Zum Einfluß von Marx und Engels auf dıe deutsche Literatursprache: Studien zum Wortschatz der Arbeiterklasse im 19. Jahrhundert [Reprint 2021 ed.] 9783112595183, 9783112595176


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German Pages 204 [205] Year 1979

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Zum Einfluß von Marx und Engels auf dıe deutsche Literatursprache: Studien zum Wortschatz der Arbeiterklasse im 19. Jahrhundert [Reprint 2021 ed.]
 9783112595183, 9783112595176

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Zum Einfluß von Marx und Engels auf die deutsche Literatursprache

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN DER DDR Zentralinstitut für Sprachwissenschaft

59 Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen Herausgegeben von Günter Feudel

Zum Einfluß von Marx und Engels auf die deutsche Literatursprache Studien zum Wortschatz der Arbeiterklasse im 19. Jahrhundert

Autorenkollektiv unter der Leitung von J. Schildt

AKADEMIE-VERLAG • BERLIN 1978

Erschienen im Akademie-Verlag, 108 Berlin, Leipziger Str. 3—4 © Akademie-Verlag Berlin 1978 Lizenznummer: 202 • 100/162/78 Gesamtherstellung: VEB Druckerei „Thomas Müntzer", 582 Bad Langensalza Bestellnummer: 753 1220 (2054/59) • LSV 0817 Printed in GDR DDR 25,— M

INHALT

Vorbemerkung

7

Wolfgang Pfeifer Einleitung

9

Eduard Kurka 'Ausbeutung'

19

Ursula Fratzke ' Klassenkampf*

57

Ursula Fratzke 'Revolution'

81

Elfriede Adelberg 'Arbeiter'

113

Elfriede Adelberg Zur Verwendung der untersuchten Bezeichnungen im Schrifttum der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts

173

Literaturverzeichnis

193

VORBEMERKUNG

Die vorliegenden Studien zum Einfluß von Marx und Engels auf die deutsche Literatursprache im 19. Jahrhundert stellen einen ersten Versuch dar, unter vorwiegend linguistischen Gesichtspunkten den Prozeß sowohl der Herausbildung gesellschaftswissenschaftlicher Termini als auch deren Eindringen in die Literatursprache unter den kapitalistischen Bedingungen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu untersuchen. Dabei ergibt sich eine Fülle von Problemen, die bisher noch keineswegs gelöst sind und die der weiteren Erforschung bedürfen. Das betrifft - um nur einige von ihnen zu nennen - die Form der semantischen Merkmalsanalyse, für die wir uns entschieden haben, genauso wie z. B. Fragen der Sprachverwendung im Klasseninteresse oder Probleme des Verhältnisses von terminologisch fixiertem, ideoligierelevantem Wortgut zur Lexik der Allgemeinsprache. Die Studien stellen gleichzeitig erste Schritte auf dem Wege zur Erforschung einer sprachlichen Differenzierung in der deutschen Literatursprache beim Übergang vom Kapitalismus der freien Konkurrenz zum Imperialismus dar; ihnen müssen weitere, noch tiefer in das Wesen dieser Prozesse eindringende Untersuchungen folgen, die vor allem auch die Fortsetzung dieser Entwicklung der Literatursprache bis in die unmittelbare Gegenwart, d. h. ihre Differenzierung unter den Bedingungen der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der DDR einerseits, unter den Verhältnissen der spätkapitalistischen bürgerlichen Gesellschaft in der BRD andererseits, zum Gegenstand haben. Die den Studien zugrundeliegende Konzeption stellt eine Gemeinschaftsleistung des Autorenkollektivs unter meiner Leitung dar. Die von W. Pfeifer verfaßte Einleitung über einige theoretische Ausgangspositionen der Arbeit gibt in aller Kürze die notwendigen Informationen über die methodischen Grundlagen der von ihm entwickelten Form der Merkmalsanalyse. Die Aufsätze 'Ausbeutung' (E. Kurka) und 'Klassenkampf' (U. Fratzke) wurden von W. Pfeifer, 'Revolution' (U. Fratzke) von H. Schmidt so bearbeitet, daß die Bearbeiter die Verantwortung für Inhalt und Textgestaltung mitzutragen haben. In die Ausführungen über die Verwendung der untersuchten Bezeichnungen im Schrifttum der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die von der Verfasserin der Studie 'Arbeiter', E. Adelberg, verantwortet wird, sind Ergebnisse aller anderen Arbeiten eingegangen.

Vorbemerkung

8

Mein besonderer Dank gilt H. Romann, B . Simon und G. Schmidt, die alle Textbelege noch einmal überprüft haben. J . Schildt

EINLEITUNG Wolfgang Pfeifer

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Wolfgang Pfeifer

In dem vorliegenden Bande wird der Versuch unternommen, der sprachlichen Entwicklung einiger tragender Begriffe der marxistischen Weltanschauung nachzugehen. Es wurden die Bezeichnungen/Ausbeutung, Klassenkampf, Revolution, Arbeiter/ ausgewählt, die als gesellschaftswissenschaftliche Termini einen zentralen Stellenwert im Begriffssystem des Marxismus-Leninismus innehaben, die zugleich als bedeutsame Wörter der Arbeiterklasse in die Literatursprache eingehen und sich dort einen festen Platz erobern. Erste, vorläufige Bemühungen, den Weg einiger dieser Ausdrücke sprachhistorisch zu verfolgen, wurden 1975 unter dem Titel '"Arbeiter, Arbeiterklasse, Revolution, Ausbeutung'. Untersuchungen zur Herausbildung gesellschaftswissenschaftlicher Termini bei K. Marx und F. Engels" veröffentlicht.* Hier wird nun eine teils veränderte und gestraffte, teils erweiterte und im ganzen, wie wir hoffen, verbesserte Fassung vorgelegt, der mit dieser Einleitung einige die Arbeit bestimmende Überlegungen vorausgeschickt werden sollen. Da sowohl die frühere wie auch die jetzige Bearbeitung des Themas jene Merkmalsanalyse zugrunde legt, wie sie vom Verfasser dieser Einleitung unter dem Titel "Merkmalsanalyse klassengebundenen 2

Wortschatzes" vorgeschlagen und in einem ersten Versuch vorgeführt wurde , da fer ner auch einige Angaben, die E. Adelberg über Zielsetzung, Material- und Quellengrundlage in der Vorbemerkung zur ersten Fassung gemacht hat, unverändert Gültigkeit besitzen, werden im folgenden der Einfachheit halber manche Passagen aus den beiden genannten Aufsätzen wörtlich übernommen, ohne als Zitat besonders gekennzeichnet zu werden. In den vier Beiträgen dieses Bandes wird die sprachliche Entwicklung von Begriffen dargestellt, die eine besondere Stellung im marxistischen terminologischen Ge samtsystem besitzen. "Das Wichtigste in der Marxschen Lehre ist die Klarstellung der weltgeschichtlichen Rolle des Proletariats als des Schöpfers der sozialistischen Ge3 sellschaft." Dieser Klarstellung der historischen Mission der Arbeiterklasse dienen letztlich alle Arbeiten von Marx und Engels; die ausgewählten Termini dürfen als konstituierende Elemente des Marxismus-Leninismus angesehen werden. Es wird versucht darzustellen, (1) welche Bezeichnungen der Allgemein- oder Fachsprache die Chance hatten, zum Terminus zu werden; (2) unter welchen Bedingungen eine Bezeichnung schließlich zum Terminus wurde; (3) welche Folgen sich aus dem terminologischen Gebrauch für die Allgemeinsprache ergeben. Mit anderen Worten: Es wird die Entwicklung einiger Wörter im 19. Jahrhundert vorgeführt; ihr Gebrauch vor Marx und Engels, ihr Gebrauch durch Marx und Engels und ihr Gebrauch nach Marx und Engels wird beschrieben. Die einzelnen Arbeiten sind also in erster Linie als eine Wortgeschichte zu verstehen, die sich wesentlich mit der semantischen Entwicklung der Wörter beschäftigt. Aus diesem Grunde wurde auf die oben erwähnte Merkmalsanalyse zurückgegriffen, mit deren Hilfe die ausgewählten Bezeichnungen, die sich in der Mehrzahl als

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Einleitung

Substantivabstrakta, als philosophische bzw. gesellschaftswissenschaftliche Termini 4

und gelegentlich als Metaphern präsentieren, beschrieben werden sollen. Die Analyse will semantische Merkmale formulieren, die "sprachwirksam", die verantwortlich für die jeweilige Wortwahl sind. Dabei muß der breite Anwendungsspielraum, den jede Bedeutung hat, mit erfaßt werden. Auch metaphorischer Gebrauch ist zu berücksichtigen; er ist alltäglich, in der Sprache von vornherein angelegt und nur möglich, weil es sprachwirksame Merkmale gibt. Denn jede in Merkmalen beschreit bare bedeutungstragende Einheit ist metaphorisierbar; über eben diese Merkmale e r folgt die Bildung der Metapher durch den Sprecher, und nur über sie erfolgt das Verstehen der Metapher, auch wenn sie neu und erstmalig ist, durch den Hörer. Dem Sprecher stehen in der Regel mehrere Wörter für einen Bewußtseinsinhalt zur Verfügung; zwischen ihnen wird er wählen, geleitet von seinem Ausdrucksbedürfnis, das ihn zur Suche nach dem zutreffenden Wort veranlaßt. Die Entscheidung für das zutreffende, für das angemessene Wort muß daher als ein Auswahlprozeß verstanden werden, der in hohem Maße von der Sprachbeherrschung und dem Ausdrucksvermögen des Sprechers abhängt. Zugleich wird eine derartige Entscheidung auf den Hörer abgestimmt sein, dessen Einstellung und Auffassungsgabe den Auswahlprozeß beeinflussen. Analysiert wird die konkrete sprachliche Äußerung, d. h. die semantischen Merkmale werden durch eine Interpretation des Wortes im und aus dem Kontext, der den Auswahlprozeß mehr oder weniger erkennen läßt, festgestellt, wobei unter Kontext der "Situationskontext, der 5 die Benennung des in Rede stehenden Gegenstandes durch die Situation präzisiert" , verstanden wird. Es bedarf einer Vielzahl von Kontexten oder Belegstellen, damit alle Gebrauchsweisen eines Wortes erfaßt werden. Und nur in subtiler Textinterpretation alles dessen, was mit einem Wort gesagt werden kann, lassen sich die semantischen Merkmale, die Komponenten der Wortbedeutung, gewinnen. Sie sind insofern sprachwirksam, als sie den Auswahlprozeß steuern. Sie sind dem Sprecher (und dem Hörer) bekannt, sie sind bewußt, sie sind gespeichert - und darum beschreibbar. Sie sind freilich nicht gespeichert in einer verbalisierten Form. Wenn aber diese an sich nicht verbalisierten Merkmale deutlich gemacht werden sollen, müssen sie in Worte gefaßt werden. Es ist daher zu fragen: Warum wählte der Sprecher gerade dieses Wort (und kein anderes) ? Welche Wesenszüge der Wortbedeutung wollte er zum Ausdruck bringen? Jeder dieser Wesenszüge bildet ein Merkmal, für jede Bedeutung ergibt sich eine bestimmte Anzahl gültiger, sprachwirksamer Merkmale. Die Merkmale sind fest miteinander verbunden. Sie wirken stets gemeinsam; keines darf, keines kann ausfallen; sie bilden eine Merkmalskette. Oft tritt bei unterschiedlichen Verwendungsweisen des Wortes ein Merkmal mit größerem Gewicht als die anderen auf; auf ihm liegt die Intensität. Die Intensität kann wechseln, und einmal kann dieses, ein andermal jenes Merkmal dominieren.

Wolfgang Pfeifer

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Alle sprachwirksamen Merkmale eines Wortes konstituieren seine Bedeutung. 6 Die Bedeutung aber und ihre Merkmale haben keine direkten Beziehungen zum Objekt der Realität, wohl aber zum im Bewußtsein existierenden Abbild. Sie sind daher auch von Kenntnissystemen, Weltanschauung und Verhaltensnormen beeinflußt. Das bedeutet, daß sprachwirksame Merkmale in einer relativ hohen Abstraktionsstufe gespeichert sind. Da die Merkmale überdies bei ihrem Zusammentreffen mit wechselnder Intensität auftreten können, hat der Sprecher die Möglichkeit, unterschiedliche Realisationsformen des Objektes, des Vorgangs oder des Zustands mit denselben Merkmalen bzw. Merkmalsstrukturen zu erfassen. Er kann also eine Wortbedeutung mit ihren Merkmalen in verschiedenen (darunter auch metaphorischen) Verwendungsweisen einsetzen. 7

So erlauben z. B . die semantischen Merkmale von /Kampf/

den Einsatz des Wor-

tes für 'Schlacht, Gefecht', für 'Meinungsstreit, Disput', für 'Widerstreit unvereinbarer Prinzipien' und für weitere unterschiedliche Verwendungsweisen derselben Be deutung. Diese unterschiedlichen Verwendungsweisen von /Kampf/ sind hier durch Synonyme bezeichnet worden. Eine solche - in der Lexikographie oft geübte - Praxis ist freilich für eine exakte Beschreibung der Wortbedeutung hinderlich, denn sie birgt eine nicht zu unterschätzende Gefahr in sich. Da jedes dieser Synonyme eigene, von /Kampf/ verschiedene Merkmale besitzt, ist man allzu rasch geneigt, die durch Synonyme gekennzeichneten drei Anwendungsbereiche als drei Bedeutungen desselben Wortes und nicht - wie es richtig wäre - als drei Verwendungsweisen derselben Bedeutung aufzufassen. Man entgeht dieser Gefahr, wenn man nicht mit Synonymen, sondern mit den Merkmalen des Wortes /Kampf/ operiert. Denn das Vorhaben besteht darin, semantische Überlegungen zum Worte /Kampf/ anzustellen, nicht zu 'Gefecht' oder ' Disput'. Synonyme können eine Bedeutung nur umschreiben, Merkmale hingegen können sie beschreiben. Es ist natürlich möglich, die Formulierung der für /Kampf/ gültigen Merkmale so zu variieren, daß sie sich den Verwendungsweisen des Wortes anpassen. Derartige "Varianten" repräsentieren keine neue Bedeutung, sind also kein Kennzeichen für Polysemie; sie formulieren lediglich die Merkmale der Bedeutung des Wortes auf der Ebene der Verwendungsweise, d. h. auf niedrigerer Abstraktionsstufe. Die Verwendungsweisen werden durch Varianten der Merkmale besser gekennzeichnet als durch Synonyme. Polysemie eines Wortes dagegen ist nur dann gegeben, wenn die Merkmalskette einerßedeutung um ein Merkmal vermehrt, oder um ein Merkmal vermindert, oder aber in einem Merkmal verändert werden mul:.

g

Bedeutungen können durch wertende, emotionale und voluntative Momente bestimmt sein oder beeinflußt werden. Dabei ist zu unterscheiden zwischen wertenden, emotionalen und voluntativen Komponenten, die merkmalhaft zur Bedeutung zählen und darum in Merkmalen zu formulieren sind, und wertenden, emotionalen und voluntativen

Einleitung

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Konnotationen, die lediglich Begleiterscheinungen, nicht aber Bestandteile der Bedeutung sind. Wir möchten also die Mehrzahl jener Momente, die gemeinhin als "Konnotationen" angesprochen werden, der Bedeutung eines Wortes zurechnen und darum in die Merkmalsstruktur aufnehmen, den Ausdruck "Konnotationen" dagegen lediglich für solche Erscheinungen reservieren, die - denn auch das gibt es - der Sprecher bei der Wahl eines Wortes empfindet, von denen er glaubt und wünscht, daß sie auch der Hörer verstehe, deren Aufnahme durch den Hörer er sich erhofft, mit deren Aufnahme er aber nicht rechnen kann. Die Bedeutung der nachfolgend untersuchten Bezeichnungen ist in semantischen Merkmalen angegeben. Allein auf diesen Merkmalen beruht das semantische Wissen des Sprechers/Hörers. Er gelangt in den Besitz dieses semantischen Wissens, wenn er z. B. - als Angehöriger der Arbeiterklasse - in den Worten /Ausbeutung/, /Klassenkampf/,/Revolution/ und /Arbeiter/ genau das ausgedrückt findet, was er täglich erlebt, die Worte also seine objektiven Existenzbedingungen widerspiegeln, oder wenn er den Inhalt der Worte als Tatbestand anerkennt und realisiert. Was der Sprecher/Hörer sonst noch wissen kann und wissen sollte, aber nicht unbedingt wissen muß, sind die definit orischen Bestimmungen und systemgebundenen Zusammenhänge der hier behandelten marxistischen Begriffe, die ihm nicht mit der Spracherlernung zugeflossen sind, sondern die er sich durch Studium oder Belehrung erworben hat. Der Sprecher/ Hörer kann also fähig sein, sein semantisches Wissen durch intellektuelles Wissen zu ergänzen. Er mag überdies in der Lage sein, bei Begegnung mit einer der Bezeichnungen sein intellektuelles Wissen zu assoziieren. Er kennt dann nicht nur das Wort, sondern das Wort hat sich für ihn zum Terminus erweitert. Alle in diesen Abhandlungen dargestellten Bezeichnungen sind sowohl Wörter der deutschen Spräche mit einer semantischen Merkmalsstruktur, sie sind aber auch definierte Termini der marxistischen Lehre mit bestimmten Relationen im marxistischen Gesamtsystem. Ein Terminus ist dadurch charakterisiert, daß er entweder eine wissenschaftliche Einheit ordnet bzw. klassifiziert oder eine wissenschaftliche Erkenntnis prägnant zusammenfaßt. In beiden Fällen ist er durch eine Definition bestimmt (oder wenigstens bestimmbar) und besitzt einen festen Stellenwert innerhalb eines wissenschaftlichen Systems. Insofern ist ein Terminus immer eindeutig und ohne Kontext verständlich. Er ist per definitionem durch nichts ersetzbar, nicht durch Synonyme austauschbar und nicht metaphorisierbar. Soll ein Terminus geändert werden, bedarf es einer neuen Festlegung der Definition, die die bisherige Definition annulliert. Eine sprachwissenschaftliche Untersuchung terminologischer Bezeichnungen hat die semantischen und die terminologischen Kenntnisse der Sprecher/Hörer zu unterscheiden und gegebenenfalls gesondert darzustellen. Sie hat also davon auszugehen, daß ein Terminus

Wolfgang Pfeifer

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(a) in der Regel eine Definition sowie bestimmte Relationen in einem wissenschaftlichen System besitzt, auf die in den nachfolgenden Abschnitten jeweils hingewiesen wird, (b) eine sprachliche Bedeutung hat, die hier in semantischen Merkmalen dargestellt wird. Diese Voraussetzungen waren in den nachstehenden Aufsätzen,zu berücksichtigen. Ist von einem "terminologischen Wortgebrauch" die Rede, so heißt das, daß der Sprecher/Autor nicht nur die Kenntnis der Merkmalsstruktur, sondern auch Kenntnisse über die Definition und über den relationalen Stellenwert im System vermitteln will. Davon zu trennen sind jene Fälle, in denen die Bezeichnungen nicht als Termini, sondern als semantische Einheiten der Sprache begegnen, "weil wir alle im sprachlichen Alltag nicht mit definierten Begriffen, sondern mit Bedeutungen von Wörtern umg gehen." Der Interpret kann, wenn ihm die Verbundenheit des Sprechers/Autors mit der Arbeiterklasse bekannt ist, vermuten, voraussetzen oder auf Grund voraufgehender Angaben des Sprechers/Autors wissen, daß der Ausdruck in terminologischem Sinne gebraucht wird. Oft aber gibt die Textstelle darüber keine Auskunft; sie läßt nicht erkennen, ob sich das terminologische Wissen des Sprechers/Autors mit dem vorliegenden Wortgebrauch verbindet. Die Bezeichnung ist in solchem Falle nur semantisch zu analysieren. Führt die Analyse auf genau jene Merkmalsstruktur, wie sie in der Verwendung des Wortes bei Marx und Engels als wirksam erkannt wurde, dann liegt eine exakte Verwendung des Wortes im Sinne von Marx und Engels vor. Nur handelt es sich hierbei, wenn terminologische Angaben fehlen und auch nicht vorauszusetzen sind, nicht um den marxistischen Terminus, wohl aber um ein marxistisches Wort, d. h. um eine Bezeichnung, die ihre Bedeutung und ihre Merkmale durch Marx und Engels erhalten hat, insofern also eindeutig und ohne Vorbehalt in marxistischem Sinne gebraucht wird. Als nicht terminologisch gebundene, sondern als semantische Einheit ist dann das Wort durch Synonyme ersetzbar (z. B. /Ausbeuter/ durch /Auspumper/) oder metaphorisierbar ( z . B . /ich stehe auf dem Standpunkt des Klassenkampfes/ im Sinne von 'ich stehe auf dem Standpunkt eines Marxisten'). Als Termini sind die Bezeichnungen Bestandteile einer wissenschaftlichen Fachsprache, als Wörter mit sprachwirksamen semantischen Merkmalen haben sie die Möglichkeit, in die Allgemeinsprache einzugehen. Auf diesem Hintergrund sei noch einmal die Aufgabe umrissen, die sich die Autoren dieses Bandes gestellt haben. Sie wollen über semantische Merkmale jene Qualitäten eines allgemeinsprachlichen Wortes bestimmen, die es für eine Entwicklung zum Terminus des Marxismus geeignet machen; sie bemühen sich, den Gebrauch der Bezeichnungen sowohl als marxistische Termini als auch als marxistische Wörter zu beschreiben; sie zeigen schließlich den Weg, auf dem die Bezeichnungen in die Allgemeinsprache

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Einleitung

eingehen. Man möge diese Aufsätze als einen Versuch werten, der den Einfluß der Arbeiterklasse auf die deutsche Literatursprache auf einem begrenzten Ausschnitt sprachlichen Geschehens sichtbar zu machen sich anschickt. Die Materialgrundlage für die Untersuchung des Sprachgebrauchs von Marx und Engels bilden umfangreiche Materialsammlungen im Zentralinstitut für Sprachwissenschaft an der Akademie der Wissenschaften der DDR. Sie basieren auf einer Exzerption des Gesamtwerks und enthalten im Hinblick auf die in den vorliegenden Arbeiten untersuchten Bezeichnungen eine Totalexzerption, so daß den Bearbeitern der einzelnen Beiträge ein lückenloses Material zur Verfügung stand. Für die Untersuchung des Sprachgebrauchs vor und nach Marx und Engels wurde das Archiv des Deutschen Wörterbuchs ausgewertet sowie die Artikel der ersten Auflage des Deutschen Wörterbuchs, die den untersuchten Wortschatz betreffen. Außerdem wurden zeitgenössische (d. h. zu Beginn und Ende des 19. Jahrhunderts erschienene) Wörterbücher herangezogen. Dieses Material wurde durch eine gezielte Exzerption ergänzt. Bei der Zusammenstellung des Quellenkorpus für die Vor - und Wirkungsgeschichte bot die Auswertung des Quellenverzeichnisses des Deutschen Wörterbuchs (einschließlich der Quellenkartei der Neubearbeitung) und des Literaturverzeichnisses der Dissertation von G. Hagen*® wertvolle Hilfe. Das Quellenkorpus umfaßt etwa 50 Titel (ungefähr 10.000 Seiten) aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und etwa 110 Titel (ungefähr 20.000 Seiten) aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Es enthält in erster Linie Schriften der Arbeiterführ e r , Dokumente (insbesondere Dokumentensammlungen) der Arbeiterbewegung und Texte der Vertreter der sozialistischen Literatur, aber auch Veröffentlichungen demokratisch-republikanischer Autoren, bürgerlicher Ökonomen, Historiker und Sozialwissenschaftler und außerdem Zeitungen und Zeitschriften der Arbeiterbewegung und bürgerliche Presseerzeugnisse (siehe Quellenverzeichnis S. 193 ff.). Die Belege für die Vor- und Wirkungsgeschichte werden nach Möglichkeit nach dem Erstdruck, die Belege von Marx und Engels nach der Werkausgabe ( = MEW) unter Berücksichtigung des Erstdrucks zitiert; die Datierung bezieht sich also - wenn nicht anders angegeben - immer auf den Erstdruck. Werke von Marx und Engels, die erst nach ihrem Tode erschienen sind, werden nach der Entstehungszeit datiert. Die Arbeiten von Marx werden durch den Zusatz "M", die von Engels durch "E" (vor der Datierung) gekennzeichnet, auf gemeinsam abgefaßte Schriften wird durch den Hinweis "M/E" aufmerksam gemacht. Kursiv- oder Sperrdruck im Original wurde in die angeführten Belege und Zitate nicht übernommen.

Wolfgang Pfeifer

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Anmerkungen 1 LS/ZISW/A. Heft 21. Berlin 1975. 2 LS/ZISW/A. Heft 12. Berlin 1974. S. 1-24. 3 W. I. Lenin. Werke. Bard 18. Berlin 1965. S. 576. 4 Vgl. ferner W. Pfeifer, Geschichtliches und Kritisches zur Lexikographie an der Akademie. In: Erbe - Vermächtnis und Verpflichtung. Berlin 1977. 5 B. A. Serebrennikow, Zum Problem des Wesens der Sprache. In: Allgemeine Sprachwissenschaft. Band 1. Berlin 1973. S. 62. 6 Zum folgenden vgl. Pfeifer (Anm. 4). 7 Vgl. dazu unten S. 60 ff. 8 Vgl. W. Schmidt, Linguistische und philosophische Aspekte der Wirksamkeit politischer Rede. In: Zs. f. Phonetik, Sprachwissenschaft und Kommunikationsforschung. Band 24. 1971. S. 301 ff. (und öfter). - K. G. Kruschelnizkaja, Sprache und Denken. In: Allgemeine Sprachwissenschaft. Band 1. Berlin 1973. S. 328. 9 R. Große, Sprache und Gesellschaft. In: Sprachpflege. Band 21. 1972. S. 117. 10 G. Hagen, Zum sachlichen und sprachlichen Einfluß der englischen politischen Ökonomie auf die deutsche im lb. und 19. Jahrhundert. Diss. Berlin 1968. Masch.schriftl. (Literaturverzeichnis).

'AUSBEUTUNG' - BEZEICHNUNGEN FÜR DEN SOZIALÖKONOMISCHEN SACHVERHALT Eduard Kurka

1. Ausgangspunkt und Zielstellung der Untersuchung Der marxistisch-leninistische Begriff 'Ausbeutung' als Widerspiegelung eines sozialökonomischen Wesensmerkmals der durch antagonistische Widersprüche gespaltenen Klassengesellschaft wird mit "Aneignung unbezahlter fremder Arbeit (des Mehrprodukts und in bestimmten historischen Verhältnissen auch von Teilen des notwendigen Produkts) durch die Eigentümer der Produktionsmittel"* bestimmt. Im Begriff ist auch - auf höherer Abstraktionsebene - die Relation enthalten: "gesellschaftliches Verhältnis zwischen Gruppen von Menschen, die sich in entgegengesetzter Stellung zu den 2

Produktionsmitteln befinden" . Ausbeutung ist immer Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, wird in den meisten Definitionen betont. Ausbeutung im Kapitalismus ist die Verwandlung von Mehrwert in Profit durch das Kapital, das sich auf Grund des Besitzes entscheidender Produktionsmittel fremde Arbeitskraft in Form von Lohnarbeit ohne Äquivalent aneignet. Die Aneignung von Mehrwert ist die gesetzmäßig wirkende Triebkraft der kapitalistischen Produktionsweise. Vom Ausbeutungsverhältnis ist die gesamte Lebensweise der unterdrückten Klassen betroffen. Das wirkt sich auf die Produktionssphäre, die Konsumtion (Verteilung des Sozialprodukts) sowie den ideellen und moralischen Lebensbereich aus. Dieser von Marx und Engels entwickelte Begriffsinhalt bestimmt den terminologischen Sprachgebrauch der Gegenwart, besonders im Fachwortschatz der politischen Ökonomie und anderer Gesellschaftswisssenschaften. In zunehmendem Maße gewinnt er infolge der wachsenden Kenntnisse des Marxismus-Leninismus in der DDR Einfluß auf allgemeinsprachliche Verwendungsweisen. Wie die Begriffsbestimmung zeigt, ist für die Erklärung des Sachverhalts Ausbeutung und somit auch für die Darstellung der Bedeutungsstruktur der dafür verwendeten terminologischen Bezeichnungen zu berücksichtigen, dal; ein Systemzusammenhang mit anderen zentralen Termini der marxistischen Gesellschaftstheorie besteht, insbesondere - wie die Darstellung ergeben wird mit /Mehrwert, Profit, Arbeitskraft, Produktionsverhältnis, antagonistischer Widerspruch, Klassenkampf/. Wie die Lehre von Marx und Engels als geschlossenes System, so sind auch ihre Termini "eine von tiefer philosophischer Weltanschauung3 und reicher Kenntnis der Geschichte durchdrungene Zusammenfassung der Erfahrung" . Die Untersuchung beschränkt sich im wesentlichen auf die Bezeichnungen /Ausbeutung/ und /Exploitation/. Die analoge Bedeutungsentwicklung der diesen Ableitungen zugrunde liegenden Verben /ausbeuten/ und /exploitieren/ sowie der zugehörigen nomina agentis /Ausbeuter/ und /Exploiteur/ wird dabei in angemessener Weise berücksichtigt . Um die semantische Anknüpfung bzw. Motivierung im Prozeß der Herausbildung des Terminus durch Marx und Engels und die Unterschiede zwischen allgemeinsprachlicher

'Ausbeutung'

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und marxistischer Bedeutung nachzuweisen, werden zunächst die zu Beginn und während ihres Wirkens maßgeblichen allgemeinsprachlichen Verwendungsweisen in ihren semantischen Merkmalen beschrieben. Auf diesem Hintergrund wird die Entwicklung des Wortes /Ausbeutung/ zum terminologischen Begriff vorgeführt, wobei die gesellschaftlichen Bedingungen für den sprachlichen Wandlungsprozeß in die Darstellung einbezogen werden. Dem internationalen Aspekt bei der Herausbildung der marxistischen Termini wird dadurch entsprochen, daß Zusammenhänge mit der gesellschaftlichen und sprachlichen Entwicklung in Deutschland, Frankreich und England aufgezeigt werden.

2. Die allgemeinsprachliche Bedeutung (I) und ihre Varianten Die Auswertung eines tragfähigen Belegmaterials aus den 30er und 40er Jahren des 19. Jahrhunderts ergibt für /Ausbeutung/ folgende drei sprachwirksame Merkmale: I A ertragreiche Ausschöpfung (materieUer und ideeller Werte) B vorteilhafte Nutzung C

interessengebundene Handlungsweise (die daher entsprechend beurteilt werden kann).

Alle Merkmale sind nur gemeinsam und gleichzeitig wirksam; ihre Intensität ist jedoch für die jeweilige Verwendungsweise unterschiedlich stark ausgeprägt. Bedingt durch den kontextuellen Zusammenhang kann ein Merkmal mehr oder weniger Gewicht erhalten. Die im Merkmal C angelegte Bedeutungskomponente kann im emotionalen Bereich teils neutrale, teils negative Assoziationen auslösen. Dementsprechend lassen sich zwei wesentliche Bedeutungsvarianten herausheben.'

2.1. Variante 1,1: ' Ertragreiche Ausschöpfung und Nutzung, die nicht im Widerspruch zu gemeinnützigen Zwecken steht'. Die Intensität liegt dabei auf Merkmal A, die Merkmale B und C sind in ihrer semantischen Wirksamkeit deutlich schwächer. Beispiele für diese Bedeutung finden sich vor Marx und Engels im zeitgenössischen Schrifttum, oft im Zusammenhang mit ökonomischen Fragen: /Steinkohlen der . . . Reviere, welche schon jetzt jährlich 4 Millionen Zentner gewinnen und in Vergrößerung der Ausbeutung fast unbeschränkt sind/ (1844) Reden, Eisenbahnen Dtlds. 2, 2, 909. /ihrer möglichen Ausbeutung [der menschlichen Natur, ihrer Fähigkeiten und ihrer "Kunst im Leben" J alle seine Kräfte widmend/ (1845) PücklerMuskau, Brw. 1, 1, 300 A.

Eduard Kurka

23

/durch den ich auf den reichen Schatz des Volkslebens aufmerksam gemacht und zu seiner Ausbeutung bewogen wurde/ (1847) Glaszbrenner, Volksleben 2, 44. Dieser Gebrauch wird von Marx und Engels aufgenommen und beibehalten: /Die Ausbeutung der Minen am Oberen See und die steigende Kornproduktion . . . gab dem Handel und der Schiffahrt . . . einen neuen Aufschwung . . . / (M/E 1850) MEW 7, 435. /Die erwähnten Jahre umschließen die Entdeckung und Ausbeutung der kalifornischen und australischen Goldfelder/ ( E 1888) MEW 21, 363. /Zur Erstürmung dieser emanzipatorischen Stellung und damit zur politischen Ausbeutung aller Sphären der Gesellschaft im Interesse der eignen Sphäre reichen revolutionäre Energie und geistiges Selbstgefühl allein nicht aus/ (M 1844) MEW 1, 388. /Ausbeutung dieser Gesetze für Telegraphie/ (M 1867) MEW 23 , 407 f. Die Bezeichnung /Exploitation/ übernehmen Marx und Engels aus dem Französischen, wo /exploitation/ in derselben Bedeutung und Verwendung begegnet wie im 4 Deutschen : /Exploitation der Ländereien, Minen und Fischereien/ (M 1844) MEW EB 1, 504.

g

Auch engl, /exploitation/, ebenfalls aus dem Französischen entlehnt , entspricht in seinen Merkmalen und seiner Bedeutung dem deutschen Wort /Ausbeutung/ . Für die Verben /ausbeuten/ und /exploitieren/ sowie frz. /exploiter/ und engl, /to exploit/ gelten in sinngemäßer verbaler Umformulierung die gleichen Merkmale wie für das Substantiv /Ausbeutung/. Auch sie sind in dieser Bedeutungsvariante im zeitgenössischen Schrifttum reich bezeugt.

2.2. Variante 1,2: ' Egoistisch und bedenkenlos betriebene Nutzung und Ausschöpfung, die einer moralischen Verurteilung unterliegt'. Es handelt sich hier um eine Bedeutungsvariante, in der sich die Frage nach dem Ziel und Zweck sowie den dahinter stehenden Interessen niederschlägt. Sie entsteht nicht zuletzt durch den Bezug der Bedeutungsvariante 1,1 auf menschliche Verhaltensweisen. Diese semantische Variante drückt eine kritisch-distanzierende Einstellung aus, die im Laufe der Zeit auch sozialkritischer Natur werden kann. Im Vergleich zur Variante 1,1 wird eine andere Akzentuierung deutlich. Wiederum sind alle drei Merkmale wirksam, die Intensität aber geht auf Merkmal B über. Die ertragreiche Ausschöpfung materieller und ideeller Werte wird als bedenkenlose Ausnutzung im egoistischen Interesse des Handlungsträgers empfunden und beurteilt, etwa im Sinne von Ausnutzung für eigensüchtige Zwecke. Merkmal C erhält einen eindeutig negativen Charakter, d. h.: Der Sprecher identifiziert sich nicht mit der Handlungsweise des Hand-

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' Ausbeutung'

lungsträgers, sondern bringt eine kritische und distanzierende Beurteilung zum Ausdruck. Im konnotativen Bereich sind negative Emotionen wie Abneigung, Antipathie, Verurteilung assoziierbar. Ihre Stärke hängt vom Standpunkt, von der parteilichen Stellungnahme des Sprachbenutzers ab: /Ich fürchte, Basse [Buchhändler und Verleger] wird bald für eine Ausbeutung dieses Opus Sorge tragen, und ehe das Geschäft in unrechte Hände käme, sollten Sie wohl vorbauen/ (1840) Gervinus, Brw. 2, 29 I. /eine neue Art der Ausbeutung des Genius [Beethoven] / (1841) Heine 6, 261 E. /Ausbeutung Hegels [durch Stirners "einträgliche Wendung"] / (M/E 1845/46) MEW 3, 180. /Ausbeutung der Armengesetze zu seinem Vorteil (indem er [ein englischer Kapitalist] während der Krisis 1842 die Arbeiter dadurch zur Annahme niedrigen Lohnes zwang . . . ) / (E 1845) MEW 2, 437. Für die Bedeutung von /Ausbeutung/ im letzten Beleg von Engels aus "Die Lage der arbeitenden Klasse in England" ergibt der Kontext, daß es sich um die gewinnsüchtige, bedenkenlose, egoistische Ausnutzung der bestehenden Gesetze in der kapitalistischen Gesellschaft handelt. Merkmal C ist mit seiner kritischen Wertung von der Parteinahme für die unterdrückten und ausgebeuteten Arbeiter bestimmt. Eine ähnliche Entwicklung, wie sie durch diese Bedeutungsvariante von /Ausbeutung/ repräsentiert wird, zeigt sich auch beim Verb /ausbeuten/, und zwar sowohl bei Marx und Engels als auch im zeitgenössischen Sprachgebrauch. Dem entsprechen ähnliche Gebrauchsweisen im Französischen und Englischen. 1835 verzeichnet das "Dictionnaire de l'académie française" für /exploiter/ die negativ wertende Bedeutung "en tirer des produits illicites" und "profiter de la crédulité". Die letztgenannte Variante bezieht sich schon auf den Menschen als Objekt der Ausbeutung. Mit kritisch-distanzierender Wertung verwendet Saint-Simon in seiner Schrift "Nouveau Christianisme" (1825) /exploiter/, wenn er über Leo X. schreibt, daß dieser das Papsttum als Macht für 7 seine eigensüchtigen Zwecke ausbeutete . Die bereits auf den Menschen bezogene Bedeutung ' t o utilize for one' s own ends, treat selfishly as mere workable material g (persons, etc.)' im Englischen läßt sich ebenfalls für die 40er Jahre belegen .

2.3. Es ergibt sich folgendes Bild: Neben der neutralen Verwendungsweise der deutschen und aus dem Französischen entlehnten Bezeichnungen steht eine kritisch-distanzierende Variante, für die Bezugnahme und Standpunkt des Sprechers entscheidend sind. Allmählich wird diese mit der Bewertung zwischenmenschlicher Verhaltensweisen verbunden und schließlich auf das Verhältnis zwischen gesellschaftlichen Gruppen und

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Eduard Kurka Klassen übertragen. Der Prozeß der Herausbildung einer Bedeutungsvariante mit

sozialkritischem Aspekt zeigt sich am frühesten und profiliertesten in Frankreich, vor allem bei den kritischen utopischen Sozialisten, die auch die feste Wendung /Ausbeu- . tung des Menschen durch den Menschen/ prägen. Ausgangspunkt im Sinne einer semantischen Motivierung dieser Entwicklung bildet

die S. 23 dargelegte Bedeutung. Als

Objekt der Ausbeutung kann nunmehr auch der Mensch auftreten; damit ist ein semantisch motivierter Übergang für die Bedeutungsentwicklung zum saint-simonistischen Sprachgebrauch gegeben.

3. Die terminologische Bedeutung im Sinne der saint-simonistischen Ausbeutungstheorie im Zusammenhang mit der Wendung /Ausbeutung des Menschen durch den Menschen/ Historisch gesehen handelt es sich um einen durch den Frühsozialismus entwickelten neuen Begriffsinhalt, dessen rationeller Kern von Marx und Engels weitgehend übernommen wurde. In den 30er und 40er Jahren des 19. Jahrhunderts sind für diese Bedeutungsentwicklung folgende gesellschaftlichen Voraussetzungen und Ursachen maßgeblich. In dieser Zeit bildete sich in England, Frankreich, den Vereinigten Staaten und anderen fortgeschrittenen Ländern die bürgerliche Ordnung weiter aus und löste den Feudalismus ab. In Deutschland setzte in den 30er Jahren die industrielle Revolug tion ein und durchlief bis 1848 ihre erste Entwicklungsphase . Das Anwachsen des Industriekapitals war mit der Ausnutzung neuer Produktivkräfte und der sprunghaften Entwicklung der Arbeitsproduktivität durch Verwendung von Maschinen, Dampfkraft, Erfindungen usw. verbunden. Unter den Bedingungen der "freien Konkurrenz" machte die Zersetzung, Existenzgefährdung und Ruinierung kleingewerblicher Schichten rapide Fortschritte. Die industrielle Revolution gab den Anstoß dazu, daß die ganze bürgerliche Gesellschaft umgewandelt wurde (MEW 2, 237). Die "Scheidung der Gesellschaft in größe Kapitalisten und besitzlose Proletarier" (MEW 20, 243) vollzog sich mit großer Schnelligkeit, und der "Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion und kapitalistischer Aneignung tritt an den Tag als Gegensatz von Proletariat und Bourgeoisie" (MEW 20, 253). Je mehr die Macht des Kapitals wuchs, um so tiefer wurde die Kluft zwischen der Lebensweise der ausbeutenden Klassen und der /arbeitenden Klassen/, wie die damals häufig gebrauchte Bezeichnung lautete. So machte sich auch das Bedürfnis nach adäquaten sprachlichen Bezeichnungen für diese Erscheinungen geltend, die Marx und Engels im internationalen Maßstab beobachteten und analysierten. S ie fanden schließlich in ihrer Terminologie einen adäquaten Ausdruck.

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' Ausbeutung' Saint-Simons Schüler Bazard und Enfantin haben in der systematischen, aber abge-

wandelten Zusammenfassung der Lehre dés großen utopischen Sozialisten bei der Darstellung ihrer Ausbeutungstheorie die uns geläufige Wendung /Ausbeutung des Menschen durch den Menschen/ oft gebraucht. Das geschah in "Doctrine de Saint-Simon. Exposition. Première année, 1829" 10 . Dort wird der Gedanke entwickelt, daß das zukünftige Zeitalter die durch das System der freien Konkurrenz bedingte Ausbeutung der Arbeiter verschwinden lassen wird. Wichtig für die Entwicklung des Sprachgebrauchs, auch bei Marx und Engels, ist die als "Sechste Sitzung des Ersten Jahres" bezeichnete Lektion vom 25. Februar 1829. Diese trägt den programmatischen Titel "Die ständigen Wandlungen der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen und das Eigentumsrecht ("transformation successive de l'exploitation de l'homme par l'homme, et du droit de propriété")* 1 . Darin wird u. a. ausgeführt, daß das auffallendste Kennzeichen aller vergangenen Gesellschaftsordnungen ihr Klassenantagonismus ist, dessen Ausdruck die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen darstellt. Die Masse der Arbeiter wird durch diejenigen ausgebeutet, die ihr Eigentum nutzbar machen. Unter ökonomischem Zwang schließe der Arbeiter mit dem Eigentümer der Produktionsmittel einen Vertrag ab. "Aber dies ist alles, was er erreicht hat, und obwohl ihm das Gesetz die Freiheit gegeben hat, kann er nur zu Bedingungen leben, die ihm eine kleine Klasse von Menschen auferlegt, der eine vom Eroberungsrecht abgeleitete Gesetzgebung das Monopol des Reichtums verliehen hat."

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Als "Verhältnis des Eigentümers zum Arbeiter" hat

die Ausbeutung ihre Ursache in der "Eigentumsverfassung" ("constitution de la pro13 priété") . In der relativ kurzen, sehr konzentrierten Darlegung der "Sechsten Sitzung" findet sich die sprachliche Prägung /Ausbeutung des Menschen durch den Menschen/ insgesamt lOmal. Mit der Wortwahl /exploitation/ ( = /Ausbeutung/) knüpft die saint-simonistische Terminologie an die allgemeinsprachliche Bedeutung des Wortes (I) an, die für tragfähig erachtet wird, den hier beschriebenen Vorgang angemessen zu bezeichnen. /Ausbeutung/ hat jetzt jene zwischenmenschlichen Beziehungen auszudrücken, wie sie zwischen zwei sich antagonistisch gegenüberstehenden Klassen bestehen. Dabei werden die Merkmale der allgemeinsprachlichen Bedeutung modifiziert: (A) Die Vorstellung der 'ertragreichen Ausschöpfung' wird aufgenommen und im T e r minus gefaßt als 'Bereicherung der besitzenden, aber unproduktiven Klasse der Kapitalisten (classe oisive)'. (B) Das Merkmal der 'vorteilhaften Nutzung'wird präzisiert zu 'Ausnutzung der arbeitenden Klasse (classe productive) ' . (C) Die einseitige Interessengebundenheit des Vorgangs wird als Unrecht verurteilt und ist als ' Unterdrückung der besitzlosen arbeitenden Mehrheit durch die Minderheit der Eigentümer von Arbeitsmitteln (instruments de travail)' aufzufassen.

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Daraus ergibt sich unter Einbeziehung deflatorischer Kennzeichnungen folgende Mer km aiskette: II A Bereicherung einer unproduktiven Minderheit B Ausnutzung einer arbeitenden Mehrheit C

Unterdrückung der arbeitenden Mehrheit durch die unproduktive Minderheit.

Merkmal C enthält eine eindeutige negative Beurteilung mit gesellschaftskritischer Tendenz, die vor allem die Ungerechtigkeit der bestehenden Ordnung ins Bewußtsein rückt. Im emotionalen Bereich können konnotative Gefühlshaltungen hinzutreten, die in Ablehnung, moralischer Verurteilung, Empörung u. dgl. bestehen. Die Bedeutung konstituiert sich insgesamt aus einer gesellschaftsbezogenen Bestimmung von Objekt, Modus, Ursache und Ziel/Zweck der Handlung. Erstmals sagt die Bezeichnung etwas Uber die sozialökonomische Beziehung von Objekt und Subjekt der Handlung aus. Damit wird der qualitative und quantitative Unterschied zur Bedeutung I und ihren Varianten deutlich. Die dargestellte Bedeutungsstruktur mit ihrem Stellenwert in der ökonomischen Kritik der Saint-Simonisten erhielt somit den Charakter eines gesellschaftspolitischen Terminus, der einen sozialökonomischen Sachverhalt zum Ausdruck bringt. Damit ist eine relativ adäquate Widerspiegelung der gesellschaftlichen Entwicklung gegeben, die durch das Wachstum der kapitalistischen Verhältnisse, die Verschärfung der Widersprüche und die beschleunigte Proletarisierung der Massen gekennzeichnet 14 . war . Das entspricht auch der vorher vollzogenen Polarisierung der Klassenbezeichnuiigen in den-Schriften von Saint-Simon gemäß der geschichtlich bedingten sozialen 15 Polarisierung in Frankreich . Die von den Saint-Simonisten für ihre Auffassung von Ausbeutung verwendete sprachliche Bezeichnung /exploitalion/ konnte den Erfahrungen, dem Denken, Fühlen und Wollen bestimmter Klassen und Schichten angemessenen Ausdruck verleihen und wurde von bürgerlich-demokratischen und revolutionären Kräften in Frankreich, England und Deutschland aufgenommen. Die Bedeutung des Wirkens der Schüler Saint-Simons liegt darin, daß sie "seiner Lehre von den Klassen und dem Eigentum eine deutlicher ausgeprägte sozialistische Richtung verliehen", den "Zusammenhang zwischen Ausbeutung und Privateigentum" sahen und trotz der religiös-mystischen Bestandteile ihres Lehrgebäudes "ein mutiges und konsequentes Kampfprogramm gegen die bürgerliche Gesellschaft hatten" 16 . Ihre Resonanz beruhte nicht zuletzt auf der gesellschaftskritischen Grundauffassung, "daß das entstehende kapitalistische System 17 ebenso unvernünftig, ungerecht und widersprüchlich war wie die Feudalordnung" . Ihr sprachlicher Einfluß ist daher bald spürbar. In Frankreich ist er bereits für 1839 belegt: / exploitation d'un homme, le profit excessif que l'on en tire en l'employant . . . L'exploitation de 1'homme par 1' homme est une chose odieuse, anti-sociale/ Bernard, in: Littr6, Dict. 1, 2 (1863) 1571 b .

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' Ausbeutung'

1840 findet sich in Proudhons berühmter Schrift "Qu'est-que la propriété?" die Formulierung "Ausbeutung des Schwachen durch den Starken" mit eindeutig sozialkritischer Tendenz: / L a propriété est l'exploitation du faible par le fort; la communauté est l'exploitation du fort par le faible/ Proudhon, Oeuvres complètes 4 (1926) 32T. Im Englischen ist für 1844 verzeichnet: /Slavery, the use of man by man (exploitation) was the reigning principle of Society in its first stages/ Hennel, in: New Engl. Dict. 3, 2 (1897) 4 3 9 b 18 Ähnliche Formulierungen und Bedeutungen wie bei den Saint-Simonisten sind auch in Deutschland nachweisbar, bevor Marx und Engels sie gebrauchten. 1838 schrieb der bürgerlich-demokratische Staatswissenschaftler und Philosoph F. v. Bülau in einer Arbeit über den Pauperismus, daß sich der "Reichtum durch Ausbeutung der Schwächeren" vergrößere 19 . Von sklavenartiger "Ausbeutung einer zahl20

reichen Menge von Arbeitern durch wenige Arbeitsherrn und Capitalisten" in der scheußlichsten Art sprach 1843 der bürgerlich-demokratische Publizist, Revolutionär und spätere Abgeordnete des linken Flügels der Frankfurter Nationalversammlung W. Schulz, dessen Schrift "Die Bewegung der Production" Marx in den "Ökonomisch-philosophischen Manuskripten" (1844) exzerpiert hat und im ersten Band des "Kapitals" anerkennend erwähnt 21 . Bei Schulz finden wir auch /Ausbeutung der Armen durch die Reichen/ und die Feststellung, "daß sich die Kapitalisten die Kräfte der untern Klas22

sen . . . auf die leichteste und wohlfeilste Weise aneignen können" . H. Heine verwendete 1844, nachdem er schon mit Marx zusammengetroffen war, "Ausbeutung der Armen durch die Reichen" 23 durch die überwuchernde Macht des Kapitals, und 1845 ist 24 bei W. Wolff "Ausbeutung des Menschen durch den Menschen" belegt Der Bedeutungswandel der untersuchten Bezeichnungen muß im Zusammenhang mit einer bemerkenswerten Überbauerscheinung im Deutschland der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gesehen werden. Damals entwickelte sich eine außerordentlich reichhaltige Literatur über die Lage der Arbeiter, die "soziale Frage" und den sogenannten Pauperismus, welche als Ausdruck bürgerlich-demokratischer Kräfte zu werten ist, die damals noch eine fortschrittliche Rolle gegenüber den halbfeudalen Kräften splel. 25 ten . Marx und Engels beschäftigten sich 1842 bis 1844 eingehend mit den französischen 26 und englischen utopischen Sozialisten . Umfassende Sachkenntnis der "Exposition" von Bazard und Enfantin zeigt ihre Auseinandersetzung mit K. Grün in der "Deutschen 97 Ideologie" . Wichtig für die terminologische Entwicklung der Bezeichnungen bei Marx und Engels ist, daß die Saint-Simonisten die Ausbeutung als Ausdruck des Klassengegensatzes dar-

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stellten und sich hierbei auf den Gedanken des Klassenkampfes stützten, den ihr Leh28 . Unter dem

rer schon 1802 entwickelte und den Engels eine geniale Entdeckung nannte

Einfluß der französischen Sozialisten und des französischen Lebens war Marx in Paris 29 zum Sozialisten geworden .

4. Die Herausbildung der terminologischen Verwendungsweisen bei Marx und Engels im Zeitraum von 1845 bis 1867 Die Weiterentwicklung der Bedeutung von /Ausbeutung/ im Sinne der marxistischen Terminologie wurde seit 1844 durch die theoretische Auseinandersetzung von Marx und Engels mit der bürgerlichen politischen Ökonomie bestimmt. Maßgeblich dafür sind Marx' "ökonomisch-philosophische Manuskripte" (1844) und Engels' "Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie" (1844). Die begriffliche Entwicklung für die untersuchten Bezeichnungen wird in diesem Stadium von Marx' Theorie der entfremdeten Arbeit beeinflußt, die er als "nationalökonomisches Faktum" bezeichnete. Nach Marx führt die Entäußerung der Arbeit zur Entfremdung durch das Privateigentum, das als materieller Ausdruck entäußerter Arbelt aufgefaßt wird. Entfremdet ist das "Verhältnis des Arbeiters zur Arbeit und zum Produkt seiner Arbeit und zum Nichtarbeiter", dem Kapitalisten

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. Engels charakterisierte das System des Zwanges und der Konkurrenz 31 als "Spaltung zwischen Kapital und Arbeit" . 1845/46 nahmen Marx und Engels in der "Deutschen Ideologie" die Gedanken der ökonomischen Ausbeutungstheorie Benthams

und anderer englischer Theoretiker auf: "In der Ökonomie . . . war es schon ausge sprochen, daß die hauptsächlichen Verhältnisse der Exploitation unabhängig von dem Willen der Einzelnen durch die Produktion im Ganzen und Großen bestimmt und von den 32 einzelnen Individuen fertig vorgefunden werden" . Damit war der Blick auf die Ausbeutung als gesetzmäßige Erscheinung des Kapitalismus gerichtet.

4 . 1 . Der marxistische terminologische Gebrauch von /Ausbeutung/ und /Exploitation/ bis 1867 Nach Engels sind "fast alle nicht streng ökonomischen Gedanken der spätem Sozialisten" 33 bei Saint-Simon im Keim enthalten . Aber der Begriff 'Ausbeutung', wie ihn die Saint -Simonisten im Anschluß an ihn entwickelten, erfaßte noch nicht alle wesentlichen Aspekte. Das wurde erst durch die umfassende Analyse der ökonomischen und sozialpolitischen Prozesse möglich, die Marx und Engels geleistet haben und die zur gültigen

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'Ausbeutung'

definitorischen Bestimmung der Bezeichnungen führte. Die von Marx und Engels in diesen Jahren gewonnenen Erkenntnisse mußten zwangsläufig zu einer neuen definitorischen Bestimmung der Bezeichnung /Ausbeutung/ führen. Grundlage der Erkenntnis bildet die wissenschaftliche Analyse des Kapitalismus, wie sie vor allem im "Kommunistischen Manifest" dargelegt ist. (A) 'Bereicherung* wird durch Marx und Engels exakter definiert als 'Aneignung fremder Arbeit', konkretisiert für den Kapitalismus bedeutet das die Aneignung der Lohnarbeit durch das Kapital. Unter 'Arbeit' wird im "Kommunistischen Manifest" 'lebendige Arbeit' verstanden. Der Begriff 'Arbeitskraft' wird erst später geprägt. (B) Geringere Unterschiede im Vergleich mit der saint-simonistischen Definition bestehen für das Merkmal ' Ausnutzung' . Auch Marx und Engels verstehen darunter die 'Ausnutzung des arbeitenden Menschen', d. h. für den Kapitalismus die Ausnutzung des Proletariats durch die Klasse der Bourgeois, durch die Kapitalisten. (C) Für das dritte Merkmal ist die Fortführung des saint-simonistischen Sprachgebrauchs in der präzisen definitorischen Festlegung erkennbar. Die 'Unterdrückung' wird dargestellt als eine Unterdrückung der Mehrheit der produzierenden Klassen und Schichten durch die Minderheit der herrschenden Klassen, die die alleinige Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel besitzen, wobei die Unterdrückung als die im Gesellschaftssystem angelegte Ausübung eines ökonomischen Zwanges zu verstehen ist. Die Bedeutung des saint-simonistischen Terminus ist damit aufgehoben. Die neue definitorische Festlegung des Begriffs 'Ausbeutung' führt zu folgender leicht veränderter Merkir aiskette: m A Aneignung fremder Arbeit B

Ausnutzung des arbeitenden Menschen

C

Unterdrückung der Mehrheit durch die herrschende Minderheit.

Diese Bedeutung kann seit Mitte der 40er Jahre des 19. Jahrhunderts bei Marx und Engels ale Ausdruck und Bestandteil ihrer revolutionären Kritik an der bürgerlichen, kapitalistischen Gesellschaftsordnung vom Standpunkt der Arbeiterklasse aufgefaßt werden, wie sie in Marx' "Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie. Einleitung" (1844) formuliert wurde (vgl. MEW 1, 385). Die Bedeutung wird in der nominalen und noch häufiger in der verbalen Form e r s t mals in Engels' "Die Lage der arbeitenden Klasse in England" (1845) gebraucht. Engels' Buch war die erste umfangreiche materialistisch-dialektische Analyse des Kapitalismus und der daraus resultierenden Rolle des Proletariats in der bürgerlichen 34 Gesellschaft. Darin ist dargestellt, wie die Ausbeutung als Folge des gesetzmäßig wirkenden Charakters der kapitalistischen Produktionsweise den Arbeiter zwingt, "die 35 Bedingungen, die ihm die Bourgeoisie stellt, zu unterschreiben oder - zu verhungern" Für den Arbeiter wird eine Zwangsfreiheit erzeugt, seine Arbeit als Ware zu verkaufen.

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Ursache des Klassenantagonismus und der sozialen Degradation der Arbeiterklasse ist 36 die Enteignung von allen Produktionsmitteln . Beispiele für die Verwendung von /Ausbeutung/ in dieser Bedeutung sind: /Einwirkungen einer barbarischen Ausbeutung/ MEW 2, 376. /das Interesse der Bourgeoisie als solcher, das eben in der Ausbeutung der Arbeiter besteht/ ebd. 430. /die ganze Infamie des industriellen Ausbeutungssystems in ihrer vollen Unmenschlichkeit/ebd. 393. /Systematische Ausbeutung der Grubenarbeiter/ ebd. 726. Mit der Bezeichnung sind im engeren Kontext nähere Bestimmungen verbunden wie /barbarisch, Infamie/ (s. die obigen Belege), die eine parteiliche Stellungnahme deutlich werden lassen. Sie zeigt sich auch, wenn zum Verb /ausbeuten/ entsprechende adverbiale Bestimmungen treten: /Mit derselben Grausamkeit . . . werden die Nähterinnen . . . ausgebeutet/ MEW 2, 427. /Die Bourgeoisie . . . beutet sie [d. Grubenarbeiter] . . . auf die unverschämteste Weise aus/ ebd. 465. In den Aussagen verschiedener Sätze sind die Mittel und Methoden der Ausbeutung konkret angegeben: Mieterhöhung, Trucksystem, Cottagesystem. Das Verb ist häufig mit den Objekten der Ausbeutung verbunden, z . B . bezogen auf die Nation, die von der 37 Bourgeoisie ausgebeutet wird, auf die Kinder, Lehrlinge, Nähterinnen 1648 erhält die Bezeichnung (in der verbalen Form) im "Manifest der Kommunistischen Partei" erstmals die Bezugnahme auf die Vermehrung des Kapitals: Die Lohnarbeit schafft dem Proletarier kein Eigentum, sondern /Sie schafft das Kapital, d. h. das Eigentum, welches die Lohnarbeit ausbeutet, welches sich nur unter der Bedingung vermehren kann, daß es neue Lohnarbeit erzeugt, um sie von neuem auszubeuten/ (M/E1646) MEW 4, 475. Dieser Gedanke kann als Vorstufe für die Auffassung betrachtet werden, daß fremde Arbeitskraft und ihr Mehrprodukt angeeignet werden. Die französische Entlehnung /Exploitation/ wird in diesem Zeitraum ebenfalls verwendet: /Exploitation der Lohnarbeit durch das Kapital/ (M 1Ö4Ö) MEW 6, 116. /grenzenlos unverschämte Exploitation der Arbeiterklasse durch die Fabrikbesitzer/ (E 1650) MEW 7, 233. /Exploitation des industriellen Proletariats/ (M 1850) MEW 7, 84. Im "Manifest der Kommunistischen Partei" tritt auch erstmals die auf alle Gesellschaftsformationen mit Klassenantagonismus bezogene Bedeutung für das deutsche nomen actionis auf: /Welche Form sie aber auch immer angenommen, die Ausbeutung des einen Teils der Gesellschaft durch den andern ist eine allen . . . Jahrhunder ten gemeinsame Tatsache/ (M/E 1648) MEW 4, 480.

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'Ausbeutung'

Die Verallgemeinerung liegt vor, wenn in den Merkmalen A und B der Bedeutung die Konkretisierungen abstrahiert werden. Im "Kommunistischen Manifest" wird bereits der Sache nach zwischen bürgerlicher Ausbeutungsweise und feudaler Ausbeutungsweise unterschieden: /Wenn die Feudalen beweisen, daß ihre Weise der Ausbeutung anders gestaltet war als die bürgerliche Ausbeutung, so vergessen sie nur, daß sie unter gänzlich verschiedenen und jetzt überlebten Umständen und Bedingungen ausbeuteten/ MEW 4, 4b3.

4.2. Der vollausgebildete terminologische Gebrauch seit dem Erscheinen des ersten Bandes des "Kapitals" (lb67) Um lb48 steht die Mehr Werttheorie von Marx als Eckstein seiner ökonomischen Lehre 3b 39 in den Grundzügen fest . Nach weiteren umfassenden Vorarbeiten erhalten die untersuchten Bezeichnungen im ersten Band des "Kapitals" (1667) die vollausgebildete terminologische Bedeutung. Im Sinne der Mehrwerttheorie wurde 'Ausbeutung' als Aneignung der Ware Arbeitskraft in Form der Mehrarbeit und des Mehrprodukts sowie des in Profit verwandelten Mehrwerts definiert: /Zunächst ist das treibende Motiv und der bestimmende Zweck des kapitalistischen Produktionsprozesses möglichst große Selbstverwertung des Kapitals (Anm. "Profite . . . sind der einzige Zweck des Geschäfts." J . Vanderlint, 1. c. p. 11), d. h. möglichst große Produktion von Mehrwert, also möglichst große Ausbeutung der Arbeitskraft durch den Kapitalisten. Mit der Masse der gleichzeitig beschäftigten Arbeiter wächst ihr Widerstand und damit notwendig der Druck des Kapitals zur Bewältigung dieses Widerstands. Die Leitung des Kapitalisten ist nicht nur eine aus der Natur des gesellschaftlichen Arbeitsprozesses entspringende und ihm angehörige besondre Funktion, sie ist zugleich Funktion der Ausbeutung eines gesellschaftlichen Arbeitsprozesses und daher bedingt durch den unvermeidlichen Antagonismus zwischen dem Ausbeuter und dem Rohmaterial seiner Ausbeutung/ MEW 23, 350. Derselbe Bedeutungsgehalt findet sich auch im Verb /ausbeuten/, wie der folgende Beleg zeigt. /wie sie [ d . Maschinerie im kapitalistischen Fabriksystem] die eanze Lebenszeit des Arbeiters konfisziert durch maßlose Ausdehnung des Arbeitstags, und wie ihr Fortschritt, der ein ungeheuer wachsendes Produkt in stets kürzrer Zeit zu liefern erlaubt, . . . als systematisches Mittel dient, in jedem Zeitmoment mehr Arbeit flüssig zu machen oder die Arbeitskraft stets intensiver auszubeuten/ MEW 23, 441. Die Bedeutungsstrukt"f des Terminus wird ferner in folgenden Textbelegen, in denen der begriffliche Gehalt durch die französische Entsprechung zu /Ausbeutung/ wiedergegeben wird, deutlich: / i n dem Surpluskapital Nr. I sind alle Bestandteile Produkt unbezahlter fremder Arbeit, k a p i t a l i s i e r Mehrwerth. . . . Dann verwandelt der Kapitalist diesen Reichthum, der fiir ihn eine Schöpfung aus Nichts ist, in

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Kapital, in ein Mittel zur Anwendung, Beherrschung und Exploitation zuschüssiger Arbeitskraft/ (M 1B67) Kapital 1, 570 (vgl. ebd. 21B72 S. 606). Im Abschnitt über den Akkumulationsprozeß des Kapitals heißt es: /Freie Arbeiter in dem Doppelsinn, daß weder sie selbst unmittelbar zu den Produktionsmitteln gehören, wie Sklaven, Leibeigne usw., noch auch die Produktionsmittel ihnen gehören, wie beim selbstwirtschaftenden Bauer usw., sie davon vielmehr frei, los und ledig sind . . . . Die sog. ursprüngliche Akkumulation ist also nichts als der historische Scheidungsprozeß von Produzent und Produktionsmittel. . . . Von dieser Seite stellt sich ihr Emporkommen [ d . industriellen Kapitalisten] dar als Frucht eines siegreichen Kampfes gegen die Feudalmacht und ihre empörenden Vorrechte, . . . gegen . . . die Fesseln, die diese der freien Entwicklung der Produktion und der freien Ausbeutung des Menschen durch den Menschen angelegt. Der Fortgang bestand in einem Formwechsel dieser Knechtung, in der Verwandlung der feudalen in kapitalistische Exploitation/ MEW 23, 742/43. Die heimische Bezeichnung und die französische Entlehnung werden synonym nebeneinander gebraucht. Nach häufiger terminologischer Verwendung findet sich die zusammenfassende, prägnante Formulierung: /Das selbsterarbeitete . . . Privateigentum wird verdrängt durch das kapitalistische Privateigentum, welches auf Exploitation fremder, aber formell freier Arbeit beruht/ MEW 23, 790. Auf Grund der intensiven Analyse gesellschaftlicher Verhältnisse und der Entwicklung der Mehrwerttheorie kommt Marx zu einer verbesserten definitorischen Festlegung des Begriffs 'Ausbeutung'. Er erkennt, daß das Prinzip der Ausbeutung nicht nur für den Kapitalismus, sondern für jede antagonistische Gesellschaftsformation gültig ist. Der Begriff ' Ausbeutung' und seine Merkmale erhalten einen zentralen Stellenwert im gesellschaftstheoretischen System des Marxismus: (A) Aneignung fremder, unbezahlter Arbeit bzw. Arbeitskraft durch die Eigentümer der Produktionsmittel auf Grund der Produktionsverhältnisse in der Form eines Mehrprodukts (d. h. im Kapitalismus durch die Produktion von Mehrwert, der in der Form von Profit auftritt). (B) Ausnutzung des unmittelbaren Produzenten (des Lohnarbeiters durch den Kapitalisten, des Leibeigenen durch den Feudalherrn, des Sklaven durch den Sklavenhalter). (C) Unterdrückung der Mehrheit durch eine herrschende Minderheit, die alleinige Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel besitzt (verwirklicht im Vorkapitalismus durch außerökonomischen und im Kapitalismus durch ökonomischen Zwang). Aus dem definitorischen Zusammenhang lassen sich nunmehr folgende semantischen Merkmale von /Ausbeutung/ herauslösen: III A Aneignung fremder, unbezahlter Arbeitskraft B Ausnutzung des unmittelbaren Produzenten C Unterdrückung der Mehrheit durch die herrschende Minderheit. Die Gesamtheit der Merkmale enthält ein adäquates Abbild des objektiven Sachverhalts einschließlich seiner parteilichen Beurteilung. Das heißt, "daß ein Arbeiter unter

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'Ausbeutung'

kapitalistischen Verhältnissen, auch wenn er von der wissenschaftlichen Definition und von der marxistischen Philosophie keine oder nur eine verschwommene Vorstellung haben sollte, in diesem Wortgebrauch genau das ausgedrückt findet, was er täglich e r lebt. Das Wort entspricht genau dem, was er Zeit seines Lebens existentiell erfährt: Den Verkauf seiner Arbeitskraft; die Erzielung eines Profits für den Unternehmer, an dem er selbst keinen Anteil hat; die totale Abhängigkeit vom Unternehmer. Diese Bedeutung ist für den Arbeiter im Kapitalismus die genaue Widerspiegelung seiner ob40 jektiven Existenzbedingungen." Die Bezeichnungen /Ausbeutung/ bzw. /Exploitation/ (und entsprechend deren v e r bale Formen /ausbeuten/ bzw. /exploitieren/) sind polyseme Wörter, für die nunmehr - nach den Arbeiten von Marx - folgende zwei Bedeutungen gelten: 1. Die allgemeinsprachliche Bedeutung (vgl. obenl); 2. die marxistische Bedeutung im Sinne der Marxschen Mehrwerttheorie (vgl. oben III); hier gilt seit ca. 1848 die Bedeutung 'Aneignung und Ausnutzung fremder Arbeit durch die Eigentümer von Produktionsmitteln bei damit verbundener Unterdrückung der arbeitenden Klasse' und seit 1867 'Aneignung und Ausnutzung f r e m d e r , unbezahlter Arbeitskraft durch die Eigentümer von Produktionsmitteln, im Kapitalismus in Form von Mehrwert, der in Profit verwandelt wird, bei damit verbundener Unterdrückung der A r b e i t e r k l a s s e ' . Die saint-simonistische Bedeutung II ist in die frühmarxistische Bedeutung III aufgenommen und spielt, historisch bedingt, seit Marx und Engels keine selbständige Rolle mehr.

4 . 3 . Zur sprachlichen Produktivität der terminologischen Bezeichnungen Marx und Engels nutzen in reichem Maße die im lexikalischen System der deutschen Sprache enthaltenen Möglichkeiten der Wortbildung mit den Bezeichnungen für ' A u s beutung' . 4 . 3 . 1 . Ableitungen Hier ist vor allem das vom Verb abgeleitete nomen agentis /Ausbeuter/ zu nennen. / A u s b e u t e r / , das vor Marx und Engels im Sinne der allgemeinsprachlichen Bedeutung 41 nur sehr spärlich belegt ist , wird von Marx und Engels überhaupt nicht mit der allgemeinsprachlichen Bedeutung I verwendet. Wir finden das Wort - offensichtlich als

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Ergebnis der dargestellten Bedeutungsentwicklung - mit der vollausgebildeten Bedeutungsstruktur III erstmals 1867 im "Kapital" I: /.Antagonismus zwischen dem Ausbeuter und dem Rohmaterial seiner Ausbeutung/ MEW 23, 350. Die für die sprachliche Wirksamkeit relevante Bezeichnung /Ausbeuter/ ist somit erst nach abgeschlossener Herausbildung des Terminus im marxistischen Sinne verfügbar. 4 . 3 . 2 . Komposita Von der sprachlichen Produktivität von /Ausbeutung/ und /Exploitation/ zeugt eine große Zahl von Komposita vom Typ Substantiv + Substantiv, bei denen eine der Bezeichnungen als Bestimmungswort fungiert. Eine Auswahl von Beispielen aus dem Material des Marx-Engels-Archivs zeigt dies hinreichend: /Ausbeutungsfeld des Kapitals/ (M 1867) MEW 23, 417. /Exploitationsfeld des Kapitals/ (M 1894) MEW 25, 631. /gesellschaftliche Exploitationsform/ (M 1867/ MEW 23, 452. /der feudalen Arbeits- und Ausbeutungsformen/ (E 1885) MEW 21. 246. /Die Rate des Mehrwerts ist . . . der exakte Ausdruck für den Exploitationsgrad der Arbeitskraft durch das Kapital/ (M 1867) MEW 23, 232. /Ausbeutungsgrad dieser Arbeit/ (M 1894) MEW 25, 401. /Exploitationsmittel der Arbeitskraft/ (M 1867) MEW 23, 445. /kommerzielles Exploitationssystem/ (M 1867) ebd. 787 /Eine Arbeit . . . über das . . . herrschende Ausbeutungssystem/ (E 1869) MEW 37, 134. /Eigentums- und Exploitationstheorie [Marx Stirners] / (M/E 1845/46) MEW 3, 421. /Exploitationslust der Kapitalisten/ (M 1867) MEW 23, 418. /Exploitationswut der Fabrikanten/ (E 1850) MEW 7, 236. Komposita mit der französischen Entlehnung sind weitaus häufiger als Verbindungen mit dem deutschen nomen actionis. Sie finden sich vorwiegend bei Marx.

4 . 4 . Zum Verhältnis zwischen den heimischen und entlehnten Bezeichnungen Marx bevorzugte von Anfang an die französischen Entlehnungen. Ihr Gebrauch überwiegt bei weitem in den drei Bänden des "Kapitals". Das zahlenmäßige Verhältnis der heimischen Bezeichnungen zu denen französischen Ursprungs stellt sich folgendermaßen dar: für /Ausbeutung, Exploitation/: "Kapital" I 15:39; "Kapital" n 2:6; "Kapital" III 15:46; für /ausbeuten, exploitieren/: "Kapital" 1 17:20; "Kapital" II 5:2; "Kapital" in 18:27.

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' Ausbeutung' Folgender Beleg zeigt, daß Marx hier die deutsche Bezeichnung in der neutralen

allgemeinsprachlichen Bedeutung, also nichtterminologisch, die französische jedoch als vollausgebildeten Terminus benutzt: /gewinnt die weitere Vergesellschaftung der Arbeit und Verwandlung der Erde und andrer Produktionsmittel in gesellschaftlich ausgebeutete, also gemeinschaftliche Produktionsmittel . . . eine neue Form. Was jetzt zu expropriieren, ist nicht länger der selbstwirtschaftende Arbeiter, sondern der viele Arbeiter exploitierende Kapitalist/ (M 1867) MEW 23, 790. Für die unterschiedliche Verwendung des deutschen und des französischen Wortes gibt es mehrere Beispiele in Marx' theoretischem Hauptwerk. Im übrigen trifft aber W. Fleischers Feststellung zu, daß für eine Reihe terminologischer Systeme im Deutschen 42

eine synonymische Konkurrenz von heimischem Wort und Fremdwort bestehen kann . Die Bevorzugung der französischen Entlehnungen bei Marx kann darauf zurückgeführt werden, daß er viel französische Literatur verarbeitet hat. Auch die Werke der englischen Ökonomen A. Smith, J . Mill und D. Ricardo studierte er zunächst in der fran43 zösischen Übertragung . Nimmt man jedoch das Gesamtwerk von Marx und Engels, so ist das Verhältnis zwischen der Verwendung der heimischen und der fremden Be Zeichnungen nahezu gleich . Engels benutzte weit mehr und ab etwa lb70 in zunehmendem Maße die deutschen Wörter. 4.5. Synonymik Besonders einprägsam und publizistisch wirksam sind metaphorische Formulierungen mit veranschaulichender und verdeutlichender Funktion. Mehr oder weniger synonym werden verwendet: für /Ausbeutung/ /Aussaugung der Bauern [durch alle offiziellen Stände des Reichs] / (IT1850) MEW 7, 340.

für /Ausbeuter/ /Auspumper von Mehrarbeit und Exploiteur von Arbeitskraft/ (M 1867) MEW 23, 32b. für /ausbeuten/ /das Kapital pumpt in dem . . . Produktionsprozeß ein bestimmtes Quantum Mehrarbeit aus den unmittelbaren Produzenten oder Arbeitern heraus/ (M 1894) MEW 25, 827.

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Zur Verwendung von /Ausbeutung/, /Exploitation/ nach der Herausbildung der

terminologischen Bezeichnungen Die weitere Verwendung der Bezeichnung /Ausbeutung/ beruht auf der vorgeführten Merkmalsstruktur, die der Gebrauch bei Marx nach der Entwicklung der Mehrwerttheorie im "Kapital" erkennen läßt (vgl. S. 33 ): in A

Aneignung fremder, unbezahlter Arbeitskraft

B

Ausnutzung des unmittelbaren Produzenten

C

Unterdrückung der Mehrheit durch die herrschende Minderheit.

Diese drei Merkmale enthalten das semantische Wissen des Sprechers/Hörers, das er, wenn er über die entsprechenden Kenntnisse verfügt, mit terminologischem Wissen verbinden kann.

5.1. Zur Verwendung der Bezeichnung im Sinne von Marx und Engels Das ausgewertete Belegmaterial weist eindeutig aus, daß die aus dem Französischen entlehnten Bezeichnungen /Exploitation, exploitieren/ fast nicht mehr gebraucht werden. In den exzerpierten Quellen finden sich nur wenige Belege - wie hier für das Verb /exploitieren/ -, die auf Marx zurückgehen und im speziellen Fachschrifttum auftreten, z. B. /der vom industriellen Kapital exploitirte Mehrwerth/ (lb69) C. Schmidt, Durchschnittsprofitrate 97. Die deutschen Bezeichnungen haben sich durchgesetzt. Am häufigsten belegt ist das nomen actionis /Ausbeutung/, dann folgen /ausbeuten/ und /Ausbeuter/. Eine exakte Verwendung des marxistischen Terminus /Ausbeutung/ liegt immer dann vor, wenn die von Marx und Engels gegebene Definition zitiert bzw. in sprachlicher Anlehnung wiedergegeben wird; sie liegt ferner vor, wenn der Terminus und seine Stellung innerhalb der sozial-ökonomischen Lehre beschrieben wird. In solchen Fällen werden die semantischen Merkmale kontextuell um definitorische Kennzeichnungen oder um Hinweise auf systemhafte Bezüge ergänzt. Mit anderen Worten: Der Textzusammenhang macht deutlich, daß der Autor semantisches Wissen mit terminologi schem Wissen verbindet: /sobald sich aber der Maschinenbetrieb verallgemeinert hat, hängt die Größe des Mehrwerts nur von der Anzahl der gleichzeitig beschäftigten Arbeiter ab und von dem Grad ihrer Ausbeutung/ (^1876) Most, Kapital und Arbeit, in: Dlubek/ S . , Kapital (1967) 294 /Da liegt eben der Hase im Pfeffer. "Alle bisherige Gesellschaft beruhte . . . auf dem Gegensatz unterdrückender und unterdrückter Klassen." [Vgl. Manifest, MEW 4, 473] . . . Und die Tatsache selbst der Ausbeutung

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' Ausbeutung' beruht nicht auf einer gesetzlichen Bestimmung, sondern auf der rein w i r t schaftlichen Tatsache, daß die Arbeitskraft als Ware auftritt, die unter anderem die angenehme Eigenschaft besitzt, Wert, und zwar mehr Wert zu produzieren, als sie selbst v e r t i l g t / (1899) Luxemburg (1970) 1, 1, 431 (Sozialreform oder Revolution?). In verschiedenen Quellen erfolgt ausdrücklich eine präzisierende Erläuterung durch

Hinweise auf die Marxsche Mehrwerttheorie: /während das Wesen der kapitalistischen Produktion . . . in der Ausbeutung f r e m d e r Arbeitskraft, in der Aneignung eines großen Theils des Arbeits e r t r a g e s durch den Kapitalisten besteht/ (1892) Bios, Dt. Rev. 3&27. / J e mehr die Ausbeutung des einzelnen Arbeiters und die Zahl der ausgebeuteten Arbeiter (nicht blos in einem Lande, sondern in allen kapitalistisch ausgebeuteten Ländern) wächst, desto mehr wächst auch die Masse des Mehrwerths, . . . den die Kapitalistenklasse . . . zurücklegen kann, um ihn in Kapital zu verwandeln/ (1892) Kautsky, E r f . Programm (1899) 98. 45 Taktische und andere Gründe veranlaßten J . B. Schweitzer , M a r x ' e r s t e n Band des "Kapitals" im allgemeinen exakt zu popularisieren: / H i e r , in diesem "Mehrwert", liegt die Quelle des ganzen Wohllebens und des immer steigenden Reichtums der Kapitalistenklasse - hier ist der Punkt, wo erkannt werden muß, wie die Vorteile und Annehmlichkeiten der gesamten privilegierten Klasse auf der Ausbeutung der Arbeitskraft des Volkes beruhen/ (1868) Schweitzer in: Dlubek/S., Kapital (1967) 181 (Social-Demokrat N r . 24 v. 23. 2. 1868). Der Terminus wird in bestimmten Zusammenhängen auch von lassalleanisch bzw. r e formistisch eingestellten Autoren sowie von Fachschriftstellern, die bürgerliche ideologische Positionen offen vertreten, exakt verwendet: /daß die kapitalbesitzende Klasse ihr Kapital . . . in Folge einer ständigen Beraubung und Ausbeutung der Arbeit erlangt hat/ (1868) J . B. Schweitzer gegen Schulze-Delitzsch, in: Soz.demokr. Bibl. 1, N r . VIII 68 Faks. Aus dem gegnerischen Lager stammen die folgenden Belege. Die Autoren r e f e r i e r e n die marxistische Lehre. Ihr Versuch, sie anschließend zu entkräften oder zu widerlegen, hat zunächst keinen Einfluß auf den terminologischen Gebrauch: / M a r x will jede Ausbeutung des Menschen durch den Menschen beseitigen, also jeden Mehrwerth, der ja doch nur in der Aneignung des von f r e m d e r , unbezahlter Arbeitskraft producirten Werthes besteht. Dieser Mehrwerth bestand schon vor der modernen capitalistischen Productionsweise/ (1873) Jäger, Socialismus 28. /Der Arbeiter erarbeitet mehr Werte, als er im Lohne vom Unternehmer ausgefolgt bekommt; hier ist die Arbeitskraft die Ware, welche der Unternehmer kauft; . . . Der Unternehmer gelangt also . . . über de n Arbeiter zu Mehrgeld, und dieser Raub wird dann nur zwischen ihm und andern Kapitalisten . . . geteilt. Dies die Marxische Mehrwertlehre von der U r formel der Ausbeutung in unsrer kapitalistischen Gesellschaft/ (1892) J . Wolf, Sozialpolitik 1, 2&7 46 . Neben den bisherigen Belegen, die /Ausbeutung/ in der Verwendung als m a r x i s t i schen Terminus vorführten, stehen solche, deren Kontext keine definitorischen Kennzeichnungen oder systemhaften Bezüge enthält. Der Interpret kann annehmen, manch-

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mal sogar wissen, daß der Sprecher/Autor semantisches und terminologisches Wissen miteinander verbindet. Ist ihm jedoch eine derartige Einsicht versagt, dann ist der Beleg lediglich semantisch analysierbar. Führt die Interpretation der Bezeichnung genau zu jener Merkmalsstruktur, wie sie bei Marx und Engels als wirksam erkannt wurde, dann handelt es sich nicht um einen terminologischen Gebrauch, wohl aber um einen Gebrauch des Wortes in seiner marxistischen, in den Merkmalen festgehaltenen Bedeutung; die Textstelle ist ohne terminologisches Wissen verstehbar: /Nieder mit der Tyrannei! Nieder mit der Unterdrückung in jeder Gestalt! Nieder mit der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen! Das sei die Parole, unter der Ihr . . . Euren Stimmzettel abgebt/ (1887) in: Sozialdemokratie 259 Faks. /Befreiung der Arbeiterklasse vom Doppeljoche der ökonomischen Ausbeutung und politischen Knechtung/ (1895) Dok. Arbeiterbewegung 3(1974)449. /Was will die Sozialdemokratie? "Die Aufhebung der Ausbeutung und Unterdrückung des Menschen durch den Menschen in jeder Form, auf sozialem, politischem und w i r t s c h a f t l i c h e m Gebiet"/ (1898) Bebel, Akademiker 10. In dieser Form ist das Wort auch in die belletristische Literatur eingegangen: /Und ich denke, Herr Ritter, haben's Adel und Geistlichkeit verstanden, ihrer Ausbeutung der armen Leute ein Mäntelchen umzuhängen, das sie Recht und Gesetz nennen/ (1898) Schweichel, Freiheit (1953)219. Mit der Bezeichnung /Ausbeuter/ (neben /Ausbeutertum/, /Ausbeuterzunft/ u. a.) wird der klassenmäßige Gegensatz, das Ausbeutungsverhältnis zu den /Ausgebeuteten/, kontextuell meistens noch stärker akzentuiert als beim nomen actionis. Das ist sowohl in jenen Belegen sichtbar, die revolutionäre Positionen der Arbeiterklasse und der Arbeiterbewegung ausdrücken, als auch bei Autoren, die der bürgerlichen Ideologie verhaftet sind und marxistische Auffassungen r e f e r i e r e n bzw. dagegen polemisieren. Bei /Ausbeuter/ ist die Identifizierung mit dem Standpunkt der Arbeiterklasse, der Arbeiterbewegung und ihren revolutionären Zielsetzungen besonders ausgeprägt v e r bunden: /die Arbeiter begehen ein Verbrechen in den Augen der Ausbeuter, wenn auch sie zu der Erkenntnis kommen, daß das Proletariat, unabhängig von den nationalen Grenzen, die Beseitigung der kapitalistischen Ausbeutung zu erstreben hat/ (1886) Dok. Arbeiterbewegung 3 (1974) 252. /Immer größer wird die Zahl der P r o l e t a r i e r , immer massenhafter die Armee der überschüssigen Arbeiter, immer schroffer der Gegensatz zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten, immer erbitterter der Klassenkampf zwischen Bourgeoisie und P r o l e t a r i a t / (1891) E r f u r t e r Programm in: P r o tokoll Parteitag (1897)3. Finden /Ausbeuter/ und /ausbeuten/ bei nicht-marxistischen Autoren Verwendung, ist man bemüht, ihnen eine gewisse Schärfe zu nehmen oder, z. B. durch Anführungsstriche, gewisse Vorbehalte anzumelden. Dafür sei der Beleg eines antimarxistischen Autors angeführt: /Diese Masse des Mehrwerthes ist gleich der Anzahl der "ausgebeuteten"

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'Ausbeutung' Arbeiter, multiplicirt mit der Rate des Mehrwerthes/ (1873) Jäger, Socialismus 21.

5.2. Zur sprachlichen Produktivität der Bezeichnung Wie schon bei Marx und Engels verbindet sich auch in der Folgezeit /Ausbeutung/ mit einer Vielzahl von Attributionen, die Zusammenhänge des Sachverhalts im Hinblick auf Objekt und Subjekt verdeutlichen, Aussagen über die Art und Weise enthalten und damit auch Ausdruck der klassenbedingten proletarischen Parteilichkeit sind. Die Bezeichnung ist häufig mit dem nachgestellten nominalen Attribut verbunden, das im Genitiv steht und das Objekt der Ausbeutung bezeichnet; Merkmal B wird auf diese Weise betont und hervorgehoben: /Ausbeutung der Masse/ (1875) Dietzgen, S. Sehr. (1911) 1, 100. /Ausbeutung des Volks/ ebd. 128. /Ausbeutung der Kinderarbeit/ (1871) Geib Normalarbeitstag, in: Dlubek/S., Kapital (1967) 219. /Ausbeutung der unteren Volksschichten/ (1892) Kautsky, Erf. Programm (1B99) 29.— /Ausbeutung der Wehrlosesten/ ebd. 39. Fügungen dieser Art werden nicht selten durch Angaben über das ausbeutende Subjekt ergänzt. Die gesamte Gliedfolge verdeutlicht konkret den gesellschaftlich in Erscheinung tretenden Antagonismus (analog zur Wendung/Ausbeutung des Menschen durch den Menschen/): /Ausbeutung der Bedürftigen durch die Begüterten/ (1891) Falk, Socialdemokratie 30. Dieselbe Funktion wie das nachgestellte nominale Attribut im Genitiv übt das Bestimmungswort zum Grundwort /Ausbeutung/ in verschiedenen Komposita aus: /Arbeiterausbeutung/ (1873) Dok. Arbeiterbewegung 3 (1974) 52 (Wahlaufruf der Sozialdemokratie). /Lehrlingsausbeutung/ (18b4) in: Sozialdemokratie 231 Faks. Zur näheren Kennzeichnung des gesellschaftspolitischen Sachverhalts dienen vorangestellte adjektivische Attribute: /Werkzeug politischer und sozialer Ausbeutung/ (1874) Bebel, Ausgew. Reden 1, 294. B. 38 /der wucherischen Ausbeutung/ (1892) Bios, Dt. Rev. 62. Eine ganze Reihe neugebildeter Komposita läßt die Produktivität der Bezeichnung e r kennen. Einige Muster der Komposition haben bereits Marx und Engels aufgestellt, z. B. /Ausbeutungsform(en), Ausbeutungsgrad, Ausbeutungsweise/. Zu den meistbelegten Komposita mit /Ausbeutung/ als Bestimmungsglied gehören /Ausbeutungssystem,

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Ausbeutungsgrad, Ausbeutungssucht/. Eine dem terminologischen Sprachgebrauch von Marx entsprechende Verwendung findet sich in einer sozialtheoretischen Abhandlung mit einem Zitai aus dem ersten Band des "Kapitals": /dieses Verhältnis [von notwendiger Arbelt und Mehrarbeit] ist (S. 185) "der exacte Ausdruck für den Ausbeutungsgrad der Arbeitskraft durch das Capital"/ (1873) Jäger, Socialismus 20. Das Belegmaterial weist außer den genannten eine Vielzahl weiterer Komposita mit /Ausbeutung/ als Bestimmungsglied aus: /Ausbeutungsbedingung, Ausbeutungsgeschäft, Ausbeutungsgier, Ausbeutungsinteresse, Ausbeutungskraft, Ausbeutungsmittel, Ausbeutungsmonopol, Ausbeutungsobjekt, Ausbeutungspolitik, Ausbeutungsposition, Ausbeutungsstaat, Ausbeutungszustand, Ausbeutungstrieb/ und in einem Falle auch die Bezeichnung /Ausbeutungsbuch/ für die Bibel in der Äußerung eines Fabrikarbeiters in einem Gespräch (1891 Göhre, Fabrikarbeiter 160). Mit /Ausbeuter/ werden gebildet: /Ausbeutergesellschaft, -gewinn, -klasse (häufig), -presse, -staat, -Standpunkt, -treiben, -verdienst, -zunft/. /Ausbeutertum/ als Ableitung ist fast durchweg in sozialdemokratischen Cuellen, aber auch bei einem bürgerlichen Autor belegt, z . B . /Aber die Wirkung . . . war genau die entgegengesetzte, welche das Ausbeutertum erwartet hatte/ (1889) Dok. Arbeiterbewegung 3(1974)312. / s o wird man gewahr, daß ein Land, je mehr es industrialisiert, je mehr es dem Kapitalismus, dem Ausbeutertum, verfallen ist, eine desto geringere Sterblichkeitsrate besitzt/ (1892) J . Wolf, Sozialpolitik 1, 221. Der Kontext zum letzten Beleg zeigt, wie, von Klassenpositionen abhängig, gesellschaftliche Zusammenhänge verzerrt bzw. falsch dargestellt werden können.

5.3. Von der marxistischen Wortbedeutung abweichender Sprachgebrauch Das ausgewertete Quellenmaterial enthält eine beträchtliche Zahl von Belegen, in denen der marxistisch bestimmte sozialökonomische Sachverhalt der Ausbeutung nicht exakt realisiert wird. Das zeigt sich in unterschiedlicher Weise und ist entsprechend der ideologischen Position und den kommunikativen Intentionen der jeweiligen Sprachträger differenziert. Derartige Verwendungsweisen stammen zumeist aus dem bürgerlichen Lager und reflektieren vor allem die neue Situation im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts, die gesellschaftlich in nachhaltiger Weise durch das Wachsen der organisierten revolutionären Arbeiterbewegung und das Vordringen des Marxismus mit bestimmt ist. Darauf müssen die ideologischen Vertreter der herrschenden Klassen reagieren und sich auch in ihrer sprachlichen Ausdrucksweise den objektiv entstandenen kommuni-

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kativen Erfordernissen anpassen. Im bürgerlichen Fachschrifttum wird die große Wirksamkeit der Marxschen Lehre teilweise anerkannt. Beispiele dafür sind die antimarxistischen Autoren wie der katho47 48 lische Ideologe E. Jäger , der Kathedersozialist J . Wolf und der bürgerliche Sozio49 löge W. Sombart . Mehr oder weniger trägt diese Einsicht dazu bei, daß diese Autoren die Marxsche Lehre exakt r e f e r i e r e n , wie bei Jäger und Wolf belegt wurde (vgl. S. 3b ). Sie müssen berücksichtigen, daß marxistisches Gedankengut und dessen sprachliche Repräsentation durch eine mächtig anwachsende politische Literatur, Publizistik, Agitation und Propaganda in schriftlicher und mündlicher Form in ständig breiter werdende Schichten der Bevölkerung, vor allem in die Arbeiterklasse und die progressiv eingestellte Intelligenz, hineingetragen wurde. Das geschah nicht zuletzt durch die Werke von Marx und Engels selbst. Dem stellt die Bourgeoisie eine große Zahl von Publikationen entgegen, die sich bemühen, diesen Einfluß einzudämmen oder unwirksam zu machen. Durch vulgarisierende Argumente und Verunglimpfungen soll die Wirkung der marxistischen Lehre v e r hindert werden. Hinzu kommen die sich mehrenden Versuche, durch theoretische Gegenkonzeptionen die Gültigkeit des Marxismus zu bestreiten. Eine "wachsende Zahl von bürgerlichen, junkerlichen und kirchlichen Ideologen, von Ökonomen, Philosophen, Soziologen, Historikern, Juristen und Naturwissenschaftlern, von Professoren, Publizisten, Parlamentariern, Diplomaten, Polizeibeamten, Fabrikanten, P f a r r e r n , P r i e s t e r n und klerikalen Theoretikern" 50 befassen sich seit den 70er Jahren mit der "Widerlegung" der Marxschen Lehre . Dazu gehören die meisten sozialreformerisch orientierten Schriftsteller und am Ende des 19. Jahrhunderts auch die opportunistisch bzw. revisionistisch eingestellten Autoren. Immer dann, wenn - absichtlich oder unabsichtlich - von der marxistischen Bedeutung der Bezeichnung /Ausbeutung/ abgewichen wird, werden zwangsläufig - ganz oder teilweise - die Merkmale der allgemeinsprachlichen Bedeutung (vgl. oben I) wirksam. Eine Abweichung ist stets eine Nicht-Anerkennung der marxistischen Bedeutung. Wer den marxistischen Terminus ablehnt, muß entweder den Terminus durch eine andere Definition neu bestimmen und festlegen, oder aber die Bezeichnung /Ausbeutung/ durch eine andere ersetzen. Wenn beides nicht geschieht (und diese Fälle sind für den vorliegenden Zusammenhang von besonderem Interesse), unterwirft sich der Autor, ob e r will oder nicht, den üblichen Kommunikationsbedingungen und greift (ganz oder t e i l weise) auf die Merkmale der allgemeinsprachlichen Bedeutung zurück. "Ein Verzicht auf die Merkmale der marxistischen Bedeutung läßt stets die Merkmale der allgemeinsprachlichen Bedeutung sprachwirksam werden. Im einzelnen begegnen derartige Fälle in unterschiedlicher Ausprägung: /Dieses hervorzuheben ist . . . um so nothwendiger, weil . . . unter der Parole der Abschaffung des Staatsdespotismus zugleich solche Institutionen

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abgeschafft werden sollen, ohne welche die allgemeine Selbstverantwortlichkeit in einen Krieg Aller gegen Alle, in Ausbeutung der Schwachen durch die Starken ausarten und uns die Geißel geldoligarchischer Zustände bringen würde. Die Noth des Schwachen . . . ist eine gute Schule, aber nicht die einzige, sie soll nicht die e r s t e , sondern die letzte sein. . . . Selbstverwaltung, rechtliche Selbstbestimmung . . . ist die sittliche Bestimmung jedes einfachen und jedes zusammengesetzten Gliedes der b ü r gerlichen Gesellschaft, gerade so die Rechtsaufgabe, wie die Wirthschaftsaufgabe zu vollziehen/ (1861) Schäffle, Ges. Aufs. (1885)1, 1 7 8 . 5 1 Alle wesentlichen Merkmale der marxistischen Bedeutung fehlen, /Ausbeutung ist seines sozialkritischen und revolutionären Inhalts entkleidet. Schäffle sieht in der Ausbeutung eine sittliche Entartungserscheinung, das "bellum omnium contra omnes" im Sinne J . Lockes. Statt der sozialkritischen Bewertung des Systems vom Standpunkt der Lebensinteressen des Proletariats wird eine pseudohumanistische kritische Einstellung sichtbar, etwa als Verurteilung der "Entartungserscheinung" auf Grund des Egoismus der ökonomisch Starken. Die Ausbeutung ist keinesfalls der Ausdruckeines systemimmanenten ökonomischen Zwangs. /Ausbeutung/ hat hier einen bürgerlichen Klasseninhalt. Die kritische Distanzierung steht der allgemeinsprachlichen Bedeutungsvariante I, 2 ('egoistisch und bedenkenlos betriebene Nutzung und Ausschöpfung, die einer moralischen Verurteilung unterliegt') nahe, stützt sich im wesentlichen auf deren Merkmal I C ('interessengebundene Handlungsweise, die daher entsprechend beurteilt werden kann'), sieht also in /Ausbeutung/ vornehmlich eine Form von Raub und Gewalt. Später gebraucht Schäffle /Ausbeutung/ mit scheinbar größerer Annäherung an die marxistische Bedeutung: /ganze Völker wurden zu dienenden Kasten und Klassen herabgedrückt . . . Eben weil in älterer Zeit der Gewalt- und Ueberlistungskampf noch stark herrscht, so erfüllt auch . . . Unfreiheit der Arbeit und herrschaftliche Ausbeutung der lezteren die Geschichte der Völker. Sie ist die nicht zu überspringende Mittelstufe zwischen thierischem Vernichtungskampf und dem Kampf, welcher in f r e i e Arbeitstheilung und in Führung der persönlich Besten oder wahre Aristokratie ausläuft/ (1879) Schäffle, Ges. Aufs. (1885) 1, 21. Die Merkmale der marxistischen Bedeutung scheinen für das Wort /Ausbeutung/ alle vorhanden zu sein. Der Autor bemüht sich jedoch, begriffsbestimmende Bezüge e r klärend anzufügen. Und der Kontext verrät die terminologische Abweichung von der marxistischen Auffassung. Der Autor übersieht den Antagonismus zwischen herrschender und unterdrückter Klasse. Die Ausbeutung ist nicht Ausdruck der Produktionsver hältnisse, die nur durch eine revolutionäre Veränderung der Eigentumsverhältnisse beseitigt werden kann, sondern ein unvermeidliches, notwendiges Übel, ein Naturgesetz gewissermaßen, das im Interesse der "Besten", also der kapitalistischen "Elite" gerechtfertigt wird. Die Annäherung an den marxistischen Terminus erweist sich also als trügerisch. Der "freie Konkurrenzkampf" des "wahren Aristokraten" des Kapitals

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' Ausbeutung'

wird bejaht. Um £ . Diihrings Sprachgebrauch zu beleuchten, müssen mehrere Belege aus einem Werk herangezogen werden. /Jene Art von Freiheit, die der Einzelmacht unbedingten oder nur durch den gewöhnlichen Rechtsschutz bedingten Spielraum läßt, ist der Raub, die Unterdrückung des Schwächeren durch den Stärkeren / vgl. Proudhon, S. 2b / , die Ausbeutung der edelsten Fähigkeiten der Massen durch die triumphirende Selbstsucht einer geringen Zahl. Der Schade, den diese Selbstsucht anrichtet, ist noch obenein unverhältnismäßig größer als ihr eigner Gewinn/ (1665) Dühring, Capital 20. /Nun sorgt freilich schon der gewöhnliche Natur lauf der Dinge dafür, daß die ursprüngliche wirtschaftliche Ausbeutung . . . allmälig abnimmt/ ebd., 160. In diesen Belegen ist die Bezeichnung ihres klassenmäßigen Inhalts im Sinne der Interessen der Arbeiterklasse beraubt. Lediglich Teilelemente von Merkmal B (hier als 'Ausnutzung der wirtschaftlich Schwachen durch die wirtschaftlich Starken') werden wirksam, - ein verschwommener Anklang an Proudhon und die Saint-Simonisten. Alle anderen Merkmale sind ignoriert, vor allem die ' Aneignung fremder Arbeitskraft' durch die Eigentümer der Produktionsmittel (A), aber auch das antagonistische Klassenverhältnis, das in der Ausbeutung zum Ausdruck kommt (vgl. C und den Zusammenhang mit dem Gesamtsystem der marxistischen Terminologie). Der Sachverhalt erhält eine Aufwertung, wird zumindest neutralisiert, als unvermeidlich hingestellt und gerechtfertigt. Der Gebrauch von /Ausbeutung/ bei Dühring ist somit ein typischer Ausdruck seiner sozialreformistischen ideologischen Position. Vor allem hängt diese, wie die Belege deutlich zeigen, mit jeder Negierung einer grundlegenden, revolutionären Umgestaltung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse zusammen. Damit wird das Wort für apologetische Zielsetzungen dienstbar gemacht, ist also Ausdruck bürgerlicher Ideologie. Klassenbedingte ideologische Schranken ermöglichen es H. Eisenhart in seinem Buch "Geschichte der Nationalökonomik" (1881) nicht, ein Verständnis für marxistische Gedankengänge zu entwickeln. In der Verwendung von /Ausbeutung/ unterscheidet er sich nicht wesentlich von den bisher herangezogenen bürgerlichen Autoren. Ähnlich wie Schäffle und Dühring spricht er von "Ausbeutung des Einen durch den Anderen", die zur Überproduktion führt. Die Geschicklichkeit seiner Hände gehört zum "heiligsten Eigenthumsrecht" des armen Mannes, und das wirtschaftliche Monopol der "Ausbeu52 tung des Publikums" erhält weitgehende Sanktionierung. So kommt er zu einer Formulierung, welche die naturgegebene Unvermeidlichkeit der Ausbeutung zum Ausdruck bringt. Die Verwendung des Wortes entspricht genau der Merkmalsstruktur der allgemeinsprachlichen Bedeutung (I): /Wollten wir aber auch so scrupulös sein und auf dieses Fabriksystem mit seiner Ausbeutung und seinen Krisen verzichten, so würden uns doch unsere

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Nachbarn mit ihren Dampfmaschinen und Arbeiterheeren einen Krieg auf Leben und Tod bereiten!/ (1881) Eisenhart, Gesch. Nationalökonomik 112. O. v. Bismarck verwendet in verschiedenen sozialökonomischen Zusammenhängen die "gängigen" Bezeichnungen: /Diese [ArbeiterSchutzgesetzeJ haben es nur mit der wirthschaftlichen und socialen Seite der Frage zu thun, in Sonderheit mit dem Schutze der Arbeitskraft gegen Ausbeutung durch Entziehung der Sonntagsruhe/ (1885) Bismarck, Reden 11, 180 K. In dieser Reichstagsdebatte über die gesetzliche Festlegung der Sonntagsruhe tritt Bismarck gegen Argumente auf, die davon ausgehen, daß durch ein solches Gesetz die Leistungsfähigkeit der Industrie gefährdet werde. Er argumentiert für die Entwürfe der Reichsgesetze, d. h. für die angesichts der historischen Situation (Sozialistengesetz) betriebene Arbeiterschutzpolitik, um der revolutionären Sozialdemokratie das Wasser abzugraben. Als guter Redner und erfahrener Demagoge paßt er sich hierbei dem Sprachgebrauch der Vertreter der Arbeiterbewegung an. Es wird der Eindruck e r weckt, als ob die Bewertung vom Standpunkt der Arbeiterklasse vorgenommen würde. Doch /Ausbeutung/ besteht für Bismarck nur /durch Entziehung der Sonntagsruhe/, das ist nichts anderes, als was die allgemeinsprachliche Bedeutung (vgl. I, 2) enthält. Was Bismarck hier treibt, ist ein Spiel mit der Polysemie des Wortes. Er weiß, daß /Ausbeutung/ ein Wort der Arbeiterbewegung und ein Terminus des Marxismus ist. Nur aus diesem Grunde entscheidet er sich in diesem Zusammenhang für eben dieses Wort; er wünscht, daß ihm die Arbeiter "ihr" Wort als marxistischen Begriff abnehmen, daß die Lautform sie übersehen lasse, daß er eine andere, nämlich die allgemeinsprachliche Bedeutung damit verbindet.

5.4. Zur Verwendung der Bezeichnung mit bewußter Distanzierung vom marxistischen Gebrauch Eine Distanzierung von der marxistischen Bezeichnung äußert sich in der Regel darin, daß der Autor den Wortinhalt nach eigenen Vorstellungen variiert, was zu mutwilliger, unscharfer oder falscher Verwendung des Wortes führt. Im folgenden Beleg soll die Vorstellung von der Aneignung fremder Arbeit und ihrer Ergebnisse durch das Gegenargument verdrängt werden, daß die Aneignung der Ergebnisse eigener Arbeit im Kapitalismus ihre wohltuenden Auswirkungen habe: /Ist, wie der Sozialismus behauptet . . . , "diese berauschende Vermehrung von Reichtum und Macht ganz und gar auf die besitzenden Klassen beschränkt" ? und ist sie von diesen durch Ausbeutung des Arbeiters und Vernichtung des Mittelstandes sowie der schwächeren Konkurrenten gewonnen, oder verteilt sie sich auf das Volk und ist vor sich gegangen bei gleichzeitiger Wahrung etwa der Lebenslage des Mittelstandes und Hebung jener des Arbeiters?/ (1892) J . Wolf, Sozialpolitik 1, 159.

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Damit wird der marxistische Begriff und die marxistische Bedeutung der Bezeichnung prinzipiell geleugnet. Das Wort wird zwar aufgegriffen, sein Inhalt aber wird bezweifelt und für falsch erklärt, so daß sich letztlich hinter solchen Aussagen die Aufforderung verbirgt, den marxistischen Sinn des Wortes aus dem Sprachbewußtsein zu s t r e i chen. Andere Autoren drücken ihre Zweifel und ihre Ablehnung dadurch aus, daß sie das Wort in Anführungszeichen setzen: /Alles wird benutzt, um den Arbeitern in endloser Wiederholung das Lied von ihrer "Ausbeutung" . . . zu singen/ (1873) J ä g e r , Socialismus 102. / j e d e n f a l l s ist falsch, daß der Zins aus einer "Ausbeutung" irgend welches Arbeitenden f l i e ß t / (1892) J . Wolf, Sozialpolitik 1, 482. Krasse Entstellungen oder völlige Umdeutungen der marxistischen terminologischen Bedeutung finden sich in folgenden Belegen: /Selbstverständlich ist aber seine Behauptung, daß die gegenwärtige Epoche vor der Frage stehe, ob es weiterhin eine solche mittelbare Befugniss oder Macht zur Ausbeutung oder, wie wir lieber sagen würden, zur B e w i r t schaftung der fremden Arbeit gleich einem Stück Eigenthum geben solle, vollkommen zutreffend/ (1871) Dühring, Nationalökonomie 549. 53 Wenn /Ausbeutung/ als "Bewirtschaftung f r e m d e r Arbeit" interpretiert wird, entfallen alle wesentlichen Merkmale des marxistischen Wortgebrauchs. Der Ausbeuter wird nachgerade zum Sachwalter des Ausgebeuteten aufgewertet. /Sieht man aber der Sache auf den Grund, so fällt gewiss nicht der kleinste, vielleicht aber auch der grösste Theil der Schuld an der Ausbeutung der arbeitenden Klassen auf niemand anderen, als auf den, ruhig geniessenden und auf den Capitalisten und Producenten schimpfenden - Consumenten/ (1881) Gumplowicz, Rechtsstaat 310. Der Autor tut, als würde er die Klassen der Arbeiter und der Kapitalisten sowie den Tatbestand der Ausbeutung anerkennen. Dann aber führt er den /Consumenten/ als eigentlichen Urheber des Ausbeutungsvorganges ein; e r intensiviert das Merkmal der Unterdrückung (C) und versteht darunter nicht einen ökonomischen, sondern einen rätselhaften, durch die Konsumenten ausgeübten Zwang. Alle gültigen Merkmale w e r den damit verfälscht; der Autor will den Wortsinn korrigieren, gibt ihm eine eigenwillige, unübliche Deutung, die der Hörer in dieser Form nicht ohne weiteres nachvollziehen kann.

5 . 5 . Zum Einfluß der marxistischen auf die allgemeinsprachliche Bedeutung In der Untersuchung wurde schon mehrfach darauf hingewiesen, daß die alte allgemeinsprachliche Bedeutung (I) auch nach der Herausbildung der marxistischen Bedeutung weiterlebt. /Ausbeutung/ ist zu einem polysemen Wort geworden, dessen zwei Bedeu-

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tungen nebeneinander existieren. Mit seiner marxistischen Bedeutung aber wird /Ausbeutung/ zu einem zentralen Wort der fortschrittlichen Arbeiterbewegung und ihres politischen Kampfes. Es darf angenommen werden, daß in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die neue, die marxistische Bedeutung die allgemeinsprachliche in der Gebrauchshäufigkeit übertrifft. Sobald aber /Ausbeutung/ mit seiner marxistischen Bedeutung fester Bestandteil des deutschen Wortschatzes geworden ist, kann es - wie j e des Wort - metaphorisch verwendet werden. Ein metaphorisiertes /Ausbeutung/ aber fällt inhaltlich nahezu mit /Ausbeutung/ in allgemeinsprachlicher Bedeutung zusammen. Zur Verdeutlichung seien die beiden Merkmalsstrukturen noch einmal einander gegenübergestellt. Zunächst die ältere, die allgemeinsprachliche Bedeutung: IA

ertragreiche Ausschöpfung

B

vorteilhafte Nutzung

C

interessengebundene Handlungsweise (die daher entsprechend beurteilt werden kann).

Die Merkmale der marxistischen Bedeutung werden hier zum besseren Verständnis in ihrer abgeleiteten metaphorischen Variante notiert: III A

Aneignung fremder Leistung

B

Ausnutzung eines Menschen und des von ihm Produzierten

C

(verwerfliche) Unterdrückung der Rechte des Produzenten.

Die inhaltlichen Berührungspunkte werden ohne weiteres deutlich. Die Bedeutung in enthält lediglich, besonders durch Merkmal III C, eine stärker ausgeprägte ablehnende Haltung. Das heißt aber, daß ein Sprecher, der sich zu dem Wort /Ausbeutung/ im Sinne von I entscheidet, damit rechnen muß, daß ihn der Hörer im Sinne von III versteht und annimmt, der Sprecher wolle den mit /Ausbeutung/ bezeichneten Vorgang nicht als ' Ausschöpfung' und ' vorteilhafte Nutzung' (I) aufgefaßt wissen, sondern ihn metaphorisch als ' verwerfliche Aneignung und Ausnutzung' (III) verurteilen. Will sich der Sprecher vor einer solchen Interpretation schützen, muß er das Wort /Ausbeutung/ vermeiden und sich in seiner Wortwahl anders entscheiden. Der Gebrauch der marxistischen Bedeutung (in) ist so groß und so vorherrschend, daß die allgemeinsprachliche Bedeutung (I) zurückgedrängt wird. Zur Verdeutlichung diene der folgende Beleg: /Man fühlte sich von einem Alp befreit durch Virchow' s Worte, von dem Alp rücksichtslosester Ausbeutung der Darwin'sehen Theorie seitens deutscher Gelehrter, und man empfand es als eine Genugthuung, daß eine Autorität wie Virchow diesem Charlatanismus mit dem vollen Gewicht ihrer Persönlichkeit entgegentrat./ (1882) in: Sozialdemokrat (9.11.) 3 b Faks. Wenn man will, kann man /Ausbeutung/ im Sinne der Bedeutung I verstehen. Das Attribut /rücksichtslosest/ legt jedoch nahe, daß mit /Ausbeutung/ ein Vorgang bezeichnet

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' Ausbeutung'

wird, der als verwerfliches Unrecht gelten muß. Da dieser Vorgang überdies nicht nur einen ideellen bzw. ideologischen Aspekt besitzt, sondern in gewissem Sinne als Konkurrenzkampf mit ökonomischen Auswirkungen betrachtet werden muß, ist die Annahme berechtigt, in dem Wort die metaphorische Variante der Bedeutung III zu sehen. Auch im folgenden Beleg klingen ökonomische und soziale Sachverhalte an: /und mit dieser Maske werden unsere Freiheitsschwärmer an die Aushungerung und Ausbeutung durch den ausländischen Handel gekirrt/ (1882) Bismarck, Reden 9, 428 K. /Ausbeutung/ ist an ein bildliches /Aushungerung/ gekoppelt und als ein Vorgang zu verstehen, der eine fortschreitende Verelendung mit sich bringt. Wiederum darf vermutet werden, daß dem Worte nicht die Bedeutung I, sondern die metaphorische Bedeutung m zugrunde liegt. Einen noch engeren sachlichen Bezug zur Bedeutung n i haben die folgenden Beispiele: /Der Gewinn steigt oder fällt in umgekehrtem Verhältnisse zur Menge der Kapitalien, welche sich zur Ausbeutung (pour exploiter) eines Industriezweiges darbieten/ (1875) Pierstor ff, Lehre 78. /Dieses Doppelspiel kennzeichnet den modernen Zäsarismus, der wesentlich auf der Ausbeutung des Klassengegensatzes beruht/ (1869) K. Liebknecht, Stellung (1893) 10. /Wir können uns kein niederträchtigeres, ehrloseres "Geschäft" denken als diese Ausbeutung der Not und diese Ausplünderung der Hilfsbedürftigen und Hilfesuchenden/ (1884) Dok. Arbeiterbewegung 3 (1974) 202. Die angeführten Belege und verschiedenen Gebrauchsweisen zeigen ein energisches Vordringen der marxistischen Bedeutung von /Ausbeutung/. Das gleiche gilt von /Ausbeuter/, in schwächerem Maße auch vom Verbum /ausbeuten/. Eine solche Zunahme der Gebrauchshäufigkeit wird zweifellos gefördert durch die außerordentliche Produktivität der Wörter /Ausbeutung/ und /Ausbeuter/, die eine Vielzahl neuer Zusammensetzungen bilden (vgl. 5.2.). Der Einfluß der marxistischen Bedeutung von /Ausbeutung, Ausbeuter, ausbeuten/ auf das Sprachgeschehen besteht vor allem in ihrer wachsenden Verbreitung, wobei die allgemeinsprachlichen Bedeutungen auffällig zurückgedrängt werden. Nimmt man hinzu, daß die allgemeinsprachliche Bedeutung in manchen Fällen die Neigung zeigt, in die metaphorisierte marxistische Bedeutung einzumünden, dann erhebt sich die Frage, welche der beiden Bedeutungen nunmehr als "allgemeinsprachlich" zu gelten hat. Die Untersuchung und die Interpretation des Wortgebrauchs führen zu der Erkenntnis, daß die marxistische Bedeutung im ausgehenden 19. Jahrhundert auf dem Wege ist, eine allgemeinsprachliche Bedeutung zu werden, - das ist ein Prozeß, der seit der Mitte des 20. Jahrhunderts als abgeschlossen gelten kann. Für den heutigen Sprachgebrauch kann festgestellt werden, daß /Ausbeutung/ (und entsprechend /ausbeuten/) mit beiden Bedeutungen, der alten überlieferten (I) und der späteren marxistischen (m), ein Wort der "Allgemeinsprache" ist, wobei die Bedeutung, die sich aus dem von Marx und Engels entwickelten Gebrauch her-

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leitet, dominiert. Es lohnt sich, diesen in nüchternen Worten beschriebenen sprachhistorischen Vorgang auf einem breiteren Hintergrunde zu sehen. Der Theoretiker und Philosoph, der Schöpfer der wissenschaftlichen Weltanschauung der Arbeiterklasse Ubernimmt ein gängiges Wort der Sprache und hält es, auf Grund seiner bestehenden Merkmale, für geeignet, einen neuen, ganz speziellen Sinn anzunehmen. Er erklärt dieses Wort im Zuge der theoretischen Verallgemeinerung zum Terminus, und die Bezeichnung entwickelt sich zu einem zentralen Wort der entstehenden Arbeiterbewegung. Mit diesem Wort begreift die Arbeiterklasse elementare Zusammenhänge des gesellschaftlichen Lebens. Es wird zu einem Wort ihres Kampfes, mit dem sich der Gegner befassen, mit dem er sich auseinandersetzen muß. Der Gegner kann es ablehnen und seinen neuen Inhalt bezweifeln, er kann es meiden oder bekämpfen, aber er kann es nicht aus der Welt schaffen, er kann es nicht aus dem Wortschatz der deutschen Sprache streichen. Mit der wachsenden Macht der Arbeiterklasse, mit der Ausbreitung ihrer Weltanschauung wird dieses Wort, "ihr" Wort, bekannt und geläufig. Mehr noch, - aus einem Wort der fortschrittlichen Arbeiterbewegung wird, allen Unterdrückungsversuchen zum Trotz, ein Wort der Allgemeinsprache, der Sprache aller, das die alte, die überlieferte Bedeutung überflügelt, das schließlich, wie jedes Wort, metaphorisierbar wird, das daneben, nun seit mehr als 100 Jahren, als fester wissenschaftlicher Terminus gilt.

5.6. Anderes Wortgut zur Bezeichnung des Ausbeutungsvorgangs Es gehört zum Wesen eines Terminus, eindeutig zu sein. Ein Terminus ist daher nicht durch andere Bezeichnungen ersetzbar . Wer also den Tatbestand der Ausbeutung im Sinne der marxistischen sozialökonomischen Lehre feststellen will, ist gezwungen, sich des dafür bereitstehenden Terminus /Ausbeutung/ zu bedienen, wenn er Verständlichkeit und Eindeutigkeit erzielen will. Sogenannte "Ersatzwörter" sind eben keine "Termini"; sie sind vielmehr Synonyme, die teils eine der marxistischen Bedeutung ähnliche Merkmalsstruktur aufweisen, häufiger noch einen bestimmten Aspekt zum Ausdruck bringen, indem sie ein Merkmal in den Vordergrund stellen und verstärken. Sie sind dem Worte /Ausbeutung/ bedeutungsähnlich, nicht aber dem Terminus. Das Quellenmaterial zeigt die Fortwirkung der von Marx und Engels gebrauchten metaphorischen Bezeichnungen /Aussaugung/ bzw. /aussaugen/ und /auspumpen/. In der Literatursprache des 19. Jahrhunderts sind ferner /Ausnutzung, Ausnützung, Auspowerung/ belegt, mit denen die Bedeutung von /Ausbeutung/ mehr oder weniger exakt umschrieben wird. J . B. Schweitzer zitiert aus dem ersten Band des "Kapitals": / " . . . Drang des Kapitals nach maßloser Aussaugung der A r b e i t s k r a f t . . . " /

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'Ausbeutung' (1868) Schweitzer, in: Dlubek/S., Kapital (1967) 182 (Social-Demokrat Nr. 25 v. 26.2.1868); vgl. MEW 23, 253.

Das für /Ausbeutung/ gültige Merkmal B ( Ausnutzung des unmittelbaren Produzenten ) wird mit der Verwendung des synonymen /Aussaugung/ verstärkt. Das Synonymon e r weckt die Vorstellung, den Arbeitern werde die Lebenskraft geraubt wie durch einen Vampir, Polypen oder "Blutsauger": /den Kampf gegen ein System aufzunehmen, das in seinen Consequenzen die vollständige Unterdrückung und Aussaugung des arbeitenden Volkes herbeiführen muß/ (1869) Demokrat. Wochenbl. 177 a Faks. /wie viel Mehrwerth die miserable Wirthschaft von heute aus der arbeitenden Klasse herauspumpt/ (1885) Dietzgen, in: Soz.demokr. Bibl. 1, Nr. m , 9 Faks. Schon Marx verdeutlicht gelegentlich das Wort /Ausbeuter/ durch das stärkere, aufrüttelnde /Auspumper/, das die Verhaltensweise der Kapitalisten als mechanisch, geradezu als maschinell, d. h. als bedenkenlos und rücksichtslos bis zur Erschöpfung kennzeichnet. Auch hier liegt eine Intensivierung des Merkmals B, aber auch des Merkmals C ('Unterdrückung') vor. Als Ergebnis von Marx' Darstellung des Mehrwerts, des Akkumulationsprozesses, der industriellen Reservearmee als "Instrument der Ausbeutung" usw. im "Kapital" wird referiert: /daß der Unternehmer sich des Gebrauchs jener ihm ausgelieferten Behelfe nicht etwa entschlägt, sondern sie .ohne Gewissensskrupel als Pumpen wirken läßt, um den Wert, diesen kostbaren Saft, aus dem Arbeiter zu saugen/ (1892) J . Wolf, Sozialpolitik 1, 285. Im letzten Beispiel wird der metaphorische Gebrauch von Marx modifiziert. Die in 54 /Auspumper/ für /Ausbeuter,/ bzw. /auspumpen/ für/ausbeuten/enthaltene bildhafte Vorstellung erscheint als in sich geschlossene analoge Sachvorstellung, die durch das Substantiv /die Pumpen/ zur Bezeichnung des Werkzeugs als Mittel und das Verb /saugen/ für die Wirkung des Pumpvorgangs sprachlich ausgedrückt wird. Das entspricht letztlich der Marxschen Grundvorstellung von Ausbeutung. Die Belege zeigen, daß eine Verwendung von metaphorischen Ausdrücken statt der Bezeichnung /Ausbeutung/ nur dann möglich ist, wenn Kontextbedingungen gegeben sind, die einen entsprechenden Sachverhalt deutlich werden lassen und die Umgehung des terminologischen Gebrauchs erlauben. Das gilt auch für /Schröpfung, Auspressung/ und die Bezeichnungen /Ausnutzung, Ausnützung, Auspowerung/ in den folgenden Belegen. In einem ihrer Romane schreibt Minna Kautsky, indem sie /Auspressung/ als e r läuternde Verdeutlichung des unmenschlichen Charakters der Ausbeutung benutzt, die hier mit /Ausnützung/ umschrieben wird: /Und nun zeigte er sich empört über die moderne Tendenz der Ausnützung, ja Auspressung der Massen, lediglich zu dem Zweck, um Kapital in einigen wenigen Händen zu konzentriren/ (1885) M. Kautsky, D. Alten u. d. Neuen 2, 110.

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Variiert wird auch in folgender Weise: /Ende 1876 gelang es aber Bismarck, die beiden edlen Brüder, den notleidenden Agrarier und den notleidenden Schlotjunker, zusammenzuführen, und seitdem begann auch für das Volk die Not der systematischen Schröpfung von beiden Seiten. Nun wird aber dem industriellen Teilhaber der F i r ma zur solidarischen Auspowerung des Volkes das Geschäft etwas unvorteilhaft/ (1900) Luxemburg (1970) 1, 1, 700. Das sind veranschaulichende sprachliche Mittel, die sich an der Verständlichkeit der Allgemeinsprache orientieren und gleichzeitig stilistische Varianten darstellen. Damit wird ein hoher Grad an Ausdruckskraft erreicht, die vor allem für die gewünschte Anteilnahme und Parteinahme eingesetzt wird. Auch redundantes, erläuterndes Wortgut wird verwendet, das kaum als synonym gelten kann, aber bestimmte Teilaspekte hervorhebt. Dies wird besonders mit allgemeinsprachlichen Bezeichnungen erreicht, im folgenden Beleg mit den Verben /niederwerfen/ (Merkmal C: Unterdrückung) und /expropriieren, bereichern/ (Merkmal A: Aneignung), die Teilaspekte von /ausbeuten/ ausdrücken. Damit wird die Ungerechtigkeit des Ausbeutungsprozesses nachdrücklich gekennzeichnet: /daß es in der Natur der kapitalistischen Produktion liegt, die Kleinen auszubeuten, niederzuwerden und zugunsten der Großen zu expropriieren. . . . ein . . . Teil der Arbeit bleibt unbezahlt, . . . bildet den Mehrwert, durch welchen der Besitzer der Arbeitsmittel, überhaupt die besitzenden Klassen, sich auf Kosten des arbeitenden Volkes bereichern/ (1884) Bebel, in: Sozialdemokratie 238 Faks. Von "Ersatzwörtern" kann in allen den Fällen gesprochen werden, wo es dem Sprecher/Autor darum geht, von der marxistischen Lehre abzurücken. Er kennt den terminologischen Gebrauch von /Ausbeutung/, ist jedoch nicht bereit, die definitorische Festlegung zu akzeptieren. Er will sich mit voller Absicht distanzieren und eine eigene, abweichende Anschauung zur Geltung bringen. In dem folgenden Text benutzt E. Dühring distanzierend das Ersatzwort /Auspressung/, das er mittels der falschen Analogie /Ausnutzung einer Maschine/ uminterpretiert, und zwar im Zusammenhang mit einer völlig entstellten Darstellung von Marx' "Kapital": /Die 'Auspressung' des Arbeiters, von welcher Herr Marx in dieser Richtung thatsächlich zutreffend, aber in ganz falscher Erklärungsart redet, würde mit der Ausnutzung einer Maschine zu vergleichen sein, deren Kosten und Leistungen zwei verschiedene, nicht von derselben Ursache abhängige Größen sind/ (1871) Dühring, Nationalökonomie 529; ähnlich 533. Für /Ausbeutung/ wird abschwächendes und entstellendes /Ausnutzung/ eingesetzt: /Arbeiter ist ein jeder, welcher an der wirtschaftlichen Produktion . . . thätig teilnimmt. . . . Die Gesamtheit dieser A[rbeiter] bildet den Arbeiterstand . . . . Die moderne Fabrikindustrie . . . stellte Arbeitgeber und A[rbeiter] als Fremde einander gegenüber, . . . [es entstand eine] vielfach nachteilige Ausnutzung der Arbeitskräfte durch die Unternehmer/ (1894) Brockhaus 1, 8 1 2 a . 5 5

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' Ausbeutung' Anmerkungen

1

Kleines politisches Wörterbuch. 2. Aufl., Berlin 1973. S. H3a.

2

Philosophisches Wörterbuch. 11. Aufl., Leipzig 1975. Band 1, S. 176 a . Vgl. auch Meyers Neues Lexikon. 2. Aufl., Band 1, Leipzig 1971. S. 622; /Aneignung der Ergebnisse fremder Arbeit/ bei K. Neelsen, Kapital und Mehrwert. Berlin 1973. S. 39.

3 W. I. Lenin, Werke, Band 25. Berlin 1970. S. 419. 4 Dictionnaire de l'académie française, 6. ed. Band 1. Paris lb35. S. 710b; J . F . S. Schaffer, Neues französisch-deutsches Wörterbuch. Hannover 1834. Band 1. S. 528 a (exploitation = Nutzung, Benutzung). 5 W. v. Wartburg, Französisches Etymologisches Wörterbuch. Band in. Tübingen 1949. S. 312 a . 6 New English Dictionary. Band 3, 2. S. 439 a verzeichnet: /to exploit: To 'work' (a mine etc.); to turn to industrial account (natural resources)/; /exploitation: productive working or profitable management (of mines, cattle, etc.)/ mit Belegen für 1803, 1825, 1836, 1881 und 1885. K. Marx zitiert 1844 A. Smiths Hauptwerk (1776) (französische Übersetzung von Garnier): /Einige Exploitations finden sich dann ganz verlassen/ MEW EB 1, 504. 7

/Léon X entreprit d'exploiter la papauté comme si elle avait été une puissance/ Oeuvres de C. H. de Saint-Simon. Band 3. Paris 1966. Nouveau Christianisme, S. 139. 8 New English Dictionary, Band 3, 2. S. 439 a , belegt für 1838 und 1847. 9

Vgl. H. Mottek, Wirtschaftsgeschichte Deutschlands. Band II. Berlin 1964. S. 74 ff.

10 Nach der Ausgabe von C. Bouglé und E. Halévy, Paris 1924 (im folgenden "Doctrine") und der deutschen Übersetzung von Th. Ramm, Der Frühsozialismus. Quellentexte. 2. erw. Aufl. Stuttgart 1968 (im folgenden "Ramm"). 11 Ramm, S. 139; Doctrine, S. 235. 12

Ramm, S. 142; Doctrine, S. 239.

13 Ramm, S. 144; Doctrine, S. 243. 14

Volgin, Sen-Simon i Sen-Simonizm 1961, S. 826; zit. nach Graf (s. Anm. 15), S. 22.

15 E. Graf, Zur inhaltlichen Struktur der Klassenbezeichnungen bei Saint-Simon. Diss. Halle 1971. 16 A. W. Anikin, Ökonomen aus drei Jahrhunderten. Berlin 1974. S. 345 und 347. 17 Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Band 1. Berlin 1966. S. 13. 18 J . H. Hilpert, A Dictionary of the English and German, Leipzig 1857, verzeichnet "exploitation" und "to explpit" nicht. 19 Der Pauperismus. In: Deutsche Vierteljahrsschrift. 1838. Heft 1. S. 79, zitiert nach G. Hagen, Zum sachlichen und sprachlichen Einfluß der englischen politischen Ökonomie auf die deutsche im 18. und 19. Jahrhundert. Diss. Berlin 1968. S. 237, Anm. 1. 20 Zitiert nach G. Hagen, Diss. S. 198, 254. 21 Vgl. MEW EB 1, 478; 480; 492; 496 f. und MEW 23, 392 Anm. Ii.

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53

Zitiert nach MEW EB 1, 478; 480.

23 Heine, 6, 121 E. 24 Wolff, Ges. Sehr. (1905) 59. 25 J . Kuczynski, Studien zur Geschichte des Kapitalismus. Berlin 1957. S. 34 f. 26

Vgl. MEW 1, 628; 632.

27

Vgl. MEW 3, 492-498. Hier ist auch die Wendung /exploitation de l'homme par l'homme/ aufgenommen. Ebd., S. 394. 28 Vgl. MEW 20, 241. 29

Vgl. W. I. Lenin, V/erke. Band 21. Berlin 1968. S. 35 f.

30

MEW EB 1, 522.

31

MEW 1, 511.

32

MEW 3, 398.

33 MEW 20, 242. 34 F. Engels, Eine Biographie. Autorenkollektiv unter Leitung von H. Gemkow. Berlin 1970. S. 103 ff. 35

MEW 2, 307.

36 Vgl. MEW 2, 258; 491; 501. 37 38

Vgl. MEW 2, 289; 350; 375; 418; 427. Vgl. K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie (Rohentwurf), 2. Aufl. Berlin 1974. S. VII.

39 Insbesondere sind zu nennen: der als "Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie" bekannte Rohentwurf (geschrieben 1857-58), "Zur Kritik der politischen Ökonomie" (erschienen 1859) und "Lohn, Preis und Profit", der 1865 in englischer Sprache gehaltene und erst 1898 englisch veröffentlichte Vortrag (vgl. MEW 16, 623 Anm. 98). 40 W. Pfeifer, Merkmalsanalyse klassengebundenen Wortschatzes. In: LS A. Heft 12. Berlin 1974. S. 17 41

(1835) Droysen, Aristophanes 3, 117. M. Kramer, Teutsch-Italiän. Dictionarium. Teil 1. Nürnberg 1700. S. 47 c .

42 W. Fleischer, Zur linguistischen Charakterisierung des Terminus in Natur- und Gesellschaftswissenschaften. In: Deutsch als Fremdsprache. 10. Jahrgang. Heft 4. Leipzig 1973. S. 196. 43 Vgl. MEW EB 1, 494 f. und die Anm. 94, 105, 111. 44 J . Mösts populärer Auszug aus dem "Kapitel" wurde für die 2. Auflage 1876 von Marx durchgesehen und Uberarbeitet. Diese Überarbeitung war nach Erscheinen des ersten Bandes des "Kapitals" "der erste wissenschaftlich einwandfreie Leitfaden der Marxschen politischen Ökonomie für weite Kreise". Vgl. R. Dlubek/H. Skambraks, "Das Kapital" von Karl Marx in der deutschen Arbeiterbewegung 1667-1876. Berlin 1967, S. 93. 45 J . B . Schweitzer wollte durch scheinradikales Auftreten mit Veröffentlichung seiner Artikelserie Uber das "Kapital", der ausführlichsten Inhaltsangabe des Werkes für die nächsten Jahre, offensichtlich Bebel und Liebknecht übertrumpfen. Trotz dieser taktischen und persönlichen Motive des Verfassers trug sie zur Verbreitung der Marxschen Erkenntnisse bei. Vgl. Dlubek/S. a. a. O., S. 51.

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' Ausbeutung'

46 Der bürgerliche Vulgärökonom J . Wolf stellte die Marxsche Lehre dar und widmete ca. 150 Seiten dem Versuch, sie zu "widerlegen". Damit hängt auch zusammen, daß er den Terminus /Ausbeutung/ häufig entstellt (vgl. den Abschnitt über die nicht exakte Verwendung). 47 E . Jäger erkennt 1673 die überragende Rolle der marxistischen Lehre: "Eine Darstellung des modernen Socialismus hat unstreitig mit Karl Marx zu beginnen. Er ist entschieden der bedeutendste und originellste Vertreter des Socialismus in der Gegenwart. Alle übrigen fußen auf ihm und zehren von seinen Gedanken." Aber Jäger sieht den Sozialismus als "Krankheit" der Zeit an, die geheilt werden müsse, und nur um ihre "Gefahren" zu zeigen, stellt er die Marxsche Lehre, oft zitierend, exakt dar. Vgl. Der moderne Socialismus. Berlin 1873. S. X und XI. 48 J . Wolf kam zu der Einsicht, daß ohne K. Marx und sein "Kapital" eine deutsche Arbeiterpartei kleinbürgerlich wäre. Vgl. E. Kopf, Die reaktionäre Marxkritik nach dem Gothaer Programm der deutschen Sozialdemokratie. In: DZfPh, 23. Jahrg., Berlin 1975. S. 713. 49 W. Sombart stellte 1892 resignierend fest, daß kein Tag vergehe, ohne daß ein Buch über den Sozialismus erscheine. Vgl. E. Kopf, ebd. In den Grenzen seiner bürgerlichen Anschauungen gelangte Sombart zu bemerkenswerten Teilerkenntnissen unter dem Einfluß der Marxschen Lehre, die auch mit der exakten Verwendungsweise des marxistischen Terminus /Ausbeutung/ verbunden sind: / E r [Kapiin der nördlichen talismus i. d. Schweiz] . . . findet ihn [den Mehrwert] Lombardei. Hier herrschen vor allem noch die idyllischen Zustände freier Ausbeutung der Arbeitskraft. Die Arbeiter sind billger und williger/ In: (1894) Socialpolit. Centralbl. 3, 355 a B. 50 E. Kopf, a. a. O., S. 708. Bisher konnten für die Jahre 1871-73 in&gesamt 53 Entgegnungen auf das "Kapital" im deutschsprachigen Schrifttum gefunden werden. Nach dem Erlaß des "Sozialistengesetzes" verringerte sich die Zahl der Angriffe, wuchs aber wieder schlagartig, als die bürgerliche Marxkritik nach dem Kopenhagener Kongreß 1883 auf die ideologische Offensive der deutschen Arbeiterklasse zur Durchsetzung des Marxismus reagieren mußte. 1884-1890 wurden die Lehren des "Kapitals" in etwa 150 bürgerlichen und 8 Publikationen von Ideologen, die das Junkertum vertraten, angegriffen (vgl. a. a. O., S. 709 f.). 51 Die ideologische Position des bürgerlichen Vulgär Ökonomen und Soziologen A. Schäffle, ehemaliger k.k. -österreichischer Minister, zeigt sich in seinen Ges. Aufs. (1885)1. Er vertritt die Rechte der rechtsaristokratischen "Elite", die darwinistisch als "sociologischö Selectionslehre" begründet sind. Er ist gegen "kommunistische Gleichmacherei". Zwar tritt er gegen den Mißbrauch der Macht auf, stellt aber gleichzeitig fest, daß es ein Glück für die menschliche Gesellschaft sei, "daß jedem Einzelnen das Privatinteresse als stärkerer Trieb eingepflanzt ist" (a. a. O., S. 176). 52

H. Eisenhart, Geschichte der Nationalökonomik, Jena 1881, vgl. S. 111 u. 53. Der ausgesprochen antikommunistisch und antimarxistisch eingestellte E. entstellt teilweise die Marxsche Lehre (vgl. Anm. S. 230). Er deklariert Rodbertus, den theoretischen Hauptvertreter des preußisch-junkerlichen "Staatssozialismus", als " 'Vater des wissenschaftlichen Communismus' (vulgo socialismus)" (vgl. S. 201, 209). 53 In entstellender Form behandelt Dühring hier die Marxsche Lehre, um ihren Einfluß auf Lassalle zu zeigen, den er wegen seiner "Nähe" zur Arbeiterbewegung einschätzen will. Dühring versteigt sich u. a. zu der Behauptung, daß der Marxismus theoretisch für die Ökonomie ohne jede Bedeutung sei. Die Behandlung von K. Marx' "Kritik der politischen Ökonomie" (1859) und des ersten Bandes des "Kapitals" ist sachlich völlig unzutreffend, geht tendenziös und rechthaberisch an der Marxschen Beweisführung vorbei.

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55

54 Vgl. MEW 23, 328: /Auspumper von Mehrarbeit und Exploiteur von Arbeitskraft/ und MEW 25, 829: /Wie der . . . Kapitalist die Mehrarbeit . . . und das Mehrprodukt aus dem Arbeiter auspumpt/. 55

Vgl. E. Adelberg, ' A r b e i t e r ' . Bezeichnungen für den Angehörigen der Arbeiterklasse. S. 148.

'KLASSENKAMPF' - ENTWICKLUNG UND GEBRAUCH EINES MARXISTISCHEN TERMINUS Ursula Fratzke

1. Definition /Klassenkampf: die entscheidende unmittelbare Triebkraft der gesellschaftlichen Entwicklung in allen Klassengesellschaften. Der K. ist die notwendige Folge des Klassenantagonismus und der daraus entspringenden gegensätzlichen Klasseninteressen . . . einer ökonomische Gesellschaftsformation. Er ist eine objektive Gesetzmäßigkeit der gesellschaftlichen Entwicklung in der Klassengesellschaft/ (1974) Kl. Wb. d. marx.-len. Phil. 157 a . Schon vor Marx und Engels haben bürgerliche Historiker die Existenz von Klassen und deren Kampf untereinander beschrieben. Darauf machte K. Marx aufmerksam, indem er schrieb: "Was ich neu tat, war 1. nachzuweisen, daß die Existenz der Klassen bloß an bestimmte historische Entwicklungsphasen der Produktion gebunden ist; 2. daß der Klassenkampf notwendig zur Diktatur des Proletariats f ü h r t . . . " Marx deckte die objektiven Bedingungen und Gesetzmäßigkeiten auf, die der Entwicklung der Klassen und des Klassenkampfes zugrunde liegen und die die gegensätzlichen Bestrebungen und Zielvorstellungen der Klassen bestimmen. Die Geschichte erschien nicht mehr als ein willkürliches Gegeneinander gesellschaftlicher Interessen, sondern als gesetzmäßiger Prozeß, der in der Entwicklung der Produktionsweisen seine materiellen Grundlagen hat. Der in der Geschichtswissenschaft neu entwickelte Begriff erforderte eine sprachliche Realisierung. Marx und Engels entscheiden sich für das Kompositum /Klassenkampf/, benutzen daneben auch Bezeichnungen wie /Kampf, Kampf der Klassen, Kampf zwischen den Klassen/. Außerdem begegnen gelegentlich noch /Klassenkrieg, Klassenschlacht/ sowie Bezeichnungen, die einen bestimmten Aspekt des Begriffes hervorheben. Im Rahmen dieser Untersuchung wird nicht näher darauf eingegangen; es wird nur, soweit erforderlich, darauf verwiesen.

2. Vormarxistischer Sprachgebrauch des Wortes /Kampf/ Das entscheidende sprachliche Ereignis besteht darin, daß Marx und Engels "die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft" als /Kampf/ erkennen und folglich mit /Kampf/ bezeichnen (vgl. MEW 4, 462). Damit wird auf ein Wort zurückgegriffen, das seit Jahrhunderten in der deutschen Sprache geläufig ist und eine feste, ausgeprägte Bedeutungsstruktur besitzt. Für /Kampf/ lassen sich folgende sprachwirksamen Merkmale gewinnen: A

heftige gegeneinander gerichtete Aktionen zur Austragung von Gegensätzen

B

hoher (persönlicher) Einsatz

C

parteiliches Eintreten für eine Sache, um ihr zum Sieg zu verhelfen.

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' Klassenkampf'

Aus diesen allgemeingültigen sprachwirksamen Merkmalen sind für einzelne Verwendungsweisen präzisierende Varianten ableitbar. In der benutzten und ausgewerteten Literatur, die sich in der Hauptsache mit politischen und ökonomischen Problemen befaßt, begegnen vornehmlich die folgenden drei Verwendungsweisen. Variante 1 'Krieg, Schlacht, Gefecht': A bewaffnete Aktionen rivalisierender Gewalten B

Einsatz des Lebens und aller verfügbaren Mittel

C

parteiliches Eintreten für eine Sache in dem Bestreben, den Gegner zu

überwinden oder zu vernichten. Dieser Wortgebrauch ist im 19. Jahrhundert in der Literatur zur Zeit der Befreiungskriege sowie in der vorrevolutionären Zeit - etwa ab 1844 - häufig belegt: /Ihr Fürstenrät und Hofmarschälle// mit trübem Stern auf kalter Brust/ /die ihr vom Kampf um Leipzigs Wälle / / wohl gar bis heute nichts gewußt/ (1816) Uhland, in: Einheit 67 O. /daß uns . . . der brüllende Tod nicht schrecken soll, den heißesten Kampf zu bestehen, wenn der Eroberer droht/ (1818) Wartburgrede des Studenten Riemann, in: ebd. 71. /Wir waren gerüstet und entschlossen, wenn der Kampf sich erneuerte, die Barrikaden zu verlassen, anzugreifen/ (1848) "Die Reform" in: ebd. 295. Als in jener Zeit häufige Komposita schließen sich dieser Verwendungsweise an: / F r e i heitskampf, Befreiungskampf, Barrikadenkampf/. Auch für Auseinandersetzungen in anderen Lebensbereichen, in denen sich gegensätzliche Gruppierungen mit festen Vorstellungen und Ansichten gegenüberstehen, wird das Wort /Kampf/ verwendet. Geistige Auseinandersetzungen mit der Umwelt, Meinungsstreit, auch auf politischem Gebiet, oder Auseinandersetzungen zwischen politischen Parteien und Richtungen lassen eine weitere Variante erkennen. Variante 2 'Meinungsstreit, Disput': A

gegeneinander gerichtete Aktionen in Wort oder Schrift

B

starkes persönliches Engagement (bis zu Erbitterung und Härte)

C

parteiliches Eintreten für eine Sache in dem Bestreben, sie durchzusetzen.

Die Mittel, mit denen solche Streitigkeiten ausgefochten werden, sind die "Waffen des Geistes": / E s ist dann nicht der einzelne, welcher wider die Feinde der Nation den Kampf führt, sondern die öffentliche Meinung/ (1831) J . G. A. Wirth, in: Einheit 108 O. /der . . . aus seinem Kampf mit der Territorialhoheit fließende Haß/ (1826) Gagern, in: ebd. 94. /Auch im Kampf gegen das Bestehende wollen sie [die Liberalen] nur unter den Augen des bestehenden Gesetzes streiten/ (1847) Bauer, Parteikämpfe 1, 186 Faks.

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Noch eine dritte sprachliche Verwendungsweise muß erwähnt werden. Sie begegnet besonders in Schriften philosophischen Inhalts und stellt sich als Widerstreit miteinander unvereinbarer Prinzipien oder Denkkategorien dar, die sich daher, scheinbar unabhängig von menschlicher Einflußnahme, in ständiger Auseinandersetzung befinden. Variante 3 'Wechselseitiges Gegeneinanderwirken unvereinbarer Prinzipien': A

Widerstreit objektiv bedingter Gegensätze

B

voller Einsatz (eines jeden der unvereinbaren Prinzipien)

C

parteiliches Streben nach Alleingültigkeit (jeder beteiligten Kraft).

Die Merkmale B und C, die in den bisherigen Varianten Verhaltensweisen belebter Wesen bestimmen, treten hier mit erheblich verminderter Intensität in Erscheinung; Merkmal A dominiert innerhalb dieser Merkmalskette: /So ist z. B. auch die Tugend nicht ohne Kampf, sie ist vielmehr der höchste, vollendete Kampf; so ist sie nicht nur das Positive, sondern absolute Negativität/ (1816) Hegel, Wiss. d. Logik 2 (1951) 55. /Nun gibt' s im ganzen deutschen Vaterlande kein Blatt mehr, in welchem der Kampf des Prinzips gegen das Prinzip gefochten [ w i r d ] / ( 1 8 4 3 ) Stahr, in: Einheit 192 O. In die dreißiger und vierziger Jahre des vorigen Jahrhunderts fallen die Anfänge der deutschen Arbeiterbewegung. Die sich entwickelnde Arbeiterklasse lebte in tiefer Not, 2

sie galt den herrschenden Klassen als ein "gesellschaftliches Übel" . Der allen sichtbare Gegensatz zwischen Arm und Reich wird in der zeitgenössischen Literatur behandelt und beschrieben, einzelne spontane Aktionen der Arbeiter gegen Gruppen h e r r schender Kapitalisten werden ausführlich dargestellt, die Kämpfe selbst aber noch 3 nicht als Ausdruck des Klassenkampfes gesehen . Mit dieser ausgeplünderten, bemitleideten Klasse wächst eine Kraft heran, die an politischer Stärke gewinnt und versucht, sich selbst von den Formen der Ausbeutung zu befreien. In Deutschland "begannen die Arbeiter während der dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts politisch aktiv zu werden. In der Zeit des revolutionären Aufschwungs . . . von 1830 bis 1834 beteiligten sich zahlreiche Arbeiter an demokratischen Kundgebungen, Aufständen und geheimen Verbindungen . . . . Die Bestrebungen der deutschen Arbeiterklasse nach einer politisch selbständigen Organisation nahmen . . . ihren Anfang. "4 In einer Zeit, die das Industrieproletariat allenthalben in verschiedene Auseinandersetzungen verwickelt sieht, war / K a m p f / d i e sich anbietende Bezeichnung für die Austragung klassenbedingter politischer Gegensätze auf allen Ebenen. Die Vertreter der jungen deutschen Arbeiterbewegung verwenden daher das im Sprachgebrauch übliche Wort / K a m p f / in seinen verfügbaren Varianten für ihre Aktionen gegen Unterdrückung und Ausbeutung: /Sobald sie [die Feinde] den Kampf hervorrufen, müssen sie nicht anders betrachtet werden als unvernünftige Tiere/ (1842) Weitling, Garantien 258 Ak.

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' Klassenkampf' /sollte dieses Frühjahr . . . der Kampf beginnen, so . . . zeigt, daß wir ebensogut die Muskete als das Wort zu handhaben wissen/ (1847) in: Gesch. Arbeiterbewegung (1966) 1, 501.

Einzelne Vorgänge, z . B . der Weber aufstand in Schlesien, werden schon als eine Art des Klassenkampfes aufgefaßt, als ein Kampf, der in letzter Konsequenz zur Befreiung der Arbeiter führen müsse: /ein Vorspiel in dem unaufhaltbaren Proletarierdrama, im Kampfe des niedergetretenen, . . . erniedrigten Menschen um die Wiedergewinnung seiner Würde/ (1845) Wolff, Ges. Sehr. (1909) 50. Übersetzungen aus dem Französischen machen bereits mit präziseren Darstellungen des Sachverhalts 'Klassenkampf' bekannt, da in Frankreich sowohl die Klassengegensätze als auch der Klassenkampf stärker ausgeprägt waren und die sozialistische Literatur sich mit diesen, das gesellschaftliche Leben prägenden Erscheinungen früher und gründlicher befaßte als in Deutschland: / . . . in diesem Kampf der Klassen, die übereinander rollen, wird schließlich der einfache"BürgeF7böürgiöis) vom Tagelöhner (manouvrier) Aristokrat genannt und als solcher verfolgt/ (1827) Stuttgarter Ausg. der Histoire de la Révolution française, in: Kägi, Genesis d. hist. Mat. (1965) 117.

3. Die Herausbildung des Terminus Das Interesse von Marx und Engels richtet sich bereits Anfang der vierziger Jahre auf die politischen und ökonomischen Verhältnisse der Arbeiter. Sie beobachten aufmerksam und untersuchen die Konflikte, vor die sich die Arbeiterbewegungen in den ökonomisch fortschrittlichsten Ländern Europas gestellt sehen. Erste Ergebnisse ihrer gesellschaftskritischen Überlegungen werden bereits in kleineren Arbeiten publiziert, und bei beiden sind Interesse und Parteinahme für die Sache und die Rolle des Proletariats, dessen Bestrebungen sie als moralisch und historisch gerechtfertigt ansehen, deutlich spürbar. Sie beginnen mit der wissenschaftlichen Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse, in deren Verlauf sie zu der fundamentalen Erkenntnis gelangen, daß "alle Kollisionen der Geschichte . . . ihren Ursprung in dem Widerspruch zwischen den Produktivkräften und der Verkehrsform" haben (MEW 3, 73).

3.1. Der marxistische Gebrauch des Wortes /Kampf/ Von 1844 an findet man in den Arbeiten von Marx und Engels neben den allgemeinsprachlichen Varianten von /Kampf/ eine besondere Verwendungsweise des Wortes,

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die zunächst an dessen Gebrauch in den Schriften der noch jungen Arbeitergewegung anknüpft. Initiativen und Taten der Arbeiterschaft, die auf die Verbesserung ihrer Lage hinzielen, werden als /Kampf/ aufgefaßt, als ein /Kampf/ freilich, der dem Proletariat von der Macht des Kapitals aufgezwungen wird. Es ist der historisch bedingte Gegensatz, auf dem als objektive Gesetzmäßigkeit die Widersprüche innerhalb der Gesellschaft beruhen. In gedanklicher Verallgemeinerung stehen sich als Exponenten des Kampfes die Macht des Kapitals und des Grundbesitzes auf der einen Seite und die Arbeit auf der anderen Seite gegenüber: /In dem Kampfe von Kapital und Boden gegen die Arbeit/ (E 1844) MEW 1, 523. /Im Kampf siegt der Stärkere . . . Zuerst sind Grundbesitz und Kapital jedes stärker als die Arbeit/ ebd. 1, 521. Ausgetragen aber wird dieser Gegensatz zwischen jenen zwei Menschengruppen, die sich auf Grund ihres unterschiedlichen Verhältnisses zu den Produktionsmitteln als Unterdrücker und Unterdrückte gegenüberstehen und bereits in diesem frühen Stadium als /Klassen/ bezeichnet werden: / s o daß jede Klasse, sobald sie den Kampf mit der über ihr stehenden Klasse beginnt, in den Kampf mit der unter ihr stehenden verwickelt ist. Daher befindet sich das Fürstentum im Kampf gegen das Königtum, der Bourgeois im Kampf gegen sie alle, während der Proletarier schon beginnt, sich im Kampf gegen den Bourgeois zu befinden/ (M 1844) MEW 1, 3b9. "Die objektiven Gesetze der Entwicklung der Gesellschaft analysierend, zeigen Marx und Engels, . . . daß Klassenkampf und Revolution die Triebkräfte der geschieht 5 liehen Entwicklung sind." In dieser frühen Phase ihres Schaffens, in der sie die Grundlage ihrer Lehre ausarbeiten, findet man bereits Definitionen bzw. definitorische Festlegungen neuer Sachverhalte, so auch die inhaltliche Festlegung des Begriffes 'Klassenkampf' als 'objektive Triebkraft der Geschichte'. Für die Darstellung dieses Sachverhaltes verwenden Marx und Engels zunächst das Simplex /Kampf/. Daneben aber begegnen als häufige Formulierungen /Kampf zwischen den Klassen/ und /Kampf der Klasse(n)/, wobei der begleitende Text einzelne Aspekte und Zusammenhänge des Begriffes verdeutlicht: /In dem Maße, wie die Bourgeoisie sich entwickelt, entwickelt sich in ihrem Schöße ein neues Proletariat, ein modernes Proletariat: Es entwickelt sich ein Kampf zwischen der Proletarierklasse und der Bourgeoisklasse, ein Kampf, der, bevor er auf beiden Seiten empfunden, bemerkt, gewürdigt, begriffen . . . und endlich laut proklamiert wird, sich vorläufig nur in teilweisen und vorübergehenden Konflikten, in Zerstörungswerken äußert/ (M 1847) MEW 4, 141. Das Kompositum 'Klassenkampf' setzt die marxistische Klassendefinition voraus. Die Bezeichnungen /Kampf/ und /Klasse/ werden in unmittelbarem Zusammenhang entwickelt:

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' Klassenkampf' /Die einzelnen Individuen bilden nur insofern eine Klasse, als sie einen gemeinsamen Kampf gegen eine andre Klasse zu führen haben/ (M/Elb45/46) MEW 3, 54 (Dt. Ideologie). /Die ökonomischen Verhältnisse haben zuerst die Masse der Bevölkerung in Arbeiter verwandelt . . . So ist diese Masse bereits eine Klasse gegenüber dem Kapital . . . In dem Kampf . . . konstituiert sie sich als Klasse für sich selbst. Die Interessen, welche sie verteidigt, werden Klasseninteressen. Aber der Kampf von Klasse gegen Klasse ist ein politischer Kampf/ (M 1847) MfiW 4, 161.

Die einzelnen Formen des Kampfes der Arbeiter gegen die Klasse der Bourgeoisie werden beschrieben; ihr Aufbegehren gegen ökonomische und politische Unterdrückung wird spezifiziert und als Teil oder als Erscheinungsform des Klassenkampfes dargestellt. Die aufgeführten Vorgänge werden nicht mehr nur als spontane Aktionen, sondern als Teil der historischen Gesetzmäßigkeiten interpretiert: /dieser ganze verzweifelte Kampf zwischen Arbeit und Kapital, der jetzt in allen zivilisierten Ländern der Welt vor sich geht, ein Kampf, dessen verschiedene Phasen durch Vereinigungen, trades unions, Ermordnungen, Aufstände und blutigen Aufruhr gekennzeichnet sind/ (E 1647) MEW 4, 434. Neben /Kampf/ findet man gelegentlich noch weitere Bezeichnungen, so z. B. das ebenfalls durch /Klasse/ bestimmte Kompositum /Klassenkollision/: /Dafi in einem demokratischen Repräsentativstaat wie Nordamerika die Klassenkollisionen bereits eine Form erreicht haben, zu der die konstitutionellen Monarchien erst hingedrängt werden/ (M/E 1845/46) MEW 3, 331 (Dt. Ideologie). Andere allgemeinsprachliche Bezeichnungen werden nur selten herangezogen. Als besonders expressive Bezeichnung fällt auf: /die Geldmittel zu einem offenen und direkten Angriffskrieg der . . . Bour geoisie gegen das Proletariat/ (M/E 1845/46) MEW 3, 349 (Dt. Ideologie).

3.2. Der marxistische terminologische Gebrauch von /Klassenkampf/ Die bisher vorgeführten und dargestellten Äußerungen von Marx und Engels machen deutlich, daß der Begriff 'Klassenkampf' in seinen Grundzügen bereits entwickelt war, bevor das Kompositum /Klassenkampf/ gebildet wird. Die ersten Belege für /Klassenkampf/ finden sich in zwei Zeitschriftenaufsätzen, einem von Marx und einem von Engels, beide vom Oktober 1847: /Der Kommunismus ist hervorgegangen aus der großen Industrie und ihren Folgen, . . . aus der Erzeugung des Proletariats und der Konzentration des Kapitals, aus dem daraus folgenden Klassenkampfe zwischen Proletariat und Bourgeoisie/ (E 1847) MEW 4, 52T. / E s ist sehr "möglich", daß einzelne Individuen nicht "immer" durch die Klasse bestimmt werden, der sie angehören, was ebensowenig für den Klassenkampf entscheidet, als der Übertritt einiger Adligen zum tiers état für die französische Revolution entschied. Und dann traten diese

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Adligen wenigsten einer Klasse bei, der revolutionären Klasse, der Bourgeoisie/ (M 1847) MEW 4, 349. Die nachfolgenden Belege sind dem "Kommunistischen Manifest" entnommen. In diesem revolutionären Programm wird /Klassenkampf/ besonders häufig verwendet, so daß spätere Nachschlagewerke und Wörterbücher es als Quelle für das Entstehen des g Wortes angeben : /Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen. Freier und Sklave, Patrizier und Plebejer, Baron und Leibeigener, Zunftbürger und Gesell, kurz, Unterdrücker und Unterdrückte standen in stetem Gegensatz zueinander, führten einen ununterbrochenen, bald versteckten, bald offenen Kampf, einen Kampf, der jedesmal mit einer revolutionären Umgestaltung der ganzen Gesellschaft endete oder mit dem gemeinsamen Untergang der kämpfenden Klassen/ (1848) MEW 4, 462. /Jeder Klassenkampf aber ist ein politischer Kampf/ ebd. 471. /Die theoretischen Sätze der Kommunisten . . . sind nur allgemeine Ausdrücke tatsächlicher Verhältnisse, eines existierenden Klassenkampfes, einer unter unsern Augen vor sich gehenden geschichtlichen Bewegung/ ebd. 475. Es werden alle hauptsächlichen Kennzeichen des Terminus erläutert; er wird eindringlich in seinem gesamten Umfang dargestellt. Die drei Aspekte, die politische, ökonomische und die ideologische Seite des Klassenkampfes werden genannt, ohne daß zunächst näher darauf eingegangen wird. Als neu und wesentlich wird immer wieder der objektive, der historische Charakter des Klassenkampfes betont. Mit der Verwendung des Kompositums /Klassenkampf/ steht die marxistische Geschichtsauffassung und die Theorie des Klassenkampfes fest; die ganze bisherige Geschichte der Klassengesellschaft (also mit Ausnahme der Urgesellschaft) wird prägnant und bündig als/Geschichte von Klassenkämpfen/ definiert. /Klassenkampf/ ist damit als Wesenszug, als "entscheidende Triebkraft" der Geschichte bestimmt. D. h. im einzelnen: (A) In heftigen, gegeneinander gerichteten Aktionen findet zwischen zwei antagonistischen Klassen, die sich als Unterdrücker und Unterdrückte gegenüberstehen, der Austrag objektiver Klassengegensätze statt. Der Austrag erfolgt auf ökonomischer, politischer und ideologischer Ebene; er ist historisch notwendig, da nur auf diese Weise gesellschaftlicher Fortschritt möglich ist. (B) Der Austrag der Gegensätze verlangt nicht nur hohen, persönlichen Einsatz des einzelnen, sondern den vollen Einsatz der gesamten Klasse nach gemeinsam festgelegter Strategie. Der Einsatz ist zwingend; er wird geweckt und gefördert durch Klassenbewußtsein und Klasseninteresse, die eine Neutralität einzelner unmöglich machen. Daraus resultiert eine (C) bedingungslose Parteinahme für die eigene Klasse, die von dem Bestreben getragen wird, auf der fortschrittlichen Seite die Unterdrückung und Ausbeutung - letztlich durch

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' Klassenkampf'

Errichtung der Diktatur des Proletariats - zu beseitigen, auf der reaktionären Seite Unterdrückung und Ausbeutung zu verewigen. Aus den terminologischen Bestimmungen und Zusammenhängen ergeben sich folgende semantischen Merkmale: A

Austrag objektiver Klassengegensätze

B

voller Einsatz der Klassen in ihrer Gesamtheit

C

bedingungslose Parteilichkeit für die Ziele der eigenen Klasse, um ihr zum Sieg zu verhelfen.

Nach dem Erscheinen des "Kommunistischen Manifests" bemühen sich Marx und Engels, das Wort /Klassenkampf/ als zentralen Terminus der neuen Weltanschauung bekannt zu machen und ihn in seinem Gesamtinhalt und in seinem Zusammenhang mit anderen Elementen der marxistischen Lehre zu erläutern. /Klassenkampf/ wird mit der materialistischen Geschichtsauffassung und mit der marxistischen Dialektik in Beziehung gesetzt: /Die materialistische Geschichtsanschauung und ihre spezielle Anwendung auf den modernen Klassenkampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie war nur möglich vermittelst der Dialektik/ (E 1882) MEW 19, 188. Und nach einer jahrzehntelangen publizistischen Wirksamkeit kann mit Genugtuung festgestellt werden, daß sich als treibende Kraft der Geschichte stets der Klassenkampf erwiesen hat, der als Begriff von Marx und Engels entdeckt und entwickelt, der als Wort von ihnen geprägt und der deutschen Sprache zugeführt wurde: /Wir haben seit fast 40 Jahren den Klassenkampf als nächste treibende Macht der Geschichte und speziell den Klassenkampf zwischen Bourgeoisie und Proletariat als den großen Hebel der modernen sozialen Umwälzung hervorgehoben/ (M/E 1Ö79) MEW 19, 165. Mehrfach - insgesamt 22 mal - begegnen in den Schriften von Marx und Engels Fügungen wie /Klassenkampf zwischen Bourgeoisie und Proletariat/ bzw. / . . . zwischen Proletariat und Bourgeoisie/. Daneben stehen vereinzelte Wendungen wie / . . . zwischen Arbeiterklasse und Bourgeoisie/, / . . . zwischen Arbeitern und Kapitalisten/, / . . . zwischen Kapital und Arbeit/. Alle derartigen Wortverbindungen sind kennzeichnend für die Aufmerksamkeit, die Marx und Engels dem sich in ihrer unmittelbaren Gegenwart stattfindenden Kampf zwischen den antagonistischen Klassen widmen. Der Klassenkampf in der kapitalistischen Gesellschaft war der Ausgangspunkt ihrer Untersuchungen, ihm gilt das Hauptinteresse beider. Die Gesetzmäßigkeit der Widersprüche zwischen den beiden sich antagonistisch gegenüberstehenden Klassen wird in diesen Fügungen nachdrücklich hervorgehoben und an den Ereignissen der Gegenwart demonstriert. In allen diesen Verwendungen liegt dis Intensität auf Merkmal A: /Der Junikampf zu Paris, der Fall Wiens, . . . Irlands Aushungerung das waren die Hauptmomente, in denen sich der europäische Klassenkampf zwischen Bourgeoisie und Arbeiterklasse zusammenfaßte/ (M 1849) MEW 6, 397.

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Die Tatsache, daß ein umfangreicheres theoretisches Werk, die "Klassenkämpfe in Frankreich von 1848 bis 1850", den Terminus sogar in den Titel übernimmt, beweist, wie notwendig es Marx erscheint, alle Aktionen, die in den Revolutionsjahren in Frankreich stattfanden, als /Klassenkampf/ zu bezeichnen und als gesetzmäßig und historisch folgerichtig anzusehen. Es mag zugleich ein Ausdruck dafür sein, daß Marx der agitatorischen Wirksamkeit des Wortes vertraut, die sich schon im "Kommunistischen Manifest" bewiesen hat. In den Arbeiten der nachrevolutionären Zeit findet man /Klassenkampf/ besonders mit Attributen verbunden, die. sowohl die Größe der Aktionen bezeichnen als auch Ausdruck der Bewunderung, der Anteilnahme, der Begeisterung sind, mit denen Marx und Engels die revolutionären Kämpfe betrachten: /Der 17. März und der 16. April waren die ersten Plänklergefechte in dem großen Klassenkampfe/ (M 1852) MEW 7, 27. /daß eine Revolution . . . ihr geliebtes Arkadien . . . im Strudel weit kolossalerer Konflikte, wirklicher Klassenkämpfe, mit wegschwemmen könnte/ (E 1850) ebd. 139. Beide Autoren sehen es als eine ihrer Hauptaufgaben an, die Arbeiterklasse mit ihrer historischen Mission vertraut zu machen und zur bewußten Führung des Klassenkampfes zu befähigen. Es gilt, den Arbeitern klar zu machen, daß jeder Schritt, den sie gegen die herrschende Klasse tun, daß jede einzelne ' Aktion' hilft, die gesetzmäßige Entwicklung zu beschleunigen. Wendungen wie / den Klassenkampf des Proletariats/ (E 1879) MEW 34, 391. /dieser . . . Klassenkampf der Chartisten/ (E 1848) MEW 5, 285. weisen auf die Arbeiterklasse als die aktive, die kämpfende Klasse hin. Der Gegner braucht nicht bezeichnet zu werden; die Arbeiterklasse kämpft ihren Klassenkampf gegen die Bourgeoisie. Das historische und das moralische Recht ist auf ihrer Seite; sie ist es, die den Kampf aufzunehmen und nach den eigenen strategischen Grundzügen zu führen hat. In semantischer Sicht bedeutet das die Verlagerung der Intensität auf Merkmal C: /Klassenkampf der Industriearbeiter/ (M/E 1879) MEW 19, 159. /Überhaupt wird es bald einmal Zeit, aufzutreten gegen die philanthropischen Groß- und Kleinbürger, Studenten und Doktoren, die . . . den Klassenkampf des Proletariats . . . in eine allgemeine Menschenverbrüderungsanstalt verwässern wollen/ (M 1859) MEW 34, 391. In späteren Arbeiten von Engels, die den wissenschaftlichen Sozialismus bekannt machen sollen, findet man viele Formulierungen, die früheren Arbeiten entstammen. Besonders häufig wird aus dem "Kommunistischen Manifest" zitiert. Durch Schriften wie "Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft", "Anti-Dühring" und durch die Vorreden zu den Werken von Marx, die nach 1870 einer großen Leserschaft zugänglich gemacht werden, wird der Terminus /Klassenkampf/ weiten Kreisen bekannt:

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' Klassenkampf' /daß . . . die ganze Geschichte der Menschheit eine Geschichte von Klassenkämpfen gewesen ist/ (E 1883). MEW 4, 581. /Für die sozialistische Anschauung war diese neue Auffassung der Geschichte von der höchsten Bedeutung. Sie wies nach, daß alle bisherige Geschichte sich in Klassengegensätzen und Klassenkämpfen bewegt/ (E 1678) MEW 19, 103. In Arbeiten, die historische Ereignisse analysieren, wird besonderer Wert darauf

gelegt, dem Leser begreiflich zu machen, daß historische Aktionen nicht als isolierte, zufällige Ereignisse, sondern als Teile des in der jeweiligen Epoche existierenden Klassenkampfes zu verstehen sind: /die religiös-politischen Streitfragen jener Epoche als das Spiegelbild der gleichzeitigen Klassenkämpfe/ (E 1B74) MEW 7, 531. /aber was haben wir denn anders behauptet, als daß die Kämpfe der mittelalterlichen Communiers gegen den Feudaladel Klassenkämpfe waren/ (E 18b2) MEW 35, 3b. Es wird darauf verwiesen, daß der Klassenkampf der Arbeiter gegen die Bourgeoisie sowohl auf ökonomischem, politischem als auch auf ideologischem Gebiet geführt wird: / . . . diese minutiösen Bestimmungen . . . [Fabrikgesetze] waren Ergebnis langwieriger Klassenkämpfe/ (M 1867) MEW 23, 299. /die Tatsache, daß der Kampf . . . , wie jeder Klassenkampf, ein politischer Kampf . . . um den Besitz des Staates sein . . . mußte/ (E 1886) MEW 21, 493. Konkret äußern sich die ökonomischen Kämpfe in Streiks, Unruhen, Lohnforderungen. In Schriften nach lb70, als die Arbeiterbewegung in ökonomischen Kämpfen Erfolge e r zielte, werden Aktionen dieser Art zur Erläuterung herangezogen: /Und doch warf gerade damals der hereinbrechende Klassenkampf . . . seinen Riesenschatten vor sich her in den Streiks der pennsylvanischen Kohlengräber/ (E lbb7) MEW 21, 335. Letztlich aber bilden die drei Grundformen des proletarischen Klassenkampfes, der ökonomische, der politische und der ideologische Kampf, eine Einheit, denn /alle Emanzipationskämpfe von Klassen, trotz ihrer notwendig politischen Form - denn jeder Klassenkampf ist ein politischer Kampf - [drehen] sich schließlich um ökonomische Emanzipation/ (E lb86) MEW21, 300. Seine höchste Form findet der Klassenkampf jedoch in der Revolution des Proletariats, die eine Beseitigung der bestehenden Eigentumsverhältnisse zur Folge hat. Revolution und Klassenkampf bedingen einander, Revolution ist der Höhepunkt des Klassenkampfes.

4. Die Weiterverwendung des Wortes /Kampf/ /Klassenkampf/ entwickelt keine nennenswerte sprachliche Produktivität. D. h., die Erweiterung des Kompositums zum Trikorrpositum sowie eine Adjektivableitung

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(z. B. /klassenkämpferisch/) sind denkbar und möglich, jedoch unüblich. Wo das Bedürfnis nach Erweiterung besteht, werden genitivische Fügungen bevorzugt. /Klassenkampf/ ist zu einer elementaren Bezeichnung für gesellschaftliches Geschehen geworden, jede kompositioneile Erweiterung könnte die Neigung enthalten, die Aussagekraft des Wortes einzuschränken oder abzuschwächen, scheint daher die Sprecher in der Regel davon abzuhalten, derartige Wortbildungsmöglichkeiten wahrzunehmen. Dagegen ist auch nach Herausbildung der Bezeichnung /Klassenkampf/ eine WeiterVerwendung des Simplex /Kampf/, insbesondere durch Engels, festzustellen. Zuweilen wird /Klassenkampf/ mit Verbindungen wie /Kampf zwischen den Klassen/ oder /Kampf/ der Klasse(n)/ umschrieben (dazu vgl. oben S. 63). Sprachlich gesehen bedeutet diese Auflösung des Kompositums in seine Bestandteile eine Lösung vom terminologischen Gebrauch. Die terminologische Präzision des T e r minus wird aufgegeben zugunsten einer Betonung des Kampfgeschehens; der Gedanke an "heftige gegeneinander gerichtete Aktionen" (wie es das Merkmal A des Wortes /Kampf/ ausdrückt) gewinnt die Oberhand. Synonymie, also Bedeutungsähnlichkeit besteht in diesen Fällen mit dem durch semantische Merkmale bestimmten Wort /Klassenkampf/, die besteht nicht und kann nicht bestehen mit dem durch Definition und systemgebundene Relationen bestimmten Terminus /Klassenkampf/: /Eine solche Gesellschaft konnte nur bestehn . . . im fortwährenden offnen Kampf dieser Klassen gegeneinander/ (E 1884) MEW 21, 164 (Ursprung der Familie). In umfangreichen Texten begegnet mehrfach das aus dem Kompositum gekürzte Simplex: /Einsicht in die Natur, die Bedingungen und die daraus sich ergebenden allgemeinen Ziele des vom Proletariat geführten Kampfs/ (E 1885) MEW 21, 212.

Einzelaktionen der Geschichte werden mit /Kampf/ bezeichnet und zur Erläuterung des Terminus herangezogen: /Die ökonomische Lage ist die Basis, aber die verschiedenen Momente des Überbaus . . . üben auch ihre Einwirkung auf den Verlauf der geschichtlichen Kämpfe aus und bestimmen . . . deren Form/ (E 1895) MEW 37, 463. In späteren Schriften entscheidet sich Engels auch dann für das Wort /Kampf/, wenn es gilt, agitatorische Ziele zu verfolgen. Zumal der Wechsel in den Bezeichnungen /Klassenkampf/ und /Kampf/ erlaubt einerseits, an die terminologische Gebundenheit des Begriffes anzuknüpfen, während andrerseits das nachfolgende /Kampf/ die Möglichkeit bietet, das eigentliche Kampfgeschehen in seiner Härte und Unversöhnlichkeit stärker zu akzentuieren: /daß . . . die ganze Geschichte eine Geschichte von Klassenkämpfen gewesen ist, Kämpfen zwischen ausgebeuteten und ausbeutenden . . ; . . . daß dieser Kampf aber jetzt eine Stufe erreicht hat . . . / (E 1883) MEW 4, 577. /Die Tatsache, daß der Kampf dieser neu aufstrebenden Klasse gegen die Feudalherren . . . , wie jeder Klassenkampf, ein politischer Kampf, ein

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'Klassenkampf' Kampf um den Besitz des Staates . . . sein . . . mußte/ (E 1886) MEW 21, 39S-

Ein solcher Wechsel muß natürlich zunächst ais stilistische Variation betrachtet werden, die, um Wiederholungen zu vermeiden, /Klassenkampf/ zu /Kampf/ verkürzt und den Vortrag gefälliger macht. Mit der stilistischen, also formalen Variation verbindet sich aber zugleich eine semantische Verstärkung, die die terminologischen Relationen des Begriffs als bereits genannt hinter sich läßt und nunmehr den parteilichen Einsatz, das entschlossene Handeln in seiner ganzen Unerbittlichkeit betont. Es ist sicher, daß ein so sprachgewaltiger Autor wie Engels sich in voller Absicht für diese sprachliche Ausdrucksform entschieden hat.

5. Zur Verwendung von /Klassenkampf/ nach der Herausbildung als terminologische Bezeichnung Der Terminus / Klassenkampf/ wurde von Marx und Engels für eine von ihnen entdeckte Gesetzmäßigkeit der historischen Entwicklung gebildet. Es handelt sich um einen Neologismus; gleichlautende Bezeichnungen in der Allgemeinsprache oder in anderen terminologischen Systemen, die eine Abgrenzung des Wortes verlangt hätten, gab es nicht. Engels hat wiederholt darauf hingewiesen, daß diese "die Geschichtswissenschaft umwälzende Entdeckung . . . wesentlich das Werk von Marx ist, . . . von unmittelbarer Wichtigkeit für die gleichzeitige Arbeiterbewegung" (MEW 21, 212). Doch das Belegmaterial weist aus, daß Engels einen großen Anteil an der Verbreitung und am Bekanntwerden des Terminus hat. Gerade er verwendet ihn immer wieder, verbindet ihn mit Erläuterungen, mit definitorischen Kennzeichnungen und mit Beispielen aus der Geschichte. Beide Autoren haben sich ständig bemüht, das "große Bewegungsgesetz der Geschichte" (MEW 21, 249) der Arbeiterbewegung nahezubringen, um der Arbeiterklasse ihre "historische Mission" begreiflich zu machen, damit sie lerne, sich in ihrem Handeln auf wissenschaftlich begründete Kenntnisse zu stützen und nicht auf Ideen und Wunschträume. Sie verwenden das Wort in der Agitation, bemühen sich, die Arbeiterklasse vom ideologischen Einfluß der Bourgeoisie zu befreien und Klassenbewußtsein zu fördern und zu festigen, und sie verweisen schließlich auf das historische Recht der Arbeiterklasse, den Kampf aufzunehmen und zu handeln. Damit leisten sie selbst einen entscheidenden Beitrag im ideologischen Klassenkampf und setzen ihre gewonnene Erkenntnis in die revolutionäre Praxis um.

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5.1. Zur Verwendung der Bezeichnung im Sinne von Marx und Engels Der weiteren Verwendung der Bezeichnung /Klassenkampf/ liegt die oben entwickelte Merkmalsstruktur (vgl. S. 66) zugrunde: A

Austrag objektiver Klassengegensätze

B

voller Einsatz der Klassen in ihrer Gesamtheit

C

bedingungslose Parteilichkeit für die Ziele der eigenen Klasse, um ihr zum Sieg zu verhelfen.

Im Vergleich zu anderen marxistischen Termini wird /Klassenkampf/ in den untersuchten Schriften nur selten definiert oder mit definitorischen Kennzeichnungen versehen. Belege wie der folgende, in dem direkt Bezug auf ein Werk von Marx und Engels genommen wird, bleiben vereinzelt: /Je mehr die einzelnen Schichten [des Proletariats] . . . zu einer einheitlichen Arbeiterklasse sich zusammenschließen, desto mehr müssen seine Kämpfe einen politischen Charakter annehmen, denn, wie bereits das kommunistische Manifest sagt, jeder Klassenkampf ist ein politischer Kampf/ (1892) Kautsky, Erf. Programm (1899) 217. In theoretischen Auseinandersetzungen mit revisionistischen Auffassungen und mit Klassengegnern werden bestimmte Grundlagen der marxistischen Klassenkampftheorie angeführt, und auf diese Weise verbinden sich die gültigen semantischen Merkmale kontextuell mit terminologischem Wissen: /Seit die Klassengesellschaften existieren und der Klassenkampf den wesentlichen Inhalt ihrer Geschichte bildet, war die Eroberung der politischen Macht stets . . . das Ziel aller aufstrebenden Klassen/ (lb99) Luxemburg (1970) 1, 1, 428. /Dieser Appell . . . beweist jedoch, daß die Marxsche Lehre vom Klassenkampf und vom Staate dem russischen Nationalökonomen o'.lständig fremd ist/ (1894) Socialpolit. Centralbl. 3, 2 b ß . Die Gründe für die Seltenheit eines solchen deutlich erkennbaren terminologischen Gebrauchs liegen offensichtlich in der Bezeichnung /Klassenkampf/ selbst. Allein das Bestimmungswort /Klassen-/ setzt voraus, daß ein Sprecher, der das Kompositum ohne Einschränkung gebraucht, von der Existenz von Klassen und deren Antagonismus überzeugt ist. Der Gebrauch dieses Wortes signalisiert nicht ohne weiteres die Kenntnis der marxistischen Lehre, wohl aber eine Anerkenntnis der marxistischen Gesellschaftstheorie und eine Verbundenheit mit der marxistischen Weltanschauung. Vor diesem Hintergrund erweist sich /Klassenkampf/ als ein eminent marxistisches Wort, das ein Gegner des Marxismus ohne ausdrückliche Distanzierung nicht verwenden kann. Er wird von "Aufständen, Ausschreitungen", vielleicht von "Kämpfen" sprechen, das Wort /Klassenkampf/ wird er meiden. Es handelt sich um ein Wort, das der Marxismus geprägt hat, dessen semantische Merkmale bereits weltanschauliche Überzeugungen enthalten, so daß sich in der Agitation und in der politischen Literatur

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' Klassenkampf'

kontextuell verdeutlichter terminologischer Gebrauch durch Angabe definitorischer Kennzeichnungen und systemhafter Bezüge in der Regel erübrigt. Bereits die ersten Programme der Arbeiterbewegung zeigen, daß das Anliegen von Marx und Engels verstanden wurde. Noch findet man in diesen Programmen das Wort nicht, wohl aber inhaltliche Wiedergaben des dem Begriff zugrunde liegenden Gedankens. Die neue Bezeichnung muß über den Weg der mündlichen Agitation verbreitet 7

worden sein, denn bereits die frühen Belege in Publikationsorganen

lassen darauf

schließen, daß das Wort bekannt ist oder zumindest in der richtigen Weise verstanden wird. In welch starkem Maße das Wort /Klassenkampf/ über seine Merkmale eine marxistische Einstellung zum Ausdruck bringt, beweisen mehrfach belegte Wendungen wie/auf dem Boden, auf dem Standpunkt des Klassenkampfes/: /B. . . . steht vollkommen auf Marxistischem Boden, auf dem Boden des Klassenkampfes/ (1882) Kautsky, in: Qu. Gesch. Arbeiterbewegung 1, BOR. /Wenn die Gewerkschaften . . . sich z . B . wie die englischen Trade-Unions statt auf den Boden des Klassenkampfes auf den der Harmonie der Interessen in der heutigen Gesellschaft stellen/ (1900) Luxemburg (1970) 1 , 1 , 782. / E s liegt in der Konstruktur des heutigen klassenstates, daß die Arbeiterschaft dazu verurteilt ist sich mit den Brocken zu begnügen, den uns die herrschende priviligirte Klique hinwirft! Es ist begreiflich . . . , deshalb stehe ich auf dem Standpunkt des Klassenkampfes die Macht an uns zu reißen/ (1907/11) ein Textilarbeiter, in: Levenstein, Arbeiterfrage (1912) 141. Das heißt in einer Zeit harter Auseinandersetzungen zwischen Arbeiterklasse und Bourgeoisie nichts anderes als ' auf dem Boden des Marxismus', ' auf dem Standpunkt eines Marxisten'. Oder aus semantischer Sicht: Das Wort /Klassenkampf/ ist als Metapher in einigen Wendungen die geeignete Repräsentanz für eine uneingeschränkte marxistische Grundhaltung. Marx und Engels sahen im Klassenkampf die entscheidende Triebkraft der Geschichte und des gesellschaftlichen Fortschritts. Für ihre unmittelbaren Mitkämpfer und für die späteren Angehörigen der Internationalen Arbeiterassoziation wird /Klassenkampf/ zum einzigen angemessenen Wort, das die unmittelbaren, die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts beherrschenden klassenbedingten Auseinandersetzungen bezeichnet. Es ist in erster Linie der /Klassenkampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie/: /Wir können und werden verhindern, . . . daß der Klassenkampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie der Reaktion, dem Junkerthum diene/ (1869) Liebknecht, Stellung (lb93) 20. /Immer größer wird die Zahl der Proletarier . . . immer erbitterter der Klassenkampf zwischen Bourgeoisie und Proletariat/ (1891) Erf. Programm in: Rev. dt. Parteiprogramme J b2 B . / D . /Der Kampf um den Arbeiterschutz wird immer mehr zu einem reinen Klassenkampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie/(1892) Kautsky, Erf. Programm (1899) 205.

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/Die "Lösung der sozialen Frage" hängt von der . . . Steigerung des Klassenkampfes zwischen Bourgoisie und Proletariat ab/ (1890) Sozialdemokrat (12.1.) 1* Faks. In dieser Phase findet man, abgesehen von einigen grundlegenden historischen Arbeiten, die Bezeichnung /Klassenkampf/ ausschließlich auf den Kampf zwischen Bour geoisie und Proletariat bezogen. Diese modifizierte Form der Verwendung drückt sich in der Wahl der Kontextelemente aus. Man findet adjektivische oder nominale Ergänzungen, die entweder die Arbeiterklasse selbst bezeichnen und ihre Mission kennzeichnen: /proletarisch, revolutionär, sozialistisch/, /des Proletariats, der Arbeiter/, oder auch, den Klassenstandpunkt der Autoren kennzeichnend, als /unser Klassenkampf/. In diesen Fällen steht der Gegner, die Bourgeoisie, eindeutig fest, man braucht ihn nicht unbedingt zu erwähnen. Viele Angehörige der Arbeiterklasse kennen /Klassenkampf/ vor allem als eine Summe von Aktionen, mit denen ein bestimmtes Ziel verfolgt wird, das die Befreiung von aller Ausbeutung bedeutet. Es ist ein Ziel, für das es sich zu kämpfen lohnt. So macht sich im Sprachgebrauch der Arbeiterklasse eine leichte Verschiebung bei der Intensität der Wirksamkeit bestimmter Merkmale bemerkbar. Die Merkmale B und C gewinnen an Gewicht, und /Klassenkampf/ bezeichnet in erster Linie die Aktivitäten des Proletariats, der Arbeiterklasse: /Während in Großbritannien Millionen hingeworfen werden, um Parlamentssitze zu verkaufen . . . dauern in England der Klassenkampf der Arbeiter gegen die Kapitalisten, und in Irland der Racenkampf . . . fort/ (1868) Demokr. Wochenbl. 226 a Faks. /In dem Boden des proletarischen Klassenkampfes liegt die Kraft unserer Partei/ (1898) Protokoll Parteitag 134. /als hätten Marx und Engels und die deutsche Sozialdemokratie überhaupt je von direkter materieller Verelendung der Arbeiterklasse im ganzen gesprochen oder auf sie als eine Basis des revolutionären Klassenkampfes gerechnet (1899) Luxemburg (1970) 1 , 1 , "35B7 Synonym für /proletarischer Klassenkampf/ wird gegen Ende des 19. Jahrhunderts /sozialistischer Klassenkampf/ verwendet. Insbesondere R. Luxemburg benutzt diese Fügung häufig. Gelegentlich tritt /Klassenkampf/ auch in Verbindung mit den Adjektiven /politisch/ und /wirtschaftlich/ auf. Dadurch werden Mittel und Methoden des Klassenkampfes charakterisiert und die Ebenen bezeichnet, auf denen der Klassenkampf ausgetragen wird. Durch Erläuterungen im Kontext wird darauf hingewiesen, was an Einzelaktionen unter dem Begriff 'Klassenkampf' zusammengefaßt wird: /-blutige Klassenkämpfe wie in Lyon . . . , - unblutige Klassenkämpfe, fast ebenso verderblich, Arbeitseinstellungen, Arbeiteraussperrungen: das sind die ominösen Erscheinungen, in welchen sich die Krankhaftigkeit der heutigen Gesellschaftsorganisation äußert/ (1884) in: Sozialdemokratie 240 Faks. Die Leidenschaftlichkeit, mit der die Aktionen der Arbeiterklasse betrachtet werden,

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die Anteilnahme, die sie begleitet, kommen in emotional besonders wirksamen Adjektiven zum Ausdruck: /in Deutschland mit seinen Parteigegensätzen und seinem schroffen Klassenkampfe/ (1897) Protokoll Parteitag, 169. / f ü r den durch und durch modernen, jugendfrischen Klassenkampf des Proletariats/ (1897) Luxemburg ( 1 Ö 7 Ö ) i , 1, 11Ö. Auch in die Arbeiterlyrik wird das Wort aufgenommen: /Und nun, da heiß der Klassenkampf entbrannt//... nun sollte ich, das Weib des Volkes, zittern?/ (1897) Stiddt. Postillon 16, 6 a . "Termini wie Ausbeutung, Klassenkampf . . . [ s i n d ] auch im gesellschaftswissenschaftlichen Fachkontext nicht wert- und gefühlsfrei . . . Und sie bleiben es erst recht nicht, wenn sie in der Agitation und Propaganda Verwendung finden"**, noch weniger so ließe sich ergänzen - wenn sie in die Dichtung aufgenommen werden. " . . . die Macht der Worte wie Sozialismus, Klassenkampf, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit auf die Massenseele ist eine ungeheure. Sie sind die Synthese der verschiedensten unbewußten Erwartungen und der Hoffnung auf deren Verwirklichung", schreibt 1911 der bürgerq liehe Soziologe Levenstein . In der Sprache der Arbeiterbewegung wird /Klassenkampf/ zum Aufruf, zur Losung, zum Programm, d.h. zu einem inhaltsschweren marxistischen Wort, das in der sozialistischen Gesellschaft der DDR nicht nur als Terminus, sondern gleichermaßen als Wort der Allgemeinsprache üblich und geläufig ist.

5.2. Von der marxistischen Wortbedeutung abweichender und sich distanzierender Sprachgebrauch Zunächst fällt auf, daß die Bezeichnung /Klassenkampf/ in der bürgerlichen Literatur kaum existiert. Sanders nimmt das Kompositum in sein Wörterbuch auf und interpretiert: /Klassenkampf, den eine Klasse gegen die andre führt/ (186G) Sanders, Wb. 1, 860 c . Sanders aber geht weder auf den terminologischen Gebrauch noch auf die marxistische Bedeutung des Wortes ein; es heißt für ihn nichts anderes als Kampf zweier in sich "zusammengehöriger Abtheilungen", denn nur das versteht er unter /Klasse/ (923 c). Alle anderen zeitgenössischen Wörterbücher nehmen die Existenz des Wortes nicht zur Kenntnis. Die bürgerlichen Autoren ökonomischer Schriften der zweiten Hälfte des 19. J a h r hunderts können die Bezeichnung /Klassenkampf/ zwar nicht ignorieren, sind aber nicht bereit, sie in ihrer vollen marxistischen Bedeutung zu akzeptieren: /Die Bildung einer ausschließlich socialistischen Partei ist in Österreich noch gar nicht möglich, der reine Classenkampf kann nicht zu Tage treten/ (1873) Jäger, Socialismus 217.

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Der Verfasser räumt ein, daß es so etwas wie /Klassenkampf/ geben könne, macht aber die Entwicklung von ganz bestimmten Bedingungen abhängig. Er gibt zu (wenigstens in dieser Textpassage), daß es "Classen" gibt, die sich nach Erfüllung einiger Voraussetzungen in Kämpfe verwickeln werden. Er ist aber nicht bereit anzuerkennen, daß /Klassenkampf/ als eine objektive Gesetzmäßigkeit der gesellschaftlichen Entwicklung an keinerlei Vorbedingungen gebunden ist. Er hat den Wortinhalt - ähnlich wie oben Sanders - seinen eigenen Vorstellungen angepaßt. Kein Merkmal der marxistischen Bedeutung des Wortes wird realisiert. Das Wort ist hier nichts anderes als eine aufgegriffene Vokabel, der ein persönlicher, eigenwilliger Gebrauch untergeschoben wird. Ähnliches geschieht im folgenden Beleg: /andererseits ziehen die besoldeten Agitatoren der Socialdemokraten immer größere Kreise und Netze über die ländliche Arbeiterbevölkerung aller Länder, sie bearbeiten die Massen systematisch für den proclamirten Klassenkampf und scheinen eine allgemeine Mobilmachung des ganzen arbeitenden Volkes gegen Capital und Grundbesitz vorzubereiten/ (1877) Contzen, Soc. Frage *33. Wiederum wird das Wesen des Klassenkampfes geleugnet. Er wird als das Werk "besoldeter Agitatoren" hingestellt, die das "ganze arbeitende Volk" aufstacheln, so daß der Autor den in seiner Wunschvorstellung existierenden Frieden innerhalb der gesellschaftlichen Entwicklung gefährdet sieht. Neben diesen absichtlichen oder unabsichtlichen Umdeutungen des Wortes stehen jene Fälle, in denen sich bürgerliche Schriftsteller eindeutig von dem Worte distanzieren. Das geschieht damit, daß sie das Wort in Anführungszeichen setzen, sich also zu einer Markierung entschließen, die Zweifel und Ablehnung dokumentiert: /Der paritätische Arbeitsnachweis bedeutet einen Fortschritt gegenüber dem unparitätischen insofern, als er die Arbeitsvermittlung aus dem "Klassenkampfe" herausreißt/ (1907) Kessler, Arbeitgeber-Verbände 343. In einer über 400 Seiten starken Schrift, die sich ausschließlich gegen theoretische Grundlagen und praktische Arbeit der deutschen Sozialdemokratie wendet und in der seitenweise Marx. Bebel, W. Liebknecht und andere Arbeiterführer zitiert werden, verwendet der Autor nur fünfmal überhaupt das Wort /Klassenkampf/. In dem Kapitel "Die Verletzung und Entsittlichung der Arbeiter durch unsere Sozialdemokratie" heißt es: /Aber diese lügenhafte Vorspiegelung vom Raube des Unternehmergewinnes . . . ist noch nicht das schlimmste Gift, welches in die Herzen deutscher Arbeiter ausgesät wird . . . Weit schlimmer . . . ist die Lüge, daß der Arbeitgeber, der 'Kapitalismus' überhaupt, gegen den Arbeiter einen rücksichts- und erbarmungslosen Klassenkampf führen müsse und werde . . . Wie die Sozialdemokratie die Lüge von der entwürdigenden Eigenschaft der Arbeit erfunden hat, so hat sie allein auch das Lügenmärchen vom Klassenkampf erfunden . . . ihre infamsten Verhetzungen haben nicht v e r m o c h t . . . , irgend etäas zu erzeugen, was wie unbarmherziger Klassenkampf aus-

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' Klassenkampf' sieht . . . Wer sich so recht Uberzeugen will von der wissentlichen Unwahrheit der Behauptung unserer Rothen, daß . . . dieser Klassenkampf unsere Arbeiter Schaar en daher auch zu einem ebenso schonungslosen Klassenkampf gegen die gesamte übrige 'reaktionäre Masse' der bürgerlichen Gesellschaft zwinge, der mag die stetig steigende Lebenshaltung unserer Arbeiter durch die verschiedenen Jahrzehnte unseres Jahrhunderts verfolgen/ (1891) Blum, Lügen 414/415.

Dieser Text zeigt, daß der Autor den Terminus und auch seine in der Arbeiterklasse üblichen Verwendungsweisen kennt, das Wort auch richtig zu gebrauchen versteht, aber Sache und Bedeutung nicht akzeptiert. Er versucht, das Wort /Klassenkampf/ für den Leser unannehmbar zu machen, indem er mit scharfen, unsachlichen Argumenten die Glaubwürdigkeit der objektiv bestehenden Realität bezweifelt und vermeintliche Gegenbeweise anführt. In seine Argumentation übernimmt er alle verlogenen Schlagworte eines demagogischen Nationalismus, die er als höchste Werte der Gesellschaft vorführt: /So, lieber deutscher Arbeiter, sehen Deine Freunde aus. Sie lassen Dir von Gott, Vaterland, Rechtssinn, Arbeitsfreude und Arbeitsstolz, Zucht, Treue und Ehrbarkeit gar nichts übrig, . . . nur die Augen zum Weinen!/ (1891) Blum, Lügen 422. So klar und abweisend wie in diesem krassen Beispiel äußern sich freilich nur wenige bürgerliche Autoren. Die Mehrzahl geht überhaupt nicht auf die Problematik der Arbeiterbewegung ein. Das Wort /Klassenkampf/ wird gänzlich gemieden, entstellend mit /Ausschreitungen der Sozialdemokratie/ umschrieben, denen man Worte wie /Frieden, Pflichterfüllung, Gesetzlichkeit/entgegensetzt (vgl. unten S. 7 8 ) . Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts sehen sich bürgerliche Autoren mehr und mehr gezwungen, die Bezeichnung /Klassenkampf/ zur Kenntnis zu nehmen. Sie verstehen darunter allerdings lediglich unberechtigte, teilweise gar illegitime Aktionen der Arbeiter, die von den.einen bürgerlichen Klassenstandpunkt vertretenden Konnotationen der Ablehnung, des Zweifels an der Richtigkeit und Rechtmäßigkeit begleitet werden.

5.3. Anderes Wortgut zur Bezeichnung des Klassenkampfes Wer für Erscheinungsformen des Klassenkampfes andere Bezeichnungen als das dafür übliche Kompositum /Klassenkampf/ gebraucht, verzichtet auf terminologische Eindeutigkeit. Ein definierter Terminus mit festen Relationen in einem wissenschaftlichen System ist per definitionem nicht durch Synonyme ersetzbar. Die die Bezeichnung /Klassenkampf/ umschreibenden Ausdrücke sind nicht dem Terminus, sondern dem Wort /Klassenkampf/ mit seinen semantischen Merkmalen bedeutungsähnlich. Mit einer solchen Wortwahl versucht der Sprecher/Autor bestimmte Aspekte zu akzentuieren oder ein bestimmtes Merkmal verstärkend herauszuheben.

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Wie schon bei Marx und Engels (vgl. S. 63 ) findet man im Sprachgebrauch deutscher Arbeiterführer das Simplex /Kampf/ zur Bezeichnung bestimmter Vorgänge, die sich innerhalb eines umfassenden Klassenkampfes abspielen. In erläuternden Wendungen werden mit /Kampf/ die Formen des Klassenkampfes beschrieben: /Seit die Klassengesellschaften existieren und der Klassenkampf den wesentlichen Inhalt ihrer Geschichte bildet, war die Eroberung der politischen Macht stets . . . das Ziel aller aufstrebenden Klassen Dies sehen wir . . . in den Kämpfen der Bourgeoisie mit dem Feudalismus in der Neuzeit/ (1899) Luxemburg (1970) 1 , 1 , 428. Häufiger noch wird die entscheidende Rolle der Arbeiterklasse herausgestellt; es ist ihr Kampf, den sie gegen die Macht der Unterdrücker zu führen hat: /Und ihr wollt dem Kampf der Arbeiterklasse um Erringung eines menschenwürdigeren Diiseini~gliicligiltig~züselien/ (1894) Swatschina, Lehrerschaft 31. /Jenen, die am Kampfe ihrer Klasse theilnehmen, die . . . mit ihr fühlen . . . / (1895) Kautsky, Vorläufer Sozialismus 131. /Die Fachvereine seien eine unentbehrliche Waffe zum Kampfe der Arbeiter gegen das Kapital/ (1885) Dok. Arbeiterbewegung 3 (1974) 247. / [Bernstein] und die anderen Anhänger der "wirtschaftlichen Macht" übertragen aber das ökonomische Schema der Großen Französischen Revolution auf den proletarischen Kampf/ (1899) Luxemburg (1970) 1 , 1 , 569. /Aber nichts ist irriger, als aus dieser Tatsache die Berechtigung . . . abzuleiten, . . . auf die allmächtig waltende geschichtliche Entwicklung zu bauen, die, Irrungen und Wirrungen ungeachtet, den Kampf des Proletariats auf der richtigen Linie vorwärtstreiben müsse/ (1899) Zetkin, Reden (1957) 1, 177. Fehlt im Kontext der Hinweis auf die klassenbedingte Qualität des Kampfes, werden die Merkmale des allgemeinsprachlichen Wortes /Kampf/ wirksam. Wer mit der Arbeiterklasse verbunden und mit der marxistischen Weltanschauung vertraut ist, wird in solchen Fällen erkennen, daß es sich um Formen oder Phasen des Klassenkampfes handelt. Er wird /Kampf/ in die umfassenderen historischen Zusammenhänge einordnen können, d. h. sein semantisches Wissen mit seinem intellektuellen Wissen in Beziehung setzen: /Wir erreichen dies, wenn wir den politischen Kampf mit demselben Nachdruck führen wie den sozialen/ (1869) Liebknecht, Stellung (1893) 20. / [daß Massenstreik] unter bestimmten Umständen eine sehr wirksame Waffe nicht bloß im ökonomischen, sondern auch im politischen Kampf werden [kann] / (1893) Kautsky, Pol. Massenstreik (1914) 23. /Wer es mit Kulis durchsetzen will, der will es nicht nur im Kampfe um seine Löhne, sondern auch im Kampfe um seine endliche Befreiung lähmen, der will die Knechtschaft der europäischen Arbeiter verewigen, der will auch sie zum bloßen Arbeitsvieh herabdrücken/ (lb82) Sozialdemokrat (23. 11.) l b Faks. Nachfolgende Belege sind weithin bekannten, auch heute noch verbreiteten Arbeiter liedern entnommen, die die starke Parteinahme, das emotionale Eintreten für die Ziele

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der Arbeiterbewegung besonders deutlich machen. Hier wird in der Verwendung des Wortes /Kampf/ gleichzeitig die Kampfansage an die Gesellschaft deutlich: /Wir sprengen die Kette der Lohnsklaverei / / die Habsucht und Wucher uns schuf. Zum Kampfe, ihr Brüder, die Arbeit macht f r e i ! / (1891) Dänischer Sozialistenmarsch, in: Kegel, Soz.demokr. Liederb. 47. /Der Sozialismus wird die Welt b e f r e i ' n / / D r u m schließt zum Kampf noch fester eure Reih'n/ (um 1900) in: Steinitz, Dt. Volkslieder 2 (1962) 326. In der Arbeiterlyrik und im Arbeiterlied wird /Kampf/ durch eine ganze Reihe von Synonymen variiert, durch expressive Wörter, die eine starke emotionale Ausstrahlung begleitet: /Das ist der Arbeit heiliger Krieg / / Mit uns das Volk, mit uns der Sieg/ (1891) Kegel, Sozialistenmarsch, in: Gesch. Arbeiterbewegung (1966)1, 452. /Völker, hört die Signale, / / a u f zum letzten Gefecht/ (1910) Internationale, in: Arbeiter-Liederb. 13. /Voran denn, ihr Brüder, zum heiligen Streit/ (1891) Dänischer Sozialistenmarsch, in: Kegel, Soz. demokr. Liederb. 47. Der Sprachgebrauch der Bourgeoisie meidet nicht nur die Bezeichnung /Klassenkampf/', das Bürgertum ist vielmehr von der vermeintlichen Absurdität des Begriffs so überzeugt, daß es sogar auf entstellende und distanzierende Ersatzwörter verzichtet. Zwar erkennt man gelegentlich den Gegensatz der Klassen, akzeptiert ihn aber nicht als historisch notwendig und unüberbrückbar. Unter solchen Voraussetzungen können die Aktionen und Aktivitäten des Proletariats zunächst nicht einmal als /Kampf/ anerkannt werden; der enge Gesichtswinkel bürgerlicher Autoren ist nur imstande, sie als /Ausschreitungen/, als /Auflehnung/ gegen Recht und Ordnung zu begreifen, die die Existenz des bürgerlichen Staates gefährden: /Schon im Februar dieses Jahres haben Wir Unsere Überzeugung aussprechen lassen, daß die Heilung der sozialen Schäden nicht ausschließlich im Wege der Repression sozialdemokratischer Ausschreitungen, sondern . . . auf dem der positiven Förderung des Wohles der Arbeiter zu suchen sein werde/ (18bl) Kaiserl. Botsch. a. d. dt. Reichstag, in: Gesch. Arbeiterbewegung (1966)1, 611. /daß es notwendig ist, . . . den sozialdemokratischen Ausschreitungen mit Entschiedenheit entgegenzutreten/ (1890) Preuß. Innenminister, in: ebd. 642. /Von diesen Pflichten berühren folgende die arbeitenden Stände: vollständig und treu die Arbeitsleistung zu verrichten, . . . den Arbeitgebern weder an der Habe noch an der Person Schaden zuzufügen; in der Wahrung ihrer Interessen . . . in keinem Falle Auflehnung zu stiften/ (lb91) Rerum novarum, in: ebd. 645. Erst später, im Laufe der neunziger Jahre, als sich die Klassengegensätze immer schärfer zuspitzen, sieht man die Auseinandersetzungen unausweichlich auf sich zukommen. Man ist nunmehr gezwungen, sie als /Kampf/ zu realisieren, ohne sie f r e i lich als Erscheinungsformen eines historisch bedingten Klassenkampfes zur Kenntnis

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zu nehmen: /Bei der gewaltigen Ausdehnung der sozialdemokratischen Organisation scheint es mir, . . . daß der Zeitpunkt naht, an welchem die Machtmittel des Staates sich mit denen der Arbeitermassen werden messen müssen Sollte der Kampf aber . . . unvermeidlich sein, so kann der Staat von einem Hinausschieben . . . nicht gewinnen/ (1897) Waldersee, Denkwürdigkeiten 2(1922) 368.

Anmerkungen 1 K. Marx in einem Brief an Weydemeyer. MEW 28, 508. 2 Vgl. Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Berlin 1966. 1, 23 ff. 3 Ebd. S. 36: "Die Arbeiterklasse wurde Gegenstand der literarischen Darstellung. Es entstand eine soziale Lyrik, die . . . das Proletariat . . . in bürgerlich-philanthropischer Weise nur als unterdrückte und leidende, aber ni :ht als kämpfende Klasse darstellte." Im Gegensatz dazu faßten die utopischen Sozialisten in Frankreich die Kämpfe zwischen Arbeitern und Kapitalisten bereits als Klassenkämpfe auf. (Vgl. F. Engels, "Anti-Dühring". MEW 20, 243). 4 Ebd. S. 29. 5 Vorwort zu Marx-Engels-Werke. Berlin 1969. Bd 3, VII. 6 So heißt es z. B. bei O. Ladendorf, Historisches Schlagwörterbuch. Straßburg und Berlin 1906. S. 169: "Klassenkampf ist ein 1848 von Karl Marx ausgegebenes Feldgeschrei für die sozialistischen Bestrebungen der Arbeiter . . . Er selbst bringt die Parole gleich zu Beginn des Kommunistischen Manifests." Weigand, Deutsches Wörterbuch 1(51909) 1047 gibt an: "Klassenkampf . . . 1848 von Marx gebraucht." 7 Z . B . "Die Verbrüderung" (1648): /daß wir diesen Klassenkampf zum Besten des Fortschritts . . . unterstützen müssen/ in: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, 1, 518 (Dokumentenanhang). Einzelne Belege finden sich auch im "Demokratischen Wochenblatt" 1868 (s. auch BelegS. 73). 8 W. Schmidt. Charakter und gesellschaftliche Bedeutung der Fachsprachen. In: Sprachpflege, 1969, 1, 16 a . 9 Levenstein, £ . , Die Arbeiterfrage. München 1912. S. 283.

'REVOLUTION' - BEZEICHNUNGEN FÜR DIE GRUNDLEGENDE VERÄNDERUNG DER GESELLSCHAFT Ursula Fratzke

1. Definition Wir haben weitere und engere Ausprägungen des marxistischen Revolutionsbegriffes zu unterscheiden. In seiner allgemeinsten Form wird e r bestimmt als "grundlegende qualitative Umgestaltung der Gesellschaft als Ganzes oder einzelner gesellschaftlicher Erscheinungen; eine der wichtigsten Phasen und Formen der gesellschaftlichen Höherentwicklung". Diese Definition wird ergänzt durch Hinweise darauf, daß der als /Revolution/ bezeichnete qualitative Übergang zu einer höheren Stufe der gesellschaftlichen Entwicklung "sich stets in der Tätigkeit von Menschen vollzieht und auf der Grundlage des Wirkens gesellschaftlicher Gesetzmäßigkeiten erfolgt"* . Zur sprachlichen Realisierung des in der Definition dargestellten Sachverhalts w u r den im 19. Jahrhundert vor allem die Bezeichnungen /Revolution, Umwälzung, Aufstand, Endziel, Sturz der herrschenden Gewalt, Umgestaltung, Umschwung, Umsturz (der Verhältnisse), Umwandlung/ verwendet. Daneben wurden Kompositionsbildungen mit einigen der genannten Bezeichnungen sowie Umschreibungen des Begriffes benutzt. Untersucht werden in der vorliegenden Arbeit in e r s t e r Linie /Revolution/, da diese Bezeichnung für die Herausbildung und Verwendung des marxistischen Terminus von entscheidender Bedeutung ist, und das alteingebürgerte Übersetzungswort /Umwälzung/. Wo es für die Darstellung notwendig erscheint, werden auch die wichtigsten der übrigen Bezeichnungen näher betrachtet.

2. Bedeutungen von /Revolution/ vor der Herausbildung des marxistischen Terminus 2 . 1 . /Revolution/ im Sprachgebrauch bis zur 1. Hälfte (des 19. Jahrhunderts Die frühen Verwendungen von /Revolution/ in deutschsprachigen Quellen (belegt seit 2

Mitte des 17. Jahrhunderts ) gehen auf die Bedeutung von mittellateinisch/revolutio/ zurück und stehen in engem Zusammenhang mit dessen Entsprechungen in anderen 3 europäischen Sprachen . Die für diesen Zusammenhang entscheidende Bedeutung von mlat. /revolutio/ ist 'Umlauf der G e s t i r n e ' . Sie ist fachsprachlicher Natur, international verbreitet und beruht auf folgenden definitorischen Bestimmungen: I a b

4

Bewegung einer astronomischen Masse um eine andere Bewegung auf festgelegter Bahn (kreisförmig/elliptisch)

c ständige, gesetzmäßige Wiederholung in fester Umlaufzeit 5 Hiervon abgeleitet sind verschiedene Anwendungen auf gesellschaftliche Verhältnisse ;

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in deutschen Quellen g folgen sie zunächst dem Vorbild des Französischen, Englischen und Italienischen . Einschneidende Ereignisse im staatlichen Bereich (Kriege, Herrschaftswechsel) wurden /Revolution/ genannt. Diese und ähnliche gesellschaftsbezogene Verwendungsweisen legen für das 16. und frühe 19. Jahrhundert folgende Bedeutungsbestimmung nahe: 'grundlegende Veränderung im gesellschaftlichen Bereich' . Die deflatorischen Bestimmungen der fachsprachlichen Bedeutung in der Astronomie werden dabei in folgende allgemeinsprachlich wirksame Merkmale umgesetzt: II a

(Aktive) Veränderung der Gesellschaft (oder gesellschaftlicher Teilbereiche)

b

Erreichen einer neuen Entwicklungsstufe

c

Zeitliche Begrenztheit des Umschlags

Diese allgemeinsprachliche Bedeutung existierte neben der fachsprachlichen. Es ist trotz ihres genetischen Zusammenhangs nicht möglich, beide Anvendungsweisen als Varianten einer Bedeutung aufzufassen. Bestimmend für /Revolution/ II sind Anwendungen auf Veränderungen des Staates (auch unter Verwendung des Kompositums /Staatsrevolution/): /Revolution . . . wird in politischem Verstände von einem Lande gesagt, wenn dasselbe eine sonderliche Aenderung im Regiment und Polizey-Wesen gelitten hat/ (1757) Chomel. Lexicon 8, 298. 7 /Histor. Diskurs von alten und neuen Staats -Revolutionen/ (1735) Rannft [Titel]. /daß Staatsrevoluzionen überhaupt nichts sehr ungewöhnliches sind . , . / (1792) Wieland I 15, 412 Ak. Doch bezeichnet das Wort in dieser Bedeutung durchaus auch Veränderungen in anderen gesellschaftlichen Bereichen: /Revolution in der technischen Industrie Englands/ (1848) Hildebrand, Nationalökonomie 1 (1922) 192. /moralische Revoluzion in den Köpfen, . . . Herzen/ (1792) Wieland I 15, 423 Ak. Nach der Französischen Revolution von 1789 und den darauffolgenden Ereignissen wird /Revolution/ zum politischen Schlagwort : /Ich möchte wohl die Verhältniß der Zahlen wissen, die ausdrücken, wie oft das Wort Revolution in den 8 Jahren von 1781 bis 89 und in den 8 Jahren von 1789 bis 97 in Europa ausgesprochen und gedruckt worden ist. Schwerlich würde die Verhältniß geringer seyn als 1:1000000/ (1799) Lichtenberg, Verm. Sehr.2 (1801) 253. Zwar wird schon im oben zitierten Beleg von Wieland 115, 412 Ak. ausgedrückt, daß Revolutionen keine seltenen Ereignisse sind, doch findet sich auf dieser Stufe der Begriffsbildung die Einsicht in den gesetzmäßigen, historisch notwendigen Charakter der Revolutionen, die für den astronomischen Begriff im Merkmal c repräsentiert war, nicht. Diese Erkenntnis wird erst in die nächste Bedeutung wieder aufgenommen.

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/Revolution/ II behält in seinen Anwendungen auf sehr unterschiedliche gesellschaftliche Bereiche im 19. Jahrhundert allgemeinsprachlichen Charakter. In der Anwendung auf die grundlegende Veränderung der Gesellschaft und des Staates wird es dagegen seit dem Ende des 18. Jahrhunderts durch /Revolution/ III abgelöst. In der Auseinandersetzung mit dem historischen Ereignis der Französischen Revolution gewinnt der bis dahin relativ vage gesellschaftliche Revolutionsbegriff folgende, aus den Kontexten erschließbare Merkmale: III a

gewaltsame Aktion des unterdrückten Volkes

b

grundlegender Umsturz der Form des Zusammenlebens in Staat und Gesellschaft als zeitlich relativ eng begrenzter Vorgang c Progressivität, historische Notwendigkeit der Veränderung Die Merkmale werden mehr oder weniger vollständig schon zu Anfang des 19. Jahrhunderts ausdrücklich reflektiert: /Eine Veränderung dieser Art . . . heißt eine politische Revolution oder eine Staatsumwälzung. Solche Revolutionen sind ganz unvermeidlich, wenn ein bedeutendes Mißverhältniß zwischen den Kräften, von deren harmonischem Zusammenwirken das politische Leben eines Volkes abhängt, eingetreten ist/ Allg. dt. Real-Encycl. 8 (51820) 238. /Revolution/ wird, vermittelt durch Merkmal c, in dieser Bedeutung von der gesamten antifeudalen Oppositon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in engem Zusammenhang mit ' F r e i h e i t ' , 'Fortschritt' gesehen; Zustimmung und Parteinahme werden deutlich: /Die Revolution gab einen neuen Rausch der Begeisterung/ (1806) Arndt, Geist 1, 433. Nur Angehörige oder Sympathisanten der Feudalklasse und einige Vertreter des Bürgertums, die sich durch das Element der Gewaltsamkeit (Merkmal a) bedroht oder abgestoßen fühlen, gebrauchen das Wort in negativem Wertungszusammenhang (der jedoch mit der Einsicht in die historische Notwendigkeit, die grundsätzlich progressive Rolle der Revolution - Merkmal c -, durchaus zu vereinbaren ist); so in Bezug auf Jakobinerdiktatur und Revolutionskriege: /geistiges Gegengewicht gegen die Revolution und den Despotismus, welchen sie . . . ausübt/ (1800) F. Schlegel, Ideen, in: Dt. Lit. in Entwicklungsreihen, Romantik 4, 21 K. Die gelegentlich stärkere Intensität anderer Merkmale beim Gebrauch des Wortes, z. B. die besondere Hervorhebung von b, das Hauptziel der Revolution betonend, wird vor allem vom beabsichtigten Zweck der Mitteilung bestimmt: /Der Zweck der Revolution ist die Ungleichheit zu zerstören und das allgemeine Glück wieder herzustellen/ (1846) in: Dt. Bürgerb. 144 P. Nach der Julirevolution von 1830 wird sichtbar, daß eine neue Klasse entstanden ist, die ihre Vorstellungen und Wünsche deutlich zum Ausdruck bringt, und in der Folge zum konsequentesten Vollstrecker der Revolutionsidee wird:

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/Das Volk . . . wird nicht ferner ruhig hungern wollen, . . . es wird sich notwendig eine neue, gesicherte Existenz schaffen. Und von diesem Augenblicke an . . . macht es keine Empörung mehr, es macht Revolution/ (1848) in: Bund Kommunisten (1970) 1, 789. /Die Revolution bedarf neuer Männer . . . aus den untersten Schichten/ (1848) Heine 7, 383 E. Hierdurch verursacht, ergeben sich schon vor 1848 Ansätze einer klassenbedingten Differenzierung des Revolutionsgedankens. Auf der Seite des erstarkenden Proletariats wird immer klarer, daß durch die Revolution nicht nur ein Umsturz des Staates e r reicht werden muß, sondern eine entscheidende Veränderung des sozialen Gefüges, der Klassenstruktur, wodurch das Merkmal b eine gewisse Präzisierung erfährt. In der Literatur begegnet daher nach 1830 in zunehmendem Maße die Wortgruppe /soziale Revolution/ (/Revolution/ HI. Intensität auf Merkmal b): /vollständiges Erlöschen der bevorrechteten Klasse durch eine soziale Revolution/ (1834) Ärchival. Forschungen Arbeiterbewegung 5, 1, 36 S. Auf der Seite der Bourgeoisie dagegen, für die es hinsichtlich des Merkmals b zunächst um den Umsturz des feudalen Staatswesens ging, wird schon das 'Gefährliche', 9 das 'Furchtbare' der zukünftigen Revolution gesehen . Damit werden auf bürgerlicher Seite verbreitete negative Begleitvorstellungen nicht mehr nur durch die Komponente der Gewalt (Merkmal a), sondern auch durch die antibürgerliche, proletarische Zielvorstellung (Merkmal b) ausgelöst: /Die soziale Revolution . . . in ihren Gefahren hemmen/ (1848) Gutzkow, Dtld. (1969) 121 B. Selbstverständlich wird jedoch auch durch das Proletariat die Forderung nach der /politischen Revolution/ artikuliert*®. /man müsse eine politische Revolution machen, d. h. die Personen in der Regierung wechseln, . . . die Fürsten und den Adel stürzen/ (lb42) in: Bund Kommunisten (1970) 1, 150. Viele Verwendungen dieser beiden Wortgruppen in frühen Belegen der proletarischen Literatur zeigen allerdings, daß sowohl für /politische Revolution/ als auch für /soziale Revolution/ das Merkmal a etwas zurücktritt. Das ist ein Zeichen des noch relativ unentwickelten Bewußtseins der Vertreter des Proletariats. Sie haben vor allem die Vorstellung von notwendiger 'gesellschaftlicher Veränderung', d. h. von Abschaffung der Unterdrückung, von Beseitigung der ungerechten Zustände, während das Bewußtsein der Bedeutung der eigenen Aktivität noch nicht voll ausgeprägt ist. Auf diese Verhältnisse wird auch im Kontext immer wieder hingewiesen. Zu Beginn ihres Wirkens finden K. Marx und F. Engels die fachsprachliche Bedeutung von/Revolution/ I und die relativ (d. h. mit den angegebenen Einschränkungen) allgemeinsprachlichen Bedeutungen von /Revolution/ II und IH vor. Marx wendet gelegentlich - wohl im Anschluß an die englischen Ökonomen** - den astronomischen Revolutionsbegriff (Revolution I) auf den Zirkulationsprozeß des Kapitals an:

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/Der Wert, den das Kapital in Einer Umlaufzeit, one Revolution, einem Umschlag setzt/ (M 1857) Grundrisse (1974) 517 Faks. /Revolution/ n 'Grundlegende Veränderung im gesellschaftlichen Bereich' wird von Marx und Engels in Übereinstimmung mit dem allgemeinen Sprachgebrauch z . B . auf die industrielle Revolution, die Revolution in den Produktivkräften, die Revolution im Tauschwert der Waren angewandt, vgl. auch: /Wie in Frankreich im achtzehnten, so leitete auch in Deutschland im neunzehnten Jahrhundert die philosophische Revolution den politischen Zusammenbruch ein/ (E 1886) MEW 21, 265. Entsprechend wird das Verb /revolutionieren/benutzt: /Die Bourgeoisie kann nicht existieren, ohne die Produktionsinstrumente, also die Produktionsverhältnisse, also sämtliche gesellschaftlichen Verhältnisse fortwährend zu revolutionieren/ (M/E 184b) MEW 4, 465 (Manifest) . Grundlegend für die Herausbildung des engeren marxistischen Revolutionsbegriffs ist /Revolution/ HI. Schon in den frühen Verwendungen dieser Bedeutung durch Marx und Engels wird die Identifizierung mit dem Klassenstandpunkt des Proletariats deutlich. Die ' (gewaltsame) Aktion der Unterdrückten' /Revolution/ III, Intensität von a) wird als ' (gewaltsame) Aktion des P r o l e t a r i a t s ' dargestellt: /Daher aber auch der tiefe Groll der ganzen Arbeiterklasse . . . gegen die Reichen, von denen sie systematisch ausgebeutet . . . wird - ein Groll, der . . . in einer Revolution ausbrechen muß, gegen die die e r s t e französische . . . ein Kinderspiel sein wird/ (E 1845) MEW 2, 252. / e s ist das Bewußtsein Qder Besitzlosen] , daß eine Revolution auf f r i e d lichem Wege eine Unmöglichkeit ist, und daß nur . . . ein radikaler Sturz der adligen und industriellen Aristokratie die materielle Lage der P r o l e tarier verbessern kann/ (E 1842) MEW 1, 460. Marx unterscheidet sich im Gebrauch der Bezeichnungen /politische/ und / s o z i a l e Revolution/ von seinen Zeitgenossen. Er betont zunehmend die Einheit der politischen und gesellschaftlichen Veränderung, die in einer Revolution vor sich geht: / j e d e Revolution löst die alte Gesellschaft auf; insofern ist sie sozial. Jede Revolution stürzt die alte Gewalt; insofern ist sie politisch . . . . Die Revolution überhaupt . . . ist ein politischer Akt/ (M 1844) MEW 1, 409. Damit wird die schon vorher in frühen proletarischen Schriften angedeutete P r ä z i sierung des Merkmals b fortgesetzt. Jedoch können bei Marx in dieser Zeit das staatliche und das gesellschaftliche Moment, die diesem Merkmal seine Prägung geben, auch noch einander gegenübergestellt werden: /Man muß gestehen, daß Deutschland einen ebenso klassischen Beruf zur sozialen Revolution besitzt, wie e s zur politischen unfähig ist. Denn wie die Ohnmacht der deutschen Bourgeoisie die politische Ohnmacht Deutschlands, so ist die Anlage des Proletariats . . . die soziale Anlage Deutschlands/ (M 1844) MEW 1, 405. In der Anwendung von /Revolution/ in nur benennender Funktion auf bestimmte historische Ereignisse wie die Französische Revolution folgen Marx und Engels dem allge-

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meinsprachlichen Gebrauch. Diese Verwendung bleibt hier außer Betracht, da sie für die Ausbildung von Begriff und Bedeutung wenig erbringt.

2 . 2 . /Umwälzung/ im Sprachgebrauch der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Als Übersetzungswort für /revolutio(n)/ hat /Umwälzung/ zunächst die für /Revolution/ 12 I bzw. II angegebenen Merkmale. E s begegnet in mehreren abgeleiteten Verwendungen Auch das zu /Revolution/ II gebildete Kompositum /Staatsumwälzung/ spielt bei V e r deutschungsversuchen von /Revolution/ zu Beginn des 19. Jahrhunderts und später eine Rolle13. /Umwälzung/ und /Staatsumwälzung/ werden dann auch im prägnanteren Sinn von Revolution/ III gebraucht (häufig mit ergänzenden Attributen). Die bevorzugte Hinzufügung präzisierender Elemente kann bedeuten, daß /Umwälzung/ allein diesen Inhalt nicht voll auszudrücken vermag. Das Kompositum /Staatsumwälzung/ weist auf besondere Intensität des Merkmals b : / . . . Unterdrückung aller Verfassungsfreiheiten und eine gewaltsame Umwälzung als Folge davon . . . / (1838) Dahlmann, Brw. 2, 171 I . / . . . die brausenden Stürme revolutionärer Umwälzung/ (1(445) Mevissen, in: Quellensamml. z. Kulturgesch. 6 (1960)154^ / s o würden wir . . . aus dem bisher Geschehenen . . . das Dasein einer vollkommenen Revolution, d. h. einer Staatsumwälzung gegen den Willen der herrschenden Gewalt abzuleiten haben/ (1848) in: Einheit 42b O. Marx und Engels verwenden /Umwälzung/ dem zeitgenössischen Sprachgebrauch entsprechend wie /Revolution/ n : /Die fortwährende Umwälzung der Produktion, die ununterbrochene E r schütterung aller gesellschaftlichen Zustände . . . zeichnet die Bourgeoisepoche vor allen früheren aus/ (M/E 1848) MEW 4, 465 (Manifest); wie /Revolution/ n i : / . . . daß nur eine gewaltsame Umwälzung der bestehenden unnatürlichen Verhältnisse . . . die materielle Lage der Proletarier verbessern kann/ (E 1842) MEW 1, 460. Bei Marx ist /Umwälzung/ nur gelegentlich zu finden, im entsprechenden kontextualen Zusammenhang überwiegt /Revolution/.

2 . 3 . /Aufstand/ im Sprachgebrauch der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts /Aufstand/ in der Bedeutung 'Empörung, bewaffnete Erhebung' kann als Teilsynonym für /Revolution/ i n stehen, wenn das Merkmal a dieser Variante besonders betont wird.14

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/Aufstand/ bezeichnet daher insbesondere den Beginn einer konkreten revolutionären Erhebung, häufig verknüpft mit dem Moment des Spontanen. So findet man /Aufstand/ besonders als Grundwort verschiedener Komposita, die einzelne lokale Aktionen bezeichnen, wie /Mai-, Märzaufstand, Badener, Wiener Aufstand/ neben /Märzrevolution, Wiener Revolution/ usw. Entsprechend: /Die Kartoffelrevolution, diesen Namen hat der unglückliche Aufstand des Proletariats . . . erhalten/ (1847) in: Einheit 213 O. Marx und Engels verwenden /Aufstand/ wie ihre Zeitgenossen. Der Bedeutungsunterschied und der Zusammenhang werden deutlich: /Aufstand in Masse, . . . die Revolution in Permanenz, kurz, alle Hauptzüge des glorreichen Jahres 1793 finden wir wieder in dem von Kossuth bewaffneten . . . Ungarn/ (M 1849) MEW 6, 165. Entsprechende Verwendungen finden sich bei Engels. Beide benutzen /Aufstand/ hauptsächlich in publizistischen Arbeiten. Im Verlauf der Entwicklung des marxistischen Terminus /Revolution/ wird /Aufstand/ nur noch für lokale Ereignisse verwendet.

3. Die Herausbildung der terminologischen Bedeutungen von /Revolution/ bei K. Marx und F. Engels Wir haben drei Abstraktionsstufen des Revolutionsbegriffs zu unterscheiden. In seiner allgemeinsten, einleitend skizzierten Form, in der er sich sowohl auf die qualitative Umgestaltung 'der Gesellschaft als Ganzes' wie auf die 'einzelner gesellschaftlicher Erscheinungen' bezieht, wird er vor allem in der oben behandelten, im 19. Jahrhundert relativ allgemeinsprachlichen Bedeutung von /Revolution/ II vorbereitet. Die besondere Leistung von Marx und Engels besteht in der Schaffung des marxistischen Terminus und der damit verbundenen Vertiefung und Konkretisierung der vorgefunde nen Bedeutung von /Revolution/ III im Hinblick auf den Umschlag von Gesellschaftsformationen im allgemeinen und auf den Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus im besonderen. Die terminologischen Ausprägungen, die der Revolutionsbegriff durch Marx und Engels hierbei erfährt und ihre semantische Umsetzung in die Wortbedeutung, haben wir im folgenden zu untersuchen. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von /sozialer Revolution/ für den Umschlag von Gesellschaftsordnungen im allgemeinen und von /sozialistischer (kommunistischer, proletarischer) Revolution/ für den Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus und behandeln die entsprechenden Verwendungen als Varianten des marxistischen Terminus (V T 1 und V T 2).

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90 3 . 1 . Soziale Revolution

Der Begriff der Revolution als Umschlag einer Gesellschaftsordnung in eine andere 15 hat bei Marx und Engels folgende definitorische Komponenten : a)

Revolutionäre Umgestaltungen vollziehen sich durch organisierte Gewaltanwendung, durch den bewußten Kampf einer progressiven Klasse gegen die bisher herrschende 16 Klasse zur Erringung der Macht.

b)

Revolutionäre Umgestaltungen stellen einen grundlegenden Umsturz der gesellschaftlichen Verhältnisse dar. Das Ziel des Umsturzes ist die Durchsetzung einer neuen Gesellschaftsformation.

c)

Revolutionäre Umgestaltungen lösen den Widerspruch zwischen dem Charakter der Produktionsverhältnisse und dem Entwicklungsstand der Produktivkräfte, indem sie eine notwendige Neuordnung des Eigentums an den Produktionsmitteln erzwingen. Daher sind sie progressiv, historisch notwendig, gesetzmäßig.

Die marxistische Fassung des Begriffs der sozialen Revolution beruht auf der Vertiefung seines definitorischen Gehalts. Für die Formulierung der semantischen Merkmale von V T ist vor allem die Präzisierung des Klassencharakters, der Erringung der Macht nicht als politisches Tagesereignis, sondern als Hebel zur Durchsetzung einer neuen Gesellschaftsformation und die Betonung der sozial-ökonomischen Notwendigkeit der Revolution wichtig: V T 1 a Aktion des Klassenkampfes zur Durchsetzung der politischen Herrschaft einer vorher unterdrückten Klasse b Begründung einer neuen Gesellschaftsformation c Progressivität, historische Notwendigkeit, Gesetzmäßigkeit der Entwicklung Bei der Realisierung dieser terminologischen Bedeutung kann das Merkmal a intensiviert sein, insbesondere hinsichtlich der Gewaltanwendung: /Eine Revolution ist gewiß das autoritärste Ding das e s gibt; sie ist der Akt, durch den ein Teil der Bevölkerung dem anderen Teil seinen Willen vermittelst Gewehren, Bajonetten und Kanonen . . . aufzwingt/ (E 1874) MEW 18, 308. Intensivierung des Merkmals b: /Alle Eigentumsverhältnisse waren einem beständigen geschichtlichen Wechsel, einer beständigen geschichtlichen Veränderung unterworfen. Die französische Revolution z. B. schaffte das Feudaleigentum zugunsten des bürgerlichen ab/ (M/E 1848) MEW 4, 475 (Manifest). Intensivierung des Merkmals c: /Die Revolutionen sind die Lokomotiven der Geschichte/ (M 1850) MEW 7, 85.

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Häufig steht für die Variante T 1 die Fügung /soziale Revolution/: /Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. E s tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein/ (M 1859) MEW 13, 9. Zur genaueren Bezeichnung einer sozialen Revolution können die Adjektive /bürgerlich, plebejisch, bäuerlich/ u. ä. hinzutreten. Sie kennzeichnen den Charakter einer Revolution bzw. bezeichnen die in einer bestimmten revolutionären Bewegung führende Klasse. /Soziale Revolution/ kann jedoch auch als Synonym für /proletarische Revolution/ stehen: /Eine radikale soziale Revolution ist an gewisse historische Bedingungen der ökonomischen Entwicklung geknüpft; letztre sind ihre Voraussetzung. Sie ist also nur möglich, wo mit der kapitalistischen Produktion das industrielle Proletariat wenigstens eine bedeutende Stellung in der Volks masse einnimmt/ (1875) MEW 18, 633.

3.2. Sozialistische, kommunistische, proletarische Revolution Der Begriff der proletarischen Revolution ergibt sich aus dem der sozialen Revolution durch dessen Anwendung auf den Übergang von der kapitalistischen zur sozialistischen Gesellschaftsordnung. Daraus folgt eine Konkretisierung der definitorischen Bestimmungen: a)

Klassenkampf als organisierte Gewaltanwendung der werktätigen Massen unter Führung der Arbeiterklasse, leitende Rolle der Partei der Arbeiterklasse. Der Kampf richtet sich gegen die Bourgeoisie als Klasse und dient der Erringung der Macht.

b)

Begründung der sozialistischen Gesellschaftsordnung und Zerschlagung des kapitalistischen Staatsapparates.

c)

Lösung des Widerspruchs zwischen dem Charakter der Produktionsverhältnisse und dem Entwicklungsstand der Produktivkräfte durch Aufhebung des kapitalistischen Eigentums an den Produktionsmitteln und deren Übergang in gesellschaftliches Eigentum als progressive, historisch notwendige, gesetzmäßige Entwicklung.

Die definitorischen Bestimmungen der marxistischen Lehre von der sozialistischen 17 Revolution sind sehr vielseitig und differenziert . Der Reichtum dieser Bestimmungen wird hier nur angedeutet. Um so klarer wird der Umstand, daß bei der Benutzung des Terminus im lebendigen Sprachprozeß eine - unterschiedlich starke - Reduktion auf die bestimmenden Merkmale eintreten muß. Die volle Realisierung des Begriffs verlangt dagegen eine bewußte, intensive Beschäftigung mit ihm, sie erfolgt nicht im normalen Sprachprozeß; jedoch wird aus den unten angegebenen Belegen deutlich, daß

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auch solche begrifflichen Merkmale, die wir nicht zu den wichtigsten, die Bedeutung bestimmenden Merkmalen rechnen, in der konkreten Verwendung zu diesen hinzutreten können. Folgende Merkmale des Begriffs der sozialistischen, proletarischen Revolution bestimmen unseres Erachtens seine Umsetzung in eine terminologisch gebundene Bedeutung: V T 2 a Organisierter, offener Klassenkampf unter Führung der Arbeiterklasse zur Erringung der politischen Macht b Begründung der sozialistischen (Abschaffung der kapitalistischen) Gesellschaftsordnung c Progressivität, historische Notwendigkeit, Gesetzmäßigkeit der Entwicklung Diese Bedeutungspotenz hat der Terminus /(sozialistische, proletarische) Revolution/ bei Marx und Engels zur Zeit der Abfassung des Kommunistischen Manifests in vollem Umfang e r r e i c h t . Die Arbeit an seiner begrifflichen Vertiefung im obigen Sinne war damit jedoch nicht abgeschlossen. Folgende Belege verdeutlichen den Gebrauch des T e r minus bei Marx und Engels. Im Kontext wird häufig der enge Zusammenhang zwischen der Veränderung der Eigentumsverhältnisse und der politischen Machtergreifung d a r gestellt. Dem Anliegen entsprechend, für die Arbeiterklasse ein Programm der Befreiung aus der politischen und ökonomischen Bedrückung durch die herrschende Bourgeoisie zu schaffen, wird diese Einheit im Kontext immer wieder erläutert: /Die politische Gewalt im eigentlichen Sinn ist die organisierte Gewalt einer Klasse zur Unterdrückung einer andern. Wenn das Proletariat im Kampfe gegen die Bourgeoisie sich notwendig zur Klasse vereint, durch eine Revolution sich zur herrschenden Klasse macht und als herrschende Klasse gewaltsam die alten Produktionsverhältnisse aufhebt, so hebt es mit diesen Produktionsverhältnissen die Existenzbedingungen des Klassengegensatzes . . . a u f / (M/E 1846) MEW 4, 482 (Manifest). Oft wird das Merkmal a (der offene Klassenkampf unter Führung der Arbeiterklasse) intensiviert: /Sie [die Kommunisten] erklären e s offen, daß ihre Zwecke nur erreicht werden können durch den gewaltsamen Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnung. Mögen die herrschenden Klassen vor einer kommunistischen Revolution zittern/ (M/E 1848) MEW 4, 493 (Manifest). /indem, wir die allgemeinsten Phasen der Entwicklung des Proletariats zeichneten, verfolgten wir den mehr oder minder versteckten Bürgerkrieg innerhalb der bestehenden Gesellschaft bis zu dem Punkt, wo e r in eine offene Revolution ausbricht und durch den gewaltsamen Sturz der Bourgeoisie das Proletariat seine Herrschaft begründet/ ebd. 473. /Die Kommune, die positive Form der Revolution gegen das Kaiserreich . . . war das veränderliche Ziel der Arbeiterrevolution/ (M 1871) MEW 17, 537. /Daß die Revolution im- Namen und offen für die Volksmassen, das heißt für

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die produzierenden Massen, gemacht wird, ist ein Merkmal, das diese Revolution mit allen ihren Vorgängerinnen gemein hat. Ihr neues Merkmal ist, daß das Volk . . . durch die Errichtung der Kommune die wirkliche Leitung seiner Revolution in die eignen Hände genommen und gleichzeitig das Mittel gefunden hat, sie im Fall des Erfolgs in den Händen des Volkes selbst zu halten, indem es die Staatsmaschinerie, die Regierungsmaschine der herrschenden Klassen, durch seine eigene Regierungsrraschine ersetzt/ ebd. 556. Die vor allem mit Merkmal a verbundene Frage der zeitlichen Dauer der revolutionären Phase wird irr Kontext diskutiert, die Frage der Zeitdauer ist wie in der Variante T I keine bestimmende Frage: /in beiden Fällen vertrat die Arbeiterklasse die . . . wahren Interessen der . . . Nation, indem sie den Verlauf der Revolution möglichst beschleun i g t e / ( E 1851/52) MEW 8, 99. /Dieser Sozialismus [der revolutionäre] ist die Permanenzerklärung der Revolution, die Klassendiktatur des Proletariats als notwendiger Durchgangspunkt zur Abschaffung der Klassenunterschiede überhaupt, zur Abschaffung sämtlicher Produktionsverhältnisse, worauf sie beruhen, zur Abschaffung sämtlicher gesellschaftlichen Beziehungen, die diesen P r o duktionsverhältnissen entsprechen, zur Umwälzung sämtlicher Ideen, die aus diesen gesellschaftlichen Beziehungen hervorgehen/ (E 1850) MEW 7, 89. Im folgenden Beleg legt Marx seine Auffassung vom Hauptunterschied zwischen bürgerlicher Revolution (entsprechend Bedeutung m) und proletarischer Revolution (Variante T 2) dar. Entscheidend ist die Präzisierung des Merkmals b: /Revolution bedeutet nach dem Juni: Umwälzung der bürgerlichen Gesellschaft, während es vor dem FebruarTäecfeutet hatte: Umwälzung der Staats form/ (M 1852) MEW 7, 35. Daß die Kernfrage hinsichtlich des Merkmals b (Abschaffung der kapitalistischen, Aufbau der sozialistischen Gesellschaftsordnung) die Frage des Eigentums an den P r o duktionsmitteln ist, kann in definitorischen Sätzen besonders betont werden: /Die körnmunistische Revolution ist das radikalste Brechen mit den überlieferten Eigentumsverhältnissen (M/E 1848) MEW 4, 481 (Manifest), vgl. ebd. 493. Häufig steht für die Variante T 2 die Fügung /proletarische Revolution/: /die von der Geschichte selbst hervorgebrachten und täglich sich neu e r zeugenden . . . Bedingungen der proletarischen Revolution/ (M/E 1850) MEW 7, 416. /Proletarische Revolution . . . : Das Proletariat ergreift die öffentliche Gewalt und verwandelt kraft dieser Gewalt die den Händen der Bourgeoisie entgleitenden gesellschaftlichen Produktionsmittel in öffentliches Eigentum. Durch diesen Akt befreit es die Produktionsmittel von ihrer bisherigen Kapitaleigenschaft und gibt ihrem gesellschaftlichen Charakter volle F r e i heit, sich durchzusetzen . . . . Diese weltbefreiende Tat durchzuführen, ist der geschichtliche Beruf des modernen Proletariats/ (E 1880) MEW 19, 228. Synonym zu /proletarische Revolution/ wird besonders in frühen Schriften das Kompositum / Arbeiterrevolution / verwendet:

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' Revolution' /Wir sahen schon . . . , daß der erste Schritt in der Arbeiterrevolution die Erhebung des Proletariats zur herrschenden Klasse, die Erkämpfung der Demokratie ist/ (M/E 1848) MEW 4, 481 (Manifest).

Die andauernde Auseinandersetzung von Marx und Engels mit dem Begriff der sozialistischen Revolution ist vor allem durch die Einbeziehung und Verallgemeinerung neuer Erkenntnisse aus der Praxis der Arbeiterbewegung gekennzeichnet. Neben der Bezeichnung /Revolution/ verwenden Marx und "Engels auch Synonyme und Umschreibungen des Terminus. Sie dienen der Hervorhebung bestimmter Merkmale des Begriffs zu einem besonderen Zweck.

3.3. Synonyme Wie für die allgemeinsprachlichen Verwendungen von /Revolution/ (s. 2.2.) kann /Umwälzung/ auch für den marxistischen Terminus eintreten. /Umwälzung/ deckt den t e r minologischen Gehalt von /Revolution/ jedoch nicht in vollem Umfang. Bei Ersatz von /Revolution/ VT 2 durch /Umwälzung/ spielt außer rein stilistischen Gründen eine Rolle, daß für /Umwälzung/ das Merkmal a ' . . . Klassenkampf unter Führung der Arbeiterklasse . . . ' etwas zurücktritt. Zwar kann die Komponente des Klassenkampfs durchaus sprachwirksam sein, doch ist die Auffassung im ganzen weniger prägnant. Das Wort bedeutet etwas allgemeiner als /Revolution/ 'notwendige gesellschaftliche Umgestaltung'. Der marxistische Leser/Hörer bezieht es zwar auf den Revolutionsbegriff, doch wird die 'Aktion des Proletariats' nicht direkt ausgedrückt: /Wir haben seit fast 40 Jahren den Klassenkampf . . . als den großen Hebel der modernen sozialen Umwälzung hervorgehoben/ (M 1879) MEW 19, 165. /Umwälzung/ wird - besonders von Engels - gegen Ende des 19. Jahrhunderts in der Agitation häufig verwendet, wenn ausgedrückt werden soll, daß die Vorstellung, die 'Revolution des Proletariats' sei nur als blutiger Kampf denkbar, nicht den Realitäten entspricht. In diesen Verwendungen überwiegt die Betonung des Merkmals b des T e r minus, häufig auch noch gekennzeichnet durch das Adjektiv /ökonomisch/: /In dem Maß, wie diese ökonomische Umwälzung sich . . . vollzieht, . . . werden sich auch Maßregeln aufdrängen, die . . . in ihren Folgen die Wurzeln der bisherigen Produktionsweise untergraben/ (E 1891) MEW 38, 64. Als Beispiel für zahlreiche Verwendungen, in denen /Umwälzung/ nicht in Beziehung zum marxistischen Terminus, sondern (auch im späteren Sprachgebrauch von Marx und Engels) zu der allgemeinsprachlichen Verwendung von /Revolution/ II steht, soll der Titel der Streitschrift von F. Engels genannt werden: /HerrnEugenDühring' s Umwälzung der Wissenschaft/ (E 1878) MEW 20. Daß Marx und Engels nicht die Eindeutschung /Umwälzung/, sondern das Fremdwort /Revolution/ zum Terminus entwickelt und im allgemeinen Sprachgebrauch durchge-

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setzt haben, liegt vor allem daran, daß diese Bezeichnung international verständlich, weit verbreitet und durch das Ereignis der Französischen Revolution und durch spätere revolutionäre Ereignisse in der Bedeutung 'grundlegende Veränderung des Staates' bereits eingebürgert war. Diese Bedeutung von /Revolution/ bildete Grundlage und Ausgangspunkt der terminologischen Festlegung in der wissenschaftlichen Lehre von Marx und Engels. Sie konnten sicher sein, von weiten Kreisen der Arbeiterklasse verstanden zu werden. Wie /Umwälzung/ bleiben auch die schon vor Marx und Engels neben /Revolution/ verwendeten Bezeichnungen /Umsturz der Verhältnisse, Sturz der herrschenden Gewalt/ erhalten. Sie können als Synonyme bzw. Teilsynonyme zu /Revolution/ auftreten. Bei Bezug auf den Terminus wird durch diese Bezeichnungen jeweils eines oder auch mehrere der Merkmale von T 1 bzw. T 2 besonders hervorgehoben. Die Übereinstimmung des Bedeutungsumfanges dieser Synonyme mit /Revolution/ ist unterschiedlich. /Umwälzung/ hat die größte Bedeutungsähnlichkeit mit dem Terminus. Alle Synonyme und Umschreibungen sind durch die Bedeutungsfestlegung des Terminus in ihrer Verwendungsweise beeinflußt, da der Inhalt des Terminus in jedem Falle assoziiert werden kann.

4. Zur Verwendung von /Revolution/ nach der Herausbildung des marxistischen Terminus 4.1. Zur Verwendung von /Revolution/ im Sinne von K. Marx und F. Engels Die Ausformung des Revolutionsbegriffs der Arbeiterklasse und ihrer Partei spielt für die Bestimmung ihrer Position im Klassenkampf mit der Bourgeoisie eine wichtige Rolle. Der marxistische Revolutionsbegriff war immer Gegenstand der Auseinandersetzung zwischen Marxisten, Revisionisten, Reformisten und offenen Apologeten des Bürgertums. Im Zentrum dieser Auseinandersetzung stand seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts der Begriff der sozialistischen, der proletarischen Revolution im Sinne der oben e r arbeiteten Variante T 2. Diesem Begriff und seiner Bezeichnung gilt im wesentlichen die folgende Darstellung. Die Weiterentwicklung des Revolutionsbegriffs durch W. I. Lenin steht außerhalb des Themas dieser Arbeit. Es ist nicht immer möglich, im Rahmen eines relativ begrenzten sprachlichen Kontexts sicher zu entscheiden, ob die vom Autor eines Textes aktualisierte Bedeutung die für den marxistischen Terminus in einer seiner beiden Varianten wesentlichen Bedeutungsmerkmale in ausreichender Weise berücksichtigt oder nicht. Wir nehmen es daher

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in Kauf, daß Belege, die wir als Zeugnisse für den marxistischen Gebrauch des T e r minus anführen, dessen Bedeutungsmerkmale nicht immer in sprechender Weise demonstrieren. Wir werden uns aber bemühen, bewußte Abweichungen von der Bedeutung des marxistischen Terminus und von den definitorischen Bestimmungen, die die begriffliche Grundlage der Bedeutung des Terminus bilden, entsprechend zu charakterisieren. Folgende Beispiele belegen die wachsende Verbreitung des marxistischen T e r minus (V T 2) unter verschiedenen Aspekten. Deutlich wird insbesondere der proletarische Klassencharakter der Revolution (Merkmal a); der erste Beleg deutet an, wie weit der marxistische Terminus im politischen Sprachgebrauch bereits vorbereitet war: /Jede Fabrik ist ein Herd der Revolution. Jeder wandernde Proletarier ist ein Emissär der Revolution/ (1848) Flugbl. Rev. 51 O. /Wir wissen, . . . daß in einem Volke, wo es zwar Arbeiter, Arme, Bedrückte und Belastete, aber noch keine arbeitende Klasse giebt, auch keine Revolution von einer solchen zuerst ausgehen kann/ (1852) A. Wolff, Rev. Chr. (1851) 2, 147. Betont wird die führende Rolle des Proletariats (Merkmal a): /Das Proletariat wird nicht allein die Revolution machen, aber ohne ein revolutionäres Proletariat ist die Revolution . . . unmöglich geworden/ (1892) Kautsky, in: Adler, Brw. (1954) 105; die Notwendigkeit des organisierten Klassenkampfes (Merkmal a): /An ein freiwilliges Abdanken der heutigen Machthaber von der politischen und ökonomischen Herrschaft ist nicht zu denken . . . Nur eine Revolution wird die produktive Klasse in die Lage bringen, sich der politischen Gewalt zu bemächtigen und mittelst derselben die wirtschaftliche Enteignung der Handvoll kapitalistischer Ausbeuter behufs Nationalisirung oder Sozialisirung (Vergesellschaftung) der Produktionsmittel vorzunehmen/ (1885) in: Soz. demokr. Bibl. 1, Nr. I, 23 Faks. Betont wird weiterhin der Zusammenhang der Merkmale a und b, also der Umstand, daß die Begründung einer sozialistischen Gesellschaftsordnung (Merkmal b) ohne den organisierten Klassenkampf des Proletariats für seine Befreiung von der Herrschaft der Bourgeoisie (Merkmal a) nicht möglich ist: /Fassten Sie den Kommunismus nicht als Utopie, sondern . . . als proletarische Revolution, als Kampf des Proletariats um seine Emanzipation von der Herrschaft der Bourgeoisie . . . , als Klassenkampf . . . auf/ (um 1850) Hess, Brw. 256 S. /Ich . . . habe nur die Tatsache ausgesprochen, daß die Arbeiter keine bloß politischen Revolutionen mehr machen und für die Bourgeoisie die Kastanien nicht mehr aus dem Feuer holen wollen/ (1872) Liebknecht, in: Hochverratsprozeß 194 L. /Wir wollen . . . weder sagen, daß die soziale Revolution . . . sich von selbst machen . . . werde, noch auch . . . , daß Denjenigen, die unter dem Widerspruch zwischen Produktivkräften und Eigenthumsordnung . . . leiden, nichts übrig bleibe, als thatlos die Hände in den Schooß zu legen und e r geben zu warten, bis er überwunden worden/ (1892) Kautsky, Erf. Programm (1899) 105.

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An diesen und ähnlichen Belegen wird deutlich, daß mit der Fügung /soziale Revolution/ nun in der Regel die sozialistische Revolution gemeint ist, die seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland erwartete aktuelle Form der ' sozialen Revolution'. Wie schon bei der Erarbeitung von V T 1 und V T 2 festgestellt wurde, ist die Frage eine bestimmten Zeitdauer der Revolution kein Bedeutungsmerkmal des marxistischen Terminus: /Die Bourgeoisie brauchte ein halbes Jahrtausend, um sich zu ihrer heutigen Macht zu entfalten. Das Proletariat, das die auf dem Lohnverhältniß beruhende bürgerliche Productionsweise abzuschaffen und mit der Lohnsklaverei die Klassenherrschaft zu beseitigen hat, wird seine Aufgabe nicht in wenig Jahren zu lösen vermögen. Die moderne proletarische Revolution wird allerdings nicht so lange dauern, als die nun hinter uns liegende Bourgeoisrevolution/ (1869) Demokr. Wochenbl. 294 a Faks. Trotz der Aktualität der Vorbereitung der proletarischen Revolution (V T 2) seit der Mitte des 19. Jahrhunderts begegnen natürlich auch Erörterungen, die das Problem der Ablösung von Gesellschaftsformationen auf dem Wege der Revolution in allgemeinerer Weise behandeln oder sich ausdrücklich auf nichtproletarische historische Revolutionen beziehen und damit die Tradition von /Revolution/ in bzw. V T 1 fortsetzen. Wenn dieser Sprachgebrauch auf die reine Namenfunktion, also die Funktion der bloßen Benennung bestimmter historischer Ereignisse eingeengt ist (so in zahlreichen Belegen wie /die englische Revolution von 169b/, /die französische Revolution von 1789/), gibt er für eine semantische Analyse wenig her; wir können ihn hier außer acht lassen. Aber auch alle übrigen Anwendungen der Bezeichnung bei der Behandlung historischer Probleme und der Bewertung bestimmter nichtproletarischer Revolutionen wollen wir nur streifen, weil sich daraus gegenüber den Aussagen der vorigen Abschnitte wenig Neues ergibt. Hinweisen möchten wir jedoch auf die anhaltende positive Beurteilung bürgerlicher Revolutionen durch die Arbeiterklasse: /Und die Revolutionen des Bürgerthums - haben wir etwa Anlaß darüber zu spotten? Hut ab vor den Revolutionären von 1793 und von 1048/ (189b) Protokoll Parteitag 152. Kritisch wird naturgemäß die mangelnde Konsequenz und Bündnisbereitschaft der rechten Bourgeoisie hervorgehoben: /Die Wiener Studenten . . . standen im Vordergrund der Bewegung. . . . Die "honetten" Bourgeois der Nationalgarde . . . wollten ihre "gut bürgerliche" Revolution allein machen/ (1892) Bios, Dt. Rev. 3 b 240. Der Rückgriff auf die allgemeineren Fassungen des Revolutionsbegriffs kann aber auch den Zweck verfolgen, die historische Einordnung der tagespolitischen Fragen der proletarischen Revolution zu vollziehen. In diesen Fällen ist trotz allgemein gehaltener Ausdrucksweise die klassenspezifische Zielsetzung der Erörterung, die vor allem der Klärung der Probleme der proletarischen Revolution dient, eindeutig. Intensiviert ist Merkmal a (V T 1):

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' Revolution' /Der Begriff der Revolution ist aber nicht gleichbedeutend mit dem Begriff der Gewalt . . . Wohl ist bisher, . . . die Gewalt meistens die Geburtshelferin für neue Staats - und Gesellschaftformen gewesen, allein dies ist keine absolute Notwendigkeit/ (lbbl) in: Sozialdemokratie 210 Faks.

Ebenso begegnet gleichmäßige Berücksichtigung aller drei Merkmale: /Unterdrücker und Unterdrückte treten in den Kampf, nicht aus freier Entschließung, sondern aus einer höhern, nämlich der ökonomischen, Notwendigkeit, die den Gegensatz, der bis zur Lähmung und Fesselung der Produktivkräfte durch die Produktionsverhältnisse führt, nicht duldet, . . . So kommt es zur Revolution, die eine gänzliche Veränderung der ökonomischen Grundlage herbeiführt/ (1897) Geschichtsmaterialismus, in: Zeitfragen 6, 13. Wir wiederholen, daß die Zeugnisse für /Revolution/, die sich eindeutig auf die prole tarische Revolution beziehen und unserer Variante T 2 entsprechen oder sich mit ihr auseinandersetzen, in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts die politische Diskussion bestimmen. Das gleiche gilt für den Gebrauch des Adjektivs /^evolutionär/, das in dieser Zeit ganz überwiegend auf die konsequente Zielstellung der Partei der Arbeiterklasse und auf den dieser Zielstellung entsprechenden Charakter ihres politischen Kampfes bezogen wird; es wird damit um die Jahrhundertwende zum Kernwort der konsequenten Marxisten gegen den revisionistischen und reformistischen Flügel (auffällig ist die Häufigkeit seines Gebrauchs seit dem Stuttgarter Parteitag von 1898): / . . . wenn es sich um eine revolutionäre Bewegung handelt, wenn anstelle des alten ein neuer Staat geschaffen werden soll/ (1876) Bebel, Ausgew. Reden 1, 329 B. /Die Arbeiterklasse feiert die Gedenktage der Revolution, weil sie selbst revolutionär f ü h l t . . . , weil das Proletariat die einzig revolutionäre Klasse der Neuzeit ist/ (1883) Sozialdemokrat (15.3) l b Faks. /Wir haben nie den revolutionären Charakter unserer Partei verleugnet und werden es nie tun. Aber gerade weil wir die gründliche Ausrottimg der vorhandenen Mißstände, die radikale Umgestaltung der heutigen Produktionsverhältnisse wollen, sind wir prinzipielle Gegner von Putschen und sonstigen Gewalttätigkeiten/ (18b4) in: Sozialdemokratie 247 Faks. /In fester Geschlossenheit wird die Masse der Genossen zusammenstehen als die alte zielklare, siegesgewisse revolutionäre Sozialdemokratie/ (1899) Zetkin, Reden (1957) 1, 184. Die Wichtigkeit des Adjektivs /revolutionär/ in der Auseinandersetzung um die Politik der Partei wird durch sein auffallend häufiges Auftreten belegt, vgl. das Ergebnis einer Stichprobe bei R. Luxemburg: /Revolutionärer Klassenkampf/ revolutionäre Kampfweise /revolutionärer Kampf der Arbeiterklasse/ revolutionärer Entwicklungsgang/ revolutionäre Rolle/ revolutionäres Vorgehen/ revolutionäre internationale proletarische Partei/ (1899) Luxemburg (1970) 1, 1, 450-526. Seit dem deutsch-französischen Krieg 1870/71, den Tagen der Pariser Kommune und der Reichsgründung sah sich die rasch anwachsende deutsche Sozialdemokratie verstärkten Unterdrückungsmaßnahmen der Bourgeoisie mit den Mitteln des Staatsapparates ausgesetzt. Diese Entwicklung kulminierte in den Jahren des Sozialistengesetzes

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1878-90. Besonders in dieser Epoche - aber gelegentlich auch vorher und nachher wird eine gewisse Zurückhaltung im Gebrauch des Terminus /Revolution/ auf marxistischer Seite deutlich; wenn er doch gebraucht und nicht auf Synonyme ausgewichen wird, so liegt in dieser Zeit auch bei Marxisten der Nachdruck auf dem Merkmal b (weiteres unter 4.3.): /Daraus geht also hervor, daß die Arbeiterklasse sich die Macht erobern muß . . . Um den Volksstaat zu bekommen, dazu muß die Herrschaft der privilegirten Klassen und Personen gebrochen werden . . . Da meinen die Einen, das ginge auf sogenannte "gesetzliche" Weise . . . , die Andern meinen, das müsse durch eine andere eben auch gesetzliche Weise . . . geschehen, die man im gewöhnlichen Leben Revolution nennt. Ueber den letzteren Weg sich weiter auszulassen, ist äußerst gefährlich, da . . . der Staatsanwalt . . . geneigt ist, hineinzureden. Merkwürdig ist a b e r . . . , daß die verschiedenen Staats- und Gesellschaftsformationen . . . durch sehr ernste eiserne Gewalt sich ihre Existenz verschafft haben/ (1870) Bebel, Ziele 11 Faks. /Umsomehr hat es mich geschmerzt, daß ein alter Mitkämpfer . . . billige Witze gemacht hat über das Wort "Revolution". . . . Wir wollen nicht die Revolution mit Heugabeln, mit Dolch und Dynamit; das weiß unsere Geg nerschaft . . . so gut wie wir/ (1898) Protokoll Parteitag 152. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wird die Bezeichnung /Revolution/ durch marxistische Arbeiterführer in der Schulungsarbeit der Partei und in der Auseinandersetzung mit der Bourgeoisie und mit den Revisionisten wieder sehr viel häufiger benutzt und definiert. Im Kampf mit den rechten Kräften in der Partei spielt die Haltung gegenüber dem Revolutionsbegriff eine entscheidende Rolle.

4.2. Von der marxistischen Bedeutung abweichender Sprachgebrauch Wir geben in diesem Abschnitt einige Beispiele für Anwendungen von /Revolution/ auf der Grundlage revisionistischer bzw. reformistischer und bürgerlicher Auffassungen. Während der marxistische Gebrauch des Terminus davon ausgeht, daß alle drei Merkmale notwendige Bedeutungsbestandteile sind und die Intensivierung des einen oder anderen Merkmals in einem bestimmten Kontext nicht den Ausschluß der übrigen bedeuten kann, kommt in den revisionistischen und bürgerlichen Verwendungen von /Revolution/ eben gerade der Versuch zum Ausdruck, bestimmte Merkmale zu eliminieren und anderen Merkmalen Ausschließlichkeitscharakter zuzumessen. Angesichts der zentralen Bedeutung des marxistischen Revolutionsbegriffs und seiner wirksamen Propagierung seit der Jahrhundertmitte kann davon ausgegangen werden, daß jeder deutlich abweichende Gebrauch als Ergebnis bewußter Auseinandersetzung mit diesem Begriff zu beurteilen ist und demzufolge auch vor dem Hintergrund des marxistischen Terminus interpretiert werden muß.

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4 . 2 . 1 . Revisionistische und reformistische Verwendungen von /Revolution/ In der Regel wird das Merkmal a ('organisierter offener Klassenkampf unter Führung der Arbeiterklasse zur Erringung der politischen Macht') abgeschwächt oder eliminiert. Daraus folgt, daß Merkmal b ('Begründung der sozialistischen Gesellschaftsordnung') nicht in Zusammenhang mit 'Klassenkampf', sondern mit der Ansicht von 'Selbstlauf der Geschichte' gebracht wird. Diese Umdeutung beruht zugleich auf falscher Interpretation von c ('Progressivität, historische Notwendigkeit, Gesetzmäßigkeit der Entwicklung'). F . Lassalle stilisiert das Problem zur Frage der öffentlich-rechtlichen Anerkennung des im Rahmen des bürgerlichen Staates erreichten Entwicklungsstandes der Gesellschaft um; die 'Revolution' erfolgt im Selbstlauf, 'Reformen' legalisieren ihre Ergebnisse (Merkmal a ist praktisch aufgegeben): /Die Revolution war . . . bereits in dem Innern der Gesellschaft in den thatsächlichen Verhältnissen derselben eingetreten . . . , es war nur noch erforderlich, diesen Umschwung auch zur äußern Anerkennung zu bringen, ihm rechtliche Sanktion zu geben . . . Man kann immer nur einer Revolution, die schon in den thatsächlichen Verhältnissen einer Gesellschaft eingetreten ist, auch äußere rechtliche Anerkennung und consequente Durchführung g'sben . . . [Das ist 1 . . . Reformiren auf legalem Wege/ (vor 1864) Lassalle, Reden u. Sehr. [1891 ] 1, 190-192. Hier endet der Revolutionsbegriff in einer vagen ReformvorStellung. Von anderen wird die Revolution - ebenfalls unter Verzicht auf Merkmal a - als Rationalisierung der kapitalistischen Wirtschaftsordnung verstanden: / [Wir müssen zusehen, ] an welchem Ende die Socialdemokraten die heutigen Wirthschaftsverhältnisse wohl anfassen würden, wenn es an ihnen wäre, sie vernünftiger zu gestalten. . . . Ueberall werden sie zu wirken suchen durch Vereinigung aller betheiligten Arbeitskräfte . . . und durch Ersetzung aller Klein- und Einzelproduktion durch rationellsten Großbetrieb, . . . durch Beseitigung aller . . . überflüssigen Vermittler zwischen Produzenten und Consumenten. Die Organe dieser Socialrevolution werden . . . die Gewerkschaften sein/ (1891) Falk, Socialdemokratie 36. Interessant sind die Antworten auf die Fragebögen von Levenstein, die vielfach von revisionistisch beeinflußten Arbeitern stammen. Auch wenn von vielen - mehr oder weniger klar - am Ziel der sozialistischen Gesellschaftsordnung festgehalten wird ("Der Wunsch der Arbeiter ist: Sozialistische Produktionswerke erbauen helfen, um das Kapitalistische im Orkus versenken zu lassen" [ 1907/11 ] in: Levenstein, Arbeiterfrage [1912] 181), wird z. T. auch hier aus der Bedeutung von /Revolution/ das Merkmal a eliminiert und das Merkmal c als im Selbstlauf wirksam angesehen: /Ich glaube an die soziale Revolution auf evolutionistischem Wege/ (1907/11) in: Levenstein, Arbeiterfrage (1912) 292. Die "totale Umgestaltung des heutigen Gesellschaftszustandes", antwortet einer der Befragten (S. 288), könne nicht "das Werk irgendeiner Partei sein". "Der Sozialismus ist gewiß eine sehr schöne Sache, . . . Aber erstrebt werden kann er nicht. . . . Wenn er in der Bahn der gesellschaftlichen und technischen Entwicklung liegen sollte, dann

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müssen wir naturnotwendig zu ihm gelangen" (ebd.). Indem E . Bernstein vom 'organisierten Klassenkampf zur Eroberung der politischen Macht' (Merkmal a) bewußt absieht, macht er aus der 'Begründung der sozialistischen Gesellschaftsordnung' (Merkmal b) das Elementarereignis der 'großen Expropriation' . Es versteht sich, daß bei dieser demagogischen Umdeutung des marxistischen Revolutionsbegriffs auch für Merkmal c ('Progressivität') kein Platz mehr ist: /Andererseits kann man aber doch in einer Revolution nicht nach Auswahl u. schrittweise expropriieren. Da geht alles elementarisch zu, und von bewußtem systematischem Eingreifen in die Produktions-Anarchie ist nicht die Rede/ (1898) Bernstein, in: Adler, Brw. (1954) 261. /In England ist das Geschwätz von der bevorstehenden großen Revolution nur lächerlich, in Deutschland . . . verbrecherisch. . . . Wer nicht an die große Expropriation glaubt, . . . ist kein "proletarischer Revolutionär"/ ebd. 4.2.2. Bürgerliche, gegen den marxistischen Revolutionsbegriff gerichtete Verwendungen von /Revolution/ Im Gegensatz zu den Revisionisten reduzieren bürgerliche Autoren den marxistischen Revolutionsbegriff in der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner mit Vorliebe auf das Merkmal a ('organisierter offener Klassenkampf unter Führung der Arbeiterklasse zur Erringung der politischen Macht'). Ein wichtiges Motiv dieser Reduzierung ist der Wunsch, von den Merkmalen b (Begründung der sozialistischen Gesellschaftsordnung) und c (Progressivität, historische Notwendigkeit, Gesetzmäßigkeit der Entwicklung) nach Möglichkeit abzulenken. Merkmal a wird dabei durch Anhäufung abwertender Kontextelemente wie /bluttriefendes Schlammbad, furchtbar, rücksichtslos/ bewußt überinterpretiert, relativ sachliche Belege wie der erste sind selten: /Engels . . . bietet . . . statistische Belege, welche die wachsende Degeneration der arbeitendenden Klassen in England infolge der kapitalistischen Aus. beutung darthun sollen. Nach ihm ist dort eine furchtbare Revolution der letzteren ganz unvermeidlich/ (lfa96) Parteil. - Litteratur, in: Zeitfragen 5,35. /in Paris selbst hatte die äußerste Partei die Fackel der Revolution bereits in die aufgeregten Massen geschleudert, die Forderungen der Commune waren bereits gestellt/ (lb72) Kgl. priv. Berl. Ztg. Nr. 162, Beil. 4 . / [Die Sozialdemokratie läßt für den Ungebildeten] die lockenden Bilder einer seligen Zukunft aufsteigen, welche zu erreichen ist allein durch das bluttriefende Schlammbad der Revolution! . . . Sie will die blanke, rücksichtslose, rothe Revolution mit den "Hunderttausend Köpfen", welche fallen müssen, um Herrn Bebel hinaufzubringen. . . . Wir kämpfen für Kaiser und Reich, für Gott, König und Vaterland, und dürfen getrost hoffen, in diesem guten Kampfe das ganze internationale Revolutionsgesindel zu z e r schmettern.' / (lb91), Blum, Lügen 360. Der Beleg zeigt eindrucksvoll, wie die Ausdrucksweise durch die bezweckte gegensätzliche Wertung der proletarischen und der bourgeoisen Gewalt motiviert ist. Auch wenn

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einmal der Inhalt von Merkmal c ins Spiel kommt, wird er verzerrt dargestellt: / . . . für die Schreckensscenen bei der Eroberung von Paris durch die Truppen der rechtmäßigen Regierung wird fast ausschließlich diesen die Schuld gegeben, denn für jene Leute versteht es sich von selbst, daß die Empörer lauter Helden und Heilige . . . sind. Im schlimmsten Falle proclamirt der Socialismus das Recht der Revolution . . . , ein . . . Dogma, mit welchem man jeden Aufstand beschönigen kann / (lb73) Jäger, Socialismus 138. Die Auswahl der Marx-Zitate (ähnliches gilt später für A. Bebel, W. Liebknecht u. a.), in denen der Terminus exakt verwendet wird, läßt ebenfalls Rückschlüsse auf den Klassenstandpunkt des Autors zu. Fast immer werden, wenn der marxistische Terminus durch bürgerliche, antimarxistische Autoren zitiert oder referiert wir, Stellen ausgewählt, die das Merkmal a betonen. Besonders oft werden die kämpferischen Schlußworte des "Kommunistischen Manifests" zitiert: "Mögen die herrschenden Klassen vor einer kommunistischen Revolution zittern!" (MEW 4, 480). Bei der Interpretation dieses Zitats wird dann in der Regel deutlich, daß den Autoren der marxistische Terminus /Revolution/ durchaus bekannt ist. Die Betonung von 'Aktion, Gewalt' und die Wertung der Revolution als 'Gefahr für das Leben und Eigentum der Bürger' sollen jedoch negative Emotionen wecken: /So heißt es in dem von Marx verfaßten Brüsseler kommunistischen Manifest von 1847; nachdem zuvor "Konfiskation des Eigenthums aller Emigranten und Rebellen", d. h. aller derer gefordert ist, welche sich der kommunistischen Heilsordnung durch Auswanderung oder Widerstand zu entziehen suchen würden; " Mögen die herrschenden Klassen vor einer kommunis'tischen Revolution zittern!" . . . In seinen späteren Schriften nennt Marx stets die Gewalt, die Gewalt allein, die "Geburtshelferin" der neuen Welt, der neuen Gesellschaft/ (1891) Blum, Lügen 325. Es scheint offenkundig zu sein, daß die oben geschilderte reformistische Verflachung bzw. Zurücknahme des marxistischen Revolutionsbegriffs mit der bewußten Verknüpfung von /Revolution/ mit negativen Begleitvorstellungen auf bürgerlicher Seite in Verbindung gebracht werden kann. Daß die Allianz von Revisionismus und Bourgeoisie den marxistischen Terminus beim fortgeschrittensten Teil der Arbeiterklasse auch in dieser Epoche nicht in Mißkredit bringen konnte, belegt seine Aufnahme ins proletarische Liedgut: /Und alle Herzen grüßen/ /Die Revolution/ (1895) Seidel in: Im Klassenkampf 168 F.

4.3. Zur Verwendung anderer Bezeichnungen anstelle des marxistischen Terminus Die Verwendung anderer Bezeichnungen anstelle von /Revolution/ aus nur stilistischen Gründen kann außer Betracht bleiben. Das bewußte Vermeiden der Bezeichnung aus anderen Ursachen hat im wesentlichen drei bevorzugte Motive:

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(1) Auf der Seite der Marxisten die Absicht - insbesondere während des Sozialistengesetzes - den juristisch inkriminierten Ausdruck /Revolution/ zu umgehen, um nicht unnötig Repressalien auszulösen; dabei handelt es sich um ein taktisches Vermeiden der Bezeichnung in bestimmten Publikationen; (2) auf der Seite der Revisionisten und Reformisten das Bestreben, sich vom marxistischen Revolutionsbegriff zu distanzieren; (3) auf der Seite einiger bürgerlicher Autoren die Absicht, /Revolution/ durch eindeutig abwertende Bezeichnungen zu ersetzen. Sehr zahlreich begegnen Texte, in denen der Inhalt des marxistischen Revolutionsbegriffs mehr oder weniger ausführlich angedeutet, dargelegt oder diskutiert wird, ohne daß der Terminus /Revolution/ oder ihn vertretende Lexeme gebraucht werden. Wir gehen auf solche Darlegungen nicht näher ein. Sie sind zwar für die ideologische Auseinandersetzung und für die Verbreitung des Marxismus von wesentlicher Bedeutung gewesen, doch hat sich unsere Untersuchung auf die lexemgebundene Bedeutung des Terminus und den Gebrauch des Terminus selbst zu beschränken. Drei Beispiele müssen als Hinweis auf derartige textuale Umsetzungen des Begriffs genügen: /Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei erstrebt die Errichtung des f r e i en Volksstaats . . . die Abschaffung aller Klassenherrschaft . . . die Abschaffung der jetzigen Produktionsweise/ (1869) Eisenacher Programm, in : Rev. dt. Parteiprogramme 345 B . / D . /Wähler Deutschlands! . . . Neun Zehntel von Euch haben ein Lebensinteresse daran, daß Staat und Gesellschaft so formiert werden, wie wir es verlangen/ (1884) in: Sozialdemokratie 247 Faks. /Die Arbeiterklasse kann den Übergang der Produktionsmittel in den Besitz der Gesamtheit nicht bewirken, ohne in den Besitz der politischen Macht gekommen zu sein/ (1891) Erfurter Programm, in: Rev. dt. Parteiprogramme 384 B . / D . 4.3.1.

/Umwälzung/

/Umwälzung/, die frühe Eindeutschung von /Revolution/, bleibt auch in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts das bevorzugte Ersatzwort. Häufiger als bei /Revolution/ wird an /Umwälzung/ als Genitivattribut das Objekt der Veränderung direkt angeschlossen. Alle drei Merkmale von /Revolution/ V T 2 können in die Bedeutung von /Umwälzung/ eingehen, wenn auch im allgemeinen der Wechsel der ökonomischen Gesellschaftsformation (Merkmal b) als ein gesetzmäßiger, historisch notwendiger Vorgang (Merkmal c) stärker betont ist als die aktive Durchführung dieses Prozesses durch das Proletariat (Merkmal.a): /Wenn auch gegen den Willen der Fürsten - unter allen Umständen -, mögen die jetzigen Gewalthaber tun, was sie wollen, dennoch wird die allgemeine Umwälzung der ökonomischen Verhältnisse und der Umschwung der öffentlichen Meinung das Proletariat sein Ziel erreichen lassen/ (1872) Hochverratsprozeß 220 L.

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' Revolution' /Ob die allmähliche Ablösung des kapitalistischen Eigentums oder die Wegnahme des Kapitals mit einem Schlag von der Gesellschaft beliebt werden wird, oder wie sonst die Umwälzung zu besiegeln und die Eröffnung einer neuen Kulturepoche zu vollziehen ist, wird sich eben zeigen und hängt von Umständpn ab, die sich nicht voraussehen lassen/ (1873) Most, Kapital und Arbeit ( 1876), in: Dlubek/S., Kapital (1967) 323. /Mit weit weniger Geburtswehen wird einst diese Umwälzung vor sich gehen, wenn die Arbeiterklasse weiß, was da vorgeht/ (1873) Bracke, in: ebd. 259. /Die sozialistische Umwälzung setzt einen langen und hartnäckigen Kampf voraus, wobei das Proletariat allem Anscheine nach mehr als einmal zurückgeworfen wird/ (lb99) Luxemburg (1970) 1, 1, 435.

/Sozialreform oder Revolution? Kann denn die Sozialdemokratie . . . die Umwälzung der bestehenden Ordnung, die ihr Endziel bildet, der Sozialreform entgegenstellen?/ ebd. 369. Betont wird gelegentlich, daß die Formen des organisierten Klassenkampfes variabel sind und beim Vorliegen entsprechender Bedingungen der Klassenkampf nicht die Form kriegerischer Gewaltanwendung haben muß: / E s handelt sich um die Bedeutung des Wortes Revolution. Ein Hauptargument der Anklage gegen uns war, daß wir beständig . . . unseren revolutionären Standpunkt betont hätten und eine vollständige Revolution unserer Zustände für notwendig hielten, sollten die Ziele des Sozialismus ihre Verwirklichung finden. Diese Revolution, unter der nach unserer Auffassving ebensogut eine friedliche wie gewaltsame Umwälzung gedacht werden kann, sollte . . . nur auf gewaltsamem Wege möglich, eine gründliche, aber friedliche Umgestaltung darunter zu verstehen, einfach undenkbar sein/ (1874) Hochverratsprozeß 361 L. Gelegentlich wird /Umwälzung/ auch im allgemeinen Sinne von /Revolution/ V T 1 gebraucht: /Eine förmliche politisch-soziale Umwälzung war unentbehrlich ebenso zur Aufhebung der Leibeigenschaft wie zur Abschaffung des Feudalismus/ (1899) Luxemburg (1970) 1, 1, 430. Im bürgerlichen Lager wird der Ausdruck in mehr oder weniger polemischer Absicht aufgenommen und steht auch hier für /Revolution/: /Ich [Staatsanwalt] verstehe diesen Artikel so: Die staatliche Umwälzung genügt nicht, derselben muß sofort die Vertilgung der Bourgeoisie folgen/ (1872) Hochverratsprozeß 200 L. /daß namentlich unter Bebels und Liebknechts Einflüsse Vereine . . . gebildet worden sind, daß die dadurch bedungene Umwälzung der staatlichen Verhältnisse . . . natur- und erfahrungsgemäß nicht ohne Gewalt zu bewerkstelligen ist/ ebd. 38 (Anklageschrift). / . . . die socialen Ziele, denen diese politische Umwälzung [gemeint ist das den Socialdemokraten vorgeworfene Bestreben, die Monarchie abschaffen zu wollen] nur als Mittel zu dienen hätte. . . . Unseres Bedünkens ist es aber in weit höherem Grade staatsgefährlich, das Eigenthum als die Monarchie abschaffen zu wollen/ (1873) Jäger, Socialismus 389. /So dürfen denn die meisten der Jetztlebenden hoffen, die Zeit der Erfüllung des Zukunftstaates, noch zu erleben. Freilich erscheint die Frist von

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nur neun Jahren . . . ein bischen kurz bemessen für diese grundstürzende Umwälzung/ (1891) Blum, Lügen 183. 4.3.2. /Umwandlung, Umgestaltung/ Insbesondere in der Geltungsperiode des Sozialistengesetzes werden /Revolution/ und das nahezu gleichbedeutende /Umwälzung/ in vielen Publikationen bewußt vermieden. Stattdessen wird gern von /Umgestaltung, Umwandlung/ gesprochen. Diese Ersatzwörter knüpfen mit Sicherheit an den Terminus /Revolution/ an; da sie in der Klassenauseinandersetzung zwischen Proletariat und Bourgeoisie jedoch keine strenge terminologische Funktion haben, werden sie relativ wertneutral aufgefaßt. Keineswegs sind sie aber inhaltlich auf den Ausdruck von Merkmal b, die Begründung der sozialistischen Gesellschaftsordnung, beschränkt: /Dann hat . . . [die Arbeiterklasse] . . . ihre historische Aufgabe begriffen: Bei der Umwandlung der kapitalistischen in die sozialistische Produktionsweise und bei der gleichzeitigen Umwandlung aller politischen Verhältnisse die ausschlaggebende Macht zu sein, die neue Gesellschaft, den neuen Staat zu organisieren/ (1873) Bracke, in: Dlubek/S., Kapital (1967) 267. /Als Sozialdemokrat verurteile ich die heutige Ordnung der Dinge in Staat und Gesellschaft und suche eine durchgehende soziale und politische Umgestaltung herbeizuführen/ (1881) in: Dok. Arbeiterbewegung 3 (1974) 164. /Unter "Marxismus" fassen wir diesen [heutigen] Socialismus und diese Socialdemokratie . . . zusammen und verstehen darunter die Gesamtheit der von einer . . . wissenschaftlichen Methode beherrschten, auf . . . völlige Umwandlung der bestehenden Gesellschaftsordnung gerichteten Lehren und Bestrebungen/ (1697) Geschichtsmaterialismus, in: Zeitfragen 6, 10. /Man hat es bemängelt, daß eine bestimmte Erklärung darüber fehlt, wie wir Sozialisten uns diese Umwandlung der Produktionsmittel in Gemeingut der Gesellschaft v o r s t e l l e n . . . [ D u r c h ] politische und w i r t s c h a f t liche Expropriation der Klasse der Kapitalisten/ (1685) in: Söz.demokr. Bibl. 1, Nr. I, 7-9 Faks. Auch in der allgemeineren Fassung von V T 1: / E s läßt sich . . . nachweisen, daß alle blutigen Revolutionen, von denen die Weltgeschichte uns erzählt, die naturnotwendige Folge gewalttätiger Eingriffe in den Entwicklungsprozeß gewesen sind. Ohne solche Eingriffe hätten diese Umgestaltungen sich friedlich vollzogen/ (1881) in: Sozialdemokratie 211 Faks. Wegen des Fehlens einer klassenspezifischen Wertungskomponente werden /Umwandlung, Umgestaltung/ auch von reformistischen Autoren gern benutzt. Die Intensität liegt in diesem Fall eindeutig auf Merkmal b: /Eine andere nothwendige Maßregel zur Beseitigung der Kapitalsknechtschaft wäre die Umwandlung aller Betriebe und Wirtschaften in Genossenschaften . . . Die bisherigen Herren . . . würden eine kleine nicht vererbbare Abfindungsrente . . . erhalten . . . Es gilt, den Weg der forthschaftlichen Neugestaltung zu beschreiten, um die Menschheit aus der Noth der Zeit zu erlösen . . . Aber als ebenso unschätzbar, wie die großen direkten Wirkungen, würden sich die Folgen dieser sozialen Umgestaltung

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' Revolution' erweisen . . . Die Neugestaltung würde sich auf friedlichem und gesetzlichem Wege vollziehen, sobald die sozialdemokratische Partei die große Menge des Volkes für ihre Reformen gewonnen hätte/ (1893) Köhler, Knechtschaft 33, 34, 36, 40, 47.

fiiner der von Levenstein befragten Bergarbeiter antwortet: /Ich bin Mitglied der sozialdemokratischen Partei Ich stehe allen Ge sellschaftsformen objektiv gegenüber, glaube darum nicht, daß die totale Umgestaltung des heutigen Gesellschaftszustandes das Werk irgendeiner Partei sein kann. Der Sozialismus ist gewiß eine sehr schöne Sache. . . . Aber erstrebt werden kann er nicht. Wenn er in der Bahn der gesellschaftlichen und technischen Entwicklung liegen sollte, dann müssen wir naturnotwendig zu ihm gelangen/ (1907/11) in: Levenstein, Arbeiterfrage (1912) 288.

4.3.3. /Endziel/ Die Bezeichnung nimmt einen festen Platz in der Diskussion ein, die im Zusammenhang mit der Klärung des Inhalts der historischen Mission der Arbeiterklasse in der Sozialdemokratie selbst geführt wurde. Es ist nicht immer eindeutig zu entscheiden, ob /Endziel/ für /Revolution/ in umfassendem Sinn, oder enger für /Sturz des Kapitalismus/ oder auch ganz allgemein für /Sozialismus/ steht: / . . . die Verwirklichung der Ideen des Kommunismus, die Abschaffung aller Grundwahrheiten und Elemente der jetzigen Gesellschaft, der Sturz der Bourgeoisie, die Erhebung des Proletariats zur Herrschaft. Dieses Endziel begreift man unter dem Worte soziale Revolution/ (1852) Kommunistenprozeß Köln 254 B. /So kann die schmähliche Ausbeutung des Menschen durch den Menschen auf dem Wege des Rechtes und der Gesetzgebung aus der Welt geschafft werden. Dieses Endziel muß den Arbeitern bei allem ihren Ringen . . . immer vor Augen stehen/ (1863) in: Fricke, Dt. Arbeiterbewegung (1964) 69. /Wir selbst werden unserem Endziel näher kommen/ (1898) Protokoll Parteitag 147. /Wie ist das Endziel ohne Bewegung zu erreichen? . . . das Endziel ist die Niederwerfung der kapitalistischen Gesellschaft/ (1898) Liebknecht, in: ebd. 134. /Verlieren wir . . . nicht unser Hauptziel aus den Augen, klären wir das Proletariat auf, . . . als ob die Verwirklichung unseres Endziels schon morgen möglich wäre/ (1899) Zetkin, Reden (1957) 1, I M ! /Da aber das sozialistische Endziel das einzige entscheidende Moment ist, das die sozialdemokratische Bewegung von der bürgerlichen Demokratie und dem bürgerlichen Radikalismus unterscheidet/ (1899) Luxemburg (1970) 1, 1, 370. 4.3.4. /Umsturz/ Das Ersatzwort /Umsturz/ für /Revolution/ gehört ganz überwiegend der bürgerlichen Polemik gegen den Marxismus an. Frühe Belege von /Umsturz/ mit neutraler oder positiv-proletarischer Wertung bei Marx, Engels und anderen Vertretern der Sache

Ursula Fratzke des Proletariats bleiben vereinzelt

107 1ß . /Umsturz/ dient in der Regel dem Ausdruck der

klassenspezifisch negativen Bewertung des proletarischen Revolutionsbegriffs durch die Bourgeoisie und gelangt in dieser Funktion bis in die amtlichen Gesetzestexte. /Umsturz/ soll die Angst der besitzenden Klasse vor dem Verlust des Staatsapparates als Machtinstrument und vor dem Verlust des Eigentums an den Produktionsmitteln wecken. Inhaltlich knüpft das Wort an die Merkmale a und b von /Revolution/ an: /Aus dieser Verschwörungsgesellschaft ging der "Bund der Geächteten" hervor, der schon kommunistische Tendenzen hatte. Zweck: Allgemeiner Umsturz/ (1872) Hochverratsprozeß 21 L. (Anklageschrift). /Marx gibt jenen Vorgängen . . . noch überdieß eine falsche Deutung, wenn er daraus die Nothwendigkeit folgert, das Eigenthum aufzuheben. Aus dem Mißbrauch einer Sache folgt die Nothwendigkeit der Reform und noch nicht die des Umsturzes/ (1873) Jäger, Socialismus 26. /Vereine, welche durch sozialdemokratische, sozialistische oder kommunistische Bestrebungen den Umsturz der bestehenden Staats- oder Gesellschaftsordnung bezwecken, sind zu verbieten/ (1878) Sozialistengesetz, in: Gesch. Arbeiterbewegung (1966) 1, 603. /Ungleich verhängnisvoller wie die rein wirtschaftlichen Wirkungen der Arbeitseinstellungen können . . . ihre politischen Folgen sein, wenn die sozialdemokratische, auf den Umsturz der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung ausgehende Agitation sich ihrer bemächtigt/ (1886) v. Puttkamer, Streikerlaß, in: ebd. 623. /Sodann malt unsere Sozialdemokratie den kommunistischen Zukunftsstaat in den glänzendsten Farben, als ein Schlaraffenland Auch denkt unsere Sozialdemokratie nicht im Traume an gewaltsamen Umsturz/ (1891) Blum, Lügen 1. /Haben mehrere in der Absicht, auf den gewaltsamen Umsturz der bestehenden Staatsordnung hinzuwirken . . . , so werden sie . . . mit Zuchthaus bestraft/ (1895) in: Gesch. Arbeiterbewegung (1966) 1, 661 (Umsturzvorlage). Die zitierten Belege zeigen, daß der Bezug auf die Merkmale a und b von /Revolution/ m bzw. der Variante T 2 des marxistischen Revolutionsbegriffs zwar deutlich bleibt, daß dieser Bezug aber für /Umsturz/ von einer eindeutig bürgerlichen, antimarxistischen Position aus erfolgt. Die durch Merkmal c vermittelte positive Wertung von /Revolution/ m , die bis in die Jahrhundertmitte auch für Teile des Bürgertums galt (insofern im Ansatz allgemeinsprachlich war) und in den marxistischen Terminus in seinen beiden Varianten übernommen wurde, soll durch den bevorzugten Gebrauch von /Umsturz/ statt /Revolution/ bewußt ausgeschaltet werden. In /Umsturz/ als bürgerlichem Gegenwort für /Revolution/ verkehrt sich die positive Wertungskomponente in eine klassenspezifisch negative. Diese negative Wertungskomponente soll nach dem Willen der Bourgeoisie allgemeinsprachliche Geltung gewinnen. Das wird an Belegen besonders deutlich, in denen /Umsturz/ in einer Reihe neben anderen Grundwörtern der öffentlichen Moral des bürgerlichen Staats erscheint: /So hören unsere Ohren das Wort der Lüge, der Gotteslästerung und des

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'Revolution' Umsturzes laut erklingen/ (1891) Neue Preuß. Ztg. Nr. 25, Beil. l a .

Auf sozialdemokratischer Seite wird das Wort in dieser Epoche vorwiegend mit ironischem Bezug auf seine bürgerliche Verwendung benutzt: /der Zusammenschluß der bürgerlichen Parteien zu Schutz und Trutz wider den "Umsturz"/ (1900) Zetkin, Reden (1957) 1, 342. Der bevorzugte bürgerliche Gebrauch von /Umsturz/ zeigt sich auch in der Verwendung als Bestimmungswort in zahlreichen Komposita, vgl.: /Deshalb vermögen die verbündeten Regierungen . . . die Verantwortung dafür nicht zu übernehmen, . . . den Agitatoren der Umsturzpartei . . . Thor und Thür zu öffnen/ (1886) Bismarck, Reden 11, 386 K. /gegenüber den Zuständen, in welche Deutschland ohne den Erlaß . . . vom 21. October 1878 durch die ungehinderte Entfaltung der Umsturzbestrebungen gerathen sein würde/ ebd. 11. Solche Komposita werden auch von Vertretern des Proletariats aufgegriffen: /Die Umsturzvorlage wirkte erfrischend. Das war ein Gegenstand des reinen Klassenkampfes/ (1895) Parvus, Gewerkschaften 70 ("Sächs. Arb. Ztg."). /Wenn man den Anarchisten ihre Mordgedanken durch den Stock austreiben kann, warum nicht auch den Sozialisten ihre Umsturzgedanken?/ (1898) Süddt. Postillon 17, 174 a .

4.4. Zum Einfluß der marxistischen auf die allgemeinsprachliche Bedeutung Bei der Untersuchung des Gebrauchs von /Revolution/ und seiner Ersatzwörter hat sich mehrfach belegen lassen, daß alle angeführten Wörter in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts semantisch differenzierte Inhalte abdecken. Es besteht keine für alle Teile der Gesellschaft einheitliche Norm. Diese Situation hat sich bis in die Gegenwart nicht wesentlich geändert. Es begegnen nebeneinander: /Revolution/ I

(s. S. 83):Nur fachsprachlich (Astronomie).

/Revolution/ n (s. S. 84):Nach Entwicklung von /Revolution/ i n und Bildung des marxistischen Terminus beschränkt auf grundlegende Veränderungen in gesellschaftlichen Teilbereichen. Der anfänglich mögliche Bezug auf Veränderungen des Staates und der Gesellschaft in umfassender Weise wird durch die folgenden, prinzipiell klassenspezifischen Bedeutungen verdrängt. /Revolution/ HI (s. S. b5):Diese Bedeutung lebt in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts neben dem marxistischen Terminus weiter. Vgl.: /Das Wort Revolution hat zweierlei Bedeutungen: einmal versteht man dar unter den einfachen Sturz einer Regierung . . . Der weitere [Sinn des Wort e s ] umfaßt den ganzen Entwicklungsprozeß eines neuen Gesellschaftsorganismus/ (1872) Liebkne.cht, in: Hochverratsprozeß 255 L.

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Wird auf bürgerlicher Seite, z. B. seitens bürgerlicher Historiker oder Politiker von 'Revolution' gesprochen, so geschieht das in der Regel in der etwas vage bleibenden Bestimmung der Merkmale von /Revolution/ in. Ursache ist nicht so sehr Unkenntnis des marxistischen Revolutionsbegriffs, als vielmehr der klassenbedingte Widerspruch gegen den marxistischen Begriff. Zu beachten ist, daß die ursprünglich auch auf bürgerlicher Seite positive Wertung, durch den Gegensatz zur proletarischen Revolution veranlaßt, weithin aufgegeben wird und in einem mehrere Jahrzehnte währenden Prozeß allmählich ins Gegenteil umschlägt. Positive oder neutrale Verwendungen auf bürgerlicher Seite begegnen danach vor allem noch bei historisierendem Gebrauch und gelegentlich bei Anwendung auf Verhältnisse in anderen Staaten. Dieser Differenzierungsprozeß führt zu einer gewissen Unsicherheit im Gebrauch des Wortes auf bürgerlicher Seite und zur Variantenbildung. /Revolution/ Var. T 1/2 (s. S. 90 und 92): Der marxistische Gebrauch bestimmt die Verwendung des Wortes seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts zunehmend. Er ist bei konsequenten Vertretern der Sache des Proletariats zumindest immer dann vorauszusetzen, wenn das Wort auf die proletarische Revolution bezogen wird. Das gilt für streng terminologische Belege (also für den bewußten Bezug auf die definitorischen Bestimmungen des Terminus) wie für Anwendungen, in denen das Wort in seiner Reduzierung auf die oben erarbeiteten semantischen Merkmale erscheint. Bei der zentralen Funktion des marxistischen Terminus muß angenommen werden, daß seine Kenntnis zunehmend auch die Verwendung von /Revolution/ i n beeinflußt. Die vom Bürgertum gefühlte Bedrohung durch die proletarische Revolution führt zu einer allmählichen Wandlung der ursprünglich im bürgerlichen Sinne positiven Wertungskomponente von /Revolution/ HI. Auf Ansätze zu dieser Entwicklung schon in der Jahrhundertmitte haben wir oben hingewiesen. Die Verbreitung der marxistischen Bedeutung V T 2 und die zumindest in Anwendung auf historische Ereignisse auch auf bürgerlicher Seite z. T. noch positiv bewertete Bedeutung von /Revolution/ m verhindern zur Zeit des Sozialistengesetzes die eindeutige Verwendung von /Revolution/ im Interesse des bürgerlichen Staates: die negative Bewertung ist nicht allgemeinsprachlich, da sie weder für das Proletariat, noch in einheitlicher Weise für das Bürgertum gilt. Daher wird auf der Seite der Bourgeoisie zum Versuch der Vermittlung negativer Wertung ziemlich systematisch auf /Umsturz/ ausgewichen. Auch diese Reaktion ist also ein Zeichen für den Einfluß des marxistischen Gebrauchs. Die Ablehnung des marxistischen Revolutionsbegriffs durch die Bourgeoisie und das gewandelte Verhältnis zur Revolution überhaupt beruht nur oberflächlich auf der Wirkung des Merkmals a ('gewaltsame Aktion des unterdrückten Volkes'), also auf der Komponente der Gewalt. Bis etwa 1860 werden gewaltsame Veränderungen im Interesse

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' Revolution'

der Durchsetzung des bürgerlichen Staates gegen die Institutionen der Monarchie von bürgerlichen Autoren in den herangezogenen Quellen durchaus gerechtfertigt. Entscheidend ist vielmehr die auch auf bürgerlicher Seite wachsende Erkenntnis, daß die proletarische Revolution das Privateigentum an den Produktionsmitteln, die Grundlage der bürgerlichen Gesellschaftsordnung, abschafft. Dieser Kernpunkt des marxistischen Revolutionsbegriffs macht deutlich, daß eine allgemeinsprachliche Bedeutung von /Revolution/, die für alle Teile der Bevölkerung Geltung hat und sich auf die aktuelle Ablösung der kapitalistischen Gesellschaftsormation bezieht, im bürgerlichen Staat unmöglich ist. DerEinfluß des marxistischen Begriffs der proletarischen Revolution, wie er in V T 2 zum Ausdruck kommt, auf die Allgemeinsprache liegt gerade in der Durchsetzung der Erkenntnis dieser Unmöglichkeit; die rezeptive Aneignung der semantischen Merkmale a und b von V T 2 ist für Vertreter aller Klassen möglich, die Be wertung dieser Merkmale, wie sie durch c vermittelt wird, ist dagegen ausschließlich klassenspezifisch und in der proletarischen positiven Form für die Bourgeoisie nicht akzeptabel. Wenn die bürgerliche Bedeutung von /Revolution/ i n durch Vertreter der Bourgeoisie auf den Sachverhalt der proletarischen Revolution angewandt wird, ent steht das gleiche Problem: die Bewertungskomponente (Merkmal c) muß negativiert werden. Die passive Kenntnis klassendeterminierter Bedeutungen ist über Klassengrenzen hinweg möglich. Für Wörter von zentraler Bedeutung ist die relativ allgemeine passive Beherrschung ihres Inhalts anzunehmen. Ihr aktiver Gebrauch setzt jedoch - bei Identifikation des Sprechers mit seiner Aussage - die volle Akzeptierung des Bedeutungsgehalts einschließlich von Wertungskomponenten voraus, daher bleibt er klassenspezifisch.

Anmerkungen 1. Phil. Wb. ( 11 1975) 2, 1060. 2. Vgl. F. W. Seidler, Geschichte des Wortes Revolution. Diss. München 1955. 3. Vgl. FEW 10 (1962) 364 f. 4. Wohl auch wie das Über setzungswort /Umwälzung/ gelegentlich im Sinne 'Bewegung um die eigene Achse', s.^DWB 11, 2, 2145. 5. Von Interesse ist jedoch auch der Versuch, die Anwendungen des Wortes auf gesellschaftliche Verhältnisse aus seiner gegenüber dem Gebrauch in der Astronomie sekundären Verwendung der Geologie zu erklären, so in der Allg. dt. RealEncyclopädie 8 (51820) 238: "Die Geologen . . . verstehen darunter solche Catastrophen auf der Erde, wodurch der natürliche Lauf oder das natürliche Verhält niß der irdischen Dinge eine bedeutende Veränderung erleidet. . . . Diese Bedeu-

Ursula Fratzke

111

tung des Wortes hat man auch auf die moralische Welt übergetragen. . . . Dergleichen Revolutionen können sich . . . auch in der politischen Welt ereignen." Hierzu stimmen auch Verwendungen des Übersetzungswortes/Umwälzung/ s . iDWB 11,2, 1245 f . 6. FEW a. a. O.; K. Griewank, Der neuzeitliche Revolutionsbegriff. Weimar 1855. S. 178. 7. W. Feldmann, Die Große Revolution in unserer Sprache. In: ZfdW 13 (1911/12) 276. 8. Erwähnt sei, daß Wieland das Wort in seinen Schriften zur Französischen Revolution mit folgenden Vorstellungen in Verbindung bringt: 'Bastillensturm*, ' N a t u r recht des Volkes', 'richtige Verteilung der politischen Macht', 'Abschaffung des E r b a d e l s ' , 'Umbildung ihrer [ d e r französischen Nation] verderbten Verfassung'. S. Wieland, Werke 1 15, 295-409. Doch gilt /Revolution/ in der zeitgenössischen Literatur weiterhin für sehr unterschiedliche politische Ereignisse; vgl. F o r s t e r 8, 234 ff. Ak. (Revolutionen und Gegenrevolutionen). 9. Vgl. III. Geschichte der dt. Revolution 1848/49, Berlin 1973, Vorw.: " [ D i e Bourgeoisie] erfüllte aus Furcht vor der Arbeiterklasse und den demokratischen Volksmassen ihre historische Funktion nicht und verschuldete die Niederlage der Revolution. " 10. Im 19. Jahrhundert: / s o z i a l / = gesellschaftlich, was die menschliche Gesellschaft betrifft; /politisch/ = bürgerlich; den Staat betreffend, aufs öffentliche Staatsleben bezüglich, davon handelnd. Vgl. (1813) Campe, Wb. Verdeutschung, S. 485 b und 558 a , iDWB 10,1,1826 und 7,1979. 11. Vgl.: " [Malynes gebraucht] . . . häufig den astronomischen Terminus revolution für den Ware-Geld-Umschlag" Sudhoffs Archiv. Bd. 57, H. 4, Wiesbaden 1973. S. 418. 12. Belege ^DWB 11,2,1245. Verwendung wie /Revolution/ I ist belegt seit dem 16. Jahrhundert, Verwendung wie /Revolution/ n seit Anfang des 19. Jahrhunderts. Als Interpretament zu /Umwälzung/ geben /Revolution/ an: (1801) Adelung, Wb. (1813) Campe, Wb. Verdeutschung 536b. (3i856) Mozin, Wb. 4, 394b. Immer beziehen sich hierbei die Interpretationen auf den politischen Bereich. 13. Campe, Wb. Verdeutschung (1801) 590^ zitiert Adelung. Dieser lehnt allerdings die Verwendung von /Umwälzung/ für /Revolution/ ab und begründet das mit der allgemeinen Verständlichkeit von /Revolution/ und dem Bedeutungsunterschied: "Das Unglücklichste, worauf man fallen konnte, war wohl, /Umwälzung/und /Staatsumwälzung/ für /Revolution / zu sagen, weil dieses nicht den Begriff der Sache ausdrückt . . . . "Dennoch geben spätere Wörterbücher /Staatsumwälzung/ f ü r / R e v o l u t i o n / an, z . B . T. Heisius, Volksthümliches Wörterbuch der Deutschen Sprache, Hannover 1818-1822; J . Schaffer, Neues französisch-deutsches und deutsch-französisches Wörterbuch, Hannover 1834-1838; F . L. K. Weigand, Deutsches Wörterbuch, 3. völlig umgearbeitete Aufl. Gießen 1860. Vgl. noch /Umwälzungskrieg/ für /Revolutionskrieg/ (1824) Zschokke, in: *DWB 11,2, 1246. 14. Untersucht wurden für /Aufstand/ ca. 400 Belege aus der 1. Hälfte des 19. J a h r hunderts, darunter etwa 150 Belege von K. Marx und F . Engels. 15. Vgl. Phil. Wb. ( 11 1975) 2, 1061 f . 16. Der Übergang von der Urgesellschaft zum Sklavenhalter Staat oder der Übergang zum Feudalismus bieten hinsichtlich dieser Bestimmungen besondere Probleme, die in der Formulierung nicht voll berücksichtigt werden können. Daran wird deutlich, daß auch der verallgemeinerte Begriff der sozialen Revolution vor allem im Hinblick auf den Übergang zum Kapitalismus und zum Sozialismus erarbeitet wurde.

112

' Revolution'

17. Vgl. Phil. Wb. ( 11 1975) 2,1064. 18. *DWB 11,2,1203 f. belegt /Umsturz/ "in politischem sinne von der revolutionären beseitigung einer bestehenden regierungsform" seit 1751. Vgl. auch den Sprachgebrauch in der BRD: /Revolution . . . Umwälzung (industrielle); polit. Umsturz/ (1968) Wahrig, Dt. Wb. 2932.

'ARBEITER' - BEZEICHNUNGEN FÜR DEN ANGEHÖRIGEN DER ARBEITERKLASSE Eifriede Adelberg

1.

Zur Herausbildung terminologischer Bezeichnungen

Untersucht werden Bezeichnungen für den Begriff /Arbeiter - Angehöriger der Arbeiterklasse, im Kapitalismus ökonomisch gezwungen, seine Arbeitskraft an Besitzer der Produktionsmittel, die Ausbeuter, zu verkaufen und politisch weitgehend entrechtet; im Sozialismus Angehöriger der mit den Genossenschaftsbauern und der Intelligenz v e r - a ^ bündeten herrschenden Klasse/ (1969) Lex. d. Wirtschaft, Bd. Arbeit 44 . Zur sprachlichen Realisierung des definierten Begriffs dienen im 19. Jahrhundert / A r beiter, Arbeitsmann/, die Komposita/Fabrikarbeiter, Industriearbeiter, Lohnarbeit e r / mit /Arbeiter/ als Grundwort und / P r o l e t a r i e r / . Untersucht werden nur /Arbeiter, Lohnarbeiter/ und / P r o l e t a r i e r / , während /Arbeitsmann, Fabrikarbeiter/ und 2 /Industriearbeiter/als Berufsbezeichnungen , die bei der Herausbildung der marxistischen terminologischen Bezeichnungen keine Rolle spielen, außerhalb der Betrachtung bleiben.

1.1.

/Arbeiter/ - im Sprachgebrauch der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts

Die häufigste Bezeichnug ist / A r b e i t e r / , /eine Person, welche arbeitet, besonders Handarbeiten verrichtet. Ein guter, schlechter, fleißiger, fauler etc. Arbeiter. Arbeiter dingen, annehmen, abdanken. Sprichw. Ein Arbeiter ist seines Lohnes werth. Häufig kömmt es in Zusammensetzungen vor, wo die Art der Arbeit näher bestimmt wird. Der Metallarbeiter, Gold- und Silberarbeiter, Lederarbeiter etc. Ein Arbeiter am Worte für Lehrer, Prediger, kömmt selten vor; öfter dagegen ein Arbeiter im Weinberge des Herrn/ (1807) Campe, Wb. 1, 201 b . Bei J . H. Campe sind demnach drei lexisch-semantische Varianten belegt; auf die Darstellung der Merkmalsstruktur kann verzichtet werden, da sie für die folgende Untersuchung unerheblich ist: V 1

der Arbeitende (ein guter usw. Arbeiter)

V 2

der mit der Hand im gesellschaftlichen Arbeitsprozeß Arbeitende (Arbeiter dingen usw.)

V 3

der Ungelernte (Berufsbezeichnung) (Gold- und Silberarbeiter im Gegensatz zum gelernten Goldschmiedegesellen)

Die Varianten 1 und 2 enthalten Wertungsmerkmale, die 'das für die Gesellschaft Nützliche, das Wertvolle, das seinen P r e i s verdient' zum Ausdruck bringen. Die Variante 3 kann mit einer abwertenden Konnotation verbunden sein, die Ausdruck der 'Geringschätzung' ist

(z. B . : E r ist nicht Geselle, sondern nur Arbeiter). Diese lexisch-se-

mantischen Varianten des Lexems /Arbeiter/ sind in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in allen literarischen Gattungen reich bezeugt. Außerdem bietet das ausgewertete

' Arbeiter'

116

Material weitere lexisch-semantische Varianten: Die Variante 2 wird als Gattungsbezeichnung verwendet ('die Spezies Arbeiter'); die zu dieser Spezies Gehörenden w e r den als 'die Armen, Elenden' (im Gegensatz zu den 'Wohlhabenden, Reichen') bezeichnet und als 'die Abhängigen, Dienenden' (im Gegensatz zu den ' H e r r s c h e n d e n ' ) , z. B.: /wo man beständig unter den größeren Haufen der Nation nur elende Arbeiter sieht, denen die Wege zum Wohlstande v e r s p e r r t sind, da gewöhnt man sich zu leicht daran, zu glauben, e s gebe zwei verschiedene Menschenracen3 im Staate, von denen die eine durchaus zum Herrschen, die andere zum Dienen gebohren sey/ (1803) Arndt, Leibeigenschaft 265. Auf Grund derartiger /Arbeiter/-Belege kann als weitere lexisch-semantische Variante angesetzt werden: V 4 der zur Spezies Arbeiter Gehörende (Gattungsbezeichnung) A

der Arme, Elende (Gegensatz: der Wohlhabende, Reiche)

b

der Abhängige, Dienende (Gegensatz: der Herrschende)

Die lexisch-semantische Variante 4 hat sich durch eine erweiterte Verwendung der Variante 2 ' d e r mit der Hand im gesellschaftlichen Arbeitsprozeß Arbeitende' herausgebildet; sie kann mit emotionalen Konnotationen verbunden sein: 'Mitgefühl', 'Stellungnahme für den Arbeitenden'. Die Intensität von a dominiert (durch den Großbuchstaben gekennzeichnet). Eine entscheidende Entwicklung des Bedeutungsumfangs von / A r b e i t e r / ist in deutschen Übersetzungen englischer ökonomischer Schriften festzustellen. Da Anfang des 19. Jahrhunderts die "proletarischen Zustände . . . in ihrer klassischen Form, in ihrer 4 Vollendung nur im britischen Reich, namentlich im eigentlichen England" existierten, studierten deutsche Ökonomen diese Zustände anhand der englischen Fachliteratur, nahmen selbst Übersetzungen vor oder regten sie an. In diesen Übersetzungen englischer ökonomischer Schriften sind die frühesten Belege von / A r b e i t e r / in der Bedeutung 'Angehöriger der sich entwickelnden Arbeiterklasse' (entsprechend engl, / w o r k e r , working man/) zu finden. Mit dem Beginn der industriellen Revolution und der Herausbildung des Industrieproletariats in Deutschland entsteht auch hier eine Literatur, die - entsprechend dem englischen Vorbild - insbesondere die Verelendung der Arbeiter theoretisch behandelt; diese Literatur des "Pauperismus" beginnt in Deutschland um 5 1830 mit einer Fülle von Veröffentlichungen. Der mit der industriellen Revolution v e r schärft einsetzende Klassenkampf spiegelt sich insbesondere in Schriften demokratischrepublikanischer Autoren und in Dokumenten der beginnenden Arbeiterbewegung wider. Der jeweilige Kontext läßt erkennen, daß sich eine neue Bedeutung herausgebildet hat: V 5 der Angehörige der sich entwickelnden Arbeiterklasse a der Arme, Elende b der Abhängige, Ausgebeutete (Gegensatz: der Kapitalist) c der Aufrührerische, Revolutionäre

Elfriede Adelberg

11 7

Die Merkmale werden stets gemeinsam, aber mit unterschiedlicher Intensität wirksam, z. B.: /Ihr findet den Mangel an der Tafel jedes Arbeiters sitzend. . . . überall ist er bei der . . . arbeitenden Menge zu Hause/ (1834) Zs. "Der Geächtete" in: Archival. Forschungen Arbeiterbewegung 5, 1, 19 S. (Intensität von a). /Wenn . . . in Großbritannien . . . die sklavenartige Ausbeutung einer zahlreichen Menge von Arbeitern durch wenige . . . Capitalisten in ihrer scheußlichsten Gestalt einheimisch ist/ (1843) Schulz, Bewegung 25 (Intensität von b). /die Bewegung des Volkes, der Arbeiter, die zum ersten Male . . . aufstehen/ (1846) Weerth, S. W. 2, 70 K. (Intensität von c). Die Variante 5 ist durch eine erweiterte Verwendung von V 4 ausgebildet worden (wobei die Verquickung mit V 2 zu berücksichtigen ist); sie kann mit emotionalen Konnotationen verbunden sein, wie 'Mitgefühl' (a), 'Erregung', 'Stellungnahme für den Arbeiter' (b), 'Drohung', 'Gefährlichkeit' (c). Ein Vergleich der Bedeutungsmerkmale der Varianten 4 und 5 zeigt die Entwicklung des Bedeutungsumfanges. 5 a 'der Arme, Elende' unterscheidet sich von 4 a durc h den im Kontext vorhandenen spezifischen Bezug auf die Arbeiterklasse (/arbeitende Menge/ und ähnliche Umschreibungen dienen in der e r sten Hälfte des 19. Jahrhunderts häufig zur Bezeichnung des Begriffs 'Arbeiterklasse'). Auch 4 b 'der Abhängige' (Gegensatz 'der Herrschende') wird bei 5 b (Gegensatz ' K a pitalist') spezifiziert: der Kontext zeigt, daß die ökonomische Abhängigkeit im kapitalistischen Produktionsprozeß gemeint ist (/Ausbeutung einer zahlreichen Menge von Arbeitern durch wenige Capitalisten/). Neu ist das Merkmal 5 c 'der Aufrührerische, Revolutionäre'; es ist bei der Variante 4 nicht vorhanden, sondern an V 5 gebunden, d. h. an 'Angehöriger der sich entwickelnden Arbeiterklasse'. Zusammenfassend können für die Zeit vor K. Marx und F. Engels (ab ca. 1800) folgende lexisch-semantische Varianten des Lexems /Arbeiter/ genannt werden: V 1 der Arbeitende V 2 der mit der Hand im gesellschaftlichen Arbeitsprozeß Arbeitende V 3 der Ungelernte (Berufsbezeichnung) V 4 der zur Spezies Arbeiter Gehörende (Gattungsbezeichnung) A der Arme, Elende (Gegensatz: der Wohlhabende, Reiche) b der Abhängige, Dienende (Gegensatz: der Herrschende) V 5 der Angehörige der sich entwickelnden Arbeiterklasse (Klassenbezeichnung) a der Arme, Elende b der Abhängige, Ausgebeutete (Gegensatz: der Kapitalist) c der Aufrührerische, Revolutionäre Die Hauptbedeutung ist V 2, sie ist am häufigsten belegt. Bei der Variante 4 dominiert die Intensität von a. V 1 und V 2 enthalten Wertungsmerkmale, die 'Wertschätzung' ausdrücken. V 3 kann mit einer abwertenden Konnotation verbunden sein: 'Gering-

' Arbeiter'

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Schätzung' . V 4 und V 5 können durch emotionale Konnotationen gekennzeichnet sein wie ' Mitgefühl', ' Stellungnahme für den A r b e i t e r ' , ' E r r e g u n g ' , 'Drohung', ' G e f ä h r lichkeit' . Das Merkmal c der Variante 5 tritt oft ganz zurück; im übrigen wirken die Merkmale mit wechselnder Intensität stets gleichzeitig. - bei K. Marx und F . Engels Die aus dem zeitgenössischen Sprachgebrauch erschlossenen fünf lexisch-semantischen Varianten sind auch bei Marx und Engels belegt. Daneben gibt es bei einzelnen Varianten Unterschiede gegenüber dem zeitgenössischen Sprachgebrauch. Die Variante 2 ' d e r mit der Hand im gesellschaftlichen Arbeitsprozeß Arbeitende' wird überwiegend im Hinblick auf den kapitalistischen Produktionsprozeß verwendet, so daß sich als modifizierte Variante ' d e r im kapitalistischen Produktionsprozeß A r g beitende' herausbildet (V 2M ): /daß die Nationalökonomie . . . den, der . . . rein von der Arbeit . . . lebt, nur als Arbeiter betrachtet. . . . ebensowohl, wie jedes P f e r d / (M 1844) MEW EB 1, 477. In den Frühwerken von Marx und Engels (vor der Herausbildung der terminologischen Bezeichnung ' A r b e i t s k r a f t ' ) wird / A r b e i t e r / mit ' A r b e i t s k r a f t ' gleichgesetzt: /daß der Arbeiter zur Ware und zur elendesten Ware herabsinkt/ (M 1844) MEW EB 1, 510. Bei dieser metonymischen Übertragung dient die Bezeichnung des Ganzen als Bezeichnung des Teils, und zwar eines von Marx und Engels entdeckten entscheidenden "Teils" des ' i m kapitalistischen Produktionsprozeß Arbeitenden' . Diese Gebrauchsweise wurde zwar von Marx und Engels später aufgegeben und hat sich nicht zu einer selbständigen lexisch-semantischen Variante entwickelt, sie hat aber sowohl die Variante 2M als auch die Variante 5M beeinflußt (V 2M und V 5M sind auf Grund der engen semantischen Beziehungen kaum voneinander abzugrenzen). Die Verwendung der Variante 5 ' d e r Angehörige der sich entwickelnden Arbeiterklass e ' knüpft an den Sprachgebrauch fortschrittlicher Autoren und der frühen Arbeiterbewegung an (s. S. 116 f . ) . Im Unterschied zum zeitgenössischen Schrifttum wird sie von Marx und Engels jedoch größtenteils in einem spezifischen Sinn verwendet: der jeweilige Kontext bringt den antagonistischen Klassengegensatz zum Ausdruck: / j e schärfer der Gegensatz zwischen Arbeitern und Kapitalisten, desto entwickelter, desto schärfer das proletarische Bewußtsein im Arbeiter/ (E 1845) MEW 2, 455. Das Merkmal a der Variante 5 ' d e r Arme, Elende' wird überwiegend im Sinne von ' d e r Eigentumslose, Klassengegner der Eigentümer an Produktionsmitteln' (aM) wirksam, z . B . : /und die ganze Gesellschaft in die beiden Klassen der Eigentümer und eigentumslosen Arbeiter zerfallen muß/ (M 1844) MEW EB 1, 510.

Elfriede Adelberg

119

Das Merkmal b ' d e r Abhängige, Ausgebeutete (Gegensatz: der Kapitalist)' wirkt, wie die Verwendung bei Marx und Engels zeigt, immer in Einheit mit dem Merkmal a M und ist außerdem durch die oben erwähnte Gebrauchsweise ' A r b e i t s k r a f t ' beeinflußt worden. Im jeweiligen Kontext wird insbesondere die ökonomische Abhängigkeit des Arbeiters behandelt, die Ausbeutung. Als Merkmal b M kann angesetzt werden ' d e r Ausgebeutete (Gegensatz: der Ausbeuter)', z. B.: /daß das Verhältnis zwischen Eigentümer und Arbeiter sich auf das nationalökonomische Verhältnis von Exploiteur und Exploitiertem reduziert/ (M 1844) MEW EB 1, 506. Das Merkmal c ' d e r Aufrührerische, Revolutionäre' wird von Marx und Engels speziell im Hinblick auf die proletarische Revolution verwendet, d. h. im Sinne von ' d e r proletarische Revolutionär' (cM): /Diese Strikes . . . sind der sicherste Beweis, daß die entscheidende Schlacht zwischen Proletariat und Bourgeoisie herannaht. Sie sind die Kriegsschule der Arbeiter/ (E 1845) MEW 2, 441. /Die Arbeiter fangen an, sich als Klasse . . . zu fühlen, sie werden gewahr, daß sie . . . zusammen eine Macht sind/ ebd. 349. "Engels . . . hat [ i n der ' Lage der arbeitenden Klasse in England' ] als e r s t e r gesagt, daß das Proletariat nicht nur eine leidende Klasse ist . . . . Das kämpfende P r o l e t a r i at . . . wird sich selbst helfen. . . . Anderseits wird der Sozialismus

nur dann eine

Macht sein, wenn er zum Ziel des politischen Kampfes der Arbeiterklasse geworden 7 i s t . " Der Angehörige dieser Klasse wird von Engels überwiegend mit / A r b e i t e r / (V 5 M ) bezeichnet, aber nicht ausschließlich: /So habe ich auch die Ausdrücke: Arbeiter (working men) und P r o l e t a r i e r , Arbeiterklasse, besitzlose Klasse und Proletariat fortwährend als gleichbedeutend gebraucht/ (E 1845) MEW 2,234. Zusammenfassend können aus dem Sprachgebrauch von Marx und Engels folgende lexisch-semantische Variantendes Lexems / A r b e i t e r / erschlossen werden: V1

der Arbeitende

V2

der mit der Hand im gesellschaftlichen Arbeitsprozeß Arbeitende

V 2M

der im kapitalistischen Produktionsprozeß Arbeitende

V3

der Ungelernte (Berufsbezeichnung)

V4

der zur Spezies Arbeiter Gehörende (Gattungsbezeichnung)

A

der Arme, Elende (Gegensatz: der Wohlhabende, Reiche)

b

der Abhängige, Dienende (Gegensatz: der Herrschende)

V 5M

der Angehörige der sich entwickelnden Arbeiterklasse (Klassenbezeichnung)

aM

der Eigentumslose, Klassengegner der Eigentümer an Produktionsmitteln

BM

der Ausgebeutete (Gegensatz: der Ausbeuter)

cM

der proletarische Revolutionär

Die Variante 4 ist nur vereinzelt bezeugt.

Bei der Verwendung der Variante 5 M, die

'Arbeiter'

120

bei Marx und Engels am häufigsten belegt ist, dominiert insgesamt die Intensität von B . Alle Varianten enthalten positiv wertende Konnotationen, 'Wertschätzung, Hochachtung' . Entsprechend dem Klassenstandpunkt von Marx und Engels ist die Variante 5 M mit emotionalen oder voluntativen Konnotationen verbunden, insbesondere ' Mitgefühl mit der Lage der Arbeiter', ' Parteinahme für die Arbeiter', ' Macht', 'Stärke'.

1 . 2 . /Lohnarbeiter/- im Sprachgebrauch der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts Übersetzungsbelege aus dem Englischen begegnen bereits seit 1776; für /those who g live by wages/ steht zuerst/Lohnarbeitsleute/, später/Lohnarbeiter/.

/Lohnarbeiter/

ist fast ausschließlich in ökonomischen Fachschriften bezeugt. Bei diesem Determinativkompositum wird das Grundwort durch das Bestimmungswort zusätzlich verdeutlicht, denn jeder /Arbeiter/ erhält /Lohn/ (lediglich bei /Arbeiter/ V 1 ist eine Ausnahme möglich; vgl. /Arbeiter/ V I - V 5 S . 115 ff.). Für /Lohnarbeiter/ sind zwei lexisch-semantische Varianten bezeugt. V1

der mit der Hand im gesellschaftlichen Arbeitsprozeß für Lohn Arbeitende

V2

(Grundwort /Arbeiter/ V 2): /Man ward Lohnarbeiter für einen . . . bestimmten Preis/ (1845) Wolff, Ges. Sehr. (1909) 43. der Angehörige der sich entwickelnden Arbeiterklasse (Grundwort /Arbeiter/ V 5, Intensität von b): /wo . . . das betriebsame Volk sich nun in Capitalisten und Lohnarbeiter theilt/ (1822) Lötz, Handb. Staatswirtschaftslehre 3, 66. /Einstellung . . . der Arbeit . . . , deren Nachteile die Klasse der Lohnarbeiter stets bitter empfindet/ (1843) Schulz, Bewegung 63.

Dieser Beleg erscheint bei Marx als Zitat (s. u.), so daß der Anknüpfungspunkt an den zeitgenössischen Sprachgebrauch deutlich wird. - bei K. Marx und F . Engels Außer in dem obenerwähnten Zitat*" ist /Lohnarbeiter/ vor 1848 nur einmal belegt, und zwar entsprechend der Variante 1 'der mit der Hand im gesellschaftlichen Arbeitsprozeß für Lohn Arbeitende': /Die kritische Kritik belehrt sie dagegen, daß sie . . . aufhören, Lohnarbeiter zu sein, . . . wenn sie im Gedanken aufhören, sich als Lohnarbeiter zu gelten, und dieser . . . Einbildung gemäß sich nicht mehr für ihre Person bezahlen lassen/ (M/E 1845) MEW 2,56.

Elfriede Adelberg

121

1.3. /Proletarier/ - im Sprachgebrauch der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts / P r o l e t a r i e r / , f r z . /prolétaire/ ( < l a t . /proletarius/; vgl. /proies/), "chez les anciens Romains . . . la . . . dernière classe du peuple", erhielt (im Französischen) seinen "modernen", "spezifisch politischen Inhalt"'''* von den Saint-Simonisten, wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts als Bezeichnung für die 'Angehörigen der sich entwikkelnden Arbeiterklasse' (vgl. /Arbeiter/ V 5) ins Deutsche entlehnt und ist nach 1830 als politisches Schlagwort vor allem in Schriften demokratisch-republikanischer Autoren und in Dokumenten der Arbeiterbewegung bezeugt. Die frühen Belege zeigen direkten oder indirekten'Einfluß des Französischen (vereinzelt französische Lautgestalt), z. B.: /Selbst den Proletarier [Jakobiner ] beschenket //Deine Huld mit dürren Rindchen Brodt/ (1812) in: Urania 308. /Vivre en travaillant ou mourir en combattant . . . : so heißt fortan . . . der Schlachtenruf des Proletairs/ (1835) Zs. "Der Geächtete" in: Bund Kommunisten (1970) 1,989. Häufig stehen neben / P r o l e t a r i e r / Erläuterungen oder synonymische Variationen, durch die insbesondere die Besitzlosigkeit betont wird, z. B.: / P r o l e t a r i e r ^ , liebe Freunde und Brüder! . . . Proletarier heißt auf deutsch ein armer Schlucker [Fußnote] / (1844) Basellandschaftl. Volksbl. Nr. 49, in: Bund Kommunisten (1970) 1, 202 (vgl. auch die Belege zu V 2). / P r o l e t a r i e r / hat auf Grund des ausgewerteten Materials drei Bedeutungen. V 1 ist Terminus der bürgerlichen Geschichtswissenschaft, V 2 Terminus der bürgerlichen Ökonomie (wie im Französischen). * * V1

der Angehörige der untersten Klasse im antiken Rom: /Unter den römischen Kaisern rief die Masse der damaligen Proletarier immer nach "Brod und Schauspielen " / (1847) Biedermann, Vorlesungen 72.

V2

der Angehörige der sich entwickelnden Arbeiterklasse:

In dieser Bedeutung ist / P r o l e t a r i e r / reich belegt. Es geht aber nur vereinzelt aus dem Kontext hervor, daß die ökonomische und politische Bedeutung des Proletariers als Klassenelement erkannt wird. Ein wesentliches Moment wird jedoch klar: die völlige Besitzlosigkeit des Proletariers. Er besitzt nichts als seine Arbeitskraft. Bei fortschrittlichen (demokratisch-republikanischen) Autoren - in der Fachliteratur vor allem bei W. Schulz - und im Schrifttum der frühen Arbeiterbewegung werden darüber hinaus Teilprobleme behandelt, insbesondere der Klassengegensatz zur Bourgeoisie, die Existenz des 'industriellen Lohnarbeiters' und die Möglichkeit der revolutionären Selbstbefreiung des Proletariats. Es lassen sich vier Merkmale feststellen: A

der Arme, Besitzlose (Gegensatz: der Besitzer von Vermögen, Land)

b

der Besitzer von Arbeitskraft

c

der Abhängige, der Lohnarbeiter

'Arbeiter'

122

der sich selbst Befreiende, der Revolutionär Von den stets gemeinsam wirkenden Merkmalen dominiert überwiegend a, z. B . : /das dermalige Mißverhältniß der Vermögenslosen oder Proletairs zu den Vermögen besitzenden Classen der Societät/ (1835) Baader, Mißverhältniß [Titel]. Die Dominanz der übrigen Merkmale zeigen folgende Beispiele: /bei dem Proletarier nimmt der [ G u t s - ] Herr das Wesentlichste des L e i bes, die Kraft, für sich/ (1826) Radowitz, Ges. Sehr. 4 (1853) 5. /den Mann der freien Arbeit, der keinen andern Besitz hatte als den seiner physischen Kraft, nannte man Proletarier, welches nichts Anderes heißt als Kinderbesitzer, wodurch dies dem alten römischen Staatsleben entnommene lateinische Wort am bezeichnetsten wiedergegeben werden könnte. . . . Dieser . . . durch die Schule der Saint-Simonisten wieder aufgenommene ' und verbreitete Name des Proletariers, der mit schneidendem Hohn die ganze gesellschaftliche Mißstellung dieser Volksklasse ausdrückt/ (1844) Mündt, Gesch. d. Gesellsch. 2142 (Dominanz von b). /Fälle, wo kleine Gewerbetreibende, . . . die schon an der Grenze des P r o letariats standen, zu wirklichen Proletariern herabsinken und ihre . . . Selbständigkeit gegen . . . die Unsicherheit eines Lohnerwerbs zu vertauschen genötigt sind/ (1847)»Biedermann,in: Quellensamml. z. Kulturgesch. 6 (1960) 91. /Proletarier sind die Fabrikarbeiter . . . , welche bei der großen Industrie . . . als Lohnarbeiter ihr Brod finden/ (1847) d e r s . , Vorlesungen 58 (Dominanz von c). /Einst werden die Mächtigen erwachen Die Flamme verzehrt . . . Paläste, und machtvoll schwingt sich . . . der Proletarier siegreicher Stahl !/ (1837) Jacoby, Klagen 105. /Besonders gefährlich zeigt sich aber die Erzeugung eines Fabrikpöbels in der gegenwärtigen Zeit . . . . Die Schaffung einer Masse von Fabrikproletariern wirft . . . einen verheerenden Krankheitsstoff in die Gesellschaft . . . . Die Tendenz des Umsturzes . . . findet in den Fabrikheloten die nahen V e r bündeten, . . . weil der Materialismus der politischen Stürmer dem Materialismus der Arbeiter verwandt ist, . . . [und] weil die Umwälzung in den Fabrikarbeitern ihre Schüler sucht und findet/ (1837) Buss, in: Quellensamml. z. Kulturgesch. 6 (1960) 69 f. (Dominanz von d; vgl. auch den Beleg "Der Geächtete" S. 121). Die dritte lexisch-semantische Variante hat sich dadurch herausgebildet, daß /Proletarier/ (V 2) auch diffamierend verwendet wurde; alle Merkmale der Variante 2 sind durch diese Verwendung nach und nach durch andere ersetzt worden. Der Ausgangspunkt dès pejorativen Gebrauchs ist im Klassenstandpunkt des Sprachbenutzers zu suchen: Für den Angehörigen der herrschenden Klasse war der ' B e s i t z l o s e ' (V 2, a) der ' H e r untergekommene' (V 3, b), infolge des herrschenden Bildungsprivilegs auch der 'Ungebildete' (V 3, a), und Vorbereitungen und Aktionen des Klassenkampfes stempelten den 12 Proletarier (V 2, d) zum 'Sittenlosen, Kriminellen' (V 3, c). E s ergibt sich folgende Merkmalsstruktur: V 3 a

der Lump der Ungebildete

Elfriede Adelberg B

der Heruntergekommene

c

der Sittenlose, Kriminelle

123

Die Intensität liegt überwiegend bei b, z. B.: /die durch Schuld und Unglück tiefgesunkenen Proletarier/ (1846) Sass, Berlin 121. Die folgenden Belege sind Beispiele für die Dominanz der übrigen Merkmale: / d a die Proletarier natürlich eine rohe, unwissende,unangenehme und undankbare Menschenclasse sind/ (1838) Bülau, in: Dt. Vierteljahrs Sehr. 1, 114 (Dominanz von a). /Soll in diese elende Proletarier [ F a b r i k a r b e i t e r ] kein Funke von Sittlichkeit gebracht werden können?/ (1836) Gans, Rückblicke 100 (Dominanz von c). Das Schimpfwort wird auch auf Nichtangehörige des Proletariats übertragen: / D a s Geschlecht der literarischen P r o l e t a r i e r , die ihre Namen vor solche Gesammtausgaben abgestandener Autoren setzen, . . . ist unsterblich/ (1839/40) Herwegh, Publizistik 93 K. (vgl. f r z . / l a plöbe/ 1 3). Als lexisch-semantische Varianten von / P r o l e t a r i e r / wurden festgestellt: V1

der Angehörige der untersten Klasse im antiken Rom (Terminus der b ü r gerlichen Geschichtswissenschaft)

V2

der Angehörige der sich entwickelnden Arbeiterklasse (Terminus der b ü r gerlichen Ökonomie)

A

der Arme, Besitzlose (Gegensatz: der Besitzer von Vermögen, Land)

b

der Besitzer von Arbeitskraft

c

der Abhängige, der Lohnarbeiter

d V3

der sich selbst Befreiende, der Revolutionär der Lump

a

der Ungebildete

B

der Heruntergekommene

c

der Sittenlose, Kriminelle

Die Hauptbedeutung ist V 2 mit der Intensität von a; das Merkmal d tritt oft ganz zurück. V 2 kann - dem Klassenstandpunkt des Sprachbenutzers entsprechend - mit w e r tenden oder emotionalen Konnotationen verbunden sein, z. B. 'Mitgefühl' (A, c), 'Stellungnahme für (bzw. gegen) den P r o l e t a r i e r ' (A - d), 'Befreiung' (d, Standpunkt der Arbeiterklasse), 'Drohung', 'Gefährlichkeit' (d). V 2 mit der Intensität von d und abwertender Konnotation steht in enger semantischer Beziehung zu V 3. Bei V 3 ist die Intensität von b am stärksten; diese Variante ist im Schrifttum der Arbeiterbewegung und ihr nahestehender Autoren nicht belegt. - bei K. Marx und F . Engels / P r o l e t a r i e r / ist vereinzelt 1842 belegt (Engels, Rhein. Ztg.), häufiger e r s t seit 1845 (" Die Lage der arbeitenden Klasse in England"). Wie bei den Zeitgenossen stehen

124

'Arbeiter'

neben / P r o l e t a r i e r / oft Erläuterungen oder synonymische Variationen, die das Lexem verdeutlichen, z. B . : /daß . . . der Chartismus seine Stärke in den working men, den Proletariern, hat/ (E 1843) MEW 1, 468. /Proudhon schreibt nicht nur im Interesse der Proletarier; er selbst ist Proletarier, Ouvrier/ (M/E 1845) MEW 2, 43. /Das Proletariat oder die Klasse der Proletarier ist, mit einem Worte, die arbeitende Klasse des neunzehnten Jahrhunderts/ (E 1B47) MEW 4, 363 (vgl. auch die folgenden Belege). / P r o l e t a r i e r / ist bei Marx und Engels nur in einer Bedeutung bezeugt (vgl. V 2 des zeitgenössischen Sprachgebrauchs, S.123); folgende Merkmale können festgestellt werden: VM

der Angehörige der sich entwickelnden Arbeiterklasse

aM

der Arme, Besitzlose

bM

der Besitzlose an Produktionsmitteln (Klassengegner: der Bourgeois, der Kapitalist)

cM

der Verkäufer seiner Arbeitskraft, der Lohnarbeiter

DM

der (siegreiche) proletarische Revolutionär

Bei den frühesten Belegen dominiert - wie im zeitgenössischen Sprachgebrauch (vgl. S. 121 f . ) - das Merkmal a: / [irländer ] die . . . keinen ganzen Rock am Leibe haben, echte Proletarier und Sansculotten/ (E 1843) MEW 1, 478. /auf den Armen, den Paria, den Proletarier fällt die ganze Wucht der gesetzlichen Barbarei/ (E lb44) ebd. 590. Im übrigen zeigen sich jedoch in der Verwendung des Lexems bei Marx und Engels gegenüber den Zeitgenossen Unterschiede, die zu Bedeutungsänderungen führen. Der j e weilige Kontext macht deutlich, daß / P r o l e t a r i e r / (über den zeitgenössischen Sprachgebrauch hinaus) determiniert wird. E s wird insbesondere der antagonistische Klassengegensatz zur Bourgeoisie herausgestellt (sozialer Aspekt), das Wesen des doppeltfreien Lohnarbeiters erkannt (ökonomischer Aspekt) und die historische Mission der A r beiterklasse aufgedeckt (politischer Aspekt): /Gegensatz von Proletariern und großen Kapitalisten/ (E 1845) MEW 2, 481. /den Proletarier, d. h. den, der ohne Kapital . . . rein von der Arbeit . . . lebt/ (M 1844) MEW E B 1, 477. /Die Klasse der gänzlich Besitzlosen, welche . . . den Bourgeois ihre A r beit . . . verkaufen . . . . Diese Klasse heißt die Klasse der Proletarier oder das Proletariat/ (E 1847) MEW 4, 365. /daß nur . . . ein radikaler Sturz der adligen und industriellen Aristokratie die materielle Lage der Proletarier verbessern kann/ (E 1842) MEW 1, 460. / [ d . Revolution] wird . . . direkt oder indirekt die politische Herrschaft des Proletariats herstellen. Direkt in England, wo die Proletarier schon die Majorität des Volks ausmachen/ (E 1847) MEW 4, UlT.

Elfriede Adelberg

125

Mit Ausnahme der frühesten Belege liegt die Intensität bei d. Die ausschließliche Betonung der Armut, Besitzlosigkeit wird zum Teil ausdrücklich zurückgewiesen und der politische Aspekt hervorgehoben: /Beck besingt . . . den "armen Mann", . . . nicht den stolzen, drohenden und revolutionären P r o l e t a r i e r / (E 1847) MEW 4, 207. Der pejorative Gebrauch des Klassengegners (vgl. V 3, S. 122 f.) wird scharf verurteilt 14 und der Unterschied zum / P a u p e r / , zum /Lumpenproletariat/, herausgestellt: /(Das ) ganze Proletariat besteht also [nach S t i r n e r ] aus ruinierten Bourgeois und ruinierten Proletariern, aus einer Kollektion von Lumpen . . . . E r identifiziert . . . Proletariat und Pauperismus, während . . . nur der aller Energie beraubte Proletarier ein Pauper ist. . . . [Bei Stirner verwandelt sich jedoch ] das Lumpenproletariat . . . in die "Arbeiter", die profanen P r o l e t a r i e r / (M/E 1845/6) MEW 3, 183; vgl. ebd. 214. / P r o l e t a r i e r / wird von Marx und Engels (vor Herausbildung der terminologischen Bezeichnung) nur in einer Bedeutung verwendet, die sich aus vier Merkmalen konstituiert: VM

der Angehörige der sich entwickelnden Arbeiterklasse

aM

der Arme, Besitzlose

bM

der Besitzlose an Produktionsmitteln (Klassengegner: der Bourgeois, der Kapitalist)

cM

der Verkäufer seiner Arbeitskraft, der Lohnarbeiter

DM

der (siegreiche) proletarische Revolutionär

Alle Merkmale werden - mit wechselnder Intensität - gleichzeitig wirksam. Insgesamt dominiert d; Intensität von a ist insbesondere in den frühesten Belegen (bis ca. 1845) festzustellen. Wie / A r b e i t e r / V 5M (vgl. S. 119 f.) i s t / P r o l e t a r i e r / m i t positiv wertenden und mit emotionalen oder voluntativen Konnotationen verbunden, die, dem Klassenstandpunkt von Marx und Engels entsprechend, neben ' Mitgefühl mit der Lage der P r o l e t a r i e r ' insbesondere ' Parteinahme für die P r o l e t a r i e r ' , ' S t ä r k e ' , 'Siegesgewißheit' zum Ausdruck bringen.

1 . 4 . Bemerkungen zur Frequenz im Sprachgebrauch bei K. Marx und F . Engels Insgesamt zeigen die Belege, daß Marx und Engels in den frühen Hauptwerken / A r b e i t e r / (V 5M)und / P r o l e t a r i e r / i m allgemeinen synonym verwenden (vgl. z. B. S. 119), aber e s gibt Unterschiede in der Frequenz: In der "Lage der arbeitenden Klasse in England" und in der "Heiligen Familie" ist / A r b e i t e r / weit häufiger vertreten als / P r o l e t a r i e r / , in der "Deutschen Ideologie", dem grundlegenden gemeinsamen Werk, und in den programmatischen "Grundsätzen des Kommunismus", der Vorstufe zum "Manifest", überwiegt / P r o l e t a r i e r / . Die Auswertung der restlichen frühen Belege ergibt, daß in den ökonomischen Schriften fast nur / A r b e i t e r / steht, in den übrigen (meist journalistischen) Arbeiten dagegen / P r o l e t a r i e r / vorherrscht. Nach diesem Befund wird

' Arbeiter'

126

/Proletarier/ einerseits in den Werken, in denen die Spezifität der Angehörigen der Arbeiterklasse des 19. Jahrhunderts erarbeitet wird, bevorzugt, andererseits dient es als politisches Schlagwort im Klassenkampf (vgl. auch Ladendorf 11 ). Auf den Einfluß des Englischen (/working man : Arbeiter/)

bzw. des Französischen (/prolétaire

Protetarier/) sei nur kurz verwiesen. Außerdem muß noch erwähnt werden, daß Marx und Engels im Briefwechsel untereinander fast ausschließlich /Arbeiter/ benutzen. Für sie persönlich scheint eine Unterscheidung nicht erforderlich zu sein, sie wissen, daß ;n jedem Fall der 'Angehörige der sich entwickelnden Arbeiterklasse' gemeint ist.

2. Die terminologischen Bezeichnungen bei K. Marx und F. Engels Seit dem "Kommunistischen Manifest", das als Geburtsurkunde des wissenschaftlichen Kommunismus und erstes Parteiprogramm in der internationalen Arbeiterbewegung den Beginn der internationalen kommunistischen Bewegung markiert, werden /Arbeiter, Lohnarbeiter/ und /Proletarier/ eindeutig terminologisch (im Sinne der Definition, s. S. 115) verwendet. Die terminologische Bedeutung konstituiert sich aus folgenden Merkmalen: Arbeiter Terminus (T): der Angehörige der Arbeiterklasse

Lohnarbeiter (Intensität von b) i

Proletarier (Intensität von c)

T V 1 der im kapitalistischen Produktionsprozeß Arbeitende (Klassengegner herrschenden Klasse) a

der Besitzlose an Produktionsmitteln . (Gegensatz: der kapitalistische Besitzer der Produktionsmittel)

b

der (doppeltfreie) Verkäufer seiner Arbeitskraft, der Ausgebeutete (Gegen satz: der kapitalistische Ausbeuter)

c

der Errichter der Diktatur des Proletariats

T V 2 der im sozialistischen Produktionsprozeß Arbeitende (Angehöriger der herrschenden Klasse) a

der Besitzer der Produktionsmittel

b

der von Ausbeutung Befreite

c

der Erbauer des Sozialismus

*s

1

Elfriede Adelberg

127

/Arbeiter, Lohnarbeiter, Proletarier/ sind trotz der übereinstimmenden Bedeutungsmerkmale, die dem Standpunkt der Arbeiterklasse entsprechende Wertungen enthalten, nur bedingt synonym; sie unterscheiden sich durch die Intensität der Merkmale: /Lohnarbeiter/ weist immer Intensität von b auf, /Proletarier/ von c. Die synonymischen Variationen zeigen den Terminus von verschiedenen Seiten, heben unterschiedliche Merkmale (T V 1 b, T V 1 c) hervor

:

/Aber die Bourgeoisie hat nicht nur die Waffen geschmiedet, die ihr den Tod bringen; sie hat auch die Männer gezeugt, die diese Waffen führen werden die modernen Arbeiter, die Proletarier . . . Diese Arbeiter, die sich stückweis verkaufen müssen, sind eine Ware wie jeder andere Handelsartikel . . . . Schafft aber die Lohnarbeit, die Arbeit des Proletariers ihm Eigentum? . . . Was der Lohnarbeiter durch seine Tätigkeit sich aneignet, reicht bloß dazu hin, um sein nacktes Leben wieder zu erzeugen/ (M/E 1848) MEW 4, 468476 (Manifest). Wie bereits erwähnt (vgl. S. 118ff.), knüpft die terminologische Fixierung an spezifische allgemeinsprachliche Verwendungen an, die den /Arbeiter, Lohnarbeiter, Proletarier/ als Angehörigen der sich entwickelnden Arbeiterklasse charakterisieren. Der vorterminologische Gebrauch von /Arbeiter/ V 5M enthält Anknüpfungspunkte für alle Merkmale der terminologischen Bezeichnung (und hat nicht mehr Merkmale als diese); /Arbeiter/V 2Mgehtals Merkmal in den Terminus ein. Die terminologische Bezeichnung /Lohnarbeiter/ knüpft an den vorterminologischen Gebrauch V 5M (Dominanz B) des Grundwortes an. Das Bestimmungswort hebt das Merkmal B besonders nachdrücklich h.ervor; darum wird /Lohnarbeiter/ gegenüber /Arbeiter/ (V 5BM) als Terminus bevorzugt, wenn diese Hervorhebung ausgedrückt werden soll. Die Merkmale bM, cM, DM des vorterminologischen Gebrauchs von /Proletarier/ sind Anknüpfungspunkte für die Merkmale a, b, c der terminologischen Bezeichnung. Das Merkmal aM des vorterminologischen Gebrauchs ('der Arme, Besitzlose') ist nicht Merkmal des Terminus. Im vorterminologischen Gebrauch dominiert das Merkmal DM; daher wird /Proletarier/ gegenüber /Arbeiter/ (V 5cM) als Terminus bevorzugt, wenn die Wirksamkeit dieses Merkmals verstärkt werden soll. Diesen Sachverhalt kann man folgendermaßen schematisch darstellen: Anknüpfung des Terminus 'Angehöriger der Arbeiterklasse' /Arbeiter/ T V1

V 2M

a

V 5aM

b

V 5BM

c

V 5cM

an den vorterminologischen Gebrauch bei Marx und Engels (vgl. S. 119 f . , 125) von /Lohnarbeiter/ Grundwort: Arbeiter V 2M

_

Grundwort: Arbeiter V 5BM -

/Proletarier/ VM bM cM DM

'Arbeiter'

128

2.1.

/Arbeiter/

Die terminologische Bezeichnung ist durch die allgemeinsprachliche Hauptbedeutung 16 ( V 2, s . S.117 ) des "Nichtterminus" motiviert. Der 'Angehörige der A r b e i t e r k l a s s e ' ist (und bleibt auch nach dem Sieg, s . T V 2) ein ' i m gesellschaftlichen A r b e i t s prozeß A r b e i t e n d e r ' : / I n der kommunistischen Gesellschaft ist die aufgehäufte Arbeit nur ein Mittel, um den Lebensprozeß der Arbeiter zu e r w e i t e r n / (M/E 1848) MEW 4, 476. /Zustände, wo dem Arbeiter die Produktionsmittel gehören/ (M um 1870) MEW 25, 186. Der nichtterminologische Gebrauch bleibt nach der terminologischen Fixierung erhalten (auch als Gattungsbezeichnung - V 4): /Die Kosten, die der Arbeiter verursacht, beschränken sich daher fast nur auf die Lebensmittel, die er zu seinem Unterhalt und zur Fortpflanzung s e i ner Race b e d a r f / (M/E 1848) MEW 4, 469. /Die Arbeiter allgemein, also als Arbeiter (was der Einzelne Arbeiter im Unterschied von seinem genus tut . . . , kann . . . nicht als Regel existieren . . . ) / (M 1857/8) Grundrisse (1974) 196 F a k s . /Seidenweber, Nähterinnen . . . und andre A r b e i t e r / (M 1864) MEW 16, 6. Der Einfluß des nichtterminologischen Gebrauchs läßt den terminologischen nicht i m mer scharf, präzise erscheinen: /Die Betätigung der Arbeitskraft, die Arbeit, ist aber die eigne Lebenstätigkeit des A r b e i t e r s / ( M 1849) MEW 6, 400. /In Deutschland macht sich in unsrer P a r t e i . . . unter den F ü h r e r n (höherklassigen und "Arbeitern") ein fauler Geist geltend. . . . Die Arbeiter selbst, wenn sie . . . das Arbeiten aufgeben und Literaten von Profession werden, stiften stets "theoretisch" Unheil an/ (M 1877) MEW 34, 303. Durch das Nebeneinander von Terminus und Nichtterminus ist die Frage, ob t e r m i n o logische Verwendung vorliegt, nur auf Grund des Kontextes eindeutig zu beantworten, z . B . wenn / A r b e i t e r / neben synonymischen Variationen oder im Zusammenhang mit anderen Elementen des terminologischen Systems (/Arbeit, Lohnarbeit, Ausbeutung, Klassenkampf, Revolution/ usw.) steht: / d i e Ausbeutung des A r b e i t e r s durch den Fabrikanten/ (M/E 1848) MEW 4, 469. / i m m e r mehr nehmen die Kollisionen zwischen dem einzelnen Arbeiter und dem einzelnen Bourgeois den Charakter von Kollisionen zweier Klassen an. Die Arbeiter beginnen damit, Koalitionen gegen die Bourgeois zu bilden/ ebd.Tnr Sehr oft wird die Verwendung als terminologische Bezeichnung durch Adjektive verdeutlicht, insbesondere in den bis etwa 1860 entstandenen Werken: / d i e modernen Arbeiter , die P r o l e t a r i e r / (M/E 1848) MEW 4,468 (bei diesem Beleg wird die Wortgruppe / m o d e r n e r A r b e i t e r / durch die Apposition

Elfriede Adelberg

129

/Proletarier/ zusätzlich verdeutlicht). /Der freie Arbeiter/ (M 1849) MEW 6, 401. /Die revolutionären Arbeiter/ (E 1895) MEW 22, 518. Die verschiedenen Gruppierungen innerhalb der Arbeiterklasse werden ebenfalls meist durch Adjektive gekennzeichnet: /der . . . industriellen Arbeiter/ (E 1848) MEW 5, 108. /der ländlichen Arbeiter/ (M um 1870) MEW 25, 627. /der kommerzielle Arbeiter/ ebd. 311. Im Unterschied zum Simplex ist die terminologische Bedeutung leicht zu erkennen, wenn /Arbeiter/ als Bestimmungsglied von Determinativkomposita verwendet wird. Das meist ebenfalls terminologische Grundwort stellt die Systembeziehung her und macht die terminologische Verwendung von /Arbeiter/ deutlich, z. B.: /Arbeiterparteien/ (M/E 1848) MEW 4, 474 (Manifest). /Arbeiterrevolution/ ebd. 481. /Diktatur der Arbeiterklasse!/ (M 1850) MEW 7,33

(Klassenk. in F r k r . ) . 17

/in der Internationalen Arbeiterassoziation/ (M 1868) MEW 16, 318. /Arbeiterbildungsverein/ (E 1870) Die I. Internationale Dok. u. Materialien (1964) 557. Derartige motivierte Komposita, synonymische Variationen oder andere Elemente des sich herausbildenden terminologischen Systems werden - durch ständigen, engen kontextualen Zusammenhang mit /Arbeiter/ - bei der Entwicklung und Durchsetzung der terminologischen Bezeichnung mitgewirkt haben: /Mittel der Ausbeutung gegen den Arbeiter . . . , . . . Lohnarbeit/ (M 1864) MEW 16, 11 (Inauguraladresse). /Ich beschränkte es [ Programm] absichtlich auf solche Punkte, die . . . den Bedürfnissen des Klassenkampfes und der Organisation der Arbeiter zur Klasse unmittelbar . . . Anstoß geben/ (M 1866) MEW 31, 529. /Das damalige [ 1848/9] Berlin . . . mit seiner kaum entstehenden Bour geoisie, seinem . . . kriechenden Kleinbürgertum, seinen noch total unentwickelten Arbeitern/ (E 18b4) MEW 21, 19. Ab etwa 1860 - als / P r o l e t a r i e r / bei Marx und Engels zurücktritt (s. S. 131) - wird /Arbeiter/ zur bevorzugten terminologischen Bezeichnung. Die Abgrenzung des Bedeutungsumfanges im Sinne der Definition, die Unabhängigkeit vom Kontext (in semantischer Hinsicht), läßt die terminologische Fixierung eindeutig erkennen: / zwei Artikel über Dein Buch [Kapital] . . . , ganz populär für die Arbeiter/ (E 1868) MEW 32, 41. /Der theoretische Standpunkt der deutschen Arbeiter ist dem proudhonistischen um fünfzig Jahre voraus/ (E 1872/3) MEW 18, 232. /unsere Arbeiter . . . sandten August Bebel in den ersten . . . Reichstag. Und von dem Tage an haben sie das Wahlrecht benutzt in einer Weise, . . . die den Arbeitern aller Länder als Vorbild gedient hat/ (E 1895) MEW 22, 518.

130 2.2.

' Arbeiter' /Lohnarbeiter/

/Lohnarbeiter/, motiviert durch/Lohnarbeit/, ist überwiegend in Schriften ökonomischen Inhalts bezeugt. Die terminologische Bezeichnung steht immer im Hinblick auf Gesellschaftssysteme mit antagonistischem Klassencharakter, überwiegend für den 'doppeltfreien Lohnarbeiter' im Kapitalismus, der als Verkäufer frei über seine Arbeitskraft, über seine Person verfügt und frei von Besitz an Produktionsmitteln ist: /Die kapitalistische Form setzt . . . den freien Lohnarbeiter voraus, der seine Arbeitskraft dem Kapital verkauft/ (M 1867) MEW 23, 354. /indem der russische Landarbeiter . . . noch nicht völlig von seinen Produktionsmitteln getrennt, daher noch kein "freier Lohnarbeiter" im vollen Sinne des Worts ist/ (M um 1870) MEW 24, 39. /Ein Produktionssystem, gegründet auf der Ausbeutung der Lohnarbeit, ein System, worin der Reichtum wächst im Verhältnis zur Zahl der angewandten und ausgebeuteten Arbeiter, solch ein System kann nicht bestehen, ohne die Klasse der Lohnarbeiter zu vermehren und damit einen Klassengegensatz zu steigern, an dem eines Tages das ganze System zugrunde gehen muß/ (E 1888) MEW 21, 375. Durch die Verwendung von /Lohnarbeiter/ werden die Merkmale besonders hervorgehoben, die die ökonomische Stellung des 'Angehörigen der Arbeiterklasse' im kapitalistischen Produktionsprozeß kennzeichnen (vgl. S. 126 f . ) . Der kontextualeZusammenhang zeigt bei fast allen Belegen die Fachbezogenheit des Terminus, seine Zuordnung zu anderen Elementen des terminologischen Gesamtsystems des Marxismus: /Unter "Proletarier" ist ökonomisch nichts zu verstehn als der Lohnarbe i ter, der "Kapital" produziert/ (M 1867) MEW 23, 642, Anm. 70. /wie es . . . für den Lohnarbeiter ein gleichgültiger Umstand ist, in welcher Profitrate das ihm abgepreßte Quantum Mehrwert sich ausdrückt/ (M um 1870) MEW 25, 186. /Ausbeutung der Klasse der Lohnarbeiter durch die Klasse der Kapitalisten/ (E 1878) MEW 20, 180. Nur vereinzelt ist /Lohnarbeiter/ ohne diese Fachbezogenheit als terminologische Bezeichnung belegt: / d i e Abweisung aller Sektionen, die nicht mindestens zwei Drittel Lohnarbeiter zählten/ (E 1872) MEW 18, 101. Ebenfalls vereinzelt ist die allgemeinsprachliche Bedeutung 'der mit der Hand im gesellschaftlichen Arbeitsprozeß für Lohn Arbeitende' (V 1, s. S. 120) bezeugt (auch als Gattungsbezeichnung): /der Sklave, der Leibeigene, der Lohnarbeiter erhalten alle ein Quantum Nahrung, das ihnen möglich macht als Sklave, als Leibeigener, als Lohnarbeiter zu existieren/ (M 1857/8) Grundrisse (1974) 9, Einl. Faks. /In der Schneiderei . . . erhalten Zwischenanwender das Rohmaterial . . . und gruppieren in . . . "Dachstuben" . . . Lohnarbeiter um Nähmaschinen/ (M 1867) MEW 23, 497.

Elfriede Adelberg

131

/Lohnarbeiter/ wird nur selten durch synonymische Variationen verdeutlicht: / a u s Lohnarbeitern (wages labourers)/ (M 1870) MEW 16, 415. /Die Arbeiter bleiben Lohnarbeiter, P r o l e t a r i e r / (E lb78) MEW 20, 260. Etwas häufiger ist die Verbindung mit Adjektiven, insbesondere zur Bezeichnung einzelner Gruppen von /Lohnarbeitern/: / d e s industriellen Lohnarbeiters/ (M 1850) MEW 7, 20. /den modernen Lohnarbeiter/ (M 1872) MEW 23, 61 (Anm.). / f ü r den stadtischen - . . . nicht den ländlichen! - Lohnarbeiter/ (M 1867) ebd. 270 (Anm ).

/Anwendung merkantiler Lohnarbeiter/ (M um 1870) MEW 25, 300.

2.3.

/Proletarier/

/ P r o l e t a r i e r / ist in den bis etwa 1860 entstandenen Werken gut bezeugt, dann geht der Gebrauch zurück. Die terminologische Bezeichnung steht fast immer im Zusammenhang mit den politischen Zielen, mit der historischen Mission der Arbeiterklasse und tritt daher überwiegend in politisch-agitatorischen, programmatischen und historischen Schriften auf (weniger häufig in ökonomischen Werken): /Diese Organisation der Proletarier zur Klasse, und damit zur politischen Partei, . . . erzwingt die Anerkennung einzelner Interessen der Arbeiter in Gesetzesform/ (M/E lb4b) MEW 4, 471. Im Unterschied zum allgemeinsprachlichen Gebrauch (vgl. S. 123) gilt der terminologische nur für den 'doppeltfreien Lohnarbeiter' im Kapitalismus: /Der moderne Arbeiter, der P r o l e t a r i e r , ist ein Produkt der großen industriellen Revolution/ (E 1865) MEW 16, 66. /Unter "Proletarier" ist ökonomisch nichts zu verstehn als der Lohnarbeit e r , der "Kapital" produziert/ (M 1867) MEW 23, 642, Anm. 70. / P r o l e t a r i e r / dient vor allem als politisches Schlagwort und ist unmittelbar in den Klassenkampf einbezogen; Wertungen und Emotionen spielen daher eine große Rolle. Die Belege bei Marx und Engels zeigen, daß - ihrem Klassenstandpunkt entsprechend / P r o l e t a r i e r / stets positiv wertende Bedeutungsmerkmale enthält und mit emotionalen oder voluntativen Konnotationen verbunden ist, die ' S t ä r k e ' , ' Siege sgewißheit' ausdrücken: / d a s Schauspiel des heutigen Tages [ l . M a i ] wird den Kapitalisten . . . die Augen darüber öffnen, daß heute die Proletarier aller Länder in der Tat v e r einigt sind/ (E 1890) MEW 4, 586. / [ M a r x ] der schon 1848 den Ruf in die Welt geschleudert: Proletarier a l ler Länder, vereinigt e u c h ! / (E 1892) MEW 22, 341. Die allgemeinsprachliche Hauptbedeutung (V 2, Intensitäta ' d e r Arme, B e s i t z l o s e ' , s . S. 123 ); vgl. VM a, S. 125) wir fast immer assoziert:

'Arbeiter'

132

/Der Arbeiter, der ein Häuschen im Wert von tausend Talern besitzt, ist allerdings kein Proletarier mehr/ (E 1872) MEW 18, 240. Wenn aber ausschließlich die Armut, Verelendung und Hungersnot des / P r o l e t a r i e r s / bezeichnet werden soll, tritt z. B. /Pauper/ auf: /Das ewige Hin- und Hergerissensein [des Kleinbürgertums] zwischen der Hoffnung, in die Reihen der wohlhabenderen Klasse aufzusteigen, und der Furcht, auf das Niveau von Proletariern oder gar Paupers hinabgedrückt zu werden/ (E 1851) MEW b , " ! ^ Als Nichtterminus und im Hinblick auf den römischen Sklavenhalterstaat ist /Proletar i e r / bei Marx und Engels nur ganz vereinzelt belegt: /daß der größte Teil des ungarischen Adels, gerade wie der größte Teil des polnischen Adels, aus bloßen Proletariern besteht, deren aristokratisches Privilegium sich darauf beschränkt, daß man ihnen keine Stockprügel applizieren darf/ (E 1849) MEW 6, 304. /Die sechste Klasse, die Proletarier [im antiken Rom] / (E 1884) MEW 21, 125. Diese allgemeinsprachlichen (auch pejorativen) Bedeutungen und Verwendungsarten des zeitgenössischen Sprachgebrauchs haben auf die terminologische Bezeichnung eingewirkt, so daß sie manchmal unscharf erscheint, die Exaktheit im Sinne der Definition einbüßt: /Proletarier aller Stufen, vom entschiedenen, revolutionären Arbeiter bis zum schnapstrunkenen Karrenbinder/ (E 1850) MEW 7, 121 (vgl.: /Das Lumpenproletariat, diese passive Verfaulung der untersten Schichten der alten Gesellschaft/ [M/E 184b] MEW 4, 472). /daß unsre Proletarier auch nach wie vor durch zahlreiche Proles ihrem Namen Ehre machen werden/ (E 1883) MEW 35, 432. Das wird insbesondere an Belegen deutlich, die Texten entstammen, in denen sich Marx und Engels mit Gegnern auseinandersetzen, die die terminologische Bezeichnung in bewüßt nichtterminologischer Weise verwenden, sie entterminologisieren

18

:

/Dieselbe spießbürgerliche Gemeinheit, die den Proletarier stets nur als wüsten, verkommenen Lumpen kennt/ (M/E 1850) MEW 7, 199. /Wie von den Demokraten das Wort "Volk", ist jetzt das Wort "Proletariat" als bloße Phrase gebraucht worden. Um diese Phrase durchzuführen, müßte man alle Kleinbürger als Proletarier erklären/ (M 1850) MEW 8, 598. /Du [Kautsky] sprichst von Proletariern, der Ausdruck schielt [ e s müßte Vorproletariat heißen], und ziehst die Weber hinein, deren Wichtigkeit Du ganz richtig schilderst - aber erst seitdem es deklassierte . . . Weberknechte gab, . . . kannst Du diese zu Deinem "Proletariat" rechnen/ (E 1895) MEW 39, 483. Um die terminologische Verwendung eindeutig von den allgemeinsprachlichen Bedeutungen und Verwendungsarten abzugrenzen, werden mitunter bestimmte Merkmale durch Adjektive besonders hervorgehoben: /die modernen Proletarier/ (M/E 1848) MEW 4,471. /vogelfreie Proletarier/ (M 1867) MEW 23, 744.

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/ [Handwerkergesellen] die selbst noch nicht einmal vollgültige Proletarier waren, sondern nur ein im Übergang ins moderne Proletariat begriffener Anhang des Kleinbürgertums/ (E 1885) MEW 21, 211. /die ersten revolutionären Proletarier/ ebd. 208. Im kontextualen Zusammenhang mit synonymischen Variationen oder anderen Elementen der sich entwickelnden marxistischen Terminologie ist die terminologische Verwendung von / P r o l e t a r i e r / offensichtlich: / [Die Manier, daß der Fabrikant eigentlich nur Kaufmann ist, ] verwandelt sie [die unmittelbaren Produzenten] in bloße Lohnarbeiter und Proletarier unter schlechtem Bedingungen, als die direkt unter das Kapital subsumierten, und eignet sich ihre Mehrarbeit auf Basis der alten Produktionsweise an/ (M um 1870) MEW 25, 347. / J e mehr Produktivkräfte er [Staat] in sein Eigentum übernimmt, desto mehr wird er wirklicher Gesamtkapitalist, desto mehr Staatsbürger beutet er aus. Die Arbeiter bleiben Lohnarbeiter, Proletarier/ (E 1878) MEW 20, 260. Auch bei Determinativkomposita, die / P r o l e t a r i e r / als Bestimmungswort aufweisen, ist die terminologische Verwendung eindeutig: /Proletarier-Bewegung/ (E 1858) MEW 29, 358. /Proletariermassen/ (E 1878) MEW 20, 255. /Proletarierliteratur/ (E 1886) MEW 36, 458. /Proletarierblut/ (E 1892) MEW 38, 298. Sehr zahlreich sind die Belege, in denen / P r o l e t a r i e r / unabhängig vom Kontext (in semantischer Hinsicht) im Sinne der Definition steht: /Erstens besteht "das arbeitende Volk" in Deutschland zur Majorität aus Bauern und nicht aus Proletariern/ (M 1875) MEW 19, 27. /Man droht uns mit einem Kriege, in dem . . . die französischen und deutschen Proletarier, gezwungen sein werden, sich gegenseitig abzuschlachten/ (E 1887) MEW 21, 344. / s o stehn nach ihm [Tkatschow] die russischen Bauern als geborne Kommunisten doch unendlich näher zum Sozialismus . . . als die armen, gottverlassenen westeuropäischen Proletarier/ (E 1894) MEW 22, 422.

2. 4. Bemerkungen zur Frequenz im Sprachgebrauch Ähnlich wie vor der Ausbildung des marxistischen Terminus (s. S. 125 f.)gibtes auch nach der terminologischen Fixierung in den Hauptwerken von Marx und Engels bei der Verwendung der synonymischen Variationen Unterschiede in der Frequenz, die überwiegend thematisch bedingt sind. Im Gegensatz zu den Frühschriften ist aber nach Ausbilding des Terminus in a l l e n Werken (nicht nur in den ökonomischen) /Arbeiter/ die bei weitem häufigere Bezeichnung. Es wurde z . B . erwähnt, daß in den "Grundsätzen des

'Arbeiter'

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Kommunismus", der Vorstufe zum "Manifest", /Proletarier/ überwiegt; in genau umgekehrtem Verhältnis (1 : 2) überwiegt im "Manifest" /Arbeiter/. Im Vergleich mit den nichtprogrammatischen Schriften dieses Zeitraums ist der Anteil der /Proletarier/Belege (^/3) im "Manifest" jedoch bezeichnenderweise sehr groß. Bei der Erarbeitung des Marxismus ist die Arbeitsteilung zwischen Marx und Engels wichtig. Diese Arbeitsteilung ist ebenfalls thematisch bedingt, betrifft aber auch in besonderem Maße die Stilebene: "Marx arbeitete an der Untersuchung der komplizierten Erscheinungen der kapitalistischen Wirtschaft. Engels beleuchtete in außerordentlich flüssig geschriebenen, oft polemischen Arbeiten die allgemeinsten wissenschaftlichen 19 Fragen . . . im Geiste der . . . Theorie von Marx." Daher ergeben sich Unterschiede in der Verwendung der synonymischen Variationen, wenn man das Werk von Marx und Engels gesondert betrachtet. Im Gesamtwerk von Marx finden sich nur selten /Proletarier/-Belege (weniger als 1 % ) , in den "Grundrissen" und im dritten Band des "Kapital" wird /Proletarier/ überhaupt nicht verwendet. Während /Lohnarbeiter/ vor Ausbildung des Terminus bei Marx und 'Engels nur vereinzelt bezeugt ist (s. S. 120), wird die terminologische Bezeichnung z. B . bei der Darstellung des Gesamtprozesses der kapitalistischen Produktion im dritten Band des "Kapital" besonders häufig verwendet. In den wissenschaftlichen Abhandlungen von Engels, insbesondere in seinen Arbeiten historischen Inhalts und in den journalistisch-agitatorischen Schriften ist /Proletarier/ (z. T . auch /Lohnarbeiter/) relativ oft vertreten, z. B . in "Anti-Dühring", "Die Ent- • wicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft", "Zur Wohnungsfrage". Wie im Zeitraum vor Ausbildung des Terminus benutzen Marx und Engels im Briefwechsel untereinander fast ausschließlich /Arbeiter/; /Proletarier/ ist kaum belegt 20 und /Lohnarbeiter/ nur vereinzelt im indirekten Zitat .

3. Ergebnisse und Schlußfolgerungen Marx und Engels haben "weder die Existenz der Klassen in der modernen Gesellschaft noch ihren Kampf unter sich entdeckt"

21

. Bei der Auseinandersetzung mit dem bereits

"Entdeckten" verwendeten sie zur Bezeichnung der Angehörigen "der Klassen in der modernen Gesellschaft" dasselbe Wortgut wie ihre Vorgänger, und zwar Bezeichnungen, die relativ fest im allgemeinsprachlichen Wortschatz ihrer Zeit verankert waren (vgl. 1.); das im Hinblick auf die politische Ökonomie Gesagte kann auf Grund der B e lege verallgemeinert werden: "Wir werden möglichst einfach 22 und populär darzustellen suchen . . . . Wir wollen den Arbeitern verständlich sein."

Die Untersuchung der B e -

zeichnungen für den Begriff 'Arbeiter' hat bestätigt, daß "sich zwar in den frühen

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Werken von Karl Marx und Friedrich Engels, insbesondere in den Schriften aus den Jahren 1843 bis 1846, in mancher Hinsicht - so vor allem in der Terminologie - noch Anklänge an die bisherige Anschauungsweise [finden], die aber nicht den revolutionä23 ren Gedankeninhalt dieser Werke berühren"; denn Marx und Engels blieben nicht bei der kritischen Auseinandersetzung mit dem zeitgenössischen Schrifttum stehen: "Was ich neu tat, war 1. nachzuweisen, daß die Existenz der Klassen bloß an bestimmte historische Entwicklungsphasen der Produktion gebunden ist; 2. daß der Klassenkampf notwendig zur Diktatur des Proletariats führt; 3. daß diese Diktatur selbst nur den 21 Ubergang zur Aufhebung aller Klassen und zu einer klassenlosen Gesellschaft bildet." Die frühen Belege zeigen, wieMarxdas, was er "neu tat", ausarbeitete: die wissenschaftliche Klassentheorie; es wird deutlich (vgl. die Beleges. 118f.; 120; 124f.), daß der Begriff ' Angehöriger der Arbeiterklasse' Element des Begriffssystems des Marxismus ist, daß er durch andere Bestandteile dieses Systems bedingt ist und sich in untrennbarer Einheit mit ihnen entwickelt. Mit der Entwicklung des Begriffssystems bilden sich - in ständiger Wechselwirkung - die sprachlichen Mittel zur Bezeichnung der Begriffe heraus: die Elemente des terminologischen Gesamtsystems des Marxismus. Der Begriff im Sinne der Definition wird in den Werken von Marx und Engels terminologisch durch/Arbeiter, Lohnarbeiter/und/Proletarier/bezeichnet. Diese syn15 onymischen Variationen zeigen den Begriff von verschiedenen Seiten , sind demnach vorwiegend an bestimmte kontextuale Zusammenhänge - d. h. an Schriften zu einem jeweils gleichen Thema - gebunden und weisen entsprechend der Herausbildung und Entwicklung des marxistischen Begriffs- und terminologischen Gesamtsystems unterschiedliche Frequenzen auf (vgl. S. 125 f.; 133 f . ) . Engels hat 1845 in der "Lage der arbeitenden Klasse in England" nach seinen eigenen Worten "Arbeiter (working men) und Proletarier . . . fortwährend als gleichbedeutend gebraucht" (vgl. BelegS. 119), demgegenüber werden 1878 im "Anti-Dühring" Bedeutungsnuancen sichtbar: "Die Arbeiter bleiben Lohnarbeiter, Proletarier" (vgl. Beleg S. 133). 24 Wie bei diesem Beleg läßt die Auswertung des Materials insgesamt erkennen, daß durch die Verwendung von /Proletarier/ der politisch-historische Aspekt des Terminus hervorgehoben wird, durch /Lohnarbeiter/ der sozialökonomi25 sehe Aspekt. /Proletarier/ wird in den frühen Werken von Marx und Engels (bis etwa 1860) als terminologische Bezeichnung bevorzugt, insbesondere in den programmatischen und agitatorischen Schriften dieses Zeitraums. /Lohnarbeiter/ im Sinne von 'doppeltfreier Lohnarbeiter' bleibt (auch nach 1860) im wesentlichen auf den speziell politökonomischen Bereich beschränkt. /Arbeiter/umfaßt alle Aspekte gleichermaßen (vgl. S. 126) und löst /Proletarier/ als terminologische Hauptbezeichnung ab. Es muß versucht werden die Frage zu beantworten, welche Ursachen dazu geführt haben, daß Marx und Engels nach 1860 /Arbeiter/ bevorzugen, und zwar auch in pro-

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'Arbeiter'

grammatischen und agitatorischen Schriften. Zweifellos hat die Verlagerung des thematischen Schwerpunktes eine Rolle gespielt (s. S. 133 f. ): Seit den fünfziger Jahrenentstehen die großen ökonomischen Werke von Marx, und in den ökonomischen Schriften überwiegt von Anfang an /Arbeiter/. Diese Feststellung allein reicht aber nicht zur Begründung dafür aus, daß / P r o l e t a r i e r / seit der Herausbildung des Terminus auch in programmatisch-agitatorischen Schriften immer seltener wird. Es ist nach semantischen Gründen zu fragen. Hier muß an erster Stelle die feste allgemeinsprachliche Bedeutung 'Armer, Besitzloser' genannt werden, die den Nichtterminus und den Terminus der bürgerlichen Ökonomie charakterisiert, und zwar nicht nur im Hinblick auf die arbeitenden ' Armen, Besitzlosen' schlechthin, sondern auch als Klassenbezeichnung für die Gesamtheit der / P r o l e t a r i e r / (vgl. S. 121 f. VBei den utopischen und kleinbürgerlichen Sozialisten, deren Theorien von Marx und Engels widerlegt wurden, steht / P r o l e t a r i e r / oft syn onym mit /Pauper/ (vgl. den Beleg S. 125), und "nur unter diesem Gesichtspunkt der leidendsten Klasse existiert das Proletariat für sie."

Außerdem muß berücksichtigt

werden, daß es sich um ideologierelevantes Wortgut handelt. Die vom Klassengegner geprägte pejorative Bedeutung 'Lump' (vgl. S. 122 f.), die (auch im Hinblick auf die Klasse der /Proletarier/) einen festen Platz im allgemeinsprachlichen Wortschatz hatte, wird gleichfalls dazu beigetragen haben, daß / P r o l e t a r i e r / bei Marx und Engels 27 mehr und mehr zurücktritt. Bei der Ausarbeitung des wissenschaftlichen Klassenbegriffs benutzen Marx und Engels zur Bezeichnung der28'Angehörigen der Arbeiter klasse' zunächst / P r o l e t a r i e r / (und auch /Proletariat/

), aber die allgemeinsprach-

lichen Bedeutungen von / P r o l e t a r i e r / waren so fest im Sprachgebrauch, "daß die ter minologische Fixierung des betreffenden Wortes infolge 16 der ständigen Einwirkung seiner allgemeinsprachlichen Bedeutung etwas unscharf" wurde, zumal auch im marxistischen Terminus die Besitzlosigkeit als Merkmal enthalten ist (vgl. S. 126). "Bei manchem Empfänger [ w a r ] u. U. gar nicht das Bewußtsein terminologischer Fixierung vorhanden . . . , so daß er fälschlicherweise glaubt [e], mit der allgemeinsprachlichen Bedeutung (oder einer allgemeinsprachlichen Bedeutung) den Terminus ganz erfassen zu können". Zwei weitere Gesichtspunkte müssen noch erwähnt werden: 29 1. Um 1860 war die erste Phase der Entwicklung der Arbeiterbewegung beendet. Möglicherweise wirkte die Verlagerung des Schwerpunktes der Arbeiterbewegung von Frankreich nach Deutschland dabei mit, daß / P r o l e t a r i e r / gegenüber /Arbeiter/ zu-30 rücktrat. Belege aus dem in Frankreich erschienenen deutschsprachigen Schrifttum zeigen, daß / P r o l e t a r i e r / - wie /Prolétaire/ im zeitgenössischen französischen Sprachgebrauch - immer positiv emotionalisiert ist (vgl. Beleg 1835 S. 121); die für das deutsche Sprachgebiet charakteristische negativ emotionalisierte Bedeutung (V 3)

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fehlt hier (dafür steht im Französischen z. B. / l a p l è b e / , vgl. S. 123). Mit dem Rückgang der deutschsprachigen Emigrationsliteratur in Frankreich geht auch - im Falle von / P r o l e t a r i e r / - dieser unmittelbare Einfluß des Französischen verloren. 2. Als marxistischer Terminus gilt / P r o l e t a r i e r / in erster Linie für den ' doppelt freien Lohnarbeiter' im Kapitalismus: "die Klasse der Proletarier ist, mit einem Worte, die arbeitende Klasse des neunzehnten Jahrhunderts" (s. Beleg S. 124; vgl. auch die Belege S. 131 MEW 16, 66 und 23, 642). Bei der Darstellung der gesellschaftlichen Verhältnisse nach der sozialistischen Revolution wird /Arbeiter/ verwendet (vgl. TV 2, S. 126und die Belege S. 128 MEW 4, 476; 25, 186). Erhalten bleibt / P r o l e t a r i e r / im politischen Schlagwort: /Proletarier aller Länder, vereinigt euch!/ Dasselbe gilt für /Diktatur des Proletariats/, allerdings ist hier auch /Diktatur der Arbeiterklasse/ üblich. Das Adjektiv /proletarisch/ ist jedoch bis heute fest im Gebrauch, denn ein Adjektiv zu /Arbeiter, Arbeiterklasse/ fehlt, so daß auf Komposita oder Genitiv-Konstruktionen zurückgegriffen werden muß; /proletarische Literatur, Arbeiterliteratur, Literatur der Arbeiterklasse/ stehen z . B . als synonymische Variationen nebeneinander. Wie bereits erwähnt, wird ab etwa 1860 nach und nach /Arbeiter/ die terminologische Hauptbezeichnung bei Marx und Engels. /Arbeiter/ bezeichnet den definierten Begriff am umfassendsten; alle semantischen Aspekte sind gleichermaßen enthalten. Im Unterschied zu / P r o l e t a r i e r / ist der marxistische Terminus /Arbeiter/ durch die allgemeinsprachliche Hauptbedeutung ('der mit der Hand im gesellschaftlichen Arbeitsprozeß Arbeitende', vgl. S. 117)motiviert, die eine positive Wertung enthält. Die nichtterminologische Bedeutung 'der

Arbeitende' wird mit der Herausbildung des

Terminus nicht aufgehoben; sie wird präzisiert und bleibt eines der Bedeutungsmerkmale des Terminus. Bei der Durchsetzung der terminologischen Bedeutung haben zweifellos /Arbeiter/-Komposita mitgewirkt, insbesondere /Arbeiterklasse/ (s. S. 129). Der Terminus /Arbeiter/ steht bei Marx und Engels - nicht zuletzt durch den systembedingten Einfluß von /Arbeiterklasse/ - sowohl im Hinblick auf die antagonistische Klassengesellschaft als auch in Bezug auf die gesellschaftlichen Verhältnisse nach der sozialistischen Revolution (s. S. 128, Belege MEW 4, 476 und 25, 186).

4. Zur Verwendung von /Arbeiter, Lohnarbeiter, Proletarier/ nach der Herausbildung der terminologischen Bezeichnungen Der marxistische Begriff 'Arbeiter' wird bei Marx und Engels durch die synonymischen Variationen /Arbeiter, Lohnarbeiter, Proletarier/ terminologisch bezeichnet.

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'Arbeiter'

Die Bedeutung der terminologischen Bezeichnungen konstituiert sich aus folgenden Merkmalen (vgl. S. 126): T V1

der im kapitalistischen Produktionsprozeß Arbeitende (Klassengegner der herrschenden Klasse)

a

der Besitzlose an Produktionsmitteln (Gegensatz: der kapitalistische Be-

b

der (doppeltfreie) Verkäufer seiner Arbeitskraft, der Ausgebeutete

sitzer der Produktionsmittel) (Gegensatz: der kapitalistische Ausbeuter) c T V2

der Errichter der Diktatur des Proletariats der im sozialistischen Produktionsprozeß Arbeitende (Angehöriger der herrschenden Klasse)

a

der Besitzer der Produktionsmittel

b

der von Ausbeutung Befreite

c

der Erbauer des Sozialismus

Die synonymischen Variationen (T V 1) unterscheiden sich durch die Intensität der Merkmale: Bei /Arbeiter/ werden die Merkmale a - c mit unterschiedlicher Intensität wirksam, /Lohnarbeiter/ weist immer Intensität von b auf, und bei /Proletarier/ dominiert die Intensität von c. Wie die für die Wirkungsgeschichte exzerpierten Belege zeigen, werden die von Marx und Engels terminologisch fixierten Bezeichnungen mehr oder weniger exakt verwendet, d. h., die Bedeutungsmerkmale von/Arbeiter, Lohnarbeiter, Proletarier/ stimmen (einschließlich der Intensität) entweder ganz oder nur teilweise mit den Merkmalen a - c der marxistischen Bedeutung überein. Diese allgemeine Feststellung soll im folgenden spezifiziert werden.

4.1. Zur Verwendung der Bezeichnungen im Sinne von K. Marx und F. Engels In den Quellen, die für die Untersuchung der Wirkung des Sprachgebrauchs von Marx und Engels ausgewertet wurden, ist die exakte Verwendung von /Arbeiter, Lohnarbeiter, Proletarier/ in der von Marx und Engels geprägten terminologischen Bedeutung insgesamt gut bezeugt. Dieser Befund ist in hohem Maße dem direkten und indirekten sprachlichen Einfluß von Marx und Engels zuzuschreiben: Durch ihre Werke haben sie direkt zur Verbreitung der terminologischen Bezeichnungen beigetragen, durch die Auswertung ihrer Werke im zeitgenössischen Schrifttum indirekt (s. S. 175 ff.). So werden in Schriften, die der Unterweisung der Arbeiterklasse und der Popularisierung der marxistischen Lehren dienen, Definitionen der Termini (bzw. definitorische Kontexte) aus den Werken von Marx und Engels wörtlich oder annähernd wörtlich Übernommen,

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d. h., es wird direkt oder indirekt zitiert. Der Textzusammenhang der folgenden Belege macht deutlich, daß der Autor "semantisches Wissen" (g. Merkmalsanalyse) mit "terminologischem Wissen" verbindet (vgl. S. 14 f): /Zur Verwandlung von Geld in Kapital muß der Geldbesitzer also den freien Arbeiter auf dem Warenmarkt vorfinden, frei in dem Doppelsinne, daß er als freie Person über seine Arbeitskraft als seine Ware verfügt, daß er andererseits . . . los und ledig, frei ist von allen zur Betätigung seiner Arbeitskraft nötigen Sachen/ (1873) Most, Kapital u. Arbeit (^1876), in: Dlubek/S., Kapital (1967) 27B. /Nach der Marxschen Lehre führt die ökonomische Entwicklung in der modernen Gesellschaft zum Untergang des selbstwirtschaftenden Arbeiters und zu seiner Verwandlung in einen Lohnarbeiter, der von dem Kapitalisten ausgebeutet wird. . . . [Die] Konzentration der Kapitalien bildet nach Marx . . . die materielle Grundlage . . . zur Aufhebung der kapitalistischen Gesellschaft. . . . Sie stellt die historische Aufgabe: die Einführung einer sozialistischen Gesellschaftsordnung; sie produziert die Kräfte zur Lösung der Aufgabe: die Proletarier/ (1&99) Luxemburg (1970) 1 , 1 , 538. Von Marx und Engels geprägte Wendungen, die als Schlagworte im aktuellen politischen Kampf dienen, begegnen insbesondere in Presseerzeugnissen der Arbeiterbewegung: /Das Kapital ist international, darum muß der Kampf gegen das Kapital international geführt weraen - Proletarier aller Länder vereinigt euch!/ (1869) Demokr. Wochenbl. 270a Faks. /Die Lehrerschaft wird . . . sich auf die Seite der Proletarier [stellen] . Die Proletarier des Geistes sind berufen, die Morgenröthe der Freiheit TierbeliüEren zu helfen/ (1878) Schneidt, Parteistellung 17 ("Vorwärts" Artikel; vgl. MEW 7, 85). /Die Arbeiter haben kein Vaterland; was sie nicht haben, kann man ihnen nicht nehmen/ (1886) Sozialdemokr. Flugbl., in: Dok. Arbeiterbewegung 3 (1974) 252 (vgl. MEW 4, 479). /Wo hat der großstädtische Proletarier . . . sein Vaterland?/ (1891) "Schles. Tagebl." , in: Jentsch, Elend 11. /Glück auf zum neuen Jahr, Ihr Proletarier aller Länder! . . . Es lebe der . . . internationale Sozialismus!/ (1898) Süddt. Postillon 17, 234 b . Die programmatischen Schriften von Marx und Engels - neben dem "Manifest" insbesondere die "Statuten der Internationalen Arbeiterassoziation" - sind nicht nur Gegenstand wichtiger Veröffentlichungen, sondern auch Vorbild und Bestandteil der revolutionären Parteiprogramme: /der erste Erwägungsgrund unserer Statuten [besagt] . . . , daß die Emancipation der Arbeiter das Werk der Arbeiter selbst sein müsse/ (1868) Eichhoff, Arbeiterassociation 64 FaKsT /die Statuten der Internationalen . . . enthalten zwei . . . Hauptgedanken. E r stens: Die ökonomische Abhängigkeit des Arbeiters vom Besitzer der Arbeitswerkzeuge . . . ist die Grundlage der Knechtschaft in jeder Form . . . . Zweitens: Die ökonomische Emancipation der Arbeiter . . . ist nur durch die Arbeiter selbst . . . zu erreichen, durch die Verbindung der arbeitenden Klassen aller Länder/ (1877) Mehring, Socialdemokratie 176. /Die ökonomische Abhängigkeit des Arbeiters von dem Kapitalisten bildet

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'Arbeiter' die Grundlage der Knechtschaft in jeder Form . . . / (1869) Eisenacher Programm, in: Rev. dt. Parteiprogramme 345 B./D.31 /Die ökonomische Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft . . . trennt den Arbeiter von seinen Produktionsmitteln und verwandelt ihn in einen besitzlosen Proletarier Die Befreiung der Arbeiterklasse ist . . . ein Werk, an dem die Arbeiter aller Kulturländer gleichmäßig beteiligt sind. . . . Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands . . . bekämpft . . . nicht bloß die Ausbeutung der Lohnarbeiter, sondern jede Art der Ausbeutung/ (1891) Erfurter Programm, in: ebd. 82-84.

/Arbeiter, Lohnarbeiter, Proletarier/ sind nicht nur in den Schriften der Vertreter der Arbeiterklasse als direktes oder indirektes Zitat belegt, sondern auch im Schrifttum den Klassengegner. Bürgerliche Ökonomen, Soziologen und Historiker setzen sich mit den Lehren des Marxismus auseinander und verwenden - wenn sie korrekt referieren - die von Marx und Engels entwickelte Terminologie. Vereinzelt werden, wie bei E. Jäger, umfangreiche Auszüge aus den Werken von Marx und Engels, aus Dokumenten der Arbeiterbewegung oder aus der Arbeiterpresse wiedergegeben. Derartige Belege zeigen zwar nicht die Sprachverwendung der betreffenden Autoren, beweisen je doch, daß ihnen die marxistischen Bezeichnungen bekannt sind und - auf Grund des Kontextes

daß ihre terminologische Bedeutung verstanden wird: /Zehn der Arbeiterciasse angehörige . . . Personen können eine Section [der Intern. Arbeiterass.] bilden . . . . Jede Section muß mindestens zu drei Vierteln aus Lohnarbeitern bestehen/ (1872) in: Jäger, Socialismus (1873) 514 (aus dem "Volksstaat"). 32

Weitaus häufiger als in wörtlichenZitatenbegegnendie terminologischen Bezeichnungen bei-bürgerlichen Fachautoren in indirekten (oft gekürzten) Zitaten: /Wie vollzieht sich nun der Prozeß, durch welchen Geld mehr Geld ergiebt? Prüfen wir die von Marx gegebene Analyse des Prozesses. Der freie Arbeiter tritt dem Kapitalisten als gleichberechtigter Produktionsfaktor gegenüber, der Kapitalist wünscht die Arbeitskraft desselben zu kaufen, der A r beiter sucht sie zu verkaufen. Menschliche Arbeitskraft ist eine Ware und hat, wie andere Waren, ihren Tauschwert/ (1889) Schlesinger, Soz. Frage 43. /da aber [die Warenpreise] . . . aus . . . Arbeitslohn und Profit zusammengesetzt sind, so spiegeln sich in ihnen auch die Beziehungen zwischen den zwei an der Produktion beteiligten Klassen, d. h. der Arbeiter und der Kapitalisten wieder/ (1892) Fireman, Kritik der Marx'sehen Werttheorie, in: Jbb. Nationalök. 3. F. 3, 800. /Auf diese Weise verschwand in England die . . . kleine Bourgeoisie und es blieben nur große Fabrikanten . . . auf der einen und viele Millionen besitzloser Proletarier auf der anderen Seite, welche, der Willkür der e r steren preisgegeben, . . . oft an den notwendigsten Lebensbedürfnissen Mangel leiden, obwohl sie mit . . . ihrer Arbeit Englands Größe geschaffen haben. Die detaillierte Schilderung des wachsenden Elends . . . der letzteren bildet den Inhalt des übrigen Teiles seines Buches [ " L a g e " ] / (1848) Hildebrand, Nationalökonomie 1 (1922) 130. In gleichen Verwendungsweisen wie in der bürgerlichen Fachliteratur sind die Termini auch im Schrifttum politischer Gegner belegt. So referiert z. B. J. B. Schweitzer

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im "Social-Demokrat" ausführlich den Inhalt des "Kapital" und stellt sich scheinbar "auf den Boden der Marxschen ökonomischen Theorie, weil er glaubte, auf diese Wei33 se seine verderbliche Politik leichter fortsetzen zu können" /Die Produktion des absoluten Mehrwerts. + Der Kapitalist hat die Arbeitskraft eines Arbeiters für einen Tag gekauft. Der Kaufpreis ist der Lohn. * Fußnote] Wir empfehlen unsern Lesern aus der Arbeiterklasse den obigen Artikel zu ganz besonderem Studium. Er betrifft den innersten Kern unserer Lehre/ (186b) Schweitzer, in; Dlubek/S., Kapital (1967) 172 (Social-Demokrat Nr. 24 v. 23. 2. 1868). In all diesen Fällen, in denen die Termini in ihrem kontextualen Zusammenhang unmittelbar aus den Werken von Marx und Engels entnommen (zitiert) werden, werden sie zwangsläufig in der von Marx und Engels geprägten terminologischen Bedeutung wiedergegeben. Entscheidend für den Nachweis der Durchsetzung der Bezeichnungen im zeitgenössischen Sprachgebrauch ist jedoch die terminologische Verwendung ohne den ausdrücklichen Bezug auf die Begründer des Marxismus und ihr Werk. Wie die folgenden Belege zeigen, weist auch hier der jeweilige Kontext häufig auf die Fachbezogenheit der terminologischen Bezeichnungen hin, auf die Zuordnung zu anderen Elementen des terminologischen Gesamtsystems des Marxismus, so daß die Verwendung von / A r beiter, Lohnarbeiter, Proletarier/ (T V 1) als marxistische Termini offensichtlich ist (vgl. hierzu S. 12b, 130, 133): / j e d e Fabrik ist ein Herd der Revolution. Jeder wandernde Proletarier ist ein Emissär der Revolution/ (lb4b) Flugbl. Rev. 51 0. /Die Gewerkschaften bilden eine ungemein wichtige Organisation im heutigen Klassenkampf, weil sie . . . den bloß auf seine Kraft angewiesenen Arbeiter vor größerer kapitalistischer Unterdrückung schützen, ferner das Klassenbewußtsein im Arbeiter nähren und gewissermaßen die Kader für die sozialistische Armee werden/ (1878) Bebel, Ausgew. Red. 1, 524 B. /Die Socialdemokratie führt die Arbeiter im Kampfe gegen die Classe der Ausbeuter und wird sie auch zum Siege führen/ (lb94) Peus, Socialdemokratie 6. /ist es üblich geworden, den Begriff Arbeiter etwas enger zu fassen, indem man (so insbes. die Sozialisten) darunter die Klasse der Lohnarbeiter . . . im Gegensatze zu den . . . Kapitalisten versteht/ (1904) Meyers Konv.Lex. 1, 673b s. v. Arbeit (vgl. ebd. 675 a ff. s. v. Arbeiterfrage). Zum Teil wird die terminologische Verwendung von /Arbeiter, Lohnarbeiter, Prolet a r i e r / dadurch verdeutlicht, daß eine der synonymischen Variationen zur Interpretation einer anderen dient (vgl. hierzu S. 128, 131, 133), wobei gleichzeitig bestimmte Bedeutungsmerkmale hervorgehoben werden können. So wird z. B. das Merkmal c betont, wenn / P r o l e t a r i e r / als Apposition zu /Arbeiter/ verwendet wird: /der "Volksfreund" [wollte] ein "Blatt der Revolution" sein und im r e volutionären Interesse auf . . . die Arbeiter, die Proletarier wirken/ (1852) A. Wolff, Rev. -Chr. 2, 31. Soll das Merkmal b hervorgehoben werden, wird /Lohnarbeiter/ benutzt: /So lange die Erfordernisse der Produktion Privateigenthum der Kapita-

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listen sind, . . . so lange bleiben die Arbeiter Lohnarbeiter, und müssen für weniger arbeiten als ihre Arbeit werth ist/ (1869) Eccarius, Widerlegung 13. /Arbeiter, Lohnarbeiter, Proletarier/ können aber auch in engem kontextualen Zusammenhang verwendet werden, ohne daß ein Merkmal hervorgehoben werden soll (als stilistische Variation): /Die Klassenlage der Arbeiter der Bildung verschlechtert sich zusehends; . . . und bald wird diese Proletarier von den andern Lohnarbeitern nur noch eines unterscheiden: ihre Anmaßung/ (1892) Kautsky, Erf. Programm (1899) 53. /in der Klassenlage der polnischen Arbeiter, die sich in nichts von derjenigen anderer Proletarier in Deutschland und Österreich unterscheidet/ (1895/96) Luxemburg (1970) 1, 1, 25. Weitaus häufiger als durch synonymische Variationen werden - wie bei Marx und Engels (vgl. S. 128 f . , 131, 132f.) - einzelne Bedeutungsmerkmale durch die attributive Verwendung bestimmter Adjektive hervorgehoben: /Nehmen wir einmal an, die besitzlosen Proletarier . . . ließen alles ruhig mit sich geschehen, was die Besitzenden über sie beschlössen/ (1894) Peus, Socialdemokratie 4 (Merkmal a). /Knechtschaft . . . von der Sklaverei bis zum "freien" Lohnarbeiter des neunzehnten Jahrhunderts/ (1883) Bebel, Frau 9 293 (Merkmal b). /Die einzelnen, welche als classenbewußte Arbeiter gegen den Capitalismus angehen, werden von den Capitalisten um so härter getroffen. Arbeitsentlassungen und die . . . schwarzen Listen treffen gerade den Socialdemokraten am härtesten/ (1894) Peus, Socialdemokratie 15 (Merkmal c). Durch die Verwendung von /modern/ wird betont, daß 'der im (zeitgenössischen) kapitalistischen Produktionsprozeß Arbeitende' gemeint ist (vgl. /die modernen Arbeiter/ im "Manifest"; Beleg S. 128): /Emanzipation des modernen Lohnarbeiters, . . Umgestaltung der Produktionsweise/ (1868) Demokr. Wochenbl. 71 Faks. Auch zur Bezeichnung der Gruppen und Schichten, aus denen sich die Arbeiterklasse konstituiert, werden - wie bei Marx und Engels - bestimmte Adjektive verwendet: /Jeder Proletarier . . . ladet seine gleichgültigen Genossen zur Theilnahme ein. Ueberall bilden die industriellen Arbeiter die Vorhut, die landwirthschaftliehen folgen nach. Wo aber bleiben die Proletarier der Kopfarbeit?/ (1869) Demokr. Wochenbl. 430a Faks. /Ihr [ Lehrer] seid geistige Arbeiter, seid gerade so ausgebeutete, ge schundene Proletarier wie . . . die Handarbeiter/ (1894) Swatschina, Lehrerschaft 31. Das Verhältnis der Angehörigen der Arbeiterklasse zur Arbeiterbewegung wird ebenfalls durch bestimmte Attributionen gekennzeichnet: /Daß die Gewerksgenossenschaften die Kapitalisten zwingen, höhern Lohn zu bezahlen, als unorganisirte Arbeiter . . . erhalten, ist längst ausgemachte Thatsache/ (1869) Eccarius, Widerlegung 71. /1895 [gab es in Berlin] . . . über 50 000 [gewerkschaftlich] organisierte

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Arbeiter und Arbeiterinnen / (1896) Parvus, Gewerkschaften 26 ("Sachs. Arb.ztg."). /ein aufgeklärter, politisch gebildeter Arbeiter, . . . ein Sozialist/ (1879) Sozialdemokrat (9. 11.) '¿c Faks. /Die politisch aufgeklärte Proletarierin . . . nimmt teil am Kampfe ihrer Klasse/ (1893) Zetkin, Reden (1957) 1, 29. /die Kraft der sozialistischen Proletarier Deutschlands/ (1882) Sozialdemokrat (9. 11.) 2b Faks. /Arbeiterforderungen, auch wenn diese von nichtsozialistischen Arbeitern gestellt werden/ (1900) Bebel, Gewerkschafts-Bewegung 18. Wie im Sprachgebrauch von Marx und Engels (vgl. die Belege S. 128 , MEW 4, 476; 25, 186) ist /Arbeiter/ auch in der Bedeutung T V 2 'der im sozialistischen Produktionsprozeß Arbeitende' (s. S. 138) belegt. Die insgesamt wenigen Belege, die ausschließlich dem Schrifttum der Arbeiterklasse entstammen, enthalten terminologische Angaben, so daß die Verwendung des Wortes als marxistischer Terminus offensichtlich ist: /Und damit ich die . . . künftige Lösung mit einem Worte ausspreche: Alles muß Arbeiter werden, und die aus lauter Arbeitern bestehende, wirklich . . . freie Gesellschaft ordnet alsdann die Arbeit/ (1872) in: Hochverratsprozeß 104 L. /In der sozialistischen Gesellschaft deckt sich der Begriff Arbeiter mit dem Begriff Mensch, jeder Mensch wird ein Arbeiter sein, jeder Arbeiter ein Mensch/ (1890) Sozialdemokrat (15. 2.) 2D Faks. Im Unterschied zu den obenzitierten Beispielen bietet das ausgewertete Material eine Fülle von Belegen, in denen sich /Arbeiter, Lohnarbeiter, Proletarier/ nur semantisch analysieren lassen. Die Analyse führt jedoch auf dieselbe Merkmalstruktur, die aus dem Wortgebrauch von Marx und Engels erschlossen wurde, d. h. alle Merkmale werden (einschießlich der Intensität) hier wie dort in der gleichen Weise wirksam. Die Bezeichnungen werden demzufolge eindeutig in marxistischem Sinne gebraucht (vgl. S. 15 ). Die Belege stammen ausnahmslos von Autoren, die den Standpunkt der Arbeiterklasse vertreten: /Arbeiter, auf, und schließt die Hände// zu einem freien, festen Bund/(1869) Scheu, in: Im Klassenkampf 49 F. /Als die ersten Arbeiter in den Reichstag traten, behauptete [man], die Arbeiter würden bald einsehen, welche Thorheit sie begangen/ (1883) Bebel, 9 Frau 220. /Sobald die Arbeiter begriffen haben, daß Sie eine Macht sind werden Sie . . . daß heutige Staatsgebilde zertrümmern/ (1907/11) in: Levenstein, Arbeiterfrage (1912) 290 (aus einem von einem Bergmann ausgefüllten Fragebogen) . /Der Lohnarbeiter ist gebunden/ (1873) Dok. Arbeiterbewegung 3 (1974) 44. / E s ist ein Ehre, Proletarier zu heißen/ (um 1848) Flugbl. Rev. 47 0. /diese Arbeiten — wieder den Proletariern als Waffe in ihrem Kampfe . . . zugänglich zu machen, das soll ein Theil der Aufgabe der "Sozialdemokratischen Bibliothek" sein/ in: Soz.demokr. Bibl. 1, Nr. I, 4 Faks.

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/jezt gehört er voll und ganz jenen Enterbten an, jenen Rechtlosen, deren Sache er bisher . . . vertreten hatte . . . . Jezt ist er ein Proletarier wie sie/ (1885) M. Kautsky, D. Alten u. d. Neuen 2, 103.

4.2. Zur sprachlichen Produktivität der Bezeichnungen Die bei Marx undEngelsbelegtenDeterminativkomposita mit /Arbeiter/ oder / P r o l e t a r i e r / als Grund- oder Bestimmungswort (vgl. S. 129, 133) sind im ausgewerteten Material gut bezeugt; darüber hinaus gibt es zahlreiche Neubildungen (insbesondere 35 mit /Arbeiter-/), bei denen das Grundwort häufig ebenfalls Element des terminologischen Systems des Marxismus ist: /1871 veranstalteten die Pester Socialdemokraten eine Trauerfeierlichkeit . . . ; dabei wurde die (Arbeiter-) Marseillaise gesungen/ (1873) Jäger, Socialismus 224. /Die Bourgeoisie . . . bedarf . . . einer . . . Staatsgewalt, um dem revolutionären Arbeiterelement die Spitze bieten zu können/ (1887)-in: Soz.demokr. Bibl. 1, Nr. XI, 4 Faks. /den 1. Mai als Arbeiterfeiertag zu begehen/ (1890) Sozialdemokrat (22. 3.) 3 a Faks. /Der ganze Paragraph [gegen Streik], . . . verbessert durch den "arbeiterfreundlichen" Strafgesetz-Ausschuß, ist . . . ein hartes Ausnahmsgesetz gegen die Arbeiterklasse/ ebd. (25. 1.) 3 C . /worauf dann die Versammelten Arbeiter -Lieder anstimmten/ ebd. 3b. / s o lange über der deutschen Arbeiterpresse das Damoklesschwert eines infamen Ausnahmegesetzes schwebt/ ebd. (4. 1.) 3 a . / [ Der Wahlerfolg ] ist . . . ein Arbeitersieg/ ebd. (8. 3.) 3 C . / e s ist sehr wahrscheinlich, daß nun selbständige Arbeiterkandidaten wie Pilze nach dem Regen emporschießen werden/ (1892) Kgl. Priv. Berl, Ztg., Nr. 279, l a . /zwei schlichte Arbeiter - beide bereits verstorben an der Proletarier krankheit [ T b c ] , mit der sie von der langen Einkerkerung bedacht wurden/ (lb97) Luxemburg (1970) 1, 1, 88. Zur Bezeichnung der einzelnen Gruppen und Schichten innerhalb der Arbeiterklasse sind z. B. belegt: / [ die ] Abhängigkeit . . . von seinem gnädigen Herrn . . . , die dem Ackerbauproletarier den Eintritt in die Bewegung der städtischen Arbeiter sehr erschwert/ (1868) Demokr. Wochenbl. 316 a Faks. /der Geist der . . . Bergarbeiter, sowie der . . . Fabrikarbeiter für unsere gerechte Sache ist ein guter, und der Haß der Arbeiter gegen die Tyrannei der Ausbeuter nimmt von Tag zu Tag zu/ (1892) Sozialdemokrat (2. 11.) 4 a Faks. /Nicht der boshafte . . . Wille der Lumpen-Proletarier ist die Quelle ihrer . . . Verderbheit. Vielmehr . . . [die3 miserablen Verhältnisse/ (1894) Peus, Socialdemokratie 7.

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4.3. Es wurde wiederholt darauf hingewiesen, daß die alten allgemeinsprachlichen Bedeutungen der untersuchten Bezeichnungen nach der Herausbildung der marxistischen Bedeutung erhalten bleiben und daß dieses Nebeneinander von "Terminus" und "Nichtter36 minus" zu einer Bedeutungsbeeinflussung führt. 4.3.1. Zur wechselseitigen Beeinflussung von marxistischer und allgemeinsprachlicher Bedeutung Die für die Wirkungsgeschichte exzerpierten Belege bieten eine Reihe von Beispielen für den Einfluß der marxistischen Bedeutung auf die allgemeinsprachlichen Bedeutungen. So zeigt z. B. der folgende Beleg, daß der Autor (Wilhelm n . ) /Arbeiter/ in der allgemeinsprachlichen Bedeutung V 2 'der mit der Hand im gesellschaftlichen Arbeitsprozeß Arbeitende' (vgl. S. 117) verwendet; von K. Zetkin wird jedoch die marxistische Bedeutung (T V 1) assoziiert: /erklärte der Kaiser . . . , daß . . . [das ] Gesetz . . . mit Zuchthaus jeden bestrafe, " . . . der einen deutschen Arbeiter, der willig wäre, seine Arbeit zu vollführen, . . . zu einem Streik a n r e i z t " . . . . Was ist des . . . Gesetzespudels reaktionärer Kern? Die vollständige Zertrümmerung des Koalitionsrechts der Arbeiterklasse, die Niederbüttelung . . . jeder proletarischen Aktion/ (1898) Zetkin, Reden (1957) 1, 159. Derartige Belege deuten darauf hin, daß in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts - zumindest im Sprachgebrauch der Arbeiterklasse - die marxistische Bedeutung in zunehmendem Maße häufiger verwendet wird als die allgemeinsprachliche, so daß / A r beiter, Lohnarbeiter, Proletarier/ überwiegend als marxistische Wörter verstanden werden. Dieser Prozeß zeigt sich bereits im Sprachgebrauch von Marx und Engels. So ist z. B. bei dem folgenden Beleg /Arbeiter/ in nichtterminologischer Verwendung von Marx später getilgt und durch eine andere Bezeichnung ersetzt worden. Marx nimmt demnach an, daß der Leser /Arbeiter/ in erster Linie als marxistisches Wort versteht; das will er hier verhindern: /Die . . . Rolle . . . der Verwandlung des gesellschaftlichen Reichtums in Kapital, der Expropriation selbständiger Arbeiter/ (M 1867) Kapital 1, 737. 37 Die Ausgabe von 1872 ersetzt S. 786 /Arbeiter/ durch /Producenten/. Auf Grund der Tatsache, daß die marxistische Bedeutung die allgemeinsprachliche nach und nach an Gebrauchshäufigkeit übertrifft, ist festzustellen, daß /Arbeiter, Lohnarbeiter, Proletarier/ mit ihren marxistischen Bedeutungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu festen Bestandteilen des deutschen Wortschatzes werden; sie können daher, wie jedes andere Wort, metaphorisch verwendet werden: / s o erzeugt die Handelsfreiheit . . . einen industriellen Völkerkrieg, der

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. . . die eine Nation zum reichen Kapitalisten, die andere zum abhängigen Arbeiter macht/ (1848) Hildebrand, Nationalökonomie 1 (1922) 71. /Später ging der Mond auf . . . . Armer Proletarier, dacht' ich, was kann man Elenderes sein, als ein Trabant dieser E r d e ! / (Ib55) Nürnberger, D. Amerika-Müde 292. / [ heutzutage, ] wo die Soldaten, die sogenannten "Gemeinen", als P r o l e tarier des Staates erscheinen/ (1883) Sozialdemokrat (1. 2.) 2C Faks~ /sind die Drohnen eine herrschende, ausbeutende . . . Kaste und die "Arbeiterinnen " im Sinne solcher . . . Sozialstände ausgebeutete P r o l e t a r i e r (1898) Bölsche, Liebesleben 1, 392. Das gilt auch für Komposita mit / A r b e i t e r / oder / P r o l e t a r i e r / als Grund- oder Bestimmungswort: /die ausgebeuteten und unterdrückten niederen katholischen Geistlichen, deren Proletarier -Stellung Sie so vortrefflich schildern/ (1873/74) in: Soz. demokr. Bibl. 1, Nr. XII, 16 Faks. / i m m e r wieder bläst e r [ d e r "Süddt. Postillon"] seine Arbeiter-Mar seillaise und den Gewalthabern den Marsch/ (1898) Süddt. Postillon 17, m^.— Neben der Beeinflussung der allgemeinsprachlichen Bedeutungen durch die marxistische Bedeutung ist auch der umgekehrte Prozeß zu beobachten, und zwar insbesondere bei / A r b e i t e r / : Die allgemeinsprachliche Hauptbedeutung ' d e r mit der Hand im gesellschaftlichen Arbeitsprozeß Arbeitende', die in präzisierter Form eines der Bedeutungsmerkmale des Terminus ist ( ' d e r im kapitalistischen Produktionsprozeß Arbeitende', vgl. S. 137),

wirkt ständig auf den T e r m i n u s / A r b e i t e r / e i n , so daß "die 36 terminologische Fixierung des . . . Wortes . . . unscharf wird" . Belege von Autoren, die den Standpunkt der Arbeiterklasse vertreten, zeigen, daß diese "Unschärfe" beseitigt werden soll, und zwar überwiegend durch die Verwendung einer synonymischen Variation des marxistischen Terminus. So sind z. B. bei dem folgenden Beleg die Bezeichnungen / A r b e i t e r / und /Arbeiterin/ zunächst unscharf, d. h . , der Leser kann nicht eindeutig erkennen, ob die marxistische oder die allgemeinsprachliche Bedeutung vorliegt; e r s t durch / P r o l e t a r i e r i n / wird die terminologische Verwendung deutlich, wobei gleichzeitig das Merkmal c hervorgehoben wird (vgl. S. 141): /Die Arbeiter müssen aufhören, ii> der Arbeiterin in e r s t e r Linie eine Frau zu sehen . . . . Die Arbeiter müssen sich vielmehr gewöhnen, die A r beiterin in e r s t e r Linie als Proletarierin zu behandeln, . . . als gleichwertige . . . Mitstreiterin im Klassenkampf/ (1893) Zetkin, Reden (1957) 1, 41. Im Unterschied zu diesem Bestreben, die marxistische Bedeutung von der allgemeinsprachlichen abzugrenzen, wird die Beeinflussung der marxistischen Bedeutung durch die allgemeinsprachliche von Autoren, die den Standpunkt der herrschenden Klasse v e r treten, genutzt: Die Merkmale, aus denen sich die marxistische Bedeutung (T V 1) von / A r b e i t e r , Lohnarbeiter, P r o l e t a r i e r / k o n s t i t u i e r t , werden mit Merkmalen der allgemeinsprachlichen Bedeutung verquickt, d. h . , die terminologische Fixierung wird

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aufgehoben, die terminologischen Bezeichnungen werden entterminologisiert. Die Belege stammen fast ausschließlich aus Quellen, deren Autoren die Klasseninteressen der herrschenden Klasse vertreten (s. dazu S. 182); sie begegnen auch vereinzelt im Schrifttum der jungen Arbeiterbewegung (bis etwa 1870), fehlen jedoch - mit geringfügigen Ausnahmen - bei den führenden Vertretern der Arbeiterklasse. Der von der marxistischen Wortbedeutung abweichende Gebrauch beschränkt sich - wie der jeweilige Kontext zeigt - nicht auf /Arbeiter, Lohnarbeiter, Proletarier/; die übrigen Elemente der marxistischen Terminologie werden ebenfalls entterminologisiert verwendet, oder aber durch anderes Wortgut ersetzt (vgl. z. B. den Brockhaus-Beleg S. 148: / A r beiterstand, Arbeitgeber, Ausnutzung der Arbeitskräfte, Unternehmer/usw.). Der Grad der Entterminologisierung ist - wie das ausgewertete Material erkennen läßt - unterschiedlich; die Verwendung der Bezeichnungen, die "die sprachliche Fixierung der Einstellung zum historischen Prozeß [ vermittelt] , ist sowohl Reflex wie Instrument der beteiligten Klassenkräfte.

D . h . , die Entterminologisierung begegnet

sowohl im klassenbedingten Sprachgebrauch als auch als bewußt eingesetztes Mittel im ideologischen Klassenkampf. 4 . 3 . 2 . Entterminologisierung durch Änderung oder Tilgung einzelner Merkmale im Klas seninter e s se /Arbeiter, Lohnarbeiter, Proletarier/ gehören zum klassen- und damit ideologiegebundenen Wortschatz. Da die Erkenntnis bürgerlicher Autoren ihrer Klassenposition entsprechend begrenzt ist, kann die objektive Realität nicht adäquat widergespiegelt werden. Die marxistischen Termini, die die Widerspiegelungsinhalte sprachlich adäquat vermitteln, werden infolgedessen von Vertretern der Bourgeoisie meist ungenau oder verzerrt verwendet. Die klassenbedingte Entterminologisierung ist in unterschiedlichen literarischen Gattungen belegt, insbesondere in Veröffentlichungen, die die Probleme der Arbeiterklasse zum Inhalt haben (s. S. 183 f.). DieArtundder Grad der Entterminologisierung der terminologischen Bezeichnungen läßt sich an Änderungen oder Tilgungen bestimmter Merkmale (oder bestimmter Aspekte der Merkmale) erkennen. Dabei handelt es sich insbesondere um dasjenige Merkmal, das bei den einzelnen synonymischen Variationen des Terminus in der Regel dominiert, so daß es zu IntensitätsverSchiebungen kommt. Die Art der Merkmalsänderungen zeigt, daß die Polysemie von /Arbeiter, Lohnarbeiter, Proletarier/ genutzt wird, d. h., es wird an den allgemeinsprachlichen und bürgerlich-terminologischen Gebrauch angeknüpft. Insgesamt ist festzustellen, daß allen Belegen ein entscheidender Aspekt des marxistischen Terminus fehlt, und zwar 'Klassengegner der herrschenden Klasse' (s. S. 138) als Ausdruck des antagonistischen Klassengegensatzes, der in der bürgerlichen Klassengesellschaft zwischen Bourgeoisie und Arbeiterklasse herrscht:

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'Arbeiter' / [Das Eigentum ] gibt den Proletariern in den Besitzern gleichsam Schutzherren und Patriarchen/ (1648) Hildebrand, Nationalökonomie 1 (1922) 250 (Abhandlung über Proudhon).

Dieser Aspekt, der die grundlegenden gesellschaftlichen Verhältnisse reflektiert, ist insbesondere an das Merkmal c ' d e r Errichter der Diktatur des Proletariats' gebunden. Das Merkmal c fehlt bei den meisten Belegen: /Arbeiter ist ein jeder, welcher an der wirtschaftlichen Produktion . . . thätig teilnimmt. Allein in einem engern, wenngleich gebräuchlichem Sinne bezeichnet man als A[rbeiter ] . . . die Lohnarbeiter . . . . Die Gesamtheit dieser A[rbeiter] bildet den Arbeiterstand . . . . Die moderne Fabrikindustrie . . . stellte Arbeitgeber und Afrbeiter ] als Fremde einander gegenüber, . . . [ e s entstand e i n e ] vielfach nachteilige Ausnutzung der . . . Arbeitskräfte durch die Unternehmer . . . . Somit versteht man gegenwärtig unter A[rbeiter] etwas ganz anderes als vor hundert . . . Jahren. Erst die moderne Großindustrie hat den heutigen Arbeiterstand geschaffen/ (1894) Brockhaus 1, 8 1 i a f . 3 9 Das Merkmal c fehlt auch bei dem Wort / P r o l e t a r i e r / , dessen marxistische Bedeutung durch die Dominanz von c charakterisiert ist, so daß es zu Intensitätsverschiebungen kommt. Im folgenden Beleg liegt die Intensität bei b: /Proletarier. . . . In neuerer Zeit hat man den Namen (besonders aber die Zusammenfassung Proletariat) auf die besitzlose, nur auf die Lohnarbeit angewiesene Klasse der bürgerlichen Gesellschaft angewendet/ (1895) Brockhaus 13 , 462 b . Bei einer Reihe von /Proletarier/-Belegen, bei denen das Merkmal c fehlt, liegt die Intensität bei a 'der Besitzlose an Produktionsmitteln'. Diese Intensitätsverschiebung läßt auf Anknüpfung an den Terminus der bürgerlichen Ökonomie schließen, der durch die Intensität von a gekennzeichnet ist. Wie bei dem bürgerlichen Terminus (vgl. S. 123) fehlt der Aspekt ' a n Produktionsmitteln', so daß allein die Mittellosigkeit betont wird: / a l s hätte ich diese Gedichte für den vierten Stand, den ökonomischen Proletarier [geschrieben,] . . . diese Leute, die nur die Not der Armut kennen, [wird niemand J jemals überzeugen können, daß Bedürfnislosigkeit . . . das höchste Ziel der Weisheit sei/ (1891) Dehmel, Ausgew. Br. 1 (1923) 5 9 . 4 0 Bleibt die Dominanz erhalten, so fehlt dem dominierenden Merkmal zumindest ein wichtiger Aspekt. So ist z. B. das Kompositum /Lohnarbeiter/, dessen marxistische Bedeutung durch die Dominanz von b gekennzeichnet ist (s. S. 127), in den für die Wirkungsgeschichte exzerpierten Belegen überwiegend mit dieser Dominanz bezeugt (vgl. z. B. die Belege MeyerS. 141 u. Brockhaus, s. o.); im allgemeinen wird jedoch im Sprachgebrauch bürgerlicher Autoren nur der Aspekt ' der (doppeltfreie) Verkäufer seiner Arbeitskraft' wirksam, und der Aspekt 'der Ausgebeutete' des Merkmals b fehlt: /Gewöhnlich verbindet man . . . mit dem "vierten Stande" . . . die Lohnarbeiter, welche bloß eine Arbeitskraft zu entfalten haben, nicht aber ein Capital/ (1861) Riehl,. Bürgerl. Ges. 343 (vgl. ebd. V).

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Oder aber das dominierende Merkmal wird - wenn es erhalten bleibt - geändert, wobei wiederum die Polysemie von /Arbeiter, Lohnarbeiter, Proletarier/ genutzt wird. Das Merkmal b der terminologischen Bedeutung von /Lohnarbeiter/ wird z. B. durch den Einfluß der allgemeinsprachlichen Bedeutung unscharf (V 1 'der mit der Hand im gesellschaftlichen Arbeitsprozeß für Lohn Arbeitende', vgl. S. 120): /alle diejenigen . . . , welche serviteurs & gages waren, um Lohn dienten, . . . Lohnarbeiter waren, waren . . . zu einer beherrschten unterworfenen Masse gemacht/ (vor 1864) Lassalle, Reden u. Sehr. [1891] 1, 198. Bei / P r o l e t a r i e r / wird an den Terminus der bürgerlichen Ökonomie angeknüpft (Merkmal d 'der sich selbst Befreiende, der Revolutionär'; vgl. S. 123), so daß der im Merkmal c enthaltene Hinweis auf die historische Mission der Arbeiterklasse entfällt. Definitionen wie die folgende sind daher nur scheinbar exakt: /Proletarier nennt man zahlreich vorhandene Arme oder Besitzlose dann, wenn sie, Unzufriedenheit mit der bestehenden Verfassung der Gesellschaft und Erbitterung gegen die Besitzenden in sich tragend, die Meinung hegen, dass ihnen nur durch eine revolutionäre Aufhebung der Staatsgesetze und des Eigenthums zu helfen sei, und sich als Glieder eines mächtigen Ganzen, eines einflussreichen Standes fühlen. Sind an einem Orte Arme in grosser Zahl ohne dieses Gefühl und ohne jene Meinung, so nennt man ein solchen Zustand Pauperismus, nicht Proletariat/ (1877) Contzen, Soc. Frage 2 131 (vgl. hierzu den S. 125 zitierten Beleg MEW 3, 183). Die Anknüpfung an den allgemeinsprachlichen pejorativen Gebrauch von / P r o l e t a r i e r / (V 3, vgl. S.123) zeigt der folgende Beleg; auch hier wird in erster Linie das Merkmal c betroffen (vgl. V 3 c ' d e r Sittenlose, Kriminelle'): /Mehr als hunderttausend Menschen . . . verlangten . . . die Oeffnung des bürgerlichen Zeughauses, um sich zu bewaffnen, . . . auf ihrem Weg zur Burg plündern und brennen halbverhungerte Proletarier/ (1848) Zimmermann, Dt. Rev. 190. 4 . 3 . 3 . Zur Verwendung der Bezeichnungen mit bewußter Distanzierung vom marxistischen Gebrauch Es wurde darauf hingewiesen, daß in Veröffentlichungen von Vertretern der Arbeiterklasse die terminologische Verwendung von /Arbeiter, Lohnarbeiter, Proletarier/ oft verdeutlicht wird, um der Entterminologisierung entgegenzuwirken (vgl. S. 146). Im Unterschied zu derartigen Bestrebungen zeigen Belege von bürgerlichen Autoren, die sich bewußt vom marxistischen Gebrauch distanzieren, daß die Entterminologisie41 rung im ideologischen Klassenkampf zielgerichtet eingesetzt wird , um in den Ange hörigen der Arbeiterklasse Vorstellungen zu wecken, durch die die Interessen ihrer Klasse verschleiert oder verfälscht werden. Im offenen oder versteckten Kampf gegen die Lehren des Marxismus verwenden diese Autoren /Arbeiter, Lohnarbeiter, Prolet a r i e r / entsprechend der Vielfalt - und auch Gegensätzlichkeit - ihrer "Theorien" in unterschiedlichen Bedeutungsvarianten. So differenziert dadurch der Sprachgebrauch

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der einzelnen bürgerlichen Autoren im Hinblick auf /Arbeiter, Lohnarbeiter, P r o l e tarier/ ist, eins ist allen gemeinsam: Sie bestreiten die Exaktheit der marxistischen Definition des Begriffs 'Arbeiter' und "korrigieren" oder verwerfen die terminologischen Bezeichnungen, die diesen Begriff abdecken, d. h . , auf Grund der von ihnen bezogenen Klassenposition distanzieren sie sich bewußt von Wortbedeutungen, die vom Klassenstandpunkt der Arbeiterklasse aus geprägt sind. Mitunter wird die Distanzierung bereits dadurch deutlich, daß Anführungszeichen und das Wort "sogenannt" verwendet werden, wodurch die Autoren ausdrücken wollen, daß die marxistische Bezeichnung nicht "ihr Wort" ist: /Bei diesen Bauern war [ 1848 ] nicht wie bei den sogenannten "Arbeitern" die vereinzelte Beschwerde zu einer allgemeinen Unzufriedenheit großgewachsen. . . . Bauernvereine . . . im Style der Arbeitervereine . . . haben nirgend . . . bestanden/ (1861) Riehl, Bürgerl. Ges. 111. /wenn der Ertrag ausschließlich dem zu Gute kommen soll, was jetzt ausschließlich "Arbeiter" heißt/ (1870) "Demokr. Correspondenz", in: Bebel, Ziele 28 Faks"! / [er] wurde . . . innerlich gelöst, als nun B.dazukam, . . . der mit seinem Drechslerhandwerk sich . . . als einen "Arbeiter" ganz in seinem Sinne darstellte. E r selbst hatte . . . J u r a studiert und [ dann a b e r ] . . . sich bei einem Buchdrucker in die Lehre gegeben . . . . Nun erst . . . fühlte [ e r ] sich seinen Schmerzensbrüdern, den "Arbeitern", in jeder Weise ebenbürtig und . . . machte . . . sich daran, in kleinen Broschüren . . . Themata zu behandeln, die er für die Lebensfragen des Proletariats hielt/ (1872) Heyse [ 1 9 2 4 ] I 1 , 86. /während Jeder sich sagen muß, daß die Sklaven in allen Beziehungen sicherer ' . . . leben als der moderne Arbeiter, daß Sklavenarbeit sehr wenig Arbeit im Verhältniß zu der des "Arbeiters" ist/ (1876/78) Nietzsche (1906) 3, 337. Im offenen Kampf, in der unmittelbaren Auseinandersetzung mit dem Marxismus, werden die Bezeichnungen so verwendet, daß die Merkmale, die die marxistische Bedeutung charakterisieren, verfälscht oder getilgt werden, wobei bewußt an die allgemeinund bürgerlich-fachsprachlichen Bedeutungen der Wörter angeknüpft wird. Insgesamt ist festzustellen, daß das Merkmal 'Klassengegner der herrschenden Klasse' verfälscht wird, so daß der antagonistische Klassengegensatz verschleiert wird: /Deutschlands gebildete Stände haben in diesem Jahrhundert ihre Pflichten gegen die niederen Klassen niemals gänzlich vergessen . . . . Sie weisen den Wahn zurück, . . . als ob irgendeine Sozialreform den Arbeitern geben könne, was ihnen eine verlogene Wühlerei zu zerstören droht: das Ehrgefühl der Arbeit/ (1874) Treitschke, Der Sozialismus und seine Gönner, in: Preuß. Jbb. 34, 67 ff. /Es bleibt . . . [ i n Nordamerika] von allen wichtigsten Programmpunkten des Marxismus nur Bekämpfung der bestehenden Gesellschaftsordnung im allgemeinen . . . übrig. . . . Die Hauptursache, warum die Sozialdemokratie so wenig Boden findet . . . , ist, dass zwischen Proletarier und Bourgeois keine tiefe und unüberbrückbare Kluft besteht/ (1903) Polenz, Land 90.

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Oder aber das Vorhandensein dieses Bedeutungsmerkmals - und damit die Existenz der Klassen - wird bestritten: / E s gibt keine Klassen in Deutschland, die Sozialdemokraten belügen das Volk, indem sie künstlich die Klassengegensätze hervorzurufen suchen so konnte man e s in allen liberalen und konservativen Zeitungen . . . v e r nehmen. Schulze-Delitzsch ermahnte ja bekanntlich die Arbeiter, sich als Klasse von den politischen Dingen vollständig fernzuhalten, als einzelne Personen sich aber der Fortschrittspartei anzuschließen/ (1877) "Vorwärts, in: Dok. Arbeiterbewegung 3 (1974) 104. Darüber hinaus sind auch die übrigen Merkmalsänderungen, die die Entterminologisierung bewirken (vgl. 4 . 3 . 2 . ) , belegt: Das Merkmal a ( ' d e r Besitzlose an Produktionsmitteln') büßt den Aspekt ein, der es als Merkmal der marxistischen Wortbedeutung kennzeichnet ( ' a n Produktionsmitteln'), so daß das Merkmal a des allgemeinsprachlichen Gebrauchs ( ' d e r Arme, Elende') wirksam wird (vgl. S. 148). Der Prozeß der Terminologisierung (vgl. S. I I b f.) wird gewissermaßen rückgängig gemacht: /Nachdem . . . [ m a n ] dem armen Lohnarbeiter alles geraubt hat, tritt der Staat ins Mittel, um den heruntergekommenen Arbeiter wieder in die Höhe zu bringen; er . . . gründet Schulen, damit der Arbeiter intelligent und selbst wieder Kapitalist werden kann, . . . spendet den Armen Almosen/ (1848) Hildebrand, Nationalökonomie 1 (1922) 242 (Abhandlung über P r o u dhon). Mit der Tilgung des Merkmals b ( ' d e r [ d o p p e l t f r e i e ] Verkäufer seiner Arbeitskraft, der Ausgebeutete') ist die Anknüpfung an die allgemeinsprachliche Bedeutung ( ' d e r mit der Hand im gesellschaftlichen Arbeitsprozeß für Lohn Arbeitende') verbunden: /die wirtschaftliche, gesellschaftliche . . . Lebenslage . . . großstädtischer Lohnarbeiter . . . ist . . . : . . . Freiheit von Sorge und Risiko . . . . Der F a brikarbeiter . . . [ b e z i e h t ] seinen Wochenlohn und damit . . . [ i s t ] für ihn alles erledigt/ (1889) Paulsen, System 681. Insbesondere wird das Merkmal c ' d e r Errichter der Diktatur des Proletariats' negiert; die Merkmale a und b der marxistischen Bedeutung werden gleichzeitig ver schieiert: /die Erfahrungen der letzten Jahre müssen die Ueberzeugung reifen, dass es ein selbstmöderisches Beginnen ist, alle Aenderungen in den Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitern, welche durch die Conjuncturen der Production und des Marktes verursacht werden, . . . durch einen gewaltsamen Conflict zu lösen/ (1877) Contzen, Soc. Frage 2 375. Wie bei diesem Beleg erfaßt die Entterminologisierung oft alle Bedeutungsmerkmale. Der folgende Beleg zeigt z. B. , daß das Merkmal a im Sinne des allgemeinsprachlichen Gebrauchs wirksam wird; der marxistische Aspekt dieses Merkmals ist getilgt, und gewissermaßen "folgerichtig" werden die Merkmale b und c verfälscht: /Marx [behauptet] . . . , dass der Käufer [ d e r A r b e i t s k r a f t ] (der Capitalist) . . . den Verkäufer (den Arbeiter) arg übervortheilt, dass er ihn obendrein beraubt . . . [durch den] vom Arbeiter unentgeltlich producirte[n] Mehrwerth es [ ist a b e r ] nicht richtig, dass das Elend und die Noth der Arbeiter mit der capitalistischen Productionsweise in . . . unver -

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meidlichem Causalzusammenhange stehen . . . . [ E s kommt a u f ] die Humanisirung des Verhältnisses zwischen Capital und Arbeit [ a n ] . . . die vollkommene Abschaffung der kapitalistischen . . . Productionsweise . . . , oder um mit Marx zu sprechen, . . . der Plusmacherei [ist ] eine utopistische Idee/ (1881) Gumplowicz, Rechtsstaat 406, 409, 415. Mitunter bleibt beim zielgerichteten Einsatz der Entterminologisierung nur ein Merkmal wirksam; so wird z. B. bei den folgenden Belegen das Merkmal b bei dem Versuch einer "Rechtfertigung" überbetont, wobei die Merkmale a und c getilgt werden: /dieser Arbeiter, mit dem der Unternehmer im Grunde gar nichts weiteres anfangen kann, als daß er ihn eine Weile abnutzt, um ihn dann als überflüssig bei Seite zu werfen/ (1861) Riehl, Bürgerl. Ges. 450. /Wenn man [ vom Unternehmer ] . . . verlangt, daß er über das hinausgeht, was sein Gewerbe an sich von ihm fordert, nämlich den Arbeiter zu nutzen, wenn er Nutzen davon hat, ihn laufen zu lassen, wenn er keinen hat/ (1882) Bismarck, Reden 9, 210 K. Bei dem Einsatz von / P r o l e t a r i e r / als Schimpfwort (vgl. S. 149) ist häufig eine Verquickung mit dem Terminus der bürgerlichen Geschichtswissenschaft zu beobachten (V 1 'der Angehörige der untersten Klasse im antiken Rom', vgl. S. 121): /Dieser großen Masse der Durchschnittssozialdemokraten . . . steht . . . eine . . . nicht minder große Gruppe von Arbeitsgenossen gegenüber. . . . Sie wählen sozialdemokratisch, aber kümmern sich sonst nicht viel um die Partei, in der sie vor allem den Ausdruck ihrer Unzufriedenheit sehn. Es sind oft die ärgsten Schreier, die rohsten Gesellen, die echten verlumpten Proletarier in der ursprünglichen Bedeutung des Wortes/ (1891) Göhre, Fabrikarbeiter 136. Die vorangegangenen Belege machen deutlich, daß sich der Grad des zielgerichteten entterminologisierten Gebrauchs an der (teilweisen) Änderung oder Tilgung einzelner Bedeutungsmerkmale nachweisen läßt. Die folgenden Belege zeigen, daß alle Merkmale getilgt und durch andere - z . T . gegensätzliche - ersetzt werden. Der jeweilige Kontext läßt erkennen, daß der marxistische Begriff 'Arbeiter' und damit auch seine t e r minologischen Bezeichnungen nicht teilweise "korrigiert", sondern völlig negiert werden. Es ist für derartige Kontexte charakteristisch, daß der direkte Bezug auf die Lehren des Marxismus - d. h. auf die Werke von Marx und Engels oder auf die Literatur der Arbeiterklasse - fehlt, und zwar auch in wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Typische Beispiele für die bewußte völlige Entterminologisierung sind /Arbeiter/ in der Verwendung von F. Lassalle ('alle sind Arbeiter') und / P r o l e t a r i e r / im Sprachgebrauch von W. H. Riehl ('der Standeslose, der Abschaum aller Stände'). Bei dieser Verwendung von /Arbeiter/ wird an die allgemeinsprachliche Bedeutung V 1 ('der Arbeitende') angeknüpft, die ein positives Wertungsmerkmal enthält, das 'Wertschätzung' ausdrückt (vgl. S. 115): / [Arbeiter sind ] alle diejenigen Menschen . . . , welche . . . durch ihre . . . Tätigkeit Nutzen gewähren. . . . die Unternehmer und die Handarbeiter [sind 1 sämtlich Arbeiter/ (1870) Tellkampf (Mitgl. d. Preuß. Herrenhauses), in: Geschichtl. Grundbegr. 1 (1972) 224.

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Daß das Merkmal, das den antagonistischen Klassengegensatz ausdrückt, verwischt oder geleugnet wird, braucht an sich nicht betont zu werden, sei aber der Vollständigkeit halber erwähnt: /Wir verstehen hier unter Arbeiter . . . [ nicht nur ] den Lohnarbeiter . . . , sondern auch jene, die zwar ein eigenes Geschäft betreiben, aber mit . . . kleinem Kapital/ (1864) Ketteier, in: Quellensamml. z. Kulturgesch. 6 (1960) 147. /Und da ferner nun sehr wenige jetzt vorzugsweise sogenannte Kapitalisten zu finden sind, die nicht auch irgend einmal irgend eine Arbeit verrichteten, so besteht auch noch nach dieser Richtung hin allen socialdemokratischen "Uebertreibungen" zum Trotz die schönste Harmonie: alle Menschen sind Arbeiter. [ Darum sagt Richter: ] "Die heutige Gesellschaft scheidet sich nicht in eine Kapitalisten-Klasse und in eine Arbeiterklasse"/ (1691) Falk, Socialdemokratie 8. /Arbeiter/in dieser bewußt entterminologisierten Bedeutung ist insbesondere durch Lassalles "Arbeiterprogramm" verbreitet worden. Der folgende Beleg zeigt, daß der Autor die Absicht hat, /Arbeiter/ neu zu definieren, um sich auf Grund dieser Definition seinen eigenen Terminus zu schaffen: /Ich werde nehmlich sprechen über den speziellen Zusammenhang, welcher stattfindet zwischen dem Charakter der gegenwärtigen Geschichtsperiode, . . . und der Idee des Arbeiterstandes. . . . [ E s w i r d ] nöthig sein, uns klar zu werden über das, was wir denn eigentlich unter "Arbeiter" oder "Arbeiterstand" verstehen. . . . Die Sprache des gewöhnlichen Lebens verbindet . . . ganz . . . verschiedene Begriffe mit den Worten "Arbeiter" und "Arbeiterstand" . . . . Arbeiter sind wir alle, insofern wir nur eben den Willen haben, uns in irgend einer Weise der menschlichen Gesellschaft nützlich zu machen. Dieser vierte Stand . . . ist eben deshalb gleichbedeutend mit dem ganzen Menschengeschlecht/42 (Vor 1864) Lassalle, Reden u. Sehr. [1891] 1, 176 f . , 207 (außer diesem Beleg bietet das "Arbeiterprogramm" keine Definition von /Arbeiter/). Gelegentlich findet sich dieser Gebrauch auch bei Vertretern der Arbeiterklasse. Im Zusammenhang mit dem Vereinigungskongreß ist an ein Zugeständnis an den Sprachgebrauch des ADAV zu denken, denn W. Liebknecht verwendet sonst /Arbeiter/ in der marxistischen Bedeutung: /Das Wort Arbeiter hat durchaus keinen exclusiven Charakter. . . . Durch Arbeit wird der Mensch erst zum Menschen. Arbeiter heißt also Menschals Mensch sich bethätigender Mensch . . . Arbeiterpartei heißt: die Partei der . . . für Kultur und Menschenthum ringenden Menschen/ (1875) W. Liebknecht, in: Protokoll des Vereinigungskongresses 35 Faks. Riehl knüpft bei der Verwendung von / P r o l e t a r i e r / an die allgemeinsprachliche Bedeutung V 3 'der Lump' an (Intensität von b 'der Heruntergekommene', vgl. S. 122f.) Entsprechend dem von ihm definierten Proletariatsbegriff bezeichnet /Proletarier/ 'die Heruntergekommenen aller Stände', die aber keinen eigenen Stand bilden. Es ist bezeichnend, daß Riehl das Wort / P r o l e t a r i e r / einerseits als eigenen Terminus benutzt, d. h. zur Benennung der 'Heruntergekommenen' insgesamt, aber andererseits auch die (mehr oder weniger entterminologisierte) marxistische Bedeutung verwendet. In

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dem folgenden Beleg steht / P r o l e t a r i e r / im Sinne von ' L u m p e n p r o l e t a r i e r ' , in dem d a r auffolgenden im Sinne von 'Angehöriger der Arbeiterklasse': /Aber merkwürdig genug nahm der deutsche Arbeiter, so wie er sein Vaterland verließ, . . . rasch den socialen Charakter des fremdländischen P r o l e t a r i e r s an. . . . Die proletarische Entartung unter den eingewanderten deutschen Arbeitern in P a r i s soll tiefer gefressen haben als bei den eingeborenen P a r i s e r Genossen/ (1861) Riehl, Bürgerl. Ges. 431. /Der Proletarier zählt nationalökonomisch nur durch seine eigene Person, durch Kopf oder Arm. . . . Der besitzlose Arbeiter erfährt an sich . . . nur die sittlich veredelnde Kraft der Arbeit/ ebd. 467. Dieses Nebeneinander der Bedeutungen ' d e r Heruntergekommene aller Stände' und ' d e r heruntergekommene Arbeiter' ('Lumpenproletarier') neben 'Angehöriger der Arbeiterklasse' ist charakteristisch für Riehl und wirkt bei der Lektüre verwirrend. Da "seine" Bedeutung im Mittelpunkt seiner Untersuchungen steht, wird der Leser v e r leitet, / P r o l e t a r i e r / stets im Sinne von ' d e r Heruntergekommene' zu verstehen. Bei der marxistischen Bedeutung / P r o l e t a r i e r / dominiert das den Klassencharakter reflektierende Merkmal c ' d e r E r r i c h t e r der Diktatur des Proletariats' vgl. S. 126 f . ) . Wenn Riehl / P r o l e t a r i e r / zur Bezeichnung des 'Angehörigen der Arbeiterklasse' v e r wendet, bleiben die Merkmale a und b der marxistischen Wortbedeutung erhalten ( s . den vorstehenden Beleg Bürgerl. Ges. 467); das Merkmal c wird jedoch, wie die folgenden Belege zeigen, verfälscht. E s muß noch erwähnt werden, daß Riehl diese Bedeutung überwiegend durch verdeutlichende Adjektive von seiner eigenen abhebt: /Der socialistisch-communistische Proletarier . . . [ arbeitet ] . . . an der Auflösung der gegliederten Gesellschaft . . . indem er angreifend verfährt . . . ; . . . [ e r ] demonstrirt uns die geschichtliche Gesellschaft theoretisch weg/ (1861) Riehl, Bürgerl. Ges. 276. /Wer über sein Elend noch scherzt, der ist kein ächter moderner Proletar i e r . Wie fürchterlich steht diesem Humor [ bettelnder Handwerksgesellen] der stille Groll des hungernden Fabrikarbeiters gegenüber!/ ebd. 436. Die vorangegangenen Belege zeigen, daß wertende oder emotionale Konnotationen (bzw. Merkmale) bei der zielgerichtet eingesetzten Entterminologisierung eine wichtige Rolle spielen. So wird - wie z. B. bei Lassalle - einerseits bei / A r b e i t e r / das positive Wertungsmerkmal der allgemeinsprachlichen Bedeutung, das ' d a s für die Gesellschaft Nützliche' ausdrückt (vgl. S. 115), zur Verschleierung des Merkmals b des T e r minus benutzt: Der / A r b e i t e r / ist nicht der 'Ausgebeutete', denn er schafft nicht den Mehrwert, sondern 'Nützliches' . (Daneben wird ausgenutzt, daß das marxistische Wort / A r b e i t e r / ebenfalls positiv emotionalisiert ist.) Andererseits wird, wie am Beispiel von Riehl deutlich wird, an die allgemeinsprachliche pejorative Variante von / P r o l e t a r i e r / angeknüpft. Der folgende Beleg zeigt, daß / P r o l e t a r i e r / und / A r b e i t e r / , die als Termini synonym sind, in ihrer entterminologisierten Form gegenseitig als Antonym verwendet werden: /Da spricht man viel von Proletariern, ohne das Wort zu deuten. Einen

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Proletarier nenne ich den, welchen seine Eltern in der Jugend verwahrlost, . . . weder zum Guten erzogen noch zur . . . Schule angehalten haben. . . . Nicht aber rechne ich zu den Proletariern den braven Arbeiter, dem Gott durch die Krait seiner Hände . . . ein Kapital verlieh, welches ihm Niemand rauberi kann/ (lb49) Harkort,in: Schulte, Volk u. Staat (1954) 321. Um das beabsichtigte Ziel, die "Teilung" der / A r b e i t e r / , zu erreichen, werden positiv und negativ wertende Adjektive eingesetzt, die die wertenden Merkmale hervorheben und die mit ihnen verbundenen Emotionen verstärken: /Die Fabriken . . . erziehen uns . . . die Masse von Proletariern, von . . . dem Staate gefährlichen Arbeitern/ (1849) Bismarck, Reden 1, 134 K. /Ich habe mich neulich nur ausgesprochen gegen die Bestrebungen der Agitatoren; von den wirklichen Arbeitern habe ich diesen Tadel zerstörender Thätigkeit . . . nicht erhoben/ (1878) ebd. 7, 133. Durch die häufige Verwendung in diffamierenden Kontexten sollen negativ wertende und emotionale Konnotationen erweckt oder gefestigt werden: / H . . . . gebrauchte Worte wie "Lohnsklaverei" und "Ausbeutung des Arbeiters^'. - G. warf ihm daraufhin vor, e r sei ein "Roter". . . . "Hurra, jetzt machen wir 'Strikke' !" rief H. . . . Wenn die Arbeiter nur . . . unter einander fest hielten, . . . dann müßten . . . die Aussauger . . . klein beigeben. . . . Der großbrodigen Gesellschaft [ müßte man ] . . . zeigen, daß der A r beiter am Ende des neunzehnten Jahrhunderts kein Fronknecht mehr sei. . . . Die politischen Prinzipien, die . . . H. . . . durchsetzen wollte, ließen [ G.] . . . kalt. . . . [ A l s ] Bauernsohn [ v e r t r a t e r ] die angeborene konservative Gesinnung des Landmannes, dem vagierenden Kinde der Straße gegenüber, das in Pennen, Fabriksälen und Versammlungen sich mit einer auf Umsturz gerichteten Anschauung erfüllt hatte/ (lb95) Polenz, Büttnerbauer 304-310. / d a s s in den Gesinnungen . . ., welche unter einem Theile der gewerblichen Lohnarbeiter Wurzel geschlagen haben, die Gefahr einer inneren Z e r s e t zung, einer moralischen Blutvergiftung der Gesellschaft sich ankündigt/ (1877) in: Contzen, Soc. Frage¿4.

4.4. Anderes Wortgut zur Bezeichnung des Begriffs ' A r b e i t e r ' Die ausgewerteten Belege, in denen anstelle der von Marx und Engels geprägten t e r m i nologischen Bezeichnungen andere sprachliche Mittel eingesetzt werden, umfassen zwei unterschiedliche Gruppen: 1. werden durch die Verwendung anderen Wortguts Merkmale der marxistischen Wortbedeutung hervorgehoben, wobei es sich in der Regel um das bei den einzelnen terminologischen Variationen jeweils dominierende Merkmal handelt. 2. werden diese Merkmale verschleiert, v e r z e r r t oder verfälscht. Unberücksichtigt bleiben die insgesamt wenigen Belege, bei denen anderes Wortgut nur als stilistische Variation verwendet wird, d. h. in der Absicht, ständige Wiederholungen zu vermeiden, z. B . :

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/Die Maschine [ w i r f t ] . . . fortgesetzt Arbeiter . . . aufs Pflaster. Diese beschäftigungslosen Arbeiter . . . [bilden eine] Reservearmee, der jeder Arbeiter, sobald . . . er arbeitslos ist, angehört Die . . . Maschine . . . hat den um Lohn arbeitenden Produzenten nur . . . Entbehrungen gebracht/ (18fc5) in: Soz.demokr. Bibl. 1, Nr. I, 17 f. Faks. /Drum Proletarier, wachet auf, / / . . . Erkennt, ihr Blusenmänner, eure Kraft, I I . . . Kämpft für euer Recht mit Mut! / / Dann, Arbeitsmänner, dann wird's gut!/ (uir 1900) in: Steinitz, Dt. Volkslieder 2 (1962) 324. Einige Autoren bevorzugen bestimmte Bezeichnungen zur Umschreibung des Terminus, J . Audorf z. B.

/Werkmann/ (Plur. /Werkleute/), auch sie werden nicht in die Unter-

suchung einbezogen: /Daß unsre Werkleut' wollen wagen / / zu feiern froh den ersten Mai/ (1B93) Audorf, Ged. 57; ebd.96. 4.4.1. Hervorhebung einzelner Merkmale der marxistischen Wortbedeutung Die Hervorhebung einzelner Merkmale der marxistischen Bedeutung durch anderes Wortgut ist fast ausschließlich bei Autoren bezeugt, die den Standpunkt der Arbeiterklasse vertreten und die daher auch die von Marx und Engels geprägten terminologischen Bezeichnungen /Arbeiter, Lohnarbeiter, Proletarier/ exakt verwenden; Terminus und terminologisch exakte Umschreibung stehen also fast immer in kontextualem Zusammenhang. Das Schrifttum, das Belege für diese Verwendung bietet, umfaßt einerseits Veröffentlichungen, die der Popularisierung der marxistischen Lehre dienen, die leichtverständlich und massenwirksam gegnerische Auffassungen bekämpfen, und es umfaßt andererseits auch die Arbeiterdichtung. Es handelt sich also um literarische Erzeugnisse, die die Arbeiter zum Klassenkampf nicht nur befähigen, sondern auch e r mutigen sollen; expressives Wortgut und emotionale Konnotationen spielen daher - ins43 besondere in der Lyrik - eine wichtige Rolle. - /Lohn-, Arbeits-, Fabriksklave; Sklave/

44 Durch die Verwendung von /Lohnsklave/, die auch bei Marx und Engels bezeugt ist , wird das dominierende Merkmal b der terminologischen Bezeichnung /Lohnarbeiter/ ' der (doppeltfreie) Verkäufer seiner Arbeitskraft, der Ausgebeutete (Gegensatz: der kapitalistische Ausbeuter)' nachdrücklich hervorgehoben: /Die Scheidung der Arbeiter von Arbeitsmitteln zu vollziehen, auf der einen Seite die gesellschaftlichen Produktions- und Lebensmittel in Kapital und auf der andern Seite die Volksmassen in besitzlose Lohnsklaven ("freie Arbeiter") zu verwandeln, ist Kunstprodukt der modernen Geschichte/ (1B73) Most, Kapitalu. Arbeit ( 2 1876), in: Dlubek/S., Kapital (1967) 322. Zur Bezeichnung des Klassengegners ('Kapitalist, Bourgeois') wird häufig das Antonym von /Sklave/ (/Herr/) benutzt: /Der Arbeiter aber, der Produktionsmittel beraubt und zum Lohnsklaven erniedrigt, verliert seine ganze Unabhängigkeit und wird dem Willen seines

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"Herrn" unterworfen in allen Aeußerungen seines . . . sozialen Lebens/ (1879) Sozialdemokrat (26. 10.) 2 b Faks. Als Attribute sind dieselben Adjektive belegt wie bei /Lohnarbeiter/ (vgl. S. 142); besonders häufig wird / -Sklave/ durch /modern/verdeutlicht und damit das Merkmal ' der im kapitalistischen Produktionsprozeß Arbeitende" betont: /daß der Arbeiter wie ein mittelalterlicher Vasall fühlt und wie ein moder ner Lohnsclave schanzt/ (1869) Demokr. Wochenbl. 462 a Faks. In derselben Bedeutung wie /Lohnsklave/ werden auch andere Komposita mit /Sklave/ 45 als Grundwort verwendet; am häufigsten ist /Arbeits- (Arbeiter-)Sklave/ bezeugt: /die Fabrikanten, die über ihre weiblichen Arbeitssklaven das "Herrenrecht" ausüben, begnügen sich damit, sie auszubeuten/ (1886) in: Soz.demokr. Bibl. 1, Nr. EX, 23 Faks. /Fabriksklave/ wird seltener gebraucht: /die Bourgeois, die . . . [ ihre J weiblichen Fabriksklaven . . . zwingen, . . . / ebd. 7 Faks. Außer Komposita mit /Sklave/ als Grundwort ist auch das Simplex als synonymische Variation belegt4®: /Heer der Sklaven, wache auf!/ (1902) in: Im Klassenkampf 178 F . (Strophe 1 der "Internationale"). Autoren, die den Klassenstandpunkt der Bourgeoisie einnehmen, verwenden /-Sklave, Sklave/ fast nur in Textzusammenhängen, in denen sie sich ausdrücklich auf den Sprachgebrauch von K. Marx oder führender Vertreter der Arbeiterbewegung beziehen: /Dem Sozialismus zufolge kann der Arbeiter als Arbeiter nichts anderes als Lohnsklave sein, und wenn er noch so frei zu sein vermeine, und ebenso der Kapitalist nicht aus seiner kapitalistischen Haut heraus . . . . Wollte er aufhören, Ausbeuter zu sein, so müßte er aufhören, Kapitalist zu sein . . . - das sind wieder Marxens eigene Worte . . . / (1892) J . Wolf, Sozialpolitik 1, 121. Marx selbst hat, um die unbedingte und hoffnungslose Abhängigkeit des Arbeitersklaven vom Kapitalisten zu kennzeichnen, das Bild des . . . Prometheus gebraucht/ ebd. 272 (vgl. MEW 23, 675). /wenn der Ertrag ausschließlich dem zu Gute kommen soll, was jetzt ausschließlich "Arbeiter" heißt. Soll der Staat dafür sorgen, daß es in den Städten keine "Sklaven" - das ist nicht unser Ausdruck! - mehr giebt/ (1870) "Demokr. Correspondenz", in: Bebel, Ziele 28 Faks. - /Arbeitsmann/ /Arbeitsmann/ (Plur. /Arbeitsmäijner, - leute/) istinder ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die allgemein gültige Berufsbezeichnung für den 'ungelernten Arbeiter' und ist infolgedessen auch in Dokumenten der bürgerlich-demokratischen Revolution sehr häufig belegt 4 ^: /der Angeklagte, Arbeitsmann . . . Höft/ (1847) in: Gesch. Arbeiterbewegung (1966) 1, 503; vgl. ebd. 505.

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'Arbeiter' /Verzeichniß der an den Märztagen Gefallenen. . . . Unterloff, Arbeitsmann/ (1848) in: Einheit 289 O. (ebd. /-geselle/ in unterschiedlichen Berufen).

Da diese Dokumente über den Kampf der /Arbeitsmänner/ in der bürgerlich-demokratischen Revolution berichten, enthält die Bezeichnung zum Teil auch Merkmale, die darauf hindeuten, daß mit dem 'ungelernten Arbeiter' zugleich 'der Angehörige der sich entwickelnden Arbeiterklasse' bezeichnet wird: / [die Arbeiter fordern: ] Allgemeine . . . Freizügigkeit, . . . Schranken gegen Beamtenwillkür in bezug auf die Arbeitsleute/ (um 1848) Flugbl. Rev. 148 O. Die Verwendung als Berufsbezeichnung geht - wie das ausgewertete Material zeigt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach und nach zurück, und bis zum Ende des 19. Jahrhunderts hat sich statt /Arbeitsmann/(auch in amtlichen Texten) /ungelernter Arbeiter/ durchgesetzt.^® Lediglich in historischen Darstellungen, insbesondere in Abhandlungen über die bürgerlich-demokratische Revolution, bleibt /Arbeitsmann/ in der alten Bedeutung erhalten, z. B.: # /Die Arbeiter . . . brachten [auf einer Versammlung] ihre Forderungen zur Sprache. Ein Bauarbeiter verlangte höheren Lohn . . . . Der Arbeitsmann V. entwarf ein Bild von den damaligen Ansprüchen des Arbeiters/ (1892) Bios, Dt. Rev. 3 8 220. Zu Beginn der 60er Jahre wird mit dem Wiederaufleben der Arbeiterbewegung an die 49 revolutionären Traditionen der Arbeiterklasse angeknüpft. Von dieser Zeit an wird /Arbeitsmann/ in Flugblättern, Aufrufen, insbesondere aber in der Arbeiterdichtung auch zur Bezeichnung des 'Arbeiters' (im Sinne der Definition, s. S.11E) verwendet und gehört, wie W. Steinitz feststellt, "bis etwa 1914 der gehobenen Sprache der Ar50 beiterbewegung an". /Arbeitsmann/ ist stets mit einer emotionalen Konnotation verbunden, die 'Mut, heldenhafte Entschlossenheit' ausdrückt. Eine vergleichbare Emotion ist an das Merkmal c des marxistischen Terminus ('der Errichter der Diktatur des Proletariats') gebunden ('Stärke, Siegesgewißheit' - vgl. S. 125; 131). Durch die Verwendung von /Arbeitsmann/ wird diese Emotion verstärkt: /Rafft eure Kraft zusammen, / / und schwört zur Fahne rot! / / . . . Beschleunigt der Despoten Fall! / / . . . Zum Kampf, ihr Arbeitsmänner! Auf Proletariat! / / . . . Ihr habt die Macht in Händen, / / Wenn ihr nur einig seid! / / Drum haltet fest zusammen! //Dann seid ihr bald befreit. / / . . . Dann siegt ihr, Arbeitsmänner! Das Proletariat!/ (1871) Most, in: Im Klassenkampf 47 F. /Nicht Herren mehr und nicht mehr Sklaven, / / Der Arbeit Frucht dem Arbeitsmann - / / So war die Losung jener Braven, / / So strebten sie zum Ziel hinan/ (1873) Geib, in: Kommune 31 K. /Arbeiter! Bürger! . . . Die deutsche Sozialdemokratie hat sich eine derartige Stellung errungen, daß es den Ausbeutern . . . zweckmäßig erschien, . . . die "Sozialreform" [ anzukündigen.] . . . Welcher Arbeiter wird denn überhaupt 70 Jahre? Wissen denn unsere Gesetzmacher nicht, daß es dem Arbeitsmann nur in den seltensten Fällen möglich ist, ein solches

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Alter zu erreichen . . . ? / (1888) Dok. Arbeiterbewegung 3 (1974) 285 (Flugblatt). /In Stadt und Land, ihr Arbeitsleute, / / Wir sind die stärkste der P a r t e i ' n / (1902) in: Im Klassenkampf 179 F. (Strophe 3 der "Internationale"). An die Stelle des Kompositums /Arbeitsmann/ tritt in Aufrufen und in der Lyrik oft auch eine Wortgruppe mit einem genitivus qualitatis: /daß die Männer der Arbeit, so oft sie sich gegen das Kapital erheben, es . . . durch die Noth ihrer Lage gezwungen, thun/ (1869) Demokr. Wochenbl. 147 a Faks. /Männer der Arbeit! Abermals seid Ihr berufen, als Vorkämpfer des Proletariats in die Schranken zu treten und in dem bevorstehenden Wahlkampfe neue Erfolge zu erringen, der Sozialdemokratie neue Triumphe zu bereiten/ (1873) Dok. Arbeiterbewegung 3 (1974) 39. /Der Arbeit Männer aber zollen / / Nur Mitleid diesem Wuthgeschrei: / / Sie wissen ruhig, was sie wollen / / Und feiern doch den ersten Mai/ (1893) Audorf, Ged. 58. Die "Inauguraladresse" von K. Marx beginnt in der Übersetzung von W. Eichhoff: /Männer der Arbeit !/ (1868) Eichhoff, Arbeiterassociation 5 Faks. (K. Marx übersetzt 1864 die Anrede mit /Arbeiter/, vgl. MEW 16, 5). - /Prolet/ Vereinzelt ist seit etwa 1890 das Kurzwort / P r o l e t / (< /Proletarier/) belegt, und zwar synonym mit der marxistischen Bedeutung von /Proletarier/; die in einschlägigen Wör 51 terbüchern ausschließlich gebuchte oder vereinzelt als Ausgangspunkt vermutete pejorative Verwendung ist im ausgewerteten Material (d. h. bis etwa 1900 ) nicht nachweisbar. W. Fleischer hat auf die "besondere Expressivität . . . derartiger Kürzungen" hingewiesen. "Sie charakterisieren den alltäglich-vertraulichen Umgang mit dem bezeichneten Gegenstand, zeigen, daß der Sprecher ' d a z u g e h ö r t ' . . . . Alt ist die - in der Regel expressive - Kürzung im Bereich der Personennamen . . . . Von hier aus hat sich das Prinzip der Kurzformen auf den appellativischen Bereich ausgedehnt, soweit 52 es in der gesprochenen Sprache des alltäglichen Umgangs wirksam geworden ist." Die beiden Erstbelege für / P r o l e t / entstammen der Arbeiterlyrik und stehen im Endreim; möglicherweise haben Reimgründe bei der frühen Verwendung des Kurzwortes mitge spielt. Wie bei der marxistischen Wortbedeutung von / P r o l e t a r i e r / (vgl. S. 126 f.) liegt die Intensität überwiegend bei c: /der Feind [ i s t ] . . . am Erliegen, / / noch einen Druck, . . . / / mein Arbeitsvolk, dann wirst du siegen! / / . . . Ein Kreuzzug i s t ' s , ein heiiger Krieg,// die letzte Waffe des Proleten, / / dem Licht, der Freiheit schaffst Du Sieg / / und Untergang den Trugpropheten/ (um 1890) Kämpchen, in: Im Klassenkampf 177 F. /Da haben die Rothen gesungen / / Manch staatsgefährliches Umsturzlied / / Mit umsturzlüsternen Zungen. I I . . . Da war der Staat in Nöthen, I I Er wackelte bedenklich schon I I Vom Sange der Proleten/ (1897) Süddt.

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Postillon 16, 150 a (für den Gebrauch von /Rote[r] / bietet das ausgewertete Material nur vereinzelt Belege; vgl. z. B. S. 155). Vereinzell dominieren die Merkmale a und b: / F r a u Bertha Krupp versteuerte . . . 1911 . . . 290 Millionen Mark Vermögen. Gegenüber diesem schimmernden Berge Gold jener Berg entsetzlich verstümmelter Leichen [tödlich verunglückter Bergleute] , der herzzerreißende Jammer von Waisen, Witwen und Eltern! Und nun sagt: Wer trägt jederzeit das Risiko, mit Leib und Leben für den Vorteil . . . des Kapitals zahlen zu müssen? Was hat die bürgerliche Gesellschaft für dieses Risiko zu bieten? . . . Billige Beileidstelegramme; . . . teilnehmende . . . Gespräche der hohen, höchsten und allerhöchsten Herrschaften mit ganz gewöhnlichen Proleten; . . . kostbare Nelken aus der Villa Hügel/ (1912) Zetkin, Reden (1957) 1, 559. - /Proletar/ Häufiger als /Prolet/ ist gegen Ende des 19. Jahrhunderts das Kurzwort / P r o l e t a r / bezeugt: /die meeresbreite Kluft zwischen Proletar und Kapitalist/ (1891) Falk, Socialdemokratie 30. / P r o l e t a r / ist überwiegend in der Arbeiterlyrik bezeugt, so daß eventuell metrische Gründe die Häufigkeit der Verwendung mitbestimmt haben: /Du [ F . Engels] hast, was du vermocht, dem Proletar gegeben. / / . . . Du hast die Bahn dem Proletar zum Siege / / . . . vor gezeichnet/ (1895) Hannich, in: Im Klassenkampf 171 F. /Laßt allen Hader beiseite, / / Z u m Proletar halte der Proletar / / I m kommenden Klassenstreite/(1898) Süddt. Postillon 17, 50^ Im Unterschied zu / P r o l e t / hat sich / P r o l e t a r / nicht im Sprachgebrauch durchgesetzt, das Kurzwort ist jedoch durch ältere, noch heute geläufige Arbeiterlieder lebendig geblieben: /Drum stärkt sie [Partei u. Gewerkschaft] auf dem ganzen Erdenrund, / / [Kehrvers: ] Dann geht kein Proletar zu Grund!/ (nach 1907) in: Steinitz, Dt. Volkslieder 2 (1962) 326 (in älteren Fassungen steht /Arbeitsmann/ statt / P r o l e t a r / im Kehrvers; vgl. ebd. 317 ff.). 4.4.2. Verschleierung oder Verfälschung von Merkmalen der marxistischen Wortbedeutung Der im folgenden dargestellte Einsatz anderer sprachlicher Mittel dient der Verschleierung oder Verfälschung der marxistischen Wortbedeutung, d. h. , er erfolgt zielgerichtet (vgl. S. 149 ). Im aktiven'Sprachgebrauch ist er ausschließlich bei Autoren bezeugt, die den Klassenstandpunkt der Bourgeoisie vertreten. Verfasser, die die Position der Arbeiterklasse einnehmen, markieren in der Regel die vom Klassengegner eingesetzten Bezeichnungen als nicht zu ihrem eigenen Wortschatz gehörend (meist durch Anführungszeichen). Die folgenden Belege zeigen, daß der entterminologisierende Einsatz anderer sprachlicher Mittel nicht nur die marxistischen terminologischen

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Bezeichnungen für ' A r b e i t e r ' betrifft, sondern auch im Hinblick auf andere im Kontext vorkommende Elemente der marxistischen Terminologie erfolgt (vgl. hierzu auch S. 147). Wie bereits erwähnt (vgl. S. 147 f f . ) , sind Grad und Art der Entterminologisierung an Merkmalsänderungen oder -tilgungen nachweisbar. Erfaßt die Änderung oder Tilgung nur einen Teil der Bedeutungsmerkmale, so ist es charakteristisch, daß in jedem Falle das bei der marxistischen Bedeutung dominierende Merkmal betroffen wird; Intensitätsverschiebungen spielen daher eine wichtige Rolle. - Einsatz von allgemeinsprachlichem Wortgut Durch die Umschreibungen / d e r arme Mann, der kleine Mann/ wird die 'Mittellosigkeit' überbetontund somit das Merkmal a der marxistischen Bedeutung ' d e r Besitzlose an Produktionsmitteln' (vgl. hierzu S. 151) verschleiert: /Sozialdemagogie ist es, wenn . . . Großproduzenten (Fabrikanten etc.), welche von der Ausbeutung des "kleinen Mannes" leben und ohne diese Ausbeutung nicht bestehen könnten, von plötzlicher Zärtlichkeit für den "armen Mann" erfaßt werden und ihm das Himmelreich auf Erden verspreche"n7 (1884) Dok. Arbeiterbewegung 3 (1974) 212; vgl. ebd. 164 (der bürgerliche Sprachgebrauch wird durch die Anführungszeichen markiert). Das Merkmal b des Terminus ( ' d e r [doppeltfreie] Verkäufer seiner Arbeitskraft, der Ausgebeutete') wird verschleiert, wenn in Umschreibungen - wie in den folgenden Belegen - das Schwergewicht auf ' d e r mit der Hand im gesellschaftlichen Arbeitsprozeß für Lohn Arbeitende' liegt, d. h. ein Bedeutungsgehalt vorliegt, der mit der allgemeinsprachlichen Bedeutung von /Lohnarbeiter/ (V 1, vgl. S. 120) weitgehend identisch ist (vgl. a u c h S . 151): / E s ist . . . kaum zulässig, von den Kapitallosen, die für Lohn arbeiten müssen, als von einer unterschiedslosen Arbeiterklasse zu reden/ (1864) Prince-Smith, in: Quellensamml. z. Kulturgesch. 6 (1960) 175. /daß sich N. N. seinen Lebensunterhalt durch Lohnarbeit erworben habe, das heißt daß er in Lohnarbeit gestanden habe/ (1891) Neue Preuß. Ztg., Nr. 39, 2. B e i l . T ^ Durch Wortgruppenlexeme des Typus /arbeitende Kräfte, arbeitende Menschen/ usw., die fast ausschließlich im Plural bezeugt sind, wird an die allgemeinsprachliche Hauptbedeutung von / A r b e i t e r / angeknüpft (V 2 ' d e r mit der Hand im gesellschaftlichen A r beitsprozeß Arbeitende', vgl. S. 117); dadurch wird der Aspekt ' i m kapitalistischen Produktionsprozeß' getilgt, der das entsprechende Bedeutungsmerkmal des marxistischen Terminus kennzeichnet (vgl. S. 126): / [ E s ] entstehen neue Verbindungen unter den arbeitenden Kräften/ (1891) Patten,in: Jbb. Nationalök. 3. F. 2, 497. In derselben Bedeutung wird - überwiegend von bürgerlichen Ökonomen - /(arbeitende) Hände/ verwendet. Hier handelt es sich nicht um Wortgut der Allgemeinsprache,

'Arbeiter'

162

sondern um einen (aus dem Englischen übernommenen) Terminus der bürgerlichen Ökonomie

: /in der ersten Epoche des Maschinenwesens [ steigt ] . . . der Bedarf neuer arbeitender Hände . . . weit mehr, als der Bedarf der alten abnimmt/(1848) Hildebrand, Nationalökonomie 1 (1922) 191.

In der Arbeiterliteratur wird der bürgerliche Terminus - wie bei Marx und Engels (vgl. S. 165) - durch Anführungszeichen vom Sprachgebrauch der Arbeiterklasse abgehoben: /dem Kapitalisten . . . bleibt stets das . . . Mittel, . . . aus dem Reservoir . . . Italiens, Rußlands, . . . die "Hände" zu holen, deren er bedarf/ (1885) in: Soz.demokr. Bibl. 1, Nr. I, 17 Faks. (vgl. auch den Beleg 1868 S. 165). Auch bei / P r o l e t / und / P r o l e t a r / finden sich entterminologisierende Verwendungsweisen; sie unterscheiden sich von den oben genannten Beispielen und stimmen mit dem entterminologisierten Gebrauch von / P r o l e t a r i e r / überein (vgl. S. 147 ff.). So soll z. B. die gehäufte Verwendung in diffamierenden Kontexten wertende und emotionale Konnotation wecken oder festigen (vgl. S. 155). Dabei wird die pejorative Bedeutung von / P r o l e t a r i e r / (V 3, vgl. S. 122 f.) assoziiert. In dem folgenden Beleg dominiert - wie bei / P r o l e t a r i e r / V 3 - das Merkmal 'der Heruntergekommene': /in allen modernen Ländern steht nichts dem Aufsteigen des Proletars entgegen. Mit ihm steigt die Unkultur, zersetzt alle Kreise; der Mensch, der in seiner Entwicklungsperiode ohne künstlerische Anregung geblieben, wird . . . , nachdem ihn der Zufall zum einflußreichen Mitglied der Gesellschaft gemacht hat, keine edleren Bedürfnisse fühlen, sondern nur heucheln/ (1899) Meier-Gräfe, in: D. Insel 1, 91. Einige Belege zeigen, daß das bei der marxistischen Bedeutung dominierende Merkmal c 'der Errichter der Diktatur des Proletariats' fehlt und damit auch der insbesondere an dieses Merkmal gebundene Aspekt 'Klassengegner der herrschenden Klasse' (zum Problem der folgenden, von Levenstein übernommenen Belege, deren Autoren Arbeiter sind, vgl. S. 186 ff.): /Ich habe Nietzsche gelesen . . . : Ich habe nicht nötig, mich in dieses Gedankenlabyrinth hineinzuzwängen. . . . als Anhängsel der Maschine . . . ist Nietzsche überflüssig. Der Prolet ist am glücklichsten, wenn er nicht denkt/ (1907/11) in: Levenstein, Arbeiterfrage (1912) 385 (Briefeines F r ä sers). /Solange der Proletar sich in 1 OOOsende von Vereinchen zerreißen läßt und . . . Feste die vom Kapital veranstaltet feiert, . . . vergißt der Proletar die Organisation . . . [ und läßt sich wie] Kälber zum Metzger schleppen/ ebd. 290 (aus einem von einem Bergmann ausgefüllten Fragebogen). - Einsatz von Termini der Bourgeoisie Den vom Klassenstandpunkt der Arbeiterklasse aus geprägten terminologischen Bezeichnungen /Arbeiter, Lohnarbeiter, Proletarier/ steht die terminologische Bezeichnung /Arbeitnehmer/ gegenüber, die vom Standpunkt der Bourgeoisie aus geprägt ist:

Elfriede Adelberg

163

Die "gegensätzlichen Positionen im Klassenkampf [ f ü h r e n ] notwendigerweise zu unterschiedlichen Termini für die gleiche Erscheinung . . . . Sie wird unterschiedlich wider 54

gespiegelt und bewertet, dies findet in der Benennung seinen Ausdruck."

Das Determinativkompositum / A r b e i t n e h m e r / , das seit 1848 belegt ist (vereinzelt mit Fugen-s zwischen den Kompositionsgliedern), wird fast ausschließlich in engem kontextualen Zusammenhang mit /Arbeitgeber/ als Antonym verwendet. Beide Termini sind durch die Wortbildungsstruktur motiviert. Die allgemeinsprachliche Hauptbedeutung des Bestimmungswortes / A r b e i t / , 'produktive (berufliche) Tätigkeit des Men55 sehen',

wird bei den Komposita im Sinne von 'Arbeitsmöglichkeit' verwendet. In

dieser Bedeutung ist / A r b e i t / in der festen Wortverbindung /Arbeit und B r o t / geläufig und enthält eine positive Wertung (etwa ' lebensnotwendig'). Die Grundwörter haben als Nomina agentis enge semantische Beziehungen zu den zugrunde liegenden Verben, und bei der Gegenüberstellung von /geben/ und /nehmen/ wird überwiegend das zum geflügelten Wort gewordene Bibelzitat assoziiert, daß "geben seliger als nehmen" ist. 56 / G e b e r / , 'jemand, der einem anderen etwas gibt, schenkt', enthält demnach eine positive Wertung, die eine Emotion erweckt, die ' d a s menschlich Lobenswerte, Anerkennungswerte' ausdrückt (vgl. auch die Komposita /Almosen-, Brot-, Gast-, Ratgeber^®). / - n e h m e r / ist scheinbar wertfrei, die Gegenüberstellung zu dem positiv b e werteten / - g e b e r / schließt jedoch eine gewisse 57 Abwertung ein; d . h . , der / - n e h m e r / , ' d e r sich etwas (Angebotenes) geben l ä ß t ' , steht letztlich moralisch "unter" dem / - g e b e r / - e r hat Dank und Anerkennung für das Gegebene zu zollen. Demnach ist / -nehmer/ - insbesondere in engem kontextualen Zusammenhang mit'dem Antonym mit einer emotionalen Konnotation etwa im Sinne von ' zu Dank, Anerkennung verpflichtet' verbunden. Diese kurzen Bemerkungen lassen bereits vermuten, daß der bürgerliche Terminus /Arbeitnehmer/ mit größter Wirksamkeit zur Verwischung des antagonistischen Klassengegensatzes eingesetzt werden kann. Die ausgewerteten Belege bestätigen diese Vermutung: Der /Arbeitnehmer/ ist als ' d e r im kapitalistischen Produktionsprozeß Arbeitende' nicht der 'Klassengegner der herrschenden Klasse' (vgl. T V 1, S. 138), sondern er ist ' d e r Vertragspartner der Arbeitgeber'; er ist nicht ' d e r Besitzlose an Produktionsmitteln' (T V 1, Merkmal a), sondern ' d e r Nichtbesitzer von Arbeitsmöglichkeit'; er ist nicht ' d e r Ausgebeutete' (Merkmal b), sondern ' d e r (dem Arbeitgeber zu Dank verpflichtete) Empfänger von Arbeit und B r o t ' . Die Verfälschung der Merkmale a und b der marxistischen Bedeutung schließt die Leugnung des Merkmals c ein, denn ' der Nichtbesitzer von Arbeitsmöglichkeit' würde ja durch den Sturz der /Arbeitgeber/ sich selbst um 'Arbeit und Brot' bringen! Der /Arbeitnehmer/ ist demnach nicht ' der Errichter der Diktatur des P r o l e t a r i a t s ' , sondern ' der zusammen mit den Arbeitgebern an der Gestaltung der Gesellschaft Arbeitende'. Bei /Arbeitnehmer/

164

'Arbeiter'

dominiert das Merkmal b 'der (dem Arbeitgeber zu Dank verpflichtete) Empfänger von Arbeit und Brot' d. h . ,

der ökonomische Aspekt wird hervorgehoben. M. Pfütze

sagt, daß der marxistische "Terminus /Lohnarbeiter/ die wissenschaftliche Bezeich58 nung für den verfälschten Terminus /Arbeitnehmer/" ist. Das trifft zu, denn auch bei /Lohnarbeiter/ liegt die Intensität bei b, wodurch der ökonomische Aspekt betont wird(vgi. S. 126f. ). /Arbeitnehmer/istl848in dem "Entwurf einer allgemeinen Hand59 werker - und Gewerbeordnung für Deutschland" belegt und im selben Jahr in den 60 "Beschlüssen des Arbeiterkongresses zu Berlin" ("Arbeiterverbrüderung"). Ebenfalls 1848 verwendet St. Born die Bezeichnung in einer Artikelserie der Zeitung "Die Verbrüderung" über Probleme der "Arbeiterverbrüderung": /Das Recht auf Arbeit setzt den Gegensatz von Arbeitgebern und Arbeitnehmern . . . voraus und unsere ganze Arbeiterbewegung will die Aufhebung dieses Gegensatzes/ (1848) Born, in: Gesch. Arbeiterbewegung (1966) 1, 520. "Stephan Born stellte der Arbeiterverbrüderung das Ziel, Produktionsassoziationen der Arbeiter zu gründen, mit deren Hilfe man die kapitalistischen Privatbetriebe niederkonkurrieren und den Kapitalismus friedlich überwinden wollte. Das alles sollte unter den bestehenden Zuständen, bei Vorherrschaft der Ausbeuterklassen, ins Werk gesetzt werden. . . . Seine ökonomistische und klassenversöhnlerische Konzeption lenkte 61 die Kräfte der Arbeiter in eine falsche Richtung." Die opportunistische Haltung Borns und der "Arbeiterverbrüderung" wird - im Hinblick auf die Terminologie - an der V e r wendung von /Arbeitnehmer/ deutlich. Neben den bürgerlichen terminologischen B e zeichnungen /Arbeitnehmer/ und /Arbeitgeber/ werden jedoch sowohl in den Dokumenten der "Arbeiterverbrüderung" als auch in den Zeitungsartikeln von Born die marxisti62 sehen Wörter benutzt,

denn Born und die "Arbeiterverbrüderung" berufen sich auch

auf die Lehren von Marx und Engels. Engels sagt dazu: "Born . . . 'verbrüderte' sich mit den verschiedenartigsten Krethi und Plethi, um nur einen Haufen zusammenzubekommen . . . . I n den amtlichen Veröffentlichungen des Vereins laufen daher auch die im 'Kommunistischen Manifest' vertretenen Ansichten kunterbunt durcheinander mit Zunfterinnerungen und Zunftwünschen, Abfällen von 63 Louis Blanc und Proudhon, Schutzzöllnerei usw., kurz, man wollte allen alles sein." Die bürgerlichen Termini haben sich im allgemeinen Sprachgebrauch schnell durchgesetzt; bereits 1852 bucht J . Grimm: /Arbeitnehmer, . . . gegenüber dem arbeitgeber, der die aufgetragne arbeit annimmt/ (1852) XDWB 1 (3. Lfg.), 543: /Arbeitgeber. . . . der für sich arbeiten läszt, die arbeit bestellt und zahlt/ ebd. 6 4 Das Eindringen der bürgerlichen terminologischen Bezeichnung in den allgemeinüblichen Sprachgebrauch kann dafür verantwortlich gemacht werden, daß /Arbeitnehmer/ vereinzelt auch bei Vertretern der Arbeiterklasse belegt ist, und zwar - wie in dem

Elfriede Adelberg

165

folgenden Beleg - im Sinne der marxistischen Bedeutung von / A r b e i t e r / (als stilistische Variation): /Wie in der Politik die Parteien mehr und mehr sich in nur zwei Lager gruppieren, hier Arbeitnehmer und dort Arbeitgeber, analog der ökonomischen Entwicklung, welche die Mittelklassen lichtet und auf Zweitrennung in Besitzer und Habenichtse lossteuert, so teilt sich auch die Wissenschaft in zwei Generalklassen/ (1876) Dietzgen, S. Sehr. (1911), 1, 193. Im Unterschied zu dem voraufgegangenen Beispiel zeigt das folgende den zielgerichteten Einsatz der bürgerlich-terminologischen Wortbedeutung. Der Beleg entstammt W. Eichhoffs Übersetzung der Inauguraladresse aus dem Englischen, die von Marx gebilligt wurde: /Wir sprechen von der Cooperativbewegung, insbesondere von den . . . durch wenige unverzagte . . . "Hände" + ) ins Leben gerufenen Fabriken. . . . Durch die That . . . haben sie bewiesen, daß Production in großem Maßstab . . . stattfinden kann ohne die Existenz einer Klasse von Arbeitgebern, die einer Klasse von Arbeitnehmern zu thun giebt . . . + ) [ F u ß note: ] In England ist es Sprachgebrauch, die Arbeiter als "Hände" (hands) zu bezeichnen, während Schafe und Ochsen nach Köpfen (heads) gezählt werden/(1868) Eichhoff, Arbeiterassociation 13 Faks. Auf Grund des Kontextes ergibt sich, daß /Arbeitnehmer/ synonym mit /Hände/ v e r wendet wird (vgl. auch den Beleg lb54, S. 166). Im englischen Original steht an beiden Stellen ,/hands/. Die Lehnübersetzung des englischen bürgerlichen Terminus (vgl. S. 161 f.) wird von Eichhoff in Anführungszeichen gesetzt und in einer Fußnote erläutert; der Vergleich /hands, heads/' macht die negative Wertung im Sprachgebrauch der h e r r schenden Klasse deutlich (vgl. aveh den Beleg lb73, S. 166). In derselben Weise will Eichhoff /Arbeitnehmer/ bei der Wiedergabe des zweiten / h a n d s / verstanden wissen; er vermeidet hier /Hände/ sicher nur, weil dem deutschen Leser /Arbeitnehmer/ geläufiger ist. - Im Zusammenhang mit /Arbeitnehmer/ übersetzt er / m a s t e r s / mit A r beitgeber/ (vgl. auch den Beleg lb73, S. 166). Marx gibt in seiner eigenen Übersetzung beide Stellen mit /Hände/ wieder; außer durch Anführungszeichen hebt er den Terminus durch Kursivdruck hervor und erläutert ihn durch die englische Entsprechung: /Wir sprechen von . . . den Kooperativfabriken, diesem Werk weniger kühnen "Hände" ( h a n d s ) . . . . Durch die Tat . . . bewiesen sie, daß Produktion auf großer Stufenleiter . . . vorgehen kann ohne die Existenz einer Klasse von Meistern (masters), die eine Klasse von "Händen" anwendet/ (M 1864) MEW 16, 11. Die Verwendung von /Arbeitgeber/ und /Arbeitnehmer/ weisen Marx und Engels scharf zurück. In ihrem Gesamtwerk ist /Arbeitnehmer/ zweimal bezeugt, und in diesen bei den Belegen wird die Unwissenschaftlichkeit des bürgerlichen Terminus deutlich gemacht. Allgemein bekannt ist das Urteil von Engels in der Vorrede zur dritten Auflage des "Kapital":

'Arbeiter'

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/ £ s konnte mir nicht in den Sinn kommen, in das "Kapital" den landläufigen Jargon einzuführen, in welchem deutsche Ökonomen sich auszudrücken pflegen, jenes Kauderwelsch, worin z. B . derjenige, der sich für bare Zahlung von andern ihre Arbeit geben läßt, der Arbeitgeber heißt, und Arbeitnehmer derjenige, dessen Arbeit ihm für Lohn abgenommen wird/ (E 18b3) MEW 23, 34. Weitgehend unbekannt ist die fast gleichlautende Verurteilung von Marx (den Zeitgenossen von Marx und Engels konnte sie nicht bekannt sein, da sie dem zu Lebzeiten der Klassiker unveröffentlichten Schrifttum angehört): /So heisst auch im heutigen Deutschen der Kapitalist, die Personifikation der Sachen, die Arbeit nehmen, Arbeitsgeber, und der wirkliche Arbeiter, der Arbeit gibt, Arbeitsnehmer/ (M 1860/67) Marx-Engels-Archiv Bd. 2. Moskau 1933. S. 6b, Fußnote. Das ausgewertete Material enthält aus den Kreisen der Arbeiterbewegung nur eine so zusagen "selbständige" (d. h. vor lbb3 ausgesprochen^ Kritik; sie findet sich in dem von W. Liebknecht herausgegebenen "Demokratischen Wochenblatt": / [Gewerbegerichte,] welche bei den Streitigkeiten zwischen "Arbeitgebern und Arbeitnehmern" (wie der ungeschickte Kunstausdruck) den letzteren eine gleichberechtigte Stimme zugestehen/ (1869) Demokr. Wochenbl. 232 a Faks. Bei den späteren Belegen ist der Einfluß von Engels nicht auszuschließen, z. B . : /Was würde Rodbertus heut sagen, wo . . . das unglaublich dumme und abscheuliche Wort "Arbeitnehmer" aufgekommen ist! In Wirklichkeit ist es der Kapitalist, welcher die Arbeit nimmt und der Arbeiter giebt . . . sie/ (1891) Jentsch, Elend 41 ("Schles. Tagebl."). Der folgende Beleg zeigt das Urteil eines zeitgenössischen Vertreters der Bourgeoisie, dem offensichtlich die Ablehnung der bürgerlichen Termini durch Vertreter der Arbeiterklasse bekannt ist. Das Wortgut, das er zur Wiedergabe dieser Ablehnung wählt, charakterisiert seinen Klassenstandpunkt: /Das Gegenstück [zu Arbeitgeber] "Arbeitnehmer" . . . gehört in die kulturhistorisch interessante Kategorie jener pedantisch abschwächenden Worte, in denen sich die Leisetrete^i unserer Zeit zuweilen gefällt/ (1900) R. M. Meyer, Schlagworte 70. Im Unterschied zu der vereinzelten Verwendung im Schrifttum der Arbeiterklasse, ist /Arbeitnehmer/ bei Autoren, die den Standpunkt der Bourgeoisie vertreten, reich bezeugt. In der Fachliteratur wird die Bezeichnung häufig synonym mit /Hände/ verwendet: /im Gewerbfleiße überwiegt die Maschinenarbeit die menschlichen Hände.1 .. [Fußnote:] Es ist in dieser Hinsicht ungemein charakteristisch, daß man heutzutage den Arbeiter so gern Arbeitsnehmer, den Kapitalisten, welcher ihn beschäftigt, Arbeitsgeber nennt/ (1854) Roscher, System 1, 74. /Der sociale Zwiespalt steht in England in höchster Blüthe . . . . Wohl werden die Arbeiter nicht mehr als hands (Hände) bezeichnet zum Unterschiede von heads (Köpfe, der Bezeichnung für Kühe und Ochsen), aber der Gegensatz zwischen master und men, zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern verschärft sich zusehends/ (1873) Jäger, Socialismus 116.

167

Elfriede Adelberg

Seit der Mitte der 60er Jahre ist /Arbeitnehmer/ in den unterschiedlichsten öffentlichen Verlautbarungen, Reichstagsprotokollen usw. alleingültiger Terminus zur Bezeichnung des 'Arbeiters': /daß beschlossen ist, zur Untersuchung der Weber zustände im Waldenburger Kreise eine besondere Commission . . . einzusetzen. Dieselbe soll aus Vertretern der Arbeitgeber, sowie der Arbeitnehmer . . . gebildet werden. . . . [ ich] ersuche . . . , dahin wirken zu wollen, daß als Vertreter der Arbeitnehmer verständige Männer . . . [genommen] werden/ (1864) Bismarck, Reden 2, 343 K. /Die Festsetzung der Verhältnisse zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist Gegenstand freier Übereinkunft/ (1869) Gewerbeordn. für den Norddt. Bund § 105, in: Dlubek/S., Kapital (1967) 220 (A. Geib verwendet bei seiner Kritik des § 105 ausschließlich /Arbeiter/; vgl. [1871] Geib, Der Normalarbeitstag, in: ebd. 220 ff.). / [ d i e ] Polizeibehörden . . . müssen sich jeglicher Maßregel sorgfältig enthalten, welche als eine Parteinahme der obrigkeitlichen Gewalt für die Arbeit geber gegen die Arbeitnehmer oder umgekehrt erscheinen könnte/ (1886) Streikerlaß despreußischenlnnenministers, in: Gesch. Arbeiterbewegung (1966) 1, 623. Auch in bürgerlichen Presseorganen wird fast ausschließlich /Arbeitnehmer/ verwendet (vgl. z. B. [ 1871 ] Königl. priv. Berl. Ztg. 268, 2. Beil. l 1 ^. Der jeweilige Kontext macht deutlich, daß die Verwendung von /Arbeitnehmer/ insbesondere der Verwischung des antagonistischen Klassengegensatzes dient ('Vertrags\

partner der Arbeitgeber', s. S. 163): /Bei der Erörterung der socialen Frage sollte . . . jeder nützliche Berufszweig mit Kopf oder Handarbeit ohne Ausscheidung eines sogenannten Arbeibeiterstandes^? und ohne Aufstellung künstlicher Klassengegensätze berücksichtigt werden. . . . In ökonomischer Beziehung sind von Wichtigkeit: . . . Die Vertragsverhältnisse zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern; die Werkstattordnungen, Vertrauenscommissionen, Einigungsämter und Schiedsgerichte/ (1874) in: Contzen, Soc. Frage 2 241 f. Das Merkmal c 'der zusammen mit den Arbeitgebern an der Gestaltung der Gesellschaft Arbeitende' wird oft durch Adjektive hervorgehoben; am häufigsten wird / f r i e d lich/ verwendet (oder entsprechende Umschreibungen mit /Frieden/): /Für die Pflege des Friedens zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sind gesetzliche Bestimmungen . . . in Aussicht zu nehmen/ (1890) Sozial demokrat (15. 2.) i c Faks. (Botschaft Wilhelms II.). /Der "Verein Deutscher Arbeitgeberverbände" hat, neben dem Bestreben, ein friedliches Zusammenwirken von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu fördern, zum Zweck: a) die gemeinsamen Interessen der Arbeitgeber gegenüber unberechtigten Anforderungen der Arbeitnehmer zu schützen/ (1904) Satzungen des Vereins Deutscher Arbeitgeberverbände, in: Gesch. Arbeiterbewegung (1966) 2, 337.

'Arbeiter'

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Anmerkungen

1

Mit Ausnahme des WDG und des "Duden" ist / P r o l e t a r i e r / in modernen Nachschlagewerken der DDR nicht gebucht und / P r o l e t a r i a t / nur als Stichwort - mit Verweis auf / A r b e i t e r k l a s s e / - aufgenommen. In der Gegenwartssprache können / P r o l e t a r i e r / und / P r o l e t a r i a t / nur im Hinblick auf kapitalistische Produktionsverhältnisse verwendet werden; lediglich politische Schlagworte des Klassenkampfes wie / P r o letarier aller Länder, vereinigt e u c h ! / und /Diktatur des P r o l e t a r i a t s / bilden eine Ausnahme.

2

E s muß erwähnt werden, daß /Arbeitsmann/ im ausgewerteten Material für die e r ste Hälfte des 19. Jahrhunderts reich bezeugt ist, und zwar als allgemein gültige Berufsbezeichnung für den 'ungelernten Arbeiter' (vgl. S. 157 f f . ) . - Bei Marxund Engels tritt /Arbeitsmann/ dagegen nicht auf (mit Ausnahme eines Beleges von 1840 Engels, Jugendbr. 171 S . ) . In dieser Bedeutung auch bei Marx und Engels; s . Beleg S. 128. Zum Gebrauch von / R a s s e / im 19. Jahrhundert vgl. *DWB 8, 143 f. und G. Hagen, Zum sachlichen und sprachlichen Einfluß der englischen politischen Ökonomie auf die deutsche im 18. und 19. Jahrhundert. Diss. Berlin 1968. S. 233. M a s c h . - s c h r i f t l .

3

4

(E 1845) MEW 2, 232 (Die Lage der arbeitenden Klasse in England).

5

Vgl. a u c h G . Hagen, a. a. O. S. 138, 250.

6

Die durch dai Sprachgebrauch von Marx und Engels sich herausbildenden Varianten (und ihre Merkmale) werden durch "M" gekennzeichnet.

7

W. I. Lenin, Werke. Band 2. Berlin 1966. S. 9.

b

Z. B.: /behaupten die Ökonomen, daß der Arbeiter Eigentümer von Allem ist, was er als Arbeiter braucht/ (M/E 1845/46) MEW 3, 388.

9

Vgl. G. Hagen a. a. O. S. 194. J . H. Campe löst das Kompositum lediglich auf (ohne Bedeutungsangabe); vgl. (1809) Campe, Wb. 3, 145&.

10

(1843) Schulz, Bewegung 63 in: (M 1844) MEW EB 1, 492.

11

Vgl. 1834 Schaffer, N. F r z . - d t . Wb. 1, 1005 a , (1835) Dict. de l'académie f r a n çaise 62, 514 e ; W. Feldmann, Die Große Revolution in unserer Sprache. In: Zeitschrift für Deutsche Wortforschung. Band 13. Straßburg 1911/12. S. 274; (1906) Ladendorf, Schlagwb. 254.

12

Vgl. auch R. F . Arnold, Wortgeschichtliche Zeugnisse. In: Zeitschrift für Deutsche Wortforschung. Band 8. Straßburg 1906/07. S. 18; "1847 f. . . . häufig in den Fliegenden Blättern . . . ironisch."

13

Proletarier . . . fig. die litterarischen -, ,/la plèbe/ (1856) Mozin 34, 321 b .

14

/ P a u p e r / , in den 40er und 50er Jahren des 19. Jahrhunderts geläufige Bezeichnung für die völlig verelendeten Schichten des Proletariats; vgl. dazu auch W. Conze, Vom "Pöbel" zum "Proletariat". In: Vierteljahrsschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Band 41. Wiesbaden 1954. S. 348 f.

15

Vgl. B. A. Serebrennikow, Zum Problem des Wesens der Sprache. In: Allgemeine Sprachwissenschaft. B a n d i . Berlin 1973. S. 59. W. Fleischer, Zur linguistischen Charakterisierung des Terminus in Natur - und Gesellschaftswissenschaften. In: Deutsch als Fremdsprache. Jahrgang 10. Heft 4. Leipzig 1973. S. 200 a . Im folgenden schließen sich die theoretischen Erörterungen zum ' T e r m i n u s ' im wesentlichen

Elfriede Adelberg

169

der Arbeit von W. Fleischer an. 16

Vgl. W. Fleischer a. a. O. S. 199 b .

17 In späteren Werken wird die synonymische Variation /Diktatur des Proletariats/ bevorzugt, z. B.: /daß der Klassenkampf notwendig zur Diktatur des Proletariats führt/ (M 1852) MEW 28, 508. 18 Vgl. W. Fleischer a. a. O. S. 201 a . 19 W. I. Lenin a. a. O. S. 11 f. 20

Vgl. MEW 32, 75; 289.

21 (M 1852) MEW 28, 507 f. 22

(M 1849) MEW 6, 398.

23 Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Band 1. Berlin 1966. S. 49. 24

Vgl. in diesem Zusammenhang auch MEW 20, 17; 99; 123; 261.

25

Vgl. hierzu auchG. Hagen a. a. O. S. 209; K. Wunsch, Zum Wortfeld 'Arbeiter' bei Marx und Engels. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur. Band .84. Halle (Saale) 1962. S. 458 ff. 26 (M/E 1848) MEW 4, 490; vgl. auchdenS. 125 zitierten Beleg (E 1847) MEW 4, 207. 27 Es gibt aber auch Beispiele dafür, daß pejorative Bezeichnungen des Klassengegners bewußt von der unterdrückten Klasse aufgegriffen und zur Ehrenbezeichnung erhoben werden: nl. /Geuse/, f r z . /Sansculotte/ (zu dt. / P r o l e t / v g l . S. 159). 28

Vgl. LS A 21(1975) S. 62 f.; 76.

29 30

Vgl. Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Band 1. Berlin 1966. S. 204. Z. B. Der Geächtete, Deutsch-französische Jahrbücher, Vorwärts; in Belgien: Deutsche-Brüsseler-Zeitung. Zur Bedeutung dieses Schrifttums vgl. K. Obermann, Marx' und Engels' Anteil an der Vorbereitung der Revolution von 1848. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Heft 5. Berlin 1959. S. 1028 ff. und J . A. Stepanowa und J . P. Kandel, Aus der Geschichte des ideologischen Kampfes in der deutschen demokratischen Bewegung der 40er Jahre des 19. Jahrhunderts. In: Sowjetwissenschaft. Gesellschaftswissenschaftliche Beiträge. Heft 5. Berlin 1956. S. 593 ff.

31

Vgl. die "Statuten" MEW 16, 14 ff.; 17, 440 ff.

32

Vgl. den Beleg S. 130, MEW 18, 101.

33 Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. B a n d l . Berlin 1966. S. 257. 34 Movierte Femina zu /Arbeiter/ und / P r o l e t a r i e r / sind im ausgewerteten Material gut belegt, insbesondere bei A. Bebel und K. Zetkin. Sie bezeichnen sowohl die im kapitalistischen Produktionsprozeß tätige Frau als auch die nichtberufstätige Ehefrau des ' A r b e i t e r s ' . Die Bedeutungsmerkmale stimmen mit denen der marxistischen Bedeutung von /Arbeiter/ und / P r o l e t a r i e r / überein. 35

Vgl. hierzu auch die Vielzahl der 1894 bei Brockhaus, Konv.-Lex. 1, 812b ff. und 1904 in Meyers Konv.-Lex. 1, 675 ff. gebuchten /Arbeiter/-Komposita.

36 W. Fleischer a. a. O. S. 199 b . 37 Vgl. hierzu MEW 23, 784. 38 A. Neubert, Sprache und Geschichte. In: Sitzungsberichte der AdW der DDR. Nr. 3/G. Berlin 1975. S. 20. 39

Vgl. die aus den Campe-Belegen erschlossenen Bedeutungsmerkmale S. 115.

'Arbeiter'

170 40

Vgl. auch die folgenden Belege: /wir [Kleinadel] . . . sind bloß Sturmbock [des Hochadels] . Immer dieselbe Geschichte, wie mit Protz und Proletarier. Die Proletarier - wie sie noch echt waren, jetzt mag es wohl anders damit sein - waren auch bloß immer dazu da, die Kastanien aus dem Feuer zu holen; aber ging es dann schief, dann wanderte Bruder Habenichts nach Spandau, und Bruder Protz legte sich zu Bett/ (1897) Fontane, Ges. -Ausg. [1925 j II 3, 289. /in dem kleinen erbärmlichen Zimmer der . . . Mietskaserne, die Proletarier bewohnten/ (1901) Viebig, Brot 1, 267. /Du, Proletarier ! - Säufst Bier und Wasser! - Hast noch keinen Wein getrunken/ (1903) in: Arbeitertheater 385 K./M. (vgl. den Beleg 1844 S. 121: "armer Schlucker").

41 W. Fleischer a. a. O., S. 201 a . 42

Vgl. hierzu: /Einmal die Arbeit emanzipiert, so wird jeder Mensch ein Arbeiter, und produktive Arbeit hört auf, eine Klasseneigenschaft zu sein/ (M 1871) MEW 17, 342. Diese Feststellung von Marx bezieht sich im Unterschied zu Lassalle auf sozialistische Produktionsverhältnisse (vgl. auch die Belege S. 143: Hochverratsprozeß und Sozialdemokrat). - In diesem Zusammenhang sei auch auf den Sprachgebrauch von £ . Bernstein verwiesen, den R. Luxemburg treffend kommentiert. / P r o l e t a r i e r / wird bei Bernstein - wie /Arbeiter/ bei Lassalle - bewußt entterminologisiert: /für Bernstein ist . . . das Wort "bürgerlich" kein Klassenausdruck . . . . Das bedeutet . . . , daß er . . . mit der . . . Denkweise auch die Sprache des Proletariats mit derjenigen der Bourgeoisie vertauscht hat. Indem Bernstein unter "Bürger" unterschiedslos den Bourgeois und den Proletarier, also den Menschen schlechthin versteht, ist ihm tatsächlich der Mensch schlechthin zum Bourgeois, die menschliche Gesellschaft mit der bürgerlichen identisch geworden/ (1899) Luxemburg (1970) 1, 1, 440. 43 Zu den Unterschieden im funktionalen Stiltyp vgl. auchW. Fleischer a. a. O., S. 201 b f. 44

Vgl. z. B. MEW 18, 102; 687 und 22, 96.

45

/Arbeitssklave/ wird auch von Marx und Engels häufig verwendet, vgl. z. B. die Belege im "Kapital" MEW 23, 471 und 24, 438. /Arbeiter-/ und /Fabriksklave/ ist nicht belegt.

46

/Sklave/ ist bei Marx und Engels in dieser Bedeutung sehr selten bezeugt, und zwar fast ausschließlich in Vergleichen zwischen dem 'Arbeiter' und dem 'Angehörigen der unterdrückten Klasse in der Sklavenhaltergesellschaft'; vgl. z. B. MEW 17, 355 und 16, 524.

47 Im Gesamtwerk von Marx und Engels fehlt /Arbeitsmann/ fast völlig (vgl. Anm. 2). 48 Vgl. auch Geschichtl. Grundbegr. 1 (1972) 224. 49

Vgl. E. Engelberg, Deutschland von 1849 bis 1871. 3. durchgesehene Auflage. Berlin 1972. S. 138 ff. und J . Vahlteichs Hinweis, daß "man . . . einfach an die noch lebendigen achtundvierziger Erinnerungen anknüpfte" (in: Die Gründung der Deutschen Sozialdemokratie, Festschrift, Leipzig 1903, S. 21).

50 W. Steinitz, Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten. Band 2. Berlin 1962. S. 328. 51 Vgl, z. B. Paul/B., Wb. 5 492 b ; Der Große Duden (Lpz.) 1 6 369 a ; Fremdwb. (Lpz.) 510"; Der Große Duden (Mannh.) Bd. 5 (Fremdwb.), 523"; ders. Bd. 7 (Etymologie), 532b; ders. Bd. 10 (Bedeutungswb.), 503 b . WDG 4, 2875 bucht beide Bedeutungen.

Elfriede Adelberg

171

52 W. Fleischer, Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache. Leipzig 1969. S. 213 f. 53 Vgl. G. Hagen a. a. O., S. 124, 126. 54 W. Fleischer (s. Anm. 15), S. 200 b . 55

Vgl. WDG 1, 201 b .

56 Ebd. 2, 1464 a . 57 Vgl. ebd. 4, 2632 a (/Arbeitnehmer/) und ebd. 4, 2629 a (/nehmen/ 2). 58 M. Pfütze, Ideologie - Propaganda - Sprache. In: Sprachpflege. 20. Jahrgang. Heft 4. Leipzig 1971. S. 68». 59

Vgl. ebd. S. 67, Anm. 16.

60 Vgl. A. Gombert in: Zeitschrift für deutsche Wortforschung 2 (1902) S. 58. 61 Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Band 1. Berlin 1966. S. 140. 62

Vgl. ebd. S. 515 ff. (Dokument 26) undS. 518 ff. (Dokument 27).

63

MEW 21, 219.

64 Die unterstrichenen Wörter sind recte gesetzt, die nicht unterstrichenen kursiv. 65 Vgl. MEW 16, 606. 66 Die Ausführungen des Autors (ebd. S. 69) über die Erstbelege für /Arbeitgeber/ (1854) und /Arbeitnehmer/ (um 1883) treffen nicht zu. Im ausgewerteten Material ist /Arbeitgeber/ seit 1844 bezeugt, /Arbeitnehmer/ - wie bereits erwähnt seit 1848. 67

Zu /Arbeiterstand/ vgl. LS A 21(1975) S. 38 und S. 83 f . , Anm. 6 und 7 und Anm. 21, S. 190 dieses Bandes.

ZUR VERWENDUNG DER UNTERSUCHTEN BEZEICHNUNGEN IM SCHRIFTTUM DER ZWEITEN HÄLFTE DES 19. JAHRHUNDERTS E l f r i e d e Adelberg

Terminologische Bezeichnungen werden in erster Linie von Vertretern derjenigen Fachgebiete verwendet, für die die betreffende Terminologie gilt, und sie werden überwiegend durch entsprechende Fachtexte verbreitet. Bei ideologie-relevanten terminologischen Bezeichnungen spielen Fachautoren und Fachliteratur jedoch nicht die Hauptrolle, entscheidend für die Verwendung und Verbreitung ist vielmehr die Ideologierelevanz. Die untersuchten Bezeichnungen sind Elemente des marxistischen terminologischen Systems, das vom Standpunkt der Arbeiterklasse aus geprägt ist, jener "Klasse, die historisch zum Träger des gesellschaftlichen Fortschritts geworden ist, [die allein in der Lage ist, ] die Welt richtig, adäquat widerzuspiegeln, da sie sich in ihrem Klasseninteresse in Übereinstimmung mit den gesellschaftlichen Entwicklungsgesetzen befindet"

Sie können - als adäquate Bezeichnungen klassengebundener Wider spiegelungs-

inhalte - nur von Autoren, die ebenfalls den Standpunkt der Arbeiterklasse einnehmen, exakt verwendet und durch deren Schrifttum verbreitet werden. Der Bourgeoisie sind auf Grund ihrer Klassenposition Erkenntnisschranken gesetzt, so daß die objektive Realität begrifflich nicht adäquat widergespiegelt werden kann und infolgedessen auch die untersuchten terminologischen Bezeichnungen nur ungenau, verzerrt, oft auch falsch oder der Verschleierung der wahren Verhältnisse dienend, verwendet werden. Dabei tritt in der Regel ein Merkmal in den Vordergrund, das das Wesen der Erscheinung verdeckt und zugleich das vom Klassenstandpunkt der Bourgeoisie aus "Wichtige", das subjektiv Bedeutsame, hervorhebt. Im Unterschied hierzu sind die vom Standpunkt der Arbeiterklasse aus geprägten und verwendeten terminologischen Bezeichnungen dadurch gekennzeichnet, daß diejenigen Bedeutungsmerkmale hervorgehoben werden, die das "Wesentliche", das objektiv Relevante der Erscheinung ausdrücken, das für die Arbeiterklasse zugleich das "Wichtige" ist. Die hier dominierenden Merkmale sind also "wesentlich" und "wichtig" zugleich. Es besteht kein Widerspruch zwischen den beiden Kategorien. ^

1.1. Schrifttum, das der Verbreitung der terminologischen Bezeichnungen dient Auf Grund der vorstehenden Bemerkungen ist davon auszugehen, daß die Verbreitung der untersuchten terminologischen Bezeichnungen nur durch das Schrifttum der Arbeiterklasse erfolgen kann. Es bleibt zu fragen, ob einzelnen Autoren oder bestimmten literarischen Gattungen eine besondere Bedeutung zukommt. Im Hinblick auf die Autoren sind an erster Stelle Marx und Engels zu nennen, die direkt oder indirekt zur Verbreitung des von ihnen terminologisch fixierten Wortguts beigetragen haben, wie eine Reihe hinreichend bekannter Tatsachen beweist, die kurz angedeutet werden sollen: Erstens beeinflussen Marx und Engels die Verbreitung der terminologischen Bezeichnungen

176

Verwendung der untersuchten Bezeichnungen

innerhalb des Proletariats durch die Anleitung der Arbeiterführer, denen sie mit Rat und Tat zur Seite standen, wie z. B. der umfangreiche Briefwechsel mit W. Liebknecht, A. Bebel, J . Motteier und W. Bracke zeigt. Direkter Einfluß ergibt sich außerdem durch die ständige und rege Mitarbeit von Marx und Engels (seit 1881) am "Sozialdemo3

krat", der, wie Engels schrieb, zur "Flagge der deutschen Partei" wurde.

Neben

dieser direkten Anleitung, durch die weite Kreise des Proletariats erreicht wurden, unterstützten Marx und Engels den Kampf von Partei und Arbeiterklasse durch die Herausgabe wichtiger Werke. Es handelt sich dabei sowohl um Erstveröffentlichungen als auch um Neuauflagen; die folgende Übersicht erhebt nicht den Anspruch absoluter Vollständigkeit, kann jedoch im wesentlichen als repräsentativ gelten: 1890 erschien der 1867 herausgegebene e r s t e Band des "Kapital" bereits in vierter Auflage, der zweite Band (Erstdruck 1885) kam 1893 in zweiter Auflage heraus, und 1894 folgte der E r s t druck des dritten Bandes. Weitere Neuerscheinungen waren z . B . "Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft" (1883), "Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats" (1884) und "Das Elend der Philosophie" (1885). In Neuauflagen erschien auch das "Manifest" (4. Auflage 1890), das - wie die übrigen p r o grammatischen Schriften von Marx und Engels - bei der Abfassung der revolutionären Parteiprogramme (Eisenach 1869, E r f u r t 1891) eine Rolle spielte (vgl. z. B. die Beleg e s . 139f.; 38; 71 u. 73). Ebenfalls neu aufgelegt wurden die Aufsätze über "Lohnarbeit und Kapital" (1883) und der "Anti-Dühring" (1886). Doch allein Anleitung und Unterweisung im Klassenkampf hätten nicht genügt; das Ergebnis dieses Kampfes - die Herausbildung der revolutionären Massenpartei und unter ihrer Führung der Sieg im Jahre 4 1890 war nur auf Grund der schöpferischen Aneignung der Lehren von Marx und Engels durch die Arbeiterklasse möglich. Mit dieser Aneignung, an der die führenden Vertreter der Arbeiterklasse hervorragenden Anteil hatten, festigte sich gleichzeitig die Terminologie des wissenschaftlichen Sozialismus im Sprachgebrauch der P a r t e i kader, der Mitglieder, der gesamten Arbeiterklasse (s. 1. 1. 2 . ) . 1.1.1.

Fachliteratur mit geringem Verbreitungsgrad

Fachliteratur im engeren Sinne, d. h. Literatur, die nur bestimmte Fachkreise interessiert und die daher einen geringen Verbreitungsgrad aufweist, existiert in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nur im bürgerlichen Lager. Vertreter der Arbeiterklasse, die sich vom marxistischen Standpunkt aus mit Fragen bestimmter wissenschaftlicher Disziplinen beschäftigen, wenden sich nicht an einen eng begrenzten Kreis, sondern schreiben in mehr oder weniger populärer Form für das Proletariat (s. 1 . 1 . 2 . ) . In der bürgerlichen Fachliteratur finden sich die von Marx und Engels terminologisch fixierten Bezeichnungen nur in wörtlichen Zitaten (vgl. S.

140 , 38; 75 ). B ü r g e r -

liche Ökonomen, Soziologen und Historiker setzen sich mit den Lehren des Marxismus

177

Elfriede Adelberg

auseinander und verwenden Auszüge aus den Werken von Marx und Engels, aus Dokumenten der Arbeiterbewegung oder aus der Arbeiterpresse. In all diesen Fällen, in denen die terminologischen Bezeichnungen in ihrem kontextualen Zusammenhang unmittelbar aus den Werken von Marx und Engels entnommen (zitiert) sind, werden sie zwangsläufig in der von Marx und Engels geprägten terminologischen Bedeutung verwendet. Derartige Belege zeigen zwar nicht die Sprachverwendung der betreffenden Autoren, beweisen jedoch, daß ihnen die marxistischen Termini bekannt sind und - auf Grund des Kontextes -, daß ihre terminologische Bedeutung verstanden wird. Im eigenen Text verwenden sie die Bezeichnungen nicht im Sinne des terminologischen Gehalts (s. 1.2). Der Verbreitungsgrad, den die terminologischen Bezeichnungen durch die genannten Zitate erfahren, ist in jedem Fall gering, und zwar einerseits auf Grund der begrenzten Leserzahl, andererseits dadurch, daß in der Regel Anzahl und Länge der Zitate b e grenzt sind. Es gibt aber auch Autoren, wie z. B. E . Jäger und M. Schlesinger, die ausführliche, oft seitenlange Auszüge verwenden und z. B. das "Manifest", die "Statuten der Internationalen Arbeiterassoziation", die "Inauguraladresse" und die Parteiprogramme vollständig abdrucken. Neben den Werken von Jäger ("Der moderne Socialismus, Karl Marx . . . Lassalle . . . " , Ib73) und Schlesinger ("Die soziale Frage, Eine volkswirtschaftliche Untersuchung", 1889), W. Roscher, "System der Volkswirtschaft" (1654-94) und E. Dühring, "Kritische Geschichte der Nationalökonomie und des Socia5 lismus" (1871), die umfangreiche Kapitel enthalten, in denen sich die Verfasser mit Marx und Engels auseinandersetzen, gibt es eine Reihe von Rezensionen, Aufsätzen und Einzeluntersuchungen bürgerlicher Ökonomen und Soziologen zu bestimmten P r o blemen der marxistischen Lehre. Hier sind insbesondere die Veröffentlichungen zu nennen, die in den 90er Jahren in den Jahrbüchern für Nationalökonomie und Statistik erschienen sind, wie z. B. W. Lexis, "Die Marx'sehe Kapitaltheorie", J . W o l f , "Das Rätsel der Durchschnittsprofitrate bei Marx", P . Fireman, "Kritik der Marx'sehen Werttheorie". Umfangreichere

fiinzeluntersuchungen

sind z. B. J . Piersdorf, "Die

Lehre vom Unternehmergewinn" (1875), C. Schmidt, "Die Durchschnittsprofitrate auf Grundlage des Marx'sehen Werthgesetzes" (1889), S. Mayer, "Die sociale Frage in Wien" (1871) und E . Hirschberg, "Die soziale Lage der arbeitenden Klassen in Berlin" (1897). 1 . 1 . 2 . Schrifttum mit großem Verbreitungsgrad Die Verwendung in der bürgerlichen Fachliteratur konnte natürlich nicht zur eigentlichen Verbreitung der terminologischen Bezeichnungen beitragen; entscheidend war das Schrifttum, das einen großen Verbreitungsgrad im Proletariat erreichte, das von Vertretern der Arbeiterklasse für die Arbeiterklasse herausgegeben wurde. Aus diesem Schrift-

178

Verwendung der untersuchten Bezeichnungen

tum, dessen Autoren die führenden Kräfte, die fortgeschrittensten Vertreter der Arbeiterklasse sind, kann man das Wirken der Arbeiterführer in Partei, Gewerkschaften, Arbeiterbildungsvereinen, in sozialistischer Fachliteratur und Presse ablesen; man e r fährt, was die Angehörigen des Proletariats lasen, hörten, worüber sie.diskutierten und kann erschließen, daß (und wie) sie sich die terminologischen Bezeichnungen aneigneten. Die Wirksamkeit der Arbeiterbildungsvereine, die auch während des Sozialistengesetzes in der Illegalität für die Qualifizierung Hunderter klassenbewußter Kader der Arbeig terpartei sorgten, ist genauso bekannt wie die Tatsache, daß die Partei die halblegalen Möglichkeiten, die sich während der Wahlkampagnen boten, "ebenso erfolgreich zur Popularisierung ihrer Ideen unter den Massen [ausnutzte], wie die revolutionären so- 7 zialdemokratischen Abgeordneten die Reichstagstribüne zur sozialistischen Propaganda". Das Bedürfnis nach marxistischer Literatur, das trotz der für Arbeiter hohen Kosten zu einem ausgezeichnet organisierten illegalen Zeitungs- und Literaturvertrieb führte, läßt auf befähigte, klassenbewußte Leser schließen. Von den Schriften der Arbeiterführer erreichte z. B. Bebels 1883 erschienenes Werk "Die Frau und der Sozialismus" Rekordauflagen: 1902 erschien die 33te, 1910 die 50te Auflage. Die Zahl der Presseerzeugnisse nahm bedeutend zu. 1890 verfügten Partei und Gewerkschaften über 100 Presseorgane mit rund 600 000 Lesern (1878: 56 Presseerzeugnisse mit ca. 160 000 Lesern). Neben den in der Zeit des Sozialistengesetzes illegal eingeführten Zeitungen, Zeitschriften und Flugblättern gab es seit 1883/4 einige lokale Arbeiterzeitungen,g die aber - wie es F. Mehring nennt - nur in der "Sklavensprache" schreiben durften. Ein Um Staad, der teilweise auch bei anderen Veröffentlichungen aus diesem Zeitraum berücksichtigt werden muß (vgl. z. B. S. 103). Die "ideologisch-politische Erziehungsarbeit besonders die Verbreitung des g Marxismus" befähigte das Proletariat zu seinem erfolgreichen Kampf. Grundlage der Erziehungsarbeit und der Verbreitung des Marxismus sind Texte, in denen Probleme des wissenschaftlichen Sozialismus populär dargestellt werden. Man kann diese Texte aber nur im weitesten Sinne als Fachliteratur bezeichnen, denn sie sind überwiegend zugleich agitatorisch-propagandistisches Schrifttum. Die Autoren dieser Schriften schließen sich eng an den Sprachgebrauch von Marx und Engels an und verwenden häufig Zitate aus ihren Werken (vgl. S. 139, 141 f. ; 37 f . ; s. auch S. 71). Hierzu gehören: W. Eichhoff, "Die Internationale Arbeiterassociation" (1868 mit Unterstützung von K. Marx abgefaßt) 10 , A. Geib, "Der Normal-Arbeitstag" (1871), J.Most, "Kapital und Arbeit, Ein populärer Auszug aus 'Das Kapital' von Karl Marx" (1873; die 2. 1876 erschienene Auflage wurde von Marx überarbeitet). Ebenfalls weite Verbreitung fand die Artikelserie von J . B. Schweitzer im "Social-Demokrat" (1868), in der er ausführlich den Inhalt des "Kapital" referiert (vgl. S. 38; 141 f.) und die Schriften von J . G. Eccarius (z. B. "Eines Arbeiters Widerlegung der national-ökonomischen Lehren

Elfriede Adelberg

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Stuart Mill' s", 1869)**. Außerdem sind Veröffentlichungen und Reden von führenden Mitgliedern der Partei zu nennen (A. Bebel, W. und K. Liebknecht, P. Singer, R. Luxemburg, C. Zetkin) und eine Reihe von "Sozialdemokratischen Flugschriften", die zwischen 1878 und 1896 erschienen sind, sowie Broschüren, die von den sozialdemokratischen Agitationskommissionen herausgegeben wurden, wi&z. B. W. Brackes Schrift "Nieder mit den Sozialdemokraten!" (bereits 1876 in 15ter Auflage erschienen) und O. Köhler, "Knechtschaft und Freiheit . . . Zur Aufklärung über die Ziele der Sozialdemokratie" (1893). Zum Schrifttum mit großem Verbreitungsgrad gehört auch eine Anzahl von Separatdrucken aus sozialdemokratischen Regionalzeitungen ( z . B . "Schlesisches Tageblatt", "Sächsische Arbeiterzeitung"), die als Flugschriften verbreitet wurden. In Flugschriften und in sozialdemokratischen Presseorganen werden die von Marx und Engels geprägten Schlagworte besonders häufig verwendet (vgl. S. 139; 39, Beleg 1887). Von den bereits erwähnten Presseerzeugnissen waren die von W. Liebknecht herausgegebenen Zentralorgane der deutschen Sozialdemokratie am weitesten verbreitet: "Demokratisches Wochenblatt"(1868/9), "Der Volksstaat" (1869/76) und "Vorwärts" (1876/8 und ab 1891). Im "Volksstaat" und "Vorwärts" erschienen in den 70er Jahren auch die Aufsätze des Arbeiterphilosophen J . Dietzgen, in denen er den 12

Arbeitern die Grundzüge des philosophischen Materialismus erläuterte.

Während des

Sozialistengesetzes wurde "Der Sozialdemokrat", der 1879/88 in Zürich, anschließend bis 1890 in London'erschien, illegal eingeführt und verbreitet. Die in den Arbeiten zitierten Belege lassen erkennen, daß die untersuchten Bezeichnungen in dem in der Arbeiterklasse weit verbreiteten politischen Schrifttum als Elemente des terminologischen Systems des Marxismus verwendet werden und sich gemeinsam mit den anderen Elementen dieses Systems durchsetzen (vgl. S. 141, 37.f.). Zahlreiche Neubildungen von Komposita mit /Arbeiter, Proletarier/ und /Ausbeutung/ als Grund- oder Bestimmungswort zeigen, daß die untersuchten Bezeichnungen fest im Sprachgebrauch der Arbeiterklasse verankert sind. Diese Feststellung wird durch den beschriebenen Einfluß der terminologischen Bezeichnungen auf die Allgemeinsprache unterstrichen (vgl. S. 144 ff.; 40, 46 ff.; 109; 72). Bei den Bezeichnungen für 'Ausbeutung' weist das ausgewertete Belegmaterial eindeutig aus, daß die von Marx bevorzugten französischen Entlehnungen /Exploitation, exploitieren/ in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts fast nicht mehr gebraucht werden. Die von Engels verwendeten deutschen Bezeichnungen haben sich durchgesetzt. /Exploitation, exploitieren/ treten nur noch im speziellen Fachschrifttum auf oder werden als Zitat von Marx übernommen (vgl. S. 37 ). Unter den Bezeichnungen für 'Revolution' ist die allgemeinsprachliche Geltung des Fremdworts seit der Französischen Revolution von 1789 so unbestritten und zudem durch seine gleichartige Verwendung in den übrigen europäischen Sprachen als Interna-

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Verwendung der untersuchten Bezeichnungen

tionalismus so abgesichert, daß die frühe Eindeutschung /Umwälzung/ im allgemeinen nur gelegentlich zur stilistischen Variation oder inhaltlichen Differenzierung herangezogen wird. Ihre vereinzelte Befürwortung aus puristischen Motiven war aussichtslos. Da der marxistische Terminus im Ansatz an die vorgefundenen Verwendungen anknüpft, spielt /Umwälzung/ auch zum Ausdruck seines Inhalts nur eine untergeordnete Rolle (vgl. S.103ff. und das dort zur Motivation weiterer Ersatzwörter Ausgeführte). Bei den Bezeichnungen für 'Arbeiter' zeigt die Auswertung der Belege, daß im Unterschied zum Sprachgebrauch von Marx und Engels (vgl. S. 135 ff. ) / P r o l e t a r i e r / und /Arbeiter/ im Schrifttum der Arbeiterklasse gleich häufig benutzt werden, d. h. die Verwendung von / P r o l e t a r i e r / geht nicht wie bei Marx und Engels zu Gunsten von / A r beiter/ zurück. Bezieht man die Frage nach den literarischen Gattungen in die Erklärung der Gründe für diesen Sachverhalt ein, so ergibt sich, daß das Schrifttum der Arbeiterklasse in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts überwiegend journalistisch-agitatorisches Schrifttum war. In den journalistisch-agitatorischen Schriften verwenden aber auch Marx und Engels relativ häufig / P r o l e t a r i e r / , trotzdem sie - insgesamt betrachtet - ab etwa 1860 /Arbeiter/ bevorzugen (vgl. S. 133 f.). - Die terminologische Bezeichnung /Lohnarbeiter/ (Dominanz vonb) wird - wie bei Marx und Engels (vgl. S. 130 f. ) - verwendet, wenn der sozialökonomische Aspekt (Merkmal b) hervorgehoben werden soll. Die Bezeichnung begegnet daher überwiegend in Werken ökonomischen Inhalts, wie z. B. in den genannten Schriften von Most, Eccarius und Bracke oder im Zusammenhang mit der Erörterung sozialökonomischer Fragen in Veröffentlichungen der Arbeiterführer (Broschüren oder Zeitungsartikel) und in definitorischen Kontexten (z. B. in Parteiprogrammen). Das ausgewertete Material läßt darauf schließen, daß /Lohnarbeiter/ in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts nur ganz vereinzelt in der mündlichen Rede verwendet wurde. So bietet z. B. der umfangreiche 1. Band "Ausgewählte Reden und Schriften" von C. Zetkin (1889/1917) nicht einen Beleg für /Lohnarbeiter/. Dasselbe gilt für die "Ausgewählten Reden" von R. Luxemburg. Auch bei Bebel ist /Lohnarbeiter/ nicht in den Reden, die er vor Arbeitern gehalten hat, belegt, sondern nur in Reichstagsreden, und zwar in definitorischen Kontexten (zwei Belege). /Lohnarbeiter/ ist demnach kein Wort der Agitation und Propaganda, und es gibt auch keine Belege, in denen es als Schlagwort benutzt wird. Die Einschränkung des Verwendungsbereichs auf die Fachliteratur wird dadurch begünstigt, daß das Wort zwar mit positiven Wertungen, aber nur selten mit emotionalen Konnotationen verbunden ist. Wenn der Autor positive Emotionen erwecken will, wählt er / P r o l e t a r i e r / oder /Arbeiter/. In den Reden der obengenannten Arbeiterführer überwiegt / P r o l e t a r i e r / bei weitem. C. Zetkin verwendet in ihren Reden auch das Kurzwort / P r o l e t / (s. S. 160). - Es soll noch erwähnt werden, daß auf Grund des von Levenstein veröffentlichten Materials /Lohnarbeiter/ am Ende des 19. Jahrhunderts wohl kaum zum aktiven Wort-

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181

schätz der Arbeiter gehörte. Der Verfasser bietet ein umfangreiches Material aus von Arbeitern ausgefüllten Fragebogen, das er originalgetreu abdruckt. Dabei handelt es sich meist um ausführliche Antworten, aber auch um sehr knappe, in denen der Ge13 brauch der untersuchten Bezeichnungen z. T. schwer zu interpretieren ist. Wenn auch eingeräumt werden muß, daß jede schriftliche Fixierung letztlich geformte Sprache ist, so weisen diese Belege doch überwiegend eindeutig Elemente der Alltagsrede auf. In diesen Fragebogenantworten gibt es nicht einen Beleg für /Lohnarbeiter/; nur /Arbeiter/ und /Proletarier/ werden verwendet, wobei /Proletarier/ überwiegt und häufig als Kurzwort / P r o l e t / (auch in Komposita) erscheint (vgl. S. 162). Auf Grund dieses Befundes herrschen / P r o l e t a r i e r / und / P r o l e t / um die Jahrhundertwende in der Alltagsrede der Arbeiter vor. Zu dem Schrifttum mit großem Verbreitungsgrad gehört auch die junge Arbeiterdichtung. /Ausbeutung/ ist nur in Prosawerken belegt (vgl. z. B. S. 39 ), /Revolution/, /Klassenkampf/, /Arbeiter/ und / P r o l e t a r i e r / begegnen jedoch weitaus häufiger in den Kampfliedern der Arbeiterklasse, in denen es auch einige Belege für /Prolet/ und / P r o letar/ gibt (vgl. S. 102; 74 ;159 f. ). Hier sind folgende Autoren zu nennen, deren Werke in der Arbeiterklasse weit verbreitet waren: F . Bosse, J . Audorf, G. Weerth, M. Kegel, E. Klaar, M. Kautsky, A. Otto-Walster, R. Schweichel, M. Kretzer, F. Freiligrath und eine Reihe von Autoren, die heute kaum noch bekannt sind, deren Schrifttum aber durch die in jüngster Zeit erschienenen Reihen wieder zugänglich gemacht wurde ("Textausgaben zur frühen sozialistischen Literatur", "Literarisches Erbe", "Frühes deutsches Arbeitertheater", "Deutsche revolutionäre Lieder", ''Gedichte aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts"). Es wurde wiederholt darauf hingewiesen, daß die nichtterminologischen Bedeutungen der untersuchten Bezeichnungen nach der terminologischen Fixierung erhalten bleiben ( z . B . bei /Arbeiter/ bis heute). Neben der bereits erwähnten Beeinflussung der allgemeinsprachlichen Bedeutungen und Verwendungsweisen durch die marxistische Bedeutung läßt das ausgewertete Material bei den Bezeichnungen für 'Arbeiter' auch die umgekehrte Beeinflussung erkennen: Die allgemeinsprachliche Bedeutung wirkt auf die terminologische ein, macht sie unscharf, führt zur Entterminologisierung (vgl. S. 146 f. ). Im Schrifttum der Arbeiterklasse wird die terminologische Verwendung oft verdeutlicht, um der Entterminologisierung entgegenzuwirken; diese Verdeutlichung ist am häufigsten bei /Arbeiter/ belegt, verhältnismäßig selten bei /Proletarier/ und nur ganz vereinzelt bei /Lohnarbeiter/.

Verwendung der untersuchten Bezeichnungen

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1.2. Schrifttum, in dem die Bezeichnung nicht in ihren marxistischen Bedeutungen verwendet werden Die Belege, in denen die untersuchten Bezeichnungen nicht im Sinne von Marx und Engels verwendet werden, stammen fast ausschließlich aus Quellen, deren Autoren die Klasseninteressen der herrschenden Klasse vertreten; sie begegnen vereinzelt im Schrifttum der jungen Arbeiterbewegung (bis etwa 1870), fehlen jedoch bei Arbeiterführern wie A. Bebel und R. Luxemburg. Die nichtexakte Verwendung der terminologischen Bezeichnungen betrifft nicht nur - wie der jeweilige Kontext zeigt - /Arbeiter, Lohnarbeiter, Proletarier/, sondern auch die übrigen Elemente der marxistischen Terminologie (vgl. z. B. S. 147). R. Luxemburg sagt 1899 im Hinblick auf E. Bernstein: "Wenn jemand . . . gehofft hat, ihn durch Argumente aus der wissenschaftlichen Rüstkammer der Sozialdemokratie überzeugen . . . zu können, muß er diese Hoffnung gänzlich fallenlassen. Denn nun haben dieselben Worte aufgehört, für beide Seiten dieselben Begriffe, die nämlichen Begriffe haben aufgehört, dieselben sozialen Tatsachen auszudrücken. Die Diskussion mit Bernstein ist zur Auseinandersetzung zweier Klassen geworden. Bernstein und die Sozialdemokratie stehen jetzt auf gänzlich verschiedenem 14 Boden."

Diese Feststellung gilt für alle Autoren, die offen oder versteckt den Stand-

punkt der Bourgeoisie vertreten. Da die Begriffsbildung dieser Autoren nicht der objektiven Realität entspricht, können sie die von Marx und Engels geprägten terminologischen Bezeichnungen, die die Widerspiegelungsinhalte sprachlich adäquat vermitteln, nicht verwenden. Sie vermeiden entweder das vom Standpunkt der Arbeiterklasse aus geprägte Wortgut und ersetzen es durch andere sprachliche Mittel, oder sie verschleiern oder verfälschen die marxistische Bedeutung, zum Teil in diffamierender Absicht oder zum Zwecke der Manipulation. Dieser Sachverhalt wird besonders deutlich an der revisionistischen und bürgerlichen Verfälschung des marxistischen Revolutionsbegriffs (s. S. 100 f. ) und an der versuchten Verdrängung von /Revolution/ durch /Umsturz/ (s. S. 106 ff.). Vermieden werden in der Regel /Klassenkampf/ und /Lohnarbeiter/. /Klassenkampf/ wurde erst von Marx gebildet, und /Lohnarbeiter/ ist vor der terminologischen Fixierung nur selten und fast ausschließlich in der ökonomischen Fachliteratur bezeugt (vgl. S. 7 0 ; 120 ); beide Wörter haben also keine weit verbreitete allgemeinsprachliche Bedeutung, an die bei der zielgerichteten Entterminologisierung angeknüpft werden könnte - im Gegenteil: Verbreitet haben sie sich erst als Elemente der marxistischen Terminologie. Semantisch so eindeutig festgelegte Wörter können vom Klassengegner kaum für seine Zwecke und Ziele eingesetzt werden, denn die zielgerichtete Entterminologisierung ist dadurch gekennzeichnet, daß die Polysemie der Bezeichnungsngenutzt oder mißbraucht wird, und zwar einschließlich der an die allgemeinsprachlichen

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Bedeutungen gebundenen Wertungen und Emotionen. /Ausbeutung/, /Arbeiter/ und / P r o l e t a r i e r / sind polysem. Hier können allgemeinsprachliche Bedeutungen und Verwendungsweisen genutzt werden (vgl. S. 42 ff. ; 147 ff. ); dabei ist es charakteristisch, daß in jedem Fall das dominierende, den Klassencharakter reflektierende Merkmal der terminologischen Bezeichnung betroffen wird: durch Verquickung mit dem entsprechenden allgemeinsprachlichen (vorterminologischen) Merkmal wird die veraltete Bedeutung, die nicht mehr mit der gesellschaftlichen Realität übereinstimmt, aktualisiert. Somit bestätigt der sprachliche Befund die bekannte Tatsache, daß bürgerliches Denken historischüberholtes konserviert, d. h. reaktionär ist (vgl. z. B. die Belege Hildebrand, S. 151

und Eisenhart und Bismarck, S. 4 4 f j .

Dem Einsatz der Polysemie zum Zwecke der Entterminologisierung entspricht die Entterminologisierung durch den Einsatz anderer sprachlicher Mittel, durch "Ersatzwörter" (vgl. S. 51 ; 78 f. ; 160 ff.; 106 f f . ) . Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß vom Standpunkt der Arbeiterklasse aus anderes - auch veraltendes - Wortgut zur sprachlichen Realisierung des terminologischen Gehalts (insbesondere zur Hervorhebung bestimmter Merkmale der marxistischen Wortbedeutung) verwendet werden kann (vgl. S. 49 ff. ; 76 ff. ; 102 ff.; 156 f f . ) . Auch hier kommt es auf den durch die Klassenposition des Sprachbenutzers bedingten Zweck an. So wird z . B . mit dem Wiederaufleben der Arbeiterbewegung zu Beginn der 60er Jahre bewußt an die revolutionären Traditionen des Proletariats angeknüpft und gleichzeitig die veraltende Bezeichnung /Arbeitsmann/ wiederaufgenommen (vgl. 157 f f . ) . Man könnte kurz zusammenfassen: Wenn es sich um ideologierelevantes Wortgut handelt, knüpft jede Klasse an die eigenen Traditionen an. Die Interpretation des Belegmaterials hat gezeigt, daß der Einsatz der Entterminologisierung bei den einzelnen bürgerlichen Autoren differenziert ist. In der bürgerlichen Fachliteratur gehen die Autoren im allgemeinen von ihren eigenen, unterschiedlichen Theorien aus, "korrigieren" dementsprechend die von Marx und Engels gewonnenen Erkenntnisse und verfälschen in diesem Zusammenhang die marxistischen terminologischen Bezeichnungen; so wird in der Fachliteratur der Klassenkampf theoretisch ge führt. Es wurde erwähnt, daß einige Autoren wörtliche, zum Teil umfangreiche Zitate aus den Werken von Marx und Engels bringen, um den Anschein eines "objektiven wissenschaftlichen Meinungsstreites" zu erwecken, oder weil sie auf Grund ihres Klassenstandpunktes tatsächlich der Auffassung sind, die vom Standpunkt der Arbeiterklasse aus gewonnenen Erkenntnisse "widerlegen" zu müssen. Einige Vertreter der bürgerlichen Ökonomie und Soziologie bejahen Teile der Lehre von Marx und Engels; dabei handelt es sich sowohl um Fachliteratur als auch um für einen breiteren Leserkreis bestimmtes populäres Schrifttum (hierzu gehören auch Veröffentlichungen in bürgerlichen Presseorganen), indem die sogenannte "soziale Frage"

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Verwendung der untersuchten Bezeichnungen

behandelt wird (z. B. E. Hirschberg, S. Mayer). In jedem Falle ignorieren aber auch diese Autoren den Antagonismus zwischen herrschender und unterdrückter Klasse und negieren die historische Mission des Proletariats. Hier sind in erster Linie die sogenannten "Kathedersozialisten" zu nennen, eine Gruppe bürgerlicher Professoren der siebziger Jahre, an deren Spitze die Sozialökonomen L. Brentano, G. Schmoller und A. Wagner standen. Diese Vertreter des kleinbürgerlichen Reformismus forderten das Eingreifen des Staates in das soziale Leben, um so dem Einfluß der Sozialdemokratie entgegenzuwirken. Sie wollten die Übel des Kapitalismus beseitigen, aber deren Grundlage,die kapitalistischen Ausbeutungsverhält15 nisse, nicht antasten. Das gleiche Ziel, die "Eingliederung" des Proletariats in die kapitalistische Gesellschaftsordnung, verfolgen letztlich alle Autoren, die den Standpunkt der Bourgeois ie vertreten - trotz unterschiedlicher Ausgangspunkte und unterschiedlicher "Reformvorschläge". Das gilt für die Verfechter des "sozialen Königstums" (z. B. V-A. Huber, W. v. Ketteier) und ihnen nahestehenden Revisionisten (z. B. P. Göhre) bis hin zu 16 Lassalle, das gilt auch für bürgerlich-humanistische Schriftsteller wie z. B. W. Raabe, und es trifft sogar für einen Autor wie Th. Fontane zu, der erkannt hat, daß die Zukunft dem Proletariat gehört. Für sie alle ist die Ausbeutung (s. S. 43 ) nicht Ausdruck der Produktionsverhältnisse, die nur durch eine revolutionäre Veränderung der Eigentumsverhältnisse beseitigt werden kann, sondern 'ein unvermeidliches Übel', der Klassenkampf (s. S. 74) ist 'eine Synthese der verschiedensten unbewußten Erwartungen und der Hoffnung auf deren Verwirklichung', der Revolutionsbegriff wird z. T. auf evolutionäre Veränderung im Rahmen der bürgerlichen Gesellschaftsordnung reduziert, und der Angehörige der Arbeiterklasse ist in keinem Falle 'der Errichter der Diktatur des Proletariats', sondern der 'Hilfsbedürftige', 'der durch soziale Reformen in die bürgerliche Gesellschaft Einzuordnende' (vgl. S. 147 ff.). Die Auswertung des Schrifttums, in dem die Bezeichnungen nicht im Sinne von Marx und Engels verwendet werden, hat gezeigt, daß wertende oder emotionale Konnotationen (bzw. Merkmale) der marxistischen und der allgemeinsprachlichen Bedeutung zum Zwecke der Manipulation genutzt werden (vgl. S. 43 ff.; 101 f . ) . Bei den Bezeichnungen für 'Arbeiter' wird z. B. von Lassalle und O. v. Bismarck einerseits das positive Wertungsmerkmal der allgemeinsprachlichen Bedeutung von /Arbeiter/, das 'das für die Gesellschaft Nützliche'ausdrückt (vgl. S. 115), zur Verschleierung des Merkmals b des Terminus genutzt: der /Arbeiter/ ist nicht der 'Ausgebeutete', denn er schafft nicht den Mehrwert, sondern 'Nützliches'. (Daneben wird ausgenutzt, daß der Terminus /Arbeiter/ im Sprachgebrauch der Arbeiterklasse ebenfalls positiv emotionalisiert ist.) Andererseits wird, wie am Beispiel des bürgerlichen Soziologen Riehl und des ' 17 Fortschrittsparteilers F. W. Harkort deutlich wird, an die allgemeinsprachliche

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pejorative Variante von /Proletarier/ angeknüpft (vgl. S . 1 5 4 f . ) . Es ist charakteristisch, daß die reaktionärsten Vertreter der Bourgeoisie in ihrem gegen die Sozialdemokratie gerichteten Schrifttum Marx und Engels nicht erwähnen. So hat z. B . Riehl in seinem umfangreichen, 1861 völlig überarbeiteten Hauptwerk "Die bürgerliche Gesellschaft" lb die Namen der Begründer des Marxismus nicht einmal genannt. Man kann jedoch leicht nachweisen, daß er sich mit den Erkenntnissen von Marx und Engels und auch mit den von ihnen geprägten terminologischen Bezeichnungen auseinandersetzt, insbe19 sondere mit /Lohnarbeiter/ und /Proletarier/. Die versteckten Feinde der Arbeiterklasse haben mehr Schaden angerichtet als die offenen. Das gilt für alle revisionistischen, opportunistischen Strömungen in der Sozialdemokratie (vgl. S. 99 ff.; 41 ff.), und das gilt insbesondere für Lassalle und seine Anhänger. Es ist bekannt, daß er sich wiederholt als Schüler von Marx und Engels bezeichnete, aber niemals die welthistorische Mission des Proletariats anerkannte. Ziel 20 der Arbeiterbewegung war für ihn die Reformierung des Ausbeuterstaates.

Die Ver-

fälschung des terminologischen Gehalts der Bezeichnung /Arbeiter/ durch Lassalle (vgl. S. 153) bestätigt die zusammenfassende Kritik von Marx in der "Kritik des Gothaer Programms", wo es u. a. heißt, daß "Lassalle . . . das 'Kommunistische Manifest' auswendig [ wußte] wie seine Gläubigen die von 21 ihm verfaßten Heilsschriften . . . [ , daß] er es . . . [ aber] grob verfälschte". Es wurde erwähnt, daß sich die entterminologisierte Bedeutung von /Arbeiter/ gelegentlich auch im Schrifttum von Vertretern der Arbeiterklasse findet. Bei W. Liebknecht ist diese Verwendung z. B . im Zusammenhang mit dem Vereinigungskongreß belegt (vgl. S. 153 ), so daß man annehmen darf, daß es22sich um ein Zugeständnis W. Liebknechts an den Sprachgebrauch des ADAV handelt. So vereinzelt wie bei W. Liebknecht gibt es auch bei anderen Vertretern der Arbeiterklasse Belege, in denen die B e zeichnungen für 'Arbeiter' nicht im Sinne von Marx und Engels verwendet werden. Die wenigen Zeugnisse lassen kaum Schlußfolgerungen zu, berechtigen aber zu einigen Vermutungen: Mit Ausnahme von Levenstein (dazu s. u.) stammen die im ausgewerteten Material vorhandenen Belege aus Presseerzeugnissen, also aus Quellen, die sich an einen breiten Leserkreis wenden. Man könnte daher an Zugeständnisse an den herrschenden Sprachgebrauch denken. Wahrscheinlicher ist jedoch, daß der jeweilige Autor das Nebeneinander von marxistischer und allgemeinsprachlicher Wortbedeutung nutzt, um eine bestimmte Wirkung zu erzielen, z . B . , um bei /Proletarier/ den Aspekt der Besitzlosigkeit besonders nachdrücklich hervorzuheben (s. V. 2, S. 121; vgl. auch S. 124). In den Fällen, in denen der Terminus der bürgerlichen Ökonomie /Arbeitnehmehr/ von Angehörigen der Arbeiterklasse verwendet wird, wie z. B . von J . Dietzgen (s. Beleg S. 165 ), muß das schnelle Eindringen dieses bürgerlichen Terminus in den allgemeinen Sprachgebrauch berücksichtigt werden; seit der Mitte der sechziger Jahre

Verwendung der untersuchten Bezeichnungen

186

ist /Arbeitnehmer/ in allen öffentlichen Verlautbarungen alleingültiger Terminus und wird in bürgerlichen Presseorganen offensichtlich gegenüber /Arbeiter/ bevorzugt (vgl. S. 167). Diese im zeitgenössischen Sprachgebrauch fest verankerte Bezeichnung verwendet auch Dietzgen gelegentlich, aber nicht in der Bedeutung des bürgerlichen Terminus, sondern im Sinne der marxistischen Bedeutung von /Arbeiter/. Er benutzt das geläufige Wort als stilistische Variation, gewissermaßen ohne sich große Gedanken über die Bedeutung des bürgerlichen Terminus zu machen. Die auf diese Bedeutung abzielende Kritik von Engels erscheint erst 1883 (s. S. 166

), Dietzgen veröffentlicht

seine Artikel aber bereits in den siebziger Jahren (s. S. 179 ). Die frühe Verwendung von /Arbeitnehmer/ bei Born (1848, vgl. S. 164 ) hat für die Verwendung bei Dietzgen sicher keine Rolle gespielt, denn sie hat auf den Sprachgebrauch der Arbeiterklasse keinen nachhaltigen Einfluß ausgeübt. Bei den Belegen aus dem von Levenstein veröffentlichten Fragebogenmaterial (s. S. 180 f.) fälltauf, daß die untersuchten Bezeichnungen- insbesondere /Proletarier/ nur von einzelnen Arbeitern immer in der marxistischen Bedeutung verwendet werden 23 (vgl. z . B . den Beleg S. 143); die anderen schwanken im Gebrauch , aber trotzdem wird deutlich, daß sie den Standpunkt der Arbeiterklasse vertreten. Ein Berliner Textilarbeiter schreibt z. B. : /Ich bin Sozialdemokrat aus Überzeugung, ohne daß ich in der Lage bin, eine Definition des wissenschaftlichen Sozialismus geben zu können/ (1907/11) in: Levenstein, Arbeiterfrage (1912) 308. Die befragten Arbeiter bekennen sich also in der überwiegenden Mehrzahl zu der Lehre von Marx und Engels (vgl. hierzu auch S. 72 ), und sie drücken dieses Bekenntnis mit den ihnen zu Gebote stehenden sprachlichen Mitteln aus. Daß diese Mittel sehr differenziert sind, braucht nicht betont zu werden. Sie entsprechen dem unterschiedlichen Grad des Erkenntnisstandes der Arbeiter während der Entwicklung der Arbeiterklasse in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Dieser Entwicklungsprozeß ist u. a. dadurch charakterisiert, daß bestimmte Gebiete oder bestimmte Berufsgruppen als Schwerpunkte des Klassenkampfes und Zentren der Arbeiterbewegung ein fortgeschritteneres Proletariat aufweisen als andere. Das Bekenntnis zu den Lehren von Marx und Engels setzt natürlich Grundkenntnisse der marxistischen Terminologie voraus. Von den untersuchten Elementen der marxistischen Terminologie zur Bezeichnung des Begriffs 'Arbeiter' werden in den Fragebogenantworten /Arbeiter/ und /Proletarier/ bzw. die Kurzwörter /Prolet/ und /Proletar/ benutzt (zu /Lohnarbeiter/ s. S. 180 f.), aber - wieerwähnt - nur selten eindeutig in der marxistischen Bedeutung. W. Pfeifer hat im Zusammenhang mit /Ausbeutung/ darauf hingewiesen, daß die Arbeiter unter kapitalistischen Verhältnissen, auch wenn sie von der wissenschaftlichen Definition des marxistischen Terminus keine oder nur eine ver-

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187

schwommene Vorstellung haben sollten, dennoch fühlen, daß die marxistische Wortbe24 deutung genau dem entspricht, was sie zeit ihres Lebens existenziell erfahren. Daraus erklärt sich auch, warum /Arbeitnehmer/ in dem umfangreichen von Levenstein publizierten Material nicht belegt ist: Der Terminus der bürgerlichen Ökonomie wird, obgleich er Ende des 19. Jahrhunderts jedem Arbeiter geläufig ist, bewußt vermieden, weil er den Sachverhalt verfälscht. Demgegenüber fällt es jedoch den meisten der befragten Arbeiter schwer, die terminologische und nichtterminologische Bedeutung von /Arbeiter, Proletarier/ exakt zu unterscheiden; d. h . , die Merkmale der marxistischen Wortbedeutung werden mit den Merkmalen der allgemeinsprachlichen und der entterminologisierten Verwendungsweisen verquickt. Es handelt sich hierbei um Verwendungsweisen, die den Arbeitern bereits in der Schulzeit eingeprägt wurden, und die sie nach wie vor täglich hören und lesen, es handelt sich um den Sprachgebrauch der herrschenden Klasse, insbesondere um den Einsatz der Entterminologisierung im Klassenkampf. Die entterminologisierten Gebrauchsweisen sind äußerst differenziert, sie reichen von der sogenannten "Arbeiterfreundlichkeit" bis zur Diffamierung; das Schrifttum, das sie enthält, ist zum Teil unter den Arbeitern weit verbreitet, wie z. B. 17 die berüchtigten "Arbeiterbriefe" von F . W . Harkort. Doch weitaus schädlicher als die relativ leicht zu entlarvenden Manipulationsversuche der herrschenden Klasse sind - wie bereits erwähnt - die Einwirkungen der opportunistischen und revisionistischen Strömungen in der Arbeiterpartei. Die von Marx und Engels so oft angeprangerten agitatorischen Phrasen Lassalles sind aus dem Sprachgebrauch der Arbeiter, die Levenstein gegen Ende des Jahrhunderts befragt, noch nicht ausgemerzt. Das kann nicht verwundern, denn sie sind die Hauptursache der theoretischen Unklarheiten der sozialdemokratischen Parteiführung, die Engels für die Mängel verantwortlich macht, die das Erfurter Programm (1891) im Hinblick auf die Rolle der Diktatur des Proletariats aufweist, und sie begegnen 25 daher nach wie vor in der Parteipresse, was ebenfalls von Engels kritisiert wird. Das Zusammenwirken all dieser Faktoren - der sprachlichen und außersprachlichen - erklärt die gewisse Unsicherheit im Gebrauch der untersuchten Bezeichnungen, die bei den Fragebogenantworten zu beobachten ist. Der Grad dieser Unsicherheit schwankt; er wird durch das unterschiedliche Gewicht der einzelnen Faktoren bestimmt, das heißt es kommt von Fall zu Fall darauf an, welche Faktoren in erster Linie die Unsicherheit hervorrufen. - Aber neben diesem unsicheren Gebrauch ist in dem Fragebogenmaterial der sichere, exakte belegt, und - darauf wurde bereits hingewiesen - die Arbeiter betonen fast ausnahmslos ihre Verbindung zur Arbeiterbewegung; sie stellen in den Antworten zu den unterschiedlichsten Fragen den Klassenkampf, der zur Befreiung des Proletariats führen wird, in den Mittelpunkt. ^^ Die Antworten auf die Frage "Welche Bücher haben Sie gelesen?" geben ein beeindruckendes Zeugnis von dem Bemühen, sich die marxistischen Lehren immer

188

Verwendung der untersuchten Bezeichnungen 27

besser anzueignen.

Hier werden in erster Linie die bedeutendsten Führer der Arbei-

terklasse genannt, an der Spitze Bebel (am häufigsten in Verbindung mit dem Titel "Die Frau und der Sozialismus"). Verschiedene Werke von Marx und Engels werden aufgezählt, darunter wiederholt das "Kommunistische Manifest", das "Kapital" und der "Anti-Dühring". Das "Erfurter Programm" wird erwähnt und vor allem die Arbeiterpresse. Demgegenüber taucht verschwindend selten der Name von Lassalle auf, und auch Bernstein und K. Kautsky werden nur vereinzelt genannt. Diese Lektüre erklärt den - wenn auch unterschiedlich ausgeprägten - Grad der Vertrautheit mit der marxistischen Terminologie und sie erklärt das Klassenbewußtsein der befragten Arbeiter. Von dem Schrifttum, in dem die untersuchten Bezeichnungen nicht im Sinne des terminologischen Gehalts verwendet werden, seien abschließend die zeitgenössischen - das heißt um 1900 erschienenen - Lexika genannt. Im Unterschied zu /Revolution/ und /Klassenkampf/ buchen alle wichtigen Wörterbücher und Konversationslexika die marxistischen Bezeichnungen für den Begriff 'Arbeiter', z. B . D. Sanders, Wörterbuch der Deutschen Sprache, Band 1 - 2 , 2, Leipzig 1860 - 65 und sein Ergänzungswörterbuch 1885, M. Heyne, Deutsches Wörterbuch, Band 1 - 3 , Leipzig 1890 - 9 5 und die Kleine Ausgabe 1896, M. A. Thibaut, Wörterbuch der französischen und deutschen Sprache, Braunschweig 1897, O. Ladendorf, Historisches Schlagwörterbuch, Straßburg und Berlin 1906 und F . L. K. Weigand/H. Hirt, Deutsches Wörterbuch, 5. Aufl., Band 1 - 2 , Gießen 1909 -10; außerdem Brockhaus ' Konversations-Lexikon 1894 ff. und Meyers Großes Konversations-Lexikon 1904 ff. Die mehr oder weniger ausführlichen Bedeutungsangaben der meisten Nachschlagewerke sind auf den ersten Blick ausgesprochen korrekt, aber 28 sie sind es nur scheinbar (zu den Ausnahmen gehört z. B . der Meyer-Beleg S. 141 ). Fast ausnahmslos fehlt das Merkmal c 'der Errichter der Diktatur des Proletariats' (vgl. die Brockhaus-Belege S. 148 ). Bei der Darstellung ideologierelevanten Wortguts kommt es auch bei Wörterbuchartikeln auf den Klassenstandpunkt des Verfassers an, der nicht nur aus dem Artikel selbst, sondern auch aus den Literatur - und Quellenangaben deutlich wird. In den Nachschlagewerken, die derartigeMarx Angaben werdennicht bürgerliche genannt oder auch 29 Die über die ner; und bringen, Engels werden erwähnt.Fachautoren Begründer des LassalleaMarxismus 30 verfaßten Artikel enthalten Verleumdungen und Diffamierungen. Auch in der germanistischen Fachliteratur hat man sich um die Jahrhundertwende mit den terminologischen Bezeichnungen beschäftigt. So wurden z . B . die Fragebogenantworten von Levenstein wiederholt in der Zeitschrift für deutsche Wortforschung aus-31 gewertet; dabei beschränkte man sich jedoch auf die Zusammenstellung von Wortlisten. - Einzeluntersuchungen zu den terminologischen Bezeichnungen fehlen in der zeitgenössischen germanistischen Fachliteratur. A. Gombert befaßt sich lediglich mit dem Terminus der bürgerlichen Ökonomie /Arbeitnehmer/ (1902) und zitiert einen der

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Erstbelege ("Beschlüsse des Arbeiterkongresses", vgl. S. 164). Er zieht aber aus diesem Beleg falsche Schlußfolgerungen, denn er behauptet, daß /Arbeitnehmer/ und /Arbeitgeber/ zu den Wörtern gehören, die seit 1848 "durch Zeitungsberichte . . . [ und] durch wiederholten Gebrauch in starkbesuchten Versammlungen zum Gemeingut" werden, aber sie "gehören sicherlich schon der kommunistischen Sprache der voraus32 gehenden Jahre an" . Die Kritik von Engels, in der er 1883 die Unwissenschaftlichkeit des bürgerlichen Terminus nachweist (s. S. 166 ), ist Gombert nicht bekannt.

Anmerkungen 1

W. Lorenz, Der Zusammenhang zwischen Sprache und Klasse unter erkenntnistheoretischem Aspekt. - W i s s . Zs. der K.-M. Univ. Lpz., Gesellschafts-u. sprachwiss. Reihe, Band 17. H. 2/3, S. 174 a . 2 Vgl. Ch. Keßler, Linguistische Untersuchungen zum Verhältnis von Sprache und Ideologie . . . In: Deutsch als Fremdsprache, 10. J g . , H. 4,Leipzig 1973. S. 203 207. 3 Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Band 1. Berlin 1966. S. 365. 4

Vgl. ebd. S. 415 f.

5

Zu den einzelnen Autoren vgl. S. 54, Anm. 46 -53; RRössler, Biographisches Wörterbuch zur deutschen Geschichte. München 1952. S. 716 . 6 Vgl. Kultur und Lebensweise des Proletariats. Hrsg. v. W. Jacobeit und U. Mohrmann. Berlin 1973. S. 138 f. 7 Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Band 1. Berlin 1966. S. 367. 8

ebd. S. 389.

9

ebd. S. 452.

10

"Diese Schrift, nicht nur im Buchhandel vertrieben, sondern auch an die verschiedenen Arbeiterorganisationen direkt versandt, griff in den damaligen ideologischpolitischen Klärungsprozeß, in den Kampf für oder wider die Erste Internationale unmittelbar ein." Vgl. E. Engelberg, Fragen der Demokratie, des Sozialismus und der Partei. 1868/69. In: Die großpreußisch-militaristische Reichsgründung 1871. Band 1. Berlin 1971. S. 629.

11 Engels sagt 1885 von Eccarius, daß er zu den Männern gehörte, die ihren Zeitgenossen "an Befähigung zu theoretischer Erkenntnis bedeutend überlegen waren" MEW 21, 214. 12 13

Vgl. Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Band 1. Berlin 1966. S. 329. Es handelt sich um Arbeiter unterschiedlicher Berufe aus den wichtigsten Industriegebieten. Vgl. A. Levenstein, Die Arbeiterfrage. München 1912. S. 3 ff.

14 R. Luxemburg, (1899) Reden (1970) 1, 1, 440. 15 Vgl. Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. B a n d l . Berlin 1966. S. 329. 16

Vgl. F. Mehring, Gesammelte Schriften. Band 14. 1972. S. 536 und 583 f.

17

Zu F . W. Harkort, dessen berüchtigte "Arbeiterbriefe" weite Verbreitung fanden,

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Verwendung der untersuchten Bezeichnungen

vgl. Meyers Neues Lexikon, Band 4. (1962) S. 22 b . 18 M. Bachmann, Wilhelm Heinrich Riehl. Die gesellschaftskundlichen und volkspädagogischen Gedanken seines Werkes und ihre Bedeutung für die Gegenwart. Päd. Diss. TUDresden 1956. S. 201. Masch.-schriftl. 19 20

Vgl. z. B. W. H. Riehl, Die bürgerliche Gesellschaft. Stuttgart 1861. S. IV f . , 343, 36b, 432-434, 448, 454 f. Vgl. Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Band 1. Berlin 1966. S. 208 ff.

21

MEW 19, 23. - Vgl. auch die Kritik von Marx im Hinblick auf /Arbeiterstand/, das Lassalle ausschließlich zur Bezeichnung der 'Arbeiterklasse' verwendet: /dieser Renommist [ hat ] die . . . Rede über "den Arbeiterstand" . . . wieder abdrucken lassen unter dem pompösen Titel: "Arbeiterprogramm". Du weißt, daß die Sache nichts ist als schlechte Vulgarisation des "Manifests" und andrer von uns so oft gepredigten Sachen . . . . (Der Bursche nennt z. B. "Stand" die Arbeiterklasse.) / (M a n E 1863) MEW 30, 322. Zu /Stand, Arbeiterstand/ s. auch LS A 21(1975) S. 38 und S. 83 f . , Anm. 6.

22

Hier muß die wiederholte Kritik von Marx und Engels an W. Liebknecht (neben der Anerkennung seiner überragenden Verdienste) erwähnt werden (z. B. MEW 19, 3-9); "er bekämpfte zwar den Opportunismus, aber in ungenügender Weise" (in: Bücherei des Marxismus-Leninismus, Band 20, Kritik des Gothaer Programms, Berlin 4 1955, S. 198131).

23

Levensteins Material, das nach den Fragekomplexen geordnet ist, wurde auf den Sprachgebrauch der einzelnen Autoren hin überprüft; durch den Vergleich mehrerer Antworten eines Autors konnten auch die S. 181 erwähnten knappen Antworten besser interpretiert werden. 24 W. Pfeifer, Merkmalsanalyse klassengebundenen Wortschatzes. In : LS A 12 (1974) S. 17. 25

Vgl. hierzu MEW 38, 613 (Anm. 253) und auch den Brief von Engels an K. Kautsky vom 14. 10. 1891, in dem es von der Lassalleschen Phrase "eine reaktionäre Masse" heißt, daß sie den ganzen Entwurf des Erfurter Programms verdirbt: /Die Lassallesche Redensart hat in der Agitation unter Umständen ihre Berechtigung, obwohl bei uns auch kolossal viel Mißbrauch damit getrieben worden, z. B. seit dem 1. Okt. 90 [Aufhebung des Sozialistengesetzes] im "Vorwärts". Aber ins Programm gehört sie nicht, da ist sie absolut falsch und irreleitend/ MEW 38, 180.

26

Vgl. z. B. A. Levensteina, a. O. S. 118, 123, 126, 128, 134-136, 141, 151, 179, 181, 183, 204, 219, 286 f f . , 314 f.

27 28

Vgl. ebd. S. 388 ff. O. Ladendorf, Historisches Schlagwörterbuch (s. 'Arbeiter' S. 121, Anm. 11) und W. Liebknecht, Volksfremdwörterbuch, buchen nicht die marxistische Wortbedeutung von / P r o l e t a r i e r / , sondern stellen im wesentlichen - entsprechend dem Anliegen ihrer Wörterbücher - nur die Etymologie des Wortes dar.

Vgl. Brockhaus' Konversations-Lexikon, Band 1 (1894) S. 812 a und Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1 (1904) S. 680 b s. v. Arbeiterfrage. - Vgl. hierzu den Brief von K. Marx an F. Engels: /Bei meinen Biographien etc. war ich natürlich gezwungen, allerlei Cyclopädies, u. a. auch die deutschen, nachzusehen. Bei der Gelegenheit fand ich denn, daß unter den Rubriken "Arbeit", "Klassen", "Produktion" etc. wir redlich abgeschrieben werden, aber dumm. Dagegen vermeiden alle, uns zu erwähnen/ (1857) MEW 29, 193. 30 Vgl. z. B. die Artikel über Marx in Brockhaus' Konversations-Lexikon, Band 11

29

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(1695) S. 642 ("seine diktatorischen Tendenzen . . . ") und Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13 (1906) S. 375 a und 375° ("Diktator des Geheimbundes"; "Das Werk [Kapital] ist . . . aber doch von viel geringerem Wert, als M[arx] und seine Anhänger wähnen") und den Artikel über F. Engels in Brockhaus' Konversations-Lexikon, Band 6 (1894) S. 115 b ("Einseitigkeit" der "Lage der arbeitenden Klasse in England"). 31 Vgl. z. B. O. Basler, Die Sprache des modernen Arbeiters. In: Zeitschrift für Deutsche Wortforschung. Band 15. Straßburg 1914. S. 246-270. 32 Vgl. 'Arbeiter' S. 171, Anm. 60.

LITERATURVERZEICHNIS

a) Verzeichnis der benutzten Quellen Die Werke von K. Marx und F. Engels werden nach der Werkausgabe (= MEW) zitiert (vgl. S. 16 ). Die in dieser Ausgabe (Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED. Karl Marx, Friedrich Engels. Werke. Berlin, Dietz Verlag) nicht erfaßten Arbeiten und Handschriften sind an alphabetischer Stelle aufgeführt. Adler, V., Briefwechsel mit August Bebel und Karl Kautsky sowie Briefe von und an Ignaz Auer, Eduard Bernstein u. a. Gesammelt und erläutert v. F . Adler. Wien 1954. Arbeiter-Liederbuch. Dortmund 1910. Frühes deutsches A r b e i t e r t h e a t e r 1847-1918. Eine Dokumentation v. F. Kniiii und U. Münchow. Berlin 1970. Arndt, E. M., Geist der Zeit. O. O. 1806. - Versuch einer Geschichte der Leibeigenschaft in Pommern und Rügen. Berlin 1803. Audorf, J . , Gedichte. Stuttgart 1893. Baader, F . v . , Das dermalige Mißverhältniß der Vermögenslosen oder Proletairs zu den Vermögen besitzenden Classen der Societät. München 1835. [ nach Hagen] . Bauer, B . , Vollständige Geschichte der Parteikämpfe in Deutschland während der Jahre 1842-1846. Neudruck der Ausg. 1847. Bd. 1, Aalen 1964. Bebel, A., Akademiker und Sozialismus. Berlin 1898. - Die Frau und der Sozialismus. 9. Aufl., Stuttgart 1891. - Gewerkschafts-Bewegung und Politische Parteien. Stuttgart 1900. - Ausgewählte Reden und Schriften. 1863 bis 1878. Hrsg. v. H. Bartel. Bd. 1, Berlin 1970. - Unsere Ziele. Eine Streitschrift gegen die "Demokratische Correspondenz". Leipzig 1870, Fotomech. Nachdruck Berlin 1969. Sozialdemokratische B i b l i o t h e k . Sammlung von Abhandlungen über Theorie und Geschichte des Sozialismus. Bd. 1, Hottingen-Zürich 1885-87, Fotomech. Nachdruck Leipzig 1971. Biedermann, K., Vorlesungen über Sozialismus und soziale Fragen. Leipzig 1847. Bismarck, O. v . , Die politischen Reden des Fürsten Bismarck. Hist.-krit. Gesammtausg. v. H. Kohl. Stuttgart Bd. 1:1892; 2:1903; 9:1894; 11:1894. Bios, W., Die Deutsche Revolution. 38. und 39. Tausend, Stuttgart o. J . Blum, H., Die Lügen unserer Sozialdemokratie. Wismar 1891. Bölsche, W., Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1, Florenz, Leipzig 1898. Deutsches B ü r g e r b u c h

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Bisher erschienen in dieser Reihe M. M. Guchmann: Der Weg zur deutschen Nationalsprache Teil I. Berlin 1964. (= Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen hg. von der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Institut für deutsche Sprache und Literatur. Band I) Gerhard Keitmann: Die kursächsische Kanzleisprache zwischen 1486 und 1546. Studien zum Aufbau und zur Entwicklung. Berlin 1967. (= Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Sprache und Literatur 34. Reihe B, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen) Emil Skäla: Die Entwicklung der Kanzleisprache in Eger 1310 bis 1660. Berlin 1967. (= Veröffentlichungen des Instituts flir deutsche Sprache und Literatur 35. Reihe B, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen) Peter Suchsland: Die Sprache der Jenaer Ratsurkunden. Entwicklung von Lauten und Formen von 1317 bis 1525. Berlin 1968. (= Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Sprache und Literatur 36. Reihe B, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen) Wolfgang Fleischer: Untersuchungen zur Geschäftssprache des 16. Jahrhunderts in Dresden. Berlin 1970. (= Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Sprache und-Literatur 37. Reihe B, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen) M. M. Guchmann: Der Weg zur deutschen Nationalsprache Teil II. Berlin 1969. (= Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Sprache und Literatur 40. Reihe B, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen) Joachim Schildt: Die Ausbildung einer ostmitteldeutschen Norm im Gebrauch lokaler Präpositionen. 1200 bis 1550. Berlin 1970. (= ZISW 44, Bausteine zur Geschichte des Neuhochdeutschen) Emst Otto: Die Sprache der Zeitzer Kanzleien im 16. Jh. Untersuchungen zum Vokalismus und Konsonantismus. Berlin 1970. (— Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Sprache und Literatur 45. Reihe B, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen) Studien zur Geschichte der deutschen Sprache. Berlin 1972. (= ZISW 49, Bausteine zur Geschichte des Neuhochdeutschen) Rudolf Bentzinger: Studien zur Erfurter Literatursprache des 15. Jh. an Hand der Erfurter Historienbibel vom Jahre 1428. Berlin 1973. (= ZISW 50, Bausteine zur Geschichte des Neuhochdeutschen) Jutta Dresel: Das Funktionsfeld der temporalen Präpositionen im frühen Ostmitteldeutschen. 1200 bis 1550. Zwei Entwicklungsstufen der deutschen Sprache auf ihrem Weg zur Nationalsprache. Berlin 1972. (= ZISW 51, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen) M. M. Guchmann: Die Sprache der deutschen politischen Literatur in der Zeit der Reformation und des Bauernkrieges. Berlin 1974. (= ZISW 54, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen) Hannelore Winkler: Der Wortbestand von Flugschriften aus den Jahren der Reformation und des Bauernkrieges. Berlin 1975. (= ZISW 55, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen)

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Zur Ausbildung der Norm der deutschen Literatursprache auf der lexikalischen Ebene (1470 bis 1730). Untersucht an ausgewählten Konkurrentengruppen unter Leitung von Joachim Dückert. Berlin 1976. (ZISW, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen, Nr. 56/11)

Zur Ausbildung der Norm der deutschen Literatursprache auf der lexikalischen Ebene (1470 bis 1730). Untersucht an ausgewählten Konkurrentengruppen mit Anteilen slawischer Herkunft unter Leitung von Klaus Müller. Berlin 1976. (ZISW, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen, Nr. 56/111)

Existenzformen germanischer Sprachen — soziale Basis und typologische Kennzeichen. Für die deutschsprachige Ausgabe ausgewählt und eingeleitet von J. Schildt. Berlin 1977 (ZISW, Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen, Nr. 57)