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German Pages 136 Year 1916
Zeitschrift des
Historischen Vereins für
Schwaben und üeuburg.
1916. 4Z. Band.
Augsburg. J. fl. Schlosser’sche Buchhandlung (F. Schott).
Die Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben und Neuburg erscheint jährlich in einem Band. Die Mitglieder des Vereins (Jahresbeitrag Mk. 4.—) erhalten die Zeitschrift unent geltlich. Zuschriften, die sich auf den Inhalt der Zeitschrift be ziehen, sowie literarische Beiträge sende man an den Ausschuß des Historischen Vereins für Schwaben und Neuburg unter der Adresse des Schriftleiters. Für den im Heeresdienste stehenden Schriftleiter Archivrat Dr. P. Dirr der stellvertretende Schriftleiter Dr. Hans Ockel, Gymnasialprofessor.
Buchdruckerei J. P. Hi mm er, Augsburg.
Inhalts -V erzeichnis Seite
Die Rechtseinrichtung der Zensur in der Reichsstadt Augs burg. Von G. Costa, Justizrat in Augsburg . .
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Quellen und Hilfsbücher ...................................................................... 1— 2 Erster Abschnitt. Bis zum westfälischen Frieden............................. 3— 34 1. Gesetzliche Begründung und Entwickelung....................... 3— 13 2. Buchhändler und Buchdrucker in ihren Anfängen 13— 19 3. Die Verordneten im Amte.................................................... 19— 26 4. Kampfzeiten........................................................................... 26—33 5. Beim Druckereigeschäft............................. .............................33— 34 Zweiter Abschnitt. Vom westfälischen Frieden bis 1806 .... 35— 82 1. Die Parität................................................................................ 35— 37 2. Tätigkeit der Gesetzgebung.................................................... 37— 40 3. Gemischter Wirkungskreis der Zensoren............................. 40—49 4. Die reine Zensur. Die Zensoren unter einander und gegen über Dritten .... . .................................. 49— 62 5. Das Zeitungswesen........................................ ... 62— 66 6. Kupferstecher und Briefmaler 66— 71 7. Kalender................................... ..... 71— 74 8. Zuständigkeit...........................................................................74— 78 9. Gebühren und Kosten................................................... 78— 79 10. Zeitgenössische Urteile über die Zensur .... . 80— 82 Fürst Ludwig v.Öttingen-Wallerstein als Kreiskommandant der Landwehr. Von Dr. G. Grupp, fürstl. Rat und Bibliothekar.................................................................................... 83—123 1. Die Idee der Landwehr.......................................................... 83— 86 2. Die Volksbewaffnung (Landwehr) 1813............................. 86— 96 3. Die Freiwilligenkorps 1814/15.................................. ..... 97—106 4. Die Landwehr Bürgerwehr (1814—1826)............................. 106—118 5. Verfall und Neubildung............................................................118—123 Anhang. Schmeller über die Kemptener Jäger....................... 123—127 Nachruf (Richard Schmid f)..............................................
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Die Rechtsemrichtung der Zensur In der Reichsstadt Augsburg. \ron G. Costa, Justizrat in Augsburg.
Quellen und Hillsbüchen Akten des Stadtarchives Augsburg: I. Censuramt 1497—1756. II. Büchercensuren Ev. 1649—1753. III. Yar. B. Ilaa E W. IV. Censuramt 1682 — 1800. V. Censuramt I 1762—1785. VI. Censuramt II 1785—1793. VII. Censuramt 1771—1797. VIII. Censuramt (Moy und Stage) 1771—1797. IX. Wegnahme von ärgerlichen u. anstößigen Druckschriften 1794—1804/05. X. Die etc. in Arrest geratenen Bürger 1794—1795. XI. Akten des Stadtmagistrates, Verkauf der Broschüre „Deutschlands Schicksal“ 1799. XII. Censuramt, Pasquille und Zettel 1552—1795. XIII. Censuramt, Buchdrucker 1550—1729. XIV. Buchdrucker 1722—1755. XV. 1. Buchdruckergesellen etc. 2. Buchführer und Buchdrucker 1551-1802. XVI. Druckprivilegia 1698—1803. XVII. Censuramt, hiesige Zeitungen 1798—1806. XVIII. Censuramt, auswärtige Zeitungen 1703, 1742, 1805. XIX. Censuramt, Kalender 1560—1801. XX. Censuramt, Kupferstecher, Kunst Verleger, Kunstdrucker 1598—1804. XXI. Rechtskonsulenten 1478-1804. XXII. Ordnungen 34—35. XXIII. Ordnungen 54. Akt der Stadtbibliothek Augsburg: XXIV. Censuramt 1736—1750. Sammlungen des Stadtarchives Augsburg: Summarische Anzeige über Anschläge und Dekrete 1490—1805. 1
2 Register zu den öffentlichen Anschlägen etc. Suppl. 1507—1577. Sammlung der von 1600 resp. 1614 an ergangenen Regulative und anderen merkwürdigen Dekrete. Register über Pauls von Stetten sr. Extrakt der Ratsdekrete. Register über Herwärts Sammlung der wichtigsten Urkunden. RB. = Ratsbücher, Ratsdekrete. BR. = Baurechnungen. Lünig. Deutsches Reichsarchiv, Leipzig 1710. Paul von Stetten sr. Geschichte der des hl. röm. Reichs Stadt Augsburg, Frankfurt und Leipzig 1743. Paul von Stetten jr. Kunst-, Gewerbe- und Handwerksgeschichte von Augsburg, Augsburg 1779. v. Langenmantel David. Historie des Regiments in des hl. R. R. Stadt Augsburg, Frankfurt und Leipzig 1725. Nicolai Fr., Beschreibung einer Reise durch Oberdeutschland und die Schweiz 1781, ersch. 1786 und 1787. Z apf G. W., Augsburgische Bibliothek, Bd. I und II, Augsburg 1786 und 1791. Roth Fr., Augsburgs Reformationsgeschichte, München 1901 und 1911. Keim K.Th., Schwäbische Reformationsgeschichte, Tübingen 1855. Greiff Ludw., Beiträge zur Geschichte der deutschen Schulen Augsburgs, Augsburg 1858. Dirr Pius, Augsburg in der Publizistik und Satire des achtzehnten Jahr hunderts, Zeitschrift des historischen Vereins für Schwaben und Neuburg Bd. XL. S. 177 ff. Derselbe, Studien zur Geschichte der Augsburger Zunftverfassung, Zeit schrift des hist. Vereins für Schwaben und Neuburg Bd. XXXIX S. 144 ff Die obigen Akten sind in den Hinweisen der Anmerkungen lediglich durch die ihnen beigesetzte römische Ziffer bezeichnet, also I = Akt des Stadtarchivs Censuramt 1497—1756, XXIV = Akt der Stadtbibliothek Censuramt 1736—1750. Für Überlassung dieser Hilfsmittel sei den Herren Beamten des städtischen Archivs und der Stadtbibliothek, insbesondere Herrn Archivadjunkten Wieden mann für unermüdliche Beratung und För derung, an dieser Stelle verbindlichster Dank gesagt.
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Erster Abschnitt
Bis zum westfälischen Frieden. 1. Gesetzliche Begründung und Entwickelung. Als die Buchdruckerkunst erfunden war, stand menschlicher Natur gemäß neben dem Gebrauche der Mißbrauch, und Laster, die bisher in Haus und Gasse von der Hand in den Mund gelebt hatten, wie Angriffe auf Religion, Friede und Ehre, schritten jetzt wohlgenährt einher in vielfältigem Gewände. Doch da sie stets einen Gegner voraussetzen, so bedurfte es, um sie in der neuen öffentlichen Form auftreten zu sehen, erst der öffentlichen Gegner schaften, einer Zeit der aufeinanderstoßenden Meinungen, und diese Zeit trat ein mit der Reformation im sechzehnten Jahrhundert und ihrem hundertjährigen Federkriege. Auch in der Reichsstadt Augsburg, wo schon seit 1519 zwei Religionsparteien sich gegen überstanden und sich mit Erbitterung bekämpften, konnte es nicht fehlen, daß sie, gleich den Helden der Ilias und des Schützen grabens, um sich streitbar zu zeigen und in und mit dem Gegner die von ihm vertretene Sache hqrunterzusetzen, sich schmähten und beleidigten. Selbstverständlich, daß Reich und Stände eingriffen, diesem Übel zu steuern, und, während bisher die Gesetze, wie das Augs burger Aynungsbuch vom Montag nach St. Nikolaustag 1472 nur der mündlichen Beleidigung der Obrigkeit gedacht hatten, nun auch auf die durch den Druck verbreiteten Angriffe auf Religion und Ehre Verbot und Strafe setzten, wie die Carolina1), und die Augs*) Peinliche HalsgerichtsordnungKaiserKarlV. aui den Reichstagen zu Augsburg und Regensburg i. J. 1532 aufgerichtet. Art. XC. Straff schrifftlicher unrechtlicher peinlicher Schmähung. Item welcher Jemand durch Schmähschrift, zu Latein Libell famoss genannt, die er ausbreitet und sich nach Ordnung der Recht mit seinem rechten Tauf- und Zunamen nicht unterschreibt, un reell tlicher unschuldiger weis Laster und Uebel zumißt, wo die mit Wahrheit erfunden würden, daß der geschmächt an seinem Leib leben oder ehren peinlich gestraft werden möchte, derselbe boshaftig Lästerer soll nach Erfindung solcher Übeltat als die Recht sagen mit der Pön, in welche er den unschuldig geschmächten durch sein böse unwahr1*
4 burger Zucht-Policeiordnungen vom 14. August 153/ l) und 18. De zember 16212), oder Vorkehrungen trafen, sie zu ver hindern. In letzterer Richtung wirkte grundlegend Karls V. Edikt, die Neuerung der Religion betreffend, ausgegangen zu Worms den 8. Mai 15213): Nach langer theologischer Polemik gegen „die Ketzereien, so innerhalb drei Jahren in deutscher Nation ent sprungen sind“, . . . heißt es: „Wir gebiethen mit Rat und Willen Unser und des Reichs Churfürsten, Fürsten und Stennde bey schweren Peenen, Straffen und Bußen... daß hiefür ewr keiner solche Schmach, und vergiffte Bücher noch ander Zedel und Abschrifften, als die so unserm H. Glauben Irsalen gebären und dem, was die haftige Lästerschrift hat bringen wollen, gestrafft werden. Und ob sich auch gleichwohl die aufgelegte Schmach der zugemessenen Tat in Wahr heit erfinde, soll dennoch der Ausrufer solcher Schmach nach vermöge der Rechte und ermessen des Richters gestraft werden. X J) Zucht- und Policey-Ordnung der Stadt Augsburg, decr. in Sen. 14* August 1537. Von schmählichen Nachreden, Büchern, Liedern, Gesängen und Schriften und anderer schamparer Leichtförtigkeit. Hiemit sollen auch ernstlich verpotten sein alle verpotne schmäh liche unverschämbte und schandbare Bücher, Lieder, Gedicht und Schrifften, deren kains zu erdenken, dichten, machen, noch die Alten zu ernewern, nit zu drucken, Schreiben, faillhaben, verkauften, kauften, Singen, lesen, Anschlägen und in kain Weis an tag zepringen. Bey harter Straff, die ainem yeden übertretter nach erkanntnus ains Erb-Rats unablässig nachfolgen soll. s. XXIII. 2) Eines Ehrs. Raths der Stadt Augspurk Zucht- und PoliceyOrdnung de Ao 1621, in Abschriften vorliegend, die mit späteren Zusatzdekreten vermehrt sind. s. wie die Vorige XXIII. Der achte Titul. Begäbe sich dann, daß eines verbotenen schmählichen, Unverschambten und schambahren Bueches, Liedes, gedichts oder Schrifft halben, es seye gleich Wider hoch oder Niedriges Standes Persohnen, als daß Jemandt dergleichen erdacht, gedieht, ge macht, erneuert, getruckht, geschrieben, fail gehabt, Verkauft!, gesungen, angeschlagen, außgeben und in einicherlei Weiß an Tag gebracht hette, den Verordneten Zucht- und Straff Herrn etwas glaubhaft fürkäme, so soll durch sie solches ebenmäßig einem Ehrß. Rath mit Umständen Wissent gemacht und der Verwirkhten Straff halber dessen Erkanntnus gewartet werden. 8) Lünig, Reichsarchiv S. 344.
5 H. Christenliche Kirche bißher gehalten hat, widerwärtig seyn, darzu auch F e indes und Schmachschrifften wider unsern H. Vater Bapst, Prälaten, Fürsten, Hohe Schulen und derselben Fakultäten und andere Ehrsame Personen und was inhaltet das, so sich von den guten Sitten und der H. Römischen Kirchen abvvend, nicht mehr dichte, schreibe, mahle, drucke, verkaufte, kaufte, noch heimblich oder öffentlich behalte, noch auch nicht drucken, abschreiben oder mahlen lasse, noch das in kein ander Weise wie immer erdacht mag werden, nicht gestatt oder ver hänge noch verschaffe.
Deßgleichen gebiethen Wir ernstlich bei
angezeigten Peenen allen denen, so zu der Justicie verordnet sind, daß sie alle jetzt gemeldte Schrifften, Bücher, Zedeln und Mah le rei, so bisher gemacht seyn und hinfür geschrieben, gedruckt und gemahlet werden, sie sind was Sie wollen, wo man die findet durch das gantze H. R. R. und unser Erb-Lande in Crafft diß Unsers Geboths von Unsern wegen annehmen, zerreißen und mit öffentlichen
Feuer verbrennen,
auch
der Dichter, Schreyber,
Drucker und Mahler, auch Verkaufter und Kauffer solicher schendlicher Schrifften, Bücher, Zedeln und Mahlereien, die darin nach Verkündigung Unsers gegenwärtigen K. Geboths verharren, oder deßhalben nichts fürzunehmen understehen, wo das offenbar ist, Leib, Güter, Gerechtigkeiten, wo ihr die bekommen müget, an nehmet, fahet und behaltet und damit nach euren Gefallen han delt . . . I Damit auch solches alles und ander Ursachen künff-__ tiger IrTsal abgeschnitten und die Gifft der, so solche Schrifften richten und machen, ferner nicht ausgebreit und die hochberühmte Kunst der Truckerey allein in guten und löblichen Sachen ge braucht und geübt werde, so haben Wir weiter . . . gebothen und gebiethen, . . . daß hinfüro kein Buchtruckher oder jemand anders, er sey wer oder wo er wolle, in dem H. R. R. . . . kein Bücher noch ander Schrifften, in denen etwas begriffen wirdet, das den Chr. Glauben wenig oder viel anrühret, zum ersten druck, nachdruck, ohne Wissen und Willen des Ordinarien desselben Orts oder seines Substituten oder Verordneten
mit Zulassung der
Fakultät in
der
Ge-
schrifft einer der nächstgelegenen Universitäten. Aber ander Bücher, sie sind in welcher Fakultät und begriffen, was sie wollen, die sollen mit Wissen und Willen des Or dinarien
und außerhalb
desselben keineswegs ge-
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truckt, verkaufft, nachzutrucken oder zu verkauften understanden, verschafft noch gestattet werden in keiner Weise . . . Bey Straff des Bannes und K. Acht und Aberacht.“ Betont dieses Edikt ausdrücklich den Schutz des katholischen Glaubens, so bezweckt das Edikt von Nürnberg vom 6. März 1523 den Schutz des „rechten“ Glaubensr vorbehaltlich seiner Feststellung durch das zukünftige Konzil, bis wohin der Besitzstand geschützt sein sollx): „Praeterea ne posthac publicis typis imprimantur ad vendantur nova scripta, nisi prius a doctis quibusdam viris peculiariter ad hoc designandis inspecta et explorata sint atque admissa . . . Postremo Caes, Ml Nostrae Locumtenens, Electores, Principes et Status imperii, quantum in ipsis est situm, in Omnibus officiis typographicis, item apud bibliopolas, in suis territoriis diligenter prospicient, ne posthac aliquid novorum scriptorum intra tempus futurae synodi excudatur seu venum exponatur aut alioqui, ut vendi possit, circumferatur, nisi primum a doctis et in quolibet imperio ad hoc delectis viris, quemadmodum in praecedenti quoque articulo meminimus, recognitum sit et approbatum.“ Vorangegangen aber in Vorkehrungsmaßregeln war schon die Reichsstadt Augsburg laut folgender Ratsprotokolle: „Anno 1520 auf 28. tag Augusti ist auf bevelh eines erb. Rats durch Jakoben Fugker und Doktor Bewtinger den nachgemeldten Buchtruckern angesagt und bevolhen, bey Eidspflichten, damit sie ainem Rate verwandt sein, das sy in den irrungen? die sich haben zwischen den geistlichen und doktorn der heiligen geschritten, desgleichen in schmach und Verletzung der eren Sachen an wissen und willen ains Erbarn Rats nichts ferner trucken sollen und ist daz verkondt worden zweien Ratolt“ (folgen 9 weitere teilweise berühmte Namen).*2) „Anno 1523 auf Samstag nach Reminiscere sein nachvolgendte Buchtrucker beschickt und alle in ayd genommen worden und dergestalt, daß in aini1) Lünig S. 437. 2) RB. 1501 — 1520. 272.
7 her ainich schmach Buch, Lied oder ander gedieht in dieser Stat mit trucken noch aufgeen lassen soll, ob sy anders trucken wollten, sollten sy das zuvor mein Herrn Bürgermeister ansagen und erlaubtnus nemen und dannoch dasselb nit trucken, sey den des Dichters desselben Buchs namen, och des Na men, der solches Buch in truck geben hat, des gleichen sein des truckers namen auch hinzugetruckt, und sich in dem allen der gepur gemäs halten. Aktum in Beysein Herr Lucas Welser, Hannsen Wißner, Franzen Prigl, Lucas Benedikt, Hannsen Burkhart und mir Doctor peutingers, Herr Lucas Welser hat ynen auch den aid geben. Fol gen acht Unterschriften von Buchdruckern, dann: 2 Ratold sein nit gefordert. Froschamer, Elter Schönsperger und Hans Miller, desgleichen doctor Sigmund sein nit erschienen, doctor Sigmund und Schönsperger sein nit hie, desgleichen Ruffen ist gesagt worden, daß ihr jeder dem seinen solchs ansagen solle. Jung Schönsperger hat anzaigt, sein Vater truck itzo das Neue Testa ment, desgleichen Ruff Locos communes teutsch und Spalatins Auszug aus der bybel.“1) „Anno 1523 auf Montag nach Oculi ist angesähen das den B uchtr uck e r n, so sy um Erlaubnis des truckens ansuchend, das ynen gesagt werden soll, das sy gegen menigklich Schmach Schand und Laster Schriften, wie der Beruf und das verkonden gewesen ist, zum trucken muessig standen, ain rat wolle sy auch erlassen, das sy ire namen nit (mit?) hinzu tru cken mögen, desgleichen auch der andern (autorn?) namen. actum per W. pfister und D. Peutinger.“2) Nach dem Wormser Edikt war vom Kaiser offenbar be absichtigt, die geistliche Zensur für alle Druckschriften ohne Unterschied einzuführen, wie sowohl aus der Benennung des Ordinarien als der entscheidenden Stelle als auch aus der Gleichstellung der Fakultät in der heiligen Schrift hervorgeht. Hievon ist aber schon im Edikt von Nürnberg von 1523 und *) RB. 1523, 26. 2) RB. 1523, 27.
im Reichstagsabschied zu Nürnberg1) abgegangen, indem dort allgemein die Obrigkeit mit der Aufsicht betraut ist. Diese und die nachaufgeführten Reichs- und Ständehandlungen s. bei Lünig. Ihr wesentlicher Inhalt ist: Kaiser Karl V. wegen Neuerung der R.e 1 igion aus gelassenes Interdiktum zu Nürnberg de ao. 152 3: Praeterea, ne posthac publicis typus imprimantur ad vendantur nova scripta, nisi prius a doctis quibusdam viris peculiariter ad hoc designandis inspecta et explorata sint atque admissa . . . Postremo Caes. Mil nostrae Locumtenens, Electores, Principes et Status imperii . ; . in omnibus officiis typographicis, item apud bibliopolas, in suis territoriis diligenter prospicient, * ne posthac aliquid novorum scriptorum intra tempus futurae synodi excudatur seu venum exponatur aut alioqui, ut vendi possit, circumferatur, nisi primum a doctis et in quolibet imperio ad hoc delectis viris . . . recognitum sit et approbatum. Reichstagsabschied zu Nürnberg 152 4, 18. April: Da mit unserm zu Worms ausgegangenen Mandat nochmals gehorsam!ich gelebt werde, haben sich Unsere Stände vereinigt und beschlossen . . . daß ein jede Oberkeit bei ihren Truckereien und sonst allenthalben nottürfftig Einsehens haben sollen, damit Schmachschrift und Gemählde hinfürter gänzlich abgethan und nicht weiter ausgebreit und daß fürter der Truckerey halben Innhalt unseres Mandates gehalten werde. Reichstagsabschied zu Speyer vom 22. April 15 29: Darzu sollen und wollen wir auch Churfürsten und Ständ des Reichs mittlerzeit des Consilii. In allen Druckereyen und bei allen Buchfürern eines jeden Obrigkeyt mit aller muglicher Weyß Vorsehung thun, daß weiter nichts Newes gedruckt und sonderliche schmeschriften weder öffentlich noch heimlich gedieht, gedruckt . . . werd, sondern was derhalb weiter gedieht, gedruckt oder feilgehabt wurdet, das sollt zuvor von jeder oberkeyt dazu verordnete verständige Personen besichtigt und so darin mangell befunden, soll das selbig zu drucken oder faill zu haben bei großer straff nitt zugelassen sondern also strenglich verpotten und gehalten, auch der Dichter, Drucker und Verkaufter, so sollich verpott überfahren, durch die oberkeyt, da er sye gesessen oder betroffen, nach gelegenheit gestrafft werden. Abschied des Reichstags zu Augspurg 1530 aufgericht: Setzen und wollen, daß ein jeder Churfürst, Fürst und Stand des Reiches geistlich und weltlich mittlerer Zeit des künftigen Concilii in allen Truckereyen, auch bei allen Buchführern mit ernstem Fleiß Vorsehung thue, daß hiefür nichts Neues und sonderlich Schmachschrift, Gemähldes oder dergleichen weder öffentlich noch heimlich getruckt oder feilgehabt werde, es sei denn zuvor durch derselben weltliche oder geistliche Oberkeit dazu verordnete und verständige Personen besichtigt,
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Selbst die katholischen Stände, welche auf diesem Reichsdes Truckers namen und zunamen, auch die Stadt, darin solches getruckt mit nämlichen Worten darin gesetzt und wo also darin Mängel befunden, soll dasselbe zu trucken oder feil zu haben nit zugelassen werden . . . und wo der Dichter, Truckher oder Verfasser solche Ord nung und Gebot überfahren, soll er durch die oberkeit, darunter er gesessen oder betreten, nach gelegenheit an leib und gut bestrafft werden. Und wo einige Oberkeit so wäre, daß sie lässig hierin be funden wird, alsdann soll und mag unser kaiserlicher Fiscal gegen derselben oberkeit um die Straff procedieren und fürfahren, welche Straff nach Gelegenheit jeder oberkeit und derselben Fahrläßigkeit unser kaiserliches Kammergericht zu setzen und zu taxiren Macht haben soll. Abschied des Reichstages zu Regensburg 1541 aufgericht. 40): Ferner haben wir befunden, daß die Schmäh schriften, so im hl. R. Reich hin und wieder an mehr Orten aus gebreitet sind, gemeinem Frieden nicht wenig verhinderlich und ver letzlich sind, auch zu allerhand Unruh und Weiterung gelangen, und demnach uns mit Churfürsten, Fürsten und gemeinen Ständen ver glichen, daß hinfüro im hl. Reich keine Schmähschrift, wie die Namen haben möchte, gedruckt, feil gehabt, gekauft noch verkauft, sondern wo die tichter, trucker, kauffer oder verkauffer betreten, darauf eine jede Obrigkeit fleißigen Aufsehens zu haben verfügen, das dieselben nach Gelegenheit der Schmähschriften, so bei ihnen erfunden worden, ernstlich und härtiglich gestraft werden sollen. Reichstagsabschied zu Speyer 157 0... setzen, wollen und verordnen, daß hinfür im ganzen R. R. Buchdruckereien in keinen andern Oertern dann in denen Stätten, da Churfürsten und Fürsten ihre gewöhnliche Hofhaltung haben oder da Universitates Studiorum gehalten oder in ansehnlichen Reichsstätten verstattet, aber sonsten alle Winkeldruckereien stracks abgeschafft werden sollen . . . Zum dritten sollen einem Jeden alle lästerliche schmähliche Bücher, Schriften, Charten oder Gedichte in Druck zu geben oder zu drucken verboten sein. Zum vierten soll auch keiner etwas* zu drucken macht haben, das nicht zu vor von seiner Obrigkeit ersehen und also zu drucken ihm erlaubt wäre. Zum fünften soll derselbe alsdann auch des Dichters oder Autors gleich falls seinen Namen und Zunamen, Stat und Jahrzahl darzu setzen. Da aber deren Ding eines oder mehrere unterlassen, sollen nicht alleine die getruckte Bücher, Schriften oder Charten alsbald von der Obrigkeit confiscirt, sondern auch der Drucker und bei wem die zu kauffen oder sonst auszubreiten begriffen, am Gut oder sonst nach gestalt und Ver mögen gerecht und unnachläßlich gestraft werden. Mit gleichen Strafen und Ernst soll auch gegen diejenigen, so lästerliche schmähliche Gemähls machen, und zu verkaufen oder sonst zu divulgieren umbführen, vorgegangen werden. Darum gebieten wir, daß alle und jede Stände und Obrigkeiten ob diesem unserm Gebot mit allem ernstlichen Fleiß halten auch sonderlich ihre Druckereien unverwarnter Ding besichtigen,
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tage gemeinsam mit des Reichs Statthalter eine gesonderte dann, da sie in diesem Jemand übersehen, colludiren oder keinen ge bührenden Ernst.und Straf gegen die Uebertieter .fürnehmen würden, sollen sie damit in unsere schwere ungnad gefallen sein und nach ge stalten Dingen pro arbitrio von uns gestraft werden. Der R. K. M. Ordnung und Reformation guter Po lizei auf dem Reichstag zu Augsburg 1548 aufgerichtet. Von Schmähschriften, Gemähls und Gemächts. Setzen und ver ordnen hiemit ernstlich gebietend, daß alle Buchtrucker bei Niederlegung ihres Handwerks auch einer schweren Pön, nemlich 27 fl, keine Bücher in Druck ausgehen lassen sollen, dieselben seien denn zuvor durch ihre ordentliche .Obrigkeit jedes Orts oder ihre dazu Verordneten besichtigt und der Lehre der christlichen Kirche desgleichen dem Abschiede des Reichstags allhie, auch andern Abschieden gemäß befunden, darzu daß sie nicht aufrührerisch oder schmählich, es treffe gleich hohe oder niedere, gemeine oder sondere Personen, und deshalb approbiert und zugelassen. Bei gleicher Pön sollen alle Buchtrucker schuldig sein, in alle Bücher, so sie mit Zulaßung der Obrigkeit hinfür trucken werden, den Autoren oder Dichter des Buchs, auch seinen des Buchdruckers Namen, des gleichen die Stadt oder das Ort, da es getruckt worden, unterschiedenlich und mit Namen zu benennen und zu vermelden. Po licey-Ordnung zu Frankfurt 1 5 7 7 gebessert: XXXV. Titel. Von Buchdruckern, Schmächschriften, schmälichen Gemäls, Gedichten und Anschlägen . . . setzen und verordnen, daß hinfür alle Buchdrucker, Verleger oder Händler bei Niederlegung ihres Handwerks auch eines schweren Pön . . . keine Bücher klein oder groß ... in Druck ausgehen lassen sollen, dieselben seien denn zuvor durch ihre ordentliche Obrigkeit jedes Orts oder ihre dazu Verordneten besichtigt und der Lehre der christlichen Kirchen desgleichen den aufgerichteten Reichsabschieden gemäß befunden, dazu u. s. w. (nach Wortlaut der RPO. von 1548) . . . Auch setzen und wollen Wir, daß all und jede Obrigkeiten ernstlich Einsehens thun und verschaffen sollen, daß nicht allein dem Treulich nachkommen und gelebt werde, sondern daß auch nichts, so der christlichen allgemeinen Lehre und zu Augspurg auf gerichtetem Religionsfrieden ungemäß und widerwärtig oder zu Unruhe und Weiterung Ursach geben, noch auch keine Famoßbücher oder Schriften, es habe der Autor seinen Namen daruntergesetzt oder nicht, desgleichen auch nichts schmähliches, Pasquillisches oder anderweis gedieht, geschrieben, in Druck gebracht, gemalet, geschnitzt, gegossen oder gemacht, sondern wo solche . . . vorhanden wären oder künftig ausgingen und an tag kommen, daß dieselben nicht feilgehabt, umge tragen noch ausgebreit, sondern den Verkäufern genommen und soviel immer möglich undergedruckt werden. Und soll nit allein der Ver käufer oder Feilhaber und ander, bei denen solches befunden, gefänglich angenommen, gütlich oder, wo es die Notdurft fordert, peinlich wo ihm
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Handlung1) bekundeten, haben „fürgenommen und wollen, daß nun füran in unser gnädigen Herrn Landen Gepieten und Bistumben kein Buchtrucker einig Buch noch Gemel zu trucken understeen, es sey dann zuvor solches uns und unsern gnädigen Herrn oder unsern und jren Gnaden darzu Verordneten für getragen, mit Fleiß examiniert und ihme zu trucken zugelassen worden. Welcher aber außerhalb solcher Erlaubnus zu trucken sich understeen würde, der soll darum nach Ungnaden und nach Vermögen des Kayserl. Ediktes gestrafft werden“. Diese Verordneten zur Aufsicht über die Bücher sind ferner vorgesehen in den Reichstagsabschieden zu Speyer 1529, Augs burg 1530, Regensburg 1541, Speyer 1570, in Karls V. Dekret, die Religion betr., ergangen auf dem Reichstage zu Augsburg am 23. September 1530, in den Reichspolizeiordnungen von 1548, wörtlich wiederholt in einem Edikte Karls V. vom 30. Juni 1548 und von 1577? endlich in einem Edikte Rudolf II. d. d. Prag, 15. März 1608. solche Bücher herkommen, befragt und so der Autor oder ein anderer, wer der wäre, von dem er, der Gefangene, solche Schrift, Gemählde oder Bücher überkommen, unter derselben Obrigkeit gesessen, der soll alsbald auch gefänglich eingezogen, wäre er aber unter einer andern Herrschaft wohnhaftig, derselben soll solches alsbald gedachte Obrigkeit, da der erste Feil- oder Inhaber solcher Schriften betreten, angezeigt die abermals, wie vor laut, handeln und dem also lang vorgeschriebenermaßen nachgefragt und nachgegangen, bis der rechte Autor befunden, der alsdann sammt denjenen, so es umgetragen, feilgehabt oder sonst ausgeben, vermög der Recht und je nach gestalt und gelegenheit der Sachen darum anderen zum abscheulichen Exempel mit sonderem Arrest gestraft werden. Wenn auch eine Obrigkeit darin fahrlässig handeln und nicht strafen würde, wollen Wir entweder selbst wider die selbige, auch den Dichter, Buchführer, Händler und Verkäufer ernstlich Straf fürnehmen lassen oder aber soll Unser Kaiserlicher Fiscal amtswegen dagegen auf gebührliche Straf procediren und handeln, welche Straf nach Gestalt und Gelegenheit der Sach Unser kaiserliches Kammergericht zu setzen und zu moderiren Macht und Befehl haben soll. Zu diesem Zweck sollen die Buchdruckereien nur in den Städten, da Churfürsten, Fürsten die gewöhnliche Hofhaltung haben, oder da universitates sein oder in ansehnlichen Reichsstädten verstattet und alle Winkeldruckereien stracks abgeschafft sein. Lünig S. 454 f.
12 Aus diesen Quellen ist zugleich die Weiterentwickelung der Rechtseinrichtung sichtbar: 1530 noch die Bezugnahme auf die Entscheidung des künftigen Konzils, also auf die Religion, 1541 ohne Bezug auf Religion, 1548 Schutz der Lehre der „christ lichen Kirche“, aber auch gegen Aufruhr und Schmähung, 1570 Schutz gegen Schmähschriften, 1577 Schutz gegen Aufruhr und Schmähung, 1530 Vorschrift des Namens von Drucker und Druck ort, 1570 Vorschrift der Nennung des Autors und Verbot von Winkeldruckereien, Strafandrohung gegen lässige Obrigkeit, 1577 Verbot jeder Schrift, welche gegen die „christliche Lehre“ und den zu Augsburg aufgerichteten Religionsfrieden gerichtet ist. Was nun die Ausführung dieser Vorschriften in Augsburg betrifft, so haben wir bereits gesehen, wie schon 1520 der Rat sich selbst als Aufsichtsorgan betätigte. Auch Karl V. selbst ließ am 1. Juli 1531 in Augsburg einen Verruf anschlagen, daß die Buchdrucker und Buchführer nichts Schmähliches drucken noch käuflich feilhaben sollten.1) Im Jahre 1534 aber kam das Verlangen nach einem geregelten Vollzug dieser Verordnungen in Augsburg selbst zum Ausdruck, indem die dortigen Prädi kanten den Rat ersuchten, zur Vermeidung von Hader und Zank verständige Herrn zu verordnen, die alle den Druckern zur Veröffentlichung übergebene Schriften vor dem Druck durch sehen und auch die Bücher der fremden Buchführer mustern sollten. Der Rat setzte hiezu eine aus seinem Diplomaten, Ge sandten und Berater, dem Stadtarzt Dr. Gereon Sailer, dem Prediger Wolfart und Konrad Peutinger bestehende Kommission ein, welche fürs erste die Schulherren als Aushelfer in Aussicht nahm, die Prediger Musculus und Wolfart hiemit betraute und deren Verrichtung in die für die Schulherren bestimmte sogenannte Schulordnung vom 24. Juni 1537 aufnahm.2) Allein diese Ein richtung, die ja ohnehin die Schulherren nur neben den dazu Verordneten aus den Geheimen Räten bestellt, mochte sich, da diese Zensoren zu oft in die Lage kamen, Richter in eigener Sache zu sein, nicht lange bewähren, jedenfalls auch durch die Vertreibung der Prädikanten im Jahre 1547 Not leiden. Schon !) RB. 1529—1542, 27. 2) Roth II, 352 ff.
Greiff, S. 11.
13 die Schulordnung von 1551 — die sogenannte zweite von 1543 ist ohnehin nicht für die Schulherren, sondern für die Schullehrer bestimmt — enthält obige Bestimmungen nicht mehr. Auch der Vorschlag der Kommission, das Amt der Zensoren unter den Theologen, Juristen und Medizinern der Stadt im Wechsel um gehen zu lassen, fand keinen Anklang und die Frage ist nun die, ob an die neue Stelle überhaupt neue Männer gesetzt wurden, oder ob nicht in einem schon vorhandenen Amte die geeigneten Männer sich boten. Vor näherem Eingehen auf diese Frage dürfte es passend sein, über eine andere Organisation, nämlich die der Buchhändler und Buchdrucker, einiges vorauszuschicken.
2. Buchhandel und Buchdrucker in ihren Anfängen. Die ursprünglich so genannten Buchführer hatten nach Nicolai, Beschreibung einer Reise durch Deutschland und die Schweiz 1781, ihren Namen von den Gänglern und Trägern, die gehend und tragend, wie andere Ware, so auch Bücher im Lande herumführten und ausboten. Unter dem 10. Dezember 1551 wird in einer Supplikation gemeiner Buchführer1) dem Rate vorgestellt, wie die Kramer durch einen Zunftknecht und einen Marktknecht ihnen haben anzeigen lassen, es sei des Rats Befehl, daß sie keine Brief, Bücher, Kalender oder anderes mehr feil tragen oder damit zu Markt sitzen sollen, sondern zuvor der Kramer Gerechtigkeit erkaufen müßen, welches nicht in ihrem Vermögen und auch wider Recht sei; denn ihre Frei heit von alters her sei seit Menschengedenken gewesen, daß ihre War und Gewerb zu keiner Kramerei je verglichen sondern frei gelassen gewesen. Wenn ihrer einer in eine andere Stadt komme, lasse man ihn feil haben, ob er einen Markt treffe oder nicht. Sie bitten daher, ihnen den Ver kauf von Briefen, Laßzetteln, Liedern und was dann die kleinen Bücher sind, zu gönnen. Ebenso bitten i. J. 1552 Stephan Mayr Buchbinder und Hans Zimmermann Buchdrucker2), ihnen an Sonn-und Feiertagen das Verkaufen kleinerer Bücher „wiederum“ *) XV.
2) XV.
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zu vergönnen. Es sei dies der Kramerei und meniglich ohnnachteilig, auch ein alter Gebrauch und nicht allein hier sondern auch in änderen Städten seit Menschengedenken nicht verboten, da sie große Bücher nicht feilhätten sondern nur kleine latei nische Schülerbüchlein, Psalmen, Bet-Evangelien, auch etwa Schüler, Ehehalten, Handwerksgesellen oder andere Büchlein kaufen, die sie sonst, da sie die nicht vor ihnen sähen, zu kaufen nicht willens seien oder etwa in der Wochen nicht auskommen könnten oder sonst an Feiertagen ihr Geld verschwenden und vertun würden. Eine Supplikation Leonhard Schönherrn vom Jahre 1554 x) trägt vor: Er habe, nachdem er der Kramer Gerechtigkeit fähig, auf dem hohen Weg an Feiertagen Bücher feilgehabt, in welchen etliches Widerwärtiges gewesen, weshalb ihn der Rat gefängklich annehmen und etliche Tag in der Frohnvest einhalten lassen, zur Straf auf einen Turm gesetzt und auferlegt, hinfüro nicht mehr Bücher feil zu halten. Er bittet, ihm den Verkauf an Feiertagen und Kirchweih wieder zu erlauben, will allein das, was ihm die hie sigen Buchführer, von denen er alles und außerhalb nichts sonst kauft, geben und verkaufen dürfen, auch feil haben und verkaufen und sich aller Schmach- und andern verbotenen Schriften und Bücher gänzlich enthalten. Endlich sagt eine Supplikation der Buchführer, so auf den Schrägen und an den Stricken feil haben, deren 7 sind, vom 18. Januar 15602): Es trägt sich zu, daß etlich Buchbinder und Buchdrucker und andere, die der Krämer Ge rechtigkeit nicht haben, allerlei Brief und Büchl feil haben, damit hausiren und durch ihre Ehehalten in die Häuser lassen tragen, desgleichen sind etliche Poten, so fremde Püchlen und Schriften allher bringen und verkaufen dieselben, durch solches wir ver dacht worden, als ob solche Püchlen und Schriften durch uns allher gebracht und verkauft worden. Desgleichen understehen sich etliche, so der Kramer Gerechtigkeit haben, die an zweien Orten, als nemlich in einem Laden ihre Waren, als Eisenwerk oder andere Gattung und Kunst, an einem besondern Ort und Stand die Bücher und Schriften feil haben, das wider allen i) XV.
2) XV.
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Gebrauch und uns armen Gesellen an unserer Nahrung groß abbrüchig und zum höchsten beschwerlich, so doch wir der Kramer Gerechtigkeit bei zwey Jahren verschienenen kaufen haben müßen, damit wir wie andere Kramer dürfen feil haben. Wir bitten um Abschaffung und daß diejenigen, so Laden haben, es seyen Buchführer oder Kramer, an den Sonnund Feiertagen nicht feil haben. Aus diesen dürftigen Anfängen hat sich allerdings in der Folge ein Buchhandel entwickelt, von dem Nicolai a. a. O. sagt, daß Augsburg für Sparten des Buchhandels der deutsche Stapel platz, daß gewisse Buchhändler dort wahre Grossisten seien und ihre Handlungen zu den größten und reichsten in Deutschland und vielleicht in Europa gehören. Allein daß jene dürftigen Buchführer, daß die Vorgeher der Kramerzunft, der sie sich hatten anschließen müßen, zum Zensuramt berufen gewesen seien, ist nicht anzunehmen. Die Buchdruckerei dagegen hatte schon unter der Zünfteverfassung geblüht und das Ansehen der in ihrer Bedeutung alsbald begriffenen mächtigen neuen Kunst genossen. Unstreitig steht Augsburg in Einführung der Buchdruckerei an einer ersten Stelle. Die Akten des städtischen Archives bergen eine Urkunde, laut deren als Zeuge eines Gewaltbriefes (Voll macht) vom Jahre 1497x) der Bürger und Buchdrucker Bern hard Lutz von Augsburg unterschrieben ist. Aber in einem Be gnadigungsgesuche vom Jahre 1791 beruft sich der wegen Um gehung der Zensur zu 10 Taler ad pias causas verurteilte Buchhändler Stage darauf, daß Ovidius de amore, mit dem er also angestoßen, schon 1484 und 1486 durch den bürgerlichen Buchdrucker Anton Sorg in Augsburg aufgelegt worden sei.2) Die Buchdrucker unterlagen aber, unbeschadet ihres Rechtes sich einer Zunft anzuschließen, nicht dem Zunftzwang. Von jeher wurde betont, daß das Buchdrucken kein Schuster- und Schneider*) I. 2) VI. Wegen der Herausgabe des Ovidius de amore ist dem Buchhändler Stape 1777 die Führung des Titels eines kurbayerischen Akademiekunsthändlers verboten worden. V. Zu Anton Sorg s. Zapf, Augsb. Bibliothek I, 64 und II, 226.
16 handwerk sondern je und allewegen für eine freie Kunst geachtet, auch einiger Ordnung niemals eingeschlossen worden, wie denn dergleichen Künste noch mehr allhie als Perückenmacher, Bortenwirker,' Diamant- und Rubinschneider, wozu noch die Spielleute zu zählen. Und während alle Handwerker ihre be sondere Ordnung und Artikel von einem Rate' ratifiziert und konfirmiert hätten, könnten weder die Buchdrucker noch die Briefmaler einen Artikel nachweisen.1) Allein nicht zu bezweifeln ist, daß die zahlreichen Buch drucker — ihrer waren laut obiger Urkunde vom 28. August 1520 schon 11* itn Jahre 1523 schon 14 — dem Rate gegenüber, „der den Zünften gegenüber hat dhein neuerung wollen machen, doch seiner oberkait allwegen und zu jeder Zeit unvergriffen“ 2), einen faßbaren verantwortlichen Körper bildeten, mit dem vom Rate zu verhandeln war, daß sie daher Verordnete, zur Druckerei Verordnete, haben, wie ja auch die Spielleute unter solchen Verordneten ständen. Der wesentliche Unterschied aber war der, daß sie nicht, wie die Vertreter der Zünfte, die Vertreter der Buchdrucker in ihrer Unterordnung, sondern Vertreter des Rates in seiner Überordnung, also Ratsdeputierte, waren, daher sie auch nicht aus den Buchdruckern genommen wurden. Die Bezeichnung als Verordnete zur Druckerei ist also ohne jede Beziehung auf Zensur verständlich, ja die natürliche. Am 20. August 1541 nun veröffentlichte durch Verruf und Anschlag der Rat einen „Artikul, den Buchtruckhern und Buch führern abermalen ernstlich zu halten bevolhen und eingepunden: . . . daß sie in dieser Stadt nichts trucken noch feil haben oder verkaufen sollen, es seien Bücher, Lieder, Schrifften, Zedl oder gemeld in keinerlei Sprach, das wider die reine Lehre des Evangeliums, die Augspurger Confession, christenliche Concordie oder wider der R. K. und K. M a j e st ä t e ig e n e o d e r der evan gelischen Stände sondere Personen geschrieben, gedieht, oder gedruckt oder das schampar, untzichtig, puhierisch, ergerlich oder verletzlich ist, !) XIII, II. 2) RB. XV, 47.
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bei ains ehrs. Rats ernstlicher Straff, die er gedenckt gegen ainen jeden Übertreter dieses Gepots mit niederlegen alles truckens und verkaufens ain zeit lang in ander wegen ernstlich und unablässig fürzunehmen. Und welcher buchfürer und buchtrucker des Ver stands nit wäre, das er gebührlichen unterschied, was er hie trucken, feil haben und verkaufen möchte oder nit, ze halten wißt, der mag und soll die hiezu verordnete Herrn umb bericht fragen, seine Bücher, Lieder, Schrifften und gemeld sehen lassen und sich beschaids erholen, was ime zu drucken, feil zuhaben und zu verkauften gebühre oder nit. Hierüber wird ein e. Rat dhain Entschuldigung annehmen“.1) Die „dazu“ verordneten Herrn aber waren die bisher zur Druckerei oder auch zu den Druckereien Verordneten, welchen alten Namen sie im neuen Amte ebenso beibehielten wie das alte Amt. Wären die zur Druckerei Verordneten ausschließlich nur zur Zensur verordnet gewesen, so hätte hiezu der Rat zweifellos Männer mit den entsprechenden Eigenschaften, die „des Vor stands“ im Sinne vorstehender Verordnung gewesen wären, ab geordnet, um Kritik an Büchern zu üben, zumal in religiös und wissenschaftlich bewegten Zeiten. Dies scheint aber nicht der Fall gewesen zu sein, da der Rat sich anfänglich neben den Verordneten zur Druckerei wissenschaftlich gebildeter Männer zur Aushilfe in der Zensur bedienen mußte. Laut Baurechnung von 1542 sind verausgabt an Herrn Wolfgang Meislin 20 fl dafür, daß er das gantze Jahr die „Librareyen“ versehen und besichtigt, daß nichts Schmähliches gedruckt noch verkauft wird. Laut Ratsdekret vom 2. April 1547 2) sollen die damals verbreiteten Schmachschriften durch den Prediger Meister Augustin Müller untersucht werden. Laut Dekret vom 10. Oktober 1*5593) soll der Buchhändler Georg Willer noch länger liegen bleiben und weiter angesprochen werden, auch seine Bücher durch die untern Schulherren besichtigt und was nicht famos und des Autors auch Druckers Namen hat, seiner Ehefrau und Freunden zugestellt, *) Roth, III, 180. 2) RB. 1547, 53. 3) RB. 1559, II, 41. 2
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das ander hinweggenommen werden. Wolfgang Meislin — Musculus, der bekannte Reformator, und sein Amtsgenosse Augustin Müller waren Schulherren. Letzterer ist 1543 mit weiteren fünf Amtsgenossen - den oberen Schulherren Simprecht Hoser und J. J. Fugger als Unterschulherr beigegeben worden.1) Das Amt der Verordneten zur Druckerei war ein unentgeltliches Ehrenamt, nicht mit 20 fl bezahlt. In allen genannten Fällen liegt also eine außerordentliche Beiziehung von Sachverständigen zur Unter stützung und Ersetzung der Verordneten zur Druckerei vor. Es mag ja nach Einführung des patrizischen Regiments, da Augsburg genug hochgebildete Männer zählte, die Auswahl zu diesen Verordneten sich mehr und mehr dem Bedarfe des Zensurgeschäftes angepaßt haben. Endlich spricht auch die Tatsache, daß von jetzt ab die Zensur nicht das einzige Geschäft der Verordneten war, sondern daß sie sogar sehr lebhaft mit allen gewerblichen Angelegenheiten, Händeln und Streitsachen der Buchdrucker befaßt waren, dafür, daß sie nichts anderes waren als die zur Druckerei Verordneten der Zunftzeit. Diese letzteren Geschäfte wurden ihnen sicher nicht übertragen, weil sie Zensoren waren, sondern vielmehr die Zensur, weil sie ohnehin die bisherigen Verordneten zur Druckerei waren. Somit ist um 1540 die Zensur in Augsburg geschaffen — 100 Jahre nach Erfindung der Buchdruckerkunst und früher als in München, wo erst 1561 ein Zensurkollegium gebildet wurde, dem die Jesuiten Petrus Canisius und Peltanus angehörten.2) Am 27. August 1541, eine Woche nach Bekanntgabe obigen Artikels, wurden die Buchdrucker und Buchführer vor den Rat gefordert, wo man ihnen eine neu gedruckte Ordnung vorlas und jedem eine Abschrift derselben zustellte.3) Am 19. April 1552 hat laut Ratsprotokoll „ein ehrs. Rat aus beweg lichen guten Ursachen erkannt, daß allen Buchtruckhern mit Ernst soll eingepunden und bevolhen
!) Greiff, S. 11, Roth II, 367. 2) Seydel, bayer. Staatsrecht S. 25. 8) RB. 1541, 188.
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werden, hinfüro nichts, weder wenig noch viel, ohne Erlaubnus der darzu verordneten Herrn zu truckhen. Und hat alsbald ein e. Rat zur Übersehung der Bücher verordnet Herrn Johann Baptista Haintzel und Jörgen Hopfer.al) „Am 7* Oktober 1559 sind dieser Stadt Buchdrucker und Buchführer für ein e. Rat ervordert und jnen allda ernstlich untersagt und eingebunden worden, hinfüro nichts on vorwissen und erlaubnus der dartzu verordneten Herrn zu druckhen, noch einig schmach oder ander Bücher, da des autors und Buchdruckhers namen sambt dem Ort, Stat oder flecken, da solches gedruckt, nit darunder steet, hereinführen, kauffen, verkauften noch austailen sollen, mit dem anhang, wo ainer oder mer sol ches überfür, das derselbe nach Ungnaden und dermassen gestrafft werden soll, das Er andern ein Exempel sein solle. Solchem nachzukommen hat ain Jeder in Sonderheit angelobt. Folgen die Unterschriften von 10 Buchdruckern und 7 Buchführern.“2) Damit nun war die Zensur in Augsburg begründet und geordnet.
3. Die Verordneten im Amte* Mit diesem neuen Rüstzeug wurde der Kampf wider die religions- und friedensfeindliche, aufrührerische und ehrabschneiderische Presse ernstlich geführt. Zahlreiche Akten und Urgichtprotokolle über gütliches und peinliches Ansprechen auf leerer oder mit Gewicht aufgezogener Scheibe beweisen den Nachdruck des Einschreitens. Willig leisteten die Stände sich gegenseitig Rechtshilfe. Im Jahre 1550 ersuchen Rektor, Kammer und Rat der Universität Ingolstadt den Rat der Stadt Augsburg3), ein gedrucktes ehrenrühriges Gespräch des aus der Reformations geschichte bekannten Buchdruckers Philipp Ulhart in Augsburg, durch welches einer, so in Ingolstadt studiert, Georgius Ramungius genannt, einen Juristen der Fakultät höchlich an tastet, zu verwahren und zu arrestieren. Der Rat schreitet sofort ein, nicht ohne daß Ulhart sich wehrt und die Herren ersucht, an die Doctores zu schreiben, sie möchten seine arrestierten Bücher behalten und ihn dafür bezahlen.4) 4) RB. 1552, 19/4. 3) I. 4) XIII.
2) RB. 1559 T II, 40.
20 Am 28. Oktober 1559 schreibt Herzog Albrecht in Bayern an den Rat zu Augsburg1), er habe deren Mitbüiger Hansen Gögler, Buchdrucker, in das Gefängnis im Falkenturm werfen und alsbald wegen der Schmähbüchlein, so er gedruckt, besprechen und gichtigen lassen und setze in ihr Bedünken, ob nicht auch noch andere ihrer Mitbürger gegriffen und von ihnen die Wahr heit der Autoren und Dichter solch hochärgerlicher und auf rührerischer Schmachbücher vorgebracht werden solle. Gögler hatte, nachdem man ihn „aufgezogen und ziemlich lange hängen lassen“, obigen Ulhart und Valentin Ottmar, die Buchdrucker, genannt und widersprochen, daß er andere Bücher, namentlich vom schmalkaldischen Kriege, herausgebracht habe. 1560 stellte er dann an den Rat die Bitte, man wolle ihm Gnade mitteilen und ihn wieder lassen einkommen, daß er bei seiner Armut und bei seiner Hausfrau möge wohnen, wobei er anziehend von seiner Gefangenschaft und Flucht erzählt.2) Die Strafen waren
*) I. 2) XIII. Er berichtet: Nachdem ich 4 Jahre ungefährlich eine eigene Druckerei gehalten und nur Lieder und andere geringe Dinge männiglich ohne Nachteil gedruckt, mir auch nichts verboten, auch nie strafbar erfunden worden, dann aber daß ich mich von Schaller und Denneckher bereden lassen und ihnen ein Dialogum und Passion vom Churfürsten, die er eilends haben wollen . . . gefertigt und zu sein Haus überantwort habe; deßhalb ich dann zu Ingolstadt 19 Tag gefangen gelegen und dann an einer Ketten gen München geführt, in Falkenturm gelegt und darin vom Dialogo und andern Artikeln gefragt worden, und als ich nicht mehr darauf habe können antworten, wollten sie nicht begnügig sein und haben mich zum 4ten Mal auch mit angehenkten Steinen gestreckt und mich 8 Wochen darauf unten im Thurm an einer Ketten liegen lassen. Dieweil ich nun ein langwierig Gefängknuß hab müßen sorgen, hab ich dort den Herrn mit großem Ernst angeruft, daß er mir wolle aushelfen. Als nun der Thurmvater besehen, daß mir die schwere Ketten Löcher in den Fuß und Geschwulst gemacht, hat er für mich gebeten, daß man mich in ein Stüblein auf den Thurm verlegt, und hat man mir mein Wetschger, darin ich Lebkuchen und andere Spezerei gehabt, zugestellt und hat aus sonderlicher Gottes Gnade ein Messerring das große Markschloß aufgethan, und als des Thurmvaters Töchterlein ein Feuer am Morgen in das kleine Oeflein machen wollen, hat sie ein Kachel ausgestoßen, habe ich nach Mittag 4 Kacheln ledig gemacht und zum Ofenloch hinausgeschloffen, da habe ich aus Schickung Gottes die Thüre offen gefunden. Der Maurer halb, die oben im Thurm gearbeitet, bin ich das Gerüst herabgekommen, durch die Stadt
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Einziehung, Zerreißung und Verbrennung durch den Scharf richter1) Gewölblein, Pranger2), Verweisung von Stadt und Etter, Aushauen mit Ruten. In die Zensurtätigkeit der Verordneten gibt Ein blick ihr Bericht an den Rat vom November 1620 aus Anlaß einer Beschwerde von Erzherzogs Leopold zu Österreich hinter, lassener Direktion und zugeordneten Geheimen Räten3), welche bei Besehen eines zu Augsburg ausgegangenen Kataloges über zum Thor hinaus und als ich müde war, hat Gott eine Fuhr geschickt, daß ich denselben Abend gegen Freising kommen und denen, die mir nachgeeilt sollen haben, entgangen. Nun ist meine Bitte, Sie wollen mir auch Gnade mitteilen x. XIII. J) Noch 1764 vorgekommen. V. 2) Von Verrufen am Pranger zwei Proben: Gegenwärtiger Martin Haller von Augsburg, so auf dem Pranger steht, nat nicht allein in der Kirche bei der hl. Taufe als ein Gevatter sich zu 2 unterschiedlichen Malen ganz ärgerlich verhalten und dem Priester in seiner Verrichtung unbescheidentlich eingeredet, sondern ist auch bei ihm eine erdichte falsche Beicht oder Glaubensbekenntnis, sodann ein sehr schmachhaftes Lied gefunden worden, darin unter andern scharfen Auszügen die Röm. Kais. Majestät für einen Tyrannen, der an sein eigens Schwert noch fallen müsse, ausgeschrieen wird, durch welche unterschiedliche Verbrechen er wohl eine ernstliche Leibesstrafe verdient hätte, jedoch weil er bereits eine ziemlich lange Gefangnuß ausgehalten, so hat ein E. Rat aus Gnade erkannt, daß er auf den Pranger gestellt, öffentlich verruft und aus. der Stadt geschafft werden solle. Davor wisse sich mäniglich zu hüten. I. Auf Gnadengesuche der Frau ergehen Dekrete: am 14. Januar 1631: Martin Haller soll draußen bleiben; am 4. Februar: soll sein Begehren abgeschlagen werden; am 4. Mai: soll begnadet und ihm die Stadt mit Betro er öffnet werden. Gegenwärtiger Christoph Glatz von Augsburg, so allhie auf dem Pranger steht, hat ... ein schmachhaftes Lied, darin die Röm. K. M. wie auch die hiesige Obrigkeit samt der Klerisey und Geistlichkeit scharf angegriffen wirdet, gemacht, desselben sich freventlich berühmt und darüber gar in ein gewalt sich eingelassen, wodurch er sich nit allein wider die gemein beschriebene Recht und Reichsconstitutiones sondern auch die unterschiedliche allhier ergangene ernstliche Verruf und Anschläge . . . vergriffen, und obwohl er das Ruthenausstreichen gar wohl verdient hätte, so hat doch ein E. R. . . . in Ansehung ein gekommener Fürbitte (des Handwerks der Fischer, da er Fischbeschauer ist) erkannt, daß er erlassen und für eine gnädige Straf auf den Pranger gestellt, öffentlich verruft und aus der Stadt geschafft werden soll. 1630. I. 3) XV.
22 die in Druck verfertigten Bücher eine Beschreibung gefunden haben, „warum die Behemb jetztigen römischen Kaisers Majestät für ihren einmal gekrönten und gesalbten König nicht annehmen kündterO, und andere Traktätlein, welche das Haus Österreich berühren, worauf sie berichten: Wir prüfen die Frankfurter Kataloge und halten darauf, daß solche Bücher und Traktätlein, die gemeinig lich sine nomine autoris et loci ausgehen, wenn sie hieher kommen, eher nicht verkauft werden, bis sie zuvor von uns ersehen und durchlesen worden. Wie uns dann fast wöchentlich, auch zwischen den Messen, dergleichen zukommen, womit wir selbst diesen Brauch gehalten, daß was wider die Kais. Majestät, das hoch löblichste Haus Österreich oder andere Potentaten expresse vel tacite gerichtet oder sonst die Religion und religiosos ungütlich perstringiert, zu verkaufen abgeschafft und die Exemplare von gemeiner Stadt wegen käuflich angenommenJ), darin doch die acta publica mit gebührender Bescheidenheit und damit man sich desto weniger zu beklagen Ursache, nicht verstanden sondern feil zu haben passieret worden, der zuversichtlichen Hoffnung, dadurch niemand offendiert zu haben. Obwohl w»r ohne dies unsern möglichen Fleiß mitanwenden, durch viele Zeit in Ersehung dergleichen Schriften und Traktätlein bisher gebraucht und forthin zu kontinuieren mns schuldig erkennen und doch schwerlich alles verhüten können, wollen wir doch auch auf den Katalog von Georg Willer*2) bedacht sein. Das Aufspüren verwerflicher Schriften ist indes nicht die einzige Tätigkeit der Verordneten. Wie vordem und auch noch 1552 und 15593) der Rat selbst die Buchführer und Buchdrucker vor sich gefordert, belehrt und verwarnt hatte, beauftragte er in der Folge, so mit Dekret vom 26. April 16034), die Verordneten, *) Daß die beanstandeten Bücher von der Stadt aufgekauft wurden, mag wohl vorgekommen sein, entweder um aller Zweifel über deren Behandlung enthoben zu sein, oder aber aus schlechtem Gewissen, wie ein solcher Fall in der Folge erzählt wird, ist aber nicht als die Rege! anzunehmen, welche vielmehr in der Konfiskation bestand. 2) XV. Nach Stetten, Kunst-Gewerbe-u. Handwerksgeschichte II, 11 hat Georg Willer diese Kataloge erfunden und haben seine Söhne Elias und Georg 1507 den letzten gedruckt. Letzteres wäre nach Obigem unrichtig. 3) RB. 1552, 81 und oben 27. 4) XIX und XIII.
23 die Buchdrucker, nicht auch die Buchführer — wohl, weil sie über diese nicht verordnet waren — vor sich zu fordern und ihnen bei ernstlicher Strafe aufzuladen, ohne ihr Wissen und Bewilligen nichts zu drucken noch zum Wiederdrucken auf zulegen, sondern sie dasselbe jederzeit zuvor sehen zu lassen und gedachten Herren darum ein Exemplar zuzustellen, auch fürhin in die gedruckten Bücher ihre Namen, Stadt und Jahr allemal zu setzen und ohne dasselbe nichts zu drucken. Auch sonst war der Rat in Übung der Pressepolizei selbst tätig, so durch die öffentlichen Berufe und Anschläge vom 18. April 15521) über üble Nachreden schriftlich oder mündlich, von hohen und niederen vStandes, auch Ausbreiten der erdichteten Zeitungen, vom 14. Juni 15792), die schmählichen Schriften und Lieder betr. und vom 2/. November 16183) wider die Pasquille und andere schmach hafte, leichtfertig, ärgerliche Lieder und Schriften, welcher noch einmal die alten Vorschriften sehr umfassend wiedergibt, endlich vom 27. November 16254) betr. die hochsträfliche Pasquill, Schmachschriften, Famosschriften und Nachreden wider allhiesige Obrigkeit. Ferner hatten die Verordneten in den vom Rate in Behand lung genommenen Fällen der Preß vergehen ihr Gutachten abzugeben. Im Jahre 1596, als Georg Kappel5), ein herab gekommener Weber, einen langen Schmachbrief in Versen gegen den Stadtpfieger Welser gelegt hatte, auf ernstlich bedrohtes An sprechen gütliche Antwort auf die Fragestücke gegeben und die Fürsprach der ganzen Nachbarschaft und der Gassenhauptleute von der engen Kirchgasse und am Eser gefunden hatte, erstattete Jurisconsultus Johann Klöpper6) ein ziemlich geschwollenes Gut achten, Quae sit famosi libelli vulgo Pasquilli poena, dahin, daß *) Register z. d. öffentl. Anschlägen. 2) Reg. z. d. ö. Anschi. 3) Summarische Anzeige über Anschläge und Decrete Th. I. No. 61. Die BR. führt 1 fl. 36 kr. Ausgabe auf diesen Anschlag der Buch drucker, Buchhändler und Novellanten halber auf. 4) Reg z. d. ö. Anschi. 5) I, hiebei Spezialakt Georg Kappel 1596. *) In den für diese Zeit noch unvollständigen Listen der Stadt advokaten oder Ratskonsulenten ist Joh. Klöpper nicht aufgeführt, was nicht ausschließt, daß er als solcher den Verordneten mit seinem Gut achten beigesprungen sei.
24 man weniger nicht tun könne, als daß er stark mit Ruten aus gehauen und der Stadt verwiesen werde, weil er ipso facto infamis et intestabilis sei und also unter kein ehrliche Gemein mehr tauge. Laut Ratsdekret vom 23. November 1604 x) soll Buchdrucker David Frank auf einen scharfen Verweis fernerer Straf in Gnaden erlassen, dessen vorgelegte Kalender relaxiert, hinfür aber der alte Kalender besonders und allein nur mehr gedruckt werden — ein Nachklang zum Kalenderstreit von 1583. Nach dem Gutachten der Verordneten besteht sein Ver brechen in D.ruckung des Kalenders nach dem alten Stil nicht allein in dem, daß er keine ausgedruckten Exemplare, wie er vermög des Dekrets tun soll, geliefert, „sondern“, so.fahren sie fort, „er weiß sich doch wohl zu erinnern, daß wir ihm lauter angezeigt, in Kalendern den neuen dem alten vorzusetzen. Indeß stellen wir, da er unbestraft, die Straf anheim, ebenso, was Sie künftig des alten Kalenders halber als auch mit dem auf nächstes Jahr bereits ausgetruckten, so wir bis Austrag der Sach in Verbot gelegt, fürnehmen und verordnen wollen“. Im Jahre 1617 erregt der Buchdrucker Lukas Schultheiß Anstoß mit „ein wahrhafftig und erschröcklich neue Zeitung, wie sich der Himmel aufgetan und ein feuriger Track herausgeflogen, welches zu Augsburg und an andern Orten von vielen Personen gesehen worden, hiebei noch ein schönes neues geistliches Lied von den ^ Blutvergießung Christi im Thon: es wollt’ gut Jäger jagen“.*2) 1625 reichen die Verordneten auf Hansen Meyers, genannt Gailmeyer, beiliegende Urgicht folgenden Bericht ein3): „Er ist deßhalb eingezogen, daß er über alle beschehene Verwarnungen, auch eines e. Rats ernstliche Beruf und öffentliche Anschlag falsch erdichte Lieder und Zeitungen spargirt und herumgesungen, welche, wie es das Ansehen haben will, merernteils von ihm Selbsten erdicht und allhier getruckt worden. Nun sind uns des noch mer und andere dergleichen getruckte scarteggen und er1) 2) 8) Gottlieb
XIX. I, hiebei Spezialakt Lukas Schultheiss. I, hiebei Spezialakt Hans Meyr, genannt Gailmeyer, Morhart und Hans Meyer.
dann
25 dichte Lieder zukommen, um welche zweifelsohne der Gallmeyer auch Wissenschaft haben wird; . . . also hielten wir dafür, es möchte vermeldter Gallmeyer hierüber auch anzusprechen sein.“ Wiederum berichten sie auf seine weitere Urgicht: „Obwohl er nicht gestanden sein wollen, daß er die schändliche Zeitung der Verwendnus etlicher Länder und Reichsstädt wider den Türken1) erdicht oder trucken lassen, sondern solches von Thomas Kern beschehen sei, so kann er doch nicht in Abrede sein, daß er selbige verkaufft und mit Wissen und bisher mehrmalen beschehener Verwarnung wider die öffentlichen Anschlag und Beruf gehandelt hat ... Er hat sträflich gehandelt dadurch, daß er erdichte unwahrhafte Sachen für wahr ausgeben und verkauft, teils dieselben ohne Consens allhie getruckt und hiezu anderer Ort, als Regensburg, Erfurt, Constantz, Stuttgart, Strau bing, als ob sie dort getruckt, sich gebraucht, welches wider die Reichsabschied und Billigkeit ist. Als stellen wir gehorsam anheim, welcher Gestalt Sie solche Ungebühr gegen Hans Meyer ahnden, oder ob Sie ihm aus Gnaden diese ausgestandene 8 tägige Gefängnis für ein Straf, mit ernstlicher Verwarnung, nicht mehr zu kommen, rechnen wollen, auch Kern, wenn hier zu treffen, zu verhaften und die beiden Buchdrucker, denen wohl bewußt, daß sie ohn unsern Consens das geringst nicht trucken, viel weniger sich fälschlich ander Ort und Städt in den Truck sich nit gebrauchen sollen.“ Als er aber schon 1626 wirklich wieder „kommt“, haben sie mit Verwunderung vernommen, daß er ihm seine jüngst beschehene Ausschaffung kein Warnung sein lassen, sondern sich eben dergleichen sträflicher Ungebühr als wie vor diesem freventlich angemaßt. Sie vermeinen daher, er möchte zur Stadt hinauszuschaffen sein. Endlich muß 1631 Hans Fürst ein ganz anmutiges, nicht witzloses Gedicht „im Rosenton Hans Sachses“: „ob Ein geziemb, ein Weib zu nehmen oder nicht“, ferner aber ein Evangelium *) Unter dieser Verwendtnus ist in dem Pasquill aufgeführt, was die einzelnen Reichsstände als Beitrag wider den Türken leisten, so Augspurg 3000 Weber und Russenschneller, desgleichen ein Fähnlein verdorbene Kaufleut und 7000 Fröschmörder, Bayerland 2000 Meßner und Ampelschürer, auch 2 Regiment Hirtenbuben sammt 3000 feiste Schweinrüssel.
26 vom hl. Bischof von St. Anna und der Äbtissin von St. Stefan, dann ein schönes tröstliches Gebet, so zu Leipzig auf dem Fürstentag ist gemacht worden durch V. Johann Göbel, unsern ge westen Pfarrherrn zu St. Anna, damit büßen, daß er „mit Betro“ entlassen, ihm zwar die erlittene Gefängnis für eine gnädige Strafe gerechnet, aber angezeigt wird, sich bei Verlust seines Bürgerrechts wiederum ledig zu machen.1)
4. Kampfzeiten» Von einer freien, vom Parteigeist nicht beeinflußten Zensur konnte indes bei damaligen Wirren nicht die Rede sein. Während 1532 Kaiser Karl dem Rat Luthers Ermahnung an die Geistlichen, versammelt auf dem Reichstag zu Augsburg, verkaufen zu lassen verbot2), war 1541 dem einen billig, was dem andern recht, und befahl der Rat den Buchdruckern unter dem 20. August, daß sie in dieser Stadt nichts drucken noch feil haben oder verkaufen sollen . . . das wider die reine Lehre des hl. Evangeliums, die Augsburger Konfession und christliche Konkordie oder wider der R. K. Majestät eigene oder der evangelischen Stände sondere Personen geschrieben etc.3) Rein sachlich dagegen ist das Rats dekret vom 20. Juni 1545, das den Druckern untersagt, überhaupt etwas ohne Genehmigung der Verordneten zu drucken.4) Aut diesem neutralen Standpunkte, der die Zensoren nicht einseitig bindet sondern ihrem Ermessen anheimstellt, was wider Religion und gute Sitte sei, stehen auch die Dekrete vom J. Oktober 15495) und 19. April 1552b), welche den Buchdruckern befehlen, hinfüro nichts, weder wenig noch viel, ohne Erlaubnis der dazu ver ordneten Herren zu drucken, noch solche Bücher, auf welchen weder der Name des Verfassers noch der Ort, wo solche heraus gekommen, zu verkaufen. Sehr neutral ist ein Dekret vom 14. August 1550: „Dem Puchtruckher, so ain Truckh von ainer Tauben mit vier Füßen ohne Erlaubnus der verordneten Herrn getan, soll das für ein ungefähr hingehen.“ Er soll aber wie *) 2) 8) *) 5)
I, hiebei Spezialakt Hans Fürst. Reim schw. R. G. S. 151 f. Roth III, 180 n. 111. Roth III, 180 n. 112. RB. 1549 T II, 40. *) s. S. 17 Anm. 1.
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andere zum gelübd genommen werden.1) Aber nicht mehr neutral war es, wenn der Stadtschreiber Fröhlich, auch Lätus genannt, selbst Pasquille gegen „Carle von Gent“, Carolum Gandavum, schmiedete, sodaß schließlich die zur Dr. V. an den geheimen Rat schreiben müssen: „Es wirdet auch vonnöten sein, daß ein e. Rat die Büchlen, so wider die kaiserl. M. in diesen Kriegsleufften gedruckt, aufsammeln und dergleichen zu drucken verbieten lasse“, worauf am 2. April 1547 Dekret ergeht, die Schmachschriften sollen durch Meister Augustin Müller besichtigt werden2),* und am 28. Mai in der Baurechnung eine Ausgabe von 43 fl 18 kr. 6 fl erscheint, „den Buchführern und Buchdruckern allhie umb aufgehebte Schmachbüchlein bezahlt“. Hinwiederum gab Kaiser Karl seinem Mißfallen über diese Erscheinungen in der seit 1530 hervorragend widerspenstigen, im schmalkaldischen Kriege feindlichen und nachher zweideutigen Reichsstadt recht fühlbaren Ausdruck, indem er ihr 1548 das Zünfteregiment nahm, das alte patrizische Regiment wieder her stellte und mit Mandat vom /. Juli 1549 verordnete, es sollen bei jeder Wahl und auch sonst in Besetzung der Stadt ämter und sonderlich der Advokaten, Prokuratoren, Stadt gerichts- und Ratschreiber sammt andern dergleichen Ämtern diejenigen, so eines christlichen, ehrlichen Lebens und Wesens, auch sonst geschickt, tauglich und der alten, wahren christlichen Religion am nächsten, zur Regierung und zu solchen Ämtern vor andern gezogen, erwählt und bestellt wrerden.8) Das konnte wieder zur Lage vom Jahre 1530 zurückführen, da der Kaiser durch Plakat vom 27- Juli den Druck und Verkauf aller nicht von der kaiserlichen Zensurkommission bewilligten und von Kaiser und Vizekanzler durch Unterschrift zugelassenen Schriften verboten hatte.4) Das obige kaiserliche Mandat vom 7. Juli 1549 wurde bei den ersten Wahlen zum neuen Regiment vor dem kaiserlichen Wahlkommissär Herrn von Liere, auch Liehr, besonders betont und mußte seine Wirkung bei der Wahl „und auch sonst“, wo J) 2) B) 4)
RB. 1550 T II, 4. cf. S. 20 A. 1. Langenmantel S. 102 f. Keim S. 159.
28 nicht gewählt sondern abgeordnet wurde, tun, sodaß von da ab eine freie und neutrale Zensur wieder nicht zu erwarten war, worunter Druckerei und Buchhandel schwer litten. Weigerten sich doch die Buchdrucker, Schriften wider Luther, selbst aus den berühmtesten Federn, zu übernehmen.1) Immerhin bereitete sich doch seit dem Religionsfrieden eine gewisse Parität und Unabhängigkeit vor. Nach Dekret des Geh. Rates vom 7. April 1598 soll den drei Buchhändlern durch einen Herrn Bürgermeister im Amte angezeigt werden, hinfüro von theologischen Büchern keine andern in ihren Katalogis zu drucken, auch in die Stadt einzuführen und zu verkaufen, als der alten katholischen Religion und reiner Augsburger Konfession.2) Am 26. April 1603 werden die Verordneten über die Druckerei beauftragt, die Buchdrucker vor sich zu fordern und denselben bei ernster Straf aufzuladen, ohne ihr Wissen und Bewilligen nichts zu drucken noch wieder auf zulegen, sondern dasselbe zuvor sehen zu lassen, auch den Depu tierten davon ein Exemplar zuzustellen, auch in die gedruckte Bücher ihre Namen, Stadt und Jahr allemal zu setzen und ohne dasselb nichts zu drucken.8) Endlich am 27. November 1618 ergeht ein zusammen fassender Verruf: Wiewohl ein e. Rat verschienenen Jahren den Buchdruckern und Buchführern, auch andern, so Bücher, Traktatlein, Lieder und Gemäl drucken und feil haben, bei ernstlicher Straf ver boten, kein schmachhafte, leichtfertige, ärgerliche und allein zu Verbitterung und Aufwiegelung des gemeinen Volkes reichende Bücher, Lieder, neue Zeitungen, Zedul, Gemälde und Kupfer stiche in keinerlei Sprach . . . allhie zu drucken, einzuschieben, heimlich oder öffentlich fürzulegen, zu verkaufen und feil zu haben, so hat doch der Rat nicht ohne Mißfallen ein Zeit her das Gegenteil seh^n und ahnden müßen . . . weshalb der Rat allen Buchdruckern, Buchhändlern, Briefmalern, Kupferstechern, Gemäl- und Liederverkaufern, Zeitungsdichtern, Burgern und Fremden, hiemit abermal befolchen und eingebunden haben will, hinfüro keine dergleichen ehrenrührige, ärgerliche, schmachhafte, !) Keim S. 18. 2) XV. 3) XIII.
29 leichtfertige, unzüchtige Bücher, Schriften, Traktatlein, Pasquill, Lieder, Zeitungen, Gemälde, Zeduln und Stich, von was Religion dieselbe seien, hier zu drucken . . . bei Straf, die er gedenkt gegen Jeden durch Vermeidung der Stadt und Etter zu vollführen. Darauf wird der Wortlaut obigen Verrufs vom 20. April 1541 wiederholt.1) Eine Wendung zu ungunsten freier Zensur trat wieder ein, als Kaiser Ferdinand II. im Jahre 1628 das Restitutionsedikt auszuführen begann und es ihm gefiel, dabei mit Augsburg den Anfang zu machen, weil dort in Bestellung und Administration der Ratskanzlei und anderer bürgerlicher Ämter ziemliche Un gleichheit gehalten werde. Dem widersprachen aber StadtPfleger und Geheime Räte, indem sie das Verzeichnis der bei der Regierung der Stadt Angestellten mit der Erklärung vor legten, daß man von einiger Ungleichheit der Religion wegen nichts wisse. Die vornehmsten Ämter seien vorwiegend mit Katholischen besetzt, über die Druckereien seien auch zwei Katholische verordnet, über ein jedes Handwerk, soviel deren hie seien, 3 Ratspersonen deputiert und doch allzeit zwei katholische und einer der andern Religion, damit doch den Katholischen die Stange gehalten, dieselbigen auch herfürgezogen und die eingerissene Mißbräuch abbestellt werden,2) Darauf erging kaiserliches Mandat vom 28. März 1629, daß der Wahl ordnung vom 3. August 1548 und 7- Juli 1549 stracks nach gelebt und allzeit, wo taugliche Katholische befunden werden, so man zur Besetzung des Rats, auch sonst der Stadt ämter und Stellen gebrauchen kann, der AC. Verwandten einzig und allein vorgezogen werden sollen. Am 8. August 1629 hat der K. Kommissarius sich bei sitzendem Rat anmelden lassen, eine eigene hiezu bereitete Stelle eingenommen und den Vortrag getan, wie des Kaisers Intention wäre, weil vermög Vertrags zwischen Bischof und Kardinal Otto und gemeiner Stadt Augs burg, gemäs des darauf folgenden Religionsfriedens und Vertrages die juris dictio ecclesiastica dem Bischof zustünde, auch selbiger daher das Recht hätte, alles widrige unkatholische Exercitium ab zuschaffen, welches Recht er auch gebrauchen wolle, daß ihm die J) s. S. 21 A. 3.
2) Langenmantel S. 185 f.
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juris dictio ecclesiastica eingeantwortet und hierin von den Stadt pflegern Assistenz geleistet werde. Am 10. November 1629 erging denn auch ein Dekret des Geheimen Rates, daß die Katholischen den Unkatholischen, wenn taugliche vorhanden, einzig und allein vorgezogen werden müßten, auch bezüglich der Deputierten über die Handwerksordnungen.1) Auch wurde den Verordneten über die Druckerei durch Ratsdekret vom 30. August anbefohlen, allen Buchführern, Buchdruckern und Briefmalern anzuzeigen, daß sie hinfür keine unkatholische Bücher und Gemälde verkaufen und was sie in Händen haben, noch vor der Frankfurter Messe anderswohin verschicken sollen.2) Für die Wahlen bestand der Kaiser in Mandaten vom 13. Juli 1630 und 23. Juli 1631 auf seinem Willen, jedoch mit dieser Erklärung, da zur Besetzung solcher Dienst und Ämter nicht genügsame katholische Subjekte vorhanden, daß für dießmal noch andere, so der katholischen Religion nicht zugethan, aber der Konversion halber gute Hoffnung vorhanden, dazu befürdert werden. Die Wahlergebnisse sind nur hinsichtlich der wichtigeren Ämter bekannt gegeben, nicht aber bezüglich der Verordneten zur Druckerei, wenn sie damals überhaupt gewählt und nicht abgeordnet wurden, auch nicht unter der nun folgenden Besetzung und nicht 1635, nach Abgang des schwedischen Magistrates. Aber: wie der Herr so der Knecht. Prompt machte sich die kaiserlichen Grundsätze der Bischof Heinrich von Augsburg zu eigen, der am 15. Januar 1630 an die Stadtpfleger schrieb 3), weil ihm vermöge geist- und weltlicher Rechte nunmehr nach vorgenommener Reformation angelegen sein wolle, daß keine Bücher ohne seine Zensur und Gutheißung gedruckt werden, als verlange er, daß sie allen Buchdruckern anbefehlen sollen, hinfür nichts mehr zu 3) Langenmantel a. a. O. 2) Stetten Gesch. d. St. Augsburg II, 53. 3) Stetten II, 76. Bischof Heinrich hatte 1610 in statutis synodalibus verfügt: Typographi ac Bibliopolae . . . praestabunt juramentum de non imprimendis, invehendis et compingendis .. . libris prohibitis . . . nihil picturarum cartarumve, librorum, cantionum, rythmorum, imaginum typis aut alias vulgari, effingi, venum exponi aut emi possit, quod non prius a Nobis vel Vicario nostro Generali vel aliis Censoribus nostris, quos pro Dilinga constituimus Rectorem et Professores Theologos Academiae nostrae, visum, examinatum vel approbatum fuerit. XVI.
31 drucken, es sei denn zuvor von dem bischöflichen Officio Vicariatus übersehen und zu drucken be willigt worden. Hierauf antworteten die Stadtpfleger am 7. Februar, er würde sich zu erinnern wissen, daß er sich bei der vorgewesenen kaiserlichen Kommission mit der damals von Seite der Stadt hierinfalls beschehenen Erklärung begnügen lassen, überdies verordne auch das kaiserliche Schreiben vom 28. März 1629, daß die von gemeiner Stadt Verordnete über die Druckereien in ihrem vorigen Wesen zwar verbleiben, jedoch auf die herauskommende Bücher genau Acht haben sollen. Obwohlen nun unterdessen nichts Ungleiches vorgekommen, und sie es also gar wohl dabei bewenden lassen könnten, so seien sie doch zur Bezeigung ihrer Willfährigkeit erbietig, die Verordnung zu tun, daß gedachte Deputierte über die Druckereien Alles, was die Geistlichkeit und die Religion betreffen möchte, dem bischöflichen Vicario um dessen Bewilligung und Gutheißung zuschicken, in andern und politischen Sachen aber ihr Amt und Pflicht fleißig in Acht nehmen sollen. Mangels Widerspruch des Gegenteils scheint dieser Kompromiß Recht geworden zu sein.1) Die Zensur hatte aber nicht bloß von den Regierenden zu leiden, sondern blieb auch von den ihr Untergebenen nicht un angefochten. Am 19. März 1551 beschweren sich die Buchdrucker ^ : „Es trägt sich zu, daß uns die verordneten Herrn mehrmalen Büchlen, Sprüch und Schriften, die wider die R. Kaiserliche Majestät noch andere Obrigkeiten und gleich als wenig wider die hl. Schrift noch das Interim sein, darzu auch weder geist liche noch weltliche Personen geschmäht noch angetastet, sondern allein die Leute zur Gottseligkeit und einem ehrbaren Lebens wandel ermahnt, zu drucken dermaßen abgeschlagen, also daß unser einem aus etwa vier, fünff oder mehr dergleichen Stückhen kaum eines zu drucken vergunnt wirdet, welches wir dannoch etwa viel Tag entrathen und mit unserm Volk darauf feiern müßen, wo doch solche uns abgeschlagene Exemplaria nit allein zu Nürnberg und an andern Reichsstädten sondern auch zu Ingol stadt und zu Diling gedruckt, allher geführt und öffentlich allhie *) Natürlich war das bischöfliche Mandat für die Bürger von Augsburg nur so weit maßgebend, als der Kompromiß es zuließ. 2) XIII.
32 feil gehabt und verkauft werden, dadurch nit allein unser Nahrungs stand geschmälert sondern auch der Handel aus der Stadt ge zogen wird. Wir bitten uns drucken zu lassen, auch daß wir in Besichtigung der Bücher und Schriften nicht zu lang zu unserm merklichen Schaden aufgehalten werden.a Darauf dekretierte der gereizte und geängstigte Rat, der eben erst einen Verruf wegen eines Schmähgedichtes gegen den Prediger Kaspar Huber bei St. Anna hatte erlassen müssen: „Der Puchtrucker halben läßt es ein e. Rat bei gegebener Ordnung bleiben/1) Eine, weitere Supplikation gemeiner Buchdrucker vom 12. Juni 15612) klagt: Uns ist eine gute Zeit von den besichtigenden Herren gleich wohl in den Büchern und Schriften der katholischen Religion als auch AC so viel abgeschafft und wenig zu drucken vergönnt worden, daß wir den meisten Teil Zeit mit großem Schaden feiern müßen . . . Deshalb bitten wir, uns wie andere Reichs und Fürstenstädte in vollem gemäs und gleich zu halten, da den Druckern vermög Religionsfriedens katholischer und AC Bücher zu drucken vergunnt werden . . ., nachdem wir ohne das nicht gesinnt sind, Schmach- Zank- oder andere Schriften, so einem e. Rat gemeiner Stadt noch anderen schaden oder nachteilig sein möchte, zu drucken, begeren auch nichts zu drucken, dann was von denen die E. H. dazu verordnen, besichtigt worden. Auf diese „der Buchdrucker unnotwendige Supplication“ berichten am 19. Juni gemeinsam über die Buchdruckerei Verordnete3), die Buchdrucker hätten sich bisher meistenteils auf erdichte und verfälschte neue Zeitungen und allerlei kleine un taugliche Tractatl, so wenig Frucht bringen, auch wenig Mühe gebrauchen, vielmehr denn auf rechtschaffene Sachen zu drucken verlegt, das sie ihnen zu Zeiten geweigert. Am 20. November 15504) gelangt folgendes Memorial Nicolai Bäthory, Graven zu Sabolz und Jakoben Zaigkheil, Freiherrn zu Orbmost, an Bürgermeister und Rath: Nachdem in verschienenen Tagen etliche Hungerische Biechle Euch für kommen sind, welche auf unsere Bitte und Umhaltung aus dem 1) RB. 1551, 31. Wegen K. Huber s. Roth IV, 407. 2) XIII. 3) XIV. 4) XIII.
33 Lateinischen in die Hungerische Sprache verkehrt sein worden, welche unsere mütterliche Sprache ist, so aber in unserm Vater lande keine Druckerei vorhanden, da solche gedruckt werden mögen, haben wir der Gelegenheit nach uns versehen, aus Gunst E. V. und W., die Sie gegen unser Vaterland bisher erzeigt, hie eines oder zehn für unsere Person und unsere Vätter zu drucken lassen. So ist uns aber doch angezeigt worden, daß solches Drucken abgeschlagen sei worden und dem Drucker verboten, solches in die Farben zu geben. Dieweil aber solche nicht aus der heiligen Geschrift sein, da man vielleicht ein Argwohn möchte haben, und auch sonst nicht unehrliche Sachen, allein etliche praecepta philosophica eines ehrlichen Lebens, demnach von Ursprung der christlichen Feinde, der Turgkhen, welches viel leicht vormals Euch nicht so klärlich angezeigt ist worden, ist deßhalb unser Verlangen, uns diese Bitte nicht abzuschlagen und uns etwan zehn Exemplare drucken zu lassen. Solches wir ge horsam und unverdrossen verdienen wollen mitsammt unsern Herrn Vättern. Ja, die Zensoren waren vorsichtig und streng, wie es der Rat war. Aktum 24. Juli 16321) soll Andreas Apperger, der Buchdrucker, aus der Stadt geschafft und Herr Hans Felix Ilsung wie auch Herr Hans Wolf Zech von Deibach „um des willen, daß sie als geweste Censores dergleichen in allen Rechten, Reichstags abschieden und Policeiordnungen hochverpotene Famosschriften druckhen lassen und dieselbe sogar auch, nachdem sie den Ab druck zu ihren Händen empfangen und ersehen, nit alßbaldt abgeschafft sondern öffentlich feilhaben lassen, auch darnach ihren Willen und Consens genuegsamb zu erkennen geben, Ir jeder um 50 Reichsthaler zum Almusenseckel gestraft werden“. Nach Schrift und Gegenschrift zwischen Apperger und Ilsung und trotz Supplik der beiden Verordneten ergeht Beschluß: Bleibts bei lungst ergangenem Decret.
5. Beim Druckereigeschäft. Von der ursprünglichen Beschäftigung der zur Druckerei Verordneten mit den gewerblichen Angelegenheiten der Buch drucker ist aus dieser Zeit noch wenig überliefert. Im Jahre 1618 l)
XIV. 3
34 haben sie in einer Streitsache zwischen dem Buchdrucker An dreas Apperger und seinen Gesellen, die den Einfall hatten, von ihm für jeden Druck ein Pflichtexemplar für sich zu verlangen, die Streitsteile vor sich kommen lassen und einen Vergleich er zielt, wonach die Gesellen von ihrem Anspruch abstanden.1) Am 25. April 1623 begutachten sie2) Einstellung des Gebrauches einer Presse durch die Briefmaler, jedoch nicht die von den Buch druckern beantragte Beschränkung ihrer Zahl auf 6 (numerus clausus), „dann es bisher mit der Truckerei ein freies, offenes mit keinen Artikeln eingeschlossenes Thun gewesen“. Endlich erging in Streitsachen sämtlicher Kupferstecher allhier wieder Hieremiä du Menil am 17- April 1627 zunächst Verfügung3), es sollen die gewechselten Schriften den Herren ob der Buchdrucker ordnung um Bericht fürgehalten werden, worauf diese aus Rück sichten der Pressepolizei den Gebrauch einer Presse bei du Menil und andern, welche der Buchdrucker, Kupferstecher oder Brief maler Handwerksgerechtigkeit nicht beigetan, zu unterdrücken beantragen. Dementsprechend ergeht Dekret vom 29. Mai 1627: Den Kunstführern und allen andern, so der Kupferstecher, Buch drucker oder Briefmaler Handwerksgerechtigkeit nicht beigetan sein, sollen die eigene Pressen sammt dem Drucken gänzlich abgeschafft und solches den Kunstführern zu wissen angezeigt werden. Bemerkenswert ist dabei immerhin, daß trotz aller „freien Kunst“ durchweg von der Kupferstecher, Buchdrucker und Brief maler „Handwerksgerechtigkeit“ die Rede ist, und daß die Zen soren unter dem leitenden Motive der Presse auch mit den gewerblichen Angelegenheiten der Kupferstecher und Briefmaler befaßt sind, obwohl sie in ihren Erwägungen den vorherrschen den Gesichtspunkt eigentlicher Zensur richtig hervorkehren. !) XIII.
2) XIII.
3) XX.
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Zweiter Abschnitt.
Vom westfälischen Frieden bis 1806. 1, Die Parität. Der westfälische Friede brachte dem mit dem Reiche ver armten, entvölkerten und verwilderten Augsburg keine neue Kulturperiode, wohl aber der Zensur wesentliche Neuerungen. Der Friedensvertrag zwischen dem deutschen Reiche und Schweden bestimmte*): „In specie autem quoad civitatem Augustam sint septem Senatores consilii secretioris ex familiis patriciis delecti, ex his desumpti Reipublicae praesides duo, vulgo Stadtpfleger dicti, unus sit Catholicus, alter Augustanae Confessionis, ex reliquis quinque tres catholicae religioni et duo Augustanae confessioni addicti. Senatores reliqui Senatus ut vocant mi noris, nec non Syndici, Assessores Judicii urbani aliiqueofficiales omnes sint aequali numero utriusque reli gio nis.a Diese Grundbestimmung auszuführen war Aufgabe des Friedensexekutionsrecesses v. J. 1649, wie solcher von kaiser lichen Subdelegierten dem instrum. Pacis Westphäl. zufolge in des hl. R. R. Stadt Augsburg aufgerichtet worden.*2) Nachdem noch am 16. März 1649 der Rat beschlossen hatte, was bisher zu verlegen vorgekommen, soll den Herren über die Druckerei nach Gelegenheit vorgehalten werden, ihnen aber, wie sie sich fürder bei der Zensur einer und der andern Religion halber zu verhalten, bei dem Collegium dominorum Advocatorum eine Instruktion aufgesetzt werden3), ließ man im Laufe der Verhandlungen katholischen Teils beschehenen Vor schlag beliebig sein, daß zur Zensur von jeder Religion 2 Zensoren verordnet werden, dergestalt daß jeder Teil seiner Religion geistliche Bücher, Schriften und dergleichen durchgehe, revidiere und zensiere. Was die Politik aber anbelangt, sollen alle 4 Herrn Censores oder Revisores sein, ihnen auch loco instructionis ein Dekret zugestellt werden, sich im Zensieren also zu halten, daß nichts wider Kaiserliche Majestät, wider Kurfürsten und Stände, x) Philippi, Der westphälische Friede. 2) Lünig Th. I cont. IV. S. 160. 3) II. 3*
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wider Policeiordnung und gute Sitten passieret, die Skommata, was bissig und stichlig, ausgelassen, durchstrichen und kassiert, jeden falls wenn dergleichen von den Herren Zensoren unterlassen würde, alles auf ihre Verantwortung und Gefahr sein.1) Anfänglich ist in einer Spezifikation, wie die Ratsämter bestellt werden sollen, für die Druckerei je 1 Patricius vor gesehen, während beispielsweise als Deputierte zum examen notariorum schon je 1 Patricius und 1 Advocatus (Ratskonsulent) in Erwägung genommen war. Schließlich aber ist in einem An hang zum Friedensexekutionsrecesse eine „Specification, wie die munera publica zwischen beiden Religionsverwandten veranlaßt worden“, enthalten und sind dort aufgeführt 4 über die Druckerei, jeder Teil 1 Patricium und 1 Advocatum. Es waren 6 Stadt advokaten vorgesehen, von jeder Konfession 3. Am zweiten Wahltage, dem 9. März 1649, wurden in der ersten Umfrage die Oberpfleger, Spital-, Blatterhaus- und St. Jakobspfründe-Pfleger, bei der zweiten die Stimierherren, Forstherren, Bibliothekare, Zensoren oder Deputierte zu den Druckereien und Pfleger über verschiedene kleinere Stiftungen gewählt — dieses Mal also auch die Zensoren gewählt2), die sonst vom Rate deputiert, ersetzt und abgesetzt wurden. In einem weiteren Anhang ist die Dekretform vorgeschrieben, die statt obiger vom Collegio Advocatorum zu entwerfender Instruktion für die Zensoren maßgebend sein sollte: Denen verordneten Herrn beiderlei Religion soll angezeigt werden, daß die zwei katholischen Herrn die ihnen vorkommende geistliche Sachen, Bücher, Tractaten, Schriften und Gemälde katholischer Religion allein, hingegen die zween der AC. zugethanen Herrn die geistlichen Sachen, Bücher, Tractatlein, Schriften oder Ge mälde ihrer Religion auch alleinig, die weltliche Bücher, Schriften, Tractatlein, Gemälde und dergleichen insgesammt revidieren und zensieren, doch jeder bei seinen Pflichten fleißig Aufsicht haben solle, daß in den bei ihm oder ihnen zu zensieren vorkommenden Sachen, Büchern, Tractatlein, Schriften, Gemälden oder der gleichen nichts wider die R. K. Majestät, Kurfürsten und Stände des Reichs, wider die Polizeiordnung, Religions- und Profan-
A) n.
2) Langenmantel S. 261 f.
Stetten II, 112, 121 f.
37 frieden oder den unlängst publizierten Reichsfriedensschluß, des gleichen auch nichts Schmähliches, Pasquillisch, Skommatisch oder Friedzerstörliches gedruckt und publicirt werde, sondern dann sie samt oder sonders was dergleichen in denen ihnen zu censiren fürkommenden Büchern, Tractatlein, Schriften oder Gemälden befunden würde, solches alsbald durchzustreichen, zu kassiren und keineswegs zu drucken vergönnen.
2. Tätigkeit der Gesetzgebung. Was nun für dieses neue Zensurwesen, dem anfänglich nach wie vor auch die gewerblichen Angelegenheiten der Buch drucker und diesem Gewerbe Verwandten unterstellt waren, an Verordnungen allgemeiner und wesentlicher Bedeutung ge schaffen wurde, ist in nachstehendem Verzeichnisse aufgeführt: Dekret vom 20. Mai 1649 gegen alles Schänden, Schmähen, Verspotten und Schimpfierenl), vom 4. Mai 1651, Anschlag über Übel-Reden etc.2) Verruf wider das Schmähen vom 21. August 1655 3), Verruf und Anschlag vom 8. März 1661, die ausgesprengte Pasquill und Schmähschriften betr.4), Dekret vom 29. Januar 1682, eine der Hauptnormen5), Beschriebener Anschlag vom 21. August 1683, Verbot der Pasquille 6), Verruf und Anschlag vom 9. Oklober 1685, wegen Ent haltung aller Pasquillen, Schmachschriften, schimpflicher verbotener Gemälden, Skommatum etc.7), Dekret Sen. AC. vom 4. August 1686 an die Zensoren, theologische Bücher, insonderheit scripta polemica nicht stuckweis sondern ganz und communicato consilio zu censieren und vorher den HerrnSenioribus oder andern hiesigen evangelischen Predigern zu kommunizieren und deren Gutachten sowohl in puncto orthodoxiae als formalium zu vernehmen, welche Verordnung durch Herrn Oberkirchenpfleger dem Ministerio anzuzeigen 8), Dekrete vom 20. Mai 1690 und 14. November 1690, die Kupferstecher, auch Formschneider und Briefmaler betr.9), 4) XXIII. 2) XXIII. ») XXIII. 4) Reg. z. d. ö. Anschi. 5) II «) Reg. z. d. ö. Anschi. 7) III. «) II und XXIV. 9) II und XXIV.
38 Dekret vom 20. November 1708, daß Komödien vor der Aufführung in die Zensur kommen sollen*), Buchdruckerordnung vom 9. November 1713 und Dekret vom gleichen Tage, wodurch jenes vom 29. Januar 1682 erneuert und bestärkt wird 2), v Bekanntmachung eines kaiserlichen Patentes vom 18. Juli 1715 wegen der eingerissenen Schmäh- und Schandschriften wider allseits im Reich geduldete Religionen 3), Dekret vom 24. Januar 1726, wodurch die Zensur der Kupferstiche wiederholt angeordnet wird 4), Dekret vom 15. Februar 1727, wonach die theologischen Bücher und Schriften den Zensoren des betreffenden Religionsteils, die übrigen aber denen utriusque religionis zur Zensur über wiesen werden 5), Dekret vom 29. Februar 1730, wodurch die Zensur neuer Bücher und die Einlieferung von 2 Exemplarien an die Zensoren wiederholt angeordnet wird6), Dekret vom 14. Oktober 1732: was ein einziger Zensor ausgestrichen, soll nicht mehr in der Zeitung gelassen werden 7), Anschlag vom 17. September 1735, Bekanntmachung, wo nach ein Pasquill durch den Scharfrichter öffentlich auf dem Pranger verbrannt worden ist8), Dekret vom 26. April 1736: Kupferstiche und Gemälde sollen zensiert und die anstößigen konfisziert werden9), Bekanntmachung Kaiserlichen Mandates vom 10. Dezember 1736, Verbot der Lästerschriften und Pasquille 30), Dekret vom 2. August 1740 gegen Veröffentlichungen über die Bischofswahl und die Kompetenten hiezu n), 1) gulative 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9) 10) n)
Sammlung der von 1600 resp. 1614 an etc. ergangenen Re und Dekrete. Summarische Anzeige über Anschläge und Dekrete. Summ. Anzeige etc. und II. Sammlung der etc. Regulative und Dekrete. Sammlung, der etc. Regulative und Dekrete. Sammlung der etc. Regulative und Dekrete. Sammlung der etc. Regulative und Dekrete. Summ. Anzeige über Anschläge und Dekrete. Sammlung der etc. Regulative und Dekrete. Summ. Anzeige über Anschläge und Dekrete. XXIV.
39 Dekret vom 28. Januar 1741 wegen Rücksicht auf dermalige delikate Konjunkturen in Öffentlichkeit und Zeitungen *), Bekanntmachung vom 9. März 1742 wider schädliche Zeitungen 2), Offener Anschlag vom 17. April 1742 gegen alles Schreiben, Drucken und Kupferstechen wider die Neutralität3), Offener Anschlag vom 9. Oktober 1756, erneuert 28. Juni 1757 gegen Pasquille wider hohe Häupter und beiderseitige Geistliche, auch Erdichtung von Machinationen der Religionen gegen einander4), Offener und durch Trompetenschall verkündeter Anschlag vom 23. August 1757, das Räsoniren, auch ungeziemende Äußerungen etc. betr.5) Dekret vom 26. September 1767, Erinnerung an die Kunst verleger, Buchhändler, Kupferstecher und Buchdrucker6), Dekret vom 20. Oktober 1774, wodurch erstlich Buch händlern und Buchdruckern verboten wird, Bücher und Schriften, deren Inhalt wider gute Sitten und Religion, zu führen und zu drucken, zweitens Bürger, Hausväter und Gutgesinnte wegen schlechter Lektüre der Jugend gemahnt werden 7), Dekret vom 27. August 1785. Hienach haben erstlich alle Buchdrucker bei 10 Tlr. Strafe im ersten und bei Gefängnis und Konfiskation im öftern Fall gar keine Schrift, klein oder groß, geistlichen oder weltlichen Inhaltes, schon einmal aufgelegt oder nicht, hinfüro mehr zu drucken vor obrigkeitlicher Zensur. Zum andern wird den Buchhändlern aufgetragen, alle ihre Veflagsbücher, welche sie hier oder auswärts verlegen oder drucken lassen, der hiesigen reichsstädtischen Zensur zu unterstellen, ihre schon gedruckte von auswärtigen Buchhandlungen erkaufte oder zum Verschleiß in Kommission ihnen zukommende Bücher und Broschüren hingegen, wenn solche mit einer reichsständischen Approbation nicht gewahret oder wenn der Name des Verfassers oder doch einer bekannten deutschen Buchhandlung nicht bei* gesetzt wäre, ehe sie hievon ein Exemplar verkaufen oder in Verschleiß übernehmen und zum Verkauf bekannt machen oder *) 3) 4) 6)
XXIV. 2) XXIV. Summ. Anzeige über Anschläge und Decrete. XXIII. 5) Summ. Anzeige über Anschläge und Decrete. IV. 7) III und summ. Anzeige.
40 anbieten, oder schon gebundene Broschüren, Geschichten, Ro manzen, Gedichte, Komödien und dergl. zum Lesen ausleihen, bei ansteigender Geldstrafe unnachsichtlich den Zensoren vor zulegen und von denselben Erlaubnis und weiteren Bescheid einzuholen und zu gewärtigen. Drittens werden wieder Bürger, Hausväter und Gutgesinnte ermahnt.1)2 Dekret vom 10. Dezember 1789, Avertissements über fremde Arzneien sollen nicht passiert werden8), Dekret vom 21. November 1791, Veränderungen und Er weiterungen in Kalendern sollen nicht passiert werden 3), Öffentlicher Anschlag vom 17. März 1792, bei gegenwärtigen bedenklichen Zeiten Achtung vor Potentaten und Obrigkeit zu bewahren4), Dekret vom 20. April 1793, daß Zeitungen ohne Zensur nicht ausgegeben werden dürfen5), Offener Anschlag vom 18. November 1794, Warnung für hiesige Bürgerschaft vor beleidigenden, ruhestörenden Schriften etc.6), Dekret vom 9. April 1799 Warnung an Buchhändler, Kunst Verleger, Bilder- und Liederhändler etc.7) Das ist, neben den oftmaligen Vorladungen und Ermah nungen von Buchhändlern, Buchdruckern und Kupferstechern gewiß für einen im Stadtregiment doch als recht nebensächlich erscheinenden Gegenstand wie die Zensur eine sehr rege Tätig keit, die darauf schließen läßt, daß auch jene der Zensoren selbst keine geringe war.
3. Gemischter Wirkungskreis der Zensoren. Mehr als die reine Zensur bringen die Akten aus der nun mehr angebrochenen Zeit, die nicht mehr so dürftig sind und teilweise offenbar aus dem Besitze von Zensoren selbst, ins*) 2) 3) 4) 5) 6) 7)
III und summ. Anzeige. Sammlung der etc. Regulative und Decrete. Sammlung der etc. Regulative und Decrete. Summ. Anzeige etc. Sammlung der etc. Regulative und Decrete. Summ. Anzeige. Summ. Anzeige.
41 besondere der Herrn von Stetten, herrühren, diejenige Tätigkeit der Zensoren zur Veranschaulichung, die ihre ursprüngliche schon vor Einführung der Zensur war, und von der sie bis jetzt die zur Druckerei Verordneten heißen, die Beschäftigung mit Gewerb und Erwerb der Buchdrucker. Die Fälle von Zensur sind zu nächst vereinzelnt. So berichten 1656 die Zensoren, der Wundarzt Josef Schmid habe in einem von ihm herausgegebenen speculum chirurgiae durch Beispiele falscher Behandlung verschiedene Kollegen bloßgestellt, worauf seine Schrift konfisziert wurde. Darauf habe er statt der beanstandeten Bogen andere mit unverfäng lichem Text vorgelegt, was auf ihr Gutachten genehmigt wird.1) Am 1. März 1670 ergeht an die Zensoren Auftrag des Rates, die Kupferstecher und Formschneider insgesammt vorzurufen und auf Beobachtung des Anhangdekretes an den Friedensexekutionsrezeß anzuhalten.2) Dagegen die Druckerei als solche bot reichlich Arbeit. Im Jahre 1651 klagt der Buchdrucker Andreas Apperger aufgrund kaiserlichen Privi legs zu öffentlicher Druck- und Feilhabung der sogenannten Bauern- oder lang gemalten Kalender (davon noch sehr schöne Exemplare in hiesigem Stadtarchiv zu sehen), gegen Johann Schuhes und Genossen wegen der anmaßenden gleichen Druckund Feilhabung3), wogegen „die von Buchdruckern4) und Brief malern“ ein wenden, daß er das Privileg erschlichen habe. In dieser die Zensur nun gar nicht berührenden Streitsache ergeht ein „gehorsames, zwar etwas discrepirendes, doch ohnmaßgebliches Gutachten der Deputierten über die Censur allhie von beeden Religiones 5): Soviel anfangs mich G. R. betrifft, so bin ich für Schutz des Apperger im Besitze, hiegegen ich Chr. v. St. dafür, daß zwar dem A. sein Privileg mit und unter dem Reichs adler verbleibe, jedoch auch dem Sch. willfahrt und dabei, daß 4) XIII. 2) XIII. 3) II. 4) Zu diesem „von Buchdruckern“ macht Buff, eine Geschichte aus dem Augsburger Buchdruckerleben, ein Fragezeichen. Mit Unrecht. „Die von Webern“, „die von Buchdruckern“ ist ein durchweg akten mäßiger, durchaus nicht seltener Ausdruck und Sprachgebrauch, dem auch wir in der Folge begegnen werden.
5) II.
42 er die Kalender, jedoch ohne Fürdruckung des Reichsadlers, weiters libere drucke und feilhabe, belassen werden möge“.1) Der Senat entschied in letzterem Sinne.
Als Verordnete über die Druckerei hatten aber die Zensoren viele gar unliebsame Arbeit zu tun: Beleidigungen der Buchdruckergesellen untereinander, die von den Deputierten im Wege Vergleiches gegenseitig aufgehoben worden, Streitigkeiten der Meister gegen Stimpler, Fretter und Hudler2), Schuldforderungen, zu deren Tilgung der Geselle sich verpflichtet, sich allwöchent lich 20 kr abziehen zu lassen, Anstände wegen Aufnahme und Entlassung von Gesellen und Lehrlingen, Streitigkeiten über privilegia de imprimendo und de non imprimendo, Verhand lungen über einen Hauskauf durch einen Buchdrucker, Gesuche um Bewilligung einer Druckerei — alle diese Verhandlungen, wobei noch gewissenhaft konstatiert wird: Praesentes omnes Deputati, weisen auf ein weites Arbeitsfeld hin. Ein nicht immer sorgenfreies. Ist doch einmal sogar eine secessio plebis in montem vorgekommen: Am 18. Januar 1719 erging ein Ratsdekret3):* * * * 8 Auf der Gesellschaft der Buchdrucker wider Christian Ulrich Dolmetsch und Christian Wagner, beide Buchdruckergesellen, übergebene Bitte und Vorstellung um obrigkeitliche Manutenierung ihrer Buchdruckerordnung und althergebrachten Kunst gebräuche vom 3. Januar und dazu Gegenschrift und Bericht der Deputierten zur Bücherzensur läßt man es bei ihren in Sachen den 1. und 27. Dezember 1718 ergangenen zwei Sig naturen, und sollen die Buchdruckergesellen zur Resarcierung *) Von den 2 Stadtadvocaten, die seit 1649 doch auch zu den Censores beider Religionen gehören, ist in diesem Gutachten gar nicht die Rede — etwa weil beide Patricii sich allein noch immer als die zur Druckerei Verordneten und die beiden Advokaten als nur zur Zensur beigegeben erachten ? Obschon sie sich hier die Deputirten über die Zensur und nicht Verordnete zur Druckerei nennen, als welche sie aber hier sich betätigen. 2) So hießen die, welche die Buchdruckerei nicht regelmäßig oder gar nicht gelernt oder ihre Werkstatt in kleinen Flecken, wie Fürth, aufgerichtet hatten, wie ein Abraham von Wörth, der noch dazu den Juden seine Druckerei zur Verfügung stellte und damit einen ziemlichen Streit zwischen den Buchdruckern von Nürnberg und den liberaleren Augsburgern verursachte. II. 8) XIII.
43 der dem Dolmetsch und Wagner zugefügten Schäden und Ver säumnis durch unbefugte Verstoßung von der Arbeit durch den Herrn Amtsbürgermeister exekutive angehalten werden. Ein Boykott von dazumal in aller Form! Die Deputierten hatten berichtet, es liege eine Provokation vor gegen ihre Signaturen, welche lauteten: Auf des Dolmetsch (Wagner) Verlangen wird sämtlichen von Buchdruckern hiemit anbefohlen, ihn bis auf weitere obrigkeitliche Verordnung (noch bis zukünftige LätareMeß) arbeiten (auf Hofrecht arbeiten) zu lassen und inzwischen ihm nicht das geringste in den Weg zu legen. Darauf waren die Gesellen in Stärke von 30 Mann nach Friedberg ausgestanden, und die bedrängten Meister hatten sie dort holen und durch Bezahlung ihrer Zeche auslösen müssenUrsache war ein Bericht aus Wien über angeblich satzungs widriges Vorleben der beiden Genannten gewesen, worauf die Gesellen sich geweigert hatten, neben jenen zu arbeiten. Für die Bewilligung neuer Druckereien war natür lich der Nahrungsstand und für diesen die Zahl der Buchdrucker maßgebend — doch nicht immer, wie das Folgende zeigt. Nach verschiedenen Berichten der Verordneten zur Druckerei gab es in Augsburg 1592 7, 1623 6, 1696 8, 1698 9, 1707 8 Buch drucker, wogegen 1708 in Prag 7» in München 3, in Frankfurt 9, in Ulm 3, in Nürnberg 7> in Salzburg 2 Buchdrucker.1) Schon 1623 antworten die Verordneten auf ein Gesuch der Buchdrucker um Beschränkung ihrer Zahl, wegen der Zahl seien die Suppli kanten nicht recht daran, dann es bisher mit der Druckerei ein freies offenes mit keinen Artikeln eingeschlossenes Tun gewesen.2) Am 12. Oktober 1709 erging nun Ratsdekret dahin, daß auf der Deputierten zur Bücherzensur Bericht der unter sämtlichen Buchdruckern getroffene Vergleich genehmigt werde, wonach zwar dem jungen Schöntag binnen Jahr und Tag, des Kaspar Brechenmacher ältestem Sohn aber nach Verfließung von 6 Jahren von seinem Gesellenstand an gerechnet jedem eine neue Druckerei aufzurichten vergönnt sei, dann aber die Zahl von 10 Buchdruckern eine geschlossene bleiben müsse.3) Das war 1709. Am 26. März 1718 erfolgte Rats dekret: Auf Anton Maximilian Heiß, Buchdruckergesellen, 1) XIII.
2) XIII.
3) II.
44 Bitte um eine neue Buchdruckerei aufrichten zu dürfen und deren von Buchdruckern hierüber beschehenes Einwenden, auch der Herrn Deputierten ob der Buchdruckerordnung hierüber erstattete differente Berichte wird in Ansehen der für ihn Heißen ein gelangten Interzessionen Seiner Hochfürstlichen Gnaden des Herrn Bischofs zu Constantz wie auch Hochfürstlicher Durchlaucht des Herrn Bischofs allhier mit dem erbetenen Konsens aus Gnaden und ohne Konsequenz willfahrt und soll eine solche Konzession Seiner Hochfürstlichen Gnaden und Hochfürstlichen Durchlaucht mit Allegierung der wider ihn Heißen streitenden Motiven in Antwort untertänigst überschrieben werden. Die Zensoren Stetten, Langenmaritel und Dr. Koch waren aus sehr vielen Gründen, ins besondere wegen der Übereinkunft und des Dekretes von 1709 in zwei Berichten dagegen gewesen. Aber Dr. Schad erstattete ein Separatgutachten: „Ich warwegen der Rekommandation der Meinung, man solle es dem Rathe anheimstellen, ob derselbe nicht dieß zu beachten belieben möge, da im Gegenfalle und wenn man dieses hohe Vorwort prävalieren ließe, zumalen das Hochfürstliche Schreiben höflichst beantworten und demselben miteinfließen lassen würde, daß einzig und allein zu Ihro Hoch fürstlichen Gnaden untertänigsten Ehren dem Heiß in seinem Petito deferiert worden sei, nicht zweifle, daß es allhiesiger Stadt, als welche des Herrn Coadjutoris sonderheitlich qua Bischöfen zu Constantz und ausschreibenden Fürsten hohe Assistenz in vielen Sachen und vielleicht nächstens in denen bewußten land gerichtlichen Proceßen bei schon resolvierter Exekution profitiren können wird, wohl zu Nutzen kommen solle.“1) Dagegen am 3. Oktober 1719 wurde ein weiteres Gesuch um eine Druckerei trotz hoher Fürsprach abgewiesen und „soll auf Bericht der Censoren das gnädigste Fürschreiben Durchlaucht Ludwig Adolf Herzogs zu Braunschweig untertänigst beantwortet werden“.2) Die Buchdruckereiordnung endlich, um deren Manutenenz die Buchdrucker laut obiger Vorstellung vom 3. Ja nuar 1718 bitten, war am 9. November 1713 erlassen. Die am 27. August 1541 verkündete war verschollen, jedenfalls enthielt sie nichts Näheres über die Zensur und bedurfte eines Ersatzes. So oft auch die Buchdrucker vor den Rat oder vor die Depu!) XIII.
2) XIII.
45 tierten gerufen und ihnen die bestehenden Vorschriften vorgelesen wurden, waren dies außer den Reichsgesetzen die städtischen Verordnungen vom 29. Januar 1682 und 20. Mai 1690, während von einer Ordnung von 1541 nie die Rede ist Lange währte die Vorarbeit an der neuen Ordnung. Schon am 8. Oktober 1606 schicken Bürgermeister und Rat der Stadt Frankfurt hiesigem Rat auf sein Begehren ein Exemplar dortiger Buchdrucker ordnung.1) 1702 findet sich in den Handakten eines Zensors der Vermerk: am 27. März wurde proponiert, wie man mit Ein richtung einer Buchdruckerordnung progredieren möchte.2) Da selbst auch ein Projekt der Ordnung über die Buchdruckerei „Eingang ex jure Publico und hiesigem Exekutionsreceß her zunehmen“ 3), ferner ein Entwurf, „wie es in Buchdruckereien bei Sessionen und Anderem zu halten“ unter anderm mit der Bestimmung: „zum dreizehnten und letzten soll kein Herr noch Gesell keinem Stimpler, Hudler und der sonst die Druckerei nicht rechtmäßiger Weise oder wohl ganz und gar nicht er lernt . . . auf keine Weise . . . dieweil solche mit ihrem Hudeln nur andere Druckereien ruinieren und verderben, auch ohne Censur fortarbeiten, hilf liehe Hand leisten, bei Straf, ebenfalls als Stimpler und Hudler erkannt zu werden.“4) Ebendort enthält ein weiterer Entwurf den Artikel: „Sollen 4 Zunfft- (?) Vorgeher observ. relig. paritate vorgeschlagen und von den Deputierten zur Cen sur daraus erwählt und magistratui ad confirmandum vorgestellt und daselbst in Pflicht genommen werden . . . Die Vorgeher sollen die unter ihnen entstehenden Händel schlichten, da ihnen aber solches zu schwer fallen würde, sollen sie solche Deputatis ad censuram anzeigen und deren Bescheid erwarten. Diese Vor gänger sollen keinen Brief im Namen der Kunst entweder schreiben oder eröffnen ohne Vorwissen der Herrn Deputierten .. .“ Endlich liegt bei den Akten unter dem Umschlagtitel „Kurzer Begriff über die Buchdruckerordnung, wie selbige in rechter Form und Obser vanz sollte gehalten werden “, eine „ Buchdruckerordnung, auf welche Ihre Gestrengen und Herrlichkeit Herr Stadtpfleger Bernhard Rehlingen hochseligen Gedächtnisses von 1614 an bis auf töd liches Ableiben den Buchdruckern und Briefmalern allhie fest und unverbrüchlich zu halten bei höchster Ungnad und Straf !) XIII.
2) II.
8) II.
4) II.
46 der Eisen geboten und gedroht hat“ — mit der hierin ein geflochtenen Polemik gegen die zu vielen Buchdrucker, gegen die Briefmaler, gegen Johann Schultes, der seines erlernten Hand werks ein Briefmaler und gar kein Buchdrucker ist, gegen Mark Antoni Hannass und seine Nachdrucke eine offenbare Privatund Tendenzschrift. Bemerkenswert ist das Zeugnis in § 8 was anlangt die geistlichen Bücher-und Tractatlein, ist solches von einem löblichen Magistrat dahin akkomodiert und verglichen worden, daß alle Buchdrucker solche Sorten dem Herrn Generalvicario sollen in die Zensur geben, doch ein solches muß den weltlichen Zensurherrn zu wissen notifiziert und angezeigt werden. Übrigens endet diese Buchdruckerordnung mit der läppischen Geschichte von einem St. Michaelsbrief. Durch Dekret vom 9. November 1713 werden nun auf der Deputierten zur Bücherzensur Bericht und Übergabe einer zweifellos von dem Zensor Johann von Stetten, dem auch die obige Entwürfe ent haltenden Handakten angehörten, verfaßten und in 13 Artikel eingeteilten Buchdruckerordnung solche Ordnung und Artikel obrigkeitlich confirmirt und bestätigt. Gleichzeitig wird auf der Deputierten Anzeige und Erinnerung das am 29. Januar 1682 emanierte Geheime Ratsdekret dahin wiederholt, daß sämtliche Buchdrucker, Kupferstecher, Formschneider und Briefmaler vor zufordern und auf das Dekret zum Exekutionsrezeß und die Verordnung vom 29. Januar 1682 aufmerksam zu machen sind.1) Das für unsern Gegenstand Wesentliche der neuen Ordnung ist nun folgendes: Auf Ersuchen der Buchdrucker, ihnen eine gewisse Ordnung zu erteilen, wie es auch anderer vornehmen Orten geschehen, hat die Obrigkeit gegenwärtige Ordnung verfassen lassen . . . 2^ keine Bücher zu drucken, dieselben seien denn zuvor durch die Obrigkeit jedes Orts oder ihre dazu Verordneten besichtigt, approbirt und zugelassen worden, auch den Autoren oder Dichter, auch seinen des Druckers Namen, desgleichen die Stadt oder das Ort hinzu zu nennen — mit Verweisung auf das dem Friedensexecutionsreceß einverleibte Decret und die Ver ordnung von 1682, daß sie nichts dergleichen, es sei dann von allen gemeldten Herrn Censoribus censirt oder ihnen, was schon *) Summ. Anzeige.
47 anderwärts censirt oder gedruckt worden wäre, gleichwohl an gemeldet und unter ihrer eigenen Handschrift ihnen zum drucken und zu publicieren erlaubt worden, in Druck bringen, auch als dann, wenn selbiges verfertigt, jedem gedachten Herrn Censori ein Exemplar, damit man eigentlich wissen möge, daß nichts wider die Censur darin enthalten sei, davon zustellen sollen. 3) damit dieser Ordnung . . . getreu und eifrig nachgelebt werde, also sollen von den Buchdruckern 2 zu Vorgehern und von den Gesellen 2 zu Assessoren mit Observation der Parität erwählt und pro confirmatione denen 4 Herrn Censoribus vor geschlagen werden, welche vorderist dieser Ordnung selbst fleißig nachkommen und, damit es auch von andern geschehe, emsige Sorgfalt tragen, also nichts dawider einschleichen lassen sollen . . . 11) werden sowohl die Buchdrucker als Gesellen ermahnt, bei entstehendem Streit in einer Druckerei, es sei gleich dieser zwischen dem Buchdrucker und Gesellen oder unter diesen allein, inner den gewöhnlichen 14 Tagen selbst zu vergleichen oder in Entstehung dessen solche Sache hernach bei denen Vorgehern im Beisein der 2 Ladengesellen oder Assessoren anzubringen und nach Gestalt der Sache die Entscheidung zu erwarten. Im Fall auch ein so andere Partei mit sothanen Ausspruch nicht zufrieden sein sollte, so verbleibt derselben unverwehrt, alles an die ganze Gesellschaft zu bringen, jedoch daß beide Vorgeher darum, auch um Tag- und Stunde-Benennung belanget und 1 fl 30 kr wegen des zu entrichten stehenden Forder- oder Auflagethalers bezahlt werden. Dafern aber Jemand . . . durch solchen der gesamten Gesellschaft oder des mehrern Teils Ausspruch beschwert zu sein erachtete, derselbe soll in alleweg, wie es ohnedem Rechtens, frei und bevorstehen, seine vermeintliche Befugnis und Klage bei einer löblichen Obrigkeit und dero Herrn Deputirten zur Censur der Notdurft nach auszuführen, jedoch mit Succumbenzstrafe nach befindenden Dingen anzu sehen, . . . 13) Kein Buchdrucker darf jenes, so ein Anderer allbereit in die Censur gegeben und hiedurch ein Vorrecht, solches nemlich allein zu drucken, erworben hat, gleichfalls, doch unbe fugter, auf legen und drucken oder in anderwege einer dem andern seinen Verlag, ob er schon darüber nicht privilegirt ist, nachdruoken. —
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Durch diese Ordnung sind die Zensoren keineswegs ent lastet, sondern noch zur höchsten Instanz über die zweitinstanzielle Entscheidung der gesamten Gesellschaft erhoben.1) Der in ihr vorgesehenen Schaffung von Vorgehern wurde übrigens vor gegriffen, indem schon 1711. die Deputierten beantragten, es mögen auf sämtlicher Buchdrucker wiederholten Vorschlag die Buchdrucker Maschenbauer und Huber als Vorgeher der Buch drucker bestätigt werden.3) Alsbald aber trat ein für die Zensur viel wichtigeres Er eignis ein. In einer vom Rat mit einer kaiserlichen Kommission aufgerichteten neuen Regimentsordnung vom 28. April 1719 ist verfügt, daß ein besonderes Handwerksgericht errichtet werden soll und (Art. 85) die Handwerks-Deputationen aufgehoben werden. Mit Ämterrezeß vom 2. Juni 1719 wird dies bestätigt und mit den zum Vollzüge erlassenen Dekreten vom 27. No vember 1721 wird das neue Kunst-Gewerbe- und Hand werks-Gericht mit Handwerksherrn, Actuarii und einem Türhüter besetzt und ihm für die Sitzungen von Montag und Mittwoch die innere Baustube im Rathaus angewiesen.3) x) Gerade dieser Instanzenzug ist nicht eingehalten, sondern die Gesellschaft der Buchdrucker über die Verordneten zu stellen versucht in folgendem Rundschreiben der Maschenbauerischen Gesellen an die übrigen Buchdrucker vom 20. Juli 1715: Wohledle, ehrenhafte, vor achtbare und kunsterfahrne Herrn wie auch allerseits respektive Ge sellen ! Weil es allen Kunsterfahrenen bekannt ist, daß wir Endesunterschriebene mit Herrn Andreas Maschenbauer vor etwa 14 Tag in Streit gerathen, wir auch etliche Mal bei den Herrn Deputirten gewesen und um eine Zusammenkunft angehalten, die Herrn Deputirten auch verwichenen Sonntag in Herrn Maschenbauers Haus erschienen, um die Sache beizulegen, auch einen Schluß gemacht, mit welchem wir aber nicht zufrieden gewesen, und deßwegen bei ihnen 3 mal angehalten um eine Zusammenkunft der ganzen Gesellschaft, welches sie uns aber nicht erlaubt, worauf wir dann gesagt, wir könnten länger nicht warten, wir aber dennoch gewart bis auf Donnerstag, da er uns dann in Arrest nehmen lassen wollte, wollten also eine löbliche Gesellschaft gebeten haben, uns doch die Gefälligkeit zu erweisen und morgen um 1 Uhr beim Fischerwirth bei einer Session zu erscheinen. Davor wir in allen Fällen wiederum zu dienen bereit sind. Die wir verbleiben aller kunst erfahrenen Herrn und Gesellen dienstwillige Diener. II. *) XIII.
3) II.
49 Auch darauf war der Zug der Zeit schon gegangen. Schon am 4. September 1708 hatten die Deputierten betreff Georg Christoph Stoyen, Bürgers und metallisierten Papierfabrikantens dahier nachgesuchtes Privileg berichtet1): „Einige Jahre zuvor ist die zwischen des Stoy Ehevorfahren und dem Bürger und Patronisten Mieser wegen solchen Drückens operose und weit läufig obgeschwebte Streitigkeit uns zu untersuchen und darüber umständlich zu berichten per decretum committirt worden; nachdem er aber, weil in dieser Sache ein Sentiment zu geben uns als zur Büchercensur Deputirten nicht concernire, um Verordnung einer die Krämerei, Commercien und Gewerbe betreffenden Rathsdeputation anhält, können wir, daß ihm in seinem Begehren obrigkeitlich willfahrt werde, unserseits gar wohl geschehen lassen“. Und nun sehen wir, daß 1723 über den Verkauf einer Druckerei gegen den Vergleich von 1709 bereits die „Ver ordnten AC an das Gewerbe- und Handwerksgericht“ gehört werden2), somit die Zensoren von einer sehr lästigen Neben aufgabe befreit waren. Hatten sie doch sogar mit den Buch bindern zu tun gehabt! Am 27. April 1699 erging Dekret: Des Kaspar Brechenmacher halber bleibt es bei der Deputierten ob der Buchdruckerordnung Bericht und Gutachten, daß die Buch drucker die Bücher selbst binden lassen können, soferne dies nur hier geschieht.3)
4. Die reine Zensur« Die Zensoren untereinander und gegenüber Dritten« Erst von jetzt ab also, von der Einführung des Kunst-, Gewerbe- und Handwerksgerichtes an, besteht eine von allem Nebenwerk befreite Zensur, wie dies der Fortschritt der Zeit und die dadurch geschaffene Arbeitslast allerdings erforderten. Zwei Erscheinungen dieser fortgeschrittenen Zeit haben auf die Neugestaltung der Zensur besonders eingewirkt: Das Auftreten der Zeitungen und der zweite Sturm, der seit der Reformation über die Geister erschütternd hinbrauste, das Zeitalter der Auf klärung, als, um mit Goethe zu reden, „Voltaire die alten Bande der Menschheit gelöst hatte“ und die Geister sich ungebunden fühlten und geberdeten. *) II.
2) XIII.
8) XIII. 4
50 Wir wissen bereits, daß die vier Zensoren nur wenn es sich um weltliche Bücher handelte, gemeinsam zu beraten und zu beschließen hatten, die Zensur katholischer geistlicher Bücher den katholischen geistlichen Obern überlassen war, jene evan gelischer geistlicher Bücher den zwei Zensoren dieser Konfession unter Zuziehung des geistlichen Ministeriums zustand, daß die Zensur nicht stückweise, sondern nur auf Vorlage der ganzen Schrift erfolgen durfte, daß zur Zensur zwei Exemplare vor zulegen und nach erfolgter Zensur jedem Zensor- ein Pflicht exemplar, wie der Bücher, so auch der Gemälde, Kupferstiche und sonstigen Vervielfältigungen zu liefern war. Ziemlich spät, im Jahre 1797, verlangte ein Zensor und setzte durch, daß die Zensurexemplare nicht auf schlechtes Druckpapier, sodaß man keine Anmerkungen mit Tinte und Feder beisetzen könne, ab gedruckt sein durften.1) Als 1702 ein Drucker Remshart sich weigerte, das Buch de arte symbolorum zu liefern und dafür ein anderes Buch aribot, resolvierten die Zensoren, man habe diese Weigerung an löblichen Magistrat zu bringen mit Bericht, damit er dazu per decretum angehalten werden möge.2) Am 8. Dezember 1669 schreibt Octavnanus von Rehlingen an Herrn Christoph von Stetten und Gabriel von Rehlingen als zum Druck verordnete Herren, da er die Exemplaria jedes Druckes zu fordern habe, welches er billig unter die commoda als ein Extraordinarium zu setzen und nicht zu vergessen habe, so wolle ihm dieses wenige commodum nicht entzogen, sondern jeweils von was Neues in Druck kommt, von den Buch druckern, Illuminaten, Kupferstechern, Briefmalern ohne Ab gang ordentlich gleichfalls eingehändigt und geliefert werden. Hierin geschehe auch den Friedenspakte dießfalls ein Genüge.3) Übrigens sind die Zensoren stets eingedenk, daß sie nur Depu tierte sind, als welche sie auch nicht mehr, wie 1649, gewählt, sondern vom Geheimen Rate per signatum bestellt werden und außer dem übertragenen Rechte zur Zensur kein Recht haben. Sie berichten, begutachten und beantragen, verfügen aber nicht außer in Geschäftsleitung und soweit sie entweder die Verhängung von Verweisen und Ordnungsstrafen zur Aufrechthaltung ihrer Autorität, oder Sperre und Konfiskation vorbehaltlich der Be!) VIII.
2) II#
3) II#
51
stätigung durch den Rat als für den Zweck erforderlich erachten. Zum Vollzüge ihrer Anordnungen haben ihnen die Amtsbürger meister auf beschehene Anzeige in continenti die erforderliche Assistenz zu leisten.1) Zur eidlichen Vernehmung von Zeugen bedürfen sie der ausdrücklichen Ermächtigung des Magistrates.2) Gegen ihre Verfügungen ist das Rechtsmittel der Provokation an den Magistrat gegeben, das binnen zehn Tagen eingelegt sein muß.3) Eine eigene Kanzlei haben sie nicht, nicht einmal einen Protokollisten, weshalb sich auch die Amtshandlungen hie und da ziemlich formlos vollziehen. Über die Lästerschrift Germania hatte ein Herr im Weißen Lamm geäußert, er kenne den Ver fasser. Sofort vorgeführt gab er an, er reise nach München weiter und glaube in der Schrift einen Heidelberger Professor wieder zu erkennen, worauf er wieder entlassen wurde.4) Aus München ließ Kurfürst Karl Theodor schreiben wegen eines Artikels in der Moy’schen Ordinari Postzeitung, der falsch und anstößig sei. Er verlange Ausspüren des Verfassers, und wenn der Verleger mit in dergleichen Fällen gewöhnlichen Kunstgriffen und Verkleisterungen seiner Konsorten und Zeitungsschreiber den Endzweck zu vereiteln suchen sollte, werde er es dabei nicht bewenden lassen, sondern andere mehr eingreifende Maßregeln widerwillig ergreifen. Die zur Zensur Deputierten berichten darauf, Moys Zeitungsverfasser, Brandmüller, habe sich mit einer schriftlichen species facti verantwortet, die er dann auch im Gast hofe zu den Drei Mohren gegenüber dem kurfürstlichen Abgeord neten ad hoc, Geheimen von Lippert, in Gegenwart eines Zensors wiederholt und womit er den Geheimen besänftigt habe.5) Aber allzugroße Formlosigkeit den Zensoren gegenüber wurde dennoch weder von diesen noch vom Rate geduldet. Eine Beschwerde des Buchhändlers Bartholomäi gegen einen *) XXII. 2) II. 3) XIII, XV. 4) IX. 5) VIII. Der Zeitungsverfasser Brandmüller — die Bezeichnung Redakteur tritt noch nicht auf, sondern durchgängig Verfasser oder Herausgeber — beruft sich bei Verhören 1796 und 1801 wiederholt darauf, daß er seit 15 und 21 Jahren die Ordinari Postzeitung verfasse, und tritt noch 1806 auf. Nach Heyck, die allgemeine Zeitung 1798 bis 1898, war er im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts Mitarbeiter der allgemeinen Zeitung und scheint fremde Zeitungen für sie bearbeitet zu haben, doch fehle Material über ihn. 4*
52 Zensor wurde zurückgewiesen und dem Supplikanten mit Zurück gabe des Exhibits seine respektwidrige Schreibart verwiesen.1) Auf eine an den Guardian der hiesigen Kapuziner ge richtete und von diesem an den Amtsbürgermeister weiter ver mittelte Klage über einen ärgerlichen Kupferstich wurde Buch händler Daniel Herz jr. durch den Stubenheizer „bedieten“, alle Abdrücke von dem Exemplar nebst Platten herauszugeben und sich beim Amte zu stellen. Für ihn erschien Notarius Guldenast mit der Ausrichtung, daß Herz selbst verhindert sei. Er habe dem Stubenheizer aufgegeben, sich vorher zu erkundigen, ob und was Anstößiges an dem Kupferstich sei. Resolutum: Dem Guldenast wird zuerst verwiesen, daß er ordine inverso anstatt die Platte zu exhibiren eine so impertinente Anfrage zur Aus richtung übernommen, nemlich die Beweggründe des Amtes zu eröffnen.2) Eine Ordnung des Verfahrens, mit Ausschluß des Stubenheizers, besteht überhaupt nicht. Zwar erklären im April 1742 die Zensoren, daß sie im Begriffe sind, ein Projekt eines förmlichen Reglements zu verfassen und demnächst zur Appro bation zu übergeben, worauf der Rat antwortet, das Reglement werde erwartet3); allein die Erwartung wurde nicht erfüllt und es mußte ohne Reglement weitergearbeitet werden, freilich etwas regellos. Hie und da — wir wollen annehmen aus höheren Erwägungen der Politik — griff man von oben etwas ein, duldete auch fremde Einmischung. So signierten Stadtpfleger und Geheime Räthe AC am 11. August 1710 an die Herren Deputierten zur Bücherzensur AC, sie möchten das von Magister Wagner, ev. Diakon zu den Bar füßern allhier wider Herrn Pater Mändel verfertigte Scriptum aus fürwaltenden erheblichen Ursachen nicht zum Druck kommen lassen, sondern ihm Wagner wieder zurückgeben.4) So verfügt auf Vorlage einer ärgerlichen Scarteque der Amtsbürgermeister ohne Gehör der Zensoren: Der Unsinn wird nicht weiter verbreitet, sondern einige Zeit verwahrt, um dann zu verschwinden.5) Ebenso wird am 6. Dezember 1732 durch decretum Sen. secr. ev. nicht den Zensoren sondern den evangelischen Herrn Rechtskonsulenten des N. Beckhens, Kupferstechers allhier, übergebene Historie von den Salzburgischen Emigranten — überhaupt ein widriger Zank')
V.
2) IV.
3) 17.
4) II.
6) V.
53 apfel — zu dem Ende oberherrlich zugestellt, daß sie solche durchgehen und mit Gutachten dann berichten sollen, ob nicht sowohl diese als auch alle andern dergleichen Historien, die die evangelische Religion allein betreffen, ohne die katholische Zen sur hinkünftig zu drucken sein möchten. Es gab dann aber auch ein Zensor AC, eine gewichtige Persönlichkeit, ein Gutachten hierüber ab, in welchem eine ziemlich hohe Temperatur vorherrscht. Von den Ratskonsulenten war der eine dagegen, weil die Schrift als bloße theologische Parteisache nicht angesehen werden könne, versicherte aber, wie gerade dieser Votant in kennzeichnender Weise es immer tut, daß, sollte sein Herr Kollege AC an des Scripti Approbation kein Bedenken finden und die Erlaubnis zum Drucke zu geben anraten wollen, er gleichwohl wider seine in negativam gehende Meinung ganz gern so schuldig als willig sich gefallen lasse, was Hochedler Rat AC belieben werde. Ein zweiter Ratskonsulent ist der Meinung, daß solcher Druck auch ohne die katholische Zensur erlaubt werden könne, jedoch nicht in den gebrauchten terminis. Es wäre manches zu mildern und dem Autori, ob er die Facta wahr machen könne, zu reifer Über legung zu überlassen, welches aber wohlvermeldte Censores schon selbst werden zu besorgen wissen, womit der dritte Konsulent conform geht. Durch Signat vom 30. Dezember 1732 wird den Verordneten Herren über die Bücherzensur, da die Salzburgische Emigrationssache ein remarquables Stück der evangelischen Kirchenhistorie sei, angezeigt, daß die Herrn Censores AC künftighin derlei Scripta und Kupfer ohne fernere Anfrage zu drucken zu erlauben, jedoch selbige vorher in behörige Zensur zu nehmen und zu besorgen haben, damit nichts wider den Religions- und Profanfrieden auch Reichsconstitutiones oder einige gehäßige Termini oder ohnerweisliche Fakta mit einfließe und durch den Druck divulgiert werde — ganz im Sinne und mit den Gründen des erwähnten einflußreichen Zensors. Dieser selbst bemerkt zu dem Signat: „Hiezu hat Herr Ratskonsulent L, Anlaß gegeben und selbiges verursacht, weil er die dermalen in ziemlicher Anzahl in Druck gekommene Relationes und aller hand scripta varii generis nicht durchlesen und censieren sondern von hiesiger paritätischer Stadt gänzlich abweisen wollte.“1)
*) n.
54 Der Mangel des Reglements äußerte sich ferner auch in fehlender Ordnung bei den Sitzungen und Abstimmungen. Am 25. Februar und 4. März 1698 hat Leonhard Christoph von Reh lingen als der ältere der Deputierten die sämtlichen Buch drucker, Briefmaler und Kupferstecher auf die Verordnungen verhandgelübdet.1) Im Jahre 1797, als der Zeitungsinhaber Moy und der Verfasser Licentiat Harwen über einige anstößige Artikel vernommen werden, verteidigt sich letzterer damit, er habe von dem Zensor Ratskonsulent erwirkt, daß die beanstandete Stelle bleiben dürfe, aber Herr von Hößlin als erster Deputierter ad censuram habe beliebt, einige Worte auszustreichen.2) Ob dieser Vorrang mit dem Dienstalter begründet war oder wie sonst, ist nicht zu ersehen. Mit decretum in Sen. secr. vom 22. April 1732 wird auf Herrn Franz Christoph Ignaz Imhof Amtsbürgermeisters als Depu taten zur Bücherzensur katholischen Teils Anzeige, wiederholtes Ansuchen und Bitte die seither zwischen ihm und seinem Herrn Kondeputierten AC Johann von Stetten des Vorsitzes halber be stehende Differenz betr. aus fürwaltenden Umständen der bei dieser Deputation sich zuerst katholischerseits ergebenen Vacatur der Vorsitz gedachten Herrn Bürgermeister Imhof zuerkannt3) — dem Dienstalter also. Auch sonst gab es zwischen den Zensoren Häckeleien, deren tieferer Grund leider oft in Konfession und politischen Grundsätzen zu suchen ist. Doch gab es auch andere Reibungs flächen. Am 16. März 1743 beschwert sich Zensor v. I. sollennissime dagegen, daß er bei Unterschreibung des gemeinsamen Berichtes mehrmals übergangen worden ist.4) Als ein Amtsbürgermeister die Unterdrückung des von Buchhändler Stage in Übersetzung verlegten Ovidius de amore beantragt hatte — 1791! — äußerte sich der Zensor Ratskonsulent v. Ch., er habe erst im vorigen Jahre durch eine Zensur des Rats kalenders, in welchem er einen Artikel über die Quellen der Vor urteile nachträglich, nachdem er erschienen war, beanstandet hatte, sich einen oberherrlichen Verweis zugezogen, müsse also auch geschehen lassen, daß man Bücher wider die guten Sitten dem !) II.
2) VIII.
3) II.
4) IV.
55 Verleger wieder hinausgebe. Darauf bemerkt sein Kollege, der übrigens hervorhebt, daß wegen dieses schändlichen Werkes Ovid von einem heidnischen Kaiser ins Elend verwiesen wurde: „Übrigens verdiente Herr v. Ch. wegen seines Voti, daß man ihm die Censurdeputation abnehme, weil eine solche Denkungsart des obrigkeit lichen Vertrauens nicht mehr würdig ist.“3) Immerhin noch nicht so schlimm, als wenn 1653 ein Zensor an Stadtpfleger und Ge heime den Antrag stellt und durch Mahnung betreibt, seinem Kollegen wegen Approbation eines Werkes seine Ungebür ernst lich zu verweisen und für künftig bei ernstlicher Strafe zu unter sagen, worauf der Stadtpfleger bemerkt, er supponire, das Original dekret, wodurch fragliches Werk kaiserlich privilegirt sei, werde der übergebenen Kopie gleich sein, wodurch die gegenseitigen Sig naturen beantwortet seien.2) Der Zensor hat ein Jahr darauf um seine Enthebung nach gesucht — wegen Geschäftsüberhäufung. Wie angenehm, wenn dagegen ein Zensor sein gutachtliches Schreiben an seinen Zensur kollegen also schließt: „Sollten inclyti domini principales des D. Erklärung pro verificatione factorum halten oder E. Hochedel geboren, Herr Patron, ohne Weiteres von mir mein videtur zu verlangen gutheißen, habe ich den Druck so willig als gern ge schehen zu lassen, der ich nebst Apprekation glückseliger Weih nachtsferien und meiner ganz dienstlichen Rekommandation bin etc.“ 3) 3) VI. 2) II. 3) II. Eine Probe gleich angenehmer Verkehrsformen gibt nach stehende Vorlage einer Schrift zur Zensur vom 17. Dezember 1050: Edelvöster, Großgünstiger, Hochgeehrter Herr! Euer Edelvöst in dero viel und wichtigen Occupationen zu interturbiren, habe ich demüthig zu bitten, mir im Besten es zu vermerken, und geschieht dieses hierum; demnach ich um gegenwärtig einfältiges Concept zu publiciren ersucht worden, als gelangt an E. E. V. meine dienstfleissige Bitte, solches unbeschwert dero anbefohlener Hoch vernünftiger Censur, soviel andere Geschäfte zulassen werden, zu subjiciren und dem Buch drucker hierin beförderlichen Willen zu erweisen. Welches um E. E. V. ich mit andächtigem Gebet für Dero zeitlich und ewig Wohlergehen samt Anerbietung meiner gehorsamsten Diensten zu beschulden jederzeit eingedenk sein werde. Benebst E. E. V. Gottes väterlichen, mich aber dero beharrlichen Gunsten befehlend E. E. V. gebets- und dienstbeflissener M. J. J. Ch., Diaconus zu St. Jakob. II.
56 Spannungen wie die erwähnten hinderten aber nicht, daß man nach außen und nach oben in geschlossener Reihe auftrat, gegen die Amtsbürgermeister, gegen Fürsten und Stände und selbst gegen den kaiserlichen Hof, wenigstens wenn keine Gefahr dabei war. Im Vertrauen darauf erklärte der ZeitungsVerleger Moy, der sich geweigert hatte, Geschäftsanzeigen des mit ihm verfeindeten Buchhändlers Stage* aufzunehmen und hiezu vom Amtsbürgermeister unter Strafandrohung angehalten werden wollte: Ich unterstehe doch nur der Zensur. Lediglich von dieser hängt es ab, was ich in meine Zeitung zu drucken habe. Der Bürgermeister hat mir nicht vorzuschreiben, noch dazu bei Gewölbleinstrafe, was ich aufzunehmen habe. Nach Ratsdekret vom 17. April 1788 sollte dieses Exhibit ad consultationem zu gestellt werden; es ist aber laut Registraturvermerk — ohne Begutachtung ad archivum gekommen.1) Im gleichen Jahre äußern sich die Zensoren über ein Promemoria des hessischen Gesandten, der sich über eine Zeitungs nachricht beschwerte, wonach der Landgraf von Hessen einen Offizier geohrfeigt und dieser jenem erklärt habe, er sei Untertan, nicht Sklave, eine Kugel in die Saaldecke abgefeuert und mit der andern sich selbst getötet habe: es sei das zuerst in einer Münchener Zeitung gestanden, sie sähen nicht ein, warum das dann nicht auch den Augsburger Zeitungen erlaubt sei, zumal über den Landgrafen ganz andere für Hessen demütigende Dinge ungeahndet in reichshofrätlichen Conclusis stünden. Die Beschwerde scheine auch nur von einem gesandtschaftlichen Diensteifer ohne Auftrag herzurühren, und da sie auch nur in Form eines Promemoria anher gelangt, wäre dem Gesandten durch eben diesen Kanal, auch wieder per Promemoria, zu er öffnen, daß man dem hiesigen Zeitungsschreiber den Auftrag des Widerrufes gemacht habe, er aber die weitere Satisfaktion in München nachsuchen möge wegen der dortigen Zeitungen. Dabei aber wünschten sie ein oberherrliches Regulativ, in wieweit sich die bürgermeisteramtliche Gerichtsbarkeit auf unmittelbar die Zensur angehende Verfügungen ausdehne, ob sie nur für jede bald diesem bald jenem nicht anständige Zeitungsstelle Rede und Antwort zu geben hätten, all Übriges aber dem löblichen *) VIII.
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Bürgermeisteramt überlassen sei. Ein solches Regulativ solle ver hindern, daß nicht, wie jüngst einem von ihnen begegnet, ihr Ansehen bei den Buchhändlern verächtlich werde, da dieser den Buchhändler Klett wegen einem so betitelten „Brief des Liberius Candidus“ auf Vormittag vorgeladen, dieser aber erst nachmittags erschienen sei und ihm exeptionem fori, da die Sache bei löblichem Prechtischen Bürgermeisteramt, von dem er erst eben herkomme, schon anhängig sei, entgegengesetzt.1) Ähnlich wie gegenüber Hessen verhielten sie sich auch gegenüber den allzeit geschäftigen, bald gönnerhaft, bald be drohlich, bald im Aufträge ihres Kurfürsten, bald ohne solchen schreibenden bayerischen Residenten, besonders wenn jene ihr Anbringen durch ein „vertrauliches und unzierliches Promemoria“ übermittelten, was entschieden auch durch ein Promemoria, und zwar nur von der Stadtkanzlei aus, nicht von Pflegern und Räten, beantwortet wurde.2) Gegenüber dem Reichsfiskal, der ihnen mit Strafe gedroht hat, berichten sie an den Rat: „Beinebens haben wir auch die Erinnerung thun wollen, daß in der vom Herrn Reichsfiskal angestellten Klage zwar wir, dero Verordnete, mitbegriffen sein, es sagen aber alle seine de hac materia angeführte constitutiones und Polizeiordnungen nichts von den censoribus, daß sie vom Kaiser zu bestrafen seien, folglich bleiben wir dero ordinari Jurisdiktion als hierin subdelegirt unterworfen und ist dergleichen fiskalisches Gesuch eine Novität, so in constitutionibus imperatoriis nicht begründet ist.“3) (?) Dem Kaiser, der in einem Reskript bemerken ließ, er habe aus öffentlichen Zeitungen, nicht minder aus der Fama, mit Miß fallen entnommen etc., antworteten sie, es sei notorium, daß in Augsburg die Fama nicht gedruckt werde.4) Es war aber auch oft um die Geduld zu verlieren über den Kleinlichkeiten und Ab geschmacktheiten, mit denen die Zensoren beschäftigt wurden. So von der Reichsstadt Isny. Da ist am 6. August 1772 der Reichsfürst und Bischof zu Chiemsee mit Tod abgegangen und mit ihm das Haus der Reichserbtruchsesse Grafen zu Waldburg ausgestorben, womit die in Preußen residierende Jakobinische Linie zur Herrschaft gelangen soll. Aber es besteht Streit über die Nachfolge. Dies besprechend sagt ein Artikel aus Isny in *) VIII.
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4) XIII.
58 Moys Augspurger Ordinari Postzeitung: „Wir sind aufmerksam und sehen mit Verlangen dem Ausgang entgegen, hoffen aber nicht minder glücklich zu sein unter dem Grafen Friedrich Ludwig aus Preußen als unter der vorigen Regierung“: „Wie unpassend! schreiben die von Isny hieher, da doch dem Ver fasser bekannt sein wird, daß Isny freie Reichsstadt ist. Zudem steht uns die Hinstellung nicht an, als ob wir eine spezielle Zu neigung zur Jakobinisch-Waldburgischen Linie hätten, wodurch wir bei des Grafen Franz Anton zu Zeil Erlaucht, welcher post fata des Bischofs die Grafschaft Trauchgau in Besitz genommen hat, verhaßt gemacht werden könnten.“ Unter weitschweifiger Versicherung der Ergebenheit gegen den Besitzer von Trauchburg, in dessen Feldungen ihre ganze Reichsstadt inklaviert ist, wünschen sie Untersuchung gegen den Täter, damit Excellentissimus Zeylensis überzeugt werde. Die Zensoren berichten, daß, da Moy den Artikel aus der Bayreuther Zeitung habe, Weiteres weder nötig noch tunlich sei.1) Die Augsburgische Staats- und gelehrte Zeitung meldet am 13. Mai 1791, dem Herrn Fürstbischof von Freising, Ludwig Freiherrn von Weiden, sei auf dero Residenzschloß ein großes Unglück zugestoßen. Dieser will nun wissen, woher der Zeitungsverleger solche Nach richt erhalten und worin das Unglück bestand. Auf Bericht der Zensoren wird an Geheimrat, Hofkanzlei und Oberlehenpropst in Freising Protokollauszug und Widerruf betreffend die dem Wohlbefinden seiner Hochfürstlichen Gnaden präjudicierliche Stelle übersandt.2) Aus Eichstätt kömmt 1783 Klage gegen die Ordinari Postzeitung, die aus Pleinfeld im Eichstättischen über die Huldigungsfeier seiner Hochfürstlichen Gnaden meldet: „Triumphbögen, Beleuchtungen und dergl. hatten wir zwar keine, dagegen aber hing über dem Kirchhof folgende Inschrift: Vivat, Es leb Johann Anton!“ Die Untersuchung ergab, daß der Ein sender noch dazu eine Berichtigung verlangt hatte, daß nicht geschrieben stand: „Es leb, sondern Eß leeb.“8) Auf Klage des Hochfürstlich St. Gallen’schen Landeshofmeisters, Hofkanzlers, auch Hof- und Pfalzräte über eine im Moyschen Blatte er schienene Nachricht von beabsichtigtem Abfall des Klosters St. Gallen von der Eidgenossenschaft antworten die Zensoren,
!) vm.
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59 Moy habe die Nachricht aus dem Frankfurter Staats-Ristretto. Der Ungrund einer Nachricht möge wohl nicht hinlänglich sein, um dem Zeitungsverfasser oder Drucker einen Vorwurf zu machen, und die Empfindlichkeit des einen oder andern Teils könne ebensowenig der Grund sein, wofern nicht im Gegenstände selbst etwas Beleidigendes oder Anstößiges erscheine, was nicht der Fall sei, in Erwägung, daß das eigentliche Verhältnis der Abtei St. Gallen gegen die Schweiz an einem und gegen das Reich am andern Teil sogar richtig und ausgemacht nicht sei.1) Ehrerbietiger behandelt wird die Mitteilung des kaiserlichen Ministers Grafen von Lehrbach ddo. Regensburg 13. Februar 1795, es habe sich am 8^ dß. Mts. zu Wien zwischen dem Herrn Fürsten Karl von Lichtenstein und dem Herrn von Weichs ein unangenehmer Vorfall ereignet, welcher durch Privatschreiben ins deutsche Reich gelangt sein werde. Man ersuche zu ver fügen, daß in die zwei Augsburger Zeitungen vorerst nichts ein gedruckt werde. Darauf antwortet Pfleger von Stetten, man habe sofort verfügt und empfehle sich zu ferneren Hulden und Gnaden.2) Es ist von hier aus der Übergang dazu leicht, daß einer der Hauptgrundsätze, durch die der Rat und durch ihn die Zensur geleitet wurde, Vorsicht, Rücksicht, Umsicht und Furcht war, Furcht vor allen europäischen Puissancen, Furcht vor dem Kaiser, vor den Ständen, vor dem Nachbar Bayern, vor der öffentlichen Meinung, vor boshaften Schriftstellern und vor den Webern. Es war zu Ende des achtzehnten Jahrhunderts eine wohlbegründete Todesfurcht. Mit Dekret vom 2. August 1740 wird den Deputierten über die Bücherzensur aus vorgekommenen besonderen Ursachen aufgetragen, daß sie sämtliche Buch- und Zeitungsdrucker ohne Anstand vor sich fordern und ihnen anbefehlen sollen, daß sie nicht das Geringste von der bevorstehenden allhiesigen Bischofs wahl oder von denen hohen Herrn Kompetenten hiezu in ihre Zeitungen oder andere Traktatlein einfließen lassen oder anders woher nachdrucken sollen.3) Am 28. Januar 1741 ergeht die Mahnung, bei gegenwätigen delikaten Konjunkturen ja nichts zu !) VIII. 2) VII. 3) XXIV. Auch nichts über das 1714 obhandene Friedenswerk! II.
60 drucken, wodurch ein Anstoß oder Offension da oder dort ver ursacht werden könnte etc.1) Am 9. Juni 1705 berichten die Augsburger Kreisgesandten aus Ulm2), daß man von der Re futation des .sogenannten sepulchri gloriae Bojoariae die hier vorhanden gewesenen Exemplare von Augsburg bekommen und daß solche allda in Quantität bei Herrn Benckert zu haben seien, hätten sie nicht unangemeldet lassen wollen, weil . i . der Stadt Augsburg es leichtlich einig Ungemach verursachen dürfte, mithin nicht undienlich wäre, wenn dergleichen nur Verdruß und Ungelegenheit causierende unnütze Skripta aus dem Wege ge tan, zu obrigkeitlicher Verwahrung genommen und hiedurch alle Ombragirung und Nachrede evitiert, dieses aber noch zur Zeit sekretiert werden möchte. 1764 meldet ein Zensor3): „Es ist im März und Mayerischen Buchladen eine Piece von einem einzigen Bogen zu haben mit der Aufschrift: das Münz unwesen etc., Augsburg 1764. Ich war über die Aufschrift Augsburg nicht wenig betreten und besorge, dieses einzige Wort möchte bei dem leichtgläubigen Publicum und zumal bei denen löblichen Ständen des oberen Kreisviertels, die ohnehin über hiesige Stadt bekannter Dingen sehr jaloux sind, ungleiche Im pressionen causieren.“ Sofort beschwert sich der Rat bei der Hochfürstlich Brandenburg-Onolzbachischen Regierung, weil in der doch in Schwabach gedruckten Schrift Augsburg als Druckort genannt sei. Der bayerische wirkliche Hofrat und akkreditierte Agent Staudinger verlangt namens seines Kur fürsten, daß die gegen Höchstdiesen sehr zügellose Schrift unter dem Namen „Der Hanswurst“ bei Buchhändler Stage unterdrückt werde, und mahnt dann: Es seien wirklich schon 8 Tage her obwohl Stadtpfleger von Langenmantel ihm die teuere Ver sicherung gab, es werde Protokollsabschrift nach der höchsten Willensmeinung so bald als möglich geliefert werden. Durch laucht werde es nicht als gleichgiltig ansehen, daß man auf seinen Agenten so wenig Regard habe. Wolle man mit diesem spielen, der doch Ao. 1785 bei seinem Hof Vorstellung gemacht, daß für Augsburg die Getreide- und Heusperre aufgehoben werde, und sie war aufgehoben? Sei das billig? Hierauf findet Visitation bei Stage statt, der indes versichert, die Piece gar nicht zu kennen. XXIV.
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61 Tollsinnig würde solches Unterfangen für ihn sein, da er nicht nur von Durchlaucht selbst eine Medaille von 12 Dukaten zum Präsent erhalten, sondern auch jährlich zweimal die Münchener Dult zu besuchen habe. Der Bericht des Amtsbürgermeisters von Precht beruhigte.1) Ein anderer Übeltäter veranlaßt zu dem Vorschläge, weil der Bericht unfehlbar vom Kaiserlichen Residenten an den Kaiserlichen Hof werde eingeschickt werden, möge man unterlassen, den Urheber lang zu excusieren.2) Auch die Kleinen hängt man und läßt die Großen laufen; zur Er widerung auf eines hiesigen Residenten übermütiges Vorgehen gegen die hiesigen Zeitungen findet der eine der Zensoren einen Protest an den Residenten für bedenklich, dagegen eine scharfe Kommination an die beiden Zeitungsdrucker für angezeigt, zu mal er des einen, dieses Homodeus Mayer, intolerable Impertinenz selbst schon öfters erfahren.3) Aus Ulm können 1794 die Ge sandten Augsburgs beim schwäbischen Kreistag nicht verhehlen4), daß man die Sache höherer Orten aus einem sehr ernsten Gesichts punkt ansieht und der Bürgermeister zu wenig thut. Sie besorgen noch viel Unlust und Unannehmlichkeit und den Verdacht gegen die Stadt, als ob man durchhelfen wolle. In Wien, wo man aller höchsten Ortes das Vergehen der Maschenbauer’schen Zeitung nach der Hinrichtung Ludwig XVI. und das lange Verschieben der anbefohlenen Bestrafung des Zeitungsschreibers und Druckers sowie die Zögerung mit der geforderten magistratischen Paritionsanzeige noch immer nicht vergessen habe, sei man über die Piece und ihre Verbreitung in Augsburg äußerst aufgebracht. Über diese chronische kaiserliche Ungunst äußert ein verdrossener Bericht der Zensoren von 17735): „Da, wie zeither, nur Augs burg der Gegenstand der kaiserlichen allerhöchsten Einsicht und Ahndung ist, aber diese causa hierum sich nicht remediren läßt, so können auch darüber nichts Sonderbares begutachten.“ Da gegen lassen sie sich 1798 über ein Gesuch des Chevalier Paoli um Gestattung der Herausgabe seines Journals Mercure universel ablehnend dahin vernehmen6), die Stadt sei dermalen in einer Lage, worin alle Politik aufzubieten sei, sich bei den hohen und höchsten Mächten durch sein Benehmen so in der Mitte zu halten, daß sie sich auch vor den geringsten Vorwürfen gesichert sehen 4) V.
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62 könne. Eine Zeitung mehr wäre eine Gefahr mehr. Dem ententsprechend wurde auch dem Zeitungsverfasser Brandmüller zu Protokoll des Zensuramtes vom 4. Dezember 1805x), gerade noch vor Torschluß, eröffnet, daß man höherer Orten eine parteiliche Neigung für eine gewisse Seemacht in den jüngsten Blättern wahrnehmen wollen, indem die darin beschriebenen Siege eine warme Teilnahme zu verraten scheinen, derohalben ihm von Amts wegen Behutsamkeit anempfohlen werde.
5. Das Zeitungswesen. Die Zeitungen in Augsburg entstanden, wenn auch nicht sehr früh, so doch noch in einer Zeit, da das Wort Zeitung nicht, wie jetzt, eine Sammlung von Nachrichten, compendium novellarum, wie die Privilegien sagen, sondern eine bestimmte Nachricht, gute Zeitung oder schlimme Zeitung, bedeutete, so daß man mit der Zeitung — Zeitungen erhielt.*2)3 * * Der Buchdrucker Jakob Koppmayer, der schon seit 1676 die Augsburger Ordinari Postzeitung herausgab, begann gegen den Buchdrucker August Sturm, der 1687 mit Erlaubnis des Geheimen Rates mit einer Augsburger Ordinari 8) Zeitung folgte, einen Prozeß, da Sturm nur aus dem vom hiesigen Zeitungs schreiber ihm kommunizierten Frankfurter Journal und was er sonst von seinem Patronen aufgeklaubt, seine Zeitungen verfasse, die Parteien erreichten durch gründlichen Schriftwechsel, daß mit Ratsdekreten vom 30. Mai und 8. Juni 1686 ihnen beiden !) XVII. 2) Aus der Bezeichnung der Zeitungen als Gazetten, sagen die Zensoren gelegentlich, ergebe sich deren wesentliche Eigenschaft, dem sofortigen Tagesbedürfnisse zu dienen, daher die Zensur öfter etwas schnell gehen müsse. — Warum aus dem Worte Gazette ? Dieses Wort wird von dem Einen hergeleitet von gaza, die kleine Münze, die man dafür bezahlen müsse, von dem Andern von gaza, die geschwätzige Elster, was ja die Zeitung sei — beide Erklärungen sichtlich gezwungen und überdies einander widerlegend. Duobus litigantibus darf ich wohl eine dritte Erklärung versuchen, daß Gazette herkommt von ahd gaziti, die Gezeiten — was auch vielleicht die Meinung der Zensoren gewesen ist. 3) Ordinari bedeutete die Regelmäßigkeit des Erscheinens im Gegensatz zu dem früher unregelmäßigen und nur gelegentlichen Er scheinen einer Nachricht oder Zeitung.
63 das Drucken von Zeitungen versagt wurde, wodurch abgekühlt sie nach einiger Zeit durch Vermittelung der Zensoren einen Vergleich schlossen. Nun erging Ratsdekret vom 6. März 1687, wodurch aus gewissen bewegenden Ursachen die ergangenen beiden Dekrete aufgehebt und ihnen beiden auf vorgehende ordentliche Zensur hiefür die Zeitungen zu drucken bewilligt wird1), zu welchem Ende dann Herr Daniel Welser des Rats und Herr Dr. Johann Georg Klosterbaur, Ratskonsulent, des Koppmayers, dagegen Herr Leonhard Christoph Rehlinger des Geheimen Rats und Herr Daniel Mayer, auch Ratskonsulent, des Sturms jederweilige Zeitungen ihrer allseits obhabenden In struction gemäß zensieren sollen.2) Am 19. Oktober 1690 erwirkte sodann Koppmayer zum Druck der Ordinarizeitungen und was denselben angehört sowie sogenannter Wandtafeln oder Kupfei kalender vorbehaltlich der Zensur ein kaiserliches Privi legium auf 10 Jahre, desgleichen am 2. Dezember 1698 ein solches zu compendiis novellarum, welches dem Magistrat mit dem Befehl mitgeteilt wurde, daß er jedesmal der Zensur halber gehörige Sorgfalt vorkehren und dermaßen befördern lasse, damit Supplikant im Druck und auferlegter Einschickung der gewöhn lichen Exemplare — zur Hofkanzlei, wie bei jedem Druck privileg — nicht verzögert und behindert werde. Ebenso erhielt die Witwe Afra Sturm, nachmals Metta, Schwiegermutter des bischöflichen Hoftrompeters und Buchdruckers Eisenbarth, am 20. September 1695 ein kaiserliches Privilegium zum Zeitungs druck auf 6 Jahre. Unterm 23. Juni 1691 hatte Jakob Kopp mayer in puncto des mit August Sturm geschlossenen und vor den Deputierten aufnotierten Vergleichs in honorem des den 6. März 1687 von löblichem Geheimen Rat ausgefallenen Dekretes bewilligt, daß Sturm für seine Person ohne alle Konsequenz salvo privilegio mit und neben ihm die Zeitungen hinfür wie bisher drucken und öffentlich verkaufen möge.3) x) H.
2) Diese ganz selbstverständliche, daher überflüssige Bestimmung wiederholt sich auch nicht mehr beim nächsten und ferneren Wechsel der Zensoren. 3) II. In der Folge hießen die Zeitungen offiziell die ,,Moysche“ und die „protestantische“. XVII.
64 Auf Rosen waren indes die Beiden nicht gebettet. Schon die folgende Instruktion1) an die Zensoren legte ihnen un gebührliche Fesseln an: Wird denselben aufgetragen, 1. in die hiesigen Zeitungen nur das einrücken zu lassen, was durch andere fremde und einheimische bewährte Blätter, auch durch bekannte gute Briefe gewährt und glaubwürdig gemacht wird, aber als dann auch ohne alle Parteilichkeit, 2. den Zeitungsschreibern vornehmlich die eigenen Bemerkungen, da diese niemand fordert, zu inhibieren, 3. von Augsburg insbesondere ohne eigene Erlaubnis und Anzeige nichts eindrucken zu lassen, wie z. B. jüngst die Ankunft des Herrn Fürsten zu Speyer, da er sich doch selbst nur für einen Grafen von Limburg-Styrum angegeben. Am 20. November 1725 gibt der Rat bekannt2), daß Maschenbauer von einem hpchedlen und hochweisen Rat wegen eines divulgierten unzensierten Zeitungsdruckes seiner vermeint lichen Entschuldigung ungehindert zu wohlverdienter Bestrafung auf 14 Tage lang auf einen Turm wirklich geschafft, auch einer Revokation in seine öffentliche Zeitung zu bringen verfällt worden. — Von „ungebührlichem favor des Maschenbauer wegen Gevatterschaft“, worüber sich 1708 ein Memoriale des Buch druckers Brechenmacher an den Reichshofrat beklagt3), ist da nichts zu verspüren. War es sonach leicht, zur Verantwortung gezogen zu werden, so machten anderseits auch die gequälten Zeitungsschreiber und Autoren es sich leicht mit der Verteidigung. Man habe die Schrift, die Verse, die Nachricht von einem Studenten, einem französischem Offizier, dem Bedienten eines Werbeoffiziers, be sonders von dem sehr beliebten Emigranten mit rotem Band im Knopfloch. Omne punctum holt sich der Buchhändler Bullmann, ein Schrecken aller Zensoren, mit der beharrlichen Einrede, er könne nicht lesen.4) Und der weite Weg mit den Zensur exemplaren ! Da war Herr von Hößlin, der Zensor, nicht zuhause sondern in seinem Gartenhause vor dem Gögginger Tore, welches man dazumal wegen dem Bau der Brücke nicht passieren durfte, !) III und VII. 2) n. 3) II. 4) IX. Auch nicht schreiben kann dieser Buchhändler! Ueber ihn s. Nicolai a. a. O. Beil. S. 92.
65 so daß man genötigt war, die Magd odei den Hausknecht erst um das Klinkertor hinüber und herüber zu schicken. Der weit entlegene Weg von bemeldetem Gartenhause bis in die Wohnung des Zeitungsverfassers und von da bis in die im Paradiesgäßl gelegene Druckerei sind schuld daran, daß dießmal wieder die Zensur unterblieben ist. Ein andermal aber die Schwierigkeiten mit den Botenwagen und der Post, die so ungelegen von Augs burg abgehen!l) Neben den beiden Ordinarizeitungen und der erst 1798 auf getretenen Allgemeinen Zeitung gediehen hier, oder gediehen auch nicht, eine Augsburger Staats- und gelehrte Zeitung, eine Augsburger Monatsschrift für katholische Religion und Literatun eine Augsburger Kunstzeitung, ein Courier d’Augsburg, redigiert von Notar Schatz, ein Bulletin Politique d’Augsbourg von einem Herrn von Guibert. Dieses wurde durch eine anonyme Zuschrift, unterzeichnet le meilleur de vos amis, un Francais, prisonnier de guerre en Souabe, verdächtigt, als könnte es porter prejudice. Gemäß Auftrag vom 9. Juni 1795 berichten die Zensoren2): Das Schreiben, so wohl nicht einen in Schwaben sitzenden Franzosen als vielmehr einen ehrlichen Deutschen zum Verfasser habe, ent halte eine bedeutende patriotische Warnung . . . Sehr auffallend schon, daß Guibert sein Blatt anfangs nur Bulletin Politique, in der Folge aber Bulletin P. d’Augsbourg genannt habe. Hierüber wäre er zur Rede zu stellen und, da die Erlaubnis seines Aufenthaltes sich bloß bis zu Anfang Oktobers erstrecke, an diesen Termin und damit zugleich an das Ende und die Aufgabe seines Zeitungs blattes anzuweisen, welches das beste Mittel sein werde, diesen durch die Länge der Zeit lästigen Gast endlich einmal los und mit seiner Schreibseligkeit nicht mehr inkommodiert zu werden. Ebenso erging es, wie schon gemeldet, des Chevalier Paoli Mercure universel, und dem „Beobachter ohne Brille“, welchen Senator von Seida und Landensberg mit einem sachsen-meining’schen Kammerjunker von Tannenberg herausgeben will, was aber von den Zensoren, darunter seinem Namensvetter, mit dem Beifügen abvotiert wird, die Unnützlichkeit und Bedenklichkeit des Unter nehmens könne man auch ohne Brille beobachten.8) i) VIII.
2) VIII.
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Besser erging es einem hiesigen Jüngling Philipp Martin Riß, welcher mit Eingabe vom 4. April 17691) vorbringt, er sei zwar von Jugend auf Barbierer, habe aber immer ganz besondere Neigung zur Dichtkunst gehabt und schon gute Proben abgelegt.1) So möchte er nach dem Muster des Münchener poetischen Wochenblattes auch ein Augsburger poetisches Wochenblatt herausgeben und bitte um Genehmigung hiezu. Auf Gutachten der Zensoren, die übereinstimmend mit von Tröltsch meinten, daß einem jeden, der einen schriftstellerischen Beruf zu haben vermeine, die ihm zukommende natürliche Freiheit nicht zu hemmen sei, erhielt er die Erlaubnis vorbehaltlich der Zensur. Diesen schriftsellerischen Beruf hat man 1774 dem Dichter der Fürstengruft nicht beigemessen. Des Buchändlers Stage Gesuch, durch Schubart eine politisch-literarische Zeitung unter dem Titel „Deutsche Chronik“ herausgeben zu dürfen, wurde nicht willfahrt, wie 17771 als Stage nach Beseitigung Schubarts nachsucht, die Chronik durch einen andern sehr bescheidenen Verfasser drucken lassen zu dürfen, von einem damaligen Votanten verraten wird, wegen der freien Feder des Verfassers.2) Angekündigt endlich war für 1796 auch eine englische Zeitung von dem Lehrer Burry am Gymnasium.3) 6. Kupferstecher und Briefmaler. Als am 14. November 1690 und 25. Februar und 4. März 1698 wie die Buchdrucker so auch die Kupferstecher und Brief maler vor die Deputierten zur Zensur gerufen und ihnen die Dekrete vom 29. Januar 1682 und 20. Mai 1690 vorgelesen wurden, waren der Kupferstecher 23. Es wurde ihnen angezeigt, „von allen und jeden dero Manufacturen denen 4 Herrn Censoribus Apertur zu thun, auch ein Exemplar, wie auch eines der Stadt*) Die vorgelegte Probe des ahnungsvollen Barbiers lautet: Wenn’s wahr ist, was öfter die Zeitungen sagen, So werden die Russen entsetzlich geschlagen, Es kommen die Türken wie stürmisches Meer Gleich thürmenden Wellen verschlingend daher Und wollen die Russen nebst ihren Kosaken Auf einmal in lauter Kochstücke verhacken. 2) VIII. 3) Nicolai S. 65.
67 bibliothek, zuzustellen, in specie die Theses*) bei angesetzter Strafe in statum videndi zu geben, ob nemlich darin contra Magistratum vel alia capita imperii . . . nichts enthalten sei, die contrafaits aber erst post praesentationem Domino principali denen Herrn Censoribus zu präsentiren“, worauf alle das Hand gelübde abgelegt.*2) Schon am 1. März 1670 hatte sich diese starke und an gesehene Gesellschaft beim Rate wegen Schädigung ihrer In teressen durch die Zensur beschwert, worauf die Zensoren von beiden Religionen berichteten: Die Auflage an die Kupferstecher, ihre Produkte vor erfolgter Zensur nicht zu verkaufen, noch hinauszugeben, beruhe auf den Recessus Imperiales von 1524, 1529, 1530, 1548, 1570 und 1577 und auf diesen wieder das hiesige Dekret zum Friedensexekutionsrezeß. Auf dem Gebote zu bestehen sei um so mehr hohe Ursache, dieweilen der vor passierte dreißigjährige Krieg, da solche heilsame Grundsätze unter den Bänken liegen bleiben müssen, zu erkenen gegeben, was hie und da von den Kupferstechern und Formschneidern für eine große Menge allerhand schmählicher Gedichte und Pasquille an das Tageslicht gekommen ... Im übrigen sei von den Zensoren keiner dem andern, was Religionssachen seien, Eintrag zu tun oder wider das im Friedensexekutionsrezesse *) Theses brauchten nach Nicolai S. 85 die katholischen Professoren und Patres mit ihren Disputationen. Die Probationes oder Themata stehen unten am Fuße. 2) Am 4. Februar 1687 vermerkt ein Zensor: dato habe ich Herrn Heinzeimann des innern Rates in mein Haus erfordert und ihm fürgehalten, warum derselbe wider das am 29. Januar 1682 aufgestellte Decret kein Exemplar seiner gemachten Kupfer uns katholischen Cen soribus zustelle. Der gab in Antwort, daß er vielmals Theses und andere Kupfer auch contrafaits zu verfertigen habe, welches die principales verbieten, daß ehe und bevor sie die Kupfer bekommen, kein Exemplar soll ausgegeben werden, dann es sich übel schicken würde, wenn er uns Deputirten Exemplaria publicirte, ehe solche diejenigen, so es bezahlt, in die Augen bekommen. Wenn die zwei Herrn Kilian, Herr Wolf gang, Herr Gaggenauer, Herr Ehinger und Herr Kraus eine der Censur übergeben, wolle er nachfolgen. Etliche Tage darnach überschickte mir Herr Heinzeimann und Herr Kilian allerhand Kupferstiche nacher Haus, von solcher Zeit an aber habe ich nicht ein Kupfer zu Gesicht bekommen. II. Dem Staandpunkte des Heinzeimann ist in der Folge, besonders im Decrete vom 20. Mai 1690, Rechnung getragen. 5*
68 enthaltene Dekret zu handeln gesinnt, sie würden auch ohne der Kupferstecher allzu naseweise Erinnerung schon wissen, wie und was gestalten sie die Zensur verrichten sollen. Es sollten daher die Zensoren beauftragt werden, alle Kupferstecher vor zurufen und zur Befolgung der Vorschriften an^uhalten. Dem Vorschläge wurde zwar durch Ratsdekret von* 1. März ent sprochen, aber die Zensoren müssen nocheinmal berichten, es habe sich mit den Kupferstechern das Widerspiel ergeben . . . „maßen wohl ein Exempel zu benambsen stünde, da dergleichen Gefahr unter solcher Zeit an einem Contrefait einer hohen weiblichen Standesperson wegen mit Reimen untergesetzter auf die alte, zwar an Gestalt berühmbte, an Ehebrüchen aber sehr beschreite römische Kaiserin Juliane gezogener Vergleichung zu besorgen gewesen wäre, sofern einer von den Zensoren auf dieses Vorgehen nicht ungefähr gestoßen und zu Verhütung so schädlichen und gefährlichen Unternehmens wieder abgewandt hätte. Gleichwohlen auch ihnen Zensoren kein anderes Medium beifalle, wie öfters bemeldte Kupferstecher und Formschneider zu Beobachtung ihrer Schuldigkeit und Respectirung mehr löblich erwähnten Ratsdekretes, nachdem sie dasselbe schlechterdings außer Acht gesetzt, besser zu bringen sein möchten, als wenn sie sammt denen Buchdruckern darüber, wie andere hiesige Bürger meistens auf ihre Ordnungen schwören müssen, zu einem leiblichen Eid angehalten würden“.1) Am 3. Februar 1716 vernehmen wir gleichfalls von den Zensoren2): „Es wird Herr Amtsbürgermeister geziemend er sucht, weil wider die mehrste allhiesige Kupferstecher nicht un geahndet bleiben kann, daß dieselben . . . das ganze Jahr hindurch nicht das Geringste in die Censur geben, zumal auch jetzt glorwürdigst regierende K.u. K.M. in einem Edikte vom 18. Juli 1715, weiches auf Anstehen des hochfürstlichen Ausschreibamts in Schwaben auch allhier öffentlich angeschlagen worden, sämtliche Büchercommissarien oder Censores ihres officii ernstlich und mit Vorbehalt der Ahndung und Strafe gegen die nachlässige Obrigkeit erinnert haben, können wir keinen weiteren Anstand nehmen, das wohllöbliche officium consulare gleichfalls gebührend zu requiriren, gedachte ailhiesige Kupferstecher vor Amt zu l) XIII.
2) II.
69 fordern und . . . anzuhalten, daß sie von all demjenigen, so sie vom 9. November 1713 an bis auf heutigen Tag an Kupfer stichen oder Holzschnitten in geist- oder weltlichen Sachen, es seien gleich theses, contrefaits, Ein- oder Aufzüg, Kalender usw. verfertigt haben, einem Jeden von uns ein Exemplar unverlangt zustellen und inskünftig bei Meidung obrigkeitlichen scharfen Einsehens angezogenen zwei Decreten und obrigkeitlichen Ver ordnungen gehorsam nachleben sollen/ Am 16. April 1736 erging Ratsdekret1), wodurch sämt lichen Herren Bürgermeistern aufgetragen wird, auf die allhier zu feilem Kauf kommenden Kupferstiche und Gemälde, zumal an der Kirchweih und Jahrmärkten, durch ihre Amtsdiener gut Aufsicht halten zu lassen, dafern einige anstößige Kupferstich oder Gemälde angetroffen würden wider ein oder andere Religions-, Staats- oder Regimentsform oder auch den allgemeinen Wohlstand laufend, solche gemäs kais. Patentes ddo. Wien 18. Juli 1715 zu konfiszieren und davon Anzeige zu thun, dann auch den Herren Deputierten zur Bücherzensur ebenermaßen ab getragen wird, an sämmtliche Kupferstecher und Briefmaler die gehörige Verfügung und Erinnerung zu tun, daß nach Ausweis . . . kein einziger Kupferstich oder Gemälde soll verkauft werden, es sei dann vorher ordentlich zensiert etc. Auch am 23. Dezember 1767 wurden sämtliche Kupferstecher, Buchdrucker, Buchhändler und Kunstverleger vorgerufen und ihnen ein einschärfendes Dekret vom 26. September 1767 bekannt gegeben. Da nun einige von den Kupferstechern und Verlegern teils die gleichgiltigen, unschädlichen Stücke, teils diejenigen, welche sie von andern Fürstlichkeiten und Herrschaften in Auftrag hätten, von der Zensur ausgenommen zu sein vermeinten, ist selbigen dieser Irrwahn durch behörige Vorstellung widerlegt und sind sie veranlaßt worden, ein Verlagsverzeichniß einzureichen.2) Im Jahre 1690 hat Kunsthändler Zimmermann einen Kupferstich ausgelegt, welcher den König von England wiedergibt und die katholische Kirche als in England darniederliegend dar stellt. Zimmermann hat das Bild von Kupferstecher Kraus, dieser von einem Freund und Kupferstecher in Frankfurt, da Umtausch unter ihnen üblich sei. Bei verspürender Un!) XXIV.
2) IV.
70 gelegenheit habe er ein zweites Exemplar an ein unbedenkliches Ort verehrt, eines für sich behalten und eines dem Zimmermann gegeben. Sie werden von den Zensoren verwarnt und auf die Vorschriften verhandgelübdet.1) Mit Dekret vom 19. Juni 17422) wird auf Elias Becken, Bürgers und Kupferstechers Anlangen und Bitte, ihm die wegen Verkaufes unzüchtiger und garstiger Kupferstiche an diktierte Gewölblein- und Geldstrafe aus Gnaden nachzulassen, demselben in Ansehung seiner Armut und Nahrungslosigkeit die Gewölbleinstrafe aus sonderbaren Gnaden nachgesehen, die Geldstrafe von 6 fl. 20 kr. auf 4 fl. 45 kr. moderiert, derselbe aber anbei' allen Ernstes erinnert, sich mit dergleichen unter ohnfehlbarer scharfer Bestrafung nicht mehr betreten zu lassen. 1759 hat David Nessenthaler einen sehr anstößigen und besonders in den Aufschriften trotzenden Kupferstich, darstellend den König von Preußen zu Pferd und vor ihm Deutschland liegend und um Frieden bittend, verfertigt. Er bekennt, daß der Stich die Zensur nicht passiert habe. Er habe es nicht so übel gemeint und nur aus Nahrungsmangel gethan, wie denn auch die Platte versetzt sei. Es wurde ihm vom Amtsbürger meister fernerer Verkauf verboten und der Auftrag erteilt, seinem Anerbieten gemäß die Änderung des Kupfers und der Aufschrift vorzunehmen. Vom Rate aber erhielt der Bürgermeister den Befehl, den Kupferstich zu konfiszieren und den Künstler zu seiner Bestrafung auf 14 Tage in das Arbeitshaus seiner Religion einschaffen zu lassen, die Deputierten aber den Auftrag, alle und jede Kupferstiche ebenfalls zu zensurieren, eventuell zu konfiszieren und der Bestrafung zuzuführen und dieses Dekret sämtlichen Kupferstechern und Buchdruckern zu publizieren.3) Soviel hohen Künstlergeist, um sich fortwährend über alle Vorschriften hinwegzusetzen, wie ihn die Kupferstecher bewiesen, hatten die Briefmaler nicht. Es handelte sich für sie recht eigentlich nur um die Magenfrage, und dieserwegen griffen sie allerdings hie und da in die gewerblichen Befugnisse der Buch drucker etwas ein. Am 20. August 1681 verfügte der Rat4): „Auf Christoph. Schmid und Leonhard Zacharias Buchdrucker beschehenes Verlangen hat es bei der verordneten Herrn zur 4) IV.
2) XXIV.
3) IV. 4) II, I.
71 Büchercensur Bericht und Gutachten sein Verbleiben, daß nemlich den Briefmalern insgesamt außer ihren Stöcken und darunter gehörigen Druck soviel auf einen ausgebreiteten Bögen Papier oder Placat zu bringen, hinfüro alles Übrige, gedruckt oder gefalzt, es seien gleich Lieder, Tractatlein, Kalender klein oder groß, Bücher in Folio, Quart, Octav oder anderes Format, wie solche Namen haben mögen, zu führen, drucken zu lassen, öffentlich oder heimlich zu verkaufen, gänzlich abgestellt und verboten, benebst aber den übrigen Buchdruckern, welche ein mehreres zu thun haben, injungirt sein soll, ihrem selber eigenen mündlich beschehenen Erbieten gemäß den Genannten, als welchen hiedurch ihr Verdienst, so sie von dem Briefmalen gehabt, entgeht, zur Verdienung eines Stückle Brod einige Arbeit, so viel als möglich sein würdet, zu überweisen und zukommen zu lassen.“ Hiebei scheinen sich die Briefmaler noch nicht be ruhigt sondern das Drucken fortgesetzt zu haben, da am 4. No vember der Rat verfügen muß*): „Auf der Censoren Bericht soll das Verlangen der Briefmaler den Buchdruckern zur Ver antwortung fürgehalten, den Briefmalern aber ernstlich injungirt werden, bis Austrag der Sache nichts zu drucken“. Den Frieden der Zensur haben sie nicht mehr gestört. 7. Kalender. Das Verhältnis der Kalender zur Zensur war anfänglich kein feststehendes. Am 23. Juni 1723 berichten die Zensoren die Kalender künftigen 1724sten Jahres betreffend2): „Es ist eine bekannte Tatsache, daß vermöge conclusi corporis evangelici zu Regensburg vom 30. Januar 1723 die Ostern künftigen Jahres 1724 nach der Calculation des verbesserten Kalenders den 9S? April gefeiert werden soll, dahingegen solche nach dem Gregorianischen Kalender auf 16. April fällt, Da nun die Zeit herannaht, in welcher die hiesigen Buchdrucker ihre in Verlag habenden Kalender ad censuram zu geben pflegen, und wir also eine obrigkeitliche Verordnung nöthig haben, was jenen bei dieser Differenz zu bedeuten sein möchte, so erbitten wir solche und begutachten, daß, weil hiesige Stadt eine civitas mixta ist, in welcher Ostern von einem Religionstheil auf eine differente *) XIII.
2) n#
72 und besondere Zeit nicht wohl gefeiert werden kann, allhier auch der Gregorianische Kalender von dessen Publikation an acceptiert worden, folglich bei hiesiger Stadt evangelischen Theils es eine ganz andere Beschaffenheit als mit andern Reichsstädten hat, es in den allhier zu drucken stehenden Kalendern, so allhier verkauft werden, also noch ferner bei der Gregorianischen Calculation allhier zu lassen sei“. Der Rat beschließt so am 17. Juli, und soll von dieser Verfügung auch den beiden Herren Senioren eines wohlehrwürdigen Ministern Mitteilung gemacht werden. Hienach pflegten damals die Buch drucker ihre Kalender in die Zensur zu geben. Aber nach Bericht der Zensoren vom 24. September 1767 *) haben die hiesigen Buchdrucker, Kupferstecher und Verleger die Eigen mächtigkeit, außer den hiesigen Zeitungen und Brinhauserischen und Labhartischen Kalendern alle andern gedruckten Piecen, Kalender, Kupferstiche der verordneten Zensur gänzlich zu ent ziehen. Und 1772 erklärt ein Zensor2): So lange ich zur Bücher zensur Deputierter bin, so lange ist mir zu dem Ende der Zensur kein Kalender übergeben worden. Es war das ja wohl erklärlich, so lange die Kalender nur die Ergebnisse astronomischer Be rechnungen und die Jahrmärkte brachten, denen gegenüber man nicht einmal eine paritätische Geste machen konnte. Und in so lange und bis zur Schaffung des Kunst - Gewerbe - und Hand werksgerichtes schlugen die Kalender dann allerdings nur in das gewerbliche Referat der Deputierten ein, innerhalb dessen sie ihr schon erwähntes „zwar etwas discrepirendes’dochohnmaßgebliches Gutachten8 von 1751 über die Bauernkalender abgaben. Das änderte sich aber 1772, als obige Äußerung eines Deputierten dadurch veranlaßt wurde, daß Buchdrucker Brinhauser in seinen Kalendern eine religiöse Materie einschaltete, nämlich eine Be schreibung der Sonn- und Feiertage. Sofort wurde durch Dekret vom 27. Februar 17723) angeordnet, daß Kalender der Zensur übergeben werden müssen. Und ein solcher Kalender in der Zensur, der Späthische sogenannte Ratskalender, hat 1791 noch ein artiges Feuer entzündet. Zensor v. Chr. meldete4), es sei demselben eine Abhandlung über die Quellen der Vorurteile beigefügt, der für Religion und !) IV.
2) XIX.
3) Samm. der etc. Reg. und Decr.
4) XIX.
73 Staat gefährlich sei. Er habe nicht Zeit gehabt, Späth aber habe ihn versichert, daß der Aufsatz von Herren des innern Rats, auch Geheimen, für unanstößig befunden wurde, und so habe er Credit dieses Vorgebens dem Späth überlassen, mit dem Drucke vorzugehen. Er beantrage aber nunmehr, den Kalender in obrigkeitlichen Verwahr zu tun, bis das gesamte Zensur kollegium geprüft habe. Diese Inverwahrnahme und Inhibierung des Späth erfolgte auch. Bei der Beratung hierüber findet man zwar, daß der Aufsatz für einen Ratskalender und in einer Reichsstadt, wo ein adeliges Patriziat am Ruder sitzt und Geburt und Stand ausschließend Vorrecht zu Regimentsstellen gewähren, mit seinen ziemlich leidenschaftlichen und zum Teil übertriebenen Deklamationen gegen den Adel sich weniger gut ausnehme, und daß der Anzeiger jedenfalls gut getan hätte, rechtzeitig einzu schreiten und nicht post festum ein Opfer zu heischen, verliert aber den Gleichmut nicht. Nur Herr Paulus v. St. ist merk würdig aufgeregt: Die Beschuldigungen gründen sich auf Ver fälschung und Verdrehung, es würden sinnlose Folgerungen gezogen, dergleichen sich ein Mann von des Anzeigers Charakter billig schämen sollte. Man wisse nicht, sei es Bosheit oder Schwachheit — beides mache ihm wenig Ehre! Und richtig wird mit Dekret vom 20. November 1791 dem Amtsbürgermeister aufgegeben, die Exemplare dem Späth hinauszugeben, deren Verschleiß zwar bewilligt, weitere Auflagen aber inhibiert, ihm auch befohlen, keine Abhandlung in politischen oder KameralSachen mehr aufzunehmen, überhaupt nichts ohne die gesamte Zensur zu drucken. Und zugleich wird dem Zensor v. Chr. ein Ver weis erteilt wegen verursachter Verlegenheit und Kosten, welcher Verweis ihn, wie oben erzählt, noch nach einem Jahre wurmte. Obwohl aber die Zensoren ernstlich erst von 1772 an mit den Kalendern befaßt wurden, so erachten doch andere sie und sie selbst sich für deren Inhalt verantwortlich und so kommt es* daß 1734 die Nachrichten der Magistrate Tübingen und Dinkels bühl, daß der Frühlingsmarkt und der Georgimarkt verlegt werden, vom Rat an die Deputierten gehen, um solches in öffentlichen Zeitungen inserieren zu lassen1), und daß am 15. De zember 1793 folgende Nachricht in den zwei Blättern erscheint2): J) II.
2) XXIV.
74 Nachricht. Da sich in denen bei Georg Wilhelm Friedrich Späth allhier auf das Jahr 1794 gedruckten Kalendern theils wegen irriger Versetzung, theils wegen Hinweglassung einiger von der katholischen Kirche gebotenen Fasten- und Festtagen viele Fehler finden, so sieht man sich bemüßigt, dem katholischen Publicum zu wissen zu machen, daß sich nach denen bei Georg Wilhelm Friedrich Späth gedruckten Kalendern, so viel als die Fest- und Fast-Täge betrifft, nicht zu richten sei. Augsburg, den 15. Dezember 1793. Von Censurdeputations wegen.
8, Zuständigkeit. Daß die Strafgewalt ihre Tätigkeit auf jeden Fall eines dahier, auch durch fremde Untertanen, verübten Preßvergehens erstreckte, daß die Reisenden und die die Märkte besuchenden Buchhändler ihr unterstanden, verstand sich nach der zwingenden Natur der Sache und nach den Rechtskonstitutionen ebenso von selbst, als daß -die Stadt Augsburg einen auswärtigen Autor, Drucker oder Verleger, den sie nicht auf der Tat betreten hatte, nicht selbst zur Strafe ziehen konnte, sondern daß sie gegen ihn die Rechtshilfe des auswärtigen Staates oder Reichsstandes angehen mußte. Eine andere Frage aber war, ob auch die Prä ventiv- oder Suppressiv-Polizei ihre Aufsicht auf die im Aus lande, sei es in Dillingen, München oder Wien erschienenen Druckwerke ausdehnte oder sie den dortigen Stellen überließ und gegen von auswärts eingekommene Druckschriften entweder überhaupt nicht übte oder wenigstens bei einer auf dem Werke yorgemerkten auswärtigen Zensur sich beruhigte. In dieser Beziehung ist trotz der klaren Buchdrucker ordnung von 1713 eine gewisse Unsicherheit zu bemerken. Wie schon oben erzählt, hatten 1767 die Kupferstecher gemeint, ihre von auswärtigen Fürstlichkeiten und Herrschaften bestellten Stücke seien der Zensur nicht unterworfen, was ihnen von der Zensur als Irrwahn verwiesen wurde. Selbst Zensoren sprachen aber die Meinung ausx), nur diejenigen Bücher oder impressa, so J) IV.
75
allhier gedruckt oder verlegt werden, seien der Zensur dahier unterworfen, oder wenigstens auswärts gedruckte Piecen kämen zur hiesigen Zensur nichtj), und der Bücherzensur Obliegenheit sei nie gewesen, auf auswärts gedruckte Schriften wachsam zu sein und deren Verkauf zu genehmigen oder zu verbieten.2) Auch Schubart beruft sich in Augsburg darauf, daß seine deutsche Chronik in Ulm die Zensur passiert habe und man in Augsburg hierüber nicht mehr zuständig sei, sondern nur in Ulm.3) Aber nicht bloß öffentlich verbotene und notorisch skandalöse Schriften unterliegen der hiesigen Zensur, sondern für alle Bücher, welche die Buchhandlungen hier oder auswärts auflegen und drucken lassen, ohne Rücksicht, ob sie eine fremde Zensur passiert haben oder nicht, schreiben, wie schon die Buchdrucker ordnung von 1713, so die Dekrete vom 27. August 1735 und 9. April 1799 die Zensur vor. Zwar ist in ersterem in liberaler Weise je nach Umständen der Name des Verfassers oder einer bekannten deutschen Verlagsbuchandlung oder anderweitige reichs städtische Approbation — manche Approbation wurde freilich vom Nachbar um so lieber erteilt, je bissiger gegen Augsburg die Schrift war — als Ersatz für die Zensur erachtet. Aber diese Ausnahmen sind schon nicht mehr zugelassen im letzten Dekret vom 9. April 1799, welches nur mehr ein kaiserliches Privileg ausnimmt. Unter mehreren hiesigen Buchhandlungen aber, welche ein nicht zensiertes Buch verkauft haben, hält die Zensur nur die Verlagshandlung für verantwortlich, weil diese jene zu ver treten schuldig sei.4) Der Vorschlag eines Zensors, die Postanstalt von Taxis zur Verhinderung des Verschleißes eines Buches um Sperre zu ersuchen, wird von den Amtsgenossen abgelehnt, da Magistrat über das Bücherwesen keine allgemeine Aufsicht und weder dem kaiserlichen Bücherkommissariate noch dem Reichsfiskal vorzugreifen habe.5) Auch die Maut-Akzise und Hallämter waren nicht, wie in Bayern, damit befaßt, anrüchige Bücher, „stinkende Ware®, wie man in München sagte, aufzugreifen und anzuhalten.6) Auch in die Zuständigkeit der Gerichte will nicht eingegriffen werden. Als ein Herr J) VI.
2) VI.
3) VIII.
4) VI.
5) VI.
6) Seydel, bayer. Staatsrecht S. 25 f.
76 von Wambold gegen den Zeitungsverfasser Brandmüller sich beschwerte, weil dieser berichtet hatte, Wambold sei 1800 bei der Truppe gewesen, die in der Fuggerischen Reichsgrafschaft Babenhausen* Kontribution eintrieb, und verlangte, daß Brand müller hierüber in seiner Gegenwart vernommen werde und ein gestehen müsse, daß er nach ergangener gerichtlicher Sentenz widerrufe, erklärten die Zensoren, da sein Begehren um weitere Untersuchung und Entscheidung eine eigene gerichtliche Instanz fordere, sich für unzuständig und die Sache ging mit Dekret vom 18. Februar 1802 an den Amtsbürgermeister zu summarischer Untersuchung und Auseinandersetzung.1) Daß die Zensoren auch Gewerbesachen seit Einführung des hiefür geschaffenen Gerichtes ablehnten, ist schon oben er wähnt und wird noch durch einen Fall bestätigt, in welchem sie 1725 auf der Buchdrucker Meldung über einen unter ihnen ent standenen Streit diese an das gesamte Handwerk verwiesen.2) Umgekehrt hat auch das Kunst-Gewerbe- und Handwerks gericht, als es am 27. Oktober 1795 die Buchdrucker und Buch händler vorgerufen und ihnen die bestehenden Vorschriften be kannt gegeben hatte, worauf diese gegen die Benennung des Autors in den Schriften und gegen die Pflichtexemplare Ein sprache erhoben, erklärt, daß diese Ausführung und Auseinander setzung nicht zu seiner Gerichtsstelle, sondern zum Zensuramt geeignet sei und es die Beurteilung diesem überlassen müsse.3) Hinwieder hatten die Zensoren ihre eigene Zuständigkeit auch zu wahren, sowohl den Bürgermeistern gegenüber wie gegen die geistliche Zensur. Ein Gutachten schließen sie: „Ist nun abzuwarten, ob die der Bücherzensur sonst gebührende, nunmehr getrennte Befugnis, das Dekret vom 27. August 1785 zu exhauriren, derselben be lassen, oder dem Bürgermeisteramt in diesem Falle werde über tragen werden.“ 4) Gegenüber der geistlichen Zensur der katholischen Religionsbücher konnte ein Streit über die Zuständigkeit leicht eintreten. Es brauchte nur unter Widerspruch des Gegenteils behauptet oder bestritten zu werden, daß ein Buch ein Re ligionsbuch sei. Diese Ansicht scheint namentlich der die 4) XVII.
2) XIV.
3) XIV.
4) VI.
77
geistliche Zensur handhabende Herr Pönitentiar von Handel öfter gewesen zu sein; denn wiederholt berufen sich nach Klage cler Zensoren Buchdrucker und Kupferstecher darauf, daß ihnen Herr von Handel für viele sehr weltliche Werke die Erlaubnis ge geben habe, welcher Eingriff von Amtswegen gegen einen Herrn Poenitentiarium durch Herrn Stadtsecretär gerügt wird.1)2 Am 15. Februar \^2^ vermerkt ein Zensor zu seinen Handakten3): „Haben die Herrn Censoren ein decr. Sen. Secr. erhalten, daß sie die Buchdrucker beider Religionen anweisen sollen, die theo logischen Bücher jedem Religionstheil alleinig, die politischen Schriften aber den Herrn Censoribus utriusque religionis, der geistlichen Obrigkeit aber die letztem zur Censur zukünftig weiter nicht zu übergeben, weshalb auch ein Vorstellungs schreiben an den Herrn Poenitentiarium auf seine gegen Herrn Secretarium gethane mündliche Erklärung abzufassen“. Allein zu behaupten, daß eine Arbeit in ihren Bereich gehöre, war wohl weniger der Ehrgeiz der Zensoren. Eher war es der Vorteil, der sie veranlaßte, von den Buchdruckern auch von denjenigen Büchern, welche diese nicht verlegten, sondern nur druckten und an die Verleger als Besteller ablieferten, Pflicht exemplare zu verlangen. Dies veranlaßte die Buchdrucker, mit Eingabe an den Magistrat vom 30. März 1726 um Erläuterung der Buchdruckerordnung von 1713 dahin nachzusuchen3), daß sie nur von den bei ihnen gedruckten und in Verlag kommenden geistlichen Büchern Pflichtexemplare zu leisten hätten, nicht aber von den von einer hiesigen oder anderweitigen geistlichen Obrigkeit bereits ordentlich zensierten. Ihr Gesuch unterstützten sie durch Beilage folgenden Zeugnisses: „Ich bekenne hiemit, daß die geistliche Bücher-censura Niemand andern gebührt, als mir, so a Serenissimo nostro dazu constituirt ist. Die, so das contrarium behaupten, verstehen das Concilium Tridentinum nicht, noch weniger die bisher hier sich anmaßen zu censiren. Mithin gleich wie der den Herrn schon vorher verboten, die geistlichen Bücher unter die weltliche Censur nicht gelangen zu lassen, also befiehlt derselbe nochmal mir, jederzeit allein und kein Anderer, dieselben ad censuram zu bringen, von Handel.“ x) IV. Eingabe der Buchdrucker vom Jahre 1726, XIII. 2) XXIV. 3) XIII.
78
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Auch gegen die Veith’sche Buchhandlung als Druckerin und Herausgeberin einer missionarischen Reisebeschreibung über den Progreß der Mission in beiden Indien und auch über Meer gelegenen Ländern, machen die Zensoren, ohne lang zu prüfen, ob das Buch ein geistliches oder weltliches, ihr Recht auf die Pflichtexemplare geltend. Die Buchhandlung wendet ein, die Zensur über dieses Buch stehe der geistlichen Obrigkeit, hier den Patres Jesuiten zu, denen sie Pflichtexemplare liefern müsse. Allein mit Dekret vom 9. Februar 17301) wird den Provokanten injungiert, die 2 Exemplare den (katholischen Herren Zensoren in die Zensur zu geben und innerhalb 14 Tagen bei Meidung der Exekution einzuliefern.
9, Gebühren und Kosten. Die Zensur war ein unbezahltes Ehrenamt, und die De putierten hatten hievon außer der geringen Vergütung von 15 fl. jährlich für die Zensur jeder Zeitung und außer den Pflicht exemplaren keinen Vorteil, was sie gelegentlich zu bemerken nicht übersehen, Mit der Bestätigung eines Zensors, daß ihm, so lange er die Zensur versehe, noch kein Kalender zur Zensur vorgelegt worden sei, verbindet er sofort die Verwahrung, daß er keine Ambition habe nach unbezahlter Arbeit.2) In einem Berichte 3), in welchem die Zensoren sich wegen Passierens einer Nachricht aus Passau, daß dort ein Paar Ochsen 6 fl. Accis koste, verantworten, beanspruchen sie den Beifall jedes Un parteiischen hiezu, da es außerdem niemand möglich wäre, der ohnehin so beschwerlichen Zensur, davor die Zensoren von den Ärario Jahr aus Jahr ein gar nichts und von den Zeitungs schreibern eine ihren hierunter zugehenden vielen Bemühungen und Zeitverwendungen nach geringe und ganz unverhältnismäßige Belohnung bekommen, sich fernerhin zu unterziehen. Und ein Zensor verteidigt sich: Auf die Zensur der Zeitungen wende er alle Sorgfalt an, mehr als durch 15 fl. jährlich kompensiert werde.4) Sogar um diese Kleinigkeit müssen sie streiten. Der Notar Johann Jakob Schatz, welcher die privilegierte französische Zeitung Courier d’Augsbourg verfaßte, bot nur 7 fl. 30 kr. an, die der Zensor unter Weigerung weiterer Zensur !) XV.
2) XIX.
8) VIII.
4) VIII.
79 zurückwies. Als Schatz nun bat, dafür einen weiteren Zensor zu adjungieren, verantwortet sich der Angegriffene!), und nach Dekret vom 8. Februar 1772 hat Schatzens Anbringen nicht Statt, vielmehr wird dem Buchdrucker Späth aufgetragen, sich mit den Herren Deputierten wegen der Zensurgebür zu verstehen. 1774 erwähnt Schatz, daß er nun die volle Gebür bezahle. Die Stadt dagegen erhob für die Handlungen ihrer Depu tierten Staatsgebür, so für einen Deputierten-„Sitz“ und für Visitationen, welche letztere Gebühr die Buchhändler mit Recht als hart bezeichnen.2) Der Zeitungsverfasser Lic. Harwen klagt in einem Gnadengesuche, daß ihm eine Deputation zu halten 6 fl. und Protokollextrakt 48 kr. koste.3) Mit Rücksicht hierauf erklärt ein Zensor in einem andern Falle; Ich bin zwar auch votando mit der Strafe verstanden gewesen, da aber doch der Deputationssitz und Extractus Protocolli von den Zeitungs verlegern bezahlt werden muß, so möchte ich meine Abstimmung auf weitere Strafe zurücknehmen.4) Einmal aber hatten die Zensoren Glück: sie bekamen von Elias Daniel Süß in Ulm 48 Exemplare des Seelenadelspiegels über die 2 Pflichtexemplare hinaus verehrt, worüber die katho lischen Zensoren berichten5), dergleichen Verehrungen gingen, weil es sich hiebei gewöhnlich um eine magistratische Verehrung an den Widmenden handle, die Baumeister an, und da man katholischer Seits an der Schrift selbst kein Interesse habe, sei von Deputationswegen nichts weiter zu berichten, vielmehr der Obrigkeit Belieben zu überlassen, was sie mit den gesandten Exemplarien disponieren wolle. Über Gebühr aber sollten 1729 die Buchdrucker Zacharias und Mathias Schönig bezahlen, welche ein Lied gedruckt hatten von einem Hund, den die Juden in Schwabach an einem Kar freitag gekreuzigt haben sollten. Widerruf erschien auf Be treiben von Onolzbach, aber die gesamte Judenschaft von Pfersee ? Kriegshaber und Steppach war hiedurch so aufgeregt, ja Leibes und Lebensgefahr ausgesetzt worden, daß sie mit Eingabe vom 30. August 1729 vom Rate begehrte, es sollen die Schönig zur Refusion aller ihrer gehabten Unkosten und Schäden verurteilt werden.6) i) VII.
2) V.
3) VIII.
4) VIII.
5) II.
6) IV.
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10. Zeitgenössische Urteile über die Zensur. Eigene und fremde, hohe und höchste, berufene und un berufene Kritik ging in der gewaltigen, mit ihren Fesseln oft nur mehr spielenden Aufklärungs- und Revolutionszeit über die Zensur nieder. Ihre Mängel erkannten ganz gut die Zensoren selbst, was sie in ihren Vota oftmals zu erkennen geben: „Der Nachdruck hätte bei einer guten Zensurordnung nicht geschehen können.“ *) „Man kann den Wunsch nicht bergen, daß die hiesigen Druckereien und Händler ernstlich dahin angehalten werden möchten, ohne Zensur nichts zu drucken noch zu ver kaufen, und daß überhaupt eine bessere Zensur eingeführt würde.“ *) „Abermals muß ich anführen, daß die. hier bestellte Zensur aller obrigkeitlichen Anordnungen ungeachtet nur ein leerer Schatten ist. Man druckt täglich ohne alle Zensur und zensiert, wo nichts zu zensieren ist.“ 3) „Immer mehr ist seit etlichen Jahren das Dekret vom 27. August 1785 ungeachtet des Zensuramtes ein Schatten.“ „Es ist gewiß, wenn man der Zensur nicht mehreren Gewalt einräumt, oder sie in ihrem Amt nicht besser unterstützt, so ist und bleibt sie ein Schatten.“ 4) Der Rat selbst hat im allgemeinen seine Zensoren geschützt, aber auch oftmals gemahnt, Unterlassungen gerügt, Verant wortung verlangt, wie es komme, daß beschlagnahmte Kupfer stiche ohne Zensur bereitet worden, und die Zeitungen teils mit teils ohne Zensur gedruckt werden, ja sogar in einem Falle, da die Zensoren v. B. und von Ch. eine sehr bedenkliche Publi kation passieren lassen, sie des aufgehabten Zensuramtes ent hoben und ihrer Verantwortung lediglich überlassen, wenn Magistrat wegen befragter Zeitungsartikel in Anspruch genommen werden sollte.5) Auch von Kaiserlicher Majestät kommen Rügen. 1773 berichtet der reichstädtische Agent Blumenfeld aus Wien, man wolle dort besonders die Revision der Zeitungen in Augs burg tadeln. Auch der kaiserliche Minister des schwäbischen Kreises werde sich melden. Und dieser meldete sich: Majestät könne die Vermessenheit des Verlegers und Verfassers wie auch etwaigen Revisors nicht anders als in höchsten Ungnaden ansehen.6) Und 1794 wird aus Wien anläßlich eines Verstoßes J) X
2) VJ
3*) VI.
4) VI.
5) VII.
6) VIII.
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der Späth’schen Zeitung rescribirt’): Es wolle S. K. M., daß in Zukunft den zur Förderung der Zensur getroffenen Verfügungen und den sowohl von den Zeitungsdruckern Späth und Moy als vom Magistrat geschehenen Zusicherungen unverbrüchlich nachnachgelebt werde, um so gewisser erwarten, als sie sonst mit Einziehung ihrer Privilegien, gegen die in Beförderung der Zensur etwa säumigen Deputierten aber, auch beschaffenen Um ständen nach gegen den Magistrat selbst, mit angemessener Ahndung unfehlbar vorgehen würde. Auch aus dem Kreise der an der Zensur passiv Beteiligten läßt sich eine Stimme vernehmen in einer Vorstellung und Bitte mehrerer Buchhändler vom 12. Mai 1780, die bisher geschehene Konfiskation der Bücher betr.2) Sie beklagen sich über die harten Auflagen, womit ein Teil der Zensurdeputation sie be lege, und führen hiebei aus: „Das Unglück ist, daß wir un möglich den Inhalt aller Bücher wissen können, und daß manches Buch, das wir und andere für unschuldig halten, das Schicksal hat, einem Herrn Deputierten verdächtig vorzukommen, so daß entweder von ihm selbst unmitelbar oder durch Requisition des Bürgermeisteramts unsere Handlungen visitiert und Bücher glatter dings weggenommen werden. Fern sei von uns, ein Buch wider Erlaubnis zu dulden, aber ferne auch die bisherigen Verfügungen, da ein Herr Deputierter, ohne uns vorher zu hören, die uns zu geschickten Bücher wegnehmen läßt, ohne an die Ersetzung unseres Schadens zu denken . . . Sollten wir wohl vergebens bitten, mit Verfügungen eines einseitigen Mitgliedes einer pari tätisch besetzten Deputation verschont zu werden, nur den Ver fügungen der gesamten Deputation oder wenigstens zweier pari tätischer Mitglieder derselben unterworfen zu sein?“ Und erst Ihre Majestät die öffentliche Meinung! Daß diese, die in den Druckschriften zutage trat, auf eine Einrichtung, welche Druck schriften und Autoren vielfach behelligte und verfolgte, nicht gut zu sprechen war, ist zu erwarten. Volkstümlich hatte ja die Zensur wohl nie gehandelt, wenn nicht, als sie 1787 Spott und Hohn gegen den zweifelhaften Luftschiffer Baron Lütgendorf und seinen Ballon „Erdlieb“ in jeder denkbaren Form passieren ließ, „damit das in- und auswärtige Publicum vor solchen Be>) VII.
2) V. 6
82 trügereien gewarnt werde".1) Direkt schlimmes Blut aber machte es, als 1805 die Zensur zu Ehren der Stadtmandarine die Schrift des Rechtskonsulenten Hoscher über die Kriegseinquartierung, die er der Bevölkerung erleichtert wissen wollte, ohne jeden in der Schrift selbst liegenden Grund einfach deshalb unterdrücken ließ, weil sie nicht zur Zensur vorgelegt worden war, obwohl der Verfasser dies sofort nachholte.2) Und so bezeichnet der in Augsburg gefürchtete, wegen verschiedener anstößiger Stellen in seinen Denkwürdigkeiten von Wien i. J. 1776 aus der Stadt verwiesene Lüdwig Wilhelm Weckherlin, Verfasser des Anselmus Rabiosus, Reise durch Ober deutschland 1778, und Herausgeber der Zeitschrift „Das graue Ungeheuer“ 3), die Augsburger Zensur als eine Muse, die auf einem Auge blind sei und den Tag verjage. Ein anderes Urteil lautete: „Die Zensur sitzt hier als Schwester des Jesuitismus mit Midasohren auf einem Throne von Controverspredigten und schlägt mit bleiernem Scepter alle Produkte des Geistes nieder“.4) Ein klassisches aber: „Dat veniam corvis, vexat censura columbas“.5) Drüben in München nannte 1803 die Regierung selbst die Zensur in ihrer Anwendung auf einzelne Fälle weder gerecht noch zweckmäßig noch hinreichend und hob, nachdem schon 1799 das alte strenge Zensurkollegium als dem liberalen Gange der Wissenschaften nachteilig abgeschafft war, auch die neue Zensur kommission auf.6) Das war mit anderem das Brautgeschenk für Augsburg, als es 1806 mit Bayern vereinigt wurde. J) VI. Die Literatur s. b. Zapf, Augsb. Bibliothek I, 584 f. 2) IX. Ueber ihn und seinen Gegner Zapf s. Dirr, Augsburg in der Publicistik etc. — Das Signalement dieses Verbrechers enthält VIII. : Ludwig Junius Wäckerle, ehemalig angeblicher Secretär des kgh fran zösischen Gesandten Prince de Rohan. Klein 5' 3U. Magern Leibes. Trägt eigenes Haar. Silbergraufarbige Kleidung, vielleicht in Nördlingen. 4) Briefe von und über Augsburg 1789. 5) Wagenseil, Versuch einer Geschichte der Stadt Augsburg. 6) Seydel, Staatsrecht des Königreichs Bayern, S. 111. h)
Fürst Ludwig v. Öftüigen-Wallerstein als Kreiskommandant der Landwehr.1) Von Dr. G. Grupp, fürstl. Rat und Bibliothekar.
1. Die Idee der Landwehr, In einer ausführlichen Denkschrift vom 15. Juli 1814 führt Graf Clemens von Leyden, Appellationspräsident und Kreis kommandant zu München aus, welche große Bedeutung die Landwehr im weiteren Sinne einer gesamten Volksbewaffnung, einer Nationalgarde für die Stellung Deutschlands gegenüber Frankreich und andern Feinden haben könnte. Man müsse, sagt er, unterscheiden zwischen dem großen und kleinen Krieg, und er hat unter letzterem besonders den Guerillakrieg in Spanien im Auge, der zuerst den Völkern Europas die Mittel und Wege in Aussicht stellte, den korsischen Koloß zu bezwingen. Wie ganz anders, sagt er, sei ein Volkskrieg als ein Kabinettkrieg! Am deutlichsten dränge sich der Unterschied denen auf, die Preußen 1805/07 und wieder 1812/13 miteinander vergleichen. 1806 habe Preußen alles auf eine Karte gesetzt, nach der Besiegung des aktiven Heeres sich allen Forderungen fügen müssen, aber durch eine Landesbewaffnung sei es eine GroßJ) Die nachfolgende Abhandlung schließt sich an an den Aufsatz „Die Jugendzeit des Fürsten Ludwig v. Ö.-W.w im Jahrbuch des historischen Vereins in Nördlingen 1915 und beruht überwiegend auf den zahlreichen, noch nicht benützten Akten des k. Kriegsarchives über die Landwehr 1813 bis 1870 und über die Anwerbung freiwilliger Jäger 1813/14 (A F 11 ff. B 605 ff.), ferner auf den Wallersteiner Personalien des Fürsten, endlich Seyfriedsberger Akten, worunter ein Fasz. über die Lahdesbewaffnung. Da über die Landwehr noch keine eigene Arbeit erschienen ist, mußte öfters weiter ausgeholt werden, damit die Zusammenhänge deutlicher würden. Die beste Zusammenstellung gesetzlicher Bestimmungen steht bei Döllinger, Verordnungen 1838 X 603 ff. 6*
84 macht geworden.1) Die Landwehr soll den Feind am Eindringen ins Land verhindern und fortwährend beunruhigen. Da die Land wehrmänner Uniformen oder wenigstens militärische Abzeichen tragen sollte'n, fielen sie nicht in den Verdacht, Freischärler oder Franktireurs zu seiiff Der methodische Deutsche unterwerfe sich gerne der Disziplin, sagt Graf Leyden, er sei für die Defensiv stellung geschaffen und eigne sich daher ausgezeichnet für die Anforderungen der Landwehr. Empörung, Aufruhr und Meu tereien brauche man nicht zu fürchten, schrieb um dieselbe Zeit der Oberkommandant der Reservearmee, Kronprinz Ludwig, der spätere, König, zuchtlose Milizen seien gefährlicher als bewaffnete Bürger. Diese Mahnung richtete sich gegen die mißtrauische Regierung, die den Aufstand der neuangegliederten Franken und Schwaben fürchtete, wenn sie die vollen Waffenrechte erhielten.2) Sowohl die Befürchtungen als die Hoffnungen stützten sich auf die Erfahrungen mit dem Aufstand in Tirol 1809. Die auf ständischen Tiroler betrachtete die bayerische Regierung von ihrem Standpunkte aus mit vollem Rechte als Rebellen, Insur genten, und dieser Ausdruck zieht sich noch lange, nachdem die Anschauungen gewechselt hatten, durch die offiziellen Schrift stücke hin. Auf der andern Seite anerkannte man aber auch in Bayern den Wert und die Kraft einer Volkswehr, womit nach den Ausführungen Leydens das österreichische Volk voranging, noch ehe Spanien sein belehrendes Beispiel gab.3) Der Tiroler Aufstand zog das Algäu, das bayerische und württembergische, in Mitleidenschaft. Ohne viel Widerstand zu finden, fielen die Tiroler zwischen dem 8. und 11. Mai 1809 hier ein und faßten festen Fuß in Kempten, Kaufbeuren, Memmingen und Ravensburg. Ihr Unternehmen gelang deshalb leicht, weil ihnen in dem kaum einige Jahre bayerischen Gegenden starke Sympathien entgegen kamen.4) Vergebens boten die Landrichter die Landwehr auf. x) Siehe unten S. 101 die Aeußerung des Fürsten Ludwig. 2) Gilardone, Baierns Anteil am Herbstfeldzug 1813 S. 56. Vgl. Montgelas, Denkwürdigkeiten 301. 3) Vgl. Kurz (Chorherr von St. Florian), Geschichte der Landwehr in Oesterreich 1811, die dem Fürsten viele Anregung bot. 4) Rieder, Oberb. Archiv 59. B. S. 244. Haggenmüller, Gesch. d. St. Kempten II, 354.
85 Nur die Memminger rühmten sich später, mit Erfolg den Insur genten entgegengetreten zu sein, wie sie auch 1813 zuerst dem Rufe des Königs folgten, sodaß ihr Bataillon den Ehrentitel erhielt, das erste des Illerkreises zu sein. Von anderen Bezirken hören wir, daß sich hier das Bürgermilitär ohne viel Mühe entwaffnen ließ. In der Mindelheimer Gegend bemühte sich Hauptmann von Xylander, sonst Straßen- und Wasserbauinspektor, das Stadt- und Landvolk zum Widerstand zu rüsten, stieß aber auf stummen Widerstand.1) Am 14. Mai erschien er zu Türk heim und ließ alle Offiziere des Bürgermilitärs zusammenrufen und herrschte sie an: „Seid ihr Offiziere?0 Antwort: Ja. „So muß ich euch sagen, da ihr auf die Aufforderung des Land richters nicht ausmarschieren wollt, muß ich euch im Aufträge S. M. dazu zwingen. Wer sich widersetzt, wird kreuzweis ge schlossen nach Augsburg geführt und dort als Landesverräter erschossen und sein Vermögen eingezogen.“ Auf die Frage des Bataillonschefs nach seiner Legitimation erwiderte er barsch: „Formalie“ (Lappalie). Darauf ließ der Chef Poppel die Leute zusammentrommeln. Widerspenstige wurden verhaftet und ins Gefängnis geworfen. Auf Fliehende ließ Xylander schießen. Gegen ein solch gebieterisches Verfahren erhob aber die Ge meinde einen Einspruch, vermutlich nicht ohne Erfolg, da sich die Gefahr verzog. Dafür erklärte sich Pöppel im Namen seines Korps am 4. Januar 1814 zum Dienste an der Grenze des Reiches bereit. Mehr Glück als mit den Bauern und Handwerkern hatten Xylander und andere Beamte 2) mit Freiwilligen, mit Forst- und Landjägern d. h. Förstern und Gensdarmen (Cordonsmannschaften). Von den Jägern, die sich besonders hervortaten, erhielten diese Freiwilligen ihren Namen. Verbunden mit regulären Truppen gelang es ihnen die Insurgenten zurückzudrängen.3) *) Brunnenmair, Gesch. d. St. Mindelheim 481. Das Folgende nach Akten. 2) Polizeidirektor Andrian und Oberförster Greyerz (dieser war verheiratet mit einer Tochter des Weltumseglers Förster, einer Stieftochter Hubers). 3) Völderndorff, Kriegsgesch. v. Bayern II, 162. An der Grenze von Oberbayern brachte Frh. v. OberndorfF 1200 Jäger zusammen. Im württembergischen Algäu gab es schwere Kämpfe; Mertens, Gesch. d. im Kgr. Wrttbg. vorgefallenen Kriegsereignisse 1847 S. 756 ff.
86 Diese Erfahrungen blieben nicht ohne Einfluß auf spätere Entschließungen, wie wir noch sehen werden. Nach einer Ver ordnung vom 5. September 1809 hatte die Nationalgarde in Zeiten der Gefahr nur Garnisondienst zu tun, Wache zu stehen und Ronden abzuhalten, im übrigen aber als eine Art erweiterter Gensdarmerie bei Unruhen, bei Volksversammlungen und bei Feuers- und Seuchengefahr mitzuwirken und die Verfassung bestimmt (IX, 5) ihre friedlichen Zwecke. Für eine weitere Ver wendung war weder die Regierung noch die Armeeführung, am allerwenigsten das Volk selbst, wohl aber viele patriotische Männer begeistert, so z. B. Fürst Ludwig v. Öttingen-Wallerstein, der sich nach 'seiner in der Schrift „Abel und Wallerstein“ gedruckten Erklärung dem König Maximilian 1810 zum Chef des Bureau der Nationalgarde anbot. Eine ähnliche Gesinnung beseelte einen Graf Leyden, einen Herrn von Aretin u. a., wie der Fürst ge legentlich hervorhob. Als die Tiroler im Winter 1813/14 sich wieder erhoben, veranstalteten mehrere Landrichter „Bauern streifen“ *), und so versuchte Major G. v. Aretin auch die Rot taler Bauern zur Bereitschaft zu bewegen. Die Bauern wollen aber nichts davon wissen und verweigerten die Unterschrift, die er von ihnen zu Aidenbach forderte, und Aretin war in größter Verlegenheit. „Da brachte ein Spitzkopf von Hauptmann die Sache zum Durchschlag“, erzählt der Landrichter Kapfinger* „Männer seid doch gescheit“, redete der Hauptmann sie an. „Glaubt doch nicht es sei Ernst, niemand verlangt von euch, daß ihr Haus und Hof verlasset. Die Erklärung, die ihr unter schreiben sollt, bedeutet nur, daß der Inn- und Saizachkreis nicht abgetreten werden soll.“ Darauf gaben sie ihre Unterschrift. Auf Grund dieser und anderer Erfahrungen meint der Land richter Kapfinger, die Bauern seien kaum zur Bewachung der Magazine zu gebrauchen, sie weigern sich sogar dagegen, daß ihre Häuser mit Quartier belegt werden. Keiner wolle auch nur zwei Tage von seinem Hause und seiner Familie abwesend sein.
2. Die Volksbewaffnung (Landwehr) 1813* Für den gewaltigen Kampf gegen Napoleon, zu dem sich Bayern schon vor dem Rieder Vertrag vom 8. Oktober vor bereitete, konnte das durch die vielen Feldzüge stark geschwächte *) Guttenberg, Die Nationalgarde II. Kl. in d. Befreiungskriegen S. 285.
87 aktive Heer nicht mehr genügen und mußte die Nationalgarde II. Klasse, die mobilen Legionen als Reserve herangezogen werden, obwohl sie eigentlich nur zum Schutze des Reiches im Innern bestimmt war. (Die Bedingung wurde stark betont, damit Napoleon keine Ansprüche erheben könnte.)1) „Mobile“ hießen diese Abteilungen, weil sie die noch nicht seßhaften und ver heirateten jungen Leute bis zum 40. Lebensjahre umfaßten, die noch nicht zum aktiven Heere eingerückt waren. Kein „beweibter“ Mann durfte angenommen werden, außer er verzichtete für sein Weib und seine Kinder auf alle Ansprüche an Witwen- und Waisenkassen. Auch Fürst Ludwig wollte im März in die Le gionen eintreten, wurde aber von seinem Vertreter (Langen) in München abgehalten, da sich der Adel zurückhaltend zeige. Es waren eben nicht immer die besten Elemente, die dafür in Be tracht kamen und zwar umsoweniger, je länger die Vorbereitungen dauerten. Da gab es nicht nur vom Los Begünstigte, Über zählige, die wegen der Überfüllung der Cadres nicht hatten schon bälder eingestellt werden können, sondern auch schwer Faßbare, Studenten, Schreiber, Handwerksgesellen. Manche Legionisten entliefen, als sie ins Feld marschieren sollten und stellten sich wieder2), nachdem Freiwillige angeworben wurden, mußten aber zur Linie gehen. Weit über die Kreise der Pflich tigen hinaus gingen die Heeresbedürfnisse und in diesem Sinne erließ der König 28. Oktober einen Aufruf: „Euere Söhne und Brüder sind mit Österreichs tapferen Scharen ausgezogen, ihre rühmlichen Anstrengungen müssen unterstützt, der Triumph der gerechten Sache muß gesichert werden.“ Zu diesem Zwecke sollte alles Zusammenwirken, niemand ausgenommen, die einen mit Waffen, die andern mit Geld. „Während mein jüngster Sohn in den Reihen des Heeres mit den eurigen streitet“, er klärte der König weiter, „wird mein erstgeborener an der Spitze der gesamten Landesbewaffnung stehen.“ Der Kronprinz erhielt das Oberkommando der im Innern zu bildenden Reservearmee, wozu nicht nur Reservisten, Legionisten, Freiwillige (die National garde II. Klasse), sondern auch bis zu einem gewissen Grade der *) Guttenberg, Die bayer. Nationalg. II. Kl. in den Befreiungs kriegen 177, (der übrigens den Grund nicht kennt). 2) 25. Nov. zu Forchheim und Kronach.
88 Landsturm, Landwehr genannt, die Nationalgarde III. Klasse gehören sollte, d. h. die waffenfähigen, verheirateten Männer bis zum 60. Lebensjahr. Die schon früher geplante Ausdehnung des Bürgermilitärs auf das flache Land bekam nun ein ernsteres Gesicht, wenigstens nach außen.1) Denn die Regierung wollte mit einer großen Zahl von Wehrmännern auf warten und Bayern den großen Staaten ebenbürtig an die Seite treten. Dies sei nur möglich, führt eine gleichzeitige Denkschrift aus2), wenn es neben einem aktiven Heer von 30000 Mann noch etwa 100000 Nationalsoldaten be waffne. (Auf dem Papier stand bald die dreifache Zahl.) Nur sollte die-Ausrüstung die Finanzkraft des Staates nicht erschöpfen und die Bürgerwehr überhaupt nicht unbequem werden und eine geschlossene Macht bilden; denn sonst „stand sie einer Rück kehr zu napoleonischen Allianzen im Wege“, wie Fürst Ludwig später bemerkt. Aber gerade weil sie das Volksbewußtsein hob, setzten sich viele deutschpatriotische Männer warm für sie ein, vor allem der Kronprinz selbst, der schon lange ein Gegner solcher Allianzen war und sich auf die öffentliche Meinung ge stützt hatte, sodann Clemens v. Leyden, der Oberstkämmerer Fugger-Babenhausen und der Obersthofmeister Ludwig v. ÖttingenWallerstein, der alsbald dem Rufe des Königs folgte: „Die Edel sten der Nation seien die ersten, sich um den Kronprinzen zu versammeln.“ Und mit den hohen Adeligen arbeiteten die hohen Beamten einträchtlich zusammen, wie der Fürst einmal rühmend hervorhebt, nachdem die Eintracht in die Brüche gegangen war.3) Ein Bruder des Fürsten (Franz Ludwig) stand im baye rischen Heere und fiel bei Hanau. Ein jüngerer Bruder (Friedrich), Oberst in der württembergischem Brigade des Grafen Normann, hatte bei Leipzig auf der Seite Napoleons mitkämpfen sollen, ging aber mit diesem noch während der Schlacht zu den Verx) Bis dahin rechnete man im Oberdonaukreis 10 530 Mann (zu Augsburg 1788), im Illerkreis 5831. 2) Anonyme Handschrift gerichtet an den Kronprinzen mit Be merkungen von Lerchenfeld. 8) Viele Verdienste erwarb sich Frh. v. Falkenhausen im Rezatkreis, der Lokalkommissär von Augsburg Frh. v. Fraunberg, der Polizei direktor v. Andrian (Allg. Ztg. 10. Nov. 1., 6. Dez. 1813), Gravenreuth in Eichstätt, Stichaner in Kempten, Dörnberg in Ansbach.
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bündeten über, was ihm den gewaltigen Zorn des Königs Fried rich eintrug. Während dieser ereignisvollen Zeit hatte sich Fürst Ludwig in Wallerstein aufgehalten zu seinem eigenen Verdruß und Ärger. Es hat ihn mit Unwillen erfüllt, daß er in dieser großen Zeit sich mit Quisquilien herumschlagen mußte wie mit den leidigen Hoftheateraktien, die er seinerzeit in ziemlich großer Höhe übernommen hatte.1) Zu gleicher Zeit zogen ihn die Bemühungen verschiedener mediatisierter Stände um Wieder herstellung der früheren Verfassung in ihren Kreis. Nach der Auflösung des Rheinbundes hofften sie von den Großmächten die Erfüllung ihrer Wünsche und zwar nicht ohne Grund (Öster reich und Preußen zeigten sich geneigt). Fürst Ludwig trat mit seinem Onkel, dem Reichshofratspräsidenten Philipp in erneute Beziehungen und es ging ein reger Briefwechsel hin und her. Von München erhielt er am 27. Oktober einen Reisepaß nach Wien, und er reiste anfangs November ab, kam dabei auch nach Salzburg, wo sich der Kronprinz mit seinem Stabe befand. Durch ihn ließ sich der Fürst, dem die allgemeinen Interessen immer über den besonderen standen und den eine aufrichtige Vaterlands liebe beseelte, für eine dankbare Aufgabe gewinnen und von andern Absichten ablenken. Mit ihm besprach er, wie er selbst berichtet, die Ausführung des Planes, die von Montgelas zu gelassene Anwerbung freiwilliger Jäger und Husaren, die sich 1809 gut bewährt hatten, zu einer Landwehr zu erweitern, „eine Wehrhaftmachung des gesamten Bürgertums zur Verteidigung alles dessen, was ihm teuer wara, eine wahre Nationalbewaff nung, die ganz seinen liberal-demokratischen Anschauungen ent sprach, zunächst im Oberdonaukreis zu organisieren.2) Am 15. November erließ der König ein Reskript, worin es heißt: „Wir finden uns bewogen, dem Fürsten Ludwig zu ÖttingenWallerstein die Leitung der bereits durch Verordnung vom 27- Oktober ausgesprochenen allgemeinen Landesbewaffnung im Oberdonaukreis zu übertragen. Derselbe hat sich mit dem General kommissariat des Kreises ins Benehmen zu setzen, alle auf die Landesbewaffnung bezüglichen Gegenstände zu dirigieren und besonders die Bildung des Korps der Freiwilligen zu betreiben.® x) Nördlinger Jahrbuch 1915 S. 97. 2) Abel und Wallerstein (Stuttgart 1840) S. 9.
90 Nachdem er schon zuvor den Titel Kreiskommandant erhalten hatte, brachte ihm der 13. Dezember den Titel eines General majors mit der Uniform des freiwilligen Jäger- und Husarenkorps. Während der Kronprinz am 28. November klagt, daß noch nichts geschehen sei, konnte Fürst Ludwig ihm nur Günstiges berichten. Von seinen Ansprachen rühmt er sich selbst, sie haben die Leute förmlich elektrisiert. Allerdings war 'die Begeisterung nicht überall selbstlos. Viele lockten Versprechungen, viele die Aussicht auf eine Vorzugsstellung, weshalb der Kronprinz öffent lich erklären mußte, es sei kein Beweis großer Anhänglichkeit an die heilige Sache, nur dann freiwillig die Waffen zu ergreifen, wenn eine mit einem bestimmten Rang versehene Anstellung winke.1) „Daran denke jeder, daß es nicht Annahme eines neuen Standes ist für Lebensdauer, sondern nur während des Krieges Beiseitlegen des früher ergriffenen Standes, um dann nach eigenem Wohlgefallen sich in denselben wieder zu begeben. Selbstsucht sei unter allem das Verderblichste.“ Besonders liefen viele Bewerbungen um Offizierstellen ein sowohl für die Landwehr als für das freiwillige. Jägerkorps. Daher erließ Fürst Ludwig vom vorläufigen Sitz des Kreiskommandos, von Wallerstein aus den 1. Dez. ein Ausschreiben, worin er die Gesuchsteller auf fordert, innerhalb zehn Tagen persönlich in W^allerstein zu er scheinen, versehen mit obrigkeitlichen Zeugnissen über Herkunft, Erziehung, Bildung und Aufführung. Bei früheren Offizieren, kgl. Beamten im Range von Landrichtern und adeligen Guts besitzern mit Gerichtsbarkeit genüge aber eine schriftliche Mel dung. Viele Gesuche mußten abgewiesen werden. Manche Schwierigkeiten bot die Verhandlung mit Handelsleuten wegen der nötigen Uniformen und Ausrüstung. Fürst Ludwig forderte die Kaufleute des Oberdonaukreises auf, sich an die Ökonomiekommission zu Wallerstein zu wenden mit Anträgen über die Lieferung von Uniformstücken.2) Auf eigene Kosten richtete er eine Kanzlei ein, wofür ihn der Kronprinz am 14. Dez. warm belobt, erhielt aber zu seiner Unterstützung einen Adjutanten mit einem Monatsgehalt von 20 (später 15) Gulden und einer Pferdegratifikation (um 20 fl), ferner einen *) Andrians Geldversprechungen mißbilligte der Kronprinz (14. XII). 2) Tschakos von schwarzem Filz, stahlgrünen schwefelgelben Tüchern, schwarzen Gamaschentüchern und grauen Tüchern zu Chemisen.
91 Ordonnanzoffizier, dessen Gehalt nicht festgestellt wurde und der bald auch entzogen wurde, dann zwei Aktuare mit je einem Monatsgehalt von 33 fl, endlich einen Bureaudiener mit einem Monatsgehalt von 24 (30) fl. Sein Hauptquartier verlegte der Fürst alsbald nach Augsburg und richtete sich ein Bureau in Donau wörth ein, sodaß seine Tagesbefehle und Aufrufe bald von diesen Orten, bald von Wallerstein, April 1814 bis Oktober 1823 meist von Wallerstein ausgingen. Augsburg, das erst von 1817 an Regierungssitz des Oberdonaukreises war, zeichnete sich durch einen besondern Eifer aus. Innerhalb weniger Wochen vermehrte sich die Zahl der Diensttuenden von 1500 auf 1710, der Zahlenden (Reluenten) von 613 auf 1138.1) Am 14. Dez. erfolgte der Umzug des Fürsten nach Augs burg gleichzeitig mit der Übersiedelung des Kronprinzen von Salzburg nach München, wie die Allgemeine Zeitung berichtet. Zu Nördlingen fand ein feierlicher Empfang statt.2) Die National garde III. Klasse trat unter die Waffen, rückte ein Bataillon In fanterie, eine Schwadron Kavallerie stark in großer Parade aus und stellte sich auf dem „großen Platze“ auf der Südseite der Georgskirche im Viereck auf. Der Kommandant des Korps, Major Brechenmacher, begrüßte den Fürsten, den Stabs- und Ordonnanzoffiziere begleiteten, und der Fürst erwiderte den herz lichen Empfang mit folgender Anrede: „Nationalsoldaten! Seine Majestät der König hat allergnädigst geruht, mir den Oberbefehl über die gesamten Nationalkorps des Oberdonaukreises zu über tragen. Ich bin stolz auf diesen erhabenen Ruf. Denn ich kenne die Denkweise meiner Landsleute und den Adel ihrer Gesinnung. Die Zeit ist gekommen, wo der Deutsche mit Freuden die Waffen trägt und wo die Stimme der Überzeugung den Mann an die vaterländischen Fahnen fesselt. Der Wille des Königs hat in wenigen Monaten ein zahlloses Nationalheer geschaffen. 80000 Bayern stehen gerüstet in den verschiedenen Kreisen; 14 800 zählt das Korps, das meinem Kommando anvertraut ist. Bald wird diese Macht sich zu einer dreifachen Größe erheben. Denn *) Dazu kamen Staatsdiener 310, Witwen mit Beitragspflicht 277. Am 12. November hatten sich alle Männer unter 60 Jahren conscribieren lassen müssen, auch Geistliche und Staatsdiener. 2) Vgl. den Vortrag des Prof. Mußgnug vom 14. Juni 1913 (Nördinger Anzeigeblatt).
92 keine Ausnahme ist ferner gestattet. Wer Bayer ist, tritt von heute an in unsere Reihen. Heimatlich ist unsere Bestimmung und nicht in feindliche Länder ruft uns das Gebot des Monarchen. Denn dort vertritt ein geregeltes Heer unsere Stelle und verjüngt durch neue Taten Bayerns, uralten Ruhm. Doch betritt der Feind den deutschen Boden und droht Gefahr dem Vaterlande, dann rechnet der König auf die Liebe seines Volkes und vertraut seine geheiligte Person den Freiwilligen, die sich zum Schutze Deutsch lands und der Dynastie erheben werden. In Zeiten des Friedens ist ruhiger Bürgersinn die Pflicht der Nationalsoldaten. Nicht ein Spiel sollen die Waffen in seinen Händen werden, nicht unterbrechen sollen sie sein häusliches Gewerbe. Aber bereiten muß er sich auf die Tage der Gefahr, damit er Mann bleibe und dem Lande ein Retter werde in der ernsten Stunde. Kameraden! Ihr steht gerüstet zu jedem Kampfe. Ein edler Geist wohnt in eurer Brust und ihr verleugnet nicht die Gesinnung eurer Väter. Ich zähle auf euch. Ihr werdet ein Beispiel werden den neu gebildeten Bataillonen. Und kommt der Tag . . .“ Bei diesen Worten unterbrach ein lauter Freudenruf den Fürsten: Hoch lebe der König! Hoch lebe der Kronprinz! unser Generalissimus! erschallte durch alle Lüfte, die Offiziere wandten sich zu ihren Soldaten, und „Wir alle sind freiwillig!“ widerhallte von allen Seiten. Gerührt umarmte der Fürst den Major, der im Namen des Korps die Erklärung wiederholte, daß in der Zeit der Ge fahr sie in Reih und Glied stehen werden. „Kein Freiwilliger tritt aus unsern Reihen, denn wir alle stehen dem König zu Gebote und fechten unter dem Befehle des Kronprinzen und unseres verehrlichen Kreisgenerals überall, wohin uns die väter liche Stimme der Regierung ruft.“ Der Fürst erwiderte diese Rede durch folgende Worte: „Teuere Waffenbrüder! Vernehmet durch mich die Stimme des Königs. Er wird mit Huld auf Euere Liebe herabsehen. Vernehmet den Dank unseres angebeteten Obergenerals. Euere Worte werden ewig seinem Herzen innewohnen. Ihr habt meine Erwartung gerechtfertigt. Nie werde ich von Euch scheiden, und wohin mich auch meine Bestimmung rufe, am Tage des Kampfes sollt Ihr mich an Euerer Spitze finden.“ Auf der Stelle ordnete, wie der Adjutant Eckart berichtet, der Fürst einen Ordonnanzoffizier an den Kronprinzen ab, und verließ das Carre unter Zuruf der begeisterten Truppen.
93 Die eben durchmarschierende russische Garde war Zeuge dieses Schauspiels, und die neuen Waffenbrüder umarmten sich mit „unaussprechlicher Herzlichkeit“. Der Fürst befahl, daß „dieses schöne Benehmen zur Kenntnis ihres gesamten Korps gebracht und vor der Front jeder Abteilung öffentlich vorgelesen werde“. Am nämlichen Tage (14.) folgt das Bataillon Donauwörth dem Beispiele Nördlingens. Um 10 Uhr abends versammelte sich die Bürgerschaft unter den Fenstern des Gasthofes zum Krebs, wo der Fürst abgestiegen war, und forderte unter tausend mal wiederholtem Vivatrufe der Erklärung Nördlingens beigezählt zu werden. „Der würdige Major Dietrich, so verdient um das Institut der Nationalgarde, bewährte seinen alten Ruhm, sandte Offiziere an alle nahe gelegene Korps mit der glänzenden Kunde und das Landvolk eilte dem Vorbilde nach. Greise von 70 Jahren sinken zu den Füßen ihrer Beamten und bitten, der Landes bewaffnung beigezählt zu werden. Leibesgebrechen werden ver borgen und der allgemeine Wunsch fordert Gefahr und Kampf für König und Vaterland.“ Am Tage darauf berichtet Eckart: „Was die Städte Nördlingen und Donauwörth rühmlich begonnen, dies hat Augsburg, wohin die Kunde alsbald gedrungen war, auf die glänzendste Weise vollbracht! Allgemeiner Jubel herrschte über die auf den 16. nachmittags 3 Uhr festgesetzte Parade. Gegen halb 3 Uhr empfing der Fürst das Offizierkorps, verfügte sich nach dem Domplatze, wo ein Regiment Infanterie, ein Bataillon Schützen, ein Regiment Kavallei ie und eine Abteilung Artillerie nebst dem geeigneten Geschütz unter Kommando des Obersten Dietz auf gestellt waren.1) Schon aus der Ferne tönte dem Fürsten ein allgemeiner Freudenruf entgegen, der die ganze Zeit der Mu sterung mit heiliger Begeisterung währte. Nach vollzogener Heer schau bildeten sich vier Uarres, in deren Mitte sich nach und nach der Fürst verfügte und sie mit seinem Stabe anfeuerte. Eine heilige Stimmung ergriff die Mannschaft, ein inniges Lebehoch ward dem Könige und dem Obergeneral dargebracht, und der Oberst Dietz beschwor in seiner Truppen Namen bei der Fahne das Korps, daß wenn oer Feind den deutschen Boden beträte, 2) Dietz, im Zivilberuf Kaufmann, war ein rühriges Mitglied der evangelischen Kirche (Presbyter der St. Ulrichsgemeinde).
94 die gesamten Nätionaltruppen Augsburgs sich unter Führung des Kreiskommandanten erheben und willig dem Feinde entgegen treten würden/ Dieses Gelübde schloß mit den Worten: „Deutsch land bleibe frei, sollte seine Unabhängigkeit auch teuerer als die Spaniens erobert werden/ »Bei diesem Ausrufe pflanzten die Soldaten ihre Hüte auf die Bajonetts, die Zuschauer stimmten in den allgemeinen Enthusiasmus ein, und der Fürst fiel dem wür digen Kommandeur gerührt um den Hals/ „Kameraden“, sagte der Fürst, „unüberwindlich ist der Staat, den ein solches Heer beschützt, auch ich schwöre Treue dieser Fahne, und nur über unsere Leichen steht dem Feinde der Weg nach Bayern offen/ Mit diesem feierlichen Akte schloß sich eine Begebenheit, wo rüber ein Tagesbefehl durch Stafetten an alle Korps nach Neu burg, Eichstätt, Nördlingen, Donauwörth und Dillingen gesandt und vor der Front verlesen wurde. Der Schluß lautet: „Wahret den edlen Sinn, der euch belebt. Wahret den Haß gegen das Fremde, der sich in eueren Worten aussprach, und nahet Gefahr dem Vaterlande, dann bewähret, daß dieses in seinem Volke den Bürgen seines Daseins hat/ J) Durch die besten Erfahrungen beglückt, eilt der Fürst nach München zum Kronprinzen und überbrachte ihm die frohe Nachricht. Im Anschluß an den berühmten Aufruf des Kron prinzen am 16. Dezember, der in allen Kirchen verlesen wurde*2), erließ der Fürst am 18. in München eine rührende Proklamation, worin es u. a. heißt: »Jünglinge des Oberdonaukreises! Schon haben euere Väter den Erwartungen des Prinzen entsprochen, gerüstet stehen sie innerhalb Bayerns Grenzen, den nahenden Feind kühnen Mutes zu bekämpfen. Nun ist es an euch zu be weisen, daß ihr euerer Abkunft nicht unwert seid/ „Ein Kreuzzug ist es, den wir unternehmen gegen Feinde der Religion und der Heimat/ 3) Viele Nationalgarden boten sich an, auch außerhalb des Landes zu dienen, so die von Memmingen, Weißenhorn, Mindelheim, Babenhausen, Pfaffenhausen und Kempten, ferner von Kaufbeuren, Nesselwang, Füssen.3) x) 2) S. 384; 3)
Äugsb. 16. Dez. S. den Wortlaut Allg. Ztg. 19. Dez. Abgedruckt z. T. bei Heigel, Quellen und Abhandlungen 1890 Reidelbach, König Ludwig I. S. 285. Allg. Ztg. 8. Jan. 1814; Akten vom Feb. 1814.
95 Am 22. und 23. Dezember hatte der Fürst die Genugtuung, den König und die Königin auf ihrer Rückreise von Karlsruhe nach München durch verschiedene Städte zu geleiten. Der Monarch, heißt es in der Allgemeinen Zeitung (26.), legte bei dem Eintritt in den Kreis das streng beobachtete Inkognito ab und nahm die Parade über das Korps ab, deren Meldung durch den Fürsten übergeben worden war. Nachdem die Majestäten die Nacht auf den 23. Dezember in Günzburg verbracht hatten, begleitete sie der Fürst durch den ganzen Kommandobezirk und alle Nationalgarden brachten ihnen ihre begeisterte Huldigung dar, am 23. die Augsburger Bürgergarde. Die Kavallerie ritt voraus. Die Fußtruppen entfalteten sich in der „schönen Maxi milianstraße“. Der Freude des Volkes beim Anblick der Majestäten entsprach deren huldvolle Art. Der Kronprinz schrieb dem Fürsten: „Mit vielem Vergnügen habe ich den Eifer und die patriotischen Gesinnungen der Stadt Augsburg vernommen. Die Bereitwilligkeit, mit welcher die Nationalgarde ihre Dienste antrug, bürgt mir, wie sehr ich in den Augenblicken, wo das Vaterland ihrer bedarf, auf sie zählen kann. Empfangen Sie dafür meinen Dank und die Versicherung meiner ganzen Zufriedenheit.“ Mit den Augsburger Behörden wie mit den Eichstättern wußte sich der Fürst aufs Beste zu stellen und erst später ergaben sich Trübungen. Die Regierung beglückwünschte sich, einen Mann gefunden zu haben, der so tiefe Kenntnisse und Er fahrungen besitze, den hohe Einsichten und großer Patriotismus auszeichne und der durch Beispiel und Taten anregend wirke. Ueber die Beziehungen zu dem Generalkommando, an dessen Spitze ein Graf von Serego stand, erfahren wir nichts weiter, nichts günstiges und nichts ungünstiges. Besonders erfreut über den Eifer des Fürsten war der Kronprinz Ludwig, der dem König am 24. Februar 1814 vorschlug, den Fürsten an Stelle des erkrankten Obersten von Hauer mit dem Kommando des Rezatkreises zu betrauen, wozu auch das Ries gehörte. Das Oberkommando, sagt der Kronprinz, kenne den Eifer des Fürsten und seine ersprießliche Tätigkeit und es empfehle ihn, da es glaube, daß der Rezatkreis eines Kommandanten bedürfe, dessen volle Tätigkeit in Anspruch genommen werden könne. Der König genehmigte den Antrag am 26. Februar, und als Hauer nach seiner Genesung wieder angestellt werden wollte, wies der
96 Kronprinz am 10. April seine Bitte ab. Zwei Jahre später erhielt der Fürst auch den durch den Wegfall der Tiroler und Vorarl berger Bezirke verkleinerten Illerkreis zugewiesen, nachdem der Oberstkämmerer Fürst Anselm Fugger auf die Stelle ver zichtet und Oberst v. Uchtriz sie eine zeitlang versehen hatte. Anselm Fugger, der „würdige Enkel der deutschen Medicäer“, hatte sich als Verfasser .einer Schrift bekannt, die sich heftig gegen die ehemaligen Rheinbundfürsten aussprach. Alle Souveräne des Rheinbundes werden darin nach dem Bericht vom 19. Dez. 1814 auf die unehrerbietigste Weise verunglimpft und eine Um wälzung der ganzen Staatsverfassung angestrebt.1) In der Schrift heißt es z. B.: Da der von Westen eindringenden wilden Fluten die großen Staaten sich nicht hätten erwehren können, haben sich einige Schwimmer kühn in die trügerischen Wellen gestürzt und gerufen: „Laßt uns mitschwimmen“. Die Gerichtshöfe des Rheinbundes seien gegenüber den Mediatisierten Beklagte und Richter zugleich gewesen. Eigentliche Beleidigungen stehen nicht darin. Immerhin sind die Ausführungen auffallend, nach dem eben Anselm v. Fugger 1810 freiwillig auf seine ganze Gerichtsbarkeit verzichtet hatte, was ihm ein hohes Lob in dem Regierungsblatte eingetragen hatte. Seine Schrift lag schon am 9. November 1813 gedruckt vor, an welchem Tage sie nämlich der 25 Jahre ältere frühere Vormund dem jungen Fürsten Ludwig übersandte mit der Unterschrift totus amicus ohne Namensnennung. Er bemerkt darin, es wolle mit seinem Kreiskommando nicht recht vorangehen, vielmehr soll ein ehemaliger holländischer General Mayer für den Illerkreis bestimmt sein. Vielleicht war von seinen Meinungen doch schon etwas durchgesickei t und Mißtrauen er regt worden. Umsomehr konnte sich Fürst Ludwig geehrt fühlen, da ihm die neugewonnenen Provinzen anvertraut wurden, deren Bewohnern gegenüber die Regierung sich nicht jeden Argwohns entschlagen konnte, vermutlich nicht ganz ohne Grund. Sie tat keinen ungeschickten Schachzug, indem sie an ihre Spitze einen loyalen Mediatisierten stellte, der einen beruhigenden Einfluß ausübte und dadurch mittelbar den Bestrebungen und Hoff nungen seiner eigenen Standesgenossen entgegenarbeitete. J) Die Schrift trägt den Titel „Materialien zu Germaniens Wieder geburt als Beitrag zu den Beherzigungen des Wiener Kongresses von einem deutschen Fürsten entworfen.“ (18i4).
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3. Die Freiwilligenkorps 1814/15* Die Anwerbung von Freiwilligen zielte besonders auf vermögliche Leute ab, die ein Pferd stellen und unterhalten konnten, und der Staat seinerseits versprach 100 Gulden Zuschuß und ver pflichtete sich zur Einreihung in ein freiwilliges Husarenkorps. Vom Oberdonaukreis meldeten sich in der Tat so viele als in den übrigen Kreisen zusammen, wie der Fürst meldet1), oder wenigstens dreimal so viel als das für jeden Kreis bestimmte Kontingent ausmachte.2) 220 Mann wurden nach Namen und Herkunft verzeichnet im Intelligenzblatt des Oberdonaukreises, das letztemal 25. Juni (lange nicht alle wie sich leicht berechnen läßt). Im Riese z. ß. stellte Hohen- und Niederaltheim 7 Mann, Möttingen, Bissingen je 2, Schopf lohe, Bollstadt, Diamantstein 1. Die Husaren hatten sich in München zu sammeln und der Fürst hatte nichts mehr damit zu schaffen. Zu München waren schon am 11. Jan. von Augsburg 160 Husaren eingetroffen, 40 weitere hatten sich gemeldet. Am 28. Jan., dem Namenstage der Königin, rückten schon 1200 Husaren aus und bildeten ein Regiment zu 8 Schwadronen (ä 150 Mann mit 125 Pferden) und im August betrug ihre Zahl 1710.3) Der Fürst bemühte sich vergebens, Inhaber (Proprietär) der Husaren zu werden. Nach 1815 wurden sie Chevaulegerregimentern zugeteilt.4) Zahlreich ließen sich auch Jäger werben und von glänzen den Aussichten bestechen, nicht am wenigsten von äußerem Glanze. Nicht bloß die prangende Husarenuniform, sondern auch die schmucke Jägertracht stach manchem in die Augen. Der arme Schmeller, der später so berühmt gewordene Germanist, konnte sich nach seinen Worten in das Leutnantsgepränge gar nicht schicken und fand die Ehrerbietung der Leute fast unerträglich. Zur Ausstattung der Freiwilligen liefen viele Beiträge ein, freilich nicht alle ganz freiwillig, wie wir gleich hören werden. Immerhin spornte die Begeisterung zu größeren Leistungen an. Innungen und Private, schreibt der Fürst, wetteiferten miteinander. Der 0 Allg. Ztg. 11. Jan. 1814. Sechs Schwadronen nach der Allg. Ztg. vom 13. Jan. 2) Geißler, Geschichte des 16. Infanterieregiments S. 7. b) Abel und Wallerstein, S. 9, rundet die Zahl noch ab zu 1800. 4) Münich, Entwicklung d. bayerischen Armee 267, 356; Müller, Organisation und Bewaffnung d. bayer. Armee 50.
98 Handelsstand zu Augsburg rüstete eine volle Kompagnie und einen Zug Husaren aus, er brachte 13287 fl auf, wovon 132 Jäger, 20 Husaren ausgestattet wurden. „Die edle Bürgerschaft dieser Stadt“, fährt der Fürst fort, „legt in dem Augenblicke, wo sie Blut und Leben dem Staate darbietet, und wo die Folgen langer, schrecklicher Einquartierungen noch mächtig walten, 6000 Gulden auf den Altar des Vaterlandes nieder.“ »Die Kinder opferten ihre Patenpfennige, und ein siebzigjähriger Pfarrer seine ganze Habe, eine silberne Dose und einen Schuldbrief von 75 fl.“1) »Der patriotische Verein von Nürnberg verpflichtet sich zur Unifor mierung von (50) Jägern mit 6611 fl 43 kr, zur Equipierung und Uniformierung von (6) Husaren mit 933 fl und zu einem monat lichen Beitrage von 87 fl 9 kr.“ Eine spätere Zusammenstellung von Ende Januar 1814 verrechnet die Beiträge für das Jäger- und Husarenbataillon im Oberdonaukreis auf 43340, im Rezatkreis auf 46 339, im Illerkreis auf 32 954, wozu noch viele Uniformen und andere Ausrüstungsgegenstände kamen.2) Dem betreffenden Akte des Kriegsministeriums geht eine Verfügung voraus von 1793 (6. Juli), wonach 40 Familien, große und kleine Güter, zusammen stehen und einen Mann stellen sollten. Auf Grund dieses bis in die Karlingerzeit zurückreichenden Gewohnheitsrechtes 3) hatte schon 1809 eine kgl. Willensäußerung die Erwartung ausgesprochen, daß Waffenuntüchtige und die befreiten Staats- und Kirchendiener im Verhältnis zu ihrem Einkommen andere Pflichtige ausrüsteten oder eine Reluition bezahlten4), gestattete das Gesetz doch auch dienst fähigen Reichen eine Ablösung und Stellvertretung. Bedürftigen Freiwilligen gewährte der Staat einen Zuschuß von je 30 fl. Im Jahre 1809 waren auf einen Trupp von 30 Jägern etwa 2, 4 und mehr Berittene gekommen. Dieses Verhältnis konnte jetzt nicht mehr aufrecht erhalten werden und insofern ist es richtig, daß sich eine gewisse Unzufriedenheit einstellte.5) Trotzx) Allg. Ztg. v. 13. Jan. 1814. 2) Die Einzahlungen wurden durch das Regierungs- und Kreisblatt 1814 zur allgemeinen Kenntnis gebracht. Obige Summe steht bei Geißler, G. d. 16. Infanterie-Regiments S. 8. Dagegen verrechnet das Intelligenzblatt für den Oberdonaukreis 3. Sept. nur 21 048 fl. b) Vgl. Grupp, Kulturg. des Mittelalters IV, 232. 4) Montgelas, Denkwürdigkeiten über die innere Staatsverwaltung 154.. 5) Gilardone a. a. O. 57. Augsburger Allg. Ztg. 20. Dez.
99 dem hatte auch der Fürst nicht unrecht, wenn er schreibt: „Das Beispiel der Väter hat auf die Söhne gewirkt und zahllose Frei willige meldeten sich zu der Waffe der Jäger.“ Wie viele waren es wohl? Die Allgemeine Zeitung vom 13. Jan. gibt ganz unmögliche Zahlen an, indem sie Freiwillige und Landwehr nicht unter scheidet.*1) Der Fürst selbst spricht später von 8000 Jägern und einer doppelten Anzahl Reservisten, was auch zu viel ist, selbst wenn die zwei Kreise des Fürsten zusammengenommen und die vielen bald Entlassenen und Entlaufenen abgezogen werden, von denen wir noch hören werden.2)* Denn schließlich blieb in jedem Kreis nur 1 Bataillon übrig, das Bataillon zu 6 Kompagnien ä 150 Mann ohne Offiziere gerechnet.8) Aber die Zahlen der Allg. Zeitung haben eine bestimmte Tendenz, sie wollten einen starken Eindruck hervorrufen. Die Ordonnanzen des Fürsten, heißt es in der Allg. Ztg. weiter, „wurden in allen Gemeinden des platten Landes mit Freude aufgenommen; das Volk bewährte den Sinn der deutschen Urzeit und offenbarte durch ausgezeichnete Taten, daß ein schwerer Druck nur dazu diente, dem Nationalcharakter eine neue geläuterte Festigkeit zu geben.“ „HofratSack zu Höchstädt, ein Greis von 64 Jahren, dessen beide Söhne im Dienste des Vaterlandes gefallen und dessen Jüngstgeborener durch Wunden gelähmt war, reihte sich in die Zahl der Vaterlands Verteidiger ein, ebenso der frühere Oberleutnant T. v. Metzger zu Burgau, 62 Jahre alt.“ Die Anmeldung der freiwilligen Jäger nahm zu Augsburg vom 16. Dezember an entgegen der Major K. F. von Seckendorf4)* als Bataillonskommandant, dem ein Adjutant und Quartiermeister, 3 Hauptleute, darunter Adigola, der zugleich Adjutant des Kreis*) 74 Komp. Inf., 10 Komp. Schützen, 6 Schwadr. Kavallerie, 1 Komp. Artillerie für den Oberdonaukreis. 2) Abel und Wallerstein S. 9. Am 16. Februar sagt der Fürst, 30 000 Mann stehen in seinen zwei Kreisen unter Waffen. 8) In einem unlösbaren Widerspruch zu den Angaben des Fürsten steht die Bemerkung Geißlers a. a. O. 7, die übrigen Kreise hätten an den Oberdonaukreis Mannschaften abgeben müssen. War es nicht viel mehr umgekehrt? 4) Schmeller nennt ihn den Major blinzelnden und umgotteswilligen Andenkens, rühmt aber seine prächtige Erscheinung. 7*
100 kommandanten war, ferner 12 Leutnante zur Seite standen.1) Im Rezatkreis besorgte dieses Geschäft Major v. Falkenhausen, im Mainkreis ein Generalmajor v. Meyern, der wegen seiner Un beliebtheit wenig Erfolg hatte.2) In Betracht kamen die Jüng linge, die jünger als 20 und älter als 23 Jahre waren, .vor allem Studenten, Praktikanten, Forstknechte, schlechtweg Jäger genannt. Auch viele jüngere Beamten waren bereit, aber die Regierung entließ sie nur, wenn sie einen Ersatzmann auftrieben, mit dem sie sich über die Gehaltsteilung durch Privatausgleich zu ver ständigen hatten. Besonders viele Freiwillige kamen aus Augs burg und seiner Umgebung, Göggingen, Lechhausen, aus Leipheim und Günzburg. Auch Kriegsgefangene erschienen und zwar französische und deutsche aus den Kämpfen vor dem Oktober 1813, Elsässer, Vorarlberger, Schweizer, Hamburger, aber gerade bei diesen war die Freiwilligkeit nur Schein 3), wie denn auch viele in der Folge wieder entliefen. Vom Lande stellten sich auffallend viele Handwerker, mehr als Bauern und Bauernknechte, und der Eifer war nach Gegenden und Pfarreien verschieden. In der näheren Heimat des Fürsten im Ries kam aus dem süd lichen und östlichen Teil fast von jeder Ortschaft ein Mann4), während im nördlichen Ries außer Öttingen nur noch Fremdingen und Minderoffingen vertreten war. Um den Eifer zu beleben, erließ* Fürst Ludwig am 13. Febr. von Donauwörth aus ein begeisterndes Rundschreiben an die x) Ihre Namen sind veröffentlicht im Regierungsblatt 1814 S. 171. 2) Geißler a. a. O., S. 11. 8) So nach Schmeller, der etwas skeptisch urteilt (Tagebuch vom 16. Febr. 1814). Nach ihm hätten sich nur Deutsche oder angebliche Franzosen gestellt. Nach den Akten des Generalkommandos vom 2. Januar 1814 waren eine größere Zahl von Franzosen aus Ingolstadt in Augsburg angekommen, unter denen das Fieber ausbrach. 4) Dadurch kam ihr Ruf wieder zu Ehren, nachdem er durch die Rekrutenrevolten 1806 schwer gelitten hatte. (Nördlinger Jahr buch 1915 S. 81). Aus Bissingen erschien 1 Seiler, aus Bühl 1 Zirkel schmied, aus Deggingen 1 Bader, von Wallerstein kamen 2 Schuster, 2 Schneider, 1 Metzger, 1 Nagelschmied, 2 Weber, 1 Hafner, aus Oettingen 2 Schuster, 1 Hutmacher, 1 Handelsmann, aus Nördlingen 1 Student, 1 Weber, 1 Bäcker, 1 Binder, 1 Schuster, aus Harburg 1 Brauknecht, 1 Handelsmann, 1 Forstjäger. Andere Jäger kamen aus Bosacker und Wemding.
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Pfarrer1), worin er sie bat, auf die Jugend einzuwirken und erntete einen entsprechenden Erfolg. Trotz des Einspruchs der Wallersteiner Domanialkanzlei gewährte er selbst mehreren seiner Förster Urlaub für das Heer. Manchmal schlichen sich auch zweifelhafte Elemente ein. Ein gewisser Ostertag von Balgheim, der auf 6 Jahre kapituliert hatte, war desertiert und meldete sich zu den Jägern (Feb. 14). Über dieses Ereignis ergoß sich eine Flut von Akten, deren Quintessenz ist, Deserteure müßten von den Freiwilligen ferngehalten werden. Übrigens war es auch den Jägern nicht immer so ganz ernst und es ging den meisten, urteilt Schmeller, nicht recht von Herzen, als sie schwören mußten, gegen den Feind zu ziehen. „Die Menschen werden doch überall nur so als Maschine ange trieben“. So ganz „freiwillig“ war selbst Schmeller nicht, der bis dahin keinen rechten Beruf gefunden hatte.2) Als er am 4. Januar sich dem Kronprinzen persönlich vorstellte, um bei der Landesverteidigung verwendet zu werden, mußte er, wie er erzählt, eine zeitlang im Vorzimmer warten und unterhielt sich mit einem „Bebänderten“. „Da kam ein junges Herrchen in 0 In der Einleitung heißt es: Die Geschichte der Zeit ist dem Blicke des Herrn Pfarrers nicht entgangen. In dem verflossenen Jahr hunderte entfaltete sich das Prinzip einer verderblichen, alles umwäl zenden Atheistik — die Treue sank, die Liebe ward der Menscheit fremd und der Glaube, jene Grundveste des Lebens, schwand aus dem Gemüte, wie aus den Sitten der Völker. Gott hat in seiner Gerech tigkeit die Sünden der Christenheit erwogen und über unsern Weltteil eine schwere Strafe verhängt. Millionen haben geblutet, Krieg und Verheerung waren über die Erde verbreitet und tief in die Verhältnisse der Nazionen, so wie in jene der Familien griff des Himmels allgewaltiger Zorn. In dieser leidenschweren Zeit läuterte sich wunderbar der Wille des Menschen. — Ihr Auge blickte wehmütig auf die Bilder der Vorzeit, und ein neues Geschlecht ward erzogen in Andacht und Buße. Und alsbald wand auch der Herr sein Erbarmen nach seinem Volke. — Ein kleiner Stamm des Nordens erhob sich in heiliger Begeisterung und das Kreuzeszeichen schmückte seine Fahnen, und die Engel des Sieges leiteten seinen Kampf. Das preußische Heer zog nach dem Rheine, und die Geissei des Himmels zerbrach eine blutige wunderbezeichnete Schlacht. 2) Nicklas, Sclunellers Leben 73. (Das Buch ist ziemlich ober flächlich und führt aus seinen Tagebüchern leider nur das am wenigsten Charakteristische an).
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Landhusarenuniform, von Silber strotzend, mit fürstlichem Stern. Ich bin ganz außer Athem, sagte er, der Kronprinz ließ mich schnell holen, als ich noch im Negligee war. Die ganze Nacht habe ich diktiert. Durch ein Unglück sind mehrere Rapporte verbrannt, die' wieder neu gefertigt werden müßten — fühlen Sie, ich bin ganz glühend, sagte er, die Wange streichend, in den Spiegel sehend, die Haare kräuselnd. Aber Ihre Uniform ist köstlich, sagte der Bebänderte. Sie hat mich ohne Pferd 3000 fl. gekostet.“ Es war Fürst Ludwig (damals 23 Jahre alt, lange nicht so klein, wie ihn Schmeller schildert). Über Ludwigs Tätigkeit in dieser Zeit ist leider den Akten nur wenig zu ent nehmen. , Es muß hier viel verloren gegangen sein. Nur ein schon gedruckter Brief vom 27- März gibt einige Aufklärung. Hier heißt es: „Durchlauchtigster Kronprinz! Gnädigster Herr! Gestern traf ich in Augsburg ein und hielt Musterung über das dortige freiwillige Jägerbataillon. Ich kann E. K. H. nicht genug den Geist und die Haltung rühmen, welchen ich in dieser neuen Truppe wahrnahm. Nicht nur die Handgriffe sondern auch die Chargierungen und Märsche wurden mit einer Präzision voll bracht, welche meine Erwartungen in hohem Maße übertraf. Die Kolonnenmärsche und der größte Teil der Evolutionen sind gleichfalls vortrefflich eingeübt und ich darf behaupten, daß dieses Bataillon zu den vorzüglichsten der Reserve-Armee gezählt werden dürfe.“ (Nun folgen einige Wünsche und Be schlüsse.) »Der Wunsch der Offiziere verlangt den Ausmarsch mit unaussprechlicher Sehnsucht. Ich wäre höchst glücklich, wenn E. K. H. dieses Verlangen seinerzeit nicht unberücksichtigt lassen und eine Gewährung sanktionieren wollten, welcher die gesamte Truppe mit heißem Verlangen entgegensieht. Indem ich E. K. H. diese Meldung pflichtgemäß erstatte, wage ich es für den Major F. v. Seckendorf, den Capitän Momm und den Adjutanten Höfele eine gnädigste Zufriedenheitsbezeugung in seiner tiefsten Ehrfurcht zu erbitten, womit harret Euer König lichen Hoheit untertänigst gehorsamster Fürst Ludwig.“1) „Das Reich glich damals einem großen Lager“, berichtet der Fürst einige Jahre später. „Man sah Bataillone sich in der Frist von Wochen bilden und noch war die Anstalt nicht vier Monate alt, *) Abgdr. bei Geißler a. a. O. S. 7.
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da stand schon die Mehrheit aller wehrfähigen Bayern in Reihe und Glied; größtenteils wohlgeübt und gesonnen, die damalige Sache mit unerschütterlichem Mute zu verfechten.® Als die Kaiser von Oesterreich und Rußland durch Bayern zogen, er klärten sie: „Welche Kraft ruht in diesem Bayern, wo jeder Bürger ein Soldat und das Land auf den ersten Wink ein großes Lager ist und wo in den Blicken der Landwehrmänner ein solches Bewußtsein mit solcher Ruhe und Hingebung sich paart.®l) Aber auf die schönen Blüten fiel ein Mehltau und ein kalter Frost kühlte die Glut. Die Freude der einen war die Enttäuschung der andern. So erfreulich die Fortschritte der deutschen und bayerischen Armeen in Frankreich waren, so benahmen sie doch den zu spät gekommenen die Hoffnung, etwas zum Ruhme des Vaterlandes beitragen zu können. Einen wahren Schmerzensschrei stieß in dieser Richtung das 900 Mann starke Bataillon Ansbach aus. Schon im März beklagte es sich über seine Untätigkeit und wünschte dringend eine baldige Ver wendung. Aber ihre Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Nach dem Plane von Montgelas sollten die Jäger und Husaren ' „eine stets verfügbare Reserve bilden, um die Heimat nicht ganz entblößt zu lassen und etwaigen Wechselfällen der Politik zum Stützpunkte zu dienen. Im übrigen sollte das geduldige Papier Anstrengungen verbinden, wovon die Wirklichkeit nie etwas erfahren hätte®.2) Schon im März liefen Entlassungsgesuche von Leuten ein, die irgend eine Braut oder Mutter zu versorgen hatten 3), und in der Folge mehrten sich diese Gesuche, die die Regierung genehmigt«. Am hellen Tage entliefen die Vorarlberger, Schweizer und andere. Der Oberleutnant Schmeller, der darüber aus Kempten berichtet, ertappte einmal 5 Mann, „prächtige Kerls, die mit Sack und Pack® kühn an der Wirtschaft vorbeimarschierten, worin er mit einem Freunde saß, und bei der Verhaftung erlitt sogar ein Kordonist Wunden. Nun erwarteten alle seine Kameraden, die ihn wegen seiner Heldentat belobten, eine strenge Bestrafung der Ausreißer, die Regierung aber entließ sie ohne weiteres und noch 100 Mann Schriftliche Notizen des Fürsten zu s. Biogr. 2) Fürst Ludwig in den a. Notizen. 3) Schleier von Holzheim 18. März, Müller von Marktoffingen 25. April u. s. f.
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dazu.1) Am 13. Mai richtete die Regierung an alle Angehörige ihrer Forst-, Hall- und Mautämter, an alle „Pulvermüller“ eine Aufforderung, sich wieder in ihre Stellungen zu begeben und sich nur bereit halten, damit sie im Falle der Gefahr sich ein stellen könnten. Des weitern erließ sie eine Anordnung, daß alle zu einer Kapitulation womöglich auf 6 Jahre bereitwilligen Jäger unverzüglich an die Linie verwiesen, und daß zu den Jägern keine Rekruten mehr eingestellt werden sollten. Am 16. Mai hielt Schmeller an seine Leute eine Ansprache, worin er u. a. sich äußerte: „Die Not des Vaterlandes ist zum Guten ge wendet ohne daß es unserer Mitwirkung bedurfte. Wir waren bereit, alles zu tun. Die Regierung, ihrem Worte immer treu, wird uns wieder des eingegangenen Verbandes entlassen. Wer diese Zeit der Bereitschaft hindurch ein braver Soldat war, wird sich ihrer stets mit Zufriedenheit erinnern. Wir werden wahr scheinlich noch beisammenbleiben, bis der Friede förmlich ge schlossen. Bis dahin fahrt fort, euerer jetzigen Stellung ganz treu und rechte Soldaten zu sein. Obwohl der Soldat am ehren wertesten im Krieg ist, so braucht man ihn doch auch im Frieden zur Erhaltung der öffentlichen Ordnung. Wer daher von euch gesonnen ist, sich hinfüro auf eine Kapitulation bei irgendeiner Waffe einzulassen, der hat Bedenkzeit bis morgen 1 Uhr, da er dem Oberjäger sich eröffnen soll.“ Von den Offizieren mußte jeder eine schriftliche Erklärung abgeben, die an das Kreiskommando ging. Fürst Fugger ließ die Eingaben durch sein „kritelndes Factotum“ Graf Berchem untersuchen, der vor lauter kleinlichen Ausstellungen über Form fehler, wie Schmeller erzählt, seinen Schlußsatz übersah, daß er bis zur Anstellung „im Studienfache“ zu dienen wünsche. Fürst Ludwig prüfte nach seiner Rückkehr aus Paris, wo er Mai bis Juli ebenso wie der Kronprinz verweilt hatte, alle Bittgesuche selbst sehr sorgfältig und versah sie mit seinen sauber geschriebenen Bemerkungen. Die meisten Offiziere baten um die Versetzung in ein aktives Regiment, so z. B. ein Frh. v. Ölhafen, v. Crailsheim; andere strebten in den Zivildienst zurück, ein H. v. Hallerstein, v. Öfele zum Forst-, ein Guthy zum Mautdienst. Andere wollten
urteilt.
Ein Deserteur wurde bald darauf zu 6 Jahr Arbeitshaus ver (30. Juli).
105 wieder ihre Studien aufnehmen. Der Rechtspraktikant Buckinghan begehrte eine Auditorstelle, erhielt aber eine schlechte Aus kunft. Der Fürst klagte beim Oberkommando über den Verfall der Jägerbataillone. »Die diensterfahrensten Unteroffiziere, die aufrichtigsten Männer treten aus ihren Reihen, die Musik, mit ungemeinem Aufwande des Offizierkorps gebildet, löst sich auf.“1) „Die Truppen verlieren die schöne Gestaltung, deren sie sich in den letzten Monaten erfreuten.“ Der patriotische Verein von Nürnberg erklärte, die von ihm aufgebrachten 50 Uniformen sollen Eigentum der Bedachten bleiben und nicht der Militär verwaltung anheimfallen. Indessen wurde die Hauptgefahr glücklich abgewandt, die Jägerbataillone blieben in ihrem Bestände, die Offiziere in ihrer Stellung2), so auch Schmeller, obwohl er nicht einmal in der Liste der Weiterdienenden stand. Sein Landsmann Stichaner munterte ihn auf, er solle bleiben; seine Stelle sei eine Staffel zu sicherem Glück, es sei doch besser als um eine Stelle betteln zu müssen. Bald erlebten die Jäger sogar die Freude, aktiv am Kriege teilnehmen zu dürfen. Ende März 1815 erließ der Fürst einen Tagesbefehl, worin er seine Bataillone auffordert, sich zum Ausmarsch bereit zu halten und alle Unregelmäßigkeiten abzustellen. Das Bataillon des Illerkreises war schon am 2. April von Kempten abmarschiert unter dem Jubel der Bevölkerung, wovon das Tagebuch Schmellers viele Proben gibt.3) Als sich am 15. März die Aussicht eröffnete, daß es gegen Napoleon losgehe, freute er sich zwar, aber in die Freude mischte sich auch J) Zu Ansbach hatten die Offiziere 2000 fl. geopfert. Nun handelte es sich am 4. August darum, ob ein Hornist neu einzustellen sei. Der Fürst empfiehlt die Trommel; die Aussichten seien schlecht, das Blasen anstrengend. 2) Der im August 14 entlassene junge Ernst von Seckendorf, zuvor im Hallamt Baireuth beschäftigt, wurde wieder eingestellt. Am 29. März 15 berichtet sein Vetter, das Jägerbat. bestehe aus 531 Köpfen. 3) Schmeller hatte sich ein Jahr lang ziemlich leicht mit dem ein förmigen Garnisondienst abgefunden, fühlte sich glücklich in seiner Würde als „Führer von 150 rüstiger Männer“, und gewohnt, einfach zu leben, war er mit seiner Monatsgage von 36 fl. gut ausgekommen. Selbst das Exerzieren hatte ihm Spaß gemacht und die übrige Zeit vertrieb er sich mit Freunden und Freundinnen, mit Tanzen und Studieren. Schließlich hatte er seine alte Schultätigkeit wieder aufgenommen und sie auf seine Rekruten ausgedehnt (s. d. Auszüge S. 124).
106 etwas Skepsis. Ein Nationalkrieg, meinte er, sei es doch bloß für die Franzosen, für die Deutschen ein Kabinettskrieg, die „Perrücken“ wollen alles wieder in den alten Stand zurück versetzen. Am 6. April wurde das Kemptener Bataillon zu Augsburg „unbarmherzig zerstückelt und in das Oberdonau bataillon eingeschmolzen“. Am 7- erfolgte der Abmarsch der Jäger zugleich mit dem „prächtigen“ Taxis’schen Regiment, am 10. Ausmarsch von Nördlingen zur Parade Wallerstein zu. Eben dahin kam auch am 15. das Bataillon des Rezatkreises. Der Fürst widmete den Truppen selbstgedichtete Jägerlieder, eines darunter zu Ehren des Kronprinzen: „Ihn rief des Kampfs Ver langen; wo blutige Fahnen wehen, will Bayerns Kronprinz stehen etc.“. Der Kronprinz schloß sich Wrede an, worüber General v. Rechberg in einem Briefe an den Fürsten seine Ver wunderung aussprach.1) Die Suite des Kronprinzen, meinte Rech berg, wäre eigentlich der beste Platz für den Fürsten gewesen, da es doch einmal bestimmt sei, daß die Reservearmee nur zu der Landesverteidigung diene. Die freiwilligen Jäger wurden wohl verwendet für die Besatzung des Feindeslandes und für die Einschließung der Festungen, aber ins Gefecht sind sie nicht gekommen.2) Nach der Rückkehr aus Frankreich wurde aus den Mannschaften des Oberdonau-, Rezat- und Mainkreises das 2. Jägerbataillon mit dem Sitze Würzburg gebildet, während die übrigen mit Einschluß des Illerkreises sich im 1. Jägerbataillon zusammenfanden, das zunächst nach Salzburg kam, wo man noch im Januar 1816 einen Angriff „der wie die Katze um den Brei herumstreifenden“ Österreicher erwartete (Schmeller).3) Der Zusammenhang mit den Kreiskommandos war schon längst durch brochen.
4. Die Landwehr Bürgerwehr (1814--1826). Noch lange nach dem Abschluß des Friedens bis zu seiner Thronbesteigung behielt der Kronprinz das Oberkommando der Reservearmee bei, zumal da der König 21. Oktober 1814 von *) Genau wie König Max 1813. Des Kronprinzen Gegengründe s. Heigel, Quellen 379. 2) Ausführliches steht bei Geißler a. a. O. 49 ff. 3) Sehr ungenügend berichtet über diese Zeit Eder, Geschichte des 1. und Kneußl, Gesch. des 2. Jägerbat., das beste hat Geißler.
107 Wien aus die Landesbewaffnung in Permanenz erklärt hatte, und so hieß auch Fürst Ludwig Kreiskommandant der Reserve, auch nachdem die Mobilen, die Nationalgarde II. Klasse, wozu die Freiwilligen gehörten, schon längst dem aktiven Heere ange schlossen waren, von 1818 an aber Kreiskommandant der Land wehr. Der Begriff der Landwehr verengerte sich und beschränkte sich nur auf die „Immobilen“; die verheirateten angesessenen Bürger bis zum 60. Lebensjahr, abgesehen von den Staats- und Kirchendienern. In die Landwehr traten auch die gedienten Soldaten mit ihrer Verheiratung über, die ledigen vom 40. Le bensjahr an, und so stehen in ihren Reihen neben Fünfzigjährigen aucli Dreißigjährige. Für den ernsten Krieg war natürlich die Landwehr nicht zu gebrauchen. In Kriegszeiten hatte sie lediglich an Stelle der ausrückenden Feldregimenter in die Garnisonen und Festungen einzurücken, Magazine zu bewachen, den Etappenkommandos beim Transport von Gefangenen und beim Durchmarschieren der Truppen beizustehen, aber nur innerhalb der Stadtbezirke, wofür das alte Bürgermilitär genügte. Über diese Tätigkeit liegen einige gelegentliche, ziemlich unbedeutende Aufzeichnungen vor. So rühmt sich das Memminger Bataillon im Juni 1814, beim Durchmarsch der Österreicher tätig gewesen zu sein. Der Kreis inspektor Frh. v. Donnersberg spricht sich das Verdienst zu, bei der Ankunft der gefangenen Franzosen in Ingolstadt 1813 mit Aufopferung seiner Gesundheit zur Herstellung der Ruhe und Ordnung beigetragen zu haben, so daß mehrere Exzesse ver mieden wurden.1) Nicht minder eifrig zeigte sich der Neuburger Major v. Tein, der mit seinem Bataillon den Garnisonsdienst volle 21/2 Jahre so vorzüglich führte, daß er das Lob des Stadtkommandanten und des Polizeikommissärs verdiente. In einer gedruckten an die einzelnen Landwehrmänner verteilten Erklärung dankt der Stadtkommandant am 13. Dezember 1815 in warmen Worten und rühmt namentlich, daß er „beim Durchmarsch von 400 000 Mann durch Patrouillen und durch gute Handhabung der Befehle zur Ordnung beigetragen habe“. Beim Gefangenentransport x) 18. Dez. 1815 v. U. Igling aus, wo sein Bruder Kanonikus v. Augsburg Pfarrer gewesen war.
108 entwickelte Tein einen solchen Eifer, daß er seine Gesundheit nicht achtete und wirklich der Ansteckung erlag, die die Ge fangenen mit ihren Krankheiten ausübten, und sich ein lang wieriges Nervenfieber zuzog. Viele Offiziere verloren dabei leicht den Kopf. Lange Jahre später (19 IX 25) erinnerte der Fürst den Kronprinzen daran, wie einst drei Kolonnen französischer Gefangener sich auf lösten, weil der Major, ein Offizier „alter Auswahl“ die Ordre wegen der Eskortierung am Montag erhalten und „die Sitte hatte, alle in der Woche einkommenden Befehle unerbrochen in eine Schachtel zu legen und sich selbe am Sonn tag nach der Kirche durch den Herrn Pfarrer vorlesen und erläutern zu lassen“. Auffallend ist die Bemerkung in einer Denkschrift des Kronprinzen Ludwig (15. Juli 1814?), als Napoleon Deutschland verließ, habe er 120000 Mann seiner besten Truppen als Be satzung der Festung zurückgelassen und diese seien durch un geübte Landwehr blockiert worden. Umgekehrt sei in Frankreich in den Festungen Landwehr gelegen, die durch gute deutsche Truppen blockiert werden mußten, und dadurch sei ein gewisser Ausgleich geschaffen worden. Festung und Nationalbewaffnung gehören zusammen. Was der Kronprinz mit der Blockierung von Festungen durch die Landwehr meint, ist nicht recht klar; vermutlich hatte er norddeutsche Festungen im Auge, worin sich die Franzosen längere Zeit hielten. In den bayerischen Festungen im Norden, die auf Napoleons Befehl armiert worden waren *), lagen wie im Süden gegen Tirol bayerische Truppen, die meisten den mobilen Legionen entnommen, und es kostete nicht viel Mühe, diese vom Oberbefehl des Franzosen Augereau in den Wredes zu überführen.*2) Gegen Würzburg wurden allerdings Legionisten und gegen Tirol Gebirgsschützen aufgeboten, die man aber nur uneigentlich zur Landwehr zählen kann. An gesessene Bauern und Bürger waren, wie wir schon oben hörten, nicht zu gebrauchen. Große militärische Anstrengungen über stiegen die Willenskraft und die Leistungsfähigkeit friedlicher Familienväter, ehrsamer Handwerker und Händler, aus denen zum grolien Teil das Offizierskorps bestand. Ihr höchster Ruhm 2) Rosenberg (Kronach), Wülzburg. 2) Gilardone a. a. O. 59.
Forchheim, Rotenberg (Hersbruck),
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bestand nach ihren Führungs- und Verdienstlisten darin, daß sie auf das anliegende Land zogen und die Bauern drillten. So hat Weinhändler Dobler in Donauwörth, wie ihm zehn Jahre später bezeugt wird, 1814 viel „mit Streifen auf dem Lande, da sich in den Kriegszeiten viel Gesindel herumtrieb *), und mit dem Abrichten der Bauern“ sich abgegeben, ebenso der oben genannte Major v. Tein, über dessen Tätigkeit viele Zeugnisse vorliegen. Nicht bloß den Offizieren und Unteroffizieren der Landbataillone, sondern auch den Studenten gab er erfolgreich Unterricht. Später ging es ihm übel, ebenso dem Sergenten Mayer von Nördlingen, dem eine ähnliche Tätigkeit nachgerühmt wird. Ohnehin ließ der Eifer bald nach und die Bauern waren kaum zusammen zu bringen. Die einzelnen Abteilungen lagen viel zu sehr zerstreut. Über 45 Mann, schreibt der Fürst, bringe kein Dorf auf und es gebe keine zehn Städte, deren Korps stärker als 500 Mann seien. Wer es vermochte, ließ sich befreien und zahlte die Reluition (1, 3, 6 und mehr fl) und das Maximum richtete sich nach der Größe der Orte (für Dörfer und Märkte 5, für kleine Städte 9, für große 15 fl). Die Landgerichte hatten zu diesem Zwecke genaue Listen über alle Familienväter und Hausbesitzer anzufertigen. Viele beschwerten sich über die Höhe der Reluition und erklärten, lieber dienen als zahlen zu wollen, obwohl sie eigentlich untauglich seien, aber den geringen Dienst könnten sie schließlich so gut leisten wie die andern. Die meisten dachten aber wie ihre Vorfahren im Mittelalter „lieber zahlen als dienen“, und dazu gehörten besonders die Juden. Übrigens brachten auch die Landwehrmänner selbst in den ersten Jahren ansehnliche Beiträge zusammen und es ergaben sich sogar Über schüsse, die für Invalide verwendet wurden. Wie das aktive Heer, zerfiel die Bürgerwehr in Grenadiere, Füsiliere, Schützen. In keiner Stadt fehlte eine Füsiiierkompagnie (4—6 Kompagnien zu mindestens 70 Mann bildeten ein Bataillon). Große Städte besaßen auch etwas Kavallerie und einige Kanonen mit dem stolzen Namen „Artillerie“ belegt.*2) Von der Bürger wehr der Städte und Märkte unterschieden sich aber scharf die Landbataillone, der „extendierte Teil“ der Nationalgarde III, K. x) Im August 1815 wurde die Ursberger Landwehr aufgeboten zur Streife auf den diebischen Harfenisten Toni. 2) Vgl. den Bürgermilitäralmanach von Lipowski 1810 ff.
110 allerdings nicht gleich von Anfang an. Viele Beamte waren für eine Verschmelzung mit dem Bürgermilitär, der Fürst betonte aber mit Recht, die Bedingungen seien zu verschieden, dort herrsche das extensive, hier das intensive Wesen; uniformierte und nicht uniformierte 'Männer passen nicht zusammen, und er behielt recht. Die Dörfer eines Land- oder Herrschaftsgerichtes (zwischen 500 und 700 Mann) wurden zusammengenommen und Kommandanten unterstellt, die am 13. März 1814 in gemeinsamer Beratung des Generalkommissärs Gravenreuth mit dem Fürsten zu Eichstätt fest gestellt wurden.1) Die Wahl traf vielfach Landgerichtsassessoren, noch häufiger aber Adelige, über deren Zahl und Eifer wir heute staunen. Sie setzten eine Ehre darein, die Leute ihres Bezirkes zu befehligen (besonders gerühmt wird Assessor v. Schatte zu Donauwörth). Beschwerte sich doch einmal Kämmerer v. Bohnen zu Bächingen 4. Juli 1814 darüber, daß ihm der Fürst einen Schwager Donnersbergs Herrn v. Tänzl vorgezogen habe.2) Aber das Feuer war bald erloschen und es waren kaum noch Komman danten aufzutreiben. Die Landleute wurden mit Rücksicht darauf, daß sie die Hauptlast am Militär trugen, nicht viel belästigt, nicht einmal mit Reluitionsbeiträgen.3) In seiner optimistischen Art schreibt freilich der Kronprinz, der Landmann sei vom besten Geiste beseelt, eile gerne zum Exerzierplatz und schaffe sich gerne eine Uniform an, aber gerade das Letztere traf am allerwenigsten zu, obwohl Fürst Ludwig die Bemerkung des Kronprinzen be dingterweise bestätigt, indem er erklärt, der Bauer sei stolz auf seine Uniform, wenn er sich einer gewissen Freiheit erfreue. „Der Militärverband sei nur deshalb als drückende Last empfunden worden, weil die Beamtenwelt das Großgedachte wie ein eisernes Hemd über die Nation hinwarf“. Der Kronprinz, sagt er einmal, wisse selbst sehr wohl, wer dem Landvolk die Hände binde. „Zwei Pforten waren es von jeher, denen sich das Herz der deutschen Untertanen nie verschloß „Wohlwollen von oben“ und das sogenannte „Etwasgeltenlassen“. Der Gedanke, daß es den x) Vgl. Regierungsblatt 13. April 1814. 2) Dabei tat er von der Regierung scharf zurückgewiesene be leidigende Aeußerungen, der Fürst sehe in ihm nur den Gläubiger, den Führer seiner Gläubiger. Man könne ihm doch nicht zumuten, unter einem „Bader“ zu dienen (gemeint ist wohl Tänzl). 3) Vortrag von Staatsrat v. Stürmer.
111 „Herrn freut“, der Stolz, etwas bei der Herrschaft und bei dem Amte zu gelten.“ Er verweist auf das leuchtende Vorbild der englischen Yeomanry und französischen Nationalgarde. Das Bürgermilitär sei dort zum Volksheer geworden. Auf Kleidung, Haltung, auf Gesetz und Eid werde viel Gewicht gelegt. In Bayern habe man aber auf alles verzichtet und der richtige Geist sei verflogen. „Geboren im Drange des Moments, zum Teil erzeugt durch den Moment, dachte man sich alles Geschehene als identisch mit dem Momente“ und wollte die Landwehr auf den Stand von vor 1813 oder gar vor 1809 zurückversetzen, wie ja auch in Frankreich die Nationalgarden sich in Munizipalgarden verwandelten (1818). Eine wohlbewehrte Bürgerschaft, der die gleiche Uniform stets ihre Zusammengehörigkeit und ihre Be deutung zum Bewußtsein brachte, schien eine dauernde latente Gefahr. Dem Minister Montgelas genügte es nach den Worten des Fürsten, wenn das Standesregister recht voll war und viele Wehrmänner „conscribiert“ auf dem Papier standen. Schon äußerlich bestand keine Einheit, und jede Stadt und jede Truppe hatte ihre eigene Uniform. Die Grenadiere trugen Bärenmützen, die Füsiliere Tschakos wie die Jäger und Husaren oder dreifach aufgestülpte oder runde Hüte, die Schützen unterschieden sich durch ihre Stutzen, die Kavalleristen durch Sporen und Helm büsche von andern Gattungen. Die Bauern begnügten sich mit blauweißen Binden am Arm. Die Ungleichheit und Regellosigkeit schmerzte den Kronprinzen, der nach den Worten des Fürsten in der Landwehr doch etwas mehr erblickte als ein bloßes Gaukel werk im Sinne Montgelas, und er erwog die Möglichkeit, eine gleichmäßige Uniform einzuführen. Der Fürst war für möglichste Einfachheit, damit die Unvermöglichen auch mittun könnten, und damit der Unterschied zum bürgerlichen Wesen nicht allzu grell hervorträte. Der Kronprinz meinte am 23. August 1816, jeder Landwehrmann solle bei der Gutsübernahme oder bei der Ver heiratung sich eine Uniform anschaffen. Noch mehr Schwierigkeiten und Sorgen bereitete der Mangel an Gewehren zumal auf dem Land. Schon 1809 hatte der Staat viele Gewehre abgegeben, jedes aber zu 3—6 fl berechnet, und eine weitere Abgabe erfolgte 1814. So erhielt der Oberdonaukreis aus dem Zeughaus zu Augsburg 3644 Gewehre, aus Ingolstadt 1133, aus Wülzburg 655, der Illerkreis von Augsburg 8931, der Rezat-
112 kreis aus Forchheim 160, aus Augsburg 6904, aus Wülzburg 144. Von dem aufgelösten Iller- und Salzachkreis erfuhren die zwei übrigen Kreise einen Zuwachs, sodaß der Oberdonaukreis 9239, der Rezatkreis 7020 staatliche Gewehre besaß. Aber wie aus den darüber aufgenommenen Protokollen der Landwehr hervor geht, waren die meisten Gewehre unbrauchbar und reichten kaum für den fünften Teil der Mannschaft aus. Für ihre Ergänzung, Reparatur, an manchen Orten auch für die Depotmiete erwuchsen große Ausgaben, deren Last die Militärkassen ablehnten und auf die Reluitionskassen überwälzten. Die an jedes Gewehr geknüpfte Zahlungspflicht von 3—6 fl, die selten erfüllt wurde, sollte nach der Erklärung der Regierung auf Reparaturen und Neuanschaffungen übertragen werden. Die Gewehre gingen nicht in das Eigentum der Einzelnen über, konnten aber er worben oder auf eigene Kosten durch bessere ersetzt werden. Die meisten aber dachten, wozu viel Aufwand? Gewehre sind etwas gefährliches. • Nationalgardisten, ging einmal ein Gerücht, würden von den regulären feindlichen Truppen er schossen, wenn sie mit der Waffe in der Hand ergriffen würden *), und es müssen darüber Notizen in Augsburger und Nürnberger Blättern gestanden haben, denn der Fürst erklärte am 15. März 14 von Eichstätt aus, daß er dafür sorgen werde, daß keine solche „allzu grellen Artikel“ mehr in die Zeitungen kämen. Aber noch zehn Jahre später bemerkt Staatsrat v. Stürmer, auch in der Kriegszeit sei das Aufgebot des Bürger heeres gefährlich, es entfessele einen Vertilgungskampf, wobei die Hälfte des Reiches verwüstet würde. Wo keine Gewehre da waren, schliefen die Waffenübungen von selbst ein und das Bedauern war nicht übermäßig. Es komme dabei doch nicht viel heraus, meinten die Gegner, als einige angekünstelte mili tärische Formen, die Zahl der Pflichtigen sei zu groß.*2) Übungen, ursprünglich alle Sonn- und Feiertage vorgeschrieben, wmrden mehr und mehr beschränkt, da den Gewerbetreibenden und den die ganze Woche hindurch geplagten Leuten die paar Stunden der Erholung noch verkürzt oder die Zusammenkünfte zu TrinkA) Das Gerücht stützte sich, wie es scheint, auf Vorkommnisse in Frankreich, wo die deutschen Soldaten Nationalgardisten als Freischärler behandelten. 2) 260 000 Köpfe, 38 000 Reluenten.
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gelagen und Ausschreitungen mißbraucht würden (was sich übrigens auch von Kriegervereinen sagen läßt, denen die Land wehr oft auffallend glich). Immerhin sah es in den Städten noch besser aus als auf dem Lande, wo die Bataillone statt der vorgesehenen 700—800 Mann nur noch aus den am Landgerichtssitze anwesenden Offizieren bestanden. In den Städten war die Bürgerwehr schon längst ein gewurzelt und nach den Worten von Montgelas von dem Landes herrn begünstigt worden als Gegengewicht gegen denFeudalismus.1) Sie ließ sich nun willig als Polizeiorgan gebrauchen und erwarb sich nach Montgelas große Verdienste, und zwar fügen wir bei, umsomehr, je mehr sie aus der Militärverfassung aus schied und den Zivilbehörden zur Verfügung stand. Schon von Anfang an ergaben sich Reibereien, da neben den Bataillons chefs die Landrichter, Polizeikommissäre, Bürgermeister, Stadt magistrate, neben dem Kreiskommandanten der Generalkommissär Anordnungen zu treffen und Befehle auszugeben beanspruchten. Schon am 4. März 1814 entstanden zu Augsburg Mißhelligkeiten zwischen dem Lokalkommissär v. Fraunberg und dem Landwehr oberst Dietz. Jener beschwerte sich, daß dieser die „Courtoisie* außer acht lasse. Der Fürst hatte nämlich durch Dietz die Liste der Wehrpflichtigen verlangt, damit der nötige Ersatz für Ab gänge in den Reserven geschafft werden könnte. Auf die Be schwerde Fraunbergs hin erklärte der Kronprinz, Fürst Ludwig hätte nicht mehr verlangt, als was das Oberkommando befohlen hätte und was der Sache angemessen war. Einige Monate später entzweite die Militärgerichtsbarkeit die Gewalten. Zu Öttingen und zu Dillingen waren Unordnungen, Dienstwidrigkeiten, kleine Revolten entstanden. Wer sollte hier einschreiten ? Der Kreis kommandant, lautete die Entscheidung, nur dann, wenn sich solche Ausschreitungen ereigneten, während die Männer unter den Waffen standen. Die Polizei- und Generalkommissäre, klagte der Fürst wiederholt, mischten sich in die militärische Ordnung und Gerichtsbarkeit, umgehen die Lokal- und Kreiskommandos und maßen sich Gewaltsamkeiten an. Dazu gehörte die Re quisition der Offiziers- und Kavalleriepferde der Landwehr für
*) Denkwürdigkeiten der inneren Staatsverwaltung 152. 8
114 Spanndienste, wogegen eine höhere Verfügung die Befreiung von allen Boten-, Wart- und Scharwachdiensten aussprach (1. X. 16). Vollständig im Recht aber waren die Generalkommissäre, wenn sie eine scharfe Aufsicht über die Ökonomiekassen führten. In dieser Richtung erließ einmal Gravenreuth (Okt. 16) an die Landund Herrschaftsgerichte ein „Extrablatt“, verlangte es dann wieder zurück, um es durch ein anderes Blatt zu ersetzen. Nun hatte der Wallersteiner Kommandant den Befehl dem Fürsten eingehändigt und konnte ihn nicht mehr zurückerhalten.1) Da rüber schlug Gravenreuth einen großen Lärm an und verlangte einen scharfen Verweis für den Fürsten trotz seiner Verdienste, die er ausdrücklich anerkennt. Dem Kreiskommandanten standen Kreisinspektoren, zugleich ihre Stellvertreter, zur Seite, die Musterungen abzuhalten hatten. Anfangs waren für den Oberdonaukreis Frh. v. Donnersberg, für den Illerkreis Üchtriz, für den Rezatkreis Alois v. Öttingen-Spielberg und Franz v. Hohenlohe-Schillingsfürst bestimmt. Aber ihre Zahl wurde bald ebenso eingeschränkt wie die Zahl der Übungen. Dem Fürsten blieb nur noch Üchtriz zur Hand, der einen Gehalt von 1484 fl und Reiseentschädigungen bezog, während er selbst und sein Adjutant ohne Gehalt blieb.2) Seinen eigenen Aufwand, freiwillig dem Vaterland dargebracht, schätzte er auf 150000 fl.3) Bei aller Schwäche war er eben ein unverbesserlicher Idealist, den einige Anerkennungen für alle Enttäuschungen und Opfer entschädigten, leicht entzündbar und doch von nachhaltiger Geduld. Seine Begeisterung war kein Strohfeuer. Mit unermüd lichem Eifer widmete er sich den trockenen Geschäften seines Amtes, begutachtete Dienstentlassungen, Neuwahlen, Beschwerden aller Art. Als am 13. Juli 1821 dasÖttinger Korps dekoriert wurde, x) Diese noch vorhandene Nro 29 des der f. Domanial-Kanzlei gehörenden Exemplares des Extrablattes enthält eine Anweisung von dem Generalkommissariate, die Rechnungen der Landwehrkommission zu prüfen, und die Berichtigung eines Irrtums des K. K. (des Fürsten).
2) Ein Antrag auf eine Monatsbesoldung von 150 fl. für jeden Kreis scheint ohne Folge geblieben zu sein. 3) Nach seiner Abdankung 1823 verrechnet die Wallersteiner Kanzlei noch 2136 fl. für Miete, Heizung und Schreibmaterialien von 1813 an.
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hielt er eine schwungvolle Ansprache, die in nichts zurückstand hinter seinen Reden im Herbst 1813, die nichts von Enttäuschungen verrät und die vorteilhaft absticht gegen die matten Worte des Regierungsrates v. d. Heydte aus Ansbach. Im Jahre 1820 ließ er sich von einem Leutnant Fronmüller ein Buch widmen „An leitung zum dienstlichen Verfahren der Landwehr“, gedruckt zu Nürnberg (203 SS.). Das „dienstliche Verfahren“ beschränkte sich freilich auf Kirchenparaden, Aufmarsch bei der Anwesen heit hoher Persönlichkeiten, auf Feuerwehr- und Wachdienste. Eine große Freude bereitete es dem Fürsten, als er bei der Durchreise der Kaiserinwitwe Maria von Rußland, der Cousine seiner Mutter, ihr von Feuchtwangen über Dinkelsbühl bis an die württembergische Grenze am 12. Oktober 1818 an der Spitze seiner z. T. berittenen Landwehr das Ehrengeleite geben konnte.1) An Paraden und Eskorten hatte sogar gelegentlich Montgelas seine Freude.2) Regelmäßig fanden Paraden nur mehr statt an den drei Hochfesten und dann noch viermal an den Namens und Geburtstagen der Majestäten und bekam auch die Artillerie zu tun. Nur besonders eifrige Bataillonskommandanten ver sammelten ihre Leute alle Monat einmal.
J) Wie es dabei zuging, schildert einmal Schmeller sehr anschaulich: Am 8. Juni 1814 kam nämlich Kaiser Franz durch Memmingen. „Die Bürger standen unter den Waffen. Nur eine Kompagnie Oesterreicher war anwesend. Eine Menge Volkes unter allen Fenstern, auf Brunnen, auf Vorsprüngen*4. „Es war gegen 7 Uhr, als auf einmal alle Glocken zu ertönen anfingen, die Bürger zu den Gewehren liefen und das Volk ein einstimmiges wachsendes Rufen erhob, das mich mit schauerlicher Rührung ergriff. Nicht lange, so ertönte die Feldmusik, die Bürger präsentierten das Gewehr, Trompeten schmetterten und von durch fliegenden grünen Husaren umgeben stand des Kaisers Wagen vor dem Hause des Frh. v. Herrmann. Bayerische Edelknaben mit brennenden Fackeln begleiteten das lange, magere, freundlich lächelnde und sich verneigende Männlein Franz und seinen Bruder Ferdinand in seine Gemächer.** In den oberen Stock hatte sich Schmeller schon zuvor von einem Bürgeroffizier hinaufführen lassen, wo viele Stern-, Band-, Kreuz- und Federhutmänner hin- und hergehend warteten. „Wie mir die Leute alle so wunderlich, so lächerlich vorkamen. Ich bekam Lust mich auf den Boden zu legen und zu rufen: Ihr Esel, was steift Ihr euch so ab, machts wie ich.** 2) Denkwürdigkeiten 1887 S. 383. 8*
116 Wegen der Kirchenparaden entstanden viele Streitigkeiten, über deren Natur und Ursachen am besten einige konkrete Er zählungen unterrichten. Zu Fürth, wo zwischen dem Polizei kommissär Faber und dem Landwehrobersten Schönwald schon länger eine gewisse Spannung bestand, hatte der Oberst auf die Einladung Fabers zum Gottesdienst am 13. Juli 1814, dem Geburts tag der Königin, keine Folge geleistet und sich nachträglich damit entschuldigt, daß die Leipziger und Braunschweiger Messe in der Nähe stand, weshalb die Kaufleute, Fabrikanten, Professionisten alle Hände voll zu tun hatten. Die wenigen vorhandenen Hand werksgesellen (Arbeiter) seien überlastet gewesen, da die meisten in die Linientruppen und zu den mobilen Legionen eingezogen gewesen seien. Nun haben die Kaufleute auf die kommende Meßzeit große Hoffnung gesetzt, da das Wirtschaftsleben schon lange geschlummert hätte. So ausschlaggebend diese Gründe auch aussahen, machten sie doch weder auf das Kreis- noch auf das Oberkommando einen Eindruck; der Fürst erklärte, Schön wald hätte eine strenge Strafe, den Arrest verdient, aber der große Eifer bei der Anwerbung der freiwilligen Jäger 1813 komme strafmildernd in Betracht, und er kam daher mit einem bloßen Verweis davon. Auf der andern Seite habe aber, bemerkte der Fürst, auch der Polizeikommissär gefehlt, wenn er dem Land wehrbataillone Befehle geben wollte. Nicht minder störend wirkten Mißhelligkeiten zwischen der Linie und der Landwehr wie zu Kempten 1820. Wohl genoß die Landwehr einen gewissen Vorrang, marschierte rechts oder hinter der Linie, aber den Oberbefehl führte der Stadtkommandant Billmann, und da sich der dortige Oberst und Kreisinspektor Üchtriz weigerte, sich mit ihm ins Benehmen zu setzen, behandelte Billmann die Landwehr ziemlich geringschätzig, dispensierte ganze Kompagnien, sodaß am 27. Mai 1820 nur 60 Mann und 7 Offiziere erschienen, und er ließ nicht mehr wie früher die Landwehrmusik abwechselnd mit der Militärmusik spielen, zog sie weder zurTagesreveille noch zum Zapfenstreich bei. Gerade diese Hintansetzung machte aber unter der Bürgerschaft böses Blut, da sie auf ihre Musik stolz war (Schmeller rühmt sie in seinem Tagebuch 2. April 1815, da sie die ausmarschierenden Jäger begleitete). In der Hitze des Streites erklärte einmal Billmann, er frage nichts nach dem Kronprinzen, eine Äußerung, die der Kronprinz selbst
117 nicht allzu tragisch nahm. Denn er erklärte auf die Berichte hin, Üchtriz hätte sich auch ungeziemend benommen, er hätte einem Briefwechsel eine mündliche Verständigung vorziehen sollen. Vom Stadtkommandanten sei es aber ganz verfehlt gewesen, die Landwehrmusik hintanzusetzen, denn eben sie „erhebe das Gemüt des Landwehrmannes an Tagen, wo er nur das Gefühl der Freude haben soll“. Unter den Landwehrakten nahmen den größten Umfang ein die Offizierwahlen, die Ergänzung des Offizierkorps, die sorgfältig zu prüfen sich der Fürst keine Mühe verdrießen ließ. Schon am 8. Jan. 1814 beschwerten sich die Nördlinger Leut nante beim Fürsten, daß der Major Brechenmacher den Sergenten Mayer nicht zum Feldwebel vorrücken lasse, sondern aus persönlicher Abneigung einen gewissen Bader bevorzugte. Wohl habe Mayer den Brechenmacher einmal beleidigt, er sei dafür aber abgesetzt und mit Arrest bestraft worden. Nun solle er unter Bader dienen, nachdem er zuvor eine höhere Stelle inne gehabt und sich um die Einübung der Grenadiere ein großes Verdienst erworben hätte. Einige Monate später wurde inzwischen Major Brechenmacher abgesetzt, weil er sich hatte verganten lassen müssen, wodurch die Sache von selbst erledigt wurde. In Donauwörth wurden an Stelle des früheren Major Dietrich vom Gasthof zum Krebsen zwei Kandidaten vorgeschlagen: der Spezereihändler Gänßler und der Postbeamte Popp. Letzteren lehnte die Regierung ab, weil sich sein Dienst nicht vertrage mit der neuen Würde. Der Fürst machte aber mit Recht darauf aufmerksam, daß Popp schon früher zum Gemeindebevoll mächtigten gewählt, sich viel mit Kommunialangelegenheiten befassen mußte, ohne seinen Dienst zu vernachlässigen; so werde es ihm ein leichtes sein, der neuen Aufgabe gerecht zu werden. Gänßler sei als Kaufmann von den Bürgern viel zu abhängig. Popp wurde in der Tat vom Kronprinzen ernannt (1824). Der verdiente Neuburger Major v. Tein, von der Stadt mit der Spitalverwaltung betraut, hatte das Ehrenbürgerrecht erhalten, was ihm aber die Regierung nicht bestätigte, und war in Not gekommen. Die Militärbehörden waren ihm sehr geneigt, nicht aber die Zivilbehörden, und er berief sich umsonst auf seine Verehelichung mit der Tochter des Hofkochs Fontaine. Zu Augsburg wurde der Oberst Dietz eine zeitlang 1825 ab-
118 gesetzt, weil ein gerichtliches Verfahren gegen ihn schwebte. Da aber die Anklage grundlos war, wurde er bald mit Ehren wieder eingesetzt, von seinen Kameraden hoch gefeiert und dichterisch verherrlicht. Zu Dillingen hatte das Offizierkorps im Einvernehmen mit dem Landrichter einen Kaminkehrer zum Junker vorgeschlagen (1825) und der Fürst trat für ihn ein in der Voraussetzung, daß keine Pflichtenkollision einträte, beklagte sich aber gelegentlich, daß oft Schneider und Schuster zu Majoren befördert würden. Aber die Auswahl war beschränkt und im allgemeinen verständigten sich die Offiziere leicht mit den Landrichtern und Stadtmagistraten, die bei den Wahlen die Vorhand hatten und den Vorsitz führten.
5. Verfall und Neubildung« Am Geburtsfeste des Königs, 27. Mai 1819, hatte sich zu Nürnberg die Landwehr sehr ungenügend beteiligt. Von 2000 Mann, auf die man dabei rechnete, waren kaum 500 erschienen. Nun wollte das Kreiskommando und die Kreisregierung mit Strafen einschreiten. Da erschien plötzlich in der Stuttgarter Zeitung ein Artikel, der das militärische Aufgebot verhöhnte. Wozu denn die Plackerei, diese Spielerei, hieß es, da die Landwehr doch nicht für den Krieg bestimmt sei. Auf diesen Artikel hin wollte das Landwehrkommando zu Nürnberg durch den Fürsten ein entschiedenes Auftreten veranlassen. Die Zeitung sollte zur Angabe des Einsenders gezwungen werden u. s. f. Aber die Regierung lehnte jedes Vorgehen ab, da es doch zu keinem Zwecke führe, und zudem selbst Regierungs- und Polizeiorgane gelegentlich sich abfällig äußerten.1) Die Landwehr, bemerkte der Fürst 1825, befinde sich in einer schwierigen Lage. Der Bürger solle nicht den Soldaten spielen, gestützt auf seine Waffen keine „lächerlichen Präten sionen erheben“, aber auch die Uniform nicht lächerlich machen. Beamte beklagten sich über die Anmaßung derer, „die neben dem Zeichen ihrer Gewerbe“ den Degen führen und sich ihnen (den Beamten) gleich oder noch höher über sie hinaufstellen“; x) Wegen einer Beleidigung der Landwehr wurde am 18. Febr. 1821 der Gendarm Pichl strafweise von Mering nach München versetzt.
119 aktive Offiziere sprachen von der Unmöglichkeit, eine solch monströse, nur äußerlich zusammengefügte, nicht organisch ver schmolzene Masse in Bewegung zu setzen, und in ihrem Sinne betrachtete der König „mit seiner militärischen Bildung in der vorrevolutionären Epoche wurzelnd“, wie Fürst Ludwig schreibt, „die Bürgerbewaffnung als einen Eingriff in die Rechte des Soldatenstandes“. Er durchschaute wohl die Mängel des Miliz systems, für das im ersten Landtag Aretin, Behr, Hornthal und Stephani eintraten. Schon weil es das Ideal aller Demokraten war, erregte es mit Recht politische Bedenken, die freilich Fürst Ludwig nicht teilte, indem er es als einen Fortschritt hinstellt, daß sich an die Volksbewaffnung „das Bedürfnis einer ständischen, den deutschen Völkern verheißenen Verfassung knüpfe“.1) »Die bisher scharf geschiedenen Klassen“, schreibt er (in seinen No tizen) „waren sich in einem gemeinsamen Gefühle begegnet und hatten den Gesamtzwecken ungeforderte Gesamtopfer gebracht. Das Land hat seine Wichtigkeit erkannt und auf Erfüllung der den deutschen Völkern gemachten Verheißung begründete Rechte erworben. Der Geist politischer Verknechtung war einem Mündig keitsgefühle gewichen, das einmal geweckt, nicht leicht wieder unterdrückt werden konnte.“ Aber ebendeshalb war Montgelas der Landwehr und dem Fürsten nicht sehr gewogen. Erst in den letzten Lebensjahren fand eine Aussöhnung statt und der Fürst hielt ihm im Reichsrat die Gedächtnisrede. Noch viel stärker war der Widerstand Wredes, der das Tun des Fürsten mit einer gewissen Eifersucht betrachtete und „das Geschehene selbst dann nicht verzeihen konnte, als er auf dem Wiener Kon gresse die mächtigste Waffe bayerischer Politik darin erblickte“. Wrede konnte darauf hinweisen, daß die Neubayern sich voll ständig in die neuen Verhältnisse eingelebt und ihr neues Vater land lieben gelernt hätten, und konnte damit den Hoffnungen, Wünschen und Ansprüchen der Mediatisierten mit Erfolg in den Weg treten. Fürst Ludwig war selbst bemüht gewesen, den Geist der Loyalität und Bürgertugend wachzuhalten. In einem deutlich nach oben zielenden Schriftstück bedauert es der Fürst, daß „man keinen Wert mehr auf das lege, was das Bürgermilitär aller andern Länder für die höchste Aus*) Abel und Wallerstein S. 9 (im Buche selbst gesperrt gedruckt).
120 Zeichnung und Gnade ansehe und was, wie er bestimmt wisse, den Wehrmännern jedem individuell lieb und teuer sei, nämlich die Befugnis, an vier Tagen im Jahre einen öffentlichen Tribut der Liebe, des Respektes und der Dankbarkeit gegen den besten König und seine erhabene Gemahlin darzubringen“. Auf dem platten Lande seien freilich Paraden unmöglich; wenn aber eine Vernachlässigung in den Städten und Märkten eintrete, wenn hier, wo Reluition, Uniformierung, Vollständigkeit des Offizier korps und überhaupt alle Erfordernisse des Dienstes vorhanden seien, das nicht beachtet werde, was sogar zur Zeit des alten Bürgermilitärs beobachtet wurde, dann würde er selbst nicht mehr wissen, wie er eine solche Erscheinung vor sich selbst, vor dem ihm anvertrauten Korps, vor S. K. Hoheit dem Kron prinzen und vor der allerhöchsten Stelle verantworten sollte. Der richtige Geist, die freudige Gesinnung sei ganz erloschen, der frühere Gehorsam verschwunden. Der größte Mißstand sei das Fehlen tüchtiger Offiziere. Kleinschneider, Schuhflicker, ja sogar Juden werden zu Offizieren vorgeschlagen. Da sei es in Frankreich doch ganz anders, Pairs, Herzoge, hohe Staatsbeamte seien Legionsführer, die hohen Posten werden mit den Spitzen der Gesellschaft besetzt, ein Marschall von Frankreich befehle die Bürgerschaft von Paris. Die französische Regierung sei bemüht, alles, was die unentbehrlichen Garantien biete, heran zuziehen und so sei die Bürgerwehr eine eminente, monarchische und konservative Einrichtung geworden, sie stehe felsenfest zum Könige und widersetze sich jeder Usurpation. Ebenso sei es bei der englischen Yeomanry, wo die Auswahl der Offiziere sehr sorgfältig erwogen werde. Die Kleidung und Bewaffnung sei eine solide, der Wehrstand ein Ehrenstand und der Eintritt gelte als eine Auszeichnung und eine Bedingung bürgerlicher Ehre. Die Chefs der Landwehr seien überhaupt die Seele der Korps. Ein Chef müsse mit Würde Unabhängigkeit verbinden und den Bürgern imponieren. Wenn der Kreiskommandant auf Unord nungen aufmerksam mache und strenge Disziplin verlange, müsse er immer die Antwort hören: „Ich kann nicht strafen, ich mache mir Feinde.“ Dem Kreiskommandanten sei es unmöglich, den richtigen Geist wachzuhalten, wenn es an den Chefs fehle. Die Chefs seien ohne den Kreiskommandanten isoliert, aber auch er sei isoliert ohne ihre Mithilfe.
121 Nachdem der Kronprinz den Thron bestiegen hatte, über reichte ihm Fürst Ludwig 26. Februar 1826 nochmals eine aus führliche Denkschrift, in der er ihm die Landwehr ans Herz legte und drei Dinge verlangt, einen Waffenvorrat, ein voll ständiges Unteroffizierkorps und eine Nationaltracht. Große Maßregeln können nicht nach Stunden oder Tagen bemessen werden, erklärte er, sondern müssen allmählich reifen. „Auf gegriffen im Sinne bürokratischer Regierungsart, eingepfropft der Nation mit der Nadel der bisherigen Impfmethode, würden solche Maßregeln ungünstig wirken.“ „Aber klug und väterlich angedeutet, der freien Wahl anheimgegeben, in das Volk hinein gelegt“, würden sie allmählich Wurzel fassen. Der reiche Bauer und selbständig gewordene Bauernsohn werde wie vor Zeiten eine Ehre darin finden, dem berittenen oder fußgehenden Aus schüsse anzugehören (Landesausschuß, Landfahne hieß früher die Landmiliz.1) Rüstung und Kleidung nach dem Beispiel eines alten Ausschußrockes gewählt, würden als Familienauszeichnung vom Vater auf den Sohn übergehen. „Wer eines neuen Bauern kleides bedarf, wird ohne Zwang die Farbe des Vaterlandes wählen, der schwarze und weiße Zwilch wird dem blauen, der spitze sogenannte Dreifaltigkeitshut dem runden weichen, und in zehn bis fünfzehn Jahren wird unbemerkt, ja mit bedeutender Beschränkung des aus den verschiedenen Trachten entstandenen Luxus, also ohne Opfer und mit Vorteilen für den Kredit, für National- und Privatwohlstand ein für Bayerns Nationalität und Politik unberechenbares Resultat errungen sein, und vor dem Auslande ist der Zukunft nichts vergeben.“ Die Uniformen sollen gleichartig und einfach sein entgegen dem vielfach herrschenden Bestreben einzelner Städte und ein zelner Abteilungen, sich hervorzutun. Ganz besonders war es die Münchener Bürgerwehr, die eine Vorzugsstellung genießen wollte, und darüber erhoben sich bittere Klagen, wie der Fürst berichtet (22 X 25). „Wir sind nicht geringer als die Münchener“, schrien die Bürger anderer Städte, „es gibt keine Landwehrgarde, alle Bürger gleicher Kategorie sind gleich, allen gebührt um ihr Geld ein gleich schöner Rock“. „Zahllose Bitten gelangten zum i) Nördlinger Jahrb. 1915 S. 81.
122 Throne und des Königs in letzter Zeit sich selbst übertreffendes Herz sagte dazu „ja“, aber das Ministerium sagte „nein“, und so überschwemmte eine unaufhaltsame Flut von Tschakos und Achselblättern die Kreise.“ Wer keinen Tschako hatte, der fühlte sich zurückgesetzt. Nun erging auf die Vorstellung des Fürsten hin wenigstens die Anweisung, daß die Tschakobesitzer eigene Züge bilden und daß die weniger Glücklichen keiner Zurücksetzung und keinem Zwang ausgesetzt werden sollten. Die vielen Vorschläge des Fürsten, über die er in seinen Mußestunden zu Reimlingen oder Nördlingen brütete, fanden allerdings nur zum geringen Teil Erfüllung in der Verordnung vom 7. März 1826, die am 23. Aug. 1828 nähere Erläuterungen erfuhr. Darin wird der Landwehr, die nun ausdrücklich auf die Städte und Märkte beschränkt blieb, die Aufgabe zugewiesen, der Polizei bei allen Unruhen, bei Streifen, Transporten von Vaganten und Arrestanten, bei „Abschaffungen“ zur Polizei stunde behilflich zu sein. . Wegen der streng eingeschärften Polizeistunde (10 Uhr) mußte die Bürgerwehr je nach Anordnung der Behörden regelmäßig Patrouillen machen und für die Feuer wehr stets ein wechselndes Piket zwar nicht immer wachen, aber immerhin sich bereithalten.J) Waffenübungcn sollten viermal im Jahre stattfinden, aber nicht an den hohen Festtagen, sondern an gewöhnlichen Feiertagen. Im Jahre 1848 bewährte sich die Landwehr als Stütze der Ordnung, wenn sie auch die Bürger forderungen unterstützte (als Kultusminister hat Fürst Ludwig 7. März 1200 Studenten der Münchener Bürgerwehr eingereiht) und sie spielten noch 1869 eine Rolle bei einer Wahl in Weilheim. Im allgemeinen aber führte sie ein beschauliches Dasein und gab unschuldige Schauspiele. Vom Jahre 1826 an hören die vielen Berichte des Fürsten auf, die schon rein äußerlich betrachtet, durch ihre große Zahl und ihre saubere Schrift unter den Landwehrakten auffallen. Nachdem er im Oktober 1823 die Standesherrschaft an seinen Bruder abgetreten hatte, verlegte er vorübergehend sein Bureau nach Donauwörth, dann nach Nördlingen, weil das von ihm erworbene Schloßgut Reimlingen ganz in der Nähe lag. In der x) Auf Grund einer älteren Verordnung von 1809.
123 Folge beteiligte er sich eifrig an den Reichsratsverhandlungen und wurde 1828 Regierungspräsident von Schwaben und Neu burg, 1831 Staatsminister und legte 1831 auch sein Kreis kommando der Landwehr nieder, das für ihn die Staffel zu seiner Ehre geworden war, indem es ihn in häufige Berührung mit dem Kronprinzen gebracht und ihm Gelegenheit geboten hatte, seine Ergebenheit zu beweisen. Seine namenlosen An strengungen und vielen Opfer, schreibt er, haben ihm wenigstens die Gunst und die Freundschaft des Kronprinzen eingetragen.
Anhang. Schmeller über die Kemptener Jäger. ) München 4. Jan. 14. Mit einem Brief des bayerischen Gesandten in der Schweiz Olry und empfohlen durch Professor Lichtentaler begab sich Schmeller zum Kronprinzen, um eine Anstellung bei der Landesverteidigung zu erhalten. Bei seinem Eintreten in den Vorsaal, erzählt Schmeller, rief der Kronprinz gleich: „Ach, Sie sind der Schweizer“, fragte dann viel über die Schweiz. Ich erklärte, wie die Volksstimmung auf die hartnäckigste Verteidigung der Neutralität gegangen wäre. „Was gegen uns?“ meinte er. Ich sagte, der Schweizer habe immer nur sein engeres Vaterland im Auge und befürchte den Verlust der jetzigen glücklichen Verfassung. „Welcher Verfassung?“ „Der, wodurch die Landbewohner mit den Städtern völlig gleiche Rechte haben“. „Meinens denn die Schweizer nicht gut mit uns?“ „Sie wünschen den Ver bündeten alles Heil“ u. s. f. „Es kam mir vor, ich sei mit einem jungen Freund in traulichem Zwiegespräch, so menschlich ist alles am Königssohn“. Nach einigem Warten, wo die S. 101 erzählte Szene vorkam, erhielt Schmeller den Bescheid, wenn er zur Artillerie wolle, müsse er ein Examen machen. Da er sich aber in der Mathematik nicht stark genug fühlte und auch keine Lust zum Weiterstudieren hatte, meldete er sich zu den Jägern, wo er als Ober leutnant eingestellt wurde. Darauf folgte die Reise in seine Heimat Rimberg, ; Kurzgefasste Auszüge aus dessen in der Münchner Staatsbibliothek aufbewahrten Tagebüchern .
124 wo er nach zehn Jahren Vater und Mutter wieder begrüßte. Die Mutter weinte beim Abschied 31. Januar, daß nun auch ihr zweiter Sohn in den Krieg solle. Nach München zurückgekehrt, schrieb Schmeller alsbald um Geld, das ihm der Vater am 8. Februar brachte, 50 fl, die er mit Mühe zusammengerafft. Der Tschako kostete 33 fl, Degen 8 fl, Portepee 6, Kuppel 2 fl 18 kr. In Kempten 12. Februar angelangt, schreibt er: Zum erstenmal wieder im Soldatenrock, vor dem die Schildwachen fröhlich schulterten. Bin ich etwa geschmückt wie ein Opfer geschmückt war? Durch die lange Stadt hin grüßen die Soldaten ehrerbietig, die Bürger höflich, von allen Seiten hieß es: ,,Herr Oberleutnant, Herr Oberleutnant“. Was doch das Kleid alles tut, dachte ich bei mir selbst lächelnd und keuchte recht unter dem schweren tiefsitzenden Kopfputz, um mich mit Anstand durch alle die ungewohnten Höflichkeiten durchzuwinden. Beim Mittagessen erfuhr ich, daß ich der Kompagnie von Grüner zugeteilt sei. Am 12. mußte ich ein Gesuch nach München mit unterschreiben, daß unser Bataillon die Ehre haben möchte, vor den Feind zu ziehen. 3 Kompagnien rückten aus und nach einer Anrede Gruners in ge schlossenem Carree wurde auf Antrieb der Unteroffiziere ein lautes Lebe hoch ausgebracht. Schön! aber wie leicht erkennbar, wenigen aus dem Herzen! 13. Bei einem Schöpple unterhielt ich mich mit einem alten Hauptmann von der Linie über Sachen des Handwerks. Täglich zweimal lehrte ein Linien unteroffizier uns Offiziere im Landhaussaal exerzieren. 16. Ich verfertigte eine Grundliste der Soldaten, darunter viele als überrheinische Deutsche in fran zösischem Dienste ausgerissen oder gefangen. Einigen waren Reisepässe nach Hause gegeben, aber zu Stuttgart, Bayreuth wieder abgenommen worden, worauf sie, zu den Depots der Kriegsgefangenen nach Ingolstadt und Ottobeuren verwiesen, bei dem Jägerkorps Dienste nahmen. 17* Heute zum erstenmal auf dem Exerzierplatz einen Zug kommandiert. 18. Im Angesicht der blauen Berge manöveriert. 27. Zu einer Bataillonsmusik 5 fl monatlich unterschrieben. 1. März. Hauptmann Grüner übernimmt das Bataillons-, ich das Kompagnie kommando. 2. Fürst Fugger eingetroffen. 3. Manöver unter dem Befehle des Grafen Berchem, Fuggers Adjutant, der darauf eine Lobrede hielt. 9. Meiner Freudigkeit in meinem Stande gab gestern einen schweren Stoß der alte, wenig verstehende, aber alles besser wissende, sich jeder Sache an maßende, ehrsüchtige Grüner . . . O die Kleinigkeitsfuchserei beim Exer zieren . . . Nie werde ich einen Soldaten so behandeln, wie ich selbst nicht behandelt zu werden wünschen möchte, ... da alles nur Zwang, Maschinen mäßigkeit sein soll. Wenns ins Feld geht, werden wir zeigen, daß wir Frei willige gegen die Franzosen auf Kriegsdauer sind. 3. In zwei Nächten sind uns 10 Mann entlaufen. 20. Das Kreiskommando schreibt, aus den Grund listen eines Entwichenen habe es mit Mißfallen ersehen, daß dieser mit Stock hieben bestraft wurde, was bei Freiwilligenkorps gar nicht statthaft sei.1) Darüber steckten die Offiziere die Köpfe zusammen: „Was nicht einmal schlagen?“ . . . Sollten die Deutschen nicht können, wie die Franzosen, ohne Prügel auskommen? 1. April. Die sog. Franzosen müssen zusammen in ein 1) Eine böse Geschichte wegen Stockschlägen gegen das Versprechen erzählt nach Schmeller Geißler S. 51.
125 Zimmer gesperrt werden. Nicht menschlich! 15. Schade, daß ich wohl nicht mehr ins Feuer geführt werde und nur ein Figurant bleiben soll. Unangenehmer Auftritt mit Grüner . . . Die vielen Zurücksetzungen haben mich übermäßig gerecht gegen andere gemacht und phlegmatisch. 21. Grüner äußerst höflich und freundlich. Wenn ich so meine Kompagnie auf der Schweigwiese herum jage, kann ich mich oft recht innig des jetzigen Standes freuen. 24. Grüner äußert sich befriedigt, daß er beim Exerzieren von mir endlich ein „Sakrament“ gehört habe. 4. Mai. Maria Luise und ihr Sohn werden erwartet. Die Jäger nebst der Nationalgarde II und III, dem Depot der Linie und öster reichischen Kürassieren rücken aus. (Schmeller ist ganz entzückt besonders über den Sohn, den er genau beschreibt). 15. Wir sollen beurlaubt werden. 16. Ich ließ meine Kompagnie in Carree schließen und hielt eine Ansprache (oben S. 104 gedruckt). Freude glänzte aus den Gesichtern der Söhne des Landes. Ich war selig, solches sagen zu können. 23. Befehl des Kreis kommandos, zwei vollständige Kompagnien sollen sich marschfähig halten. Ich fühlte mich nicht mehr vor Freude . . . Die Freude aber war bald dahin. 8. Juni. Kaiser Franz in Memmingen s. o. S. 115. Beim Empfang der Jäger offiziere sprach der Kaiser mit gutmütiger Stimme im Wiener Tone: „Es is guet, daß ma Se nimme braucht hot; die Boarn ham si recht guet ghalta; es san a viel davo draufgangen. Es is schad, daß vorher soviel Bluet für a fremd Sach gflossn is . . . Jetz sam do wiedr deutsche, san vo dr Sklaverei drlöst und könne unsr deutsch Brod mit Rueh essa.“ 9. Früh 6 Uhr: Franz mit Bruder ganz andächtig in der Messe. 10. Der ehemalige König von West falen, gelb und weiß im Gesicht, hier im Postwirtshaus, führte seine dicke Katharina am Arm. Ich war entschlossen, ihn auf keine Art zu grüßen, als er aber mich besonders fixierend grüßte, indem er einen „guten Abend“ murmelte, konnte ich doch nicht umhin, an meinen Tschako zu langen und mich vor ihm etwas zu verbeugen. Die ganze Sippschaft, von einem österr. Offizier begleitet, nahm gleich ein Bad, doch keines mehr vom edlen Wein. 24. Duell zweier Freunde wegen des Ewigweiblichen. 27. Juli. Da das Re servebataillon des 11. Linienregiments nach Worms abmarschieren sollte, hielten wir Jäger ein gemeinschaftliches Abendessen mit ihm. Die Herzlichkeit fehlte. Die Linie und wir haben nicht gut zusammengestanden. Hauptmann Horn, der vielleicht einen Befehl über uns bekommen könnte, macht mir wahrhaft Angst. Wie freundlich geht jetzt alles unter Grüner! 4. August. Der Soldat allein ist ein freier Mann. 6. 29mal erlebter Geburtstag im niedlichen freundlichen Zimmerchen. Mein eigener Herr, Führer von 150 rüstigen Männern, geehrt von Höheren und Niederen, mit lebendiger Hoffnung auf das Gelingen eines weltnützlichen Werkes (Idiotikon). Noch habe ich kein Weib, soll ich je eines haben? ich liebe das Wandeln und Verändern so sehr; würde der eheliche Bann meinen Geist nicht lähmen? 19. Exerzieren. Nachdem ich meine Leute brav herumgearbeitet, mußten sie die Gewehre in Pyramiden stellen und auf das Zeichen des Hornes sämtliche ins Bad. Nach dem Bade gab ich ihnen ein Fäßlein Bier und Brod und sie brachten mir ein Vivat. 18. Oktober. Jahrtag der Schlacht bei Leipzig, Freudenfeuer, Mahl. Ich sollte eine Anrede für eine Invalidensammlung halten, aber der katholische Stadtpfarrer v. Branca kam zuvor. Oberst Üchtritz, der mit Branca französisch
126 sprach und die Franzosen über die Deutschen erhob, wäre bald hinausgeworfen worden. 24. November. Urlaubreise in die Schweiz. Bei einem Konzert: 60 Sänger und Sängerinnen; 10 schöne Harfen im Halbkreis mit den lieblichen Harfnerinnen und im Hintergrund der zahlreiche bunte Chor. Es war das Herrlichste, was ich je sah und hörte. Mein Schnurrbart und meine Brille richteten manchen Blick auf mich. 31. März 1815. Ordre, daß wir am 2. April nach Augsburg ab marschieren müssen. 2. April. Vor dem Schlosse wurde aufgestellt, 129 Ge meine, mehrere Unteroffiziere und Offiziere zogen aus. Groß war die Menge, welche die Abziehenden mit Neugierde und mit teilnehmendem Lebewohl umgab. Weinende Mädchen eine hübsche Zahl. Überall Damen an Fenstern, denn wir machten nicht wenig Lärm mit Musik der Kemptener Bürgergarde, die ihren Scheidenden rührend freundlich bis ins Keck voranzog. Auf der Höhe oberhalb Berwang setzte ich mich mit meinen Kameraden hin, die Aussicht auf das herrlich alpenbegrenzte Illertal und das freundliche Kempten mit seinen An wanden und unzähligen Einöden zwischen Nadelgehölz recht wehmütig wohllüstig noch einmal zu genießen. 3. Kaufbeuern. Die Soldaten sangen fröhlich wie gestern. Mir tat der Magen weh und schlug das Herz ungewöhnlich schnell und unordentlich. Das soll doch keine Ankündigung eines Helden sein! Ach Gott, das wird auch ein Krieg, wie viele waren, für uns ein Kabinetts-, für die Franzosen ein wahrer Nationalkrieg. Augsburg, 6. Gestern l/25 von Schwabmünchen aufgebrochen. In Göggingen kam uns der Bataillonskom mandant Major v. Seckendorf nebst dem Hauptmann Momm und dem roten Adjutanten zu Pferd entgegen. Seine Erscheinung machte keinen üblen Eindruck. Vor der Stadt stellten sich die Hörner der Augsburger Jäger an unsere Spitze und zogen vor uns her. Ich führte den ersten Zug. Vor des Majors Quartier hielten wir, und dann ging die Mannschaft in die Quartiere auseinander. Ich kam zu Herrn Pedron, welcher mir aber, weil das Haus eben gefegt wurde, bis Abend kein Zimmer anweisen konnte. Mettingh wohnte gerade zwei Häuser weiter beim Weinhändler Bertele. Wir gingen zusammen in den grünen Hof, um zu Mittag zu essen. 8. Diesen Morgen allgemeiner Ausmarsch der sämtlichen Garnison aus Augsburg. Voran das freiwillige Jägerbataiilon, dann das 3. Linien-Inf.-Regiment Prinz Karl, dann das 10. NationalFeldbataillon Augsburg. Feierlich tönte um 5 Uhr der Generalmarsch. Groß war die Menge der Schauenden beim Ausmarschieren. (Das Weitere s. bei Geißler 16. Inf.-Reg. S. 49, ebenso den Wiedereinzug in Augsburg S. 61. Über Frankreich urteilt Schmeller sehr günstig und berichtet viel Merkwürdiges, das aber aus Platzmangel wegbleiben muß.) Augsburg, 5. Dezember. Welche Rohheit mußte in des Römers Herz sein, der bei solchen Gelegenheiten seine gefangenen Feinde vor sich herführen konnte! Wie herrlich ist dagegen ein christliches Te deum mit überströrnendem vergebendem Herzen, das in Anbetung erkennt, daß alles Glück und aller Sieg nicht unser Werk ist, sondern von oben herkömmt. Mein Gefangener war Barob an des Bedienten Strick, d. h. ein Hund aus Bar sur Aube. Die ganze Brigade stellte sich in der Maximiliansstraße auf. General Raglovich, der Treffliche, ritt musternd die Front herunter, worauf die Linien-Infanterie
127 in die Kasernen abmarschierte, wir Jäger aber einquartiert wurden. 8. Ich hatte mich so gefreut, nach Wurzburg zu kommen! und nun die Kunde, daß wer vorher beim Illerkreis gestanden, nun ans 1. Jägerbataillon nach dem Neste Burghausen gewiesen sei! Zunächst kam Schmeller mit seinen Leuten nach Salzburg, von wo er am 13. Januar schreibt: Bei der Parade sprach Major Lindheimer von einem wahrscheinlichen Lanzenbrechen mit den nach Salzburg lüsternen, wie die Katze um den Breu herumstreichenden Öster reichern. Ich ging zu ihm, ihm zu sagen, daß ich unter solchen Umständen auf meinen Urlaub Verzicht tue. Er fand das brav. — Es ist Krieg von Deutschen gegen Deutsche. Aber ich bin einmal bayerischer Offizier. 16. Uni formsorgen. Meinen treuen grauen Überrock, der in Basel (während der Schul meisterei), zu Kempten und Paris mich bedeckt und beschützt, muß ich dem Dienst außer dem Hause erlassen. Die Stiefel von Yverdon haben auf Tanz platz und Paraden das ihrige getan, die grauen Feldzugslederhosen tragen zu sichtbare Spuren der Märsche im Kot, die grünen Ordonnanzhosen zeigen starke Neigung zum Gelben, die blaue Nancy-Hängekappe ist taubenhälsig an gelaufen — was ist zu tun? Ich kann die neue noch unbestimmte Unifor mierung nicht erwarten. Ich muß Leute sehen und mich von den Leuten sehen lassen. Also in die Schachtel gelangt, worin die teuer erworbenen 300 fl in Rollen und Päckchen einer weiterentfernten Bestimmung entgegenharrten. Sie müssen jetzt schon daran glauben. (Überrock 43 fl. 50 kr., Hosen 18 fl, Stiefel 8 fl, grüner Uniformfrack 6 fl 23 kr., Hut 7 A u. s. f.). Bald darauf erfolgte die Rückkehr nach München in eine andere Stellung. Nicklas a. O. S. 84.
Nachruf.
Richard Schmld f* Wer einmal den Vortragsabenden des Historischen Vereins für Schwaben und Neuburg mit ihren anregenden Ausstellungen anwohnte, erinnert sich gewiß an den liebenswürdigen Veranstalter dieser Ausstellungen, der auf all’ die vielen Fragen, die die Besucher an ihn stellten, so bereit willig Auskunft erteilte. Es war dies Privatier Richard Schmid, Ausschuß mitglied des Vereins und Konservator der Münzensammlung des Maximiliansmuseums. Schmid hatte ein feines Kunstverständnis, das ihn in den Stand setzte, immer nur Gutes für diese Ausstellungen auszu wählen. Seine Hauptstärke lag aber auf numismatischem Ge biete, für welches ihn ein gütiges Geschick ganz besonders befähigte. Schon in früher Jugend setzte sein Interesse für die Münzkunde ein, indem er mit Eifer die Münzen seiner Vaterstadt Augsburg zu sammeln begann. Mit der Zeit brachte er es hierin so weit, daß er nächst der Münzensammlung des Maxi miliansmuseums und einer hiesigen Privatsammlung wohl die größte und vollständigste Sammlung Augsburger Münzen besaß. Hand in Hand mit dieser regen Sammeltätigkeit ging ein ernstes Fachstudium und er wurde in der Numismatik derart bewandert, daß er als Autorität weit über unser engeres Vaterland hinaus bekannt und gesucht war. Männer der Wissenschaft wandten sich in numismatischen Fragen an den einfachen und bescheidenen früheren Handwerksmann, durch dessen Hände jahraus jahrein so viele Kleinodien aus staatlichem, städtischem und Privatbesitz zur Begutachtung und Bestimmung gingen. Als Frucht seiner Studien gab Schmid im Jahre 1897 im Verein mit Kommerzienrat Albert von Förster das Werk „Die Münzen der freien Reichsstadt Augsburg vom erlangten Münz recht (1521) an bis zum Verluste der Reichsfreiheit (1805)“,
129 (Augsburg, Rieger’sche Buchhandlung) heraus. Dieser Publi kation ließ er im Jahr 1913 in den Mitteilungen der Bayerischen Numismatischen Gesellschaft eine Abhandlung über „Augsburger Zeichen“ folgen. Beide Veröffentlichungen sind für die Münz geschichte Augsburgs von bleibendem Werte. Schon 1894 wurde Schmid in den Ausschuß des Histo rischen Vereins berufen und 1896 übertrug ihm das Vertrauen der Vereinsleitung das Amt des Konservators der Münzen sammlung. Die musterhafte Neuordnung dieser umfassenden Sammlung, wie sie sich heute zeigt, ist sein Werk. Das Ehrenamt eines Konservators hat er bis zu seinem Tode mit seltener Hingabe und Gewissenhaftigkeit verwaltet. Er hing daran mit ganzer Seele und rastlos betrieb er die Vervollstän digung der Sammlung. Manches Stück aus seinem Besitz hat er dazu verwendet — aus Schonung für die Vereinskasse. Schmid nahm auch tätigen Anteil an der Bayerischen Numismatischen Gesellschaft, in deren Kreisen er sehr geschätzt und deren Vertrauensmann für Augsburg er war. Richard Schmid wurde am 3. April 1858 zu Augsburg geboren ; er besuchte die Schulen seiner Vaterstadt und wandte sich dem väterlichen Gewerbe, der Bäckerei, zu. Schon früh zeitig konnte er sich von den Geschäften zurückziehen, um sich in den Dienst der Allgemeinheit zu stellen und seinen Studien obzuliegen. Stets treubesorgt als Mensch und Familienvater, ein Helfer und Berater für jeden, der an seine Schwelle trat, förderte er mit Vorliebe jene Unternehmungen und Vereine, die für Kunst und Wissenschaft tätig waren. Den anscheinend von Kraft strotzenden Mann überfiel ein heimtückisches, langwieriges Leiden, dem er zum Schmerze der Seinen und seines ausgedehnten Freundeskreises am 10. Juli 1915 im Augsburger Diakonissenhaus erlag. Es wird dem seltenen Manne in unserem Historischen Verein ein dankbares, ehrendes Gedenken bewahrt bleiben. Mit Recht konnte der inzwischen nun auch heimgegangene I. Vereinsvorstand an dem Grabe des zu früh Dahingeschiedenen mit dem Dichter klagen: Ach, sie haben einen guten Mann begraben, uns aber war er mehr!
S c h w e i k e r.