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German Pages 262 Year 1981
HANSDETLEFZSCHOCHE
Zur dogmatischen Einordnung des Lastschriftverfahrens
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 64
Zur dogmatischen Einordnung des Lastschriftverfahrens unter besonderer Berücksichtigung der Vertrauensstrukturen
Von
Dr. Hans Detlef Zschoche
DUNCKER &
HUMBLOT / BERLIN
Alle Rechte vorbehalten
© 1981 Duncker & Humblot, Berlin 41
Gedruckt 1981 bel Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed In Germany ISBN 3 428 04866 0
Für Janna
Inhaltsverzeichnis § 1 Entstehung und Entwicklung des Lastschriftverfahrens
I. Anfänge und Weiterentwicklung ...................................
17
1. Entstehung der Lastschrift und ihre Entwicklung bis 1914 . . . . . . . .
17
2. Der Niedergang in den zwanziger Jahren .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
20
3. Die Entwicklung im Ausland (Banktratte und Rechnungseinziehungsverfahren) ...............................
22
4. Die Entwicklung und Durchsetzung in der BRD (Bankquittungs- und Lastschriftverfahren) ......................
24
H. Das Lastschriftverfahren der Gegenwart ...........................
28
1. Seine Ausgestaltung durch das Lastschriftabkommen von 1964 .. ,
28
2. Die Bedeutung des Lastschriftverfahrens ........................ 2.1 Bedeutung für die Gesamtwirtschaft ......................... 2.2 Bedeutung für den Gläubiger (Zahlungsempfänger) 2.3 Bedeutung für den Schuldner (Zahlungspflichtigen) ........... 2.4 Bedeutung für die Gläubigerbank (Inkassostelle) ............. 2.5 Bedeutung für die Schuldnerbank (Zahlstelle) ................
30 30 31 33 34 36
§ 2 Problem- und AufgabensteIlung
I. Die Problematik: Die Mißbrauchsanfälligkeit des Verfahrens und die Unsicherheiten in der Erfassung seiner technischen Erscheinungsformen, insbesondere der Störfälle, durch die allgemeine Zivilrechtsdogmatik ......................................................... 38 H. Die AufgabensteHung: Untersuchung der Rechtsnatur der Lastschriftermächtigung, der Mißbrauchsmöglichkeiten, der Mißbrauchssteuerung und -sanktionierung sowie vor allem der Einwirkungs- und Vertrauensstrukturen ............................................. 41 § 3 Die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten des Lastschriftverfahrens
I. Die Beziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . ..
44
1. Das Grundverhältnis ........................................... 1.1 Einzugsgeeignete Forderungen .............................. 1.2 Vom Einzug ausgeschlossene Forderungen ...................
45 45 46
8
Inhal tsverzeichnis 2. Die Lastschriftermächtigung ....................................
47
2.1 Die Theorien zur Rechtsnatur der Lastschriftermächtigung ...
47
2.1.1 Die Lastschriftermächtigung als Abtretung des Weisungs-
rechtes? .................................................. 2.1.1.1 Darstellung der Konstruktion ............... . . . ...... . ... 2.1.1.2 Zu den bisher erhobenen Einwänden ......... . . . . . . . . . . .. 2.1.1.3 Abtretungsausschluß wegen Unselbständigkeit des Gestaltungsrechts? ............................................. 2.1.2 Anweisungsähnliche Doppelermächtigung? ................. 2.1.2.1 Darstellung der Konstruktion (Engel u. a.) ................ 2.1.2.2 Mangel der fehlenden Verpflichtung der Zahlstelle . . . . . . .. 2.1.2.3 Unklare Funktion des Abbuchungsauftrages .............. 2.1.2.4 Unzulässige Verknüpfung von Ermächtigung und Drittbeziehung ............................................... 2.1.2.5 Keine Notwendigkeit einer Empfangsermächtigung ....... 2.1.3 Vollmacht zur Ausübung der Weisung? .................... 2.1.3.1 Darstellung der Konstruktion (Sandberger, FallscheerSchlegel) ................................................ 2.1.3.2 Zum Vorhalt des Eigeninteresses ......................... 2.1.3.3 Mangel der fehlenden Offenkundigkeit .......... . ....... 2.1.4 Ausübungsermächtigung i. S. d. § 185 BGB? ................ 2.1.4.1 Darstellung der Konstruktion (Canaris) .................. 2.1.4.2 Zu den bisher erhobenen Einwänden .................... 2.1.4.3 Problematik der Einschränkung der Gestaltungswirkungen
48
2.1.4.4 Einwand der Verpflichtungsermächtigung ................
64
2.1.4.5 Umgehung des Abtretungsverbotes ......................
68
48 48
50 52 52 52 53 54 55 58 58 59 59 63 63 63 64
2.1.5 Abbuchungsauftrag als Weisung, im übrigen anfänglich un-
berechtigte, später genehmigte Abbuchungen der Schuldnerbank? .................................................... 2.1.5.1 Darstellung der Konstruktion (Hadding) ......... . ........ 2.1.5.2 Widerspruch zur Rechtswirklichkeit ...................... 2.1.5.3 Unbefriedigende Erklärung des Abbuchungsauftrages ..... 2.1.5.4 Mangel der fehlenden Verpflichtung der Zahlstelle ........ 2.1.5.5 Mangel der Unsicherheit im Verfügungsbereich ........... 2.1.5.6 Fehlende Erklärung der Mitwirkung des Gläubigers ...... 2.1.6 Abbuchungsauftrag als echter Vertrag zugunsten Dritter? .. 2.1.6.1 Darstellung der Konstruktion (Franke) ................... 2.1.6.2 Unselbständigkeit des Abbuchungsauftrages .............. 2.2 Lösungsvorschlag .......................................... 2.2.1 Leistungsbestimmung durch Dritte ........................ 2.2.2 Darstellung der Konstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2.2.2.1 Erklärung des Abbuchungsauftragsverfahrens .... . .......
69 69 69
71 71 72 73 74 74 75 76 76
77 78
Inhal tsverzeichnis 2.2.2.2 Erklärung des Einzugsermächtigungsverfahrens 2.2.3 Die dogmatische Einordnung; zum Einwand Canaris' ....... 2.2.4 Zum Bestimmtheitserfordernis ............................
9 79 80 84
3. Die Rechtsbeziehungen zum leistungsbestimmenden Dritten (Gläubiger) ......................................................... 85 3.1 Die Beziehungen des Dritten (Gläubigers) zum Schuldner .... 86 3.1.1 Das Auftragsverhältnis .................................... 86 3.1.2 Der Inhalt des Auftrages .................. . . . . . . . . . . . . . . .. 87 3.1.3 Schadensersatzansprüche des Schuldners .................. 3.1.4 Die Beendigung des Auftragsverhältnisses ................. 3.2 Die Beziehungen des Dritten (Gläubigers) zur Zahlstelle . . . .. 3.2.1 Keine vertragliche Bindung ............................... 3.2.2 Sonderrechtsbeziehung kraft Schutzverhältnisses .......... 4. Möglichkeiten des Lastschriftmißbrauchs - dessen Steuerung und Sanktionierung ................................................ 4.1 Die Sachzwänge des Masseneinzuges ........................ 4.2 Die Interessenkonstellation ............ . ................... 4.3 Die Risikoverteilung ........................................ 4.3.1 Die Risiken des Schuldners - Steuerungs- und Regreßmöglichkeiten ................................................ 4.3.1.1 Beim Abbuchungsauftragsverfahren ........ . ............. 4.3.1.2 Beim Einzugsermächtigungsverfahren .................... 4.3.2 Die Risiken des Gläubigers - Steuerungs- und Regreßmöglichkeiten ................................................. 4.3.2.1 Beim Abbuchungsauftragsverfahren ........ . ............. 4.3.2.2 Beim Einzugsermächtigungsverfahren .................... 4.3.3 Die Risiken der Kreditinstitute - Steuerungs- und Regreßmöglichkeiten ............................................. 4.3.3.1 Gemeinsame Risiken ...................... . . . .. . . . ...... 4.3.3.2 Besondere Risiken der InkassosteIle .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 5. Die Erfüllung der Geldschuld im Valutaverhältnis .............. 5.1 Pflichten des Schuldners 5.2 Pflichten des Gläubigers .................................... 5.3 Der Erfüllungszeitpunkt .................................... 5.3.1 Die bisher vertretenen Auffassungen - ihre Mängel ..... .. 5.3.2 Maßgeblichkeit des WertsteIlungsdatums .................. 5.4 Verzugsfragen .............................................. 5.5 Die Gefahrtragung ............. . ........................... 5.5.1 Verzögerungsgefahr .................................. . . . .. 5.5.2 Verlustgefahr .............................................
88 90 92 92 92 93 94 97 98 99 99 106 125 125 125 146 146 147 149 149 150 151 151 153 155 157 157 158
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Inhaltsverzeichnis
H. Die Beziehungen zwischen Gläubiger und InkassosteHe
159
1. Der Girovertrag (Rechtsnatur) ................. . ................ 159 2. Bedeutung der Inkassovereinbarung ........... . . . . . .... . ....... 159 3. Inhalt des Girovertrages ...................... . ........ . ....... 161 3.1 Pflichten des Gläubigers
.................................... 161
3.2 Pflichten der Inkassostelle ...................... . . . .......... 165 3.2.1 Gegenüber dem Gläubiger ................................ 165 3.2.2 Drittwirkungen (Schutzpflichten) gegenüber dem Schuldner? 166 3.2.2.1 Entwicklung der Schutzpflichten -
die Lehre vom gesetzlichen Schutzpflichtverhältnis ............................ 169 3.2.2.2 Anwendung dieser Lehre auf das Verhältnis der Inkassostelle zum Schuldner .................................... 186 3.2.2.3 Der Umfang der Schutzpflicht der InkassosteUe ........... 201 IH. Die Beziehungen zwischen den Kreditinstituten untereinander ...... 215 1. Der Inkassoweg ............................................... , 215 1.1 Direktverbindung von InkassosteIle und Zahlstelle .......... 216 1.2 Einschaltung von Zwischenbanken .......................... 217 2. Die Girovertragsbeziehungen der Einzugskette .................. 218 2.1 Die Bedeutung des Lastschriftabkommens ................... 218 2.2 Rechtsnatur und Geltungsbereich des Lastschriftabkommens .. 219 3. Die vertragslosen Sonderbeziehungen der Einzugskette .......... 221 3.1 Schutzpflichten der Zwischenbanken? ........................ 221 3.2 Schutzpflichten der Zahlstelle?
.............................. 222
3.2.1 Keine Schutzpflicht bei der Einlösung von Lastschriften .... 223 3.2.2 Schutzpflichten bei der Rückgabe von Lastschriften? ........ 223 3.2.2.1 Keine Schutzpflicht bei Rückgabe infolge Widerspruches .. 223 3.2.2.2 Schutzpflicht bei Rückgabe mangels Einlösung
224
IV. Die Beziehungen zwischen Schuldner und ZahlsteHe ................ 231
1. Der Girovertrag ................................................ 231
2. Die Lastschriftabrede - Einzugsermächtigung und Abbuchungsauftrag ........................................................ 231 3. Exkurs: Sonderprobleme ....................................... 233 3.1 Die widerspruchsbedingte Rückgabe von Lastschriften im Ab-
buchungsauftragsverfahren ................................. 234
3.2 Die "doppelt begründete Lastschrift" ........................ 237
Inhaltsverzeichnis
11
§ 4 Zusammenfassung der Ergebnisse 1. Die Bedeutung des Vertrauens im Lastschriftverkehr .............. . 245
H. Die vertraglichen Vertrauensbeziehungen ......................... 245 IH. Die außervertraglichen Vertrauens beziehungen .................... 247 IV. Folgerungen für die Praxis ................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 250
Schrifttumsverzeichnis Nachsatz
252
261
Abkürzungsverzeichnis a.A.
aaO. a.Anf. Abs. Abschn. AcP a.E. AGB AHB allg. Alt. Anh. Anm. Art. Bankbetrieb BB Bd. Bearb. Bem. betr. BGB BGH BGHSt BGHZ bzw. CpD c. i. c. DB ders. d.h. ebd. E.v. e.V. Fn. gern. GG ggf.
h.A.
HGB h.L. h.M.
anderer Ansicht am angegebenen Ort am Anfang Absatz Abschnitt Archiv für die civilistische Praxis (Band und Seite) am Ende Allgemeine Geschäftsbedingungen Allgemeine Haftpflichtversicherungsbedingungen allgemein Alternative Anhang Anmerkung Artikel Zeitschrift (Jahr und Seite) Der Betriebsberater (Jahr und Seite) Band Bearbeiter Bemerkung betreffend Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. 8. 1896 Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen (Band und Seite) Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen (Band und Seite) beziehungsweise Conto pro Diverse culpa in contrahendo Der Betrieb (Jahr und Seite) derselbe das heißt ebendort Eingang vorbehalten eingetragener Verein Fußnote gemäß Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. 5. 1949 gegebenenfalls herrschende Auffassung Handelsgesetzbuch vom 10.5. 1897 herrschende Lehre herrschende Meinung
14 i. e. insbes.
i. S. d. / v.
JherJb JR JuS JW JZ KO KTS KWG lfd. Lfrg. LG li.
Lit. LM LVG LZ m. m.a.W. m.E. m.Nw. m.w.Nw. NJ NJW Nr. o. OLG p.F.V. p.V.V. Rdz. re. RG RGRK RGSt RGZ RHG
rsp. Rspr. S.
s.
ScheckG
Abkürzungsverzeichnis im einzelnen insbesondere im Sinne des (der) / von Jherings Jahrbücher der Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Band und Seite) Juristische Rundschau (Jahr und Seite) Juristische Schulung (Jahr und Seite) Juristische Wochenschrift (Jahr und Seite) Juristen-Zeitung (früher Deutsche Rechtszeitschrift und Süddeutsche Juristenzeitung) (Jahr und Seite) Konkursordnung vom 20. 5. 1898 Zeitschrift für Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen (Jahr und Seite) Gesetz über das Kreditwesen vom 10.7.1961 laufend Lieferung Landgericht links / linke Literatur Das Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen, herausgegeben von Lindenmaier und Möhring (Gesetzesstelle und Entscheidungsnummer) Luftverkehrsgesetz in der Fassung vom 4. 11. 1968 Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht (Jahr und Seite) mit mit anderen Worten meines Erachtens mit Nachweisen mit weiteren Nachweisen Neue Justiz (Jahr und Seite) Neue Juristische Wochenschrift (Jahr und Seite) Nummer oben Oberlandesgericht positive Forderungsverletzung positive Vertragsverletzung Randziffer rechts / rechte Reichsgerich t Reichsgerichtsrätekommentar Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen (Band und Seite) Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (Band und Seite) Gesetz betreffend die Verbindlichkeiten zum Schadensersatz für die bei dem Betriebe von Eisenbahnen, Bergwerken u. s. w. herbeigeführten Tötungen und Körperverletzungen vom 7.6.1871 respektive Rechtsprechung Satz / Seite siehe Scheckgesetz vom 14. 8. 1933
Abkürzungsverzeichnis SeuffA s. o. sog. Sp. Sparkasse StGB str. StVG
S.u.
U.
u.
u. a. u.ä. überbl. unstr.
u. s. f.
U.S.w.
v. Verf. vgl. VW WG WHG
wie vor WM WuW zahlr. z.B. ZHR Zif. zit. ZKW ZStW z.T. ZuB ZV
Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten (Band und Nummer) siehe oben sogenannt Spalte Zeitschrift (Jahr und Seite) Strafgesetzbuch in der Fassung vom 2. 1. 1975 streitig Straßenverkehrsgesetz vom 19. 12. 1952 siehe unten Urteil und / unter und andere I unter anderem und ähnliche(s) überblick unstreitig und so fort und so weiter vom / von / vor Verfasser vergleiche Versicherungswirtschaft, Zeitschrift (Jahr und Seite) Wechselgesetz vom 21. 6. 1933 Wasserhaushaltsgesetz in der Fassung vom 16. 10. 1976 wie unter der vorhergehenden Fußnote Wertpapier-Mitteilungen (Jahr und Seite) Wirtschaft und Wettbewerb, Entscheidungssammlung zum Kartellrecht (Spruchkörper und Seite) zahlreich zum Beispiel Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht (Band und Seite) Ziffer zitiert Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen (Jahr und Seite) Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft (Band und Seite) zum Teil Zahlungsverkehr und Bankbetrieb (Jahr und Seite) Der Zahlungsverkehr (Jahr und Seite)
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§ 1 Entstehung und Entwicklung des Lastschriftverfahrens I. Anfänge und Weiterentwicklung 1. Entstehung der Lastschrift und ihre Entwicklung bis 1914
"Die Lastschrift ist ein Einzugspapier, mit dem der Zahlungsempfänger durch Vermittlung seines Kreditinstitutes aus dem Guthaben des Zahlungspflichtigen bei demselben oder einem anderen Kreditinstitut den aus der Lastschrift ersichtlichen Betrag erhebtl." Nimmt man das Essentiale dieser modernen Definition, daß nämlich ein Giralgeldtransfer unter Belastung des Schuldners von dessen Gläubiger veranlaßt wird, so erhellt sich von selbst, daß diese Art des Zahlungsverkehrs nicht neu ist, ja noch nicht einmal eine Erfindung der jüngeren Vergangenheit darstellt. Denn im Prinzip um nichts anderes handelt es sich bei einem auf die Bank des Schuldners domizilierten Wechsel, den der Gläubiger seiner Bank zum Einzug gibt2 • Für den Scheck, der obligatorisch auf den Bankier des Schuldners (Ausstellers) gezogen werden muß (Art. 3 ScheckG), trifft das in gleichem Maße zu3 • Die vorhandene Ähnlichkeit verdichtet sich noch um einiges, wenn man den Wechsel oder den Scheck durch eine negative Orderklausel zu einem Rektapapier herunterstuft und ihm damit seine angeborene Verkehrs- und Andienungsfähigkeit nimmt. Eine nahezu vollkommene Funktionsgleichheit mit der Lastschrift tritt ein, wenn ein solcher Wechsel in Form der Tratte, d. h. ohne das Akzept des Schuldners, zum Einzug an die Hausbank übergeben wird. Maßgeblich hierauf ist die Grundidee der Lastschrift zurückzuführen, wobei die Einführung der Wechselsteuer eine verstärkte Hinwendung zu einem besonderen, vom Wechsel völlig gelösten Einzugspapier bewirkt haben dürfte4 • 1 So die Definierung durch das Lastschriftabkommen von 1964, Abschn. I. Zif.1; abgedruckt bei: Kessler, Der Lastschrift-Einzugsverkehr, S. 47 ff.; Reyher - Sperl, Der Lastschrift-Einzugsverkehr, S. 75 ff.; Engel, Rechtsprobleme um das Lastschriftverfahren, S. 69 ff.; Fallscheer-Schlegel, Das Lastschriftverfahren, S. 66 ff.; Schütz, Formularbuch, S. 364 f.; Skrotzki, KTS 74, 136, 140 ff. 2 O. 8choele, ZuB 29, 77. a O. Schoele, ZuB 29, 81; ders. ZuB 33, 285; W. O. Schoele, Das Recht der überweisung, S. 49, 43 ff. , W. O. Schoele, S. 50; Grzimek, DB 61,1077; Bittroff, Bank-Betrieb 62,13 f.
2 ZsdlOme
18
§ 1 Entstehung und Abwicklung des Lastschriftverfahrens
Andererseits sind - zum mindesten in der Entstehung - weitreichende Gemeinsamkeiten des Lastschriftverfahrens mit der einfachen überweisung feststellbar. Am auffälligsten tritt dies in Erscheinung bei der von W. O. Schade erörterten5 , offenbar in den zwanziger und dreißiger Jahren gelegentlich verwendeten Zahlungsform: dort stellte der Schuldner einen einfachen, an seine Bank gerichteten überweisungsauftrag aus; das Auftragsformular behändigte er jedoch seinem Gläubiger, der es dann bei Bedarf (Fälligkeit) seiner Bank zum Einzug von der Schuldnerbank einreichte. Allerdings ist hier eine neuerliche Funktionsübereinstimmung mit dem Rektascheck augenscheinlich. Da beim Lastschrifteinzug der Schuldner in irgendeiner Form und für einige Dauer seine Bank beauftragen muß, sein Konto auf die Anforderung eines Dritten hin zu belasten, vermittelt sich überdies die Assoziation zu einem Dauerauftrag, bei dem lediglich die Fälligkeitsüberwachung von der Schuldnerbank auf den Gläubiger verlagert wurde 6 • Eine gewisse Erklärung für eine solche Herleitung des Lastschriftverfahrens, das gelegentlich sogar als "Dauerauftrag" oder "Dauerabbuchungsverfahren" bezeichnet wurde, mag darin liegen, daß die Banken seinerzeit nicht selten die übernahme von "echten" Daueraufträgen (im heute verstandenen Sinn) ablehnten, weil sie die Verantwortung der Fälligkeitsüberwachung, insbesondere an den hektischen Termintagen, nicht übernehmen wollten7 • Bezeichnenderweise wurde denn auch anfänglich das Lastschriftverfahren gerade für das typische Verwendungsgebiet des eigentlichen Dauerauftrages, nämlich die "regelmäßig wiederkehrenden, gleichartigen Zahlungen" des Schuldners (wie Zinsen, Miete, Pacht), als die ideale Einzugsform propagiert8 • Die kurze Retrospektive zeigt, daß sich die Entstehung des Lastschriftverfahrens als Sonderform des Einzuges exakt nicht festlegen läßt. Es trägt Elemente sowohl des Wechsel- und Scheckeinzuges in sich als auch der einfachen überweisung und läßt sich daher mit Fug als ein "Mittelding" zwischen beiden bezeichnen9 • Diese ambivalente Herkunft des Lastschriftverfahrens kommt nicht zuletzt in seinen beiden früher gebräuchlichen Benennungen zum Ausdruck: entweder als ,,(reine) Einziehung" oder synonym als "rückläufige überweisung"lO. 5 6
7
aaO. S. 47. Vgl. W. O. Schoele, S. 49; O. Schoele, ZV 20, 155.
o. Schoele, ZuB 29, 77.
8 o. Schoele, ZuB 33, 285; ders. Zahlungsverkehr, S. 33; daß dem keineswegs so ist, s. u. § 3 I. 1.1. 9 So O. Schoele, ZuB 33, 285; auch Engel, S. 1. 10 s. etwa W. o. Schoele, S. 49; O. Schoele, ZV 20,153; ders., Zahlungsverkehr, S.30.
I. Anfänge und Weiterentwicklung
19
Als eine solche Mischform dürfte das Lastschriftverfahren in seinen Grundzügen von Anfang an neben den beiden anderen Zahlungsformen bzw. als Modifikation derselben bestanden haben. Nur allmählich und parallel zur allgemeinen, erst heute zu einem gewissen Abschluß gekommenen Spezialisierung der Zahlungstechniken, hat dann die Abgrenzung zwischen Überweisung, Wechsel und Scheck einerseits und Lastschrift andererseits eine feste Kontur gewonnen. Da das Lastschriftverfahren notwendig ein reines Giralverfahren ist - Schuldner und Gläubiger müssen ein Girokonto unterhalten - war seine Verbreitung, anders als beim Wechsel und auch mehr noch als beim Scheck und der Überweisung, streng verknüpft mit dem Ausbau des Gironetzes und der Unterhaltung von Girokonten durch breite Bevölkerungsschichten. Seine erste Ausprägung als eigenständige Zahlungsform dürfte es daher in Deutschland - etwa parallel mit der Ausweitung des Scheckverkehrs nach anglo-amerikanischem Muster (wenn auch zunächst nicht in demselben Umfange) - zu Beginn des 20. Jahrhunderts erfahren haben t1 . Mit Recht weist allerdings Otto Schoele darauf hin12 , daß bereits jede Belastung eines Kundenkontos mit Zinsen, Gebühren und Auslagen durch die kontoführende Stelle eine vereinfachte Form des Lastschrifteinzuges darstellt. Eine solche Einziehung dürfte es seit Einführung des Girokontos gegeben haben. Die erste in nennenswertem Umfange betriebene und systematisch zu Vereinfachungszwecken eingesetzte Verwendung des Lastschriftverfahrens erfolgte durch die Reichsbank im Verkehr mit den staatlichen Behörden untereinander. Jenes anscheinend schon vor der Jahrhundertwende praktizierte Verfahren ermöglichte es den nachgeordneten Staatsbehörden, bei der Reichsbank und ihren Außenstellen unter Benutzung besonderer Formulare die Überweisung von Buchgeld zu verlangen aus dem Guthaben, das von ihren vorgeschalteten Zentralbehörden bei der Reichsbank unterhalten wurde 13 • Mit anderen Kunden führte die Reichsbank solche rückläufigen Überweisungen jedoch nicht - auch später nicht - durch. Indessen wurde dieses Verfahren bereits vor dem ersten Weltkrieg recht zahlreich von anderen Behörden bzw. öffentlich-rechtlichen Unternehmen, nunmehr im Verkehr mit dem Publikum, kopiert. Vor allem Steuern sowie sonstige öffentliche Abgaben und Gebühren wurden jetzt vielfach auf diese Weise eingezogen. Insbesondere die öffentliche bzw. öffentlich-rechtlich beliehene Versorgungswirtschaft bediente sich dieses Verfahrens14 • Dieser vergleichsweise 11 Dazu O. Schoele, Zahlungsverkehr, S. 31; ders. ZV 20, 154; Baumbach! Lauterbach, WG u. ScheckG, Ein!. Scheckrecht, Rdz. 1 ff. 12 Zahlungsverkehr, S. 3l. 13 Dazu i. e. O. Schoele, Zahlungsverkehr, S. 47 f.; ders., ZuB 33, 286. 14 O. Schoele, ZuB 33, 286; ders. ZV 20,154; beispielhaft auch der Bericht
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§ 1 Entstehung und Abwicklung des Lastschriftverfahrens
raschen Annahme des Lastschriftverfahrens durch die öffentliche Hand in der Zeit bis 1914 steht eine nahezu völlige Verkennung des Verfahrens durch die Privatwirtschaft in derselben Zeit gegenüber. Möglicherweise hat die zivilrechtliche Ausgestaltung der Geldschuld als Bringschuld (durch § 270 Abs. 1 BGB) der Privatwirtschaft seinerzeit den Blick auf diese Form des Holausgleichs versperrt, während die öffentliche Hand eher gehalten war, sich die Möglichkeit der Einsparung der zur Abgabenerhebung vielfach ausgesandten Kassierer zu nutze zu machen15 •
2. Der Niedergang in den zwanziger Jahren Nach dem ersten Weltkrieg fehlte es nicht an engagierten Bemühungen, den Lastschriftverkehr zu erweitern und ihn insbesondere auch den privaten Kunden zugänglich zu machen. So führte die Post unter Nutzung der Postscheckleitwege das Abbuchungsverfahren ein. Dabei erteilte der Schuldner seiner kontoführenden Stelle den einmaligen Auftrag, die Abbuchungsanweisungen eines bestimmten Gläubigers zu befolgen. Dieser reichte dann auf die jeweiligen Forderungen gegen den Schuldner Lastschriften ein, um so den Zahlungsvorgang zu seinen Gunsten einzuleiten16 • Diese praktisch dem heutigen Abbuchungsauftragsverfahren (dazu i. e. unten H. 1) entsprechende Ausgestaltung war die damals allgemein übliche Form des Lastschrifteinzuges 17 • Die Post, die mit der Einführung dieses Verfahrens bereits vor dem Weltkrieg begonnen hatte, stellte es zunächst vor allem den öffentlichen Kassen zur Verfügung, dann aber auch größeren Privatbetrieben. Die Post hat das Verfahren bis in die Gegenwart nahezu unverändert beibehalten18 • Im Spargiroverkehr wurde die "gelbe Lastschriftkarte" eingeführt, die vor allem im internen Zahlungsverkehr zwischen den einzelnen Sparkassen Verwendung fand, aber etwa auch öffentlichen Versicherungsanstalten zur Verfügung gestellt wurde19 • sine nomine, ZV 21, 150, über das Einzugssystem der Allgemeinen Ortskrankenkasse Ulm. Auch die Post verwandte ein ähnliches Verfahren zum Einzug von Fernsprechgebühren und größeren Portozahlungen, O. Schoele, ZuB 33, 286. 15 Vgl. o. Schoele, ZV 20, 154; ders. ZuB 33, 286. 16 Vgl. i. e. den Beitrag sine nomine, ZV 22,63 f.; O. Schoele, ZuB 29, 79. 17 Vgl. W. O. Schoele, S. 49; O. Schoele, Zahlungsverkehr, S.30. 18 s. Fn. 16; ferner Engel, S. 4, 6; näheres bei Grzimek, Das Bankquittungsverfahren und verwandte Einzugsverfahren, S. 30 ff.; das Abbuchungsverfahren der Post wird in dieser Arbeit nicht gesondert behandelt. 19 Dazu o. Schoele, ZuB 33, 286.
I. Anfänge und Weiterentwicklung
21
Erwähnenswert ist auch die "Pionierarbeit" der Edeka-Genossenschaften20 , die den Lastschrifteinzug in den zwanziger Jahren im Verkehr mit der Genossenschaftskette angeschlossenen Einzelhändlern einführten. In Sachsen wurden in größerem Umfange Versicherungsprämien im Lastschriftwege eingezogen21 • Insgesamt jedoch erlitt das Lastschriftverfahren nach dem ersten Weltkrieg einen schweren Rückschlag. Mit der rasch fortschreitenden Geldentwertung verlor das Verfahren immer mehr seine Tauglichkeit als eine vertrauensgetragene rationelle Zahlungsweise. Der allgemeine Geldmangel bewirkte eine zunehmende Verwilderung der Zahlungssitten. Bankguthaben wurden sofort abgerufen, so daß selbst der Einzug von Kleinstbeträgen häufig mangels Deckung blockiert wurde. Dadurch wurde dem Einziehungsverfahren seine wesentlichste Funktionsgrundlage entzogen. Mit dem Ende der Inflationswirren war das Verfahren daher in der Öffentlichkeit nahezu in Vergessenheit geraten22 • Trotz der zahlreichen Neubelebungsversuche Otto Schoeles, der mit kluger Voraussicht bereits die grundsätzliche Bedeutung des Lastschriftverfahrens für den modernen Massengiroverkehr erfaßte und der mit großer Klarheit die vielfältigen technischen Vorzüge und umfassenden Rationalisierungsmöglichkeiten des Verfahrens erkannte und darzustellen wußte23 , trotz alldem erreichte die Lastschrift nicht einmal die Verbreitung, die sie schon vor dem ersten Weltkrieg gehabt hatte. Jener Verbreitungsgrad ist erst mit dem wirtschaftlichen Aufschwung in den fünfziger Jahren wieder erreicht worden und der Idealvorstellung Schoeles 24 kommt überhaupt erst die Entwicklung in der unmittelbaren Gegenwart nahe. Ungeachtet der besonderen Verhältnisse während der Weltwirtschaftskrise, ungeachtet auch der damaligen Veränderung des Steuereinzugssystems infolge des überganges der Steuerkassen auf die Reichsverwaltung, die einen erheblichen Rückgang des Einziehungsverfahrens bewirkte25 , macht jener Niedergang des Verfahrens doch eine bis heute gültige Problematik deutlich: das Lastschriftverfahren ist entscheidend Grzimek, DB 61, 1076 f. O. Schoele, Zahlungsverkehr, S. 31. 22 O. Schoele, ZuB 29, 78; ders. ZuB 33, 286. 23 Etwa in ZV 20, 153 ff., 184 ff.; ZuB 29, 77 ff.; ZuB 33, 285 ff.; Zahlungsverkehr, S. 30 ff. 24 Vgl. ZuB 33, 287, wo Schoele die Ansicht vertritt, daß die konsequente Ausweitung des Lastschriftverkehrs den baren Zahlungsverkehr eines Landes und damit andere Geldzeichen als Scheidemünzen nahezu entbehrlich machen könne. 25 O. Schoele, ZuB 33, 286. 20 21
22
§ 1 Entstehung und Abwicklung des Lastschriftverfahrens
von einem seriösen Zahlungsverhalten der Einzugsbeteiligten abhängig. Es beruht maßgeblich auf gegenseitigem Vertrauen, insbesondere zwischen Schuldner und Gläubiger. Denn seine Rationalisierungsvorteile entspringen der stillschweigenden Übereinkunft, daß positives Wissen (etwa von der Verität der durch den Gläubiger einzuziehenden Forderung und von der Bereitstellung des Einzugsbetrages durch den Schuldner) durch bloßes Vertrauen (auf eben diese Umstände) ersetzt wird. Gerade durch dieses Vertrauen werden die zur Erlangung der an sich erforderlichen Gewißheit ansonsten notwendigen überprüfungen und der damit verbundene Aufwand eingespart26 • Diese Problematik, die im Kern eine solche des Verfahrensmißbrauchs ist, hat Schoele in seiner Apotheose der rückläufigen überweisung verkannt. Bei der seinerzeit geringen Verbreitung des Lastschriftverfahrens und der Art der Beteiligten drängte sich diese Problematik zwar noch nicht auf, und es erscheint verständlich, wenn Schoele diese Frage kurz so beurteilte: "Ein solcher Mißbrauch (der Einziehungsermächtigung) ist ... bei der Art der Gläubiger (angesehene Banken, Behörden, Städtische Werke, große Tageszeitungen usw.) an sich ausgeschlossen,m. Allerdings mußte diese Einschätzung im Hinblick auf die von Schoele selbst propagierte Ausweitung des Lastschriftverkehrs schon damals fragwürdig erscheinen. Heute würde sie eine unzulässige Bagatellisierung der Problematik bedeuten; denn der Kreis der Beteiligten beschränkt sich schon seit langem nicht mehr auf die genannten Gläubigerkategorien. Im Gegenteil kann bereits die große Mehrzahl der Gläubiger nicht mehr jenen gleichsam mit "öffentlichem Glauben" versehenen Vertrauens kredit für sich in Anspruch nehmen. Den dadurch aufgeworfenen Problemen wird ein Hauptaugenmerk dieser Arbeit zu gelten haben. 3. Die Entwicklung im Ausland (Banktratte und Rechnungseinziehungsverfahren)
Im Gegensatz zu Deutschland, wo man bereits im Norddeutschen Bund die - später auf das Reichsgebiet ausgedehnte - Wechselbesteuerung einführte28, wurde im Ausland vielfach von einer solchen Steuer abgesehen. Während in Deutschland die Wechselsteuer eine Abwendung 28 Vgl. etwa Luhmann, Vertrauen, S. 23 ff., zur "Erfassung und Reduktion sozialer Komplexität durch Vertrauen"; sowie i. e. unten § 3 II 3.2.2.2, Text nach Fn. 141 ff. m. w. Nw. ebd. 27 ZuB 29,78; der erste Einschub in Klammern stammt vom Verf., der zweite von Schoele selbst; bezeichnend ist auch seine Beschränkung des Anwendungsbereiches auf "vertrauenswürdige Gläubiger", ebd. 28 Durch das Gesetz betreffend die Wechselstempelsteuer im Norddeutschen Bund vom 10. Juni 1869 (Bundesgesetzblatt S. 193); zur Entwicklung der Wechselsteuer i. e. Weinbach, Wechselsteuergesetz, § 1 Bem. 1 ff.
1. Anfänge und Weiterentwicklung
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von der Tratte - dem nichtakzeptierten Wechsel - hin zur eigenständigen Lastschrift begünstigte, konnte sich die Tratte in jenen Ländern ungehindert, weil unbesteuert, entfalten und wird dort auch heute noch uneingeschränkt als Zahlungsmittel benutzt29 • So hat die Tratte in den Niederlanden und Frankreich eine weite Verbreitung gefunden, wobei sich in Holland die Gewohnheit herausbildete, den Wechsel noch nicht bei seiner ersten Vorlegung zu bezahlen, sondern erst bei der zehn bis vierzehn Tage später erfolgenden zweiten Vorlegung 30 • Häufig wurden solche Tratten mit der Protesterlaß-Klausel versehen ("OhneKosten-Tratten"), wodurch sie de facto einer bloßen Quittung gleichkamen31 • Daraus entwickelte sich dann der Gebrauch, den Banken auch echte Quittungen zum Einzug anzudienen, ein Verfahren, daß sich später zeitweilig auch in der Bundesrepublik Deutschland etablieren sollte. Als in den dreißiger Jahren das Lastschriftverfahren in Deutschland an Bedeutung verloren hatte, waren Bestrebungen im Gange, zum Zwecke der Kreditschöpfung das Trattensystem für den deutschen Warenhandel einzuführen; diesen Bemühungen war jedoch ein durchschlagender Erfolg nicht beschieden32 • In einer Reihe von Staatshandelsländern, vor allem auch in der DDR, wurde nach sowjetischem Muster das sog. "Rechnungseinziehungsverfahren" eingeführt33 • Bei diesem Verfahren dient die vom Gläubiger auf den Schuldner ausgestellte Rechnung als Einzugspapier. Zum Fälligkeitstermin übergibt der Gläubiger seiner Hausbank die Rechnung zur Einziehung, wobei er unter bestimmten Voraussetzungen auf den Einzugsbetrag Kredit erhalten kann34 • Die Gläubigerbank leitet die Rechnung an die Hausbank des Schuldners weiter. In bestimmten, vorgeschriebenen Fällen legt diese die Rechnung dem Schuldner zum (offenen) Akzept vor; nach dessen Erteilung wird der Rechnungsbetrag vom Konto des Schuldners abgebucht. In den übrigen Fällen wird das Akzept nach Ablauf einer Frist von vier Werktagen unwiderleglich als sog. stilles Akzept vermutet, wenn nicht der Schuldner binnen der genannten Frist gegen die Abbuchung Einspruch erhebt. Ein solcher 29 Bittroff, Bank-Betrieb 62,13,14; Grzimek, DB 61,1077; W. O. Schoele, S.50. 30 Zum Tratteneinzug i. e. Büsch, ZuB 33, 173 ff.; Sybrandy, ZuB 28, 230 ff.; de Jong, ZuB 30, 161 ff. 31 Sybrandy, ZuB 28, 231; Büsch, ZuB 33, 174. 32 Vgl. Büsch, ZuB 33,173 ff.; Heuer, ZuB 34, 93 f., der darauf hinweist, daß gegen alles, was mit einem "Wechsel" zu tun habe, eine gewisse Animosität seitens großer Teile der Bevölkerung bestünde; das dürfte auch heute noch zutreffen. 33 Engel, S. 4 f.; Rüdiger, NJ 53, 677; Vielmetter, Bank-Betrieb 62,19. 34 Dazu i. e. Rüdiger, NJ 53, 680.
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§ 1 Entstehung und Abwicklung des Lastschriftverfahrens
Einspruch muß allerdings begründet werden, wobei nur bestimmte, in einer Verordnung festgelegte Einspruchsgründe als zulässig anerkannt werden35 • Die Teilnahme am Rechnungseinziehungsverfahren ist für weite Bereiche zwingend vorgeschrieben, so i. d. R. für alle gewerblichen Forderungen auf Warenlieferungen und Dienstleistungen von mehr als 500,- DM36. Dieses Verfahren ist infolge des mit der Kreditierung des Gläubigers und der Akzeptierung durch den Schuldner verbundenen Aufwandes teurer als die einfache überweisung37 • Wenn es gleichwohl staatlicherseits verordnet wird, so deshalb, weil dieses von der Notenbank beaufsichtigte Verfahren ein Instrument der staatlichen Wirtschaftslenkung darstellt, das eine exakte Kontrolle und zentrale Steuerung des Buchgeldumlaufs ebenso gestattet wie eine Unterbindung der unerwünschten, weil inflationsfördernden kommerziellen Kredite 38 • Allerdings ist man in den sechzig er Jahren zu einer Vereinfachung und Verbilligung des Rechnungseinziehungsverfahrens übergegangen, indem man - nach dem Muster des in der Bundesrepublik Deutschland gebräuchlichen Lastschriftverfahrens - bestimmten Gläubigern39 den Rechnungsbetrag sofort gutbringt (vorbehaltlich der endgültigen Abbuchung) und ihn beim Schuldner ohne vorheriges Akzept abbucht. Der Schuldner kann allerdings - ähnlich der Widerspruchsmöglichkeit im heutigen Einzugsermächtigungsverfahren in der Bundesrepublik - eine solche Abbuchung mittels eines Rückverrechnungsauftrages stornieren lassen. 4. Die Entwicklung und Durchsetzung in der BRD (Bank quittungs- und Lastschriftverfahren) Die Entwicklung des Lastschriftverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland ist durch eine rasche Aufwärtsbewegung gekennzeichnet und seit den sechziger Jahren durch "einen wahren Siegeszug unter den Medien unbarer Zahlung"40. Die anfängliche, nachkriegsbedingte Kapitalarmut einerseits und andererseits die mit dem beginnenden wirtschaftlichen Wiederaufschwung zunehmenden Rationalisierungszwänge bewirkten, daß sich zunächst eine Reihe von öffentlichen und privaten Großunternehmen mit einem umfangreichen Kreis zahlungs35 i. e. Rüdiger, NJ 53, 680; zum Rechnungseinziehungsverfahren s. ferner Vielmetter, Bank-Betrieb 62,28 ff. m. w. Nw.; Kaiser, NJ 54, 239, 240 ff.; Graf, NJ 54, 331, 334 f. 36 i. e. Rüdiger, NJ 53,678; Vielmetter, Bank-Betrieb 62,29. 37 Vgl. die Angaben bei Vielmetter, aaO. S.29. 38 Rüdiger, NJ 53, 677. 39 Nämlich den Volkseigenen Betrieben, Konsumgenossenschaften und Haushaltsorganisationen, also den augenscheinlich seriösesten Gläubigern! i. e. Vielmetter, Bank-Betrieb 62, 29. 40 So Reyher - Sperl, S. 5.
I. Anfänge und Weiterentwicklung
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pflichtiger Dauerkunden des Lastschrifteinzuges bediente41 • Vor allem handelte es sich dabei um Unternehmen der Versorgungs- und Versicherungswirtschaft sowie zunehmend auch der Mineralölindustrie, der Markenartikelindustrie verschiedenster Branchen und der zu Einkaufsgenossenschaften zusammengeschlossenen Einzelhändler (Edeka, Rewe)42. Anfangs dominierte noch das sog. Bankquittungsverfahren, bei dem die Gläubiger Rechnungen oder Quittungen über die zugrundeliegenden Forderungen zum Einzug andienten. Der Rechnungs- bzw. Quittungsbetrag wurde ihnen zumeist sofort gutgebracht unter Vorbehalt des Einganges und entsprechend späterer WertsteIlung. Die Gläubigerbanken hatten die Rechnungen/Quittungen bis zu dem darauf vermerkten Fälligkeitstermin zu verwahren und sodann an die Schuldnerbank zur Abbuchung beim Schuldner weiterzuleiten. Dagegen wurde die ebenfalls schon gebräuchliche Lastschriftkarte (im heute verstandenen Sinn) erst bei Fälligkeit der Forderung eingereicht und sofort von der Gläubigerbank weitergeleitet43 . Von der Kundenseite wurde das Bankquittungsverfahren bevorzugt und als die ideale Einzugsform propagiertU , insbesondere auf Grund der damit verbundenen Möglichkeiten zusätzlicher Kreditschöpfung und der individuellen Anpassung des Verfahrens an die innerbetrieblichen Gegebenheiten des Gläubigers infolge der Formfreiheit bei der Ausgestaltung der Quittungsvordrucke. Gegen diese - durchaus einseitige - Betrachtungsweise wurde aus Bankkreisen energisch Stellung bezogen. Mit Recht wurde insbesondere darauf hingewiesen, daß die Fälligkeitsüberwachung durch die Banken unverhältnismäßig aufwendig sei und daß eine Vielheit von Quittungsoder Lastschriftvordrucken - auf die jeweiligen Bedürfnisse des Gläubigers abgestellt - die eigene, dringend erforderliche Rationalisierung der Bearbeitung durch die Kreditinstitute nahezu unmöglich mache 45 , ganz abgesehen von der damit verbundenen Vervielfältigung der Fehlerquellen bei der manuellen Bearbeitung, Übermittlung und 41 Grzimek, DB 61,1073; Fallscheer-Schlegel, S.3; hierzu u. zum folgenden auch Engel, S. 6 f. 42 Grzimek, DB 61,1076 f.; Engel, S.6; vgl. auch die Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Juni 1966, S.24; ferner die zahlreichen Beispiele (allerdings noch für das Bankquittungsinkasso) bei Grzimek, Bankquittungsverfahren, S. 119 ff., 131 ff. 43 Zum Unterschied zwischen Bankquittung und Lastschriftkarte vgI. auch Grzimek, DB 61,1073; sowie ausführlich ders., Bankquittungsverfahren und verwandte Einzugsverfahren, S. 11 ff., 27, 33 ff. 44 Besonders Grzimek, DB 61, 1073 und passim; ders., Bankquittungsverfahren, S. 11 ff. passim, 99 ff., 103; zu weiteren Veröffentlichungen desselben Autors vgI. die Nw. bei Bittroff, Bank-Betrieb 62, 13 Fn. 1. 45 So insbesondere Kessler, DB 61, 1399 ff.; und Bittroff, Bank-Betrieb 62, 13 ff.
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Buchung der unterschiedlichen Vordrucke. Unter dem verstärkten Druck des Kreditgewerbes wurde daher die umständlichere Bankquittung nach und nach durch die Lastschriftkarte abgelöst. Diese Entwicklung beschleunigte sich durch die ständigen Bemühungen der Banken um eine Vereinheitlichung der Technik des Lastschriftverfahrens und der Ausgestaltung der Lastschriftvordrucke. Jene Bestrebungen erreichten ihr Ziel mit dem zwischen den Spitzenverbänden des Kreditgewerbes geschlossenen .,Abkommen über den Lastschriftverkehr" (0. Fn. 1), welches am 1. Januar 1964 in Kraft trat. Dadurch wurde ein verbindlicher Verfahrensstandard eingeführt, auf den nunmehr die Kunden langfristig ihre Rationalisierungsmaßnahmen einrichten konnten46 , was letztlich den bereits erwähnten beispiellosen Aufschwung des Lastschriftverfahrens erlaubte. Die Bankquittung ist durch diese Entwicklung nahezu vollständig aus dem Einzugsverkehr eliminiert worden. Jener Aufschwung bewirkte darüber hinaus zwangsläufig eine erhebliche relative Verdrängung der beiden anderen Zahlungsmittel, dem Scheck und der überweisung. So lagen in den letzten Jahren die Zuwachsraten des Lastschriftverkehrs sowohl nach dem Umsatz wie der Postenzahl um ein Mehrfaches über den Steigerungsquoten des überweisungs- und des Scheckverkehrs. Im Jahre 1976 lag der Anteil des Lastschrifteinzuges an den unbaren Verfügungen innerhalb der Sparkassenorganisation bei 28 %, während der Anteil des Scheckeinzuges nur noch 13 % ausmachte und sich die Zahl der überweisungen - noch dominierend, aber weiter rückläufig auf 59 % belief. In absoluten Zahlen ausgedrückt: allein die Sparkasseninstitute nahmen als Inkassostellen 455 Millionen Lastschriften über 136 Milliarden Mark zum Einzug an, während sie in Zahlstellenfunktion 502 Millionen Lastschriften über 166 Milliarden Mark einlösten47 • Nach einer Auskunft des Bundesverbandes deutscher Banken e. V., Köln, beläuft sich der Anteil der Lastschrift am Gesamtvolumen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs auf derzeit ca. 25 %48. Dieser Entwicklung konnte sich auch die Bundesbank nicht verschließen. Anfangs zwar nahm sie gegenüber dem Lastschriftverfahren eine skeptische Haltung ein in der Befürchtung einer möglichen Gefährdung der Zahlungspflichtigen (sie!). Den bereits im Sommer 1959 von den Spitzenverbänden des Kreditgewerbes unterbreiteten Vorschlag, das vereinfachte Scheckeinzugsverfahren der Bundesbank gleichermaßen für die Lastschrift zu verwenden, lehnte sie ab 49 • Auch als daraufhin Dazu Reyher - Sperl, S. 5 ff., sowie u. H. Alle vorstehenden Angaben laut Reyher - Sperl, S. 5. 48 Es handelt sich hierbei um eine geschätzte Angabe des Verbandes vom Mai 1978. 49 Vgl. Grzimek, Bankquittungsverfahren, S. 39 f.; Fallscheer-Schlegel, S.4. 48
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die Spitzenverbände selbst die Initiative ergriffen und - um wenigstens ein Minimum an Vereinheitlichung und Vereinfachung zu erreichen - das Lastschriftabkommen in Kraft setzten, bewahrte die Bundesbank zunächst noch ihre abwartende Haltung und gestattete den Landeszentralbanken nicht die Teilnahme am Lastschriftverkehr. Erst angesichts der ständig weiter wachsenden Verwendung der Lastschrift stellte sie schließlich ab 1. Juli 1966 das vereinfachte Scheckeinzugsverfahren für den Lastschrifteinzug zur Verfügung und eröffnete damit die über die Landeszentralbanken führenden Leitwege5o • Mit diesem Schritt hatte sich die Lastschrift endgültig als prinzipiell gleichwertiges Zahlungsinstrument neben dem Scheck und der Überweisung etabliert.
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s. die Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Juni 1966, S.24.
11. Das Lastschriftverfahren der Gegenwart 1. Seine Ausgestaltung durch das Lastschriftabkommen von 1964 Das Lastschriftverfahren in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung beruht auf dem bereits erwähnten "Abkommen über den Lastschriftverkehr"1, das am 1. Januar 1964 in Kraft trat. Das Lastschriftabkommen wurde im Dezember 1963 zwischen den Spitzenverbänden des Kreditgewerbes namens der ihnen angeschlossenen Mitglieder vereinbart. Bei den Spitzenverbänden handelte es sich um den Bundesverband des privaten Bankgewerbes (E. V.), den Deutschen Genossenschaftsverband (Schulze-Delitzsch) e. V., den Deutschen Raiffeisenverband e. V., den Deutschen Sparkassen- und Giroverband e. V. und den Verband öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten e. V. Das Lastschriftabkommen gilt daher nahezu allgemein und einheitlich für den gesamten bundesdeutschen Giroverkehr2 • Mit diesem Abkommen, das seit seinem Inkrafttreten praktisch unverändert3 gilt, gelangte die Entwicklung des Einziehungsverfahrens zu ihrem Abschluß. Auf Grund des Abkommens sind heute zwei Formen des Lastschrifteinzuges zu unterscheiden: das Abbuchungsauftragsverfahren und das Einzugsermächtigungsverfahren. Bei dem erstgenannten Verfahren ist erforderlich, daß der Schuldner (Zahlungspflichtige) seiner Hausbank (der Zahlstelle) einen Abbuchungsauftrag erteilt zugunsten eines bestimmten, namentlich genannten Gläubigers (Zahlungsempfänger). Der Auftrag kann der Höhe nach limitiert werden. Die Zahlstelle hat daraufhin die von dem genannten Gläubiger über dessen Hausbank (der Inkassostelle) eingereichten Lastschriften durch Abbuchung vom Konto des Schuldners einzulösen, soweit der erhobene Betrag nicht die evens. o. I. Fn. 1. Eine detaillierte Auflistung derjenigen Kreditinstitute, die keinem der genannten Spitzenverbände angehören, dem Abkommen aber nachträglich beigetreten sind, findet sich - ebenso wie eine Liste der nicht assoziierten Kreditinstitute - bei Kessler, Der Lastschrift-Einzugsverkehr, S. 7 f., 54 f.; vgl. ferner Reyher - Sperl, S. 8. 3 Geändert wurde soweit ersichtlich - nur die sogleich zu erwähnende Widerspruchsfrist, die von ursprünglich drei Monaten mit Wirkung vom 1. Febr. 1966 auf sechs Wochen verkürzt wurde, Kessler, aaO. S. 44; des weiteren erfolgte im Bereich der Bundesbank eine Angleichung der Bestimmungen über die Rückgabe nichtbezahlter Lastschriften an diejenigen über Rückschecks, vgl. Reyher - Sperl, S. 8. 1
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H. Das Lastschriftverfahren der Gegenwart
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tuell in dem Abbuchungsauftrag gesetzte Einzugsgrenze überschreitet. Ist die Abbuchung einmal erfolgt, so kann diese nicht vom Schuldner rückgängig gemacht werden. War sie aus irgendeinem Grunde fehlerhaft, muß demnach eine etwa erforderliche Rückabwicklung zwischen Schuldner und Gläubiger unmittelbar erfolgen. Im Einzugsermächtigungsverfahren braucht dagegen der Schuldner seiner Bank keinen ausdrücklichen Abbuchungsauftrag zu erteilen. Vielmehr hat er seinem Gläubiger eine schriftliche Einzugsermächtigung zu erteilen4 • Der Gläubiger hat in diesem Verfahren einen besonderen Lastschriftvordruck zu verwenden mit dem Aufdruck "Einzugsermächtigung des Zahlungspflichtigen liegt dem Zahlungsempfänger vor"5. Solche Lastschriften wird die Zahlstelle ohne weiteres, insbesondere ohne Rückfragen beim Schuldner einlösen. Im Gegensatz zum Abbuchungsauftragsverfahren hat der Schuldner hier jedoch die Möglichkeit, gegen eine Lastschrift Widerspruch zu erheben. Erfolgt der Widerspruch binnen sechs Wochen nach der Abbuchung, so ist die InkassosteIle verpflichtet, die Lastschrift von der Schuldnerbank zurückzunehmen und den Einzugsbetrag wieder zu vergüten (Abschn.II1 Zif.l, 2 des Lastschriftabkommens6 ). Ebenfalls anders als im Abbuchungsauftragsverfahren hat die InkassosteIle darüber hinaus der Zahlstelle für jeden Schaden zu haften, der dieser durch unberechtigt ausgestellte Lastschriften entsteht (Abschn. I Ziff. 4). Gemeinsam ist beiden Verfahrensarten, daß der Gläubiger notwendig einer ausdrücklichen Zulassung zum Lastschriftverkehr durch seine Hausbank bedarf. Dieser Zulassung geht regelmäßig eine Prüfung der Seriosität und der Bonität des Gläubigers voraus. Die Zulassung erfolgt dann in Form der sog. Inkassovereinbarung, in der die Einzugsdetails, wie Gebühren, WertsteIlungsfristen, Benutzung bestimmter Vordrucke u. a. geregelt werden. Insbesondere behält sich die InkassosteIle das Recht vor, die Vorlage der schriftlichen Einzugsermächtigung zu verlangen sowie Gutschriften zu stornieren, die auf späterhin (mangels Zahlung oder infolge Widerspruches) zurückgegebenen Lastschriften beruhen7 • Wesentlich - vor allem im Hinblick auf die Rationalisierung des Inkassoablaufs - ist beiden Verfahrensarten, daß Lastschriften nur zum Einzug gegeben werden können über Forderungen, die bereits fällig sind und für deren Geltendmachung es nicht der Vorlage 4 Muster einer solchen Einzugsermächtigung wie auch eines Abbuchungsauftrages finden sich bei Engel, S. 77, 76; Reyher - Sperl, S.84, 86; FallscheerSchlegel, S. 74, 73; Schütz, Formularbuch, S. 366 f. 5 Lastschriftvordrucke sind abgebildet bei Engel, S.73; Kessler, S. 56 f.; Fallscheer-Schlegel, S. 70; Schütz, S. 367 f. S Abgedruckt wie oben 1. Fn. 1 angegeben. 7 Vgl. die Musterinkassovereinbarungen bei Engel, S. 74 f.; Kessler, S. 63 ff.; Reyher - Sperl, S.83, 85; Fallscheer-Schlegel, S. 71 f.; Schütz, S.366.
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§ 1 Entstehung und Abwicklung des Lastschriftverfahrens
von Urkunden bedarf (Absehn. I Zij.2 des Lastschrijtabkommens). Dadurch wird die Überwachung von Fälligkeitsterminen und die Verwahrung einzugsbegleitender Urkunden aus dem Lastschriftverkehr verbannt. Der zu erhebende Betrag wird dem Gläubiger sofort bei Einreichung der Lastschrift unter Vorbehalt des Einganges und in der Regel mit einem festen Wertstellungstermin gutgeschrieben. 2. Die Bedeutung des Lastschriftverfahrens Die Bedeutung und der Wert des Lastschrifteinzuges im heutigen Wirtschaftsleben ist unter verschiedenen Aspekten zu beurteilen. 2.1 Bedeutung für die Gesamtwirtschaft
Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Verfahrens spiegelt sich bereits in seiner Verbreitung, die durch die oben unter 1. 4 wiedergebenen Zahlen veranschaulicht wurde. Angedeutet wurden dort auch die positiven Auswirkungen des Lastschrifteinzuges auf eine gegebene Kapitalknappheit: die termingerechte Einleitung des Zahlungsvorganges durch den Gläubiger bewirkt eine Verringerung seiner Außenstände, verbessert seine Liquidität und führt zu einer allgemeinen Beschleunigung des Geldumlaufs, wodurch eine intensivere Ausnutzung des eingesetzten Kapitals ermöglicht wird 8 • Der volkswirtschaftlich wünschenswerte zügige Austausch von Warenlieferungen und Werkleistungen einerseits und Gegenleistungen andererseits wird auf diese Weise optimiert9 • Damit im Zusammenhang steht eine begrüßenswerte Verbesserung der Zahlungsmoral der Schuldner, denen infolge pünktlicher Abbuchung die Möglichkeit genommen wird, sich durch systematisch betriebene Zahlungsverzögerungen sogenannte kommerzielle Kredite zu verschaffen. Hierdurch wird ein beträchtliches Inflationsstimulans abgebaut1o • Gesamtwirtschaftlich zu begrüßen ist darüber hinaus der auf den Schuldner ausgeübte Rationalisierungszwang: auf Grund der im Lastschrifteinzug erfolgenden prompten Inanspruchnahme hat er auf seinem Konto stets genügend Geld bereitzuhalten, wenn er kreditschädigende Rückgaben von Lastschriften mangels Deckung vermeiden will. Dadurch wird er zugleich zu einer besseren Ordnung seines eigenen Lager- und Bestellwesens angehalten, um insbesondere einer unwirtschaftlichen Aufblähung seiner Warenbestände entgegenzuwirkenl1 . 8 Grzimek, DB 61,1073; ders., Das Bankquittungsverfahren, S.132; Fallscheer-Schlegel, S. 3; Bittroff, Bank-Betrieb 62,18. 9 Grzimek, Bankquittungsverfahren, S. 132. 10 Grzimek, DB 61, 1076; Bittroff, Bank-Betrieb 62,15; Rüdiger, NJ 53, 677.
II. Das Lastschriftverfahren der Gegenwart
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Der Lastschrifteinzug ermöglicht dem Gläubiger die Einsparung kompletter Arbeitsgänge (dazu sogleich unter 2.2), enthebt den Schuldner der Fälligkeitsüberwachung und des Ausstellens von überweisungsformularen und läßt darüber hinaus eine bankseitige Optimierung des Inkassos zu. Die Lastschrift ist somit die volkswirtschaftlich günstigste Form unbarer Massenzahlung, wenn nicht sogar die "vollkommenste Form der Zahlung" schlechthin12 • Jedenfalls lassen sich auch kleinere Beträge auf diese Weise noch in wirtschaftlich vertretbaren Kostenrelationen einziehen. Von daher dürfte die Lastschrift das theoretisch bestgeeignetste Instrument für die Einführung eines umfassenden Girozahlungssystems sein13 • Der hierzu notwendigen Weiterverbreitung des Lastschrifteinzuges dürfte besonders ein wesentliches Charakteristikum förderlich sein: daß nämlich den Hauptnutznießern und -befürwortern des Verfahrens, dem Gläubiger und der InkassosteIle, die Hauptarbeit des Einzuges obliegt14 • 2.2 Bedeutung für den Gläubiger (Zahlungsempfänger)
Der Gläubiger gewinnt in der Tat die meisten Vorteile aus dem Lastschrifteinzug 15 • Dies gilt verstärkt für Unternehmen mit einem großen Kreis zahlungspflichtiger Kunden. Der Gläubiger reicht über alle Außenstände desselben Fälligkeitstermins die Lastschriften gesammelt ein und erhält die Gesamtsumme sofort auf ein und demselben Konto gutgeschrieben. Daher kann er über sämtliche Außenstände regelmäßig sofort verfügen, vom Datum der WertsteIlung an sogar ohne dafür Zinsen entrichten zu müssen. Dieser schlagartige Abbau seiner Außenstände enthebt ihn der Notwendigkeit, diese auf kostspielige Weise durch Aufnahme von Kontokorrentkrediten zwischenfinanzieren zu müssen, führt also zu einer erheblichen Verbesserung seiner Liquidität wie seiner wirtschaftlichen Dispositionsfähigkeit insgesamt. Zudem eröffnet die sofortige Gutschrift dem Gläubiger bis zum WertsteIlungstermin eine Kreditreserve, die zwar nicht mehr dieselbe Bedeutung hat wie beim früheren Quittungsinkasso (vgl. o. I. 4), aber immer noch erheblich sein dürfte16 • Im Gegensatz zu der einfachen überweisung, wo der 11 So Grzimek, DB 61, 1076, der von einer finanziell besseren Situation der den Handelsketten (Edeka, Rewe, SPAR) angeschlossenen Einzelhändler berichtet und dies "nicht zuletzt" auf das Einziehungsverfahren zurückführt (aaO.); ders. Bankquittungsverfahren, S. 118; ferner Engel, S. 7 f. 12 So O. Schoele, ZuB 29, 77. 13 O. Schoele, ZuB 33, 287. 14 Grzimek, Bankquittungsverfahren, S. 132; ders., DB 61,1077; O. Schoele, ZuB 33, 286. 15 Eingehend dazu auch Engel, S. B ff.; Kessler, Der Lastschrift-Einzugsverkehr, S.6; Liesecke, WM 75, 301; sowie insbes. Grzimek, Bankquittungsverfahren, S. 99 ff., 132. 16 Grzimek, Bankquittungsverfahren, S. 101; ders., DB 61,1074; zu den da-
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§ 1 Entstehung und Abwicklung des Lastschriftverfahrens
Gläubiger auf die Zahlungsbewirkung keinen Einfluß hat, wo die Zahlungseingänge vereinzelt nach und nach erfolgen und überdies häufig verspätet sowie auf den verschiedenen vom Gläubiger unterhaltenen Konten eintreffen, im Gegensatz hierzu also wird der Zahlungsvorgang "zeitlich und örtlich völlig transparent"17 und ein erheblicher Teil der Zahlungsüberwachung entfällt. In der Folge davon entfällt ein beträchtlicher Teil der ansonsten erforderlichen Mahnarbeit, da erfahrungsgemäß Zahlungsverzögerungen der Schuldner weniger auf deren Insolvenz denn auf arbeitsmäßiger überlastung und bloßen Versehen beruhen18. Von außerordentlicher Bedeutung ist der Lastschrifteinzug darüber hinaus für die Buchhaltung des Gläubigers. Er kann infolge der sofortigen Gutschrift der Summe aller Einzugsbeträge zunächst sämtliche Außenstände als bezahlt buchen. Das macht die Unterhaltung gesonderter Debitorenkonten für die einzelnen Forderungen entbehrlich. Statt dessen kann sich der Gläubiger einer "OffenePosten-Buchführung" bedienen. Er braucht nur noch in jenen Ausnahmefällen19 , in denen er mangels Bezahlung einer Lastschrift oder infolge ihrer Rückgabe wegen Widerspruches mit einem Einzelposten rückbelastet wird, Sonderdebitorenkonten anzulegen, um diese Posten weiterzuverfolgen20 • Endlich ermöglicht der Lastschrifteinzug den weitestgehenden Einsatz moderner Datenverarbeitungsanlagen bis hin zum beleglosen Lastschrifteinzug im einheitlichen Datenträgeraustauschverfahren 21 . Infolge des dadurch bedingten Rückganges manueller Bearbeitung konnten vor allem Großbetriebe erhebliche Personaleinsparungen verzeichnen, indem die Rechnungs- und Mahnabteilungen beträchtlich verkleinert, wenn nicht gar aufgelöst werden konnten. Wenn für den Gläubiger bei diesem Verfahren überhaupt ein Nachteil zu nennen wäre, so der, daß er im Einzugsermächtigungsverfahren binnen der Sechs-Wochen-Frist auf Grund eines Widerspruches des mit verbundenen Buchführungs- und Bilanzproblemen vgl. Däss, DB 62, 280; kritisch dazu aus der Perspektive der Banken: Bittroff, Bank-Betrieb 62,16. 17 Grzimek, Bankquittungsverfahren, S. 101; ders. DB 61, 1075. 18 Grzimek, DB 61,1076; Engel, S. 8 m. w. Nw. 19 Block, VW 62, 861 gibt für den Bereich der Versicherungswirtschaft den Umfang der Rückbelastungen mit 0,8 - 1,2 Ofo an; nach einer Auskunft des Bundesverbandes deutscher Banken vom Mai 1978 beläuft sich der Prozentsatz der wegen Widerspruchs zurückgegebenen Lastschriften auf etwa 10100; ähnlich Kessler, S.44: "außerordentlich geringe Anzahl von Lastschriftrückgaben wegen Widerspruches". 20 i. e. Grzimek, Bankquittungsverfahren, S. 97 ff., mit detaillierten Angaben über die betriebswirtschaftlichen Einsparungen; ders., DB 61,1073 ff.; Engel, S.9; O. Schoele, ZuB 33, 286; Bittroff, Bank-Betrieb 62, 15; Vgl. aber auch Winterberg, BB 77, 1627 f. 21 i. e. Reyher - Sperl, S. 7 f.; Engel, S. 9 f.; instruktiv im Hinblick auf den technischen Nutzen des Verfahrens aus der Sicht der Versicherungswirtschaft sind die Darstellungen von Block, ZKW 63, 761 f. sowie o. Fn. 19.
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Schuldners zurückbelastet werden kann, ungeachtet der materiellen Berechtigung des Widerspruches. Das kann zu Schwierigkeiten führen, wenn der Gläubiger zwischenzeitlich über den rückbelasteten Betrag verfügt hat22 • Letztlich steht aber eine solche Rückbelastung dem Nichterhalt der Zahlung, also dem allgemeinen Gegenleistungsrisiko des Gläubigers praktisch gleich. 2.3 Bedeutung für den Schuldner (Zahlungspflichtigen)
Wesentlich bescheidener nehmen sich demgegenüber die Vorteile des Schuldners aus. Vor allem wird ihm durch den Lastschrifteinzug die Arbeit der Fälligkeitsüberwachung und des Ausstellens von Scheckund Überweisungsformularen abgenommen. Zugleich werden ihm dadurch alle mit einer pünktlichen Zahlung verbundenen Vorteile, wie etwa Skonto abzüge, gesichert. Gebührenbelastungen, wie sie in den beiden anderen Zahlungsverfahren anfallen, entstehen dem Schuldner nicht. Von mittelbarem Vorteil ist ferner der bereits erwähnte (0.2.1 vor Fn. 11), durch den Lastschrifteinzug bewirkte Zwang zu besserer Ordnung seines Finanz- und Bestellwesens23 • Diese Vorteile sind für sich genommen beträchtlich und bei einem störungsfrei verlaufenden Vertragsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner zweifellos erstrebenswert. Immerhin sind damit ernstzunehmende Nachteile für den Schuldner verbunden. Von größter Bedeutung ist die Tatsache, daß der Schuldner im Lastschriftverkehr einem Dritten die Möglichkeit der Disposition über sein Kontoguthaben einräumt. Nahezu entsprechend schränkt sich der eigene Dispositionsspielraum des Schuldners ein. Die freie Bestimmung des genauen Zahlungstermins ist ihm entzogen. Damit verliert er die Chance, sich durch eine - regelmäßig sanktionslose - Überschreitung des Zahlungszieles kurzfristig Kredit zu verschaffen, um etwa ein besonders günstiges Angebot eines anderen Lieferanten auszunutzen oder auch nur um die Aufnahme eines Kontokorrentkredites zu vermeiden. Statt dessen hat der Schuldner jetzt wesentlich höhere "Bodensatzbeträge" auf seinem Konto vorzuhalten, um die Inanspruchnahme te ur er Überziehungskredite zu vermeiden und um überhaupt die Einlösung der Lastschriften sicherzustellen; denn die Rückgabe von Lastschriften "mangels Deckung" kann seinem geschäftlichen Ruf erheblichen Schaden zufügen. Die Liquidität des Schuldners wird auf diese Weise merklich eingeschränkt, was bei saisonbedingten SchwanVgl. Franke, DB 73, 1056. Zu den Vorteilen für den Schuldner vgl. ferner Engel, S.10; Bittroff, Bank-Betrieb 62,15; Grzimek, Bankquittungsverfahren, S.118; ders. DB 61, 1076. 22
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3 Zsdiodie
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§ 1 Entstehung und Abwicklung des Lastschriftverfahrens
kungen Zahlungsschwierigkeiten auslösen kann24 • überdies wird dem Schuldner das ansonsten in einer Zahlungszurückhaltung liegende Druckmittel gegenüber dem Gläubiger aus der Hand genommen; sogar ein rechtmäßiges Zurückbehaltungsrecht kann in Folge des Lastschrifteinzuges praktisch wirkungslos werden; letztlich kann dadurch im Streitfall das Prozeßrisiko vom Gläubiger auf den Schuldner verlagert werden. Außer diesen Nachteilen besteht für den Schuldner insbesondere die Gefahr eines Mißbrauchs des Lastschrifteinzuges. Diese Gefahr droht nicht nur von Seiten eines unredlichen Vertragspartners des Schuldners, sondern auch von Dritten. In der Massenhaftigkeit des Einzugsverkehrs kann ein einmal zum Lastschriftverfahren zugelassener Zahlungsempfänger leicht Abbuchungen aus dem Guthaben eines angeblich Zahlungspflichtigen bewirken25 • Wird durch eine solche mißbräuchliche Lastschrift das Konto des Schuldners leergebucht bzw. sein Kreditrahmen ausgeschöpft, so kann eine dadurch bedingte Sperrung des Kontos für weitere (rechtmäßige) Belastungen unabsehbare Folgen zeitigen, von einer Schädigung des geschäftlichen Ansehens über Eintragungen in der Wechselprotestliste bis zur Störung guter Geschäftsbeziehungen, Verzugszinsen, Vertragsstrafen u. s. f.26. Ungeachtet der Möglichkeiten einer Steuerung des Mißbrauchs wie des Ersatzes entstandener Schäden, die einen Hauptgegenstand dieser Arbeit bilden werden27 , sei bereits hier festgestellt, daß sich jene Risiken des Schuldners nicht total ausschalten lassen. Insgesamt dürften sich daher die Vor- und Nachteile des Lastschrifteinzuges beim Schuldner nur die Waage halten. 2.4 Bedeutung für die Gläubigerbank (InkassosteIle)
Dagegen ist die Bank des Gläubigers wiederum ein entschiedener Nutznießer des Verfahrens. Schon die uno actu erfolgende Gesamtgutschrift aller von dem Gläubiger zu erhebenden Außenstände bewirkt eine umfassende Arbeitserleichterung: die zahllosen Einzelbuchungen, die erforderlich wären, um die von den Schuldnern individuell ausgelösten überweisungsvorgänge zu erfassen, entfallen. Durch Vereinbarung mit ihren Kunden kann die Inkassostelle darüber hinaus eine 24 Vgl. hierzu auch Grzimek, Bankquittungsverfahren, S. 118; ders., DB 61, 1076; Bittroff, Bank-Betrieb 62,15 f.; Engel, S. 10 f. 25 Zutreffend Pleyer - Holschbach, DB 72, 762; Fallscheer-Schlegel, S. 1 (" ... kann ein zugelassenes Unternehmen ... Forderungen praktisch gegenüber jedermann liquidieren ... "); i. e. unten § 3 1. 4.1, 4.3.1.2, Text zu Fn. 334 ff.; und § 3 II 3.2.2.2. 26 Vgl. Pleyer - Holschbach, DB 72, 762; Fallscheer-Schlegel, S. 51.
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s. u. § 3 1. 4, Ir. 3.2.2.
H. Das Lastschriftverfahren der Gegenwart
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Streuung der Einreichungstermine erzielen; auf diese Weise läßt sich eine gleichmäßige Verteilung des Arbeitsaufkommens erreichen, Stoßzeiten werden vermieden. Von erheblichem Vorteil ist ferner, daß die Lastschriften fast ausnahmslos maschinell und nur auf den vereinheitlichten Vordrucken ausgefertigt werden bzw. daß sie sogar im beleglosen Datenträgeraustausch auf Magnetband eingereicht werden. Das ermöglicht auch auf Seiten der InkassosteIlen eine weitgehend maschinelle Bearbeitung unter Zuhilfenahme moderner Datenverarbeitungsanlagen, wie sie bei den durchweg manuell von den Schuldnern ausgefertigten Schecks und überweisungs aufträgen nicht möglich war. Hierdurch bedingt werden zugleich die bei manueller Beschriftung unvermeidlichen Bearbeitungsfehler, insbesondere die Schreib- und Lesfehler weitgehend abgebaut28 • Nicht zuletzt bedeutet die Konzentration der Zahlungseingänge des Gläubigers auf seine als Inkassostelle eingesetzte Hausbank einen außerordentlichen wettbewerbsmäßigen Vorteil. Während sich im Scheck- und überweisungsverkehr die Zahlungseingänge auf u. U. zahlreiche, vom Gläubiger unterhaltene Bankverbindungen verteilen, werden diese Eingänge im Lastschrifteinzug sämtlich auf die InkassosteIle konzentriert. Die Eingänge bei den sonstigen vom Gläubiger unterhaltenen Bankverbindungen unterliegen einer entsprechenden zahlen- und umsatzmäßigen Schrumpfung; sie werden somit nach und nach stillgelegt, die eigene Geschäftsverbindung zum Gläubiger dagegen ausgeweitet. Aus diesem Grunde hat unter den Banken ein regelrechter Wettbewerb um die Einschaltung als InkassosteIle eingesetzt29 • Allerdings muß die Gläubigerbank auch einige dem Lastschrifteinzug eigentümliche Nachteile in Kauf nehmen. Zunächst unterliegt sie den beiden bereits erwähnten (0. 1. bei Fn.6) Einstandspflichten aus dem Lastschriftabkommen: nach Abschn.IIl Zif. 1, 2 hat sie Lastschriften, denen der Schuldner fristgerecht widersprochen hat, zurückzunehmen und zu vergüten; gemäß Abschn. I Zij. 4 haftet sie der Zahlstelle für alle Schäden aus unberechtigten Einzugsermächtigungslastschriften. Beide Einstandspfiichten sind unabhängig von einer etwaigen Regreßmöglichkeit gegenüber dem Gläubiger. überdies kommt zwischen Inkassostelle und Gläubiger bis zum tatsächlichen Eingang des Lastschriftbetrages ein echtes Kreditverhältnis zustande, wenn sie - wie in der Praxis üblich - dem Gläubiger über den vorläufig gutgeschriebenen 28 Hierzu und zum vorstehenden auch Reyher - Sperl, S. 7 f., 26 ff.; Engel, S.l1; Bittroff, Bank-Betrieb 62,16 ff.; Grzimek, DB 61,1075 f.; O. Schoele, ZuB 29, 77 ff., 82. 20 Kessler, Der Lastschrift-Einzugsverkehr, S. 11; Grzimek, DB 61, 1076;
Fallscheer-Schlegel, S. 4; zu der rechtspolitischen Bedenklichkeit dieses Wettbewerbs vgl. u. § 3 I. 4.3.1.2, Text zu Fn. 362 ff.
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§ 1 Entstehung und Abwicklung des Lastschriftverfahrens
Betrag zu verfügen gestattet30 • Hierbei handelt es sich bis zur Einlösung der Lastschrift um einen kurzfristigen Usancekredit. Darüber hinaus wird - genau genommen - noch ein Garantiekredit i. S. d. § 19 Abs. 1 Zif. 4 KWG gewährt, indem die Zahlstelle auf Grund des Lastschriftabkommens die Rücknahme und Rückvergütung widersprochener Lastschriften für den Zeitraum von sechs Wochen zu gewährleisten hat 31 • Sollte der Deckungseingang mangels Einlösung ausbleiben oder infolge Widerspruchs storniert werden, der Gläubiger aber schon vorher über den Betrag verfügt haben, dann ginge dies zu Lasten der InkassosteIle, wenn der Gläubiger zwischenzeitlich insolvent oder unauffindbar geworden wäre. In Einzelfällen werden die InkassosteIlen daher zu überlegen haben, ob sie sich dieses Risiko, das letztlich ein solches der Bonität des Einreichers ist, in irgendeiner Form absichern lassen32 • Immerhin geht bei Einreichung einer Lastschrift zum Einzug die zugrundeliegende Forderung gemäß den Geschäftsbedigungen der Kreditinstitute auf die InkassosteIle über33 • Im Vergleich zu einer sonstigen Beleihung von Buchforderungen hat dies den Vorteil, daß für die Inkassostelle zumindest nicht die Gefahr einer Mehrfachbeleihung akut wird, da der Forderungsausgleich - wenn überhaupt - bei ihr selbst eingeht34 • 2.5 Bedeutung für die Schuldnerbank (Zahlstelle)
Für die Schuldnerbank lassen sich derart ausgeprägte Vorteile nicht verzeichnen. Jedenfalls aber birgt der Lastschrifteinzug für sie keine nennenswerten Nachteile oder unüberschaubare Risiken. Letzteres schon deshalb nicht, weil im Einzugsermächtigungsverfahren ihr die InkassosteIle alle Schäden aus unberechtigten Lastschriften zu ersetzen hat. Im Abbuchungsauftragsverfahren dagegen braucht sie lediglich darauf zu achten, daß die eingehende Lastschrift vom Abbuchungsauftrag formal gedeckt wird. Allerdings wird durch diesen Kontrollmechanismus ein erheblicher Mehraufwand gegenüber dem Einzugsermächtigungsverfahren ausgelöst, weil sich insbesondere die Prüfung des Abbuchungs auftrages einer maschinellen Bearbeitung entzieht35 • Vornehmlich aus diesem Grunde hat das Einzugsermächtigungsverfahren in der Praxis eine erheblich größere Bedeutung gewonnen als das Abbuchungsauftragsverfahren. 30 Grzimek, DB 61, 1074; Däss, DB 62, 280; kritisch dazu Bittroff, BankBetrieb 62, 16 ff. 31 Eingehend Jakfeld, ZKW 77, 152 ff. 32 Vgl. auch Kessler, S. 13; ders., DB 61, 1400. 33 Vgl. Zif.44 AGB-Banken, 57,55 (5), 50 (4), 49 (7) AGB-Sparkassen; vgl. auch Engel, S. 28 f.; Liesecke, WM 75, 301. 34 Zutreffend Grzimek, DB 61, 1076. 35 Vgl. Engel, S. 11; Kessler, Der Lastschrift-Einzugsverkehr, S.13, 14.
H. Das Lastschriftverfahren der Gegenwart
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Indessen dürfte das Abbuchungsauftragsverfahren den Schuldnerbanken kaum mehr Aufwand bereiten, als dies bei den vom Schuldner ausgestellten Schecks oder überweisungsaufträgen der Fall wäre. Zum Nutzen gereicht den Zahlstellen dabei sicher ebenso wie den InkassosteIlen, daß die Lastschriften fast ausnahmslos und jedenfalls in erheblich größerem Umfange als die Datenträger in den beiden anderen Zahlungsarten maschinenschriftlich oder gar schon beleglos ausgefertigt werden36•
36 Vgl. die Zahlen bei Reyher - Sperl, S. 5; zum Bearbeitungsgang bei den Zahlstellen i. e. ebd., S. 39 ff.
§ 2 Problem- und AufgabensteIlung
I. Die Problematik "In der Praxis scheinen bei der Handhabung des Lastschriftverfahrens kaum Schwierigkeiten aufzutreten". Diese Feststellung Haddings 1 aus dem Jahre 1975 war seinerzeit durchaus noch berechtigt. Doch bereits im Jahre 1977 konnte Holschbach auf erhebliche übelstände im Lastschriftverkehr hinweisen und Schlagzeilen aus der Wirtschaftspresse zitieren wie diese: "Lastschriftverfahren: Vorsicht Falle"2. Tatsächlich war in der dazwischen liegenden Zeit eine Reihe von obergerichtlichen Entscheidungen bekannt geworden, denen Störfälle des Lastschrifteinzuges zugrunde lagen3 , hatten die Spitzenverbände des Kreditgewerbes eine Verlautbarung zum Lastschriftverfahren herausgegeben, in der sie ihre Mitglieder auf Mißstände im Einzug hinwiesen und sie zu vermehrter Sorgfalt anhielten4 • Berücksichtigt man die mehrjährige Verzögerung vom Eintritt eines Schadensfalles bis zu seiner höchstrichterlichen Entscheidung, so zeigt sich, daß das schlagartige Aufkommen von Störfällen einhergeht mit dem letzten und stärksten Impuls, den die Verbreitung des Lastschriftverkehrs erfahren hat durch das Inkrafttreten des Lastschriftabkommens. War der Lastschrifteinzug ehedem eine Domäne jener seriösen Großunternehmen der öffentlichen Hand, der Versicherungs- und Versorgungswirtschaft, der Industrie und des Großhandels, auf Grund deren gleichsam blind unterstellter Vertrauenswürdigkeit Otto Schoele ein MißbrauchsproIn: Festschrift für Bärmann, S. 375. Holschbach, DB 77, 1933 unter Hinweis auf: Capital, Nr.9, 1976, S. 1, 246 ff. 3 So OLG Düsseldorf, U. v. 2.8.76, WM 76, 935 ff.; BGH, U. v. 28.2.77, BGHZ 69, 82 ff. = NJW 77, 1916 f. = BB 77, 1371 = DB 77, 1937 = WM 77, 1042 = MDR 78, 30; OLG Düsseldorf, U. v. 6. 5. 77, NJW 77, 1403 f.; BGH, U. v. 20. 6. 77, BGHZ 69, 186 ff. = NJW 77, 2210 = BB 77, 1476 f. = DB 77, 2041 = MDR 78, 30 f.; BGH, U. v. 21. 12. 77, BB 78, 278 ff.; zum strafrechtlichen Aspekt: OLG Hamm, U. v. 15.6.77, BB 77, 1275 ff. = NJW 77,1834. Mit Ausnahme der (wettbewerbsrechtlichen) Entscheidung des OLG Karlsruhe v. 22. 12. 71, WuW/OLG 1268, sind vor 1976 - soweit ersichtlich - Entscheidungen zum Lastschrifteinzug nicht veröffentlicht worden. Eine neueste Rechtsprechungsübersicht findet sich bei Hadding, WM 78, 1366 ff. Vgl. ferner die Nachweise unten § 3 I. 4. Fn. 256. 4 Vgl. die "Verlautbarung der Spitzenverbände des Kreditgewerbes zum Lastschriftabkommen", veröffentlicht in: Fachmitteilungen 18/26. Mai 1976, Ud. Nr.90; abgedruckt bei Reyher - Sperl, S. 79 ff.; hierzu noch i. e. unten § 3 IV 3. 1
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I. Die Problematik
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blem noch schlechthin in Abrede stellte5 , so wurden nunmehr mittlere und kleine Unternehmen zum Lastschrifteinzug zugelassen sowie zunehmend Einzelpersonen mit nur wenigen Schuldnern, wie etwa Vermieter und Verpächter. Mit dieser konsequenten Entfaltung des Lastschriftverfahrens als einem Instrument der unbaren Massenzahlung erhielten zwangsläufig auch weniger seriöse Gläubiger zum Lastschriftverkehr Zugang. In der Folge zeigte sich dann eine ernstzunehmende praktische Mißbrauchsanfälligkeit des Verfahrens, wie es sich unschwer aus den unter Fn. 3 aufgeführten Entscheidungen ablesen läßt: es handelte sich ausnahmslos um Fälle des Fehlgebrauchs entweder der Lastschriftermächtigung durch den Gläubiger oder des Widerspruchsrechts durch den Schuldner - bisweilen sogar unter Beteiligung der Kreditinstitute. Da der Lastschrifteinzug lange Zeit tatsächlich und bis vor kurzem jedenfalls scheinbar reibungslos verlief, steht seine rechtstheoretische Durchdringung heute vor einem akuten Defizit und in erheblichem Gegensatz zu seiner praktischen Bedeutungs. Dies gilt vor allem deshalb, weil sich die meisten Abhandlungen zum Lastschriftverkehr, wie etwa die von O. Schoele, Grzimek, Kessler, Bittroff, Block u. a., fast ausschließlich mit seiner technischen und wirtschaftlichen Seite befassen. Die rechtliche Seite dagegen hat bislang kaum Interesse gefunden und wenn, dann meist nur punktuell. So sind die dogmatischen Strukturen des Lastschriftverkehrs nur wenig aufbereitet. Die Qualität der zwischen den Beteiligten bestehenden Rechtsbeziehungen ist noch weitgehend im unklaren. Insbesondere die Einordnung der Beziehungen zwischen den vertraglich nicht miteinander verbundenen Beteiligten - etwa zwischen Schuldner und Gläubigerbank sowie Schuldnerbank und Gläubiger - in die Dogmatik unseres Zivilrechtssystems ist bislang noch nicht gelungen. Damit ist auch die Erfassung der bedeutendsten Störfälle mit dem vorhandenen gesetzlichen Sanktionsgefüge noch nicht hinreichend geklärt. Die Tatsache, daß ein einmal zum Lastschriftverkehr zugelassener Gläubiger vorgebliche Forderungen "praktisch gegenüber jedermann liquidieren kann"7, verbunden mit der Tatsache, daß infolge der zunehmenden Verbreitung des Lastschrifteinzuges die Masse der Verbraucher - aber auch der GläubigerS - sich immer weniger der TeilZuB 29,78. Vgl. auch Hadding, Festschrift, S. 375. 7 So zutreffend Fallscheer-Schlegel, S.l; einen anschaulichen Beweis für die hiermit verbundenen Gefahren liefert der Fall, der vom LG Oldenburg zu entscheiden war: U. v. 26.3.1979, NJW 80, 1176 f. B Die Gläubiger sind aus Gründen des Wettbewerbes gehalten, am Lastschrifteinzug teilzunehmen, um sich die damit verbundenen Vorteile zu sichern (vgl. o. § 1 H. 2.2); s. Grzimek, DB 61, 1077. 5
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§ 2 Problem- und Aufgabenstellung
nahme an dem Verfahren entziehen kann und ferner die Häufung der Störfälle in jüngster Zeit: all dies setzt die Beantwortung jener Fragen zunehmender Dringlichkeit aus. Das gilt speziell im Hinblick auf den Schutz der Einzugsbeteiligten sowie allgemein im Interesse der Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Lastschriftverfahrens als der optimalen Form bargeldloser Zahlung.
H. Die Aufgabenstellung Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll versucht werden, das Lastschriftverfahren in seinen einzelnen Bestandteilen auf allgemeine Rechtsformen zurückzuführen. Durch die Besinnung auf das System und die Dogmatik unserer Zivilrechtsordnung sollen deren Regelungsmechanismen zur Lösung der in der Praxis auftretenden Problem- und Schadensfälle nutzbar gemacht werden. Nur ein solches Vorgehen kann die zur Auflösung einzelner Interessengegensätze erforderlichen Entscheidungen gewährleisten, die sich letztlich im Einklang befinden mit den Wertungen der bestehenden Gesamtrechtsordnung. Die darin liegende, immer wieder faszinierende Erprobung unseres Zivilrechtssystems auf neue Erscheinungsformen der modernen Rechtsgegenwart bildet den Hintergrund der folgenden Untersuchungen. Nun lagen den - bislang einzigen - umfassenderen Darstellungen von Engel 1 und Fallscheer-Schlegel2 zweifellos ähnliche Zielsetzungen zugrunde. Soweit diese Arbeiten Einzelprobleme ausschöpfen, soll darauf nur noch kurz und insoweit eingegangen werden, als hier abweichende Ergebnisse gefolgert werden müssen. Dies gilt etwa für die Zweifelsfragen anläßlich der Insolvenzen von Einzugsbeteiligten sowie der Erfüllung und Gefahrtragung im Valutaverhältnis. Diesbezüglich ist auf die in beiden Arbeiten ausführlichen Darstellungen zu verweisen. Auch die Problematik des Bereicherungsausgleichs soll hier keine eingehendere Behandlung erfahren; sie weist im Lastschriftverfahren keine nennenswerten Eigenheiten auf, sondern gleicht derjenigen bei der einfachen Überweisung3 : der Lastschrifteinzug ist nur eine Umkehrung der einfachen Überweisung und steht dieser leistungsfunktional gleich. Dagegen muß die Rechtsnatur der Lastschriftermächtigung - ein vornehmlich dogmatisches Problem - trotz der Untersuchungen von Engel, Fallscheer-Schlegel, Hadding u. a. noch näher behandelt werden, da eine befriedigende Erklärung bislang nicht gefunden scheint. Rechtsprobleme um das Lastschriftverfahren, 1966. Das Lastschriftverfahren, 1977. 3 Zutreffend BGHZ 69, 186, 188 (= 1. Fn. 3); vgl. neuestens auch BGH, U. v. 7.5.79, NJW 79, 2143 = DB 79,2128 = BB 79, 1525; ferner Hadding, WM 78, 1366, 1376 f.; die zum Bereicherungsausgleich im überweisungsverkehr vorliegenden Literatur und Rspr. (vgl. etwa Möschel JuS 72, 297 ff. m. zahlr. Nw.) gilt daher - mutatis mutandis - auch für den Lastschriftverkehr. 1
2
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§ 2 Problem- und Aufgabenstellung
Den Hauptgegenstand der Arbeit bildet dann - den Problemen der Praxis entsprechend - die Untersuchung der Mißbrauchsmöglichkeiten sowie vor allem der Mittel der Mißbrauchssteuerung und -sanktionierung. Dieser Problemkreis ist in der Arbeit von Engel - infolge ihres frühen Erscheinens bald nach Inkrafttreten des Lastschriftabkommens - nur kurz behandelt worden. In der wesentlich neueren Untersuchung von FaII.~('heer-Schlegel wird insbesondere mit Rücksicht auf denkbare automationsbedingte Schädigungen des Schuldners der bemerkenswerte Vorschlag einer verschuldensunabhängigen Garantiehaftung der Zahlstelle zur Diskussion gestellt4 • Indessen bereiten die Fälle technisch bedingter Fehlleistungen in der Praxis allenfalls untergeordnete Schwierigkeiten; meist können sie schnell und einvernehmlich korrigiert werden5 • Überdies handelt es sich bei der Haftung für automationsbedingte Schäden um eine allgemeine - und vorerst nicht bewältigte - Herausforderung unseres gesamten Zivilrechtssystems8 . Diese Problematik sollte nicht ohne Not isoliert für das Lastschriftverfahren gelöst werden, jedenfalls solange nicht, als ein Versagen der überkommenen Dogmatik bei der Bewältigung der spezifischen Lastschriftprobleme nicht festgestellt ist7. Da diese Prämisse noch nicht bewiesen wurde, soll in der vorliegenden Untersuchung mit einem anderen Ansatzpunkt gearbeitet und vor allem der Bereich der mißbrauchsbedingten Störfälle stärker in den Vordergrund gerückt werden. Zu diesem Zweck sind die Mißbrauchsmöglichkeiten und die Risikoverteilung beim Lastschrifteinzug zu analysieren. Weil das Lastschriftverfahren - bereits der entwicklungsgeschichtliche Abriß hat das gezeigt - fundamental auf gegenseitigem Vertrauen und Redlichkeit beruht, sollen insbesondere die Einwirkungs- und Vertrauensstrukturen innerhalb des Lastschriftverkehrs näher untersucht werden. Von diesen wiederum verdienen die Beziehungen zwischen den vertraglich nicht miteinander verbundenen Einzugsbeteiligten das größte Interesse, denn sie blieben bislang nahezu unbeachtet, könnten jedoch - unter dem Gesichtspunkt der Schutzpflichten gegenüber Dritten - andere als die bisher erörterten Haftungsperspektiven eröffnen. Ziel dieser Untersuchungen ist es, die tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeiten soweit wie möglich mit rechtlich aktuellen Einstandspflichten zu bewehren. Ein solches Korrelat von Einwirkung und Haftung dürfte für die Beteiligten ein erhebliches Stimulans bilden, die vorhandenen Möglichkeiten zur Unterbindung jeglichen Mißbrauchs voll auszuschöpfen. , Fallscheer-Schlegel, S. 51 ff. S So mit Recht Holschbach, DB 77, 1933. 8 Vgl. etwa Lieser, JZ 71, 759 ff.; Reimer Schmidt, AcP 166 (1966), 1 ff. 7 Kritisch zu diesem Vorschlag Fallscheer-Schlegels auch Hadding in seiner Rezension in NJW 79, 803.
11.
Die Aufgabenstellung
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Ob dies zu erreichen ist oder aber der Lastschrifteinzug grundlegender Veränderungen bedarf, sollen die folgenden Untersuchungen zeigen. Dabei sollen nacheinander die einzelnen Glieder der Einzugskette beginnend mit dem Valutaverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner - in ihrer dogmatischen Einordnung behandelt werden. In Abschnitt I des § 3 werden die Rechtsnatur der Lastschriftermächtigung (I. 2), die Risikountersuchungen (I. 4) sowie Erfüllungsfragen (I. 5) die Schwerpunkte bilden. Die Risikoanalyse ist dabei auf Grund der Sachzusammenhänge für sämtliche Beteiligten geschlossen darzustellen, weil sie maßgeblich von Fragen der Haftung abhängt, die sich für den einen Beteiligten risikomindernd, für den anderen, haftenden Teil risikoerhöhend auswirken kann. In den Abschnitten II (Beziehung Gläubiger - Inkassostelle), III (Kreditinstitute untereinander) und IV (Schuldner - Zahlstelle) werden jeweils die Schutzpflichten der Kreditinstitute im Vordergrund stehen.
§ 3 Die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten des Lastschriftverfahrens
I. Die Beziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger Das Lastschriftverfahren ist eine zwischen Schuldner und Gläubiger vereinbarte Form mittelbarer Leistungsbewirkung. Leistungsvermittelnde Dritte sind die von den Parteien eingeschalteten Kreditinstitutei. Das Verhältnis von Schuldner und Gläubiger, in dem die eigentliche Wertbewegung stattfindet, bildet in diesem Zusammenhang das Valutaverhältnis2 • Das Valutaverhältnis selbst ist mehrschichtig; die einzelnen Rechtsbeziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger sind voneinander zu trennen. Zu unterscheiden ist zunächst das Grundgeschäft; hierin manifestiert sich regelmäßig der Zweck der Rechtsbeziehungen; in ihm liegt auch der Grund für das Behaltendürfen der erbrachten Leistungen. Zu unterscheiden sind daneben gesonderte Abreden, die der Durchführung des Grundgeschäftes dienen, diesem also untergeordnet sind. Solche selbständigen Sonderabreden sind aus dem Bereiche der Leistungen erfüllungshalber hinlänglich bekannt3 • Um eine zusätzliche Abrede zwecks Durchführung des Grundgeschäftes handelt es sich bei der Vereinbarung des Lastschriftverfahrens. Ihre rechtliche Einordnung ist noch nicht gesichert4 • Das besondere Interesse der nachfolgenden Erörterungen hat daher zu gelten der Befugnis des Gläubigers, per Lastschrift die ihm vertragsgemäß zustehenden Beträge vom Konto des Schuldners abzurufen (Lastschriftermächtigung). Von ihrer Einordung werden weitere Fragen um den Widerruf der Lastschrift, die Erfüllung der Geldschuld im Valutaverhältnis und die gegenseitige Haftung der Beteiligten abhängen. Auf sie wird im Anschluß gesondert einzugehen sein. 1 Leistungsfunktional steht das Lastschriftverfahren daher der überweisung gleich; beide Verfahren gehen den gleichen Weg, jedoch in umgekehrter Folge; O. Schoele, ZV 20, 153; ders., ZuB 33, 285. 2 Palandt / Thomas, BGB § 812 Anm. 5 B b ee; Staudinger / Seufert, BGB § 812 Rdz. 8 c; Engel, Rechtsprobleme um das Lastschriftverfahren, S.12. 3 RGRK/Löscher, BGB § 364 Anm.7 m. Nw. zur Judikatur; Palandt / Heinrichs, BGB § 364 Anm. 4; Fikentscher, Schuld recht § 39 I 2, S. 166; eingehend Zunft, NJW 58, 204 ff.; Adler, ZHR 64, 127 ff.; 65,141 ff. 4 Vgl. etwa RGRK/Canaris, HGB Anh. § 357 Rdz.188 a. Anf.
I. Die Beziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger
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1. Das Grundverhältnis
Hinsichtlich des Grundverhältnisses können nur wenige allgemeineinschränkende Voraussetzungen für die Verwendung des Lastschriftverfahrens normiert werdens. Sein Einsatz ist nahezu bei allen gesetzlich geregelten Vertragstypen denkbar. Erforderlich ist nur eine gewisse Dauer der vertraglichen Beziehungen sowie eine wiederkehrende Zahlungsverpflichtung des Schuldners6 • Dabei braucht es sich aber weder um echte Wiederkehr- noch um Dauerschuldverhältnisse im rechtstechnischen Sinne zu handeln, (wiewohl die meisten Anwendungsfälle des Lastschriftverfahrens auf solcher Grundlage erfolgen dürften)1. Ausreichend ist ein tatsächlicher geschäftlicher Kontakt über einen längeren Zeitraum. 1.1 Einzugsgeeignete Forderungen
Wie die Entwicklung und Verbreitung des Lastschriftverfahrens zeigt, hat seine sinnvolle Anwendung keineswegs die regelmäßige Wiederkehr der Zahlungen zur Voraussetzung8 oder die Gleichheit und Häufigkeit der Zahlungsverpflichtungen9 oder gar deren Massenhaftigkeit 1o • In der Flexibilität gegenüber wechselnder Höhe und Frequenz der Zahlungsverpflichtungen liegt gerade einer der Hauptvorzüge des Lastschriftverfahrens, vor allem im Vergleich zum "starren Dauerauftrag"l1. Im übrigen ziehen selbst Vermieter und Verpächter ihre Mietund Pachtzinsen heute schon im Lastschriftverkehr ein12 • Die Verwendung des Lastschriftverfahrens beschränkt sich daher nicht auf Gläubiger, deren Forderungen den vorgenannten Prämissen gerecht werden, insbesondere also die öffentliche Hand, Versicherer und Versorgungsunternehmen. Auch mittlere und kleine Unternehmen und Betriebe bedienen sich zunehmend des Lastschriftverfahrens13 • 5 Selbstverständlich müssen beide Partner über ein Girokonto bei einem Kreditinstitut (i. S. d. § 1 Abs.1 KWG) verfügen; zur Zulassung des Gläubigers zum Lastschriftverkehr durch seine Bank s. u. 11. 2. 8 Vgl. Kessler, Der Lastschrift-Einzugsverkehr, S. 9 f. 7 Vgl. die Beispiele bei Engel, S. 12. 8 So noch o. Schoele, ZuB 33, 285; ders. Zahlungsverkehr, S. 30; Schütz, Formularbuch, S.363; offenbar auch Sandberger, JZ 77, 285: " ... periodisch wiederkehrende Zahlungen". 9 W. o. Schoele, Das Recht der überweisung, S. 49; Schütz, aaO.: " ... Forderungen in gleicher Höhe ... " 10 Sandberger, JZ 77, 285; ähnlich Hadding, Festschrift für Bärmann, S.379: "Großunternehmen mit großer Anzahl von Geschäftspartnern ... " 11 So zutreffend R. Schmidt, AcP 166 (1966), S. 12. 12 Vgl. Engel, S. 12. 13 Grzimek, DB 61,1077; vgl. beispielsweise auch die Sachverhalte der nachstehenden neueren Entscheidungen, in denen keine der drei vorgenannten "klassischen" Gläubigerkategorien beteiligt ist: OLG Düsseldorf, U. v. 2.8.76,
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§ 3 Die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten
Bereits aus wettbewerblichen Zwängen sind diese Gläubiger mehr und mehr gehalten, sich die Vorzüge des Lastschriftverkehrs zu sichern14 • Sie tun dies nicht selten, indem sie die Teilnahme am Lastschriftverkehr zu ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen erheben15 • Auch die Höhe der einzuziehenden Forderungen ist nicht ausschlaggebend für die Verwendung des Lastschriftverfahrens. Sogar Kleinstbeträge können auf diese Weise eingezogen werden, wie dies etwa bei Zeitungsabonnements und geringeren öffentlichen Abgaben (Müllabfuhr- und Kanalisationsgebühren) praktiziert wird 16 . Zu beachten ist hierbei lediglich, daß die von den Spitzenverbänden des Kreditgewerbes standardisierte und an ihre Mitglieder als Empfehlung gegebene ,,(Muster-) Vereinbaru.ng über den Einzug von Forderungen mittels Lastschriften"17 die viertel- bis halbjährliche Zusammenfassung von Beträgen unter DM 10,- vorsieht. Es lassen sich mithin über das Merkmal der Dauer der Geschäftsbeziehungen und das der Wiederkehr der Zahlpflicht keine allgemeinen positiven Anforderungen an ein Valutaverhältnis stellen, das Grundlage für den sinnvollen Einsatz des Lastschriftverfahrens sein SOll18. 1.2 Vom Einzug ausgeschlossene Forderungen
Negativ lassen sich dagegen zwei Arten von Forderungen vom Einzug im Lastschriftwege ausgrenzen: per Lastschrift können weder Forderungen eingezogen werden, die nicht (sofort) fällig sind, noch solche, für deren Geltendmachung die Vorlage einer Urkunde erforderlich ist. Beides folgt aus dem zwischen den Spitzenverbänden des Kreditgewerbes geschlossenen "Abkommen über den Lastschriftverkehr"u. WM 76, 935 (Baustoffhandel); BGH, U, v. 28.2.77, BGHZ 69,82 (= Fn.256) (Baustoffhandel); OLG Düsseldorf, U. v. 6.5.77, NJW 77, 1403 (Getränkehandel); OLG Hamm (St), U. v. 15.6.77, BB 77, 1275; BGH, U. v. 20.6.77, BGHZ 69, 186 (= Fn. 256); vgl. ferner die weiteren, unter Fn. 256 aufgeführten Entscheidungen. 14 Zur wettbewerblichen Situation: Grzimek, DB 61,1073 ff., 1077; ders. Das Bankquittungsverfahren und verwandte Einzugsverfahren, S. 99 ff., 104; zu den Vorteilen für den Gläubiger s. auch o. § 1 H. 2.2. 15 Pleyer - Hoischbach, DB 72, 762; zur wettbewerbs rechtlichen Problematik ebd., S. 762 ff. 16 Kessler, Der Lastschrift-Einzugsverkehr, S. 11. 17 Zu schließen zwischen Gläubiger und Inkassostelle (= sog. Inkassovereinbarung), abgedruckt bei Kessler, S. 63 ff.; Reyher - Sperl, Der LastschriftEinzugsverkehr, S. 83, 85; Engel, S. 74 f.; Schütz, S. 366; die Zusammenfassung der Kleinstbeträge ist unter Zif. 3 der Musterinkassovereinbarung normiert, vgl. jeweils aaO. 18 Zahlreiche - selbstverständlich nicht abschließende - Beispiele für die Verwendung des Lastschriftverfahrens finden sich bei Engel, S.12; Kessler, S. 11; Bittroff, Bank-Betrieb 62, 13. 19 Abschn. I. Zif.2, S.l des Abkommens, abgedruckt bei Kessler, S. 47 ff.; Engel, S. 69 ff.; Schütz, S. 364 ff.; Fallscheer-Schlegel, S. 66 ff.
I. Die Beziehungen zwischen Schuldner und
Gläubiger
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Diese Beschränkungen erfolgten, um den Kreditinstituten die überwachung der FäHigkeiten sowie die Bearbeitung von Inkassopapieren abzunehmen. Sie vor allem unterscheiden das Lastschriftverfahren vom technisch umständlicheren Bankquittungsverfahren20 • Derartige Forderungen werden daher von den Inkassobanken nicht zum Einzug angenommen; dies wird mit dem Gläubiger ausdrücklich in der Inkassovereinbarung festgelegt 21 ; (das Lastschriftabkommen begründet Rechte und Pflichten unmittelbar nur zwischen den beteiligten Kreditinstituten, wie dies in Abschn. IV Zif. 1 des Abkommens hervorgehoben wird). 2. Die Lastschriftermächtigung!t 2.1 Die Theorien zur Rechtsnatur der Lastschriftermächtigung
Im Lastschriftverkehr - sowohl beim Einzugsermächtigungs- als auch beim Abbuchungsauftragsverfahren - hat der Gläubiger die Befugnis, eine Leistung des Kreditinstitutes des Schuldners auszulösen mit Wirkung für und gegen diesen nicht nur im Valutaverhältnis, sondern auch in der Beziehung zu seiner Bank, dem sog. Deckungsverhältnis23 • Der Gläubiger ist mithin rechtlich in die Lage gesetzt, den Inhalt der Rechte und Pflichten des Deckungsverhältnisses zu konkretisieren. Daraus folgt für die Prüfung der Rechtsnatur der Lastschriftermächtigung zweierlei. Zum einen ist davon auszugehen, daß es einer Lastschriftermächtigung nicht nur beim Einzugsermächtigungsverfahren bedarf, sondern auch beim Abbuchungsauftragsverfahren. Denn auch bei dieser Spielart des Lastschriftverfahrens muß dem Gläubiger auf irgend eine Weise die Rechtsrnacht verliehen werden, per Lastschrift Beträge vom Konto des Gläubigers einzuziehen; daß er in der Praxis diese Befugnis hat, ist evident. Ob die Form des Abbuchungsauftragsverfahrens gewählt wird oder diejenige des Einzugsermächtigungsverfahrens, kann mithin Bedeutung nur erlangen für die Begrenzung der Lastschriftermächtigung, die Art und Weise ihrer Erteilung und die Schneidung der Pflichtenkreise der am Einzug beteiligten Banken. Die Lastschriftermächtigung selbst und ihre Rechtsnatur können davon nicht abhängen24 • Bittroff, Bank-Betrieb 62,14; Grzimek, DB 61,1074. Nr. 1 der Muster-Inkassovereinbarung, vgl. Fn. 17. 22 Zur Vermeidung eines terminologischen Vorgriffs wird dieser Ausdruck untechnisch im Anschluß an Canaris, RGRK, HGB Anh. § 357 Rdz. 188 (S. 665 a. Anf.) benutzt. 23 Palandt / Thomas, BGB § 812 Anm. 5 B b ce. 24 Davon gehen ebenfalls aus: Engel, S. 15, 18; Pleyer - Holschbach, DB 72, 761; dies. DB 73, 1057 a. E.; Canaris, aaO.; Sandberger, JZ 77, 286 und Fallscheer-Schlegel, S. 6 ff.; a. A. soweit ersichtlich nur Hadding, Festschrift für Bärmann, S. 382 f., 384 ff., der hinsichtlich der Lastschriftermächtigung un20
21
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§ 3 Die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten
Zum anderen folgt aus der Möglichkeit der Konkretisierung des Deckungsverhältnisses durch den Gläubiger, daß die Frage nach der Rechtsnatur der Lastschriftermächtigung nicht ohne Rücksicht auf die Rechtsbeziehung des Schuldners zu seinem Kreditinstitut, der Zahlstelle, beantwortet werden kann. Im Hinblick auf das Deckungsverhältnis kann nun von einem gesicherten Standort ausgegangen werden: bei den Rechtsbeziehungen des Schuldners zu seinem (giro-)kontoführenden Kreditinstitut (dem Girovertrag) handelt es sich nach heute einhelliger Auffassung um einen Dienstvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat (§§ 611, 675 BGB)25. Die "normale", vom Schuldner initiierte überweisung ordnet sich nach dieser Auffassung zwanglos ein als eine Ausübung des Weisungsrechtes i. S.d. §§ 675, 665 BGB26.
2.1.1 Die Lastschriftermächtigung als Abtretung des Weisungsrechtes? 2.1.1.1 Darstellung der Konstruktion
Bei dem vorerwähnten Ausgangspunkt erscheint es naheliegend, die vom Gläubiger eingereichte Lastschrift parallel zur Überweisungsanordnung des Schuldners als Weisung i. S. d. §§ 675, 665 BGB einzuordnen. Die Lastschriftermächtigung wäre dann eine Abtretung dieses Weisungsrechtes an den Gläubiger 27 . 2.1.1.2 Zu den bisher erhobenen Einwänden
Dagegen wird zweierlei eingewandt: zum einen sei das Weisungsrecht des § 665 BGB nicht abtretbar. Denn der Girovertrag sei eine dienstvertragliche Geschäftsbesorgung, auf die § 613 BGB Anwendung finde; nach Satz 2 dieser Vorschrift sei aber der Anspruch auf die Dienste im Zweifel nicht übertragbar28 . Zum anderen würde der Gläubiger durch terscheidet zwischen Abbuchungsauftrags- und Einzugsermächtigungsverfahren; dazu noch i. e. unten 2.1.5; vgl. ferner Franke, DB 73, 1055. 25 Schlegelberger / Hefermehl, HGB Anh. § 365 Rdz.14; RGRK / Canaris, HGB Anh. § 357 Rdz.156; Schönle, Bank- und Börsenrecht, § 31 I 1, S.355; Meyer-Cording, Das Recht der Banküberweisung, S. 10; Möschel, JuS 72,297; Soergel / Mühl, BGB § 675 Rdz. 17 (jeweils m. Nw. zur Rspr.); Schinnerer, Bankverträge I, S. 80; Hadding, Festschrift S. 377. 26 Schlegelberger / Hefermehl, aaO. Rdz. 17; RGRK / Canaris, aaO. Rdz.157, 160; Schönle, § 31 III 1, S.356 f.; Meyer-Cording, S.32; Möschel, JuS 72,298; Soergel/ Mühl, BGB § 665 Rdz.2; Hadding, aaO.; Sandberger, JZ 77, 286; Engel, S. 13, 15. 27 Vgl. RGRK / Canaris, aaO. Rdz.188; Engel, S. 19. 28 So Engel, S.19; RGRK / Canaris, aaO.; Obermüller, Die Bank im Konkurs ihres Kunden, S. 101.
I. Die Beziehungen zwischen
Schuldner und Gläubiger
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die Abtretung einen eigenen, klagbaren Anspruch gegen die Zahlstelle erwerben, was zweifellos nicht den Absichten der Parteien entspräche29 • Beide Argumente begegnen Bedenken. Dem zweiten Einwand ist zwar zuzugeben, daß nach den Intentionen der Parteien der Gläubiger über das Lastschriftverfahren sicher keinen eigenen Anspruch gegen die Bank des Schuldners erwerben so1l30. Dies wäre indessen nur der Fall, wenn dem Gläubiger das gesamte Forderungsrecht des Schuldners aus dem Girovertrag mit seinem Kreditinstitut übertragen werden würde. Gerade das soll aber mit vorliegender Konstruktion nicht bezweckt werden: die Übertragung soll sich auschließlich auf das girovertragliche Weisungsrecht [genauer: einen Teil davon31 ) beschränken. Die Ausführung der Weisung erfolgte weiterhin im Interesse des Schuldners mit Wirkung für und gegen diesen. Die Dienste aus dem Girovertrag sowie der Anspruch darauf verblieben mithin allein beim Schuldner32 . Letzteres stellt auch den anderen Einwand in Frage: verbleiben die Dienste bzw. der Anspruch darauf beim Schuldner, so ist bereits zweifelhaft, ob § 613 S.2 BGB dem Wortlaut nach einschlägig ist. Dort ist nur von einer Übertragung des Anspruchs die Rede. Das Weisungsrecht des § 665 BGB wird dadurch nicht erfaßt33. Im übrigen handelt es sich bei § 613 BGB um eine Auslegungsregel, die eben nur "im Zweifel" gilt, daher abdingbar ist34 . Solche Zweifel bestehen jedoch in dem Girovertrag zwischen Schuldner und Zahlstelle nicht. Nach inzwischen gefestigter Bankpraxis gehört es zum üblichen Inhalt des Girovertrages, daß der Schuldner mittelbar durch die Lastschriftermächtigung des Gläubigers über sein Konto verfügen darf 35 . Damit wäre nach dem Vertragsinhalt unzweifelhaft die Möglichkeit einer Abtretung des WeisungsRGRK / Canaris, aaO. So in anderem Zusammenhang auch Engel, S. 20. 31 Denn mit der Lastschriftermächtigung übertrüge der Schuldner lediglich sein Weisungsrecht im Hinblick auf Abbuchungen zugunsten des betreffenden Gläubigers. 32 Canaris, aaO., unterscheidet insoweit nicht zwischen der Ausübung des Weisungsrechts und dem dadurch entstehenden Anspruch auf Durchführung der Überweisung; diese Trennung ist hier ebenso vorzunehmen wie bei der Konstruktion der Weisungsausübungsermächtigung, die Canaris, aaO., vorschlägt; vgl. dazu noch unten 2.1.4. 33 Weitergehend W. O. Schoele, Das Recht der Überweisung, S. 55, der § 613 BGB für den Girovertrag überhaupt nach Systematik und Sinn für nicht anwendbar erklärt. 34 Palandt / Putzo, BGB § 613 Anm.2; Staudinger / Nipperdey, BGB § 613 Rdz.14. 35 So mit Recht Engel, S. 15, der sich hierzu dann aber mit seinen Ausführungen S. 19 in Widerspruch setzt, wenn er dort die Abtretung des Weisungsrechts über die Auslegungsregel des § 613 BGB ausschließen will; ferner Liesecke, WM 75, 301; Hadding, Festschrift S. 390; Franke, DB 73, 1056. 28
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4 Zschoche
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§ 3 Die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten
rechts eröffnet. Die Auslegungsregel des § 613 S. 2 BGB käme nicht zum Zuge. 2.1.1.3 Abtretungsausschluß wegen Unselbständigkeit des Gestaltungsrechts? Die Problematik dieser Konstruktion liegt vielmehr in der dogmatischen Frage, ob das Weisungsrecht selbständig abgetreten werden kann. Die Übertragung von Rechten, die keine Forderungen i. S. d. § 398 BGB sind, ist zwar grundsätzlich nach § 413 BGB zulässig 38 • Ausnahmen von diesem Grundsatz bestehen aber (außer in den gesetzlich normierten Fällen) bei solchen Rechten, die ihrem Inhalt nach einer selbständigen übertragung nicht zugänglich sind, so insbesondere die sog. unselbständigen Hilfs- und Nebenrechte, denen auch eine Reihe vertraglicher Gestaltungsrechte zugehört 37 • Als Gestaltungsrecht wird definiert, "die Möglichkeit, durch eine Willenserklärung auf eine bestehende Rechtslage einzuwirken, ein Rechtsverhältnis mit gegenwärtigen Pflichten zu begründen, aufzuheben oder sonst zu beeinflussen"38. Eine Weisung i. S. d. § 665 BGB etwa die Anordnung einer überweisung im Rahmen eines Girovertrages - begründet zwar nicht die Pflicht der Bank zum Tätigwerden; diese folgt bereits aus dem Girovertrag 39 • Der Girovertrag selbst ist jedoch nur ein Rahmen für die (latente) Pflichtigkeit der Bank; eine konkret vorzunehmende Geschäftsbesorgungsmaßnahme ist damit noch nicht bestimmt. Erst die ausgestaltende Weisung (der überweisungs-, Dauer-, Scheckeinziehungs-"Auftrag füllt den girovertraglichen Rahmen aus und aktualisiert die Pflichtigkeit der Bank zum weisungsgemäßen Handeln40 • Da die Weisung für den Beauftragten grundsätzlich bindende Wirkung hat41 , enthiilt sie im Sinne obiger Definition das Recht, durch Willenserklärung ein Rechtsverhältnis mit U
)
a6 Siehe i. e. Staudinger / Kaduk, BGB § 413 Rdz. 2 ff., 5; Soergel/ R. Schmidt, BGB § 413 Rdz. 1; Palandt / Heinrichs, BGB § 413 Anm. 1. 37 Seckel, Festgabe für Koch, S. 205 ff., 220 ff.; Staudinger / Kaduk, BGB § 413 Rdz. 8 f.; Soergel/ R. Schmidt, BGB § 413 Rdz. 3; Palandt / Heinrichs, BGB § 413 Anm. 1 c. 38 So Lehmann / Hübner, § 12 I 1 b (x, S. 88 a. E.; ihm folgend Staudinger / Coing, BGB § 194 Rdz. 11; ähnlich Seckel, Festgabe, S. 210. a9 Meyer-Cording, S. 32; RGRK / Canaris, HGB Anh. § 357 Rdz.160. 40 In diesem Sinne Meyer-Cording, aaO.; RGRK / Canaris, aaO.; Schlegelberger / Hefermehl, HGB Anh. § 365 Rdz. 17; Enneccerus - Lehmann, § 160 I 3, S.682. 41 Statt aller: Palandt / Thomas, BGB § 665 Anm. 2 a; die Weisung ist daher ein als einseitige, empfangs-, aber nicht annahmebedürftige Willenserklärung zu qualifizierendes Rechtsgeschäft; h. A., RGRK / Canaris, HGB Anh. § 357 Rdz.161; Schlegelberger / Hefermehl, aaO.; Schönle, § 31 III 1, S.357; etwas abweichend, in den Konsequenzen aber übereinstimmend: Meyer-Cording, aaO.: "rechtsgeschäftsähnliche Handlung".
I. Die Beziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger
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gegenwärtigen Pflichten zu beeinflussen [so o. vor Fn. 38]. Mit Recht wird daher die Weisungsbefugnis des § 665 BGB als ("ausfüllendes") Gestaltungsrecht eingestuft42 • Wenn Bötticher selbst hinsichtlich der Weisung als Gestaltungsrecht allerdings in Zweifel gerät, weil dem Charakter
des Gestaltungsrechts die Unwiderruflichkeit wesensimmanent sei43 ,
so beruht dies auf einem Mißverständnis des Widerrufs einer Weisung u . Denn der "Widerruf" einer Weisung bedeutet in Wahrheit nichts anderes als eine neue Weisung, zu welcher der Geschäftsherr jederzeit berechtigt ist. Daß die "widerrufene" Weisung (genauer: die durch eine neue Weisung ersetzte) gleichsam ihre Gestaltungswirkung behält, wird daran offenbar, daß der Geschäftsherr an die Faktizität der vorhergehenden Weisung vollen Umfangs gebunden ist, und er etwa im Hinblick darauf gemachte Aufwendungen dem Geschäftsführer zu erstatten hat45 • Ohne Ausübung des Weisungsrechts nach § 665 BGB bleiben - wie vorstehend ausgeführt - die gegenseitigen Rechte und Pflichten aus dem Girovertrag in einem gleichsam latenten Stadium verhaftet. Welche Leistung konkret forderbar und klagbar ist, kann nur in Verbindung mit der Ausübung des Weisungsrechts bestimmt werden. Da die Weisung - wie das Wahlrecht bei der Wahlschuld oder das Bestimmungsrecht des § 315 BGB - den Inhalt des Hauptrechts konkretisiert und modifiziert, ist sie mit diesem untrennbar verbunden und gehört in die Gruppe der unselbständigen (akzessorischen) Gestaltungsrechte 48 • Derartige Gestaltungsrechte können nicht selbständig, d. h. losgelöst von dem Rechtsverhältnis, zu dem sie gehören, auf einen eigenen Rechtsträger übertragen werden47 • 42 Seckel, Festgabe für Koch, S.207, Fn.2; Bötticher, Festschrift für Dölle, Bd.l, S. 51 f.; Knütel, ZHR 137, 288; Schönle, § 31 III 1, S.357; RGRK / Canaris, HGB Anh. § 357 Rdz. 161; Hadding, Festschrift für Bärmann, S.386. 43 aaO., S. 52; ihm folgend Knütel, ZHR 137,288. 44 Daß die Weisung i. S. d. § 665 BGB frei widerrufbar ist, wird nicht bestritten; statt aller: Soergel/ Mühl, BGB § 665 Rdz. 3. 45 So mit Recht Knütel, ZHR 137, 288 Fn. 12, ohne allerdings das Mißverständnis Böttichers aufzulösen; ferner SoergellMühl, BGB § 670 Rdz.l H.; 4; Staudinger / Nipperdey, BGB § 670 Rdz. 1,2; Bötticher hat sich später augenscheinlich selbst korrigiert, indem er sich (unter ausdrücklichem Hinweis auf den o. Fn. 43 genannten Ort) zeiht, "den Wechsel der Weisungen nicht genügend vom Prinzip der Unwiderruflichkeit distanziert zu haben"; in: Gestaltungsrecht und Unterwerfung im Privatrecht, S. 6; hier bezeichnet er ein solches dauerndes Direktions- oder Weisungsrecht als "Muttergestaltungs-
recht". 46
Seckel, Festgabe, S. 220 f.; Staudinger / Kaduk, BGB § 413 Rdz. 39 f.;
§ 399 Rdz. 67 ff., 70.
47 Seckel, aaO.; Staudinger / Kaduk, BGB § 413 Rdz. 37 ff.; Soergel/ R. Schmidt, BGB § 413 Rdz.3; Palandt /Heinrichs, BGB § 413 Anm. 1 c bb; Enneccerus-Lehmann, § 83, 3, S.332.
§ 3 Die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten
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Das zugrundeliegende Rechtsverhältnis, insbesondere der Anspruch auf die Leistung gegen die Zahlstelle, soll indessen nach dem unzweifelhaften Willen der Parteien nicht auf den Gläubiger übergehen48 • Demnach kann die Lastschriftermächtigung nicht als Abtretung des girovertraglichen Weisungsrechts erklärt werden. 2.1.2 Anweisungsähnliche Doppelermächtigung?
2.1.2.1 Darstellung der Konstruktion (Engel u. a.) Eine andere, zuerst von Engel49 befürwortete Erklärung erfaßt die Lastschriftermächtigung als anweisungsähnliche Doppelermächtigung. Danach bewirkt die dem Gläubiger im Valutaverhältnis stets [also auch beim Abbuchungsauftrag50 ] zu erteilende Lastschriftermächtigung zweierlei: zum einen wird hierdurch die Zahlstelle extern (i. S. d. §§ 167 Abs. 1, 2. Alt., 182 Abs. 1 BGB) ermächtigt, mit befreiender Wirkung nach den §§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 1 BGB an den Gläubiger zu leisten. Da sich die Einzugsermächtigung ausdrücklich nur auf die fälligen Forderungen des Gläubigers erstreckt51 , soll die Zahlstelle allerdings hierdurch nur zur Einlösung der vom Gläubiger berechtigterweise ausgestellten Lastschriften ermächtigt werden. Einem "zusätzlich" erteilten Abbuchungsauftrag soll daneben keine konstitutive Bedeutung mehr zukommen; hierin liegt lediglich eine "Ermächtigung der Schuldnerbank in zweifacher Weise"52. Zum anderen bewirkt die Lastschriftermächtigung eine Empfangsermächtigung des Gläubigers; einen eigenen Anspruch auf die Leistung der Schuldnerbank erhält er dadurch nicht53 • 2.1.2.2 Mangel der fehlenden Verpflichtung der Zahlstelle Eine solche Erklärung mag zwar dogmatisch möglich sein. Sie stimmt indessen nicht mit dem Lastschriftverfahren überein, wie es von der Praxis geformt wurde und wie wir es heute (durchweg gut funktionierend) vorfinden. Der Hauptmangel dieser Konstruktion liegt darin, daß sich auf diese Weise eine echte Verpflichtung der Zahlstelle zur Bearbeitung und ggf. o. vor Fn. 30 mit Nw. ebd. und Fn. 29. aaO., S. 20 ff. 50 s. o. vor Fn. 24 mit Nw. ebd. 51 " ••• die von mir/uns zu entrichtenden Zahlungen ... bei Fälligkeit ... einzuziehen."; vgl. die Muster für eine Einzugsermächtigung, abgedruckt bei Kessler, S. 68; Engel, S. 77. 52 Engel, S. 20. 53 Engel, S. 21 ff.; seiner Auffassung sind gefolgt: R. Schmidt, AcP 166, 12; Obermüller, Die Bank im Konkurs ihres Kunden, S. 101 f. 48 S.
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I. Die Beziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger
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zur Einlösung der Lastschriften nicht begründen läßt, nicht gegenüber dem Gläubiger und auch nicht gegenüber dem Schuldner54 • Denn eine bindende Weisung des Schuldners an die Zahlstelle liegt hier nicht vor, auch nicht in Form einer irgendwie gearteten Vermittlung durch den Gläubiger, so daß sich die latente Verpflichtung aus dem Girovertrag noch nicht zur Vornahme einer konkreten Geschäftsbesorgungsmaßnahme verdichtet hat. Der Gläubiger (wie auch der Schuldner) hat daher nur "eine gewisse tatsächliche Aussicht, daß seine Lastschriften durch die Schuldnerbank eingelöst werden"55. Damit wird man den Vorstellungen der Parteien nicht gerecht. Eine "gewisse tatsächliche Aussicht" auf Einlösung seiner Lastschriften wird dem Gläubiger nicht genügen. Er will sich auf einen exakt berechenbaren Zahlungseingang verlassen können. Andernfalls wären die mit dem Lastschriftverfahren verbundenen buchhalterischen Vorteile für ihn zum Teil wieder aufgehoben. Einen eigenen Bearbeitungsanspruch gegen die Zahlstelle wird er zwar nicht verlangen; seinen Zwecken genügt - und darauf wird es ihm ankommen - eine strikte Verpflichtung der Zahlstelle zur Einlösung der Lastschriften gegenüber dem Schuldner. Auch diesem liegt ersichtlich an einer echten Verpflichtung seiner Bank, nicht bloß ihrer Ermächtigung zur Leistung an den Gläubiger. Denn immerhin hängen so weitreichende Dinge wie die Erfüllung im Valutaverhältnis und die daran geknüpften Folgen (Verzug, Skontogewährung) von der prompten Bearbeitung der Lastschriften ab 56 • Diesen Vorstellungen der Parteien kann die vorgeschlagene Doppelermächtigung nicht genügen51 . 2.1.2.3 Unklare Funktion des Abbuchungsauftrages überdies sind die Anhänger dieser Auffassung nicht in der Lage, die Funktion des Abbuchungsauftrages zu erklären. Der Abbuchungsauftrag - das sei hier wiederholt - bedeutet nach dieser Theorie in jedem Falle nur eine deklaratorische Zweitermächtigung der Schuldnerbank. Wenn aber die Zweitermächtigung der Schuldnerbank stets zugleich mit der Lastschriftermächtigung des Gläubigers und durch diese erfolgt, 54 RGRK / Canaris, HGB Anh. § 357 Rdz. 188; Hadding, Festschrift, S.387; Reyher - Sperl, S. 18. S5 Wie Engel, S. 21 a. E. unter Widerspruch gegen seine Ausführungen S.41 - selbst zugibt; Einschub in Klammern vom Verf. 56 So auch RGRK / Canaris, HGB Anh. § 357 Rdz.188; und Engel selbst, S. 41, wo er konzediert, daß ohne Einlösungspflicht der Bank das Lastschriftverfahren "als Mittel zur Zahlung seiner Geldschuld für ihn (den Schuldner) nicht geeignet wäre"; zur Begründung führt Engel, aaO. jedoch nur aus, daß der Schuldner "für die Bank erkennbar ein Interesse daran (besitze), daß die Lastschriften seines Gläubigers, soweit sie berechtigt sind, unverzüglich eingelöst werden"; vgl. insoweit auch Hadding, Festschrift, S. 387 mit Fn. 51. 57 Canaris, aaO.; gegen Engel aus diesem Grunde auch Reyher - Sperl, S. 18.
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§ 3 Die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten
was soll dann eine zusätzliche Zahlungsermächtigung in Form des Abbuchungsauftrages? Dieser wäre jedenfalls dann vollkommen überflüssig und verzichtbar, wenn es sich - wie zumeist - um einen unlimitierten Abbuchungsauftrag handelt, dieser also nicht etwa nach Höhe und Anzahl der Abbuchungen begrenzt ist. Denn in solchem Falle ist die im Abbuchungsauftrag deklarierte Zahlungsermächtigung der Bank umfassender als die in der Einzugsermächtigung liegende. Während der Abbuchungsauftrag die Einlösung aller vom Gläubiger eingereichten Lastschriften deckt, legitimiert die externe Einzugsermächtigung die Zahlstelle nur zur Einlösung der berechtigterweise vom Gläubiger ausgestellten Lastschriften58 • Diese Erklärungsschwäche sollte daher ebenfalls zu erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit des vorbezeichneten Verständnisses der Lastschriftermächtigung Anlaß geben. 2.1.2.4 Unzulässige Verknüpfung von Ermächtigung und Drittbeziehung Aus der Theorie Engels, daß die Zahlungsermächtigung der Schuldnerbank beschränkt sei auf die Einlösung der nach dem Valutaverhältnis berechtigten LastschriftenS9 , ergeben sich noch weitere konstruktive wie auch erhebliche praktische Bedenken. Zum einen werden auf diese Weise Umfang und Wirksamkeit der Ermächtigung im Außenverhältnis abhängig gemacht von dem Valutaverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner. Wie diese Abhängigkeit erklärt werden könnte, bleibt offen. Die Ermächtigung ist - jedenfalls in Wirkung und Umfang - der Vollmacht vergleichbar 60 • Wie diese ist sie gegenüber dem Grundgeschäft abstrakt, so daß die hieraus resultierenden Folgerungen im Recht der Stellvertretung auf die Ermächtigung anwendbar sind81 • Die mithin abstrakte Ermächtigung der Zahlstelle verleiht ihr die Rechtsrnacht, wirksame Zahlungen aus dem Guthaben des Schuldners auf eingehende Lastschriften hin vorzunehmen62 • Zahlt nun die Bank auf eine unberechtigte Lastschrift hin, so müßte diese Verfügung nach der hier besprochenen Auffassung unwirksam sein (zumindest schwebend unwirksam entsprechend § 185 Abs. 2 BGB). Das bedeutet nichts So konsequent Engel, S. 21 m. Fn. 33. aaO. S. 21. 60 Larenz, Allgemeiner Teil, § 24, S.430; Flurne, Allgemeiner Teil H, § 57 1 b, c, S. 903 f., 905; Thiele, Die Zustimmung in der Lehre vom Rechtsgeschäft, S. 146 ff., 147. 61 RGRK / Steffen, BGB § 182 Rdz. 6; Flurne, § 57 1 c, S. 905; zur abstrakten Natur der Vollmacht: Stau dinger / Coing, BGB § 167 Rdz. 1 a; EnneccerusNipperdey, § 184 IH, S. 1135 f.; differenzierend Frotz, Verkehrsschutz im Vertretungsrecht, S. 328 ff., 337 ff. 62 Gern. den §§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 1 BGB, s. Engel, S.20. 58 58
1. Die Beziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger
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anderes, als die Verfügungsrnacht der Bank in Abhängigkeit zu setzen zu einem Kausalverhältnis, das sie weder etwas angeht noch das sie überblicken kann. Damit ist die Selbständigkeit der Verfügungsrnacht aufgehoben. Zugunsten der Belange des Ermächtigenden wird durch diese Verknüpfung mit seinem internen Bereich die Sicherheit des rechtsgeschäftlichen Verfügungsverkehrs beeinträchtigt. Dies ist mit der geltenden Dogmatik nicht in Einklang zu bringen63 • Des weiteren ist unklar, wie denn überhaupt die Schuldnerbank in der Praxis feststellen soll, wann eine Lastschrift des Gläubigers berechtigterweise erfolgt; denn einen Einblick in das Valutaverhältnis hat sie nicht 64 • Eine solche Prüfung entspräche im übrigen nicht der Natur des Lastschriftverfahrens, das auf zügig abzuwickelnden Massenverkehr angelegt ist. Gerade aus diesem Grunde sind die forderungsbegleitenden Urkunden sowie nicht fällige Forderungen vom Lastschriftverfahren ausgeschlossen worden (s. o. 1. vor Fn. 20). Eine derartige Prüfung wird denn auch in praxi von den Zahlstellen nicht vorgenommen. Nach der Auffassung Engels würde das allerdings bedeuten, daß die Zahlstellen die Einlösung unberechtigter Lastschriften eventualiter in Kauf nähmen und damit bedingt vorsätzlich oder doch bewußt fahrlässige Vertragsverletzungen begingen. Eine immerhin merkwürdige Konsequenz65 , die nicht zuletzt den Kreditinstituten befremdlich erscheinen müßte (hierzu noch unten 2.1.5 sowie i. e. 4.3.1.2). 2.1.2.5 Keine Notwendigkeit einer Empfangsermächtigung
Letztendlich kann die von Engel begründete Auffassung auch insofern nicht befriedigen, als es einer besonderen Empfangsermächtigung des Gläubigers nicht bedarf. Das Gegenteil, also die Notwendigkeit einer ausdrücklichen Ermächtigung, will Engel 66 aus der Nichtanwendbarkeit des § 267 BGB herleiten sowie aus der Kondizierbarkeit der Gutschrift durch die Schuldnerbank im Falle, daß der Schuldner ihre Zahlungsermächtigung widerrufen habe 67 • Beide Prämissen sind jedoch nicht richtig. § 267 Abs.l BGB schafft die Möglichkeit einer Bewirkung der Leistung durch einen Dritten Dagegen auch Hadding, Festschrift, S. 386; Fallscheer-Schlegel, S. 8 f. So mit Recht Hadding, aaO.; Pleyer-Holschbach, DB 72, 763; Franke, DB 73,1057; Schlegelberger / Hefermehl, HGB Anh. § 365 Rdz. 136; und auch Engel, S. 41. 65 Die allerdings (aus der Sicht Engels folgerichtig) von Pleyer-Holschbach, DB 72, 764 gezogen wird. 66 aaO., S. 22 f. 67 Engel, S. 22 unter ccc. 63
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§ 3 Die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten
unter Anrechnung auf das Valutaverhältnis. Seine Anwendung setzt voraus, daß der Dritte (hier: die Schuldnerbank) in der Absicht leistet, eine fremde Verbindlichkeit zu tilgen68 , wobei nicht sein innerer Wille entscheidend ist, sondern wie aus der Sicht des Gläubigers das Verhalten des Dritten zu verstehen ist69 • Wenn die Zahlstelle die eingereichte Lastschrift einlöst und dem Gläubiger die Gutschrift vermittelt, so geschieht dies in dem Bewußtsein, nicht auf eine eigene Schuld zu leisten, sondern eine fremde Verbindlichkeit, nämlich die ihres Kunden, zu begleichen. Dies dürfte auch aus der Sicht des Gläubigers einem Zweifel nicht unterliegen. Die Tatsache, daß der Dritte (die Zahlstelle) dabei mit Rücksicht auf seine Beziehungen zum Schuldner (dem Geschäftsbesorgungsvertrag) handelt, ist als bloß vorgelagerte Motivation in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung; die Fälle des Handeins als Beauftragter der Schuldners dürften sogar die häufigsten Anwendungsfälle des § 267 BGB darstellen70 • Ausgehend von der im Schrifttum überwiegenden und in der Rechtsprechung gefestigten Leistungsdefinition als bewußter und zweckgerichteter Mehrung fremden Vermögens71 , bedeutet die Einlösung der Lastschrift durch die Zahlstelle eine Simultanleistung: a) der Zahlstelle an den Schuldner im Rahmen des Deckungsverhältnisses und b) des Schuldners an den Gläubiger im Valutaverhältnis72 • Dies hat zur Konsequenz, daß bei einem Fehler im Deckungsverhältnis, also auch etwa 68 Staudinger / Werner, BGB § 267 Rdz.5; Soergel / R. Schmidt, BGB § 267 Rdz. 2; Palandt/Heinrichs, BGB § 267 Anm.2. 6D BGHZ 40, 272 ff., 278; 58,184 ff., 188; 72,246,249; BGH, NJW 74, 1132 ff., 1132 a. E.; Palandt / Heinrichs, wie vor. 70 Staudinger / Werner, BGB § 267 Rdz. 11. 71 Esser, Schuldrecht II, § 101 12, S.339; Kötter, AcP 153, 193 ff.; Berg, NJW 62, 101; Zeiß, JZ 63, 7 ff., 8; Palandt / Thomas, BGB § 812 Anm.2 a; BGHZ 40, 272 ff., 277; 72,246,248 m. w. Nw. 72 Staudinger / Seufert, BGB § 812 Rdz. 8 ca; Palandt / Thomas, BGB § 812 Anm. 5 B b dd; so auch Engel, S. 23 unter ce; unverständlich allerdings Engel wenig zuvor (S. 23), wenn er ausführt, § 267 BGB sei unanwendbar, weil die Einlösung der Lastschrift keine Leistung des Dritten (der Zahlstelle) an den Gläubiger sei; dies ist nur richtig im Sinne des Bereicherungsrechts, das allerdings einen anderen Leistungsbegriff verwendet als die Erfüllungsproblematik (Esser, Schuldrecht II, § 101 I, S.338); § 267 BGB verlangt indessen keine Leistung des Dritten an den Gläubiger im Sinne des Bereicherungsrechts, sondern nur, daß der Dritte "die Leistung des Schuldners" an den Gläubiger bewirkt (Lorenz, AcP 168, 298; ders., JuS 68, 445; Enneccerus - Lehmann, § 205 I 2 b, S. 828). Im Gegenteil ist die Anwendung des § 267 BGB dann ausgeschlossen, wenn der Dritte mit eigenem Leistungszweck im Verhältnis zum Gläubiger etwas zuwendet (Staudinger / Werner, BGB § 267 Rdz. 5,16; Palandt / Heinrichs, BGB § 267 Anm.2). Die Anwendungsfälle des § 267 BGB sind daher gerade das Paradigma für die Simultanleistung im Dreiecksverhältnis, (vgl. etwa Palandt / Thomas, BGB § 812 Anm. 5 B b dd).
1. Die Beziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger
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beim Fortfall oder gänzlichen Fehlen ihrer Zahlungsermächtigung73 , die Schuldnerbank die Leistung nicht gegenüber dem Gläubiger kondizieren kann, wenn das Valutaverhältnis in Ordnung ist und der Schuldner durch die Zuwendung seiner Bank entlastet wird. Die Bank hat in diesem Fall ihren Ausgleich grundsätzlich beim Schuldner, ihrem Kunden, zu suchen, wobei sie ihren Anspruch regelmäßig sowohl auf das Bereicherungsrecht als auch eine Geschäftsführung ohne Auftrag stützen kann74 • Zwar ist nicht zu verkennen, daß die überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum dem Zahlenden (der Bank) dann einen unmittelbaren Bereicherungsanspruch gegen den Empfänger gewährt, wenn es von vornherein an einer wirksamen Anweisung fehlt 75 • Doch wird man diese These mit der Mindermeinung76 richtigerweise dahingehend einzuschränken haben, daß dem Empfänger das Fehlen der Zahlungsermächtigung bekannt ist. Ansonsten müßte sich die Zahlung des Dritten - die ja den Schuldner im Valutaverhältnis befreit - für den Lastschriftgläubiger als Leistung seines Schuldners darstellen. Denn bei objektiver Betrachtung aus Empfängers Sicht77 kann der Gläubiger im Normalfall nicht von einer an ihn gerichteten Leistung der Hausbank seines Schuldners ausgehen. Er muß vielmehr davon ausgehen, daß die Bank auf Weisung des Schuldners zahlt und nur an diesen eine Leistung erbringen will. Die Einschränkung, daß ein direkter Bereicherungsanspruch der Bank gegen den Gläubiger nur bei dessen Kenntnis von dem Fehler im Deckungsverhältnis gegeben ist, folgt mithin aus dem Leistungsbegriff selbst. Darüber hinaus gewährt diese Einschränkung eine wünschenswerte Harmonisierung mit den Ansprüchen aus GoA, die regelmäßig dann der Bank gegen den Schuldner erwachsen, wenn letzterer durch die Zahlung der Bank von einer Verbindlichkeit befreit wird. Abschließend sei darauf hingewiesen, daß diese Differenzierung nach der Kenntnis des Empfängers (von dem Mangel im Deckungsverhältnis) durchaus auf der Linie einer Reihe jüngerer BGH-Entscheidungen liegt, die im Ergebnis für den direkten Bereicherungsausgleich zwischen Drittem und Empfänger auf eben diesen Umstand abstellen78 • Dem von Engel, S. 22, befürchteten Fall. BGH, DB 75, 2432 m. w. Nw. zur Rspr., ferner BGHZ 61, 289; Erman I H. P. Westermann, BGB § 812 Rdz.21; Palandt I Heinrichs, BGB § 267 Anm.5; Lorenz, AcP 168, 298; ders. JuS 68, 446; Larenz, Schuldrecht 11, § 68 III cl, S. 480 f. 75 BGHZ 66, 362, 364 f. m. zahlr. Nw. ebd. 76 Erman I H. P. Westermann, BGB § 812 Rdz. 21, m. w. Nw.; Larenz, Schuldrecht 11, § 68 III c 2, S. 482 f. 77 Wie sie der Leistungsdefinition durch die h. M. zugrunde gelegt wird, BGHZ 72, 246,249 und die weiteren Nw. zu Fn. 71. 73
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Damit wird im Ergebnis der Gläubiger vor Bereicherungsansprüchen des zahlenden Dritten geschützt, soweit er davon ausgehen kann und darf, daß es sich bei der Zahlung um eine Leistung seines Schuldners handelt. Dieser Schutz ist auch für den Gläubiger im Lastschriftverfahren allemal ausreichend. Ist dem Gläubiger das Vorhandensein eines Mangels im Deckungsverhältnis bekannt oder wird der Schuldner durch die Zahlung der Bank von keiner Verbindlichkeit gegenüber dem Gläubiger befreit, so kann der Bereicherungsausgleich freilich nur direkt zwischen ihm und dem Dritten erfolgen79 • Da der Gläubiger jedoch hiermit von vornherein rechnen muß bzw. er die Zahlung ohnehin zurückzugewähren hat, bedarf es keiner besonderen Schutzvorkehrungen zu seinen Gunsten. Nach alledem ist festzuhalten, daß die Befugnis des Gläubigers, die durch einen Dritten bewirkte Leistung in Empfang zu nehmen, schon aus dem Gesetz folgt in Verbindung mit seiner Gläubigerstellung aus dem Valutaverhältnis80 • Diese Rechtsstellung ist gegenüber dem die Leistung bewirkenden Dritten hinreichend abgesichert. Einer besonderen Empfangsermächtigung des Gläubigers in Form der Lastschriftermächtigung bedarf es nicht81 • 2.1.3 Vollmacht zur Ausübung der Weisung?
2.1.3.1 Darstellung der Konstruktion (Sandberger, Fallscheer-Schlegel) Eine dritte Meinung will die Lastschriftermächtigung als Inkassovollmacht erfassen82 • Der Schuldner erteilt danach dem Gläubiger die Vollmacht, das ihm (dem Schuldner) gegenüber seiner Bank (der Zahlstelle) zustehende girovertragliche Weisungsrecht nach § 665 BGB auszuüben. Der der Zahlstelle zu erteilende Abbuchungsauftrag und die alternativ dem Gläubiger zu gewährende Einzugsermächtigung sind dann lediglich zwei verschiedene Formen der Erteilung dieser Vollmacht. Der Abbuchungsauftrag ist die externe Vollmachtserteilung gegenüber dem BGHZ 61, 289; 66,362; 66,372; vgl. ferner BGHZ 72, 246, 249. Erman / H. P. Westermann, BGB § 812 Rdz. 21; Larenz, Schuldrecht II, § 68 IIr c 1, 2, S. 480 ff.; Lorenz, AcP 168, 293, 301; ders., JuS 68, 445; Palandt / Heinrichs, BGB § 267 Anm. 5. 80 Larenz, Schuld recht II, § 67 II b, S. 459. 81 So auch ein Teil der Lit. für die echte Anweisung: Larenz, aaO.; Ulmer, Recht der Wertpapiere, S. 138; Leonhard, Schuldrecht II, § 181, S.364; Jung, JherJb. Bd.69, S. 84, 87; Adler, ZHR 64, 164 mit Fn.54 (S. 164 ff., 167); Ludewig, Die Ermächtigung nach bürgerlichem Recht, S. 67; a. A. Enneccerus - Lehmann, § 203 I 3, S. 828 f.; v. Tuhr, JherJb. Bd.48, S.30; wie hier auch Fallscheer-Schlegel, S. 7 ff. mit eingehender Begründung. 82 So Sandberger, JZ 77, 286; Fallscheer-Schlegel, S. 14 ff. 78
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Geschäftsgegner (§ 167 Abs. 1, 2. Alt. BGB), die Einzugsermächtigung die interne gegenüber dem zu bevollmächtigenden Gläubiger (§ 167 Abs. 1, 1. Alt. BGB)83. 2.1.3.2 Zum Vorhalt des Eigeninteresses
Auch diese Konstruktion kann indessen die Lastschriftermächtigung dogmatisch nicht befriedigend erklären. Wenn allerdings angeführt wird, die Einziehung erfolge vorwiegend im Interesse des Gläubigers, was der Annahme einer Inkassovollmacht entgegenstehe84, so ist dieser Einwand jedenfalls nicht richtig. Ausgehend von § 270 BGB, wonach der Schuldner Geldzahlungen im Zweifel auf seine Gefahr und Kosten an den Wohnsitz des Gläubigers zu übermitteln hat, ist zum einen festzustellen, daß die Lastschriftermächtigung sicher auch im Interesse des Schuldners erfolgt. Zum anderen ist die Interessenlage für das Recht der Stellvertretung nahezu indifferent. Für das Vertretungsrecht ist allein das Handeln im fremden Namen relevant, nicht dagegen das Handeln im fremden Interesse85 . Die Wahrnehmung fremder Interessen ist nur beim Auftrag (bzw. der Geschäftsführung ohne Auftrag) ein entscheidendes Kriteriums6 • Im Innenverhältnis liegt der Vollmacht zwar häufig ein Auftrag zugrunde; indessen ist die Vollmacht abstrakt ausgestaltet und von dem zugrundeliegenden Rechtsgeschäft scharf zu unterscheiden87 • Die Interessenlage spielt daher bei der Vollmacht grundsätzlich keine Rolle. Nur im Rahmen einer aus den Umständen zu entnehmenden Stellvertretung (§ 164 Abs. 1, S. 2 BGB) kann die Interessenlage ausnahmsweise eine gewisse Bedeutung erlangen, doch auch dort nur als ein höchst vorsichtig zu wertendes Indiz88 • 2.1.3.3 Mangel der fehlenden Offenkundigkeit
Ein unüberwindbares Hindernis für die Anwendung des Stellvertretungsrechts ist jedoch die fehlende Offenkundigkeit einer Stellvertretung des Schuldners durch den Gläubiger. Der Gläubiger handelt 83 Sandberger, aaO.; vgl. auch RGRK / Canaris, HGB Anh. § 357 Rdz.188; Engel, S. 19. 84 Düringer - Hachenburg / Breit, HG B Rdz. 17 vor § 363 (zur Abgrenzung von der Anweisung); ihm folgend Engel, S. 19. 85 Enneccerus - Nipperdey, § 178 !I 2, S. 1091; v. Tuhr, Allgemeiner Teil !I, § 84 I 2, S. 336. 88 Enneccerus - Lehmann, § 160 I 3, S. 682; Larenz, Schuldrecht !I, § 56 I, S. 296 f.; Staudinger / Nipperdey, BGB § 662 Rdz. 8 ff.; Soergell Mühl, BGB § 662 Rdz. 10; Erman / Hauß, BGB Rdz. 6 vor § 662. 87 Enneccerus - Nipperdey, § 184 !II 1, 2, S. 1136; Staudinger / Coing, BGB Rdz. 7, 10 vor § 164; RGRK / Steffen, BGB Rdz.5 vor § 164; § 167 RdZ.2. 88 RGRK / Steffen, BGB § 164 Rdz.6; Erman / H. Westermann, BGB § 164 Rdz. 6 ff., 8; vgl. auch Staudinger / Coing, BGB § 164 Rdz. 6 a f.
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§ 3 Die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten
bei Einreichung der Lastschriften nicht in fremdem Namen. Letzteres könnte zwar auch konkludent erfolgen (§ 164 Abs.1, S.2 BGB), wenn nur die gesamten Umstände, objektiv und unter Berücksichtigung der Verkehrs auffassungen beurteilt aus der Lage des Erklärungsgegners, eine Stellvertretung erkennen ließen89 • Dies ist aber beim Lastschriftverkehr nicht der Fall. Die Einreichung der Lastschriften dient den eigenen Angelegenheiten des Gläubigers, der Liquidierung seiner Forderungen gegen den Schuldner. Eine auf Stellvertretung hindeutende Fremdwirkung der Erklärungen oder soziale oder berufliche Abhängigkeit des Erklärenden vom Schuldner90 sind für die Zahlstelle als Erklärungsgegnerin nicht erkennbar. Im übrigen bringt das Lastschriftverfahren für Gläubiger und Schuldner Vorteile mit sich (s. o. § 1 Ir. 2.2, 2.3); zwar mögen diese nicht gleichmäßig verteilt sein; ein sicherer Schluß von der Interessenlage auf ein Vertretungsverhältnis ist indessen bei dieser Konstellation nicht mehr möglich. Mithin handelt der Gläubiger beim Lastschrifteinzug weder ausdrücklich noch den Umständen nach als Stellvertreter des Schuldners. Die fehlende Offenheit der Stellvertretung bedeutet einen nicht behebbaren Mangel dieser Konstruktion 91 • Das Vertretungsrecht des BGB kennt im gewillkürten Bereich nur die offene Stellvertretung. Die Offenkundigkeit ist zwar keine dogmatische Zwangsläufigkeit des Stellvertretungsrechts 92 , sie ist aber ein vom Gesetzgeber erhobenes tragendes Prinzip unserer Zivilre('htsordnung93 • Der dahinterstehende Gedanke der Transparenz der Rechtsverhältnisse, letztlich also der Vertrauensschutz im Rechtsverkehr, kann nur verwirklicht werden, wenn von der Offenkundigkeit der Stellvertretung für den Geschäftsgegner Ausnahmen nicht zugelassen werden und damit die Verläßlichkeit dieses Rechtsprinzips nicht usurpiert wird94 • Demgegenüber erscheint es wenig sachdienlich, wenn FallscheerSchlegel den Hinweis der überwiegenden Meinung auf die fehlende 89 Die Vorgenannten, jeweils aaO.; ferner Flurne, Allgemeiner Teil H, § 44 I, S.764. 90 Enneccerus - Nipperdey, § 178 Ha, b, S. 1092; Flurne, Allgemeiner Teil H, § 44 I, S. 764; RGRK / Steffen, BGB § 164 Rdz. 6. 91 Sandberger, JZ 77, 286, hat zu diesem kritischen Punkt keine Stellung genommen, wie er überhaupt jede Begründung seiner Konstruktion vermissen läßt; sein aaO. unter Fn. 13 für die ZHR angekündigter Aufsatz ist bisher noch nicht erschienen. 92 Thiele, Die Zustimmungen in der Lehre vom Rechtsgeschäft, S. 209; Flurne, § 44 I, S. 763 f.; Larenz, Allgemeiner Teil, § 30 H b, S.524. 93 Die vorgenannten, jeweils aaO.; ferner Stau dinger / Coing, BGB Rdz.8, 11 vor § 164; RGRK / Steffen, BGB § 164 Rdz.5. O~ Flurne, aaO. S. 764; Enneccerus - Nipperdey, § 178 11 2, S. 1092; Erman / H. Westermann, BGB § 164 Rdz.6.
I. Die Beziehungen zwischen Schuldner und
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Offenkundigkeit einer Vertretung beim Lastschrifteinzug als "axiomatische Behauptung" diffamiert95 • Jener Einwand ist das Ergebnis schlichter Subsumption der tatsächlichen Vorgänge unter die Regeln des Stellvertretungsrechts; er ist deshalb nicht weniger durchschlagend. Fallscheer-Schlegel selbst weiß dem nichts wesentliches entgegenzusetzen. Wenn er 96 , unter Berufung auf Stathopoulos 97 , die Annahme eines Vertretungsverhältnisses mit der Abstellung auf den "dominum negotii" rechtfertigen will, so geht diese Begründung in zweierlei Hinsicht fehl. Zunächst läßt sich die These, der Zahlungspflichtige sei der eigentliche Geschäftsherr, nicht damit belegen, daß der einzelne Lastschrifteinzug statistisch als "eine Art der Verfügung" des Zahlungspflichtigen über sein Kontoguthaben behandelt wird 9s • Sicherlich ist es auch das. Genauso aber ist der Lastschrifteinzug eine Maßnahme von wirtschaftlichem Interesse und Vorteil des Gläubigers: nämlich die Liquidierung seiner eigenen Forderung. Auch die Möglichkeit des Schuldners, letztlich noch über den Widerspruch bestimmen zu können, läßt ihn nicht als den eigentlichen Geschäftsherrn erscheinen. Der Widerspruch entspringt - wie noch i. e. zu zeigen sein wird 9g - dem umfassenden girovertraglichen Weisungsrecht des Schuldners gegenüber der Zahlstelle. Die Lastschriftermächtigung ist ein Ausschnitt aus diesem umfassenden Weisungsrecht, den der Gläubiger gerade weitgehend selbständig beherrscht. Es handelt sich insoweit um eine "konkurrierende Weisungszuständigkeit"loo. Im Abbuchungsauftragsverfahren, wo der Schuldner nicht einmal mehr das Widerspruchsrecht besitzt, verschlägt jener Hinweis ohnehin nicht. Doch selbst wenn man den Schuldner für den dominum negotii nehmen und Fallscheer-Schlegel insoweit folgen wollte, läßt sich ein Stellvertretungsverhältnis nicht begründen. Denn das Kriterium, wem ein Geschäft wirtschaftlich zuzurechnen ist, vermag allein noch nicht die Annahme einer Stellvertretung zu begründen. Verdeckte Vertretungsverhältnisse, wie etwa im Bereiche von Treuhand- und insbesondere Kommissionsgeschäften, belegen dies zur Genüge: sie unterliegen durchaus nicht den Rechtsregeln der §§ 164 ff. BGB. Selbst Stathopoulos, den Fallscheer-Schlegel maßgeblich für seine Auffassung ins Feld führt 10 t, läßt keinen Zweifel daran, daß der offene Bezug die GrundaaO. S. 14. aaO. S. 15. 97 Die Einziehungsermächtigung, S. 26 ff., 28. 98 So aber Fallscheer-Schlegel, S. 16. 99 s. u. 4.3.1.1 Text nach Fn. 283 und 4.3.2.2. 100 So Fallscheer-Schlegel selbst, S. 11. 101 aaO. S. 15 f. D5
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§ 3 Die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten
voraussetzungen jeglichen HandeIns in Stellvertretung ist102 • Stathopoulos will das Kriterium des "eigentlichen Geschäftsherrn" lediglich zur Abgrenzung des "Handelns in fremdem Namen" vom "Handeln in eigenem Namen" heranziehen. Damit wird keineswegs der Offenheitsgrundsatz obsolet - wie Fallscheer-Schlegel anzunehmen scheint. Im Gegenteil: es genügt noch nicht einmal jedes offene Handeln für einen anderen zur Annahme einer Stellvertretung103 • Vielmehr muß der Vertreter dem Gegner eindeutig offenlegen, daß er selbst - abgesehen von seiner technischen Beteiligung als "Mittler" bei dem rechtsgeschäftlichen Kontrahierungsakt - mit dem geschlossenen Vertrage nichts zu schaffen hat. Es müssen "sowohl die Wirkungen (des Rechtsgeschäfts) als auch die Parteirolle erkennbar dem Hintermann zugewiesen" werden104 • An dieser folglich doppelten Ausrichtung der Offenkundigkeit105 mangelt es aber gerade beim Lastschrifteinzug. Selbst wenn den Einzugsbeteiligten daher klar ist, daß der Zahlungsempfänger im Auftrage108 des Zahlungspflichtigen den Lastschrifteneinzug durchführt, so läßt dies nicht den Schluß zu, daß der Gläubiger im Namen des Schuldners und mit Rechtswirkung für und gegen diesen den Lastschrifteinzug initiiert. Denn eine Zuweisung der Parteirolle auf den Zahlungspflichtigen läßt sich den Erklärungen des Gläubigers und den Umständen bei der Einreichung einer Lastschrift keinesfalls entnehmen. Selbständiger Auftraggeber bei der Einleitung des Lastschrifteinzuges und alleiniger Vertragspartner des ersten Gliedes der Einzugskette ist der Gläubiger107 • Den Lastschrifteinzug als Stellvertretung des Schuldners durch den Gläubiger einzuordnen, ist daher ausgeschlossen; allenfalls bliebe innerhalb dieses Konstruktionsrahmens die Annahme einer Ermächtigung108 ; hierauf wird sogleich einzugehen sein.
Stathopoulus, S. 26. So ausdrücklich Stathopoulos, S.26, unter Hinweis auf Thiele, Die Zustimmungen in der Lehre vom Rechtsgeschäft, S. 152. 104 Thiele, aaO. S. 152, Einschub in Klammern vom Verf. 105 Vgl. Thiele, wie vor. 106 Zu diesem Auftragsverhältnis noch i. e. unten 3.1. 107 Zu den Rechtsverhältnissen in der Einzugskette noch i. e. unten ur. 1. 108 So (wegen der fehlenden Offenkundigkeit) konsequent RGRK! Canaris, HGB Anh. § 357 Rdz. 188; gegen die Annahme eines Stellvertretungsverhältnisses auch Engel, S. 19; Obermüller, S. 101; E. Putzo, S. 48 f.; wohl auch Hadding, Festschrift, S. 385 ff. 102
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1. Die Beziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger
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2.1.4 Ausübungsermächtigung i. S. d. § 185 BGB? 2.1.4.1 Darstellung der Konstruktion (Canaris)
Eine weitere, von Canaris vertretene Auffassung erblickt in der Grundlage des Lastschrifteinzuges eine Ermächtigung zur Ausübung des Weisungsrechts im eigenen Namen gemäß § 185 BGBI0U. Ähnlich der zuvor besprochenen Konstruktion liegt in der dem Gläubiger erteilten Einzugsermächtigung eine der Innenvollmacht korrespondierende "interne Ermächtigung"; der dem Kreditinstitut in der anderen Verfahrensart erteilte Abbuchungsauftrag enthält eine der Außenvollmacht entsprechende "externe Ermächtigung"; beide Formen werden zurückgeführt auf § 182 Abs. 1 BGB110. Ähnlich der Konstruktion Engels (s. o. 2.1.2.1 vor Fn.51) ist die Ermächtigung des Gläubigers beschränkt auf die Ausstellung berechtigter Lastschriften111 . 2.1.4.2 Zu den bisher erhobenen Einwänden
Dieser Theorie ist zunächst zuzugeben, daß sie der Zahlstelle entsprechend den Vorstellungen der Beteiligten eine Leistungsverpflichtung lediglich gegenüber dem Schuldner auferlegt, ihrem Vertragspartner. Der Gläubiger erhält keinen eigenen Anspruch auf Zahlung gegen die Schuldnerbank eingeräumt112 • Denn die Ermächtigung zur Ausübung des Weisungsrechts führt nicht zu einer "Abspaltung" bzw. einer übertragung aus dem Recht des Ermächtigenden, geschweige denn zu einem übergang des Anspruchs auf die girovertragliche Dienstleistung 113. Der Gläubiger wird zur Ausübung des Weisungsrechts befugt, nicht mehr und nicht weniger. Dieser Auffassung läßt sich auch nicht entgegenhalten, sie binde die Ermächtigung systemwidrig an ein Kausalverhältnis114 • Zwar wird die Ermächtigung intern beschränkt auf die Einreichung berechtigter Lastschriftkarten. Hierbei handelt es sich aber um die Weisungsermäch109 RGRK / Canaris, HGB Anh. § 357 Rdz.188; dagegen Hadding, Festschrift, S. 385 ff.; Engel, S. 19 f.; Lüke - Philippi, JuS 78, 307. 110 Canaris, aaO.; ähnlich: Reyher - Sperl, S. 17 ff.; E. Putzo, S. 49 ff. 111 Canaris, aaO. Rdz.189; ausgehend von dem Erfordernis einer Ausübungsermächtigung für beide Arten des Lastschriftverfahrens (aaO. Rdz. 188), müßte Canaris diese Einschränkung allerdings auch für die im Abbuchungsauftragsverfahren extern erteilte Ausübungsermächtigung annehmen; die Form der Außenvollmacht kann lediglich besondere Schutzwirkungen für die Zahlstelle als Erklärungsgegnerin zur Folge haben, wie etwa die des § 170 BGB; insoweit zumindest mißverständlich Canaris, aaO. Rdz. 189. 112 a. A. Engel, S. 19 f. 113 Flume, Allgemeiner Teil H, § 57 1 c, S.904; Canaris, aaO. RdZ.83. 114 So aber offenbar Hadding, Festschrift, S. 386.
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§ 3 Die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten
tigung des Gläubigers, im Gegensatz zu der Auffassung Engels, wo es um die Zahlungsermächtigung der Bank ging, die in ihrer Außenwirksamkeit beschränkt werden sollte durch ein fremdes Kausalverhältnis (s. o. 2.1.2.4). Die vorliegende Begrenzung stellt sich dar als eine solche im Innenverhältnis, etwa als ein der Ermächtigung zugrundeliegender Auftrag 115 • Das Problem des Mißbrauchs der Ermächtigung durch den Gläubiger, vor allem also der Initiierung unberechtigter Lastschriften, wird dann entsprechend dem Mißbrauch einer Vertretungsmacht behandelt116 • 2.1.4.3 Problematik der Einschränkung der Gestaltungswirkungen Problematisch bleibt die Beschränkung der Ausübungsermächtigung in der vorbeschriebenen Weise freilich unter einem anderen Aspekt. Die Weisung i. S.d. § 665 BGB ist ein Gestaltungsrecht (s. o. 2.1.1.4 vor Fn.42 mit Nw. ebd.). Gestaltungsrechte können regelmäßig nicht unter einer Bedingung ausgeübt werden; der Gestaltungsgegner soll nicht in Rechtsunklarheit belassen werden dürfen117 • Nun ist zwar die Bindung der Weisungsermächtigung des Gläubigers an die Ausstellung berechtigter Lastschriften nicht als Beifügung einer Bedingung aufzufassen, sondern als inhaltliche Beschränkung1l8 . Für die Zahlstelle als Weisungsempfängerin bleibt gleichwohl eine erhebliche Ungewißheit, denn sie ist nicht in der Lage zu übersehen, wann eine Lastschrift berechtigterweise erfolgt (dazu schon oben 2.1.2.4 mit Fn. 64 f.). Mit einer gewissen Berechtigung wird daher darauf hingewiesen, daß diese Ausgestaltung der Ermächtigung der Beifügung einer Bedingung praktisch sehr nahe kommt und daher bedenklich ist119 • 2.1.4.4 Einwand der Verpflichtungs ermächtigung Schwerer wiegt allerdings der Einwand, daß es sich bei der Weisungsausübungsermächtigung in Wahrheit um eine nach herrschender Auffassung nicht zulässige Verpflichtungsermächtigung handelt. Darunter 115 Etwa RGRK / Steffen, BGB § 167 Rdz. 2; Enneccerus - Nipperdey, § 184 IU, S. 1135 ff.; vgl. auch Frotz, Verkehrsschutz im Vertretungsrecht, S. 337 ff. 116 Flume, § 57 1 c, S. 905; Canaris, aaO. Rdz. 189 (Regeln über die Scheinvollmacht); eingehend derselbe, Die Vertrauenshaftung im Deutschen Privatrecht, S. 120, 139 (70 ff.). 117 Larenz, Allgemeiner Teil, § 25 U, S. 436 f.; Enneccerus - Nipperdey, § 195 U 2, S. 1193 f.; Soergel / Knopp, BGB § 158 Rdz.36; Staudinger / Coing, BGB § 158 Rdz. 6, 6 c; Palandt / Heinrichs, BGB Überbl. 3 d vor § 104; § 158 Anm. 6. 118 Hadding, Festschrift, S. 387; Frotz, Verkehrsschutz im Vertretungsrecht, S. 337 für die Bevollmächtigung "zu allen pflichtgemäßen (ordnungsgemäßen) ... Verwaltungsmaßnahmen". m So Hadding, Festschrift, S. 387; kritisch allerdings Frotz, der die allgemeine Pftichtbindung als Immanens der Vollmacht ansieht, S. 337 ff., 339.
1. Die Beziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger
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ist zu verstehen, die "Ermächtigung, durch ein im eigenen Namen vorzunehmendes Rechtsgeschäft den Ermächtigenden zu verpflichten"12o. Bei der Weisung handelt es sich um ein einseitiges Rechtsgeschäft (vgl. o. 2.1.1.4 vor Fn. 42 mit Nw. ebd. und unter Fn. 41), das - wie aufgezeigt wurde - beim Lastschriftverfahren nicht in fremdem Namen ausgeübt wird, so daß der Tatbestand der Stellvertretung ausfällt121 • Durch die Weisung des ermächtigten Gläubigers an die Zahlstelle wird für den ermächtigenden Schuldner unmittelbar die Revalierungspflicht (§ 669 BGB) gegenüber der Zahlstelle begründet. Denn mit dieser Weisung werden die zur Ausführung der girovertraglichen Geschäftsbesorgung erforderlichen Aufwendungen konkretisiert (vgl. i. e. oben 2.1.1.4). Mit Ausführung der Weisung entsteht - wenn und soweit kein Vorschuß geleistet wurde - die Pflicht des Schuldners zur Leistung von Aufwendungsersatz (§ 670 BGB).
Canaris versucht diesem Einwand mit dem Hinweis zu begegnen, daß die Pflicht zur Revalierung bzw. zum Aufwendungsersatz lediglich "eine gesetzliche Nebenfolge" sei und daß die Weisung "nicht unmittelbar auf die Begründung einer Verpflichtung" des Schuldners gerichtet sei122 • Dieser Hinweis überzeugt nicht. Zunächst ist unklar, was mit der angeblich fehlenden "Unmittelbarkeit" gemeint sein soll. Jedenfalls hat die Weisung sehr direkt und ohne den Eintritt weiterer Voraussetzungen123 die Entstehung der Schuldnerverpflichtung zur Folge. Zweifelsohne handelt es sich auch um die rechtsgeschäftIiche Begründung einer Verpflichtung. Mag diese Verpflichtung auch als dispositivergänzende Rechtsfolge im Gesetz (den §§ 669, 670 BGB) ihren Niederschlag gefunden haben, handelt es sich bei der Aufwendungsersatzbzw. Freistellungsverpflichtung doch um keine gesetzliche, sondern eine rechtsgeschäftliche Pflicht. Denn ausschlaggebend für die Scheidung von 120 Ludewig, Die Ermächtigung nach bürgerlichem Recht, S. 72; EnneccerusNipperdey, § 204 I 3 b, S. 1236; Lehmann - Hübner, Allgemeiner Teil, § 37 VI 2, S.335. 121 Vgl. Thiele, S. 210; damit ist allerdings noch nicht die Möglichkeit ausgeschlossen, daß die Beteiligten an einer Fremdwirkung interessiert sind und dies auch offengelegt haben, so zutreffend Thiele, S. 210 f. 122 In RGRK, aaO. Rdz. 188. 123 Das nach § 669 BGB erforderliche Revalierungsverlangen (vgl. Palandt / Thomas, BGB § 669 Anm. 1) ist im überweisungs- und Lastschriftverkehr ein factum certum: es liegt in der Belastungsbuchung der Bank, wenn sie vor der Gutschrift auf dem Empfängerkonto erfolgt; wird die Belastungsbuchung nach der Gutschrift vorgenommen, so manifestiert sich darin der Anspruch auf Aufwendungsersatz; Schönle, Bank- und Börsenrecht, § 31 III 2, S. 357; Meyer-Cording, Das Recht der Banküberweisung, S. 36; RGRK / Canaris, HGB Anh. § 357 Rdz. 166 f.; Liesecke, WM 75,299; BGHZ 4, 244 ff., 248; a. A. Schlegelberger / Hefermehl, HGB Anh. § 365 Rdz.42.
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§ 3 Die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten
rechtsgeschäftlichen und gesetzlichen Pflichten ist der privatautonome Begründungsakt124 • Dieser liegt in dem zwischen Schuldner und Zahlstelle geschlossenen Girovertrag, ist also rechtsgeschäftlicher Natur. Ohne Belang ist letztlich, ob die Verpflichtung des Ermächtigenden das eigentliche Ziel des verpflichtenden Rechtsgeschäftes ist1 25 oder ob sie nur eine "Neben-"folge ist. Die Bedenken, die gegen die Verpflichtungsermächtigung erhoben werden, gelten gleichermaßen für alle Rechtsfolgen eines kraft Ermächtigung vorgenommenen Verpflichtungsaktes, so daß eine derartige Differenzierung nicht möglich ist und von den Gegnern dieser Rechtsfigur auch nicht vorgenommen wird128• Mithin ist die Ermächtigung zur Ausübung des Weisungsrechts eine Verpflichtungsermächtigung. Diese wird von der herrschenden Lehre und der Rechtsprechung abgelehnt, vor allem weil ansonsten das Offenkundigkeitsprinzip des Stellvertretungsrechts aufgegeben und damit die Grenzen zur verdeckten (indirekten) Stellvertretung verwischt werden würden sowie ferner, weil § 185 BGB ausschließlich auf Verfügungen, nicht aber Verpflichtungen anwendbar sei127 • Nun ist - wie erwähnt - die Offenkundigkeit durchaus kein denknotwendig vorauszusetzendes Merkmal des Stellvertretungsrechtes128 • Auch ist nachgewiesen worden, daß die Verpflichtungs ermächtigung unserer Zivilrechtsordnung nicht schlechthin wesensfremd ist129 • Vereinzelt finden sich daher Auffassungen, die eine Verpflichtungs ermächtigung wenig124 Larenz, Methodenlehre, S. 283 ff., 284: " ... die Verpflichtung des Käufers zur Zahlung des vereinbarten Kaufpreises (folgt) nicht erst aus der Anwendung des § 433 Abs.2 BGB ... , sondern aus der geschlossenen Vereinbarung selbst"; siehe ferner ebd. S. 240 ff. 125 Etwa im Sinne eines strafrechtlichen dolus directus ersten Grades; immerhin wäre auch dann zu sagen, daß die wirksame Verpflichtung des Schuldners zumindest ein als notwendig erkanntes und angestrebtes Zwischenziel ist, denn andernfalls käme der Gläubiger nicht in den Genuß der Gutschrift, seinem mit der Weisung verfolgten Endziel; vgl. etwa Blei, Strafrecht I, S. 104. 126 Die oben Fn.120 Genannten mit Ausnahme Ludewigs; ferner Enneccerus - Lehmann, § 34 V, S. 148; v. Tuhr, Allgemeiner Teil II 1, S. 227; Flume, Allgemeiner Teil II, § 57 I d, S. 905 f.; Raape, JherJb Bd.71, 100 ff.; Staudinger / Weber, BGB § 241 Rdz. 30 ff., 31; Staudinger / Coing, BGB Rdz. 63 c vor § 164; RGRK/Steffen, BGB Rdz.16 vor § 164; § 185 Rdz. 17; Erman/H. Westermann, BGB § 185 Rdz.6; jeweils m. w. Nw.; Palandt! Heinrichs, BGB§ 185 Anm.la. 127 Vgl. die unter Fn. 126 Genannten, insbesondere Enneccerus - Nipperdey, aaO.; Flume, aaO.; Raape, aaO.; eingehend ferner Köhler, Findet die Lehre von der Einziehungsermächtigung im geltenden Bürgerlichen Recht eine Grundlage?, S. 10 ff., 16 ff., 27 ff. 126 S. o. Fn. 92. 128 Bettermann, JZ 51, 321 ff.; Thiele, S. 207 ff.; wobei allerdings der induktiven Beweisführung Bettermanns weniger Oberzeugungskraft zukommt; denn "es geht nicht an, vom Besonderen auf das Allgemeine zu schließen"; so Enneccerus - Lehmann, § 35 V a. E., S. 148 mit Recht gegen Bettermann.
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stens dann zulassen wollen, wenn der Tatbestand der Fremdwirkung des Verpflichtungsgeschäftes dem Vertragsgegner offengelegt ist, mithin dessen Offenkundigkeitsinteressen bei der Kontrahierung gewahrt sind l30 • Dies wäre nun beim Lastschriftverfahren der Fall: die (durch die Weisung begründete) Verpflichtung des Schuldners (als Fremdwirkung) ist der Zahlstelle als Weisungsgegnerin bekannt. Indessen ist nicht zu verkennen, daß in Fällen, in denen die Fremdwirkung eines Verpflichtungsgeschäftes offenkundig ist, ein Bedürfnis für die Rechtsfigur der Verpflichtungsermächtigung nicht begründet werden kann. Für eine derartige Interessenlage gewähren die im BGB kodifizierten Stellvertretungsregeln hinreichende Gestaltungsmöglichkeiten. Die Beteiligten brauchen sich ihrer nur zu bedienen, der "Ermächtigte" nur im Namen des "Ermächtigenden" zu handeln, um die gewünschten Fremdwirkungen zu erzielen. Wenn aber für eine offengelegte Verpflichtungsermächtigung ein Bedürfnis nicht besteht1 3 t, und das auch nicht im vorliegenden Fall (wie noch i. e. aufzuzeigen sein wird), dann sollte von den Vorschriften des Stellvertretungsrechts nicht abgewichen werden. Dies gilt um so mehr, als die Beschränkung auf die Stellvertretungsregeln des BGB im Bereiche schuldrechtlicher Fremdwirkung kraft ihrer Faktizität ein erhebliches Eigengewicht erhalten hat. Der Rechtsverkehr hat sich auf diese Beschränkung eingerichtet. Im täglichen Rechtsleben wird ein fundamentales - vermutlich überhaupt nicht mehr reflektiertes Vertrauen dareingesetzt, daß Fremdwirkungen ohne eine erklärte Stellvertretung nicht eintreten können. Von diesem qua Gewohnheit entstandenen "Numerus clausns der Stellvertretungsregeln" können ohne Schaden für die Rechtssicherheit keine Ausnahmen mehr gemacht werden, so daß solche ohne Not auch dann nicht zugelassen werden sollten, wenn sie dogmatisch begründbar erscheinen. Da eine generelle Zulässigkeit der Verpflichtungsermächtigung de lege lata ohnehin nicht in Betracht kommt l32 , ist mit der herrschenden 130 Bettermann, JZ 51, 323; Thiele, S. 209 ff., 211; ihnen folgend: Soergel/ Schultze-v. Lasaulx, BGB § 185 Rdz. 39 ff., 42; neuerdings eingehend Doris, Die rechtsgeschäftliche Ermächtigung ... , S. 81 ff.; für die generelle Zulässigkeit der Verpftichtungsermächtigung: Ludewig, S. 72 ff. 131 Enneccerus - Nipperdey, § 2043 b, S. 1237; kritisch auch Larenz, Schuldrecht I, § 17 IV, S. 189 a. E. 132 So auch Bettermann, JZ 51, 321 ff.; Thiele, S. 209; Soergel/ Schultzev. Lasaulx, BGB § 185 Rdz. 39 ff.; a. A. nur Ludewig, S. 72 ff.; die von Bettermann, Thiele und Schultze-v. Lasaulx weiterhin vorgeschlagenen Fälle einer ausnahmsweisen Zulassung der Verpftichtungsermächtigung sind nicht einschlägig, vgl. jeweils aaO.
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§ 3 Die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten
Lehre und Rechtsprechung auch diese Form der Verpflichtungsermächtigung abzulehnen133. 2.1.4.5 Umgehung des Abtretungsverbotes
In der Lastschriftermächtigung eine Ermächtigung zur Ausübung des Weisungsrechtes zu sehen, verbietet sich aber noch aus einem anderen Grunde. Wie ausgeführt wurde, ist das Weisungsrecht i. S. d. § 665 BGB ein Gestaltungsrecht, das der Aktualisierung der dienstvertraglichen Geschäftsbesorgungsansprüche dient. Es ist daher ein unselbständiges Gestaltungsrecht und als solches nicht ohne die Forderung aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag übertragbar (vgl. i. e. oben 2.1.1.3 mit Nw. ebd.). Ließe man jetzt eine "Ermächtigung zur Ausübung der Weisung" zu, wie sie Canaris vorschlägt, so wäre das zwar dogmatisch keine "schwächere Form der Abtretung"134. Immerhin wären aber die Wirkungen letztlich die gleichen wie bei der Abtretung. Der Ermächtigte würde das Weisungs recht wie ein Zessionar im eigenen Namen geltend machen. Jedenfalls hätte man auf diese Weise auseinandergerissen und gesondert zur Ausübung übertragen, was dogmatisch zusammengehört und nicht trennbar ist. Diese Konstellation hat ihre Parallele in den Fällen, bei denen unter fraudulöser Umgehung eines gesetzlichen Abtretungsverbotes keine Abtretung der Forderung, wohl aber eine Ermächtigung zu ihrer Einziehung vorgenommen wird. Einer solchen Einziehungsermächtigung ist gleichermaßen für ihre widerrufliche und unwiderrufliche Ausgestaltung von der späteren Rechtsprechung des Reichsgerichts wie der des Bundesgerichtshofes und auch seitens des Schrifttums die Wirksamkeit versagt worden135 • Der Grund dafür liegt in § 134 BGB136. Die nämlichen Erwägungen müssen zu einer Versagung der Anerkennung einer Ausübungsermächtigung führen. Da eine Abtretung des Weisungsrechtes gesetzlich nicht zulässig ist, bewirkt eine Ausübungsermächtigung eine Umgehung dieses Verbotes. Die Ermächtigung ist daher unwirksam. Die von Canaris gegebene Erklärung der Lastschriftermächtigung kann nach alledem ebenfalls nicht befriedigen.
Die unter den Fn. 126 f. Genannten; ferner BGHZ 34, 122 ff., 125. Flume, Allgemeiner Teil II, § 57 1 c, S. 904. 135 RGZ 133, 249 ff., 255 ff.; 146,389 ff., 401 ff.; BGHZ 4,153 ff., 165 ff.; Flume, aaO. m. Fn. 7; Staudinger / Kaduk, BGB § 400 Rdz. 23. 136 RGZ 133, 256. 133 134
1. Die Beziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger
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2.1.5 Abbuchungsauftrag als Weisung, im übrigen anfänglich unberechtigte, später genehmigte Abbuchungen der Schuldnerbank? 2.1.5.1 Darstellung der Konstruktion (Hadding) Eine neuere, von Hadding begründete Auffassung137 erklärt das Abbuchungs auftrags- und das Einzugsermächtigungsverfahren unterschiedlich. Der Abbuchungsauftrag soll danach als girovertragliche Weisung i. S. d. § 665 BGB anzusehen sein138 • Beim Einzugsermächtigungsverfahren hingegen soll es vor der Einlösung der Lastschrift an einer direkten oder durch den Gläubiger gemittelten Ermächtigung oder Weisung der Zahlstelle seitens des Schuldners überhaupt fehlen. Die Schuldnerbank nimmt danach die Einlösung eingegangener Lastschriften im Verhältnis zum Schuldner unberechtigterweise vor. Erst in der späteren Nichtausübung des Widerspruchsrechtes liege eine stillschweigende Genehmigung der bis dahin unwirksamen Belastungsbuchung139 • Die Einlösung seitens der Schuldnerbank ohne Weisung ihres Kunden erfolge lediglich auf Grund des zwischen ihr und der Gläubigerbank bestehenden Girovertrages und "weil sie die Sicherheit habe", nach Abschn.III 1 des Lastschriftabkommens die Lastschrift zurückgeben und Wiedervergütung verlangen zu können140 • 2.1.5.2 Widerspruch zur Rechtswirklichkeit Diese Konstruktion erscheint ebenfalls in einigen Punkten zweifelhaft. Störend ist zunächst, daß sie die Lastschriftermächtigung beim Abbuchungsauftrags- und beim Einzugsermächtigungsverfahren grundlegend unterschiedlich erklären muß, obwohl es sich hierbei lediglich um verschiedene Ausprägungen desselben Phänomens handelt141 • Auch kann dieser Auffassung der Vorwurf unnatürlicher Künstelei nicht erspart bleiben. Die Kreditinstitute wären zumindest befremdet, wollte man ihnen auseinandersetzen, daß sie beim Einzugsermächtigungsverfahren eigenmächtig über die Guthaben ihrer Kunden verfügten, nur "weil sie Sicherheit durch das Lastschriftabkommen hätten", (eine Sicherheit, die übrigens bei Insolvenzen der Gläubiger- oder Zwischenbanken ausfällt). 137 In Festschrift für Bärmann, S. 375 ff.; dieser Auffassung scheint der BGH zu folgen: vgl. etwa U. v. 28.2.77 (II ZR 52/75), BGHZ 69, 82, 85 (= NJW 77, 1916 = BB 77, 1371 = DB 77, 1937 = WM 77, 1042 = MDR 78, 30); U. v. 10.4. 78 (II ZR 203/76), DB 78, 1826; U. v. 28. 5. 79 (II ZR 219/77), NJW 79, 2145 (= BB 79, 1165 = DB 79, 1649); vgl. ferner Hadding, WM 78, 1366 ff. 138 Hadding, Festschrift, S. 382 f. 139 Hadding, Festschrift, S. 384 ff., 388 ff., 390. 140 Hadding, Festschrift, S. 388. 141 Dazu i. e. oben 2.1 bis Fn.24 mit Nw. ebd.; Pleyer - Holschbach, DB 72, 761; dies., DB 73, 1057 f.
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§ 3 Die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten
Dieses Befremden bestünde vollkommen zu Recht: denn die Zahlstelle löst eine Lastschrift nur ein, wenn sie sich von dem Einverständnis ihres Kunden überzeugt hat, indem sie entweder einen Abbuchungsauftrag ihres Kunden vorfindet oder ihr dessen Einverständnis auf einem dafür vorgesehenen Lastschriftvordruck versichert wird142 • Liegt weder das eine noch das andere vor, so wird die Zahlstelle sich hüten, eine Lastschrift einzulösen. Das folgt für sie zwingend aus dem mit dem Kunden geschlossenen Girovertrag. Zu dessen Grundsätzen zählt es, daß die Belastung eines Girokontos nur auf den Anstoß des Kontoinhabers hin vorgenommen wird 143 • Wenn Hadding darauf abstellt, daß es beim Einzugsermächtigungsverfahren der Schuldnerbank an einer "nachprüfbaren" Zahlungsermächtigung des Schuldners fehle l44 , so wird er damit gleichfalls dem Wesen des Girovertrages nicht gerecht. Denn der Bankverkehr als Massenverkehr kann nur funktionieren, wenn die Grenzen eines erteilten Auftrages rein formal abgesteckt werden, und die Bank sich um die zugrundeliegenden Beziehungen nicht zu kümmern braucht145 • Eben dem soll mit den entsprechenden Lastschriftvordrucken Rechnung getragen werden, so daß die Zahlstelle sich an die darauf befindliche Versicherung halten können muß. Das Mißbrauchs- und Fälschungsrisiko ist ein allgemein dem Bankverkehr als Massenverkehr anhaftendes Risiko; es ist kein Spezifikum des Lastschrifteinzuges und bedarf, wie sonst auch, einer eigenen, der Formalgestaltung nicht im Wege stehenden Lösung. Ausgehend von dem Erfordernis einer letztlich auf den Schuldner zurückzuführenden Initiierung der Belastungsbuchung bleibt dann auch die Annahme befremdend, daß die Schuldnerbank die Einlösung der Lastschrift auf Weisung der Gläubigerbank (nicht des Gläubigers!) vornehme146 • Dies gilt um so mehr, als zwischen Schuldner und Gläubigerbank vertragliche Beziehungen nicht bestehen147 • 142 Das Muster eines solchen Vordruckes findet sich bei Kessler, S. 58 f.; Engel, S. 73; Schütz, Formularbuch, S.367. 143 Meyer-Cording, S.31; Kessler, S.15; m. E. gerät Hadding, Festschrift, S. 390, in einen Widerspruch, wenn er andererseits annimmt, daß die Banken heute schon gewohnheitsmäßig kraft des allgemeinen Girovertrages Verfügungen des Schuldners über sein Guthaben im Wege des Lastschrifteinzuges hinnehmen müssen; denn im Girovertrag liegt dann ein grundsätzlicher Konsens mit der Einlösung der Lastschriften. 144 Festschrift, S. 389. 145 h. M., vgl. RGRK / Canaris, HGB Anh. § 357 Rdz. 163 mit zahlr. Nw. zur Rspr.; Schlegelberger / Hefermehl, HGB Anh. § 365 Rdz. 23; Meyer-Cording, S. 31; vgl. auch die Präambel der AGB-Banken unter I., abgedruckt bei Schütz, Formularbuch, S. 7 f.; und Baumbach - Duden, HGB Anh. II § 406, S.824. 1