3, 7 ff. 139 Für eine Übertragbarkeit von Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zur Meinungsfreiheit auf die anderen Freiheitsrechte des Art. 5 GG spricht sich (ausdrücklich nur hinsichtlich BVerfGE 5, 85, 205, aber wohl allgemein) ebenfalls Stern (Staatsrecht, Bd. IV/1, 2006, S. 1380) aus. 140 A. Klein, Kulturpolitik, 2005, S. 65; zustimmend v. Beyme, Vergleichende Politikwissenschaft, 2010, S. 269. 141 Busch, in: ders. (Hrsg.). Funkkolleg Kunst, 1987, S. 3, 6. 142 Luhmann, Die Kunst der Gesellschaft, 1995, S. 227; ebenso Lenski, Öffentliches Kulturrecht, 2013, S. 311 (die dieses Zitat weder als wörtliche Übernahme kennzeichnet noch Luhmann zuweist, sondern auf die von Luhmann in Bezug genommene Funstelle verweist). 143 Luhmann, Die Kunst der Gesellschaft, 1995, S. 228.
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also in einem ,re-entry‘ der Differenz von Wahrnehmung und Kommunikation in die Kommunikation“: „Die imaginäre Welt der Kunst […] bietet eine Position, von der aus etwas anderes als Realität bestimmt werden kann. Ohne solche Differenzmarkierungen wäre die Welt einfach das, was sie ist, und so, wie sie ist. Erst die Konstruktion einer Unterscheidung von realer und fiktionaler Realität ermöglicht es, von der einen Seite aus die andere zu beobachten.“144
Mit dieser Wirkung gewinnt die Kunst eine besondere Bedeutung für die öffentliche Meinung, zu deren (Entstehungs-)Bedingungen die „Problematisierung von Bereichen […], die bisher nicht als fragwürdig galten“, gehört.145 Kunst stellt der Gesellschaft Beobachtungen zur Verfügung, „aus denen gelernt werden kann“.146 Kunst geht damit über den Effekt hinaus, der in der Medienwirkungsforschung als „agenda-setting“ bezeichnet wird;147 sie vermag – dem agenda-setting vorgelagert – Vorbedingungen dafür zu schaffen, ein bestimmtes Thema zum Gegenstand des Diskurses zu machen, indem sie bewusst macht, dass ein gesellschaftliches Phänomen überhaupt als potentielles Thema wahrgenommen werden kann.148 Kunst ist insofern Ausdrucksmittel „gesellschaftlicher Tendenzen und Prozesse, die nur sie so und so dicht ,sichtbar‘ macht und sichtbar machen kann“.149 Zu diesem Effekt tritt mit dem sog. framing ein zweiter hinzu.150 Beim framing geht es nicht um die Thematisierung eines Bereichs selbst, sondern um die Art und Weise der Wahrnehmung, die Bewertung des thematisierten Bereichs. Wie der Begriff des agenda-setting wird framing vor allem zur Wirkungsanalyse der Massenmedien herangezogen. Der Begriff ist aber für die Beschreibung der Kunst ebenso geeignet, was sich schon daran zeigt, dass er der visuellen Kunst entstammt, wo er die Wahl des Bildausschnitts bezeichnet, einschließlich der Ausblendung dessen, was
144 Luhmann, Die Kunst der Gesellschaft, 1995, S. 229 (Hervorhebungen im Original); vgl. zu den systemtheoretischen Grundlagen die Zusammenfassung Luhmanns, a.a.O., S. 222 ff. 145 Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, 1990, S. 97; siehe beispielsweise zum „vorgreiflichen“ Freiheitsgedanken in der Literatur der Spätaufklärung Weck, NJW 2000, S. 2153 ff. 146 Baecker, Wozu Kultur?, 2001, S. 28; eingehend auch Graber, Handel und Kultur im Audiovisionsrecht der WTO, 2003, S. 11 ff. 147 Grundlegend McCombs/Shaw, Public Opinion Quarterly 36 (1972), S. 16 ff.; zur Kunstwirkungsforschung als Unterfall der Medienwirkungsforschung Otte, Sociologia Internationalis 2012, S. 115, 135. 148 Rorty, Kontingenz, Ironie und Solidarität, 1989, S. 147: „Sprache hat die Macht, neue und andere Dinge möglich und wichtig zu machen“ (Hervorhebung nur hier). 149 Häberle, AöR 110 (1985), S. 577, 593. 150 Freilich liegt bereits in der Auswahl eines Gegenstandes immer zugleich eine Bewertung. Jeder Gegenstand der öffentlichen Meinung lässt sich als Teil eines übergeordneten Gegenstandes interpretieren. Mit der Hervorhebung eines bestimmten Aspekts geht also die Betonung von dessen Bedeutung einher; vgl. McCombs/Ghanem, in: Reese/Gandy/Grant (Hrsg.), Framing Public Life, 2001, S. 67 ff.
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außerhalb des Bildausschnitts liegt.151 An dieser Stelle wirkt die Kunst nicht nur als Beobachter und Vermittler, sondern als Bewerter. Dabei kommt die der Kunst eigene ästhetische Funktion besonders zum Ausdruck: Das Kunstwerk appelliert nicht an Vernunft oder Kalkül, sondern an die Sinne.152 Es dient der Objektivation von diffusen Empfindungen in Figuren, in Bildern, Texten und Tönen.153 Diese Fähigkeit der Kunst, die Wahrnehmung gesellschaftlicher Phänomene und deren emotionale Bewertung zu beeinflussen, vermittelt einen umso größeren Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung, als diese Wahrnehmungsgrundierung nicht auf ein bestimmtes Sujet begrenzt ist. Die Kunst stellt vielmehr einen Vorrat an Metaphern und Allegorien bereit, der all dem Ausdruck zu verleihen vermag, was (noch) nicht oder (noch) nicht vollständig rationalisiert ist. Damit liefert die Kunst kulturelle Determinanten der öffentlichen Meinung, die auf einer abstrakteren Schicht der Wahrnehmung angesiedelt sind als der Teil des öffentlichen Diskurses, der von sprachlichen Begriffen gekennzeichnet ist.154 Dieser Vorrat wiederum liegt untrennbar der gesellschaftlichen Einschätzung auch politischer Fragen im engeren Sinn zugrunde: „The models, scenarios, narratives, and images into which audiences for political news translate that news are social capital, not individual inventions. They come from works of art in all genres: novels, paintings, stories, films, dramas, television sitcoms, striking rumors, even memorable jokes. […] Because of the inclination to assume that seeing is an objective process, there is serious underestimation of the extent to which seeing is constructed and so reflects models that art forms provide.“155
2. Normalität An diesen Wirkmechanismen zeigt sich aber zugleich, dass die Kunst keine von der Gesellschaft abgesonderte Sphäre bildet. Gesellschaftliche Wirklichkeit und Kunst beeinflussen sich reziprok. Obwohl es natürlich auch Kunst gibt, die nicht öffentlich gemacht wird,156 ist Kunst in aller Regel darauf ausgerichtet, wahrge151
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McCombs/Ghanem, in: Reese/Gandy/Grant (Hrsg.), Framing Public Life, 2001, S. 67,
152 Busch, in: ders. (Hrsg.), Funkkolleg Kunst, 1987, S. 3, 5: Das Kunstwerk „wirkt sinnlich, es transportiert seine Mitteilung über die Sinne. Alle anderen Funktionen des Kunstwerkes kommen von außen – die ästhetische ist ihm eigen“. 153 Ähnlich Heuer, Die Besteuerung der Kunst, 1984, S. 82: „Kunst ist ein Medium nicht rationaler, bildende Kunst ein Medium nicht verbaler Kommunikation.“ 154 Auf einer weiteren Abstraktionsstufe erwartet Rorty, Kontingenz, Ironie und Solidarität, 1989, S. 31, dass beim Empfänger der Kunst eine „Auseinandersetzung mit der Kontingenz“ erfolgt und dass „die Erkenntnis dieser Kontingenz zum Erkennen auch der Kontingenz des Bewußtseins führt und solches Erkennen dann weiterführt zu einem von der Geschichte der Wissenschaft, Kultur und Politik als einer Geschichte von Metaphern, nicht von Entdeckungen“. 155 Edelman, From Art to Politics, 1995, S. 1 f. 156 Pernice, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 2004, Art. 5 III (Kunst) Rn. 22.
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nommen zu werden,157 und zwar auch von Nicht-Künstlern wahrgenommen zu werden.158 Die Kunst ist damit rückgekoppelt an die Gesellschaft, rückgekoppelt zum einen an die Kunst selbst, indem sie „auf Kunst als Kunst“ bezogen ist,159 rückgekoppelt aber auch an die sonstige gesellschaftliche Wirklichkeit und ihre Veränderungen.160 Jede künstlerische Aussage stellt eine Reaktion auf Erfahrungen des Künstlers mit der und seine Eindrücke aus der Wirklichkeit dar, sei es der künstlerischen Wirklichkeit, sei es der außerkünstlerischen Wirklichkeit. Ausgangspunkt jedes Kunstwerks ist dabei der Künstler als Schöpfer des Kunstwerks. In der Kunst sind „Persönlichkeitssphäre und öffentliche Wirksamkeit […] besonders eng miteinander“ verknüpft.161 Basis ist also stets das innere Empfinden eines künstlerisch tätigen Einzelnen.162 Für die Entstehung und Wirksamkeit eines Kunstwerks ist jedoch nicht allein das Innenleben des Künstlers maßgeblich. Der Künstler reagiert immer auf gesellschaftliche Empfindungen; er nimmt die Stimmungen einer Vielzahl von Einzelnen auf und verarbeitet sie subjektiv. Das Kunstwerk ist daher immer Ausdruck der „Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt“.163 Und zugleich entwickelt das Kunstwerk nach seiner Veröffentlichung ein „Eigenleben“ und wird zu einem „eigenständigen, das kulturelle und geistige Geschehen seiner Zeit mitbestimmenden Faktor“.164 Es ist „geistiges und kulturelles Allgemeingut“,165 dessen Wirkung sich nicht (allein) nach künstlerischen Maßstäben, sondern nach Bedingungen in der
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So auch Pernice, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 2004, Art. 5 III (Kunst) Rn. 18. Schmücker, in: Kleimann/ders. (Hrsg.), Wozu Kunst?, 2001, S. 13, 26; BVerfGE 77, 240, 251: „Die Kunst ist wie die Schutzgüter der anderen ,Kommunikationsgrundrechte‘ öffentlichkeitsbezogen und daher auf öffentliche Wahrnehmung angewiesen.“ Besondere Betonung des kommunikativen Aspekts auch bei Lenski, Öffentliches Kulturgut, 2013, S. 299 ff., die aus dem italienischen und portugiesischen Verfassungsrecht das Konzept der „Valorisation“ entwickelt, wonach letztlich allein die Nutzung von Kulturgütern für deren Funktionserfüllung entscheidend ist (pointiert ebd., S. 344). 159 v. Arnauld, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, 2009, § 167 Rn. 30. 160 Luhmann, Die Kunst der Gesellschaft, 1995, S. 232 f. gibt einige Beispiele für die Thematisierung gesellschaftlicher Entwicklungen in der Kunst: Die Einheit religiöser Weltsetzung im 16. und 17. Jahrhundert, den folgenden Rationalismus, die technische Entwicklung des 19. Jahrhunderts und schließlich die radikale Selbstnegation der Kunst im 20. Jahrhundert durch die Aufhebung von realer und fiktionaler Realität durch die Präsentation von Realobjekten. 161 Stern, Staatsrecht, Bd. IV/1, 2006, S. 1382. 162 Vgl. Adorno, in: ders., Gesammelte Werke, Bd. 7, 1997, S. 7, 385 „Ort von Erfahrung in allen bestehenden Gesellschaften sind die Monaden.“ Allgemein v. Hayek, Die Verfassung der Freiheit, 2005, S. 142: „Es gibt keine Erfahrung der Gesellschaft, die nicht zuerst die Erfahrung einiger weniger Einzelner ist.“ 163 So der Titel eines Gedichtbandes von Peter Handke,1969. 164 BVerfGE 58, 137, 148. 165 BVerfGE 58, 137, 148. 158
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Gesellschaft und den Bedürfnissen ihrer Mitglieder bemisst, die seine Nutzung bestimmen. Die Kunst ist demnach – nicht anders als andere soziale Phänomene – in den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang eingebettet und, um als Kunst zu wirken, auf die Gesellschaft angewiesen. Sie ist immer Produkt einer gesellschaftlichen Nachfrage, freilich nicht rein wirtschaftlich, sondern auch auf der Ebene der sozialen Ideen, Empfindungen und Stimmungen. Damit müssen viele Erwartungen enttäuscht werden, die bestimmte Wirkungen mit der Kunst als solcher verknüpfen. Die dargestellten Besonderheiten der Kunst geben vielmehr keinen Anlass, der Kunst als solcher Gehalte oder inhaltliche Wesensmerkmale zuzuweisen, die diese gegenüber anderen Beiträgen zum öffentlichen Diskurs auszeichnen. Wie Kunst auf die Wirklichkeit außerhalb ihres eigenen Lebensbereichs einwirkt, beruht auf potentiellen Funktionen, die keinesfalls als konstitutive Gehalte des Kunstbegriffs gesetzt werden können.166 Die wechselseitige Reaktionskette von Gesellschaft, Künstler und sozialer Wirkung seines Werk bedingt, dass weder die Themen, die sich die Kunst sucht, noch die Art und Weise, wie sie diese künstlerisch verarbeitet, vorhersehbar und einer generellen Charakterisierung zugänglich sind. Schon ein einzelnes Kunstwerk kann – in Reaktion und in Bezug auf sein Entstehungs- und Wirkungsfeld – verschiedene Funktionen wahrnehmen.167 Diese potentielle Multifunktionalität gilt umso mehr für das Funktionssystem der Kunst im Ganzen. Sie gilt vor allem im Hinblick auf die künstlerische Sichtweise auf die Gesellschaft: Kultur kann zusammenschweißen und auseinanderbrechen, sie kann gesellschaftliche Prozesse stabilisieren und unterstützen, aber auch schwächen und kritisieren.168 Der kulturelle Diskurs kann auf grundlegende Entwicklungen der Staatstätigkeit ebenso wie auf kurzfristige Ziele bezogen sein. Er kann schließlich explizit politisch oder ostentativ weltabgewandt sein.
C. Beeinträchtigung des Staatsfreiheitsgebots durch staatliche Kunstförderung Dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes liegt ein liberales Verständnis zugrunde.169 Die Formel von der „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ verknüpft Freiheit und Demokratie auf Engste; Demokratie im Sinne des Grundgesetzes
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Schmücker, in: Kleimann/ders. (Hrsg.), Wozu Kunst?, 2001, S. 13, 22 ff. Busch, in: ders. (Hrsg.), Funkkolleg Kunst, 1987, S. 3, 5. 168 Zur Literatur Culler, Literaturtheorie, 2002, S. 60 f. 169 Kloepfer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. III, 2005, § 42 Rn. 45. 167
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1. Teil: Legitimationsbedürftigkeit staatlicher Kunstförderung
beruht entscheidend auf einem freiheitlichen Prozess der Willensbildung des Volkes.170 I. Inhalt des Staatsfreiheitsgebots Das Demokratieprinzip schützt nicht die öffentliche Meinung an sich, „sondern nur die öffentliche Meinung, die in einem freien Meinungsbildungsprozess zustande gekommen ist“.171 Somit zieht es eine Trennlinie zwischen Volkswillensbildung und Staatshandeln. Zwar liegt dem Demokratieprinzip ein (idealisierter) Prozess der wechselseitigen Beeinflussung zugrunde: „Politisches Programm und Verhalten der Staatsorgane wirken unablässig auf die Willensbildung des Volkes ein und sind selbst Gegenstand der Meinungsbildung des Volkes; Meinungen aus dem Volk […] wirken auf die Willensbildung in den Staatsorganen ein.“172 Dieser Prozess verläuft jedoch nur ungestört, wenn der Grundsatz der „Staatsfreiheit“ der Volkswillensbildung beachtet wird:173 Die „Willensbildung [muss sich] vom Volk zu den Staatsorganen, nicht umgekehrt von den Staatsorganen zum Volk hin, vollziehen“.174 Diese staatsunabhängige Bildung der öffentlichen Meinung ist ein Wesenskern der Demokratie. Die Demokratie beruht auf dem Vertrauen, die politische Willensbildung bei den Bürgern, beim Einzelnen – und nicht bei politischen Eliten – anzusiedeln und im Umkehrschluss Bedenken angesichts möglicher Risiken dieses Vorgehen zurücktreten zu lassen.175 Nur wenn der Prozess der Volkswillensbildung „frei, offen und unreglementiert“ verläuft,176 entsteht auf dem „marketplace of ideas“ ein „Jedermann-Wettbewerb“.177 In diesen freien „Meinungsmarkt“178 darf der Staat grundsätzlich nicht dadurch eingreifen, dass er Akteure – etwa Parteien oder Verbände – in den Bereich der 170 BVerfGE 5, 85, 134 f.: 20, 56, 97 ff.; 44, 125, 138 ff.; s. dazu auch Kloepfer, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. III, 2005, § 42 Rn. 44 f. 171 Kloepfer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd.III, 2005, § 42 Rn. 12. 172 BVerfGE 44, 125, 140. 173 Schmitt Glaeser, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. III, 2005, § 38 Rn. 34; zustimmend (zur 1. Aufl. 1987) Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, 1993, S. 187. 174 BVerfGE 20, 56, 99; 97, 350, 369: „Demokratie setzt eine ständige freie Auseinandersetzung zwischen sich begegnenden sozialen Kräften, Interessen und Ideen voraus, in der sich auch politische Ziele klären und wandeln und aus der heraus eine öffentliche Meinung den politischen Willen vorformt.“ 175 Vgl. BVerfGE 20, 56, 102: „Die freiheitliche Demokratie nimmt prinzipiell die Risiken in Kauf, die darin liegen, daß die politische Willensbildung der Urteilskraft und der Aktivität der Bürger anvertraut ist.“ 176 BVerfGE 20, 56, 98. 177 Schmitt Glaeser, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. III, 2005, § 38 Rn. 28. 178 Heckel, Staat – Kirche – Kunst, 1968, S. 99.
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organisierten Staatlichkeit einfügt,179 vor allem, wenn durch diese die politische Willensbildung des Volkes „vorgeformt“ wird.180 Das Demokratieprinzip verbietet nicht allein die inhaltliche Einflussnahme, sondern alle Einwirkungen, die nicht durch einen „besonderen, sie verfassungsrechtlich legitimierenden Grund gerechtfertigt werden können“.181 II. Wirkungen staatlicher Kunstförderung und Staatsfreiheitsgebot 1. Untersuchungsbedingungen und Normalfall Die Wirkungen staatlicher Kunstförderung lassen sich nicht mit naturwissenschaftlicher Genauigkeit messen.182 Dafür sind die Lebenssachverhalte zu mannigfaltig und die Wirkungen zu diffus. Andererseits ist offensichtlich, dass die staatliche Kunstförderung nicht ohne Auswirkungen auf das Kunstleben bleiben kann183 und damit die „öffentliche Aufmerksamkeit und Meinung“ beeinflusst.184 Wer die Wirkungen der Kunstförderung untersuchen will, und sei es nur theoretisch, muss von einem „Normalfall“ ausgehen. Der Kunstwissenschaftler und Inspektor der königlichen Gemäldegalerie in Stuttgart Konrad Lange schrieb dazu:185 „Der normale Fall, den die Kunstlehre zugrunde legen muß, wird […] immer der sein, daß das Kunstwerk sowohl seinen Schöpfer befriedigt, als auch dem Publikum, mit dem er sich als soziale Einheit fühlt, Genuß gewährt. Wo dieses harmonische Verhältnis zwischen künstlerischem Schaffen und Genießen gestört ist, indem das Publikum den Künstler oder der Künstler das Publikum nicht versteht, haben wir es immer mit einer Anomalie zu tun. Das Ideal, dem auch die großen Blütezeiten verhältnismäßig nahe gekommen sind, wird 179
BVerfGE 20, 56, 99, 102. Vgl. BVerfGE 44, 125, 140. 181 BVerfGE 20, 56, 99. 182 Schäuble, Rechtsprobleme der staatlichen Kunstförderung, 1965, S. 195; Maase, Was macht Populärkultur politisch?, 2010, S. 73, der Schwierigkeiten des Nachweises konstatiert „für alle sozialen Wirkkräfte, die nicht auf physische Gewalt zurückgehen“. 183 Vgl. dazu Ladeur, Der Staat gegen die Gesellschaft, 2006, S. 282, zu den seines Erachtens vielerorts zu beobachtenden konzeptionslosen (nicht kunstförderungsspezifischen) wirtschaftspolitischen Ad-hoc-Interventionen: „Vor allem das Ausmaß staatlicher Förderung läßt es als evident erscheinen, daß diese Interventionen erhebliche Folgen für die Selbstorganisation der Gesellschaft haben. […] Es besteht kein Anlaß zur Annahme, daß hier eine Politik betrieben wird, die ohne erwünschte Nebenwirkungen bleiben kann. Dafür bedürfte es der Entwicklung neuer Institutionen des Monitoring, das besonders auf diffuse Effekte eingestellt ist.“ 184 Fuchs, in: ders., Kulturpolitik und Zivilgesellschaft, 2008, S. 122, 122. 185 Lange, Das Wesen der Kunst, 1907, S. 49; ähnlich die Ausführungen des Sachverständigen Heinz Rudolf Kunze im Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“, BT-Drs. 16/7000, S. 232, wenn auch gefolgt von kritischen Erwägungen zur Qualität einer solchen Kunst. 180
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1. Teil: Legitimationsbedürftigkeit staatlicher Kunstförderung immer das sein, daß die Kunst, die ihren Schöpfer befriedigt, auch seinem Publikum Genüge leistet. Jedenfalls kann die Kunstlehre nur von diesem Fall ausgehen.“
Dieser Ausgangspunkt stimmt mit den Feststellungen überein, die zur Rolle der Kunst im öffentlichen Diskurs getroffen wurden: Die Kunst ist im Regelfall auf Kommunikation ausgerichtet, und zwar vor allem zwischen Künstler und Publikum. Der damit zugrunde gelegte „Normalfall“ entspricht auch dem Anliegen des Art. 5 Abs. 3 GG, wenn man die Kunstfreiheit als „Freiheit […] des Kommunikationsprozesses zwischen Schöpfer und Rezipienten“ versteht.186 Freilich bewegen sich auch Künstler und Publikum auf dem sozialen Feld der Kunst nicht allein. Es sind „Kunstgemeinschaften“, bestehend aus Galeristen, Kuratoren, Kritikern, Publikum und Sammlern, die darüber bestimmen, „ob ein Werk ein Kunstwerk [ist…], ob ein Kunstwerk ein relevantes bzw. gutes Kunstwerk ist und […] welche Eigenschaften dieses Kunstwerk hat“.187 Aber Künstler und Publikum sind doch die Grenzen dieses Feldes: Die übrigen Akteure nehmen lediglich eine „Mittlerfunktion zwischen Künstler und Publikum“188 ein. Sie sind auf der einen Seite darauf angewiesen, dass ihre Vorauswahl, ihre Bewertung und ihre Einstufung vom Publikum geteilt wird; das Publikum wird sich Vermittler wählen, die seine Bedürfnisse zu befriedigen und seinen Geschmack zu treffen vermögen.189 Auf der anderen Seite wird der Künstler einen Vermittler wählen, der Kontakt zu einem Publikum herzustellen vermag, das die Werke des Künstlers schätzt. Die Vermittler zwischen Künstler und Publikum (und die hinter ihnen stehenden Institutionen) sind also von beiden Seiten des Feldes abhängig. Auch mit einem derart festgelegten Normalfall lassen sich die Wirkungen natürlich nicht präzise bestimmen; insbesondere sind die Wirkungen nie so genau zu bestimmen wie im Falle staatlicher Eingriffe durch hoheitlichen Zwang.190 Andererseits können das Recht und die Rechtswissenschaft angesichts der „komplexen Kausalität“ sich ihrer „Zuständigkeit“ nicht entziehen191 und abwarten, bis die Politikwissenschaft die „Steuerungsversuche des Staates analysiert“192 hat. Auch Le-
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Pernice, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 2004, Art. 5 III (Kunst) Rn. 13. Weibel, in: Werkner/Höpfel (Hrsg.), Kunst und Staat, 2007, S. 31, 45. 188 BVerfGE 30, 173, 191. 189 Wer von einem Filmpreis (mehrfach) enttäuscht wurde, empfindet diesen nicht mehr als Referenz; wer Lob oder Kritik eines Rezensenten (mehrfach) nicht zu teilen vermag, ändert bestenfalls das Vorzeichen von dessen Bewertungen, eher aber nimmt er sie künftig nicht mehr zu Kenntnis. 190 Schäuble, Rechtsfragen der staatlichen Kunstförderung, 1965, S. 195: „Das Maß der Beeinflussung durch Mäzene ist naturgemäß viel weniger meßbar als direkte staatliche Eingriffe.“ 191 Ladeur, Der Staat gegen die Gesellschaft, 2006, S. 282. 192 So die Forderung v. Beymes mit Kritik gegen die bisherige politikwissenschaftliche Forschung (Vergleichende Politikwissenschaft, 2010, S. 269). 187
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benswelten, die durch Unsicherheit geprägt sind, sind dem Recht zugänglich.193 Das Verfassungsrecht endet nicht an der Stelle, wo die Auswirkungen einer staatlichen Maßnahme (noch) nicht mit Sicherheit feststellbar sind. Die Unsicherheit ist nicht ohne Bedeutung, aber auch keine Grenze der rechtlichen Zugänglichkeit. Ganz davon abgesehen ist es zwar schwierig, die genauen Auswirkungen festzustellen, aber – wie im Folgenden zu zeigen ist – keineswegs unmöglich, die Auswirkungen staatlicher Kunstförderung genauer zu analysieren, als dies bisher versucht wurde. 2. Die Folgen der Förderung im Verhältnis von Künstlern und Gesellschaft a) Entfremdung von Künstler und Publikum Die Kulturförderung macht den Künstler vom Publikum unabhängiger. Er ist nicht davon entlastet, seine Werke am Markt zu verkaufen. Damit verliert das Band, das der Markt zwischen dem Künstler und seinem Publikum knüpft, durch staatliche Subventionen seine Spannung.194 Im Extremfall führt die Kunstförderung zu einer Situation, in der der geförderte Künstler und Kunstvermittler unter völliger Außerachtlassung der kulturellen Bedürfnisse des Publikums arbeiten. Es wird dann für Gremien produziert oder für eine selbstreflexiv gewordene Kunstwelt.195 Damit verschieben sich zugleich die aufgegriffenen Themen, nämlich weg von Themen von allgemeinem Interesse hin zu Themen von kunstinternem Interesse.196 Das Ergebnis einer intensiv gepflegten traditionellen Hochkultur bleibt oftmals „ein Museums193 In Fällen, in denen die Unsicherheit in Bezug auf drohende Schäden, also in einem „Risiko“ besteht, ist dies weithin anerkannt; siehe zum „Vorsorgeprinzip“ Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, S. 176 ff., 223 ff. 194 Ebenso Heuer, NJW 1985, S. 232, 235, zum Extremfall des holländischen Modells einer staatlichen Ankaufsverpflichtung für Kunstwerke; vgl. die Ausführungen des Sachverständigen Heinz Rudolf Kunze im Schlussbericht der der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“, BT-Drs. 16/7000, S. 231 f., der auf die Gefahren des „Elfenbeinturms“ ohne „lebendigen Bezug zum Rest der Wirklichkeit“ hinweist. Zur Entwicklung in Deutschland Ende des 19. Jahrhunderts umfassend Lewis, Art for All?, 2003. 195 Nickel, „Die Kunst geht nach Brot“, 2009, zur Situation der Literatur in Österreich, wo Künstler und Verlage staatliche Förderung erhalten können: „Daher kam es im österreichischen literarischen Feld zu dem Paradoxon, dass marktgängige Literatur oft weniger finanzielle Gewinne abwarf als avantgardistische Schreibweisen. Der Schreibprozeß erforderte weniger die Konzentration auf den Markt als auf die Jurys mit dem Effekt, dass die österreichische Literatur immer artifizieller wurde und sich den Leseerwartungen des Publikums häufig verschloß. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch die spezifisch österreichische Situation im Verlagsfeld: Auch die Verlage leben von den Förderungen, erhalten diese aber nur, wenn sie nichtmarktgängige (= förderungswürdige) Literatur verlegen. Erlöse aus dem Verkauf der Bücher spielen für viele Verlage nur eine untergeordnete Rolle – auch sie müssen sich nicht auf das Publikum konzentrieren.“ 196 Oliver Jungen, Autorenförderung? Hungert sie aus!, F.A.Z. vom 4. 4. 2008 spricht in seiner Kritik am Subventionswesen im Literaturbereich davon, die geförderte Literatur sei von „Impressionismus“ und „Selbstbeschau“ geprägt.
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1. Teil: Legitimationsbedürftigkeit staatlicher Kunstförderung
stück, das nicht in die Alltagswelt übernommen wird“.197 Wenn Kunst immer dann besondere Wirkung entfaltet, wenn sich Erfahrungen des ausdrückenden Künstlers mit Lebenswelten der Rezipienten treffen, erschwert oder verhindert die Förderung, dass die Kunst die Probleme der Gegenwart erfasst. In dieser Situation wird sich der Einzelne anderen gesellschaftlichen Institutionen zuwenden, die die Kunst ersetzen können.198 In der Folge kommt es zu einer Entmachtung oder zumindest Entkräftung des sozialen Feldes der Kunst. Die Überschwemmung des Kunstmarktes mit Kunst, die ihre Wirkmächtigkeit nicht oder nur zum Teil unter Beweis stellen muss, führt dazu, dass die Kunst den Raum, den sie einnehmen könnte, an nicht-künstlerische Kräfte und funktionale Ersatzinstitutionen verliert.199 In dem Maße, in dem der fördernde Staat das zahlende Publikum ersetzt, kommt es somit zur Entfremdung zwischen Publikum und Künstler.200 Diesen Aspekt der „Entfremdung“, der im Verhältnis eines nunmehr staatlich Geförderten zur ihn vormals finanzierenden Gruppe eintritt, hat das Bundesverfassungsgericht in seinen Urteilen zu Parteienfinanzierung für das Verhältnis zwischen Bürgern und Parteien hervorgehoben:201 Das Staatsfreiheitsgebot erfordere hinsichtlich finanzieller Leistungen des Staates nicht nur Maßnahmen zur Eindämmung der Gefahr mittelbarer Einflussnahme, sondern auch, dass „die Parteien sich ihren Charakter als frei gebildete, im gesellschaftlich-politischen Bereich wurzelnde Gruppen bewahren“.202
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Schulze, Die Erlebnisgesellschaft, 2005, S. 149 f.; vgl. Welsch, Unsere postmoderne Moderne, 2008, S. 298: Ästhetizistisches Kunstverständnis führe zum „Musentempel“, ein avantgardistisches zur „befreiten Existenz“. 198 Optimistischer Häberle, AöR 110 (1985), S. 577, 593, mit dem Hinweis, dass sich dieser Drang der Kunst, die „grundlegenden Probleme einer Zeit“ aufzugreifen, bei staatlicher Kontrolle des Kunstmarkts in Alternativ- und Subkulturen (nicht aber in andere gesellschaftliche Institutionen) verlagert. 199 Vgl. Nickel, „Die Kunst geht nach Brot“, 2009. 200 Vgl. weitergehend Kirchhof, NJW 1985, S. 225, 225, der über eine Entfremdung hinaus sogar einen Interessenkonflikt zwischen Künstler und Bürger konstatiert: „Die Steuerpflichtigen hingegen werden den Finanzstaat fragen, warum er ihnen Einkommen und Vermögen nimmt, um es den Künstlern zu geben.“ 201 BVerfGE 20, 56, 101; 85, 264, 287 f.: Die Aufgabe der Parteien im demokratischen Prozess setze voraus, dass sich Parteiführung und -organisation nicht von ihrer Mitgliederbasis und der Bürgerschaft „entfremden“. Kritisch hinsichtlich der Beschränkung der Parteienfinanzierung Möllers, Staat als Argument, 2011, S. 344: „Die Entfremdung der Parteien von ihrer Basis ist durch staatliche Finanzierung nicht notwendig zu befürchten. Sie bleibt eine empirische Spekulation. Vielleicht interessieren sich die Bürger ganz im Gegenteil für finanziell gut ausgestattete Parteien.“ Diese Argumentation geht allerdings an der Sache vorbei: Nicht (so sehr) das Interesse der Bürger an staatlich finanzierten Parteien, sondern das Interesse der staatlichen finanzierten Parteien am Bürger ist gefährdet. 202 Die Wichtigkeit dieser Unterscheidung zwischen mittelbarer Einflussnahme anlässlich der Förderung und unmittelbarem Einfluss durch die Förderung selbst sei besonders betont, da im Kulturverfassungsrecht die Gefahr tatsächlicher Einflussnahme, die die Finanzierung ermöglicht, teils erkannt wurde, Gefahren durch finanzielle Leistungen als solche hingegen keine größere Aufmerksamkeit erfahren haben; dass der Staat „wettbewerbsverzerrend den Prozess
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Diese Verwurzelung werde nicht zuletzt durch die wirtschaftliche Unterstützung seitens der Bürger gewahrt. Bei Gewährung öffentlicher Mittel bestehe das Risiko, dass die Parteien sich nicht hinreichend um Unterstützung bemühten.203 Daher seien die Parteien „in nicht mehr hinnehmbarer Weise vom Staat abhängig“ und der Grundsatz der Staatsfreiheit verletzt, wenn der Finanzbedarf der Parteien – obwohl diese auch als Staatsorgane eine Verfassungsaufgabe zu erfüllen haben – „vorwiegend oder gar völlig“ aus öffentlichen Mitteln gedeckt würde.204 Auf die Verwurzelung der Künstler in der Gesellschaft sind diese Überlegungen übertragbar.205 Das Bundesverfassungsgericht knüpft insbesondere an die Rolle der Parteien für die gesellschaftliche Willensbildung an, die – wie gesehen – auch der Kunst zukommt. Entgegengehalten werden könnte der Argumentationslinie des Bundesverfassungsgerichts unter dem Gesichtspunkt demokratischer Gleichheit allein, dass die Entfremdung nur zwischen dem staatlich Gefördertem und überhaupt zur Finanzierung der Kunst Fähigen eintreten könne; denn Mittellose seien von vornherein nicht in der Lage, ein wirtschaftliches Band zu knüpfen. Dieser Einwand verfängt jedoch nicht. Zum einen wäre er nicht nur an dieser Stelle zu erheben.206 Zum anderen aber wird dieser Einwand im Hinblick auf Kulturausgaben stark geschwächt, weil das sozialstaatlich gewährte Existenzminimum auch Ausgaben für kulturelle Leistungen umfasst, die eine wirtschaftliche Beziehung ermöglichen.207 der öffentlichen Kunstgeschmacksbildung“ beeinträchtige, bemerkt Geißler, Kunstförderung nach Grundgesetz und Recht der EG, 1995, S. 45. 203 BVerfGE 85, 264, 287. 204 BVerfGE 85, 264, 288; noch strenger die in diesem Urteil aufgegebene, vorzugswürdige Rechtsprechung, die nur die Wahlkampfkosten für erstattungsfähig hielt (BVerfGE 20, 56, 113 ff.). Das in der älteren Rechtsprechung betonte gleichwertige Nebeneinander von Parteien und (anderen) zivilgesellschaftlichen Akteuren im Prozess der politischen Willensbildung, das nur im Hinblick auf die Wahlvorbereitung eine Vorrangstellung der Parteien zuließ, findet in der neueren Rechtsprechung keine Beachtung mehr. Das nunmehr tragende Argument, der Wahlkampf lasse sich inhaltlich nicht von sonstigen Tätigkeiten der Parteien abgrenzen (BVerfGE 85, 264, 286), rechtfertigt die mit der als zulässig angesehenen Finanzierung aller Tätigkeiten verbundene Bevorzugung der Parteien gegenüber Verbänden etc. jedenfalls nicht. 205 Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass die Verfassungsmäßigkeit staatlicher Parteienfinanzierung aus Gründen gerechtfertigt wurde, die nicht ohne Weiteres übertragbar sind, nämlich mit der in Art. 21 GG grundgesetzlich positivierten Aufgabe der Parteien (vgl. BVerfGE 44, 125, 143 f.) und der Nicht-Abgrenzbarkeit anderer Tätigkeiten zu dieser Aufgabe. Ob der Kultur hingegen eine grundgesetzliche Aufgabe für das staatliche Gemeinwesen zukommt, ist mangels grundgesetzlicher Positivierung jedenfalls untersuchungsbedürftig; siehe dazu unten § 7. 206 Überblick zum Problem der Güterverteilung in der Demokratie bei Bizeul, in: Wendel/ Bernard/ders. (Hrsg.), Wieviel Armut verträgt die Demokratie?, 2001, S. 100 ff. 207 Die Sozialleistungen für Kulturausgaben liegen in einer Größenordnung von rund 40 Euro im Monat. Dieser Betrag entspricht zwar nicht einmal der Hälfte der Ausgaben eines durchschnittlichen Bundesbürgers für Kultur (Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Kulturindikatoren 2008, S. 56 f.: monatlich rund 104 Euro); dennoch kann nicht davon gesprochen werden, dass von vornherein keine wirtschaftlichen Bande geknüpft werden könnten. Dies gilt umso mehr, wenn man berücksichtigt, dass zu den größten Posten der Kulturausgaben
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b) Verhinderung sozialer Gruppenbildung im Bereich der Kunst Die staatliche Kunstförderung steht zudem freiwilligen Zusammenschlüssen von Künstlern und Kunstliebhabern im Wege, indem sie deren Aufgaben übernimmt oder sie in staatliche Abhängigkeit bringt. Die zivilgesellschaftliche Gruppenbildung spielt gerade im Bereich der Kunst eine herausragende Rolle;208 Kunst schafft einen der urtümlichsten Bereiche zivilgesellschaftlicher Vereinsbildung.209 Dies betrifft zum einen Zusammenschlüsse der Künstler: Gruppen, die sich dennoch bilden, die sich als „frei“ oder „alternativ“ verstehen und daher eine Selbstorganisation gerade in Ansehung und Ablehnung der Gefahren staatlicher Beeinflussung anstreben,210 sehen sich der Konkurrenz einer finanziell bevorzugten geförderten Kunst gegenüber. Dies betrifft zum anderen Kunstvereine und Kunstfördervereine, in denen Nicht-Künstler der Kunst (oder einer bestimmten Kunst) Aufmerksamkeit und Unterstützung zukommen lassen wollen.211 Die Verhinderung oder Reduzierung solcher freiwilliger Zusammenschlüsse hat große Bedeutung für das demokratische Miteinander und den öffentlichen Diskurs.212 Der „intermediäre Raum zwischen Individuum und staatlicher Gewalt“213 wird eines Akteurs enthoben, der, anders als zahlreiche andere Akteure des öffentlichen Diskurses – etwa Parteien oder Lobbyverbände –, nicht von vornherein die Durchsetzung seiner Interessen nach außen bezweckt, sondern seinen Zweck in sich trägt.214 Gerade die Eigenschaft, keine politischen Ziele zu verfolgen, überträgt ihnen des Durchschnittsbürgers Zeitungen und Zeitschriften und technische Geräte gehören, sodass die Ausgaben für kulturelle Leistungen im engeren Sinn sich dem gewährleisteten Minimum weiter annähern. 208 Dazu Dietlein, in: Stern, Staatsrecht, Bd. IV/2, 2011, S. 119 ff.; Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 25 f. 209 Hempel, Literarische Vereine in Dresden, 2008, S. 20 ff.; Wagner, Fürstenhof und Bürgergesellschaft, 2009, S. 367 ff. (Kunstvereine), S. 397 ff. (Musikvereine), S. 412 ff. (Theatervereine). 210 Vorländer, NJW 1983, S. 1175. 211 Zur Rolle von Vereinen Geißler, Kunstförderung nach Grundgesetz und Recht der EG, 1995, S. 22 f.; siehe auch die Chronik privater Kunstvereine a.a.O., S. 258 f.; zur staatlichen Behinderung solcher Gruppenbildung Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, 2001, S. 191. 212 Frankenberg, Die Verfassung der Republik, 1996, S. 50 ff., 53 ff.; Hempel, Literarische Vereine in Dresden, 2008, S. 13 f. m.w.N. Zur Entstehung der politischen Öffentlichkeit aus der literarischen Öffentlichkeit in „Kaffeehäusern“ Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, 1990, S. 92 ff., 116 ff. 213 Kaiser, Die Repräsentation organisierter Interessen, 1978, S. 29. 214 Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, 1975, S. 364: „Die Menschen tun sich zur Förderung ihrer kulturellen und künstlerischen Ziele zusammen. […] Sie bedienen sich nicht des staatlichen Zwangsapparats, um für sich mehr Freiheit oder einer günstigere Verteilung zu erreichen, weil ihre Tätigkeiten einen größeren inneren Wert hätten.“ Zur Unterscheidung zwischen Interessenverbänden und sonstigen Verbänden vgl. Horn, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. III, 2005, § 41 Rn. 6 f.
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eine besondere Rolle im Prozess der öffentlichen Meinungsbildung.215 Zugleich steht die Verhinderung freier Zusammenschlüsse in besonderer Weise dem freiheitlichen Charakter des Demokratieprinzips entgegen, kann doch gerade eine entwickelte Zivilgesellschaft Schutz gegenüber autoritären Übergriffen des Staates bieten.216 3. Die Folgen der Förderung im Verhältnis von Künstler und Staat Die Folgen der Kunstförderung werden zumeist darin gesehen, dass wegen der Notwendigkeit von Auswahlentscheidungen nicht alle Künstler gefördert werden können und daher die nicht Geförderten benachteiligt werden. Diese Wirkungen der staatlichen Kunstförderung sind unbestreitbar. Sie sind vor allem gleichheitsrechtlicher Natur, da es um die Teilhabe an staatlichen Leistungen geht.217 Auf diese Ausschlusseffekte sind allerdings die Wirkungen staatlicher Kunstförderung nicht beschränkt; sie gehen weit über umstrittene Förderentscheidungen im Einzelfall hinaus, die teils als Belege für eine Freiheitsgefährdung durch Förderung herangezogen werden.218 Vielmehr lassen sich die Wirkungen des „goldenen Zügels“219 gerade im Hinblick auf die Konsequenzen für den demokratischen Diskurs ausdifferenzieren und gleichzeitig konkretisieren. Sie führen zu einem veränderten Verhältnis von Künstler und Staat und verändern damit zugleich die Rolle des geförderten Künstlers und damit insgesamt die Rolle der Kunst im Prozess der öffentlichen Willensbildung. a) Kulturelle Staatsleistungen als Geschenke Der Mangel an festen Kriterien für die Kunstförderung und – damit einhergehend – die fehlende Justiziabilität kulturstaatlicher Maßnahmen rückt Kunstsubventionen nahe an Geschenke.220 Der Staat, der der Kunst nicht als Auftraggeber 215 Anders anscheinend Horn, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. III, 2005, § 41 Rn. 6 f., der Verbänden kultureller Art pauschal die „politische Relevanz“ abspricht und eine solche erst bei einem überregionalen Zusammenschluss solcher Vereine anerkennt. Zur freiheitlichen Bedeutung vgl. BVerfGE 38, 281, 303: „Daß man sich – zu beliebigen Zwecken – mit anderen in Vereinen, Verbänden und Assoziationen aller Art zusammenschließen darf, gehört zu den elementarsten Formen menschlicher Handlungsfreiheit“; Art. 9 Abs. 1 GG ist daher „ein wesentliches Prinzip freiheitlicher Staatsgestaltung“. 216 Dazu Voigt, Den Staat denken, 2007, S. 310. 217 Dazu oben § 3 B. II. 218 Zum Fall „Achternbusch“ etwa, in dem der Bundesinnenminister einem Regisseur die Förderung versagt hat, vgl. Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 215 f. m.w.N.; Höfling, ZUM 1985, S. 354 ff. 219 Etwa Höfling, ZUM 1985, S. 354, 356 m.w.N.; Weck, Verfassungsrechtliche Legitimationsprobleme öffentlicher Kunstförderung aus wirklichkeitswissenschaftlicher Perspektive, 2001, S. 173 f. 220 Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, 1973, S. 306; Brock, in: ders., Ästhetik als Vermittlung, S. 10, 11: „gönnerhafte Zugaben“. Brock fordert einen Rechtsanspruch auf kulturstaatliche Leistungen, da es sich nach Brocks Auffassung um Sozialleistungen handelt:
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entgegentritt, sondern Geschenke verteilt als (vorgeblich uneigennütziger) Förderer der Kunst um ihrer selbst willen, bleibt für das künstlerische Feld indes kein Unbeteiligter, gerade weil er vom geförderten Künstler – scheinbar221 – nichts verlangt. Obschon eine Subvention ganz ohne Gegenleistungspflicht erbracht werden kann,222 kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie auch ohne Gegenleistungserwartung auf Seiten des Gebers und ohne Gegenleistungsbedürfnis auf Seiten des Empfängers erbracht werden kann. Die Wirkungen, die eine Gabe beim Empfänger auslöst, hat die Ethnologie nach der grundlegenden Arbeit von Marcel Mauss immer wieder beschäftigt.223 Mauss hat in seinem Werk „Die Gabe“ betont, dass mit jeder Gabe die (moralische) Pflicht – und ein entsprechendes Pflichtbewusstsein – einhergeht, diese zu erwidern.224 Jede Gabe ist ein Akt des Teilens; jede Gabe stellt aber auch eine Schuld des Empfängers gegenüber dem Geber her.225 Georg Simmel verwendet für dieses Phänomen den Begriff der „Dankbarkeit“, den er in Abgrenzung zu vertraglichem, rechtlich eingebettetem Austauschhandeln entwickelt:226 „Die soziologische Bedeutung der Dankbarkeit indes ist eine kaum zu überschätzende. […] Aller Verkehr der Menschen beruht auf dem Schema von Hingabe und Äquivalent. […] Bei allen wirtschaftlichen Tauschen, die in Rechtsform geschehen, […] erzwingt die Rechtsverfassung das Hin- und Hergehen von Leistung und Gegenleistung […]. Nun bestehen aber unzählige Beziehungen, für welche die Rechtsform nicht eintritt, bei der von einem Erzwingen des Äquivalents für die Hingabe nicht die Rede sein kann. Hier tritt als Ergänzung die Dankbarkeit ein, jenes Band der Wechselwirkung, des Hin- und Hergehens von Leistung und Gegenleistung auch da spinnend, wo kein äußerer Zwang es garantiert.“
Das Eigentümliche des damit beschriebenen Phänomens der Reziprozität ist, dass diese Verpflichtung des Beschenkten unabhängig von den „konkreten Motiven und „Hier wird nicht die Forderung nach mehr Geld für den Kulturbetrieb erhoben. Es sollte vielmehr klargemacht werden, daß die wenigen gönnerhaften Kulturleistungen unserer Gesellschaft in erster Linie auch nur ganz normale soziale Leistungen und sozialpolitische Maßnahmen darstellen (Arbeitsplatzsicherung für Arbeitnehmer, die im Kulturbereich nur zufällig tätig sind und deswegen die gleiche Forderung nach materieller Entschädigung stellen können und müssen wie Arbeitnehmer in anderen Bereichen auch)“ (a.a.O., S. 12 f. – Hervorhebung nur hier). 221 Siehe zur Plausibilität der Annahme, der Staat verfolge keinerlei eigene Interessen, unten § 4 C. II. 4. a). 222 Dies verlangt für Kunstförderungen sehr deutlich Schäuble, Rechtsfragen der staatlichen Kunstförderung, 1965, S. 205. 223 Mauss, l’Année Sociologique 1923 – 1924, S. 30 ff. (deutsch: Die Gabe, 1968); weitere Beiträge zur Theorie der Gabe beispielsweise von Durkheim (Die elementaren Formen des religiösen Lebens, 1981) und Starobinski (Gute Gaben, schlimme Gaben, 1994); siehe auch die Beiträge in Adloff/Mau (Hrsg.), Vom Geben und Nehmen, 2005. 224 Mauss, l’Année Sociologique 1923 – 1924, S. 30, 100 ff.: „Les trois obligations: donner, recevoir, rendre“. 225 Godelier, Das Rätsel der Gabe, 1999, S. 22. 226 Simmel, Soziologie, 1908, S. 443.
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Beteuerungen der Akteure“ ist.227 Die Gabe und ihre Annahme allein genügen, um die spezifische Bindung zwischen Geber und Empfänger auszulösen. Bourdieu spricht daher von der „doppelten Wahrheit der Gabe“: Ihre vermeintliche Uneigennützigkeit sei doch untrennbar verbunden mit der ihr zugrunde liegenden Tauschlogik.228 Die gegenseitige Verpflichtung ist unabhängig davon, was die Beteiligten beabsichtigen.229 Dieser Mechanismus ist eine anthropologische Konstante230 und wird auch dann nicht außer Kraft gesetzt, wenn es sich nicht um eine Gabe zwischen Individuen handelt, wenn also beispielsweise Mittelsmänner zwischen Geber und Empfänger geschaltet werden oder ein Kollektiv wie der Staat als Geber handelt.231 Das Prinzip der Reziprozität beinhaltet immer zwei Minimalgebote: „1. Man soll denen helfen, die einem geholfen haben, und 2. Man soll jene nicht verletzen, die einem geholfen haben.“232 Die erste dieser Forderung kann zeitlich sehr lange aufgeschoben werden;233 die zweite aber wirkt ab dem Empfang der Gabe. Als Gegengabe können „nicht nur materielle Güter, sondern auch Dienstleistungen, Kognitionen, Emotionen“ dienen.234 Das scheinbare, da verdeckte Fehlen einer Gegenleistungspflicht ist für den Akt der Gabe ebenso konstitutiv wie die Folge, dass von zukünftigen Transaktionen ausgeschlossen wird, wer sich den Regeln der Reziprozität nicht unterwirft.235 Die staatliche Entscheidung muss daher nicht einmal realisiert werden, um wirksam zu sein. Sie wirkt bereits als Drohung, und zwar umso schärfer, je „existentieller die Bedeutung der staatlichen Leistungen“ ist.236
227 Dies betont auch Hollstein, in: Adloff/Mau (Hrsg.), Vom Geben und Nehmen, 2005, S. 187, 188 f. 228 Bourdieu, Meditations Pascaliennes, 1997, S. 229 („double verité du don“). 229 Hollstein, in: Adloff/Mau (Hrsg.), Vom Geben und Nehmen, 2005, S. 187, 188 f. 230 Hollstein, in: Adloff/Mau (Hrsg.), Vom Geben und Nehmen, 2005, S. 187, 189: Pflicht zur Reziprozität sei „grundlegendes und ubiquitäres Prinzip“. 231 So ausdrücklich Godelier, Das Rätsel der Gabe, 1999, S. 24; bereits die Beobachtungen und Überlegungen Mauss’ bezogen sich auf Tauschvorgänge sowohl seitens Individuen als auch seitens Kollektiven. 232 Gouldner, in: Adloff/Mau (Hrsg.), Vom Geben und Nehmen, 2005, S. 109. 233 Zu zeitversetzter, „verzögerter Reziprozität“ Hollstein, in: Adloff/Mau (Hrsg.), Vom Geben und Nehmen, 2005, S. 187, 190. 234 Hollstein, in: Adloff/Mau (Hrsg.), Vom Geben und Nehmen, 2005, S. 187, 189. 235 Celikates, in: Hillebrand/Krüger/Lilge (Hrsg.), Willkürliche Grenzen, 2006, S. 73, 78. 236 Höfling, ZUM 1985, S. 354, 356; für den Kunstbereich lässt sich in weiten Teilen – wenn auch nicht generell – ein faktischer Zwang zur Subventionsannahme feststellen, vgl. Leisner, NJW 2001, S. 1329, 1332.
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1. Teil: Legitimationsbedürftigkeit staatlicher Kunstförderung
b) Folgen des Schenkungscharakters der Förderleistungen Für die Kulturförderung bedeutet dies, dass allein der (potentielle) Empfang staatlicher Leistungen das Verhalten der Künstler dahingehend beeinflusst, dass diese ihr Verhalten „staatsschonend“ auszurichten bestrebt sind und im Rahmen ihrer Möglichkeiten „staatsfördernd“ ihre durch das Geschenk begründete Schuld auszugleichen versuchen. (1) Geringere Bereitschaft zur Machtkritik Kunst wird schon fast traditionell eine kritische Rolle gegenüber dem Bestehenden zugesprochen; im Kulturstaatsdiskurs wird häufig ihr subversiver Charakter gerade auch gegenüber dem Staat betont.237 In der Tat hier zeigt sich die demokratische Funktion der Kunst besonders deutlich, wenn sie Herrschaftskritik übt.238 Der kritische Charakter kann sich auf zwei Weisen ausdrücken: Zum einen können Missstände aufgezeigt werden, sei es in Formen der Satire, sei es in Formen direkten Protestes. Zum anderen können Alternativbilder aufgezeigt werden, entweder als positive Utopien, oder als abschreckende Dystopien.239 Das herrschaftskritische Potential aktualisiert sich aber nicht unabhängig von den äußeren Umständen. Es ist keinesfalls so, dass der Staat sich durch die Förderung der Kunst wegen deren „natürlichen“ herrschaftskritischen Charakters mehr schadet als nützt.240 Per se kommt ein solcher Charakter der Kunst nicht zu.241 Kunst ist nicht 237
Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 252: „Rolle der Kunst als Medium von Konflikt und Revolution“; Heuer, Die Besteuerung der Kunst, 1984, S. 84 f. mit Beispielen aus der Kunstgeschichte; Palm, Öffentliche Kunstförderung zwischen Kunstfreiheitsgarantie und Kulturstaat, 1998, S. 21: Lebensbereich, „der sich gerade aus der Bemühung zu speisen scheint, Festlegungen zu vermeiden, Unsicherheiten zu schaffen und politisch geprägte Lebenswirklichkeit zu hinterfragen“; Weck, Verfassungsrechtliche Legitimationsprobleme öffentlicher Kunstförderung aus wirklichkeitswissenschaftlicher Perspektive, 2001, S. 34, mit einem Zitat von Claus Peymann (dem man angesichts seines beim Wechsel an das Berliner Ensemble selbstbewusst geforderten üppigen staatlichen Gehalts und dem offenen Bekenntnis zur Notwendigkeit staatlicher Subventionen seine ostentative Staatsfeindlichkeit – „Es gibt keine Kunst, die den Staat bejaht.“ – nur begrenzt abnehmen kann). 238 Beispiele zu anarchistischer und obrigkeitsfeindlicher Kunst bei Würtemberger, FS Dreher, S. 79, 80 ff.; zu kritischer Literatur Häberle, Das Grundgesetz der Literaten, 1983, S. 13 ff. 239 Vgl. Busch, in: ders. (Hrsg.), Funkkolleg Kunst, 1987, S. 3, 6: „Neben der religiösen ist die politische Funktion von Kunst dazu da, vor der Öffentlichkeit Programmatisches zu verbildlichen. Seit der Einsicht in ihre grundsätzlich ästhetische Natur kann sie gerade in der politischen Öffentlichkeit Scheincharakter tragen, Idealbilder vorspiegeln, die der Überhöhung und Verbrämung der politischen Praxis dienen; sie kann aber auch kritische Potenz entwickeln.“ 240 So aber Adorno, in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. 8, 1997, S. 122, 129 f.: „Kultur erhält allen Institutionen gegenüber ein kritisches Moment: Indem überhaupt etwas gedeiht, was nicht zu verwerten ist, zeigt Kultur die Fragwürdigkeit der herrschenden Praxis auf.“ 241 Mit einem sehr engen Kunstbegriff, der alle engagierte, alle Unterhaltungskunst und alle in irgendeinem Sinn funktionale Kunst ausblendet, gelangt Adorno (vgl. etwa zu politisch engagierter Kunst Adorno, in: Tiedemann [Hrsg.], Gesammelte Werke, Bd. 7, 1997, S. 7, 359:
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grundsätzlich staatskritisch oder gar -feindlich.242 Kunst kann vielmehr auch affirmativ, idealisierend, beschönigend gegenüber politischer Macht und somit herrschaftsstabilisierend wirken.243 Und sie kann ihr kritisches Potential auch gegenüber zivilgesellschaftlichen, etwa wirtschaftlichen oder kirchlichen Akteuren, oder gegenüber der Gesellschaft im Ganzen entfalten und dadurch hoheitliche Maßnahmen zur Beseitigung durch sie aufgedeckter vermeintlicher oder tatsächlicher Missstände hervorrufen. Und schließlich kann Kunst auch eigene Ansprüche gegenüber dem Staat formulieren, die zwar in kritischer Haltung vorgebracht werden mögen, aber vor allem von egoistischen Motiven getragen sind.244 Diese Potentialität ihrer Wirkungsrichtung – gerade gegenüber politischer Herrschaft – prägt die Kunst und macht sie anfällig für externe Einflussnahme. Vor diesem Hintergrund ist mit der Förderleistung als Gabe die Erwartung des Staates verbunden, dass der die Gabe erhaltende oder sich (weitere) Gaben erhoffende Künstler von den ihm zur Verfügung stehenden kritischen Potentialen der Kunst in einer staatsschonenden Weise Gebrauch machen wird.245 Dieses Phänomen wird in den Reihen der Künstler als „Selbstzensur“, als „Schere im Kopf“ oder als „vorauseilender Gehorsam“ bezeichnet.246 Die Tendenz zur Revolte, zur Grundsatzkritik bestimmter Politiken oder der generellen politischen Ausrichtung der Staatsgewalt, zum Aufruf gegen Freiheitsbedrohungen durch den (eigenen) Staat ist aus den Reihen der staatlich subventionierten Kunstszene kaum zu erwarten.247 diese gehe „unter ihren Begriff“) zu einem apriorisch kritischen Charakter der Kunst (a.a.O., S. 358 f.); Adornos stipulative Äußerungen zur Kunst sind aber mit dem Kunstbegriff des Grundgesetzes nicht kompatibel (vgl. etwa a.a.O., S. 356: Dass niedrige Kunst legitim sei, sei Ideologie). 242 Vgl. v. Beyme, Vergleichende Politikwissenschaft, 2010, S. 306 ff. 243 Heuer, Die Besteuerung der Kunst, 1984, S. 82 ff., 109, zur doppelte[n] Bedeutung des Kunstlebens für den demokratischen Staat“, die seiner Ansicht nach im Beunruhigenden, Kritischen einerseits, im Hoffnung Stiftenden, Sinngebenden andererseits liegt; Maase, Was macht Populärkultur politisch?, 2010, S. 49 ff., spricht von dissentiven und konstruktiven Zielen der Kunst. 244 Bourdieu/Haacke, Freier Austausch, 1995 S. 76 ff. 245 Schäuble, Rechtsprobleme der staatlichen Kunstförderung, 1965, S. 200: Gefahr, dass politisches Wohlverhalten die Förderentscheidungen bestimme und Künstler sich daran anpassten; vgl. zur Kunstpolitik der DDR Rehberg, Sociologia Internationalis 2012, S. 49, 68: „Die bildenden Künstler, besonders die Maler und Bildhauer, gehörten ihrer relativen […] Privilegierung wegen […] nicht zu den Hauptakteuren der sich langsam formierenden Opposition, unabhängig davon, ob sie mit dieser sympathisiert haben oder nicht.“ 246 So die Schlagworte im Tagungsbericht von Vorländer, NJW 1983, S. 1175. 247 Leisner, Der gütige Staat, 2000, S. 192: „Staatshilfe macht geduldig, sie läßt alle Gedanken an Rebellion, oder gar an Revolution vergessen. Mögen gelegentlich einzelne besonders Betroffene demonstrieren für Staatshilfen – die Proteste kommen nie aus der Grundüberzeugung eines Kampfes um Freiheit, sie haben immer etwas ängstlich Bittendes. Und wird dem nicht entsprochen, so gehen die Demonstranten entmutigt nach Hause, sie erstürmen keine Bastille – es gibt sie auch nicht mehr.“ Die letzte Bemerkung („nicht mehr“) beruht auf der Beobachtung Leisners, dass der Obrigkeitsstaat seine Macht mehr und mehr in Formen des „gütigen Staates“ ausübt.
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1. Teil: Legitimationsbedürftigkeit staatlicher Kunstförderung
Kritik wird entweder vermieden oder auf andere gesellschaftliche Bereiche – etwa: den Markt, die Industrie, andere Staaten – verlagert. Die Zurückhaltung seitens der Künstler wird durch zwei Faktoren beeinflusst: Sie wird umso größer sein zum einen, je stärker die Künstler von staatlichen Leistungen abhängig sind,248 und zum anderen, je größer die Freiheit des Staates oder seiner Instanzen ist, über die Förderung zu entscheiden. Dass dies selbst für Künstler gilt, die sich wohl selbst finanzieren könnten, sich aber mit Staatsgeschenken weitaus bequemer einrichten können, vermag die klassische Anekdote über eine Begebenheit bei einem Treffen zwischen Goethe und Beethoven zu veranschaulichen: Bei einem Spaziergang im tschechischen Kurort Teplice treffen beide auf die Kaiserin Marie Louise und ihr Gefolge. Während Goethe den Hut zieht und den Vorbeiziehenden mit tiefen Verbeugungen die Ehre erweist, geht Beethoven unbeirrt weiter und lässt sich Platz machen – was alle „bereitwillig und freundlich“ tun. Beethoven hat später geschrieben: „Göthe behagt die Hofluft zu sehr mehr als es einem Dichter ziemt.“249 Die Geschichte verdeutlicht den Unterschied des Verhältnisses zwischen Staat und einem staatlich beschenkten Künstler und dem Verhältnis des Staates zu einem Künstler, für den der Staat ein Vertragspartner neben anderen ist.250 Auch wenn Befürworter eines „starken Staates“ dies gutheißen mögen, ist eine Beeinflussung des demokratischen Diskurses an dieser Stelle nicht zu verleugnen. Man muss nicht „alt“- oder „frühliberal“251 eingestellt sein, um eine solche Beeinflussung insbesondere dann für bedenklich zu halten, wenn der Staat in den demokratischen Prozess in einer Weise eingreift, die sein eigenes Wachstum begünstigt und Staatskritik verhindert.252 Die Machtkritik ist ein Wesenselement der Demokratie. Die (auch partielle) Verhinderung machtkritischer Äußerungen trifft den Kern der Meinungsfreiheit,253 und die Beeinflussung der Bereitschaft zur Machtkritik ist – 248 Vgl. die Klage zur „subventionierten Freiheit des Theaters“ von Hellmuth Karasek, Subventionierte Freiheit des Theaters. Wie das allzu Selbstverständliche allzu harmlos werden kann, Die Zeit vom 27. 8. 1965: „Es scheint so, als würde das System der subventionierten Freiheit die Zensur erübrigen, selbst wenn sie bestünde, als garantierte es, unausgesprochen, auch für die Bühne so etwas wie eine freiwillige Selbstkontrolle. Enzensberger hat das Phänomen beschrieben und benannt: Es sind die ,Gratisangst‘ und ihre Kehrseite, der ,Gratismut‘, die die deutschen Theater niemals dazu kommen lassen, auszuprobieren, wie weit der Spielraum ist, der dem Theater im Ernstfall eingeräumt wird.“ 249 Die Geschichte und Details zu ihrer Überlieferung vielerorts, hier nach Caeyers, Beethoven, 2012, S. 471 (dort auch das Zitat von Beethoven). 250 Caeyers, Beethoven, 2012, S. 471, ergänzt, dass unter der Hofgesellschaft der Erzherzog Rudolph gewesen sei, der ein Schüler Beethovens war. 251 Vgl. die Nachweise oben in Fn. 3. 252 Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt, 2002, S. 458 ff., verdeutlicht die Gefahren des Wohlfahrtsstaats, indem er ihn im Kapitel mit der Überschrift „Sozialer Staat und Totaler Staat“ behandelt. 253 BVerfGE 93, 266, 293: Das Grundrecht der Meinungsfreiheit sei „gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen und findet darin unverändert seine
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auch diesseits grundrechtlicher Eingriffe – eine gravierende Beeinträchtigung der freiheitlichen Demokratie. Die Dankbarkeit, die zwangsläufig mit Förderungsleistungen einhergeht, hat zur Konsequenz, dass die Bereitschaft zur Machtkritik des staatlich Geförderten gemindert wird.254 Der Ausspruch Arndts („Wer begünstigt, benachteiligt auch“), den Weck abgewandelt hat („Wer fördert, wertet“),255 ist daher umzuformulieren: „Wer fördert, zähmt.“ Man mag dies als das Paradoxon des „gütigen“ Kulturstaats bezeichnen: Gerade weil sich der Staat als interessenloser Förderer ausgibt, der um der Kultur selbst willen tätig wird (und nach Ansicht einiger nur als solcher tätig werden darf), kommt die Kultur seinen (Macht-)Interessen entgegen.256 Der „goldene Zügel“ befähigt den Staat zu lenken; die Wirkung aber setzt schon ein, bevor er von dieser Fähigkeit Gebrauch macht. Dies steht – prima facie – im Widerspruch zur freiheitlichen Demokratie des Grundgesetzes. (2) Nähe zum Leistungsstaat Neben dem passiven Verzicht auf Kritik am Staat ist auch eine aktive Hinwendung des Empfängers zum Ausgleich seiner Schuld zu erwarten. Man mag dies positiv formulieren: Der Staat fördere jene, die sich zu ihm auch bekennen; die Förderung von „Staatsfeinden“ könne kaum dem Gemeinwohl dienen. Das Demokratieprinzip baut jedoch nicht auf den Interessen des Staates, sondern auf der Staatsfreiheit des öffentlichen Diskurses auf. Entscheidend ist aber, dass auf den zweiten Blick deutlich wird, dass hier nicht allein „staatstreue“ Künstler bessergestellt werden, sondern solche mit Affinität gerade zum Leistungsstaat. Kirchhof schreibt dazu: „Wenn der Staat vom Freiheitsgaranten zum Kunstförderer geworden ist, sucht der Künstler nicht nur Distanz vom Obrigkeitsstaat, sondern zugleich Nähe zum Leistungsstaat. Er sieht die Widerspruchsfreiheit des von ihm erwarteten staatlichen Förderungskonzepts gerade Bedeutung“. Für eine Übertragbarkeit von Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zur Meinungsfreiheit auf die anderen Freiheitsrechte des Art. 5 GG Stern (oben in Fn. 139). 254 Vorländer, NJW 1983, S. 1175: Bestreben, „es den Geldgebern recht zu machen“ sei „eine heimliche, wenig greifbare Gefahr für die Vielfalt künstlerischer Aktivität […], die wohl eine unumgängliche Nebenerscheinung staatlichen Mäzenatentums [ist]“. 255 Arndt, NJW 1966, S. 25, 27, zit. auch bei Weck, Verfassungsrechtliche Legitimationsprobleme öffentlicher Kunstförderung aus wirklichkeitswissenschaftlicher Perspektive, 2001, S. 103 in Fn. 103; Umformulierung durch Weck, a.a.O., S. 105. 256 Burckhardt, Weltgeschichtliche Betrachtungen, 1985, S. 98: „Dabei kommt der Geist der politischen Macht gefällig entgegen. Was sie nicht erzwingt, tut man ihr von selbst zu Gefallen, um ihre Gunst zu genießen. […] Literatur und selbst Philosophie werden in der Verherrlichung des Staates wohldienerisch und die Kunst wohldienerisch-monumental, oder sie schaffen doch nur, was hoffähig ist. Der Geist geht auf alle Arten an die Kost und schmiegt sich an das ,Gegebene‘. Neben der besoldeten und soldwünschenden Produktion hält sich die freie nur noch bei den Exilierten und allenfalls noch bei den Belustigern des gemeinen Volkes.“ Zu Letzterem ebenso Häberle, AöR 110 (1985), S. 577, 593 mit dem zutreffenden Hinweis, dass sich dieser Drang der Kunst, die „grundlegenden Probleme einer Zeit“ aufzugreifen, bei staatlicher Kontrolle des Kunstmarkts in Alternativ- und Subkulturen verlagert.
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1. Teil: Legitimationsbedürftigkeit staatlicher Kunstförderung darin, daß die Kunstförderung nicht durch Steuerleistungen der Künstler, sondern durch Steuerzahlungen der übrigen Bürger finanziert wird.“257
Der Geförderte wird stets das Bestreben haben, seine Förderung als gerechtfertigt anzusehen. Die hier beschriebene Wirkung geht jedoch darüber hinaus. Der Widerwille des Geförderten, seine eigene Förderung als illegitim einzustufen, führt dazu, dass er sein Staatsbild entsprechend anpassen wird.258 Ein staatlich Geförderter wird staatliche Förderungen tendenziell auch in anderen Bereichen nicht für schädlich halten. Das natürliche Bestreben des Menschen, kognitive Dissonanz zu vermeiden,259 verlangt vielmehr, dass er finanzielle staatliche Leistungen, die er ihm selbst gegenüber als gerechtfertigt empfindet, auch in anderen Bereichen zumindest eher für gerechtfertigt hält.260 Sein Staatsbild wird hin zu einem leistungsstaatlichen verschoben oder eine schon vorhandene Tendenz in diese Richtung bestärkt. Auf der anderen Seite werden die sich vom Staat als vollständig unabhängig begreifenden kulturellen Bewegungen, die teils gerade nach dieser Unabhängigkeit streben, gegenüber „staatstreuen“ Gruppen benachteiligt. Hier stellt sich eine besonders folgenreiche Wirkung der staatlichen Kunstförderung dar, weil der subventionierten Kunst – anderes etwa als einem subventionierten Wirtschaftszweig – eine besondere Rolle für den demokratischen Diskurs zukommt.261 Es hieße nämlich, etatistisch eingestellte Künstler gegenüber tendenziell staatsskeptischen zu bevorzugen, ohne dass gesagt ist, dass ein Künstler, der für 257 Kirchhof, NJW 1985, S. 225, 225; in die gleiche Richtung zielt die radikale und umfassende Staatskritik des Libertarismus: „Der Staat sichert sich […]gegen das Umschlagen der Ideologie in Kritik ab. Die Produzenten von Ideologie werden ,gemacht’, indem man die Intellektuellen, Künstler und Kulturschaffenden in die Vollstreckerklasse aufnimmt: Der Staat bezahlt die Kultur, die Wissenschaft und die Bildung selbst dann, wenn ihr keine Nachfrage gegenübersteht. Diejenigen, die für die Meinungsbildung relevant sind, nehmen darum an, dass ohne Staat ihr eigener Lebensunterhalt nicht gesichert werden kann“ (Blankertz, Das libertäre Manifest, 2012, S. 84). 258 Fried, in: Oevermann/Süßmann/Trauber (Hrsg.), Die Kunst der Mächtigen und die Macht der Kunst, 2007, S. 47, 72, sieht im auf Gegenseitigkeit beruhenden Austauschverhältnis von Finanzierung und geistigen Unterstützungsleistungen den Kern des Mäzenatentums; Warnke, Hofkünstler, 1986, S. 319, zitiert Vasari: „Die Menschen, die ihren Status ändern, ändern zumeist auch ihre Natur und ihren Willen“; der Volksmund sagt: „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.“ 259 Grundlegend Festinger, Theorie der kognitiven Dissonanz, 1978. 260 Burckhardt, Weltgeschichtliche Betrachtungen, 1985, S. 99: „Die allmähliche Gewöhnung an gänzliche Bevormundung aber tötet endlich jede Initiative; man erwartet alles vom Staat, woraus dann bei der ersten Verschiebung der Macht sich ergibt, daß man alles von ihm verlangt, ihm alles aufbürdet.“ Burckhardt sieht darin eine „neue Wendung, da die Kultur dem Staat seine Programme schreibt (besonders solche, die eigentlich an die Gesellschaft zu adressieren wären), ihn zum Verwirklicher des Sittlichen und zum allgemeinen Helfer machen will und seinen Begriff aufs stärkste ändert“. 261 Kritisch daher auch zur staatlichen Finanzierungsgarantie der öffentlich-rechtlichen Medien im Hinblick auf deren politische Ausrichtung Noelle-Neumann, Öffentliche Meinung, 1996, S. 241 f.; skeptisch zu deren Kontrollrolle aus dem gleichen Grund auch Bellers, Politische Ökonomie der Medien, 2002, S. 18.
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ein marktwirtschaftliches Künstlertum eintritt, von der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht sehr viel überzeugter ist als einer, der eine Kunstszene ohne Staatsbeteiligung schlichtweg ablehnt. Wenn Art. 3 Abs. 3 GG die Privilegierung bestimmter politischer Anschauungen verbietet, so verbietet er erst recht, bestimmte Gruppen in Abhängigkeit von Subventionen zu bringen und so auf den Leistungsstaat hinzulenken. Diese Feststellung wird nicht dadurch unterlaufen, dass viele Künstler sich selbst in die Rolle des Förderungsempfängers begeben, ja eine umfassende Förderung immer wieder verlangen. Diese Form der „Selbstpatronage“, in der der Geförderte sich selbst in den Einflussbereich der Mächtigen begibt, die ihn ihren Interessen gemäß fördern,262 ist erst recht bedenklich. Denn hier kommt es nicht mehr zu einem Kampf der Meinungen; hier gibt es nur noch Bittsteller, die sich der Machtkritik geradezu enthalten müssen, wollen sich nicht in Ungunst oder Selbstwiderspruch verfallen. Aus wirtschaftlicher Sicht können auch Staatsleistungen als Gut angesehen werden, das Nachfrager zu einem bestimmten Preis erwerben können; der Preis der Kultursubventionen ist dann gerade das staatsfreundliche Verhalten der Empfänger der Kulturförderung.263 4. Gefahr bewusster Lenkung Neben diese unvermeidlichen Wirkungen staatlicher Kulturförderung tritt die Gefahr, dass staatliche Organe die Kunstförderung zur bewussten Lenkung und zur Durchsetzung eigener Interessen nutzen. Dabei soll es nachfolgend allein um strukturelle Gefährdungen gehen; außer Acht gelassen wird, dass einzelne Politiker durch kulturfördernde Maßnahmen ihr eigenes Ansehen und die Chance ihrer Wiederwahl zu fördern versuchen.264 Demokratiegefährdend kann nicht schon die Möglichkeit sein, dass ein Politiker eine Maßnahme (auch) zur Eigenwerbung erlässt265 (auch wenn es sicherlich ein naiver Glaube ist, Politiker wären in der Lage, ihr Eigeninteresse völlig auszublenden).
262
Oevermann, in: ders./Süßmann/Trauber (Hrsg.), Die Kunst der Mächtigen und die Macht der Kunst, 2007, S. 13, 14 f. 263 Grundlegend zur Regulierung (auch in Form direkter Subventionen) als Wirtschaftsgut Stigler, Bell Journal of Economics and Management Science 1971, S. 3 ff. Bei solchen gruppennützigen Leistungen ist allgemein Skepsis angebracht, ob sie dem Gemeinwohl zu dienen bestimmt und dienlich sind; ausführlich unten § 6 B. III. 3. b) (2). 264 Zur Interessenlage Nieder-Eichholz, Die Subventionsordnung, 1995, S. 143 ff. 265 Geißler, Kunstförderung nach Grundgesetz und Recht der EG, 1995, S. 34 f., verweist auf die Situation im Rom der Antike. Hier war es allen Amtsträgern mit Ausnahme des Triumphators verboten, in der Stadt öffentliche bauliche Anlagen mit Staatsgeldern zu errichten, da man darin Eigenwerbung sah.
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1. Teil: Legitimationsbedürftigkeit staatlicher Kunstförderung
a) Das Machtinteresse staatlicher Organe In Abhandlungen über Kulturpolitik bleibt der politische, d. h. machtbezogene Aspekt meist „unterbelichtet“.266 Dies gilt weithin auch für das Kulturverfassungsrecht:267 Politische Interessen des Staates werden ausgeblendet. Zwar werden Lenkungsabsichten durchaus erkannt,268 deren eigennützige Motivation aber nicht thematisiert. Der Staat tritt entweder von vorneherein als Neutralissimus auf, als farbund kraftloser Geldgeber, der nur Gutes im Sinn hat; oder es herrscht das Vertrauen, dass der Staat durch Verfahrensvorgaben zu einem zahnlosen Tiger geformt werden kann.269 Der Kulturstaatsbegriff der herrschenden Meinung setzt indes nicht nur voraus, dass „der Staat nicht ausschließlich mit Macht gleichgesetzt wird“,270 sondern dass der Machtaspekt nahezu völlig ausgeblendet wird.271 Eine solche Annahme ist schwerlich haltbar. Staatliche Finanzierung ist ohne Staatseinfluss nicht zu haben.272 266 So auch der kritische Befund zur Situation in der Politikwissenschaft: v. Beyme, Kulturpolitik und nationale Identität, 1998, S. 1; zur „Scheu vor Fragen der Macht“ – pars pro toto im Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ (BT-Drs. 16/7000) – Fuchs, in: ders., Kulturpolitik und Zivilgesellschaft, 2008, S. 122. 267 Haverkate, AöR 108 (1983), S. 625, 635 f. 268 Huster, VVDStRL 65 (2006) S. 51, 63 in Fn. 47: „Lenkungsambitionen“; Jung, Zum Kulturstaatsbegriff, 1976, S. 69: „steuernder Eingriff sui generis“; Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 10 in Fn. 13: „bewusster staatlicher Gestaltungswille“; zustimmend zur vorsätzlichen Lenkung Weck, Verfassungsrechtliche Legitimationsprobleme öffentlicher Kunstförderung aus wirklichkeitswissenschaftlicher Perspektive, 2001, S. 41 (andererseits ebd., S. 30: „nicht primär Lenkungsinstrument“); aus kulturpolitischer Sicht wird gerade die Gefährdung politischer Steuerung durch eine Privatisierung von Kulturbetrieben als Bedrohung empfunden, so Heinrichs, in: Heinze (Hrsg.), Kultur und Wirtschaft, 1995, S. 296, 296 ff. 269 Vgl. dagegen den Bericht über eine interdisziplinäre Tagung zu Kunst und Recht von Vorländer, NJW 1983, S. 1175: „Daß Subventionierung und Zensur haarscharf nebeneinander liegen, Mäzenatentum und Kunstrichtertum oft als Zwillinge auftreten, dies bestimmte durchweg die Diskussionen.“ 270 Schlaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, 1972, S. 258 f.: „Auch ein Staatsverständnis, dass von der staatstheoretischen Scheidung von Staat und Gesellschaft […] ausgeht, erschwert sich die Rede vom ,Kulturstaat‘, denn unter einer solchen Alternative hätte die Kultur […] nur die Wahl, sich um ihrer Eigenheit und Freiheit auf die Seite der Gesellschaft zu schlagen und sich gegen eine ,Kulturgestaltungsmacht des Staates‘ zur Wehr zu setzen. Darin liegt die hohe Kunst: im Dienst an der Kultur, bei deren Schutz und Förderung sich selbst zu bescheiden bzw. sich nachgerade zu verleugnen.“ Wenn Schlaich darin aber „keine Besonderheit der Kulturverfassung“ sieht, da der Staat wie auch in anderen Bereichen die Autonomie des Einzelnen als Grundrechtsträger achten müsse, kann ihm nicht mehr zugestimmt werden: Denn die Grundrechte sind durchsetzbare Rechte; die fromme Hoffnung auf eine Selbstverleugnung des Kulturstaats steht hingegen nur auf dem Papier. 271 In diese Richtung Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, 1988, S. 884, der Kulturstaat und Machtstaat einander gegenüberstellt. 272 Für den staatlich finanzierten Rundfunk erkennt auch das Bundesverfassungsgericht die Gefahren „unmittelbarer Lenkung und Maßregelung“ sowie die „subtileren Mittel indirekter Einwirkung“ an, die sich aus der Finanzierung und Organisation ergeben, BVerfGE 80, 60, 88 f.
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Wo immer politisch relevante Diskurse stattfinden, werden Politiker sich Einfluss verschaffen wollen.273 Kulturpolitik ist immer (zumindest auch) Machtpolitik, nämlich „die bewusste Kontrolle und Instrumentalisierung bestimmter kultureller Felder durch und für die Staatsmacht“.274 Sie dient immer auch staatlichen Interessen,275 wobei die wahren Ziele und Motive der staatlichen Entscheidungsträger freilich oftmals verdeckt bleiben und die offenbarten Ziele staatlicher Kulturpolitik mit den wahren Zielen nicht unbedingt übereinstimmen.276 Die tatsächlichen Zwecke staatlicher Subventionstätigkeit bestehen oft aus einem Bündel verfolgter Interessen,277 und es besteht kein Anlass, im Bereich der Kulturförderung davon auszugehen, hier handle der Staat nicht zumindest auch im Eigeninteresse.278 Vielmehr begründet gerade die gesellschaftliche Rolle der Kunst ein besonderes Interesse des Staates, auf diesem Feld seine Interessen zu wahren.279 Die öffentliche Meinung besitzt einen „politischen Eigenwert“, der „das Interesse jeder Herrschaftsmacht [begründet], sich auf die öffentliche Meinung berufen zu können, sie zu beeinflussen und für sich zu gewinnen“.280 Ganz offen formuliert der Kulturpolitiker Oliver Scheytt: „Im Mittelpunkt von Kulturpolitik steht in unserer Demokratie […] die Willensbildung, die Gestaltung von Willensbildungsprozessen unter Beteiligung verschiedener Akteure.“281 Kulturpolitik dient also dem Interesse des Staates und seiner Organe.282 Es muss wohl eigens betont werden, dass Staatsinteressen nicht mit Gemeinwohlinteressen gleichgesetzt werden können.283 Im Hinblick auf die Instrumentalisierung von Leistungen zu Mitteln der Verfestigung seiner Macht unterscheidet sich 273 Ebenso zum in mancher Hinsicht parallelen Problem bei öffentlich-rechtlichen Rundfunksendern, die der politischen Einflussnahme – wegen institutioneller Vorrichtungen gegen die programmatische Einflussnahme vor allem in personeller Hinsicht – allenthalben ausgesetzt sind, v. Münch, NJW 2000, S. 634, 635 m.w.N. 274 Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt, 2002, S. 388; Wagner, Fürstenhof und Bürgergesellschaft, 2009, S. 346 ff. 275 Fuchs, Zum politischen Mandat zivilgesellschaftlicher Organisationen in der Kulturpolitik, 2007, S. 8. 276 So allgemein zu Offenlegung der „wahren Ziele“ staatlicher Subventionspolitik Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 2004, § 2 Rn. 125. 277 Vgl. zu den tatsächlichen Schwierigkeiten, Subventionszwecke zu ermitteln, Rodi, Die Subventionsrechtsordnung, 2000, S. 69 m.w.N. 278 Evers, NJW 1983, S. 2161, 2162. 279 Fuchs, Kulturpolitik als gesellschaftliche Aufgabe, 1998, S. 169: „Der soziale Gebrauch von Kunst ist höchst brisant, so daß sie bereits aus diesem Grund Gegenstand der Politik sein muß.“ 280 Stern, Staatsrecht, Bd. I, 1984, S. 618. 281 Scheytt, Kulturstaat Deutschland, 2008, S. 29. 282 Fuchs, Zum politischen Mandat zivilgesellschaftlicher Organisationen in der Kulturpolitik, 2007, S. 8. 283 Evers, NJW 1983, S. 2161, 2162 spricht davon, dass sich in der Kunstförderung „Parteiwillen und Staatswillen, Erhaltung von Parteimacht und Förderung des Gemeinwohls verquicken.“
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der Kulturstaat nicht von anderen Bereichen des Leistungs- oder Wohlfahrtsstaats.284 Die Vergabe von Leistungen ist eine „Machtquelle“ des Staates, indem sie „laufend Chancen zur Transformation positiver in negative Sanktionen“ bietet.285 Diese Macht kann eingeschränkt sein, wenn ihr ein Anspruch des Empfängers entgegensteht, bei einer „Beliebigkeit der Leistung“ wird sie aber „auf Seiten des potentiellen Empfängers zur Bedrohung, auf Seiten des Gebers zu Macht“.286 Die Feststellung, dass auch der Staat Kultur nicht frei von Eigeninteressen zu fördern vermag, bestätigt sich, wenn man ihn mit sonstigen Förderern der Kultur vergleicht. In der Soziologie findet sich eine Aufteilung in drei Typen der Kulturförderung, denen gemein ist, dass sie nicht zuletzt in eigenem Interesse handeln: Das Mäzenatentum, in dem der Förderer scheinbar selbstlos seine Bedeutung für die Nachwelt zu vergegenständlichen sucht; die Patronage, „unter die Herrscher und wirtschaftlich Mächtige die kulturelle kreative Tätigkeit fördernd so stellen, daß jene für ihre Zwecke, d. h. ihren Einfluß mehrend und befestigend, davon profitiert“; und die Förderung durch einen Sponsor, der mit der Förderung sein Bild in der Öffentlichkeit aufzubessern beabsichtigt, dem es aber im Unterschied zum Mäzen um kurzfristige positive Aufmerksamkeit geht, während der Mäzen seine Verdienste nicht von vielen in der Gegenwart, sondern von wenigen in der Zukunft gewürdigt wissen will.287 Das Kulturverfassungsrecht meidet freilich – wohl wegen der negativen Konnotation – den Begriff der „Patronage“ und verwendet den des „Mäzens“. Wenn dem Staat die (harmlosere)288 „Rolle des Kunstmäzens“ zugefallen sein soll,289 ist es von Interesse, die historische Figur des Maecenas und seine Motivation zur Künstlerförderung genauer zu betrachten: Maecenas förderte Literaten und Dichter, 284 Vgl. Leisner, NJW 2001, S. 1329, 1331 f., der an der These vom gütigen Staat im Hinblick auf die staatliche Praxis zweifelt und die „Macht der Geschenke“ als Instrument zur Befriedigung staatlicher Interessen hervorhebt; ausführlich ders., Der gütige Staat – die Macht der Geschenke, 2000; aus ethnologischer Sicht Godelier, Das Rätsel der Gabe, 1999, S. 22: Die Gabe könne „Akt der Großzügigkeit“ oder „Akt der Gewalt sein“, die als Akt der Gewalt „als interesselose Geste getarnt ist, da sie durch das Mittel und in der Form eines Teilen ausgeübt wird. Die Gabe kann im Gegensatz zur direkten Gewalt, zur physischen, materiellen oder sozialen Unterwerfung stehen, aber sie kann auch den Ersatz dafür darstellen.“ 285 Luhmann, Soziologische Aufklärung 4, 1987, S. 119 f. 286 Luhmann, Soziologische Aufklärung 4, 1987, S. 121 f. 287 Oevermann, in: ders./Süßmann/Trauber (Hrsg.), Die Kunst der Mächtigen und die Macht der Kunst, 2007, S. 13, 13 f.; Oevermann stellt in seinem Beitrag ein „neues Modell“ vor, dass diese Dreiteilung erweitern soll, weil in ihr nach seiner Auffassung die Rolle der Künstler nicht genügend berücksichtigt sei, die sich vom Staat nicht nur in Dienst nehmen lassen, sondern diese Indienstnahme in Form von Subventionen als „Selbst-Patronage“ (Oevermann) verlangen. 288 Wittreck, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 2013, Art. 5 III (Kunst) Rn. 2. 289 So Knies, Schranken der Kunstfreiheit als verfassungsrechtliches Problem, 1967, S. 205, auch mit weiteren Nachweisen zu dieser gängigen Auffassung; Pabel, Grundfragen der Kompetenzordnung im Bereich der Kunst, 2003, S. 167 im Anschluss an Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 442 f.; Scheuner, Bitburger Gespräche 1977/78, S. 113, 122; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/ders., GG, Bd. I, 2010, Art. 5 Abs. 3 Rn. 319.
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und zwar vor allem die bedeutendsten Dichter der augustinischen Zeit. Es wird gemeinhin angenommen, dass er dabei im Auftrag von Augustinus handelte, und zwar in der Rolle als oberster Polizeichef, der „die Aufsicht über die Entwicklung des Schrifttums in gebundener und ungebundener Rede“ innehatte und zugleich eine „offizielle Presse“ durch Förderung bewährter Dichter ins Leben rief.290 Dieses Vorgehen: die Macht der Obrigkeit durch Stärkung des Einflusses genehmer Künstler abzusichern, ist das Wesensmerkmal des Namensgebers – der historische Maecenas hat „handfeste politische Vorteile mit der Kulturförderung verbunden“.291 Damit ist freilich nicht zwingend dargelegt, dass der Staat bei der Kulturförderung nicht auch andere als Eigeninteressen verfolgen kann. Es mag sogar zu einem gewissen Grad berechtigt sein, zu erwarten, der Staat werde die Kunst um ihrer selbst willen und ohne Eigeninteressen fördern292 – selbst wenn die Politik nach Macht strebt, kann schließlich diese Macht nicht nur als Selbstzweck, sondern auch als Mittel zu anderen Zwecken erstrebt werden; und auch ein bloß „geheuchelte[s] Interesse am Gemeinwohl“ kann sich zu einer „self fulfilling prophecy“ wandeln.293 Dies kann allerdings nur bis zu dem Punkt erwartet werden, wo es sich um „neutrale“, nicht offen staatskritische Kunst handelt. Der Staat wird nicht seine Kritiker finanzieren, selbst wenn es Künstler sind. Dies aber genügt bereits für eine Tendenz staatlicher Kunstförderung, die ein Ausblenden jeglichen Eigeninteresses als verkürzt erscheinen lässt. Die Macht des fördernden Staates ist als Steuerungsinstrument – anders als bei den oben erörterten zwangsläufigen Wirkungen, wie sie sich im Verhalten der Geförderten zum Förderer und in ihrer Beziehung zum Publikum ergeben – vor allem „Blockiermacht“. Sie eignet sich „hauptsächlich zum Verhindern, weniger zum Fördern eines bestimmten Verhaltens“.294 b) Die Kulturpolitik als Instrument zur Verfolgung staatlicher Interessen Der Staat ist auch in der Lage, seinen Einfluss geltend zu machen. Gerade die Maßstabslosigkeit, die rechtliche Ungebundenheit, die oft aus kulturfreundlichen Erwägungen heraus begründet wird, befreit den Staat von rechtlichen Bindungen295 und gibt ihm die freie Entscheidung über Förderung, Nicht-Förderung oder Nicht290
So der Eintrag zu „Maecenas“ in: Pauly, Paulys Real-Encyclopädie der Classischen Altertumswissenschaft, Bd. 27, 1928, S. 206 ff.; das Zitat ebenfalls bei Fohrbeck, Renaissance der Mäzene?, 1989, S. 39. 291 v. Beyme, Kulturpolitik und nationale Identität, 1998, S. 27; ebenso Fohrbeck, Renaissance der Mäzene?, 1989, S. 39. 292 Vgl. aber Opielka, Aus Politik und Zeitgeschichte 12/2003, S. 21, 23: „Staatsferne der Kultur war in Deutschland […] von den Eliten freilich nie beabsichtigt.“ 293 Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt, 2002, S. 22. 294 Luhmann, Soziologische Aufklärung 4, 1987, S. 121. 295 Aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten daher kritisch gegenüber „Staatsgüte“ Leisner, NJW 2001, S. 1329, 1331.
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1. Teil: Legitimationsbedürftigkeit staatlicher Kunstförderung
Fortsetzung einer Förderung.296 Das Bundesverfassungsgericht hat hinsichtlich der staatlichen Finanzierung und Organisation des Rundfunks festgestellt, dass der Staat neben der Möglichkeit „unmittelbarer Lenkung und Maßregelung“ auch über die „subtileren Mittel indirekter Einwirkung“ verfüge, mit denen der Staat auf die im Rundfunk Tätigen programmatisch Einfluss nehmen könne.297 Dieser Mittel geht der Staat auch dann nicht verlustig, wenn er die endgültige Förderentscheidung pluralistisch zusammengesetzten, unabhängigen Gremien überlässt.298 Mit der Einbeziehung von Jurys wird lediglich die ästhetische Wertung abgesichert.299 Die Eingriffsmöglichkeiten des Staates und die Wirkungen der Förderung hingegen werden nur verlagert: Der Staat kann die Auswahl der Jury gemäß seinen Interessen gestalten.300 Zumindest aber werden die auserwählten JuryMitglieder die in ihrer Wahl liegende Gabe ebenso staatsschonend und -freundlich erwidern wie die letztlich geförderten Künstler. Allenfalls im Einzelfall, keineswegs aber strukturell ist durch die Übertragung der Förderentscheidung auf Jurys der Staatseinfluss auf den öffentlichen Diskurs beschränkt. Die Entscheidung, welche Formen der Kultur, und damit, welche Künstlergruppen gefördert werden, wird ohnehin nie von pluralistisch zusammengesetzten Gremien getroffen. Damit bleibt dem Staat zumindest die ebenso wichtige Entscheidung darüber, welche Kunstformen und -richtungen er in welchem Rahmen fördert.301 Die Gefahren bewusster staatlicher Lenkung werden auch nicht durch den Trägerpluralismus der Kunstförderung vermieden.302 Für die Folgen der Kunstförderung auf die Beziehungen der Künstler zum Publikum und zum Staat ergibt sich kein Unterschied; denn der Staat tritt dem Künstler monolithisch gegenüber, ohne dass seine innere Organisationsstruktur nach außen relevant würde. Die Machtfülle der 296
v. Beyme, Vergleichende Politikwissenschaft, 2010, S. 320: „Zensur durch Subventionsentzug.“ 297 BVerfGE 90, 60, 88. 298 Scheytt, Kulturstaat Deutschland, 2008, S. 30 f. unterscheidet drei Dimensionen der Kulturpolitik: die programmatische Gestaltung (inhaltliche Dimension), die Entscheidung über Einsatz und Besetzung von Gremien (institutionelle/strukturelle Dimension) und die Entscheidung über Auswahlverfahren (prozessuale Dimension). 299 So auch Mahrenholz, in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 1994, § 26 Rn. 141, der die Einschaltung von Jurys allein für die „ästhetische Fundierung“ für erforderlich hält. 300 Knies, Schranken der Kunstfreiheit als verfassungsrechtliches Problem, 1967, S. 225; zustimmend Heuer, Die Besteuerung der Kunst, 1984, S. 113 f.; ebenso Lenski, Öffentliches Kulturrecht, 2013, S. 335. Zum parallelen Problem des Staatseinflusses auf Personalentscheidungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk v. Münch, NJW 2000, S. 634, 635 m.w.N. 301 Weck, Verfassungsrechtliche Legitimationsprobleme öffentlicher Kunstförderung aus wirklichkeitswissenschaftlicher Perspektive, 2001, S. 102; ein historisches Beispiel ist die Indienstnahme als anti-kommunistisch eingestufter Teile des europäischen Kulturlebens – vor allem der abstrakten Kunst – durch die CIA mittels (verdeckter) Finanzierung; vgl. dazu Hochgeschwender, Freiheit in der Offensive?, 1998; Saunders, Wer die Zeche zahlt, 2001. 302 So aber Singer, Kulturpolitik und Parlament, 2003, S. 10 f.
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Politiker wird hingegen tendenziell ausgeweitet. Die Dezentralisierung bewirkt auch eine diffuse Verteilung der Leistungen, die die Kontrollierbarkeit durch die öffentliche Meinung erschwert. Jedenfalls aber werden Bedenken gegen Maßnahmen der Kunstförderung verfassungsrechtlich nicht dadurch ausgeräumt, dass andere staatliche Organisationseinheiten ähnliche, höchstens im Einzelfall abweichende Maßnahmen durchführen.303 Der Trägerpluralismus ist eher eine Beruhigungstablette als ein tatsächliches Argument für die Zulässigkeit staatlicher Kulturpflege.304 Er kann den Legitimationsbedarf nicht verringern. Der Gedanke: „Bei so vielen Trägern wird es schon gutgehen“ ist Ausdruck der Kapitulation des Verfassungsrechts305 vor dem Phänomen einer „milliardenschwer praktizierten“306 Kulturförderung. Und schließlich lassen sich Grenzen der staatlichen Lenkungsmöglichkeiten auch kaum durch eine Vorgabe zulässiger Differenzierungskriterien aufstellen. Auch der an bestimmte Kriterien zur Festlegung der förderungsbedürftigen Kunst gebundene Staat hat weiterhin eine breite Auswahl an möglichen Begünstigten. Eine Überprüfung, ob ein bestimmter Künstler, eine bestimmte Institution oder eine bestimmte Kunstrichtung wegen ihrer Förderungsbedürftigkeit oder deshalb, weil sie dem Staat genehm ist, gefördert wird, ist daher von vornherein zum Scheitern verurteilt.307
D. Zwischenergebnis Das Demokratieprinzip steht der kulturstaatlichen Kunstförderung prima facie entgegen. Es ist kein rein formales Prinzip, das nur im Rahmen von Wahlen (und Abstimmungen) Anwendung findet, sondern schützt auch als materielles Prinzip die öffentliche Willensbildung als Grundlage der formellen Äußerung in Form von Wahlen (und Abstimmungen). Zur derart geschützten öffentlichen Willensbildung gehören grundsätzlich alle Bereiche, in denen gesellschaftliche Diskurse stattfinden. Zu diesen Bereichen gehört auch die Kunst. Die Kunst ist kein in sich abgeschlossener Raum, der keine Bezüge zu Lebensbereichen außerhalb ihrer eigenen Sphäre aufweist. Die These, die Kunst sei (politisch) funktionslos, spiegelt lediglich 303 Bedenklich Pabel, Grundfragen der Kompetenzordnung im Bereich der Kunst, 2003, S. 175 ff., die weniger schwere Verstöße gegen die von ihr aufgestellten verfassungsrechtlichen Maßstäbe der Kunstförderung aufgrund des Trägerpluralismus für unbedenklich hält; tendenziell wie hier Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 445 in Fn. 57. 304 Kritisch auch Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 445 (auch in Fn. 57); in Richtung einer solchen Rechtfertigung aber Frey, in: Towse (Hrsg.), A Handbook for Cultural Economics, 2003, S. 389, 397. 305 Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 444: „pragmatisch-resignative Stimmung“. 306 Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 16. 307 Vgl. Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 32 in Fn. 119.
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1. Teil: Legitimationsbedürftigkeit staatlicher Kunstförderung
ein bestimmtes historisches Verständnis von Kunst wider, entspricht aber nicht der Lebenswirklichkeit, an der das Verfassungsrecht sich orientieren muss. Der kulturelle Diskurs genießt somit – trotz seiner Besonderheiten – als Teil des öffentlichen Meinungsbildungsprozesses den Schutz des Demokratieprinzips und ist in der Folge von staatlichen Ingerenzen möglichst frei zu halten. Das Demokratieprinzip gebietet einen freien kulturellen Diskurs, der von unten nach oben verläuft. Es verbietet staatliche Einflussnahme auf den Diskurs, und zwar auch mittelbare, unbewusste Einflussnahme. Dem Demokratieprinzip ist also für den Bereich der Kunst ein „Staatsabstinenzgebot“ zu entnehmen. Diesem Staatsfreiheitsgebot widerspricht die kulturstaatliche Kunstförderung in vielerlei Hinsicht: - Die Kulturförderung führt zur Entfremdung von Künstler und Gesellschaft, indem sie die Verwurzelung des Künstlers in der Gesellschaft lockert und einen Keil in die Kommunikation zwischen Künstler und Publikum schiebt. Zugleich verhindert sie freie gesellschaftliche Zusammenschlüsse in einem der urtümlichsten Bereiche zivilgesellschaftlicher Vereinsbildung. - Mit dem Schenkungscharakter der kulturstaatlichen Förderleistung, der aus der rechtlichen Ungebundenheit des Kulturstaats folgt, gehen in Anwendung des Prinzips der Reziprozität eine Gegenleistungserwartung des Gebers und eine (moralische) Gegenleistungspflicht des Empfängers einher. Die Förderleistung führt zu einer stärkeren Ausrichtung der Künstler auf den Staat und fördert die Staatsgewogenheit der Künstler. Der Kulturstaat verringert damit die Bereitschaft der Künstler zur Machtkritik. Zur Vermeidung kognitiver Dissonanz wird der Künstler zudem nicht nur auf die Seite des Staates, sondern speziell in die Nähe des ihn fördernden Leistungsstaates gezogen. Diese Beeinflussung eines gewichtigen Teils der öffentlichen Meinung mindert die „Beeinflussbarkeit der politischen Herrschaft“308 und steht damit dem Demokratieprinzip entgegen. - Zugleich besteht kein Anlass, im Bereich der Kunstförderung das Machtinteresse staatlicher Organe zu negieren. Es ist davon auszugehen, dass die Kunstförderung genutzt wird, um staatlichen Interessen zu dienen; zumindest wird man annehmen müssen, dass staatsfeindliche Kunst weniger gefördert wird als staatsfreundliche oder politisch neutrale Kunst. Da geförderte Kunst gegenüber nicht geförderter Kunst einen strukturellen, finanziellen Vorteil hat, liegt darin eine Verhinderung staatskritischer Kunst; diese Gefahren können verfahrensrechtliche Beschränkungen nicht vermeiden.
308
Morlok, Selbstverständnis als Rechtskriterium, 1993, S. 297.
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§ 5 Anforderungen des Demokratieprinzips an die Legitimation Mit dem Schutz eines staatsfreien Kunstlebens durch das Demokratieprinzip ist die staatliche Kunstförderung rechtfertigungsbedürftig. Es muss verfassungsrechtlich begründet werden, warum die Kunst als Teil der öffentlichen Meinung nicht sich selbst überlassen werden soll. Zugleich verlagert sich die Beweislast gegenüber Ansätzen, nach denen die Kulturförderung von der Allzuständigkeit des Staates umfasst ist: Die Ansicht, dass diejenigen, die für eine „Selbstabschaffung“ der staatlichen Kulturpolitik eintreten, plausible und empirisch fundierte Gründe vorbringen müssen,309 lässt sich nur so lange halten, wie nicht von einer verfassungsrechtlichen Legitimationsbedürftigkeit ausgegangen wird. Im Folgenden werden der Gegenstand der Rechtsfertigung (dazu A.) und die Anforderungen an eine Rechtfertigung näher beleuchtet (dazu B.). Es folgen Ausführungen zu Ansätzen, die damit von vornherein keine Legitimation zu begründen geeignet sind (dazu C.).
A. Gegenstand der Rechtfertigungsbedürftigkeit Vor dem Hintergrund der aufgrund des Demokratieprinzips erforderlichen Rechtfertigung ändert sich der Blickwinkel auf die Legitimation des Kulturstaats: Es geht nicht (mehr) darum, zu belegen, dass der Staat – was unstreitig ist – ganz allgemein im Bereich der Kultur tätig werden darf, sondern um sein spezifisches Tätigwerden als differenzierender und gestaltender Kulturstaat. Rechtfertigen muss sich nunmehr die unumgänglich wertende und in nahezu vollständiges Belieben der staatlichen Institutionen gestellte Mittelvergabe, da gerade die weitestgehend freie Mittelvergabe den großen Einfluss des Staates auf den öffentlichen Diskurs begründet. Schwerpunkt der bisherigen Diskussion war vor allem, den Zugriff des Staates auf das Kunstleben überhaupt zu rechtfertigen. Schwerpunkt muss nunmehr sein, den Kulturstaat als rechtlich ungebundenen Finanzierer zu rechtfertigen. Die Differenzierungsbefugnis ist kein Annex zur Rechtfertigung der Förderungsbefugnis; sie rechtfertigt sich nicht aus der Sache heraus, weil es ohne sie nicht geht, sondern ist gerade Objekt der Rechtfertigung. Auf der anderen Seite werden staatliche Tätigkeiten von einer Rechtfertigungsbedürftigkeit entlastet, die den Künstler nicht um seiner selbst willen fördern, sondern mit ihm eine Auftragsbeziehung eingehen; denn jedenfalls die Folgen des Schenkungscharakters der Förderleistungen treten hier nicht ein. Nach der herr-
309 So Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 487; zu Darlegungs- und Beweisfragen beim „Umgang mit Ungewißheit“ im Umweltbereich s. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, S. 215 f., 223 ff.
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1. Teil: Legitimationsbedürftigkeit staatlicher Kunstförderung
schenden Meinung hingegen wird zwischen beiden Formen staatlicher Zuwendung zur Kultur nicht differenziert.
B. Einschränkbarkeit des Demokratieprinzips Mit dem durch das Demokratieprinzip geforderten Gebot der Staatsfreiheit des kulturellen Diskurses ist freilich nicht gesagt, dass die Einflussnahme des Staates auf den öffentlichen Diskurs durch die Kulturförderung schlechthin verboten ist. Das Demokratieprinzip enthält als Rechtsprinzip keine Rechtsfolge, sondern drückt eine „normative Bewertungstendenz“ aus.310 Rechtsprinzipien „gebieten, verbieten oder erlauben etwas, was mehr oder weniger erfüllt sein kann“.311 Im Gegensatz zu Rechtsnormen unterliegen sie nicht dem „Alles-oder-Nichts“-Prinzip; sie sind „Optimierungsgebote, die dadurch charakterisiert sind, daß sie in unterschiedlichen Graden erfüllt werden können und daß das gebotene Maß ihrer Erfüllung nicht nur von tatsächlichen, sondern auch von den rechtlichen Möglichkeiten abhängt“.312 Gibt es tatsächliche Hindernisse oder gegenläufige Rechtsgebote, die die Abweichung von einem optimalen, staatsfreien kulturellen Diskurs rechtfertigen können? Da die Kulturförderung und damit die eingeschränkte Verwirklichung des Demokratieprinzips auf einer staatlichen Entscheidung beruht, stehen tatsächliche Hindernisse der Verwirklichung eines staatsfreien kulturellen Diskurses nicht entgegen. Im Hinblick auf rechtliche Hindernisse der Verwirklichung gilt es zu beachten, dass dem Demokratieprinzip nur gegenläufige Rechtsgüter mit Verfassungsrang entgegenstehen können. Wenn Ausgangspunkt der Kulturförderung nicht mehr die staatliche Allzuständigkeit ist, sondern sich die Kulturförderung wegen des Staatsfreiheitsgebots des Demokratieprinzips rechtfertigen muss, reicht die sachliche Begründbarkeit oder verfassungstheoretische Plausibilität als bloße Vergewisserung nicht mehr aus; vielmehr muss sich aus der Verfassung ein legitimes Ziel ableiten lassen. Die verfassungsrechtlich legitimen Ziele müssen zudem im Niveau ihrer Konkretisierung dem Niveau der festgestellten Beeinträchtigungen entsprechen. Eine völlig abstrakte Legitimation mag genügen, wenn auch die Legitimationsbedürftigkeit auf dieser Abstraktionsebene angesiedelt ist.313 Wenn Kulturförderung als 310
Bydlinksi, Fundamentale Rechtsgrundsätze, 1988, S. 122. Alexy, Rechtstheorie 1979 (Beiheft 1), S. 59, 80. 312 Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 71, 75 f.; sehr ähnlich Bydlinksi, Fundamentale Rechtsgrundsätze, 1988, S. 122: Vorbehalt des Möglichen und der Nicht-Einschlägigkeit gegenläufiger Prinzipien. 313 Vgl. aber generell kritisch gegenüber umfassenden Subventionszwecken dagegen Haverkate, Rechtsfragen des Leistungsstaats, 1983, S. 29: „Für globale Zweckformulierungen gilt: Der Zweck rechtfertigt zu viele Mittel”; und S. 24: „Je abstrakter Zwecke gefaßt sind, um 311
§ 5 Anforderungen des Demokratieprinzips an die Legitimation
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allgemein unbedenkliche, nur in Einzelfällen bedenkliche Staatstätigkeit gälte, mag es genügen, lediglich allgemeine Grenzen festzulegen, die schon in Einzelfällen nicht überschritten werden dürfen oder sogar nur – wie es die herrschende Meinung vornimmt – Grenzen zu bestimmen, die nicht systematisch, aus der Struktur der praktizierten Kulturförderung heraus überschritten werden dürfen. Die Antwort des Verfassungsrechts auf die Frage „Warum Kulturförderung?“ muss aber umso konkreter ausfallen, je konkreter die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Kulturförderung geartet sind. Die Beeinträchtigungen des Demokratieprinzips, die im Laufe dieser Arbeit aufgezeigt wurden, verlangen daher gewichtige und fassbare Gründe, um verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden zu können. Einschränkungen können „nicht formelhaft mit allgemeinen Zielen“ gerechtfertigt werden, sondern es müssen „anhand einzelner Grundgesetzbestimmungen diejenigen verfassungsrechtlich geschützten Güter konkret herausgearbeitet werden, die bei realistischer Einschätzung der Tatumstände“ ebenfalls betroffen sind.314 Entscheidend ist also weder allein die dogmatische Verankerung noch allein die Bezugnahme auf außerhalb der Verfassung liegende Zwecke.315 Entscheidend ist vielmehr, ob sich tatsächliche Gründe für die Kunstförderung finden lassen, die verfassungsrechtlich eine Befugnis des Staates zur kulturstaatlichen Förderung begründen.
C. Ungeeignetheit pauschaler Rechtfertigungsansätze Damit scheiden einige Rechtfertigungsansätze von vornherein aus.
so eher können sie als Handlungsrechtfertigungen verwandt werden, ohne daß eine wirkliche Kontrolle erfolgen könnte, ob ein bestimmtes Handeln tatsächlich einem vorausgesetzten Zweck dient oder nicht.“ 314 BVerfGE 81, 278, 293, zu verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtfertigung von Eingriffen in vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte. Dass für Rechtfertigungen von Beeinträchtigungen des Demokratieprinzips (mindestens) dieser Maßstab gelten muss, ergibt sich bereits daraus, dass das Demokratieprinzip durch den Schutz des Art. 79 Abs. 3 GG auf einer höheren normativen Ebene als die Grundrechte angesiedelt ist. Zudem erfahren Grundrechte, die dem Demokratieprinzip dienlich sind, eine funktionale Schutzverstärkung; diese Heraufstufung setzt voraus, dass das Demokratieprinzip auf einer höheren Ebene angesiedelt ist; vgl. zur Bedeutung rechtstatsächlicher Erkenntnisse auch BVerfGE 120, 1, 34 f. 315 Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 446 f., stellt zu Recht auf die Zwecke der Kunstförderung ab, lässt aber deren verfassungsrechtliche Verankerung unterbelichtet.
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1. Teil: Legitimationsbedürftigkeit staatlicher Kunstförderung
I. Demokratische Legitimation und staatlicher Gestaltungsspielraum Unerheblich ist zunächst, ob die staatliche Kulturförderung allgemein akzeptiert316 oder von einem parteiübergreifenden Konsens317 getragen wird. Die Akzeptanz ist kein legitimierender Grund; es gilt der „Vorrang der Verfassung vor der demokratischen Entscheidung“.318 Die demokratische Legitimation, die oftmals (stillschweigend) für ausreichend gehalten wird, genügt nicht, um die Einschränkungen des Demokratieprinzips zu rechtfertigen.319 Auch der weite Gestaltungsspielraum, der dem Staat im Bereich der Leistungsverwaltung zukommt,320 ist durch das Demokratieprinzip beschränkt. Es sind daher strengere Anforderungen zu stellen als in Bereichen, in denen die Subventionsvergabe lediglich am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes zu messen ist. Insbesondere genügt es für die Rechtfertigung nicht, „wenn ein legitimes Unterscheidungskriterium vorhanden ist, so daß die besondere Behandlung der Geförderten einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise entspricht“, wobei „sachbezogene Gesichtspunkte […] in sehr weitem Umfang zu Gebote“ stehen.321 Solange man die Kunstförderung nur an vagen Gehalten der Kunstfreiheit oder des Kulturbegriffs misst, mag ein politisches Gestaltungsermessen noch vertretbar sein. Unter Berücksichtigung des hier gefundenen Widerspruchs staatlicher Kulturförderung zum Demokratieprinzip hingegen würde ein gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum dazu zu führen, dass das Demokratieprinzip leerliefe. Es ist inkonsequent, dem verfassungsrechtlichen Gebot der Staatsfreiheit des öffentlichen Diskurses ein Ermessen der staatlichen Organe entgegenzusetzen, inwieweit sie diesem Gebot Folge leisten. Die Frage nach der Rechtfertigung des Kulturstaats kann die Verfassungslehre daher nicht der Politik überlassen.322 Das Gestaltungsermessen würde dann die Rechtfertigung ersetzen; an die Stelle eines legitimen Zwecks, der staatliches Handeln begründet, träte die Unergründbarkeit, ob es sich um eine legitime Aufgabe 316
So aber Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 1 f.; kritisch Roellecke, DÖV 1983, S. 653, 653. 317 So aber Steiner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, 2006, § 86 Rn. 1. 318 Ladeur, Der Staat gegen die Gesellschaft, 2006, S. 532. 319 Ebenso Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 229 ff. 320 BVerfGE 17, 210, 216; 93, 319, 350. 321 BVerfGE 12, 354, 367. 322 In diese Richtung aber F. Müller, Freiheit der Kunst als Problem der Grundrechtsdogmatik, 1969, S. 129; ebenso Huster, VVDStRL 65 (2006), S. 51, 63 f.; stärkere Zweifel äußert ders., Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 486 f.: Es sei zweifelhaft, ob nicht „der Kunst und ihrer innovativen Kraft am besten gedient ist, wenn sich der Staat aus diesem Lebensbereich zurückzieht.“ Ohne nähere Begründung nachfolgend aber: „Es dürfte einiges dafür sprechen, die Beantwortung dieser Fragen [nach den Folgen einer Abschaffung der Kunstförderung] der Kulturpolitik zu überlassen“.
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handelt.323 Vielmehr erfordert die Intensität der Eingriffe, wie sie durch die Kunstförderung stattfinden, dass dem Kulturstaat ein vertretbares Gesamtkonzept zugrundeliegt, das einen als verfassungsrechtlich legitim erkannten Zweck verfolgt und zu erreichen vermag.324 II. Kulturstaatlichkeit aus einer verfassungsrechtlichen Gesamtschau Durchgreifende Bedenken bestehen auch gegenüber Ansätzen, die Zulässigkeit der Kulturförderung aus einer Kulturstaatsklausel abzuleiten, die „teils geschriebener, teils ungeschriebener Bestandteil des Verfassungsrechts im Bundesstaat“ sein soll.325 So unterschiedliche Vorschriften wie die Kunstfreiheit, Art. 29 Abs. 1 Satz 2 GG,326 die „Generalklausel“ des Art. 3 der Bayerischen Verfassung,327 kulturelle Teilhabegrundrechte und Erziehungsziele in anderen Landesverfassungen328 sowie Kompetenznormen im Grundgesetz329 sollen im Ganzen eine Kulturstaatsklausel oder eine „Staatsaufgabe ,Kultur‘“ begründen.330 Auch Art. 35 Abs. 1 Satz 3 des 323 Ladeur, Der Staat gegen die Gesellschaft, 2006, S. 279: „Gestaltungsfreiheit kann es nur innerhalb einer vom Staat innerhalb seiner Kompetenzen vorzunehmenden ,Modellierung‘ von komplexer Kausalität geben (Risikoverwaltungsrecht), nicht aber ist der Gestaltungsspielraum als solcher eine tragfähige Rechtsgrundlage.“ 324 Vgl. (vor allem zur ähnlich gelagerten Problematik der staatlichen Sozialpolitik) Ladeur, Der Staat gegen die Gesellschaft, 2006, S. 279. 325 Häberle, in: ders. (Hrsg.), Kulturstaatlichkeit und Kulturverfassungsrecht, 1982, S. 1, 36; Mihatsch, Öffentliche Kunstsubventionierung, 1999, S. 48. 326 Häberle, Kulturverfassungsrecht im Bundesstaat, 1980, S. 64: „verdeckte Kulturstaatsklausel“; dagegen Evers, NJW 1983, S. 2161, 2162 in Fn. 13. 327 Dazu kritisch Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 235: Bedeutungslosigkeit des Art. 3 I BV in der Rechtswirklichkeit“; Stern, FS Heckel, S. 857, 865 f. mit Hinweis auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs. 328 Überblick bei Häberle, in: ders. (Hrsg.), Kulturstaatlichkeit und Kulturverfassungsrecht, 1982, S. 1, 8 f. und bei Pabel, Grundfragen der Kompetenzordnung im Bereich der Kunst, 2003, S. 174 f. 329 Zur Diskussion um materielle Gehalte der Kompetenznormen und mit einer kritischen Analyse der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Pieroth, AöR 114 (1989), S. 423 ff., der selbst mit guten Gründen nur in Kompetenznormen zum Ausdruck kommende Rechtsinstitute als grundrechtliche Eingriffstitel anerkennt (a.a.O., S. 447 f.). Generell ablehnend Schwind, Zukunftsgestaltende Elemente im deutschen und europäischen Staats- und Verfassungsrecht, 2008, S. 257 f., 273 f.; ablehnend für den Bereich der Kunstförderung Lenski, Öffentliches Kulturrecht, 2013, S. 63 f.; Pabel, Grundfragen der Kompetenzordnung im Bereich der Kunst, 2003, S. 184 ff. 330 Häberle, in: ders. (Hrsg.), Kulturstaatlichkeit und Kulturverfassungsrecht, 1982, S. 1, 36 f. im Anschluss an Knies, Bitburger Gespräche 1977/78, S. 141, 154; ebenso Weck, Verfassungsrechtliche Legitimationsprobleme öffentlicher Kunstförderung aus wirklichkeitswissenschaftlicher Perspektive, 2001, S. 118 ff.: „Pflege von Kunst und Kultur als (durch die Verfassungen von Bund und Ländern legitimierte) Staatsaufgabe“; ähnlich, aber unter Aufrechterhaltung der Differenzierung zwischen den Einzelvorschriften Blankenagel, Tradition
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1. Teil: Legitimationsbedürftigkeit staatlicher Kunstförderung
Einigungsvertrags wurden zur Qualifikation Deutschlands als Kulturstaat herangezogen.331 Eine solche Gesamtschau mag der Vergewisserung dienen, dass dem deutschen Verfassungsrecht gesamtstaatlich kein Gebot völliger kulturstaatlicher Abstinenz zugrunde liegt.332 Daraus allerdings einen gesamtstaatlichen „Kulturauftrag“ abzuleiten, ist als „nicht unproblematisch“333 und „großzügig“334 bezeichnet worden, mit Recht sogar als unvertretbar.335 Es lässt sich nicht jede verfassungsrechtliche Erwähnung von Kultur als Ansatzpunkt einer umfassenden staatlichen Kulturgestaltungsmacht auffassen. Jedenfalls ließe sich leichterhand auch eine Gesamtschau von Normen konstruieren, die einem kulturstaatlichen Tätigwerden entgegensteht.336 Die grundgesetzlichen Kompetenznormen etwa begründen jeweils ganz unterschiedliche (bundes-)staatliche Befugnisse im Kulturbereich.337 Kompetenzvorschriften zum Schutz des deutschen Kulturguts gegen die Abwanderung ins Ausland (Art. 73 Abs. 1 Nr. 5a GG) oder zum Urheberrecht (Art. 73 Abs. 1 Nr. 9 GG) gewähren dem Staat jedoch weder für sich genommen noch in ihrem Zusammenspiel die Befugnis zu ganz anders gearteteten Tätigkeiten im Kulturbereich, etwa zur direkten Förderung der Kunst. Auch die herangezogenen Landesverfassungen sind ganz unterschiedlich ausgestaltet.338 Auch wo die Landesverfassungen aber pauschale Kulturstaatsklauseln enthalten, ist damit nicht zwingend die umfassende direkte Kulturförderung gemeint, die „jede kulturelle Regung der Gesellschaft mit und Verfassung, 1984, S. 229 in Fn. 168; anders etwa Stern, FS Heckel, 1999, S. 857, 866 ff., der die einzelnen Bestimmungen einer „normativen Einzelbetrachtung“ unterzieht. 331 Hense, DVBl. 2000, S. 376, 377, der daraus aber nur eng begrenzte rechtliche Folgerungen zieht. 332 Pieroth, AöR 114 (1989), S. 423, 433 m.w.N.; Schwind, Zukunftsgestaltende Elemente im deutschen und europäischen Staats- und Verfassungsrecht, 2008, S. 274 f. 333 Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 379. 334 Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 13 in Fn. 27. 335 Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 234; ablehnend auch Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, 2000, S. 341; Isensee, Subsidiarität und Verfassungsrecht, 2001, S. 365; Reimer, Verfassungsprinzipien, 2001, S. 419: „Gebot der Einzelnormnähe“. 336 Etwa aus einer Gesamtschau der Normen, die die Legitimationsbedürftigkeit des Kulturstaats begründen sollen, siehe oben § 3 B. 337 Ähnlich Lenski, Öffentliches Kulturrecht, 2013, S. 63 f. 338 Die Verfassungen Hamburgs und Hessens enthalten keine allgemeine Aufgabe zur Kulturförderung (die hessische Verfassung allerdings einen Auftrag zur Denkmalpflege). Die Mehrzahl enthält pauschale Schutz- und Förderpflichten der Kunst, Kultur, des kulturellen Lebens oder künstlerischen und kulturellen Schaffens (Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen). Teils wird diese Aufgabe im Zugang zu Kulturinstitutionen oder deren Betrieb durch die öffentliche Hand konkretisiert (Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein). Nur die Brandenburgische Verfassung enthält einen Verweis auf die „Unterstützung der Künstler“. Übersicht über kulturstaatliche Gehalte der Landesverfassungen im Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“, BT-Drs. 16/7000, S. 80 f.
§ 5 Anforderungen des Demokratieprinzips an die Legitimation
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einem Scherflein bedenkt“.339 Den pauschalen Förderpflichten würde wohl schon dadurch genügt, dass kulturelle Belange nicht unberücksichtigt bleiben, beispielsweise indem öffentliche Räume und Einrichtungen auch Künstlern zugänglich gemacht werden.340 Eine umfassende, länderübergreifende und im Rang dem Demokratieprinzip ebenbürtige verfassungsrechtliche Befugnis zur direkten Förderung kann hingegen weder aus den Kompetenznormen der Grundgesetzes noch aus den Landesverfassungen noch aus einer Gesamtschau, die die Unterschiede zwischen den Einzelnormen lediglich übertünchen würde, abgeleitet werden. III. Kultur als Staatszweck, Staatsziel oder Staatsaufgabe Es genügt ohne weitere Begründung auch nicht, die Kulturförderung als Staatsaufgabe341, Staatsziel342 oder sogar als Zweck des Staates343 zu bezeichnen. Über die Abgrenzung dieser „Leitideen der Staatstätigkeit“344 und ihr Verhältnis zueinander besteht keine Einigkeit. Im Hinblick auf die Legitimation ist die wesentliche Unterscheidung, ob die staatliche Befugnis das Ergebnis der Auslegung einer Verfassungsnorm ist, oder ob sie unabhängig von einer normativen Anknüpfung ist. Nachfolgend werden Staatszwecke auf staatstheoretischer, also vorverfassungsrechticher Ebene, und Staatsziele auf verfassungsrechtlicher Ebene verortet.345 1. Kultur als Staatszweck Sieht man in Staatszwecken Antworten auf die Frage, „warum Staat ist und nicht Anarchie“,346 sind sie eng mit der Rechtfertigung des Staates als solchem verbunden; ihr Inhalt bestimmt Reichweite und Grenzen legitimer Staatstätigkeit.347 339
Evers, NJW 1983, S. 2161, 2165. So auch Heuer, Die Besteuerung der Kunst, 1984, S. 119; vgl. auch Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 388 ff., 390, der es für ausreichend hält, dass der Staat „bei der Gestaltung seiner Rechtsordnung kulturelle Belange beachtet“. 341 Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 2014, Art. 5 Rn. 189, 199a; Pernice, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 2004, Art. 5 III (Kunst) Rn. 46. 342 Staatszielbestimmung „Kulturstaat“: Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 III [Stand: 20. Lfg. 1977] Rn. 8; zustimmend Maihofer, in: Benda/ders./Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 1994, § 25 Rn. 5. 343 Weck, Verfassungsrechtliche Legitimationsprobleme öffentlicher Kunstförderung aus wirklichkeitswissenschaftlicher Perspektive, 2001, S. 127. 344 So der (auch von Schwind, Zukunftsgestaltende Elemente im deutschen und europäischen Staats- und Verfassungsrecht, 2008, S. 251 zitierte) Untertitel der Arbeit von Hebeisen, Staatszwecke, Staatsziele, Staatsaufgaben, 1996. 345 Ebenso Schwind, Zukunftsgestaltende Elemente im deutschen und europäischen Staatsund Verfassungsrecht, 2008, S. 211 ff. Ähnlich, allerdings mit abweichender Terminologie Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, 1997, S. 3; ohne Unterscheidung zwischen Staatszielen und Staatszwecken Brugger, NJW 1989, S. 2425 ff. 346 Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, 2006, § 73 Rn. 7. 340
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1. Teil: Legitimationsbedürftigkeit staatlicher Kunstförderung
Grundsätzlich stehen staatstheoretische Modelle außerhalb der Verfassung.348 Sie können geschichtlich, ethisch und systematisch auf ihre Plausibilität untersucht werden; als „nackten“ Staatszwecken ohne verfassungsrechtliche Einkleidung kommt ihnen aber keine normative Geltung zu.349 Eine normative Wirkung – etwa durch Auslegung des Begriffs „Staat“ – kommt, wenn überhaupt, nur für die „elementare[n]“ Staatszwecke in Betracht, die tatsächlich die Existenz des Staates begründen und somit „bei historischer Interpretation […] schon im Begriff des ,Staates‘ eingeschlossen liegen“.350 Davon kann im Hinblick auf die Kunst keine Rede seien. Kulturförderung gehört – wie allgemein die Gesellschaftsgestaltung – zu den jüngsten Staatstätigkeiten.351 Wenn die Kulturstaatlichkeit zum Staatszweck erhoben wird, geschieht dies im Hinblick auf den modernen Staat.352 Kulturstaatlichkeit ist somit kein absoluter, zeitloser Staatszweck,353 der dem Staatsbegriff immanent wäre.354 Zugleich haben sich auch „Kulturgemeinschaften […] ohne Staatlichkeit entwickelt und gehalten“.355 Weder aus Sicht der Kultur noch aus Sicht des Staates besteht also ein wesensmäßiges Aufeinander-angewiesen-Sein. Damit ist die Kulturstaatlichkeit kein notwendiges Element des Staatsbegriffs; aus einem Staatszweck „Kultur“ können daher keine normativen Folgen abgeleitet werden, wenn die zugrunde liegenden Ideen nicht in der Verfassung ihren Niederschlag gefunden haben.356
347
Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, 2006, § 73 Rn. 7. Brugger, NJW 1989, S. 2425, 2432. 349 Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, 1993, S. 505 in Fn. 367: „Staatsphilosophische wie staats- und verfassungstheoretische Erklärungsmodelle mögen plausibel oder implausibel, logisch oder unlogisch sein; normativer Geltungsanspruch ist ihnen nicht eigen: ihr Existenzmodus ist nicht der normtypische der Geltung“ (Hervorhebung im Original). 350 Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, 2000, S. 285 in Fn. 24. 351 Herzog, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, 2006, § 72 Rn. 27. 352 Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, 1997, S. 223 ff. (Weitere Grundstaatsziele des modernen Verfassungsstaates). 353 Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, 1997, S. 199; zur Unterscheidung zwischen absoluten und relativen oder (synonym) zeitlosen und zeitabhängigen Staatszwecken a.a.O., S. 198 ff.; Schwind, Zukunftsgestaltende Elemente im deutschen und europäischen Staats- und Verfassungsrecht, 2008, S. 195 ff. 354 Vgl. demgegenüber zum Staatszweck Sicherheit als „konstituierende[r] Entstehungsbedingung des modernen Staates“ Calliess, ZRP 2002, S. 1, 3 u. ö. 355 Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 14 f. 356 Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, 2006, § 73 Rn. 6, 8; Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, 2000, S. 285 in Fn. 22; Link, VVDStRL 48 (1990), S. 7, 47: nur appellative Funktion. 348
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2. Kultur als Staatsziel; Kulturförderung als Staatsaufgabe Dem Grundgesetz ein Staatsziel zu entnehmen, das den Staat zur Kulturförderung ermächtigt, scheint indes nicht von vornherein ausgeschlossen; in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird im Zusammenhang mit der Kunstfreiheit von einer „Staatszielbestimmung“ gesprochen.357 Dazu bedarf es aber einer eingehenden Auseinandersetzung mit den dogmatischen und tatsächlichen Gegebenheiten; eine verfassungsrechtlich nicht weiter fundierte Behauptung reicht zur Begründung nicht aus. Die Erörterung wird in dieser Arbeit aus systematischen Gründen im Zusammenhang mit anderen Rechtfertigungsansätzen, die sich auf die Kunstfreiheit stützen, stattfinden.358 Ließe sich dem Grundgesetz eine solche Ermächtigung entnehmen, wäre die Kulturförderung zugleich Staatsaufgabe. Staatsaufgaben sind öffentliche Aufgaben, „auf die der Staat nach Maßgabe und in den Grenzen der Verfassung zugreift oder zugreifen darf“.359 Die Qualifizierung als Staatsaufgabe hängt also von ihrer verfassungsrechtlichen Zulässigkeit ab. Für die Rechtfertigung als solche ist diese Kategorie hingegen entbehrlich; sie ist deren Ergebnis, nicht deren Begründung. Allgemein spiegelt sich in der Kategorie der Staatsaufgabe als verfassungsrechtlich zulässig wahrgenommener öffentlicher Aufgabe lediglich die virtuelle Allzuständigkeit des Staates wider;360 die Allzuständigkeit des Staates ist aber hinsichtlich der Kunstförderung durch das Demokratieprinzip begrenzt.
D. Zwischenergebnis Gegenstand der Rechtfertigung ist nach Maßgabe des Demokratieprinzips nicht mehr die Förderung an sich, der die Differenzierungsbefugnis als Annex folgt, sondern die kulturstaatliche Förderung, die gerade durch eine (verfassungsrechtlich ungebundene) Differenzierungsbefugnis geprägt ist. Die legitimen Zwecke müssen sich aus der Verfassung unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände ableiten lassen. Sie müssen im Rang dem Demokratieprinzip entsprechen. Damit scheiden pauschale Rechtfertigungstitel, die einer verfassungsrechtlichen und rechtstatsächlichen Überprüfung nicht zugänglich sind, von vornherein aus. Weder die demokratische Legitimation des Gesetzgebers und ein diesem zustehender Gestaltungsspielraum noch eine Gesamtschau von Verfas-
357
BVerfGE 36, 321, 331; 81, 108, 116; dazu unten § 6 A. II. 5. a). Siehe dazu unten § 6 A. II. 5. 359 Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, 2006, § 73 Rn. 13. 360 Möllers, Staat als Argument, 2011, S. 318. 358
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1. Teil: Legitimationsbedürftigkeit staatlicher Kunstförderung
sungsartikeln mit losem Bezug zu Kunst und Kultur noch außerhalb der Verfassung liegende Staatszwecke erlauben es daher, von den Vorgaben des Demokratieprinzips abzuweichen.
Zweiter Teil
Legitimationsfähigkeit staatlicher Kunstförderung § 6 Angewiesenheit der Kunst auf den Staat Die verfassungsrechtliche Legitimität des Kulturstaats wird vielfach auf die Erwägung gestützt, die Kunst bedürfe des Staates.1 Es lassen sich hier zwei Ansätze unterscheiden:2 Der erste Ansatz setzt bei der Freiheit der Kunst an und findet demnach seinen Ausgangspunkt im Grundrecht der Kunstfreiheit (dazu A.). Der zweite setzt bei der Qualität der Kunst an; dieser Ansatz wird zum Teil ebenfalls auf die Kunstfreiheit gestützt, häufiger aber (jedenfalls stillschweigend) auf kunstökonomische Annahmen (dazu B.).
A. Freiheit der Kunst als Ziel der Kunstförderung Die Kunstfreiheit ist als „Hauptgrundrecht des Kulturstaats im engeren Sinne“ bezeichnet worden.3 Nach wohl (noch) herrschender Ansicht ist der Staat aufgrund des Art. 5 Abs. 3 GG zur Förderung von Kunst und Kultur legitimiert. Dem Wortlaut nach enthält die Kunstfreiheit freilich keine Aussage über die Kunstförderung. Der Satz: „Die Kunst […] ist frei“ sagt nichts darüber aus, ob diese Freiheit durch staatliche Abstinenz oder staatliche Zuwendung garantiert werden soll. Dem Wortlaut nach ist die Kunst „frei“, nicht „geschützt“ oder „zu fördern“.4
1 Diese Behauptung wird teils schon für ausreichend erachtet; nicht viel länger etwa die Begründung bei Pabel, Grundfragen der Kompetenzordnung im Bereich der Kunst, 2003, S. 167; siehe auch die Nachweise oben in Fn. 82 und 84. 2 In der Literatur wird diese Unterscheidung häufig nicht deutlich; die geforderte Unabhängigkeit vom Publikum etwa wird vielerorts als Selbstzweck angesehen, ohne dass das Ziel dieser Unabhängigkeit zu benennen. 3 Maihofer, in: Benda/ders./Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 1994, § 25 Rn. 78. 4 Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 15: Die Freiheit der Kunst sei geschützt, nicht gestützt; ähnlich Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 453: Es gehe „nicht um den Schutz der Kunst, sondern um den Schutz der Freiheit – der Freiheit des Individuums, sich künstlerisch auszudrücken“.
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2. Teil: Legitimationsfähigkeit staatlicher Kunstförderung
Die Legitimation kann daher nicht unmittelbar aus dem Verfassungstext abgeleitet werden.5 Ob der Kunstfreiheit im Wege der Auslegung eine Befugnis zur kulturstaatlichen Förderung entnommen werden kann, ist umstritten. Es lässt sich jedenfalls feststellen, dass „leistungsrechtliche Funktionen […] nicht zwingend in der Grundrechtsnorm angelegt sind“.6 Im Folgenden sollen dogmatische Ansätze einer Verankerung der Kunstförderung in der Kunstfreiheit untersucht werden. Vor allem die ältere Literatur versucht dies über eine historische Auslegung der Kunstfreiheit (dazu I.); jüngere Auffassungen ziehen vor allem die objektiv-rechtlichen Gehalte heran (dazu II.). I. Förderauftrag aufgrund einer historischen Auslegung der Kunstfreiheit Die Interpretation des Art. 5 Abs. 3 GG als Kulturstaatsklausel mittels einer historischen Auslegung versucht zum einen, eine staatstheoretische oder staatspraktische Tradition des Kulturstaats aufzuzeigen (dazu 1.). Zum anderen wird auf Art. 142 Satz 2 WRV verwiesen (dazu 2.). 1. Die Kunstfreiheit als Verkörperung einer Kulturstaatstradition Ohne Zweifel werden mit der deutschen Kulturstaatstradition große Namen verbunden.7 Eine Kulturstaatstradition, die das „Recht zur staatlichen Kunstpflege […] aus historischer Sicht [als] selbstverständliches und nicht formulierungsbedürftiges Recht eines Kulturstaats“ begründet,8 findet dennoch immer weniger Anhänger.9 Die Kulturstaatstradition soll nachfolgend aus drei Perspektiven untersucht werden: im Wege einer Begriffstradition; im Wege einer Ideentradition; und im Wege einer Tradition der Staatspraxis.
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Schwind, Zukunftsgestaltende Elemente im deutschen und europäischen Staats- und Verfassungsrecht, 2008, S. 558. 6 Stern, Staatsrecht, Bd. IV/2, 2011, S. 660. 7 Stern, Staatsrecht, Bd. IV/2, 2011, S. 360, 363, der gleich zweimal betont, der Kulturstaat verbinde sich mit den Namen „großer“ deutscher Philosophen. 8 Erbel, Inhalt und Auswirkungen der verfassungsrechtlichen Kunstfreiheitsgarantie, 1966, S. 175; Knies, Bitburger Gespräche 1977/78, S. 141, 154, beide mit Blick auf das Fehlen einer Art. 142 Satz 2 WRV entsprechenden Befugnis im Grundgesetz. 9 Ablehnend Droege, Staatsleistungen an Religionsgemeinschaften im säkularen Kulturund Sozialstaat, 2004, S. 267 f.; Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 120 ff.; Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 375; Palm, Kunstförderung zwischen Kunstfreiheitsgarantie und Kulturstaat, 1998, S. 21, 126.
§ 6 Angewiesenheit der Kunst auf den Staat
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a) Kulturstaatliche Begriffstradition Die Begriffstradition vermag eine historische Auslegung der Kunstfreiheit als Kulturstaatsklausel nicht zu begründen. Als „Vater“ des Kulturstaatsbegriffs gilt Johann Gottlieb Fichte,10 in dessen Nachfolge sich eine lange, jedoch keineswegs einheitliche Begriffsgeschichte herausbildete.11 Fichte etwa hat den Begriff Kulturstaat als Synonym für „Abendland“ verwendet12 und kann daher nicht als Begründer einer Kulturstaatstradition im modernen Sinne des Wortes gelten.13 Entscheidend kann damit nicht sein, ob der Begriff des Kulturstaats verwendet wurde. Eine Begriffstradition ohne inhaltlich übereinstimmende Verwendung besagt rein gar nichts. b) Kulturstaatliche Ideentradition Ein weiterer Ansatz könnte darin liegen, trotz der begrifflichen Vielfalt eine einheitliche Idee des (heutigen) Kulturstaatskonzepts nachzuweisen. Skepsis gegenüber einem solchen Ansatz ist indes schon deshalb angebracht, weil dadurch letztlich im Wege der historischen Auslegung eines Grundrechts eine Art „Staatszweck“ in das Grundgesetz hineingelesen würde. Es ist im Ergebnis unerheblich, ob eine historische, staatstheoretische Idee des Staates im Wege der historischen Auslegung eines Grundrechts oder als freischwebendes Prinzip14 zu Verfassungsrecht erhoben wird; beides verheißt verfassungsrechtliche Weihen durch die Hintertür. Eine bestimmte historische Idee ist aber eben immer nur eine von mehreren Ideen, die in der Gesellschaft kursieren oder kursierten.15 Es gibt keine allgemein anerkannte Theorie des Verfassungsstaats.16 Jede Idee knüpft zudem an gesellschaftliche, verfassungsrechtliche und ideengeschichtliche Rahmenbedingungen an, die sich von den heutigen regelmäßig unterscheiden.17 Daher ist dem Versuch, staatsund verfassungstheoretischen Modellen – wie einer bestimmten Kulturstaatsidee – 10
Jung, Zum Kulturstaatsbegriff, 1976, S. 10. Zur weiteren Entwicklung Jung, Zum Kulturstaatsbegriff, 1976, S. 26 ff. 12 Jung, Zum Kulturstaatsbegriff, 1976, S. 10 ff., 13 f., 26; Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 212. Zu problematischen Konsequenzen aus der Ineinssetzung von Kultur und christlicher Religion Kopke, Rechtschreibung im freiheitlichen Kulturstaat, 1995, S. 375. 13 Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 375.: „Die Berufung auf Fichte hat somit offensichtlich nur den Zweck, einer jeweils ganz anderen Kulturstaatskonzeption die Würde einer über zweihundertjährigen Tradition zu verschaffen.“ 14 Vgl. dazu oben unter § 5 C. III. 15 Ebenso Möllers, Staat als Argument, 2011, S. 213: „Die Vielzahl staatsphilosophischer Traditionen haben (sic!) keinen Verfassungsrang.“ 16 Volkmann, DVBl. 2005, S. 1061, 1061. 17 Vgl. etwa die Übernahme der Idee einer Nationalkultur in der frühen Staatswissenschaft vgl. Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 23; zur ideologischen Verwendung des Kulturstaatsbegriffs im 19. Jahrhundert vom Bruch, in: ders./Graf/Hübinger (Hrsg.), Kultur und Kulturwissenschaften um 1900, Bd. I, 1989, S. 64 ff. 11
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2. Teil: Legitimationsfähigkeit staatlicher Kunstförderung
im Wege der historischen Auslegung zur verfassungsrechtlichen Geltung zu verhelfen, schon im Ansatz mit großer Zurückhaltung zu begegnen.18 Dies könnte lediglich dann anders zu beurteilen sein, wenn es eine allgemein anerkannte ideelle „Theorie des Kulturstaats“ gäbe.19 Gegenüber der Existenz einer solchen Kulturstaatsidee ist indes Skepsis angebracht.20 Zur Kulturstaatsidee des Begriffsschöpfers Fichte wurde bemerkt, dass sein Staatsverständnis dem des Grundgesetzes nicht entspricht, ja ihm zuwiderläuft.21 Ein einheitliches Kulturstaatsverständnis lässt sich aber auch später nicht nachweisen.22 Zwar lassen sich leichterhand etliche Stimmen (gerade aus dem preußischen Beamtentum) zusammenstellen, die eine Hinwendung des Staates zur Kultur befürworten.23 Es lassen sich aber ebenso Stimmen finden, die aufzeigen, dass es sich dabei nur um eine Traditionslinie unter anderen handelt. Die Kulturstaatstradition hat zu allen Zeiten Zustimmung und Ablehnung erfahren und ist mit ganz verschiedenen Inhalten und Zielen besetzt gewesen. Es lässt sich trotz der Mühe, die für die Begründung einer Kulturstaatstradition aufgewendet wurde, eben auch eine gegenläufige, dem Kulturstaat gegenüber kritische oder indifferente Tradition begründen,24 die sich auf 18
Vgl. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, 1993, S. 505 in Fn. 367. Dagegen wiederum Volkmann, DVBl. 2005, S. 1061, 1061 f., der eine Verbindungsthese mit „unauflöslicher Einheit“ von Staat und Kultur und eine Autonomiethese mit Trennung von Staat und Kultur ausmacht. 20 Kritisch auch Palm, Kunstförderung zwischen Kunstfreiheitsgarantie und Kulturstaat, 1998, S. 21 zu „diffusen Kulturstaatsargumentationen“, die eine Generalvollmacht erteilen, „alles, was Kunst ist, mit Finanzierungshilfen staatlich zu bemänteln“ (dies hindert ihn aber anscheinend nicht daran, sich die nicht minder diffuse Ableitung Häberles aus dem „Gesamt der Einzelbestimmungen und impliziten Verfassungsgehalte“ zu eigen zu machen, a.a.O., S. 129 f.). 21 Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 373 ff. 22 Vgl. Wagner, Fürstenhof und Bürgergesellschaft, 2009, S. 18, der auf die wandelnden und sich widersprechenden Begründungen staatlicher Kulturförderung verweist. 23 So die Vorgehensweise von Knies, Schranken der Kunstfreiheit als verfassungsrechtliches Problem, 1967, S. 207 ff. 24 Etwa Mann, Betrachtungen eines Unpolitischen, 1920, S. 121 f.: „[I]ch meine, dass wichtige Teile des Menschengeistes: Religion, Philosophie, Kunst, Dichtung, Wissenschaft neben, außer dem Staate und oft genug gegen ihn existieren; […] jede offizielle, uniformierte, reglementierte Geistigkeit […], scheint mir die Ironie herauszufordern; auch ein ,Ministerium der schönen Künste‘ scheint mir das zu tun; nie hatte ich für meine Person gern mit dem Staat zu schaffen, meine Empfindungen für ihn waren von jeher so liederlich lau und individualistisch undevot, wie möglich“; Freiherr von Stein: „Der Staat soll durch seine Verwaltung niemals und unter keinen Umständen etwas anderes leisten, als die Herstellung der Bedingungen der persönlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung, welche der Einzelne sich nicht selbst zu schaffen vermag, und es dem Einzelnen und seiner freien selbständigen Tat überlassen, aus der Benützung dieser Bedingung sich sein eigenes Leben zu bilden und zu entwickeln“ (zit. nach Bull, Der Staat 47 (2008), S. 1, 7, der diese Auffassung als „neoliberal“ bezeichnet); Treitschke: Die Kunst führe „ein sehr robustes eigenes Leben […], unbekümmert wie der Staat dazu stehe“ (zit. nach Jung, Zum Kulturstaatsbegriff, 1976, S. 68). Vgl. auch Goethes Aussagen zum Theater (unten Fn. 437). 19
§ 6 Angewiesenheit der Kunst auf den Staat
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nicht minder große Namen stützen kann.25 Eine eklektizistische Zusammenstellung der Befürworter ist nicht mehr als ein Konstrukt des gewünschten Ergebnisses.26 Der Wille zur Konstruktion einer herkömmlichen Übereinstimmung wird vor allem an der Auseinandersetzung mit Humboldts Schrift „Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen“27 deutlich. Die Verteidiger der Kulturstaatstradition argumentieren: Zwar habe Humboldt in seiner bekannten strengliberalen Schrift Einwände gegen den kulturgestaltenden Staat erhoben, diese aber in reiferen Jahren als Beamter zurückgezogen.28 Belege für ein Abrücken von diesen Ideen werden allerdings ausschließlich anhand von Humboldts Wirken im Bildungsbereich geboten. Abgesehen davon, dass daraus nicht auf Zustimmung zur kulturstaatlichen Kunstförderung geschlossen werden kann, hat Humboldt dabei jedoch stets das Ziel vor Augen gehabt, die Bildungsinstitute (Schulen, Universitäten, Akademien) vom Staat unabhängig zu machen.29 Einen gewissen Widerspruch zur eigenen These erkennt auch Knies, der überrascht bemerkt, dass auch aus Humboldts Zeiten als Beamter noch „streng-liberale“ Bekenntnisse stammen.30 Noch nebulöser wird der ideengeschichtliche Rechtfertigungsversuch, wenn er nicht an die deutsche Kulturstaatstradition, sondern an die „moderne Staatlichkeit“
Auch diejenigen Vertreter der Staatsrechtslehre im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, die die Kultur in ihren Werken mit keinem Wort erwähnen, müssen eher als Vertreter einer Trennung von Staat und Kultur denn als Träger einer Kulturstaatstradition gedeutet werden; vgl. Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 24 in Fn. 72 mit Hinweis auf v. Gerber, Grundzüge des Deutschen Staatsrechts, 1880; Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 1912, Zorn, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 1895 – 97. 25 Die vollständige Außerachtlassung einer Kulturstaatstradition bei Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 436 ff., scheint daher nur konsequent. 26 I. E. ebenso Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 123 ff., 130 u. ö.; zustimmend Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 378; Palm, Kunstförderung zwischen Kunstfreiheitsgarantie und Kulturstaat, 1998, S. 126; ebenfalls zustimmend Stern, FS Heckel, 1999, S. 857, 864, anders aber ders., Staatsrecht, Bd. IV/2, 2011, S. 360 ff. der zwar die die Kulturstaatsbegriffe des 19. Jahrhunderts ebenfalls für äußerst disparat hält, den Kulturstaat aber dennoch als ungeschriebenes Staatsmerkmal in das Grundgesetz hineinlesen will, weil alles andere ein „Bruch mit einer langen deutschen Tradition [wäre], lässt sich doch gerade die Kulturstaatlichkeit des deutschen Staates auf spezifisch deutsche philosophische Ideen zurückführen, die sich mit ,großen‘ Namen verbinden“. 27 Humboldt, Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen, 1962 (geschrieben 1792, gedruckt erstmals in Breslau 1851). 28 Diese These einer Läuterung von jugendlichem Übermut vertreten Huber, in: Häberle (Hrsg.), Kulturstaatlichkeit und Kulturverfassungsrecht, 1982, S. 122, 126 f.; Knies, Schranken der Kunstfreiheit als verfassungsrechtliches Problem, 1967, S. 206 ff. und Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, 1997, S. 231. 29 Vgl. dazu Spitta, Die Staatsidee Wilhelm von Humboldts, 2004, pass., insb. S. 55 ff. (Humboldts Festhalten an seinen Ideen von den Grenzen des Staates), 58 ff. (Humboldts Wirken im Sinne seiner Ideen). 30 Knies, Schranken der Kunstfreiheit als verfassungsrechtliches Problem, 1967, S. 208 in Fn. 140.
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anknüpft.31 Hier treffen ganz verschiedene Traditionen zusammen; neben eine kulturgestaltende und -kontrollierende Tradition tritt vor allem die anglo-amerikanische Staatstradition der Kulturabstinenz.32 Für die moderne Staatlichkeit lieferten die Ideen des englischen Parlamentarismus und der amerikanischen Revolution33 sicherlich keine unwesentlichen Grundlagen.34 c) Tradition kulturstaatlicher Praxis Die Disparität der Kulturstaatsidee bestätigt sich bei einer Betrachtung der Staatspraxis. Natürlich ist der Staat nicht erst unter dem Grundgesetz kulturfördernd tätig geworden ist. Eine herkömmliche Praxis kann aber nur dann ein historisches Argument für die Grundrechtsauslegung begründen, wenn die Praxis über die Zeit hinweg im Wesentlichen den gleichen Zwecken diente.35 Vorausgesetzt wäre daher, dass sich die Kulturstaatsidee, die Idee eines der Freiheit der Kunst zugewandten und diese aufgrund ihres Eigenwerts fördernden Staates, sich auf eine einheitliche geschichtliche Ausübung stützen kann. Beim Zugriff auf die Kunst ging es dem Staat indes keinesfalls stets um den Schutz ihrer Freiheit.36 Die Förderung der Kunst diente über lange Phasen nicht ihrer Freiheit, sondern ihrer Ordnung und Kontrolle. Ein „tolerante[s] Staatswesen, das die Freiheit der Künste zu einem seiner vornehmsten Ziele erklärt hatte“37, ist ein gutgepflegter Mythos.38 Dies gilt etwa für das Theaterwesen: Gerade das Theater als Paradebeispiel traditioneller staatlicher Tätigkeit im Bereich der Kunst war viel-
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In diese Richtung BVerfGE 10, 20, 36. Zur amerikanischen Tradition Weck, Verfassungsrechtliche Legitimationsprobleme öffentlicher Kunstförderung aus wirklichkeitswissenschaftlicher Perspektive, 2001, S. 43 ff.; aus Europa vgl. etwa Bastiat, in: ders., Œuvres complètes, Bd. 5, 1863, S. 336, 347 ff. und die Nachweise oben in Fn. 24. 33 Nur in Abgrenzung und damit aus der deutschen Tradition ausschließend hingegen Grimm, VVDStRL 42 (1984), S. 46, 53 f. 34 Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt, 2002, S. 411 weist darauf hin, dass „sich der moderne demokratische Verfassungsstaat vom englischen Parlamentarismus herleitet“. 35 Ebenso zum Begriff der Herkömmlichkeit in Art. 12 Abs. 2 GG Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12 [Stand: 47. Lfg. 2006] Rn. 497. 36 So auch Stern, FS Heckel, 1999, S. 857, 864: „Staat und Kultur bewegten sich im aufgeklärten Absolutismus, im Liberalismus und im Nationalsozialismus eher gegenläufig zueinander.“ 37 Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 443; welches (historische) Staatswesen er genau im Kopf hat, sagt Oppermann nicht; seine Ausführungen beziehen sich pauschal auf „das Gemeinwesen […] von jeher“. 38 Vgl. Geißler, Kunstförderung nach Grundgesetz und Recht der EG, 1995, S. 26: „Der historische Überblick zeigte, dass die Förderung der Kunst um ihrer selbst willen eher im Vordergrund gesellschaftlicher Initiativen stand, während staatliche oder staatsnahe Förderungsmaßnahmen häufig andere als künstlerische Ziele verfolgten.“ 32
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fältigen, durch kein Zensurverbot begrenzten Repressionen ausgesetzt.39 Die Kulturförderung diente vielmehr immer auch staatlichen Interessen.40 In den Anfängen hatte sie vor allem staatsbildende Funktion41 und sollte den „Erhalt von Massenloyalität“ sichern.42 (National-)Kultur diente als funktioneller (und konfessionsneutraler) Ersatz der Religion.43 Kulturpolitik wurde daher definiert als „bewusste Einsetzung geistiger Werte im Dienste des Volkes zur Festigung im Innern und zur Auseinandersetzung mit anderen Völkern nach außen“.44 Die Ausdehnung der Staatstätigkeit in den Bereich der Kultur hinein hatte auch mit zunehmender, aus Sicht des Staates bedrohlicher Selbständigkeit der Kultur zu tun und mit dem Bedürfnis nach staatlicher Kontrolle dieses sensiblen Bereichs.45 Zugleich ist die Kulturstaatlichkeit Ausdruck einer allgemeinen Ausweitung des Staates im Zuge der Moderne,46 was etwa am sozialen Motiv der Künstlerversorgung deutlich wird.47 Und schließlich ist auch die Kulturpolitik des Nationalsozialismus ein abschreckendes Beispiel von „dirigistischer“ Kulturgestaltungsmacht, das dennoch Teil des traditionellen Verhältnisses von Staat und Kultur in Deutschland ist.48 Es ist der Zusammenfassung Geis’ zuzustimmen, wonach die lange Tradition des Kulturstaatsdenkens nur eine Gemeinsamkeit aufweist: „die Einflussmöglichkeit des Staates auf die Kultur, die Kultur der Individuen und damit des Staates auf die Individuen im guten wie im bösen Willen sicherzustellen“.49
39 Zur Theaterzensur als Ausnahme des in Preußen geltenden Zensurverbots Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 122, 124; Ladeur, in: Denninger u. a. (Hrsg.), Alternativkommentar GG, Art. 5 Abs. 3 II [Stand: Grundwerk 2001] Rn. 3 f. Siehe auch unten Fn. 45. 40 Kulturpolitik wurde Anfang des 20. Jahrhunderts weitgehend mit „Kulturprogaganda“ gleichgesetzt, so Wagner, Fürstenhof und Bürgergesellschaft, 2009, S. 347 ff. mit einer Analyse der zeitgenössischen Lexika. 41 v. Beyme, Kulturpolitik und nationale Identität, 1998, S. 10 weist darauf hin, dass die deutsche Kulturstaatstradition erstens keineswegs ungebrochen ist und der Kulturstaatsbegriff im 19. Jahrhundert eher eine „Tröstungsphilosophie“ wurde, die „die fehlende Einheit kulturell substituierte“. 42 Fuchs, in: ders., Kulturpolitik und Zivilgesellschaft, 2008, S. 78; Ladeur, in: Denninger u. a. (Hrsg.), Alternativkommentar GG, Art. 5 Abs. 3 II [Stand: Grundwerk 2001] Rn. 2. 43 Knoblich, Aus Politik und Zeitgeschichte 49/2004, S. 5, 6 f. m.w.N.; Volkmann, DVBl. 2005, S. 1061, 1063 f., 1065 f. 44 So der preußische Kultusminister Becker, Kulturpolitische Aufgaben des Reiches, 1919, S. 13; bezeichnend auch das Ziel der „deutschen Einheitskultur“ a.a.O., S. 45 ff. 45 Vgl. zur staatlichen Kontrolle und Lenkung des Theaters Erbel, Inhalt und Auswirkungen der verfassungsrechtlichen Kunstfreiheitsgarantie, 1966, S. 179 ff.; Würkner, Das Bundesverfassungsgericht und die Freiheit der Kunst, 1994, S. 19 ff. 46 Vgl. die Ausführungen zur Kulturpolitik bei Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt, 2002, S. 388 ff. 47 Dazu Jung, Zum Kulturstaatsbegriff, 1976, S. 67 f. 48 Vgl. Grimm, VVDStRL 42 (1984), S. 46, 58; Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 119 f. 49 Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 162.
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Angesichts dieser restriktiven, ganz offensichtlich auch freiheitsfeindlichen Geschichte des „Kulturstaats“ ist es kaum vertretbar, dessen Tradition zum Inhalt der Kunstfreiheit machen zu wollen.50 Die Kulturgestaltungsmacht kann für ihre Begründung „keinesfalls eine deutsche Tradition reklamieren“.51 Im Ergebnis lässt sich festhalten: „Staatliches Lenken durch staatliches Leisten ist im Bereich der Kunst nicht historisch legitimiert.“52 2. Fortgeltung des Art. 142 Satz 2 WRV Vor allem im älteren Schrifttum wird mancherorts auf die Bestimmung des Art. 142 WRV53 zurückgegriffen. Diese Vorschrift soll als eine Art Verfassungstradition in den Schutzbereich der Kunstfreiheit hineingelesen werden.54 Aus der objektiv-rechtlichen Dimension ergebe sich das Gleiche wie aus Art. 142 Satz 2 WRV.55 Art. 142 Satz 2 WRV gilt freilich unter dem Grundgesetz nicht.56 Es ist auch – bei näherem Hinsehen – keineswegs „abwegig“, aus dem Fehlen einer ähnlichen Vorschrift eine „Absage […] an kulturstaatliche Verpflichtungen und Befugnisse“ herzuleiten57 – immerhin wurde der Vorschlag während der Beratungen des Parlamentarischen Rates, den Text des Art. 142 Satz 2 WRV in sehr ähnlicher Form zu
50 Die machtbezogene und freiheitsfeindliche Tradition im Verhältnis Staat und Kultur erwähnen mit keinem Wort Grimm, VVDStRL 42 (1984), S. 46 ff., 53 ff. und Knies, Schranken der Kunstfreiheit als verfassungsrechtliches Problem, 1967, S. 207 ff. in seiner Darstellung der Entwicklung des Kulturverwaltungsstaats im 19. Jahrhundert. 51 Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 120 ff.; zustimmend Stern, FS Heckel, 1999, S. 857, 864. 52 Heuer, Die Besteuerung der Kunst, 1984, S. 112. 53 „Die Kunst, die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei. Der Staat gewährt ihnen Schutz und nimmt an ihrer Pflege teil.“ 54 Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, 2011, § 190 Rn. 193; v. Mangoldt/Klein, GG, Bd. I, 1957, Art. 5, Anm. X 1; Schwarze, AfP 1974, S. 692, 692 in Fn. 7; Steiner, VVDStRL 42 (1984) S. 7, 16; Stern, Staatsrecht, Bd. IV/2, 2011, S. 653; kritisch Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 251; Mihatsch, Öffentliche Kunstsubventionierung, 1989, S. 35. 55 Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. III [Stand: 20. Lfg. 1977] Rn. 9. 56 Dies lässt sich, wenn es einer weiteren Begründung bedarf, auch ex contrario daraus ableiten, dass die staatskirchenrechtlichen Bestimmungen der WRV in Art. 140 GG ausdrücklich zum Bestandteil des Grundgesetzes erklärt werden. 57 So aber Knies, Schranken der Kunstfreiheit als Problem der Grundrechtsdogmatik, 1967, S. 212; zustimmend Blankenagel, Tradition und Verfassung, 1987, S. 227 f.; ebenso Schäuble, Rechtsprobleme der staatlichen Kunstförderung, 1965, S. 100 f.; vgl. Heckel, Staat – Kirche – Kunst, 1968, S. 89: „trotz der bewußt kargen Formulierung des Verfassungstextes“ sei eine Förderpflicht „nicht zu bestreiten“.
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übernehmen,58 letztlich abgelehnt.59 Verfassungsdogmatisch fragwürdig ist es hingegen, aus Art. 142 WRV das Bestehen grundgesetzlicher Befugnisse oder gar Verpflichtungen abzuleiten. Über die grundgesetzliche Legitimationsfähigkeit staatlicher Kunstförderung besagt Art. 142 WRV nichts.60 II. Objektiv-rechtliche Gehalte der Kunstfreiheit Vielfach wird die Legitimation des Kulturstaats auf die objektiv-rechtlichen Gehalte der Kunstfreiheit gestützt. Art. 5 Abs. 3 GG enthält nach dieser Ansicht als objektive Wertentscheidung einen staatlichen Auftrag zur Kunstförderung,61 eine objektive Verpflichtung zum Schutz von Kunst und Kultur62 oder eine „Einrichtungsgarantie […], die das Verhältnis von Staat und Kunst wertentscheidend regelt“.63 Den objektiv-rechtlichen Gehalten der Kunstfreiheit lasse sich eine „Vollmacht“ zur kulturstaatlichen Kunstförderung entnehmen.64 Die objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalte65 sind eine Entwicklung des Bundesverfassungsgerichts. Ausgangspunkt ist das Lüth-Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1958. Dort heißt es: „Ohne Zweifel sind die Grundrechte in erster Linie dazu bestimmt, die Freiheitssphäre des Einzelnen vor Eingriffen der staatlichen Gewalt zu sichern; sie sind Abwehrrechte des 58
Vgl. den Antrag der Deutschen Partei, Drs. 298, S. 2, zit. nach JöR n.F. 1 (1951), S. 90: „Das kulturelle Leben ist der Gewalt des Staates nicht unterworfen. Der Staat gewährt ihm Schutz und nimmt an seiner Pflege teil.“ 59 Ebenso Lenski, Öffentliches Kulturrecht, 2013, S. 296; Pabel, Grundfragen der Kompetenzordnung im Bereich der Kunst, 2003, S. 167, leitet daraus ihre Ansicht ab, dass die Freiheit der Kunst „formal“ am besten bei staatlicher kultureller Abstinenz gewährleistet werde (freilich unmittelbar von der Einschränkung gefolgt, staatliche Unterstützung der Kunst sei unentbehrlich geworden). 60 Auch Knies, Schranken der Kunstfreiheit als verfassungsrechtliches Problem, 1967, S. 212 f., behauptet nicht, dass sich die Kunstförderung aus Art. 142 Satz 2 WRV legitimiere, sondern will lediglich zeigen, dass der Kunstfreiheit ein Verbot staatlicher Kunstförderung nicht entnommen werden kann; i. E. ebenso Reimer, Verfassungsprinzipien, 2001, S. 426: Kunstfreiheit entfalte lediglich keine „Sperrwirkung“. 61 So vor allem die Kommentarliteratur: Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 2014, Art. 5 Rn. 199a; Pernice, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 2004, Art. 5 III (Kunst) Rn. 15; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. III [Stand: 20. Lfg. 1977] Rn. 6 ff.; Starck, in: v. Mangoldt/ Klein/ders., GG, Bd. I, 2010, Art. 5 Abs. 3 Rn. 292, 319 ff. 62 Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 253; Graul, Künstlerische Urteile im Rahmen der staatlichen Förderungstätigkeit, 1970, S. 52; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. III [Stand: 20. Lfg. 1977] Rn. 8, 40. 63 Nordemann, FS Weber, 1974, S. 217, 217. 64 Häberle, in: ders. (Hrsg.), Kulturstaatlichkeit und Kulturverfassungsrecht, 1982, S. 1, 33. 65 Aus der (vor allem hinsichtlich der grundrechtlichen Schutzpflichten) ausufernden Literatur monographisch zur Gesamtheit der objektiven Grundrechtsgehalte Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, 2000; Überblick über die Diskussion bei Lindner, Theorie der Grundrechtsdogmatik, 2005, S. 13 ff. mit umfangreichen Nachweisen.
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Bürgers gegen den Staat: […] Ebenso richtig ist aber, daß das Grundgesetz […] in seinem Grundrechtsabschnitt auch eine objektive Wertordnung aufgerichtet hat und daß gerade hierin eine prinzipielle Verstärkung der Geltungskraft der Grundrechte zum Ausdruck kommt.“66
Trotz der Kritik, die sich vor allem am Begriff der „Wertordnung“ entzündete67 und die das Bundesverfassungsgericht zu einer (überflüssigen)68 Änderung der Terminologie (Grundrechte als „Elemente objektiver Ordnung“69) veranlasst hat, ist die Existenz von über die Abwehr staatlicher Eingriffe hinausgehenden Gehalten der Grundrechte im Ergebnis allgemein anerkannt.70 Streit besteht lediglich über die grundrechtsdogmatische Herleitung dieser Rechtsfolgen,71 insbesondere darüber, ob sie auch abwehrrechtlich begründet werden könnten.72 Im Folgenden wird ungeachtet dieser offenen Fragen terminologisch von objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalten73 gesprochen. 1. Das Grundrecht der Kunstfreiheit als Handlungsbefugnis des Staates Die grundsätzliche Anerkennung der objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalte besagt jedoch nichts darüber, ob und wie sich die objektiv-rechtlichen Gehalte der Kunstfreiheit zur Rechtfertigung der Einschränkungen des Demokratieprinzips eignen. Die Heranziehung der grundrechtlichen Kunstfreiheit zur Rechtfertigung des Kulturstaats wirft besondere Probleme auf, die die Kunstfreiheit im Speziellen (dazu a)) und die objektiv-rechtliche Dimension der Grundrechte als Legitimationsgrundlage staatlichen Handelns im Allgemeinen (dazu b)) betreffen.
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BVerfGE 7, 198, 205. Etwa bei Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, 1997, S. 295 f. 68 Es ist zu Recht darauf hingewiesen worden, dass der Bezug auf Werte in der Sache keine Auswirkungen gezeigt hat und sich durch unverfänglichere Begriffe wie Prinzip oder Grundentscheidung ersetzen lässt, ohne dass damit das substantielle Ergebnis beeinflusst würde (Dreier, Dimensionen der Grundrechte, 1993, S. 21 ff., 26 m.w.N.). 69 BVerfGE 73, 261, 269; 74, 143, 161 mit Verweis auf BVerfGE 7, 198, 205. 70 So zu den grundrechtlichen Schutzpflichten Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, S. 314; ders., JZ 2006, S. 321, 323 f. 71 Überblick bei Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, S. 312 ff., 437 ff.; kritisch zu gängigen (Nicht-)Begründungen Lindner, Theorie der Grundrechtsdogmatik, 2005, S. 13 ff. 72 Zur älteren Literatur Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, 1996, S. 44 ff.; aus der neueren Literatur Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, 2003; weithin der abwehrrechtlichen Lösung folgend, jedoch (in Randbereichen) differenzierend Szczekalla, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, 2002. 73 Synonym: objektiv-rechtliche Grundrechtswirkungen, objektiv-rechtliche Grundrechtsdimensionen. 67
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a) Grundrechtsspezifische Bedenken gegen die Kunstfreiheit als Befugnisnorm des Kulturstaats Bedenken bestehen aus kunstfreiheitsspezifischer Sicht vor allem, weil die Kunstfreiheit in ihrer objektiven Dimension als Grundlage kulturstaatlichen Handelns einen differenzierenden Zugriff des Staates auf die Kunst erlauben würde, den sie in ihrer subjektiven Dimension gerade verbietet. Die (jedenfalls früher) herrschende Meinung hat zwar erkannt, dass es einer Begründung bedarf, auf der abwehrrechtlichen Seite der Kunstfreiheit ein Verbot staatlichen Kunstrichtertums festzustellen, auf der leistungsrechtlichen aber davon abzurücken.74 Als Begründung lässt sie es aber ausreichen, dass eine solche Ambivalenz wegen der Erforderlichkeit einer staatlichen Differenzierungsbefugnis im Bereich der leistungsrechtlichen Komponente letztlich „unumgänglich“ sei.75 Die Gegenansicht will diesen Widerspruch hingegen nicht hinnehmen und gelangt zu einer einschränkenden Auslegung der objektiv-rechtlichen Dimension: Art. 5 Abs. 3 GG verpflichte „in seiner objektiv-rechtlichen Dimension den Staat lediglich zur Abwehr von Störungen der künstlerischen Entfaltungsfreiheit“ und lege ihn „ganz allgemein auf die Anerkennung eines sich autonom entfaltenden Sach- und Wesensgesetzlichkeit der Kunst fest“.76 Allein die „Trennung von Freiheits- und Förderzusage zugunsten der Kunst“ sei „kulturstaatsgerecht“.77 In der Tat ist schwerlich einzusehen, warum die objektive Dimension im Ergebnis gerade erlauben oder gar gebieten soll, was die abwehrrechtliche Dimension verbietet.78 Der auf die Kunstfreiheit gestützte Förderauftrag müsste sich dazu vom
74 v. Arnauld, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, 2009, § 167 Rn. 80; Erbel, Inhalt und Auswirkungen der verfassungsrechtlichen Kunstfreiheitsgarantie, 1966, S. 101 in Fn. 1, 174 ff.; F. Müller, Freiheit der Kunst als Problem der Grundrechtsdogmatik, 1969, S. 85, 128 f.; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 5 Abs. III [Stand: 20. Lfg. 1977] Rn. 8, 40. 75 v. Arnauld, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, 2009, § 167 Rn. 80: „Selektionsprozesse bei der Öffnung von Einrichtungen und der Gewährung von Förderung sind unumgänglich.“; Heckel, Staat – Kirche – Kunst, 1968, S. 98 in Fn. 321; einschränkend Jarass, in: ders./Pieroth (Hrsg.), GG, 2011, Art. 5 Rn. 111, der zwar einen erheblichen Spielraum des Staates sieht, aber einen Grundrechtseingriff in Form einer „relative[n] Benachteiligung“ durch die Förderung nur einzelner Kunstrichtungen für möglich hält. 76 Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 15. 77 Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 16; ähnlich Korinek, Staat und Kunst, 2006, S. 17: „Überfrachtung“ des Grundrechts. 78 Kritisch auch Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 256: Es sei nicht ersichtlich, warum ein Maßstab, der im Abwehrbereich gerade auch wegen seiner „erkenntnistheoretischen Unbegründbarkeit“ verworfen werde, im leistungsrechtlichen Bereich sachgerecht sein solle. Ebenso Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 15, der sich allerdings zu Unrecht auf Knies, Schranken der Kunstfreiheit als verfassungsrechtliches Problem, 1967, S. 217 ff. stützt, da Knies das Differenzierungsverbot (grundsätzlich) nicht auf den Förderungsbereich erstrecken will (ebd., S. 224 ff.).
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subjektiven Gehalt völlig lösen,79 was mit einem einheitlichen Schutzgut beider Dimensionen des Grundrechts kaum in Einklang zu bringen ist. Dies legt es nahe, dass Kunstförderung „tendenziell nicht wegen, sondern trotz der Kunstfreiheitsgarantie statt[findet]“.80 Andererseits lässt sich ohne eine konkrete Betrachtung der angeblichen gesellschaftlichen „Störungen der künstlerischen Entfaltungsfreiheit“81 kaum beantworten, ob nicht die staatliche Kulturgestaltung im Vergleich zu solchen Störungen das geringere Übel wäre.82 Gänzlich losgelöst von einer tatsächlichen Betrachtung des Lebensbereichs Kunst ist die Entscheidung, ob die Freiheit der Kunst eine kulturstaatliche Förderung verlangt und umgekehrt die Förderung der Freiheit dient, nicht zu treffen.83 b) Grundrechtstheoretische Bedenken gegen die Kunstfreiheit als Befugnisnorm des Kulturstaats Dies bedingt aber auch, dass ein pauschaler Verweis auf die objektiv-rechtlichen Gehalte für die Begründung kulturstaatlicher Legitimation nicht genügt. Vielmehr treten neben die kunstfreiheitsspezifischen Bedenken allgemeine Einwände gegen die Heranziehung der Grundrechte als „Eingriffs- und Legitimationsgrundlage für staatliches Handeln“.84 Die Rechtsfigur der objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalte birgt die Gefahr einer tendenziell unbegrenzten und beliebigen Ausweitung staatlicher Befugnisse durch eine Norm, die „in erster Linie dazu bestimmt [ist], die Freiheitssphäre des Einzelnen vor Eingriffen der staatlichen Gewalt zu sichern“.85 Die „Herrschaftskontrollfunktion“ des Rechts86 würde ausgehebelt, wenn individuelle Rechte – in Elemente einer objektiven Wertordnung umgewandelt – nicht mehr der Kontrolle,
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Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 15. Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 471. 81 Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 15. 82 Eine „Gesamtbetrachtung“ von Rechtsgutgefährdung und Schutzmaßnahmen fordert auch BVerfGE 39, 1, 45. 83 Tatsächliche Betrachtung unten unter § 6 A. II. 2. bis 5. 84 Kritisch Jeand’Heur, JZ 1995, S. 161, 163 f.; Heuer, Die Besteuerung der Kunst, 1984, S. 101; gegen eine grundrechtliche „Pflicht zum Strafen“ des Staates auch das Sondervotum in BVerfGE 39, 1, 69, 73 ff. 85 BVerfGE 7, 198, 205; ebenso Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 1992, S. 55; Betonung der „Gewährleistung bestimmter individueller Rechtspositionen“ der Grundrechte auch in ihrer objektiv-rechtlichen Dimension auch bei Lenski, Öffentliches Kulturrecht, 2013, S. 65 f. 86 Vgl. zur historischen Entwicklung der Funktionen des Rechts Wesel, Geschichte des Rechts, 2014, S. 61 ff. 80
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sondern der Herrschaftslegitimation dienen.87 Wo der staatliche Gesetzgeber die Grundrechte nicht passiv duldet, sondern (mit weitem Gestaltungsspielraum) aktiv verwirklicht, verlieren diese als wesentliches Element eines auf Gewaltenteilung beruhenden Verfassungssystems ihre Funktion, die Macht des Souveräns Beschränkungen zu unterwerfen.88 Dies wiegt umso schwerer, je vager die verfassungsrechtlichen Anforderungen sind, um den Grundrechten Befugnisse staatlichen Handelns zu entnehmen.89 Ein objektiv-rechtliches Verständnis der Grundrechte ist in der Lage, den negatorischen, staatsbegrenzenden Charakter der Grundrechte umzukehren und „nach oben hin offen, aber aus sich selbst ohne Maß“ weitere Staatsaufgaben aus der Verfassung ableiten.90 Jedenfalls genügt es daher nicht, die Zulässigkeit staatlicher Kunstpflege ohne weitere Begründung als „Freiheitsvorsorge“91 aus der objektiv-rechtlichen Dimension der Kunstfreiheit abzuleiten92 oder zu behaupten, ein „starrer Dualismus zwischen Staatsaufgaben einerseits und Grundrechten andererseits“ sei überholt.93 Die These, Grundrechte enthielten Staatsaufgaben und fungierten daher als „positive Kompetenznormen“,94 ist vielmehr ihrerseits der Begründung bedürftig. Der Sammelbegriff der objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalte darf nicht dazu verleiten, staatliche Aufgaben allzu nonchalant in die Grundrechte hineinzulesen.95 Gerade die Kunstförderung als „gute Sache“ verleitet dazu, aus einem verfassungspolitischen Wollen leichterhand ein verfassungsrechtliches Sollen zu machen.96 Die bloße Behauptung, die Kunstfreiheit erlaube (oder gebiete) in ihrer objektiv-rechtlichen Dimension staatliche Kunstpflege, ist jedoch rational nicht widerlegbar und sachlich kaum einzugrenzen. Es hat vielfach den Anschein, als solle mit dem Rückgriff auf die objektiv-rechtliche Dimension nicht begründet werden, warum die Kunstfreiheit die Kunstförderung gebiete, sondern lediglich ein Platzhalter, eine grundrechtliche 87 Reimer, Verfassungsprinzipien, 2001, S. 429 spricht von einer „Verdrehung der Grundrechte als Mittel des Freiheitsschutzes zum Instrument der Freiheitseinschränkung“. 88 Vgl. zu dieser Funktion der Grundrechte Kriele, FS Scupin, S. 187, 194 f. 89 Zum Problem der Unbestimmtheit im Rahmen der Schutzpflichtenlehre Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 1992, S. 68 f.; Heintzen, VerwArch 1990, S. 532, 553. 90 Böckenförde, in: Staat, Verfassung, Demokratie, 1991, S. 159, 174, 185 ff. 91 Herzog, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, 2006, § 72 Rn. 74 ff. 92 So etwa Kadelbach, NJW 1997, S. 1114, 1117. 93 Häberle, AöR 111 (1986), S. 595, 602; zustimmend Weck, Verfassungsrechtliche Legitimationsprobleme öffentlicher Kunstförderung aus wirklichkeitswissenschaftlicher Perspektive, 2001, S. 127. 94 Häberle, VVDStRL 30 (1972), S. 43, 103; zustimmend Weck, Verfassungsrechtliche Legitimationsprobleme öffentlicher Kunstförderung aus wirklichkeitswissenschaftlicher Perspektive, 2001, S. 127; kritisch Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 379; Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 16. 95 Kritisch auch Heuer, Die Besteuerung der Kunst, 1984, S. 96 ff. 96 Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 13.
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Verankerung für ein Ergebnis gefunden werden, dessen eigentliche Grundlagen außerhalb der Kunstfreiheit liegen.97 Damit aber wird die grundrechtliche „Verankerung“ zur ihrerseits beweisbedürftigen These und muss ihren Anspruch als für sich stehender „Beweis“ eines Förderauftrags aufgeben.98 c) Die Rolle der Grundrechtsdogmatik Damit ist nicht abschließend gesagt, dass es nicht gelingen kann, die Kunstfreiheit für die Rechtfertigung des Kulturstaats heranzuziehen. Die kunstfreiheitsspezifischen und grundrechtstheoretischen Einwände geben aber Anlass, der Behauptung, die Kunstförderung sei durch die objektiv-rechtliche Dimension der Kunstfreiheit gerechtfertigt, nicht ohne Weiteres zu folgen, sondern sie vor dem Hintergrund der Grundrechtsdogmatik zu den objektiv-rechtlichen Funktionen rechtlich und vor dem Hintergrund der die Grundrechtsausübung bestimmenden Umstände tatsächlich zu überprüfen. Die Grundrechtsdogmatik entkräftet die Bedenken einer unbestimmten Ausweitung staatlicher Befugnisse je nach Ausprägung der objektiv-rechtlichen Dimension in unterschiedlichem Maß und in unterschiedlicher Richtung. Weit vorangeschritten ist die Dogmatik im Bereich der staatlichen Schutzpflichten, der sicher auch deshalb eine Vorbildfunktion für die anderen objektiv-rechtlichen Dimensionen zugesprochen wird.99 Im Folgenden sollen daher die einzelnen Ausprägungen der objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalte der Kunstfreiheit einer differenzierten Untersuchung unterzogen werden. Diese Differenzierung könnte zum einen die grundrechtstheoretischen Bedenken durch eine dogmatische Einhegung entkräften und gestattet es zum anderen, anhand der dogmatischen Voraussetzungen die tatsächlichen Umstände genauer zu erfassen. Hierzu lassen sich im Bereich der objektiv-rechtlichen Grundrechtsdimensionen zwei „Grundtatbestände“ unterscheiden:100 Zum einen geht es um die Gefährdung der Freiheit durch Eingriffe nicht-staatlicher Mächte; daraus können sich Schutzpflichten des Staates ergeben (dazu 2.). Zum anderen geht es um die Sicherung der 97
Etwa Weck, Verfassungsrechtliche Legitimationsprobleme öffentlicher Kunstförderung aus wirklichkeitswissenschaftlicher Perspektive, 2001, S. 122 ff.: „Herleitung einer ungeschriebenen Kulturstaatsklausel und ihre Verankerung in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG“; kritisch Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 447 ff.: Die Frage nach der verfassungsrechtlichen Verankerung sei losgelöst von den Zwecken staatlicher Kulturförderung „irreführend“. 98 Knies, Bitburger Gespräche 1977/78, S. 141, 155; zustimmend Heuer, Die Besteuerung der Kunst, 1984, S. 96 in Fn. 447. 99 Zur zentralen Stellung der Schutzpflichtenlehre im Bereich der objektiv-rechtlichen Grundrechtsdimensionen Dreier, Dimensionen der Grundrechte, 1993, S. 48; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 3 [Stand: 44. Lfg. 2005] Rn. 27; Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, 1996, S. 52 f., 56 f. 100 Hesse, in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 1994, § 5 Rn. 24 ff.
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Grundrechtsvoraussetzungen; hierunter werden vor allem die Grundrechte als Leistungs- und Teilhaberechte (dazu 3.) und soziale Grundrechtsgehalte (dazu 4.) gefasst. Ebenfalls zur letzten Gruppe zu zählen, aber doch davon zu trennen, ist die Funktion der Grundrechte als Staatszielbestimmungen (dazu 5.).101 2. Kunstförderung als Erfüllung einer staatlichen Schutzpflicht Häufig werden in einer gesellschaftlich finanzierten Kunst Gefahren für deren Freiheit gesehen. Dazu heißt es etwa: Es bestehe die Gefahr, dass „der Künstler versucht, sich dem eben modischen Geschmack anzupassen, wodurch sich die Idee der Kunst prostituiert“;102 der Markt liefere die Kunst den „Zufälligkeiten kollektiver Geschmacksbildung“ aus.103 Daher müsse der Künstler vom „Ausgeliefertsein an das Publikum en large“ befreit werden.104 Die Kunstfreiheit enthalte eine Pflicht des Staates zum Schutz vor „Vergewaltung durch Mächte ,der Gesellschaft‘.“105 Ungeachtet der Vielfalt dogmatischer Ansätze zur Schutzpflichtenlehre besteht Einigkeit, dass Auslöser einer staatlichen Schutzpflicht eine Gefahr für das grundrechtlich geschützte Rechtsgut ist. Im Folgenden gilt es zu untersuchen, ob die Kunstfreiheit überhaupt vor einem Zwang zur wirtschaftlichen Verwertung der Kunst schützt (dazu a)), und ob dieses Recht in einer Weise gefährdet ist, die eine Schutzpflicht des Staates begründet (dazu b)). a) Freiheit von wirtschaftlicher Verwertung der Kunst als Schutzgut der Kunstfreiheit Maßgeblich für eine aus dem objektiv-rechtlichen Gehalt der Kunstfreiheit abgeleitete Schutzpflicht ist der abwehrrechtliche Schutzgehalt. Nur diese Verknüpfung garantiert, dass die objektiv-rechtliche Dimension tatsächlich der „prinzipiellen Verstärkung der Grundrechte“106 dient.107 101 Der Grundrechtsschutz durch Organisation und Verfahren bleibt hier außer Betracht (dazu Hesse, in: Benda/Maihofer/Vogel [Hrsg.], Handbuch des Verfassungsrechts, 1994, § 5 Rn. 42 ff.). 102 Schäuble, Rechtsfragen der staatlichen Kunstförderung, 1965, S. 197; ähnlich Ropertz, Die Freiheit der Kunst nach dem Grundgesetz, 1966, S. 12. 103 F. Müller, Freiheit der Kunst als Problem der Grundrechtsdogmatik, 1969, S. 85. 104 Ridder, Freiheit der Kunst nach dem Grundgesetz, 1963, S. 24; zustimmend Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 443; Schwarze, AfP 1974, S. 692, 696; dagegen Geißler, Staatliche Kunstförderung nach Grundgesetz und Recht der EG, 1995, S. 39 ff., 46 ff., 61: Keine „Besserstellung der Künstler“ gegenüber der Allgemeinheit geboten. 105 Heckel, Staat – Kirche – Kunst, 1968, S. 83 (zur Schutzpflicht in Fn. 274). 106 BVerfGE 7, 198, 205; 50, 290, 337. 107 Zur Verknüpfung von abwehrrechtlichem und schutzrechtlichem Gehalt Borowski, Grundrechte als Prinzipien, 2007, S. 224; Calliess, in: Papier/Merten (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. II, 2006, § 44 Rn. 25; Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, 2011, § 191 Rn. 222; Lindner, Theorie der
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Die Kunstfreiheit schützt in ihrer abwehrrechtlichen Dimension den Werk- und Wirkbereich des Künstlers.108 Der Werkbereich umfasst die „künstlerische Betätigung“,109 also all das, was für die Vollendung des Werkes erforderlich ist. Unter den Wirkbereich können auch die Verbreitung des Werkes und seine Vermarktung an Dritte fallen.110 (1) Schutz des Wirkbereichs Betrachtet man die Kunstförderung aus der Perspektive des – verfassungsrechtlich ungleich bedeutenderen111 – Wirkbereichs, wird deutlich, dass es bei ihr primär um die wirtschaftliche Dimension des künstlerischen Schaffens geht. Auch der fördernde Staat kann die Kunst nur durch finanzielle Leistungen unterstützen: „Staatshilfen sind schlechthin monetäre Leistungen.“112 Die finanziellen Interessen des Künstlers werden jedoch nur insoweit durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützt, als Verbreitung und Vermarktung durch den Künstler gerade „Ausdruck des kommunikativen Aspekts“ der Kunstfreiheit sind.113 Die Kunstfreiheit schützt künstlerische Tätigkeiten, mit denen „der Öffentlichkeit Zugang zu dem Kunstwerk verschafft wird“.114 Die Kunstfreiheit schützt nicht sämtliche finanziellen Interessen des Künstlers, sondern nur die, die mit diesem kommunikativen Aspekt eng verbunden sind.115 Steht „die wirtschaftliche Verwertung der geistigen Leistung“ hingegen „im Vordergrund“ – diese Formulierung des Bundesverfassungsgerichts stellt keine hohen Anforderungen –, tritt die Kunstfreiheit hinter den wirtschaftlichen Freiheiten der Art. 12 und 14 GG zurück.116 Die Berufsfreiheit enthält aber gerade keinen „Anspruch auf Bereitstellung eines Arbeitsplatzes eigener Wahl“ oder „eine Bestandsgarantie für den einmal gewählten Arbeitsplatz“.117 Demnach schützt die Kunstfreiheit im Wirkbereich auch in ihrer objektivrechtlichen Dimension gerade nicht ein künstlerisches Tätigwerden frei von Grundrechtsdogmatik, 2005, S. 363 ff.; Stern, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, 1992, § 109 Rn. 39. 108 Grundlegend BVerfGE 30, 173, 189. 109 BVerfGE 30, 173, 189. 110 Kempen, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar GG, 2013, Art. 5 Rn. 170 f. m.w.N. 111 Vgl. BVerfGE 119, 1, 22. 112 Leisner, Der gütige Staat, 2000, S. 268. 113 Kempen, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar GG, 2013, Art. 5 Rn. 170 f. 114 BVerfGE 30, 173, 189. 115 BVerfGE 77, 240, 251: „Die Kunst ist wie die Schutzgüter der anderen ,Kommunikationsgrundrechte‘ öffentlichkeitsbezogen und daher auf öffentliche Wahrnehmung angewiesen.“ 116 BVerfGE 31, 229, 239; 49, 382, 392. 117 BVerfGE 84, 133, 146.
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marktwirtschaftlichen Zwängen durch Konkurrenzdruck118 und frei von der Notwendigkeit des Verkaufs von Kunstwerken und künstlerischen Leistungen und der damit verbundenen Orientierung an der Nachfrage.119 Die Kunstfreiheit schützt im Wirkbereich die Kommunikation mit dem Publikum, nicht vor der Kommunikation mit dem Publikum.120 (2) Schutz des Werkbereichs Andererseits könnte man vorbringen, es gehe bei der Kulturförderung nicht um wirtschaftliche Verwertungsinteressen des Künstlers, sondern gerade um künstlerische Interessen, die nicht durch wirtschaftliche Zwänge beeinträchtigt werden sollen.121 Der Künstler soll davon „befreit“ werden, seine Kunst wirtschaftlich verwerten und damit – im Werkbereich – an den Bedürfnissen des Publikums ausrichten zu müssen. Gerade die staatliche Förderung soll den Warencharakter der Kunst, der vielfach nur mit Unbehagen angenommen oder ganz abgelehnt wird,122 aufheben und die Fessel des Marktes um die Kunst lösen. Ein solcher Gehalt des Werkbereichs würde freilich der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten „unauflösbare[n] Einheit“ des Werk- und Wirkbereichs123 widersprechen. Beiden würden unterschiedliche Schutzgehalte zuerkannt: Während im Wirkbereich die freie Kommunikation zwischen Künstler und Publikum geschützt würde, enthielte der Werkbereich im Gegensatz dazu den Schutz einer nicht auf Kommunikations mit dem Publikum angewiesenen, in diesem Sinne „marktfreien“ Kunst. Ein solcher Widerspruch besteht aber bei näherem Hinsehen nicht. Der Kunstfreiheit ist auch mit Blick auf den Werkbereich nicht zu entnehmen, dass nur von wirtschaftlichen Zwängen unabhängige Kunst „frei“ im Sinne des Grundrechts ist.
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Zur Berufsfreiheit BVerfGE 34, 252, 256. Geißler, Staatliche Kunstförderung nach Grundgesetz und Recht der EG, 1995, S. 47; ebenfalls gegen finanzielle Förderpflichten als Schutzpflichten Kloepfer, FS Mußgnug, 2005, S. 1, 14. 120 Der letzte Satz lehnt sich an eine Formulierung von Möllers an, die in Fn. 563 wiedergegeben wird. 121 Grimm, VVDStRL 42 (1984), S. 46, 68: Der Staat habe den künstlerischen Prozess von „kulturexternen Einflüssen, insbesondere dem Zwang zu wirtschaftlicher Verwertung, möglichst unabhängig [zu] machen“. 122 Etwa Graw, Der große Preis, 2008, S. 34: Kunst produziere „enorme intellektuelle Leistungen […]. Es [das Kunstwerk] hält Einsichten bereit, denen im Grunde genommen kein Preis angemessen sein kann.“ Äußerst kritisch zur Behauptung jeglicher Art von Besonderheiten kultureller Wirtschaftsgüter hingegen Bellers, Politische Ökonomie der Medien, 2002, S. 19 ff.; vgl. auch die Ablehnung, den ehemals preußischen Kulturbesitz als eine besondere Art von Verwaltungsvermögen einzustufen, in BVerfGE 10, 20, 37 f. 123 BVerfGE 30, 173, 189. 119
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Ein solches Verständnis von Kunst widerspricht der Kunstfreiheit vielmehr.124 Wenn dem Schutzbereich ein Schutz des Künstlers vor dem Markt und vor dem Publikum entnommen wird, wird zugleich festgelegt, was die Kunst als Sachbereich in ihrer Entfaltung stört und somit eine qualitativ-inhaltliche Definition der Kunst vorgenommen.125 Freiheit wäre bei einem solchen Verständnis weder die Freiheit des Künstlers noch die Freiheit der Kunst allgemein,126 sondern der Schutz einer bestimmten, der sich frei von ökonomischen Bedingungen entfaltenden Kunst. Die darin zutage tretende „Zwei-Welten-These von Kunst und Ökonomie“,127 die zwischen „echter“ Kunst und „Marktkunst“ trennt, beansprucht, sehr deutlich unterschieden zu können, was „wahre“ und was „unwahre“ Kunst ist. Damit aber schließt sie oftmals ganze Bereiche „falscher“ Kunst, die selbstverständlich dem Schutz der Kunstfreiheit unterliegen, aus der „richtigen“ Kunst aus. Eine solche Selektivität, mag sie nun gerade „marktförmige“ Kunst oder nach anderen Kriterien abgegrenzte Kunst betreffen, ist mit dem Freiheitsbegriff der Kunstfreiheit schlechterdings nicht in Einklang zu bringen. Der Kunst selbst jedenfalls ist die Dichotomie von guter geförderter und schlechter nicht geförderter Kunst als Sachgesetzlichkeit nicht zu entnehmen. Es ist bezeichnend, dass die Verbreitung der Ansicht, Kunst und Markt seien unvereinbar, historisch mit der Zunahme staatlicher Förderung zusammenfällt.128 Hinsichtlich des einzelnen Kunstobjekts oder der einzelnen kulturellen Dienstleistung ist ein Zusammenhang zwischen Kunst und Markt aber unbestreitbar, wollte man nicht die vorhandenen ökonomischen Interessen der beteiligten Künstlerinnen und Kunstvermittler zu Unrecht völlig ausblenden.129 Kunstwerke sind immer (auch) Wirt-
124 Zu Schutzpflichtgehalten der verwandten Meinungsfreiheit vgl. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, S. 317: Die Meinungsfreiheit sei primär auf „Meinungskampf“ ausgerichtet und ziele daher „in erster Linie auf staatliche Neutralität denn auf das schützende Eingreifen des Staates“. 125 Die folgenden Ausführungen beziehen sich nur auf die Kunstförderung als Freiheitsgewährleistung; zur Frage, ob die Kunstfreiheit auch die Gewährleistung der Eigengesetzlichkeit schützt, siehe unten § 6 B. I. 126 Deutlich Britz, EuR 2004, S. 1, 15: „Negativ lässt sich zunächst sagen, dass es nicht um individuelle Freiheitsgewährleistung geht. Der eigentliche Bereich des Grundrechtsschutzes ist, wie gesagt, verlassen.“ 127 H. Bardt/J. Bardt, Kunstunternehmer zwischen Kunst und Marktwirtschaft, ORDO 57 (2006), S. 241, 244. 128 Wagner, Fürstenhof und Bürgergesellschaft, 2009, S. 288 ff.; Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“, BT-Drs. 16/7000, S. 334: Mit der Ersetzung bürgerlicher Stifter, Sammler und Gründer durch die öffentliche Hand habe sich die „stillschweigende Übereinkunft ,Kunst habe nichts mit der Ökonomie zu tun‘“ etabliert. 129 Kritisch dazu H. Bardt/J. Bardt, Kunstunternehmer zwischen Kunst und Marktwirtschaft, ORDO 57 (2006), S. 241, 244; ökonomische Belange hält auch die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ für relevant (BT-Drs. 16/7000, S. 334).
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schaftsgüter,130 die angeboten, nachgefragt und zu einem bestimmten Preis ausgetauscht werden: „Seit Kunst geschaffen wird, hat sie ihren Markt.“131 Der Künstler unterscheidet sich demnach in seinem Streben (auch) nach wirtschaftlichem Erfolg nicht wesensmäßig von anderen. Monetärer Erfolg stellt keineswegs für alle Künstler einen Widerspruch zum künstlerischen Schaffen dar.132 George Bernard Shaw äußerte gegenüber einem seiner Verehrer: „Der Unterschied, mein Lieber, ist der, daß Sie an Kunst interessiert sind, ich aber an Geld.“133 Ähnliches ist von Mozart überliefert.134 Auch der Film ist in seinen frühen Jahren geprägt von einer ostentativ kapitalistischen Selbstdarstellung der Kinobetreiber und Produzenten.135 Das Unbehagen hinsichtlich des Warencharakters der Kunst mag schwinden, wenn künstlerischer und wirtschaftlicher Erfolg eines Künstlers nicht getrennt, sondern als zusammengehöriger Ausdruck des Strebens nach Anerkennung angesehen werden: „Der Künstler will an seiner Freude auch andere teilhaben lassen. Die Gründe, die ihn dazu bestimmen, sind von zweierlei Art. Einmal ist es ein allgemein-sozialer. Da der Mensch ein soziales Geschöpf ist, benutzt er auch die Kunst als Mittel der sozialen Einwirkung. […] Dann aber ist es ein wirtschaftlich-egoistischer Grund. Er will mit der Kunst sein Brot verdienen. Da zur Kunstausübung ein besonderes Können gehört und dieses auf der höheren Stufe nicht neben einem anderen Berufe erworben werden kann, so muß ihm die Kunst als Mittel des Broterwerbs dienen. Das ist für ihn natürlich kein Vorteil, und man könnte deshalb leicht darauf verfallen, hierin ein nebensächliches, ja sogar störendes Element zu erkennen. Aber die Sache hat auch eine andere Seite. Die Wirkung auf andere gehört geradezu zum Wesen jeder höheren Kunst. Der wahre Künstler wird immer eine unwiderstehliche Sehnsucht nach dieser Wirkung haben. Wo sie ihm versagt ist, ist sein Leben eine Tragödie. Der Künstler braucht die Anerkennung nicht nur, um leben zu können, er braucht sie auch zu seiner eigenen moralischen Selbstbehauptung.“136
Der „Zwang zu wirtschaftlicher Verwertung“ ist also nicht allein eine Einschränkung des Künstlers, sondern findet seinen eigentlich Grund in der Kommunikation zwischen Künstler und Publikum. Der Preis, der für Kunst gezahlt wird, ist
130 Palm, Öffentliche Kunstförderung zwischen Kunstfreiheitsgarantie und Kulturstaat, 1998, S. 139 f. mit dem Hinweis, das „die Kultur einer Gesellschaft unmittelbar von ihren ökonomischen Voraussetzungen abhängt“. 131 Boll, Der Kampf um die Kunst, 2006, S. 12. 132 Vgl. auch das Zitat Goethes unten Fn. 437. 133 Zitiert nach Fohrbeck, Renaissance der Mäzene?, 1989, S. 48. 134 Auf einen Brief seines Vaters mit den Worten: „Aufs Geld einnehmen muß alle Bemühung gehen“ antwortet W.A. Mozart: „seyen sie versichert, daß ich mein absehen nur habe, so viel möglich geld zu gewinnen; denn das ist nach der gesundheit das beste“ (zitiert nach Fohrbeck, Renaissance der Mäzene?, 1989, S. 52). (Gewissheit, dass bei diesem Brief nicht feine Ironie die Feder führte, gibt es freilich nicht.) 135 C. Müller, in: Maase/Kaschuba (Hrsg.), Schund und Schönheit, 2001, S. 62, 67 f. u. ö. 136 Lange, Das Wesen der Kunst, 1907, S. 48 f.
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vorrangig Ausdruck ihrer Wertschätzung.137 Die darin zum Ausdruck kommende Verbindung von Künstler und Publikum wird durch die Kunstfreiheit geschützt. Hingegen ist die Kunstfreiheit nicht darauf gerichtet, einem Künstler, der Kunst aus Liebhaberei schafft, oder der das Publikum – etwa aus einer elitären oder etatistischen Position heraus – als „natürlichen Feind“ ansieht,138 ein Auskommen zu ermöglichen. b) Vorliegen einer schutzpflichtenbegründenden Gefahr Selbst wenn man aber unterstellt, die Kunstfreiheit schütze die wirtschaftliche Verwertung der Kunstwerke, ist fraglich, ob die gesellschaftlichen Umstände als Eingriff in das Grundrecht oder als dessen Gefährdung eine staatliche Schutzpflicht zu begründen vermögen. (1) Der Markt als Gefahr für die Freiheit der Kunst Möglich scheint es zunächst, den anonymen Markt als eine Bedrohung anzusehen. Diese „Gefahr“ rückt in die Nähe unpersonaler Gefahren wie Naturkatastrophen oder Seuchen. Im Hinblick auf den Tatbestand der grundrechtlichen Schutzpflicht ist umstritten, ob nur von (inländischen) Dritten ausgehende Gefahren eine Schutzpflicht auslösen können, oder ob darüber hinaus jede Gefahrenquelle, also auch eine „unpersonale“, eine Schutzpflicht zu begründen vermag.139 Diejenigen, die eine staatliche Schutzpflicht unabhängig von der Gefahrenquelle annehmen, greifen entweder auf den polizeirechtlichen Gefahrenbegriff140 zurück oder weisen auf die Notwendigkeit einer schutzgutorientierten, nicht gefahrenorientierten Betrachtungsweise hin.141 Es fragt sich hinsichtlich beider Ansätze indes, was mit einer solchen Erweiterung des Anwendungsbereichs der Schutzpflichten gewonnen ist, wenn gleichzeitig anerkannt wird, dass die Voraussetzungen „von gänzlich an-
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Vgl. Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, 1990, S. 101: „Der Eintritt gegen Entgelt machte die Musikdarbietung zur Ware; zugleich entsteht aber so etwas wie zweckfreie Musik: zum erstenmal versammelt sich ein Publikum, um Musik als solche zu hören, ein Liebhaberpublikum, zu dem jeder, Besitz und Bildung vorausgesetzt, Zutritt hat.“ Siehe auch die verwandten Überlegungen zum privaten Rundfunk von Engel, AfP 1994, S. 185, 188 f. 138 Dies gilt beispielsweise für den Ausspruch Andrzej Szczypiorskis, den Weck (Verfassungsrechtliche Legitimationsprobleme öffentlicher Kunstförderung aus wirklichkeitswissenschaftlicher Perspektive, 2001, S. 34 in Fn. 4) zitiert: „Wenn wir eines mit Sicherheit wissen, dann dies, daß jeder Kunstschaffende, zu jeder Zeit, vor jedem Publikum gegen den Strom schwimmen muß, daß er ein Ketzer sein muß, der sich mit dem Rest der Welt duelliert.“ 139 Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, 1996, S. 76. 140 Dagegen Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 1992, S. 106 ff.; Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, 1996, S. 77 f. 141 Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 1992, S. 103; Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, 1996, S. 76.
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dersartiger Qualität“ als personale Eingriffe Dritter sind.142 Die Schutzpflichtenlehre würde dann zum Synonym für die objektiv-rechtlichen Grundrechtsdimensionen überhaupt. Auch verschwimmen die Grenzen zum abwehrrechtlichen Gehalt, da die schutzgutorientierte Auslegung konsequenterweise auch staatliche Eingriffe als Gefahrenquelle ansehen müsste.143 (Es bleibt dann nur der Weg, staatliche Eingriffe per definitionem auszuschließen.)144 Schon im Sinne dogmatischer Klarheit empfiehlt es sich daher, nur personale Gefahren als Auslöser einer grundrechtlichen Schutzpflicht anzuerkennen.145 Eine nicht auf die Gefahrenquelle abstellende Betrachtung blendet den Einwand der Unbestimmtheit und der beliebigen Ausweitung staatlicher Kompetenzen aus, indem sie den Generaltitel „objektiv-rechtliche Grundrechtsdimensionen“ durch den dann ebenso unbestimmten Titel „Schutzpflichten“ ersetzt. Es können mithin nur Gefährdungen durch konkrete Handlungen Dritter eine Schutzpflicht auslösen.146 Die „unsichtbare Hand“ des Marktes als pauschale Gefährdung ist daher nicht geeignet, staatliches Handeln zum Schutz der Kunstfreiheit zu legitimieren. (2) Das Verhalten der Konsumenten als Gefahr für die Freiheit der Kunst Das Abstellen auf konkrete Handlungen Dritter führt zu der Frage, welche Anforderungen an diese Handlungen zu stellen sind, um daraus eine staatliche Schutzpflicht abzuleiten. Über die Voraussetzungen, die einen privaten Übergriff zu einem schutzpflichtbegründenden Eingriff machen, herrscht keine Einigkeit; im Ergebnis ist ein Eingriff aber nach allen Ansichten abzulehnen. Die strengsten Voraussetzungen an das Vorliegen einer Schutzpflicht stellt die Ansicht, die verlangt, das Schutzgut rechtswidrigen Übergriffen Dritter ausgesetzt ist.147 Rechtswidrig sollen nur solche Eingriffe sein, die nicht ihrerseits verfas142 Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 1992, S. 103 f.; anders Szczekalla, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, 2002, S. 96 ff.: Irrelevanz der Bedrohungsherkunft. 143 Dies wird gemeinhin abgelehnt, etwa Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, 1996, S. 75; im Grundsatz ebenso, aber differenzierend Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 1992, S. 87 f. 144 So Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 1992, S. 87 f. 145 Ähnlich zu Gefahren durch ausländische Gefahren Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, 2011, § 191 Rn. 209. 146 Ebenso Borowski, Grundrechte als Prinzipien, 2007, S. 224; Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 1987, S. 231 f.; Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, 2011, § 191 Rn. 206 ff., 225 ff.; Lindner, Theorie der Grundrechtsdogmatik, 2005, S. 369. 147 Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, 2011, § 191 Rn. 226 f.: Die Feststellung, dass ein privater Eingriff vorliege, ziehe nicht ohne weiteres das rechtliche Unwerturteil nach sich; vgl. BVerfGE 39, 1, 42; 88, 203, 251: Die Schutzpflicht gebiete, das Rechtsgut „vor allem […] vor rechtswidrigen Eingriffen von seiten anderer zu bewahren“ (Hervorhebung nur hier). Kritisch Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001,
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sungsrechtlich geschützt sind.148 Die Entscheidung der Privaten, welche Kunst sie nachfragen, kann aber nur schwerlich als rechtswidriger Eingriff angesehen werden, selbst wenn sie ein grundrechtliches Schutzgut beeinträchtigen würden. Vielmehr ist auch ihre Entscheidung grundrechtlich durch die allgemeine Handlungsfreiheit geschützt. Es handelt sich demnach um „legitime Eingriffe“ Dritter,149 die keine staatliche Schutzpflicht auszulösen vermögen. Ansonsten würde etwa jede Berufsausübung eine Schutzpflicht zugunsten der Wettbewerber auslösen150 und auch jede Kunstausübung wegen der damit verbundenen Konkurrenz für andere Künstler. Es stellt keinen rechtswidrigen Eingriff in die Freiheit des Künstlers dar, wenn nur Wenigen seine Hervorbringungen gefallen und sie daher auf geringe, schlimmstenfalls keine Nachfrage stoßen. Die „Entfremdung“ zwischen Künstler und desinteressiertem Publikum begründet keinen Eingriff in die Kunstfreiheit des Künstlers.151 Aber auch nach der Ansicht, die (lediglich) eine Abwägung zwischen dem grundrechtlich geschützten Interesse des Beeinträchtigten und dem grundrechtlich geschützten Interesse des Beeinträchtigenden verlangt,152 lösen die Entscheidungen des Publikums keine Schutzpflicht aus. Für die Grundrechte als Normen im Verhältnis der Bürger zueinander muss vor allem die Freiheit Maßstab sein. Wenn also die Beziehungen der Bürger freiwillig zustande kommen, gibt es keinen Grund für den Staat, in diese Beziehungen einzugreifen. Umgekehrt ist fehlende Freiwilligkeit ein Indiz dafür, dass eine Schutzpflicht des Staates begründet sein kann.153 Der Künstler ist aber frei in seiner Entscheidung, ob und welche Kunst er anbietet, und der Konsument frei in seiner Entscheidung, für welche Kunst er bezahlt. Ermöglicht erst ein Grundrechtsträger die Ausübung eines Grundrechts durch einen anderen Grundrechtsträger, kann darin nur dann ein schutzpflichtauslösender Eingriff gesehen werden, wenn jener zu diesem Verhalten verpflichtet ist; andernfalls würde aus S. 317 f.: Die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs könne nur durch Abwägung festgestellt werden und sei daher nicht im Rahmen des Tatbestands, sondern im Rahmen der Rechtsfolge zu prüfen. 148 Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, 2011, § 191 Rn. 228 f. 149 Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, 2011, § 191 Rn. 226 f. 150 Dieses und weitere Beispiele bei Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, 2011, § 191 Rn. 226. 151 Unklar Schäuble, Rechtsfragen der staatlichen Kunstförderung, 1965, S. 195 ff., 198. 152 Lindner, Theorie der Grundrechtsdogmatik, 2005, S. 369; vgl. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, S. 173, 574; ders., in: Papier/Merten (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. II, 2006, § 44 Rn. 31, der im Rahmen der Risikovorsorge eine Abwägung auf der letzten Stufe einer mehrstufigen Prüfung vorschlägt. 153 E. Klein, NJW 1989, S. 1633, 1636: „Je stärker (echte) Freiwilligkeit Beziehungen zwischen Privaten trägt, desto weniger darf der Staat die grundrechtlichen Rechtsgüter in dieser Beziehung zur Geltung bringen, weil er sonst gerade Freiheit (freie Entfaltung) zerstören würde. Der Rechtsgüterschutz wird hingegen desto wichtiger, je geringere Chancen der eine hat, sich den Handlungen des anderen zu entziehen.“
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der Schutzpflichtenlehre eine allgemeine Garantie des Staates zur Schaffung der Grundrechtsvoraussetzungen zu entnehmen sein154 und damit der Unterschied zwischen den verschiedenen Ausprägungen der objektiv-rechtlichen Gehalte verwischt.155 3. Die Kunstfreiheit als originäres Teilhaberecht Ein weiterer Ansatz liegt darin, eine Förderpflicht des Staates aus einem originären Teilhaberecht des Künstlers auf staatliche Unterstützung abzuleiten. Das originäre Teilhaberecht ist ein „Mehr“ zur Schutzpflicht, die der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber unterliegt.156 Originäre Teilhaberechte sind daher nur in Ausnahmefällen und unter engen Voraussetzungen anerkannt.157 In Betracht käme ein solches etwa, wenn der Wegfall der staatlichen Förderung das Kunstleben (in weiten Teilen) zum Erliegen brächte, es ohne staatliche Förderung also keine oder zumindest viel weniger Kunst gäbe, der überhaupt die Möglichkeit zur freien Entfaltung gegeben wäre.158 Die Frage ist mithin, ob die Kunstfreiheit – wie die Wissenschaftsfreiheit159 – nur mit Hilfe finanzieller Mittel des Staates ausgeübt werden kann.160 154
Lindner, Theorie der Grundrechtsdogmatik, 2005, S. 365. Es ist daher unzutreffend, im gesamten Bereich der objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalte die „Kategorie der Beeinträchtigung“ als „entbehrlich“ einzustufen (so aber Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, 1994, S. 224). 156 Die Gründe dafür liegen weniger in der Ausweitung der zulässigen Staatstätigkeit als in der Einschränkung der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, vgl. BVerfGE 33, 303, 330 ff. und dazu Hesse, in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 1994, § 5 Rn. 30. 157 Weber-Dürler, VVDStRL 57 (1998), S. 57, 79 f. m.w.N. 158 BVerfGE 81, 108, 116 f. nimmt eine Verletzung der Kunstfreiheit durch eine steuerliche Regelung nur für den Fall einer „erdrosselnden Wirkung“ an. 159 BVerfGE 33, 303, 330 ff.; 35, 79, 114: „Diesem Gebot [funktionsfähige Institutionen für einen freien Wissenschaftsbetrieb zur Verfügung zu stellen] kommt deswegen besonders Bedeutung zu, weil ohne eine geeignete Organisation und ohne entsprechende finanzielle Mittel, über die im wesentlichen nur noch der Staat verfügt, heute in weiten Bereichen der Wissenschaften, insbesondere der Naturwissenschaften, keine unabhängige Forschung und wissenschaftliche Lehre mehr betrieben werden kann. Der Staat besitzt hinsichtlich dieses Wissenschaftsbetriebs heute weithin ein faktisches Monopol; eine Ausübung der Grundfreiheiten aus Art. 5 Abs. 3 GG ist hier notwendig mit einer Teilhabe an staatlichen Leistungen verbunden.“ Ebenso Murswiek, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, 2011, § 192 Rn. 114: die Wissenschaftsfreiheit könne „praktisch nur im Rahmen staatlicher Universitäten wahrgenommen werden.“ 160 Nach der verbreiteten Theorie der sog. Baumol’schen Kostenkrankheit wird die Kunst mangels Effizienz- und Produktivitätssteigerungen gegenüber sonstigen Wirtschaftsbereichen immer teuer, was ein unterstützende Eingreifen des Staates erfordere. Dieser Argumentation kann ganz offensichtlich nicht gefolgt werden. Denn zum einen stimmt die Feststellung in vielen Bereichen der Kunst nicht – auch die Kunst kann durch technischen Fortschritt wie größere Theater oder Kinos, den Buchdruck, Schallplatten oder Internet mehr Menschen zu 155
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a) Ausmaß staatlicher und privater Finanzierung der Kunst Für diese Annahme spricht aber – entgegen nicht näher untermauerten Behauptungen im Schrifttum161 – nichts.162 In Zahlen stehen öffentlichen Kulturausgaben (für die hier behandelten Tätigkeiten) in Höhe von rund 5 Milliarden Euro163 Kulturausgaben in Höhe von 35 Milliarden Euro allein der privaten Haushalte gegenüber;164 dazu kommen auf nicht-staatlicher Seite Ausgaben durch Spenden, Stiftung und Sponsoring in Höhe von (niedrig geschätzt und ohne die beträchtliche direkte Kunstnachfrage durch Unternehmen) gut 470 Millionen Euro.165 Bei diesen Zahlen macht der staatliche Beitrag zur Kulturfinanzierung höchstens 12 % der gesamten Kulturausgaben aus.166 Selbst ein (kaum denkbarer) Wegfall der gesamten staatlichen Förderung ad hoc hätte also nicht zur Folge, dass der Lebensbereich Kunst daniederläge.167 Im Übrigen werden nicht finanziell messbare Leistungen durch ehrenamtliche Arbeit und nicht-kommerzielle Kulturschöpfung, sei es in öffentlichen Institutionen oder in eigenen Zusammenschlüssen (etwa literarische Gesellschaften, Kunstvereine, Laientheater, Brauchtum168), von diesen Zahlen schon gar nicht erfasst.169 gleichen oder gesunkenen Kosten erreichen –, zum anderen müsste das Argument nicht kunstspezifisch, sondern für alle lohnkostenintensiven Bereiche gelten (Gottschalk, in: A. Klein (Hrsg.), Kompendium Kulturmanagement, 2011, S. 369, 372). 161 Etwa Huber, in: Häberle (Hrsg.), Kulturstaatlichkeit und Kulturverfassungsrecht, 1982, S. 122, 128; Mihatsch, Öffentliche Kunstsubventionierung, 1989, S. 40, 48.; Oppermann Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 443; ebenso Adorno, in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. 8, 1997, S. 122, 122 f. 162 Ebenso Heuer, Die Besteuerung der Kunst, 1984, S. 87 ff. 163 Statistisches Bundesamt, Kulturfinanzbericht 2012, S. 26 f. (für 2009). Von den gesamten öffentlichen Kulturausgaben in Höhe von neun Milliarden Euro sind die Anteile für Bibliotheken und Museen (15,1 % und 18 %), Kunsthochschulen (5,4 %), Kunstpflege im Ausland (4,1 %) und der Kulturverwaltung (3,4 %) abzuziehen (Statistisches Bundesamt, Kulturfinanzbericht 2012, S. 52 f.), da diese nicht Gegenstand dieser Arbeit sind. 164 Statistisches Bundesamt, Kulturfinanzbericht 2012, S. 80 f. (für 2009); nur Ausgaben für Bild- und Tonträger, Bücher, Besuch von kulturellen Veranstaltungen (Theater, Museen u. Ä.), ohne Zeitungen und Zeitschriften, Medienempfangs- und Abspielgeräte und Software. Damit werden hier nur gut 30 % der durchschnittlichen Ausgaben pro Bürger für Freizeit, Unterhaltung und Kultur berücksichtigt. 165 Berechnet auf Basis der Schätzung eines Anteils der privaten Kunstförderung an den gesamten Förderausgaben in Höhe von 5 % (Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“, BT-Drs. 16/7000, S. 196). 166 Die hier zugrunde gelegten Zahlen sind äußerst zurückhaltend gewählt; bezieht man die Ausgaben für Fernsehgeräte, Musikanlagen, Computer und Computerspiele mit ein – in ihrer Herausnahme liegt in gewisser Weise ein Entgegenkommen gegenüber dem Kunstbegriff der Hochkultur –, käme man auf private Kulturausgaben von über 100 Milliarden Euro; der Staatsanteil an den gesamten Kulturausgaben schrumpfte dann auf weniger als 5 %. 167 In diese Richtung auch Geißler, Staatliche Kunstförderung nach Grundgesetz und Recht der EG, 1995, S. 26, 42 f.; Heuer, Die Besteuerung der Kunst, 1984, S. 88. 168 Dazu der Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“, BTDrs. 16/7000, S. 161 ff., 190 ff.
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Zudem ist davon auszugehen, dass – „sofern nur ein allgemeines Bedürfnis danach vorhanden wäre“170 – sich vielleicht nicht für jede einzelne Kunstinstitution, aber doch für sehr viele alternative Finanzierungen finden würden, und dass beim Wegfall nur durch staatliche Förderung am Leben gehaltener Institutionen neue ihren Platz einnehmen würden.171 In Wahrheit steht hinter dem Gedanken des Freiheitsgewinns durch Kunstförderung mithin (wiederum) nicht die Furcht, es gäbe ohne kulturstaatliche Aktivitäten keine freie Kunst, sondern die Furcht, es gäbe nicht die richtige, nicht die gewünschte Kunst.172 Dabei gilt es zu beachten, dass auch der Staat nicht jeden Kunstverein, jedes private Theater – das zudem im Wettbewerb zu den öffentlichen Theatern steht–, jeden Künstler unterstützt und unterstützen kann. Von der Alternative „Staatliche oder gesellschaftliche Finanzierung“ hängt es also nicht ab, ob Kunst erhalten bleibt, sondern allein, welche Kunst erhalten bleibt (und wer darüber entscheidet).173 Das Vertrauen in die kulturelle Aktivität Privater wird zudem dadurch gestärkt, dass geschichtlich auf dem Gebiet der Kulturpflege „die staatliche Tätigkeit überall nach der privaten eingetreten“ ist.174 Es spricht daher viel dafür, dass die zunehmende staatliche Tätigkeit die private verdrängt hat, die ihren Platz wieder einnehmen würde, wenn Raum für sie gemacht wird.175 Aber selbst wenn man eine verbleibende Unsicherheit darüber unterstellen wollte, ob ein Abbau des Kulturstaates den Bestand der Kunst gefährdet, ginge diese zu Lasten der Apologeten des Kulturstaats. Wenn kein Widerspruch zwischen Kunstförderung und Demokratieprinzip festgestellt wird, sondern die Kulturförderung in die Allzuständigkeit des Staates fällt, wird man die Argumentationslast den Kritikern zuweisen können.176 Vor dem prinzipiellen Widerspruch zum Demokratieprinzip wird man aber – analog zur Hand-
169 Auf die stetige Zunahme bürgerschaftlichen Engagements weist der Bericht der Enquete-Kommission „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements, BT-Drs. 14/8900, S. 26 f. hin; ein wesentlich höheres Potential der privaten Kunstförderung (bei staatlicher Zurückhaltung) belegt auch die Situation anderen Staaten, etwa in den USA und der Schweiz (dazu der Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“, BT-Drs. 16/7000, S. 196). 170 Schäuble, Rechtsfragen der staatlichen Kunstförderung, 1965, S. 100. 171 Singer, Kulturpolitik und Parlament, 2003, S. 10, 12 zur wachsenden Finanzierung aus privaten Mitteln durch Kultursponsoring, klassisches Mäzenatentum, neue Trägermodelle, bürgerschaftliches Engagement und Stiftungen. 172 Ebenso Carroll, Journal of Aesthetic Education 1987, S. 21, 29; dieses qualitative Argument ist Gegenstand des nächsten Abschnitts (§ 6 B.). 173 Betroffen von einer vollständigen Streichung der Fördergelder wären im Wesentlichen öffentliche Theater und Opernhäuser, für die 3,2 Milliarden, mithin über 64 % der hier maßgeblichen Kulturausgaben, aufgebracht wurden (Statistisches Bundesamt, Kulturfinanzbericht 2012, S. 54 f. für 2009). 174 Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 1914, S. 261. 175 In diese Richtung – wenn auch in etwas anderen Zusammenhang – Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 475 in Fn. 169. 176 In diese Richtung Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 487.
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2. Teil: Legitimationsfähigkeit staatlicher Kunstförderung
lungspflicht im Privatschulbereich177 – den strengen Maßstab fordern müssen, dass der Bestand des Lebensbereichs Kunst ohne staatliches Eingreifen „evident gefährdet wäre“.178 Nur indem man die Kunst als außerweltliche, jedenfalls mit ökonomischen Gegebenheiten inkompatible Gesellschaftssphäre konstruiert, wird sie tatsächlich vom Staat abhängig. Die Einwände, die gegen diese Ansicht im Rahmen der Untersuchung der staatlichen Schutzpflicht vorgebracht wurden,179 gelten aber für die Ableitung einer kulturstaatlichen Legitimation aus einem originären Teilhaberecht entsprechend. b) Staatliche Kunstförderung zur Kompensation früherer Mäzene Die nicht belegte Behauptung, es sei „nicht zu leugnen, daß jedenfalls angesichts der heutigen gesellschaftlichen Strukturen dem Staat die Rolle des ersten Schirmherrn gegenüber den Künsten de facto in einem kaum geringeren Umfang zufällt wie im Verhältnis zu Bildung und Wissenschaft“180, erweist sich daher mit Blick auf die Wirklichkeit als nicht haltbar.181 Der Verweis auf die „heutigen […] Strukturen“ lässt allerdings die Wurzel dieses Denken erkennen. Die Befürchtungen um die Kunst in der Moderne beruhen auf einer großen Furcht vor (vermeintlichen oder realen) gegenwärtigen gesellschaftlichen Entwicklungen. Die Gesellschaft weise „gerade unter ihren modernen Daseinsbedingungen, die der Kollektivierung und Monopolisierung einen so weiten Spielraum gewähren, vielfältige freiheitsgefährdende Machtballungen auf“.182 Der Staat müsse eingreifen, weil sich in der „modernen Gesellschaft“ allenthalben „Monopole und Oligopole – nicht nur im wirtschaftlichen, sondern auch im kulturellen Bereich“ herausbildeten.183 Diese Befürchtung, gerade in der modernen Gesellschaft sei die Kunst besonderen Gefährdungen ausgesetzt, erläutert und konkretisiert sich in der Forderung, der Staat müsse den Wegfall höfischer und kirchlicher Mäzene kompensieren.184 Der Grundgedanke findet sich bei Horkheimer und Adorno: 177
Diesen Vergleich zieht Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 254 f. BVerfGE 75, 40, 62; vgl. auch BVerfGE 20, 56, 102 f., wo das Bundesverfassungsgericht für Parteienfinanzierung Belege verlangt, dass die Parteien ohne staatliche Unterstützung nicht in der Lage seien, ihre Aufgabe zu erfüllen und dazu Geißler, Staatliche Kunstförderung nach Grundgesetz und Recht der EG, 1995, S. 51. 179 Siehe dazu oben § 6 A. II. 2. a) (2). 180 Oppermann Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 443. 181 Ebenso Heuer, Die Besteuerung der Kunst, 1984, S. 88. 182 Huber, in: Häberle (Hrsg.), Kulturstaatlichkeit und Kulturverfassungsrecht, 1982, S. 122, 128. 183 Huber, in: Häberle (Hrsg.), Kulturstaatlichkeit und Kulturverfassungsrecht, 1982, S. 122, 127. 184 Etwa Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, 1997, S. 232; in der Kunstsoziologie wird gerade die Kunstpolitik der DDR in die Nachfolge höfischer Auftrags178
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„In Deutschland hatte die mangelnde Durchdringung des Lebens mit demokratischer Kontrolle paradox gewirkt. Vieles blieb von jenem Marktmechanismus ausgenommen, der in den westlichen Ländern entfesselt wurde. Das deutsche Erziehungswesen samt den Universitäten, die künstlerisch maßgebenden Theater, die großen Orchester, die Museen standen unter Protektion. Die politischen Mächte, Staat und Kommunen, denen solche Institutionen als Erbe vom Absolutismus zufielen, hatten ihnen ein Stück jener Unabhängigkeit von den auf dem Markt deklarierten Herrschaftsverhältnissen bewahrt, die ihnen bis ins neunzehnte Jahrhundert hinein die Fürsten und Feudalherren schließlich noch gelassen hatten.“185
Ein Blick auf die Kunstgeschichte lehrt allerdings, dass absolutistische Feudalherren nicht stets die Freiheitsgaranten waren, als die sie obige Ausführungen ansehen,186 sondern vielmehr gerade der Markt dem Künstler die modernen Freiräume ermöglicht hat. In einem Prozess, der im Italien der Renaissance begann, sich von dort nach Norden ausweitete und im 18. Jahrhundert seinen Abschluss fand, kam es zu einem „Austausch der Aura des Sakralen gegen die Aura des Künstlerischen“.187 Erst damit erlangten Kunst und Kultur „ihre moderne Bedeutung einer von der Reproduktion des gesellschaftlichen Lebens abgelösten Sphäre“.188 Dieser Prozess ist auf mehrere Arten durch den Markt beeinflusst und wirkt seinerseits auf die kapitalistische Gesellschaft zurück. Der Markt erst sorgt dafür, dass der Künstler nicht mehr nur Handwerker ist. Der Künstler wird zum Künstler, weil er als Künstler bezahlt wird: „Die Einschätzung der Kunstwerke verlagert sich [im 15. Jahrhundert in Italien] vom Wert des verwendeten Materials […] plus Arbeitszeit […] in das künstlerische Können.“189,190 Erst damit konnte Kunst ihre „dienende Funktion in anderen Funktionskontexten“191 ablegen. Zugleich ändert sich der künstlerische kunst gestellt: Rehberg, in: Kaiser/ders. (Hrsg.), Enge und Vielfalt – Auftragskunst und Kunstförderung in der DDR, 1999, S. 17 ff. 185 Horkheimer/Adorno, in: Adorno, Gesammelte Werke, Bd. 3, 1997, S. 141, 154; Haselbach u. a., Der Kulturinfarkt, 2012, S. 106 f. bezeichnen diese bis 1947 verfassten Ausführungen angesichts „des gerade eben überstandenen totalitären Zugriffs des Staates auf Kunst und Kultur durch die Nationalsozialisten“ zu Recht als „höchst verwunderlich“. 186 Siehe das Résumé von Warnke, Hofkünstler, 1986, S. 308 ff. 187 Belting, Bild und Kult, 1990, S. 538; vgl. Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, 1990, S. 98: „Profanisierung ihres einst sakralen Charakters“; Luhmann, Die Kunst der Gesellschaft, 1995, S. 257 ff. 188 Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, 1990, S. 98 mit Hinweis auf Williams, Culture and Society 1780 – 1950, 1960, S. XIV: „An art had formerly been any human skill; but Art, now, signified a particular group of skills, the ,imaginative‘ or ,creative‘ arts.“ 189 Luhmann, Die Kunst der Gesellschaft, 1995, S. 258 im Anschluss an Baxandall, Die Wirklichkeit der Bilder, 1977, S. 24 ff. Allgemein zum Wandel der Bedeutung von Farbe und Material Brock, in: ders., Ästhetik als Vermittlung, 1977, S. 405 ff. 190 Heute geht Damien Hirst mit seinem Werk „Scull (For the Love of God)“, der mit zahllosen Diamanten besetzt ist, wieder den umgekehrten Weg. Dass er selbst dem Käuferkonsortium angehört haben soll, das mit 50 Mio. Pfund den bis dahin teuersten Preis für ein Kunstwerk zahlte, mag man ebenfalls als künstlerischen Akt auffassen (Ullrich, Marktkunst, 2010, S. 8). 191 Luhmann, Die Kunst der Gesellschaft, 1995, S. 256.
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Schaffensprozess: Der Künstler wird vom Auftragskünstler zum Anbieter bereits fertiggestellter Werke.192 Damit konnte der Künstler von Anfang an bestimmen, wie er sein Werk gestaltet: „Die Anlehnung an die Wirtschaft gibt der Kunst, das sollte man nicht unterschätzen, sehr viel mehr Freiheit als die Anlehnung an Mäzene wie Kirchen oder Fürsten oder führende Adelshäuser. Sie führt zu einer themenunabhängigen Einschätzung der Kunstwerke.“193
Zugleich erhöhte die Lösung von höfischen und kirchlichen Auftraggebern auch die Möglichkeiten sozialer Wirksamkeit der Kunst. Erst als prinzipiell allgemein zugängliche „Waren“ konnten Kunstwerke gesellschaftliche Diskussionen anstoßen.194 Die dargestellte Entwicklung zeigt auch, dass es eine Mär ist, dass Künstler über Jahrhunderte, wenn nicht schon immer, zuallererst von Mäzenen lebten, in deren Nachfolge sich der Kulturstaat hätte einrichten können.195 Es handelte sich vielmehr zumeist um Auftragsbeziehungen; die Auftragsarbeit aber basiert auf einer Geschäftsbeziehung unter Gleichen, nicht auf einem Verhältnis der Über-/Unterordnung, wie es für das Mäzenatentum prägend ist.196 Der Fall der interesselosen Förderung war hingegen die Ausnahme.197 Zudem wird die Reichweite des Nachfolgearguments überdehnt: Nur dort, wo der Staat in der Tat Nachfolger voriger fürstlicher Regierungen ist, etwa bei der Verwaltung von Kunstsammlungen oder Schlössern und Parkanlagen (wie durch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz), ist dieses Argument wirklich zutreffend. Alles andere ist ein überschießendes historisches Argument: Warum sollte der Staat kommunale Kunstvereine fördern dürfen, weil sich ein Fürst hat porträtieren lassen? Das historische Argument der „Nachfolge“ kann nicht pauschal, sondern allenfalls dort gelten, wo diese Nachfolge nur dem Staat zufallen kann. Eine Kulturgestaltungsmacht ergibt sich daraus keinesfalls. Ungeachtet dessen stellt sich die Frage, wie lange der Staat den vermeintlichen Wegfall der Mäzene zu kompensieren hätte. Ein vorübergehender Einbruch der Nachfrage mag für eine Übergangszeit ein staatliches Einspringen gerechtfertigt haben. Abwegig ist es aber, sich bald hundert Jahre nach dem Ende der Monarchie und weit über zweihundert Jahre nach dem Bedeutungszuwachs des Bürgertums als 192
Luhmann, Die Kunst der Gesellschaft, 1995, S. 263. Luhmann, Die Kunst der Gesellschaft, 1995, S. 266; ebenso zur größeren Freiheit des Künstlers am Markt durch „erweiterten und anonymisierten Interessentenkreis“ Grimm, VVDStRL 42 (1984), S. 46, 49. 194 Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, 1990, S. 97 f. 195 Fohrbeck, Renaissance der Mäzene?, 1989, S. 50 unter Berufung auf Martin Warnke, Arnold Hauser, Rudolph und Margot Wittkower sowie Herbert Ricken. 196 Entscheidend sei, so Fohrbeck (Renaissance der Mäzene?, 1989, S. 53), ob sich „zwei souveräne Subjekte als Partner gegenüberstehen“ (Hervorhebung im Original); ähnlich Fried, in: Oevermann/Süßmann/Trauber (Hrsg.), Die Kunst der Mächtigen und die Macht der Kunst, 2007, S. 47, 51. 197 Fohrbeck, Renaissance der Mäzene?, 1989, S. 50 ff. 193
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Akteur auf dem Kunstmarkt198 noch auf den Wegfall höfischer Mäzene zu berufen. Geradezu unverständlich ist das in diesem Zusammenhang vorgetragene Argument, die „Demokratisierung des Bildungswesens sowie die technische Reproduzierbarkeit nahezu aller Kunstwerke“ habe die Nachfrage nach Kunst „in einem Maße gesteigert, das den völligen Rückzug des Staates aus dem Bereich Kunst und Kultur“ ausschließe.199 Gerade eine höhere Nachfrage nach Kunst und billigere Möglichkeiten, die Kunst diesem größeren Publikum zugänglich zu machen, vermögen vielmehr den Rückzug des Staates zu begründen; die weggefallene Nachfrage durch Kirche und Hof – wo sie nicht durch das aufstrebende, Kunst nachfragende Bürgertum bereits mehr als ersetzt wurde200 – wird spätestens durch den mit einem höheren Bildungsgrad einhergehenden größeren Kunstsinn eines größeren Teils der Bevölkerung ersetzt. 4. Die Kunstfreiheit als soziales Grundrecht Eine weitere Ansicht sieht in einer sozialstaatlichen Verpflichtung, den „realen Grundrechtsgebrauch“ zu ermöglichen, eine Dimension der Kunstfreiheit als „Kulturstaatsnorm“.201 Die „kulturstaatliche Programmatik“ der Kunstfreiheit erlaube die finanzielle Förderung der Kunst, ähnlich wie das Sozialstaatsprinzip finanzielle Leistungen zum sozialen Ausgleich erlaube.202 Der Staat habe „kulturelle Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen, insbesondere jedermann […] Möglichkeiten kultureller Selbstentfaltung zu sichern“.203 Diese Ansicht kann sich auch auf das historische Motiv der sozialen Absicherung notleidender Künstler berufen.204 Einer Sicherung der sozialen Grundrechtsvoraussetzungen stehen allerdings mehrere Einwände entgegen. Es ist schon verfassungsdogmatisch nicht überzeugend, den Grundrechten in ihrer objektiv-rechtlichen Dimension auch den Schutz der Grundrechtsvoraussetzungen zu entnehmen.205 Die materiellen Grundrechtsvoraussetzungen finden ihren Platz im 198
Hauser, Sozialgeschichte der Kunst und Literatur, 1990, S. 512 ff. Knies, Schranken der Kunstfreiheit als verfassungsrechtliches Problem, 1967, S. 205 f. 200 Hauser, Sozialgeschichte der Kunst und Literatur, 1990, S. 512 ff.; vgl. auch Schäuble, Rechtsfragen der staatlichen Kunstförderung, 1965, S. 98, der zu Recht darauf hinweist, von einem „Wegfall privater Mäzene schlechthin“ lasse sich nicht sprechen. 201 Weck, Verfassungsrechtliche Legitimationsprobleme öffentlicher Kunstförderung aus wirklichkeitswissenschaftlicher Perspektive, 2001, S. 125 ff. 202 Starck, in: v. Mangoldt/Klein/ders., GG, Bd. I, 2010, Art. 5 Abs. 3 Rn. 319. 203 Evers, NJW 1983, S. 2161, 2162. 204 Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, 1997, S. 232: Zumindest geschichtlich sei „Kulturförderung […] wesentliches Element des sozialen Rechtsstaats“ gewesen. 205 Kritisch etwa Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, 2001, S. 254 ff.; zustimmend Calliess, JZ 2006, S. 321, 324 in Fn. 65. Anders Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 447, der die grundrechtliche Ableitung einer Pflicht zur Gewährleistung der materiellen Grundrechtsvoraussetzungen für „gang und gäbe“ hält. 199
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Sozialstaatsprinzip.206 Das Sozialstaatsprinzip garantiert als ökonomisch orientiertes Prinzip207 unbestritten die materielle Sicherung des Existenzminimums und ermöglicht allgemein einen sozialen Ausgleich.208 Wollte man ihm die weitgehende Forderung entnehmen, der Staat habe die Voraussetzungen der Grundrechte zu garantieren,209 also im Falle ihres Fehlens zu schaffen, würde dem Staat eine Pflicht zur Bereitstellung der in unzähligen Formen denkbaren Grundrechtsvoraussetzungen aufgebürdet.210 Dem stehen schon das Haushaltsrecht und die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers entgegen.211 Zugleich müsste er über den Lebensbereich, der zu den Grundrechtsvoraussetzungen gehört, „verfügen“ können, was einem freiheitlichen Verfassungsstaat „nicht zusteht“.212 Wollte man hingegen den Schutz der Grundrechtsvoraussetzungen als Spezifikum der Kunstfreiheit ansehen,213 stellt sich die Frage, warum gerade Künstler eines besonderen, über die sonstigen Leistungen der sozialen Sicherungssysteme hinausgehenden Schutzes bedürfen und warum die damit verbundene Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist.214 Der Künstler geht – wie andere Berufstätige – einer Erwerbstätigkeit nach,215 sicherlich einer besonderen, aber auch sicherlich einer, für die er sich entschieden hat. Wenn diese Erwerbstätigkeit ihm nicht das Einkommen verschafft, das seinen Bedürfnissen genügt, mag er seine künstlerische Tätigkeit Sein Verweis auf BVerfGE 33, 303, 329 ff. führt aber ins Leere; das Bundesverfassungsgericht verneint vielmehr im Grundsatz grundrechtliche Leistungsansprüche und bejaht in sehr vorsichtigen Formulierungen einen Teilhabeanspruch lediglich für den Sonderfall, dass der Staat (wie im Hochschulbereich) ein „faktisches, nicht beliebig aufgebbares Monopol“ innehabe (ebd., 330 f.). 206 Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. I, 2004, Vor Art. 1 Rn. 51. 207 Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, 2001, S. 258. 208 Lindner, Theorie der Grundrechtsdogmatik, 2005, S. 345 ff.; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, 2001, S. 266. 209 Kopp, NJW 1994, S. 1753 ff.; zurückhaltender Dreier, Dimensionen der Grundrechte, 1993, S. 54 f., der aus dem Sozialstaatsprinzip lediglich entnimmt, dass moderne Verfassungen nicht allein der Begrenzung des Staates dienen. 210 Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, 2001, S. 265 ff.; ähnlich Hesse, in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 1994, § 5 Rn. 32. 211 Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. I, 2004, Vor Art. 1 Rn. 51 („allgemeine Auffassung“) m.w.N. 212 Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. I, 2004, Vor Art. 1 Rn. 42; Starck, JuS 1981, S. 237, 240. 213 So wohl Starck, der die Ausweitung der Grundrechte zu sozialen Grundrechten allgemein ablehnt (Starck, JuS 1981, S. 237, 240), aber für die Kunstfreiheit bejaht (Starck, in: v. Mangoldt/Klein/ders., GG, Bd. I, 2010, Art. 5 Abs. 3 Rn. 319). Ähnlich Britz, EuR 2004, S. 1, 18, die für eine eigenständige objektiv-rechtliche Dimension der Kunstfreiheit plädiert; Ridder, Freiheit der Kunst nach dem Grundgesetz, 1963, S. 20, der (unter dem von ihm als „Drittwirkung“ bezeichneten Topos) eine historisch begründete Sonderrolle der Kunstfreiheit postuliert, die anders als andere Grundrechte Staat und Gesellschaft nicht gegenüberstelle. 214 Ebenso Geißler, Kunstförderung nach Grundgesetz und Recht der EG, 1995, S. 61. 215 Deutlich Kirchhof, NJW 1985, S. 225, 226.
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umstellen oder sogar einen anderen Beruf wählen. Dem Künstler, der künstlerisch hochambitionierte Liebhaberei betreibt, ist nicht von Verfassung wegen die finanzielle Freiheit zu gewähren, dies sein Leben lang tun zu können. Weder der Kunstfreiheit noch dem Sozialstaatsprinzip ist zu entnehmen, dass jeder den Beruf des Künstlers ausüben können muss, und ebenso wenig, dass jeder, der den Beruf des Künstlers ausübt, Anspruch auf soziale Unterstützung zum Zweck der Berufsausübung hat.216 Die Kunstförderung ist „kein kulturstaatliches Auffangnetz unternehmerischen Risikos“.217 Im Übrigen bleibt es jedem Künstler unbenommen, seinen Lebensunterhalt durch Nebentätigkeiten zu bestreiten. Eine Unterstützungspflicht ergibt sich nicht daraus, dass eine berufsfremde Tätigkeit das künstlerische Schaffen stört,218 vor allem, weil es auch kunstnahe Nebentätigkeiten gibt: Einem Maler etwa ist es zuzumuten, seine Leistungen auch dort anzubieten, wo sie nachgefragt werden, etwa als (Buch-)Illustrator oder Karikaturist.219 Zudem haben einige Künstler220 gerade ihre Nebentätigkeiten zur Inspiration des künstlerischen Schaffens verwendet. Und schließlich gilt es auch den Einwand zu bedenken, dass die Künstlerförderung in der Breite das Einkommen der Künstler gar nicht zu erhöhen geeignet sein könnte: Jede (zusätzliche) staatliche Unterstützung führt zugleich zu einer wachsenden Zahl von Künstlern, die diese Unterstützung unter sich aufteilen.221 Die sozialstaatliche motivierte Kunstförderung würde damit zum Fass ohne Boden, ohne tatsächlich die soziale Lage der Künstler zu verbessern. Die öffentliche Aufstockung des Künstlereinkommens vermag es nicht, eine feststehende und begrenzte Gruppe von Künstlern zu unterstützen, sondern löst ein „prinzipiell unerschöpfliches Potential entsprechender Berufsentscheidungen“ aus.222 Auch rein faktisch orientiert sich die Kulturförderung nicht an Bedürftigkeitsmaßstäben.223 Jedenfalls die gegenwärtige Kulturförderung lässt sich daher nicht auf soziale Erwägungen stützen. Keineswegs kann allen Künstlern Bedürftigkeit un-
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Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 456. Palm, Öffentliche Kunstförderung zwischen Kunstfreiheitsgarantie und Kulturstaat, 1998, S. 170; anders Schäuble, Rechtsfragen der staatlichen Kunstförderung, 1965, S. 196 f., der offenbar allen Künstler ein hinreichendes Einkommen sichern will. 218 So aber Schäuble, Rechtsfragen der staatlichen Kunstförderung, 1965, S. 196 f.; dagegen Geißler, Staatliche Kunstförderung nach Grundgesetz und Recht der EG, 1995, S. 39 ff., 46 ff., 61. 219 Maler haben außerdem in der Modebranche oder im Kunstgewerbe gearbeitet, vgl. v. Beyme, Das Zeitalter der Avantgarden, 2005, S. 172 ff., 178 f. Ein Beispiel gibt auch Loriot, der in der frühen Phase seines Schaffens Werbefilme hergestellt hat. 220 Etwa Jörg Fauser oder Roberto Bolaño. 221 Abbing, in: Towse (Hrsg.), A Handbook for Cultural Economics, 2003, S. 437, 439 ff. 222 Hutter, in: Rauhe (Hrsg.), Kulturmanagement, 1994, S. 57, 62. 223 Huster, VVDStRL 65 (2006), S. 51, 59; Jung, Zum Kulturstaatsbegriff, 1976, S. 70 ff.; kritisch Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, 1973, S. 310 f. 217
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terstellt werden.224 Zwar verdienen Künstler gemessen am Qualifikationsniveau deutlich weniger als andere Erwerbstätige;225 andererseits verdienen sie nicht wesentlich schlechter als der Bevölkerungsdurchschnitt,226 und auch bei Künstlern führt eine hohe (formale) Bildung zu einem höheren Einkommen.227 Dabei muss auch Berücksichtigung finden, dass derjenige, der sich für einen künstlerischen Beruf entscheidet, bei seiner Entscheidung die finanziell schlechte Lage vieler Künstler durchaus in Rechnung gestellt hat und andere Vorteile – etwa Ansehen oder Befriedigung aus der künstlerischen Tätigkeit – einem höheren Verdienst vorgezogen hat.228 Einzig der sog. Ehrensold, den die von Theodor Heuss ins Leben gerufene Deutsche Künstlerhilfe, aber auch einige Bundesländer Künstlern zahlen, setzt deren Bedürftigkeit voraus: „Die Deutsche Künstlerhilfe unterstützt mit einmaligen oder laufenden Zuwendungen Künstler aller Sparten und Schriftsteller, die mit ihrem Werk eine kulturelle Leistung für die Bundesrepublik Deutschland erbracht haben und durch Krankheit, Alter oder widrige Umstände in finanzielle Bedrängnis geraten sind.“229 Einige Länder vergeben daneben einen Ehrensold an Künstler, die sich für das Land230 bzw. für Kunst und Kultur des Landes besonders verdient gemacht haben.231 Die sozialstaatlich motivierte, nicht an eine Gegenleistung geknüpfte Vergabe ist auch Voraussetzung für die Steuerfreiheit der Zuwendungen.232 Für den Ehrensold muss man sich freilich sehr bemühen, diesen zu rechtfertigen – dies beweist etwa die Kontrollüberlegung, wie es zu bewerten wäre, wenn der Staat an verdiente, aber in Not geratene Unternehmer, Wissenschaftler oder Ärzte einen Ehrensold vergeben würde. Noch schwieriger ist es, den Ehrensold als Kunstförderung zu rechtfertigen. Vorgebracht wird, erstens seien auch ältere Künstler oft noch tätig, zweitens bringe der Ehrensold Kunst und Staat einander näher und drittens mindere er die seelische Belastung der jüngeren Künstler.233 Dies scheint jedoch reichlich gekünstelt (und steht im Hinblick auf die gerade beabsichtigte Nähe von
224 Dazu Bruno Frey, Das trügerische Bild des armen Poeten, N.Z.Z. vom 30. 5. 2006; zur Beschäftigungssituation der Künstler Söndermann, Jahrbuch für Kulturpolitik 2004, S. 459 ff. 225 Haak, Wirtschaftliche und soziale Risiken auf den Arbeitsmärkten von Künstlern, 2008, S. 128 m.w.N. 226 Etwa 90 % des Durchschnittseinkommens, Bruno Frey, Das trügerische Bild des armen Poeten, N.Z.Z. vom 30. 5. 2006. 227 Otte, Sociologia Internationalis 2012, S. 115, 123. 228 Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“, BT-Drs. 16/7000, S. 295. 229 So der gängige Text der zu Vorschlägen befugten Kulturministerien der Länder. 230 So die Bedingung des „Bayerischen Ehrensolds“. 231 So die Bedingung des „Ehrensolds des Landes NRW“. 232 § 3 Nr. 11 EStG. 233 So – aber dennoch zweifelnd – Schäuble, Rechtsfragen der staatlichen Kunstförderung, 1965, S. 201.
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Staat und Künstler den Anforderungen des Demokratieprinzips diametral gegenüber). 5. Die Kunstfreiheit als Staatszielbestimmung Die vom subjektiven Gehalt der Kunstfreiheit am weitesten entfernte Anknüpfung an die Kunstfreiheit liegt der Auffassung zugrunde, aus Art. 5 Abs. 3 GG leite sich die Kulturförderung als Staatsaufgabe234 ab. Auf einem abstrakteren Niveau müsste sich dann die Kunstfreiheit als Staatszielbestimmung235 lesen lassen.236 Dieser Ansatz wird von denen, die die Rechtfertigung des Kulturstaats in der Kunstfreiheit suchen, wohl am häufigsten verfolgt. Seine Vertreter erkennen implizit auch an, dass andere Ausprägungen der objektiv-rechtlichen Dimension keine staatliche Handlungsbefugnis begründen, etwa wenn gesagt wird, aus Art. 5 Abs. 3 GG ergäbe sich keine Schutzpflicht im herkömmlichen, grundrechtsdogmatischen Sinn,237 sondern eine Pflicht zur Förderung im Zusammenhang mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG,238 oder ein Auftrag des Staates ohne eine Pflicht des Staates.239 a) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Ausgangspunkt der Ausführungen zur Kunstfreiheit als Staatszielbestimmung müssen die Urteile des Bundesverfassungsgerichts sein. Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt: „Art. 5 Abs. 3 GG enthält zunächst […] ein Freiheitsrecht für alle Kunstschaffenden und alle an der Darbietung und Verbreitung von Kunstwerken Beteiligten, das sie vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt in den künstlerischen Bereich schützt. Die Verfassungsnorm hat aber nicht nur diese negative Bedeutung. Als objektive Wertentscheidung für die Freiheit der Kunst stellt sie dem modernen Staat, der sich im Sinne einer Staatszielbestimmung auch als 234 Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 2014, Art. 5 Rn. 189, 199a; Pernice, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 2004, Art. 5 III (Kunst) Rn. 46; allgemein zur Ableitung von Staatszielen aus Grundrechtsnormen Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, 2000, S. 284 ff. 235 Staatszielbestimmung „Kulturstaat“: Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 III [Stand: 20. Lfg. 1977] Rn. 8; zustimmend Maihofer, in: Benda/ders./Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 1994, § 25 Rn. 5. 236 Zur Terminologie Link, VVDStRL 48 (1990), S. 7, 18 f.; Scheuner, FS Forsthoff, 1972, S. 325, 343: Staatsziele „auf einer mittleren Ebene der Reflexion“; zur Staatszielbestimmung als verfassungsrechtlich positiviertem Staatsziel Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, 1997, S. 3 u. ö. 237 So aber Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 2014, Art. 5 Rn. 190. 238 Pabel, Grundfragen der Kompetenzordnung im Bereich der Kunst, 2003, S. 167 in Fn. 78; zu Recht kritisch Lenski, Öffentliches Kulturrecht, 2013, S. 65: Dadurch werde der Unterschied zwischen Grundrechten und Staatszielbestimmungen „auf nicht nachvollziehbare Weise verwischt“. 239 Geiger, Zur Diskussion über die Freiheit der Kunst, FS Leibholz, 1966, S. 187, 193; Stern, Staatsrecht, Bd. IV/2, 2011, S. 657 m.w.N.
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Kulturstaat versteht, zugleich die Aufgabe, ein freiheitliches Kunstleben zu erhalten und zu fördern.“240
Die Interpretation dieser Aussagen stößt auf Schwierigkeiten.241 Vielfach wird dem Hinweis auf die Staatszielbestimmung überhaupt keine normative Relevanz beigemessen, sondern darin nur eine Beschreibung des staatlichen Selbstverständnisses gesehen.242 Die offensichtliche Missverständlichkeit rechtfertigt es jedenfalls, von einer „(verfassungsdogmatisch) fahrlässige[n] Formulierung“ zu sprechen.243 Bei genauer Analyse enthalten diese Urteile jedenfalls keine Aussage über die Legitimität des aktiv gestaltenden Kulturstaats. In beiden (erfolglosen) Verfassungsbeschwerden ging es um Steuervergünstigungen, die den künstlerisch oder im Kunstmarkt tätigen Beschwerdeführern nicht (mehr) gewährt wurden. Um die Zulässigkeit kulturgestaltender, direkter Förderungsmaßnahmen ging es hingegen nicht, weil die Fälle für eine Auseinandersetzung mit nicht-steuerlichen kulturpolitischen Maßnahmen keinen Anlass boten. Der Terminus „fördern“ darf dabei nicht dazu verleiten, hieraus ohne weiteres eine staatliche Subventionierungsbefugnis abzuleiten.244 Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner anfänglichen Rechtsprechung zu den grundrechtlichen Schutzpflichten stets davon gesprochen, der Staat habe sich „schützend und fördernd vor das Schutzgut zu stellen“,245 ohne damit leistungsstaatliche Förderpflichten im Sinn zu haben.246 240
BVerfGE 36, 321, 331; ganz ähnlich BVerfGE 81, 108, 116: „objektive Grundsatzentscheidung“ gleichen Inhalts; vgl. bereits BVerfGE 35, 79, 114 zur Wissenschaftsfreiheit. 241 Vgl. etwa Lenski, Öffentliches Kulturrecht, 2013, S. 63: „unklar“. 242 Zur Diskussion Pabel, Grundfragen der Kompetenzordnung im Bereich der Kunst, 2003, S. 172 f.; Bedenken gegen die verfassungsrechtliche Relevanz des Selbstverständnisses äußert Erichsen, VVDStRL 42 (1984), S. 122, 123. 243 Steiner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. III, 2006, § 86 Rn. 3; ebenfalls (aus verschiedenen Gründen) kritisch Droege, Staatsleistungen an Religionsgemeinschaften im säkularen Kultur- und Sozialstaat, 2003, S. 325: Ableitung einer Staatszielbestimmung aus einer Staatsaufgabe; Knies, Bitburger Gespräche 1977/78, S. 141, 155 in Fn. 44: nur Freiheitsgarantie; Schwind, Zukunftsgestaltende Elemente im deutschen und europäischen Staats- und Verfassungsrecht, 2008, S. 559: Das Bundesverfassungsgericht habe ein „ungeschriebenes Verfassungsziel im Wege einer obiter-dicta-Rechtsprechung etabliert und so die offenkundig als Mangel empfundene Lücke des Grundgesetzes auf methodisch äußerst fragwürdige Weise geschlossen – ein wohl einmaliger Vorgang im Bereich der Verfassungsziele.“ Schwind geht davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht die Kulturstaatlichkeit im Wege der Analogie begründet hat, bezweifelt aber bereits das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke (ebd. in Fn. 585). Zustimmend hingegen Häberle, AöR 110 (1985), S. 577, 608: Kunstfreiheit als Ersatz einer Kulturstaatsklausel, weil Kultur zu „unentbehrlich […] für „die Identität des Verfassungsstaats“ sei. 244 Vgl. Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 486 f. der ein Gebot der Abschaffung der öffentlichen Förderung als Inhalt der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten „Förder“-Pflicht für begrifflich schwierig, aber auch nicht für ausgeschlossen hält. 245 BVerfGE 39, 1, 42; 88, 203, 251 m.w.N. 246 Dafür spricht auch, dass für den Hochschul-Bereich in BVerfGE 35, 79, 114 f. ausdrücklich von der Förderung durch „Bereitstellung von personellen, sachlichen und organisatorischen Mitteln“ die Rede ist.
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Im Ergebnis wurde lediglich ganz allgemein die Zulässigkeit staatlicher Kulturpolitik im Grundsatz gebilligt.247 Gleichzeitig klingt die Einschränkung an, dass der Staat selbst Steuervergünstigungen nur subsidiär, also bei finanzieller Unterstützungsbedürftigkeit einer künstlerischen Leistung, gewähren dürfe.248 Der gegenwärtigen Kulturpolitik entspricht dies nicht.249 Im Kontext einer steuerrechtlichen Regelung lässt sich auch der „Auftrag zur Sicherung der Kunstfreiheit [durch] Steigerung der künstlerischen Produktion nach Qualität und Umfang“250 nicht als Ermächtigung zur direkten, wertenden Kunstförderung deuten. Zu Recht wird zudem häufig betont, die Passus seien lediglich obiter dicta.251 Auch ein „Bundesverfassungsgerichtspositivist“252 hat daher allen Anlass, der Rechtfertigung der umfassenden Kulturstaatstätigkeit durch eine Auslegung der Kunstfreiheit als Staatszielbestimmung weiter nachzugehen.253 b) Grundrechtsdogmatische Anforderungen an eine kunstfreiheitliche Staatszielbestimmung Mit der Ableitung einer Staatszielbestimmung aus der Kunstfreiheit werden die Einwände der unbestimmten und unbegrenzten Ausweitung staatlicher Befugnisse mittels der Grundrechte wieder virulent, die durch die dogmatischen Grenzen der allgemeinen Grundrechtslehre – vor allem der Schutzpflichtenlehre – gerade ausgeräumt werden sollen.254 Wie allgemein im Rahmen der objektiv-rechtlichen Grundrechtsdimensionen muss auch in der Funktion der Kunstfreiheit als Staatsziel 247 Vgl. auch bereits BVerfGE 10, 20, 36: „Andererseits betrachtet es der moderne Staat als seine Aufgabe, die kulturelle Entwicklung der Gemeinschaft zu fördern.“ Ebenso zum objektiven Gehalt der Kunstfreiheit Lenski, Öffentliches Kulturrecht, 2013, S. 93; Lenski sieht darin vor allem die Befugnis zu freiheitsgewährenden – in Abgrenzung zu leistungsgewährenden – Maßnahmen (a.a.O., S. 208 ff.). 248 BVerfGE 36, 321, 332 f. 249 Vgl. Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 15 in Fn. 37: „Zahlreiche Maßnahmen der öffentlichen Kulturpolitik lassen sich nicht aus einer am Insuffizienzprinzip orientierten Kulturpolitik erklären.“ 250 BVerfGE 36, 321, 333. 251 Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, 2000, S. 342; Geißler, Staatliche Kunstförderung nach Grundgesetz und Recht der EG, 1995, S. 49 f. vermisst für einen entscheidungstragenden Charakter eine nähere Darlegung; Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 372; Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 13 in Fn. 29. 252 Der Begriff des „Bundesverfassungsgerichtspositivismus“ geht zurück auf Schlink, Der Staat 28 (1989), S. 161, 163, 168 f. u. ö. 253 Lenski, Öffentliches Kulturrecht, 2013, S. 63, verweist zudem darauf, dass die weitere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht nicht zu einer „dogmatischen Verfestigung“ geführt habe, sondern nach den beiden Grundsatzentscheidungen lediglich in einer Kammerentscheidung herangezogen worden sei; jüngste Bezugnahme in BVerfG, Urteil vom 28. 1. 2014 – 2 BvR 1561/12 u. a., NVwZ 2014, 646 zur Filmförderung des Bundes. 254 Vgl. oben § 6 A. II. 1.; eine Ableitung einer Staatszielbestimmung aus der Kunstfreiheit aus diesen Erwägungen ablehnend Lenski, Öffentliches Kulturrecht, 2013, S. 65 f.
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eine „prinzipielle Verstärkung der Geltungskraft der Grundrechte zum Ausdruck“ kommen.255 Die „Leitidee“256 des Art. 5 Abs. 3 GG ist die der Freiheit der Kunst.257 Auch das Bundesverfassungsgericht betont in seinen Entscheidungen zur steuerlichen Kunstförderung „ein freiheitliches Kunstleben“ als Gegenstand der staatlichen Förderaufgabe.258 Diesbezüglich werden aber im Bereich der direkten Kunstförderung Umstände relevant, die für die steuerliche Förderung, die den Urteilen zugrunde lag, nicht von Bedeutung waren. Die Befreiung von „Marktzwängen“ ist nämlich nicht umsonst, sondern nur um den Preis neuer Zwänge, nämlich der „Anpassung an die Erwartungen öffentlicher Fördergremien“ zu haben.259 Der Grundrechtsschutz des Künstlers im Kulturstaat hängt nicht zuletzt davon ab, ob er sich den „Prozessimperativen und Systemerwartungen“ der Förderinstitutionen unterwirft.260 Zudem trägt kulturstaatliches Handeln immer die „Gefahr einer obrigkeitlichen Reglementierung und Verwaltung von Kultur“ in sich.261 Die staatliche Kulturgestaltungsmacht ist im Bereich der direkten Kunstförderung also nicht automatisch freiheitsgewährend, sondern potentiell freiheitsgefährdend.262 Dies gilt umso mehr für die Teilbereiche, in denen die Kunstausübung de facto nur innerhalb staatlicher Förderungssysteme möglich ist. Nicht ausreichend ist es deshalb, aus der Kunstfreiheit ganz allgemein ein öffentliches Interesse der Allgemeinheit an Kunst abzuleiten und in einer Staatsziel255
BVerfGE 35, 79, 113. Oben Fn. 344 im 1. Teil. 257 Vgl. Knies, Bitburger Gespräche 1977/78, S. 141, 155; zustimmend Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 456. 258 In einer freiheitlichen Lesart ließe sich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts so verstehen: Wenn der Staat schon im Kulturbereich tätig wird (Kulturstaat als Wirklichkeitsbeschreibung), dann muss er diese Tätigkeiten auf ein freiheitliches Kunstleben ausrichten; nur dies darf er erhalten und fördern (objektiv-rechtlicher Gehalt der Kunstfreiheit). 259 Huster, VVDStRL 65 (2006), S. 51, 64. Ähnlich Herzog, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, 2006, § 72 Rn. 80: „Man mag darüber diskutieren, ob die menschliche Freiheit dadurch, daß sie heute erst durch staatliche Maßnahmen ermöglicht oder zumindest gefördert wird, nicht zugleich auf gefährliche Weise mediatisiert wird“; Murswiek, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, 2011, § 192 Rn. 42: „Je mehr der Staat durch soziale Gewährungen Möglichkeiten realer Freiheitsverwirklichung schafft, desto größer werden tendenziell die Abhängigkeit des Einzelnen vom Staat und die Gefahr der Bevormundung durch Steuerung des Freiheitsgebrauchs. Das Bestreben, reale Freiheitsmöglichkeiten zu schaffen, bringt auch reale Abhängigkeit hervor.“ 260 Huster, VVDStRL 65 (2006), S. 51, 61. Huster erhebt diesen Einwand nur gegenüber einer institutionellen Deutung der Kunstfreiheit; er gilt aber gegenüber der Kunstförderung allgemein. Ebenso Kirchhof, NJW 1985, S. 225, 226: „Geförderte Freiheit wird in ein Förderungssystem eingebunden, entfaltet sich insoweit nur im Binnenbereich dieses Systems, ist nicht mehr nur individuell geprägte, sondern systemgerechte Freiheit“; Leisner, Der gütige Staat, 2000, S. 268 spricht von der „Gefahr der Materialisierung der Freiheit“. 261 Morlok, Selbstverständnis als Rechtskriterium, 1993, S. 301. 262 Heuer, Die Besteuerung der Kunst, 1984, S. 101: „Der staatlichen Förderpflicht entspricht ein freiheitsbedrohender Zuwachs staatlicher Macht.“ 256
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bestimmung zu verankern. Aus einer „öffentlichen Aufgabe“ folgt nicht zwingend, dass diese staatlich finanziert oder organisiert werden muss.263 Beispielsweise erfüllt die Presse als „Wesenselement des freiheitlichen Staates“ eine öffentliche Aufgabe, ohne dass dies einer Organisation der Presselandschaft, die auf „geistiger und wirtschaftlicher Konkurrenz“ beruht, entgegenstünde; im Gegenteil kann gerade die (Staats-)Freiheit Voraussetzung für die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe sein.264 Zu untersuchen ist vielmehr, ob der Künstler im Kulturstaat tatsächlich freier ist als in einem Umfeld ohne staatliche Förderung.265 Der Freiheitsgewinn durch staatliche Förderung kann nur ein relativer gegenüber privater Finanzierung sein. c) Freiheitsfördernde Eigenschaften staatlicher Kunstfinanzierung Ein Freiheitsgewinn durch staatliche Förderung ist aber mehr als fraglich.266 Dabei ist nicht zu übersehen, dass im gegenwärtigen deutschen Kunstmarkt die künstlerische Tätigkeit zum Teil von staatlicher Förderung abhängt. Dass aber ein Rückzug des Staates Kunst nicht unmöglich macht, zeigen bereits die zahlreichen Bereiche nicht staatsfinanzierter Kunst – etwa weite Teile der Musik und der Literatur267 – und auch die USA, die ohne (direkte) staatliche Förderung eine differenzierte, innovative und auch ästhetisch ambitionierte Kunst hervorgebracht haben. Ist diese Kunst aber unter unfreieren Bedingungen entstanden? Dafür werden verschiedene strukturelle Eigenschaften des Staates und der Gesellschaft angeführt, aus denen abgeleitet wird, die Gesellschaft bedrohe die Freiheit der Kunst stärker als der Staat. Gesellschaftliche Mächte seien „meist stärker und einseitiger engagiert“ als der fördernde Staat.268 Freiheit gebe es daher nur im Staat und durch den Staat.269
263
Insbesondere lassen sich Staatsaufgaben nicht aus dem Begriff des Gemeinwohls ableiten; denn obwohl nur staatliche Organe gemeinwohlverpflichtet sind, können es auch Private verwirklichen (Möllers, Staat als Argument, 2011, S. 320). Daher ist mit der Qualifizierung einer Aufgabe als gemeinnützig noch nichts über die Möglichkeit oder Notwendigkeit einer staatlichen Wahrnehmung dieser Aufgabe gesagt. 264 BVerfGE 20, 162, 175. 265 Skeptisch Hutter, in: Rauhe (Hrsg.), Kulturmanagement, 1994, S. 57, 66. 266 Skeptisch auch Schäuble, Rechtsfragen der staatlichen Kunstförderung, 1965, S. 195: „Beweise dafür, daß die künstlerische Freiheit eher von der Gesellschaft als vom Staat bedroht sei, fehlen.“ 267 Bendixen, in: Rauhe (Hrsg.), Kulturmanagement, S. 45, 54; Vandenrath, Kulturpolitische Mitteilungen II/2005, S. 22, 22 f. 268 Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 443; ähnlich Ridder, Freiheit der Kunst nach dem Grundgesetz, 1963, S. 22. 269 Mihatsch, Öffentliche Kunstsubventionierung, 1989, S. 48; äußerst kritisch Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 216 ff., 220: Ein solcher Freiheitsbegriff sei mit dem Grundgesetz „nicht vereinbar“.
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(1) Das Kulturstaatskonzept Ernst Rudolf Hubers Diese Auffassung liegt insbesondere dem wohl einflussreichsten Text des Kulturstaatsdiskurses zugrunde, Hubers Wilhelmshavener Antrittsvorlesung „Zur Problematik des Kulturstaats“ aus dem Jahr 1957.270 Huber geht von fünf Bedeutungen oder Stufen des Kulturstaats aus, die „sich zwar zu widersprechen scheinen, die aber doch wiederum so ineinander gebunden sind, daß jede dieser Bedeutungen die jeweils andere als ihr Gegenspiel aus sich heraustreibt und so fort, bis die letzte wieder in den Bedeutungsanfang zurückführt.“271
Die erste dieser Bedeutungen ist die „Staatsfreiheit der Kultur“.272 Huber begründet seine Annahme, dass aus der Staatsfreiheit der Kultur die zweite Bedeutung des Kulturstaats – der „Staatsdienst an der Kultur“ – folgen muss, mit folgenden Argumenten: Erstens führe die Staatsfreiheit der Kultur zugleich zu einer Kulturfreiheit des Staates. Zweitens könne die Kultur nicht sich selbst, sondern nur der Gesellschaft überlassen werden; damit gehe aber eine Monopolisierung und Oligopolisierung einher, die die Kultur nicht weniger gefährde als der Staat. Insbesondere wirke der Staat direkt und offen, in verfassungsrechtlichen Grenzen und sei rechtlich kontrollierbar.273 Der daher erforderliche Staatsdienst an der Kultur führt zur dritten Bedeutung, der „Kulturgestaltungsmacht des Staates“. Weil die Gesellschaft „aus eigener Kraft nicht genug leistet, um die Kultur zur allseitigen Entfaltung zu bringen“, müsse der Staat nicht nur schützen und pflegen, sondern gerade auch das Neue fördern. Dieses setze aber eine Ermächtigung zur „aktive[n] Gestaltung der Kultur“274 voraus. Diese schließe erstens die Entscheidung über Kultur und Nicht-Kultur voraus, die nach Hubers Konzept am ehesten von „unabhängigen Kulturkennern“ getroffen werden kann; zweitens müsse der Staat eine Kulturdifferenzierung treffen, da eine Gleichbehandlung eine „unerträgliche Disproportionalität“ ergäbe, die „nichts anderes als ein extremer Fall von Unkultur“ sei.275 Drittens müsse der Staat – vorrangig über Bildungsziele in den öffentlichen Bildungsanstalten – seine Kulturhoheit, die Huber von der Kulturgestaltungsmacht unterscheidet, ausüben. Er müsse eine Bildungsidee entwickeln und verbindlich machen.
270
Huber, Zur Problematik des Kulturstaats, Tübingen 1958; im Folgenden zitiert nach dem Wiederabdruck in: Häberle (Hrsg.), Kulturstaatlichkeit und Kulturverfassungsrecht, 1982, S. 122 – 145; grundlegende Kritik bei Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990; zustimmend Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 465 f. in Fn. 131; Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 373 ff., 376 ff. 271 Huber, in: Häberle (Hrsg.), Kulturstaatlichkeit und Kulturverfassungsrecht, 1982, S. 122, 125. 272 Huber, a.a.O., S. 126 f. 273 Huber, a.a.O., S. 128. 274 Huber, a.a.O., S. 130; im Original durchgehend kursiv. 275 Huber, a.a.O., S. 134.
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Beim Übergang zur vierten Stufe, der „Staatsgestaltungsmacht der Kultur“, greift Huber auf die dialektische Methode zurück: Der Satz: „Der Kulturstaat als Diener der Kultur wird identisch mit der Kultur und damit zum Herrn der Kultur“ gelte „als dialektische[r] Satz“ nur, wenn im Umkehrschluss auch gälte: „Der Kulturstaat als Herr der Kultur wird identisch mit der Kultur; die Kultur gewinnt Herrschaft über den Staat.“276 Auf der fünften Stufe postuliert er, der Staat müsse sich wegen dieser Staatsgestaltungsmacht der Kultur als Kultur wissen und verwirklichen, und umgekehrt die Kultur sich als Staat wissen und verwirklichen. In der Folge, und damit hat Huber sein anfängliches Versprechen wahr gemacht, führt die letzte Stufe wieder in den Bedeutungsanfang, die Staatsfreiheit der Kultur: Aus der gegenseitigen Verschlingung von Staat und Kultur folge, dass Freiheit nicht die Trennung von Staat und Kultur meine, sondern die Kultur erst „im Durchgang durch den Staat in ihre Freiheit zurückkehrt.“277 (2) Kritik Hat Huber damit die ihn bewegende Frage beantwortet, wie „die im Begriff ,Kulturstaat‘ vorausgesetzte Autonomie der Kultur gewahrt und doch das Einssein von Kultur und Staat gewonnen werden [kann]?“278 Ja und nein. Auf der einen Seite hat er das Problem der Autonomie gelöst: Autonomie kann es für die Kultur nur mit Hilfe des Staates geben; die weitestmögliche Autonomie ist dann, wenn jeder Gegensatz, jede Fremdbestimmung der Kultur durch den Staat verunmöglicht wird durch eine Einssetzung von Staat und Kultur. Wenn der Staat als alleiniger Garant der Freiheit gegenüber der freiheitsbedrohenden Gesellschaft angesehen wird, ist es nur konsequent, den größten Freiheitsgewinn aus der engsten Annäherung an den Staat, ja der Verschmelzung mit ihm zu erwarten.279 Auf der anderen Seite gibt es nach Hubers Konzept nichts mehr, was Autonomie überhaupt beanspruchen könnte. Das „Einssein“ von Staat und Kultur nimmt der Rede einer autonomen Kultur ihren Sinn.280 In Wahrheit aber ist schon die erste Prämisse Hubers nicht von der Autonomie, sondern gerade von der Staatsbezogenheit der Kultur her gedacht. Die Staatsfreiheit der Kultur ist für Huber das „freie Hineinwachsen der frei entfalteten Kulturkräfte und Kulturgüter in das staatliche Ganze“.281 Damit ist bereits der etatistische Impetus 276
Huber, a.a.O., S. 138; im Original beide Sätze kursiv. Huber, a.a.O., S. 145. 278 Huber, a.a.O., S. 126. 279 Kritisch Schlaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, 1972, S. 258 in Fn. 90: Hubers These der dialektische Einheit von Staat und Kultur sei „gefährlich“. 280 Ebenso Blankenagel, Tradition und Verfassung, 1984, S. 229: „Die Frage der Autonomie oder Staatsgelenktheit der Kultur kann gar nicht auftauchen, weil Kultur und Staat nicht auseinandergedacht werden können“ (Hervorhebung im Original). 281 Huber, a.a.O., S. 129 (Hervorhebung nur hier). 277
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von Hubers Konzeption vorgegeben;282 wenn das Hineinwachsen in das „staatliche Ganze“ Ausdruck der Freiheit ist, ist es auch auf der zweiten Stufe einsichtig, dass gesellschaftliche Mächte dieses Streben zum Staat nur zu stören geeignet sind.283 Gefährlich ist an diesem Denken vor allem, dass der Einzelne, der grundrechtsberechtigte Bürger in diesem Staats- und Gesellschaftsbild weder alleine noch als Mitglied gesellschaftlicher Gruppen Berücksichtigung findet.284 Für eine Differenzierung verschiedener kultureller Akteure mit eigenen Interessen und Rechten bleibt hier kein Raum. Es stehen sich vielmehr drei Akteure gegenüber, die keinen Raum für individuelle Entscheidungen des Einzelnen lassen: die zum Staate strebende Kultur, die freiheitsgefährdende Gesellschaft und der freiheitsgewährende Staat.285 Eine solche Staatssicht, die dem Staat pauschal die Rolle des Freiheitsgaranten – und letztlich „eine höhere Erkenntnismöglichkeit in das Richtige“ – zuweist, ist mit grundrechtlichen Freiheiten und dem (auch auf Irrtum und Korrektur angelegten) demokratischen System nicht vereinbar.286 Auch der Kulturbegriff Hubers leidet an seiner überpersonalen Personalisierung. An die Stelle kultureller Entscheidungen des Einzelnen tritt ein „vom Individuum abgekoppeltes Kulturbild“, das als „quasi verselbständigtes Gebilde“ eigenen Handlungsgesetzen folgt.287 Die von Huber behaupteten Freiheitsgefahren der Gesellschaft – die für den Bereich der Kultur288 vielfach Zustimmung erfahren ha-
282
Zum „etatistischen Konservatismus“ als ideeller Grundlage von Hubers Kulturstaatskonzept Walkenhaus, Konservatives Staatsdenken, 1997, S. 363 ff.; kritisch auch Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 221 ff. 283 Ob bereits hier (und nicht erst auf der vierten Stufe) Kritik an der dialektischen Methode angebracht ist, scheint zweifelhaft; immerhin leitet Huber hier nicht aus Widersprüchen, sondern aus positiven Befunden Folgerungen ab; anders Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 216, und daran anschließend Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 378. 284 Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 465 f. in Fn. 131, der eine Rückbeziehung auf individuelle Interessen verlangt; Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 165 ff., 169 ff., der den überindividuellen Staats- und Kulturbegriff kritisiert; zustimmend Lenski, Öffentliches Kulturrecht, 2013, S. 59 f. 285 Huber, a.a.O., S. 128: „Dem ersten Blick erscheint der Staat als eine Organisation zur Ausübung freiheitswidriger Macht, die Gesellschaft als Inbegriff der Freiheit. Dringt man tiefer ein, so erscheint die Staatsmacht im Verfassungsstaat als eine Form der rechtlich gebändigten, mit der Freiheit vereinbaren, ja die Freiheit hütenden Macht, während die Gesellschaft gerade unter ihren modernen Daseinsbedingungen, die der Kollektivierung und Monopolisierung einen so weiten Spielraum gewähren, vielfältige freiheitsgefährdende Machtballungen aufweist.“ 286 Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 261; zustimmend Kopke, Rechtsschreibung im freiheitlichen Kulturstaat, 1995, S. 378. 287 Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 216. 288 Hubers Auffassung beschränkt sich keineswegs auf den kulturellen Bereich; nach seiner Ansicht bilden sich in der „modernen Gesellschaft“ allenthalben „Monopole und Oligopole – nicht nur im wirtschaftlichen, sondern auch im kulturellen Bereich“ heraus (a.a.O., S. 127), die Freiheit letztlich nur als Freiheit im Staat denkbar werden lassen.
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ben289 – entpuppen sich damit aber nicht als Gefahren für die Freiheit der Kunst, die den Schutz des Künstlers im Sinn hat,290 sondern für die der Kultur heteronom zugeschriebenen Inhalte, oder anders ausgedrückt: für ihre Qualität.291 Nicht überzeugend ist es zuletzt, vom Kulturstaat wegen seiner Eigenschaft als Rechtsstaat einen größeren Freiheitsgewinn zu erwarten. Dies wird damit begründet, die Staatsmacht sei eben deshalb zur Garantie kultureller Freiheit besser geeignet als gesellschaftliche Mächte, weil sie verfassungsrechtlich gebunden sei.292 Die Staatsmacht sei der rechtlichen Kontrolle unterworfen und für ihr Handeln verantwortlich, und sie wirke offen und transparent, während gesellschaftliche Macht verdeckt wirke. Es ist bereits abzulehnen, der Gesellschaft die gleiche Macht wie dem mit dem Gewaltmonopol ausgestatteten Staat zuzusprechen, zumal wenn dies ohne eine differenzierte und konkrete Benennung der Ursachen und Mittel der gesellschaftlichen Macht geschieht. Wenn allein die Marktmacht einiger Unternehmen in einigen Kulturbereichen gemeint ist, ist diese Macht keine tatsächliche Macht, sondern das Ergebnis freier Entscheidungen der Konsumenten; Konsumenten werden durch Marktmacht grundsätzlich nicht gezwungen. Im Übrigen aber sind die gesellschaftlichen Mächte an das staatliche Recht gebunden, während die rechtsstaatlichen Erwägungen für den Kulturstaat eben nicht gelten: Eine verfassungsrechtliche Bindung des Kulturstaats wird gerade abgelehnt und macht einem extrem weiten exekutiven Gestaltungsspielraum Platz. Der Kulturstaat soll von rechtlichen Grenzen nicht eingeengt werden, und die kulturstaatlichen Aktivitäten sind schlechterdings nicht justiziabel.293 Zuletzt wirkt der Staat gerade als Kulturstaat weder offen – die Entscheidungsfindung findet innerhalb nicht-öffentlicher Gremien oder Bürokratien statt – noch ist der Staat – vor allem bei der Einschaltung pluralistischer Gremien – für seine Handlungen verantwortlich. Die Behauptung, die verfassungsrechtliche Bindung fungiere bei staatlicher Förderung als Freiheitsgarant, ist schlicht falsch.
289 Evers, Kulturauftrag im staatlichen Gemeinwesen, NJW 1983, S. 2161, 2161; Knies, Schranken der Kunstfreiheit als verfassungsrechtliches Problem, 1967, S. 214 in Fn. 180; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. III [Stand: 20. Lfg. 1977] Rn. 8 in Fn. 2; Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 36; differenzierend Schäuble, Rechtsprobleme der staatlichen Kunstförderung, 1965, S. 98 ff. 290 Vgl. Huster, VVDStRL 65 (2006), S. 51, 61; Lenski, Öffentliches Kulturrecht, 2013, S. 60. 291 Ähnlich Lenski, Öffentliches Kulturrecht, 2013, S. 60: Gleichsetzung von Staat und Kultur setze eine „gewisse Homogenität der Kultur“ voraus, die letztlich auf einem „elitäre[m] Kulturverständnis“ fuße. Siehe zu qualitativen Rechtfertigungsansätzen unten § 6 B. 292 Huber, in: Häberle (Hrsg.), Kulturstaatlichkeit und Kulturverfassungsrecht, 1982, S. 122, 128; ebenso Schäuble, Rechtsfragen der staatlichen Kunstförderung, 1965, S. 195 f.; ähnlich die Überlegungen bei Grimm, VVDStRL 42 (1984), S. 46, 65 f. 293 Stern, Staatsrecht, Bd. IV/2, 2011, S. 662 (Zitat oben in Fn. 40 in der Einleitung).
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d) Freiheitsgefährdende Eigenschaften staatlicher Kunstfinanzierung Wie die Freiheitsgewinne staatlicher Förderung lassen sich auch ihre Gefahren nur im Rahmen eines Vergleichs mit einer gesellschaftlichen Finanzierung ermitteln. Wie unterscheiden sich also staatliche und gesellschaftliche Förderung? Die Beziehungen von Kunst zum Staat auf der einen und privaten Finanzierern auf der anderen Seite ähneln sich zunächst dort, wo der Künstler nicht gefördert, sondern als Auftragnehmer bezahlt wird. Es liegt darin ein großer Unterschied zur gegenleistungsfreien Förderung um der Kunst willen. Der Auftraggeber will etwas vom Künstler; es herrscht ein ebenbürtiges Vertragsverhältnis: Nur als Ebenbürtiger konnte Michelangelo mit Filzhut vor den Papst treten.294 Der Kulturstaat hingegen will vom Künstler (vorgeblich) nichts; er will ihn schützen vor anderen; es herrscht ein Verhältnis der Über-/Unterordnung.295 Schon durch diese strukturelle Eigenheit des Kulturstaats sind Freiheitsgewinne durch ihn eher nicht zu erwarten. Es lassen sich aber auch konkretere Einwände vorbringen. Einer dieser Einwände gründet in der politischen Bindung des Kulturstaats, die ihn zu einer starken Rücksichtnahme auf die Mehrheitsgesellschaft, auf die vorherrschende Sozialmoral und auch auf politische Nützlichkeit oder Schädlichkeit zwingt. Private Förderung und privater Konsum unterliegen einer solchen Bindung nicht. Die Wirtschaft etwa kann qualitativ hochwertige Kunst ungeachtet dessen fördern, ob diese „politisch belastet“ ist.296 Gerade die Freiheit der Privaten, über die Förderung und Finanzierung ungeachtet politischer Erwägungen zu entscheiden, spricht dafür, dass private Tätigkeit eher geeignet ist, Kunst um ihrer selbst willen zu fördern als die immer auch politisch motivierte staatliche Tätigkeit.297 Wenn die Freiheit der Kunst auch die Freiheit zur Kritik durch Kunst erfasst, ist zudem die Entfaltung des kritischen Potentials in Rechnung zu stellen. Im Rahmen des Demokratieprinzips wurde bereits festgestellt, dass mit der Kulturförderung immer eine Domestizierung ihres staatskritischen Potentials einhergeht.298 Von der Kunst wird aber nicht nur Staatskritik erwartet, sondern die Kritik gesellschaftlicher Verhältnisse überhaupt. Die Fähigkeit, gesellschaftliche Veränderungen anzustoßen oder herbeizuführen, ist einer gesellschaftlich finanzierten Kunst eher zu eigen als 294
Vgl. Luhmann, Die Kunst der Gesellschaft, 1995, S. 258 in Fn. 67. Ähnlich – wenn auch in etwas anderem Zusammenhang – Heuer, Die Besteuerung der Kunst, 1984, S. 119 f. 296 So Heuer, Die Besteuerung der Kunst, 1984, S. 128 f., mit dem Beispiel Arno Brekers in der Nachkriegszeit; vgl. auch These Grasskamps, wonach der freie Markt im Gegensatz zur westdeutschen Kulturpolitik die Künstler der DDR integrieren werde (Die unästhetische Demokratie, 1992). 297 So auch das Fazit eines historischen Überblicks über öffentliche Kunstförderung durch private Initiative und staatliche Maßnahmen von Geißler, Staatliche Kunstförderung nach Grundgesetz und Recht der EG, 1995, S. 26. 298 Siehe oben unter § 4 C. II. 3. b). 295
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einer staatlich geförderten.299 Die Stimmung einer staatszentrierten Kulturbürokratie wird atmosphärisch eher dazu verleiten, „angepasste“ Kunst zu produzieren als deviante,300 auch wenn Künstler in staatlichen Institutionen, die – zum Teil durch Mitwirkung in pluralistisch zusammengesetzten Gremien mit Erfahrung auf der Geber- wie auf der Empfängerseite – Teil des (Förder-)Systems sind, sich damit nicht treffend beschrieben sehen werden.301 Aber auch für die Förderung freier Künstler außerhalb staatlicher Institutionen ist nicht zu erwarten, dass die staatliche Finanzierung ihrer Tätigkeit gerade das freigeistige Potential zur Entfaltung bringt. Gerade die Kunst am Markt steht in einem Wettbewerb um Aufmerksamkeit302 und bedient sich dafür des Skandals, der Verletzung herrschender Moralauffassungen.303 Die publikumsfinanzierte Kunst ist also oftmals gerade die kritische und neuartige. Einen widerspruchsfreudigen, „aufmüpfigen“ Künstler zu fördern fällt einem Unternehmen – und auch seine Kunst zu kaufen einem Konsumenten – sicherlich leichter als staatlichen Institutionen. Denn den unternehmerischen Förderern ist „unbequeme“, provozierende Kunst nicht unrecht; ihnen geht es – wie dem Künstler – vor allem um Aufmerksamkeit. Dem Staat geht es vor allem um Ordnung und Macht;304 nicht zuletzt deshalb wird die geförderte Kunst als „brave“ Kunst empfunden.305 Zudem tritt der Staat – trotz seiner organisatorischen, gerade auch kulturstaatlichen Aufspaltung in Bund, Länder und Gemeinden – dem Einzelnen monolithisch gegenüber; er vertritt immer Staatsinteressen. Die Gefahren, durch „unbotmäßige“ Kritik bei den Fördergremien in Verruf zu geraten, ist daher ungleich größer als in einem System zivilgesellschaftlicher Finanzierung, dessen Akteure jeweils unterschiedliche Interessen verfolgen. 299
Ebenso Boll, Der Kampf um die Kunst, 2006, S. 11: Dass der „Kunstmarkt der Kunst die Ruhe stiehlt, die sie zur Entfaltung ihrer subversiven Kraft, braucht, wird schon von der Geburt der Moderne widerlegt. Der Ort der Emanzipation der Kunst von Religion und obrigkeitlicher Huldigung ist der Markt viel eher als das Museum und die Akademie.“ 300 In diese Richtung auch Kirchhof, NJW 1985, S. 225, 226: „Geförderte Freiheit wird in ein Förderungssystem eingebunden, entfaltet sich insoweit nur im Binnenbereich dieses Systems, ist nicht mehr nur individuell geprägte, sondern systemgerechte Freiheit.“ 301 Vgl. dazu Leisner, NJW 2001, S. 1329, 1332: „Wer wollte sich gegen sie [die Macht der Geschenke] wenden – gewiss nicht die Beschenkten, auch nicht die vielen anderen, die auf ähnliche Gaben hoffen.“ 302 Zur Aufmerksamkeit als knappem Gut vgl. Lenski, Öffentliches Kulturrecht, 2013, S. 273 f. m.w.N. aus der soziologischen Literatur, die dieses Phänomen aber zu Unrecht auf digitalisierte Kulturgüter beschränkt. 303 Schwietring, in: Kneer/Schroer (Hrsg.), Handbuch Spezielle Soziologien, 2010, S. 221, 226. 304 Vgl. bereits Humboldt, Ideen zu einem Versuch, die Grenzen des Staates zu bestimmen, 1962, S. 107 f.: Die öffentliche Erziehung suche ein „Gleichgewicht“ und die „Ruhe der Gesellschaft“. Das Ordnungsziel kommt vor allem in der Metapher des Kulturstaats als „Gärtner“ der Kultur zum Ausdruck; siehe dazu die in Fn. 792 und793 belegten Zitate. 305 Hellmuth Karasek, Subventionierte Freiheit des Theaters. Wie das allzu Selbstverständliche allzu harmlos werden kann, Die Zeit vom 27. 8. 1965: Ruhe sei die erste Theaterpflicht geworden.
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III. Zwischenergebnis Eine auf die in Art. 5 Abs. 3 GG verankerte Freiheit der Kunst gestützte Rechtfertigung der kulturstaatlichen Kunstförderung gelingt nicht. Es gibt keine Kulturstaatstradition, die im Wege der historischen Auslegung in die Kunstfreiheit hineingelesen werden müsste. Auch Art. 142 Satz 2 WRV lässt sich nicht im Wege der historischen Auslegung in die Kunstfreiheit hineinlesen. Ein bloßer Hinweis auf objektiv-rechtliche Grundrechtsgehalte genügt nicht, um aus den Grundrechten staatliche Handlungsbefugnisse abzuleiten. Gerade die Kunstförderung als „gute Sache“ verleitet dazu, aus einem verfassungspolitischen Wollen leichterhand ein verfassungsrechtliches Sollen zu machen. Daher ist eine besondere Sensibilität geboten bei der Untersuchung der Frage, ob und welche objektiv-rechtlichen Gehalte der Kunstfreiheit den Kulturstaat legitimieren können. Die Kunstförderung erfüllt keine grundrechtliche Schutzpflicht. Zum einen schützt die Kunstfreiheit weder im Wirk- noch im Werkbereich vor dem Zwang zu wirtschaftlicher Verwertung der Kunst; gerade dies aber ist das Ziel der kulturstaatlichen Kunstförderung. Zum anderen lösen weder der anonyme Markt noch die Konsumentscheidungen des Publikums staatliche Schutzpflichten aus, weil sie keinen Eingriff in die Kunstfreiheit oder deren Gefährdung begründen. Als Eingriff kommen im Tatbestand der grundrechtlichen Schutzpflicht nur konkrete Handlungen Dritter in Betracht. Nicht jede Handlung Dritter, die ein grundrechtliches Schutzgut berührt, löst eine Handlungsbefugnis des Staates aus. Fordert man für die Qualifikation einer Handlung als Eingriff deren Rechtswidrigkeit, steht dem die ihrerseits grundrechtlich geschützte Freiheit des Dritten, (bestimmte) Kunst nicht nachzufragen, entgegen. Fordert man eine Abwägung zwischen den Interessen des Dritten und denen des Grundrechtsträgers, überwiegen die Interessen des Künstlers schon wegen der Freiwilligkeit der Beziehungen zwischen den Grundrechtsträgern nicht. Die Kunstfreiheit vermittelt auch kein originäres Teilhaberecht, dem eine Förderpflicht des Staates korrespondiert. Das Kunstleben käme auch ohne staatliche Förderung nicht zum Erliegen. Vielmehr ist der Beitrag des Staates zur (Gesamt-) Finanzierung der Kunst eher gering; ihr Wegfall ist daher nicht von einschneidendem Gewicht. Der Kulturstaat muss auch nicht um der Freiheit der Kunst willen den Wegfall früherer Mäzene kompensieren. Geschichtlich verdankt die Kunst ihre Freiheit vor allem dem Kunstmarkt; zudem erfolgte die Unterstützung der Kunst durch Hof und Kirche viel häufiger durch Auftragsarbeiten als durch eine Förderung der Kunst um ihrer selbst willen. Die Kunstfreiheit gibt dem Staat nicht als soziales Grundrecht die Befugnis, ausgewählten Künstlern die Ausübung ihrer Kunst zu ermöglichen. Der Kunstfreiheit kann keine Staatszielbestimmung entnommen werden, die den Staat zur Kunstförderung berechtigt. Es lässt sich nicht begründen, dass die Kunst bei
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staatlicher Finanzierung tatsächlich freier wäre. Dies aber wäre für eine vom subjektiven Gehalt dogmatisch weit gelöste Staatszielbestimmung zu fordern. Die verbreitete Gegenansicht fußt auf Annahmen, die die Gefahren der Gesellschaft einschließlich des Marktes und die Freiheitsgewinne staatlicher Förderung überschätzen und die Freiheitsgewinne der Gesellschaft einschließlich des Marktes und die Freiheitsbedrohungen staatlicher Kulturförderung unterschätzen.
B. Qualität der Kunst als Ziel der Kunstförderung Aufgrund des Scheiterns einer freiheitsgestützten Begründung der Kunstförderung wird diese weithin von einer qualitativen Argumentation verdrängt. In der dogmatischen Variante wird Art. 5 Abs. 3 GG ein institutioneller Schutz des eigengesetzlichen Lebensbereichs Kunst entnommen (dazu I.); in der paternalistischen Variante wird Kunst als meritorisches Gut eingestuft (dazu II.); die ökonomische Variante schließlich sieht (hohe) Kunst als öffentliches Gut an (dazu III.). I. Institutioneller Schutz der Eigengesetzlichkeit Der Schutz der Eigengesetzlichkeit ist eng mit einer institutionellen Deutung der Kunstfreiheit verknüpft. Es finden sich zwei Verständnisse einer institutionellen Garantie durch die Kunstfreiheit. 1. Enge institutionelle Deutung der Kunstfreiheit Das eine Verständnis hält es um der freiheitlichen Ausgestaltung des Lebensbereichs Kunst wegen für notwendig, den Gesetzgeber zu dessen freiheitlicher Ordnung zu verpflichten. Dazu wird als Schutzgut der Kunstfreiheit nicht (allein) die individuelle Freiheit des künstlerischen Schaffens angesehen, sondern die Freiheit der Kunst als Sachbereich.306 Als Beispiele werden der urheberrechtliche Schutz des Künstlers, das Verbot von „Steuerabreizen“ sowie der Schutz der freien Programmauswahl durch Leiter staatlicher Kunstinstitute genannt.307 Die überindividuellen Gehalte sollen aber lediglich dazu dienen, die Freiheit der Kunst umfassend
306
Knies, Schranken der Kunstfreiheit als verfassungsrechtliches Problem, 1967, S. 190 ff.; dort auch als „Lebens- und Kulturbereich“ bezeichnet (S. 192); ähnlich Erbel, Inhalt und Auswirkungen der verfassungsrechtlichen Kunstfreiheitsgarantie, 1966, S. 99: Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG sei so zu lesen: „Das Kunstleben ist frei.“ 307 Heuer, Die Besteuerung der Kunst, 1984, S. 93 (ein Gebot steuerlicher Anreize enthalte die institutionelle Garantie hingegen nicht).
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zu sichern. Wie die Schutzpflichtenlehre wird die institutionelle Garantie zur Verstärkung der abwehrrechtlichen Komponente herangezogen.308 Eine so verstandene institutionelle Garantie ist unbedenklich. Aus guten Gründen grenzen die Vertreter dieser Ansicht sich deutlich von einem anderen, weiter gefassten Begriff der institutionellen Garantie ab.309 2. Institutionelle Deutung der Kunstfreiheit als Gewährleistung der Autonomie der Kunst Dieser andere Begriff setzt bei der Eigengesetzlichkeit der Kunst an: Im Rahmen der institutionellen Deutung wird die Eigengesetzlichkeit (oder synonym: die Autonomie)310 der Kunst zum Schutzobjekt der Kunstfreiheit erhoben, die der Staat zu wahren habe.311 Dagegen wird zum einen vorgebracht, die Kunst sei „spontan, regellos und unbeständig“, eine Institution hingegen beruhe auf „Statik, Beharrlichkeit, Struktur und Kontinuität“.312 Damit widerspreche eine institutionelle Garantie, die eine staatliche Organisation des Lebensbereichs Kunst voraussetzt, dem inneren Wesen der Kunst.313 Zum anderen fehle es am „formierenden Normenkomplex“, der auch
308 Knies, Schranken der Kunstfreiheit als verfassungsrechtliches Problem, 1967, S. 196: objektiv-rechtliche und subjektiv-rechtliche Sichtweise betreffen „die beiden Seiten derselben Medaille“. 309 Heuer, Die Besteuerung der Kunst, 1984, S. 78 ff., 81 f.; Hufen, Die Freiheit der Kunst in staatlichen Institutionen, 1982, S. 392 ff., der den institutionellen Schutz der Eigengesetzlichkeit abgrenzt von einem Schutz der „Einrichtung Kunst“; einer Institutsgarantie zugunsten der Kunst stehe entgegen, dass sie das „künstlerisch Neue, Spontane, nicht Organisierbare“ gefährde (a.a.O., S. 394); Knies, Schranken der Kunstfreiheit als verfassungsrechtliches Problem, 1967, S. 201 ff., der, um Missverständnisse zu vermeiden, von einem Schutz der „Sache“ Kunst spricht, um sein institutionelles Verständnis von anderen Deutungen des Begriffs „Institution“ abzugrenzen (ebd., S. 197 f.). 310 Dazu bereits oben unter § 4 B. I. 1. 311 Maihofer, in: Benda/ders./Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 1994, § 25 Rn. 5; Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 443; Pabel, Grundfragen der Kompetenzordnung im Bereich der Kunst, 2003, S. 164 ff., 167; Ridder, Freiheit der Kunst nach dem Grundgesetz, 1963, S. 21; Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 36: „Überlassung der Kultur an die Gesellschaft“ könne ihre Eigengesetzlichkeit nicht gewährleisten. Heckel, Staat – Kirche – Kunst, 1968, S. 96 in Fn. 316 will den institutionellen Schutz auf bereits geschaffene Kunst beschränken, weil die zu schaffende Kunst „sich der Bedrohungen ihrer Freiheit [scil. durch „die Gesellschaft“] vorweg in eigener Verantwortung zu wehren hat und einer zu schützenden Institutionalisierung um ihrer schöpferischen Spontaneität nur zum geringen Teil zugänglich ist.“ Vgl. die weiteren, umfangreichen Nachweise bei Heuer, Die Besteuerung der Kunst, 1984, S. 74 in Fn. 327 und bei Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, 1988, S. 846 in Fn. 467. 312 Heuer, Die Besteuerung der Kunst, 1984, S. 78. 313 Heuer, Die Besteuerung der Kunst, 1984, S. 78.
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wegen des schwer fassbaren Rechtsbegriffs der Kunst kaum geschaffen werden könne.314 Die Deutung als institutionelle Garantie ist aber vor allem deshalb problematisch, weil sie nicht an die Freiheit der Kunst, sondern an die Kunst selbst geknüpft wird.315 Bei einem solchen Verständnis lassen sich subjektive Auffassungen über die Kunst an die Stelle der grundrechtlich garantierten Freiheit setzen. Dies gelingt vor allem durch eine spezifisch kulturstaatliche Deutung des Autonomiebegriffs, die sich von anderen Verständnissen unterscheidet. Versteht man unter der Autonomie eines Lebensbereichs in Anlehnung an Max Weber die Macht seiner Angehörigen, ihre Angelegenheiten selbst zu ordnen,316 kann nur die Abstinenz von jeglichen Eingriffen, nicht aber die aktive Gestaltung von außen Autonomie gewähren. Autonomie kann bei einem solchen Verständnis schon begrifflich nicht durch einen Dritten inhaltlich definiert, sondern nur anerkannt werden.317 Zugleich wäre der Schutz der Autonomie bei einem solchen Verständnis auch keine Begründung für eine staatliche Reglementierung, denn der Schutz der Eigengesetzlichkeit müsste sich auch gegen den Staat richten. Damit wäre jede Maßnahme, die auf die Kunst einwirkt, unzulässig, auch eine „sub titulo ,Verbesserung der Verhältnisse innerhalb der Kunst und ihrer Entwicklung‘“.318 Zum gleichen Ergebnis gelangt man, wenn man mit Luhmann das „Angewiesensein auf die Erfüllung anderer Funktionen durch andere Systeme“ als „Bedingung und Kennzeichen der Autonomie“ ansieht. „Operative“ Autonomie der Kunst bedeutet dann allein: „Niemand sonst macht das, was sie macht.“319 Gerade dass jedes Funktionssystems zur Erfüllung seiner Funktion von anderen Systemen abhängig ist, hält Luhmann denen entgegen, die eine Bedrohung der Autonomie der Kunst durch ihre Abhängigkeit vom Geld des Marktes befürchten.320 Der Autonomiebegriff des Kulturstaats hingegen besteht darin, dass die Kunst von ästhetischen Forderungen der Gesellschaft befreit werden soll; das Idealbild des 314
Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, 1988, S. 846. Ebenso Knies, Schranken der Kunstfreiheit als verfassungsrechtliches Problem, 1967, S. 197, freilich nur für den Abwehrbereich. 316 Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 1980, S. 26: „Autonomie bedeutet, daß nicht, wie bei Heteronomie, die Ordnung des Verbands durch Außenstehende gesetzt wird, sondern durch Verbandsgenossen kraft dieser ihrer Qualität (gleichviel wie sie im übrigen erfolgt).“ 317 I. E. ebenso Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 15. 318 Geiger, FS Leibholz, 1966, S. 187, 193 (der freilich dennoch – wenn auch ohne Ausführungen zu der nach seiner folgerichtig weitergedachten Ansicht erforderlichen Rechtfertigung – die Kunstförderung als Staatsaufgabe betrachtet). Ebenso Adorno, in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. 8, 1997, S. 122, 122 f.: „Wer Kultur sagt, sagt auch Verwaltung, ob er will oder nicht. […] Aber Kultur ist zugleich der Verwaltung entgegengesetzt. Sie möchte das Höhere und Reinere sein, das, was nicht angetastet, nicht nach irgendwelchen taktischen oder technischen Erwägungen zurecht gestutzt ward. In der Sprache der Bildung heißt das ihre Autonomie.“ 319 Luhmann, Die Kunst der Gesellschaft, 1995, S. 218. 320 Luhmann, Die Kunst der Gesellschaft, 1995, S. 219 in Fn. 6. 315
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Kulturstaats von der Kunst ist eine durch den Staat von allen (auch finanziellen) Bezügen zur Gesellschaft losgelöste Kunst.321 Art. 5 Abs. 3 GG ermöglicht es dem Staat dann als Befugnisnorm zur „Gewährleistung eines freien Lebensbereichs im Sinne der Autonomie und Eigengesetzlichkeit der Kunst“,322 etwaige „Störungen“ der Autonomie – die durchaus dem Willen des Künstlers und des Publikums entsprechen können – im Wege staatlicher Korrektur zu beseitigen. Bestimmte Funktionen, die die Kunst historisch für den Staat erfüllt hat, können ihr bei einer heteronomen Deutung ihrer Autonomie weiterhin als konstitutiv zugesprochen werden.323 An die Stelle der freien Kunst tritt die autonome Kunst, wie sie der fördernde Staat versteht. Dagegen sind schon aus dogmatischer Sicht Bedenken anzubringen. Gerade weil mit (künstlerischer) Autonomie ganz unterschiedliche Inhalte verbunden werden, ist dieser Begriff für eine Auslegung oder als Ergebnis einer Auslegung der Kunstfreiheit nicht geeignet.324 Eine Deutung der Kunstfreiheit als Norm zum Schutz der staatlich definierten Eigengesetzlichkeit verhindert vielmehr mit Hilfe dogmatischer Setzungen eine tiefergehende Begründung der Legitimation kulturstaatlichen Handelns. Denn eine in der Kunstfreiheit verankerte Pflicht des Staates zu Kunstförderung, die dem Schutz der Autonomie dienen soll, nimmt die Entscheidung darüber vorweg, ob und wann diese Autonomie überhaupt bedroht und damit des staatlichen Schutzes bedürftig ist. Zudem wird unterstellt, dass der Staat diese Autonomie überhaupt oder garantieren oder jedenfalls verbessern kann. Beides ist aber keineswegs ausgemacht.325 Die Umdeutung der Kunstfreiheit in den Schutz der Autonomie verschleiert die bereits getroffene Entscheidung darüber, dass staatlich geförderte Kunst einer am freien Markt entstehenden Kunst vorzugswürdig sei.326 Wer Kunst fördert, bekommt nicht per se „autonome“ oder auf sonstige Weise „bessere“ (etwa ästhetisch ambitioniertere, unabhängigere, qualitativ höherwertige) Kunst; er bekommt zunächst einmal geförderte Kunst.
321
Grimm, VVDStRL 42 (1984), S. 46, 68. So – ablehnend – Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 452. 323 Vgl. etwa Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, 1990, S. 98: Für den Markt hergestellte Kunstwerke „bleiben nicht länger Bestandteile der Repräsentation kirchlicher wie höfischer Öffentlichkeit; genau das ist mit dem Verlust ihrer Aura, mit der Profanierung ihres einst sakramentalen Charakters gemeint“. 324 Berechtigt daher der Einwand von Britz, EuR 2004, S. 1, 16: Autonomie sei zu offen in Deutung und Verwendung und könne darum „in der Grundrechtsdogmatik nicht unmittelbar weiterführen“. 325 Bonheim, Versuch zu zeigen, daß Adorno mit seiner Behauptung, nach Auschwitz lasse sich kein Gedicht mehr schreiben, recht hatte, 2002, S. 20: Es gebe „keinen Grund, den Gegensatz von Autonomie und finanzieller Abhängigkeit […] nur für eine einzige Institution [die der Kirche] als historisch bedeutsam auszumachen.“ Zwischen den einzelnen Geldgebern (Kirche, Staat, private Mäzene, Kunstmarkt) gebe es „im Prinzip keinen Unterschied“. 326 Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 456: „unausgewiesene Vorentscheidung“. 322
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Zugleich wird durch die Anknüpfung an den kulturstaatlichen Autonomiebegriff der Inhalt der Kunstfreiheit verändert. Der Schwerpunkt der Kunstfreiheit verlagert sich von der Garantie individueller Freiheit auf eine staatlich definierte „Existenzgarantie“.327 Dem einzelnen Künstler wird damit der Einfluss auf die (autonome) Gestaltung des Lebensbereichs Kunst genommen.328 Mit der Autonomie als Schutzgut der Kunstfreiheit wird der Kunst ein bestimmtes Verständnis von Autonomie vorgegeben, anstatt die Entscheidung darüber dem einzelnen Künstler zu überlassen.329 Die heteronom bestimmte Ordnung dieses Lebensbereichs würde dann zwar dem Künstler, mit dessen Vorstellung einer autonomen Ordnung diese Ordnung übereinstimmt, Autonomie gewähren; dem Künstler, der andere Vorstellungen hegt, würde sie hingegen aufgezwungen. Seine Freiheit hinge vom kulturstaatlichen Konzept der Autonomie ab. Ein überindividuelles Verständnis von Autonomie richtet sich deshalb potentiell immer gegen den Einzelnen.330 Zu vereinbaren sind Autonomie und individuelle Freiheit nur, wenn unter Autonomie das Ergebnis der Kommunikation zwischen Individuen verstanden wird.331 Aus einem solchen Autonomiebegriff lässt sich eine kulturstaatliche Befugnis aber nicht ableiten. Auch das Bundesverfassungsgericht vermeidet es zu Recht, die Eigengesetzlichkeit als Schutzgut der Kunstfreiheit zu definieren. Es sollen vielmehr „die auf der Eigengesetzlichkeit der Kunst beruhenden, von ästhetischen Rücksichten bestimmten Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen von jeglicher Ingerenz öffentlicher Gewalt“ freigehalten werden;332 damit erhebt es aber die Eigengesetzlichkeit ebenso wenig zum Schutzgut wie die „ästhetischen Rücksichten“; beide Begriffe dienen lediglich der Beschreibung der (möglichen) Grundlagen des künstlerischen Schaffensprozesses. Es dient daher der Vermeidung von Unklarheiten, dass das Bundesverfassungsgericht den Begriff der Eigengesetzlichkeit im Förderbereich ganz vermeidet.333 327 Knies, Schranken der Kunstfreiheit als verfassungsrechtliches Problem, 1967, S. 197 f. (im Original kursiv); zustimmend Heuer, Die Besteuerung der Kunst, 1984, S. 103. Kirchhof, NJW 1985, S. 225, 226, spricht in diesem Zusammenhang von „geförderte[r] Freiheit“, die sich nur im Binnenbereich des Förderungssystems entfalten könne. 328 BVerfGE 30, 173, 190: „Über die ,Richtigkeit‘ seiner Haltung gegenüber der Wirklichkeit kann nur der Künstler selbst entscheiden.“ 329 Deutlich Huster, VVDStRL 65 (2006), S. 51, 61: „Autonomie und Orientierung an ästhetischen Gesetzen sind eine Folge der individuellen Freiheit. Diese Folge ist möglich, aber nicht notwendig.“ 330 Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 214 f.; nach den Auswirkungen einer institutionellen Deutung für den Abwehrbereich befragt die Vertreter dieser Ansicht zu Recht Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 452 f. 331 Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 214 f.; ebenso die überindividuelle Deutung von Knies, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1967, S. 190 ff., 198 ff., der für den Förderbereich aber davon abrückt. 332 BVerfGE 30, 173, 190. 333 BVerfGE 36, 321, 331: „Als objektive Wertentscheidung für die Freiheit der Kunst stellt sie dem modernen Staat, der sich im Sinne einer Staatszielbestimmung auch als Kulturstaat
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II. Kunst als meritorisches Gut Die unerwünschten Ergebnisse des Kunstmarkts und der Zivilgesellschaft könnten ohne Weiteres korrigiert werden, wenn auf meritorische Rechtfertigungsansätze des Staatshandelns zurückgegriffen werden dürfte: Die am Markt entstehende Kunst mag dann auf dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage beruhen und damit letztlich der Summe der zwangsfreien und grundrechtlich geschützten Entscheidungen der Marktteilnehmer entsprechen; die Summe der Entscheidungen der Marktteilnehmer wird aber schlicht nicht als geeignetes Mittel angesehen, ein Ergebnis zu erreichen, das dem an kulturelle Güter angelegten Maßstab genügt. Die Verfassungslehre bedient sich hier gern der Metapher, der Kulturstaat sei der Gärtner der Kultur: Kultur sei das „Höhere, Reinere, das Edlere des Lebens, das, was der Pflege bedarf und nicht wild von selber wächst“.334 Die „gärtnerische pflegende Hand des Staates“ müsse gegenüber „Wucherungs- und Kümmerungserscheinungen eingreifen, da Kultur-Disharmonie nichts anderes als ein extremer Fall von Unkultur ist“.335 Die Tauglichkeit meritorischer Erwägungen zur Rechtfertigung staatlichen Handelns wird aber zu Recht abgelehnt.336 Die Berichtigung der Konsumentenentscheidungen soll dem Gemeinwohl und somit letztlich dem Einzelnen dienen. Warum aber soll die Entscheidung, welche Güter des Kunstmarkts die Bedürfnisse von A und B befriedigen, nicht von A und B, sondern „von einer mysteriösen dritten Einheit A + B“ getroffen werden?337 Wie und wieso sollen die Bedürfnisse des Demos nicht aus der Summe der Bedürfnisse seiner Angehörigen ermittelt werden?338 Speziell im Bereich Kultur ist zudem zu bezweifeln, ob die Meriten der Kunst vom Publikum tatsächlich verkannt werden, was für ein meritorischen Eingreifen jedenfalls zu fordern wäre.339 Wenn staatliches Handeln keines legitimen Ziels bedarf, sondern nur der Behauptung von Bedürfnissen, „die hauptsächlich von den die versteht, […] die Aufgabe, ein freiheitliches Kunstleben zu erhalten und zu fördern“ (Hervorhebung nur hier). Darauf, dass das Bundesverfassungsgericht die Formel von der Eigengesetzlichkeit nur im Bereich der Eingriffsverwaltung verwendet, weist auch Huster, VVDStRL 65 (2006), S. 51, 60 in Fn. 36 hin. 334 v. Hippel, DÖV 1958, S. 257, 258. 335 Huber; in: Häberle (Hrsg.), Kulturstaatlichkeit und Kulturverfassungsrecht, S. 1982, S. 122, 134; zustimmend Gullo, Religions- und Ethikunterricht im Kulturstaat, 2003, S. 80. 336 Nieder-Eichholz, Die Subventionsordnung, 1995, S. 86: „Die Konsumentenentscheidungen werden von den Meritokraten (Politikern) als inferior eingestuft und nach eigenem Gutdünken korrigiert. Eine insofern paternalistisch geprägte Begründung von Staatstätigkeiten birgt die Gefahr einer normativ grenzenlosen Ausdehnung der staatlicher (sic!) Interventionen in sich.“ 337 R. Musgrave/P. Musgrave/Kullmer, Die öffentlichen Finanzen in Theorie und Praxis, Bd. I, 1990, S. 74. 338 Immerhin zur Berücksichtigung des Publikums mahnt Leisner, VVDStRL 42 (1984), S. 124, 126, der die Konsumentenentscheidung als „plébiscite de tous les jours“ bezeichnet. 339 Gottschalk, in: Neuner/Reisch (Hrsg.), Konsumperspektiven, S. 207, 209.
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politische Verantwortung tragenden Entscheidern erkannt werden“,340 birgt dies auch im Bereich der Kulturförderung die Gefahr, dass den Interessen bestimmter Gruppen – etwa der etablierten Kunstszene oder des „Teils der Mittelschicht, der sich als kulturelle Elite versteht“341 – mehr gedient wird als der Allgemeinheit. Aus dieser Überlegung heraus leuchtet auch die Forderung von Rawls ein, Mittel zur Kunstförderung nur (nahezu) einmütig zu gewähren.342 Die bloße Behauptung, der Staat könne besser entscheiden als die Bürger, welcher Kunst das Geld der Bürger zufließt, ist auch verfassungsrechtlich bedenklich, weil damit die Bindung der staatlichen Gewalt an die Verfassung (Art. 20 Abs. 3 GG) aufgehoben würde. Das Demokratieprinzip würde leerlaufen, könnte der Kulturstaat es durch freies politisches Ermessen – wie es die Meritorik gestattet – aushebeln. Der meritorische Ansatz entbindet den Kulturstaat vielmehr endgültig von allen rechtlichen Grenzen. Es gibt für die Festlegung meritorischer Güter keine Kriterien außer „einem bestimmten subjektiven Werturteil des Entscheidungsträgers“.343 Selbst die extrem weiten Gestaltungsspielräume, die dem Kulturstaat eingeräumt werden, würden noch ausgedehnt, wenn dem Staat die Macht zugestanden würde, „nicht objektivierbare politische Präferenzen“344 als intrinsisch legitime Zwecke normativ zu setzen. Letztlich tritt im Rahmen meritorischer Begründungsmuster obrigkeitsstaatliches Staatsdenken in Reinform zutage.345 Die Rechtfertigung der Kunstförderung mit meritorischen Erwägungen lässt sich nur mit einem etatistischen Bild vom guten 340
Bohley, Die öffentliche Finanzierung, 2003, S. 25. Kirchgässner, in: Held/Kubon-Gilke/Sturn (Hrsg.), Grenzen der Konsumentensouveränität, 2013, S. 41, 46 f. 342 Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, 1975, S. 368 schlägt vor, dass Mittel für Kunst und Kultur nur durch eine besondere Institution (die „Austauschabteilung“, a.a.O., S. 316 f.) unter nahezu einmütiger Zustimmung (sog. Wicksellsches Einmütigkeitskriterium) bereitgestellt werden dürften, weil diese Leistungen nach Gerechtigkeitsmaßstäben nicht geboten seien. Priddat, Politische Ökonomie, 2009, S. 17 weist darauf hin, dass die „ex-post-Akzeptanz“ der Bürger zu meritorischen Entscheidungen nicht genüge, da darin nicht unbedingt gemeinwohlorientierte Zustimmung, sondern auch resignative Aufgabe angesichts staatlicher Machtfülle zum Ausdruck kommen könne. Ein weiterer Grund dürfte darin liegen, dass der Staat als unerschöpfliches Füllhorn angesehen wird; würde – ähnlich dem Rundfunkbeitrag – anstelle der allgemeinen Steuern eine (beispielsweise an den Wohnsitz innerhalb der Bundesrepublik anknüpfende) Kulturabgabe zur Finanzierung erhoben, wäre der Widerstand gegen die Kulturförderung sicherlich größer. 343 Wentzel, Medien im Systemvergleich, 2002, S. 62. 344 Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 2004, § 2 Rn. 122. 345 Wentzel, Medien im Systemvergleich, 2002, S. 62: „Die Theorie der meritorischen Güter bleibt letztlich vage und unscharf. Zweifelsohne schwingt bei der Diskussion um meritorische Bereiche immer der Vorwurf einer paternalistischen Bevormundung einer wie auch immer konstituierten ,Bildungselite‘ mit, die vermeintlich besser in der Lage ist als andere, über den Wert und die Wertigkeit von Präferenzen zu bestimmen.“ Offen paternalistisch Jung, Zum Kulturstaatsbegriff, 1976, S. 72 in Fn. 62: Publikumserziehung; Volkmann, DVBl. 2005, S. 1061, 1071; kritisch Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 464 f. 341
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Staat rechtfertigen, mit dem Bild des „wohlmeinenden Landesvaters“346 mit „landesväterlicher Verantwortung für das Glück der Untertanen und die Pflege der Kultur“.347 III. Hochwertige Kunst als öffentliches Gut Sieht man den Rechtfertigungsbedarf vor allem durch den „kontrafaktischen“ Charakter der Kunstförderung begründet, die die Konsumentenentscheidungen korrigiert,348 liegt es nahe, diesem ökonomischen Ansatz der Legitimationsbedürftigkeit auch einen ökonomischen Ansatz zur Rechtfertigungsfähigkeit gegenüberzustellen. Huster greift daher zur Rechtfertigung der Kunstförderung auf die wirtschaftswissenschaftliche Theorie der öffentlichen Güter zurück.349 1. Voraussetzungen der Theorie der öffentlichen Güter als Rechtfertigung der Kulturförderung Ein öffentliches Gut ist in der wirtschaftswissenschaftlichen Theorie durch NichtAusschließbarkeit von Marktteilnehmern und Nicht-Rivalität im Konsum gekennzeichnet.350 Aus Sicht der Anbieter dürfen also nicht-zahlende Marktteilnehmer nicht von der Nutzung des Gutes auszuschließen sein und aus Sicht der Nachfrager die Nutzung durch nicht-zahlende Marktteilnehmer nicht die Nutzung durch zahlende Marktteilnehmer beeinträchtigen. Zur Rechtfertigung staatlicher Kulturförderung genügt es aber nicht, Kunst oder Teile von ihr – etwa Kunstformen der Hochkultur – als öffentliches Gut einzustufen. Öffentliche Güter gibt es allenthalben; dies gilt umso mehr, je höher man das Abstraktionsniveau des Nutzens anlegt.351 Einen Nutzen für Dritte bieten nahezu sämtliche Tätigkeiten, die einen Öffentlichkeitsbezug aufweisen.352 Die Theorie der öffentlichen Güter wäre damit ein Passepartout für staatliche Übergriffe in die gesellschaftliche Sphäre.353 Es sind daher mehrere Anforderungen an die Rechtferti346
Zimmermann/Henke/Broer, Finanzwissenschaft, 2009, S. 54. Evers, NJW 1983, S. 2161, 2165. 348 Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 458 f. 349 Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 464 ff., 467 ff. 350 Zimmermann/Henke/Broer, Finanzwissenschaft, 2009, S. 50 f. 351 Zum hohen Abstraktionsniveau der positiven Effekte in der Kulturförderungsdebatte kritisch Scanlon, Columbia Journal of Law and the Arts 1984/85, S. 167, 169. 352 So trägt die Anschaffung eines Telefons oder eines Internetzugangs zum Gut „Kommunikationsinfrastruktur“, die Lektüre einer Tageszeitung zum Gut „Demokratische Kultur“, individuelle Verhaltensweisen wie Höflichkeit oder Zurückhaltung zum Gut „Gesellschaftlicher Frieden“ bei. 353 Dies gilt etwa dann, wenn alle Güter, „die unter einem öffentlichen Nutzungsregime stehen“, als öffentliche Güter definiert werden (so aber Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, S. 80); denn dann hätte es der Staat in der Hand, die Güter, „deren Versorgung im Un347
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gung mittels der Theorie der öffentlichen Güter zu stellen: Erstens müsste die Kunst überhaupt als öffentliches Gut einzustufen sein (dazu 2.). Zweitens müsste der spezifische Nutzen für Dritte vom staatlichen Eingriff abhängen. Denn wenn der gleiche Nutzen auch ohne staatliches Eingreifen bereitgestellt würde, hieße ein staatliches Eingreifen lediglich, den Anbieter, der das öffentliche Gut von sich aus am Markt bereitstellen würde, zu verdrängen und durch einen staatlich ausgewählten Anbieter zu ersetzen (dazu 3.).354 Drittens ist zu fordern, dass die Dritten, die vom Konsum des jeweiligen öffentlichen Guts, also eines Kunstwerks oder eine Gruppe von Kunstwerken, nicht ausgeschlossen werden können, auch tatsächlich den Wunsch haben, das Gut zu konsumieren. Ansonsten wäre der durch den staatlichen Eingriff bereitgestellte Nutzen ein aufgedrängter Nutzen; eine aufgedrängte Nutzung ginge aber über die Theorie der Meritorik nicht hinaus (dazu 4.). Und viertens müsste schließlich auch dieser Ansatz einem verfassungsrechtlichen Ziel dienen (dazu 5.).355 2. Kunst als öffentliches Gut; externe Effekte der Kunst a) Der Gütercharakter des einzelnen Kunstwerks Es dürfte Einigkeit bestehen, dass Marktteilnehmer vom Konsum eines einzelnen Kunstwerks ausgeschlossen werden können.356 Ein Buch kann alleine gelesen, ein Musikstück alleine oder in einer Gruppe gehört, die Türen des Theaters verschlossen werden. Zugleich ist der Genuss jedenfalls bei Überschreiten gewisser Grenzen ri-
terschied zu privaten Gütern nicht durch den Markt, sondern rechtlich-politisch, also staatlich zu regeln ist“ (ebd.), durch die Etablierung öffentlicher Nutzungsregime selbst zu bestimmen – der Gemeinwohlbezug wird dann vom Staat nicht begründet, sondern geschaffen. Äußerst kritisch zum etatistischen Hintergrund der Theorie der öffentlichen Güter Bellers, Politische Ökonomie der Medien, 2002, S. 36: „kontinentaleuropäisches Gewächs, vor allem aus der deutschen Volkswirtschaftslehre, in der man dem Staat stets eine größere Bedeutung zugemessen hat“; vgl. zu seinem Begriff des „politischen Gutes“ a.a.O., S. 13, 27 u. ö. 354 Besondere Betonung bei Nozick, Columbia Journal of Law and the Arts 1984/85, S. 162, 163; aus ähnlichen Gründen nimmt Bellers, Politische Ökonomie der Medien, 2002, S. 13 die Nicht-Bereitstellung durch Private in seine Definition des öffentlichen Gutes auf; allgemein Opielka, Aus Politik und Zeitgeschichte 12/2003, S. 21; Schrüfer, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, 2010, S. 129; vgl. auch BVerfGE 20, 162, 175. 355 Insofern ist auch Husters Kritik, die Kulturförderung müsse sich anhand ihrer Zwecke, nicht anhand der verfassungsrechtlichen Verankerung rechtfertigen (Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 446 f.), verkürzt. Entscheidend ist nach Maßgabe des Demokratieprinzips ein legitimer, aber vor allem ein verfassungsrechtlich legitimierter Zweck. 356 Bellers, Politische Ökonomie der Medien, 2002, S. 20 ff.; Dworkin, Columbia Journal of Law and the Arts 1984/1985, S. 143, 147; Frey, in: Towse (Hrsg.), A Handbook for Cultural Economics, 2003, S. 389, 391; a. A. Bechler, in: Strachwitz/Toepler (Hrsg.), Kulturförderung, 1993, S. 41, 45 f., der meint, die „Idee“ eines Kunstwerks komme allen zugute; dies ist aber nicht richtig: Ein Dritter kann die Idee eines Kunstwerks auch ablehnen, beispielsweise weil sie ihm zu fade, brutal, unsittlich oder anspruchslos ist.
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valisierend.357 Für den Kunstgenuss etwa eines Konzerts ist es keineswegs gleichgültig, ob noch ein Platz in der Mitte der sechsten Reihe358 oder lediglich im dritten Rang frei ist.359 Insofern kann bei Kunstwerken nicht von öffentlichen Gütern gesprochen werden.360 Es handelt sich um private Güter, deren Wert sich im zwischen den Parteien ausgehandelten Preis niederschlägt oder jedenfalls niederschlagen kann. Für die Einstufung eines Kunstwerks als öffentliches Gut bedarf es daher des Rückgriffs auf externe Effekte.361 b) Externe Effekte der Hochkultur Ein solcher externer Effekt soll bei hochwertigen Kunstwerken auftreten, da von ihrem Innovationsgehalt auch minderwertige Kunst profitiere;362 die Allgemeinheit der Kunstkonsumenten sei nicht von der Nutzung dieser externen Effekte auszuschließen und hinsichtlich dieser externen Effekte sei die Nutzung auch nicht rivalisierend.363 (1) Innovativität als Definiens der Hochkultur Husters Ansatz geht davon aus, dass Werke der Hochkultur durch ihren „innovativen Charakter“ definiert seien.364 Der Nachweis dieser Behauptung gelingt aber nicht. In der Kunstsoziologie werden Genres in Form einerseits und Schemata andererseits unterteilt:365 Die Form bezeichnet die in den Kunstwerken zu findenden Merkmale (etwa Harmonien oder bevorzugte Materialien), die Schemata die über die 357
Frey, in: Towse (Hrsg.), A Handbook for Cultural Economics, 2003, S. 389, 391. „Parkett, Reihe 6, Mitte“ ist ein Buchtitel des Theaterkritikers Gerhard Stadelmaier. 359 Vgl. Wentzel, Medien im Systemvergleich, 2001, S. 56: Die Rivalität bei der Nutzung hänge auch von ihrer Auslastung ab. 360 Alexy, in: Recht, Vernunft, Diskurs, 1995, S. 232, 239: Nicht das einzelne Kunstwerk, wohl aber ein „hohes kulturelles Niveau“ stelle ein öffentliches Gut dar. 361 Damit ist kein Kunstwerk ein „reines“ öffentliches Gut; denn es dient auch den Interessen der Vertragsparteien, Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 475 (insb. in Fn. 166); zur engen Verwandtschaft der öfffentlichen Güter zu Gütern mit externen Effekten Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, S. 81; Schrüfer, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, 2010, S. 130. 362 Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 467; zustimmend Lenski, Öffentliches Kulturrecht, 2013, S. 312, die dies allerdings nicht nur auf hochwertige, sondern auf Kunst allgemein bezieht. 363 Diesen Effekt nennt Huster den „kunstinternen“. Daneben erkennt er im Innovationspotential einen „kunstexternen“ Effekt zugunsten der Gesamtgesellschaft (Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 468 f.); dieser kunstexterne Effekt ist nach dem hiesigen Gang der Untersuchung jedoch unter dem Gesichtspunkt der „Angewiesenheit der Kunst auf den Staat“ (§ 6), sondern im nächsten Kapitel zur „Angewiesenheit des Staates auf die Kunst“ (§ 7) abzuhandeln. 364 So Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 467. 365 Diaz-Bone, Kulturwelt, Diskurs und Lebensstil, 2010, S. 163 ff. 358
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Kunst und ihre Formen in einer Gesellschaft zu findenden Bewertungen. Beide, Form und Schema, können statisch oder dynamisch sein. Zwischen dem dynamischen oder statischen Charakter der Form und dem dynamischen oder statischen Charakter des Schemas besteht aber kein gesetzmäßiger oder zumindest regelmäßiger Zusammenhang. Das heißt, Genres können unabhängig vom Grad des „Zwang[s] zur Forminnovation“ sowohl als Hochkultur als auch als Populärkultur bewertet werden;366 und zugleich kann sich, unabhängig von der Dynamik der Form, die Bewertung eines Genres ändern oder nicht ändern.367 Vielmehr ist festzustellen, dass ein höherer Innovationsgrad der Hochkultur schon deshalb fraglich ist, weil bald jede neue Kunstform sich ihre Zugehörigkeit zur Hochkultur erst erkämpfen musste. Vieles dessen, was heute als Hochkultur gilt, wurde zur Zeit seiner Entstehung als niedere Kunst gesehen wurde; dies gilt für das Volkstheater Shakespeares wie für den aufkommenden Roman, für neue Formen der Malerei und die Fotografie wie für Videospiele.368 Damit ist aber schon die Fähigkeit, neue Kunstformen zu entwickeln, viel eher der Populärkultur zu eigen. Und im Gegenzug war „Massenkultur“ ebenfalls „nie eindeutig zu bestimmen“.369 Zu einigen Zeiten wurde Goethe ins Visier genommen,370 zu anderen Shakespeare,371 von Adorno schließlich das gesamte Genre des Films372 und die Musikrichtung des Jazz.373 Die Gleichsetzung von Hochkultur mit innovativer Kultur ist daher keine tragfähige Basis für die Begründung einer Qualitätsförderung. (2) Die Rolle des Konsumenten für die Entstehung externer Effekte Dworkin, auf dessen Gedanken Husters Argumentation aufbaut,374 führt drei Wirkungen positiven Einflusses der Hochkultur auf die Populärkultur an: Zum einen 366
Diaz-Bone, Kulturwelt, Diskurs und Lebensstil, 2010, S. 169. Vgl. die exemplarische Tabelle bei Diaz-Bone, Kulturwelt, Diskurs und Lebensstil, 2010, S. 170; als Beispiele für statische Form und statisches Schema nennt er etwa die Oper und die Volksmusik, für statische Form und dynamisches Schema Shakespeare und den Dadaismus; als Beispiel für dynamische Form mit statischem Schema die moderne Malerei, mit dynamischem Schema Jazz und „Alternativ (sic!) Rock“. Eco bezeichnet das Kunstwerk wegen des fehlenden Zusammenhangs zwischen Form und Rezeption allgemein als „offen“ (Das offene Kunstwerk, 1973). 368 F. Müller, Freiheit der Kunst als Problem der Grundrechtsdogmatik, 1969, S. 76, 84 nennt daneben Dante, Rubens, El Greco, Rembrandt, Bach und Hölderlin. 369 Dazu Maase, Was macht Populärkultur politisch?, 2010, S. 81. 370 Maase, Was macht Populärkultur politisch?, 2010, S. 81. 371 Dazu Levine, Highbrow/Lowbrow, 1990, S. 11 ff. 372 Adorno, in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. 4, 1997, S. 26: „Aus jedem Besuch des Kinos komme ich bei aller Wachsamkeit dümmer und schlechter wieder heraus.“ 373 Adorno, in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. 10/1, 1997, S. 123, 129: „Im Jazz liegen Mechanismen, welche in Wahrheit der gesamten gegenwärtigen Ideologie, aller Kulturindustrie angehören, obenauf“; ebenso ders., a.a.O., Bd. 17, 1997, S. 74 ff. 374 Vgl. Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 467 in Fn. 136; freilich folgt Huster nicht der Schlussfolgerung Dworkins, dass die Förderung grundsätzlich nur durch die 367
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versorge die Hochkultur die „Gesamtkultur“ – zu ihr zählt Dworkin etwa auch die Werbung – mit Formen; zum zweiten mit Möglichkeiten der Bezugnahme („references“); zum dritten mit Resonanz in der Weise, dass in jeder Bezugnahme gerade auch der Wert mitschwingt, der der Hochkultur beigemessen wird.375 Einer kritischen Betrachtung halten diese Erwartungen aber nicht stand. Der Formen-, Referenz- und Resonanzvorrat einer Gesellschaft speist sich nicht nur aus der Hochkultur, sondern aus einer schier endlosen Fülle von Quellen,376 die gerade wiederum der Kunst (einschließlich der „hohen“ Kunst) als Anregung oder Inspiration dienen. Die gegenseitige Versorgung mit Möglichkeiten zur Anspielung dürfte mindestens gleichwertig sein: Es lassen sich zahlreiche Beispiele benennen, in denen die Hochkultur Formen der Gesamtkultur oder der Populärkultur übernimmt, etwa Videoelemente im modernen Theater, die Bezugnahme auf Luxusprodukte (einschließlich des Resonanzwerts, der diesen beigemessen wird), Comics oder regionale Dialekte in der Literatur377 oder auf technische Entwicklungen in der Malerei.378 Und auch die Gesamtkultur (etwa die Werbung) übernimmt deutlich mehr Vorlagen (etwa Figuren oder Musik) aus der Populärkultur als aus der Hochkultur. Dies ist selbsterklärend: Eine Bezugnahme etwa auf Schönbergs „Moses und Aron“ oder Fontanes „Schach von Wuthenow“ würde kaum Resonanzen auslösen, weil diese Werke zu unbekannt sind. Voraussetzung der Bezugnahme, wenn sie als solche erkennbar sein soll, ist also gerade eine Akzeptanz des Kunstwerks in (einem größeren Teil) der Gesellschaft. Dem Reichtum der kulturellen Struktur des Gemeinwesens ist nicht „hohe“ Kunst,379 sondern rezipierte Kunst dienlich. Kunst, die nicht nachgefragt wird, kann gerade nicht den kulturellen Vorrat bereitstellen, der ihre Förderung rechtfertigen soll – nicht zufällig sind die von Dworkin angeführten Beispiele solche von außerordentlichem Publikumserfolg, darunter mit „Hamlet“ gerade ein Beispiel von zu Hochkultur umgewerteter Massenkultur.380
indirekte, steuerliche Begünstigung etwa von Spenden und Institutionen vor sich gehen soll (Dworkin, Columbia Journal of Law and the Arts 1984/1985, S. 143, 157). 375 Dworkin, Columbia Journal of Law and the Arts 1984/1985, S. 143 ff. 376 Kritisch zu dieser „trickle down theory of culture“ auch Nozick, Columbia Journal of Law and the Arts 1984/1985, S. 162, 163 (mit dem Argument, auch der Sport stelle Metaphern bereit). 377 Man denke etwa an Christian Krachts „Faserland“, Umberto Ecos „Die geheimnisvolle Flamme der Königin Loana“ und die Romane Hans Falladas. 378 Vgl. Gombrich, Die Geschichte der Kunst, 2001, S. 342, zur gegenseitigen Beeinflussung von technischem Fortschritt und Malerei: Gemälde mit Windmühlen würden uns veranlassen, Windmühlen als „malerisch“ zu empfinden. 379 Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 468: „,große‘ Kunstwerke“. 380 Levine, Highbrow/lowbrow, 1990, S. 11 ff.; zusammenfassend Diaz-Bone, Kulturwelt, Diskurs und Lebensstil, 2010, S. 156 ff.
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(3) Externe Effekte geförderter Kultur als stillschweigende Prämisse Die positiven Effekte treten mithin nur beim und durch Konsum auf. Wie auch Huster zu Recht feststellt, gehen von populärer Kultur daher selbstverständlich auch Einflüsse auf die Hochkultur aus, nur bedürfe „die Populärkultur eben keiner Förderung, um diese Funktion erfüllen zu können“.381 Mit der Anerkennung des innovativen Charakters der Populärkultur entfernt Huster sich aber vom selbst gewählten Ansatz. Wenn sowohl Hoch- als auch Populärkultur innovativen und einander inspirierenden Charakter haben, dient die Finanzierung der Hochkultur nicht mehr der Kompensation positiver Effekte,382 sondern ist allein eine Korrektur des Marktergebnisses. Wenn gerade die positiven Effekte einer innovativen Kunst es rechtfertigen, dass „alle Bürger an ihrer Finanzierung beteiligt werden“,383 müsste dies auch für die innovative Kunst gelten, die sich am Markt finanzieren kann. Damit wird offenbar, dass nicht die Hochkultur als besonders innovativ eingestuft wird, sondern gerade die Kunst, die mangels ausreichender Nachfrage der staatlichen Unterstützung bedarf – also geförderte Kunst. Die Internalisierung positiver externer Effekte ließe allein den Schluss auf eine indirekte Förderung zu.384 Nicht eine Produktionsförderung, sondern nur Begünstigung der Nachfrage wäre gerechtfertigt. Mit der Förderung dagegen sollen nicht externe Effekte internalisiert, sondern geschaffen werden. Die tatsächlich zugrunde liegende Annahme ist also, dass Kunst, die am Markt erfolgreich ist, weniger innovativ ist. Damit stellt sich die Frage, ob die staatliche Förderung zur Bereitstellung einer innovativen Kultur erforderlich ist.385 3. Erforderlichkeit staatlicher Kunstförderung a) Mangelnde Innovativität nicht geförderter Kunst Die Behauptung, geförderte Kunst sei innovativer, spiegelt sich in der Behauptung, eine nur am Publikum orientierte Kunst sei weniger innovativ.
381 Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 467 in Fn. 140; vgl. auch a.a.O., S. 474: Die Förderung gesellschaftlich etablierter Kunst sei problematisch, wenn diese vom Markt getragen werde. 382 So aber das selbst gesetzte Ziel: Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 469 f. 383 Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 470. 384 So auch Dworkin, Columbia Journal of Law and the Arts 1984/1985, S. 143, 157 aus der Erwägung heraus, die kulturelle Struktur „as a whole“, nicht „what officials take to be excellence“ sei Basis der staatlichen Förderung. 385 Vgl. etwa die Ausführungen des Sachverständigen Heinz Rudolf Kunze im Schlussbericht der der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“, BT-Drs. 16/7000, S. 232: „Wagemut, Neugier, Innovationskraft […] können nur ausgelebt werden, wenn modernes Mäzenatentum dahintersteht – oder […] finanzielle Unabhängigkeit.“
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Bei einem Wegfall der staatlichen Kunstförderung wird ein Niveauverlust der Kunst befürchtet, der sich vor allem in einer geringeren Pluralität zeigen soll,386 da das Publikum „immer das Gleiche“ verlange.387 Das Publikumsversagen, das Versagen der Bürger in ihrer staatlich ungesteuerten Gesamtheit, wird also auf den Publikumsgeschmack selbst zurückgeführt.388 Der Drang der Kunst, sich weiterzuentwickeln,389 soll unter den Bedingungen des Marktes verhindert oder gebremst werden. (1) Das Publikum als Hemmnis der Innovation Es ist bereits der Prämisse zu widersprechen, auf der die Behauptung aufbaut, der Künstler müsse vor dem Publikum geschützt werden. Das Publikum ist keineswegs die homogene Masse, die diese Aussage unterstellt.390 Die Aussagen über den Kunstgeschmack der „Masse“ offenbaren eine gehörige Arroganz gegenüber „populärer“ Kultur, gegenüber dem Publikum und damit gegenüber dem Bürger, die sich kaum rechtfertigen lässt.391 Schon die Rede von „dem“ Publikum spiegelt ein Gesellschaftsbild wider, das eine (in diesem Fall: ästhetische) Elite einer (weil ästhetisch gleichgültigen und geschmacklich undifferenzierten) lenkungsbedürftigen und auch lenkbaren Masse gegenüberstellt. Dieses Gesellschaftsbild verbindet sich mit 386 Grimm, VVDStRL 42 (1984), S. 46, 69, 75; vgl. Steiners Aufzählung legitimer kulturpolitischer Ziele: „Pluralismusvorsorge als Stärkung der kulturellen Vielfalt angesichts der Gefahren einer massenmedial vermittelten Einheitskultur, Ausgleichs- und Sanierungsfunktionen gegenüber kommerziellen Erscheinungen des Kunst- und Kulturmarkts, Publikumsvorsorge für nachfrageschwache Kunst“ (VVDStRL 42 (1984), S. 7, 31 f.). Pluralismusvorsorge streben auch an Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 253 f.; Häberle, in: ders. (Hrsg.), Kulturstaatlichkeit und Kulturverfassungsrecht, 1982, S. 1, 46 ff.; Hufen, Die Freiheit der Kunst in staatlichen Institutionen, S. 239 ff.; Knies, Bitburger Gespräche 1977/78, S. 141, 156. 387 Grimm, VVDStRL 42 (1984), S. 46, 69; große Skepsis gegenüber dem Publikum auch bei Graul, Künstlerische Urteile im Rahmen der staatlichen Förderungstätigkeit, 1970, S. 79 ff.; Ridder, Freiheit der Kunst nach dem Grundgesetz, 1963, S. 24; Schäuble, Rechtsprobleme der staatlichen Kunstförderung, 1965, S. 197. 388 F. Müller, Die Freiheit der Kunst als Problem der Grundrechtsdogmatik, 1969, S. 79: Das Publikum schwärme (seit 1800) für die Kunst aus der Zeit seiner Großmutter. Wäre es so, würden wir heute Musik aus den dreißiger Jahren hören, Stumm- und Schwarzweißfilme schauen und Bücher in Frakturschrift lesen. In Wahrheit ist es genau andersherum: Allein die „Kunstszene“, vor allem Galerien und Kunstkritik, nimmt neue Kunstformen (Film, Comics, Videospiele, etc.) nur zeitversetzt auf. Ablehnend auch Heuer, Die Besteuerung der Kunst, 1984, S. 85 in Fn. 400. 389 Gombrich, Die Geschichte der Kunst, 2001, S. 8. 390 Kritisch Eco, Apokalyptiker und Integrierte, 1986, S. 25 zur Reduktion des Konsumenten auf den „Massenmenschen“. 391 Vgl. Eco, Apokalyptiker und Integrierte, 1986, S. 40 f.; als Kontrollfrage bietet sich an: „Ist mein Begriff des Publikums dergestalt, dass ich mich selbst und mein Umfeld darunter zählen würde?“ Diese Kontrollfrage müsste etwa verneinen Adorno, in: Tiedemann (Hrsg.), Gesammelte Schriften, Bd. 17, 1997, S. 74, 80: „Je demokratischer der Jazz, umso schlechter wird er.“
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einem etatistischen Denken, wenn demgegenüber dem fördernden Staat der Schutz der Vielfalt und Echtheit der Kunst zugesprochen wird.392 Huster etwa begründet seine Skepsis gegenüber dem Markt und dem Publikum mit einem Zitat Hausers über den Kunstgeschmack der „unbegünstigten, wirtschaftlich und kulturell negativ privilegierten Schichten“.393 Wollte man nicht die Gesamtheit des Publikums und damit der Bürger mit benachteiligten Gesellschaftsschichten gleichsetzen, wäre damit aber eher das Gegenteil belegt: Die von Huster befürchtete Gefährdung der Hochkultur wäre gar nicht gegeben, da der große nicht „wirtschaftlich und kulturell negativ privilegierte“ Teil der Gesellschaft seinen Vorlieben ja weiterhin ungestört und zum Wohl der Kultur nachgehen könnten.394 Auch wenn die Kunst einem „plébiscite de tous les jours“ der Kunstkonsumenten überlassen würde,395 ist nicht zu erwarten, dass nur triviale Kunst nachgefragt würde.396 Ob es den „modischen Geschmack“ überhaupt je gab, sei dahingestellt. Zumindest in der ausdifferenzierten Moderne lassen sich jedenfalls kaum Präferenzen feststellen, die ein einmütiges Publikum an die Kunst stellt. Auf dem Feld der Kunst stehen sich auch nicht allein Anbieter und Nachfrager gegenüber. Das Publikum ist keineswegs die einzige Quelle, aus der der Künstler
392 Kritisch Walkenhaus, Konservatives Staatsdenken, 1997, S. 363 ff. zum etatistischen Ansatz von Hubers Kulturstaatskonzept. 393 Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 455 in Fn. 102 mit Hinweis auf Hauser, Soziologie der Kunst, 1988, S. 619; ebenso (und auf den gleichen Beleg gestützt) die späteren Ausführungen zum Publikum, a.a.O., S. 462 f. 394 Huster zieht dies an anderer Stelle selbstkritisch in Erwägung (Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 475 in Fn. 169; anders hingegen ders., VVDStRL 65 (2006), S. 51, 61): „Zum einen ist der Markt häufig in ästhetischer Hinsicht viel innovativer gewesen als die staatliche Kulturpolitik; zum anderen müßte man überlegen, ob die staatliche Kulturpolitik nicht gerade die Märkte zerstört, auf denen auch innovative Künstler ihr Auskommen finden könnten.“ Auch der von Huster herangezogene Hauser ist nicht generell als Vertreter einer publikumsskeptischen Haltung einzustufen, vgl. unten § 6 B. III. 3. a) (2). 395 So die Anregung von Leisner, VVDStRL 42 (1984), S. 124, 126; Anhaltspunkte für den Ausgang eines solchen Plebiszits bietet die von Wolf-Csanady, Wertewandel und Kulturpolitik in der BRD und Österreich, 1996, S. 223, zitierte deutsch-österreichische Studie über förderungswürdige Kunst: Die Liste führten Goethe, Mozart und Picasso an, gefolgt, dies soll nicht verschwiegen werden, von Volksliedern und Karneval. 396 Davon geht auch die Filmförderungspolitik des Bundes aus. Das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 25. Februar 2009, 6 C 47.07 Rn. 18 ff.) hat das Filmförderungsgesetz auf die Wirtschaftskompetenz des Bundes (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 i.V.m. Art. 125a Abs. 2 Satz 1 und Art. 72 Abs. 2 (a.F.) GG) gestützt; die „kulturelle Motivation des Gesetzgebers [trete] hinter dem im Wege der objektiven Auslegung zu erschließenden Hauptzweck des Gesetzes, der es als ein Wirtschaftsförderungsgesetz kennzeichnet, zurück“ (Rn. 20). Die im Gesetz vorgesehene vereinfachte Förderung für Filme, die Preise oder Festivalerfolge nachweisen können, stelle zwar auf die künstlerische Qualität ab; diese habe jedoch „eine dienende Bedeutung, und zwar in Bezug auf den wirtschaftlichen Erfolg des deutschen Films“ (Rn. 18). Damit wird dem Publikum die Eigenschaft zugesprochen, vor allem künstlerisch anspruchsvolle Filme nachzufragen.
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Einkommen erhalten kann.397 Die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ unterscheidet zusammenfassend zwischen vier kulturwirtschaftlichen Tätigkeitsarten: dem kulturpolitischen Engagement der öffentlichen Hände (gekennzeichnet durch Tätigwerden im öffentlichen Interesse und Verluste), profitablem privatem öffentlichem Engagement (gekennzeichnet durch öffentliches Interesse und Gewinne), privatem mäzenatischem Engagement (gekennzeichnet durch privates Interesse und Verluste) und privater Kulturwirtschaft (gekennzeichnet durch privates Interesse und Gewinne).398 Gerade der privaten Kunstförderung – durch wirtschaftliche Sponsoren (wie auch gegenwärtig als Co-Finanzierung zur staatlichen Förderung weit verbreitet399), Stiftungen, private Spender und Kunst(förder)vereine400 – wird dabei zu Recht eine innovativere, der staatlichen eine bewahrende Tendenz zugesprochen.401 Ergänzend können sich die Künstler selbst organisieren und in freien Zusammenschlüssen ihre Interessen – nicht zuletzt, wie etwa im Reichswirtschaftsverband bildender Künstler Deutschlands, ihre finanziellen Interessen – durch gegenseitige Unterstützung und Absicherung verfolgen.402 Solche Zusammenschlüsse zielen darauf ab, Aufmerksamkeit durch Gruppenbildung zu erlangen403 und so eine Art kulturökonomischer Konglomerationsvorteile zu erlangen. Führt man sich die Vielzahl potentieller Finanzierungsalternativen durch Publikum, zivilgesellschaftliche und unternehmerische Förderung und selbstorganisierte Organisation der Künstler vor Augen, ist kaum anzunehmen, dass die Innovationsfähigkeit der Kunst in dem Maße von (den Geschmack des Publikums auszugleichen gesinnter) staatlicher Förderung abhängt, wie vielfach angenommen wird. Voraussetzung einer gesellschaftlichen Finanzierung ist allerdings, dass sich überhaupt ein Bedürfnis nach der angebotenen künstlerischen Darbietung findet. An397
Die Bedeutung der Zivilgesellschaft betonen Hutter, in: Rauhe (Hrsg.), Kulturmanagement, 1994, S. 57, 66; Rushton, The Journal of Arts Management, Law, and Society 2003, S. 85, 89 f. 398 Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“, BT-Drs. 16/7000, S. 345. 399 Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“, BT-Drs. 16/7000, S. 200. 400 Typologie bei Schaub, Sponsoring und andere Verträge zur Förderung überindividueller Zwecke, 2008, S. 89 ff.; Überblick bei Willnauer, in: Rauhe (Hrsg.), Kulturmanagement, 1994, S. 106 ff.; umfassend Fohrbeck, Renaissance der Mäzene?, 1989; zu Kunstvereinen s. auch Geißler, Kunstförderung nach Grundgesetz und Recht der EG, 1995, S. 22 f. und Anhang I. 3. 401 Schaub, Sponsoring und andere Verträge zur Förderung überindividueller Zwecke, 2008, S. 170 f.; zum Vergleich staatlicher und privater Kunstförderung siehe auch Geißler, Staatliche Kunstförderung nach Grundgesetz und Recht der EG, 1995, S. 18 ff., 26. 402 Vgl. dazu v. Beyme, Das Zeitalter der Avantgarden, 2005, S. 181 ff.; Beispiele sind im Bereich der bildenden Kunst der Verein Düsseldorfer Künstler zur gegenseitigen Unterstützung und Hilfe, die Deutsche Kunstgenossenschaft, der Reichswirtschaftsverband Bildender Künstler; im Bereich der darstellenden Kunst etwa der Verlag der Autoren und der Filmverlag der Autoren. 403 Schwietring, in: Kneer/Schroer, Handbuch Spezielle Soziologien, 2010, S. 221, 226.
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haltspunkte, dass der Staat ganz andere, bessere Kunst fördern würde als die Kunst, die die privaten Akteure finanzieren würden, gibt es nicht – und würde er dies, wäre sein Handeln wohl kaum von den Interessen der Allgemeinheit bestimmt. (2) Tatsächliche Gleichförmigkeit nicht geförderter Kunst Diesem (eher theoretischen) Befund widerspräche es, wenn sich trotz der Vielfalt des Publikums und der Finanzierungsmöglichkeiten der Kunst im Ergebnis tatsächlich eine Gleichförmigkeit nicht geförderter Kunst feststellen ließe. Dies ist aber nicht der Fall. Ob etwas gleich ist, hängt immer davon ab, wie genau man hinsieht und wie man das Verhältnis der Vergleichsgruppen bewertet. Selbstverständlich entwickeln sich auch etwa U-Musik, Film404 und Fernsehserien405 weiter. Nun mag man die immergleiche Wiederkehr von Motiven in Theater, Oper und Literatur als Anspielung, Anknüpfung und kreative Bezugnahme ansehen, die immergleiche Wiederkehr von Motiven in der Massenkultur hingegen als kulturelle Verarmung, Veränderungen bei jenen als Stilentwicklung in einem kulturellen Prozess bewerten, Veränderungen bei diesen als „Abklatsch“ in rein kommerziellem Interesse.406 Die Befreiung der Kunst vom Publikum durch staatliche Förderung erscheint, wenn man dem folgt, als ein Weg, der Kunst zur „ungestörten“ Entfaltung zu verhelfen. Dabei impliziert die Gleichsetzung von innovativer und geförderter Kultur,407 dass jede künstlerische Innovation (zunächst) keinen Markterfolg hat. Selbst wenn man 404
Ganze Hochschulen, die sich mit dem Film beschäftigen, mögen als Beleg ausreichen, dass der Film nicht seit seiner Entstehung gewohnte Schemata in zyklischen Abwandlungen präsentiert; es ist etwa nicht jeder Film des Western-Genres gleich und „standardisiert“ (so aber Adorno, in: ders.,Gesammelte Schriften, Bd.10/I, 1997, S. S. 337, 339). 405 Gerade das vielgescholtene amerikanische Fernsehen hat in neuerer Zeit eine enorme Aufwertung erfahren. Die Rede ist vom „letzten großen Innovationsformat der amerikanischen Kulturindustrie“; die Bereitstellung differenzierter kultureller Identifikationsmuster rechtfertige es, vom Übergang vom „broadcasting“ zum „narrowcasting“ zu sprechen (Frank Kelleter, Serien als Stresstest, F.A.Z. vom 4. 2. 2012). 406 In diese Richtung etwa Bourdieu, in: Schultheis/Egger (Hrsg.), Kunst und Kultur, 2011, S. 15, 60: „nachgeahmte Kultur“ sei minderwertiger „Ersatz für die legitime Kultur“; zu Recht anders Eco, Apokalyptiker und Integrierte, 1986, S. 40 f.: „Sie [die Auffassung, jede Kommerzialisierung sei eine Banalisierung] spiegelt […] eine fatal aristokratische Geschmacksauffassung. Ist denn wirklich ausgemacht, daß eine Schreibweise, eine Darstellungsform, eine Kompositionsmethode nur dann Gültigkeit beanspruchen dürfen, wenn sie mit der Tradition brechen und deshalb bloß von wenigen Auserwählten gewogen, erkannt, verstanden werden können? Und muß ein bedeutsames Stilelement, sobald es in neuen Zusammenhang gerückt und ,popularisiert‘ wird, notwendig seine Kraft und seine Funktion einbüßen? Angenommen, es habe auch dann noch eine Funktion: Ist sie zwangsläufig von geringerem Wert, d. h. erschöpft sie sich darin, unter Vorspiegelung formaler Neuheit grobschlächtige Interessen, ungehobelte Geschmacksbedürfnisse und sklerotische Gefühlsregungen zu bedienen?“. 407 Vgl. die implizite Gleichsetzung bei Huster, Die ethische Neutralität des Staats, 2002, S. 474: Die Förderung „ästhetisch konventioneller oder eher trivialer Kunst“ sei keine Reaktion darauf, dass diese „nicht vom Markt getragen wird“.
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die gesellschaftliche Zurechnung eines Kunstwerks zur Hochkultur als substanziell, als „wahr“ ansieht, lässt sich aber zwischen dieser Bewertung und dem Markterfolg oder der „Massentauglichkeit“ eines Kunstwerks oder Genres kein Zusammenhang feststellen.408 Es lässt sich kein Rückschluss ziehen von fehlender Akzeptanz beim Publikum und daraus abgeleiteter Förderungsbedürftigkeit auf die Qualität, Originalität oder Komplexität eines Kunstwerks oder einer Kunstrichtung.409 Dies findet in älteren und neueren Beispiele der Kunstgeschichte seine Bestätigung, die zeigen, dass eine am Publikumsgeschmack ausgerichtete Kunst nicht zu allen Zeiten und auch nicht im Rückblick als schädlich für die Entwicklung und Vielfalt der Kunst eingestuft wurde.410 Burckhardt stellt der antiken griechischen Kunst, die den Wandel in der Gottesvorstellung von „schrecklichen Mischwesen“ mit Tierköpfen zu Göttern in menschlicher Gestalt begleitet und beflügelt hat, andere damalige Gesellschaften gegenüber, in denen der Priesterstand als dauernde Macht „tyrannisch irgendeine bildliche Auffassung des Göttlichen erzwungen und in dieser Gestalt festgehalten“ habe.411 Die gerade im zeitgeschichtlichen Vergleich „erstaunliche […] Blüte“ der griechischen Kunst sei vor allem ihrer Freiheit zu verdanken. Demgegenüber tendiere Kunst unter Herrschaftseinfluss zur Stagnation. Das der Kunst eigene Erneuerungsbedürfnis werde unterdrückt und die Kunst zur Wiedergabe einer gesetzten Gegenwart herangezogen.412 Interessant ist der Grund, den Burckhardt dafür nennt: „Bei den Griechen wurde die Kunst schon sehr früh unabhängig von den Forderungen der Religion und der Prachtliebe der Mächtigen um des bloßen Gefallens willen geschaffen. Sie entsprach dem enormen quantitativen Kunstbedürfnis der Nation.“413
Ganz ähnliche Feststellungen trifft Hauser in seinen Ausführungen zum griechischen Theater: „Das wirkliche Volkstheater war der Mimus, der keine Subventionen bezog […] und seine Richtlinien einzig und allein aus der eigenen unmittelbaren Erfahrung mit dem Publikum schöpfte. Die Mimen […] stammten aus dem Volke, teilten den Geschmack des Volkes und schöpften ihre Lebensweisheit aus dem Volke. Dieses unprätentiöse naturalistische 408 Diaz-Bone, Kulturwelt, Diskurs und Lebensstil, 2010, S. 153. Zu den reichen Hervorbringungen der Malerei der Renaissance gerade in ökonomischen Austauschbeziehungen Baxandall, Die Wirklichkeit der Bilder, 1977, pass. 409 Eco, Apokalyptiker und Integrierte, 1986, S. 52 f. 410 Etwa Lange, Das Wesen der Kunst, 1907, S. 49: „Das Ideal, dem auch die großen Blütezeiten verhältnismäßig nahe gekommen sind, wird immer das sein, daß die Kunst, die ihren Schöpfer befriedigt, auch seinem Publikum Genüge leistet.“ Vgl. allgemein zum Verhältnis von Staat und Kultur Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 14 f.: Kulturgemeinschaften haben sich auch ohne Staatlichkeit entwickelt und gehalten. 411 Burckhardt, Das Geschichtswerk, Bd. II, 2007, S. 455. 412 Vgl. Burckhardt (Das Geschichtswerk, Bd. II, 2007, S. 483) über Platos Lob der (über bald drei Jahrtausende im Wesentlichen unveränderten) ägyptischen Kunst: Der Künstler solle nach dessen Auffassung nicht „neuern“, sondern das „Vaterländische“ wiedergeben. 413 Burckhardt, Das Geschichtswerk, Bd. II, 2007, S. 459 (Hervorhebung nur hier).
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Volkstheater hatte eine viel längere und geschlossenere Entwicklung hinter sich und konnte eine viel reichere und mannigfaltigere Produktion aufweisen als das offizielle Theater, nur gingen uns seine Schöpfungen fast restlos verloren.“414
Auch „große“ Stücke der klassischen Musik sind nicht zuletzt dem Markt zu verdanken. Die Musik war – abgesehen von der immer parallel existierenden volkstümlichen Musik – bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts vor allem Auftragsmusik. Die Stücke der Komponisten wurden für einen Anlass bestellt und nur bei diesem aufgeführt. Dies änderte sich, als durch Eintrittsgelder finanzierte öffentliche Konzerte (collegia musica) stattfanden;415 diese wurden geschrieben, um so oft wie möglich vor Publikum aufgeführt zu werden. Die Musik richtet sich als „Ware“ nun nach dem Geschmack des Publikums.416 Zugleich aber besteht für die Komponisten nunmehr der Anreiz, „unvergängliche Werke“ zu schaffen. Die Mühen, die für jedes Stück aufgewendet wurden, lassen sich daran ablesen, dass Haydn noch hundert Sinfonien geschrieben hat, Mozart die Hälfte, und Beethoven nur noch neun.417 Besonders deutlich wird die Pluralität des Marktes im Bereich der Musik im 20. Jahrhundert. Weite Teile der Musik – etwa der Jazz – sind ohne staatliche Förderung zustande gekommen und haben eine nie da gewesene Vielfalt an Stilen entwickelt. Gleiches gilt für die Literatur. Obwohl heute durch zahlreiche Preise und Stipendien staatlich unterstützt, ist die Literatur im Kern nach wie vor „eigenwirtschaftlich“ organisiert.418 Die Literatur (nach heutigem Begriffsverständnis) war schon immer eine Marktkunst,419 die mit dem Auftreten „kulturindustrieller“ Verleger als Auftraggeber, die die Werke am Markt verteilten, erst zu wahrer Blüte gelangte.420
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Hauser, Sozialgeschichte der Kunst und Literatur, 1990, S. 88; demgegenüber sei die jüngere Tragödie ein Propagandainstrument der Polis: „Die Tragiker sind Staatsstipendiaten und Staatslieferanten; der Staat entlohnt sie für die aufgeführten Stücke, lässt aber natürlich nur solche aufführen, die seiner Politik und den Interessen der herrschenden Schichten entsprechen. Die Tragödien sind Tendenzstücke und wollen auch nicht anders erscheinen“ (S. 89). 415 Hauser, Sozialgeschichte der Kunst und Literatur, 1990, S. 596. 416 Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, 1990, S. 101. 417 Hauser, Sozialgeschichte der Kunst und Literatur, 1990, S. 598; dieser rein quantitative Vergleich wird übrigens nicht dadurch entkräftet, dass Mozart und Beethoven kürzer lebten als Haydn, da auch Haydn gegen Ende seines Lebens aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr komponierte. Seine bis heute erfolgreichsten Werke komponierte Haydn übrigens, wie die Wikipedia im Artikel über ihn schreibt (Abruf am 6. 2. 2015), in seiner Phase als „unternehmerischer“ Komponist. 418 Vandenrath, Kulturpolitische Mitteilungen II/2005, S. 22 f. 419 Zur Entwicklung der Literatur frei von staatlicher Förderung Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 131 ff. 420 Vgl. Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit 1990, S. 97 f.
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2. Teil: Legitimationsfähigkeit staatlicher Kunstförderung
Auf dieser (geschichtlichen) Grundlage lässt sich sagen, dass die höhere Innovationsfähigkeit gerade der marktförmigen, publikumsorientierten Kunst zukommt.421 (3) Mangelnde Innovationskraft der Kunst durch kulturindustrielle Strukturen der Gegenwart Diese Beispiele für die Innovationspotentiale publikumsorientierter Kunst lassen sich freilich dann nicht auf die Gegenwart übertragen, wenn sich die Rahmenbedingungen der Kunst geändert haben.422 Wie beim Schutz der Freiheit der Kunst ist auch in Bezug auf die Qualität der Kunst von den Gefahren der „Kollektivsysteme sozialer Macht“423 die Rede.424 Die geringe Wertschätzung des Publikums beruht nicht zuletzt darauf, dass dieses als gesteuertes Objekt der in der späten Neuzeit vermeintlich aufgekommenen „Kulturindustrie“ eingestuft wird.425 Damit spricht man (nur) den heutigen Konsumenten ihre Entscheidungsfähigkeit ab. Ihre Entscheidung soll unterbewusst gelenkt werden durch eine Kulturindustrie, die die menschlichen Schwächen zu Lasten der Kultur für ihre Zwecke nutzt. Auch für die Gegenwart spricht allerdings in Zahlen426 einiges dafür, dass die staatliche Kunstförderung wenig Erfolge für die Innovativität der Kunst zeigt, während sich die Bilanz der „Kulturindustrie“ durchaus sehen lassen kann: Im internationalen Vergleich liegen Großbritannien und die USA vor Deutschland und Frankreich, was den Anteil der Künstler an der Bevölkerung ausmacht, obwohl sie, was die staatliche Finanzierung angeht, weit hinter ihnen zurückbleiben.427 Dass die 421
Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 475 in Fn. 169. Für die Erforderlichkeit staatlicher Kulturförderung (erst) unter den gesellschaftlichen Bedingungen der Moderne Herzog, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, 2006, § 72 Rn. 80; Maihofer, in: Benda/ders./Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 1994, § 25 Rn. 46 f.; Pabel, Grundfragen der Kompetenzordnung im Bereich der Kunst, 2003, S. 167. 423 Huber, in: Häberle (Hrsg.), Kulturstaatlichkeit und Kulturverfassungsrecht, 1982, S. 122, 127; nach Ansicht Hubers bilden sich in der „modernen Gesellschaft“ allenthalben „Monopole und Oligopole – nicht nur im wirtschaftlichen, sondern auch im kulturellen Bereich“ heraus (ebd.). 424 Es bleibt allerdings meist im Dunkeln, ob Freiheits- oder Qualitätsbedrohungen die Kunstförderung rechtfertigen sollen. 425 Exemplarisch H. Thurn, in: Heinze (Hrsg.), Kultur und Wirtschaft, S. 111, 120: „Mehr Zeit als fürs Bücherlesen wird […] vor dem Fernsehgerät verbracht, beim fragwürdigen Genuß von Unterhaltungssendungen, deren serielle Darbietungen sich die Suchtveranlagung des Menschen zunutzemacht, um ihn in kulturindustrielle Abhängigkeiten zu bringen und ihn darin zu halten“ (Hervorhebung nur hier). 426 Vergleiche den Überblick bei v. Beyme, Kulturpolitik und nationale Identität, 1998, S. 20 ff. Beyme bemängelt, die Daten genügten nicht immer wissenschaftlichen Evaluationsanforderungen; die folgenden Vergleiche lassen sich aus diesen Zahlen aber ohne Weiteres entnehmen. 427 v. Beyme, Vergleichende Politikwissenschaft, 2010, S. 270 f., 272. Weitaus höhere Zahlen weisen nur die Niederlande und Norwegen auf, die eine umfangreiche wohlfahrts422
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große Anzahl nicht nur Kunst minderer Qualität schafft, zeigt der Bereich des Films: Trotz der Ablehnung gerade der amerikanischen Filmkultur („Blockbuster-Kino“; „Filmfabrik Hollywood“) sind im Filmkanon der Bundeszentrale für politische Bildung, der von einer Kommission aus (deutschen) Filmregisseuren ausgewählt wurde, amerikanische Filme mit 13 von 35 Filmen (davon sechs unter den ersten zehn) am häufigsten vertreten.428 Die Theorie der Kulturindustrie429 erfüllt alle Merkmale einer „Verschwörungstheorie“. Die Kulturwelt soll (wenn sie staatlicher Korrektur entbehrt) von mächtigen Interessengruppen gesteuert sein, die, verdeckt, planmäßig und im Gleichlauf, ihre eigennützigen Ziele verfolgen durch Manipulation aller Unwissenden, d. h. all derer, die der Theorie der Kulturindustrie nicht folgen. Die „Kulturindustrie“ soll also imstande sein, die am Markt angebotene Kunst und durch Steuerung des Publikums auch die Nachfrage zu bestimmen.430 Die rein kommerziellen Interessen431 sollen dazu führen, dass nur eine quantitative, keine qualitative Vielfalt bereitgestellt wird:
staatliche Künstlerförderung betreiben. Allerdings sind beide Länder dadurch nicht zu „Bannerträger[n] der Avantgarde“ geworden; man wird auch bei der sozialen Künstlerförderung „gewisse Mitnahmeeffekte“ nicht ausschließen können (v. Beyme, Kulturpolitik und nationale Identität, 1998, S. 13). Ein sehr deutliches Beispiel gescheiterter Kunstförderung aus den Niederlanden ist eine Maßnahme zur Förderung der Malerei: Auf Druck niederländischer Maler wurden staatliche Stellen verpflichtet, Bilder anzukaufen. von Beyme spricht von einer „Überschwemmung staatlicher Gebäude mit mittelmäßiger Kunst“ als Folge (ebd., S. 12 f.). Knapp 30 Jahre später wurden die Künstler aufgefordert, ihre Bilder abzuholen; die nicht abgeholten Werke wurden vernichtet (v. Beyme, Vergleichende Politikwissenschaft, 2010, S. 272). 428 www.bpb.de/gesellschaft/kultur/filmbildung/filmkanon (Abruf am 6. 2. 2015). 429 Grundlegend die Ausführungen zur „Kulturindustrie – Aufklärung als Massenbetrug“ von Adorno und Horkheimer, in: Adorno, Gesammelte Werke, Bd. 3, 1997, S. 141, 148: „Die Gewalt der Industriegesellschaft wirkt in den Menschen ein für allemal. Die Produkte der Kulturindustrie können darauf rechnen, selbst im Zustand der Zerstreuung alert konsumiert zu werden. Aber ein jegliches ist ein Modell der ökonomischen Riesenmaschinerie, die alle von Anfang an, bei der Arbeit und der ihr ähnlichen Erholung, in Atem hält. Jedem beliebigen Tonfilm, jeder beliebigen Radiosendung läßt sich entnehmen, was keiner einzelnen, sondern allen zusammen in der Gesellschaft als Wirkung zuzuschreiben wäre. Unweigerlich reproduziert jede einzelne Manifestation der Kulturindustrie die Menschen als das, wozu die ganze sie gemacht hat. Darüber, daß der Prozeß der einfachen Reproduktion des Geistes ja nicht in die erweiterte hineinführe, wachen alle seine Agenten, vom producer bis zu den Frauenvereinen.“ Ebenso Adorno, in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. 10/1, 1997, S. 337, 337; skeptisch zur Rolle der Massenmedien auch Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, 1990, S. 248 ff. Angenehm ironisierend an den Begriff der „Riesenmaschinerie“ angelehnt der (mit dem Grimme-Preis ausgezeichnete) Blog www.riesenmaschine.de. 430 „In all ihren Sparten [denen der Kulturindustrie] werden Produkte mehr oder minder planvoll hergestellt, die auf den Konsum durch Massen zugeschnitten sind und in weitem Maß diesen Konsum von sich aus bestimmen […] Kulturindustrie ist willentliche Integration ihrer Abnehmer von oben“ (Adorno, in: Tiedemann [Hrsg.], Gesammelte Schriften, Bd. 10/I, 1997, S. 337, 337). 431 Adorno, in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. 10/1, 1997, S. 337, 338.
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„Erfolgreiche Muster werden kopiert und führen zu einer Vermehrung des Gleichartigen.“432 Die Manipulationsfähigkeit der Konsumenten muss allerdings bezweifelt werden. Es passt schlecht zum Bild der Demokratie, wenn der Souverän gegenüber der Kulturindustrie eine Masse folgsamer Konsumenten bildet, die sich den Vorgaben dieser gleichsam willenlos unterwirft.433 Trotz der Bedeutung der Werbung, die sicher durch finanzstarke Kunstveranstalter erfolgreicher geschaltet werden kann als durch finanzschwache, liegt die Entscheidung über den Erfolg eines Kunstwerks letztlich doch immer auf Seiten der Nachfrage. Der Kunstmarkt ist eben nicht einer zentralen Steuerung zugänglich, wie es die Theorie der „allmächtigen“ Kulturindustrie voraussetzt. Der Filmmarkt etwa als Paradebeispiel einer „Kulturindustrie“ ist voller Beispiele gescheiterter Großprojekte.434 Einer Steuerung steht aber nicht nur die Entscheidungsfreiheit der Konsumenten entgegen, sondern auch die der Kulturschaffenden: Kunst entsteht häufig in Zusammenarbeit vieler, sei es im Orchester, im Theater, im Film und sogar in der Literatur, wo Autoren, Verleger und Lektoren Einfluss auf das Endprodukt haben. Eine nur auf Profit ausgerichtete Kulturindustrie könnte den zahlreichen Mitwirkenden, die sich ja oft gerade aus idealistischen Gründen entschieden haben, im kulturellen Bereich tätig zu werden, kaum befriedigende Perspektiven bieten.435 Zugleich verdeckt die Rede von „der“ Kulturindustrie die tatsächlichen Marktverhältnisse. Zum einen ist die Marktkonzentration als solche noch keine hinreichende Bedingung für eine tatsächliche Homogenisierung des Angebots; entscheidend ist vielmehr, ob die Unternehmen intern zentral oder dezentral organisiert sind.436 Auch bilden die einzelnen „kulturindustriellen“ Akteure kein Kartell, sondern stehen zueinander in Konkurrenz. Dies spricht für einen Innovationszwang kommerzieller Kunstunternehmer, da diese darauf angewiesen sind, dem Publikum etwas Neues zu bieten; gerade der Wettbewerb mit anderen Unternehmen fordert
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Grimm, VVDStRL 42 (1984), S. 46, 75 zum kommerziellen Rundfunk; vgl. Adorno/ Horkheimer, in: Adorno, Gesammelte Schriften, Bd. 3, 1997, S. 141, 141: „Kultur heute schlägt alles mit Ähnlichkeit.“ 433 Vgl. BVerfGE 56, 249, 282 (abw. Meinung von Böhmer): „Die Freizeitgestaltung ist in einem freiheitlichen Staat die ureigenste Angelegenheit des mündigen Bürgers“ (Hervorhebung nur hier). Betonung des Freizeit- und Vergnügungscharakters des Kunstkonsums, vor allem des Theaters, auch bei Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 475 und Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 122 f. 434 Vgl. den Artikel unter dem Lemma „List of box office bombs“ in der englischen Wikipedia (Abruf am 6. 2. 2015). 435 Wenn man nicht ohnehin – auf Basis eines fragwürdigen Kunstbegriffs – alle kollektiv produzierte Kunst für zur „Unwahrheit“ verurteilt hält wie Adorno, in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. 7, 1997, S. 7, 385. 436 Otte, Sociologia Internationalis 2012, S. 115, 127 f. mit Hinweisen auf empirische Forschung, die eine Homogenisierung des Angebots in der Musikindustrie nicht festgestellt hat.
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eine Weiterentwicklung.437 Und schließlich ist auch die Existenz einiger großer, finanzstarker Teilnehmer in diesen Bereichen nicht schlechthin bedrohlich, sondern bietet die finanziellen Kapazitäten für große Kunstprojekte und ermöglicht es, die hohen Produktionskosten und die damit einhergehenden Verlustrisiken abfedern zu können.438 Zum anderen darf die hier nicht bestrittene Existenz einiger „kulturindustrieller“ Großunternehmen, etwa in den Bereichen des Films oder der populären Musik, nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Angebotsseite der Kunstwelt insgesamt keineswegs oligopolistisch oder gar monopolistisch geprägt ist.439 Die Selbständigkeitsquote unter Künstlern ist ungleich höher als in anderen Wirtschaftsbereichen.440 Selbst in der Musik- und Filmindustrie ist keine Tendenz zur Monopolisierung erkennbar; vielmehr erwirtschaftet gerade die Gruppe der Kleinstunternehmer den zweitgrößten Anteil des Umsatzes.441 In anderen Bereichen, etwa der Malerei und der Literatur, sind monopolistische Marktstrukturen nicht einmal ansatzweise erkennbar.442 Vor allem im Bereich der bildenden Kunst übernehmen zudem Sammler und Investoren die Aufgabe, innovative Entwicklungen am Kunstmarkt zu fördern, indem sie gerade zeitliche Präferenzverschiebungen am Kunstmarkt nutzen und Kunst nachfragen, die (nach ihrer Einschätzung) erst zu einem späteren Zeitpunkt ihrem künstlerischen und ökonomischen Wert entsprechend nachgefragt werden.443 Insgesamt zeigt sich mithin, dass der Verweis auf „schädliche“ Marktstrukturen oder gesellschaftliche Mächte keine Gültigkeit beanspruchen kann. b) Gezielte Förderung innovativer Kunst Obwohl die bisherigen Erkenntnisse die Notwendigkeit einer innovationsverstärkenden Förderung in Abrede stellen, wäre es denkbar, dem Staat nur die gezielte
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Haselbach u. a., Der Kulturinfarkt, 2012, S. 138 belegen dies mit einem Zitat von Goethe: „Shakespeare und Molière […] wollten auch vor allen Dingen mit ihren Theatern Geld verdienen. Damit sie aber diesen ihren Hauptzweck erreichten, mussten sie dahin trachten, dass fortwährend alles im besten Stande, und neben dem alten Guten immer von Zeit zu Zeit etwas tüchtiges Neues da sei, das reize und locke.“ 438 Vgl. zur ähnlichen Marksituation im Rundfunk Engel, AfP 1994, S. 185, 188, 190. 439 So aber F. Müller, Freiheit der Kunst als Problem der Grundrechtsdogmatik, 1969, S. 79. 440 Siehe die Ergebnisse der empirischen Untersuchung von Söndermann u. a., Kultur- und Kreativwirtschaft, 2009, S. 125 f. 441 Söndermann u. a., Kultur- und Kreativwirtschaft, 2009, S. 72 ff., 87 ff. 442 Söndermann u. a., Kultur- und Kreativwirtschaft, 2009, S. 77 ff., 82 ff. 443 Der expressionistische Maler Karl Hofer schreibt dazu: „Wenn es außer denen, die freiwillig in dieser Rolle posieren, keine verkannten Begabungen mehr gibt, so ist dies dem jungen Kunsthandel zu verdanken“ (zit. nach v. Beyme, Das Zeitalter der Avantgarden, 2005, S. 182).
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Förderung innovativer Kunst zu gestatten.444 Unterstellt, dieser Ansatz sei ernst gemeint und die staatlichen Entscheidungen würden sich tatsächlich daran messen lassen müssen, ob ihre Kulturpolitik auf künstlerische Innovation ausgerichtet ist,445 stößt dieser Ausweg doch auf mehrere Bedenken. (1) Feststellung innovativer Kunst Zum einen: Wie lässt sich innovative Kunst ermitteln? Ex post lässt sich feststellen, ob eine bestimmte Kunstform sich als stilbildend erwiesen und auf andere Kunstformen ausgestrahlt hat. Ex ante ist eine solche Einschätzung allerdings schlechthin unmöglich. Früher oder später entscheidet immer das Publikum, welche künstlerischen Neuerungen sich durchsetzen und welche sich nicht durchsetzen. Selbst wenn (vermeintlich) avantgardistische Kunstformen gefördert werden, ohne dass dafür eine Nachfrage besteht, gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Avantgarde in eine Richtung geht, die Bestand hat und Einfluss auf andere Bereiche ausübt, und es sich nicht in Wahrheit um modernistische Weiterentwicklungen überholter Kunstformen handelt, die in einer Sackgasse enden. Zudem ist auch die Annahme, es bestehe ein Zusammenhang zwischen der finanziellen Ausstattung der Kunst und ihrer Innovativität, unbewiesen.446 Ohne das Bild vom verarmten Genie beschwören zu wollen, sollte man zumindest des Wandels von intrinsischer zu extrinsischer Motivation gewahr sein, den Kunstförderung bewirken kann und der ihre Entfaltung gerade zu verhindern vermag.447 (2) Strukturelle Grenzen des Staates bei der Förderung innovativer Kunst Zum anderen wäre, selbst wenn eine solche Entscheidung möglich wäre, zu fragen, warum der Staat diese Entscheidung besser treffen kann als das Publikum
444 So in der Tat Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 474, der in Fn. 163 unkommentiert in Erwägung zieht, dass die Förderung experimenteller Opern ausreichen könnte (wobei zu bezweifeln ist, dass allein oder auch nur vor allem experimentelle Opern besonders innovative Kunst darstellen). 445 Denkbar scheint demgegenüber auch, dass dieser Ansatz ein bloßes „Einfallstor“ staatlicher Kulturförderung ist, der dem Staat im Rahmen der Verfolgung dieses Ziels einen ebenso weiten Gestaltungsspielraum zubilligt und damit letztlich nur der Beruhigung eines schlechten verfassungsrechtlichen Gewissens dient. Huster etwa zieht nicht die Konsequenz, den Gestaltungsspielraum auf eine Prognoseentscheidung mit höheren Anforderungen verfahrensmäßiger Art – zu denken wäre vor allem an gesteigerte Begründungs-, Transparenz- und Evaluationspflichten – zu beschränken (Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 486 f.). 446 Wentzel, Medien im Systemvergleich, 2002, S. 62: Weder empirisch noch theoretisch korrespondierten Produktionskosten und Qualität eines Kunstwerks. 447 Frey, De Economist 150 (2002), S. 363, 364; ders., Die Grenzen ökonomischer Anreize, N.Z.Z. vom 18. 1. 2001.
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oder andere Akteure des Kunstlebens.448 Warum soll der Staat (und sei es mit Hilfe von Kunstsachverständigen) in der Lage sein, „bessere“ Kunst zu produzieren? Warum soll nicht das Publikum von heute besser als Kunstdezernenten entscheiden können, welche Kunst sich das Publikum von morgen wünscht? Verspricht man sich von einer freien Kunst auch eine innovative Kunst, sprechen schon die Ergebnisse des ersten Kapitels dieses Teils gegen die Annahme, staatliche geförderte Kunst könne die freie Kunst an Innovativität übertreffen. Die dort für die Freiheit des Künstlers gerade unter den Bedingungen einer der Gesellschaft überlassenen Kunst angeführten Umstände stimmen auch optimistisch im Hinblick darauf, dass die Freiheit zu einer innovativen und vielfältigen Kultur führt.449 Jedenfalls dürfte Einigkeit bestehen, dass die auf innovative Kunst abzielende staatliche Auswahlentscheidung stets „ein heikles Unterfangen bleibt“.450 Dem Staat dürfte die gezielte Auswahl indes besonders schwer fallen. Es ist höchst fraglich, ob der Staat mit Hilfe bürokratischer Förderverfahren in der Lage ist, diese Prognose umzusetzen, oder ob nicht bereits die tendenziell statischen organisatorischen Bedingungen des Staates ihn daran hindern, zum Förderer der Innovation zu werden:451 Im Hinblick auf öffentliche Kulturbetriebe werden mit Blick auf die Institutionen des Kulturstaats zu Recht Bedenken geäußert, ob diese nicht gerade anderen Gesetzen folgen als dem potentiellen Drang der Kunst, mit Bestehendem zu brechen:452 448 In der Praxis nahm und nimmt der Staat eher die Rolle eines kanonisierenden Bewahrers der Kunst wahr, Frey, in: Towse (Hrsg.), A Handbook for Cultural Economics, 2003, S. 389, 390 zu gegenwärtigen Kulturpolitik; Singer, Kulturpolitik und Parlament, 2003, S. 14 zur Kulturpolitik der Nachkriegszeit; Wagner, Fürstenhof und Bürgergesellschaft, 2009, S. 288 ff. zum 19. Jahrhundert. 449 Vgl. Lenski, Öffentliches Kulturrecht, 2013, S. 335, die es für wahrscheinlich hält, dass die staatliche Förderung die „Diversität der kulturellen Ausdrucksformen reduziert“. Es ist wohl nicht abwegig, die von Lenski an anderer Stelle (a.a.O., S. 3 ff.) festgestellte Entwicklung einer historisch beispiellosen „Musealisierung“ von Kultur in der Gegenwart als das primäre Ergebnis der jahrzehntelangen Kulturstaatstätigkeit zu sehen. 450 Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 487. An dieser Stelle sei auch auf einen Widerspruch in Husters Argumentation hingewiesen: Huster lehnt die „freiheitsschonende Alternative“ indirekter Förderung (so Heuer, NJW 1985, S. 232, 234 f.; vgl. ders., Die Besteuerung der Kunst, 1984, S. 117 ff.) allein wegen deren fehlender „Zielgenauigkeit“ ab (a.a.O., S. 443). Dieses Manko hingegen rechtfertigt er im Bereich der direkten Förderung leichterhand mit der „Natur der Sache“ (a.a.O., S. 487). 451 Allgemein Ehrlich, Grundlegung der Soziologie des Rechts, 1967, S. 304: „Das Unglück des Staates ist, dass ihm alles, was er einrichtet, zur Behörde wird, selbst Anstalten für […] Kunst, Wissenschaft und Wohlfahrt, selbst Schulen, Museen […]: sie verlieren dadurch nicht bloß die Schmiegsamkeit, sich den wechselnden Bedürfnissen des Lebens anzupassen, sondern auch den Anhang in der Bevölkerung, der sich zum Werkzeug gesellschaftlichen Fortschritts machen könnte.“ Zum Kulturstaat Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 486 mit Hinweis auf die „bekannten Problemen der Bürokratisierung und Versteinerung, die eine öffentliche Kunstförderung nicht selten mit sich bringt.“ 452 Eine höhere Innovationskraft privater Theater, weil diese nicht in ein administratives Geflecht eingebunden sind, nimmt an Sturhan, Kunstförderung zwischen Verfassung und Finanzkrise, 2003, S. 91 m.w.N.
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2. Teil: Legitimationsfähigkeit staatlicher Kunstförderung
„Wer ein Opernhaus betritt, betritt die Räumlichkeiten einer Behörde. Diese Behörde ist seit Jahren und Jahrzehnten als Behörde geführt worden, d. h. sie ist der Logik der Geschichte von Behörden gefolgt. Diese Logik heißt: immer etwas mehr im nächsten Jahr zu bekommen, als man bereits im letzten Jahr hatte. Das ist nicht die Logik der Künstler an der Oper, das ist die Logik dieser Institutionen.“453
Der Staat ist zudem den Forderungen der vernetzten und einflussreicheren etablierten Kunstszene ausgesetzt, deren Interessen nicht zwangsläufig auf ein hohes Innovationspotential gerichtet sind.454 Im kunstfördernden Betrieb wird der Hang zum Bewährten dadurch auf verschiedene Weise unterstützt. Dies beruht zunächst darauf, dass es dem Staat leichter fällt, Institutionen zu unterstützen als Individuen oder lockere Gruppierungen,455 sei es, weil den staatlichen Organen kulturelle Institutionen strukturell näher sind als freischaffende Künstler, sei es ganz praktisch, weil Institutionen in der Regel Kontaktmöglichkeiten für Außenstehende geschaffen haben. Außerdem wissen Institutionen ihre Interessen in der Tendenz besser zu vertreten als Individuen; Institutionen stellen ja gerade zu diesem Zweck gebildete organisatorisch gefestigte Netzwerke zwischen Einzelnen dar. Die Kunstförderung lässt sich als Gut im wirtschaftlichen Sinn auffassen, das von Marktteilnehmern nachgefragt wird.456 Ihre Nachfrage auf politischem Weg zu befriedigen wird aber arrivierter Kunst leichter gelingen als „neuer“ Kunst; die bereits etablierten, vernetzten und institutionalisierten gesellschaftlichen Akteure vermögen ihre Vorteile gegenüber denjenigen auszuspielen, die nicht in gleicher Weise auf staatliche Akteure einwirken können.457 Der ohnehin in jedem Marktsegment stattfindende „Insider- und Outsider-Wettbewerb“ wird zu Lasten der Outsider verstärkt.458 An dieser 453 So der ehemalige geschäftsführende Intendant der Frankfurter Oper Martin Steinhoff, in: Kulturpolitische Mitteilungen IV/1992, 22, 24. 454 Auch bilden diejenigen, die Förderung verlangen, nicht immer die Speerspitze der künstlerischen Elite: Bourdieu/ Haacke, Freier Austausch, 1995 S. 76 f.: „Außerdem gibt es ein Gesetz (man könnte es das Schdanowsche Gesetz nennen), welches besagt, daß ein kultureller Produzent, je schwächer er ist und je weniger er nach den spezifischen Regeln seines Universums anerkannt ist, um so mehr auf äußere Instanzen angewiesen ist und diese in Anspruch zu nehmen neigt (je nach Ort und Zeit die Kirche, die Partei, die Finanzmagnaten oder den Staat), um sich in seinem Universum durchzusetzen […] Das staatliche Mäzenatentum läuft stets Gefahr, die Mittelmäßigen zu fördern, die leichter zu lenken sind.“ 455 Zu Unrecht noch weitergehend Köttgen, Die Kulturpflege und der Bund, in: Hochschule Speyer (Hrsg.), 1957, S. 183, 183, der meint, die Förderung nicht institutionalisierter Kultur sei praktisch kaum möglich; nur in der Tendenz zustimmend Heuer, Die Besteuerung der Kunst, 1984, S. 33 mit Hinweis auf die seit Anfang des 19. Jahrhunderts praktizierte steuerliche Förderung und Schäuble, Rechtsfragen der staatlichen Kunstförderung, 1965, S. 125, der auf die bestehende Förderung einzelner Künstler verweist. 456 Grundlegend Stiglers Aufsatz „The theory of economic regulation“ im Bell Journal of Economics and Management Science 1971, S. 3 ff. 457 Zur von der Public-Choice-Theorie festgestellten strukturellen Unterlegenheit der Masse der Steuerzahler gegenüber den organisierten Gruppen, die zu ihren Gunsten auf die Politik einwirken, siehe Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 2004, § 2 Rn. 124. 458 Dazu Chr. Müller, (De-)Regulierung und Unternehmertum, 2003, S. 173.
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Stelle verbindet sich die Genie-Ästhetik mit dem kunstfördernden Staat. Indem die arrivierte Kunstszene neuen Kunstformen den Kunstanspruch abspricht,459 sichert sie zugleich ihre materiellen Ansprüche. Die damit zu erwartende Tendenz staatlicher Kulturpolitik, bereits etablierte Kunst zu fördern,460 erschwert folglich gerade Innovationen, indem Angebote älterer Kunstformen zu günstigeren Konditionen am Markt angeboten werden können und so Nachfrager von neuen Angeboten abziehen.461 Es stellen sich hier die gleichen Effekte ein, die mit Subventionen immer einhergehen.462 Subventionen setzen „Anreize zur Verweigerung von Anpassung an gesellschaftliche Anschlusszwänge und -möglichkeiten“ und fördern eine Entwicklung, „durch die der Staat die Schwächen der Gesellschaft verstärkt, statt Innovationen anzuregen“.463 Marktmechanismen werden bewusst außer Kraft gesetzt. Die Orientierung der Produzenten folgt nicht mehr der Nachfrage, sondern richtet sich nach verfügbaren Subventionen. Es kommt (ökonomisch) zu Fehlallokationen kulturell relevanter Ressourcen, worunter Schöpfungs- und Arbeitskraft und – bei, wie regelmäßig, nur teilweise subventionierten Gütern – Kapital zu zählen sind. Produktionsmittel, die sich normalerweise nach dem Angebot richten, werden nicht dort eingesetzt, wo sie nach den Wünschen der Kunstkonsumenten am besten eingesetzt würden.464 Diese Erkenntnisse der ökonomischen Theorie weisen auf eine strukturell geringere Pluralität und Dynamik geförderter Kunst hin. Kulturbereiche, in denen ohne staatliche Eingriffe weniger produziert würde, werden künstlich am Leben erhalten, und Weiterentwicklungen in diesen Bereichen, deren Fehlen am Markt sanktioniert würde, finden nicht oder nur in dem Maße statt, in dem mangels Vollsubventionierung weiterhin mit Blick auf die Nachfrage produziert wird. Der Kulturstaat hat dadurch tendenziell stets etwas Bewahrendes; er verzerrt den Markt der Kunst in Richtung traditioneller Kunstformen und lässt somit – bei konstanter Gesamtnachfrage nach Kunst – weniger Raum für neue Formen der Kultur. So wird die Position neuer Kunstformen durch eine Stärkung arrivierter Kunstformen geschwächt.
459 Vgl. Jäger, in: Titzmann (Hrsg.), Modelle des literarischen Strukturwandelns, 1991, S. 221, 230: „Die Genieästhetik wertet die Gelegenheitspoesie als Dilettantismus ab, indem sie ihr den Kunstanspruch bestreitet“ (Hervorhebung nur hier). 460 Frey, in: Towse (Hrsg.), A Handbook for Cultural Economics, 2003, S. 389, 390. 461 Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 475 in Fn. 169. 462 Zum Folgenden Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 2004, § 2 Rn. 117. 463 So Ladeur, Der Staat gegen die Gesellschaft, 2006, S. 269 f. 464 Ausgeblendet bleiben hier rein wirtschaftliche Probleme wie die Verschwendung öffentlicher Gelder oder das Phänomen von Folgesubventionen, die faktisch oft für Betriebe gewährt werden, die wegen früherer Subventionen notwendige Anpassungen unterlassen haben und daher (erneuter) Subventionen bedürfen; dazu ebenfalls Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 2004, § 2 Rn. 117.
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2. Teil: Legitimationsfähigkeit staatlicher Kunstförderung
Vor dem Hintergrund dieser bürokratischen und ökonomischen Grenzen des Kulturstaats ist es ein hochgradig unrealistisches Szenario, der Staat könne tatsächlich die Konsequenz ziehen, so offensichtlich wenig innovative Formen wie das klassische Theater, die Oper und Symphonieorchester aus der Förderung auszunehmen. Bei näherem Hinsehen wird offenbar, dass Kulturförderung stets die etablierte Kunst zulasten neuer Kunst und neuer Kunstformen begünstigen wird. Die Legitimation des Kulturstaats durch die vermeintlich notwendige Förderung der Avantgarde465 lässt sich nicht aufrechterhalten. (3) Innovative Kunst und nationale Kunst Bedenklich ist zum dritten, dass die These, der Staat könne die Kultur positiv beeinflussen, den starken Einfluss ausländischer Kultur vollkommen ausblendet und Kultur tendenziell mit nationaler Kultur gleichsetzt.466 Wenn marktförmige Kunst ebenfalls innovativ ist, sind darin auch Grenzen für die gezielte Förderung innovativer Kunst zu sehen: Durch die wenn überhaupt mögliche, dann jedenfalls fehleranfällige Auswahl förderungsbedürftiger und erhofft innovativer Kunst kommt es – wirtschaftlich gesprochen – zu einer partiellen Fehlallokation von (stets begrenzten) Ressourcen inländischer Kunst, die die inländische Kultur gegenüber ausländischer, stärker an den Interessen des Publikums orientierter und damit innovativer Kultur schwächt.467 4. Nutzungsvorteil der Konsumenten von Populärkultur Jedenfalls nicht selbstverständlich ist auch, ob die Konsumenten minderwertiger Kunst von den behaupteten Innovationen der geförderten Hochkultur überhaupt profitieren würden: Wäre die Nachfrage des Publikums tatsächlich so gleichförmig wie angenommen, gibt es keinen Grund, warum dieses so genügsame Publikum zugleich von den (angeblichen) Neuerungen der Hochkultur profitieren soll; es fehlte dann an einem Nutzungsvorteil dieser Konsumenten. Wenn hingegen innovative Muster vom Konsumenten gewünscht werden, gibt es keinen Grund, warum der 465 Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 467 ff.; Schäuble, Rechtsfragen der staatlichen Kunstförderung, 1965, S. 99, zieht (neben Theatern und Orchestern) gerade die Künstlerausbildung und die Nachwuchsförderung heran, um die „Notwendigkeit staatlicher Maßnahmen“ deutlich zu machen; Weck, Verfassungsrechtliche Legitimationsprobleme öffentlicher Kunstförderung aus wirklichkeitswissenschaftlicher Perspektive, 2001, S. 31: Förderung neuer, avantgardistischer Kunstformen „unverzichtbares“ Element der Kulturpolitik. 466 In diese Richtung tatsächlich BVerfGE 73, 118, 157: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk gewähre Schutz vor einem europäisiertem Rundfunkmarkt; dagegen Engel, AfP 1994, S. 185, 186 ff. Vgl. Badura, VVDStRL 42 (1984), S. 104, 105, der im Kontext der Kulturförderung ebenfalls von „Nationalkultur“ spricht. Zur zwangsläufigen „nationalen Bindung“ mit dem Ziel politischer Funktionalisierung geförderter Kunst vgl. Lenski, Öffentliches Kulturrecht, 2013, S. 331 ff., 337 f. 467 Vgl. allgemein Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 2004, § 2 Rn. 116.
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Markt diese nicht anbieten sollte und auf umsatzsteigernde Weiterentwicklungen verzichten sollte.468 Es gibt also auf den ersten Blick nur zwei Möglichkeiten: Entweder will der Konsument populärer Kultur keine Innovation – dann profitiert er auch nicht von ihr. Oder er will sie – dann fragt er sie nach, und nichts spricht dafür, dass er sie nicht bekäme. Um diesen Widerspruch zu vermeiden, müsste eine weitere, stillschweigende Annahme zutreffen: dass das Publikum eben nicht weiß, dass es etwas Neues will; bekommt es aber Neues, wird es daraus einen Nutzen ziehen. Letztlich ist damit die Behauptung, hohe Kunst habe positive externe Effekte, nur eine Umgehung des meritorischen Ansatzes: Der ästhetische Paternalismus469 wird zum InnovationsPaternalismus.470 Das Demokratieprinzip bietet als Ansatz für die verfassungsrechtliche Beurteilung der Kunstförderung gerade auch einen Rahmen für die Innovativität der Kunst: Das Ausmaß der Innovationen hängt im kulturellen Diskurs eben davon ab, ob und welche Neuerungen der Kunst als Teil des öffentlichen Diskurses auf öffentliche Zustimmung stoßen. Ebenso wenig, wie es einen Grund gibt, die ästhetischen Maßstäbe des Publikums staatlich zu korrigieren, gibt es einen Grund, die Maßstäbe des Publikums an den Innovationsgrad zu korrigieren. Wenn das Publikum künstlerisch Neues verlangt, spricht nichts dagegen, dass es dies bekommt. Wenn es nichts Neues verlangt, spricht nichts dafür, es ihm zu bieten. Die Nachfrage nach Neuem hängt von zahlreichen Faktoren ab; in unsicheren Zeiten mag traditionelle, bekannte Kunst ein Gefühl der Beständigkeit vermitteln, in Aufbruchszeiten neue Kunst beflügeln.471 Es ist jedoch keineswegs so, dass jede Innovationssteigerung, jeder Schritt zu einer noch „reichhaltigeren, differenzierteren und komplexeren Struktur der intellektuellen und ästhetischen Umwelt“ positive 468
Unaufgelöster Widerspruch insofern bei Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 467: Einerseits wolle niemand „immer das Gleiche lesen, sehen oder hören“; andererseits liefere die Populärkultur nur „bekannte Muster“ und bediene „eingefahrene Wahrnehmungserwartungen“. 469 Eine paternalistische Begründung der Kulturförderung lehnt Huster ausdrücklich ab (Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 464 f.); Bekenntnis zum Paternalismus hingegen von Volkmann, DVBl. 2005, S. 1061, 1071, der Adorno zustimmt, der Staat habe die „Interessen des Publikum notfalls gegen das Publikum zu vertreten“. 470 Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 464 f.; Volkmann, DVBl. 2005, S. 1061, 1070 spricht im Hinblick auf die Rechtfertigung der Förderung der Kunst als öffentlichem Gut treffend von einem „fragwürdigen Kunstgriff“. 471 Vgl. etwa zum Zusammenhang von zeitgenössischen Erfahrungen und Publikumsgeschmack Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, 1980, S. 503: „Der Film ist die der gesteigerten Lebensgefahr, der die Heutigen ins Auge zu sehen haben, entsprechende Kunstform. Das Bedürfnis, sich Chockwirkungen auszusetzen, ist eine Anpassung der Menschen an die sie bedrohenden Gefahren. Der Film entspricht tiefgreifenden Veränderungen des Apperzeptionsapparates – Veränderungen, wie sie im Maßstab der Privatexistenz jeder Passant im Großstadtverkehr, wie sie im geschichtlichen Maßstab jeder heutige Staatsbürger erlebt.“ Vgl. in diesem Zusammenhang auch zur Gartenarchitektur Versailles als ideellem Ausdruck des französischen Absolutismus Elias, Die höfische Gesellschaft, 1983, S. 338 f.
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Auswirkungen zeitigt.472 Bestimmte Kunstformen – etwa das Porträt, Landschaftsmalereien, volkstümliche Dichtung, das Bauhaus – sind immer auch eine Reaktion auf ihre Zeit;473 wenn der Bedarf danach steigt, wird er befriedigt; wenn er sinkt, gibt es keinen Grund, die nachlassende Nachfrage um einer bestimmten Kunstform oder -richtung willen aufrechtzuerhalten. Eine Innovation, die auf geringe Resonanz trifft, läuft bestenfalls ins Leere. Sie kann aber auch gerade zu einer Entfremdung von Publikum und Künstler, ja des Publikums zum Lebensbereich Kunst führen, die das Demokratieprinzip verbietet.474 Ein Schritthalten des Publikums mit der (zumindest teils) stets nach Erneuerung strebenden Kunst hängt eben auch davon ab, wie schnell die Kunst sich entwickelt. Innovationsprozesse staatlich zu fördern heißt nichts Anderes als die Entscheidung, welche dieser Prozesse wann und wie schnell auftreten, vom Publikum auf den Staat zu verlagern. Dies aber setzt voraus, dass der Staat besser weiß als seine Bürger, welche Kunst zu welcher Zeit für sie gut ist. Damit ist aber die Theorie der öffentlichen Güter verlassen und der Schritt hinüber zur Meritorik getan. 5. Bereitstellung innovativer Kunst als verfassungsrechtliches Gebot der Menschenwürde Die Erwartung, geförderte Hochkultur generiere externe Effekte, kann zudem nur ein ökonomisches Argument bereitstellen. Um mit diesem Argument eine Beeinträchtigung des Demokratieprinzips zu rechtfertigen, müsste seine Verankerung in der Verfassung gelingen. An dieser Stelle lässt sich eine Verbindung herstellen zwischen der Legitimation mittels der Theorie öffentlicher Güter und der Legitimation mittels der Menschenwürde. Denn die Ansätze, die an die Menschenwürde anknüpfen, gehen – wenn sie damit eine Kulturgestaltungsmacht des Staates rechtfertigen475 – stillschweigend von einem Nutzen des Einzelnen aus, wie er auch der Theorie der öffentlichen Güter zugrunde liegt. a) Bereitstellung von Kultur zur Sicherung des kulturellen Existenzminimums Der durch Art. 1 Abs. 1 GG i.V. mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG gewährte Schutz des Existenzminimums umfasst nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch die „Sicherung der Möglichkeit […] zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben“, 472
So aber offenbar Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 467. Burckhardt, Weltgeschichtliche Betrachtungen, 1985, S. 71: „Einzelne Völker und Epochen zeigen vorherrschende Begabungen und Vorlieben für einzelne Gebiete.“ Immer wieder den zeitgenössischen Charakter der Kunst betonend Gössmann, Deutsche Kulturgeschichte im Grundriß, 2006, pass. 474 Siehe oben § 4 C. II. 2. a). 475 Anders etwa Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 381. 473
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denn der Mensch als Person existiere notwendig in sozialen Bezügen.476 Damit ist aber nicht begründet, wie aus dem Sozialstaatsgebot in Verbindung mit der Kunstfreiheit eine angebotsseitige Kulturförderung abgeleitet werden kann. Mit der in der Menschenwürde verankerten Angewiesenheit des Menschen auf Kultur ist noch nichts darüber ausgesagt, warum der Staat hier tätig werden muss.477 Die staatliche Pflicht und Aufgabe beschränkt sich grundsätzlich auf die Gewährung von Sozialleistungen auch zur Sicherung eines kulturellen Existenzminimums. Der Staat fördert auch nicht Bäcker – oder Konditoren? –, weil der Mensch essen muss, sondern gibt den Hungrigen.478 Die Bereitstellung eines staatlichen Angebots zur Sicherung der Menschenwürde ist hingegen auf Fälle beschränkt, in denen es um existenzielle Not geht. Nur in diesen Fällen kann der Schutz der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein479 den Staat verpflichten, sich zu „bemühen“, die fehlenden, aber notwendigen Einrichtungen selbst zu schaffen.480 Wo der Randbereich des soziokulturellen Existenzminimums betroffen ist, wird man aus dem Schutz der Menschenwürde oder dem Sozialstaatsprinzip noch nicht einmal eine solche Pflicht zum Bemühen ableiten können. Mit der Verpflichtung zur Bereitstellung eines kulturellen Angebots würde die Menschenwürde gewiss überdehnt. Da mit dem soziokulturellen Existenzminimum allgemein die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben geschützt ist, gäbe es keinen Bereich, in dem der Staat dann nicht unter Berufung auf die Menschenwürde tätig werden könnte. Eine solche Pauschallegitimation ist mit Art. 1 Abs. 1 GG wohl kaum bezweckt. Der Staat hat folglich aufgrund der Menschenwürdegarantie die „freie Entfaltung der Grundrechtsträger in, durch und zur Kultur“ zu achten, nicht aber selbst kulturelle Prozesse voranzutreiben.481 Die Sicherung der „Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben“ meint nicht die umfassende staatliche Bereitstellung, sondern die finanzielle Mindestausstattung des Einzelnen, um ein Leben „in sozialen Bezügen“ zu ermöglichen. Nur insoweit korrespondiert die „fundamentale Sinnorientiertheit menschlicher Existenz“, die „mit der Garantie der Menschenwürde anerkannt [ist]“,482 mit einer staatlichen Handlungsbefugnis. 476 BVerfGE 125, 175, 223; zum Schutz der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein vgl. bereits BVerfGE 40, 121, 133; 82, 60, 79. 477 Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 381 m.w.N.; Lenski, Öffentliches Kulturrecht, 2013, S. 90 ff. 478 Zu diesem Beispiel auch Kingreen, Das Sozialstaatsprinzip im europäischen Verfassungsverbund, 2003, S. 193: Die „Lebensnotwendigkeit“ eines Gutes könne die staatliche Garantenpflicht nicht auslösen. 479 BVerfGE 40, 121, 133; 82, 60, 79. 480 BVerfGE 40, 121, 133 zu „notwendigen Pflegeeinrichtungen“ Hilfsbedürftiger; einen subjektiven Anspruch darauf ablehnend Martínez Soria, Berliner Online-Beiträge zum Europarecht, Nr. 43, 2006, S. 9. 481 Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 381. 482 Morlok, Selbstverständnis als Rechtskriterium, 1993, S. 301.
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Berücksichtigt man, dass Kulturpolitik oftmals eine „massive Umverteilung von Unten nach Oben“ darstellt,483 grenzt die Rechtfertigung des Kulturstaats über die Bereitstellung eines kulturellen Angebots zum Schutz des Existenzminimums ohnehin an eine Perversion des Norminhalts der Menschenwürde. Nur 5 % der Theaterbesucher484 gehören zur einkommensschwachen Gruppe der Bevölkerung, 55 % zur „Oberschicht“.485 Ein großer Teil der Bevölkerung nimmt an den subventionierten Kulturveranstaltungen gar nicht teil: Der Anteil der Museumsbesucher an der Bevölkerung liegt bei etwa 9 %;486 ähnlich liegen die Zahlen bei Theaterbesuchen, noch geringer beim Besuch klassischer Konzerte. Würde man „Mehrfachbenutzer“ statistisch berücksichtigen, wären die Zahlen noch geringer.487 b) Bereitstellung von Kultur zur Ermöglichung der individuellen Entfaltung Der Menschenwürde wird in der Literatur freilich eine viel weitgehendere Aufgabe im Kulturbereich entnommen: Die Kultur sei „Vermittlung von Identität“ und damit habe der Staat aufgrund der Menschenwürde Kulturpflege „zur Selbstentfaltung aller individuellen geistigen Anlagen“ zu betreiben.488 Teils wird diese Forderung auch auf nachfolgende Generationen erstreckt, wenn der Menschenwürde das Gebot entnommen wird, „daß ein möglichst reichhaltiger Fundus an Kultur bewahrt werden soll, um dem menschlichen Individuum möglichst vielfältige und reichhaltige Formierungsfazilitäten zu bieten.“489 An dieser Stelle soll nicht diskutiert werden, ob das vorausgesetzte Mittel – die dem Staat damit eingeräumte Macht, über die Selbstentfaltungsmöglichkeiten des Einzelnen mitzuentscheiden – verfassungsrechtlich legitim ist. Es sei nur darauf hingewiesen, dass dieser Ansatz die Erwartung in sich trägt, dass erst die geförderte Kultur die individuelle Entfaltung garantiert. Damit beinhaltet dieser Ansatz zum einen stillschweigend die Hochschätzung der staatlichen Kulturförderung und die Geringschätzung des Publikums und der Gesellschaft – dieser Haltung wurde in 483
So Huster, VVDStRL 65 (2006), S. 51, 59 f. für die von ihm (dennoch) befürwortete „an Kriterien der Exzellenz ausgerichtete Kulturpolitik“; kritisch zu „unerwünschten Verteilungseffekten“ auch Wentzel, Medien im Systemvergleich, 2002, S. 63. 484 Theater und Opern nehmen mit fast zwei Dritteln den Löwenanteil der staatlichen Kulturförderung in Anspruch, siehe oben Fn. 173. 485 v. Beyme, Vergleichende Politikwissenschaft, 2010, S. 287. 486 v. Beyme, Kulturpolitik und nationale Identität, 1998, S. 9. 487 v. Beyme, Kulturpolitik und nationale Identität, 1998, S. 9 f. 488 Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 235 im Anschluss an Grimm, VVDStRL 42 (1984), S. 46, 66. 489 Gröschner, Menschenwürde und Sepulkralkultur in der grundgesetzlichen Ordnung, 1995, S. 42 f.; vgl. auch Dworkin, Columbia Journal of Law and the Arts 1984/1985, S. 143, 157: „We inherited a rich culture, and we have some duty, out of simple justice, to leave that structure at least as rich as we found it“; ohne Anknüpfung an die Menschenwürde BVerfGE 35, 79, 112: Pflege der freien Wissenschaft und ihre Vermittlung an nachfolgende Generationen.
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diesem Kapitel bereits entgegengetreten. Zum anderen wird mit der staatlichen Kulturgestaltungsmacht die Identität von einer individuell gewählten zu einer kollektiv ausgerichteten Entfaltung. Wegen der darin zum Ausdruck kommenden Staatsgerichtetheit wird dieser Einwand an späterer Stelle zu diskutieren sein.490 Es sei aber die vorrangige Frage aufgeworfen, ob das Staatsziel, dem Einzelnen zu seiner Entfaltung möglichst viel Kultur zu bieten, tatsächlich plausibel mit der Ermöglichung der freien Entfaltung der Persönlichkeit begründet werden kann.491 Das Problematische dieser Auffassung tritt zutage, wenn das abstrakte Niveau verlassen wird und konkrete Beispiele für kulturelle Prozesse ins Auge genommen werden. Daran wird deutlich, dass diese Begründung des Kulturstaats an einem Höchstmaß an Unbestimmtheit leidet. Tatsächlich entwickelt sich Kultur nämlich weiter, ohne dass die Menschenwürde Anhaltspunkte gäbe, wie diese Entwicklung zu bewerten ist. Ist etwa die Ars nova für die Ars antiqua oder der Film für das Theater eine Weiterentwicklung oder eine Bedrohung? Ist es eine Verarmung der Kultur, wenn es keine Stummfilme mehr gibt, wenn Schwarz-Weiß-Filme zunehmend seltener werden? Ist der 2D-Film zu subventionieren, weil er durch den 3D-Film gefährdet ist? Führt der wegen der Möglichkeit der Fotografie schwindende Bedarf an gemalten Porträts zu einer Verarmung der Kultur oder wegen der allgemein breiteren Zugänglichkeit zu Porträts zu ihrer Bereicherung? Bereichert das Keyboard die Kultur oder verdrängt es das Klavier (wie letzteres das Cembalo)? Ist Temperamalerei wertvoller als Ölmalerei und (noch) wertvoller als Acrylmalerei, gegenständliche Kunst wertvoller als abstrakte? Muss der Staat vermehrt Laute und Knochenflöte fördern, um der Nachwelt kulturelle Entfaltungsmöglichkeiten zu sichern? Ganz generell: Ist Fortschritt kulturelle Verarmung oder kulturelle Bereicherung? Gibt es taugliche Kriterien, welche Entwicklung der Menschenwürde dienlich ist und welche ihr schadet? In Ermangelung solcher Kriterien weist dieser Ansatz keinen über meritorische Rechtfertigungsansätze hinausgehenden Weg auf. Die Unbestimmtheit als solche würde zur Rechtfertigung, indem es getrost dem Staat überlassen wird, den Reichtum der Kultur nach eigenem Gutdünken zu bestimmen. Die konkrete Betrachtung weist aber auf die Alternative hin, die viel eher geeignet ist, die freie Entfaltung der Persönlichkeit zu garantieren – nicht den Reichtum, sondern die Zeitgemäßheit, die Lebendigkeit der Kultur als tatsächliche Ressource persönlicher Entfaltung zu sehen und nicht bürokratisch gestützte Kunst. Offenbar beruht die Forderung, die Menschenwürde gebiete die Bereitstellung einer möglichst reichen kulturellen Umwelt, auf einem Missverständnis. Die Pluralität der Kunst besteht nicht darin, dass möglichst viele Kunstformen erhalten bleiben, indem der Staat alle (von ihm für notwendig erachteten) kulturellen Hervorbringungen aller 490
Siehe unten § 7 B. II. Eine Verpflichtung auf Schaffung einer großen Pluralität wird häufig vertreten (vgl. die Nachweise oben in Fn. 386); ablehnend, weil es für eine normative Festlegung keine „hinreichend sichere Fundierung“ im Normenbestand des Verfassungstextes gebe Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, 2000, S. 345. 491
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2. Teil: Legitimationsfähigkeit staatlicher Kunstförderung
Zeiten schützt. Die Kultur ist doch immer eine Reaktion auf ihre Zeit. Einige kulturelle Strukturen entwachsen ihrer Zeit, und es gibt keinen Grund, sie aufrechtzuerhalten, weil sie vermeintlich die Möglichkeiten der Nachwelt erweitern. Dies gilt umso mehr, als es der Nachwelt unbenommen bleibt, ins Abseits geratene Kunstformen erneut aufzugreifen, wiederherzustellen oder in modernisierter Form weiterzuführen. Das durch die Menschenwürde gebotene Ziel der Ermöglichung einer freien individuellen Entfaltung kann mithin nicht sein, möglichst viele Kunstformen permanent am Leben zu erhalten, sondern nur, lebendige, gesellschaftlich gewollte Kunst mit ihrer Beharrlichkeit auf der einen, ihrer Veränderung und Entwicklung auf der anderen Seite zu ermöglichen – dafür aber ist eine staatliche Auswahl geförderter Künste nicht vonnöten. IV. Zwischenergebnis Die Kunst ist nicht um ihrer Qualität willen auf staatliche Förderung angewiesen; dem Grundgesetz ist nicht zu entnehmen, dass der Staat ein bestimmtes Niveau der Kunst zu sichern hat. Eine institutionelle Garantie, die dem Staat den Schutz der Eigengesetzlichkeit der Kunst auferlegt, lässt sich dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 GG, das allein die Freiheit der Kunst schützt, nicht entnehmen. Vielmehr verschleiert eine solche Deutung der Kunstfreiheit die bereits getroffene Entscheidung darüber, dass staatlich geförderte Kunst einer am freien Markt entstehenden Kunst vorzugswürdig sei. Meritorische Erwägungen vermögen kein verfassungsrechtlich legitimes Ziel zu begründen. Sie öffneten das Verfassungsrecht für nicht überprüfbare, paternalistische Zwecksetzungen und ließen die Vorgaben des Demokratieprinzips für die Kunstförderung leerlaufen. Auch eine Rechtfertigung kulturstaatlicher Kunstförderung unter Rückgriff auf die ökonomische Theorie der öffentlichen Güter vermag nicht zu überzeugen: - Das einzelne Kunstwerk ist kein öffentliches Gut. Externe Effekte hoher oder geförderter Kunst in Form künstlerischer Innovativität, von denen alle Kunst, einschließlich der (nicht geförderten) Populärkultur, profitieren soll, lassen sich nicht nachweisen. Externe Effekte, etwa in Form eines Vorrats kultureller Bezugnahmemöglichkeiten, sind vielmehr gerade auf Bekanntheit, also Popularität, angewiesen. - Mangelnde Innovativität lässt sich nicht damit begründen, das Publikum verlange „immer das Gleiche“. Dieser Behauptung widerspricht die kunstgeschichtliche Entwicklung, die gerade innovative Tendenzen publikumsförmiger Kunst beweist. Auch für die Gegenwart lässt sich keineswegs eine (angebotsseitig aus der Macht der sog. Kulturindustrie resultierende) Einförmigkeit der Kunst feststellen.
§ 7 Angewiesenheit des Staates auf die Kunst
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- Auch die Annahme, der Staat könne gezielt innovative und ästhetisch vorzugswürdige Kunst fördern, ist wegen der staatlichen und gesellschaftlichen Bedingungen der Kunstförderung nicht plausibel. Zudem ließe sich ein Nutzen der Konsumenten der angeblich stagnativen Populärkultur durch die angeblichen Innovationen der geförderten Hochkultur nicht widerspruchsfrei begründen: Entweder will der Konsument populärer Kultur keine Innovation und profitiert demgemäß nicht von Innovationen; oder er will Innovation – dann wäre das innovative Potential der Populärkultur anzuerkennen. - Zuletzt scheitert der Rückgriff auf die Theorie der öffentlichen Güter auch an einer verfassungsrechtlichen Verankerung, die für ein Abweichen von den Vorgaben des Demokratieprinzips zu fordern ist. Hier lässt sich die Anknüpfung an Theorie der öffentlichen Güter mit Ansätzen verbinden, die die kulturstaatliche Kunstförderung aus der Menschenwürde ableiten, weil beide auf einem Nutzen für den Kunstkonsumenten aufbauen. Die Menschenwürde gebietet aber nur den Schutz des kulturellen Existenzminimums des Einzelnen, nicht die staatliche Bereitstellung von Kultur. Für kulturelle Entfaltungsmöglichkeiten ist der Einzelnen zudem nicht auf eine möglichst große Vielfalt der Kunst angewiesen. Entscheidend ist nicht möglichst viel, sondern lebendige, gesellschaftlich rezipierte Kunst.
§ 7 Angewiesenheit des Staates auf die Kunst Die zweite große Linie der Rechtfertigung des Kulturstaats markiert der Gedanke, Kultur schaffe „eine Art kollektiver Identität“, die sowohl „genetisch“ die Entstehung der staatlichen Institutionen ermöglicht habe als auch für deren Aufrechterhaltung notwendig sei, da sie die Institutionen „als sinnvoll zu erklären“ vermöge.492 Die „soziale Integration, die der Staat zu gewährleisten hat“, hänge von einer „kulturell gegründeten Integrationsbasis ab“.493 Bei einer autonomen Kultur habe der Staat „seine eigenen Existenzbedingungen nicht mehr in der Hand“.494 Kultur ist nach dieser Ansicht „Voraussetzung der geistigen Existenz des Verfassungsstaates, den sie in Verflechtung mit den Werten der Gerechtigkeit, der Sittlichkeit und der Freiheit begründet, rechtfertigt und zusammenhält“495 und somit „unentbehrlich […] für die Identität des Verfassungsstaats“.496 Daher seien „Schutz, Pflege und Gestaltung der Kultur durch das Gemeinwesen […] ein notwendiger Beitrag zur Erhaltung der Existenz des Staates und seiner Bürger in einem umfassenden Sinn“497 und die Sicherung der kulturellen Bedingungen „Staatsaufgabe“.498 492 493 494 495 496 497
Grimm, VVDStRL 42 (1984), S. 46, 62. Grimm, VVDStRL 42 (1984), S. 46, 64. Grimm, VVDStRL 42 (1984), S. 46, 64. Evers, NJW 1983, S. 2161, 2166 f. Häberle, AöR 110 (1985), S. 577, 608. Evers, NJW 1983, S. 2161, 2166 f.
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2. Teil: Legitimationsfähigkeit staatlicher Kunstförderung
Nachfolgend werden die Prämissen dieses Rechtfertigungsansatzes untersucht. Dazu gehören die staats- und demokratietheoretische Plausibilität des Homogenitätsgedankens (dazu A.), seine verfassungsrechtliche Geltung (dazu B.) und die Annahme, der Staat könne durch Kunstförderung zur Homogenität beitragen (dazu C.). Abschließend wird das Verhältnis von kultureller und politischer Integration erörtert (dazu D.).
A. Kultureller Zusammenhalt als Voraussetzung des (demokratischen) Staates Der darin zum Ausdruck kommende Homogenitätsgedanke499 gehört zum „tradierten Bestand der deutschen Staatsrechtslehre“.500 Homogenität wird sowohl für die Existenz des (modernen) Staates501 (dazu I.) als auch für das Funktionieren der Demokratie502 (dazu II.) für notwendig erklärt.
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Grimm, VVDStRL 42 (1984), S. 46, 64; i.E. wohl ebenso Lenski, Öffentliches Kulturrecht, 2013, die die „Begründung staatlicher Kulturverantwortung“ aus den „Funktionen von Kultur im Staatswesen“ ableitet (S. 297 ff.) und nur für die kollektiv-politische Funktion (S. 312 ff.) eine „aktive Funktionserfüllung durch staatliche Intervention“ für dienlich erachtet (S. 330 f.). Ob diese Funktion aber durch direkte Förderung zu schaffender Kunst (vgl. oben Fn. 22 in der Einleitung) und somit durch den Staat oder aber allein durch gesellschaftliche Prozesse erfüllt werden soll, bleibt in ihren Ausführungen unklar (vgl. S. 337, 344). 499 Im hiesigen Zusammenhang ist durch eine begriffliche Differenzierung von Homogenität, kollektiver Identität und Integration kein Erkenntnisgewinn zu erwarten; vgl. zur Verwendung Hanschmann, Der Begriff der Homogenität in der Verfassungslehre und Europarechtswissenschaft, 2008, S. 113 ff. zum Homogenitätsglauben als Faktor kollektiver Identität; Marcel Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, 1997, S. 55: „Homogenität“ als Ausprägung „substantieller Identität“; Schorkopf, Homogenität in der Europäischen Union, 2000, S. 39 f., der Integration als Funktion der Homogenität auffasst und in diesen Zusammenhang auch den Identitätsbegriff einbettet; Trunk, Europa, ein Ausweg, 2007, S. 39 f.: Kollektive Identität beruhe auf der Homogenität einer Gruppe nach innen und ihrer Differenz zu anderen Gruppen. 500 Möllers, Staat als Argument, 2011, S. XXIV. 501 Marcel Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, 1997, S. 55: „Handelt es sich um eine demokratisch verfaßte politische Einheit, so wird ihre Identität voraussetzungsreicher.“ 502 Sommermann, Staatsziele, 1997, S. 230 f. Es handelt sich dabei um einen der Fälle, in denen Demokratie als normatives bzw. funktionales Äquivalent zum juristischen Staatsbegriff herangezogen wird, siehe Möllers, Staat als Argument, 2011, S. XLIII; zum Verhältnis von Staat und Demokratie vgl. ebd., S. 422 ff. sowie Volkmann, AöR 127 (2002), S. 575 ff.
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I. Staatstheoretische Plausibilität Dieser Ansicht liegt der Gedanke zugrunde, der Staat sei aus sich heraus nicht existenzfähig; dies wird an ein substanzhaftes Denken vom Staat gekoppelt,503 wie es in der organischen Metapher von der „Lebensfähigkeit“ des Staates504 zum Ausdruck kommt.505 Das Homogenitätsbedürfnis des Staates ist allerdings keineswegs unbestritten.506 Vielmehr rückt das Schrifttum inzwischen zunehmend vom Homogenitätspostulat ab. Die Behauptung, Homogenität sei notwendig für das Funktionieren des Staates – im Schrifttum zu Unrecht als „einhellig“ bezeichnet507 oder als durch Erkenntnisse der Sozialwissenschaften außerrechtlich vorgegebene Tatsache dargestellt508 – ist daher nicht vorauszusetzen, sondern auf ihre Plausibilität zu überprüfen. Das Homogenitätspostulat muss sich zunächst mit seiner Kontrafaktizität auseinandersetzen. Es drängen sich von allen Seiten Beispiele auf, in denen eine „substantielle Gleichheit“509 nicht gegeben ist oder zumindest hinsichtlich einiger
503 Kritisch referierend Britz, EuR 2010 (Beiheft 1), S. 151, 164 in Anlehnung an LübbeWolff, in: Kluth (Hrsg.), Europäische Integration und nationales Verfassungsrecht, 2007, S. 47, 57: „Zum demokratiefähigen Volk wird die Gemeinschaft der Regierten nur, wenn sie sich zu einer von Wir-Gefühl getragenen substanzhaften Einheit integriert.“ 504 Badura, VVDStRL 42 (1984), S. 104, 105: „[D]er Staat ist nur als Kulturstaat lebensfähig“; in der Sache auch Grimm, VVDStRL 42 (1984), S. 46, 62 ff. 505 Kritisch referierend Krüger, Allgemeine Staatslehre, 1966, S. 178: Die Vertreter dieser Ansicht meinten, „daß ein Sein des Staates, welches nicht mehr und nicht weniger sei als die existentielle Verbundenheit um der existentiellen Selbstbehauptung willen, zu schwach und zu unbeständig sei und daher zusätzlicher Stärkung bedürfe. Modern gesprochen: Diese Meinung glaubt nicht daran, daß die Integrationskraft des Existenzfaktors genüge, um das Sein des Staates zu gewährleisten, vielleicht weil man den Existenzfaktor als zu banal ansieht und nur von ,höheren‘ Werten den Eintritt des gewünschten Ergebnisses erwartet.“ 506 Grundlegend die bekannte Kritik von Bryde, StWStPr 5 (1994), S. 305 ff.; sehr skeptisch auch v. Bogdandy, KJ 2005, S. 110, 115 f.; Britz, EuR 2010 (Beiheft 1), S. 151 ff.; Hanschmann, Der Begriff der Homogenität in der Verfassungslehre und Europarechtswissenschaft, 2008, pass.; Lübbe-Wolff, ZAR 2007, S. 121 ff.; M. Müller, in: Bleckmann/Dieringer/Hufeld (Hrsg.), Eine Verfassung für Europa, 2005, S. 119, 129 ff.; weitere Nachweise nachfolgend. 507 So Schilling, StWStPr 7 (1996), S. 387, 398; dagegen Hanschmann, Der Begriff der Homogenität in der Verfassungslehre und Europarechtswissenschaft, 2008, S. 44. Selbst unter der Einschränkung, die Staatslehre – im Gegensatz zu sonstigen Sozialwissenschaften – habe die tatsächlichen gesellschaftlichen Heterogenisierungsprozesse nicht zur Kenntnis genommen, übersieht diese Behauptung die zahlreichen homogenitätsskeptischen Stimmen innerhalb der Staatslehre (vgl. Hanschmann, a.a.O., S. 105 ff.). 508 So Schorkopf, Homogenität in der Europäischen Union, 2000, S. 28; dagegen LübbeWolff, ZAR 2007, S. 121, 126 mit Verweis auf Herbert Spencer, Emile Durkheim und Georg Simmel. 509 Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. I, 1987, § 22 Rn. 47.
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Merkmale nicht gegeben ist.510 Richtigerweise ist wohl kein Staatsvolk in der postulierten Weise homogen.511 Demnach verwundert es nicht, dass teils unklar ist, ob die Homogenität lediglich als Idealzustand gedacht oder tatsächlich als Notwendigkeit erachtet wird.512 Zwar öffnet die Vielzahl potentiell homogenitätsbegründender Merkmale – Homogenität soll sich nicht nur aus einer gemeinsamen Kultur, sondern auch aus einer gemeinsamen Sprache, Religion oder Geschichte oder auch einem gemeinsamen politischen Bekenntnis ergeben können513 – den Weg, jedem Staat das eine oder andere Merkmal zuzuweisen; der eine Staat ist dann sprachlich homogen, der zweite gewinnt eine kollektive Identität aus einer gemeinsamen Geschichte oder Religion. Damit gewinnt der Homogenitätsbegriff aber völlige Beliebigkeit und wird zur nicht überprüfbaren Behauptung.514 Kulturelle Homogenität ist dann nichts weiter als eine „Großformel“515, die wegen ihrer Austauschbarkeit schon im Ansatz nicht geeignet ist, die Beeinträchtigungen des Demokratieprinzips durch staatliche Kunstförderung zu rechtfertigen. In der deutschen Geschichte ist freilich gerade die kulturelle Einheit betont worden. Dabei handelt es sich aber nicht um eine vorgefundene Einheit; die Entstehung des modernen Staates geht nicht auf einen „natürlichen“ nationalen Gründungswillen zurück, sondern auf das Konstrukt eines solchen.516 Habermas spricht diesbezüglich von einer „artifiziell erzeugten Naturwüchsigkeit“.517 Der moderne Staat gründet keineswegs auf einer kulturell homogenen Gemeinschaft, sondern auf einem Gemisch von tatsächlich vorgefundenen Ähnlichkeiten, die politisch besonders hervorgehoben oder – etwa im Fall des Hochdeutschen in Konkurrenz zu den niederdeutschen Sprachen und Dialekten – verstärkt wurden, und Unterschieden, die demgegenüber möglichst wenig Aufmerksamkeit bekommen sollten. 510
Lübbe-Wolff, ZAR 2007, S. 121, 126: „Die Welt ist bekanntlich voller Gegenbeispiele von Staaten, darunter auch Demokratien, in denen eine oder mehrere dieser Gemeinsamkeiten fehlen.“ 511 So auch Pernice, AöR 120 (1995), S. 100, 107: substanzielle Gleichartigkeit „in keiner modernen Demokratie vorhanden“; ebenso M. Müller, in: Beckmann/Dieringer/Hufeld (Hrsg.), Eine Verfassung für Europa, 2005, S. 119, 130, der neben den oft als Gegenbeispiel genannten USA auch sämtlichen „Nationalstaaten“ Europas eine kulturelle Homogenität abspricht. Für die Bundesrepublik spricht Grawert, Der Staat 51 (2012), S. 189, 191 von „faktische[m] Multikulturalismus“. 512 Vgl. die Beispiele bei Hanschmann, Der Begriff der Homogenität in der Verfassungslehre und Europarechtswissenschaft, 2008, S. 46 in Fn. 143 zu Isensee und Kirchhof, die die Notwendigkeit von Homogenität mal ablehnen und mal befürworten. 513 Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. I, 1987, § 22 Rn. 47. 514 Ebenso Lübbe-Wolff, ZAR 2007, S. 121, 126: Homogenitätsthese falsch oder „steril“. 515 J. Thurn/Reimer, NVwZ 2008, S. 718, 721. 516 Grawert, Der Staat 51 (2012), S. 189, 191. 517 Habermas, in: Beckert u. a. (Hrsg.), Transnationale Solidarität, 2004, S. 225, 227; Marcel Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, 1997, S. 57: „Der Erfolg der Nation ruht schließlich wohl auch darauf, daß sie um der Effizienz der Integrationsleistung willen als vorstaatliche ,natürliche‘ Einheit fingiert wird“ (Hervorhebungen im Original).
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Mit der Enttarnung der staatlichen Homogenität als Konstrukt lässt sich aber die Ansicht, dass der Staat auf vorstaatlichen kulturellen Gemeinsamkeiten beruhe, die er zu sichern habe, nicht aufrechterhalten. Im Postulat ihrer Notwendigkeit liegt vielmehr eine „verdeckte Politisierungsstrategie“.518 Gerade die fingierte Natürlichkeit versteckt die normativen nationalistischen Prämissen,519 die unter dem Deckmantel des scheinbar deskriptiven Begriffs der Homogenität ins Verfassungsrecht dringen.520 Vorstaatliche Begründungsmuster heften dem Staat eine vermeintlich „naturgesetzlich“ vorgegebene Inhaltsbestimmung an, anstatt ihn als eine in ihrer konkreten Gestalt und in ihrem konkreten Umfang kontingente Zweckeinrichtung zu begreifen.521 Der Staat muss vielmehr mit der Heterogenität seiner Bürger existieren. Ebenso wie beinahe jedes Homogenitätskriterium als Quelle nationaler Homogenität instrumentalisiert werden kann, markiert umgekehrt jedes andere eine potentielle Konfliktlinie.522 Die einzige Möglichkeit, diese Konflikte zu vermeiden, wäre also, in allen potentiell konfliktträchtigen Bereichen Homogenität herzustellen523 – ein Zustand, der wegen der Totalität der Macht bald aufhört, Verfassungsstaat zu sein: ein auf formeller Bindung beruhendes Organisationsgebilde, ausgestattet mit der Funktion, durch das Gewaltmonopol die Macht von der Gesellschaft zu trennen.524 II. Demokratietheoretische Plausibilität Ein weiterer Ansatz versucht, die Notwendigkeit kulturellen Zusammenhalts aus dem Demokratieprinzip abzuleiten.
518 Hanschmann, Der Begriff der Homogenität in der Verfassungslehre und Europarechtswissenschaft, 2008, S. 147 in Fn. 487; ebenso Grawert, Der Staat 51 (2012), S. 189, 198: „Wer den Begriffen und Inhalten dieser Sachbereiche [Nationalstaat, Sprache, Geschichte, Kultur] fachwissenschaftlich auf den Grund zu gehen versucht, entdeckt alsbald deren Variationsbreiten und Ungewissheiten. Wer sie als Bank setzt, unternimmt also eine Konstituierung.“ 519 Vgl. Denninger, KJ 2009, S. 226, 235: „nationalkonservative Wunschliste“. 520 Hanschmann, Der Begriff der Homogenität in der Verfassungslehre und Europarechtswissenschaft, 2008, S. 144 ff, insb. 146; ebenso v. Bogdandy, KJ 2005, S. 110, 115 zum Begriff der kollektiven Identität. 521 Vgl. Grawert, Der Staat 51 (2012), S. 189, 194. 522 Noch weiter Hanschmann, Der Begriff der Homogenität in der Verfassungslehre und Europarechtswissenschaft, 2008, S. 60: „[J]ede Auseinandersetzung unter Bezug auf nahezu jeden beliebigen Inhalt [kann] zu einem grundsätzlichen und nicht zu überbrückenden Gegensatz avancieren“. 523 Auf die Konsequenzen, die Carl Schmitt daraus gezogen hat (Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, 1923, S. 14: „Aussscheidung oder Vernichtung des Heterogenen“), weist mahnend Pernice, AöR 120 (1995), S. 100, 106 f., hin. 524 Vgl. Volkmann, AöR 127 (2002), S. 575, 581, der mit ähnlichen Überlegungen zum Staatsbegriff die Skepsis totalitärer Ideen dem Staat gegenüber begründet.
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1. Die Akzeptanz von Mehrheitsentscheidungen Homogenität wird vielfach als Voraussetzung der Akzeptanz von Mehrheitsentscheidungen angesehen:525 „Die Bürger wissen sich in den Grundsatzfragen politischer Ordnung ,gleich‘ und einig, erfahren und erleben Mitbürger nicht als existentiell anders oder fremd und sind auf dieser Grundlage zu Kompromissen und loyaler Hinnahme der Mehrheitsentscheidungen bereit.“526 Die Akzeptanz von Mehrheitsentscheidungen ist eine – wenn auch teils rechtlich erzwingbare – soziale Norm und als solche zweifelsohne nicht voraussetzungslos. Damit ist aber noch nicht gesagt, dass die soziale Geltung auf einer (kulturell) homogenen Gemeinschaft beruht.527 Es ist bereits im Ausgangspunkt fraglich, wie gerade kulturelle Homogenität die Folgebereitschaft gegenüber Mehrheitsentscheidungen fördern soll. Das Recht regelt immer einen Konflikt. Die Annahme, ein solcher Konflikt werde durch einen kulturellen Grundkonsens, der auf emotionaler Zugehörigkeit zu einem Kollektiv beruht, neutralisiert, kann aber nicht plausibel begründet werden. Bei einem Gesetz ohne Bezug zu kulturellen Identitäten kann nicht erwartet werden, dass kulturelle Gemeinsamkeiten zu einer erhöhten Akzeptanz bei der unterliegenden Minderheit führen; kulturelle Homogenität, wenn es sie gäbe, tritt gar nicht in Erscheinung, sondern wird zu einem unwesentlichen, von der entschiedenen Sachfrage verdrängten Aspekt. Je stärker dagegen eine gesetzliche Regelung die kulturelle Identität zu treffen vermag, desto stärker treten auch die nicht zu verleugnenden Unterschiede zutage; dann führt die Berufung auf kulturelle Homogenität nicht weiter, sondern blendet die faktische Heterogenität aus. Im Hinblick auf einen vermeintlichen „Gemeinwillen“ als Grundlage der Akzeptanz von Mehrheitsentscheidungen528 hat in der jüngeren rechtswissenschaftlichen Debatte bekanntlich die Aussage des Bundesverfassungsgerichts im Maastricht-Urteil eine intensive Diskussion über das Verhältnis von Demokratie und Homogenität ausgelöst: Das Demokratieprinzip erfordere, dass das Staatsvolk sich „in einem von ihm legitimierten und gesteuerten Prozeß politischer Willensbildung entfalten und artikulieren kann, um so dem, was es – relativ homogen – geistig, sozial und politisch verbindet […], rechtlichen Ausdruck zu geben“.529
525 Vor allem Heun, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, 1983, S. 175 ff.; ebenso Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 [Stand: 57. Lfg. 2010] Rn. 302. 526 Böckenförde, Demokratie und Repräsentation, 1983, S. 333. 527 Hanschmann, Der Begriff der Homogenität in der Verfassungslehre und Europarechtswissenschaft, 2008, S. 59 mit dem zutreffenden Hinweis, die Betonung der Homogenität verstelle den Blick auf eine differenzierte Analyse der Voraussetzungen. 528 Ausführlich dazu Hanschmann, Der Begriff der Homogenität in der Verfassungslehre und Europarechtswissenschaft, 2008, S. 100 ff. 529 BVerfGE 89, 155, 186 mit Hinweis auf Heller, Politische Demokratie und soziale Homogenität, Gesammelte Schriften, Bd. II, 1992, S. 421, 427 ff. (ein Fehlzitat sieht darin Bryde, StWStPr 5 (1994), S. 305, 311 f.).
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Die vielfältige Kritik, die sich sowohl gegen die geistigen Wurzeln530 als auch gegen die – oben diskutierte – Kontrafaktizität des Homogenitätsgedankens richtete,531 hat das Bundesverfassungsgericht zu Recht veranlasst, von einem Rekurs auf ein homogenes Volk Abstand zu nehmen.532 Denn mit der Annahme, eine unterlegene Minderheit folge der Mehrheitsentscheidung, weil sie sich mit der Mehrheit als Gruppe verbunden fühlt, wird ein unzutreffendes Wunschbild des demokratischen Staates gezeichnet, nämlich eines, in dem jede demokratisch gefällte Entscheidung von jedem akzeptiert wird. Dies ist keineswegs der Fall. Es dürfte kaum eine Entscheidung geben, die nicht von Teilen der Bevölkerung abgelehnt wird; und je intensiver die Auswirkungen einer Entscheidung auf die kulturelle Identität von Individuen oder Gruppen sind, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Einzelne sich ihr widersetzen.533 Entscheidungen der Mehrheit werden nicht deshalb akzeptiert, weil sie in einem sozial homogenen Raum getroffen werden. Gesetze dienen vor allem dazu, eine Entscheidung der Mehrheit gegen eine Minderheit zu erzwingen. Anders gesagt: Wenn es keine soziale Heterogenität gäbe, wären mit Hilfe des staatlichen Gewaltmonopols durchsetzbare Gesetze weitgehend überflüssig. Das Homogenitätspostulat scheint nicht so sehr die tatsächlich existierende Öffentlichkeit vor Augen zu haben, in der verschiedene Ansichten über politische, aber auch weltanschauliche, religiöse, in weitestem Sinn: kulturelle Fragen aufeinandertreffen, sondern im Gegenteil eine Gruppe, aus der gemeinsame Entscheidungen (auch) über grundlegende Fragen im Gesetzgebungsprozess gleichsam emergieren.534 Ein solches Denken mag ideengeschichtlich für die Demokratietheorie interessant sein;535
530 Etwa Bryde, StWStPr 5 (1994), S. 205 ff.; Pernice, AöR 120 (1995), S. 100 ff.; Zuleeg, JöR n.F. 51 (2003), S. 81 ff. 531 Lübbe-Wolff, ZAR 2007, S. 121, 126. 532 Dazu Britz, EuR 2010 (Beiheft 1), S. 151, 164 f. Grawert, Der Staat 51 (2012), S. 189, 197 f. sieht in den Ausführungen zur nationalen Identität im Lissabon-Urteil eine Ausprägung des Homogenitätsgedanken. Zumindest begrifflich greift das Bundesverfassungsgericht aber nicht mehr auf Homogenität zurück; diese begriffliche Wende legt – gerade angesichts der Kritik am Homogenitätsgedanken – auch eine inhaltliche Wende nahe. Jedenfalls ist der Begriff der nationalen Identität interpretationsoffener und kann auch im Sinne einer Identität als Rechtsgemeinschaft verstanden werden. 533 Huster, VVDStRL 65 (2006), S. 51, 78. Die Schulpflicht und die mit ihr als solcher, aber auch mit den Ausgestaltungen des Unterrichts verbundenen Konflikte sind dafür ein Beispiel. Ein anderes ist das Verhältnis des Staates zu Religionsgemeinschaften. 534 Dazu Hanschmann, Der Begriff der Homogenität in der Verfassungslehre und Europarechtswissenschaft, 2008, S. 101 f. (Darstellung), S. 110 ff. (Kritik), jeweils m.w.N.; kritisch auch M. Müller, in: Bleckmann/Dieringer/Hufeld (Hrsg.), Eine Verfassung für Europa, 2005, S. 119, 131 zu einem „schon immer (latent vorhandenen) Normenkonsens“. 535 Man wird vor allem an Rousseau denken; vgl. dazu Speth, in: Massing/Breit (Hrsg.), Demokratie-Theorien, 2003, S. 118, 123: „Rousseaus Identitätstheorie der Demokratie steht dem Demokratiemodell liberaldemokratischer Verfassungsstaaten diametral gegenüber.“ Pernice, AöR 120 (1995), S. 100, 107 verweist auf den Bezug zwischen dem anti-liberalistischen Denken Carl Schmitts und der Rousseauschen Idee der volonté générale.
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dem Demokratiebild des Grundgesetzes entspricht es nicht.536 Vielmehr wird zu Recht kritisiert, dass die Berufung auf einen Gemeinwillen einer freiheitlichen Demokratie entgegensteht.537 Der Gemeinwille schließt immer die aus, deren Wille nicht mit ihm zusammenfällt.538 Die vielbeschworene kulturelle Homogenität als Voraussetzung des Mehrheitsprinzips – und damit im demokratischen Staat: der Rechtsgeltung überhaupt – ist bestenfalls überflüssig. Für die Geltung des Mehrheitsprinzips als soziale Norm genügt es, sich auf das Mehrheitsprinzip zu verständigen. Dies hängt von der Sozialisation ab, vom individuell erwarteten Nutzen der Demokratie539 und nicht zuletzt von den verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen, etwa Minderheitenschutz und Partizipationsmöglichkeiten.540 Das Mehrheitsprinzip ist aber weder Ausfluss eines homogenen Volkes noch eine Art verfahrenstechnisches Mittel zu dessen Selbstgesetzgebung. 2. Homogenität als Diskursbedingung Demokratie ist auf einen Diskurs angewiesen, der in einer potentiell unbegrenzten Öffentlichkeit stattfindet. Dieser öffentliche Raum ist aber keineswegs auf eine homogene Teilnehmerschaft angewiesen.541 Zwar ist jeder Diskurs – auf einem sehr abstrakten Niveau – darauf angewiesen, dass sein Inhalt von den Beteiligten auf eine Weise verstanden wird, die eine Kommunikation ermöglicht. In dieser Weise mag auch das Bundesverfassungsgericht verstanden werden, wenn es ausführt, dass „die öffentliche Wahrnehmung von Sachthemen und politischem Führungspersonal in erheblichem Umfang an nationalstaatliche, sprachliche, historische und kulturelle Identifikationsmuster angeschlossen bleibt“.542 Wem diese Identifikationsmuster 536
Grawert, Der Staat 51 (2012), S. 189, 200 f. Auch aus dem Maastricht-Urteil des Bundesverfassungsgerichts lässt sich keine Erstreckung des Homogenitätsgedankens auf das staatliche „Innenverhältnis“ entnehmen. 537 Volkmann, AöR 127 (2002), S. 575, 600 weist darauf hin, dass das Roussausche Konzept leicht ins Totalitäre kippen könne. 538 Vgl. Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, 1923, S. 22: „In der Demokratie gibt es nur die Gleichheit der Gleichen und den Willen derer, die zu den Gleichen gehören.“ Kritisch dazu Pernice, AöR 120 (1995), S. 100, 106 f. 539 M. Müller, in: Bleckmann/Dieringer/Hufeld (Hrsg.), Eine Verfassung für Europa, 2005, S. 119, 130 f. 540 Fisahn, Demokratie und Öffentlichkeitsbeteiligung, 2002, S. 227; Hanschmann, Der Begriff der Homogenität in der Verfassungslehre und Europarechtswissenschaft, 2008, S. 64 ff. 541 So aber Böckenförde, Demokratie und Repräsentation, 1983, S. 332: Eine „vor-rechtliche Gleichartigkeit“ begründe „relative Homogenität, auf deren Grundlage allererst eine auf der strikten Gleichheit der praktischen Mitwirkungsrechte aufbauende demokratische Staatsorganisation möglich wird“; in diese Richtung auch Häberle, AöR 110 (1985), S. 577, 596; anders Habermas, in: Niesen/Herborth (Hrsg.), Anarchie der kommunikativen Freiheit, 2007, S. 406, 436: „Weder der Deliberation noch der Öffentlichkeit sind von Haus aus nationale Grenzen eingeschrieben.“ 542 BVerfGE 123, 267, 359.
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völlig verschlossen bleiben, dem bleiben auch einzelne, mehr oder weniger wichtige Facetten des öffentlichen Diskurses verschlossen. Mit dieser faktischen Umschreibung ist aber nur ausgesagt, dass es solche Identifikationsmuster gibt, nicht hingegen, woher sie stammen. Ein (minimaler, kommunikationsermöglichender) gemeinsamer Erfahrungshorizont kann auf zwei Weisen hergestellt werden: Einmal, indem er vom Staat (oder von Verfechtern einer substantiellen Staatsidee) erdacht und gesichert wird; zum anderen, indem er gerade durch die Kommunikationserfahrungen der Staatsbürger konstituiert wird.543 Im Verfassungsstaat können aber nicht umstrittene und variable Staatsideen, sondern nur die Verfassung und die von ihr vorgesehenen Rechtsinstitute, insbesondere die Kommunikationsgrundrechte,544 als Basis der gemeinsamen Identität ihrer Bürger dienen: „Demokratische Integration wird nicht der Demokratie vorgelagert, schon gar nicht über die nationale Homogenität, sondern auch im demokratischen Prozess produziert und re-produziert.“545 Die Bürger, denen die Wahlentscheidung obliegt, legen zugleich die Grundlagen fest, nach denen der Diskurs über die Wahlentscheidung geführt wird.546 Die Diskussion über kulturell sensible Fragen – etwa Gesetze zur Abtreibung oder zum Tragen eines Kopftuchs – können in verschiedenen kulturellen Gruppen diskutiert werden, ohne dass dadurch eine übergreifende Öffentlichkeit ausgeschlossen würde. Die Existenz verschiedener, paralleler Öffentlichkeiten steht einer gemeinsamen Öffentlichkeit nicht entgegen. Die Rede von der Öffentlichkeit unterschlägt, dass es stets eine Vielzahl sich überlappender, aufeinander reagierender Teilöffentlichkeiten gibt, und dass deren Mitglieder dennoch Teil einer übergeordneten Öffentlichkeit sind. Es ist sogar höchstwahrscheinlich, dass die Anhänger der einen Gruppe sich zur Festigung ihrer Position für die Position der Gegenseite interessieren
543 Letzteres ist die Auffassung von Habermas, in: ders. (Hrsg.), Die Einbeziehung des Anderen, 1996, S. 185, 191: Das „ethisch-politische Selbstverständnis der Bürger eines Gemeinwesens“ werde nicht vorausgesetzt, sondern durch die „rechtliche Institutionalisierung der staatsbürgerlichen Kommunikation“ erst ermöglicht. Anders die unzutreffende Lesart von Grzeszick, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 20 [Stand:57. Lfg. 2010] Rn. 302, der den zitierten Text als Beleg für die Auffassung heranzieht, zu den diskursiven Funktionsbedingungen der Demokratie gehöre ein Mindestmaß an Homogenität. 544 Zuleeg, JöR n.F. 51 (2003), S. 81, 95 betont die Bedeutung der gelebten Meinungsfreiheit, die in den USA eine funktionierende Demokratie ohne homogene Bürgerschaft ermöglicht habe. 545 Fisahn, Demokratie und Öffentlichkeitsbeteiligung, 2002, S. 227; Pernice, AöR 120 (1995), S. 100, 107 f. weist darauf hin, dass auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Maastricht-Entscheidung davon ausgeht, dass sich eine demokratische Legitimation vermittelnde öffentliche Meinung allein durch demokratische Prozesse bilden kann (BVerfGE 89, 155, 184 f.). 546 Grawert, Der Staat 51 (2012), S. 189, 200: „[D]as liberal-rechtsstaatlich verstandene Grundgesetz [überlässt] es der Gesellschaft der normativ Freien und Gleichen […], den common sense individuell und plural, jedenfalls privat zu bilden.“
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und so erst einen Diskurs ermöglichen. Der öffentliche Diskurs wird also durch die Existenz (gerade auch kulturell) heterogener Gruppen eher beflügelt als gebremst.547 Dagegen ist die Berufung auf eine homogene Volksgemeinschaft tendenziell desintegrierend.548 Die widerstreitenden Meinungen der pluralistischen Gruppen werden nicht in den demokratischen Prozess einbezogen, sondern verbleiben außerhalb; demokratische Legitimation ist nicht mehr auf Einbeziehung ausgerichtet, sondern nur auf eine außerrechtlich vermittelte Homogenität des Volkes.549 Daher ist vielmehr zu erwarten, dass gerade das Homogenitätspostulat eine Diskursbedingung, nämlich die Gleichheit der Diskursteilnehmer, beeinträchtigt.550
B. Verfassungsrechtliche Geltung eines unterstellten Homogenitätserfordernisses Die Annahmen, die der These der Angewiesenheit des Staates auf eine homogene Gemeinschaft zugrunde liegen, erweisen sich somit als äußerst fragwürdig. Selbst unter der Annahme aber, staats- und demokratietheoretische Überlegungen würden einen Homogenitätsbedarf des Staates nahelegen, wäre die Beeinträchtigung der Staatsfreiheit der öffentlichen Willensbildung damit nicht ohne Weiteres gerechtfertigt. Zum einen wäre damit noch nicht entschieden, dass der Staat diesen Homogenitätsbedarf selbst befriedigen sollte und darf, oder ob er seine Grundlagen nicht durch seine bloße Existenz oder die allgemeine und „gerechte“ Regelung gemeinschaftlicher Belange sichern muss.551 Zudem wäre damit keineswegs gesagt, dass gerade die Kulturförderung als Mittel dienen muss, diesen Homogenitätsbedarf zu befriedigen; der Staat könnte ebenso gut auf ihm unstreitig zur Verfügung ste547
Suntrup, Der Staat 49 (2010), S. 605, 609: „In ideologisch homogenen Gruppen kann etwa ein ungesunder Konformitätsdruck entstehen. Solche Diskurse sind dann nicht durch die zwanglose Suche nach dem besten Argument bestimmt, sondern durch einen individuellen Kampf um Anerkennung unter Gleichgesinnten, der in vielen Fällen zu einem Prozess der Gruppenpolarisierung führen kann, weil sich die Teilnehmer eine Prämie für die Radikalisierung der vorherrschenden Meinungstendenz versprechen. Neben diesem sozialdynamischen Phänomen führt auch schlicht der limitierte Pool der Argumente, der bei ideologischer Homogenität zur Verfügung steht, zur Gefahr des ,groupthink‘. Auch empirisch lässt sich ein höheres Argumentationsniveau bei ausreichend heterogen besetzten Diskussionsgruppen feststellen.“ 548 Huster, VVDStRL 65 (2006), S. 51, 78: „Der Verfassungsstaat sollte ein Interesse daran haben, kulturelle Unterschiede in ihrer Bedeutung nicht zu betonen.“ 549 Fisahn, Demokratie und Öffentlichkeitsbeteiligung, 2002, S. 227. 550 Ähnlich Hanschmann, Der Begriff der Homogenität in der Verfassungslehre und Europarechtswissenschaft, 2008, S. 110 ff. 551 Für Letzteres etwa Münkler, in: Beckert u. a. (Hrsg.), Transnationale Solidarität, 2004, S. 15, 16: „Der freiheitliche Verfassungsstaat zehrt von Grundlagen, die er jedoch nicht selbst garantieren kann, wenn nicht seine Freiheitlichkeit Schaden leiden soll“; zur Unklarheit des Böckenförde-Diktums hinsichtlich dieser Frage Reiß, Menschenrechtsmagazin 2008, S. 205, 208.
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hende Mittel – etwa das Staatsangehörigkeitsrecht oder die staatliche Befugnis zur Überwachung der Erziehung der Kinder – verwiesen sein. Zum anderen stände auch die Forderung eines aktiv seine Grundlagen sichernden Staates zunächst außerhalb des Verfassungsrechts.552 Im Folgenden sind denkbare Anhaltspunkte für eine verfassungsrechtliche Verankerung einer staatlichen Befugnis zur kulturellen Integration seiner Bürger zu diskutieren. I. Grundgesetzliche Integrationsklausel Ist dem Grundgesetz ein Kulturnationsprinzip zu entnehmen, wie es in Anlehnung an ein von Bleckmann vorgeschlagenes Nationalstaatsprinzip genannt werden könnte?553 Denken könnte man diesbezüglich an die Wahrung der nationalen und staatlichen Einheit, wie sie in der Präambel niedergeschrieben war. Aber ungeachtet des normativen Charakters der Präambel würde man diesen – gestrichenen –554 Halbsatz überstrapazieren, wollte man ihn über seine Geltung als „Wiedervereinigungsgebot“555 hinaus zur Legitimation der Kulturstaatlichkeit heranziehen. Erst recht ist dem Grundgesetz kein Vorrang „deutscher Kulturalität“ zu entnehmen.556 Das Grundgesetz kennt keine Staatsbürgerschaft, die wegen ihrer nicht„volklichen“557 Wurzeln zu einer Staatsbürgerschaft zweiter Klasse wird. Verfassungsrechtlich steht einer Bevorzugung deutscher Kulturalität schon Art. 3 Abs. 3 GG entgegen. Die zu schützende „kulturelle Prägung“, die das Staatsvolk „in seinem Kern“ noch aufweisen soll,558 führt zwangsläufig zu einer Bevorzugung des ökonomisch und politisch bereits privilegierten kulturellen Zentrums gegenüber der Peripherie. Dahin zielt der Einwand, mit der Idealisierung einer harmonischen Einheit, die es zu erhalten gelte, werde in Wahrheit nur ein Privileg zugunsten der 552 Kritisch zur verfassungsrechtlichen Geltung verfassungstheoretischer „Gelingensvoraussetzungen“ Wahl, AöR 112 (1987), S. 26, 48 f.: „Das (Verfassungs)Recht lebt von Voraussetzungen, die (verfassungs)rechtlich nicht zu garantieren sind“ (Hervorhebungen im Original); anders Evers, NJW 1983, S. 2161, 2167, der offenlässt, ob das (mit der Notwendigkeit von Homogenität begründete) Erfordernis der Kulturförderung und -gestaltung „der normativen Sphäre der Verfassung zuzuordnen oder als Realfaktor anzuerkennen ist.“ 553 Bleckmann, Staatsrecht, Bd. I, 1993, S. 677 ff.; in diese Richtung Murswiek, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VIII, 1995, § 201 Rn. 51: „Grundentscheidung [des Grundgesetzes] für den durch die deutsche Kultur und das deutsche Volk geprägten Nationalstaat“; kritisch dazu Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 427 f.; Volkmann, Solidarität, 1997, S. 359 ff.; ders., DVBl. 2005, S. 1061, 1068. 554 Für eine Fortgeltung (als ungeschriebenes Verfassungsrecht) Hillgruber, in: Epping/ ders. (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar GG, 2013, Präambel Rn. 4; Maunz, in: ders./ Dürig, GG, Präambel [Stand: 29. Lfg. 1991] Rn. 36. 555 BVerfGE 5, 85, 125 ff., 128. 556 Bedenklich insoweit Gullo, Religions- und Ethikunterricht im Kulturstaat, 2003, S. 162. 557 Diesen Ausdruck verwendet Gullo, Religions- und Ethikunterricht im Kulturstaat, 2003, S. 157. 558 Gullo, Religions- und Ethikunterricht im Kulturstaat, 2003, S. 162 f.
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bereits Etablierten geschaffen und die (kulturelle) Hegemonie der herrschenden Gruppe geschützt.559 Als Leitbild der staatlichen Gemeinschaft ist die Integration in eine homogene Volksgemeinschaft von der Diskriminierung des immer vorhandenen Heterogenen nicht zu unterscheiden.560 Schließlich darf im Rahmen der gebotenen individuellen Betrachtungsweise561 nicht übersehen werden, dass ein auf die Herstellung von Homogenität ausgerichtetes „Verfassungsziel Integration“ immense Gefahren für die Freiheit des Einzelnen birgt.562 Indem die Gefahren von Parallelgesellschaften für den Staat überschätzt und die mit ihnen verbundenen Freiheitsgewinne für den Einzelnen unterschätzt werden,563 werden Anpassungsforderungen an die Mehrheitsgesellschaft für zulässig erachtet, die grundlegende Freiheitsrechte gefährden. Wenn über einen Minimalkonsens hinaus kollektive Identität künstlich geschaffen oder verstärkt werden soll,
559 Hanschmann, Der Begriff der Homogenität in der Verfassungslehre und Europarechtswissenschaft, 2008, S. 136 f. im Anschluss an F. Müller; Wer ist das Volk?, 1997, S. 35 f.: Die eigentliche Heterogenität werde dadurch wegdefiniert, um die sonst zutage tretenden Konflikte zugunsten der bereits Privilegierten zu verschleiern. Bryde, StWStPr 5 (1994), S. 305, 322 leitet aus den Grundrechten ein „Prinzip der Nichtidentifikation“ ab, „zu dem der sich national homogen definierende Staat in Widerspruch stellt.“ 560 Zuleeg, JöR n.F. 51 (2003), S. 81, 83: „Von Natur aus aber sind die Menschen verschieden. Soll geistige und politische Homogenität herrschen, muss sie zwangsweise hergestellt werden.“ 561 Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 465: „Letztlich muss sich alles staatliche Handeln dadurch legitimieren, dass es individuellen Rechten oder Interessen dient.“ 562 Dies führt etwa zu dem Ergebnis, dass die Glaubensfreiheit, wie das BVerwG im „Burkini-Urteil“ (BVerwG, Urteil vom 11. 9. 2013, 6 C 25.12) entschieden hat, um des Integrationsauftrags der öffentlichen Schule willen hinter dem zurücktritt, was „außerhalb der Schule zum allgemein (!) akzeptierten Alltagsbild gehört“ (das „allgemein“ ist hier bezeichnend für das dahinter stehende Staats- und Gesellschaftsbild, fügt sich die Grundrechtsträgerin in dieses Alltagsbild doch gerade nicht ein). Die „Konfrontation der Schüler mit der in der Gesellschaft vorhandenen Vielfalt an Verhaltensgewohnheiten“, durch die „die integrative Kraft der öffentlichen Schule in besonderem Maße [bewährt und verwirklicht]“ werden soll, wird nur als Konfrontation der Minderheit mit den Verhaltensgewohnheiten der Mehrheit gedacht. Dem „Anliegen, bei allen Schülern die Bereitschaft zum Umgang mit bzw. zur Hinnahme von Verhaltensweisen, Gebräuchen, Meinungen und Wertanschauungen Dritter zu fördern, die ihren eigenen religiösen oder kulturellen Anschauungen widersprechen“, könnte aber viel stärker durch die umgekehrte Konfrontation und – geradezu vorbildlich – auch durch ein Mehr an staatlicher Bereitschaft des Staates zur Hinnahme religiöser Entscheidungen seiner Bürger entsprochen werden. Zugleich würden die Schüler durch ein „Recht auf Anders-Sein“ für ihre Grundrechte und die Grundrechte Dritter gegenüber staatlicher Zwangsintegration sensibilisiert. Das BVerfG hat die gegen das Urteil des BVerfwG gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 8. 11. 2016, 1 BvR 3237/13). 563 Kritisch zur Abwertung von Parallelgesellschaften in der Rechtsprechung zum staatlichen Schulzwang auch J. Thurn/Reimer, NVwZ 2008, S. 718, 721; treffend das Zitat von Christoph Möllers (Schule geht vor Kirche, F.A.Z. vom 31. 7. 2006): „Die Religionsfreiheit schützt die Gesellschaft nicht vor Zumutungen; sie schützt diese Zumutungen.“
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wird daraus eine „Drohung gegenüber denjenigen, die in ihrer Vereinzelung und Individualität beharren“.564 II. Identitätsstiftung, Demokratie und Menschenwürde Unter Rückgriff auf die diskursive Ausrichtung der Demokratie versucht ein anderer Ansatz, die kulturelle Bildung des Einzelnen als Grundlage seiner freien Selbstentfaltung für die Rechtfertigung des Kulturstaats fruchtbar zu machen. Kultur stelle dem Einzelnen „als überpersonales System von Interpretationen, Werten und Ausdrucksformen […] bestimmte Deutungsmuster und Sinnentwürfe für die Welt“ zur Verfügung.565 Sie versetze den Einzelnen in die Lage, „neue Sichtweisen kennenzulernen, neue Sinnzusammenhänge zu erschließen und Erfahrungen auf neue Weise zu artikulieren“.566 Die dadurch ermöglichte individuelle Selbstentfaltung sei „Voraussetzung einer funktionierenden Demokratie“567 und somit stehe „die Forderung an die Gesellschaft, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß ein jeder in die Lage versetzt wird, sich als geistig-sittliches Wesen möglichst umfassend zu entfalten […] am Anfang des modernen Kulturstaats“.568 Dem liegt der „Glaube an die perfectibilité“ des Menschen zugrunde569 und die Überzeugung, der Staat könne und solle dazu einen Beitrag leisten.570 Es ist schon sehr zweifelhalt, ob die perfectibilité des Menschen nicht begrifflich viel zu vage ist, um als Rechtfertigungstopos dienen zu können. Denn es gibt ganz verschiedene Wege zur Vervollkommnung, darunter auch den, sich der Selbstvervollkommnung zu verweigern, ohne dass einem dieser Wege der verfassungsrechtliche Vorzug einzuräumen ist.571 Wichtiger noch ist die Erwägung, dass im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Verfassung eine Be564 Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. II, 1992, S. 138 f., der eine solche Drohung in der Philosophie Fichtes erkennt. 565 Grimm, VVDStRL 42 (1984), S. 46, 61. 566 Huster, VVDStRL 65 (2006), S. 51, 62 m.w.N. aus der kulturpolitischen Diskussion. 567 Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, 1997, S. 230. 568 Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, 1997, S. 230 f. 569 Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, 1997, S. 230 f. 570 Adorno, in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. 10/1, 1997, S. 337, 345 verknüpft diesen Gedanken mit einer Perhorreszierung eines staatsfreien Kulturlebens: „Der Gesamteffekt der Kulturindustrie ist der einer Anti-Aufklärung; […] die fortschreitende technische Naturbeherrschung (wird) zum Massenbetrug, zum Mittel der Fesselung des Bewußtseins. Sie verhindert die Bildung autonomer, selbständiger, bewußt urteilender […] Individuen. Die aber wären die Voraussetzung einer demokratischen Gesellschaft, die nur in Mündigen sich erhalten und entfalten kann.“ 571 Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, 1975, S. 366: Perfektionistische Argumentationen fänden sich oft, wenn kein vernünftiges Argument mehr gefunden werden könne. Angesichts seiner Subjektivität sei der Begriff „keine praktikable Grundlage der sozialen Gerechtigkeit“. Vgl. dazu auch Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 436 f.
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gründung verlangt wird, die nicht beim Kollektiv, sondern beim Einzelnen ansetzt.572 Der beschriebene Ansatz ist indes nur scheinbar ein Ansatz beim Einzelnen. Er setzt implizit voraus, dass gerade die Vermittlung einer „überpersonalen“ kulturellen Bildung vorausgesetzt wird. Denn die Berufung auf die perfectibilité setzt ja gerade voraus, dass der zu erreichende Zustand nicht vom Einzelnen, sondern von der Gemeinschaft festgelegt wird. Indem die Gemeinschaftsbezogenheit des Menschen auf Staatsbezogenheit fokussiert wird, dient sie nicht mehr dem Schutz des Einzelnen vor dem oder durch den Staat, sondern dem Staat selbst.573 Insofern knüpft dieser Ansatz auch nur scheinbar an der Menschenwürde an. Letztlich wird die Menschenwürde hier als normativ funktionales Äquivalent zum juristischen Staatsbegriff verwendet; sie wird „nicht mehr als Sicherung des Individuums, sondern als Inbegriff einer bestimmten moralisch aufgeladenen ,guten Ordnung‘ verstanden“.574 Bei einer individuellen Betrachtung aber bedarf der grundrechtlich geschützte und zu demokratischer Selbstbestimmung fähige Einzelne keiner staatlichen Identitätspflege; er ist vielmehr vor staatlichen „Identitätszumutungen“ geschützt.575 Die Entscheidung über seine Identität und darüber, wie er diese entwickeln will, bleibt ihm überlassen. Für die freie Entfaltung der Persönlichkeit ist die staatlich vermittelte Identität ohnehin keine Voraussetzung. Eine differenzierte Betrachtung unterscheidet zwischen der personalen, der sozialen und der kollektiven Identität.576 Die Institutionen des Gemeinwesens wie der Staat sind Teil der kollektiven Identität, da sie nicht nur – wie die soziale Identität – ein gemeinschafts- und gruppenbezogenes Bild des Einzelnen umfassen, sondern ein gemeinsames Bild einer Gruppe voraussetzen, als dessen Teil sich der Einzelne empfindet.577 Da kollektive Identität „für den Lebensvollzug des einzelnen nicht notwendig“ ist,578 und der Einzelne – wie es häufig der Fall sein wird – seine Identität nur als personale und soziale definiert, lässt sich der Menschenwürde keine staatliche Aufgabe zur Sicherung oder Bereitstellung kollektiver Identitätsangebote entnehmen. Das Ziel der Perfektibilität verlangt zudem als Mittel eine staatliche Erziehung des Einzelnen. Zu Recht wird aber die staatliche Erziehungsaufgabe nicht vom Bereich der Schule auf die Kulturförderung ausgedehnt.579 Dem Grundgesetz ist eine 572
Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 465; Grawert, Der Staat 51 (2012), S. 189, 200: „[P]rivate Freiheit, auf der die freiheitliche Demokratie sich aufbaut, bedeutet Isolierung; sie ist kein integratives Strukturprinzip.“ 573 Dies wird besonders deutlich bei Grimm, dessen Ableitungen aus derr Menschenwürde wie zufällig mit den staatlichen Interessen zusammenfallen, VVDStRL 42 (1984), S. 46, 64 ff. 574 Möllers, Staat als Argument, 2011, S. XLVII. 575 Treffend v. Bogdandy, VVDStRL 62 (2003), S. 156, 180 ff.; ebenso Pernice, AöR 120 (1995), S. 100, 107 zu den Grundrechten als „Gewährleistung der Inhomogenität“. 576 v. Bogdandy, Europäische Verfassungspolitik als Identitätspolitik, KJ 2005, S. 110, 112. 577 v. Bogdandy, Europäische Verfassungspolitik als Identitätspolitik, KJ 2005, S. 110, 112. 578 v. Bogdandy, Europäische Verfassungspolitik als Identitätspolitik, KJ 2005, S. 110, 112. 579 v. Bogdandy, VVDStRL 62 (2003), S. 156, 184; Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 383; auch Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen,
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Erziehung der erwachsenen Bürger fremd. Ganz allgemein formuliert das Bundesverfassungsgericht, der Staat habe „nicht die Aufgabe, seine Bürger zu ,bessern‘“.580 Dies gilt erst recht für eine Verbesserung der kulturellen Bildung der Bürger. Der Einzelne entscheidet für sich, ob und wie er sich kulturell bilden will. Macht der Staat seinen Bürgern Vorschläge zu ihrer Vervollkommnung, kommt darin kein höheres Ziel zum Ausdruck als in den Vorschlägen Anderer. Die Grundrechte schützen vielmehr vor einem Staat, der die Sozialordnung „nach Maßstäben eines von der herrschenden Gruppe diktierten Wertsystems“ formt.581 III. Kultur als „Gelingensvoraussetzung“ der Verfassung Ein luftiger Versuch einer verfassungsrechtlichen Verankerung eines kulturellen Integrationsgebots ist die Anknüpfung an ungeschriebene „Gelingensvoraussetzungen“ der Verfassung.582 Das staatstheoretische Postulat einer Angewiesenheit des Staates auf Kultur werde, weil „Normen unter dem Anspruch der Verwirklichung stehen“, zu einem verfassungsrechtlichen „Realisierungsgebot“.583 Zu Recht wird dem entgegengehalten, es gebe „unendliche viele ,Gelingensvoraussetzungen‘“.584 Selbst wenn es also zuträfe, dass die kulturelle Integration für das „Gelingen“ der Verfassung erforderlich ist, wird die Voraussetzung damit nicht ohne Weiteres zum Objekt staatlicher Absicherung, weil damit der Zugriff des Staates auf die Gesellschaft uferlos wäre. Dies wiederum beträfe die Freiheitlichkeit der Gesellschaft,585 die, wenn man den Begriff für weiterführend hält, ebenfalls zu 1997, S. 231, beschränkt seine Ausführungen zu den ideengeschichtlichen Grundlagen des „Staatsinterventionismus“ auf den Bereich des Bildungswesens und lässt offen, ob er diese auch als legitimatorische Grundlagen der (nur anhand von Verfassungstexten erörterten) Kulturförderung verstanden wissen will. 580 BVerfGE 22, 180, 219. 581 Vgl. zur Vereinigungsfreiheit als Schutz vor solchen staatlichen Zugriffen BVerfGE 50, 290, 353. 582 Grimm, VVDStRL 42 (1984), S. 46, 66; Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, 2011, § 190 Rn. 194: „Förderung solcher kultureller Aktivitäten und Institutionen, die den Funktionserfordernissen der Verfassung im allgemeinen und der Grundrechte im besonderen dienen und geeignet sind, ihre Voraussetzungen zu beleben.“ 583 Grimm, VVDStRL 42 (1984), S. 46, 64, der freilich bis dahin keine Norm nennt, sondern verfassungsrechtliche Bestimmungen als Grundlage eines Kulturauftrags ablehnt (a.a.O., S. 63); Grimm meint an dieser Stelle wohl die Verfassung im Ganzen als realisierungsbedürftige Norm. Im Anschluss stützt er sich alternativ auf einen Ansatz bei der Menschenwürde des Einzelnen. 584 Wahl, AöR 110 (1985), S. 26, 49, der auch auf das problematische Verhältnis von in Verfassungsrang erhobener Staatstheorie und bundesstaatlicher Kompetenzordnung hinweist. 585 Heckel, AöR 134 (2009), S. 309, 342 f.: „Verfassungsvoraussetzungen und Verfassungserwartungen sind nicht selbst Inhalt und Geltungsbedingung des Verfassungsrechts, dessen Normen folglich nicht erlöschen, wenn ihre Voraussetzungen und Erwartungen entfallen oder trügen. Und vor der expliziten Normierung der ungeschriebenen Geltungsvoraussetzungen und Wirkungserwartungen warnen selbst ihre Verfechter, weil dies den Sinn einer freiheitlichen
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den Gelingensvoraussetzungen der Verfassung zu zählen wäre. Die Idee eines kulturell homogenen Volkes wurzelt in einem nationalistischen Denken.586 Das Denken vom nationalen Kollektiv birgt immer die Gefahr der Inanspruchnahme einer zunehmenden Zahl von Lebensbereichen für das Kollektiv mit der Folge, dass sie dem staatlichen Zugriff unterworfen werden.587 Eine Kulturförderung, die auf dem Gedanken der nationalen Homogenität beruht, gefährdet die Freiheitlichkeit der Gemeinschaft der Staatsbürger (und damit ihrer Kultur). Die Gefahren einer solchen Staatssicht sind umso größer, je weiter der zugrunde gelegte Kulturbegriff ist. Da zu „Weltdeutung, Sinnstiftung, Wertbegründung, -tradierung und -kritik“588 sicher nicht nur Kunst und Kultur im engeren Sinn, sondern beinah alle zivilgesellschaftlichen Einrichtungen gehören – nicht abschließend: die Religion, die Presse, Verbände, die Geschichtswissenschaften und die Philosophie –, gibt es keinen Grund, die staatlichen Tätigkeiten zur Sicherung der „Kultur“ überhaupt zu begrenzen.589 Die Kulturaufgabe des Staates wäre damit grenzenlos. Wenn der Staat als Ausdruck seiner Souveränität die Kontrolle über die Gesellschaft behalten muss,590 ist prinzipiell kein Zugriff mehr ausgeschlossen. Die Durchdringung aller Lebensbereiche591 als Voraussetzung der Legitimität bedeutet die Rückkehr zu einem Staatsbild, dem der Verfassungsstaat mit seinen rechtlichen Grenzen gerade Einhalt gebieten soll. Der verbreiteten Ansicht, der Staat müsse integrierend auf seine Bürger einwirken, ist der Gedanke eines Vorrangs der staatweltlichen Ordnung paternalistisch beengt und verfremdet. Erst recht gilt dies von einer Überfrachtung der Verfassung durch ihre Interpretation im Sinne partikularer religiöser, rechtsund kulturpolitischer Vorstellungen.“ 586 M. Müller, in: Bleckmann/Dieringer/Hufeld (Hrsg.), Eine Verfassung für Europa, 2005, S. 119, 125 ff.; deutlich wird dies etwa bei Badura, VVDStRL 42 (1984), S. 104, 105: „Nationalkultur ist ein notwendiges Pendant zum nationalen Verfassungsstaat.“ 587 v. Hayek, Die Verfassung der Freiheit, 2005, S. 526 „[V]on Gedanken an ,unsere‘ Industrie oder ,unsere‘ Naturschätze ist es nur ein kleiner Schritt zu der Folgerung, daß diese nationalen Vermögenswerte im nationalen Interesse gelenkt werden sollen“ (Hervorhebung nur hier). 588 Grimm, VVDStRL 42 (1984), S. 46, 60. 589 Eine solche Gefahr kommt etwa in den dezidiert anti-pluralistischen Ausführungen Gullos zum Ausdruck: „Kultur ist funktional als dasjenige zu umschreiben, das die Gesellschaft ideell integriert, als das Medium, in dem sie ihren Sprachschlüssel bildet und so er, durch die Möglichkeit gesellschaftsweiten Austauschs, die Gesellschaft konstituiert. Gerade der demokratische Staat ist auf diese kulturelle Leistung angewiesen. […] Nur insofern sich der Staat als Teil der ihn hervorbringenden Kultur versteht und dementsprechend auch in den Prozeß beständiger kultureller Durchdringung aller gesellschaftlichen Lebensbereiche eingeschaltet bleibt, erscheint seine Machtausübung auf lange Sicht legitim“ (Gullo, Religions- und Ethikunterricht im Kulturstaat, 2003, S. 131 – Hervorhebung nur hier). 590 So Schlaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, 1972, S. 260 f. vgl. demgegenüber BVerfGE 39, 1. 67: „Gegenüber der Allmacht des totalitären Staates, der schrankenlose Herrschaft über alle Bereiche des sozialen Lebens für sich beanspruchte […], hat das Grundgesetz eine wertgebundene Ordnung aufgerichtet, die den einzelnen Menschen und seine Würde in den Mittelpunkt aller seiner Regelungen stellt.“ 591 Gullo, Religions- und Ethikunterricht im Kulturstaat, 2003, S. 131.
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lichen Gemeinschaft vor den gesellschaftlichen Gemeinschaften inhärent. Dieser Gedanke verwischt den Unterschied zwischen Vergemeinschaftung und staatlicher Legitimität in bedenklicher Weise. Prominenter Vertreter des Integrationsgedankens ist Rudolf Smend. Indem Smend den Staat als Integrationsprozess charakterisiert, wird die Frage nach staatlicher Legitimität für ihn zu einer Frage nach Vergemeinschaftung im Allgemeinen.592 Damit aber ist es ihm nicht mehr möglich, Grenzen zwischen Staat und Gesellschaft zu ziehen.593 Smend beabsichtigt dies auch gar nicht: Die Grundrechte seien in ihrer Funktion auf den Staat ausgerichtet,594 und der „Gedanke des sittlich an den Staat gebundenen Bürgers“ sei Voraussetzung des Staatsrechts;595 der „Grundgedanke der Verfassung“ sei es, „ein Volk in die Form zu bringen, in der es handelnde Einheit wird“.596 Mit dem Staat als vorrangiger Gemeinschaft wird der Gemeinschaftsbezug des Einzelnen auf seine Rolle als Staatsbürger reduziert.597 Der Mensch ist jedoch nicht für den Staat da;598 unter dem Grundgesetz darf ihm der Staat gleichgültig oder missliebig sein.599 Seine Sozialgebundenheit ist keine Staatsgebundenheit; wer das Bedürfnis verspürt, mag sich in Verbänden vielerlei Art organisieren und betätigen; dem Verfassungsrecht ist nicht zu entnehmen, dass diese Art der Vergemeinschaftung des Einzelnen und seiner Identitätsfindung gegenüber der politischen Vergemeinschaftung im Staat Nachrang hat600 – im Gegenteil vermittelt gerade das in der Vereinigungsfreiheit verkörperte „Prinzip freier sozialer Gruppenbildung“ einen Vorrang zivilgesellschaftlicher Gruppenbildung.601 Eine Legitimationsgrundlage für eine Beeinträchtigung des Demokratieprinzips lässt sich auf diese Weise nicht konstruieren. Zu Recht wird vielmehr davor gewarnt, 592
Vgl. Möllers, Staat als Argument, 2011, S. 102. Smend hat etwa das faschistische Italien als als „gelungene Synthese formaler und sachlicher Integration“ angesehen (Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, 1928, S. 141, 173). Vgl. dazu den bezeichendnen Ausspruch Mussolinis: „La nostra formula è questa: tutto nello Stato, niente al di fuori dello Stato, nulla contro lo Stato“ (Rede vom 28. 10. 1925 in Mailand, www.mussolinibenito.it, Abruf am 6. 2. 2015). Zu Smends Verhältnis zum italienischen Faschismus ferner Tanner, Die fromme Verstaatlichung des Gewissens, 1989, S. 128. 594 Smend, Bürger und Bourgeois im deutschen Staatsrecht, 1933, S. 13 f. 595 Smend, Bürger und Bourgeois im deutschen Staatsrecht, 1933, S. 16. 596 Smend, Bürger und Bourgeois im deutschen Staatsrecht, 1933, S. 17 f. 597 Vgl. zum Staat als primärem Träger von Solidarität kritisch Haversath, in: JuWiss (Hrsg.), 52. ATÖR – Kollektivität, 2012, S. 211, 216 ff. 598 Das hier anklingende, verbreitete Zitat über Mensch und Staat geht zurück auf Mk 2, 27. 599 BVerfGE 39, 334, 359: Der Bürger habe „die Freiheit, [… die] verfassungsmäßige Ordnung abzulehnen und sie politisch zu bekämpfen“. 600 Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, 2001, S. 190 f.: „Die Staatsorgane haben weder ein Integrationsmonopol noch einen grundsätzlich Integrationsvorrang, sind doch in den Prozess der Gemeinschaftsbildung die Einzelnen wie die Verbände, die Kirchen wie die Parteien einbezogen.“ 601 BVerfGE 38, 281, 302 f.; dazu Haversath, in: JuWiss (Hrsg.), 52. ATÖR – Kollektivität, 2012, S. 211, 220 f. 593
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partikulare kulturpolitische Vorstellungen – und dazu gehören solche, die die integrative Funktion der Kunst betonen – in das Grundgesetz hineinzuinterpretieren, da ein solches Unterfangen besonders leicht „den Sinn einer freiheitlichen […] Ordnung paternalistisch beengt und verfremdet“.602
C. Kunstförderung als Mittel einer staatlichen Integrationsaufgabe Zweifel sind schließlich auch angebracht bezüglich der Annahme, die Kunst sei ein geeigneter Anknüpfungspunkt für die staatliche Integrationsaufgabe. Kulturförderung wird häufig – ausdrücklich oder implizit – als Mittel angesehen, um die Einheit des Staatsvolkes zu gewährleisten; die notwendige Homogenität soll kulturell erhalten, geschaffen oder verstärkt werden.603 Mit der Kunst werden geradezu Heilserwartungen für die staatliche Gemeinschaft verbunden: Die Kunst halte „Angebote der Identitätsfindung für Mensch und Gemeinschaft bereit“; sie sei „ein Stück ,religion civile‘ des Verfassungsstaates als Kulturstaat!“604 Es dürfte Einigkeit bestehen, dass Kunst nicht als solche Gemeinsamkeiten schafft, die zu einem größeren Zusammengehörigkeitsgefühl führen. Denn als solche kann Kunst eine sozialintegrative Funktion nur wahrnehmen, wenn eine bestimmte Kunstrichtung von allen Mitgliedern einer Gruppe als „ihre Kunst“ angesehen wird. Dies mag in kleinen, ethisch homogenen Gemeinschaften vorkommen oder im staatlichen Gemeinweisen für ganz vereinzelte „Klassiker“ oder traditionelle, weiterhin weit verbreitete Kunstformen gelten.605 Allgemein aber darf nicht übersehen werden, dass Kunst ein pluralistischer, differenzierender und sogar tendenziell spaltender Charakter innewohnt.606 Kunst ist häufig eine fiktive Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit. Dies birgt stets die Gefahr, dass die Anhänger bestimmter Werte, Vorstellungen oder Glaubensformen die Kunst als bedrohliche Alternative ihrer Weltsicht empfinden.607 Dies führt unweigerlich zu einem (nicht notwendig 602 Heckel, AöR 134 (2009), S. 309, 342 f.; skeptisch auch Pernice, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 2004, Art. 5 III (Kunst) Rn. 16: „Kunst ist grenzenlos […] Kunst kann Integration bewirken, ihr Zweck ist es nicht und darf es nicht sein.“ Gegen (im engeren Sinn) politische Zielsetzungen der Kunstförderung auch Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, S. 257; Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 34: Ausrichtung am „sozialen Nutzen“ sei mit dem „Verfassungsprinzip der Offenheit staatlicher Kunst- und Wissenschaftspolitik unvereinbar“. 603 Vgl. zu bestimmten, besonderen Inhalten der Kunst im Rahmen der öffentlichen Willensbildung oben § 4 B. II. 2. 604 Häberle, AöR 110 (1985), S. 577, 593. 605 In diese Richtung auch Lenski, Öffentliches Kulturrecht, 2013, S. 330 f., die dem „Kulturentstehungsschutz“ keine Bedeutung für die Identitätsstiftung zumisst und diese allein dem Kulturerhaltungsschutz (vor allem in Form der Denkmalpflege, ebd., S. 213 ff.) zuweist. 606 Spaltenden (und nicht nationsbildenden) Charakter misst der deutschen Kunst im späten 19. Jahrhundert zu Lewis, Art for All?, 2003, S. 28 ff. 607 Culler, Literaturtheorie, 2002, S. 60 f.
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offenen) Konflikt zwischen den Anhängern oder auch nur Konsumenten dieser Kunst und denen, die deren Tendenz ablehnen.608 Im verfassungsrechtlichen Diskurs wird aber häufig die Erwartung geäußert, dass Kunstwerke durch die in ihnen und durch sie verkörperten Werte zu einer integrierenden oder jedenfalls gemeinschaftstiftenden Atmosphäre beitragen. Ein solcher Beitrag zum Wertediskurs wird gerade der (geförderten) Hochkultur unterstellt.609 Während „Unterhaltung“ nicht als Vermittlerin von „Kultur als Voraussetzung individueller Orientierung und sozialer Integration“ dienen könne,610 sollen „große“ Kunstwerke die „ideelle Reproduktion“ sicherstellen.611 Zu Widerspruch reizt bereits die Aussage, Hochkultur vermittle höhere Werte als Populärkultur.612 Die Hochkultur ist weniger durch spezielle Werte geprägt als 608 Wimmer, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 1996, S. 401, 413: Kultur sei „als ein offener und instabiler Prozeß des Aushandelns von Bedeutungen zu definieren, der kognitiv kompetente Akteure in unterschiedlichen Interessenlagen zueinander in Beziehung setzt und bei einer Kompromißbildung zu einer sozialen Abschließung und entsprechenden Grenzmarkierungen führt“ (Hervorhebung nur hier). Ein (auch heute noch aktuelles) Beispiel sind Moralvorstellungen über die Sexualität: Anfang des 19. Jahrhunderts war es gerade „die nicht mehr rückholbare Verselbständigung des Publikums der kommerziellen Massenkultur und die damit vollzogene Marginalisierung volkserzieherischer Bemühungen“, die den Kampf gegen die Populärkultur – den sog. „Schundkampf“ – anheizte. Er richtete sich insbesondere gegen die häufigere Thematisierung der Sexualität, die als Bedrohung der Sittlichkeit empfunden wurde (Maase, in: ders./Kaschuba (Hrsg.), Schund und Schönheit, 2001, S. 9, 16 f.). 609 Wobei, selbst wenn dies zuträfe, nach der Erforderlichkeit staatlicher Förderung zu fragen wäre. Es ist kein Grund ersichtlich, warum für die Entstehung der demokratischen Öffentlichkeit die (staatsfreie) literarische genügte – so Grimm, VVDStRL 42 (1984), S. 46, 62 –, sie für deren Aufrechterhaltung aber nicht genügen soll. Kritisch zur Annahme, gerade „ästhetisch besonders ambitionierte Kunst könne eine sozialintegrative Wirkung zugeschrieben werden“ Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 466 mit Verweis auf Hauser, Soziologie der Kunst, 1988, S. 335: „In mancher Hinsicht erweist sie [die Kunst – d.V.] sich gerade als eine gesellschaftsfeindliche Macht, eine Quelle der Zwietracht, der Zersetzung und Auflösung.“ Zustimmend (aber unsauber) zitiert auch bei Lenski, Öffentliches Kulturrecht, 2013, S. 313 f. 610 Grimm, VVDStRL 42 (1984), S. 118, 119; zu Recht offener gegenüber populären Kunstformen Habermas, Blätter für deutsche und internationale Politik 1997, S. 408, 410: „In Diskursen der Selbstverständigung, die durch Filme, Fernsehserien und Ausstellungen […] angeregt werden, streiten wir uns nicht über kurzfristige Ziele und Politiken, sondern über Formen des erwünschten politischen Zusammenlebens“ (Hervorhebung nur hier). 611 Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 468 (zur Abgrenzung von Unterhaltung a.a.O., S. 462 mit Verweis auf „negativ privilegierte Schichten“, vgl. dazu oben in Fn. 852). 612 Grundlegend die Unterscheidung zwischen bloßer Unterhaltungs- und hoher Kunst bei Kant, Kritik der Urtheilskraft, in: Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften (Hrsg.), Gesammelte Werke, Bd. V, S. 305 (AA V 305): Habe die Kunst „das Gefühl der Lust zur unmittelbaren Absicht, so heißt sie ästhetische Kunst. Diese ist entweder angenehme oder schöne Kunst. Das erste ist sie, wenn der Zweck derselben ist, daß die Lust die Vorstellungen als bloße Empfindungen, das zweite, daß sie dieselben als Erkenntnißarten begleite.“
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vielmehr durch ihre Form, durch die „Art des Ausdrucks“.613 Es ist zu vermuten, dass die Behauptung ihrer Höherwertigkeit tatsächlich auf einer gewissen Herablassung gegenüber den Rezipienten populärer Kultur fußt. Diesen wird unterstellt, sie reagierten lediglich „auf Motive, durch welche sie sich in ihrer Lebenssphäre […] beruhigt oder beunruhigt fühlen“614 – man darf gedanklich ergänzen: im Gegensatz zum Opernbesucher, der frei von jeglicher Selbstzentriertheit stets nur das Weltenganze im Blick und Sinne hat. Diese Herablassung ist aber schon deshalb unabgebracht, weil die Fähigkeit der Kunst, Reaktionen auf Motive aus der Lebenswelt der Kunstkonsumenten hervorzurufen, durchaus eine treffende Formulierung für das wertevermittelnde, -verändernde und damit auch individuelle Identität stiftende Potential nicht nur der populären Kunst, sondern der Kunst allgemein darstellt. Gerade populären Kunstwerken wird diesbezüglich ein gewaltiges (positives) Einflusspotential auf die gesellschaftlichen Wertvorstellungen nachgesagt.615 Aber stellt nicht – wenn die Hochkultur schon keine höheren Werte als die Populärkultur vermittelt – gerade die Art des Ausdrucks hoher Kunst ganz andere, „bessere“ Identifikationsmuster bereit? Zu den Bildern Piet Mondrians etwa wird gesagt, das „Gewichten“ in seinen Bildern stehe als „soziologisches Kryptogramm […] zugleich exemplarisch für das Auswägen von Lebensgewichten“; die „ästhetische Grundforderung“ der Stimmigkeit lasse sich auch als ethische Forderung formulieren.616 Wird damit nicht ein höheres (weil abstrakteres?) Ziel verfolgt, als eine banale Vorbildfunktion für „alltägliche“ Lebensfragen zu bieten? Voraussetzung dafür wäre, dass eine solche Wirkung beim Empfänger der Botschaft tatsächlich ankommt.617 Dies wird aber nur bei jenen der Fall sein, die sich dem 613
Schulze, Die Erlebnisgesellschaft, 2005, S. 149; gegen spezifische Eigenarten massenmedial angebotener Werke auch Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 130. 614 Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 455 in. Fn. 102 mit einem Zitat von Hauser, Soziologie der Kunst, 1988, S. 619. 615 Rortys Diktum, die Lektüre des (nicht – oder beim Erscheinen nicht – hochkulturellen) Romans „Onkel Toms Hütte“ von Harriet Beecher Stowe habe die Moral mehr gefördert als 200 Jahre Kategorischer Imperativ (Rorty, Wahrheit und Fortschritt, 2000, S. 260), findet eine fast unheimliche Bestätigung in zwei erstaunlich parallelen Beispielen (medial-)kultureller Wirkung jüngster Zeit: Die Rolle des ersten Afroamerikaners als Präsident der USA nahm vor Barack Obama der Protagonist namens David Palmer der Fernsehserie „24“ ein (Wolf Bauer, Die unheimlichen Erzieher, F.A.Z. vom 27. 1. 2011); der sog. „Palmer-Effekt“ wiederholte sich bei der ersten fiktiven Premierministerin Dänemarks in der Serie „Borgen“, die Helle ThorningSchmidt als erster real gewählter Premierministerin vorausging – sie wurde auf den Tag genau ein Jahr vor der reellen Wahl „gewählt“ (Jochen Hieber, Die erste Frau im Staate Dänemark, F.A.Z. vom 9. 2. 2012). Beide Serien waren zur Zeit der Wahl die im Land beliebtesten Serien. 616 Welsch, Unsere postmoderne Moderne, 2008, S. 302 f.; vgl. das Manifest von „De Stijl“ aus dem Jahr 1918: „Es gibt ein altes und ein neues Zeitbewußtsein. Das alte richtet sich auf das Individuelle. Das neue richtet sich auf das Universelle. […] Das Organ „Der Stil“, zu diesem Zweck gegründet, trachtet dazu beizutragen, die neue Lebensauffassung in ein reines Licht zu stellen.“ 617 Im Ansatz richtig Grimm, VVDStRL 42 (1984), S. 46, 63: „Die kulturell begründeten Deutungen und Normen [erlangen] tatsächliche Geltung nur in dem Maße, wie sie individuell
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Kunstwerk zuwenden, weil sie mit dem Bild etwas anfangen können, etwa einen (positiven oder negativen) Bezug zum eigenen Leben, Denken oder Fühlen herstellen können. Wen abstrakte ethische Fragen wie das „Auswägen von Lebensgewichten“ nicht interessieren, der wird aus der Kunst Mondrian entweder wenig ziehen können – und sie folglich nicht rezipieren – oder aber ihr eine ganz andere Botschaft entnehmen, die ihm näher ist. Es ist nicht so, dass ein Kunstwerk eine Botschaft an alle gleichermaßen vermittelt.618 Der Gedanke einer von oben geplanten und verordneten Integration trägt etwas Altmodisches an sich; es widerspricht allen modernen Erkenntnissen der Kommunikationstheorie, auf eine bestimmte Botschaft des Senders eine bestimmte Reaktion des Empfängers zu erwarten. Diese Sichtweise ist einer betrachterzentrierten Auffassung gewichen, nach der die „Interpretation der Botschaft nach einem Kode [erfolgt], der nicht der Kode der Kommunizierenden ist“.619 Die Verfechter der integrativen Wirkung geförderter Hochkultur vermeiden es, konkrete Beispiele für die behauptete integrative Funktion der Kunst zu geben. Sie betonen stattdessen die Wirkungen der Gesamtheit des Kulturlebens, der „kulturellen Struktur eines Gemeinwesens“. Aber diese Abstrahierung – vom einzelnen Kulturgut auf das kulturelle Niveau – kann nur das Ergebnis einer Erkenntnis sein, nicht die Erkenntnis als solche. Der Schluss von der Integrationswirkung einzelner Kunstwerke (der geförderten Hochkultur) auf die Integrationswirkung der Gesamtheit der Kunstwerke (der geförderten Hochkultur) kann nur induktiv erfolgen. Ansonsten ist die Abstrahierung nur ein Deckmantel, der das Argument gegenüber der Wirklichkeit abschirmt.620
D. Kulturelle und politische Integration Was bleibt dann von der „erfahrungsgesättigte[n] Binsenweisheit“, dass ein „liberaldemokratisches Gemeinwesen“ nicht funktionieren kann, „wenn es in unver-
internalisiert oder sozial institutionalisiert sind.“ Im Folgenden wird allerdings behauptet, dazu fehle „jedoch der Kultur das Vermögen“ und deswegen sei sie „auf andere Institutionen, namentlich den Staat angewiesen, der in Absicherung der grundlegenden identitätsverbürgenden Werte und Verhaltensmuster seine wichtigste Leistung für die Kultur erbringt“. Wenn aus diesen Aussagen überhaupt ein greifbarer Gehalt für die Kunstförderung entnommen werden kann, dann der, dass der Staat auch kulturell entstandene Werte in sein Recht aufnimmt. Inwiefern hier eine Leistung für „die Kultur“ erbracht wird, bleibt jedoch im Dunkeln. Jedenfalls begründet dies nicht, dass der Staat auf die kulturell zu erzeugenden oder erzeugten Werte einwirken darf. 618 Kritisch zur sog. Prägetheorie, wonach Kunst gleichsam automatisch auf die Kunstrezipienten wirkt, Otte, in: Towse (Hrsg.), A Handbook of Cultural Economics, 2003, S. 115, 135. 619 Eco, Apokalyptiker und Integrierte, 1984, S. 32; grundlegend Hall, Encoding/Decoding, in: ders. (Hrsg.), Culture, Media, Language, 1980, S. 128 ff. 620 Kritisch Scanlon, Columbia Journal of Law and the Arts 1984/85, S. 167, 169; vgl. auch Nozick, Columbia Journal of Law and the Arts 1984/85, S. 162, 164: „It is my impression that ,ambiance‘ is a term that people often turn to when their case is flimsy.“
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söhnliche religiöse, ethnische oder soziale Gruppierungen zerfällt“?621 Es bleibt die Frage, wann religiöse, ethnische oder soziale Gruppierungen „unversöhnlich“ sind. Dies wird vor allem dann der Fall sein, wenn sich gesellschaftliche Güter ungleich verteilen, und diese Ungleichverteilung anhand bestimmter identitätsbildender Merkmale erfolgt.622 Für das Verhältnis zwischen Staat und kultureller Heterogenität gibt es also einen weiteren Ausweg, der allerdings dem Staat Handlungsmöglichkeiten abspricht, anstatt neue zu begründen: Rechtsgleichheit unter Absehung von kulturellen Identitäten und unter Verzicht auf kulturell konfliktträchtige Rechtsetzung und -durchsetzung.623 Auf das Gegenteil zielt eine differenzierende Kulturpolitik ab, die integrationsstiftende Kultur – also vor allem die der Mehrheit – zu fördern versucht. Dem Staat ist darauf verwiesen, gegenüber seinen Bürgern als politischer Verband aufzutreten.624 Das gesetzte (Verfassungs-)Recht bildet eine Gemeinschaft von Rechtsträgern und Rechtsunterworfenen.625 In dieser Rechtsgemeinschaft führen die auf gegenseitige Rücksichtnahme und soziale Interessenberücksichtigung gerichteten Staatsaktivitäten zur geteilten Überzeugung, einer „politischen Schicksalsgemeinschaft“ anzugehören.626 Der von einer umfassenden Integrationsaufgabe entlastete Staat kann die kulturelle Integration der Gesellschaft überlassen; mit einer Vergemeinschaftung wäre er ohnehin überfordert.627 Der Staat trägt zur Integration seiner Bürger im Gegenteil viel mehr bei, wenn er die Verschiedenheit seiner Staatsbürger zur Grundlage von deren Identifikation mit dem Verfassungsstaat macht und die „ewiggültigen Quellen von Tradition, Sprache und 621
v. Bogdandy, KJ 2005, S. 110, 115. In diese Richtung auch Lübbe-Wolff, ZAR 2007, S. 121, 127, die darauf hinweist, dass das „Spaltungspotential“ besonders groß sei, wenn statusbildende (d. h. vor allem finanzielle) Merkmale nach identitätsbildenden (d. h. vor allem kulturellen) Merkmalen verteilt seien. 623 Huster, VVDStRL 65 (2006), S. 51, 78; Korioth, VVDStRL 62 (2003), S. 117, 146 f.: „Aber gegen einen Zerfall der Gesellschaft in Separatgesellschaften hilft nicht die Orientierung fremder Kulturen auf eine scheinbar intakte ,Leitkultur‘, sondern nur die Verpflichtung auf die allgemeinen Gesetze.“ Im Zusammenhang mit der europäischen Integration leitet Britz aus ähnlichen Überlegungen eine demokratietheoretische Begründung des Subsidiaritätsprinzips ab (EuR [Beiheft 1] 2010, S. 151, pass., insb. 162 f.). 624 Zum Folgenden Volkmann, Solidarität, 1998, S. 348 ff.. Volkmann befasst sich im Rahmen der Frage, was die Staatsbürger zu gegenseitiger Solidarität motiviert, mit der Rolle der Kultur für die staatliche Gemeinschaft. Er sieht die Verschiedenheit der Staatsbürger als Grundlage der Identifikation an und lehnt daher die „ewiggültigen Quellen“ von Tradition, Sprache und Kultur als einigendes Band ab (a.a.O., S. 355). 625 Grawert, Der Staat 51 (2012), S. 189, 199: „Im Systemzusammenhang der Rechtsnormen beruht die Demokratie jedoch auf einem Volk, das sich, von Vorgegebenheiten rechtsnormativ prinzipiell unabhängig, durch Regeln der Staatsangehörigkeit definiert und im verfassungsrechtlich geordneten Kommunikationszusammenhang agiert.“ 626 Volkmann, Solidarität, 1998, S. 348; verstärkt werde dieser Konsens durch die freiheitlich-demokratische Grundordnung und die Grundrechte als Wertordnung. 627 Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, 2001, S. 191: „Überdies ist fraglich, ob etatistische Lösungen sich in der politischen Wirklichkeit nicht gerade integrationshemmend auswirken, weil sie den Bürgern die Chance nehmen, sich spontan für Angelegenheiten der Gemeinschaft zu engagieren.“ 622
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Kultur“628 als immer auch potentiell spaltende Merkmale in Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung seinen Bürgern überlässt. Damit gewinnt auch der kulturelle Diskurs seinen ihm durch das Demokratieprinzip zugewiesenen Platz zurück. Kultur ist nicht nur wertvermittelnder Unterbau und sinnstiftender Rahmen des demokratischen Diskurses, sondern dessen aktiver Bestandteil und ein selbständiger Faktor der öffentlichen Willensbildung. Die Reduktion der Kunstförderung auf die Vermittlung gemeinsamer Werte nimmt weder den Kulturstaat noch die Kultur ernst: Es hieße, die Integration durch Kulturpolitik zu verharmlosen, sähe man sie als Sicherung einer Demokratievoraussetzung und nicht als Eingriff in den demokratischen Prozess. Es hieße, den kulturellen Diskurs zum Wertonkel zu degradieren, nähme man die politischen Gehalte der Kunst nicht ernst.
E. Zwischenergebnis Die These, der Staat sei auf die Kunst angewiesen und daher zur kulturstaatlichen Kunstförderung berechtigt, kann weder tatsächlich noch verfassungsrechtlich überzeugen. Letztlich entspricht die Idee einer kulturellen Basis des Staates der Idee einer gemeinsamen Kunst und zielt damit auf die Herstellung kultureller Homogenität ab. Eine staatstheoretische Angewiesenheit des Staates auf kulturelle Homogenität ist jedoch abzulehnen. Eine gemeinsame Kultur ist schon deshalb nicht notwendig für die Existenz des Staates, weil es sie nie real, sondern nur als Konstrukt gab. Auch demokratietheoretisch ist kulturelle Homogenität nicht notwendig. Die Berufung auf einen kulturell untermauerten Gemeinwillen blendet die faktische Heterogenität und damit den diskursiven Charakter der Demokratie aus. Kulturelle Homogenität ist als Diskursbedingung weder notwendig noch vorhanden. Es genügt ein diskursermöglichender Minimalkonsens, der unabhängig von vorstaatlicher Homogenität im Rahmen der Verfassungsordnung durch die Diskursteilnehmer selbst geschaffen wird. Zudem lässt sich dem Grundgesetz kein Staatsziel entnehmen, das den Staat zur Sicherung seiner eigenen Grundlagen zur kulturstaatlichen Kunstförderung verpflichtet: - Dem Grundgesetz ist keine Integrationsklausel im Sinne eines zu schützenden kulturellen Gepräges des Volkes zu entnehmen. Die freiheitliche Ordnung des Grundgesetzes schützt vielmehr die Heterogenität. - Auch die Menschenwürde verlangt nicht, dass der Einzelne in seiner Selbstentfaltung oder zur Erlangung von Demokratiefähigkeit staatlich gelenkt wird. Die kollektive Identität, die ein kulturstaatlich bestimmtes Angebot ermöglichen soll, ist für den Einzelnen nicht vonnöten. 628
Mit kritischen Unterton Volkmann, Solidarität, 1998, S. 348.
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- Kulturelle Einigkeit ist auch keine „Gelingensvoraussetzung“ der Verfassung. Es ließen sich nahezu unbegrenzt viele Gelingensvoraussetzungen der Verfassung formulieren. Würde der Staat in alle Bereiche der Gesellschaft, die derartige Voraussetzungen schaffen, eingreifen dürfen, wäre die Freiheitlichkeit der Gesellschaft gefährdet. Die freiheitliche Ordnung der Verfassung verbietet es vielmehr, den Einzelnen primär als Staatsbürger zu definieren, sondern überlässt ihm die Entscheidung, ob und mit wem er sich zusammenschließen will. Nicht zuletzt scheint auch die Kunst nicht als geeignetes Mittel, zur Integration der staatlichen Gemeinschaft beizutragen. Die Kunst ist weder per se integrativ noch vermittelt Kunst im Allgemeinen oder hohe Kunst im Besonderen gemeinschaftsstiftende Werte. Die Verfassung verweist den Staat daher auf eine indirekte, politische Integration kultureller Verschiedenheit. Der Staat kann und darf nicht direkt den kulturellen Zusammenhalt fördern, sondern ist darauf verwiesen, durch die Berücksichtigung der kulturellen Unterschiede politisch zu integrieren. Gerade die großen Risiken, die mit einer über das Band der Staatsbürgerschaft hinausgehenden, vorstaatlichen Gemeinschaft verbunden sind, lassen keine staatlichen Maßnahmen eigens zur Sicherung seiner Grundlagen zu, sondern verweisen den Staat darauf, die ihm zustehenden Mittel so einzusetzen, dass dadurch auch seine Grundlagen erhalten bleiben. Die Kultur wird in diesem verfassungsrechtlichen Rahmen als aktiver Bestandteil des öffentlichen Diskurses ernstgenommen und nicht als dessen Fundament instrumentalisiert.
§ 8 Legitimation durch Einfügung einer Kulturklausel in das Grundgesetz? Eine naheliegende Reaktion auf die Ergebnisse dieser Arbeit wäre der Ruf nach der Ergänzung des Grundgsetzes um eine ausdrückliche Legitimation des Kulturstaats. Im folgenden Abschnitt wird dieser positivistische Legitimationsversuch nach Darstellung der bisherigen politischen Vorstöße (dazu A.) und deren bisheriger verfassungsrechtlicher Bewertung (dazu B.) im Lichte der Ergebnisse dieser Arbeit erörtert (dazu C.).
A. Politische Vorstöße in der Vergangenheit Bei den Beratungen des Parlamentarischen Rates wurde über eine Positivierung des Verhältnisses von Staat und Kultur nicht debattiert.629 Lediglich für den Teilbereich der Kunst wurde eine Schutz- und Pflegeklausel in einer dem Art. 142 Satz 2 629
So auch Oppermann, FS Bachof, 1984, S. 3, 5.
§ 8 Legitimation durch Einfügung einer Kulturklausel in das Grundgesetz?
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WRV ähnlichen Form vorgeschlagen,630 letztlich aber nicht in den Verfassungstext übernommen. Unter dem Grundgesetz hat erstmals die 1981 eingesetzte Sachverständigenkommission „Staatszielbestimmungen/Gesetzgebungsaufträge“ für eine Verankerung kultureller Staatstätigkeit in der Verfassung plädiert.631 Auch der Einigungsvertrag enthält mit Art. 35 eine Vorschrift über Kultur.632 Erneut aufgegriffen wurde der Vorschlag durch die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“.633 An diesen Vorschlag knüpften mehrere Anträge im Bundestag aus dem gesamten Spektrum bundespolitischer Parteien an.634 Die Bezeichnung einer entsprechenden Klausel variiert – die Rede ist etwa von einer „Kulturstaatsklausel“635, einem „Staatsziel Kultur“636, einer „kulturellen Staatszielbestimmung“637, einer „kulturbezogenen Staatszielbestimmung“638 und – 630 Vgl. den Antrag der Deutschen Partei, Drs. 298, S. 2, zit. nach JöR n.F. 1 (1951), S. 90: „Das kulturelle Leben ist der Gewalt des Staates nicht unterworfen. Der Staat gewährt ihm Schutz und nimmt an seiner Pflege teil.“ 631 Bericht der Sachverständigenkommission „Staatszielbestimmungen/Gesetzgebungsaufträge“, hrsg. vom Bundesminister des Innern und vom Bundesminister der Justiz, 1983, Rz. 169 ff. 632 Dort heißt es auszugsweise: „Kunst und Kultur [waren] eine Grundlage der fortbestehenden Einheit der deutschen Nation. Sie leisten im Prozeß der staatlichen Einheit der Deutschen auf dem Weg zur europäischen Einigung einen eigenständigen und unverzichtbaren Beitrag. Stellung und Ansehen eines vereinten Deutschlands in der Welt hängen außer von seinem politischen Gewicht und seiner wirtschaftlichen Leistungskraft ebenso von seiner Bedeutung als Kulturstaat ab“ (Abs. 1 Sätze 1 bis 3). „Die kulturelle Substanz in dem in Artikel 3 genannten Gebiet darf keinen Schaden nehmen“ (Abs. 2). „Die Erfüllung der kulturellen Aufgaben einschließlich ihrer Finanzierung ist zu sichern, wobei Schutz und Förderung von Kultur und Kunst den neuen Ländern und Kommunen entsprechend der Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes obliegen“ (Abs. 3). 633 Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ zum Thema „Kultur als Staatsziel“ (BT-Drs. 15/5560), aufgenommen in den Schlussbericht (BT-Drs. 16/ 7000, S. 69 ff.). 634 Die FDP-Fraktion im Bundestag hat im Jahr 2006 einen Antrag eingebracht (BT-Drs. 16/ 387 vom 18. 1. 2006), der am 19. 6. 2009 abgelehnt wurde (BT-Plenarprotokoll 16/228, TOP 55). Die Beratungen darüber dauerten dem SPD-geführten Bundesland Berlin zu lange, so dass es zwischenzeitlich einen identischen Antrag im Bundesrat einbrachte (BR-Drs. 646/08 vom 1. 9. 2008), der mit Beschluss vom 10. 10. 2008 abgelehnt wurde. Die SPD-Fraktion im Bundestag hat einen weiteren Antrag zur Aufnahme von Kultur und Sport ins Grundgesetz gestellt (BT-Drs. 17/10644 vom 11. 9. 2012), über den innerhalb der Wahlperiode nicht entschieden wurde. Die Fraktion Die Linke im Bundestag hat einen aus gleichem Grund erfolglosen Antrag darauf eingebracht, der Bundestag möge die Bundesregierung auffordern, darauf hinzuwirken, Kultur als Staatsziel im Grundgesetz zu verankern (BT-Drs. 17/10785 vom 25. 9. 2012). 635 Germelmann, Kultur und staatliches Handeln, 2013, S. 741 ff.; Pieroth, HFR 2006, S. 1 ff.; kritisch Hufen, HFR 2006, S. 35, 38; Oppermann, FS Bachhof, 1984, S. 3, 17. 636 Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“, BT-Drs. 16/7000, S. 68. 637 Pieroth, HFR 2006, S. 1 ff., der allerdings auch (offenbar unterschiedlos) von „Kulturstaatsklausel“ spricht.
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wohl am offensten – einer „Kulturklausel“.639 Die Vorschläge variieren auch hinsichtlich der Verortung der Bestimmung im Verfassungstext – vorgeschlagen wurden etwa eine Ergänzung des Art. 1 GG,640 des Art. 20 GG,641 des Art. 20a GG,642 ein neuer Art. 20b GG643 und eine Ergänzung des Art. 28 GG.644 Dementsprechend werden auch textlich unterschiedliche Entwürfe vorgeschlagen.645 Die Vorschläge unterscheiden sich schließlich auch in der Sache. Die Ablehnung des Begriffs „Kulturstaat“ oder „Kulturstaatsklausel“ beruht meist auf Ablehnung oder Skepsis gegenüber staatlicher Kulturgestaltungsmacht.646 Andere schlagen vor, bereichsspezifisch eingeschränkt nur den Schutz des kulturellen Erbes im Text der Verfassung abzusichern.647 All diese Vorstöße blieben bislang bekanntlich ohne Erfolg.
B. Stellungnahmen in der Verfassungslehre Die Gegner halten eine solche Kulturklausel für überflüssig. Der Kulturauftrag ergebe sich bereits aus anderen Bestimmungen des Grundgesetzes und bedürfe daher keiner eigenständigen Vorschrift.648 Eine nicht justiziable Vorschrift wecke allenfalls falsche Hoffnungen und entspreche nicht dem Stil des Grundgesetzes, das bewusst „staatszielbestimmungsprüde“ sei.649 Eine solche Klausel sei daher „der Autorität und Legitimität der Verfassung abträglich“.650 Es könnten nicht alle Staatsaufgaben
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Hufen, HFR 2006, S. 35 ff. Bericht der Sachverständigenkommission „Staatszielbestimmungen/Gesetzgebungsaufträge, hrsg. vom Bundesminister des Innern und vom Bundesminister der Justiz, 1983, Rz. 169 ff.; Hufen, HFR 2006, S. 35 ff.; Oppermann, FS Bachhof, 1984, S. 3 ff.: „Kultur (Staats)Klausel“. 640 Geis in der Anhörung der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ (vgl. die Übersicht im Schlussbericht, BT-Drs. 16/7000, S. 82). 641 Oppermann, FS Bachhof, 1984, S. 3, 18. 642 Entwurf der SPD-Bundestagsfraktion, BT-Drs. 17/10644 vom 11. 9. 2012. 643 Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“, BT-Drs. 16/7000, S. 69; zustimmend Geis, politik und kultur, Nr. 04/05, S. 7. 644 Häberle, Die Verwaltung 24 (1991), S. 169, 204; Karpen in der Anhörung der EnqueteKommission „Kultur in Deutschland“ (vgl. die Übersicht im Schlussbericht, BT-Drs. 16/7000, S. 83). 645 Vgl die Übersicht im Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“, BT-Drs. 16/7000, S. 82 f. 646 Geis, politik und kultur, Nr. 04/05, S. 7; Hufen, HFR 2006, S. 35, 38. 647 Sommermann, VVDStRL 65 (2006), S. 7, 43 f. 648 Badura, politik und Kultur, Nr. 04/05, S. 6; Karpen, politik und Kultur, Nr. 04/05, S. 6; Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 7, 38 f. 649 Karpen, politik und Kultur, Nr. 04/05, S. 6. 650 Badura, politik und Kultur, Nr. 04/05, S. 6. 639
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im Grundgesetz festgeschrieben werden.651 Der Begriff der Kultur sei zudem zu unbestimmt.652 Auch solle nicht grundgesetzlich ein bestimmtes Verhältnis zwischen Bürger und Staat im Kulturbereich festgeschrieben werden.653 Vereinzelt wurden bundesstaatliche Bedenken erhoben.654 Die Befürworter halten dem entgegen, es werde die „Lückenhaftigkeit des Textes“ der Verfassung beseitigt, was für Rechtsklarheit sorge.655 Zudem könnten die Aufgaben des Staates präzisiert werden.656 Es sei eine „vollständige Benennung der obersten Staatsziele und Aufgaben“ geboten; die Kultur dürfe im Verfassungstext nicht schlechter gestellt sein als andere Aufgabenbereiche von gleicher Bedeutung.657 Auch wird einer solchen Klausel von einigen Befürwortern mehr rechtliche Wirkungskraft zugesprochen als von ihren Kritikern.658 Eine Kulturstaatsklausel könne etwa als Auslegungshilfe anderer Bestimmungen des Grundgesetzes wirksam werden.659 Schließlich wird auf entsprechende Klauseln in den Verfassungen anderer Staaten verwiesen.660
C. Bewertung im Licht der Ergebnisse dieser Untersuchung Die bisherigen Argumente beziehen sich vornehmlich auf die symbolische Bedeutung und die symbolische Wirkung einer Kulturklausel. Die Entscheidung über 651
Der letzte Antrag (von der SPD-Fraktion, BT-Drs. 17/10644 vom 11. 9. 2012) beinhaltete die Ergänzung des Art. 20a GG um einen Satz 2: „Er schützt und fördert ebenso die Kultur und den Sport.“ Zu früheren Vorschlägen in diese Richtung vgl. mit polemischem Titel den Artikel und die dort aufgeführten Stimmen von DW, Deutschland, ein Kulturstaat, ein Sportstaat, Die Welt vom 31. 1. 2007. 652 Stern, FS Heckel, 1999, S. 857, 865 f.; Volkmann, DVBl. 2005, S. 1061, 1070; dagegen Germelmann, Kultur und staatliches Handeln, 2013, S. 743. 653 Oppermann, FS Bachhof, 1984, S. 3, 17. 654 Dazu und dagegen Oppermann, FS Bachhof, 1984, S. 3, 18; zust. Germelmann, Kultur und staatliches Handeln, 2013, S. 743 m.w.N. zur Gegenansicht. Rechtsfaktische Bedenken äußern Badura, politik und Kultur, Nr. 04/05, S. 6: Bestimmung „müsste […] unitarische Wirkungen erzeugen“; Karpen, politik und Kultur, Nr. 04/05, S. 6: Bestimmung könnte „Kompetenzzuwachs des Bundes im Kulturbereich weiter befördern“. 655 Germelmann, Kultur und staatliches Handeln, 2013, S. 742, 744. 656 Zweifelnd Germelmann, Kultur und staatliches Handeln, 2013, S. 742. 657 Oppermann, FS Bachhof, 1984, S. 3, 19; Kultur sei nicht „weniger wichtig als Tierschutz“ (so im Titel des Aufsatzes von Pieroth, HFR 2006, S. 1 ff.). 658 Etwa von Geis, politik und kultur, Nr. 04/05, S. 7: „Kultur als zwingend zu beachtendes Ermessenskriterium“; Oppermann, FS Bachhof, 1984, S. 3 f., 16 mit Hinweis auf die „immense praktische Bedeutung […] von Staatszielen“. 659 Ausführlich Oppermann, FS Bachhof, 1984, S. 3, 15. 660 Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“, BT-Drs. 16/7000, S. 79.
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2. Teil: Legitimationsfähigkeit staatlicher Kunstförderung
die Einfügung einer Kulturklausel ist auf dieser Basis eine verfassungspolitische661 oder auch verfassungsästhetische. (Vor diesem Hintergrund wäre die EnqueteKommission übrigens gut beraten gewesen, neben den zur Kulturklausel angehörten Verfassungsrechtlern auch Sachverständige anderer Disziplinen anzuhören.662) Angesichts der bisherigen Ergebnisse dieser Arbeit erscheinen diese Argumente allerdings – gerade auch verfassungsrechtlich – in neuem Licht. Wie sind sie unter Berücksichtigung der obigen Ergebnisse zu bewerten? Ein grundlegendes Argument der Kritiker fällt jedenfalls weg: Die bisherige Perspektive war die, dass die Legitimation des Kulturstaats als selbstverständlich unterstellt wurde. Damit konnten die Kritiker zu Recht einwenden, eine Kulturstaatsklausel sei verfassungsrechtlich überflüssig. Es blieb nur die politische Diskussion um deren appellative Wirkung.663 Dies ändert sich bei Berücksichtigung der Ergebnisse dieser Arbeit: Der Klausel käme nicht mehr die Funktion zu, Selbstverständliches symbolisch klarzustellen, sondern die verfassungsrechtliche Rechtfertigung zu konstituieren. Sie wäre legitimationsbegründend. Auf dieser neuen Basis ist eine Kulturklausel problematisch. Es riefe ein merkwürdiges Gefühl des Fehlgebrauchs der verfassungsändernden Gewalt hervor, wenn die Bedenken, die auf Grundlage des Demokratieprinzips gegen die schädlichen Einflüsse des Kulturstaats auf den demokratischen Diskurs geäußert wurden, durch eine Verfassungsänderung ausgeräumt würden.664 Verfassungsrechtlich flankiert wird dieses Störgefühl durch den Schutz des Demokratieprinzips gegenüber dem verfassungsändernden Gesetzgeber nach Art. 79 Abs. 3 GG. Selbst wenn man die Argumente dieser Arbeit nicht teilt, ist der Versuch, sie durch eine Verfassungsänderung zu entkräften, nicht der vorzugswürdige Weg. Mit einer positivistischen Lösung begäbe man sich der Gelegenheit, über die – keineswegs einheitlichen – Ansätze einer Begründung des Kulturstaats (neu) zu debattieren. Mit einer Kulturklausel würde vielmehr eine kontingente Idee und ein damit möglichweiser unausgereiftes Konzept des Verhältnisses von Staat und Kultur verfestigt, was den Entwurf nachfolgender, besserer Konzepte behindert.665
661 Ausführlich dazu in beide Richtungen Germelmann, Kultur und staatliches Handeln, 2013, S. 741 ff. 662 Vgl. die Liste der angehörten Sachverständigen im Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“, BT-Drs. 16/7000, S. 69. 663 Grimm, VVDStRL 42 (1984), S. 46, 67. 664 Zu „illegitimen“ Verfassungsänderungen jüngst Natus, Verfassungsmissbrauch durch Zweidrittelmehrheit?, 2017. 665 Dieses Argument richtet sich bei Oppermann, FS Bachhof, 1984, S. 3, 17 gegen eine Kulturstaatsklausel, ist aber zu verallgemeinern.
Schluss: Vom Kulturstaat zum Kulturstaatsdiskurs Die Ergebnisse dieser Arbeit fordern eine „Überantwortung“ der Kunst an die Gesellschaft.1 Der Staat hat von kulturstaatlicher Förderung der Kunst abzusehen. In diesem Schlussteil werden die Ergebnisse theoretisch reflektiert (dazu § 9). Es folgen Erwägungen zu den Perspektiven für das Verhältnis von Staat und Kultur in der Praxis (dazu § 10).
§ 9 Reflexion Die in der Einleitung geäußerte These, das Kulturverfassungsrecht bedinge auch den Blick des Verfassungsrechtlers auf die tatsächlichen gesellschaftlichen Grundlagen der Kunst und umgekehrt, hat sich im Rahmen der Untersuchung an vielen Stellen bestätigt. Im ersten Teil hat das Demokratieprinzip den Weg zu einer Analyse der staatlichen Einflüsse und Gefahren durch die kulturstaatliche Förderung eröffnet. Dabei hat sich die eingangs konstatierte verbreitete Intuition bestätigt, dass kulturstaatliche Kunstförderung verfassungsrechtlich nicht ohne Weiteres stattfinden darf, sondern einer besonderen Legitimation bedarf. Diese besondere Legitimationsbedürftigkeit ergibt sich, wenn das Demokratieprinzip auf den kulturellen Diskurs zur Anwendung gebracht wird. Dieser Ansatz vermag – im Unterschied zu den bisherigen Ansätzen – den spezifischen Gefahren, die ein staatliches Tätigwerden im Bereich der Kultur birgt, hinreichend Rechnung zu tragen und sie in verfassungsrechtliche Bahnen zu lenken. Die Gefahren des „goldenen Zügels“ etwa sind damit kein rechtspolitisches Beiwerk des Kulturstaatsdiskurses, sondern können und müssen im Demokratieprinzip Berücksichtigung finden. Mit dieser verfassungsrechtlichen Neuausrichtung der Legitimationsbedürftigkeit steigen die Anforderungen an die Rechtfertigungsbegründung. Die verfassungsrechtlich begründete Legitimationsbedürftigkeit des Kulturstaats hat sich als Schlüssel zu einer rechtlich wie tatsächlich differenzierten Betrachtung der Legitimationsfähigkeit erwiesen. Die einzelnen Fragen, die bei der Suche nach rechtfertigenden Gründen zutage traten, können im Rahmen dieser abschließenden Reflexion nicht nachgezeichnet werden. Es lässt sich aber die übergreifende Beobachtung 1
Heuer, Die Besteuerung der Kunst, 1984, S. 114 ff.
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treffen, dass im Kulturverfassungrecht an vielen Stellen eine gewisse dogmatische Unbekümmertheit herrscht. Widersprüchlichkeiten und Oberflächlichkeiten, die andernorts sicher auf Einwände stießen, scheinen hier leichter hinnehmbar – das verfassungsrechtliche Sollen folgt vielfach dem kulturstaatlichen Wollen. Dies zeigt sich etwa bei den zahlreichen Sonderwegen, die im Rahmen der Kunstfreiheit beschritten werden, und die sich in die allgemeine Grundrechtsdogmatik nicht einfügen lassen. Staatliches Handeln im Bereich der Kultur wird offenbar verfassungsrechtlich nicht so ernst genommen wie das Handeln in anderen Bereichen. Die in der Einleitung vorgestellte klassische Ansicht, die auf das (Kulturverfassungs-)Recht von der hohen Warte des Kulturstaats aus mit einer gewissen Herablassung hinabblickte, lebt auch in Schriften jüngeren Datums fort. Auch ließ sich nachweisen, dass die bisher in der kulturverfassungsrechtlichen Literatur zu findenden tatsächlichen Behauptungen oftmals eher am gewünschten Ergebnis – der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit des Kulturstaats – als an den realen Gegebenheiten orientiert sind. Dies erklärt sich zum Teil durch eine Wechselwirkung zwischen der verfassungsrechtlichen Problematisierung von Lebenssachverhalten und ihrer tatsächlichen Wahrnehmung durch Verfassungsrechtler: Der Verfassungsrechtler wendet seine Aufmerksamkeit erst durch die potentielle verfassungsrechtliche Relevanz außerhalb des Rechts liegenden Umständen zu. Eine differenzierte rechtliche Betrachtung ermöglicht und erfordert damit zugleich eine genauere Betrachtung der dem Subsumtionsvorgang zugrunde zu legenden Tatsachen als der pauschale Verweis auf kulturverfassungsrechtliche Passepartouts. Zugleich traten im Verlauf der Untersuchung Bemühungen in der jüngeren Literatur zutage, an das Kulturverfassungsrecht die gleichen wissenschaftlichen Ansprüche zu stellen wie an das Verfassungsrecht allgemein. Auf diese kritischen Überlegungen konnte diese Arbeit an vielen Stellen aufbauen. Ob umgekehrt auch Überlegungen dieser Arbeit für weitere Untersuchungen von Bedeutung sein können, muss hier offen bleiben. Denkbar wäre es, dass einige der Überlegungen auf andere Bereiche (leistungs)staatlichen Handelns übertragbar sind. Diese Fragen verlangen aber nach eingehender Untersuchung von interessierter Seite und sind im Rahmen dieser Zusammenfassung nicht abschließend zu beurteilen. Zu abhängig sind die rechtlichen Wertungen von den tatsächlichen Gegebenheiten, zu unterschiedlich sind auch die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen der verschiedenen Bereiche der Staatstätigkeit. Dennoch mögen die Befunde dieser Arbeit Anlass geben, einzelne Politikbereiche – man denke etwa an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk – kritischer auf ihre tatsächlichen Auswirkungen und Zwecke zu hinterfragen. Auch bleibt es nach den Befunden dieser Arbeit nicht aus, Ansätzen kultureller Integration durch die Europäische Union mit größerer Skepsis zu begegnen.
§ 10 Perspektiven
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§ 10 Perspektiven A. Perspektiven für eine Kunst ohne Kulturstaat Es ist zunächst eine erfreuliche Erkenntnis, zu der die Betrachtung der tatsächlichen Grundlagen des Kunstlebens geführt hat: Die Kunst ist nicht pflegebedürftig; sie ist keine Dauerpatientin, die nur unter staatlicher „Obhut“2 ihr Dasein fristen kann. Sie ist aktiver Teil der Gesellschaft, die ihr Aufmerksamkeit, Interesse und Geld zukommen lässt – und sie herausfordert. Die Vorstellung einer (kultur) staatsfreien Kultur fällt allerdings Vielen und gerade auch vielen Verfassungsrechtlern schwer. Auch diese Arbeit wurde nicht mit dem Ziel begonnen, den Kulturstaat zu dekonstruieren. Ihr liegt vielmehr – auch wenn sich dies im Text nicht mehr allzu deutlich widerspiegelt – ein zähes Bemühen zugrunde, den Kulturstaat zu rechtfertigen. Das erste Newtonsche Gesetz zur Trägheit von Körpern gilt auch für Ideen – man muss Kraft aufbringen, um sie zu bewegen (übrigens auch, um eine in Bewegung gesetzte Idee zu stoppen). Der Befürchtung, die Kunst werde ohne den schützenden Kulturstaat kommerzialisiert, sie werde von rein profitorientierten Kulturkonzernen vereinnahmt und dadurch verflacht und vereinheitlicht, wurde an zahlreichen Stellen dieser Arbeit entgegengetreten. In ihrer Gesamtheit vermögen diese Erwiderungen auf wenngleich diffuse, so doch gängige Ängste vor einem mit der Abschaffung des Kulturstaats einhergehenden Verlust der Kultur sogar Hoffnung auf eine bessere Kultur ohne Kulturstaat zu wecken, ja Lust auf eine staatsfreie Kultur zu machen: Nicht nur die Kunst selbst, die auf positive Herausforderungen stößt und gerade dadurch über sich hinauswächst,3 auch die Gesellschaft, die gerade die Hochkultur nicht mehr „präsentiert“ bekommt, sondern sich dafür in zivilgesellschaftlichen Insitutionen engagieren muss, wird davon profitieren. Diese Vision ist kein „neoliberaler“ Ausdruck sozialer Kälte, fällt doch – zufällig? – die Gruppe der größten Nutznießer der vom Kulturstaat maßgeblich erhaltenen hochkulturellen Institutionen mit derjenigen Gruppe zusammen, die über überdurchschnittlich hohes ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital (Bourdieu) verfügt.4 Guten Gewissens kann man dieser Gruppe zutrauen und abverlangen, für die fortbestehende Befriedigung ihrer kulturellen Vorlieben in staatsfreier Kooperation zu sorgen. Gleichwohl – bei der Diskussion um die Legitimation des Kulturstaats stoßen verschiedene Ideale aufeinander. Unterschiede bestehen vor allem im Hinblick auf die Vorstellung eines staatsfreien (oder staatsfreieren) Zusammenlebens. Holzschnittartig sind die Extrempositionen hier das anarchistische Ideal eines gewalt- und 2
H. Hoffmann, Kultur für alle, 1979, S. 28. Vgl. dazu die Ausführungen und Beispiele oben in Teil 2 unter § 6 B. III. 3. 4 Dazu etwa Reuband, Deutsches Jahrbuch für Kulturmanagement 2001, S. 42 ff.; weitere Nachweise oben unter § 6 B. III. 5. a) a. E. 3
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herrschaftsfreien, kooperativen Miteinanders, dort die Hobbessche Dystopie eines kriegerischen Gegeneinanders (modernisiert in der Version eines neoliberalen Kampfes um Profit mit unmoralischen Konzernen als den wesentlichen Akteuren). Ein freies Zusammenleben können sich jene nur (oder zurückhaltend: eher) staatsfrei, diese nur (oder zurückhaltend: eher) staatsgetragen vorstellen. Der Kulturstaat ist in gewisser Weise auch Schauplatz dieser divergierenden Auffassungen. Es wäre schon einiges gewonnen, wenn sich die Anhänger beider Gruppen auf das einigende, die Unterschiede überlagernde Ideal verständigen könnten, das sich von einer offenen Debatte einen Fortschritt in Richtung Wahrheit und Gerechtigtkeit erhofft. Die Thesen dieser Arbeit mögen dafür ein Anstoß sein!
B. Perspektiven für eine Kunstpolitik ohne Kulturstaat Die Abschaffung des Kulturstaats ist nicht gleichzusetzen mit einem Ende der Kulturpolitik, sondern bedeutet nur den Abschied von der politisch gestaltenden und rechtlich weitestgehend ungebundenen direkten Förderung der Kunst um ihrer selbst willen durch Träger staatlicher Hoheitsgewalt. Auch ohne kulturstaatliche Aktivitäten bleiben der staatlichen Kulturpolitik großzügige Handlungs- und Gestaltungsspielräume. Zum einen werden in der Literatur einige, teils auch praxiserprobte5 Alternativkonzepte der direkten Kulturförderung diskutiert. Diese weichen auf unterschiedliche Weise von der kulturstaatlichen Förderung ab. - Im Modell des Kulturgutscheins (Cultural voucher) erhalten Bedürftige Gutscheine, die sie bei ausgewählten Kulturinstitutionen (gedacht ist vor allem an Theater und Opernhäuser) einlösen können. Die jeweilige Kulturinstitution kann die Gutscheine bei der ausgebenden Behörde in Geld umtauschen. In diesem Fall erfolgt die Verteilung der staatlichen Mittel indirekt nach Maßgabe der Präferenzen der Gutscheininhaber.6 Möglich ist auch die Gestaltung, dass die ausgebende Behörde Karten für ein bestimmtes Stück kauft und diese vergünstigt oder umsonst an Bedürftige vergibt.7 Dieses Modell dient vor allem der sozialen Teilhabe an Kultur. Es kann aber auch den beteiligten Kulturinstitutionen dienen, die von höherer Auslastung oder einer gewissen Absatzgarantie profitieren. - Durch Sponsoring soll versucht werden, Private an der öffentlichen Finanzierung kultureller Institutionen und Unternehmungen zu beteiligen. Dies dient vor allem
5 6 7
Gottschalk, Kulturökonomik, 2006, S. 59 f. (Kulturgutschein), 66 f. (Matching Funds). Gottschalk, Kulturökonomik, 2006, S. 71. Darstellung dieses Modells bei Peacock, Journal of Cultural Economics 1994, S. 151, 159.
§ 10 Perspektiven
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dazu, die öffentlichen Ausgaben zu reduzieren;8 der Sponsor erhofft sich von der Mitfinanzierung einen Prestigegewinn.9 - Das Modell des Kulturfonds (Matching Funds) beabsichtigt, die private Initiative zu stärken. Dazu sollen (ähnlich wie bei der Parteienfinanzierung gemäß § 18 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PartG, aber in der Höchstsumme begrenzt10) die durch private Initiative bereitgestellten Mittel vom Staat aufgestockt werden.11 Allerdings werden die derart Unterstützten damit selbst zu Geförderten und die hier kritisierten Effekte verlagern sich lediglich. Zudem treten die privaten Verteiler der staatlichen Aufstockungsbeträge den Empfängern ihrer Mittel als „halbstaatliche“ Institutionen auf.12 Es scheint daher zweifelhaft, ob diese Einschaltung privater in die Mittelvergabe die Bedenken gegen eine kulturstaatliche Förderung ausräumen können. - Das Modell der Kulturkarte ist nach Bekunden der Erstellerin des Konzepts mit dem Ziel entworfen worden, in einer Mischform verschiedener Finanzierungsalternativen deren jeweilige Vorteile zu vereinen und deren jeweilige Nachteile zu vermeiden.13 Dabei wird aus öffentlichen und privaten Quellen ein Kulturkartenfonds gespeist. Daraus werden Kulturkarten nach folgendem Mechanismus finanziert: Die Kulturkarten können von Konsumenten erworben werden können oder von (beteiligten) Unternehmen als Werbegeschenke ausgegeben werden können. Der Nennwert der Karten kann unterschiedlich hoch sein, liegt aber immer über dem Ausgabewert. Die Kulturkarten können bei (beteiligten) Kulturinstitutionen eingelöst werden, die dafür Geld aus dem Kulturkartenfonds erhalten.14 Der Charme dieses Modells liegt darin, dass sich die Förderung letztlich an den Präferenzen der Konsumenten ausrichtet. Ausschlaggebend für die Bewertung des Modells ist aber die konkrete Ausgestaltung, etwa die Frage, wer über die beteiligten Kulturinstitutionen entscheidet.15
8 Treffend aber der Einwand von Heinrichs, Kulturpolitik und Kulturfinanzierung, 1997, S. 205, dass nur die Projektfinanzierung, nicht die institutionelle Finanzierung für Sponsoren von Interesse sei. 9 Gottschalk, Kulturökonomik, 2006, S. 69 f. 10 Heinrichs, Kulturpolitik und Kulturfinanzierung, 1997, S. 218. 11 Heinrichs, Kulturpolitik und Kulturfinanzierung, 1997, S. 157 möchte dieses Modell „möglichst bald“ in Deutschland eingeführt sehen. 12 So auch Heinrichs, ebd. 13 Gottschalk, in: Neuner/Reisch (Hrsg.), Konsumperspektiven, S. 207, 218. 14 Beschreibung und Schaubild bei Gottschalk, in: Neuner/Reisch (Hrsg.), Konsumperspektiven, S. 207, 220 ff. 15 Gottschalk, a.a.O., S. 222 schlägt vor, die Verwaltung der zuständigen Behörde zu übertragen; ob damit auch die Entscheidung über die beteiligten Kulturinstitutionen verbunden ist, lässt sie offen.
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Diese und weitere16 Modelle können an dieser Stelle nicht umfassend dargestellt und erst recht nicht auf ihre verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit untersucht werden. Es ist hier auch nicht der Ort, nach kursorischer Durchsicht eine vorläufige Empfehlung für das verfassungsrechtlich vorzugswürdige Alternativmodell abzugeben. Die Darstellung hat aber gezeigt, dass die gegenwärtig parktizierte kulturstaatliche Förderung nicht die einzige Möglichkeit für eine Beteiligung des Staates an der Finanzierung der Kunst ist. Zum anderen gibt es auch die Möglichkeit, von einer direkten Finanzierung der Kunst abzusehen und sich auf die schon bisher bestehenden sonstigen Mittel der Kulturpolitik zu konzentrieren. Die Ergebnisse dieser Arbeit belassen dem Staat vielfältige Handlungsmöglichkeiten im kulturellen Bereich (auch wenn nicht sämtliche dieser Möglichkeiten frei von Bedenken sind): Der Staat kann weiterhin als Auftraggeber an Künstler herantreten. Er kann – und muss – die Kunstfreiheit im Rahmen seiner allgemeinen Befugnisse berücksichtigen. Die Kommunen können ihre Einrichtungen selbstverständlich – unter den für alle geltenden Bedingungen – auch Künstlern zur Verfügung stellen. Der Staat bleibt zur sozialen Absicherung der Künstler – jedenfalls in gleichem Maße wie gegenüber anderen Bürgern – berechtigt. Er kann die Künstler durch das Urheberrecht schützen. Er kann seinem Kulturauftrag im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nachkommen (solange sich dieser verfassungsrechtlich rechtfertigen lässt). Er kann Lehrpläne für den Kunstunterricht aufstellen. Er kann – obwohl auch dies nicht unproblematisch erscheint – Kunstakademien unterhalten. Er kann innerhalb verfassungsrechtlicher Grenzen suasorische Eingriffe zugunsten der Kunst vornehmen. Und schließlich steht zumindest das Demokratieprinzip Steuervergünstigungen nicht entgegen. Alles in allem bleiben dem Staat weitreichende Befugnisse – nur kulturstaatllich fördern um ihrer selbst willen darf er die Kultur nicht.
16 Dazu umfassend Dischinger-Hoch, Finanzierungsformen der Kunst, 2002, S. 234 ff.; Heinrichs, Kulturpolitik und Kulturfinanzierung, 1997, S. 206 ff.
Zusammenfassung in Thesen § 1 Kulturstaat und Verfassungsrecht
1. Der Diskurs über staatliche Kulturpolitik ist allgemein von einem „Rechtfertigungskonsens“ (Schulze) geprägt. Dies gilt auch für den verfassungsrechtlichen Diskurs darüber. Die grundlegende Frage nach der Berechtigung dieser Staatstätigkeit wird gar nicht aufgeworfen. Stattdessen findet sich eine teils schon fast naive Idealisierung der Kultur. 2. Das Verfassungsrecht kennt keine „Bereichsausnahme Kultur“. Die Staatstätigkeit im Bereich der Kultur ist daher wie jede andere Tätigkeit auf ihre Verfasungsmäßigkeit zu untersuchen. § 2 Annäherung an den Untersuchungsgegenstand
3. Um die Legitimation des Kulturstaats untersuchen zu können, wird nur die direkte Kunstförderung und damit nur ein begrenzter Teil kulturstaatlicher Tätigkeit untersucht werden. Zugleich ist innerhalb dieses Teilbereichs der Begriff „Kulturstaat“ im Ausgangspunkt möglichst weit zu fassen, um nicht schon begrifflich die Ergebnisse der Untersuchung zu prägen. 4. Die kulturstaatliche Kunstförderung ist geprägt durch einen verfassungsrechtlich nahezu unbegrenzten Spielraum der staatlichen Organe. Die in der Verfassungslehre vorgeschlagenen kulturstaatlichen Prinzipien fungieren eher als kulturpolitische Postulate denn als rechtliche Grenzen. 5. Die Debatte über den Kulturstaat ist von einem zunehmenden verfassungsrechtlichen Rechtfertigungszwang geprägt. Die gleichwohl nach wie vor bestehende Einigkeit über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit staatlicher Kunstförderung beruht nicht zuletzt auf einer mangelnden Auseinandersetzung mit den tatsächlichen gesellschaftlichen Bedingungen der Kunst. 6. Die tatsächlichen Bedingungen der Kunst und ihre verfassungsrechtliche Einordnung sind im Rahmen der Legitimationsfrage wechselseitig verknüpft. Eine oberflächliche Betrachtung der tatsächlichen Gegebenheiten führt zu einer Vernachlässigung ihrer verfassungsrechtlichen Einordnung, und eine oberflächliche verfassungsrechtliche Einordnung lässt es an Maßstäben fehlen, welche tatsächlichen Belange verfassungsrechtlich relevant und wie sie zu bewerten sind. 7. Im Rahmen der bisherigen Diskussion über die Legitimationsbedürftigkeit der kulturstaatlichen Kunstförderung sind deren Auswirkungen und mögliche Gefahren weder tatsächlich noch verfassungsrechtlich hinreichend gewürdigt worden. Ohne
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die Gefahren durch die staatliche Kunstförderung konkret zu benennen, bleibt aber auch die verfassungsrechtliche Einordnung dieser Gefahren unvollständig. 8. Damit fehlt das Fundament einer verfassungsrechtlichen Erörterung der Legitimationsfähigkeit des Kulturstaats. Die Antwort auf die Frage, ob die Kunstförderung gerechtfertigt ist, kann nicht unabhängig davon gegeben werden, warum sich die Kunstförderung rechtfertigen muss. 9. Auch der Diskussion um die Legitimationsfähigkeit des Kulturstaats fehlt es an einer tiefergehenden Auseinandersetzung darüber, vor welchen Gefahren die Kunstförderung schützen soll und welche Ziele ohne sie nicht erreicht würden, vor allem aber darüber, an welcher Stelle diese Gründe verfassungsdogmatisch zu verorten sind und ob die Verfassung mithin ein kulturstaatliches Tätigwerden erfordert oder zumindest erlaubt. § 3 Grundlagen der Legitimationsbedürftigkeit des Kulturstaats
10. Wegen der Allzuständigkeit des Staates bedarf die kulturstaatliche Kunstförderung nicht per se einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Ein Legitimationsbedarf entspricht dennoch einer verbreiteten rechtlichen Intuition. 11. Die bisherigen Versuche, dieser intuitiven Legitimationsbedürftigkeit verfassungsrechtlichen Ausdruck zu verleihen, vermögen die Besonderheiten des Kulturstaats nicht zu erfassen. Insbesondere der Kunstfreiheit sind allenfalls Vorgaben für das Wie staatlicher Kunstförderung zu entnehmen, nicht aber für das Ob. Zudem kann die Kunstfreiheit nur Bedenken gegenüber ästhetischen Einflüssen des Kulturstaats begegnen. Außerästhetische, soziale Wirkungen, die ebenfalls ein staatliches Interesse an einer Beeinflussung des Kunstlebens hervorrufen können, dürfen aber nicht außer Betracht bleiben. § 4 Kunstförderung und Demokratieprinzip
12. Einen Anknüpfungspunkt für die besondere Legitimationsbedürftigkeit der kulturstaatlichen Kunstförderung bietet das Demokratieprinzip, das nicht nur (als formelles Prinzip) Wahlen und Abstimmungen, sondern auch (als materielles Prinzip) die Volkswillensbildung schützt. 13. Politische Willensbildung findet auch im Bereich der Kultur statt. Die These, die Kunst sei (politisch) funktionslos, spiegelt lediglich ein bestimmtes historisches Verständnis von Kunst wider, entspricht aber nicht der Lebenswirklichkeit, an der das Verfassungsrecht sich orientieren muss. 14. Der kulturelle Diskurs genießt somit – trotz seiner Besonderheiten – als Teil des öffentlichen Meinungsbildungsprozesses den Schutz des Demokratieprinzips und ist in der Folge von staatlichen Ingerenzen möglichst frei zu halten. 15. Die Kulturförderung führt zur Entfremdung von Künstler und Gesellschaft, indem sie die Verwurzelung des Künstlers in der Gesellschaft lockert. Zugleich
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verhindert sie freie gesellschaftliche Zusammenschlüsse in einem der urtümlichsten Bereiche zivilgesellschaftlicher Vereinsbildung. 16. Mit dem Schenkungscharakter der kulturstaatlichen Förderleistung, der aus der rechtlichen Ungebundenheit des Kulturstaats folgt, gehen in Anwendung des Prinzips der Reziprozität eine Gegenleistungserwartung des Gebers und eine Gegenleistungspflicht des Empfängers einher. 17. Der Kulturstaat verringert damit die Bereitschaft der Künstler zur Machtkritik. Zur Vermeidung kognitiver Dissonanz wird der Künstler nicht nur auf die Seite des Staates, sondern speziell in die Nähe des ihn fördernden Leistungsstaates gezogen. 18. Die Kulturpolitik kann bewusst zur politischen Steuerung der Kultur benutzt werden. Es besteht kein Anlass, im Bereich der Kunstförderung das Machtinteresse staatlicher Organe zu negieren. Der Instrumentalisierung der Kulturförderung zur Machtausübung kann auch durch verfahrensrechtliche Absicherungen nicht begegnet werden. § 5 Anforderungen des Demokratieprinzips an die Legitimation
19. Die daraus folgende Rechtfertigungsbedürftigkeit erfordert die Prüfung, ob sich die Kunstförderung auf legitime Zwecke stützen kann. Gegenstand der Rechtfertigung ist nach Maßgabe des Demokratieprinzips nicht mehr die Förderung an sich, der die Differenzierungsbefugnis als Annex folgt, sondern die kulturstaatliche Förderung, die gerade durch eine (verfassungsrechtlich ungebundene) Differenzierungsbefugnis geprägt ist. 20. Die legitimen Zwecke müssen sich aus der Verfassung unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände ableiten lassen. Sie müssen im Rang dem Demokratieprinzip entsprechen. Damit scheiden pauschale Rechtfertigungstitel, die einer verfassungsrechtlichen und rechtstatsächlichen Überprüfung nicht zugänglich sind, von vornherein aus. § 6 Angewiesenheit der Kunst auf den Staat A. Die Freiheit der Kunst als Legitimation des Kulturstaats
21. Es gibt keine Kulturstaatstradition, die im Wege der historischen Auslegung in die Kunstfreiheit hineingelesen werden müsste. Auch Art. 142 Satz 2 WRV lässt sich nicht im Wege der historischen Auslegung in die grundgesetzliche Kunstfreiheit hineinlesen. 22. Ein bloßer Hinweis auf objektiv-rechtliche Grundrechtsgehalte genügt nicht, um aus den Grundrechten staatliche Handlungsbefugnisse abzuleiten. Gerade die Kunstförderung als „gute Sache“ verleitet dazu, aus einem verfassungspolitischen Wollen leichterhand ein verfassungspolitisches Sollen zu machen. Daher ist eine besondere Sensibilität geboten bei der Untersuchung der Frage, ob und welche objektiv-rechtlichen Gehalte der Kunstfreiheit den Kulturstaat legitimieren können.
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23. Die Kunstförderung erfüllt keine grundrechtliche Schutzpflicht, weil die Kunstfreiheit weder im Wirk- noch im Werkbereich vor dem Zwang zu wirtschaftlicher Verwertung der Kunst schützt. 24. Auch begründen weder der anonyme Markt noch die Konsumentscheidungen Dritter einen Schutzpflichten auslösenden Eingriff in die Kunstfreiheit oder deren Gefährdung. Als Eingriff kommen im Tatbestand der grundrechtlichen Schutzpflicht nur konkrete Handlungen Dritter in Betracht. Nicht jede Handlung Dritter, die ein grundrechtliches Schutzgut berührt, löst eine Handlungsbefugnis des Staates aus. Fordert man für die Qualifikation einer Handlung als Eingriff deren Rechtswidrigkeit, steht dem die ihrerseits grundrechtlich geschützte Freiheit des Dritten, (bestimmte) Kunst nicht nachzufragen, entgegen. Fordert man eine Abwägung zwischen den Interessen des Dritten und denen des Grundrechtsträgers, überwiegen die Interessen des Künstlers schon wegen der Freiwilligkeit der Beziehungen zwischen den Grundrechtsträgern nicht. 25. Die Kunstfreiheit vermittelt auch kein originäres Teilhaberecht, dem eine Förderpflicht des Staates korrespondiert. Das Kunstleben käme auch ohne staatliche Förderung nicht zum Erliegen. Vielmehr ist der Beitrag des Staates zur Finanzierung der Kunst eher gering. 26. Der Kulturstaat muss auch nicht um der Freiheit der Kunst willen den Wegfall früherer Mäzene kompensieren. Geschichtlich verdankt die Kunst ihre Freiheit vor allem dem Kunstmarkt; zudem erfolgte die Unterstützung der Kunst durch Hof und Kirche viel häufiger durch Auftragsarbeiten als durch eine Förderung der Kunst um ihrer selbst willen. 27. Die Kunstfreiheit gibt dem Staat nicht als soziales Grundrecht die Befugnis, ausgewählten Künstlern die Ausübung ihrer Kunst zu ermöglichen. 28. Der Kunstfreiheit kann keine Staatszielbestimmung entnommen werden, die den Staat zur Kunstförderung berechtigt. Es lässt sich nicht begründen, dass die Kunst bei staatlicher Finanzierung tatsächlich freier wäre. Dies aber wäre für eine vom subjektiven Gehalt dogmatisch weit gelöste Staatszielbestimmung zu fordern. Die verbreitete Gegenansicht fußt auf Annahmen, die die Gefahren der Gesellschaft einschließlich des Marktes und die Freiheitsgewinne staatlicher Förderung überschätzen und die Freiheitsgewinne der Gesellschaft einschließlich des Marktes und die Freiheitsbedrohungen staatlicher Kulturförderung unterschätzen. B. Die Qualität der Kunst als Legitimation des Kulturstaats
29. Eine institutionelle Garantie, die dem Staat den Schutz der Eigengesetzlichkeit der Kunst auferlegt, lässt sich dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 GG, das allein die Freiheit der Kunst schützt, nicht entnehmen. 30. Meritorische Erwägungen vermögen kein verfassungsrechtlich legitimes Ziel zu begründen. Sie öffneten das Verfassungsrecht für nicht überprüfbare, paterna-
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listische Zwecksetzungen und ließen die Vorgaben des Demokratieprinzips für die Kunstförderung leerlaufen. 31. Das einzelne Kunstwerk ist kein öffentliches Gut. Externe Effekte hoher oder geförderter Kunst in Form künstlerischer Innovativität, von denen alle Kunst, einschließlich der (nicht geförderten) Populärkultur, profitieren soll, lassen sich nicht nachweisen. Externe Effekte, etwa in Form eines Vorrats kultureller Bezugnahmemöglichkeiten, sind vielmehr gerade auf Bekanntheit, also Popularität, angewiesen. 32. Mangelnde Innovativität lässt sich nicht damit begründen, das Publikum verlange „immer das Gleiche“. Dieser Behauptung widerspricht die kunstgeschichtliche Entwicklung, die gerade innovative Tendenzen publikumsförmiger Kunst beweist. Auch für die Gegenwart lässt sich keineswegs eine (angebotsseitig aus der Macht der sog. Kulturindustrie resultierende) Eintönigkeit der Kunst feststellen. 33. Die Annahme, der Staat könne gezielt innovative und ästhetisch vorzugswürdige Kunst fördern, ist wegen der staatlichen und gesellschaftlichen Bedingungen der Kunstförderung nicht plausibel. 34. Ein Nutzen der Konsumenten der angeblich stagnativen Populärkultur durch die angeblichen Innovationen der geförderten Hochkultur lässt sich nicht widerspruchsfrei begründen: Entweder will der Konsument populärer Kultur keine Innovation und profitiert demgemäß nicht von Innovationen; oder er will Innovation – dann wäre das innovative Potential der Populärkultur anzuerkennen. 35. Die Menschenwürde gebietet den Schutz des kulturellen Existenzminimums des Einzelnen, nicht die staatliche Bereitstellung von Kultur. Für kulturelle Entfaltungsmöglichkeiten ist der Einzelnen zudem nicht auf eine möglichst große Vielfalt der Kunst angewiesen. Entscheidend ist nicht möglichst viel, sondern lebendige, gesellschaftlich rezipierte Kunst. § 7 Angewiesenheit des Staates auf die Kunst
36. Eine staatstheoretische Angewiesenheit des Staates auf kulturelle Homogenität ist abzulehnen. Eine gemeinsame Kultur ist schon deshalb nicht notwendig für die Existenz des Staates, weil es sie nie real, sondern nur als Konstrukt gab. 37. Auch demokratietheoretisch ist kulturelle Homogenität nicht notwendig. Die Berufung auf einen kulturell untermauerten Gemeinwillen blendet die faktische Heterogenität und damit den diskursiven Charakter der Demokratie aus. Kulturelle Homogenität ist auch als Diskursbedingung weder notwendig noch vorhanden. Es genügt ein diskursermöglichender Minimalkonsens, der unabhängig von vorstaatlicher Homogenität im Rahmen der Verfassungsordnung durch die Diskursteilnehmer selbst geschaffen wird. 38. Dem Grundgesetz ist keine Integrationsklausel im Sinne eines zu schützenden kulturellen Gepräges des Volkes zu entnehmen. Die freiheitliche Ordnung des Grundgesetzes schützt vielmehr die Heterogenität.
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39. Auch die Menschenwürde verlangt nicht, dass der Einzelne in seiner Selbstentfaltung oder zur Erlangung von Demokratiefähigkeit staatlich gelenkt wird. Die kollektive Identität, die ein kulturstaatlich bestimmtes Angebot ermöglichen soll, ist für den Einzelnen nicht vonnöten. 40. Kulturelle Einigkeit ist keine „Gelingensvoraussetzung“ der Verfassung. Es ließen sich nahezu unbegrenzt viele Gelingensvoraussetzungen der Verfassung formulieren. Würde der Staat in alle Bereiche der Gesellschaft, die derartige Voraussetzungen schaffen, eingreifen dürfen, wäre die Freiheitlichkeit der Gesellschaft gefährdet. Die freiheitliche Ordnung der Verfassung verbietet es vielmehr, den Einzelnen primär als Staatsbürger zu definieren, und überlässt ihm die Entscheidung, ob und mit wem er sich zusammenschließen will. 41. Die Kunst ist nicht dazu geeignet, als Grundlage der Integration der staatlichen Gemeinschaft zu dienen. Die Kunst ist weder per se integrativ noch vermittelt Kunst im Allgemeinen oder hohe Kunst im Besonderen gemeinschaftsstiftende Werte. 42. Die Verfassung verweist den Staat auf eine indirekte, politische Integration kultureller Verschiedenheit. Der Staat kann und darf nicht direkt den kulturellen Zusammenhalt fördern, sondern ist darauf verwiesen, durch die Berücksichtigung der kulturellen Unterschiede politisch zu integrieren. Gerade die großen Risiken, die mit einer über das Band der Staatsbürgerschaft hinausgehenden, vorstaatlichen Gemeinschaft verbunden sind, lassen keine staatlichen Maßnahmen eigens zur Sicherung seiner Grundlagen zu, sondern verweisen den Staat darauf, die ihm zustehenden Mittel so einzusetzen, dass dadurch auch seine Grundlagen erhalten bleiben. 43. Die Kultur wird in diesem verfassungsrechtlichen Rahmen als aktiver Bestandteil des öffentlichen Diskurses ernstgenommen und nicht als dessen Fundament instrumentalisiert. § 8 Legitimation durch Einfügung einer Kulturklausel in das Grundgesetz?
44. Auf Basis der vorstehenden Thesen wäre eine Kulturklausel nicht nur von klarstellender, sondern von legitimationsbegründender Bedeutung. Diese positivistische Lösung auf die aus dem Demokratieprinzip abgeleiteten Bedenken gegen die kulturstaatliche Kunstförderung ist abzulehnen. Vorzugswürdig ist vielmehr ein Diskurs zur Sache, in dem die besseren Argumente entscheiden und nicht die verfassungsändernde Gewalt. § 9 Reflexion
45. Die im Eingang der Untersuchung aufgestellten Thesen konnten bestätigt werden. Dies gilt vor allem für die „Großzügigkeit“ der herrschenden Verfassungslehre gegenüber dem Kulturstaat und für ihr geringes Interesse an den tatsächlichen Grundlagen der kulturstaatlichen Förderung, andererseits aber auch für die zunehmenden Bemühungen, das Verfassungsrecht auch mit Blick auf den Kulturstaat ernstzunehmen.
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§ 10 Perspektiven
46. Die Abschaffung des Kulturstaats ist nicht gleichzusetzen mit der Abschaffung der Kulturpolitik. Es gibt alternative Finanzierungsmodelle der direkten Kunstförderung jenseits des kulturstaatlichen und zudem zahlreiche andere Mittel der Kulturpolitik als die direkte Förderung.
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Sachwortverzeichnis Abschaffung des Kulturstaats 15, 26, 83, 86, 126, 199, 201 – 204 Abstinenz, kulturstaatliche siehe Abschaffung des Kulturstaats Abwägung – bei der Verwendung öffentlicher Mittel 40 – im Rahmen der Schutzpflichtenlehre siehe Interessenabwägung Agendasetting 55, siehe auch Framing Akademien siehe Kunstakademien Akzeptanz – der Kunstförderung 86, 143 – von Mehrheitsentscheidungen 176 – 178 Allgemeiner Gleichheitssatz siehe Gleichheitssatz Allzuständigkeit des Staates 33 – 35, 38, 83 – 84, 91, siehe auch Demokratieprinzip als Grenze des Kulturstaats Alternative Kultur siehe Subkultur Alternativen zur kulturstaatlichen Kunstförderung 15, 152, 202 – 204, siehe auch Abschaffung des Kulturstaats Architektur – Bauhaus 166 – Gartenarchitektur 165 Arrivierte Kunstszene siehe Kunstszene, etablierte Aufmerksamkeit 135, 152, 201, siehe auch Autonomie (der Kunst), geschichtliche Entstehung der A. der Kunst; Konsumentensouveränität; Zeitliche Bedingtheit der Kunst Aufmerksamkeitswettbewerb 135 Auftragskunst, Auftragskünstler 119 – 120, 134, 155, 204 Autonomie (der Kunst) 25, 29, 36 – als Gebot der Kunstfreiheit 36 – 37 – Begriff 37, 138 – 140 – geschichtliche Entstehung der A. der Kunst 48 – 53
Avantgarde 63, siehe auch Begrenztheit des Wissens; Innovativität, Förderung der I.; Ziele der Kunstförderung, Förderung der künstlerischen A. Bauhaus 166 Baumol’sche Kostenkrankheit 116 – 117 Bedürfnis siehe Kunstbedürfnis Bedürftigkeit – der geförderten Kunst 20, siehe auch Subsidiarität staatlicher Kunstförderung – des geförderten Künstlers 22, 121 – 124, 127 Befugnisse der Kulturstaats 20 – 24 Begrenztheit des Wissens 160, 169 – 170 Berufsfreiheit 108 – 109 Beweislast für die Rechtfertigung der Kunstförderung 83 Bundesstaatliche Kompetenzordnung siehe Kompetenzordnung Bundesstaatlichkeit siehe Kompetenzordnung siehe auch Trägerpluralismus Bürokratie 133, 135, 161 – 162, 164, 169 Comics 148 Dankbarkeit siehe Reziprozität Daseinsvorsorge, kulturelle 166 – 170 Demokratieprinzip – als Grenze des Kulturstaats 42 – 91 – formelles und materielles Verständnis des D. 42 – 45 – Schutz des kulturellen Diskurses durch das D. 45 – 59, siehe auch Kultureller Diskurs Demokratievoraussetzungen 175 – 180, 193, siehe auch Homogenität als Staatsvoraussetzung; Verfassungsvoraussetzungen Demokratischer Freiheitsgedanke siehe Freiheit, demokratische und grundrechtliche Denkmalpflege 18, 154, 174
Sachwortverzeichnis Differenzierungsbefugnis des Kulturstaats 20, 84, 103, siehe auch Differenzierungskriterien der Kunstförderung Differenzierungskriterien der Kunstförderung 21 – 23, 81 Dimensionen – der Grundrechte siehe Grundrechtsgehalte – der Kulturpolitik 80 Diskurs – zum Beitrag der Kultur zum öffentlichen Diskurs siehe Kultureller Diskurs – zum Kulturverfassungsrecht siehe Kulturverfassungsrechtlicher D. – siehe auch Öffentliche Meinung Dynamische und statische Kunst 146 – 149 Ehrensold 124 – 125 Eigeninteressen – des Künstlers 157 – 158, siehe auch Selbstpatronage – des Staates siehe Staatliche Interessenlage bei der Kunstförderung Einigungsvertrag 195 Emotionalität der kulturverfassungsrechtlichen Debatte siehe Kulturverfassungsrechtlicher Diskurs, Emotionalität des k. D., siehe auch Idealisierung der Kultur Entfremdung – zwischen Bürgern und Parteien 64 – zwischen Künstler und Publikum 63 – 65, 166 Entwicklung der Kunst siehe Geschichtliche Entwicklung der Kunst Erziehungsauftrag des Staates 87, 119, 135, 181, 184 – 185 Etablierte Kunstszene siehe Kunstszene, etablierte Etatismus siehe Kulturverfassungsrechtlicher Diskurs, Staatsbild des k. D. Europäische Integration durch Kultur 200 Existenzminimum siehe Kulturelles Existenzminimum Externe Effekte siehe Kunst als öffentliches Gut Fehlallokationen 163 – 164 Fernsehen siehe Rundfunkfinanzierung
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Film 51, 57, 111, 147, 150, 153, 157 – 159, 165, 169, 189, siehe auch Filmförderung; Hollywood; Kino; Serien (Film- und Fernsehserien) Filmförderung 151 Finanzierung der Kunst siehe Kulturfinanzierung, siehe auch Kunstförderung Form und Schema siehe Dynamische und statische Kunst Fotografie 147, 169 Framing 56 – 57 Freie Kunstszene siehe Kunstszene, freie Freiheit, demokratische und grundrechtliche 34 – 36 Freiheit der Kunst – als Autonomie siehe Autonomie als Gebot der Kunstfreiheit – durch den Markt 119 – 120, 155 – durch Kunstförderung 129 – 135 – durch zivilgesellschaftliche Initiative 66 – 67, 117 – 118, 203 – siehe auch Kunstfreiheit Freiheitsgefährdungen siehe Freiheit der Kunst Funktionen – der Grundrechte siehe Grundrechtsgehalte – der Kunst siehe Kunst, Funktionen der K. Gabe siehe Reziprozität Gefahren siehe Schutzpflichtenlehre, Gefahrenbegriff der S.; Kunstmarkt als Gefahr für die Kunst; Staatliche Kunstförderung, Wirkungen Gegenleistung siehe Reziprozität Gelingensvoraussetzung der Verfassung siehe Verfassungsvoraussetzungen Gemeinde siehe Kommunale Kunstförderung Gemeinwohl 79, 129 Genie-Ästhetik 48 – 52, 162 – 163 Gesamtschau kulturbezogener Verfassungsnormen 87 – 89 Geschenk siehe Reziprozität Geschichtliche Entwicklung der Kunst 48 – 53, 154 – 156, 169 Gestaltungsspielraum des Staates 20, 39, 86, 160, siehe auch Differenzierungsbefugnis Gießkannenprinzip 20, siehe auch Differenzierungsbefugnis des Kulturstaats
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Sachwortverzeichnis
Gleichheitssatz 39 – 40, 67, 86 Grundrechte – als positive Kompetenznormen 104 – 106 – als Wertordnung 101 – 102 – des Steuerpflichtigen als Grenze des Kulturstaats 41 – siehe auch Berufsfreiheit, Freiheit, demokratische und grundrechtliche; Gleichheitssatz; Grundrechtsgehalte; Kunstfreiheit; Meinungsfreiheit; Menschenwürde; Religionsfreiheit; Schutzpflichtenlehre; Vereinigungsfreiheit Grundrechtliche Freiheit siehe Freiheit, demokratische und grundrechtliche Grundrechtsdimensionen siehe Grundrechtsgehalte Grundrechtsdogmatik, Rolle der 106 – 108 Grundrechtsgehalte – objektiv-rechtliche G. 101 – 108, 115, 121 – 122, 125 – Verhältnis zwischen objektiv-rechtlichen und subjektiv-rechtlichen G. 23, 103 – 104, 107 – 108, 109 – 110 – siehe auch Kunstfreiheit, objektive rechtliche Gehalte der K. Grundrechtswirkungen siehe Grundrechtsgehalte Herrschaftskritik 70 – 75, 135, siehe auch Staatskritik Hochkultur 18, 63 – 64, 146 – 149, 189 – 191 – als öffentliches Gut siehe Kunst als öffentliches Gut – Publikum der H. 168, 201 – siehe auch Innovativität; Kunst und Wertvermittlung; Populärkultur Hofkultur 118 – 120, 140 Hollywood 157 Homogenität – als Demokratievoraussetzung 176 – 180 – als Staatsvoraussetzung 115, 173 – 175 – als Verfassungsgebot 180 – 188 – als Ziel der Kunstförderung 188 – 191 Idealisierung der Kultur 15 – 17, 188 – 190, siehe auch Genie-Ästhetik; Rechtfertigungskonsens Identität – Dimensionen 184
– I.vorsorge als Staatsaufgabe 168 – 170, 183 – 185 – siehe auch Homogenität; Integration Innovative Kunst siehe Begrenztheit des Wissens, siehe auch Innovativität Innovativität – der Hochkultur 146 – 149 – der Populärkultur 135, 149 – 159, – Förderung der I. 22, 159 – 164 Insider-Outsider-Wettbewerb 162 – 163 Inspiration siehe Genie-Ästhetik; Lebenswelt des Künstlers; Nebentätigkeit von Künstlern Institutionelle Deutung der Kunstfreiheit 138 – 141 Integration – Begriffsabgrenzung 172 – Europäische I. siehe Europäische Integration – politische I. 191 – 193 – siehe auch Homogenität; Identität Interessen siehe Eigeninteressen des Künstlers; Staatliche Interessenlage bei der Kunstförderung Interessenabwägung 114, 136 Intermediäre Gemeinschaften siehe Zivilgesellschaft Jazz 147 Jurys siehe Pluralistisch zusammengesetzte Gremien Kino 111, 116, 148, siehe auch Film; Hollywood Knochenflöte 169 Kollektive Identität 171 – 172, siehe auch Integration; Homogenität Kollektive Kunst siehe Kunst, kollektive Kommunale Kunstförderung 135, 204 Kommunikationsgrundrechte 179, siehe auch Kunstfreiheit als Kommunikationsgrundrecht; Meinungsfreiheit Kommunikationstheorie 191 Kompetenznormen – materielle Gehalte der K. 87 – siehe auch Gesamtschau kulturbezogener Verfassungsnormen; Kompetenzordnung
Sachwortverzeichnis Kompetenzordnung 21, 87, 197, siehe auch Allzuständigkeit des Staates; Kompetenznormen Konsumentensouveränität 114, 140 Kritik – durch Kunst siehe Herrschaftskritik; Staatskritik – von Kunst 150, siehe auch Kunstszene Kulturauftrag siehe Leitideen der Staatstätigkeit Kulturausgaben des deutschen Gesamthaushalts 116 Kulturbegriff 17, siehe auch Kunst, Begriff Kulturbürokratie siehe Bürokratie Kulturelle Bildung siehe Erziehungsauftrag des Staates, siehe auch Kulturelle Selbstentfaltung Kulturelle Daseinsvorsorge 166 – 170 Kulturelle Selbstentfaltung 168 – 170, siehe auch Knochenflöte Kulturelle Staatszielbestimmung siehe Kulturklausel Kultureller Diskurs 47, 55 – 59, 193, 199, siehe auch Zeitliche Bedingtheit von Kunst Kulturelles Existenzminimum 65 – 66, 166 – 168 Kulturfinanzierung – Alternativen 202 – 204 – Formen 152 – Verhältnis von staatlicher und privater K. 116 – 118 – siehe auch Freiheit der Kunst durch Kunstförderung; Freiheit der Kunst durch den Kunstmarkt; Freiheit der Kunst durch zivilgesellschaftliche Initiative Kulturgemeinschaft des Staatsvolks siehe Homogenität als Staatsvoraussetzung Kulturgüterschutz 19 Kulturindustrie 147, 153, 155, 156 – 159, 183, siehe auch Hollywood; Monopolisierung Kulturklausel 19, 194 – 198 Kulturnationsprinzip 181, 186 Kulturpolitik 22 – 23, siehe auch Kommunale Kulturförderung; Kulturverwaltung – als Machtinstrument 76 – 79 – als Steuerungsinstrument 79 – 81, siehe auch Begrenztheit des Wissens; Innovativität, Förderung der I.
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– Dimensionen 80 – wissenschaftliche Analyse der K. 20, siehe auch Programmatische Wissenschaft Kulturstaat – Begriff 17 – 20 – Befugnisse 20 – 24 – Modelle des K. 20 – Tradition des K. 95 – 100, siehe auch Staatliche Interessenlage bei der Kunstförderung – Tradition des Kulturstaatsbegriffs 95 Kulturstaatliche Kompetenzordnung siehe Kompetenzordnung Kulturstaatsklausel siehe Kulturklausel Kulturverfassungsrecht – Justiziabilität 20 – 21, 22 – 23 – siehe auch Kompetenzordnung; Kulturstaat; Kulturverfassungsrechtlicher Diskurs; Kunstfreiheit Kulturverfassungsrechtlicher Diskurs 24 – 26, 76 – 77, 105 – 106, 199 – 200 – Emotionalität des k. D. 24 – 26, 188 – Ergebnisorientiertheit der kulturverfassungsrechtlichen Diskurses 24 – 25, 105 – 106, 200 – Staatsbild des k. D. 76 – 77, 90, siehe auch Staatsverständnis – siehe auch Kulturverfassungsrecht, Justiziabilität des K.; Programmatische Wissenschaft; Rechtfertigungskonsens Kulturverwaltung siehe Bürokratie; Kulturpolitik Kunst – als öffentliches Gut 144 – 166, 189 – 191 – als Wirtschaftsgut 109 – 111, 120 – Begriff 18 – Funktionen der K. 49 – 50, 51 – 52, 57, 59, 172 – Funktionslosigkeit der -K. 47 – 55 – herrschaftskritischer Charakter der K. siehe Herrschaftskritik; Staatskritik – kollektive 51, 158 – und Wertvermittlung 147, 172, 183, 186, 189 – 191 – siehe auch Autonomie; Film; Freiheit der Kunst; Jazz; Geschichtliche Entwicklung der Kunst; Kultureller Diskurs; Kunst-
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Sachwortverzeichnis
freiheit; Literatur; Malerei; Musik; Subkultur; Zeitliche Bedingtheit der K. Kunst und Kultur siehe Kulturbegriff; Kunst Kunstakademien 18 – 19, 34, 97, 135, 204 Kunstbedürfnis 154 Kunstbürokratie siehe Bürokratie Kunstförderung – private K. 66, 116, 152, 202 – 203 – staatliche siehe Staatliche Kunstförderung Kunstfreiheit 34 – 38, 93 – 135, 137 – 141 – als Befugnisnorm des Kulturstaats 103 – 104 – als Kommunikationsgrundrecht 53 – 55 – als originäres Teilhaberecht 115 – 121 – als soziales Grundrecht 121 – 125 – als Staatszielbestimmung 125 – 135 – historische Auslegung 94 – 101 – institutionelle Deutung der K. 138 – 141 – objektive rechtliche Gehalte der K. 23, 36, 101 – 135, siehe auch Grundrechtsgehalte – Staatsfreiheitsgebot der K. 34 – 38 – siehe auch Autonomie als Gebot der Kunstfreiheit Kunstmarkt 62 – 63, 109 – 112, 159 – als Gefahr für die Kunst, 112 – 115, 129 – 130, 133 – Innovativität des K. siehe Innovativität der Populärkultur – siehe auch Freiheit der Kunst durch den Markt; Kulturindustrie; Kunstszene; Marktkunst Kunstpreise 18, 155 Kunstsoziologie 16, 20, 55, 118 – 119, 146 – 147 Kunstszene 62 – 63, 150, 159 – etablierte K. 143, 149, 162 – 163 – freie K. 162 – siehe auch Insider-Outsider-Wettbewerb Kunstunterricht 202, siehe auch Kunstakademien Kunstvereine 66 – 67, 116, 152, siehe auch Selbstorganisation von Künstlern Kunstverständnis – avantgardistisches 52 – 53 – elitäres 112, 133 L’art pour l’art 52 Lebenswelt des Künstlers 57 – 59, 123
Leitideen der Staatstätigkeit 89 – 91 Literatur 59, 63, 155, 158 Machtinteressen siehe Staatliche Interessenlage bei der Kunstförderung Machtkritik siehe Herrschaftskritik Malerei 147 – 149, 154, 157, 159, 166 Marktkunst 109 – 114, 154 – 155, siehe auch Populärkultur Marktversagen siehe Kunst als öffentliches Gut; Meritorik Massenkultur siehe Marktkunst; Populärkultur siehe auch Umwertung von Massenkultur zu Hochkultur Massenmedien 150, 157, siehe auch Film; Kulturindustrie; Populärkultur Mäzenatentum 78 – 79, 118 – 121 Meinungsfreiheit 53 – 55, 72 – 73, 110 Menschenwürde 166 – 170, 183 – 185 Meritorik 142 – 144, 145, 165 – 166 Monopolisierung des Kulturmarkts 118, 130, 132 – 133, 159, siehe auch Kulturindustrie Museum 18 – Besucherstruktur in M. 168 Musik 45, 51, 129, 145, 153, 155, 158 – 159 Nachfrage nach Kunst siehe Autonomie (der Kunst), geschichtliche Entstehung der A. der Kunst; Konsumentensouveränität; Zeitliche Bedingtheit der Kunst Nation 174 – 175, 178 Nationalerziehung 174, siehe auch Nation; Nationalismus; Nationalkultur; Nationalstaatsprinzip, Paternalismus; Ziele der Kunstförderung, Publikumserziehung Nationalismus 186, 188 Nationalkultur 99, 164 Nationalstaatsprinzip 181 Nebentätigkeit von Künstlern 123 Neutralität 28, 36, 37 – 38, 111 Nicht-Identifikation, Prinzip der N. 20, 37 Objektiv-rechtliche Grundrechtsgehalte siehe Grundrechtsgehalte, objektiv-rechtliche Objektive Wertordnung siehe Grundrechtsgehalte
Sachwortverzeichnis Öffentlich-rechtlicher Rundfunk siehe Rundfunkfinanzierung Öffentliche Meinung – Beitrag der Kunst zur ö. M. 44 – 59 – Schutz der öffentlichen Meinung durch das Demokratieprinzip 42 – 45 Öffentliches Gut siehe Theorie der öffentlichen Güter, siehe auch Kunst als öffentliches Gut Oper 16, 117, 147, 153, 160, 162, 164, 168, 190, 202
Parallelgesellschaften 182 Parteienfinanzierung 64 – 65, siehe auch Entfremdung zwischen Bürgern und Parteien Paternalismus 142 – 143, 165 Perfektibilität 183 – 185 Pluralismusvorsorge siehe Ziele der Kunstförderung, Sicherung der Quantität und Pluralität des Kunstangebots Pluralistisch zusammengesetzte Gremien 63, 80, 128, siehe auch Sachverständige Populärkultur 147 – 149, 159, 164 – 166, 189 – 190 Positive Kompetenznormen siehe Grundrechte als p. K. Präambel des Grundgesetzes 181 Preise – für Kunstwerke 111 – 112 – siehe auch Kunstpreise Prinzip der Nicht-Identifikation 20, 37 Prinzipien staatlicher Kunstförderung 21 – 22 Private Kunstinstitutionen 89, siehe auch Freiheit der Kunst durch zivilgesellschaftliche Initiative; Kulturfinanzierung, Formen; Kunstvereine; Vereinigungsfreiheit Programmatische Wissenschaft 20, 21 – 23, siehe auch Kulturverfassungsrecht, Justiziabilität des K. Publikum, Rolle des P. siehe Autonomie (der Kunst), geschichtliche Entstehung der A. der Kunst; Konsumentensouveränität; Publikumsbild; Zeitliche Bedingtheit der Kunst Publikumsbild 150 – 151
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Qualität der Kunst siehe Innovativität, Förderung d. I.; Ziele der Kunstförderung, Sicherung eines qualitativ hochwertigen Kunstangebots Rechtfertigungsbedürftigkeit 27 – 29, 34 – 41, siehe auch Demokratieprinzip als Grenze des Kulturstaats; Kulturverfassungsrechtlicher Diskurs Rechtfertigungskonsens 15, 200, siehe auch Idealisierung der Kultur Rechtschreibreform 33 Rechtsgemeinschaft siehe Staat als R. Rechtsstaat 24, 79, 133, siehe auch Kulturverfassungsrecht, Justiziabilität des K. Religion 17, 36, 49 – 51, 95, 99, 135, 186, 188 Religionsfreiheit 183 Repräsentation siehe Selbstrepräsentation des Staates Rezensenten 62 Rezeption siehe Konsumentensouveränität; Kunstbedürfnis; Rezeptionstheorie; Zeitliche Bedingtheit der Kunst Rezeptionstheorie191 Reziprozität 67 – 75 Rundfunkfinanzierung 80, 112, 143 Sachverständige 21 – 22, siehe auch Pluralistisch zusammengesetzte Gremien Schere im Kopf siehe Selbstzensur Schutz der öffentlichen Meinung siehe Öffentliche Meinung Schutz der staatlichen Willensbildung siehe Demokratieprinzip, formelle und materielle Gehalte des D. Schutzpflichtenlehre 107 – 108, siehe auch Grundrechtsgehalte – Gefahrenbegriff der S. 112 – 113 Selbstorganisation von Künstlern 152 – 153 Selbstpatronage 75, 78 Selbstrepräsentation des Staates 42, siehe auch Auftragskunst Selbstzensur 70 – 75, 134 – 135 Serien (Film- und Fernsehserien) 153, 189 – 190 Sicherung kultureller Daseinsbedingungen siehe Daseinsvorsorge, kulturelle
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Sachwortverzeichnis
Solidarität 192, siehe auch Homogenität; Integration Sozialleistungen siehe Sozialstaatsprinzip, siehe auch Kulturelles Existenzminimum; Kulturelle Daseinsvorsorge Sozialstaatsprinzip 19, 65, 121 – 125, 166 – 168, siehe auch Umverteilung durch Kunstförderung Soziologie siehe Kunstsoziologie Sponsoring 202 – 203, siehe auch Kulturfinanzierung, Formen Staat – als Kultur 19, 133 – als Kulturgemeinschaft siehe Homogenität als Staatsvoraussetzung – als Rechtsgemeinschaft 179, 192 – 193 Staatliche Interessenlage bei der Kunstförderung 75 – 81, 99 Staatliche Kunstförderung – direkte 18, 202 – 203, pass. – indirekte (steuerliche) 36, 115, 126, 128, 137, 147 – 148, 162, 204 – Wirkungen 38, 61 – 81, 162 – 163 – siehe auch Kulturstaat; Prinzipien staatlicher Kunstförderung; Staatliche Interessenlage bei der Kunstförderung; Ziele der Kunstförderung Staatliche Selbstdarstellung siehe Selbstrepräsentation des Staates Staatsaufgabe „Kultur“ siehe Leitideen der Staatstätigkeit siehe auch Kulturklausel Staatsaufgaben siehe Leitideen der Staatstätigkeit Staatsbild siehe Kulturverfassungsrechtlicher Diskurs, Staatsbild des k. D., siehe auch Staatsverständnis Staatskritik 71, 79, 134 – 135, siehe auch Herrschaftskritik Staatsrepräsentation siehe Selbstrepräsentation des Staates Staatsverständnis 15, 72 – 73, 76, 96, 201 – 202, siehe auch Kulturverfassungsrechtlicher Diskurs, Staatsbild des k. D. Staatsvoraussetzungen siehe Homogenität als Staatsvoraussetzung, siehe auch Demokratievoraussetzungen; Verfassungsvoraussetzungen
Staatswillensbildung siehe Demokratieprinzip, formelle und materielle Gehalte des D. Staatsziel Kultur siehe Kulturklausel Staatsziele siehe Leitideen der Staatstätigkeit Staatszwecke siehe Leitideen der Staatstätigkeit Statische Kunst siehe Dynamische und statische Kunst Steuerabreize 137 Steueranreize siehe Staatliche Kunstförderung, indirekte Steuererleichterungen siehe Staatliche Kunstförderung, indirekte Steuerliche Förderung siehe Kunstförderung, indirekte Steuern siehe Staatliche Kunstförderung, indirekte, siehe auch Steuerabreize; Grundrechte des Steuerpflichtigen als Grenze des Kulturstaats Steuerungsinstrument siehe Kulturpolitik als Steuerungsinstrument Stipendien 18, 155 Subkultur 64, 73 Subsidiarität staatlicher Kunstförderung 21 – 22, 34, 127 Subsidiaritätsprinzip 34, 192 Subventionstheorie siehe Fehlallokationen Technischer Fortschritt 115 – 116, 120 – 121, siehe auch Zeitliche Bedingtheit der Kunst Teilhaberecht siehe Kunstfreiheit als originäres Teilhaberecht Theater 51, 72, 98 – 99, 116 – 117, 147, 154 – 155, 158, 162, 164, 168, 202 Theorie der öffentlichen Güter 144 – 145, siehe auch Kunst als öffentliches Gut Tradition siehe Kulturstaat, Tradition des K.; Ziele der Kunstförderung, Förderung traditioneller Kunst Trägerpluralismus 80 Überantwortung der Kulturförderung siehe Abschaffung des Kulturstaats Umverteilung durch Kunstförderung 168, 201 Umwertung von Massenkultur zu Hochkultur 148
Sachwortverzeichnis Unabhängige Gremien siehe Pluralistisch zusammengesetzte Gremien Unabhängigkeit der Kunst siehe Autonomie (der Kunst); Freiheit der Kunst Vereinigungsfreiheit 185 – 187 Verfassungserwartungen siehe Verfassungsvoraussetzungen Verfassungsvoraussetzungen 29, 185 – 188 Verwendung öffentlicher Mittel 40 Volkserziehung siehe Ziele der Kunstförderung, Publikumserziehung, siehe auch Nationalerziehung; Paternalismus Volksgemeinschaft siehe Homogenität als Staatsvoraussetzung; Nationalkultur Volkswillensbildung siehe Öffentliche Meinung siehe auch Staatswillensbildung Weimarer Reichsverfassung 100 – 101 Werbung 148, 158 Werte siehe Kunst und Wertvermittlung, siehe auch Preise für Kunst; Grundrechte als Wertordnung Wertordnung siehe Grundrechte als Wertordnung Wertvermittlung siehe Kunst und Wertvermittlung Wettbewerb – zwischen Künstlern 114 – siehe auch Aufmerksamkeitswettbewerb; Insider-/Outsider-W. Wirtschaftsgut siehe Kunst als Wirtschaftsgut Wohlfahrtsstaat siehe Sozialstaatsprinzip Zeitliche Bedingtheit der Kunst 147, 150, 153, 154, 159, 165 – 166 Zensur 72, 76, 80, 98 – 99, siehe auch Selbstzensur Ziele der Kunstförderung – Beibehaltung einer kulturstaatlichen Tradition 22, siehe auch Kulturstaat, Tradition d.; Staatliche Kunstförderung, Wirkungen der s.
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– Förderung der Entfaltungsmöglichkeiten des Einzelnen 165 – 170 – Förderung der künstlerischen A. 160, 164 – Förderung neuer, innovativer oder experimenteller Kunst 22 – Förderung und Sicherung traditioneller Kunst 15, 22 – Herstellung und Sicherung des staatlichen Gemeinschaftsgefüges 188 – 191, siehe auch Homogenität; Integration – Lenkungsinteressen des Staates 79 – 81, siehe auch Staatliche Interessenlage bei der Kunstförderung – Publikumserziehung 29, 143 – Schutz der Kunst vor dem Markt 107 – 111, 112 – 113, 156 – 159, siehe auch Kulturindustrie – Schutz der Kunst vor dem Publikum 22, 108 – 109, 113 – 115, 142 – 143, 150 – 153, 153 – 155 – Schutz der nationalen Kunst vor ausländischen Einflüssen 144, 181 – 183 – Sicherung der Quantität und Pluralität des Kunstangebots 150, 168 – 170 – Sicherung eines qualitativ hochwertigen Kunstangebots 137 – 170 – Sozialstaatliche Z. siehe Sozialstaatsprinzip – Volkserziehung siehe Ziele der Kunstförderung, Publikumserziehung, siehe auch Erziehungsauftrag des Staates; Paternalismus – Zivilgesellschaft siehe Freiheit der Kunst durch zivilgesellschaftliche Initiative, siehe auch Kunstvereine; Vereinigungsfreiheit; Kulturfinanzierung, Formen – siehe auch Differenzierungsbefugnis des Kulturstaats; Staatliche Interessenlage bei der Kunstförderung Zustimmung siehe Akzeptanz der Kunstförderung; Selbstpatronage