Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben und Neuburg [50]

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ZEITSCHRIFT DES HISTORISCHEN VEREINS FÜR SCHWABEN UND NEUBURG

50-BAND-1932/33

AUGSBURG 1932 J. A. SCHLOSSERSCHE BUCHHANDLUNG (F. SCHOTT)

Buch- und Kunstdruckerei J. P. Himmer, Augsburg

/\js 50. Band in der Reihe unserer Zeitschrift hat der vorliegende ein etwas festlicheres Gewand erhalten. Von einer größeren Jubi­ läumsschrift wurde abgesehen, da diese Aufgabe dem nächsten Band zum 100jährigen Vereinsjubiläum (1934) zusteht. Der vorliegende Band ist als Gabe für die Jahre 1932/33 gedacht. Band 49 erscheint infolge redaktioneller Schwierigkeiten erst in einiger Zeit. Band 46, H. 2 ff. erscheinen nicht mehr. An dieser Stelle sei auch gedankt Herrn Bibliothek-Direktor Dr. R. Schmidbauer, der in zuvorkommendster Weise die Genehmigung zur Reproduktion aus 4° Cod. Aug. 93 und von Stichen erteilte, und Hochwürden Herrn Prälat und Domdekan J. M. Friesenegger, der in liebenswürdiger Zuvorkommenheit die Erlaubnis zur Aufnahme des Zülnhart-Epitaphes gab. Danken möchte ich auch Frl. Sekretärin L. Schmid für ihre Beihilfe beim Lesen der Korrekturen. Manuskripte für den nächsten Band werden an die untenstehende Adresse erbeten. Augsburg, September 1932. Dr.*E. GefeeZe, Staats-, Kreis- u. Stadtbibliothek Augsburg, Schäzlerstr. 25.

Bemerkung: Berichte über die Tätigkeit des Histor. Vereins für Schwaben und Neuburg sind abgedruckt in der Zeitschrift für bayer. Landesgeschichte und zwar für 1929/30 in Jg. 4, S. 507 und für 1930/31 in Jg. 5, S. 166 f.

Vorstandschaft des Historischen Vereins für Schwaben und Neuburg 1. Vorstand: Dr. Hans Wiedenmann, Archivdirektor. 2. Vorstand: P. Guggemos, Oberstudienrat. 1. Schriftführer u. Schriftleiter der Zeitschrift: Dr. E. Gebete, Ober­ bibliothekar. 2. Schriftführer: z. Zt. unbesetzt. Kassier: Friedrich Würth, Bankier.

Ausschußmitglieder 1. J. M. Friesenegger, Prälat und Domdekan. 2. Dr. P. Geyer, Geheimer Studienrat. 3. Otto Holzer, Oberstadtbaudirektor. 4. August Maier, Amtsgerichtsdirektor. 5. Dr. W. Schiller, Kirchenrat und 1. Pfarrer bei St. Anna. 6. Dr. R. Schmidbauer, Bibliothekdirektor. 7. Eduard Wallner, Oberlehrer. 8. M. Wanner, Architekt.

Anmeldung zur Mitgliedschaft kann erfolgen im Stadtarchiv. Der Jahresbeitrag beträgt 5.— RM. Dafür bietet der Historische Verein seinen Mitgliedern 1. die alljährlich erscheinende Vereinszeitschrift; 2. die unentgeltliche Teilnahme an etwa 8 bis 10 Wintervorträgen zur Geschichte, Kultur- und Kunstgeschichte Schwabens und der Stadt Augsburg;

3. den unentgeltlichen Besuch des Maximiliansmuseums und auch des Naturwissenschaftlichen Museums für sich und ihre Angehö­ rigen gegen Vorweis der Mitgliedskarte; 4. die unentgeltliche Teilnahme an den jeweils im Sommer stattfin­ denden Führungen des Vereins durch Augsburger Sehenswürdig­ keiten für sich und ihre Angehörigen; 5. die früheren Jahrgänge der Zeitschrift zu einer Preisermäßigung von 25% des sonst üblichen Verkaufspreises; 6. freie Benützung der in der Staats-, Kreis- und Stadtbibliothek ver­ wahrten Vereinsbibliothek nach Maßgabe der Benützungsordnung der Stadtbibliothek. Der Verein steht im Austausch mit ca. 300 wissenschaftlichen Vereinen und Instituten des In- und Auslan­ des, deren Publikationen wertvolles wissenschaftliches Material enthalten.

INHALTSÜBERSICHT Seite

Schröder, Alfred: Die älteste Urkunde für St. Peter in Augsburg................................................................................

9—28

Rückert, Georg: Die Pflege der Volkswohlfahrt im ehe­ maligen Herrschaftsgebiet des Domkapitels Augsburg

29—50

Gebete, Eduard: Die Pilgerreise des Augsburger Dom­ herrn Wolf von Zülnhart nach dem Heiligen Lande 1495/96 .....................................................................................

51—126

Schmidt, Franz: Christiana Rosina Spitzlin, eine verges­ sene Augsburger Dichterin (1710—40).......................

127—140

Zoepfl, Friedrich: Der Maler Joseph Anton Koch und seine Beziehungen zu Weihbischof Ungelter von Augs­ burg ...........................................................................................

141—148

Fischer, Karl August: Johann Andreas Stein, der Augs­ burger Orgel- und Klavierbauer..................................

149—177

Gebete, Eduard: Verzeichnis der nur in Maschinenschrift vorliegenden Dissertationen zur Geschichte der Stadt Augsburg................................................................................

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DIE ÄLTESTE URKUNDE FÜR ST. PETER IN AUGS­ BURG. Von Hochschul-Professor Dr. Alfred Schröder, Dillingen. Um eine von dem Augsburger Bischof Embriko im Jahre 1067 aus­ gestellte Urkunde handelt es sich. Sie ist nicht gedruckt, ja über­ haupt nicht erhalten, auch nicht in Abschrift. Wohl glaubt man eine Embrikourkunde für St. Peter von 1067 längst zu kennen, in zwei Fassungen sogar ist eine solche überliefert und auch, wenn schon nicht sachgemäß, veröffentlicht; allein keine der beiden Fassungen, deren Wesensart und deren Verhältnis zu einander nie untersucht worden ist,1 gibt, wie sich zeigen wird, eine wirkliche und echte Ur­ kunde Embrikos wieder. Die Aufgaben, die sich diese Untersuchung stellt, sind demnach: diese beiden Fassungen, die mit E und F bezeichnet seien, nach ihrem Text in einwandfreier Form darzubieten, ihre Wesensart zu bestimmen, da sie sich als Originale nicht halten lassen, sowie den Text des verlorengegangenen Originals der Embrikourkunde (= U) wiederherzustellen. I. DIE FASSUNG E. I. Textüberlieferungsform und Inhalt. Der Überlieferungsform nach ist E eine Niederschrift aus dem 11. Jahrhundert. Die Aufzeichnung wird verwahrt im Stadtarchiv Augs­ burg. Sie füllt die Vorderseite eines Pergament-Folioblattes, das ur­ sprünglich für sich bestand, im 13. Jahrhundert einer Handschrift, die eine „Expositio super Matheum“ enthielt, vorn eingeklebt wor­ den ist, jetzt aber wieder als Einzelblatt geführt wird. Veröffentlicht hat sie Paul von Stetten in seiner „Geschichte der adelichen Ge­ schlechter in Augsburg“ (1762), 363 f. Der Inhalt ist: Bischof Embriko bekundet, [1] daß der Edelmann Schwigger durch den Freien Hermann als Salmann sein Gut in Lamerdingen mit dessen Zugehörden und mit 20 Eigenleuten der Kirche St. Peter am Perlach zum Besten ihres Klerus übergeben 1. Kritisch hat sich dazu kurz geäußert J. Zeller in meinem Archiv für d. Gesch. d. Hochstifts Augsburg V (1916), 377; ebenso ich ebenda VI (1929), 694 Anm. 36.

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habe für sein eigenes Seelenheil und für das seiner Gemahlin Berta, seines Vaters, aller seiner Verwandten und aller Gläubigen. [2] Der Stifter habe sich und* seiner Gemahlin den Zinslehengenuß des Gijtes auf Lebenszeit Vorbehalten und das Gut aus der Hand des Bischofs und des bischöflichen Vogtes Wernher zu Zinslehen übertragen er­ halten. [3] Und er habe die Schenkung wider Zugriffe von Macht­ habern gesichert durch die Bestimmung, daß er oder sein Erbe das gefährdete Gut, indem er eine Turteltaube als Altaropfer bei St. Pe­ ter darbringe, an sich nehme und behalte, bis es dem Stiftungszweck zurückgegeben sei. [4] Überdies habe Schwigger zwei seiner Eigen­ leute an St. Peter übergeben, den Kleriker Kuno, der die Rechte der übrigen aus dem Eigenleutekreis der Marienkirche hervorgegange­ nen Weltgeistlichen genießen solle, und einen Laien nach dem Rechte der Kircheneigenleute. [5] Besiegelungsauftrag des Bischofs; Zeugen aus den Kreisen der bischöflichen Lehensmannen und der Edeln, sowie als Nachtrag eine Anzahl bloßer Vornamen, vermutlich von Zeugen aus bäuerlichen Kreisen (vgl. S. 21 A. 20): zwei der Na­ men auf der Vorderseite, 18 auf der Rückseite. Das nachgetragene Ubergabsdatum (auf der Vorderseite). Allerlei sonstige Einträge noch enthält das Pergamentblatt, manche schon halb erloschen, nicht alle von Belang, und darum nur in Auswahl zu besprechen. Auf der Vorderseite hat sich am oberen Rand eine Hand, beiläufig zur Entste­ hungszeit der Fassung E, in tironischen Noten versucht. Und um dieselbe Zeit ist eine Zeile in stark verkleinerter Urkundenschrift zu Häupten des Textes beige­ fügt worden; sie enthält fast lauter unmögliche Wörter, beginnend mit „alespins“, endigend mit „cruxl apenderat“; vielleicht eine Schreibübung, oder am Ende eine Zauberformel? Am unteren Rand ist die Datumszeile nachgebildet. Auf der Rückseite stehen, wie eben erwähnt, die Namen von 18 wohl bäuerlichen Zeugen der Gutsübergabe, außerdem der ebenfalls schon erwähnte Handschrif­ tentitel (s. oben S. 9); sodann, und zwar in Buchschrift des späten 11. Jahrhun­ derts, jedoch von anderer Hand als die Zeugennamen, der leoninische Vers: „Erkanbald praesul sanctae dat dona Mariae.“ Es ist schwer etwas anzufangen mit diesem Vers; Augsburg hatte nie einen Bischof namens Erkanbald, und unter den Wohltätern der Augsburger Marienkirche (Domkirche) erscheint auch kein aus­ wärtiger Bischof dieses Namens, etwa Erkanbald von Straßburg (f 991) oder von Mainz (f 1021). Also mag der Vers als Stilübung oder als Versmuster auf gezeich­ net worden sein. Endlich findet sich hier ein archivalischer Ordnungsvermerk in Schriftzügen des 16. Jahrhunderts, lautend: „predium zu Lamertingen gen s. Peter geherig.“

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2. Text der Fassung E. Aus dem Pergamentblatt des Augsburger Stadtarchivs. Da der Text in dem einzigen Abdruck (s. oben S. 9) weder fehlerfrei noch in kri­ tischer Form dargeboten ist, wird er hier erneut in sorgfältiger Transkription und nach den Regeln der Textkritik veröffentlicht. Die Textkritik hat sich, da die Uraufzeichnung vorliegt, zu beschränken auf Richtigstellung der Schreibfeh­ ler der Vorlage und Vermerkung der in ihr vorhandenen Korrekturen. Die sach­ lichen Erläuterungen und Bemerkungen werden in Abteilung III beim Text von U beigebracht. Die Numerierung der Sätze, in eckigen Klammern beigefügt, ist Zutat des Herausgebers.

In nomine sanctg et indiuidue trinitatis. E. praesvl sanctg Augustensis ecclesig. [1] Notum esse uolumus omnibus Christi nostrique fidelibus tarn futuris quam praesentibus, qualiter nobilis quidam Swigger per manum liberi cuiusdam Heremanni tale praedivm, quäle in Lademotinga habuit, ad ecclesiam SCI. PETRI in Perlaich(a) constructam cum omnibus ad id pertinentibus et cum XX mancipiis ad utilitatem clericorum ibidem deo seruientivm pro anima sua uxorisque sve Perehthg pro animaque patris sui omnivmque propinquorum suorum cunctorumque fidelivm cum manu eiusdem coniugis sug delegauit et contradidit. [2] Eiusdemque praedii usum sibi predicteque coniugi sue in beneficivm quoad uixerint paciscens, ipse illud cum eadem coniuge sua iure beneficiario a nostra advocatique nostri Werenherii manu, tradito unius denarii censu, recepit. [3] Huius autem condicionis pactum ea ratione confirmauit, vt, si vel nos vel successor aliquis noster vel aliqua persona praepotens inde illud demere vel in alium usvm redigere uoluerit, ipse vel heres eius legitimus turturem ad eiusdem ecclesig altare off erat praedictvmque praedivm recipiat et in potestate sua retineat, quo ad usque ad usum clericorum secundum praescriptam(b) conditionem restituatur. [4] Praeterea duos proprietatis(c) sug seruos ad idem altare hac conditione contradidit, Könonem clericum uidelicet quendam, vt ea lege qua ceteri canonici de familia SCE. MARIE orti utatur, laicum uero sub ea conditione qua ceteri seruientes ecclesie.(d) [5] Et ut bgc traditio et pactio stabilis et inconvulsa permaneat, hanc cartam conscribi sigillique nostri inpressione iussimus insigniri, ascripto(e) etiam fidelivm nobilivmque virorum necnon et seruientivm nostrorum testimonio, quorum nomina hgc sunt: Heinrich de Kiricheim, Hesso de Baccananc

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et filiu8 eins Hesso, Rödolf de Tapheim, Uvaltram de Motinga, Werenhere de Ku§zzichoua, Diethalm de Uverineshoua, Uolcmar de Annenhusa,(f) Diethalm de Uverneshoua, Marcvuart de Hunsola, Marcvuart de Fiscon, Hiltebrant. Heinrich.(g) Marcuuart.(h) Actum(l) anno dom. mill. LXVII. Indict. V [in] festo s. Petri. De(k) praedio Suitgeri, testes sunt Gebezo. Waceman. Sizo. Hvc. Wigolt. Vuinizo. Dieterich. Albhero. Sigepoto. Winiar. Livto. Heinrich. Livbman. Hecel. Ratpoto.(1) Gotescalc. Rötpreht. Eberhart. a) r durch Korrektur ergänzt b) proscriptam c) propietatis d) ecclesie ist Korrektur über der Zeile, auf der Zeile steht das durchstrichene Wort servi e) ri durch Korrektur ergänzt f) korrigiert aus Anneshusa g) Dieser und der folgende Name ist von anderer Hand nachgetragen h) Marcuuat i) Die Actum-Zeile von anderer Hand, vermutlich von zwei Händen, vielleicht von drei, nachgetragen, und zwar die Indiktionsangabe in neuem Ansatz, die Tagesangabe abermals in neuem Ansatz und von der Indiktionsdatierung durch größeren ZwU schenraum getrennt k) Von hier ab auf der Rückseite des Blattes und von anderer Hand als der Text, jedoch annähernd gleichzeitig 1) Letzte Zeile in neuem Ansatz nachgetragen.

3. Wesensbestimmung. Die Wesensart, den Charakter der Aufzeichnung gilt es zu bestim­ men. Eine Urkunde im Sinn einer Originalausfertigung ist sie offen­ sichtlich nicht; abgesehen davon, daß die Korrekturen allzu roh und kunstlos ausgeführt sind für ein Original, daß ferner die Schriftform durchgehends die der Buchschrift, nicht die der Urkundenschrift ist, läßt die Aufzeichnung jede Spur der doch ausdrücklich angekündig­ ten Besiegelung vermissen, ja es fehlt selbst der Platz für ein aufge­ drücktes oder ein eingehängtes Siegel (von einem solchen, nicht von einem angehängten, spricht die Ankündigung, und das Aufdrücken oder das Einhängen war dazumal die Form der Siegelbefestigung). Eine bloße Traditionsnotiz aber ist die Aufzeichnung auch nicht. Denn sie beginnt urkundenförmig mit Anrufung des göttlichen Na­ mens und mit Name und Titel des Ausstellers (invocatio, intitulatio) und enthält einen Beurkundungs- und Besieglungsbefehl, lauter Dinge, die den Traditionsnotizen mangeln. Also kann die Aufzeichnung nur sein entweder der Entwurf (Kon-

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zept) zu der Originalurkunde über die Schenkung Schwiggers oder eine Abschrift davon (Kopie). Die Entscheidung hierüber ist leicht und sicher zu treffen. Wie mehrere kritische Noten unserer Tran­ skription zeigen (Note g, i, k, 1), ist die Aufzeichnung nicht in einem Zuge geschrieben, enthält vielmehr Nachträge, die in ver­ schiedenen Ansätzen, zum Teil auch von anderer Hand beigefügt wurden; das ist unvereinbar mit der Annahme, daß es sich um eine Abschrift handle. Auch ist die Tagesdatierung urkundenwidrig in volkstümlicher Form gegeben, nämlich nach dem Heiligenkalender („in festo s. Petri“), während man in jener frühen Zeit die Urkun­ den stets nach dem römischen Kalender datierte und sonach eine Abschrift das römische Datum aufweisen müßte. Es liegt demnach ohne Zweifel ein Entwurf vor, der Entwurf zur Originalausfertigung der Schenkungsurkunde. Und zwar die ursprüngliche Niederschrift; nicht eine Kopie des Ent­ wurfes, sondern der Originalentwurf. Dafür sprechen die erwähnten Ansätze zu Ergänzungen beim Datum, bei den Zeugennamen. Der Schriftcharakter fügt sich denn auch vortrefflich der Zeit ein, der die Schenkung angehört. Näherhin ist E ein „Empfängerkonzept“, nicht ein „Ausstellerkon­ zept“, also nicht in der Schreibstube des ausstellenden Bischofs, sondern im Empfängerkreis — St. Peter-Schwigger — entstan­ den. Schwerlich hätte die bischöfliche Urkundenstelle in der Kund­ machungsformel des Eingangs die Wendung gebraucht „Christi nostrique fidelibus“, eine den Königsurkunden entnommene und dort auch sinnvolle Formel, mit der sich der König an sämtliche Reichs­ untertanen wendet; aber hier sind, da es sich um eine Bischofsur­ kunde handelt, natürlich die „fideles“ des Bischofs gemeint und als solche bezeichnete man nicht etwa die Diözesanen, sondern die bischöflichen Lehenmannen; an sie jedoch im besonderen war diese Kundmachung nicht gerichtet, sondern schlechthin an alle Christ­ gläubigen, für die deren Inhalt von Belang sein oder werden konnte. Im übrigen ist klar, daß über die Einzelheiten und Bedingungen der Schenkung nur der Schenker sich zu äußern in der Lage war. Nach Schwiggers Angaben also jedenfalls ist der Entwurf zustande gekom­ men, ausgearbeitet von einem seiner Burgkapläne oder, wahrschein­ licher, im Stift St. Peter.

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II. DIE FASSUNG F. 1. Textüberlieferung und Inhalt. Überliefert ist die Fassung F nur in Abschriften. Drei Abschriften sind mir bekannt geworden. Die eine ist eine Kopie aus dem „Original“, versehen mit Nachzeichnung des Siegels und des Monogramms, beglaubigt (s. unten S. 17 Note x) vom Kanzlei­ vorstand des Reichsstifts St. Ulrich und Afra in Augsburg am 28. April 1777; sie wird aufbewahrt im Bisch. Ordinariatsarchiv Augsburg unter den Urkunden des Stifts St. Peter und sei darum mit A bezeichnet. Eine sorgfältige Abschrift, die nur die völlige paläographische Schulung und Sicherheit an manchen Stellen ver­ missen läßt. Die zweite Kopie — B — rührt von der Hand des Geschichtschreibers Plazidus Braun her und findet sich in dessen Codex diplomaticus episcopatus Augustani (Handschrift des Ordinariatsarchivs Augsburg) I n° 25. Braun gibt hier als seine Vorlage das „Autographum ecclesiae s. Petri“ an und erwähnt ebenfalls das Mo­ nogramm. Demnach muß auch damals noch, um 1810, die Uraufzeichnung von F vorhanden gewesen sein, die seither verschollen ist. B steht an Sorgfalt des Kopierens der Abschrift A wenig nach und übertrifft sie dank der paläographischen Gewandtheit des Kopisten in der Richtigkeit des Lesens. Die dritte Kopie — P — ist nicht aus der Uraufzeichnung unmittelbar geflossen, sondern ist Kopie einer beglaubigten und der Uraufzeichnung1 entnommenen Ab­ schrift. Die als Vorlage für die dritte Kopie dienende beglaubigte Abschrift war ausgefertigt von dem kaiserlichen Notar J. Phil. Hoser und scheint nicht datiert gewesen zu sein; wenigstens teilt die Kopie kein Datum der Beglaubigung mit. Diese Kopie einer notariell beglaubigten Abschrift findet sich im Propstei-Dokumentenbuch des Stiftes St. Peter; das Buch ist im Jahre 1698 angelegt, wird im Hauptstaatsarchiv München aufbewahrt als Kloster-Literale Augsburg St. Peter Nr. 8 und bietet unsere Abschrift auf Bl. 6. Auch diese Kopie2 ist sorgfältig, jedoch aus Mangel an paläographischer Schulung hat ihre Vorlage manchmal daneben gegriffen. Gedruckt ist die Fassung F erstmals im Anhang zu Dr. v. Raiser, Antiquarische Reise von Augusta nach Viaca (— Denkwürdigkeiten des Ober-Donau-Kreises 1829), S. 14, angeblich „ex autographo ecclesiae s. Petri“; sodann in den Monumenta Boica, tom. 33a (1841), p. 6 f., und diesem Abdruck liegt die Abschrift B (s. oben) zugrunde. Der Druck bei Raiser ist nachlässig und geht kaum auf das „autographum“ zurück, scheint vielmehr einer schlechten Kopie entnommen zu sein, die sich als Abschrift „ex autographo“ bezeichnet haben mag; er trägt für die Textrezension nichts aus und bleibt hier unberücksichtigt. Der Druck in den Mon. B. gibt die Transkription Brauns (Abschrift B) sorgfältig, aber auch nicht 1. Vgl. die Beglaubigungsformel unten S. 17 Note x. 2. Ihre Vergleichung verdanke ich der Güte des Herrn Staatsarchivdirektors Otto Geiger in München.

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ganz fehlerfrei3; 4er hat indes neben Brauns eigenhändiger Transkription, die hier herangezogen ist, keine selbständige Bedeutung und scheidet daher ebenfalls aus.

Der Inhalt der Fassung F weicht von dem der Fassung E (s. S. 11) außer durch Umstellungen und kleine, aber bedeutsame stilistische Verschiedenheiten ab durch ein Mehr und ein Weniger. Es fehlt in F der Zinslehensatz (E Satz 2). Die Mehrung betrifft die Bezeichnung Schwiggers als Graf (in E „nobilis quidam“), sodann die Einbezie­ hung von Gütern in [Nieder-] Raunau und von fünf weiteren Leib­ eigenen in die Schenkung, die Benennung von sieben Bauern, die auf den geschenkten Gütern sitzen, nebst Bestimmung ihrer Lei­ stungspflichten, den bedingten Anfall der Güter der geschenkten Leibeigenen an das Stift.

2. Text der Fassung F. Zur Textgestaltung sind herangezogen die Abschriften A B P. In der folgenden Textdarbietung der Fassung F sind die Stellen, die gegenüber der Fassung E eine Erweiterung oder Umstilisierung brin­ gen, durch Kursivdruck hervorgehoben. Die Ziffern in eckigen Klammern beziehen sich auf die Reihenfolge der betreffenden Sätze in der Fassung E, zeigen also die Umstellung an, die die Fassung F mit ihnen vorgenommen hat. Zutat des Herausgebers ist auch die Teilung in Absätze, die übrigens auch in P durchgeführt ist. In der Textgestaltung ist der Umlaut ae, da er in A B P sehr will­ kürlich bald mit ae, bald mit geschwänztem e, bald mit einfachem e wiedergegeben ist, durchgehends und ohne Variantenangabe durch ae ausgedrückt. Ebenso und aus dem gleichen Grunde willkürlicher Behandlung in den Vorlagen sind die Buchstaben u und v — mit Ausnahme ihres Vorkommens bei Eigennamen — nach ihrem Laut­ wert eingesetzt. In nomine sanctae et individuae trinitatis. Embrico dei gratia praesul Augustensis(a). [1] Noverint omnes Christi fideles tarn praesentes quam futuri9 qualiter comes Swigger per manum liberi cuiusdam Herimanni tale praedium, quäle in Lademötinga(b) et in Rönon4(c) 3. Die Fehler sind: Mon. B. S. 7 Z. 8 v. o. „Mathildi“, B: Machildi; Z. 13 v. o. „Wofelini“, B: Wovelini; in derselben Z.: „Vdalrici, B: Adalberti; Z. 9 v. u.: „Baccane“, B: Baccananc. 4. Niederraunau, B.-A. Krumbach.

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habuit, ad ecclesiam sancti Petri in Perleg/o(d) constructam cum Om­ nibus ad id pertinentibus et cum mancipiis ecclesiis vicis, agris pratis pascuis silvis,(e) aquis aquarumque(f) decursibus, molendinis tabernis, cultis et incultis, quaesitis et inquirendis, ad utilitatem clericorum ibidem deo servientium, pro anima sua uxorisque suäe Perehtae*g) pro animaque(h^ patris sui omniumque propinquorum suorum cunctorumque fidelium, cum manu eiusdem coniugis suae delegavit et contradidit.(i) [4] Praeterea plerosque proprietatis suae servos ad idem altare hac conditione contradidit, clericum videlicet quendam(k) Könradum,® ut ea lege qua ceteri canonici de familia sanctae Mariae(m) orti utatur; laicos vero, scilicet W ovelinum,^ Peronem, Perengerum, Arnoldum, Adalbertum,(0) Giselbertum, sub ea conditione, qua ceteri sanctae Mariae servientes fruuntur.

Rusticis quoque hanc legem voluit adscribi, quam familia sanctae Mariae5 apud Mantichingen6 habet in censu et in opere servili, his videlicet: Sifrido, Vlrico,(p) Alberto, Hiltrudi, Meregardi,(q) Gebpae, Machildi. Notandum est etiam, qualiter idem comes praedia, quae ab ipso seu a parentibus concessaantiquitus eisdem servientibus, si consocii heredes eis non succederent, fratrum usui deputavit, videlicet praedium clerici K^nradi^ post eius obitum, praedium vero Wovelini,^ Peronis, Perengeri, Arnoldi, AdalbertiGiselberti ceterorumque servientium, si filii ad idem altare non restent(v) conservi parentum. [3] Huiusmodi autem conditionis pactum ea ratione confirmavit, ut si nos vel successornm aliquis nostrum vel aliqua praepotens persona sibi illud usurpare vel in aüum usum redigere voluerit, ipse vel heres eius legitimus turturem ad eiusdem ecclesiae(w) altare offerat praedictumque praedium recipiat et in potestate sua retineat, quoad usque(x) ad usum clericorum secundum praedictam conditionem restitnatur. [5] Et ut haec traditio et(y) pactio stabilis et inconvulsa permaneat, hanc cartam conscribi sigillique nostri impressione iussimus insigniri, ascripto etiam fidelium nostrorum nobiliumque virorum necnon servientium nostrorum testimonio, quorum nomina7 haec sunt: 5. Die Domkirche in Augsburg ist hier gemeint. 6. Schwabmünchen.

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Heinrich(z) de Kiricheim,(a) Hesso et filius eius Hesso de Baccananc,(b) Rudolf(c) de Tapheim,(d) Wolfram de Moringa,(f) Werenhere(g) de Chuzzinchoua(h), Ofthalm de Werenshoua, Volcmar(i) de Annenhusa, Diethalmarc de Winzurn,^ Marcwart(1) de Hunsola, Marcwart(1) de Fiscon, Hiltibrant(m) urbis praefectus. Swigger,(n) Herbolt(0) et iterum Herpolt,Sigeboto, Steuen,^ et alii quam plurimi. Actum est anno incarnationis dominicae(r) mill. LXVII.(8) indict.(fc) V.(u) JJJ.(v) kal. Julii, praesidente papaAlexandro II., regnante autem Henrico Imperatore a) Aug: A Augustanus P b) Lademutinga B Lademtingen P c) Rovnon A Ruonon B Raunon P d) Perelegio A Perelagio P e) syluis A f) aquarumve BP g) Bereth§ A Perchte B Berthae P h) animabus AB i) extradidit P k) quemdam B 1) Con- BP m) de Vrsperg fügt B bei n) Woudinum P o) Adalpertum A Adelbertum BP p) Ulrico P q) Menegardi A r) hier scheint sunt ausgefallen zu sein s) Conradi BP t) Woudini P u) Adelberti P v) essent BP w) eccl. fehlt B x) quo adusque A quoadusque BP y) ac B z) Henrich P a) Kirchheim B Kircheim P b) Baccanane A Baccanano P c) Rudolph BP d) Taphaim AB f) Moringen B Motinga P g) Werner B Wernere P h) Cuzzencova B Cuzzinchova P i) Volcman B Volemar P k) Winlura A 1) Marewart A m) Hilliprant BP n) Swiger A o) Herpolt BP p) Herbolt B q) Steven P r) domini A s) MLXVII B 1067 P t) indictionb BP u) 5 P v) 3 P w) pappa A x) Es folgen in A und P die Beglaubigungen, nämlich A: Copiam praecedentem originali suo, facta auscultatione et collatione, de verbo ad verbum concordare testor sub liberi et imperialis monasterii ad SS. Udalricum et Afram Augustae Vind. maiori cancellariae sigillo. Augustae Vind. 28. Aprilis 1777. Recher cancellarius ibidem manu propria. Kanzleisiegel. Dieser Beglaubigung steht voran die Nachzeichnung von Siegel und Monogramm der Vorlage. — P: Quod praesens copia vidimata suo originali, pergamento inscripto et sigillato, habita prius diligenti collatione, in quantum legi potuit, penitus conformis sit et ita repererim, attestor sigillo meo notariatus et symbolo. Joannes Philippus Hoser, G. C. M. not. publ. iur. ad hoc debite requisitus. Dieser Beglaubigungsabschrift ist vorange­ stellt die Nachzeichnung des Monogramms, das die Vorlage, die notarielle Ab­

schrift, aus der Urschrift übernommen hatte.

3. Wesensbestimmung. Die Fassung F gab sich in der Uraufzeichnung, die uns nicht mehr vorliegt, als das Original einer Urkunde des Bischofs Embriko aus; 7. Die Ortsnamen sind in den Noten zum Text U (unten III) gedeutet.

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das zeigt sich darin, daß die Ur auf Zeichnung das Monogramm des Ausstellers aufwies und sein Siegel trug, wie die Abschriften, zum Teil unter Nachzeichnung, melden. So ist denn auch bisher die Fas­ sung F als echte Embriko-Urkunde angesehen worden; ja sie genießt in der Urkundenlehre sogar eine gewisse Berühmtheit als die älteste Siegelurkunde eines Augsburger Bischofs8,9 von der wir Kenntnis haben, freilich schon deshalb mit Unrecht, weil ihr eine echte, noch dazu im Original erhaltene Siegelurkunde des hl. Ulrich vom Jahre 969 vorangeht0. Die Embriko-Urkunde in der Fassung F war jedoch in der Uraufzeichnung und ist also auch in den Abschriften keine echte Urkunde, sondern — obwohl in der Uraufzeichnung mit Monogramm und Sie­ gel versehen — eine Fälschung. Das ergibt sich aus folgenden Fest­ stellungen. Trotzdem F das nämliche Datum trägt wie die Schenkung, deren Entwurf in E vorliegt, führt F gleichwohl den Schenker, der in E als „nobilis quidam“ bezeichnet wird, als „comes“ ein, d. i. im Sinne des 11. Jahrhunderts als Inhaber eines hohen königlichen Amtes, was demnach in E ohne jeden ersichtlichen Grund verschwiegen worden wäre, wenn F echt wäre; übrigens ist ein Grafschaftsverwal­ ter namens Schwigger in Ostschwaben nicht nachweisbar. Ebenfalls im Widerspruch zum gleichen Datum nennt F als Gegenstand der Schenkung nicht nur wie E Gut in Lamerdingen, sondern auch sol­ ches in Raunau, nicht nur zwei an St. Peter übergebene Leibeigene, sondern deren sieben; mögen die übrigen Erweiterungen, die F aufweist gegenüber E, immerhin als nähere Ausführungen und Bestim­ mungen zu der knappen Fassung in E gedeutet werden können, in obigen zwei Fällen greift F offensichtlich über E hinaus. Und am gleichen Tage des gleichen Jahres, da Schwigger sich und seiner Ge­ mahlin nach E den lebenslänglichen Zinslehensgenuß der Stiftungs­ gabe vorbehielt und vom Bischof und dessen Vogt feierlich über­ tragen ließ, hätte er nach F die erweiterte Stiftung ohne Vorbehalt gemacht. Auch die unglückliche Aneinanderreihung der Sätze in F, von der in anderem Zusammenhang die Rede sein wird (S. 22), er­ weckt Verdacht. 8. H. Breßlau, Handbuch der Urkundenlehre2 (1902), 702. 9. A. Schröder, Alt-St. Stephan in Augsburg (1928), 3—22, 33 f.

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Was aber ganz sicher die Fassung F als Fälschung erkennen läßt, ist die Bezeichnung des Regenten im Datum; als solcher ist Kaiser Hein­ rich III. genannt. Heinrich war aber im Jahre 1067 noch nicht Kai­ ser, wurde es erst 1084, und er nannte sich vor der Kaiserkrönung, also bis 1084, solang er nur erst König war, stets Heinrich den vier­ ten und erst als Kaiser den dritten, wie er ja in der Tat, da Hein­ rich I. als König starb und nie Kaiser wurde, als König der vierte, als Kaiser der dritte Heinrich war. Das wußte man in Augsburg sehr genau10, Heinrich weilte ja oft genug in der Stadt, sowohl als König wie als Kaiser. Prophetengabe müßte man dem Verfasser von F, da er 1067 von Kaiser Heinrich III. spricht, zuerkennen, wollte man die Echtheit der Urkunde behaupten. — Zeit und Ort der Entstehung der Fälschung haben wir zu untersu­ chen. Jedenfalls nicht vor 1084, dem ersten Kaiserjahr Heinrichs, ist sie entstanden, wie sich aus obigen Ausführungen ergibt. Aber auch nicht allzu lang hernach. Bis ins 13. Jahrhundert herabzu­ gehen, ja auch nur in die zweite Hälfte des 12., verbieten schon die Vornamen der Adeligen und die Namen der Bauern und Leibeige­ nen; denn sie weisen eine Mannigfaltigkeit altdeutscher Prägungen auf, wie sie schon im 12. Jahrhundert zugunsten einiger weniger Namen zu schwinden begann. Weiter hilft uns ein Lesefehler des Kopisten A: statt Winzurn hat er gelesen Winlura. Die Falschlesung des Schluß-n ist hier bedeutungslos, aber das z konnte er als 1 nur lesen, wenn es die ihm vorliegende Uraufzeichnung von F in einer Form aufwies, die dem 1 ähnlich ist; und eine solche Form des z war im 11. Jahrhundert noch in Gebrauch, verlor sich aber alsbald im 12. Jahrhundert, dem die h-förmige Bildung des z eigen ist. Somit dürfen wir die Uraufzeichnung von F, die Entstehung der Fäl­ schung, auf rund 1100 ansetzen. Und im Stift St. Peter ist sie angefertigt worden, nirgends anderswo, auch nicht am bischöflichen Hof, trotzdem sie Monogramm und Sie­ gel eines Bischofs aufwies; schon die schlechte Stilisierung verbietet diese Annahme. Das Stift allein war es ja auch, dem die Fälschung 10. Vgl. Urk. des Bischofs Embriko von 1071: Mon. B. 33a, 9. In den Annales Augustani (Mon. Germ. Hist. SS. III 123—136) wird Heinrich stets richtig bis 1083 als „rexu, von 1084 an als „imperator“ bezeichnet.

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zugute kam — in welchem Sinn, wird sich zeigen11 —, und dort allein hatte man, was man brauchte zur Fälschung: die echten Vorlagen. Der Entstehungsart nach ist nämlich die Fälschung nicht Neuschöp­ fung, sondern — jedenfalls in ihren Hauptteilen — Zusammenstoppelung aus echten Vorlagen unter urkundenmäßiger Ausstattung des Machwerks durch Monogramm und Siegel. Welche Vorlagen wurden benützt? Daß F auf weite Strecken mit E übereinstimmt, läßt obiger Textab­ druck von F durch Anwendung verschiedenen Drucktyps ohne wei­ teres erkennen.' Gleichwohl hat als Vorlage für F nicht E, der Ent­ wurf, gedient, sondern U, d* i. die echte Urkunde Embrikos. Das läßt sich, da U uns nicht überliefert ist, nur auf einem Umweg beweisen. Die stilistischen Verbesserungen und urkundengemäßen Abänderun­ gen, die F aufweist gegenüber E, sind es, die mit hinreichender Deut­ lichkeit zeigen, daß eiile in der bischöflichen Schreibstube vorge­ nommene leise Umstilisierung des Entwurfes als Vorlage für F be­ nützt wurde; und dieser umstilisierte Text kann kein anderer sein als der der echten Embrikourkunde. Der Übersichtlichkeit halber seien die der Umstilisierung unterworfenen Stellen sowie die Abän­ derungen in den Namen nebeneinandergestellt; der Beweis dafür, daß die Änderungen auf U als Vorlage hinweisen, wird in den No­ ten zu den einzelnen Stellen beigebracht. E E. praesul sanct$ Augustensis ecclesiQ [1] Notum esse uolumus omnibus Chri­ sti nostrique fidelibus tarn futuris quam praesentibus [4] Kononem clericum uidelicet quendam

F Embrico dei gratia praesul Augustensis12 Noverint omnes Christi fideles13 tarn praesentes quam futuri14 clericum15 videlicet quendam Konradum

11. S. unten S. 24. 12. Vgl. die Intitulatio in der echten Embrikourkunde von 1071 (Mon. B. 33a, 8): Embrico ... dei gratia .. . presul Augustensis. 13. Zu der Fassung in E: „Christi nostrique fidelibus46 vgl. oben S. ??; die Fassung in F ist kanzleigerecht. 14. Diese Umstellung — praesentes vor futuri — fand sich in U wahrscheinlich nicht; die in Anm. 12 erwähnte Embrikourkunde stellt die „superventuri66 vor die „coram positi66. 15. Die Voranstellung ist stilistische Verbesserung, weil hernach im Gegensatz dazu von Laien die Rede ist.

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[4] qua ceteri seruientes ecclesie [3] inde illud demere [5] Uvaltram de Motinga . .. Diethalm de Uverineshoua . .. Diethalm de Uverneshoua .. . Hiltebrant. Es folgen Vor­ namen vermutlich von Bauern in Lamerdingen. Actum anno dom: ... in festo 8. Petri

qua ceteri s. Mariae servientes fruuntur16 sibi illud usurpare17 Wolfram de Moringa ... Otthalm de Werenshoua ... Diethalman de Winzurn18... Hiltibrant urbis praefectus19. Es folgen Vornamen von Hörigen der Augsburger Kirche20. Actum anno incarnationis dominicae... III. Kal. Julii, praesidente papa Alexandro II., regnante autem Henrico imperatore III.21

Aber F unterscheidet sich von E vornehmlich durch Weglassung der Zinsverlehnung des Lamerdinger Gutes (s. S. 15) und durch Hinzufügung der oben im Abdruck des F-Textes durch Kursivdruck her­ vorgehobenen Stellen. Zu der Auslassung brauchte F selbstverständ­ lich keine Vorlage, die Zutaten aber fand F auch in U nicht vor. Der Nachweis hierfür ist von Belang; denn er dient zugleich der Rekon­ struktion von U. Indem er nämlich zeigt, was F trotz der Benützung von U nicht aus U entnommen hat, lehrt er uns zugleich, was von jenen Erweiterungen, die F bringt gegenüber E, die echte Urkunde Embrikos, die wir ja nicht kennen, nicht enthalten haben kann. 16. Die Abweichungen verbessern den Stil. 17. Diese Wendung ist urkundenmäßig, die in E laienhaft. 18. Die zweimalige Nennung Diethalms von Wörishofen in E ist offenbar auf Un­ achtsamkeit zurückzuführen; daß aber F den einen Diethalm nach Winzer ver­ weist, beim andern einen andern Vornamen bietet, läßt sich wohl nur aus Be­ nützung einer von E verschiedenen Vorlage erklären. Merkwürdig ist die Akku­ sativform, in der der Vorname Diethalm erscheint. 19. Die Hinzufügung des Amtes weist auf eine urkundengemäße Vorlage hin. 20. Als solche ohne Zweifel sind die mit bloßem Vornamen auf geführten Zeugen am Schluß der Zeugenreihe (von Swigger an) zu betrachten, da ja im Urkunden­ text als letzte Abteilung der Zeugen solche aus dem Kreis der Bischofsbörigen angekündigt werden. E jedoch bringt an dieser Stelle andere Namen, und zwar sind sämtliche nachgetragen (in zwei Absätzen), vermutlich, wie es sonst in Tra­ ditionsnotizen üblich ist, Namen von Bauern am Ort der Schenkung und etwa noch in dessen Nachbarschaft. Also hat F als Vorlage U benützt. 21. Vgl. Datumsfassung in der echten Embrikourkunde von 1071 (Mon. B. 33a, 9): Acta sunt hec anno dominice incarnationis . .. kal. Dez. VIII, tempore Alexandri pape, tempore domni regis Heinrici quarti. Zur Datierungsform in E vgl. oben S. 13.

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Zunächst die Stelle, die von den Zugehörden des Gutes Lamerdingen spricht; sie ist in F erweitert gegenüber E und lautet: cum omnibus ad id pertinentibus et cum mancipiis ecclesiis vicis usw. In U kann sie so nicht gelautet haben, denn die Fassung ist unlogischem dem „omnibus“ sind ja schon sämtliche Zugehörden eingeschlossen; deren Zergliederung und erläuternde Aufzählung im einzelnen kann also nicht mit et angeschlossen werden, sondern würde ein videlicet oder id est erfordern, wie sie auch in den kanzleimäßigen Urkunden angeschlossen wird. In E lautet die Stelle: cum omnibus ad id pertinentibus et cum XX man­ cipiis; das hat einen Sinn: außer dem Lamerdinger Gut und seinen Zugehörden umfaßte die Schenkung noch 20 Leibeigene. So hieß es ohne Zweifel auch in U; die Zergliederung der Zugehörden verrät sich durch den Anschluß mit et als stümperhafte Zutat des Fälschers. Die übrigen Zutäten in F gegenüber E, nämlich Gutsschenkung außer in Lamer­ dingen auch in Raunau [1], Benennung von sieben Gutsbebauern und sechs Laien-Eigenleuten [4], Bestimmung über die Gült- und Frondienstleistung der Gutsbebauer [4] sowie Verfügung über Heimfall der Güter der Eigenleute an das Stift für den Fall, daß die Kinder eines Eigenmannes einem andern Leibherrn gehörten (was eintreten konnte, wenn die Mutter einen andern Leihherrn hatte), diese Zutaten standen ebenfalls in U nicht; sie wären sonst in F nicht so unge­ schickt eingereiht. Sie trennen nämlich die Sicherungsbestimmung [3] von der Gutsschenkung in Lamerdingen und Raunau [1], und die Sicherungsbestimmung gehört doch nur und ausschließlich zu jener Gutsschenkung, nimmt auf sie aus­ drücklich Bezug mit „illud“, das sich auf „praedium“ bezieht, aber in F ganz in der Luft hängt, da es durch drei lange Sätze von seinem Bezugswort getrennt ist. Auch das „idem altare“ in Satz 4 ist bezugslos geworden; der Satz 3, worin der gemeinte Altar genau bezeichnet ist, folgt in F erst weit hinter Satz 4. So schlecht stilisierte man bei der bischöflichen Urkundenstelle sicher nicht, und so können die Zutaten nicht in U vorhanden gewesen sein.

Woher nun die Zutaten entnommen sein mögen, wird im Zusammen­ hang mit der folgenden Ausführung über den Charakter der Fäl­ schung zu untersuchen sein. — Welcher Gattung gehört die Fälschung an? Liegt eine wesentlich nur formale Fälschung vor, eine solche, die Original zu sein Vortäuschen will, jedoch in ihrem Inhalt den tatsächlichen Rechts- und Besitzver­ hältnissen zur Zeit der Entstehung des Falsums entspricht? Oder handelt es sich um eine auch inhaltliche Fälschung, um eine solche, die zugleich neue, zur Zeit der Entstehung des Falsums nicht wirk­ lich gegebene Rechts- und Besitz Verhältnisse urkundlich erst schaf­ fen und zugleich sichern will? Prüfen wir daraufhin die Zutaten. Die erste betrifft [Nieder-] Raunau (F, Satz 1, s. oben S. 15). Hier soll Schwigger

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nach F Gut an St. Peter geschenkt haben. In Raunau gehörte die Pfarrkirche mit ihren Einkünften „seit alters“ zur Pfründe des Propstes von St. Peter, heißt es in Urkunde von 1300, durch die Bischof Wolfhard die Schenkung dieser Kirche durch den Propst an das Stift zur Begründung einer weiteren Kanonikatspfründe bestätigt22. Und diese Pfarrkirche nebst Widern und Zehnt wird in der Tat durch Schwigger an die Kirche St. Peter gekommen sein. Schwigger nämlich gilt in der Überlieferung des Stiftes St. Peter als „Graf von Balzhausen auf Schwabegg“23. Wir können diese Überlieferung24 nicht unmittelbar nachprüfen, aber da unter den Zeugen der Schwiggerschenkung von 1067 adelige Herren von Kirchheim und Morgen auftreten, zwei nahe bei Balzhausen gelegenen Orten, da ferner in Rau­ nau auch das Kloster Ursberg um 1140 mit Schenkungen bedacht wurde25, eine Gründung der Herren von Schwabegg, die mit den Herren von Balzhausen in einem Familien- und Güterzusammenhang standen, so darf man annehmen, daß in der Tat Schwigger ein Edler von Balzhausen war, wie die Stiftsüberlieferung meldet, und daß er außer in Lamerdingen, wofür E und U eintreten, auch in Raunau dem Stift St. Peter Gut zuwandte, wie F behauptet, freilich nicht schon im Jahr 1067. Wahrscheinlich lag dem Fälscher eine echte Traditionsnotiz vor, die von der nach der Lamerdinger Schenkung betätigten Schenkung in Raunau handelte. Jene Erweiterung sodann, die die Zugehörden der Gutsschenkungen aufzählt (F, Satz 1, 3. oben S. 16), entspricht ebenfalls im großen ganzen der Wirklichkeit. Sie ist übrigens formelhaft, von „ecclesiis“ ab der urkundenüblichen Zusammen­ stellung gleichlautend, ohne Zweifel aus einer anderen (nicht von Lamerdingen und Raunau handelnden) Urkunde entnommen und nur ungeschickt angefügt (s. oben S. 22). Auch die Benennung von sechs Laien-Eigenleuten, die nach F Schwigger der Kirche St. Peter zum Dienste zuwies, und von sieben Gutsbebauern (F, Satz 4, oben S. 16), ist nicht als Rechtserweiterung anzusehen. Was die Eigenleute be­ trifft, so meldet E freilich nur von einem einzigen Laien, der der Kirche über­ geben wurde, aber doch auch von zwanzig mit dem Lamerdinger Gut geschenkten (E, Satz 1, Seite 11); es mögen in der Zwischenzeit etwa eine Anzahl Kinder jener Lamerdinger Eigenleute nach Augsburg beordert und in den Dienst der Peters­ kirche gestellt worden sein; oder Schwigger selbst hat nachträglich noch weitere Leibeigene der Stiftskirche zugewendet, worüber eine Traditionsnotiz vorhanden gewesen sein wird mit den Namen, die übrigens ohnehin an der Kirche bekannt waren. Und die Namen der Gültbauern kannte man ebenfalls im Stift, sie standen im Gültbuch. 22. Urk. abschriftlich in PI. Brauns Codex diplom. ecclesiae Aug. (Ordinariats­ archiv Augsburg). 23. Vgl. die Inschrift des um 1400 entstandenen „Stiftergrabes“ bei St. Peter. 24. Der Titel „Graf“ und der Zusatz „auf Schwabegg“ erweisen sich als geschicht­ lich unhaltbar, wie ich in dem Werk „Das Bistum Augsburg“, 9. Band bei Pfarrei Balzhausen darzutun gedenke. Vgl. oben S. 18. 25. Ursberger Traditionsbuch: 7. Jahresher. des Hist. Ver. Dillingen (1894), S. 14, n. 39, S. 16 n. 47.

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Bei der Leistungs- und der Heimfallsbestimmung (F, Satz 4) könnte man an in­ haltliche Fälschung denken, in dem Sinn, daß diese Bestimmungen beigefügt wor­ den wären, um dem Stift erhöhte Gülten und Dienste und den Anfall von Leib­ eigenengütern zu verschaffen. Eine Vorlage für diese Sätze hat schwerlich bestan­ den; die Traditionsnotizen pflegen solche Bestimmungen nicht zu enthalten. Aber wenn schon die Bestimmungen nicht aus einer echten Vorlage übernommen sind, so können sie doch die wirklichen, herkömmlichen Verhältnisse zur Grundlage haben, so daß neu daran nicht ihr Inhalt, sondern nur ihre schriftliche Festlegung wäre. Und diese Annahme hat alle Wahrscheinlichkeit für sich; denn die als maß­ gebend bezeichneten Leistungen der Domstiftsleute in Schwabmünchen waren nicht übermäßig hoch, und der Heimfall der Leibeigenengüter an den Leihherrn bei Ermanglung von zur Knechtshuhe gehörigen Nachkommen war allgemein üblich. Endlich die Erhebung des Stifters vom „nobilis“ zum „comes“9 die sicher auch in U sich nicht vorfand, ist vermutlich aus Gründen der Verehrung gegen den Groß­ wohltäter und des Prestiges der beschenkten Kirche erfolgt.

Harmlos also war die Fälschung. Aber was bezweckte sie, wenn sie doch keine neuen Rechte begründen sollte? Die Zeit, der die Fälschung angehört, legt über deren Zweck eine wohlbegründete Vermutung nahe. Hat Schwigger der Schenkung von 1067, die urkundlich verbrieft wurde, noch weitere Schenkungen folgen lassen, über die nur Übergabsaufzeichnungen Vorlagen, Tra­ ditionsnotizen also, die für sich keine Beweiskraft hatten, sondern deren Inhalt durch die darin auf geführten Zeugen zu beweisen war — und zu dieser Annahme sind wir nach obigen Ausführungen be­ rechtigt —, so mußte das Stift je länger je mehr den Wunsch hegen, auch diese späteren Schenkungen in Urkunde unter Siegel zu haben; denn um die Wende des 11. Jahrhunderts vollzog sich in Deutsch­ land der Übergang von der Traditionsaufzeichnung und damit vom Zeugenbeweis zur Siegelurkunde und damit zum Beweis durch Ur­ kunde, das Siegel wurde das Beglaubigungsmittel. Bei Lebzeiten Schwiggers kam es allem Anscheine nach zur urkundenmäßigen Verbriefung seiner weiteren Schenkungen nicht mehr. So hat man um 1100 die Urkunde der ersten Schenkung (1067) — sie trug das so be­ gehrenswerte Siegel — hervorgeholt, hat deren Text umgearbeitet durch Weglassung des Zinsverlehnungsabsatzes, der durch das inzwi­ schen erfolgte Ableben Schwiggers t*nd seiner Gemahlin gegen­ standslos geworden war, sowie durch Einrückung der späteren Schenkungen Schwiggers und der erwähnten Leistungs- und Heim­ fallsverhältnisse, hat das Monogramm der echten Urkunde in der

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Fälschung nachgebildet und deren Siegel der Fälschung eingehängt» Die echte Urkunde von 1067 wurde wohl damals schon beseitigt, da sie nun ohne Siegel keine Beweiskraft mehr hatte und doch für F gefährlich werden konnte. — Demnach ist F, um die Ergebnisse zusammenzufassen, im wesent­ lichen eine formale Fälschung, angefertigt um 1100 im Stift St. Peter auf Grund der echten Embrikourkunde von 1067 unter Zutaten, die teils echten Traditionsnotizen, teils dem urkundlichen Formelschatz, teils den wirklichen Verhältnissen entnommen wurden, zu dem Zweck, die Gesamtheit der Schwiggerschenkungen und ihrer Rechts­ verhältnisse in der erstrebenswerten Form einer besiegelten Beweis­ urkunde zu vereinigen. III. DIE VERLORENGEGANGENE ECHTE EMBRIKOURKUNDE VON 1067 (= U). Für U sind nun die Wege geebnet. Denn es ist bereits dargetan wor­ den, daß U wirklich einmal vorhanden war und zwar als Siegelur­ kunde, daß U in der bischöflichen Schreibstube entstanden ist auf Grund des Empfängerkonzeptes E, daß F sich an U, nicht an E hielt, daß und worin F über U hinausgeht, daß und warum U frühzeitig beseitigt worden ist, woraus sich erklärt, daß nicht einmal eine Ab­ schrift davon vorhanden ist. U ist die Zweitälteste Siegelurkunde eines Augsburger Bischofs, die sich nachweisen läßt, fast genau hundert Jahre jünger als die uns erhaltene älteste, die Ulrichsurkunde für St. Stephan, von 969. U ist, da E nur Entwurf, F aber Fälschung ist, die älteste echte Urkunde

des Stiftes St. Peter. Zum Inhalt, der ja im wesentlichen mit dem des Entwurfes überein­ stimmt und im I.Teil angegeben ist (s. S.9f.), hier nur soviel: Die Ur­ kunde spricht nicht von der Gründung des Stiftes St. Peter, wie übrigens auch nicht E noch F; es ist die später auftretende Tradi­ tion26, die Schwigger zum Gründer der Kirche und des Stiftes St. Pe26. Erstmals, soviel ich sehe, in der „Chronik von der Gründung der Stadt Augs­ burg bis zum Jahre 1469“: Chroniken der deutschen Städte 4 (Augsburg 1), 301. Noch das „Stifterdenkmal“ bei St. Peter aus der Zeit um 1400 spricht in der In­ schrift nur von Dotation durch Schwigger, die übrigen, nicht erhaltenen Inschrif­ ten (mitgeteilt von C. Khamm, Hierarchia Augustana 2, 1712, 72) melden von Be­ reicherung oder von Neubau der Kirche durch Schwigger.

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ter macht. Nach der Urkunde handelt es sich vielmehr um eine Zu­ stiftung an die schon bestehende und bereits mit Klerus versehene Kirche St. Peter. Immerhin dürfte erst durch Schwiggers Zustiftung die kollegiale Verfassung des Klerus an dieser Kirche ermöglicht worden sein; denn das Stiftungsgut in Lamerdingen. bildete die Propstpfründe27, und die Zuwendung scheint also zur Aufstellung eines Propstes und damit zur Bildung eines Kollegiatstiftes geführt zu haben. In diesem Sinne wird die Tradition, soweit sie von Stifts-, nicht von Kirchengründung spricht, sich halten lassen. — Es erübrigt noch die kritische Darbietung des rekonstruierten Textes von U unter Beigabe von Erläuterungen. Den Text wiederherzustellen, dienen als Behelfe E, der Entwurf, weil er von U als Konzept benützt wurde, und F, die Fälschung, weil sie auf Grund von U angefertigt wurde. E enthält, mit Ausnahme der Zeugen aus der bischöflichen Hörigenschaft, den Text der echten Urkunde (mit Einschluß des sog. Protokolls) inhaltlich vollständig und frei von den Zutaten in F, die wir, ebenso wie die Weglassung in F, nur mit Hilfe von E festzustellen vermögen; F hinwieder be­ lehrt uns über die stilistischen Verbesserungen und urkundengemä­ ßen Abänderungen, die in der bischöflichen Schreibstube bei der Ausfertigung von U am Text von E vorgenommen wurden, und ver­ vollständigt die Zeugenreihe und die Datierungsformel. Da für die Textrezension weder Original noch Abschrift zur Verfügung stehen, ist der Umlaut ae überall mit ae wiedergegeben und erfolgt die Wiedergabe der Buchstaben u und v nach deren Lautwert.

1067 Juni 29. Bischof Embriko von Augsburg beurkundet des Edlen Schwigger Schenkung von Gut in Lamerdingen an die Kirche St. Peter am Per­ lach und von Eigenleuten an deren Altar. In nomine sanctae et individuae trinitatis. Embrico dei gratia praesul Augustensis(a). Noverint omnes Christi fldeles tarn futuri quam praesentes,(b) qualiter nobilis quidam(c) Swigger1 per manus liberi cuiusdam Herimanni2 tale praedium, quäle in Lademötinga(d)3 habuit, ad ecclesiam sancti Petri in Perlegio(e) constructam cum Omni­ bus ad id pertinentibus et cum XX(f) mancipiis ad utilitatem clerico27. Vgl. A. Schröder, Das Bistum Augsburg 8 (1932), 351.

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rum ibidem deo servientium pro anima sua uxorisque suae Perehtae(g) pro animaque patris sui omniumque propinquorum suorum cunctorumque fidelium cum manu eiusdem coniugis suae delegavit et contradidit, eiusdemque(h) praedii usum sibi praedictaeque coniugi suae in beneficium quoad vixerint paciscens, ipse illud cum eadem coniuge sua iure beneficiario a nostra advocatique nostri Werenherii4 manu, tradito unius denarii censu, recepit.(h) Huiusmodi(i) autem conditionis pactum ea ratione confirmavit, ut si nos(k) vel successor(1) aliquis nostrum(m) vel aliqua praepotens personal sibi(°^ illud usurpare(p) vel in alium usum redigere voluerit, ipse vel heres eius legitimus turturem ad eiusdem ecclesiae altare offerat praedictumque praedium recipiat et in potestate sua retineat5 quoad usque(q) ad usum clericorum secundum praescriptam(r) conditionem restituatur. Praeterea(a) duos(t) proprietatis suae servos ad idem al­ tare hac conditione contradidit, clericum videlicet quendam Könradum,(u) ut ea lege qua ceteri canonici6 de familia sanctae Mariae7 orti utatur; laicum(v) vero sub ea conditione, qua ceteri sanctae Ma­ riae^ servientes fruuntur(x). Et ut haec traditio et pactio stabilis et inconvulsa permaneat, hanc cartam conscribi sigillique nostri inpressione iussimus insigniri, ascripto etiam fidelium nostrorum(y) nobiliumque virorum necnon servientium nostrorum testimonio, quorum nomina haec sunt: Heinrich de Kiricheim8, Hesso et filius eius Hesso de Baccananc,(z)9 Rödolf de Tapheim10, Wolfram(aa) de Moringa,(bb)11 Werenhere de Chuzzinchova(cc)12, Otthalm(dd) de Werenshova,(e€)13 Volcmar de Annenhusa14, Diethalman de Winzurn,(ff)16 Marcwart de Hunsola16, Marcwart de Fiscon17, Hiltibrant(gg) urbis praefectus.(hb)18 Swigger, (11)19 Herbolt et iterum Herpolt, Sigeboto, Steven, et alii quam plurimi. Actum est(kk) anno incarnationis dominicae(11) mill. LXVII. indict. V. III. Kal. Julii,(mm) praesidente(nn) papa Alexandro II., regnante autem Heinrico rege IV.(oo)

Monogramma episcopi. Sigillum episcopi. a) c) f) E. k)

Embrico — Augustensis] S.S.20A.12 b) Noverint — praesentes] S.S.20A.14 qualiter nob. quidam] qualiter comes F d) Lademotinga E e) Perlaich E XX] fehlt F g) PerehthQ E h) eiusdemque — recepit] fehlt F i) Huius Den Satz Huiusmodi — restituatur schiebt F zurück bis vor die Corroboratio vel nos E 1) successorum F m) noster E n) persona praepotens E

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inde E p) demere; s. S. 21 q) quo ad usque E r) praedictam F Praeterea — fruuntur] diesen Satz bringt F als den zweiten t) plures F clericum — Konr.] s. S. 20 v) laicos F unter Anschluß von sechs Namen s. Mariae] ecclesie E x) fruuntur] fehlt E. ln F folgen die zwei Sätze über Leistungspflicht und Gutsheimfall y) nostr.] fehlt E z) Hesso de Bacc. et filius e. Hesso E aa) Uvaltram E bb) Motinga E cc) KuQzzinchoua E dd) Diethalm E; s.S.21 A.18 ee) Uverineshoua E ff) Diethalm de Uverneshoua E; s.S.21 A.18 gg) Hiltebrant E hh) urb. praef.] fehlt E; s.S.21 A.19 ii) Suitger — plurimi] fehlt E; s. S. 21 A. 20 kk) est] fehlt E li) anno dom. E mm) III. kal. Jul.] in festo s. Petri nachgetragen in E nn) praes. — IV.] fehlt E; s. S. 21 A. 21 oo) Heinr. rege IV.] Henrico imperatore' III. F; s. S. 19

o) s) u) w)

1. von Balzhausen; s. S. 23. Und ein Edelfreier, nicht Graf; s. oben S. 23 A. 24. 2. als Salmann oder Treuhänder. 3. Lamerdingen, B.-A. Schwabmiinchen. 4. Wernher von Schwabegg, Großvogt der Augsburger Kirche. 5. Ähnliche Sicherungsbestimmungen enthält die Schenkungsurkunde Bischof Heinrichs I. von Augsburg von 980 (Mon. Germ. Hist., Scriptores IV 618) und die Stiftungs­ urkunde für das Kloster Liezheim (Unterliezheim, B.-A. Dillingen) von 1026 (A. Steichele, Das Bistum Augsburg IV, 1883, 759 f.). 6. „canonicus“ — clericus secundum canones formatus (Weltgeistlicher) im Gegensatz zu clericus secundum regulam vivens (Ordensgeistlicher). 7. D. i. aus der Hörigenschaft der Dom­ kirche in Augsburg. 8. Kirchheim, B.-A. Mindelheim. 9. Backnang, württ. Oberamtsstadt im Neckarkreis. 10. Tapfheim, B.-A. Dillingen. 11. Morgen, B.-A. Mindelheim. Obwohl hier E und von den drei Abschriften von F die Ab­ schrift P statt Moringa „Motinga“ bieten, wird doch die Lesart Moringa vorzu­ ziehen sein, die durch zwei Abschriften von F, darunter die Brauns (in der Form „Moringen“), verbürgt wird. In den Zeugennamen erweist sich E mehrfach nicht als zuverlässig (s. oben S. 22 Anm. 18), und Braun hat besser gelesen als der Ko­ pist P, der überdies nicht die Urschrift von F vor sich hatte. 12. Kleinkitzighofen, B.-A. Kaufbeuren. 13. Wörishofen, B.-A. Mindelheim. 14. Anhausen, B.-A. Augsburg. 15. Winzer, B.-A. Krumbach. 16. Honsolgen, B.-A. Kauf­ beuren. 17. Fischach, B.-A. Zusmarshausen. 18. Der Burggraf von Augsburg. 19. Hier beginnt die Reihe der Zeugen aus dem Hörigenkreis; s. oben S. 21 Anm. 20.

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DIE PFLEGE DER VOLKSWOHLFAHRT IM EHEMA­ LIGEN HERRSCHAFTSGERIET DES DOMKAPITELS AUGSBURG. Von Pfarrer Georg Rückert, Polling. Vielfach wird das öffentliche amtliche Fürsorgewesen für eine Er­ rungenschaft der neuesten Zeit gehalten. Dies mag zutreffen für unser modernes, durch Staatsgesetze zwangsläufig festgelegtes Für­ sorgewesen; es gibt aber auch ungeschriebene Gesetze, soziale Pflich­ ten und Leistungen, die nur auf Grund von Billigkeitserwägungen durch altes Herkommen und geheiligte Gewohnheit dem Bedürf­ tigen zugestanden werden. Man darf wohl sagen, daß an solchen frei­ willigen Wohlfahrtsleistungen die alte Zeit reicher war als die Ge­ genwart, die sich vielfach daran gewöhnt hat, diese Sorgen dem Staat und seiner Gesetzgebung zu überlassen. Der Staat kümmerte sich früher um diese Dinge nur in sehr be­ schränktem Maße. Die Pflege der Volkswohlfahrt lag zum größten Teil in den Händen der Grund- und Gerichtsherrschaften. Auf ihre christliche Gesinnung und ihr soziales Empfinden kam es zumeist an, wie für das Wohlergehen der Untergebenen gesorgt war. Von einer geistlichen Herrschaft erwartete man schon in früheren Jahrhunderten ein besonderes Verständnis für diese Fragen. Was sie alle auf diesem Gebiet geleistet haben, läßt sich bei der weiten Ausdeh­ nung des Gebiets der Wohlfahrtspflege heute nicht mehr im vollen Umfang überschauen, da durch die Säkularisation vor 4 Menschen­ altern ihrer Tätigkeit ein jähes Ende gesetzt wurde. Das ehemalige Domkapitel Augsburg nimmt hierin insoferne eine Ausnahmestel­ lung ein, als ein günstiges Geschick uns eine überaus wichtige Quelle erhalten hat, aus der wir ein vollständiges ungetrübtes Bild seiner Wirtschaftsgewohnheiten und Verwaltungsgrundsätze schöpfen kön­ nen. Es sind die Beschlußbücher1, in welchen die bei den Sitzungen des Domkapitels gefaßten Beschlüsse ihre Aufzeichnung fanden. Sie befassen sich keineswegs nur mit rein geistlichen Angelegenheiten, 1. Recessional-Protokolle des Domkapitels Augsburg, 1462—1802, 219 Foliobände, früher im Kreisarchiv Neuburg a. D., jetzt im Haupt-Staatsarchiv München. Hoch­ stift Augsburg, Lit. Nr. 5482—5701. Sie werden im Text mit Nummer und Seiten­ zahl zitiert.

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sondern erstrecken sich über alle erdenklichen wirtschaftlichen und kulturellen Fragen und sind deshalb für die Kulturgeschichte der letzten vier Jahrhunderte von großer Bedeutung. Besser und zuver­ lässiger als alle Sammlungen von Gesetzen und Verordnungen'unter­ richten sie uns über die Frage, wie die Volkswohlfahrt in diesem kleinen geistlichen Gemeinwesen tatsächlich gepflegt worden ist. 1. ALLGEMEINE FÜRSORGE. Das Herrschaftsgebiet des ehemaligen Domkapitels Augsburg2 war in ausgesprochener Streulage über ganz Mittel- und Nordschwaben verteilt. Es umfaßte hier die Ämter: Anhausen, Stadtbergen und Radau (Augsburg), Apfeltrach (Mindelheim), Breitenbrunn (Mindelheim), Dinkelscherben (Zusmarshausen), Langerringen (Schwabmünchen), Gersthofen (Augsburg), Großaitingen (Schwabmünchen), Holzheim (Dillingen), Zusamaltheim (Wertingen); außerdem besaß es noch zerstreute Güter im Ries (Riesamt), in Bayern und (seit 1618) die Obervogtei Oeffingen bei Cannstatt (Württemberg). In fast allen zugehörigen Ortschaften teilte sich das Domkapitel mit ande­ ren Herrschaften in die Grundherrschaft, eigene Landeshoheit besaß es nicht, mit Ausnahme der innerhalb des Hochstifts gelegenen Teile, wo ihm beschränkte Hoheitsrechte zustanden. Die domkapitlischen Untertanen waren nicht leibeigen im strengen Sinn dieses Wortes, nicht persönlich unfrei. So stellte das Domkapi­ tel am 9. März 1637 fest, daß es in seinem Gebiet mit Ausnahme eini­ ger wenigen Lehen an der Straße keine mit Leibeigenschaft behafte­ ten Güter gebe, von denen der „Todfall66 hergebracht wäre (5553/ 47). Doch standen sie als Hintersassen des Kapitels, also sofern sie auf kapitlischen Gütern saßen, zu ihrer Herrschaft in einer ding­ lichen Abhängigkeit, im Verhältnis der Hörigkeit. Grund und Boden und meist auch die darauf errichteten Gebäude waren Eigentum der Herrschaft. Die Inhaber der einzelnen Hofgüter waren an die Scholle gebunden und konnten ihre Anwesen ohne Genehmigung der Herr­ schaft nicht veräußern. Sie hatten davon nur die Nutznießung und zwar entweder auf Lebenszeit (Leibrecht) oder auf Widerruf (Frei2. Vgl. Alfred Schröder und Hugo Schröder, Karte der Herrschaftsgebiete in Schwaben und Neuburg nach dem Stande von 1801. Augsburg 1906. Dr. Alfred Schröder, Die staatsrechtlichen Verhältnisse im bayerischen Schwaben, Dillingen 1907.

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Stift). Letztere für den Grundholden ungünstigste Form der Boden­ leihe war im Gebiet des Domkapitels seltener. Aber auch die für die Untergebenen günstigste Art, die Erbgerechtigkeit, bildete eine Aus­ nahme. An diesen durch unvordenkliches Herkommen festgelegten Rechts­ verhältnissen hielt das Kapitel bis zu seiner Auflösung unabänder­ lich fest. Als Bischof Heinrich von Knöringen im Jahre 1629 von dem Kapitel ein Gutachten einforderte, ob es nicht ratsam wäre, alle leibfälligen Güter zu Erblehen zu machen, mit dem Vorbehalt, daß die Inhaber nach wie vor bei Fälligkeit 10% Handlohn reichen müßten und ihre Gülten in Eisengülten umgewandelt würden, entgegnete das Kapitel, daß jeder Wechsel in solchen Dingen gefährlich und reifliche Erwägung vor Einführung solcher Neuerungen zu emp­ fehlen sei (5548/58). Es bewilligte zwar am 9. April 1636 diese Um­ wandlung, aber nur soweit es sich um Hochstiftsgüter handelte (5552/52). Man kann seinen Standpunkt verstehen, wenn man be­ denkt, daß diese Neuerung für die Beteiligten eigentlich ein zwei­ schneidiges Schwert war. Den Untertanen brachte es zwar den Vor­ teil der Erbberechtigung, aber auch den Nachteil, daß sie in Zukunft keine Brandentschädigung, keine Bausteuer und keinen Gültnach­ laß mehr beanspruchen konnten. Der Herrschaft wurde die Möglich­ keit genommen, unfähige Hintersassen zu entfernen, auch war sie durch die Umwandlung der Naturalabgaben in Eisengült3 den Schwankungen des Warenmarkts und des Geldwerts mehr ausgelie­ fert als vorher. Das Kapitel sah auch darauf, daß keine Neuerungen zum Schaden der Untertanen eingeführt wurden. Als im Jahr 1569 der Amtherr von Graben (Schwabmünchen) von den in seinem Amt gelegenen Sölden die Entrichtung des Todfalls verlangte, wurde ihm dies von dem Kapitel untersagt, da es bisher nicht gebräuchig gewe­ sen sei (5506/14). Die Inhaber der domkapitlischen Bauernhöfe mußten eine dem Um­ fang und der Ertragfähigkeit der zum Hof gehörigen Grundstücke entsprechende Jahresabgabe an Getreide, die „Gült“, und anderen Naturalien (Eier, Hühner und sonstige „Küchendienste“) leisten. Von Sölden und Leerhäusern bezog das Kapitel nur einen geringen 3. So nannte man eine für immer festgesetzte jährliche Abgabe in Getreide oder Geld, die ohne Rücksicht auf den wirklichen Ertrag geliefert werden mußte.

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jährlichen Geldzins. Fälle von Gültsteigerung lassen sich in der für vorliegende Untersuchung maßgebenden Zeit vom Ausgang des Mit­ telalters bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts nicht nachweisen; eine Herabsetzung der Gült wird nur einmal erwähnt, als im Jahr 1628 eine Hofgült zu Langerringen verringert wurde, weil der Vogt den Nachweis lieferte, daß das Höflein „übergültet66 sei (5567/82). Die Höhe der Gült war im allgemeinen so bemessen, daß sie in normalen Jahren ohne Beeinträchtigung einer standesgemäßen Lebenshaltung geleistet werden konnte. Die domkapitlischen Untertanen hatten in dieser Beziehung keinen gerechten Grund zur Klage. Deshalb haben sie sich auch im Bauernkrieg überall ruhig verhalten, wo sie nicht von aufständischen Rotten mit Gewalt oder Drohungen zum An­ schluß gezwungen wurden. Gab es infolge Hagelschlags, Trocken­ heit, Mäusefraß oder kriegerischer Unruhen eine Mißernte, so sicherte Herkommen und Gewohnheitsrecht den vom Unglück Be­ troffenen einen entsprechenden Gültnachlaß zu. Das Kapitel ließ in solchen Fällen den Feldschaden durch seine Beamten unter Beizie­ hung der Nachbarn (nach Raingenossenrecht) abschätzen und rich­ tete sich nach deren Befund in seiner Entscheidung. Fälle dieser Art kamen sehr häufig vor, nur bei Erbgütern und von Eisengült gab es keinen Nachlaß. Die Nachlaßgesuche der Untergebenen wurden in den Kapitelssitzungen verhandelt. In wirklichen Notfällen zeigte das Kapitel stets bereitwilliges Entgegenkommen bei allem Streben nach Wahrung seiner Rechte. Man wird z. B. keine unbillige Härte darin erblicken, daß das Kapitel im Teuerungsjahr 1571 nur jenen einen Nachlaß gewährte, welche nach Möglichkeit ihren Verpflichtungen nachgekommen waren, während alle, die zu Markt gefahren, keine Nachsicht fanden (5506/203); oder, wenn im Jahr 1560 verordnet wird, die Gültrückstände müßten mit Ernst eingetrieben und den Hintersassen solange die Wirtshäuser verboten werden, bis sie be­ zahlen (5502/127). Kurz vor dem Schwedeneinbruch (29. III. 1632) sah sich das Kapitel gezwungen, seine Beamten anzuweisen, daß sie „böswilligen Gültschuldnern in die Städel fallen und bis zu völliger Bezahlung ausdreschen lassen66 (5520/54). Am 4. Juni 1653 hatte das Kapitel über die aus dem Dreißigjährigen Krieg stammenden Gült­ rückstände zu verhandeln. Es beschloß: Die Rückstände aus der Zeit von Michaeli 1646 bis Ende 1649 sollten allen Untertanen in An­ sehung ihrer während dieser Zeit erlittenen Drangsale und Kriegs32

beschwerden in Gnaden ganz nachgelassen werden. Die Schulden aus den Jahren 1650, 1651 und 1652 sollten nach Beschaffenheit des Gültmanns zur Hälfte eingefordert werden (5564/106). Vergantun­ gen von Gültschuldnern kamen äußerst selten vor. Das Kapitel griff zu diesem Mittel erst, wenn alle andern erfolglos waren. Gewöhn­ lich ging es wie bei jenem Bauern von Großaitingen, der wegen Übelhausens, Spielens und rückständiger Gülten eingesperrt worden war und am 7. Jan. 1604 der Haft entlassen wurde gegen das Ver­ sprechen, seine Schuld zu bezahlen, Jahr und Tag die Wirtshäuser zu meiden und während dieser Zeit keine Wehr zu tragen (5527/4). Er scheint seine Bewährungsfrist eingehalten zu haben, da keine weiteren Maßregeln gegen ihn zur Anwendung kamen. — 1683 wurde die hochstiftische Gantordnung von 1674 im Kapitelsgebiet eingeführt. Es lag im eigenen Interesse des Kapitels, die Leistungsfähigkeit sei­ ner Grundholden zu schonen, ja zu kräftigen; nur falls diese sich eines gewissen, wenn auch bescheidenen Wohlstands erfreuten, konnte die Herrschaft auf sicheren und regelmäßigen Eingang ihrer Einkünfte rechnen. Darum wurde unerbittlich an dem Grundsatz festgehalten, daß von dem ursprünglichen Umfang und Zubehör eines Gutes nichts ent­ fremdet wurde. Bei Erbgütern durfte keine Güterteilung vorgenom­ men werden. Am 26. Jan. 1463 stellt ein Kapitelsbeschluß fest: Der Güter Recht sei, „daß man die nit tailen soll, ob auch ainer mer Kind hett, sollen die doch allweg samentlich in ainer Hand beliben und nit getailt werden66 (5482/11). Eine Verfügung vom 4. Nov. 1672 verordnete, daß bei Heiraten und Erbteilungen die Protokolle nicht von den Unterbeamten auf dem Land abgeschlossen werden dürf­ ten, sondern zur Genehmigung an das Kapitel eingereicht werden müßten (5580/385). Güterzertrümmerung bei Vergantung war nicht herkömmlich (5544/ 101); wer nicht mehr weiter wirtschaften konnte, mußte sein An­ recht auf das Hofgut im ganzen verkaufen. Auch die leibfälligen Güter blieben gewöhnlich im Besitz der glei­ chen Familie. Nach dem Tod des Vaters entrichtete der älteste Sohn den sogenannten Handlohn (10°/0 des Schätzungswerts, zu dem das Gut angeschlagen war) und erhielt dann den Hof auf Lebenszeit.

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Starb ein Bauer mit Hinterlassung unmündiger Kinder, so gewährte das Kapitel der Witwe auf Wunsch sogenannte Gunst- oder Gnaden­ jahre, während welcher sie den Hof einem neuen Ehegatten zubrin­ gen oder als Witwe den Kindern erhalten konnte. Als z. B. im Jahr 1575 der Meierhof zu Löpsingen (Nördlingen) durch den Tod des Meiers dem Domkapitel heimgefallen war, durfte die Witwe gegen ein jährliches Gunstgeld von 20 fl. den Hof noch 4—5 Jahre behal­ ten, bis ihr Sohn mannbar geworden war (5508/216). Um leichtsinniges Schuldenmachen der Untertanen zu verhüten, brachte das Domkapitel im Jahr 1555 ein Mandat gegen die Juden für das gan^e Hochstift bei Kardinal Otto Truchseß in Vorschlag (5500/136). Es wurde am 18. Nov. 1556 genehmigt (5500/140). Am 21. April 1587 verordnete das Kapitel, daß alle Kontrakte mit Juden zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung durch die Landpfleger bedürf­ ten (5517/53). Im Jahr 1575 wurde den Untertanen verboten, von Juden irgend etwas zu kaufen (5508/193). Am 8. Juni 1630 erging ein neues Judenmandat, demzufolge die Untertanen mit den Juden überhaupt keinen Handel mehr treiben durften, außer um Bargeld. Schuldverträge durften von den Amtleuten nicht mehr protokolliert werden (5549/105). Am 30. Okt. 1693 erließ das Domkapitel eine abermalige Verordnung gegen Kontrakte mit den Juden auf Grund einer Erneuerung des von König Ferdinand I. am 1. Juli 1543 erteil­ ten Privilegs.4 Hatte ein Hintersasse durch ein Brandunglück Haus und Hof ver­ loren, so hatte er, falls er nicht ein Erbgut besaß, Anrecht auf soge­ nannte Brandsteuer. Die Höhe dieser Unterstützung wurde durch die Brand- und Bausteuerordnung vom 9. Juni 1587 geregelt (5517/ 82). — Bausteuer oder Zimmersteuer wurde gewährt, wenn an Stelle eines baufälligen Gebäudes ein Neubau erstellt wurde. Am 11. Sept. 1620 z. B. beschloß das Kapitel, für einen Stadelneubau 20 fl. zu be­ willigen, obwohl von Alters her für einen solchen nur 12—15 fl. be­ willigt worden wraren (5540/142). Wer ein Strohdach durch ein Zie­ geldach ersetzte, wurde ebenfalls vom Kapitel mit einer Beisteuer unterstützt. Nach dem Dreißigjährigen Krieg erhielten zahlreiche Untertanen, deren Güter niedergebrannt waren, Bauhilfe in Gestalt von Gült4. München, Hauptstaatsarchiv, Hoch Stift Augsburg, Lit. 836, 247.

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nachlaß, Bauholz und Bardarlehen. Solche, bei denen eine ordent­ liche Wirtschaft nicht zu erwarten war, wurden abgewiesen (5562 und 5563). — Die verschiedenen Polizeiverordnungen des Kapitels enthielten strenge Vorschriften über Anlage der Feuerstätten und Kamine, Flachsdörren in Wohngebäuden und über Handhabung der Feuerbeschau. Zuwiderhandelnde verfielen unnachsichtlicher Strafe. So beschloß das Kapitel am 30. Okt. 1673 nach einem großen Dorf­ brand in Gersthofen, den abgebrannten Untertanen Gült und Zehent nachzulassen, Geld und Bauholz vorzustrecken, und Brandbriefe (zum Sammeln von Almosen) zu erteilen. „Des Mayrs Weib aber, welliche Ursach daß durch ihre schädlich und strafmessige Hinläßigkeit die Brunst entstanden, soll andern zum Exempel mit Kopf und Händen in die Geigen zu wohlverdienter Straf geschlossen und im Dorf auf- und abgeführt werden66 (5581/345). Von einer behördlichen Organisation der Feuerwehr lesen wir zum ersten Mal im Jahr 1618, wo das Kapitel bei dem Bürger und Feuer­ kübelmacher Georg Düeler in Ulm für die domkapitlischen Dörfer Feuerkübel bestellte (5538/126). Im Februar 1620 konnten die bei­ den Landpfleger berichten: „die fürnembste Flecken sind mit Feurkibeln zimlicher Massen versehen66 (5540/17). Am 18. Okt. 1658 ließ das Kapitel für Großaitingen zwei hölzerne Wasserspritzen gegen Feuersgefahr anschaffen (5569/203). Ein Beschluß vom 20. Sept. 1717 befahl, die abgängigen Feuerleitern und Feuerkübel auf Ko­ sten der Gemeinden nachzuschaffen (Lit. 1052/179). Nie versagte das Kapitel seine Hilfe, wenn eine Teuerung oder Hun­ gersnot hereinbrach. Da wurden die notleidenden Untergebenen mit „Aßkorn66, d. i. Brotgetreide, versehen und Samengetreide herbeige­ schafft. Das geschah nach Ausweis der Beschlußbücher in den Jah­ ren 1463, 1567, 1570, 1571,1575,1614, 1622, 1627,1628,1635, wäh­ rend des ganzen Dreißigjährigen Krieges und noch oftmals in späte­ rer Zeit. Im folgenden nur einige Beispiele: Am 3. Nov. 1570 wollte die Stadt Augsburg für die hungernde Bürgerschaft 2000 Schaff Korn vom Domkapitel kaufen. Dieses mußte jedoch zur Antwort geben, daß die Domherrn „ire Casten das verschinen Jahr mit iren armen Leuten dermassen enplosset, daß im Vorrat nichts sonders mer vorhanden66 (5506/162). Im Jahr 1622, als in Stadt und Land große Hungersnot herrschte, gaben die Kapitulare gerne von ihrem

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Praebendalgetreide5 ab (5542/255 und 266). Am 1. März 1628 faßt das Kapitel den Beschluß: „Dieweil die Not auf dem Land eben so groß, daß etliche gleichsamb Hunger sterben müßen, also sollen die Herren Landpfleger ihrer gueten Discretion nach etlich Getreide gen Waickertzhoven, Afalteren, Gersthofen und in selbiges Amt ge­ hörige Flecken un Agawang schaffen und durch die der Orten Pfar­ rer und Ambtleuth mahlen, abbachen und das Brot oder Mehl unter den Armen austeilen lassen46 (5547/47). Im Jahr 1635 opferte das Domkapitel sogar seinen kostbarsten Schatz, den im Jahr 1508 nach langjähriger Arbeit vollendeten silbernen Altar6. Er war vor den Schweden nach Salzburg geflüchtet worden und wurde nun ver­ kauft. Von dem Erlös kaufte das Kapitel bei dem kaiserlichen Re­ gimentsrat Martin Hafner in Linz 3000 Metzen Roggen. Das Korn wurde in Krems auf Schiffe verladen und auf der Donau bis nach Donauwörth verfrachtet, wo die Amtleute es abholen und an die Untertanen verteilen mußten (5551/3 und 78). Im Januar 1636 wurde der Domherr Johann Konrad v. Neuhausen beauftragt, in Österreich 50 Muth Kern und ebensoviel Roggen auf Borg einzu­ kaufen (5552/7). Trotzdem war im August 1637 die Not so groß, daß die Leute die Getreidekörner aus der Erde gruben, welche von den Feldmäusen verzogen worden waren. Es hieß, viele seien daran ge­ storben (5552/157). Am 16. Juni 1650 entschloß sich das Kapitel, noch das Letzte, was an Kirchensilber entbehrlich war, zu veräußern oder zu verpfänden, um der Not der Untertanen zu steuern (5561/ 110). Den Bauern wurde Saatgetreide verabreicht, Pferde zur Ver­ fügung gestellt und die Feldwirtschaft wieder in Gang gebracht. Am 23. Juli verordnete das Kapitel, „die Unordnung im Feldbau abzu­ stellen und den Unterschied der Felder wieder in den alten Stand zu bringen44 (5561/122). Durch Verordnungen über die Preise der wichtigsten Lebensmittel suchte man der wucherischen Ausbeutung des Volkes entgegenzu­ wirken. So wurde am 4. Nov. 1622 gemeinsam mit der Stadt und dem Hochstift Augsburg eine allgemeine Tax- und Geldordnung ver5. Siehe meine Abhandlung: „Die Prähende am Domkapitel zu Augsburg.“ Archiv für die Geschichte des Hochstifts Augsburg. V. Band, S. 183—254. Dillingen, 1917. 6. Archiv für die Geschichte des Hochstifts Augsburg, IV, 488 f. und Schröder, Dr. Alfr., Das Augsburger Dombild, Münchener Jahrb. d. bild. Kunst. N. F. 7 (1930), S. 111—124.

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einbart (5542/274), nachdem schon im Frühjahr desselben Jahres den domkapitlischen Untertanen verboten worden war, ihr Getreide an „Kipperer44 zu verkaufen (5542/255). In den Teuerungsjahren 1635 und 1636 folgten Preistarife und Taxen für Bäcker, Brauer und Metzger (5554/119, 182, 190), die dann allmählich zu einer stän­ digen Einrichtung der Polizei-Ordnung wurden. Auch eine Art Fa­ milienhilfe wurde in den ersten Jahren des Dreißigjährigen Krieges behördlich eingeführt. Vom 1. Sept. 1620 bis 21. Jan. 1621 erhielten die Familien der Untertanen, „die zur Artillerie der bayerischen und katholischen Union verordnet waren46, von ihrer Aufenthaltsge­ meinde wöchentlich 1 fl. (5541/249). In diesen Kriegsjahren stellte sich auch die Notwendigkeit heraus den Arbeitsmarkt behördlich zu regeln. Am 14. Okt. 1622 wurde verordnet, daß junge sich verheiratende Leute und Taglöhner nur dann als Beisitzer aufgenommen werden dürften, wenn sie sich ver­ pflichteten, bei der Bauernschaft des Ortes um Lohn zu arbeiten (Lit. 1052, 101). Unter dem 12. Juni 1637 wurde beschlossen: „Nach­ dem fürkommen, daß viele Ehehalten, so sich auf ein gewiße Zeit verdingt bei annahender Feldarbeit aus ihrem Dienst stehen und anderwärts hinbegeben, sollen die Amtleute dergleichen Knecht und Mägd alsgleich in das Faß stellen lassen und sie dadurch zu ihrem Versprechen wirklich anhalten44 (5553/113). Am 18. Dez. 1637 wurde eine neue Taxordnung über die Löhne der Dienstboten zur Beratung gestellt, weil „die übermäßigen Besoldungen der Ehehal­ ten, Taglöhner und Handwerksleute dem armen Bauersmann uner­ träglich fallen44 (5553/199). Das Jahr 1640 brachte dieselben Kla­ gen; darauf wurden Verhandlungen mit der Stadt wegen eines ge­ meinsamen Vorgehens eingeleitet (5556/3). Am 24. März 1642 wurde die neue Lohntaxordnung eingeführt (5558/81). Im Mai 1652 be­ schwerten sich die Handwerksleute, Ehehalten und Taglöhner „an der Straß44 über die Lohntaxordnung, wollten um die dort festge­ setzten Preise nicht mehr arbeiten und standen vielfach aus. Das Kapitel entschloß sich abzuwarten, wie andere Herrschaften sich verhielten (5563/127). Die folgenden Jahrzehnte brachten sodann den weiteren Ausbau in Zunft- und Handwerksordnungen. Bei dieser Gelegenheit sei auch erwähnt, daß das Domkapitel schon um die Mitte des 16. Jahrhunderts eine eigene Polizeiordnung für sein Gebiet besaß. Ein Beschluß vom 26. Okt. 1556 beauftragte näm37

lieh die beiden Landpfleger, die vor Jahren veröffentlichte Polizei­ ordnung zu revidieren (5501/161). Im Juli 1571 wurden Verhand­ lungen mit den fürstbischöflichen Räten gepflogen wegen Einfüh­ rung der hochstiftischen Polizeiordnung in den domkapitlischen Ge­ richten (5506/219—228). Das Ergebnis war die am 21. Nov. 1571 ge­ nehmigte und in 200 Exemplaren gedruckte revidierte Polizeiord­ nung (5506/243). Gleichzeitig wurde auch die Gerichtsordnung vom Jahr 1552 wieder nachgedruckt7. Letztere wurde 1592 in 115 Exem­ plaren neu aufgelegt und 1603 wiederum einer Revision unterwor­ fen (5520/264 und 5526/76). Die Aufsicht über das ganze Polizeiwesen, Gerichtswesen und die öffentliche Ordnung und Sicherheit oblag den beiden Landpflegern. Diese Stellen bekleideten gewöhnlich zwei jüngere Domkapitulare gegen besondere Entschädigung. Laut Landpflegers-Instruktion vom 24. März 1670 mußten diese Herren sich verpflichten, allen Unter­ tanen, wann und so oft sie kämen und darum ersuchten, fleißiges Ge­ hör zu schenken und sich ständig am Sitz des Kapitels aufzuhalten. Alle Jahre einmal mußten sie auf das Land hinausreiten, die Ämter besuchen und die dortigen Gerichte nach Gewohnheit besetzen, „die Klagen der Beamten wider die Untertanen und deren wider jene, auch der Bauern unter sich verhören66. Alle wichtigeren Straffälle (über 1 fl.) blieben dem Kapitel Vorbehalten. Sie durften auf diesen Dienstreisen keine unnötigen Zehrungen verursachen und von kei­ nem Menschen irgendwelche Geschenke oder „Schmieralien66 an­ nehmen8.

II. ARMENPFLEGE UND KRANKENFÜRSORGE. Gelang es einer Herrschaft, die Verarmung und den wirtschaft­ lichen Niedergang der Gesamtbevölkerung trotz der häufigen Kriege und natürlichen Katastrophen zu verhindern, so war schon viel er­ reicht. Von jedem Einzelnen das Los der Armut abzuwenden, stand nicht in ihrer Macht. Dafür oblag ihr die Pflicht, den Hilfsbedürf7. Lit. 1052 erwähnt auch eine domkapitlische Gerichtsordnung vom 7. März 1539. Das Beschlußbuch dieses Jahres ist nicht mehr vorhanden. 8. Hauptstaatsarchiv München. Hochstift Augsburg, Lit. 836, S. 221—229.

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tigen jede mögliche Erleichterung zu verschaffen. Freilich war es nicht so leicht, hier geeignete Maßregeln zu ergreifen, da infolge der allgemein geübten privaten Wohltätigkeit der Unfug des öffentlichen Bettels in den zur Untersuchung stehenden Jahrhunderten allmäh­ lich unheimliche Formen angenommen hatte. Gegen Ende des Mit­ telalters war diese Plage in Augsburg so groß geworden, daß im Jahre 1489 der Stadtrat sich an das Domkapitel mit dem Ersuchen wandte, gemeinsame Schritte zur Abstellung des Bettlerunwesens zu unternehmen (5488/66). Das Domkapitel sandte zwei Domherrn auf das Rathaus mit dem Vorschlag, täglich auf gemeinsame Kosten der Stadt und der Geistlichkeit eine Speisung der Armen zu veranstal­ ten. Daran sollten nach dem Wunsch des Kapitels auch auswärtige Bettler Anteil haben; die Stadt hingegen wollte diese ausschaffen und nur die eigenen armen Bürger unterstützen. An dieser Mei­ nungsverschiedenheit scheiterte der Plan9. Auch im Februar 1491 wurden zwischen Stadtrat und Domkapitel Verhandlungen wegen Verteilung der Almosen geführt, die anscheinend zu keinem Ergeb­ nis kamen (5488/208). Bei der Neuordnung der städtischen Armen­ pflege im Jahre 152210 bewilligte das Domkapitel auf Ersuchen des Stadtrats in widerruflicher Weise, daß an allen Feiertagen in der Domkirche unter dem letzten Amt eine Sammlung für die Armen ge­ halten werde (5496/187). Bei der Teuerung der Jahre 1570 und 1571 wurde die Bettlerplage so groß, daß das Kapitel eine eigene Bettelordnung abfassen ließ und den Landpflegern einschärfte, bei deren Durchführung auf die Haus­ armen besonders Rücksicht zu nehmen (5506/156, 187). Am 7. Juni 1614 beschwerte sich der Propst von Großaitingen und der Richter von (Lang-) Erringen ob der Menge der hin und wieder vagierenden „starken Bettler44 (5534/169). Das Kapitel setzte sich mit dem Fürstbischof in das Benehmen wegen Einführung einer neuen Bettelordnung. Einen Monat später wurde diese vom Kapitel genehmigt (5534/225). Bereits im Jahre 1623 mußten mit dem Hoch­ stift neuerdings Verhandlungen gepflogen werden, wie dem an der Hochstraße überhandnehmenden Bettel gesteuert werden könnte 9. Dr. Max Bisle, Die öffentliche Armenpflege der Reichsstadt Augsburg, Pader­ born 1904, S. 134. 10. Ebenda, S. 5.

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(5543/1). Im Mai dieses Jahres wurde die Einführung eigener Bet­ telabzeichen11 beschlossen (5543/94). Nach dem Dreißigjährigen Krieg nahm die Belästigung des flachen Landes durch Bettler und „gartende Landsknechte66 einen solchen Umfang an, daß das Domkapitel sich gezwungen sah, in Verbindung mit dem Hochstift, der Stadt Augsburg und andern Herrschaften förmliche Streifjagden auf das Gesindel abzuhalten; so in den Jah­ ren 1655, 1670 usw.12 Der Erfolg war gering; die Bettlerplage dau­ erte fort bis in den Anfang des 19. Jahrhunderts13. Neben den gewerbsmäßigen Straßenbettlern stellten sich nur allzu häufig feinero Hilfesuchende ein, die auf Grund wirklicher oder an­ geblicher Vornehmheit ihres Standes sich berechtigt fühlten, von dem Kapitel selbst ein besseres Almosen in Empfang zu nehmen. So erhielt 1476 ein „Graf aus Engellandt66 V2 Gulden „umb Gottswillen66 (5484/1); 1591 ein „Singnor Pamasa Paliologa Fürst von Maze­ donien“ 10 fl. Außerdem kamen in diesem Jahre noch ungefähr 100 Gulden zur Austeilung an Christen, die von den Türken ranzioniert worden waren (5519/2). Für letztere wurden auch in den Kirchen der Stadt Augsburg Sammlungen abgehalten und auf der Kanzel empfohlen. Darüber beschwerte sich der Rat bei dem Domkapitel, weil dadurch den Ortsarmen Abbruch und Nachteil geschehe (5520/ 100). Wegen ,kontinuierlichem Überlauf dern zum öftern sehr unbeschaidenen Bettler66 beschloß das Kapitel am 20. August 1665 dem Vierherrn Georg Adler zur Verteilung an solche bedürftige Perso­ nen eine gewisse Summe zu überweisen, „wann anders solche und dern je zuweilen vorweisende Brief nit verdächtig66 (5574/112). Neben den außerordentlichen Unterstützungen stand den Armen durch die vielen Almosenstiftungen des Mittelalters und der neueren Zeit eine regelmäßig fließende Quelle von Liebesgaben offen. Von den Zeiten des hl. Ulrich an bis zum Ende des Mittelalters war an der Domkirche kaum eine bedeutendere Jahrtagstiftung errichtet 11. Solche waren von der Stadt Augsburg schon durch die Bettelordnung vom Jahr 1491 eingeführt worden. Bisle, S. 164. 12. Hochstift Lit. 1052 zählt von 1556—1803 25 Verordnungen des Domkapitels betr. Vertreibung der Bettler auf. 13. Bisle, S. 99. — Nach Roscher Wilh.9 System der Armenpflege und Armenpolitik9 S. 12, rechnete man noch gegen Schluß des 18. Jahrhunderts in Deutschlands geistlichen Territorien auf je 1000 Einwohner 260 Bettler.

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worden, bei welcher die Armen nicht mit Spenden an Geld oder Na­ turalien bedacht worden wären14. Diese wurden gewöhnlich unmit­ telbar nach dem Gottesdienst in der Kirche ausgeteilt und der Zu­ drang wurde dabei manchmal so groß, daß die gestifteten Mittel nicht ausreichten, auch eine Ausscheidung zwischen wirklich Be­ dürftigen und Unwürdigen im Sinne der Stifter nicht mehr möglich war. Das Domkapitel entschloß sich daher am 3. Juni 1570, der gestifte­ ten Spenden halb eine Änderung vorzunehmen, damit „der Fundatorn Will und Intention adimpliret werde66 (5506/125). Die mit der Vorbereitung beauftragten Domherrn legten am 23. August einen Entwurf vor, der auch die Genehmigung des Kapitels fand und als „Neue Spendordnung66 rechtskräftig wurde (5506/142). In dieser wurden 20 gestiftete Spenden zu je 4 Schaff Roggen und 7 Spenden ä 8 fl. zusammengefaßt. Das zur Verfügung stehende Stiftungskapi­ tal betrug 296 fl. Hievon wurden wöchentlich 2 fl. in die Domschule für die armen Schüler gereicht und außerdem 4 Quatemberspenden festgesetzt, bei denen jede anwesende arme Person 2 Pfennige er­ hielt. Die Zahl der Empfänger wurde auf je 3000 angeschlagen. Im Jahr 1613 wurde festgestellt, daß zu diesen Quatemberspenden je­ weils 1800—1900 Arme sich einfanden (5533/77). In diesem Jahr (1613) stiftete Johann Eustach von Westernach, Deutschordensstatt­ halter zu Mergentheim an der Domkirche zu Augsburg einen Jahr­ tag, mit welchem er eine wahrhaft fürstliche Almosenstiftung ver­ band. Er hatte die Verfügung getroffen, daß an seinem Jahrtag 300 Personen mit einer Spende von 10 kr. beschenkt werden sollten. Um diese Wohltat den wirklich Bedürftigen zu sichern, traf das Kapitel die Anordnung, daß von dieser Spende jedes Jahr 10 Gulden in der Domschule durch den Schulmeister unter die armen Schüler, „so das Almuessen einnemen und deren etwa 80 sein66 ausgeteilt werden soll­ ten. Ferner sollten in der Stadt Augsburg 50 hausarme Leute, dar­ unter auch die 12 Stuhlbrüder, je 10 Kreuzer bekommen und der Kapitelsbursner alljährlich ein Verzeichnis derselben anfertigen. Von dem Überschuß sollten in 4 domkapitlischen Ämtern oder Pfar­ reien auf dem Land je 50 hausarme Leute „aber nit Landfahrer und 14. Bisle, S. 132. Vgl. Monumenta Germaniae historica. Neer. I, 55—73. — SS. IV, 391, 418. — Monumenta Boica 35a. 3—258.

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Fremde66 jährlich auf gezeichnet und beschenkt werden, wenn sie um die Zeit, da der Jahrtag im Dom begangen würde, in ihrer Pfarrei in eine hl. Messe kämen (5533/77). Dieses Bestreben, die Armenfürsorge in eine gewisse Ordnung zu bringen, äußerte sich auch darin, daß das Domkapitel am 26. März 1627 allen seinen Beamten auf dem Land den Auftrag erteilte, ein Verzeichnis aller Armen ihres Amtes anzulegen, „so dem Almuesen nachgehen müßen und am bedürftigsten sein66 (5546/91). Diesen wurden von den Beamten Almosenzettel ausgestellt, mit denen sie nach Augsburg gehen und vom Kapitel eine Unterstützung erbitten konnten. Die Erfahrungen, die das Kapitel mit dieser Neuerung machte, waren jedoch derartig, daß es am 23. Dez. 1630 die Weisung hinausgab, nurmehr bis zur nächsten Quatember solche Zettel auszu­ stellen, ausgenommen an „gar alte und presthafte Leut, so dem Al­ muesen nit mer nachkommen könnden66 (5549/230). Die bedeutendste Wohltatigkeitsanstalt auf domkapitlischem Gebiet war das 1604 von dem Domdekan Johann Hieronymus Stör von Ostrach (f 1614) gegründete Spital zu Dinkelscherben15. Kurz vor seinem Tode, in der Sitzung vom 27. März 1613, ließ der edle Stifter Vorbringen „was Gestalt Se. Gnaden den Spital zu Dinkelscherben zu der Ehr Gottes und Unterhaltung der lieben Armen mit nit gerin­ gem Unkosten unbedauerter Mühe und Arbeit von Grundt aufer­ bauen, fundiert und bis dahero mit täglichem Zunemen also dispo­ niert, daß allbereit 38 Personen, darunter 9 jede eine ganze Pfriendt, 24 jede eine halbe Pfriendt, 5 aber mit Herberg, Feuer und Liecht unterhalten werden und dem Ansehen nach gute Hoffnung zu schöp­ fen, daß das Einkommen inner wenig Jahren zu gutem Aufnehmen geraten solle66, nachdem außer seinen eigenen Zuwendungen viele eifrige Geistliche das Spital in ihren Testamenten bedacht hätten. Es sei „nunmehr augenscheinlich zu spüren, daß dis löblich Werk nicht allein zu der Ehr Gottes und der lieben Armen Unterhaltung, son­ dern auch zu Abhelfung der Bursch16 ob dem Hals ligender quattemberlicher und teglicher vilfeltiger Almuesen vil mehr ausreichen 15. Steichele, Das Bistum Augsburg, II. 50. 16. Aus dieser Kapitelskasse wurden den armen Untertanen neben einmaligen Unterstützungen auch vierteljährliche Renten gewährt (5528/155). Die Stiftung des Spitals bedeutete also für das Kapitel eine Entlastung.

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werde, dergestalt daß dergleichen arme Leut nach und nach in ge­ dachtem Spital untergebracht und ohne der Bursch Beschwernis unterhalten werden könnten64. Nun krönte er sein Werk durch eine große Zustiftung. Mit 5110 Gulden Kapital erkaufte er für das Spi­ tal aus der Burs eine jährliche Gült von 7 Schaff Kern, 35 Schaff Roggen, 4 Schaff Gerste, 30 Klaftern Holz und 30 Schobern Portzen. Einstimmig erteilte das Kapitel die erbetene Bewilligung und ge­ währte für die gleichzeitig erfolgte Stiftung der Spitalkaplanei die gewünschten Fundationsbeiträge (5533/88). Obsorge und Verwal­ tung der Spitalstiftung führte fortan das Domkapitel und sorgte durch fortwährende Zustiftungen für deren Ausbau. Bei der Säku­ larisation hatte das Stiftungsvermögen eine Höhe von 507 000 Gul­ den erreicht17. Der Genuß dieser segensreichen Stiftungen war aus­ schließlich der Dienerschaft und den armen Untertanen des Dom­ kapitels Vorbehalten. Im Spital zu Dinkelscherben fanden gelegentlich auch arme Geistes­ kranke eine Unterkunft, für die sonst in alten Zeiten so schlecht ge­ sorgt war18. So wird im Jahr 1621 ein Geisteskranker von der Ge­ meinde Langweid im Spital untergebracht gegen 9 fl. Quatembergeld und 1 Fuder Holz. Das Domkapitel übernahm davon vierteljährlich 4 fl. auf eigene Kosten (5541/254). Waren durch die Stiftung und freigebige Ausstattung des Spitals zu Dinkelscherben die eigenen Untertanen des Domkapitels hinlänglich versorgt, so war das Los der fremden Hilfsbedürftigen um so trau­ riger. Blieben sie irgendwo am Weg liegen, dann kamen sie nach all­ gemeinem Brauch auf die „Bettelfuhr66. Man lud sie auf einen Kar­ ren und brachte sie bis zur nächsten Gemeindegrenze, wo sie ihrem Schicksal überlassen, das heißt auf gleiche Weise weiter befördert wurden, wenn man ihnen die Übernahme nicht ganz verweigerte. Im Jahr 1589 frug die Gemeinde Großaitingen an „von wegen der armen 17. Steichele 1. c. Vgl. Lit. 1052. Abt. VII: Von Gnadensachen, Spitalpfründen und andern Almosen. 18. Am 4. Juni 1554 beantragte das Kapitel bei dem Hochstift, es sollten zu Dil­ lingen im Spital etliche Häuslein „zu Verwarung der armen entruhten Menschen zugerichtet werden44. — 5 Wochen später beschließt es: „Die Verwarung zu den armen unbesinten oder unsinnigen Leuthen zuzurichten soll nit in Vergeß ge­ stellt werden44 (5500/131, 151).

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Kranken, so man von einem Flecken zum andern führen muß64 (5518/125). Im Okt. 1592 stellte sie an das Kapitel die Bitte, auf Kosten der Gemeinde, ein Häuslein zur Beherbergung fremder ar­ mer Leute erbauen und dazu die vom Gefängnisbau daselbst übrig­ gebliebenen Materialien verwenden zu dürfen. Das Kapitel gewährte das Gesuch, weil das Haus nicht bestimmt war für die Armen, „so hin und wider streichen, sondern allain für diejenige, so von ainem Flec­ ken zum andern geführt werden44 (5520/240). Ebenso erhielt am 1. März 1632 die Gemeinde Großkitzighofen die Erlaubnis, auf eigene Kosten auf Gemeindegrund ein Häuslein zu bauen „zur Underschleuffung der armen durchfiehrenden Leuten44 (5550/35). Die gleiche Erlaubnis wurde 1670 der Gemeinde Langerringen erteilt unter der Bedingung, „daß sie ein dergleichen erbauendes Armen­ haus von Selbsten eignen Mitein zu unterhalten verbunden sein solle44 (5579/137). Daneben befand sich zu Langerringen seit 1516 ein Sondersiechenhaus für arme Aussätzige. Es wurde mit Erlaubnis des Domkapitels von Hans Müller von Erringen gestiftet. Ursprünglich für 4 Sieche und Pfründner bestimmt, wurde die Stiftung im Laufe der Jahre bedeutend erweitert. Namhafte Zustiftungen machten 1587 Dom­ propst Andreas Rem von Kötz (600 fl. zum Unterhalt zweier weite­ rer Pfründner); 1601 Pfarrer Christoph Merod von Tannhausen (im Ries), Verwalter des domkapitlischen Riesamts (1000 fl. für 2 neue Pfründen). 1589 erhöhte das Domkapitel das Holzgeld der Siechen von 14 fl. auf 20 fl. und wendete 1617 ein ihm zugefallenes Erbe eines Domvikars im Betrag von 500 fl. zu einer Stiftung für Ver­ pflegung von Armen und Kranken, die ohne Genuß einer Pfründe in das Haus aufgenommen werden sollten. 1729 wurde das Haus durch Anbau einer Abteilung für Kranke vergrößert. Eine Armen­ stiftung war schon 1522 mit dem Siechenhaus verbunden. In der Folge wurden auch domkapitlische Untertanen außerhalb des Amts Erringen aus Stiftungsmitteln mit Almosen bedacht. Ein Leprosenhausvater führte die Aufsicht, zwei Stiftungspfleger verwalteten das Vermögen unter Oberaufsicht des Richters von Erringen und des Domkapitels. Das Vermögen betrug 1815 20 850 Gulden19. Hier oder 19. Dr. Alfr. Schröder, Das Bistum Augsburg, VIII. Bd. S. 386. Dort auch eine Hausordnung und Beschreibung der Leprosentracht.

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in Dinkelscherben fanden auch Blinde und Stumme ihre Unterkunft, so weit man sie nicht in Familienpflege belassen konnte20. Auch die Sorge für die armen Waisenkinder21 war zunächst Sache der Anverwandten. Die von den Außenbehörden geführten Rech­ nungen über das Vermögen der Waisen unterstanden, wie ander­ wärts, der Aufsicht der Herrschaft (5548/172). Waren leistungs­ fähige Verwandte nicht vorhanden, so wurden die Waisen auf Kapi­ telskosten in Familien untergebracht22. Ähnlich wurde es mit den Findelkindern gehalten23. Gelegentlich erwähnen die Beschlußbü­ cher auch, daß durch Bezahlung des Lehrgeldes für die Zukunft armer Kinder gesorgt wurde24. Für die Aussteuer armer Jungfrauen war durch ein Legat des am 28. Juni 1559 verstorbenen General­ vikars Jakob Heinrichmann gesorgt25. Doch erwog das Kapitel, um eine unerträgliche Steigerung der Armenlasten zu verhindern, am 21. Febr. 1629 eine Erschwerung der Heiratsbewilligung für „be­ schwerliche Leut, welche ohne alles Vermögen zusammen heuraten wollen und anderst nit als mit Bettlen bei der Herrschaft und ihren Untertanen sich hinbringen66 (5548/42). — Aus dem gleichen Grunde suchte man die Aufnahme von „Ingeheusten“, d. i. Mietbewohnern auf dem Lande einzuschränken. Eine Verordnung vom 30. Mai 1603 befahl den Amtsleuten, alle derartigen Hausgenossen aufzuzeichnen 20. Im Jahr 1556 bemüht sich das Kapitel um die Unterbringung eines Stummen in einem der hochstiftischen Spitäler Dillingen, Zusmarshausen oder Füssen (5500/109). Ebenso 1573 wegen Versorgung eines Blinden (5507/140). 21. Ein eigenes städtisches Waisenhaus wurde 1572 in Augsburg zunächst für Kin­ der protestantischer Konfession vom Rat errichtet, 1649 erhielten die Katholiken der Stadt ein eigenes Waisenhaus. Bisle, S. 122 f. — Vgl. Mitterwieser AL, Ge­ schichte der Stiftungen und des Stiftungswesens in Bayern, München 1905, S. 291. 22. 1595 erhält ein Mann von Hettlingen (Wertingen) vierteljährlich 1 fl. für den Unterhalt eines Waisenkindes (5521/107). 23. Am 28. Juni 1602 verfügt das Kapitel: „Dem armen Findelkindt, so auf mei­ ner gn. Herrn Kosten zu Herbertzhofen etlich Jar lang erzogen worden, soll, weil es aus meiner gn. Herrn Kosten kombt und sich anjetzt gen Oberhausen verdingt, noch mit einem Böltzlin und Miederlin und Schuchen beschlefft werden44 (5524/97). 24. 1586 werden dem Sohn einer armen Witwe von Stadtbergen zur Erlernung des Seilerhandwerks 2 fl. geschenkt (5517/122); 1618 einem Knaben von Graben zur Erlernung des Strumpfstrickens 2 fl. bewilligt (5538/31). 25. Jahrbuch des Hist. Vereins Dillingen 1897, S. 57.

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und in Zukunft keinen mehr ohne ausdrückliche Erlaubnis einzu­ lassen. Im Falle die Pfarrer solche Leute, von denen weder der Mann noch die Frau Dorfskinder wären, einsegneten, sollten sie dem Generalvikar angezeigt werden (5526/116). Überaus mißlich stand es in früheren Jahrhunderten um die Gesund­ heitspflege auf dem flachen Lande. Weit und breit befand sich dort kein geschulter Arzt26. Die Kranken waren auf die Behandlung durch Bader, Schäfer und Kurpfuscher angewiesen. Dieser Übel­ stand machte sich namentlich bei ansteckenden Krankheiten sehr fühlbar und veranlaßte das Domkapitel, auch die Verbesserung der sanitären Verhältnisse ins Auge zu fassen. Am 26. Febr. 1568 beschloß das Kapitel: „Dieweilen täglichs meine gn. Herrn von armen iren Untertanen, so brestenhaft sind, überlof­ fen werden, soll den Sachen nachgedacht werden, wie derwegen ain beharrliche gute Ordnung fürgenomen werden möchte, dardurch stetigs zwei armer Menschen zu erhalten44 (5505/120). Als die Sache anfangs Juni wieder zur Beratung stand, war man noch zu keinem endgültigen Entschluß gekommen, sondern verfügte, man solle den Kranken wie bisher nach Gelegenheit Hilfe leisten; der Augsburger Wundarzt Hans Mendler erhielt den Auftrag, die domkapitlischen Untertanen auf Kosten des Kapitels zu behandeln (5505/143). Die­ sem war auch die Sorge für die erkrankten Domschüler anvertraut. Am 15. Dez. 1578 jedoch faßte das Kapitel den Entschluß: „Damit den armen Leuthen und Scholarn wirklicher dann bisher geholfen werde, soll ein unverdroßner Medicus, nämlich Herr Dr. Kneulin von Straßburg mit etwa 25 fl. Dinstgelt verordnet und bestölt wer­ den44 (5511/150). Er wirkte viele Jahre als Arzt in den Diensten des Kapitels. Beim Auftreten der Pest im Jahr 1586 mietete auf seinen Antrag das Kapitel die Behausung des Barbiers Meister Peter zu Augsburg für die dem Domstift zugetanen Personen, falls solche infiziert würden (5516/168). Zu seiner Unterstützung wurde 1586 auch noch „Maister Hans Mendler (Bader zu Augsburg) an seines sei. Vaters statt uf ain Versuechen44 zur Kurierung der Domschüler und Kapitelsuntertanen angenommen (5516/171). Als im August 1599 in Dinkelscherben die rote Ruhr ausbrach und viele Opfer for26. Hermann Peters, Der Arzt und die Heilkunst in der deutschen Vergangenheit Leipzig 1900.

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derte, wurde Dr. Kneulin vom Kapitel ersucht, hinaus zu reiten und den Kranken zu helfen (5522/93). — Am 6. August 1612 bezahlte das Kapitel dem Apotheker 10 fl. für „Praeservativ und Remedia so in verschinem Frieling bei eingerißner hitzigen Krankheit nach Din­ kelscherben verordnet und den Untertanen zum Besten verbraucht worden. Dem Medico für dort gehabte Bemühung 6 fl. Reitgeld66 (5532/156). Auch in besonders dringlichen Einzelfällen versagte das Kapitel seine Hilfe nicht. So ließ es im Jahr 1586 den „Maister Cunrat Balbierer66 von Blaubeuren nach Dinkelscherben kommen, damit er einem armen Mann, dem ein Fuß abgenommen worden war, in seinen Schmerzen Linderung verschaffe (5515/85). Zahllos sind in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Einträge von Unterstützungen zum Gebrauch von Heilbädern. Namentlich von etwa 1580 an wurden jedes Jahr Dutzende von Domschülern und eine stattliche Anzahl von Untertanen, letztere häufig auf Emp­ fehlung der Ortspfarrer, zur Badekur verordnet und die Kosten ganz oder teilweise vom Kapitel getragen. Meist wurde diese Kur wohl in Augsburg selbst gemacht. Bei hartnäckigen Fällen wird gelegentlich auch das Leitenbad bei Wehringen genannt27. Bedeutende Kosten verursachte die um 1600 weit verbreitete Syphi­ lis. Selbst auf dem Lande kamen zahlreiche Fälle dieser Krankheit vor. Im Nov. 1603 mußte das Kapitel 16 fl. 42 kr. für die Heilung einer Frau aus Graben aufwenden, ebensoviel für eine Kranke von Großaitingen. Das Kapitel forderte von dem Propst und dem Rich­ ter von Graben ein Gutachten, „ob dieser so vilfeltig Anlauf der Frantzosenchur aus Leichtfertigkeit der Underthanen oder woher riere und ob, auch wie diesem Unrat und großen Unkosten möchte zu begegnen und helfen sein66 (5526/216). 1604 sind 13 Personen zu Großaitingen „mit den Frantzosen inficiert66 (5527/2); 1606 wurde bei einer durch Dr. Adam Buecher und M. Hans Mendler in Zusamaltheim vorgenommenen Untersuchung der angemeldeten bresthaf­ ten Leute festgestellt, daß 7 Personen „morbo gallico66 infiziert waren (5528/192). Sie wurden in Pflege gegeben und ihnen an den Kurkosten je nach ihrer Vermögenslage ein Teil vom Kapitel er­ setzt. Am 18. Sept. 1613 erbat sich das Kapitel ein Gutachten von

27. Schröder, Dr. A., Das Bistum Augsburg, Bd. VIII, S. 597.

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dem Arzt Dr. Holzapfel28 in Augsburg, wie man die Kur mit den armen Untertanen anstellen solle, damit man nicht so viele Ausga­ ben ohne Frucht aufwenden müsse (5533/73). Dem Dr. Adam Buecher29 wurde am 24. März 1614 auf Ansuchen die Besoldung um 4 Schaff Roggen erhöht und bezüglich des „Ausraisens auf das Land64 die Zusage gemacht, daß er für jeden Tag, den er in des Kapitels Ge­ schäft bei den Bresthaften auf dem Land zubringe, „neben gebüh­ render Zehrung und Pferd44 einen Reichstaler erhalten solle (5534/ 86). Da Beschwerden eingelaufen waren, daß Buecher und der Chyrurg (Mendler) — Arzt und Bader — „nit zusammen sehen und da­ durch die armen Patienten leiden müßen44, beschloß das Kapitel, nach einer eigenen Behausung für die Kranken trachten zu wollen. Das Kapitel hatte nämlich schon seit dem Jahr 1603 für die kapitlischen Kranken eine Wohnung in Augsburg gemietet und eine eigene Krankenwärterin aufgestellt, die vom Kapitel wöchentlich für jeden Kranken eine Krone erhielt und dafür denselben das Essen, „Bettgewandt und alle Notdurft44 reichen mußte (5526/17). Am 19. März 1614 stellte Ulrich Miller, Krankenvater des Domkapi­ tels an dieses die Bitte, ein eigenes Häuslein zur Unterbringung der armen bresthaften Leute zu verordnen (5534/78). Bald gelang es, ein Haus für diesen Zweck zu mieten; noch im gleichen Jahre wurde dieses „Kurierhaus44 mit einem Badestüblein versehen (5534/365). Es durfte jedoch kein Patient über 14 Tage unangemeldet darin blei­ ben (5533/73). Am 2. Mai 1617 wurde Af. Seb. Breitier, Bürger zu Augsburg, als „Balbierer44 für die kranken Untertanen des Kapitels angestellt und der alten Krankenwärterin aufgekündigt. Breitier hatte versprochen, die Kranken in seinem eigenen Hause zu ver­ pflegen; da ihm dies jedoch nicht möglich war, wurden die Kranken bei der bisherigen Wärterin gelassen, dieser aber eingeschärft, sie solle „die Kranken seuberer halten als bishero beschehen.und nach Gestaltsame der Kranckhaiten nit alle beysamen und unter einander halten44 (5537/182). Diese Mahnung scheint jedoch nicht viel ge­ fruchtet zu haben. Am 23. März 1618 stellten Medicus und Chyrurg gemeinsam den Antrag auf ein neues Kurierhaus und brachten dafür „der Ueberreiter Behausungen am Lech44 in Vorschlag (5538/52). 28. Der schwerkranke Dr. Martin Holzapfel starb aber schon 5 Monate später (19. II. 1614). 29. Starb 16. Juli 1616, 45 Jahre alt.

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Am 3. Juli 1619 entschloß sich endlich das Kapitel zum Neubau eines Krankenhauses und übertrug die Arbeit dem Maurermeister Karl Dietz30 und dem Zimmermeister Matthäus Schaltz von Augsbürg (5539/108). Am 27. April 1620 besichtigten die zwei domkapitlischen Landpfleger im Beisein des Chyrurgen das neugebaute Kran­ kenhaus und wiesen der Krankenwärterin ihre Zimmer an (5540/49). Diese erhielt für jeden Kranken wöchentlich 1 fl. 30 kr. (5541/138). Im 12. Nov. 1620 wurde eine neue Krankenhausordnung eingeführt. Dem Krankenvater wurde angezeigt, ein ehrw. Domkapitel wolle es in Zukunft mit seinem Krankenhaus ebenso halten, wie die Stadt Augsburg und die Herren Fugger31. Man werde also in Zukunft nur mehr von Georgi bis Martini das Krankenhaus für die Kranken offen halten, während der übrigen Zeit aber niemand aufnehmen. Den Amtleuten auf dem Lande wurde anbefohlen, zwischen Martini und Georgi keinen Kranken in das Kurhaus zu schicken und „allewegen jedes Kranken, so besichtigt oder curiert zu werden begert, Schul­ den und Vermögen schriftlich zu berichten66 (5541/245). Im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges konnte diese Krankenfür­ sorge nicht mehr fortgesetzt werden. 1641 wurde das Krankenhaus an Private vermietet mit Ausnahme eines „Losaments66, in dem der Krankenvater zinsfrei aus Gnaden wohnen durfte (5567/56). Am 17. Sept. 1664 beschloß das Kapitel, das Krankenhaus wieder für eine oder die andere erkrankende Person aus den domkapitlischen Ehehalten, Bedienten oder auch Untertanen herrichten zu lassen (5573, 147 und 5574/55). Ein Jahr später wurde ein Hausverwalter gegen freie Wohnung angestellt, mit dem Versprechen, wenn Kranke kämen, die er bedienen müsse, werde er eigens dafür bezahlt werden (5574/120). Zur Abrundung des in kurzen Strichen entworfenen Bildes der dom­ kapitlischen Wohlfahrtspflege könnte noch hingewiesen werden auf die Förderung, die das Kapitel dem ländlichen Schulwesen angedei­ hen ließ, auf die vielen Knaben vom Lande, die in der Domschule ihr Studium beginnen und mit Hilfe großer Stipendienstiftungen an den Hochschulen vollenden konnten. Der hiefür vorliegende Quel30. Siehe Schröder, Archiv für die Geschichte des Hochstifts Augsburg IV, 483 und Schröder, Das Bistum Augsburg, VIII, 448. 31. Jansen M., Die Wohltätigkeitsstiftungen der Fugger, in Bayer. Caritasblätter, München 1910, Heft 3/4.

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lenstoff ist jedoch so reich, daß er einer eigenen Untersuchung Vor­ behalten werden muß. Was das Domkapitel Augsburg in seinem ehemaligen Herrschafts­ gebiet in allen Bereichen der Wohlfahrtsfürsorge geleistet hat, ver­ dient ohne Zweifel alle Anerkennung. Handelt es sich auch nicht selten nur um Ansätze, deren weitere Entfaltung durch die Ungunst der Zeiten verhindert worden ist, so bestätigen uns doch die aus den Recessionalen gewonnenen Ergebnisse die auch sonst von der ein­ schlägigen Literatur32 festgestellte Tatsache, daß die geistlichen Herrschaften der alten Zeit bestrebt waren, ihre Pflichten auf dem Gebiet der Volkswohlfahrt nach bestem Wissen und Gewissen zu er­ füllen.

32. Ratzinger Georg, Geschichte der christlichen Armenpflege, Freiburg 1884. — Roscher, System der Armenpflege und Armenpolitik, Stuttgart 1894. — Mittericieser Alois, Geschichte der Stiftungen und des Stiftungswesens in Bayern, Mün­ chen 1905. — Mitterwieser Alois, Mittelalterliche Krankenpflege in Bayern, Mün­ chen 1907.

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DIE PILGERREISE DES AUGSBURGER DOMHERRN WOLF VON ZULNHART NACH DEM HEILIGEN LANDE 1495/96. Herausgegeben von Dr. Eduard Gebele, Augsburg. Obwohl das Heilige Land im Jahre 1291 durch die Eroberung von Akka und anderer festen Plätze endgültig in den Besitz der Moham­ medaner gekommen war, hatten die heiligen Stätten nicht aufge­ hört, das ersehnte Ziel frommer Gläubiger zu sein. Im Gegenteil, je größer die Beschwerden und Gefahren wurden, desto freudiger und zahlreicher griffen die Pilger zum Wanderstabe. Besonders seit der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts mehrten sich die Fahrten ins Gelobte Land dermaßen, daß einer der bedeutendsten Pilger der damaligen Zeit, Ludolph von Suchern, in seinem Reisebericht „De itinere terrae sanctae441 folgenden nicht unangebrachten Vergleich bringen konnte: „Wenn das Grab Christi ein großer Berg wäre und sandkörnerweise fortgetragen werden könnte, so wäre er schon längst so verschwunden, daß kein Körnchen mehr übrig geblieben wäre.64 Im 15. Jahrhundert finden wir in Deutschland fast keinen Fürsten oder adeligen Herren, der sich nicht der anstrengenden Reise nach Jerusalem unterzogen hätte. Es gehörte sozusagen zum guten Ton und zur Abrundung der erworbenen Bildung, eine Pilgerreise zu unternehmen und am Heiligen Grabe den Ritterschlag zu empfangen, der in damaliger Zeit den höchsten Glanz und die größte Ehre ver­ lieh. Aber auch Leute aus dem Bürger- und Bauernstände finden wir vielfach in den Reihen der Pilger. Zu diesen friedlichen Kreuzzügen hat auch die alte Reichsstadt Augsburg eine große Anzahl Teilnehmer gestellt. Von den fürst­ lichen Personen, welche von hier auszogen, nennen wir nur Herzog Johann von Bayern, Dompropst zu Augsburg. Als er nach dem Tode des Bischofs Johann von Werdenberg nicht dessen Nachfolger 1. Herausgegeben von F. Deycks in der Bibliothek des literarischen Vereins Stutt­ gart. Bd. 25. Stuttgart 1851. S. 80. Zu den folgenden Ausführungen vgl. R. Röh­ richt und H.Meisner, Deutsche Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Berlin 1880. Neue Ausgabe von Röhricht allein: Innsbruck 1900. Die erste Ausgabe wird im folgenden mit Röhricht1 die zweite mit Röhricht2 bezeichnet.

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wurde, unternahm er, nur von einem Bedienten begleitet, eine Pil­ gerfahrt nach Jerusalem. Er starb dortselbst am 4. Oktober 1486 und liegt auf dem Berge Sion bei den Franziskanern begraben2. Von den vielen anderen Augsburgern, welche vom 14. bis zum 16. Jahrhundert die heiligen Stätten auf gesucht haben, wollen wir im folgenden nur jene aufzählen, welche Aufzeichnungen darüber hin­ terlassen haben: 1385: Lorenz Egen3. 1444: Ein ungenannter Benediktinermönch des Klosters St. Ulrich in Augsburg4. 1449: Georg Mülich5. 1461: Ritter Ulrich von Augsburg, Begleiter des Herzogs Wilhelm von Sachsen und Thüringen6. 1476: Peter Welser, Begleiter des Herzogs Albrecht von Sachsen7. 1476: Martin Ketzel8. 1550: Friedrich Rehlinger9. 2. Vgl. PL Braun, Die Domkirche in Augsburg. Augsburg 1829. S. 208 f. Chro1 niken der deutschen Städte. Augsburg Bd. 3. S. 272. Chr. Haeutle, Genealogie des erl. Stammhauses Wittelsbach. München 1870. S. 132. Johann stammte aus der Linie Pfalz-Mosbach. Vgl. sein Epitaph über dem Eingang zum Gastzimmer des Kath. Kasinos in Augsburg, das ja früher die Dompropstei war. 3. Röhricht1 S.. 468. Röhricht2 S. 96. Nach dem Münchner Codex Cgm. 267 ver­ öffentlicht in der Zeitschrift „Ausland“. 1865. S. 917 ff. 4. Röhricht1 S. 477. Röhricht2 S. 117. Veröffentlicht im Archiv für neuere Spra­ chen. Bd. 40 (1867). S. 301 ff. 5. Röhricht1 S. 648. Röhricht2 S. 118. Handschrift in der Bibliothek des Grafen Riant. 6. Röhricht1 S. 571. Röhricht2 S. 130. Gedruckt: Pilgerfahrt des Landgrafen Wil­ helm von Sachsen im Jahre 1461. Hrsg, von J. G. Kohl. Bremen 1868. Dazu ver­ gleiche die Beschreibung derselben Reise von einem unbekannten Teilnehmer in der Handschrift der Münchner Staatsbibliothek Cgm. 337 fol. 239 ff. 7. Röhricht1 S. 490. Röhricht2 S. 144. 8. Röhricht1 S. 498. Röhricht2 S. 155. Nach der Heidelberger Handschrift im Aus­ zuge veröffentlicht von Fr. Rhenanus in: Bothe und Vogler, Altes und Neues für Geschichte und Dichtkunst. Potsdam 1832. Bd. 1. S. 28—103. Nicht zu verwech­ seln mit dem gleichnamigen Nürnberger, der 1472 eine Pilgerfahrt machte. Vgl. I. Kamann: Die Pilgerfahrten Nürnberger Bürger — Mitteilungen des Vereins f. Geschichte d. Stadt Nürnberg. 1880. 2. Heft. S. 78 ff. 9. Röhricht1 S. 408. Röhricht2 S. 223. Handschrift der Bayer. Staatsbibliothek Cgm. 1273 fol. 1—17.

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1561: Emanuel örtl10. 1573: Leonhard Rauwolff11. Ein weiterer Augsburger hat im Jahre 1495 eine Pilgerreise ins Hei­ lige Land unternommen, der damalige Domherr Wolfgang von Zülnhart. Aus seiner Familie waren ihm bereits zwei mit diesem Beispiele vorangegangen, nämlich Eberhard, der 1336 eine Palästinafahrt unternahm12, und Wilhelm, der 1486 an der Pilgerreise des Grafen Eberhard im Bart von Württemberg teilnahm13. Wolfgang Zülnhart hat uns seine Erlebnisse auf der Fahrt ins Heilige Land in tagebuch­ artiger Form hinterlassen. Die Handschrift befindet sich in der Staats-, Kreis- und Stadtbibliothek Augsburg14. Nach Angabe des im Augsburger Stadtarchiv (Kath. Wesensarchiv G 39) befindlichen „Catalogus Ms. Bibliothecae Benedictinorum Liberi et Imperialis Monasterii, ad SS. Udalrici et Afrae Aug. Vindelicorum. 1786“ stammt sie aus dem Kloster St. Ulrich in Augsburg, aus welchem sie bei der Säkularisation in die Augsburger Bibliothek gekommen ist. Die Handschrift stammt kaum von der Hand Zülnharts selbst. Wie verschiedene auffällige Hör- oder Schreibfehler zeigen, entstand sie durch Diktat oder Abschrift der Originalnotizen. Das Manuskript ist in schöner, deutlicher Schrift gleichmäßig gehalten. Am Anfang fin­ det sich ein roter Zierbuchstabe und einige rote Kapitelüberschrif­ ten; sie umfaßt 64 eng beschriebene Seiten in 4°. Der alte Einband hat leider einem modernen aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts weichen müssen. Bedauerlicherweise hat Zülnhart seine Beschrei10. Röhricht1 S. 532. Röhricht2 S. 238. Handschriften: 1. Bayer. Staatsbibliothek Cgm. 1286, 3001 und A 14, 29. 2. Stadtbibliothek Augsburg Cod. 103. 11. Röhricht1 S. 540. Röhricht2 S. 252. Die kulturgeschichtliche außerordentlich interessante Reisebeschreibung des Augsburger Arztes wurde von ihm herausge­ geben unter dem Titel: Aigentliche Beschreibung der Raiss, so er inn die Morgen­ länder . .. volbracht. Lauingen 1582. Auch später erschien sie noch öfters im Drucke. Zuletzt in den von M. Pannwitz herausgegebenen: Deutschen Pfadfindern des 16. Jahrhunderts. Stuttgart 1911/12. S. 122 ff. 12. Vgl. Vöhlin, Altes und Neues Hochadeliges Schwaben. Vol. V p. 6222. (Haupt­ staatsarchiv München.) 13. Röhricht1 S. 486. 14. 4° Cod. Aug. 93. Die Erlaubnis zur Veröffentlichung hat in dankenswerter Weise Herr Bibliothekdirektor Dr. R. Schmidbauer erteilt, dem ich zugleich auch an dieser Stelle für seine vielen und wertvollen Anregungen danken möchte.

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bimg nicht beendet; sie bricht mitten auf der Rückreise von Kon­ stantinopel nach Venedig ab. In die Literatur hat diese Handschrift zuerst, allerdings ganz kurz, Joseph Freiherr von Hormayr15 eingeführt. Weiter zitiert sie der bekannte Palästinaforscher Titus Tobler16; eingehender hat' sich Reinhold Röhricht17 mit ihr befaßt, indem er sie kurz beschreibt und die Schilderung des Aufenthaltes Zülnharts in Venedig abdruckt. In der Neuausgabe seiner „Deutschen Pilgerreisen44 erwähnt Röhricht18 nur mehr die Handschrift, ebenso in seiner Palästinabibliographie19. Ganz in der Art seiner Zeitgenossen weiß Zülnhart eigentlich wenig zu beschreiben20. Ausführlich erzählt er nur von den Festtagen in Venedig und noch breiter wird seine Schilderung, wenn er die ver­ schiedenen Heiligtümer und Reliquien aufzählt. Ganz offenbar ist er hier einem der vielen gedruckten Führer oder anderen Reisebe­ schreibungen gefolgt. Sonst wird das Gesehene und Erlebte nur wenig anschaulich dargestellt; der Eindruck des Gesehenen, die Re­ flexion, fehlt noch vollständig. Wir erkennen nur ein allgemeines Empfinden, das sich in einer beschränkten Zahl von Eigenschafts­ wörtern widerspiegelt, ohne daß dem Schreiber die Gabe wird, es deutlich und klar darzustellen. Die Kunst, das Schöne zu sehen und den Eindruck auch ästhetisch zu würdigen und wiederzugeben, war eben noch nicht erfunden. Aber wenn man sich an die vielen anein­ andergereihten „Item44 gewöhnt hat, liest man die treuherzige Schil­ derung, die durch schwäbische Dialektanklänge noch intimer wird, ganz gerne. Eine leise, getragene Feierlichkeit spricht doch manch­ mal aus den Worten des Augsburger Domherren, die wieder hinführt in die Niederungen des Lebens, wenn er kläglich über seine Müdig­ keit, über seine Angst vor den Arabern und über seine Krankheit spricht. Bevor wir Zülnhart auf seiner Reise begleiten, wollen wir uns mit seiner Persönlichkeit beschäftigen, die leider in ziemliches Dunkel gehüllt ist. 15. Taschenbuch für die vaterländische Geschichte. 29. Jg. Leipzig 1840. S. 283. (Bayerische Reise-Beschreihungen in fremde Weltteile.) 16. Bibliographia geographica Palaestinae. Leipzig 1867. S. 61. 17. Deutsche Pilgerreisen. Berlin 1880. S. 308 ff. und S. 512. 18. Innsbruck 1900. S. 189. 19. Bibliotheca geographica Palaestinae. Berlin 1890. S. 145 f. 20. Über die ganze Art des Reisens, über Kosten, Unterkunft, Schiffahrt usw. vgl. die ausführliche Einleitung bei Röhricht1 und 2.

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Wolf von Zülnhart stammt aus einem alten schwäbischen Ritterge­ schlecht, das weit verbreitet im heutigen Württemberg und Baden ansässig war. Er entstammte der Göppinger Linie, welche bei und in Göppingen Besitzungen hatte. Die Stammburg Zillenhardt lag einst zwischen Eschenbach und Schlath (O.A. Göppingen). Bereits im Jahre 1604 war sie nur mehr eine Ruine.21 Die Zülnhart waren ursprünglich Dienstleute der Grafen von Hel­ fenstein22. Seit dem 15. Jahrhundert finden wir sie vielfach in württembergischen Diensten23. Verschiedene Mitglieder des Geschlechtes erscheinen als Inhaber geistlicher Pfründen. Darunter finden wir auch Wolf gang Zülnhart, das einzige (ca. 1450 geborene) Kind des Göppinger Obervogts Heinrich und seiner Gemahlin Ursula von Wöllwarth24. Über Wolfgangs Leben ist außer gelegentlichen ur­ kundlichen Erwähnungen nur wenig bekannt. Am 22. Mai 1473 ver­ spricht ihm Graf Ulrich V. von Württemberg die Propstei Göppin­ gen, sobald sie ledig ist25. Aus der hierüber ausgestellten Urkunde26 erfahren wir, daß Ulrich auf Fürsprache des Kaisers dieses Verspre­ chen abgegeben hat, aber auch deswegen, „dieweil wir mercken, das Wolff von Zilnhart, unsers Vogtz zu Göppingen und lieben getruwen Heintzen von Zulnhartz Son, sich in hoher Schul so erberlich haltet mit emssigen studieren und andern guten ubungen, also das wir hoffen, er werd sich zu priesterlichem stand und zu göttlichem dienst schicken46. Am 2. XI. 1465 finden wir Wolf mit seinen Vettern 21. Beschreibung des O.A. Göppingen. Stuttgart 1844. S. 287 f. 22. Ebenda. S. 287. 23. Vgl. die zahlreichen urkundlichen Erwähnungen in den Wurttembergischen Oberamts-Beschreibungen, welche O. v. Alberti, Württembergisches Adels- und Wappenbuch, Stuttgart 1899—1916, Bd. 2, S. 1108, aufzählt. Dort sind auch wei­ tere Literaturangaben und das Wappen dieses Geschlechtes zu finden. 24. Vgl. I. I. Vöhlin, Altes und Neues hochadeliges Schwaben. Vol. 5. S. 6222 ff. (Hauptstaatsarchiv München.) I. G. Biedermann, Geschlechts-Register der ReichsFrey unmittelbaren Ritterschafft Landes zu Francken löblichen Orts Ottenwald. Culmhach 1751. Tab. 278. Fürstl. Wurttembergisch Dienerbuch. Hrsg, von E. E. v. Georgii-Georgenau. Stuttgart 1887. S. 431. Eine handschriftliche Stammtafel der Familie aus dem 17. Jahrhundert befindet sich in der Staatsbibliothek zu Bamberg (I. H. Msc. hist. 111 Nr. 602). 25. Chr. Friedr. Sattler, Geschichte des Herzogthums Wurtemberg unter der Re­ gierung der Grafen. 2. Aufl. Tübingen 1777. Theil III. S. 94. 26. Abgedruckt bei Sattler, a. a. O. S. 83.

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Eberhard und Wolf d. J. an der Universität Freiburg i. Br. immatri­ kuliert27. Daß er auch die höchsten akademischen Würden erreicht hat, beweist die Ernennungsurkunde (1486) zum Augsburger Dom­ kapitular, wo er Doctor Licentiatus28 genannt wird29. Im Jahre 1475 wurde Zülnhart Chorherr des Stiftes Ellwangen30, in dem er später Dekan wurde31. Kurz darauf scheint er auch die ver­ sprochene Propstei Oberhofen in .Göppingen erhalten zu haben; denn als Propst dieses Stiftes wird er unter den ersten genannt, welche 1477 ehrenhalber an der in diesem Jahre gegründeten Uni­ versität Tübingen immatrikuliert werden82. Im Jahre 1486 wird Zülnhart auch Kanonikus am Augsburger Domstift33; seine Obliga­ tionsurkunde vom 19. Juni 1486 haben wir bereits erwähnt. Gleich­ zeitig mit ihm erscheint auch sein Onkel Ludwig Zülnhart als Kano27. Die Matrikel der Universität Freiburg i. Br. Hrsg, von Hermann Meyer. Frei­ burg 1907. Bd. I. S. 34. Über die hier und später genannten Zülnhart unterrichtet die folgende Stammtafel (entnommen aus Biedermann a. a. 0.): Wolf — Anastasia v. Reischach Wolf — Klara v. Ellerbach

1. Heinrich — Ursula 4. Wolf — v. Wöllwath Mechtild v. Rosenberg Wolf, Domherr und Dekan zu Augsburg

Eberhard, Domherr zu Worms und Speyer

Konrad - Margareta v. Venningen

5. Wilhelm Anne v. Veilberg

Ludwig, Domherr zu Augsburg

Wolf d. J. Domherr zu Speyer

28. Verschiedene Urkunden nennen ihn Licentiatus in decretis. 29. C. Stengel: Mantissa ad commentarium. Aug. Vind. 1650 p. 42. Zülnharts Obli­ gationsurkunde vom 19. Juni 1486 befindet sich im Bayer. Hauptstaatsarchiv zu München (Personalselect 522). Vgl. auch M. Kuen, Collectio Scriptorum. Ulmae 1755. Tom. I. p. 27. 30. Vgl. Diplomata des Stiftes Ellwangen Nr. 15, Bl. 180 f. (Württembergisches Staatsarchiv in Stuttgart). C. Khamm: Hierarchia Augustana. Auct. T. I, p. 147 ff. und 152 ff. (Aug. 1714) nennt ihn weder als Chorherr noch als Dekan. 31. 1486 erscheint er als solcher. Vgl. Stengel a. a. 0. 32. Auch in späteren Urkunden wird er als Propst von Göppingen genannt, so am 29. VI. 1479, am 23. IV. 1480 und zuletzt am 9. I. 1486. Vgl. Urkunden und Akten des Württembergischen Haus- und Staatsarchivs. Stuttgart 1916. Abt. I. Nr. 8625, 8630, 8641. Über seine Immatrikulation in Tübingen vgl. A. Hermen­ link: Die Matrikel der Universität Tübingen. Stuttgart 1906. Bd. I. S. 3. 33. C. Khamm: Hierarchia Augustana. Aug. Vind. 1709. P. I. p. 608.

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nikus am nämlichen Stifte34. Als am 11. Juni 1501 der Augsburger Domdekan Ulrich von Rechberg starb, wurde Wolf Zülnhart sein Nachfolger35. Zu diesen Würden erhielt Zülnhart, scheinbar nicht ohne Zutun Kaiser Maximilians I., eine weitere. Im März 1509 ver­ zichtet Christoph, Bischof von Brixen, auf seine Pfründe als Dom­ propst zu Trient. Kurz darauf — die Urkunde ist nicht datiert — verleiht Georg III. von Neideck, Bischof von Trient, diese Pfründe unserem Zülnhart36. Über seine sonstigen Lebensverhältnisse ist fast nichts bekannt; mehrfach genannt erscheint er nur in den Urkunden seiner Zeit37. Er scheint auch stets in Augsburg residiert zu haben. Khamm38 bringt einige biographische Daten. Darnach erbaute Züln­ hart 1511 im Hofe der Domdechanei eine Kapelle zu Ehren der hl. Katharina mit folgender Inschrift: „Ad laudem Dei Virginisque Sanctae Katharinae est haec Ecclesia aedificata per Wolfgangum de Zillenhardt Decanum et Praepositum Tridentinum 151139.“ Im Jahre 1519 schenkte er der Domkirche eine kleine silberne Marienstatue40. 34. f 14. Aug. 1519 in Augsburg. Er ist im Augsburger Domkreuzgang begraben. Vgl. A. Schröder: Die Monumente des Augsb. Domkreuzganges zz Jahrbuch d. Histor. Vereins Dillingen. Jg. 11 (1898). S. 51. Nach Khamm a. a. 0. I, p. 602, wurde er 1459 Domherr in Augsburg. 35. Vgl. Stengel a. a. 0. p. 23 und Khamm a. a. O. I p. 547. 36. Vgl. J. Schneller: Beiträge zur Geschichte des Bistums Trient zr Zeitschrift des Ferdinandeum für Tirol und Vorarlberg. Innsbruck 1895. III. Folge. Heft 39. S. 206. Nr. 872. Das Archivio di stato di Trento bewahrt (Caps. 45 Nr. 39) eine einzige Urkunde von ihm auf, datiert 29. April 1515 aus Augsburg. Vgl. dazu auch B. Bonelli, Monumenta Ecclesiae Tridentinae. Tr. 1765, p. 336. 37. A. v. Steichele und A. Schröder: Das Bistum Augsburg. Augsburg 1864 ff. Bd. 5. S. 186. Ferner: Urkunden und Akten des Württembergischen Haus- und Staats­ archivs a. a. 0. Nr. 1638 und 8665. 38. a. a. O. P. I. p. 547. 39. Diese Verehrung zur hl. Katharina, ebenso ihre auffällige Erwähnung bei der Widmung des Sudariums des hl. Ulrich ist wohl auf seine Pilgerfahrt zurückzu­ führen, wo er auf dem Berge Sinai und in Alexandria an den Stätten dieser Hei­ ligen weilte. 40. Khamm a. a. O. I. p. 547 und P. Braun, Die Domkirche in Augsburg. 1829. S. 257. Erwähnt in dem Schatz- und Heiltumsverzeichnis von 1582 (Ordinariats­ archiv Augsburg Cod. 39b. Abgedruckt bei A. Weiß: Das Handwerk der Augsb. Goldschmiede. Gotha 1897. S. 269. Neu hrsg. von B. Kraft in der Bonner Zeit­ schrift für Theologie und Seelsorge. Düsseldorf 1931. Über die Statue Zülnharts vgl. dort S. 245.

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Ziilnhart scheint auch den humanistischen und kunstbegeisterten Bestrebungen seines Jahrhunderts nahegestanden zu haben. Es be­ weist dies ein Geschenk, welches der bekannte Benediktiner von St. Ulrich in Augsburg, Leonhard Wagner, einer der berühmtesten Schönschreiber seinerZeit, ihm um das Jahr 1506 in der Gestalt eines prächtigen, handgemalten Missale machte41. Als ebenso kostbare wie künstlerische Gegengabe erhielt Wagner im Jahre 1506 das heute noch in der Augsburger Ulrichskirche vorhandene silberne Behält­ nis für das Schweißtuch des hl. Ulrich42, das Zülnhart in der eingra­ vierten Widmung ausdrücklich auch als Gegengeschenk bezeichnet: „Adjuva S. Virgo Catherina. Dignissimis Beatorum Reliquiis ex Nobilium de Zillenhart prosapia cretus Wolfgangus rei militaris ac utriusque Juris titulis illustratus, Ecclesiaeque Augustensis Decanus, in libri Missalis, docta Fratris Leonardi Currificis manu exarati, recompensam, faciundum curavit. Anno Domini 1506.“ PI. Braun bringt43 ebenfalls einige Charakterzüge und Daten aus Zülnharts Leben. Er nennt ihn „einen Mann von großen Talenten, hehren Kenntnissen und vieler Geschicklichkeit, der die Gerecht­ same seines Stiftes besonders wider die Stadt standhaft verfocht, und bei dem Kaiser so großes Vertrauen erwarb, daß er ihm die wichtigsten Geschäfte übertrug, ihn mit sich nach Rom nahm, und nach dem Tode des Bischofs Friedrich (II. von Zollern, j 1505) dem Kapitel zur Inful empfahl.“ Der Domkirche vermachte44 er testa­ mentarisch u. a. ein auf Pergament geschriebenes und in Samt ge­ bundenes Missale45, acht silberne Becher, Leinwand zu Alben und 41. Heute verschollen. Auch das Auskunftsbureau der Deutschen Bibliotheken konnte es nicht nachweisen. Wagner nennt es in seinen Conscriptiones (Augsburg, Stadtbibliothek, 4° Cod. 149): „Missale in rotunda valde pretiosum pro domino Decano.“ Vgl. dazu PI. Braun, Notitia historico-litteraria de codicibus manuscriptis in bibliotheca... monasterii... ad S. Udalricum et Afram Augustae extantibus. Aug. Vind. 1793. Vol. VI p. 57. 42. Diesen Hinweis verdanke ich der Liebenswürdigkeit des H. H. Prälaten Dom­ dekans J. M. Friesenegger. Vgl. dazu Khamm a. a. 0. P. I. p. 547 (abgebildet p. 128). A. Schröder im Archiv für die Geschichte des Hochstifts Augsburg. Dil­ lingen 1909/11. Bd. I. S. 380. J. M. Friesenegger: Die St. Ulrichskirche in Augs­ burg. 2. Aufl. Augsburg 1914. S. 60 f. Vgl. die Abbildung. 43. Die Domkirche in Augsburg. S. 236 ff. 44. Braun, a. a. 0. S. 237. 45. Vielleicht das bereits erwähnte, von Leonhard Wagner geschriebene.

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einen grünsamtenen Ornat, welches seine Testamentsexecutoren am 30. April 1520 übergaben. Im Jahre 1515 resignierte Zülnhart auf das Dekanat an der Augs­ burger Domkirche46; sein Nachfolger wurde der spätere Bischof von Augsburg Christoph von Stadion. Am 9. Oktober 1519 starb Zülnhart und wurde im Augsburger Domkreuzgang begraben47. Sein Monu­ ment beschreibt Schröder folgendermaßen48: „Grabplatte von be­ deutenden Dimensionen. Ganzfigur eines Priesters mit Kelch49. Flachrelief. Ruhige großzügige Gewandfalten. Oben und unten zu Seiten der Figur je zwei Wappen. Umschrift in gotischer Minuskel: A. d. 1519 o. ven. ac nob. vir dns Wolfgangus de Zylnhart decanus ac can. Aug. ecclesieque Tridentine summus prepositus cuius anima feliciter requiescat.“ Bereits am 16. November 1519 präsentiert Karl V. als seinen Nachfolger zu Trient den Dr. Baptist Baldironus50. Uber Zülnharts Palästinareise ist nur ein einziger urkundlicher Nachweis auffindbar51. Nach mittelalterlichem Brauch blieb der Pfründeinhaber bei Reise- oder Studienurlaub trotz Nichtausübung der Residenzpflicht im Genuß der Einkünfte seiner Pfründe. Das war auch bei Zülnhart der Fall; das Augsburger Domkapitel beur­ kundete sogar noch unter dem 16. März 1495 dieses Recht und be­ willigte dem Zülnhart „sein präbend uff zukünfftig jar onverdint zu ervolgen lassen, seiner Rom- und merfart halb ad terram sanctam und montem Oreb und montem Synay, dan sollich raysen im rechten besonder gefreyet sein“52. Im folgenden wollen wir, bevor wir das Tagebuch Zülnharts bringen, 46. Braun a. a. O. S. 257. 47. Nach Khamm a. a. O. I. p. 547 und Stengel a. a. O. p. 23 starb er am 31. Dez. desselben Jahres, was aber nach dem folgenden nicht möglich ist. 48. Die Monumente des Augsburger Domkreuzganges — Jahrbuch des Hist. Ver. Dillingen. Jg. 11 (1898). S. 56 u. J. M. Friesenegger, Führer durch den Domkreuz­ gang. 1930. S. 45. Vgl. die Abbildung. 49. Vielleicht Porträt Zülnharts. 50. Vgl. F. Schneller in der Zeitschrift des Ferdinandeums. III. Folge. H. 39. S. 213. Nr. 907. Siehe dazu auch die anderen Urkunden (908 und 909), in wel­ chen Baldironus seine Anwartschaft auf diese Pfründe geltend macht. 51. In keinem der einschlägigen Archive war darüber etwas zu finden. 52. Archiv für Geschichte des Hochstifts Augsburg. Dillingen 1916/19. Bd. 5. S. 244. Anm. 240.

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einen kurzen erläuternden Überblick über die Haupterlebnisse sei­ ner Pilgerfahrt geben. Am 26. März 149553 bricht der Domherr in Begleitung des Jörg von Augsburg, wohl ebenfalls eines Priesters von Augsburg auf. Sie hatten der Pilgermesse „de peregrinantibus“54 beigewohnt, vom Domdekan Ulrich von Rechberg den Pilgersegen empfangen und die Johannisminne05 getrunken. In Füssen besuchen sie ihren Diözesanbischof Friedrich von Zollern, der ihnen ebenfalls eine Pilgermesse liest und den Johannessegen erteilt. Über Inns­ bruck, wo sie von Erzherzog Sigismund einen Empfehlungsbrief an seine Räte zu Venedig erhalten, erreichen sie am 12. April das erste Ziel der Pilgerfahrt, Venedig. Dort kehren sie bei Peter Bender56, der eine gute Herberge dort hielt, ein. Unsere Reisenden kommen gerade recht, um an den Feierlichkeiten teilnehmen zu können, welche aus Anlaß des eben zwischen dem Kaiser, dem Papste, Spa­ nien, Venedig und Mailand geschlossenen Bündnisses begangen wur­ den und worüber Zülnhart ausführlich berichtet. Inzwischen hatten sich unsere Pilger einer Reisegesellschaft ange­ schlossen, nämlich dem Herzog Alexander von Bayern57 und dem Grafen Hans Jakob von Nassau. Zunächst bedurfte man zu einer Pilgerfahrt nach Jerusalem der kirchlichen Erlaubnis und zwar ge­ wöhnlich vom Papste; doch konnte man sie auch von einem andern dazu beauftragten Prälaten erhalten. So unsere Pilger, welche sie am 10. Mai in einer Audienz beim gerade in Venedig anwesenden päpst­ lichen Legaten in einer eigenen Bulle erhielten. In Begleitung der bayerischen Edelleute Gregor von Paulstorff und Sigmund von Sat­ telbog machen sie dann einen Ausflug nach Padua. Die Gelegenheit zur Überfahrt nach dem heiligen Lande fanden die Pilger meist durch Vermittlung ihrer Wirte. Es wurde ein Kon­ trakt58, der Verpflegung, Preis usw. aufführte, mit einem Rheder 53. Am 22. III. 1495 hatte er von Augsburg aus noch eine Stiftung beurkundet. Vgl. Steichele-Schröder: Das Bistum Augsburg. Bd. 5. S. 186. 54. Es gab z. B. ein eigenes Missale peregrinantium (Coloniae 1503) wie ein Sanctificiale itinerantium (Oppenheim 1521). 55. Die Erteilung des Pilgersegens und das Trinken des geweihten Johannisweines war ein allgemeiner Brauch. Vgl. Röhricht1 S. 10. Anm. 2. 56. Vgl. Röhricht1 S. 11 Anm. 6, der mehrere hohe Gäste dieses Hauses nennt. 57. Dessen Pilgerfahrt ist beschrieben in Feyerabends Reyssbuch. Frankfurt 1584. Bl. 30—47. 58. Den Inhalt eines solchen siehe bei Röhricht1 S. 13 f.

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geschlossen. Auch Zülnhart schließt mit noch 16 Pilgern einen sol­ chen mit dem Patron Ludovico Barbo, Besitzer der „Warcete“, im Hause Peter Benders; dabei wird ein Überfahrtspreis von je 50 Du­ katen59 ausgemacht. Dieser Kontrakt wurde von den Pilgern und dem Patron unterschrieben und am folgenden Tage in der Dogen­ kanzlei von den Protonotarien ratifiziert und ins Stadtbucb einge­ tragen. Trotzdem hielten sich die Patrone oftmals nicht an die Ver­ tragspunkte. Barbo hatte sich verpflichtet am 4. Juni abzufahren; das tat er aber nicht, sondern fuhr erst am 10. Juni ab. Für Züln­ hart war dies ein Glück; denn er wurde von einer schweren Krank­ heit befallen, die ihn zwei Monate in Venedig zurückhält. Auf der Fahrt wäre er wohl der Krankheit erlegen. Zwar verlor er die dem Kapitän bereits eingezahlten 25 Dukaten, ebenso seinen Anteil von dem mit sechs Reisegenossen gemeinsam gekauften Proviant. Die Pilger mußten sich nämlich auf dem Schiff selbst verpflegen. Wo er während seiner Krankheit weilte, ist nicht bekannt. Er klagt sehr über die hohen Rechnungen der beiden Ärzte. Noch Rekonvaleszent fährt Zülnhart am 3. August mit dem Schiffe des Marco Kautorto in Begleitung des Johanniter-Hochmeisters Grafen Rudolf von Wer­ denberg, des Heinz von Schwagen und eines von Klingenberg von Venedig ab60. Am 17. August landen sie in Korfu, am 26. August in Rhodus, von wo Zülnhart allein die Weiterreise antritt. Die Fahrt von hier bis Jaffa kostet ihm 60 Dukaten. Als neue Reisebegleiter nennt er die Franziskanerguardiane von Rhodus und Jerusalem. Am 13. September erfolgt die Ankunft in Jaffa; schon am folgenden Tage geht es nach Jerusalem weiter, wo sie am 17. September ein­ treff en. Fast einen Monat, bis zum 9. Oktober, weilt Zülnhart an den heiligen Stätten. Den Empfang61 der Pilger in Jerusalem übergeht Zülnhart und er­ wähnt nur, daß er bei den Franziskanern auf dem Berg Sion Quar­ tier genommen hat62. Der ausführlichen Beschreibung der heiligen 59. Etwa 10 Goldmark. 60. Über die Gebräuche bei der Abfahrt eines Pilgerschiffes und während der Seefahrt vgl. Röhricht1 S. 17 ff. 61. Die Beschreibung eines solchen nach gleichzeitigen Quellen bei Röhricht1 S. 27. 62. Bei dem Mangel an Gasthäusern pflegten die Pilger auch sonst auf der Reise meist in Klöstern über Nacht zu bleiben.

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Stätten in Jerusalem schickt Zülnhart ein Verzeichnis derselben in lateinischer Sprache voraus, das wahrscheinlich einem der damali­ gen Pilgerführer entnommen ist, welchen sich die Reisenden in Ve­ nedig oder in Jerusalem selbst zu kaufen pflegten. Die Aufzählung der einzelnen Heiligtümer geschieht in schlichter Weise durch das übliche „Item'’4 und bringt in ihrer schlagwortartigen Kürze nichts Neues; mehrfach wendet Zülnhart dabei die lateinische Sprache an. Der Aufenthalt in Jerusalem wird unterbrochen durch einen zwei­ maligen Abstecher nach Bethlehem und eine Reise an den Jordan63. Nachdem unser Domherr noch zum Ritter des heiligen Grabes64 ge­ schlagen worden war, verläßt er am 9. Oktober die Stadt. Als der ein­ zige römische Christ schließt er sich einer Karawane an, um den Berg Sinai zu besuchen. In Gaza beschließen sechs Reisegefährten, den Weg nicht, wie ursprünglich geplant, über Kairo, sondern durch die Wüste einzuschlagen. Sie vertauschen deshalb ihre Maultiere mit Kamelen und treten am 22. Oktober die Weiterreise an. Das Unan­ genehme war, das Zülnhart sich mit seinen Mitreisenden nicht ver­ ständigen konnte. Zudem hatte er Grund sich von seinen Genossen, armenischen und griechischen Christen, mehr zu hüten als vor den begleitenden Arabern. Am 30. Oktober langten sie beim Katharinen­ kloster an. Das Hauptereignis bildete die Besteigung des Berges Sinai65. Am 5. November treten die Pilger die Weiterreise nach Kairo an, das sie am 21. November erreichen und wo sich Zülnhart bis zum 7. Dezember aufhält. Auch Zülnhart ist wie frühere und spä­ tere Pilger von den Eindrücken, die er hier empfängt, entzückt66. Am 7. Dezember fährt Zülnhart zu Schiff nilabwärts nach Rosette und begibt sich von da zu Pferde nach Alexandria, dessen Reliquien damals einen Hauptanziehungspunkt bildeten67. In Gesellschaft eines Venetianers und eines Neapolitaners verläßt Zülnhart am 19. Dezember zu Schiff Alexandria und trifft am 22. Dezember in Rhodus ein, wo er bis zum 10. Januar 1496 bleibt, wohl als Gast des 63. Das Bad im Jordan bildete nach alter Pilgertradition den Abschluß der Pil­ gerfahrt. Vgl. Röhricht1 S. 33 f. 64. Vgl. dazu Röhricht1 S. 32 f. 65. Vgl. dazu Röhricht1 S. 37. 66. Vgl. dazu die Ausführungen Röhrichts1 S. 38 ff., der den gewöhnlichen Auf­ enthalt der Pilger nach Quellen schildert. 67. Röhricht1 S. 39 f.

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ihm scheinbar befreundeten Johanniterhochmeisters Graf Rudolf von Werdenberg, mit welchem er ja gemeinschaftlich die Herreise von Venedig bis Rhodus unternommen hatte. Am 10. Januar geht die Fahrt weiter nach Kandia, wo Zülnhart am 22. Januar ankommt. In Kandia muß Zülnhart bis zum 2. März stilliegen, wo er erst ein Schiff zur Weiterreise nach Konstantinopel bekommt. Die Reise geht durch den griechischen Archipelagos nach der Hauptstadt des Tür­ kenreiches, die am 19. März erreicht wird. Bis zum 27. März weilt Zülnhart dort; die Beschreibung der Sehenswürdigkeiten ist kurz gehalten. Am 27. März tritt er die Rückreise nach Venedig an. Am 1. Mai trifft das Schiff in Gallipoli und am 16. Mai in Gifepoli ein; damit ist das Tagebuch zu Ende. Wir können nur mutmaßen, daß Zülnhart im Laufe des Frühsommers wieder in Augsburg eingetrof­ fen ist, so daß er fast 1V4 Jahre der Heimat ferngeblieben war. Von Venedig aus scheint Zülnhart eine Pilgerfahrt nach Rom angetreten zu haben68. Mit der nämlichen Feierlichkeit69 wie der Auszug fand der Einzug der Pilger in der Heimat statt. Unter Tränen der Freude wurde der oft schon Totgeglaubte empfangen und feierlich in die Kirche ge­ leitet, wo er Gott seinen Dank abstattete. Diesem Dank wurde fast allgemein noch besonderer Ausdruck durch fromme Stiftungen gege­ ben. Vielfach wurde das Andenken an die fromme Fahrt für die Nachwelt durch schriftliche Aufzeichnungen befestigt und bestätigt.

TEXT DER REISEBESCHREIBUNG. [Blatt lr:] Nach Cristi unsers lieben herren gepurt tausent fierhundert lxxxxv jar (1495) am dornstag nach unser frawen tag annuntiationis, der da was70 der 26. tag des monats Martij, bin ich Wolff von Zülnhart und 26. März mit ihm Jörg von Augspurg aussgezogen auff den weg gen Jerusalem und Sant Katharina, auch andere hailigen stett zu beschawen und 68. Vgl. Bl. 31r seines Tagebuches und die Urkunde im Archiv für Geschichte des Hochstifts Augsburg. Bd. 5. S. 244. Anm. 240. 69. Vgl. Röhricht1 S. 42. 70. was, wasen — war, waren.

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haim zesuchen. Und auf den tag dar vor was unser frawen tag, Sachen wir das hailigtum zu sant Ulrich und Affren, assent mir in dem convent zu morgen. Aber auff dornstag als mir auss zochent, liessent mir uns ain mess lesen pro peregrinantibus zu unser fra­ wen71. Und nach der mess segnet uns der techent des tums, her Ul­ rich von Rechberg, sant Johannes segen und gab uns den zetrincken. Auch segnet uns sunst aus mit vil gutten collecten über uns, unser Waffen und seck. Darnach assen mir zu morgen, und ritten hinweg denselben tag bis gen Landsperg, ist 6 mül72. 27. März Item auff freitag des 27. desselben monats ritten wir gen Roshawpten73, ist 5 mül*. 28. März Item auff samstag darnach ritten wir gen Fiessen74 ist ain mül und 30. März beliben da bis an den montag. Auff denselben tag lüss uns mein herr

von Augspurg, bischoff Fridrich von Zorn75 gen hoff laden, mit jm imbüss zu essen. Item am samstag darnach las uns sein gnad selbs mess de peregri­ nantibus, und segnet uns sant Johannessegen, und gab in uns zetrin­ cken, und segnet uns auch aus mit vil schöner collecten und liess uns aber gen hoff laden und erzaigt sich gantz gnedigclich und früntlich gegen uns. Und lies uns selb auff die nacht mit im zu hoff essen. Mir wolten es aber nit tun, wann wir hetten ain [Blatt lv:] anschlag in der stat zu essen mit den gesellen, also namen mir urlab von seinen gnaden. 30. März Item am montag darnach ritten mir gen Naserreitt76, ist 6 mül. 31. März Item am afftermontag77 ritten mir gen Yspruck78, ist ach 6 mül, und kamen zeit gen Yspruck und giengen gen hoff und assent denselben abent zu hoff, und begerten ain hass brieff79 von hertzog Sigmund. 71. 72. 73. 74. 75. 76. 77. 78. 79.

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Im Dom. Eine Meile etwa 8 km. Roßhaupten. Füssen. Friedrich II. Graf von Zollern, Bischof von Augsburg 1486—1505. Nassenreith. Dienstag. Innsbruck. Paß oder Geleitbrief.

Sudarium des hl. Ulrich. Das Silberreliquiar hat 1506 Zülnhart dem Schreibkünstler Leonh. Wagner geschenkt. Jetzt i m Sakristeischatze der Kirche St. Ulrich.

Ward uns geben, auch ain fidernus brieff an des künigs rett, die zu Venedig lagend, wasen herr Walther von Stadion ritter, herr Leon­ hard Falsee und doctor Keidnert thumprobst zu Brichsen. Also beliben wir den mitwochen, ist der erst tag des apprillen ach zu Yspruck. Item auf dornstag des anderen tag aprilis ritten wir von Yspruck gen Stertzingen80, ist 7 mül. Item freittag ritten wir gen Brichsen81, ist 4 mül und beliben den­ selben tag da bis samstag nachmittag und hortten das ampt und Sachen vil hailigtum. Item samstag nachmittag ritten mir dennocht zu den Tollman82, ist 3 mül. Item auff den sontag ritten mir gen Nüwen Marckt83, ist 6 mül. Item den montag ritten mir gen Trient und Sachen Sant Symon und assen gen morgen und ritten nach Esses, dennocht gen Leuy84, macht 6 mül. Item auff afftermontag ritten mir gen Felters85, ist 7 mül, und ist ain bistum da. Item auff mitwuch ritten mir gen Terffis86, ist 6 mül. Item auff dornstag ritten mir gen Maisters87, assen mir din imbüss zu hoff, ist 2 mül und Hessen unseren pferd da steen und fieren hin gen Venedig 1 mül zu Petter Bender88 und was der 8. tag aprilis89. Item ain bundnus ist gemacht zu Venedig zwischen den bapst, den remischen king, den land von Hyspania, den Venedigern und den hertzog von Mayland90. Und 80. Sterzing. 81. Brixen. 82. Tolmein. 83. Neumarkt. 84. Levico. 85. Feltre. 86. Treviso. 87. Mestre. 88. Ein bekannter deutscher Gastwirt zu Venedig, bei dem die Pilger aus besse­ ren Ständen meist Einkehr nahmen. 89. Wohl ein Irrtum; es war der 9. April. 90. Vgl. dazu H. Kretschmayr, Geschichte von Venedig. Gotha 1920. Bd. 2. S. 401.

1. April 2. April 3. April

4. April 5. April 6. April

7. April 8. April 9. April

[Blatt 21*:] ist der selbig frid oder büntnuss geeffnet worden zu Venedig auff den 12. April Palmtag, was der .12. tag des monats aprilis, und ward offenlich auff sant Marx platz91 aussgeriefft. Und da vast trumettet und aus der pichsen geschossen, und ain grose procession gehalten auff sant Marx platz wie her nach volgt. Item zu den ersten send gangen fünff bruderschafft oder schulen, die haben all kertzen tragen, jegliche ir sunder färb, die erst hat tra­ gen rotte kertzen und send ir gewesen fierhundert und acht undfiertzig brüder. Item die ander hat tragen green kertzen und send ir gewesen bey den treuhundert und fiertzig bruder. Item die tritt hatt tragen graw92 kertzen und send ir gewesen fier­ hundert und fierundneuntzig bruder. Item die fiert hat tragen weyss kertzen und send ir gewesen sibenhundert und sechsundachtzig brüder. Item die fünfft hat tragen geel93 kertzen und send ir gewesen acht­ hundert und fier undsechtzig bruder. Und send all in weyss kutten geklait gewesen und fornen auff der rechten prust ain crütz geferbt nach den kertzen, und auff der lincken ain schiltlin der bedeutnuss irer bruderächafft, und hat jegliche bruderschafft ettlich knaben köstlich klait, und jeder knab in seiner hand etwas kostlichs von silbern oder vergulten klainetern94 in jren henden, und in jetlicher pruderschafft singer, lauttenschlager und geigen gangen, die das saittenspil getriben habend. Item es send mangerlay scheltzemer95 historien da gemacht, die hatt man auff fieregetten96 tafeln herum tragen, und under jeglicher ta­ feln send gangen auff das minst 6, die sy getragen habend, und auff den tischen send gewesen

91. Markusplatz. 92. grau. 93. gelb. 94. Kleinodien. 95. seltsamer. 96. viereckigen.

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[Blatt 2V:] historien oder bedeittnuss des bundts mit lebendigen menschen vast köstlich geklait von guldin und samatin tiechern und gar schöne und köstliche clainet in jren henden, und send derselben historien fil ge­ wesen, alweg aine köstlicher dann die ander. Item zum ersten der hertzog von Mayland oder ain figur in seiner gestalt, darnach der hertzog von Venedig, darnach der künig von Hyspanien, darnach der remisch künig und darnach zum letzsten der bapst als das oberst hawpt. Und ist jeglichem sein aygenschafft und wappen mit jren dienern zugemacht als sich gepürt, als ob sy selber da werend gewesen. Item darnach send gangen die orden und priesterschafft mit jren ornatten, köstlich geklait und jeglicher etwas kostlichs von hailtum in seiner hand getragen, auch sunst vil hailtums von großen stucken in grossen sarchen97 oder auff tischen herum getragen, och köstlich gross vanen, und send derselben gewesen in der zal bey den fierzehenhunderten. Item darnach send gangen 32 trumetter, 3 schalmier, viel lauttenschlager, harpffer und gaiger auch ettlich singer die vast98 gutt send gewesen. Item nach den spilleytten send gangen die bottschafften99 der für­ sten des bundts, zu ersten der hertzog von Venedig in aigner person, und zu seiner rechten seytten des pabsts bottschafft, uff die glincken100 sytten des remischen kings, darnach gieng der patriarch von Venedig in aigner person, und auff seiner rechten des künigs von Hyspanien bottschafft, auff der glincken seytten des hertzogs von Maylands bottschafft. [Blatt 3r:] Darnach die ander signorr oder herschafft von Venedig, der was vil und all köstlich geclait, und die minst und schwechest klaidung was Scharlach. Und dieweyl man umgieng, schoss man vast aus der biechsen auf sant Marx türen101, und was aus der massen vil leit auff dem 97. Särgen, Schreinen. 98. „fast“ in der Bedeutung „sehr“. 99. Die Gesandten. 100. glinck z= links. 101. Türme.

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platz von mannen und frawen; die köstlichen frawen lagen in den heysern an den laden102, die wasen über die mass köstlich clait von berlin und edlen gestain, als dan die Venediger woll haben mügen. Und man schetzet, das wol sechzig tausent menschen auff dem platz werent, etlich schetzten vil mer; dann zu Venedig nie kain söllich fest gesechen ist worden, das wolt jeder man zu schauen. Item es ist auff sant Marx platz allenthalben umb und umb, als weit der platz ist, überzogen gewesen mitt weyssen tiechern, und darun­ der ist die procession gangen. Item umb sant Marx kirchen oben her umb da, der gang ist, als umb henckt mit guldin tiechern gar herumb. Es send auch da selbs oben gesteckt fünzechen grosser griener vanen, vast gross und besunder zween die send an zwen hochen Stangen über sich gesteckt zu den zway ecken, die send vast gross gewesen und gantz guldin. Auch sunst ander fanen auf sant Marx turen und derselben vil und ettlich über die mass lang, das sy weit über das halbtail des tures herabhiengen. Item ain stund in die nacht macht man allenthalben in der statt gross feur und besunder auff sant Marx platz zway grosse, und was aber vast vil leitt da. Und umb sant Marx kirchen wasen allenthal­ ben vil bech pfannen auff gesteckt und die an gezintt, und aus der bichsen geschossen [Blatt 3V:] und mit den glogen fred gelitten103. Hie nach volgent etliche stucken von sant Marx schätz als vil mir sy gesechen haben auff sant Marx altar und an seinen tag104. Item zum ersten ist gestanden auff sant Marx altar oder in sant Marx kirchen auff dem altar des hertzogen hietlin105, das ist vast köstlich von grossen berlin106 und edlen gestain und besunder ober dar auff ain vast grosser rubin, der gross guts wertt ist und sy nennen jn ain karfunckel. 102. Fenster. 103. Freude läuten. 104. Der Tag des hl. Markus ist der 25. April. 105. Der Herzogshut des Dogen. 106. Perlen.

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Item bey dem hietlin stonden zehen gross guldin crone, die aim jeg­ lichen menschen weitt und gross gnug send und auch vast köstlich mit berlin und grosen stainen. Item darnach ain wenig her abas107 under den cronen stonden zwölf! guldine pristlin108 in der mas gestalt als man daussen von harnasch macht halbrucken, die send ganz über zogen mit grossen berlin und allerley edlen gestain. Item darnach aber bass herab und den pristlin stond ain grosser gantz guldiner kelch und ain köstlich corporal109 und auff dem corporal ain gar köstlich palen110. Item zwen gross guldi leichter stonden an ieclicher seytten ainer zway guldin hochen credentz als die fürsten dausen brauchen zu den zucker her umb zu tragen. Und auff den selben credencen guldine engelin eingeschraufft hielten weyss kertzen. Und zwischen den engelin guldin stellt, auff den selben stonden auss der massen gross rubin oder karfunckel, auff der ainen drey und auff der ander fier, und ainer was dar under in der gröse ain zylig111 hennen ay. Item vor dem altar und dar auff zu bayden seytten stondend syben grosse gantz guldin crütz. Item vor dem altar hyengen zway grosse gantz guldine rachfass. [Blatt 4r:] Item vor dem altar zwischen rachfassen hiengen zway aingehiren112, ain wys und ain praun farbs als die marmelstain send, und des selb was vast lang und lenger dan ain mann sy aber nitt gross darnach. Hie nach volget das hayltum, so wir zu Venedig gesehen haben. Item es ligt ain closter in dem meer benedictiner ordens, haist zu sant Helena113 für sant Anthoni hinauss gegen den castallen114 zu. Waren mir jn auff den greenen dornstag bey der non und bey dem 107. 108. 109. 110. 111. 112. 113. Vgl. 114.

abwärts. Brustharnisch. Corporale: Tuch zum Zudecken des Kelches. Patene. mittelgroß. Einhorn bzw. das Horn desselben. Auf der Insel S. Elena östlich Venedig, zwischen der Stadt und dem Lido. Baedeker, Oberitalien. Leipzig 1928. S. 262. Kastelle.

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fies weschen. In der selben kirchen auff der gerechten hand, so man hin ein gatt, ist ain cappell; in der selben cappellen in dem oberen altar ligt sant Helena leybhefftig115, dass man sy wol sechen mag, und auff ir ligt ain zwifachs crütz, hat sy alweg bey ir tragen, und in dem selben ist ain stück des hailigen creutz, mer ligt auff ir ain gross stuck von der prust Marie Magdalene. Wie aber sant Helena da her kumen sey, fand ich in ainer tafel geschriben in der selben kirchen wie her nach volget. „In cronica domini Andree Dandulo quondam ducis Venetiarum continetur, qualiter anno domini milesimo ducentessimo tertio (1203) duce Petro Gicine Aytardus canonicus regularis subtiliter abstulit corpus sancte Helene de Constantinopoli ex monasterio dedicato nomine suo atque Venecias translatum in suo recondidit monasterio.66 Item die weil mir also daussen waren, herhub sich gar ain wind, das nit wol gen Venedig zu faren was, doch furen etlich hin und jr etlich under stunden sich hin ein zu faren. Aber der wind warff sy als weytt in das mer, das mir sy nitt mer Sachen, ob sy hin auss send körnen oder nit, ist uns un wissent; wan darnach fand man zween in dem meer, man waist aber nit, obs von den selben send oder nit. [Blatt 4V:] Item die selbe nacht belyben vil leytt von theutzen116, von walchen117 in dem closter, und gab man uns allen genug zessen und trincken, und unser fünffen gab man bett. Aber es lagen unser nit mer dann fier daran, der ander lag an der erd bey dem feur und der andern vil auch in andern kamern bey dem feur. In dem selben closter ist auch gar ain köstlich gestiel in dem chor, ich hab nie kain hipseres118 gesechen und hat es ain münch in dem closter gemacht. Item ain ander kirch ligt auch in dem meer, gleich gegen sant Marx 115. Die Überreste der hl. Helena, der Mutter Kaiser Konstantins des Großen, waren einst in Konstantinopel beigesetzt, kamen im 9. Jahrhundert angeblich in die Abtei Hautvillers bei Reims; weitere Reliquien sollen sich in Rom (Ara Coeli) und Venedig befinden. Vgl. M. Buchberger, Kirchliches Handlexikon. Freiburg 1907. Bd. 1. Sp. 1906. 116. Deutsche. 117. Welsche. 118. hübscheres.

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über, haist zu sant Jörgen119; da ist der glinck arm und hand sant Jorgen in silber ein gefast, auch sant Görgen hawpt in silber gefast. Mer ligt da in aim altar die leichnam sant Cosma und Damian, und in ainem andren altar ligt der leichnam sant Pauls, der gewesen ist dux militie zu Constantinopel. Mer in aim andren altar ligt der leich­ nam sant Eustachij, der gewesen ist ain pischoff zu Constantinopel. Mer ist da das fordertail von dem haupt sant Jacobs des mindern120 in silber gefast, mer ist da ain arm von sant Lucia in silber gefast. Item über die realprucken121 hin auff ligt ain kirch haist zu sant Jo­ hannes122, da ist die kirchweichen oder fest auff das hailig creutz tag; da ist ain stuck von dem hailigen creutz. Auff den selben tag gieng der hertzog mit der signorrien von Venedig in die selbe kirchen und warend all gassen, da sy gen solten, behenckt mit gewirckten und seidine tiechern, auch guldin und silbern stucken, und besunder ain gass, da die kafleut sitzen, die syden verkaffen, die was aus der massen köstlich umb behenckt und überzogen mit guldin tiechern dar under der hertzog und die herschafift gieng. Und giengend alweg etwan vil trumetter und pfiffer voran und am wider [Blatt 5r:] haim keren het man köstliche schiff zu beraitt, darjn sy haim furen. Item noch weytter hin auff für sant Pauls kirchen und für die min­ der bruder hin auff ligt noch ain kirch haist auch zu sant Johan­ nes123; ist auch ain stuck oder creutz von dem hailigen creutz. Item noch weytter für aus ligt noch ain frawen closter, muss man faren über ain canal, haist zu sant Lucie; da ligt der gantz leichnam sant Lucie. Item auff sant Gordian und Epimachi tag was sontag und der 10. tag 10. Mai des mayen giengen wir nachmittag mit hertzog Alexander von pairen124 und Hans Jacob von Nassaw126 graffen für den legaten, der zu 119. Isola di S. Giorgio Maggiore. Vgl. Baedeker, Oberitalien. S. 270. 120. des Jüngeren. 121. Ponte di Rialto. 122. Wohl S. Giovanni Elemosinario. Baedeker a. a. O. S. 263. 123. Wohl Scuola di S. Giovanni Evangelista. 124. Herzog Alexander, Pfalzgraf bei Rhein, besuchte mit einem großen Gefolge das Heilige Land, von wo er am 16. Januar 1496 wieder in seine Heimat nach Zweibrücken zurückkam. Die Beschreibung seiner Wallfahrt finden wir im

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Venedig was in pottschafft von unserem vatter dem pabst, und begerten von jm herlauptnus120, zu ziechen gen Jerusalem, als gewonheit ist; ward uns von jm gar gietlich geben, auch gab er uns erlapnus zu beichten uff dem weg und an den hailigen Stetten und gewalt zu absolvieren werden. Ob er schon auff jm hett ain cäöum der dem pabst zu gehörig wer. Auch begert er unser namen in geschrillt, wann er uns ain bul gab der erlaptnus. Item auff den selben tag furen mir jn ain closter, ligt an aim ortt zu Venedig gen Maisters zu, haist auch ad sanctam Mariam de cruce, in welsch Crutzherj127; da send minch, tragen ain plaweii orden und weyse creutz in iren henden, wann sy auss wellen gan; und ist der under tail am creutz lang, das sys in der hand inlegen haben und das selbig tail, das sy in der hand haben, ist in der mitth schwartz; und hatt den selben orden auff gesetzt ain pabst, hatt gehaissen sanctus Cletus, und häist ordo cruciferorum. Item in dem selben clqster ligt ain iunckfraw sant Barbara genant gantz unver[Blatt 5V:] wesen, on allain ain wenig oben von der hirenschalen und ain clainer finger, und ist geboren aus Nicomedia der statt, ains reichen mans tochter Dyoscori128 gehaysen, und ist also gen Venedig komen. Item mer ligt da das haupt sancti Gregorij. Item ain bain von s. Christofero, das ober tail von dem knie bys gar bin auff den leyb, ist fier spann und fier finger lang und ain gutte gresse. Item mer ligt da das hawpt Sabine. Item der kinback sancti Thimothei. Item ain arm von s. Jacob. Item hailtum von den unschuldigen kindern. „Reyssbuch dess heyligen Lands44. Franckfurt (Feyerabend) 1584. S. 30—47. Vgl. auch J. G. Lehmann, Geschichte des Herzogtums Zweibrücken. München 1867. S. 222 und Röhricht2. S. 187 ff. 125. Johann V. von Nassau-Dillenburg. Vgl. über seine Pilgerfahrt: Annalen des Vereins für Nassauische Altertumskunde. Wiesbaden 1886. Bd. 19. S. 62. 126. Auch erlaupnus, erlauptnus = Erlaubnis. 127. S. Croce. 128. Dioscorus.

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Item hailtum von sant Lorentz. Item hailtum von sant Marina. Item es ligt ain kirch hinder sant Marx, haist zu sant Zacharias129, ist ein frawen closter. Da ligt das nach geschriben hailtum. Item in dem obern altar ligen die leichnam, sant Zacharias leichnam, der ain vatter gewesen ist sant Johannes des teffers. Item sant Theodorus leichnam des beichtigers. Item sant Gregorius Nazanzeni leichnam confessor. Item das hawpt sant Steffans des pabst und märtyrers. Item von dem öl sant Katherina. Item von dem wunderberlichen plut Christi. Item de spinea corona Christi. Item das haupt Claudij. Item ain ander altar ist auff die rechten hand, da ligt das nachgeschriben hailtum. Item die leichnam sant Achillei, Pangratii, Nerei. Item jn ainem andern altar auff die glincken hand ligt der leichnam s. Sabine. [Blatt 6r:] Item nach dem mir lang zu Venedig lagen furen wir gen Baden130 und mitt uns zwen ander edelmann auss Bairen, Gregorius von Paulstorff und Sigmund von Sattelbog131; und furen dar auff freitag des 15. Mai 15. tag des maiens und besachen die statt und ettlich hailtum als her nach statt. Item ain kirch ist zu Baden, haist zu sant Anthoni; ligt sant Anthoni leibhefftig in dem altar auff die glincken hand in ainer cappell, wann man unden hin ein gatt, tut gar grosse zaichen und ist doch nit Anthonius in der wiesten, wann er ist ain barfüsser minch gewesen und ist vor fil jaren tod; und man sagt, das ain mechtiger haid vor ettlich hundert jaren mitt im gerett hab von gott, wann als litzel132 das glas gantz beleyb, als litzel sey sein gott werdt und hatt das glas wider die erd geworffen, also ist das glas gantz beliben. 129. S. Zaccaria. Baedeker S. 256. 130. Padua. 331. Sattelberg. Der letztere schließt sich der Pilgerfahrt des Herzogs Alexander an. Vgl. Röhricht2 S. 188. 132. wenig.

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Item mer hatt er gesagt zu sant Anthoni, sein gott sey nichts werd, dann sein esel ees wol hundert hergott wer jms fir werff. Hatt sant Anthoni geantwurt, er sei seyn esel haissen komen, so wel jm ain hergott für halten; ess der esel den selben so wel er an sein gott gelaben. Also hatt im sant Anthoni ain hostien für gehalten, ist der esel auff sein knie gefallen; hatt der haid wol gesechen ünd sich dar ab verwundert. Item da selbs in sant Anthonis kirch ist gar in ainem schönen segerer133, ist hailtum von dem plut sant Francisco, das er jm selbs auss der prust geschlagen hat. Item das kin und kinback sant Anthonis. Item von dem har unser liben frawen. Item ain finger von sant Laurentz. Item die zung sant Anthonis. [Blatt 6V:] Item ain stuck ains bains von s. Katherina. Item von den zwelffbotten von ieglichem ain bain. Item von der krön unsers lieben herren ist als köstlich in silber eingeffassen und sunst gar vil köstlicher clainet. Item wann man zu Venedig aus fert gen Baden zu, fertt man zwi­ schen zwayen frawen closter hin, die ligen an dem end der statt Venedig; das ain auff die rechten hand haist zu sant Clären, das ander zu sant Andreen. Item weitter für aussgang am ortt auff die rechten hand ist ain clo­ ster frawen haist zu sant Martin. Item weitter hin auss jm mer auch auff die rechten hand ligt ain minchs closter, haist zu sant Jörgen, die tragen ain plawen orden. Item darnach kumpt man gen Lucifosina, da muss man schiff über ain brugen ziechen. Item von Venedig ist fünff teutzst meyl gen paden, macht 25 welsch meyl134. Item an dem tag unsers herren auffart, so ist der hertzog von Vene133. Monstranz oder Reliquiar. 134. Eine welsche Meile zr 1,6 km.

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dig vermechlen135 das mer mit ainem ring und ferdt hin aus zu sant Niclaus und mit jm ain patriarch, der ist segnen das mer. Item da furen mir auch hin auss und mit uns Willhalm von Paulstorff136 und auch Sigmund von Sattelbog und hortten da mess. Item darnach besachen wir das hailtum und ligt da in dem selbigen closter sant Niclaus und ist auch da sein stab und sein ring. Item es ist auch in dem selbigen closter der krieg ainer dar in unser her wasser zu wein hat gemacht. Item zu Venedig ist ain werckhaus, da man die galeen137 in macht, haist das marcenal138, ist fast gross und hat gar weitt umb sich be­ griffen. [Blatt 7r:] Dar in haben sy jr harnasch und pichsen und ander gewer zu streb­ ten und send gar vil schöner pichsen darin, und arbaitten altag 6 hundert person dar in, die machend galeen und ander schiff, pich­ sen und was man auff dem meer und in strebten bedarff; und sagend sy, das man den selben arbatren zu Ion geh in 6 tagen 16 ducaten. In dem selben marcenal sach ich ain jungen hirsch, hett ain schwantz wol ain spann lang und was noch klainer denn ain rech und hett doch die hernen gesetzt. Item zu Venedig ist ain kirch, haist zu sant Niclaus, statt bey den casteilen dausen, auff der rechten hand und ist ain closter benedictiner ordens; da ist diss nach geschribens hailtum. Item ein stuck von dem hailigen creutz. Item der 6 krieg ainer, da unser hergott auss wasser wein machet. Item der stab sant Niclaus. Item ain geel seydins tuch, das gelegen ist auff dreyen hailigen cörpreen139, die auch hernach stend, da mit dreypt man den bösen von den leytten. Item sandalia pontificialia sancti Nicolaj magni. 135. Die Zeremonie der symbolischen Vermählung mit der Adria fand am jetzigen Porto di Lido statt. Bädeker S. 276. 136. Wilhelm von Paulstorff schließt sich in Candia der Pilgerfahrt des Herzogs Alexander von Zweibrücken an. Vgl. Röhricht2 S. 188. 137. Galeere, ein großes Schiff. 138. Arsenal. 139. fälschlich für cörperen — Körper.

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Item dentes duo sancti Nicolai magni. Item digitus sancti Thimothei discipuli s. Pauli apostoli. Item de sanctis Innocentibus ossa quinque. Item de ossibus undecim milium virginum. Item de genu Abhraham patriarche. Item pes et tibia Marie egiptiace. Item brachium cum manu sancti Porfirij, qui sanctam Katherinam convertit et baptisarifecit. Item os unum de remibus sancti Georgij martyris. Item auris sancti Pauli primi heremite. Item ossa düa de cruribus sancti Procopij militis [Blatt 7V:] et martyris. Item reliquie sancti Laurentij. Item vitrea viola aque sive liquoris sancti Achiley, que emanavit de archa sanctissimi Achiley et sotiorum eius. Item de lapide montis Calvarij. Item de columna flagellationis. Item de loco coronationis in domo Pilati. Item de loco ubi sudor Christi factus est in sanguinis gutte. Item de presepio domini. Item de loco ubi Christus flevit super civitatem sanctam Jerusalem. Item de loco ubi sepulta fuit sancta Maria. Item de sepulero sancte Katherine in monte Sinay. Item capseile quatuor: argentea una suavissimo oleo plena, plumbea altera et eburnea una, altera cipressina, pluribus reliquiis inclusis reponunt sub confessione. Item capsella alia nuper reperta cum multis reliquiis incognitis. 25. Mai Item auff den 25 tag des monats may habent sich unser 17 vertragen mit dem patron Ludovico Barbo140 in Peter Benders haus um vesperzeit, das er uns gen Jerusalem her und her wider und auff dem hailigen land auss rieht für die esel oder pferd als dann der pilgern gewonhait ist, und gaben jm für ain person 50 ducaten venetian141. 140. Wird mehrfach in den Reisebeschreibungen als Patron genannt. Vgl. Röh­ richt2 S. 47. Anm. 124. 141. Ein Venetianischer Dukaten hatte einen Goldwert von ungefähr 10 RM. Der herkömmliche Preis schwankte zwischen 38 und 60 Dukaten. Vgl. Röhricht2 S. 10 f.

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Und am nechsten darnach liessent mir uns schreiben in der statt buch und machtend etlich artickel, wie er uns halten und fieren solt auff dem schiff und dem land, und ward jm eingedingt, das er auss solt faren auff den fierten tag junij auff des lengst; es ward uns aber nit gehalten etlicher geschefft halb, die er noch zu schaffen hett, und warden die prieder unwillig und wollten jn verclagt haben vor der herschafft. [Blatt 8r:] Kam er zu uns und sagt, wie es jm nit miiglich wer, und patt uns zu verziechen zwen tag; ward im zugelassen, wer eben auff den pfinstag gewesen; wolten unser etlich auff den hailigen tag nit aus faren und verzochen bis auff den montag nach pfingsten. Hortten wir all mess jn sant Niclaus in ainem closter, leyt bey den casteilen, und giengen darnach in die Warceten; also hies unser schiff. In der selben zeit, als uns der patron verzoch, sties mich das lieber gar hertiglich an, und was auff dem selben tag mein böser tag; noch dennocht für ich und mein wirt in ainem verdeckten schifflin mit ain ander hin aus auff das schiff und als mir hin aus kamen, was noch nichs zu gericht, dann der patron kundt nit faren, den der wind was wider uns; ward ich zu ratt mit mein wirt, Petter Pender, und fier wider gen Venedig, und kam gar kam (!) hain in grosser kranckhait halb und ward kranckhait so groß um mich, das ich nit mer in das schiff mocht körnen; und fier das schiff darnach ander mitwochen zu nacht hin weg, das was der 10 tag des monats junij. Also belib ich zu 10. Juni Venedig kranck zwen monatt; den ain monatt was ich also kranck, das ich aus dem pett nie kam, man hieb mich dann heraus, dennocht kund ich auff mein Hesse nit ston und hatt zwen doctor, die über mich giengen und mir altag ertzney gabend, gestond142 mich fil gelts. Auch wasen die 25 ducaten, als unser jeder dem patron vor ein must geben auch verloren, und was mir auf das schiff unser 6 in ainer geselschafft kaufft hetten von speys und specerey. Item in dem kam nun der monat augustus, so die galeen gen Paruti gand und wie wol ich noch fast kranck und schwach was, so rieht ich mich doch zu, 142. von gestän — kosten.

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[Blatt 8V:] mit den selben zu faren und hett mein wirtt mit zwayen patron gerett, die mich fieren wolten, war der galeen worden fier. In mittler zeitt kam mein her graff Rudolff von Werdenberg143 höchmaister, der nam mich aufif mit jm in sein geselschafft und verdingt sich in die tritten galeen. Der selben galeen patron hies miser Marcko Kautorto144, und sassen auff die galeen am sontag zu nacht und furen 3. August darnach an dem montag vortag hin weg, das was der tritt tag des 5. August monats augusti; und furen also bis an mittwucho, zu nacht umb vesperzeit kamep mir gen Parensa145, und ist von Venedig bis genParens 100 welsch meyl, ist ain klainis stettlin, ligt jm land Histria146; bey dem selben stettlin über jm meer ligt ain closter auff aim claine berg, auff die rechten hand, haist zu sant Niclaus benedictiner ordens da liesen mir uns aus fieren auff ainer barcken und besachent das, was es fast lustig. Also liesen unser drey unser bett hin ein fieren, und lagen über nacht dar in. Wann die zween do bey mir waren, Haintz von Schwagen und ain junger von Klingenberg warend ain wenig schwach worden von dem meer, und belib ich bey in der sprach halb. Also für mein her graff Rudolff wider in das schiff und mornatz147 frü kam er wider in das closter zu uns und hortten mess und assen in dem closter zu morgen, und beliben dar in bis auff den abend, giengen mir wider zu schiff und furen die selbe nacht hin weg gen Pola zu, was den nocht 30 welsch meyl ligt, ach im land Histria; da 7. August kamen mir hin auff den freitag umb vesperzeit und beliben die selbe 8. August nacht im schiff ligen; aber am samstag lagen mir in der statt und ist

gar ain alte statt und gar ain gross ding gewesen, aber es ist zerstert und zerbrochen als 143. Rudolf VII. Graf von Werdenberg. Seit ungefähr 1490 Hochmeister des Jo­ hanniterordens. Zu seiner (wohl zweiten) Reise nach Rhodus, dem damaligen Hauptsitz des Ordens und des Ordensmeisters, entlehnte er am 21. Juli 1500 20 fl. Er starb 1505 zu Freiburg i. Br. Sein Bruder Johann war 1469—1486 Bischof von Augsburg. Vgl. J. N. von Vanotti, Geschichte der Grafen von Mortfort und von Werdenberg. Bclle-Vue 1845. S. 421 ff. 144. sonst unbekannter Patron. 145. Parenzo. 146. Istrien. 147. Morgens.

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[Blatt 9r:] man sagt von den Remern. Und for der statt her aussen stat ain gut prun reich von wasser. In ain stain ein gefasset dar ob statt hin auff hass auff die rechten hand ain gar gross alt haus von köstlichen stainen gemacht, haist man Rulands haus148, der kaiser Karols Schwester son gewesen ist. Man sagt auch, das er sein wonung da gehept hab; es sicht jm auch woll geleych, das ain möchtiger fiirst da gesessen sey, wann es vast gross und weitt ist, jn mass gepauwen als Dietrich von Berens149 haus zu Beren150 oder der Coliseum zu Rom. Und ist auch sunst vil gross und schiens gemeyr ausser halb der statt, da bey findt man fil grosser Stainer greeber, da bey man verston mag, das es ain mechtig ding gewesen ist. Item zu Polen beliben mir ligen bis auff den suntag, zu nacht sassen 9. August mir wider zu schiff und furen hin aus zwischen den pirg zwu welsch meyl. Lagen mir in dem meer Stil die selben nacht und den montag des halben, dan die ain galee was nit gar gerist, aber am afftermon- 11. August tag furen mir vor tag hin weg, wan wir hetten gar gutten wind, er wert aber nit mer dann den selben tag; also furen mir über den golffen, ist besser zu faren, wann man hatt gar seltten gutten wind. * Item auff die gerechten hand ligt die Marek151, wan man etwan weyt für Pola hin aus kumpt und auff die glincken ligt Schlauonia152. In dem selben land ligt Zara, ain statt sagt man, das sant Symon da be­ graben lig; mir kamen aber nit dar, dann mir musten in dem hochen mer beleyben, des winds halb, doch Sachen mir das land wol. Es ligt auch da selbs auff die rechten [Blatt 9V:] hand ain karteysser closter, haist sant Maria de gratia. Item auff die glincken hand ligt Albania und daselbs hat der golff ein end. 148. Vgl. dazu Röhricht2 S. 57, Anm. 185. Die Sage von Rolands Palast zu Pola wird von vielen Pilgern erzählt. Ebenso bewundern sie die Ruinen der Römer­ hauten. 149. Dietrich von Bern. 150. Bern — Verona. 151. Die Marken sind der Küstenstrich Mittelitaliens am Adriatischen Meer. 152. Slavonien.

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Item darnach aber auff die glincke seytten ligt ain land haist Cumera153 und ist der Tircken, und ist gar ain birgett154 land, und facht die Tirckey da selbs an. Item auff der rechten hand dar gegen über ligt ain insei haist Corvana155, und mus man zwischen zwaien bergen hin zu faren. Item in der selben insei, ee man in die Stadt kumpt, ligt ain kirch haist zu sant Katherina, und ligt 20 meyl von der stat. Item bald darnach kumpt zu ainer zerprochenen statt, haist Casopta106, ligt 18 meyl von der statt und sagt man, das da gewesen sey ain drack oder lintwure, der sey altag her über geflogen von aim an­ dern berg dar gegen über und hab die leit gessen, und also sey sy gar eed worden, und ist nichs mer da dann ain kirch haist zu unser frawen, das ligt von der statt her aus, unden an dem berg gegen dem mer, und ligt die statt auff ainem berg. Item auff die glincke hand ligt ain statt und ain schloss, ist der Vene­ diger, haist Butindra157, und ain siess wasser haist ach also; da habend die Venediger jars vil auff ze heben von dem selben wasser, wann es hat gar gut fisch. Auch ist das schlos fest und die statt, wann es li'gt in ainem moss, das man nit wol dar zu mag, und ist not, wann es ligt in der Moreen158, ist der Tircken land, und ist gar ain gross land Moren. Item darnach kamen mir gen Corvon159 in die statt auff montag umb vesperzeit, auff montag nach [Blatt 10r:] 17. August unser frawen tag was der 17 tag augusti; und zeit man von Venedig

biss gen Corvon sechshundert welsch meyl den nechsten weg. Wir furen aber 30 meyl weitter vir Parens und Pola. Item Corvon ist ain alte statt, und gadt das mer an drey ortten umb 153. Der Südteil des heutigen Albaniens, damals auch Ghimera genannt. Der Hauptort dieser Landschaft heißt heute Chimara. 154. gebirgig. 155. Corfu. 156. Das alte Cassiope. Damals S. Maria di Casopo geheißen. 157. Das alte Buthrotum jetzt Butrinto am Vivari-See in Albanien. 158. Morea gebraucht Zülnhart hier irrtümlich für ganz Griechenland, während es eigentlich nur den Peloponnes bedeutet. 159. Die gleichnamige Hauptstadt der Insel Corfu.

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Grabplatte Zülnharts im Augsburger Domkreuzgang

die statt, und an dem fierten ortt hatt es gar ain gutte beschitte maur und ain gutten gefietterten159a graben, und hatt zway schlos dar ob liegen auff ainem berg, ist ain gantzer fels, und ligen die schlos nach bey ain ander, das man mit ainer handpichs wol von aim jn das ander mag schiessen. Item zwischen den zway schlosse ligt ain kirch, haist zu sant Archerito, und ist ain ertzpistum, und in der statt wonent der mertail eytel juden, und ist kriechisch. In der forstatt wonent die cristen, und da dreypt man alle kaffmann schätz an dem mer, und die forstat ist weytter dann die statt aber nit wol erbawen. Item her auss über die pruck vor der statt heit man das gericht und zu nechst dar neben ligt ain klaine kirch, haist zu sant Niclaus. Item am end der forstatt ligt ain closter sant Franciscus orden, und send nit observantzer, da lagen mir die selben nacht, bis afftermontag umb zehen, furen mir wider zu schiff, und furen hin auff das mer zwischen die berg, da warffen mir ancker, und lagen in dem mer still den selben tag und nacht, wan mir hetten nit wind, und ander mitwucho frie furen mir wider hin weg, und hetten gutten wind. Item die insei Corvon hatt 70 meyl begreyffen. Item ain berg ligt zwischen Corvon und Modon haist Janti160, da zeit man dennocht hundert meyl gen Modon und ligt auff die glincken hand stosst an die Moreen. [Blatt 10v:] Item darnach kam mir zu ainer insei haist Proda161 18 meyl von Modon, ist der Venediger, und hinder der selben insei ligen gross berg, ist als kriechi162, ligt ach auff der glincken hand. Item darnach aber auff die glincke hand, ligt ain schloss haist Inuti, ist 12 meyl von Modon, ist auch der Venediger. Item dar nacht ligt Modon163 die statt, da kamen mir hin auff freitag 159a. In übertragener Bedeutung — ausgemauert. 160. Vielleicht die Insel Zante. 161. Prote an der Westküste des Peloponnes. 162. griechisch. 163. Früher bedeutende Hafenstadt; jetzt das bedeutungslose Methoni an der Südwestküste des Peloponnes.

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21. August nach unser frawen tag assumptione, was der 21. tag augusti umb ains nach unser ur. Item von Corvon biss gegen Modon rechnet man 300 meyl. Item das land dar in Modon ligt haist Romam, und wechst gar gutter wein da, haist ach romanier wein, und hatt die pesteu trauben, die ich nie gessen hab, und da lagen mir ain nacht in der statt jn aim 22. August conventters hauss sant Johannes ordens, und an dem samstag zu

23. August nacht giengen mir wider zu schiff und furen an dem suntag umb 10 ur wider hin weg. Item Modon ist ain feste alte statt, wann das mer gat ach an drey ortten darumb, und an dem fierten hatt es ain gutte beschitte maur, und zwen gefiettert164 graben, und ain gutten zwinger, und auf der maur fil ysiner165 pichsen. Item zu Modon send zway pistum, ain kriechist und ain cristen pistum; sy send aber arm an der gilt166, wann es hatt ainer nit über 300 ducaten und haist die kriechisch kirch zu sant Johannes. Item da send auch zway closter, ein parfüsser closter zu sant Fran­ cisco, ligt in der forstat, das ander ligt in der statt, und ist brediger orden, haist zu unser frawen, und ist unser fraw gnedig da, wann sy hatt die statt ain mal von der pestilentz geledigget, gieng man mit ainer procession, da hört sy von stund auff, auch hett sy zecher167 auss den [Blatt 1 lr:] agen lasen fliessen, daß es ieder mann gesechen hett. Es send ach sunst vil klainer capeilen da. Item vor der statt her auss auff ainem berg in Moreen ligt ain gutt schloss, haist Griso168, und ligt auff die glincken hand, ist ach der Venediger. Item darnach 18 meyl von Modon, ach auff die glincke hand ligt gar ain grosse starcke statt an dem meer, haist Corona169, man fert aber nit dar, wann sy hatt gar ain böss portt170. 164. 165. 166. 167. 168. 169. 170.

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in übertragener Bedeutung — ausgemauert. eisern. Einkommen. Zähren. Halbwegs zwischen Modon und Corona. Heute Koroni am gleichnamigen Golf gelegen. Hafen.

Item 120 meyl von Modon, ach auff die glincke seytten in der maur ligt ain schloss, haist Lavatico, ist der Venediger; und dar gegenüber auff die rechten hand ligt ain insei haist Cerigo171; da ist Helena von Kriechen, von der wegen Troya erstertt ward, geporn, und sicht man den berg und hoffstat, dar auff ain schloss gelegen ist, dar auff sy gewont hatt. Item darnach auf die glincken seytten, dem land Moraw172 auff das ortt173 am end, ligt ain kirch haist sant Angelo174. Item darnach ferdt man jn das weitt meer175, und ferdt also bey 100 meylen, da kumpt man zu vil schönen insein176, ligen auff die glincken seytten, die erst haist grest Uncij und send all der Vene­ diger. Item darnach hebend sy ander insei177 an, die send der Rodiser herren178, und ligend auff baid seytten, und send der selben insein siben, und send etlich fast reich und fest, under den ist aine, haist Lango, ist gar reich von traid und wein und was man leben sol. In der selben insein ist gar ain gutt schloss gewesen, hadt ain erdpidem179 umb geworffen. Item 30 meyl ee man gen Rodiss180 kumpt, ligt ain schlos, haist Monolito181, das ist gar ain starck werlich schlos. [Blatt 1 lv:] Item fünff meyl vor Rodis her aus ligt gar ain hoher berg, da ist ain nost ain schlos gestanden und ain statt, ist ietz nichts mer dann ain kirch, haist zu unser frawen, die ist ach vast gnedig da, und ach da her priester, die sich wol mügen neren. 171. Die heute meist noch so genannte Insel, auch Kythera genannt, liegt an der Südseite des Peloponnes zwischen Griechenland und Kreta. 172. Morea. 173. Ende, Spitze. 174. Am Kap Maleas. 175. Das Kretische Meer. 176. Die Kykladen. 177. Die Sporaden. 178. Gemeint ist der Johanniterorden, der im Jahre 1309 seinen Sitz von Cypern nach Rhodos verlegte, von wo er 1522 von den Türken vertrieben wurde. 179. Erdbeben. 180. Die Stadt Rhodos. 181. Das heutige Monolithos an der Westspitze von Rhodos.

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26. August 27. August 28. August

Item ain schlos ligt 7 meyl vor Rodis, haist Villa Nova, ist gar ain schön lust schlos. Und wann der hochmaister von Rodis wil lust suchen, so zücht er dar, wann es hatt gar schien gartten und gutt prunnen, und ligt under aim berg am mer und zu nechst dar bey gar ain hoher turn, ist ain wart und der selben send vil in den insein, dann man geit zaichen dar auff von aim zum andern, wann schiff körnen oder sich etwas begeytt. Item am dornstag zu nacht spatt des 26. tags augusti, kommen mir gen Rodis, und beliben dieselbe nacht in dem schiff, wann es was zu spatt, und am freytag fru giengen mir in die statt für den hochmeister182, der gab graff Rudolffen audientz, und darnach am samstag was decollatio Johannis, sang man dem hochmaister ain löblich ampt mit gesang und orgeln, und nach dem ampt liess man sant Johannes arm sechen, und gab uns den zu küssen. Item Rodis ist gar ain fest schlos und statt mit starcken tieren und meyren183, die sind v^st hoch und starck, wann die mauren send 15 schuch dick und an etlichen enden dicker und vor der maur ain gutter zwinger mit gutten reren und bolwercken, und dar for ain gutten tieffen und weytten gefietterten graben. Ach habend sy vil gutter winttmilen und gutt prunnen, und ist das grest und weyttest schlos das ich nie gesechen hab, und send die herren all jm schlos, das kainer in [Blatt 12r:]

28. August

1. Septemb.

der statt ist. Item am samstag nach vesper gieng ich wider zu schiff und gaben mir etlich herren das gelaitt biss zum schiff und beliben mein gefertten zu Rodis, und was ich aber allain, also furen mir über den golffen gen Zipern184 zu. Item am afftermontag fru, das was prima septembris, kamen mir über golffen, da Cipern die insei an hept, ist ain berg, haist Cau debifanis und ist dennocht bey 170 meylgen. Fumagusta185 ist die haptstatt in Cipern. Item darnach ach auff die rechten hand ligt ain grosse statt, haist 182. 183. 184. 185.

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Der berühmte und tapfere Peter d’Aubusson. Türme und Mauern. Cypern. Famagusta an der Ostküste der Insel.

Baffa186, da selben die siben schlaffer187 her send, und in der selben insei geschlaffen haben. Item darnach kumpt man zu aim hochen berg ligt in der selben in­ sein, haist Montacruce, ligt 50 meyl von Fumagusta. Item am dornstag 3. septembris umb 3 ur kamen mir gen Fumagusta, 3. Septemb. ligt 400 meyl von Rodis, und ist ain alte grosse statt, aber fast zer­ rissen, und nit vil leyt da des bösen luffts halben und ist die haptstatt in Cipren, wann der künig hatt hoff da gehalten und ligt da be­ graben er und sein sun188 bey ain ander in sant Niclaus kirchen im kor auff die glincken seytten, und send noch unverwesen und mag sy ieder mann sechen ist bey 19 jar. Item auff mittwoch post nativitatem Marie furen mir zu Fumagusta 9. Septemb. auss und hetten aber newe geschellschafft, was der gardion189 von Jerusalem, und der gardion von Rodis, dingtendt ain schiff biss gen Jaffa, ist 300 meyl, geben 60 ducaten. Item zwischen Fumagusta und Jaffen ligent Sidonia, Accij und Tyro100. Item man kumpt zu ainem berg haist mons Carmelo191, ist 12 meyl von Accij, da ist ain kirch auff [Blatt 12v:] haist ad Mariam de Carmos, und ist der orden zum ersten da angehept192. Item zu Acci ist am ersten das wesen gesyn, das ietz zu Rodis ist, und ist gar ain herrlich ding gewesen193. 186. Baffa, an der Westküste gelegen. 187. Die sieben Schläfer. Über die Siebenschläfer-Legende vgl. W. Kosch, Deut­ sches Literatur-Lexikon. Halle 1930. Bd. II. Sp. 2471. 188. Jakob II. (f 1472), der letzte König von Cypern und sein und der Gaterina Cornaro Sohn, Jakob III. (f 1474). Darnach kam Cypern an Venedig. 189. Der Guardian des Zionsklosters. 190. Die bekannten Küstenstädte Palästinas: Sidon, Acco und Tyrus. Heute Saida, Okka und es-Sur. 191. Der Berg Karmel. 192. Gemeint ist der Karmelitenorden. 193. Acco war der Hauptplatz der Kreuzfahrer bis zu seiner Einnahme durch die Mameluken (1291).

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Item dar kumpt man zu ainer statt haist Sant Pelegrin, ist dennocht 40 meyl gen Jaffa. Item darnach kumpt man zu ainem hipschen turn, ligt auff ainem berg. Item nit weitt dar von ligt ain muschea194 Desisuria. 13. Septemb. Item auf suntag umb vesperzeit kam mir gen Jaffa, und ettlich brüder giengen an das land schlaffen, ich belib im schiff biss montag nachmittag, da kamen eben die pilgerin und giengen in die galeen haim zu faren. 14. Septemb. Item auff montag nachmittag ritten mir zu Jaffen hin weg, wann da send weder heyser noch nichs den zwen ed tiren195, und ritten den selben tag bys gen Rama196, beliben mir bys am dornstag fast fru, dann mir musten warten bis das gutt des nutz197 von Jaffen her nach kam. 17. Septemb. Item am dornstag vor tags bey 2 stunden ritten mir zu Ramen gen Jerusalem ist 30 meyl, doch stonden mir auff dem feld ab, und mach­ ten collacion, und ritten darnach vol hin ein, ist gar nach eytel berg auff dann ligt Jerusalem ligt hoch. Item Rama ist gross gnug, aber als zerrissen, und habend die pilgern gar ain gross haus gestatt 3000 ducaten zu bawen geben. Item von Rama kumpt man gen Emaus198, und darnach. [Blatt 13r:] 17. Septemb. Item am dornstag vor vesper kamen mir gen Jerusalem, und ritt ich

mit den münich in ir closter Monte Syon199. 18. Septemb. Item am freytag in der cottember200 nach mittag giengen unser ett­

lich kirchferten an die hailigen stett zu Jerusalem, wie her nach folgt201. 194. Moschee. 195. unbewohnte Türme. 196. Er Ramleh, ein Weg von ungefähr 4 Stunden. 197. Unbekannter Ausdruck; nutz m nichts. 198. Die Tradition sieht seit dem 13. Jahrhundert Emaus in El Kubebe. Vgl. K. Baedeker, Palästina und Syrien. Leipzig 1880. S. 18. 199. Über den Sionsberg vgl. T. Tobler, Topographie von Jerusalem. Berlin 1853. Bd. I. S. 29 ff. 200. Quatember. 201. Über die im folgenden genannten Örtlichkeiten vgl. T. Tobler, Topographie von Jerusalem. Berlin 1853. Bd. 1.

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Item de Monte Syon itur per parvum situm sen plateam extra muros Jerusalem, et statim ad manum dextram intratur per portam parvam ferream202 ad eeclesiam sancti Jacobi203, est quasi rotunda et in apice foramen rotundum. Item in ista ecclesia est parva alia ecclesia ad manum sinistram, ubi fuit decapitatio Jacobi maioris ad instantiam Herodis, et postca mirabiliter in navi absque remis ductus in Galiciam et Armenij tenent istam eeclesiam, qui etiam christiani sunt. Item postea in eadem platea non longe ab isto loco, est locus, quo locutus est Christus ad tres Marias post resurrectionem: avete204. Item in eadem platea ad manum dexteram itur per portam unam parvam ad domum ubi natus fuit sanctus Thomas. Item postea iterum ad manum dextram ad domum Marci ewangeliste, ubi post mortem Christi discipuli erant congregati, et Petrus in carceribus detentus Herode, ab angelo liberatus venit in hunc locum205. Item postea ivimus per fores ubi venduntur singula sanctae specie et alia panum sericj et venimus ad domum magnam et vocatur hospitale dominorum de Rodis206, et in ea erat incarceratus sanctus Pe­ trus207 et ibi ab angelo liberatus, qui dixit surge Petre, et ceciderunt catene de manibus eius. Item ascendendo certos gradus ex oposito est locus ubi Melchisedech obtulit panem et vinum. Item in eodem loco in latere Abraham obtulit filium suum Ysaac. Item sub isto loco est sepulchrum Christi. Item de postea ad manum sinistram est porta per quam Christus [Blatt 13v:] fuit ductus ad locum Calvarie. 202. Das Zionstor. Vgl. Tobler Bd. 1, S. 153. 203. Die Jakobskirche beim armenischen Jakobskloster, wo Herodes den Apostel Jakob den Älteren enthaupten ließ. Tobler I, S. 349. 204. Der Ort, wo Christus den drei Marien erschien. Tobler I. S. 447 f. 205. Das syrische Kloster. Tobler I. S. 372 f. 206. Das Johanniterhospital samt Kirche. Tobler I. S. 400 ff. 207. Tobler I. S. 410 f.

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Item postea descendendo parum est locus ubi Christus convertit se ad mulieres et dixit, nobite flere super me208. Item postea venimus ad domum Veronice209 ubi dedit sudarium Chri­ sto, quod hodie vocatur Veronica. Item postea venimus ad domum epulonis divitis qui in sime Äbrahae Lazaro petiit guttam aquae210. Item postea venimus ad locum ubi Symon incepit adiuvare crucem prius Christum portare211. Item de post venimus ubi fuit et est hodie pars ecclesiae quae voca­ tur Maria ad Spasma, ubi Maria obviarit filio suo postanti crucem et resuscitata a spasma reversa est per aliam plateam ut iterum ei obviaret212. Item post pertransivimus quendam arcum lapideum ubi est porta, super quem arcum duo sunt lapides magni, super unam stetit Chri­ stus, super aliam Pilatus et dedit sententiam nequissimam213. Item postea est domus Pilati214 in alia platea ad manum sinistram, et in illa platea ad manum dexteram est domus Pilati. Item a latere domus Pilati est parva ecclesia214, ubi flagellatus et coronatus fuit Christus, quae hodie non habetur in reverentia, quia pagani ponunt suas asinas in hanc ecclesiam. Item postea parum aliquatenus in eadem platea directa via est do­ mus Herodis215 quae maior est domo Pilati. Item postea venimus ad domum Simonis pharisei216. 208. Wird jetzt viel näher an der Grabeskirche als 8. Station gezeigt. Vgl. Tobler I. S. 257 f. Über die Via Dolorosa, den Schmerzensweg, vgl. Bädeker S. 92 ff. und Tobler I, S. 220 ff. 209. Die 6. Station. Tobler I. S. 251. 210. Das Haus des reichen Mannes in der vom Damaskustor herkommenden Straße (Hasch Achia Beg.). Tobler I. S. 259. 211. Die 5. Station in der nämlichen Straße. Tobler I. S. 249. 212. Die 4. Station. Tobler I. S. 249 und 449 f. 213. Der sog. Ecce-homo-Bogen im Tarik Sitti Myriam. (Joh. 19, 5.) Tobler I, S. 242 ff. 214. Das Richthaus des Pilatus. Tobler I, S. 220. In der Nähe die Geißlungs­ kapelle. Den Platz der Geißlung hat man seit Jahrhunderten an verschiedenen Stellen gezeigt. Tobler I, S. 344. 215. Der Palast des Königs Herodes. Vgl. Tobler I, S. 649 ff. 216. Die Maria-Magdalenakirche oder das Haus Simons des Pharisäers. Tobler I, S. 439 ff.

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Item postea venimus ad templum Salomonis217 et ex illo latere ubi poteramus bene videre et ivimus ad alium locum ad unam portam quae vocatur porta speciosa, ubi Petrus et Johannes curaverunt infirmum, quem Petrus dixit: argentum et aurum non est mihi, vade in pace etc. Et in ista porta templum potest videri, et est templum pulchrum ultra modum. [Blatt 14r:] Item darnach am samstag frie giengen mir aus frie vor tag 2 stund in das tal Josaphat, da unser lieben fraw begraben ward218. Item zum ersten kamen mir zu der statt, da sant Peter seer geweinet hat, da er aus Cayphas haus gieng und Christum verlegnet hett. Item darnach kam mir zu der statt des tempels, da unser fraw Joseph vermechlet ward. Item darnach kamen mir zu der guldi porten, die ist fast gros hoch und weytt. Item darnach kam mir zu der statt, da sant Steffan verstainniget ward, und zu nechst dar ob hutt Saulus, nunc Paulus, der claider die sant Steffen verstaingeten219. Item darnach kamen mir zu unser lieben frauen kirchen220, da sy in begraben ward, ist ain weytte kirch gnug und muss man über den Aus Cedron, ee man dar kumpt. Und wann man in die kirchen gatt, muss man fil stapffen hin ab gan, ee man hin ein kumpt, und wann man hin ab kumpt auff die gerechten hand, ist ain cappell die ist klain gar nach gefiert. In der selben ist unser frawen grab von marmelstain gemacht, nit aus gehilt221, und da ist plenaria remissio. Item hinder der kirchen gegen den Eiberg zu, gat man in ain grufft, 217. Vgl. über den Tempel Salomons Baedeker S. 25 und 42 und Tobler I, S. 518 ff. 218. Wanderung vom Stephanstor über das Cedrontal zum ölberg und zurück zum Berg Sion. Das Kidrontal, von den Christen auch Mariental genannt, ist die Bodensenkung, welche das alte Jerusalem im Osten begrenzte. Nach der Tradition ist es das Tal Josaphat, der Ort des Weltgerichts. Die Grabkirche Mariens soll von der Kaiserin Helena erbaut worden sein. Vgl. Baedeker S. 98 f. 219. Tobler II. S. 188 ff. 220. Schon im 5. Jahrhundert stand hier eine Kirche. Einen Neubau, der jetzt noch steht, ließ die Tochter Balduins II., Melisendis (f 1161), errichten. 221. Ausgehöhlt.

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da ist die statt222 da unser her plutigen schwais geschwitzt hat und sprach: pater si possibile est, transfer calicem hunc a me. In der grufft ist ain altar, an der selben statt hat er gebettet allain, wann er lies die junger hinder jm. Item darnach gat man weytter hin auff an den Eiberg, kumpt man zu der statt, da unser liebe fraw gen himel für, und sant Thoman jr girtel gab223. Item darnach noch weitter hin umb ist die statt, da unser her die drey iunger liess und [Blatt 14v:] sprach zu jn: Orate hic et vigilate, et recessit ab eis ictum lapidis, und ist ain fels nit fast gros oder hoch. Item darnach kumpt man an die statt, da er die ander iunger liess, da er an den Eiberg wolt gan. Item darnach kumpt man an die statt, da Judas den küss hat geben und gott verrutt224, daselben ist der gart da Jhesus gefangen ward. Item von unser frawen hin ein zu gen den rechten weg ad Montem Syon neben der statt bey dem tal Josaphat ligt die statt, da ist gewe­ sen das terflin225 Getsemani, da unser her mer die 8 junger lies, da er an ölberg geng. Item noch vil hailiger stett send da, die ich nit all kan schriben. Item also giengen wir wider gen Monte Syon, da wasen die esel beraitt, und sassen gleich auff und ritten gen Bethleem, da unser her geporn ward, dann es was noch frie vor mittag und ist 5 meyl226 von Jerusalem dar. Item auff dem weg kumpt man zu dreyen brunnen227 die send auff gesprungen, da der Stern den hailigen drey künigen erschin, alls sy von Jerusalem gen Bethleem Jesu die opfer pringen wolten. 222. Die Höhle der Todesangst. Baedeker S. 100. 223. Maria hinterließ nach der Legende bei ihrem Abschied von der Erde dem Apostel Thomas ihren Gürtel. Baedeker S. 102. 224. Verriet. 225. Dörflein. 226. Ca. 10 km. 227. Der sog. Magierbrunnen am Wege nach Bethlehem bei Mar Elias. Die Tra­ dition knüpft sich an die Stelle Matth. 2, 9. Baedeker S. 128 und Tobler II, S. 530 ff.

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Item dar nach kumpt man zu dem haus Abacuck des propheten, ist ietz ain closter, habent die Armenier jn228. Item darnach kumpt man zu dem haus Hebe des propheten229. Item darnach kumpt man zu dem haus Jacob des propheten230. Item darnach kumpt man zu der grebnus Rachel, Jakobs hausfraw231. Item darnach kumpt man gen Bethleem232, ist fil altz gemeyr, es wont aber gar nach niemaz dar, dann ain closter ist gross, das ha­ bend die barfüsser jn, ist am ersten gar ain schien gross schlos gewe­ sen, sicht man noch an den gebey wol. Item in dem closter ist ain schöne grosse kirch233 [Blatt 15r:] und oben neben dem chor altar, da ist ain altar, an der selben statt ist unser her beschnitten worden. Item under dem chor ist ain grufft, da ist ain altar, an der selben statt ist unser her geborn worden. Item ain wenig bas234 auff die rechten seytten, und hin hinden bas ist ain altar, hinder dem selben ist die kripp, praesepe, unsers herrn. Item zu aller hinderst in der grufft in ainem winckel, da ist den hailigen drey kingen der Stern verschwunden. Item ausserhalb der kirchen jm closter gatt man in ain grufft, da ward sant Jheronimus des ersten begraben und hat auch die bibel da gemacht235. 228. Vgl. Tobler II, S. 573 ff. 229. Mar Elias. 3U Stunden von Jerusalem. Baedeker S. 129. 230. Tobler II, S. 637. 231. Die Tradition ist sehr alt. Ihre Grundlage bildet 1. Mos. 35, 19. Die in 1. Sam. 10, 2 liegende Schwierigkeit blieh unbeachtet. Baedeker S. 129 und Tobler II, S. 782. 232. Vgl. dazu T. Tobler, Bethlehem. St. Gallen 1849. 233. Die schöne fünfschiffige Marienkirche steht im westlichen Teile der Stadt. Unter dem großen Chor befindet sich eine umfangreiche Kryptaanlage, von der die Geburtskapelle den wichtigsten Teil bildet. Vgl. Baedeker S. 132 ff. 234. Weiter. 235. Der Kirchenvater Hieronymus verbesserte die alte, Itala genannte, latei­ nische Bibelübersetzung und schrieb später eine neue Übersetzung, die sog. Vul­ gata. Er lebte zuletzt als Einsiedler in Bethlehem, wo er 422 starb. Über die in Felsen gehauene Grabkapelle des Heiligen vgl. Baedeker S. 137.

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Item in dem closter ist auch ain kirch haist zu sant Katherina236. Item an demselben samstag zu abent giengen mir an die statt, da der engel den hirten die gepurdt Christi verkindet, ist 1 meyl von Bethleem, und ist ain kirch da gewesen, aber nun als zerrissen. Item auff halben weg, ee man da. kumpt, ist ain kirch gestanden, da ist der engel unser frawen erschinen, da sy in Egipten Hoch. Item am suntag nach essens ritten mir, und ain tail brüder237 gien­ gen von Bethlehem zu Salomonis piscina238, das ist ain fisch grub, der send drey nach ain ander schön gemeyrt hoch und weyt, und send gar schön; da ist er hin zogen, wann er mit seinen weybern lust hatt wellen haben, ligt 4 meyl von Bethlehem. Item dar zwischen kumpt man zu einem turen, dar in ist ain kirch, haist zu sant Jörgen, und ist die kettin dar mitt sant Jörg umb sein hals gebunden ist gewessen230. Item am wider haim reytten ritten wir an ain gepürg herumb und Sachen im tal Salomons garten240, da stond ich zu fus ab, und gieng mir [Blatt 15v:] ötlich brüder hin ab zu dem garten, die andern ritten den nechsten gen Bethlehem. Item der gart wert wrol ain halbe welsche meyl und mer, und trett eytel poma granaitt241, ain bäum am ander, und etlich öpfel gresser dan ain funst und ist gar lustig zu sechen, also gieng ich vol mit den brüdern gen Bethlehem. Item zu Bethlehem belib mir drey tag. Item dar nach ritten mir zu der wieste, da sant Johans gewont hatt242. 236. Baedeker S. 138. 237. Franziskanerpatres, welche Zülnhart führten. 238. Die sog. Salomonischen Teiche an der Straße von Bethlehem nach Hebron dienten zur Wasserversorgung Jerusalems; nach der Sage stammen sie vom König Salomo. Vgl. Baedeker S. 142 f. und Tobler II, S. 866 ff. 239. Heute das griechische Georgskloster Der-il-Chidr. Vgl. Baedeker S. 141 und Tobler II, S. 501 ff. 240. Im Artästale. Vgl. Baedeker S. 143 und Tobler II, S. 952 ff. 241. Granatäpfel. 242. Seit ungefähr 1500 verlegt die Tradition den Ort, wo Johannes gelebt, an die Quelle 'Ain-el-Häbis bei dem Dorfe "Ain Kärim östlich Jerusalem, obwohl nach Luc. 1, 80 darunter die Jordangegend zu verstehen ist. Vgl. Baedeker S. 167 f. und Tobler II, S. 381 ff.

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Item zum ersten kamen mir zu ainem prunen, da hatt sant Philipp den künig Eunuchnum getrefft243. Item darnach kamen mir zu der wiesten, da sant Johannes244 gewont hat, da must mir vil berg reitten, bis mir dar kamen, wann es ist gar kain wonung da, und da assen mir zu morgen bey der kirchen, dann es hat ain gutten brunen hinder der kirchen, muss man unden durch die kirchen gan. Item dar nach kamen mir zu dem haus Zacharie245, da unser fraw über das gebürg gieng und Elizabeth grüsset. Item an der selben statt ist gemacht worden das magnificat und benedictus. Item darnach kamen mir zu ainem grossen haus, ist ain kirch in, an der selben statt ist sant Johannes geboren246. Item darnach kamen mir zu ainer kirchen haist zum hailigen creutz, da ist gewachsen das ain holtz dar aus das hailig creutz gemacht ward, und ist ain altar an der selben statt247. Item darnach ritten mir wider gen Jerusalem auff den berg Syon. Item am afftermontag nach mitag giengen mir zu dem brunen Ro- 22. Septemb. gell248, in dem selben brunen hat unser fraw die windlen geweschen, und ist nit weyt von Jerusalem. [Blatt 16r:] Item darnach gieng mir ad vallem nemorosam249, da der abgott gewe­ sen ist der gros250. Item darnach kamen mir zu der statt, da Christus den plinden von der gepurt gesechen macht, und sprach zu jm: vade, lava te, und das geschach bey dem brunen Syloe251. 243. Tobler II, S. 767 ff. 244. Die Johannis-Wüste. Tobler II, S. 381 ff. 245. Bei dem Dorfe 'Ain Kärim. Baedeker S. 166 und Tobler II, S. 355. 246. Das große, festungsähnliche Johanneskloster bei 'Ain Kärim. Baedeker S. 167. 247. Tobler II, S. 726 ff. 248. Der Brunnen Rogel auch Hiobsbrunnen genannt ist die alte Grenze der Stämme Juda und Benjamin. Er liegt südlich von Jerusalem am VereinigungsPunkt der Täler Josaphat und Hinnom. Vgl. Baedeker S. 113 und Tobler II, S. 59. 249. Das Hinnomtal. Baedeker S. 114. 250. In dieser Gegend wurden dem Moloch Kinderopfer gebracht. 251. Die Siloaquelle. Baedeker S. 112. Vgl. dazu auch: T. Tobler, Die Siloahquelle und der ölberg. St. Gallen 1852.

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Item postea venimus in locum, ubi Ysaias fuit secatus per medium cum serra etc.252 Item postea venimus ad locum, ubi Christus dixit discipulis suis: hodie omnes scandalum patiemini in me, et quando Judas venit cum Judeis apprehandere Christum, octo discipuli fugierurit ad locum istum. Item postea venimus ad agrum figuli253, qui emptus est 30 denarijs, et ibi est fossa peregrinorum et sunt multe fosse murate et pro­ funde254. 22. Septemb. Item auff afftermontag zu nacht an sant Mauritius tag, was 22. septembris ritten mir zu dem Jordan, ist etwas bey 35 meylen oder mer255. Item zum ersten kumpt man zu dem Aus Cedron, da ritt mir ain berg auff gen Bethania256, ist 2 meyl von Jerusalem. Item darnach kumpt man gen Jericho257 ist 30 meyl von Jerusalem. Item darnach kumpt man zu ainem alten haus, ist ain closter geweesen, hatt sanctus Johannes gewonet258. Item darnach kumpt man zu dem Jordan. Item auff die rechten hand ligt das tod Meer, da Sodoma und Go­ morra under gangen send, und ist nit weytt von danen, das mans wol sechen mag, ach auff den weg hin und her zu reytten zu und von dem Jordan, und ist allenthalben gar unfruchtper von des selben mers wegen. Item von dem Jordan ritten mir gen Jericho, und darnach auff die rechten seytten ritten mir zu dem berg Quarantana259, da unser her 252. Der Prophet Isaias soll hier mit einer Säge entzweigeschnitten und beerdigt worden sein. Vgl. Tobler II, S. 203 ff. 253. Der sog. Blutacker. Baedeker S. 116 und Tobler II, S. 260 f. 254. Gemeint sind wohl die alten Wasserleitungsanlagen und Bassins. Baedeker S. 117. 255. Jerusalem—Jericho etwa 30 km. Jericho—Totes Meer etwa 10 km. Beschrei­ bung des Weges siehe Baedeker S. 146 f. 256. Bethanien. Vgl. Baedeker S. 147 f. und Tobler II, S. 422 ff. 257. Tobler II, S. 642 ff. 258. Kasr el-Yehüdi (Judenschloß) an der Mündung des Wadi el-Kelt. Die heutige Ruine nennt man noch Johanneskloster. Die Gründung desselben soll auf die Kai­ serin Helena zurückgehen. Vgl. Baedeker S. 153 f. und Tobler II, S. 708 ff. 259. Djebel Karantel. Vgl. Baedeker S. 152 f.

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Jhesus Christus 40 tag gefasttett hatt, und ist 2 meyl von Jericho beseytz auss ab dem weg. Item in der mitt des selbens bergs ist ain cappell, [Blatt 16v:] da unser her die 40 tag hett gevastett, und darnach von dem gaist gefiert auff die höche deseiben bergs, der gar aus der massen hoch und bes auff zu steygen ist, auff dem berg, zu obers ist noch ain zaigen ainer cappell, da sprach der bes gaist zu unserem herren: Si procides, adoraveris me, dabo tibi omnia regna mundi260. Item under dem berg fluist ain schön guet brunenwasser261, assen mir zu morgen, was mir mitt uns pracht hetten und giengen den berg 23. Septemb. auff, doch giengen unser nit mer dann 3 gar hin auff, dann er ist gar hoch, und mues man jn mitt grosser mie und arbait steigen, ich bin ach all mein tag nie mieder worden. Item da mir wieder her ab kamen, truncken mir ains und rutten262 lecht ain stund, und sassen wider auf und ritten denselben tag wider gen Jerusalem lecht ain stund oder mer in die nacht, was mitwucho. Item morgens als am dornstag nach essens giengen mir in den tem- 24. Septemb. pel des hailigen grab263. Item als bald mir hin ein kamen, giengen mir in unser frawen cap­ pellen264, als gewonhait ist. In der selben cappell ist unser her nach dem und er erstanden ist, unser frawen erschinen. Und ist dar in die saul, dar an unser her gaislett ist worden in dem haus Pilati. Item des hailig creutz ist auch dar in gewesen, wann man es in der selben cappellen mit den todten probiert hatt, den mann dar auff gelegt und er herkickt265 und lebendig ward. In der selben cappell send indulgentie plenarie von der saul wegen. Item als mir in die cappell kamen, gab man jedem ain brinenden 260. Matth. 4, 1 ff. 261. Das Bächlein Ain Dük, welches das Tal Wadi Denün bewässert. Bädeker S. 152. 262. Ruhten. 263. Über die Grabeskirche siehe Bädeker S. 70 ff. und T. Tobler, Golgatha. St. Gallen 1851. 264. Die sog. Erscheinungskapelle, in welcher in einer vergitterten Wandnische ein Stück von der Geißlungssäule aufbewahrt wird. Baedeker S. 80. 265. Neu belebt; von quack — lebendig.

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kertzen von wachs in sein hand, und hüben an zu singen ettlich mitt irn collecten etc., als dann dar zu gehört. Item darnach giengen mir her aus mit der letaney zu singen bis an die statt286, da unser her Marie [Blatt 17r:] Magdalene erschin in ains gertners weyss, und sprach: noli me tan­ gere. Da sang mir aber antiphon mit jrn collecten, als man dann nach ain ander pflegt zu thun an allen hailigen Stetten jn dem tempel. An disem ort ist indulgentiae 7 jar 47 tag. Item dar nach giengen mir an die statt, da unser her nach der gefencknus an den ölberg in die kirchen ward gelegt, ist ach ablas 7 jar 47 tag. Item darnach gatt man an die statt267, da unsers herren claider getailt send worden, ist ach ablas 7 jar 47 tag. Item darnach gatt man hin ab in sant Helena, Constantinus mutter, cappell268, da sy in gebettett hat, das hailig creutz zu finden, send ach indulgentie plenarie. Item darnach zu nechst dar neben gatt man bas hin ab an die statt269, da das hailig creutz funden worden ist, send ach indulgentie ple­ narie. Item darnach gatt man wider hin auf an die statt270, da die saul daran unser her gekrönett ist worden, ist ablas 7 jar 47 tag. Item darnach gatt man zu oberst in die kirchen über den chor ad locum Calvarie271, da unser her creutzgett ist worden, da send ach plenarie indulgentie, ist gar ain andechtige statt. Item darnach gatt man an die statt272, da unser her gesalbet ist wor­ den nach seinem tod, send ach indulgentie plenarie. 266. Der Vorraum zur Auferstehungskapelle. Die Tradition bezeichnet diesen Ort als denjenigen, wo Jesus in der Gestalt eines Gärtners der Maria Magdalena er­ schien (Joh. 20, 14 ff.). Vgl. ßädeker S. 80. 267. Die Kapelle der Kleiderverteilung. Baedeker S. 82. 268. Die 5 m unter der Graheskirche befindliche Helenakapelle. Baedeker S. 82. 269. Weitere 13 Stufen führen hinab in die Kreuzfindungskapelle. Baedeker S. 83. 270. Die Kapelle der Verspottung oder Dornenkrönung. Baedeker S. 82. 271. Golgatha oder der Kalvarienberg. Baedeker S. 83. 272. Der sog. Salbungsstein. Bädeker S. 76.

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Item darnach gatt man in das hailig grab273, stat schier da mitten in der kirchen, und ist nit gross, dann man muss sich fast bucken, wann man hin ein will, und ist das grab nit auff der erd, sunder erhöcht an ainer seyten und ist lang ain claffter und 6 finger, da send ach indulgentie plenarie. Also send 6 malen plenarie indulgentie in dem tempel. Und auff dises mal und zeit hab ich mein erste mess in dem tempel, und auff und in dem hailigen grab gelesen de corpore Christi, und hat mir der gardion de Monte Syon zu altar denett und darnach mich zu ritter geschlagen274. Item am samstag umb 9 giengen mir wider her aus. 26. Septemb. Item an dem montag frü giengen mir noch ain mal in das tal Josa- 28. Septemb. phat, da unser fraw begraben275 ward, da hielt ich mess. Item nit weit darvon ist die statt, da der minder sant Jacob begraben ward276. Item dar nach giengen mir auf den berg Oliveti277, und giengen den weg, den unser fraw alweg gangen ist, dann der weg send zwen. Item wann man über das halb tail hin auff kumpt, so kumpt man zu der statt, da unser fraw gerutt hatt. Item dar nach kumpt man an die statt, da unser her das pater noster278 hatt gemacht. Item darnach kumpt man zu der statt, da die 12 potten den glauben handt gemacht279. Item darnach kumpt man gar hin auff, auff den berg, da ist ain kirch, ist vor zeitten ain gross ding gewesen. In derselben kirchen ist die statt, da unser her gen himel gefaren280. 273. Mitten unter der Kuppel der Grabeskirche steht das Heilige Grab in einer Kapelle. Bädeker S. 78. 274. Zum Ritter vom Hl. Grab, siehe die früheren Ausführungen darüber. 275. Die bereits erwähnte Marienkirche. 276. Die sog. Jakobshöhle, wo sich der Apostel Jakobus nach der Gefangennahme Christi verborgen hatte und wo er nach der Tradition auch begraben sein soll. Bädeker S. 109. 277. Der ölberg. Vgl. Bädeker S. 102 ff. und T. Tobler, Die Siloahquelle und der ölberg. St. Gallen 1852. 278. Die Stelle, wo Jesus seinen Jüngern das Vaterunser gelehrt hat. Bädeker S. 105. 279. Der Ort, wo die Apostel das apostolische Glaubensbekenntnis verfaßt haben. Beide Orte liegen am Südhang des Ölberges. Bädeker S. 105. 280. Die öfters zerstörte und wieder auf gebaute Himmelfahrtskirche. Bädeker S. 103.

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Item darnach auff die gliucken hand zu nechst dar bey ist Galilen281, da Christus sprach: viri Galilei, quid statis aspicientes in coelum etc. Item darnach giengen mir den weg, den unser her geritten ist am Palmtag gen Betphage282, da er die iunger von im schickt nach dem esel, ist nichs mer dar dann die hofstatt. Item darnach giengen mir gen Bethania289, und kamen des ersten in Simeon haus des aussetzigen, den er gesundt macht284. Item darnach giengen mir in Lazarus haus285, den Jhesus [Blatt 18r:] von dem tod erkickt286, und in dem selben haus ist noch ain kirch, da noch Lazarus grab ist, und durch die kirchen ain ander finster kirchlin ist ain altar in, da der her Jhesus Lazarum erkickt hatt vom tod, und ist ain herlich ding gewesen, wann Lazarus was ein her in Be­ thania. Item darnach kamen mir in das haus Marie Magdalene, ist auch ain gros ding gewesen, ist aber nichs mer287. Item darnach giengen mir in das haus Marthe, das ist gar nichs mer dann ain stainhauff noch288. Item darnach kam mir an die statt, da Martha unserem herren enge­ gen kam und sprach: domine, si fuisses hic, frater meus non (uisset mortuus289. Item darnach gieng mir wider auf den ölberg, und giengen den ander weg hin ab, und kamen an die statt, da unser her über die statt Jerusalem gewaint hatt. Item darnach giengen mir in die statt Jerusalem, und nit weitt von 281. Ein nördlicher Nebengipfel des Ölbergs, Galilaea auch Viri Galilaei, heute Karem es-Sayyäd genannt. Bädeker S. 106. 282. Bädeker S. 107. Vgl. Marcus 11, 1. 283. Bethanien, Va Stunde östlich Jerusalem. Vgl. Bädeker S. 147 ff. und Tobler Bd. II, S. 422 ff. 284. 3U Stunden siidwestl. Jerusalem. Bädeker S. 148 und Tobler Bd. II, S. 892. 285. Bädeker S. 148 und Tobler Bd. II, S. 431 ff. 286. Erquicken in der Bedeutung wieder zum Leben bringen. 287. 40 m südlich des Lazarusgrabes. Bädeker S. 148 und Tobler Bd. II, S. 437. 288. Beide Häuser wurden eine Zeitlang getrennt gezeigt. Heute wird nurmehr ein Haus als das der Martha und Maria bezeichnet. 289. Joh. 11, 20 ff. Bädeker S. 148.

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dem thor ist ain kirch290, das ist sant Annen haus gewesen, da unser liebe fraw geboren ist. Es haben aber die moren ain bischega291 dar­ aus gemacht, das die cristen nit dar ein tirendt, es sey dann haimlich. Item zu nechst dar bey ist die statt, da söl gewesen sein probatica piscina292. Item darnach giengen mir für Pilatus haus293, das stond offen, und ward unsern dreyen vergintt hin ein zu gan, was ain besunder glick, dann es geschickt294 seilten; dann ain bruder gieng mit uns, was 4 jar zu Jerusalem gewesen, hett nie hin ein mügen kumen. Also giengen mir hin ein in die cappellen, da unser her gaislet ward, es haben aber die haiden ietz ir pferd dar in. Item darnach kam mir zu dem haus Simonis leprosi, da Marie Mag­ dalena jr sind vergeben ward295. Also giengen mir wider haim auf den berg Syon. Item nachmittag giengen mir umb die statt, die zu [Blatt 18v:] besechen und kamen zu dem turen Eberon, ist gar ain fest ding ge­ wesen über die mass. Item darnach giengen mir jn ain grufft, gar wol das drittail under die statt, da hatt man die stain ausgehauen zu dem tempel Salomonis296. Item darnach kamen mir an die statt, da Abraham sein fieh297 gehept hat, ist ietz ain moren kirch298 da. Item darnach giengen mir durch die statt wider haim, das ist gewe­ 28. Septemb sen an sant Michels abent. Item auff sant Michelstag ritt ich wider gen Bethlahem und die an­ 29. Septemb dren brüder giengen zu fuss, wann als morgen an sant Jheronimus 290. Die St. Annakirche, wohin die Tradition die Wohnung der hl. Anna und den Ort der Geburt Marias hinverlegt. Vgl. Bädeker S. 90 f. und Tobler Bd. I, S. 426 ff. 291. Persisch bisäg rz ein Bad- und Spielhaus. 292. Schafteich zum Waschen der Opferschafe, der bekannte Teich Bethseda. Bä­ deker S. 63. 293. Baedeker S. 92. Haus und Kapelle bereits früher erwähnt. 294. zr geschieht. 295. Das Haus des Pharisäers Simon. Tobler Bd. I, S. 439. 296. Tobler Bd. I, S. 661. 297. Vieh. 298. Moschee. Unter Mohren verstand man damals allgemein die Türken.

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tag ist kirchweyhj daus in der grufft, da sant Jheronimus begraben ward und die bibel gemacht hatt, und beliben dausen 2 necht. 1. Oktober Item darnach am dornstag gieng ich zu fuss wider mit den brüder gen Jerusalem auf den berg Syon. 3. Oktober Item darnach am samstag nach vesper giengen mir wider ad sacrum sepulchrum, und belibent dar in über nacht, hett ich nit migen zu wegen pringen, wen die parfüsser brüder von dem berg Syon weren gewesen, wann man last die bilgern nit so offt hin ein. Item hir nach folgent die hailigen stett des bergs Syon299 zu Jerusa­ lem; ist ain closter ordinis minorum de observantia und ist nit gros ietz zu mal, es ist aber fast gros gewesen. Item in dem closter ist ain kirch zu oberst, mus man an stieg auf gan. Item in der selben kirchen ist ain altar im chor, an der selben statt hat unser her Jhesus mit seinen jungem das abent mal gessen300. Item dar neben ist die statt da Jhesus seinen jungem die fiess hat geweschen, ist ach ain altar301. Item ob dem chor ist die statt, da unser her Jhesus den jungem den hailigen gaist gesant hat302, man [Blatt 19r:] mag aber nit dar ein, wann die moren wellendts nit. Item her in den under der kirchen ist in ainem winckel ain stuck von der saul, da unser her an gaislet ist worden. Item in jrem creutzgang, so man in das recht closter gan will, ist die statt, da sanctus Thomas unseren herren die finger in sein seytten hat gelegt, und ist ain cappell und ain altar dar jn. Item vor der kirchen her aus ist die statt, da unser lieben fraw ge­ storben ist303. Item zu nechst dar bey der stain dar auf sy gelegt ist worden nach irem tod, das ist auf die rechten seytten. 299. Schon im 4. Jahrhundert stand hier eine Kirche. 1333 siedelten sich die Fran­ ziskaner hier an; seit 1547 bis in die neueste Zeit war der Ort in den Händen der Türken. Bädeker S. 118 ff. 300. Coenaculum, das Abendmahlzimmer. 301. Bädeker S. 119. 302. Seit dem 7. Jahrhundert kombinierte die Tradition den Platz des Abend­ mahls mit der Ausgießung des Hl. Geistes. 303. Ebenfalls erst spatere Tradition. Bädeker S. 118.

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Item auff die lincken seytten, so man in die statt will gan, stat die statt, da sant Johannes unser frawen mess hat gehalten. Item an der kirchen ist die stat, da unser fraw jr bethhaus seu Ora­ torium hat gehapt. Item under der kirchen dahinden ist ain kirch, hand die moren jn, da ist David304 begraben worden. Item dar neben ist die statt, da der stain, der vor dem hailigen grab gewesen ist, zum ersten hin gelegt ward305. Item dar hinder ist die statt, da das oster lam gepratten wurd. Item zu nest dar bey auf die glincken hand ist die statt, da sant Steffan hin ward gefiert. Item vor der moren kirchen her aus ist die statt, da Christus seyner lieben mutter und den jungem gepredigett hat. Item neben der statt, da unser fraw hin ward gelegt, ist die statt „ubi sors cecidit super Mathiam“. Item darnach ist die stat divisio apostolorum. Item locus ubi Jacobus fuit consecratus in episcopum et fuit primus episcopus in Jerusalem. Item des alles ist auf aim platz, und ist als ain kirch gewesen, aber nun ist nit mer dann das closter. Item zu nest darbey, so man in die stat wil gan, [Blatt 19v:] ist das haus Cayphe306. In dem selben haus ist ain kirch, hand die Armenij in. Item in der selben kirchen ist ain altar gemacht aus dem stain, der vor dem hailigen grab gewesen ist, und ist fast gros. Item neben dem altar ist der kercker, da unser her ingefangen ist gelegen307. Item vor der kirchen her aus, da ist der hoff oder atria, da das feur was, da sant Petter sich bey gewärmt und Christus verlegnet308. 304. 305. 306. und 307. 308.

Über das Grab Davids s. Baedeker S. 119. ln der Kapelle des armenischen Zionsklosters. Bädeker S. 119. Jakobskloster mit der Jakobskirche der Armenier. Vgl. Tobler I, S. 349 f. S. 365. Tobler I, S. 365. Vgl. Baedeker S. 119. Tobler I, S. 364.

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Item darnach auff die gerechten hand zu nest dar bey ausser der statt ist ain haus, dar jn ist ain grufft, hat David das miserere gemacht. Item darnach für sich aus gegen der statt ist das haus Anne309. Item in ista domo est ecclesia in loco, ubi iudex dedit alapam310 Christo et dixit: cur ita respondes pontifici311. 6. Oktober Item in octava Michahelis, quae fuit tertia feria et 6. octobris, schied ich zu Jerusalem hin weg gen sant Katherina mit ungetrewer geschelschafft, der was kainer crist dar under dann ich allain und was fast sorglich, und hetten all brüder ain erbarmen mit mir. 9. Oktober Item in die sancti Dionisy qui fuit 9 octobris exivi Jerusalem versus

montem Synay satis periculose et contra voluntatem omnium fratrum de Jerusalem, qui omnes michi diswaserunt propter varia pericula, quod nullam habebam societatem nisi certos Graecos seu Ar­ menos, qui dicunt se esse Christianos, sed non sunt obedientes ecclesiae neque recognoscunt papam nec ei sunt obedientes. Item ista die circa mediam noctem venimus Romam312, ut nobis dicitur, sed non est ita, sed vocatur Remuli, et in propinquo est castrum quod Roma vocatur. 10. Oktober Item morgens am samstag umb 9 ritten mir zu Roma hin aus für die statt und beliben den tag jm feld still bis unser mer wurden, wann mir besorgten unser der Araber, also kamen unser zu samen den selben tag [Blatt 20r:] bei 300 kameln und ross und meyller813. 11. Oktober Item nach mitnacht prachen mir auff und zöchen hin weg, und umb

8 kamen mir zu ainem grosen gemaurten haus, haist Caiseducti, da stonden mir ab und machten collation314 jm feld vor dem haus, wann man wolt uns nit hin einlassen. Also lagen mir denselben tag aber still der Araben halb, wann 6 wasen von uns geritten, die hetten die Arabij hin weg gefiert, als man uns sagt; also nach mittag gaben mir 309. Schwiegervater des Kaiphas. Vgl. Baedeker S. 40. 310. Ohrfeige. 311. Tobler I, S, 366. 312. Ramlah. 313. Maultiere. 314. Mahlzeit.

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den hayden gelt, das sy uns in das [haus] Hessen, nun in den hoff, da lagen mir die nacht auff den stainen. Item morgens frü am montag for tag 2 stund, machten mir uns auff 12. Oktober und ritten bis umb 8 ur, kamen mir gen Gasera815, ist ain statt in der gressy als Jerusalem oder gresser, und ist gut folck da, das den bilgern nit fil zu laid tutt, sunder latt ieder man gan, wa er will und send fil Greci da. Item zu Gasera beliben mir still ligen bis am 11. tag ursach halb, wann zu Jerusalem betten mir uns verdingt gen Alkirn316 zu ritten und warden zu Gasera zu ratt durch die wiesten den nechsten zu sant Katherina zu ritten817; also schickten wir unser meyller wider gen Jerusalem, und verdingten uns auff ain neuwes auff kameln zu reitten und der selben kameln müsten mir so lang wartten, bis sy kamen. Item auff dornstag post undecim milium virginum, was der 22 tag 22. Oktober octobris, ritten mir zu Gasera aus, und wasen unser nit mer dann 6, dar under was kainer, der teuschst, weichst oder latin kundt, also kundt ich mit kaim mer reden, darumb was es mir schwer; auch hett ich aus der massen ain ungetreuwe geselschafft, und müst mich meer vor jn sorgen dann vor den hayden oder Araben. Item den ersten tag, als mir von Gasera ritten, umb [Blatt 20v:] mittag kamen an uns die Mamalucken, das send verlegnete cristen, jn dem feld bey ainem grossen haus, und ee mir zu dem selben haus kamen, warden mir zu 5 malen von jnen angeritten, und müst jn unser ieder 1 tuckgatten318 geben. Item den selben tag ritten mir den gantzen tag ungessen und truncken819, und da es nacht ward, kamen mir auff aine weytte haid, da Sachen mir bey 10 feurer, hetten die Araber gemacht und lagen da, 315. Gaza. 316. Kairo. 317. Welchen Weg Zülnhart eingeschlagen hat, geht aus seiner Erzählung nicht hervor. Über die damals gebräuchlichen Reiserouten von Gaza nach dem Sinai vgl. E. Robinson, Palästina und die südlich angrenzenden Länder. Halle 1841. Bd. I, S. 438 ff. 318. Dukaten. Diese erpresserischen Raubüberfälle waren bis im 19. Jahrhundert üblich. 319. Ohne zu essen und zu trinken.

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also musten mir die feur alle umb reitten, und ritten also in die nacht wol 3 stund und legten uns da auff die haid, bey 2 welsch meyl von jn stonden wir ab und assen kess und prott und trancken ainer 2 trinck weins darzu, nit anders hetten mir zu essen, bis gen sant Katherina dann under weylen ain poma granat320. 23. Oktober Item morgens stonden mir vortag wol 2 stund ee auff und ritten bis die sun under wolt gen, begert mir unden jn ain tal zu den Araben, die hetten 3 bitten da auff geschlagen, die giengen zu uns und retten mit uns, sy tetten uns aber kain laid, wann sy wasen des fraind der uns fieret, der. was ach ain Arab, er belib ach bey jn und schickt ain grosse gewaxenen knaben mit uns. Item auff denselben tag warden mir wol von etlichen angeloffen, sy liessent sich aber mit prott abweyssen. Also ritten mir eytel giitten weg bis an sibenden tag, das uns nie kain mensch kam. 28. Oktober Item am 7. tag begegnetten uns 5 Araben mit kameln, sy begerten aber nichs von uns. Item den 7. tag ritten mir eytel321 sandigen weg zwischen sandbergen und ist gut zu reytten. Item darnach hept sich an ain stainnig hoch gepirg und ist eytel stain, das kain holtz oder nichs dar auff wechst, und send etlich felsen und berg von rottem stain, und ist eytel waych sandstain und ist nit bes zu wandren. [Blatt 21r:] 30. Oktober Item am 9. tag kamen mir auff ain haid, warden mir angeloffen von 2 Araben, also gaben mir jn prott und poma granat, da mit liessent sy uns ach reitten. Item darnach hept sich an ain hoch kling322 zwischen den felsen hin auff, ist nit nach dem besten weg, wann mir musten obston und hin auff gan, und weret eben lang. Item da mir hin auff kamen, ritten mir lang auff aim weytten haid, warden mir von ainem Arab auff ainem kamel angereutt, dem gaben 320. Granatapfel. 321. Lauter. 322. Enge Schlucht.

104.

mir ain ducaten, der gelaitt uns bis zu sant Katherina823 in das clo­ ster, was wol umb mittnacht, als mir dar kamen, und was der 9. tag324 30. Oktober von Gasera aus, was penultima octobris. Item morgens am samstag, ultima octobris, kamen die Arabi für das 31. Oktober closter und mainttentt, es werent bilger körnen und woltent gelt von in haben. Also liehen mir die brüder ir klaider ains an, und sagtent ich wer ach ain bruder, also kam ich von in, das ich kain gelt gab. Item das closter ligt her niden am berg zwischen dem berg Sinay und dem berg Oreb. Item in dem closter send zwo gros kirchen, die ain und die grösser, da sant Katherina inligt, ist mit bley gedeckt. In der selben send 7 capellen, und besunder hinder dem chor ist aine, sagen sy, da sey locus, ubi Moyses vidit rubum325. Item sunst send in dem closter hin und her och 7 ander capellen. Item am montag post omnium sanctorum in die animarum frü 2 2. Novemb. stund vor tags giengen mir den berg auff zu sant Katherina grab, da sy von den engein hin gefiert ward. [Blatt 21v:] Item so man etwan weytt hin auff kumpt, ist ain cappell. Item darnach kumpt man zu fier cappellen, drey an ain ander, gat man von ainer in die ander, und hinder den dreyen ist die fiert. Item darnach gat man den berg gar hinauff, ist fast hoch und ain weytter weg und bes zu gan, und so man gar hin auff kumpt, ist ain kirch, und darin ain nebencappell. Was ich fast fro, da ich hin auff kam, wann ich maintt es wer sant Katherina. Also giengen mir in die kirchen, und betten ieder sein andacht was und giengen darnach für die kirchen her aus und machten ain collation, wann hinder der sel­ ben kirchen ist ain hilin326. 323. Das befestigte Katharinenkloster liegt in einer Schlucht am Berg Horeb 1530 m hoch. Es soll der Sage nach 527 von Kaiser Justinian gegründet worden sein. Über die Kapelle des Elias (2100 m) erreichte man den Gipfel (2600 m) mit seiner Kapelle, dem Hauptziel der Pilger. Vgl. L. Eckenstein, A History of Sinai. London 1921. 324. Der Weg von Gaza nach dem Sinai beträgt ungefähr 350 km. Also legte Zülnhart durchschnittlich im Tage 40 km zurück. 325. Dornbusch. 326. Höhle.

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Item da mir collation gemacht hetten, giengen mir den berg an der anderin seytten wider hin ab, in ain tal statt ain haus und dar bey etlich weingärtteri. Und in dem selben haus ist ain kirch, da liessen mir, was mir zu tragen hetten, und stigen den berg Synay auff, der aus der massen hoch und bes zu gan ist, dann es bedarff hend und fies zu brauchen, bis er hin auff kumpt. Item so man gar hin auff kumpt, ist ain grosser fels, da die engel sant Katherina hin gelegt hond, und sicht man noch in dem stain, wie sy gelegen ist, und ist gestalt, als ob sy an dem rucken sey gelegen, sunst ist ach nichs da, dann die selb statt mit stainen ain wenig auff ain ander gelegt und macht ist. Item da mir unser gepett gesprachen und ain clain gerupt hetten, giengen mir den berg wider ab jn das haus, da mir unser dinglach327 hetten gelassen und beliben über nacht in der kirchen ligen, wann es was nacht, da mir dar kamen. 3. Novemb. Item morgens giengen mir vor tag aus gegen dem closter zu, und giengen durch etlich täler, stonden weingärtten und heuser jn. [Blatt 22r:] Item der erst weingartt was beschlossen, das mir nit hin ein mochten. Item dar nach kamen mir in ain, da stig ainer über die maur hin ein. Item darnach aber zu aim jn ainem anderen tal, da stond ain kirch in. Item darnach giengen mir ab den weg jn ain tal und giengen ain berg auff in ain loch da sant Johannes .... [Lücke] Item darnach giengen mir wider ain berg auff den weg in ain ander tal und kamen aber in ain weingärtten, in dem selben assen mir zu morgen. Item disse gärtten gehorent all dem closter zu. Item da mir zu morgen gassen328, giengen mir ains gens in das closter zu sant Katherina, was wol um drey ur, da mir da kamen. 5. Novemb. Item in die octava Narcissi quae fuit 5. novembris et feria quinta instante nocte exivimus monasterium sancte Katherine versus Alkeur. 6. Novemb. Item am samstag zu nacht kamen mir an das rott mer, und ist der weg nit fast gutt bis da her, wann es ist. 327. Gepäck. 328. r= gegessen.

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Item da selben lagen mir bey dem mer still bis nach mittnacht, mach­ 7. Novemb. ten mir uns auff, ritten bis zu ainem stettlin, ligt am mer, haist Altur329, das ist zum turn, da haben die brüder von sant Katherina ain closter, da ritten mir zu und kamen dar fortags, und den suntag lagen mir still. Item montag giengen mir spacieren an ain berg, ligt am meer, aus 8. Novemb. demselben berg fliessen prunnen, send ain wenig warm, da batten330 mir jn. Item daselbest send fil gartten und wechst nichs darjn dann eytel tattel bäum331. [Blatt 22v:] Item da mir uns gepatten, machten mir ain wenig collation, und giengen zwischen dem birg, und am nechsten hin ist eitel saltz, und kamen auff den weg, der gen Alkeur gatt, und ain wenig aus dem weg auff die rechten hand stat ain zerprochen casteil, ist fast starck und gros gewesen, ist ain closter gewesen, hat Moyses in gewonet, da machten mir aber ain clain collation mit wein und prott, und gien­ gen wider zum turn. Item an der mitwuch 11. novembris in die inventionis Menne martyris ritten mir zum turn aus umb zway nachmittag, und ritten 2 stund in die nacht, und morgens 2 stund vortag auff, und ritten imer dann neben dem Rotten Meer, aber zu zeitten was ain gepürg zwi­ schen. So kam mir ie zu zeitten gar wider dar an, das mir dar an rit­ ten ain gantzen tag und mer. Also ritten mir bis am samstag, das mir nie still lagen dann zu nachts bis an samstag, lagen mir den gan­ tzen tag im feld still, biss mir all zusamen kamen, warden unser bey 600 cameln, wann mir besorgten uns von den Araben. Item am samstag in die praesentationis Marie 21. novembris vor mit­ tag kamen wir gen Alkeur832. Item zu Alkeur heit der soldan333 hoff und hat wol 20 000 Mamenlucken. 329. 330. 331. 332. 333. Vgl.

Das heutige Tur am Meerbusen von Suez. Badeten. Dattelbäume. Kairo, das ungefähr 360 km vom Sinai entfernt ist. Käit Bai, einer der letzten selbständigen Mamelukensultane (1468—1496). G. Steindorff in: Karl Baedeker, Ägypten, 8. Aufl., Leipzig 1928, S. CXXIV.

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11. Novemb. 12. Novemb.

14. Novemb.

21. Novemb.

Item zu Alkeur was ich zu herberg in des tritzelmans334 haus, ist ain Mamenluck, und vast gewaltig bey dem soldan und ist reich. Item das casteil33*, da der soldan hoff in hatt, ist fast gros, das 20 000 Mamenlucken darin mögend herberg haben, und ligt ain wenig auff ainer höchin an aim ortt der statt, und mag man in dem selben casteil die statt gar nachen über sechen. Item nach dem soldan ist ain her, der haist armareys-legrand336 ist der nechst nach dem soldan, und send all Mamenlucken und söldner, und der hat gar ain [Blatt 23r:] schienen und fast grossen hoff. Item darnach ist ain her haist lediadar337, hat ach gar ain schönen hoff, ist lustiger denn der armareis, aber nit als gros, der selb ist her über die rentt und giltjt zu verrechnen. Item darnach send fil armareis338, ainer von hundert lancen,der ander von 50 lancen, ainer mer dann der ander, wann ietliche statt hat ain armarey und send eytel Mamenlucken. Item Alkeur ist fast gros, weitt und lang, und send drey stett, die ain gegen Alexandria wartz haist Bolaca339, die mittel Alkeur, zu der selben heit der soldan hoff, die tritt haist Babilonia340, und dasselb ist Alt-Alkeur341. Item neben den dreyen Stetten flüst ain schiff reich wasser, haist Nilus und kumpt aus dem paradis. Item Nilus tailt sich zu Alkeur in drey tail, der ain gat in Alexandria, der ander in Dalmiata342, der dritt gen Prulj343. Item bei 5 welsch meylen for der statt Alkeur ist der balsem gart 334. Auch oft in der Form trutzelman, verstümmelt aus dem Arabischen tardschumän, italienisch turcimanno — Dolmetscher, Dragoman. 335. Heute die Zitadelle (el-Kafa). Vgl. Baedeker, Ägypten, S. 68. 336. Der große Emir. 337. Defterdar — Großschatzmeister des Sultans. 338. Emire. 339. Heute das Stadtviertel Bülak. Baedeker S. 80. 340. Babylon, entstanden aus einem alten römischen Kastell. So nannten auch die Griechen die Stadt. Vgl. Baedeker S. 42 und 107. 341. Alt Kairo. Baedeker S. 42. 342. Damietta. 343. Der mittlere Arm, der bei Borollos ins Meer fließt.

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haist Mattarea344, aber es wechst ietz kain balsm mer dar in, seyder vor ostern ist als verdorben. Item in dem gartten ist ain prun, hatt fast fil wassers, hatt unser fraw jrem sun die windel jn geweschen. Item bey dem prunnen zu nechst ist ain cappellen fieregget, hat unser fraw in gewonet345. Item in der selben cappelln ist in der maur ain kestlin, hangt ain ampel for, das schmecket aus der massen wol, da soll unser fraw wonung gehept haben. Item dar neben in ainem gartten statt ain grosser feigenbam, als die Juden unser frawen fachen wolten, Hoch sy mit jrm kind darein, wann der bäum tett sich auff, das sy wol darein mocht ston, [Blatt 23v:] tett sich darnach wider zu, bis die Juden hin weg kamen. Item die moren sagen, das man noch zu zeitten an etliche nechten unser fraw da sech. Item sy sagen, das der balsam sey gewachsen von dem gespin oder spunst, die von unser frawen hend send gefallen. Item zu Alkeur in der dritten statt, die Babilonia haist, ist ain kirch, haist ad sanctam Mariam de la grota346, da hat unser fraw mit jrem sun 4 iar gewont, als sy in Egypten Hoch. Item mer ist ain closter, haist zu sant Jorgen und ist ain arm da von sant Jörgen347. In dem selben closter sol der Anticristi geboren wer­ den. Item mer ist ain kirch, die haist ad sanctam Agatam, ist sy hin zu ersten begraben worden. Es send ach sunst fil kirchen da, wann es send fir348 cristen da, Kriechen und de la ongtura349 und ander. Aber cristen350 ist kainer da. 344. Matharia. Heute Matarija, 10 km vom Bahnhof Kairo. Garten, Marienbaum und -brunnen stehen heute noch. Vgl. Baedeker S. 123. 345. Die Legende von der S. Marienquelle scheint auf das „Evangelium infantiae“ Cap. 24 zurückzugehen. 346. Heute die koptische Kirche Abu Sarga. Vgl. Baedeker S. 108 ff. 347. Die teilweise durch Feuer zerstörte Kirche St. Georg. Baedeker S. 110. 348. — viererlei. 349. Unbekannter Ausdruck; wohl Bezeichnung für eine christliche Sekte. 350. D. h. römische.

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Item weytter für dieselben statt, 5 meyl hin aus, und über das Was­ ser dem Nyll mus man faren, ist ain grosser berg, haist Mons Pharaonis351, da send sepulturen der mechtigen haiden, und send hoch gemaurt, spitzig berg oder maurn von grossen quatter stainen und send fiereckett und weitt und oben spitzig, der send fil, aber zwo send fast gros. Item bey dem balsam gartten für aus, ist ach ain fast hocher stain fiereckett, von ainem stain wie die zu Rom hinder sant Peter, haist man Pharaonis nadel302. Item so man in* den balsam gartten gan wil auff halbem weg von der statt, hat der soldan gar ain schönen gartten353 auff die lincken hand, und dar gegenüber etwan weitt auff die rechten hand hat ain armary gar ain schone muskee354 gemacht. 7. Dezemb. Item am montag 7. deeembris zu nacht, als die sun [Blatt 24r:] under gieng, für ich zu Alkeur mit etliche Mamenlucken auf dem Nyl hin weg gen Alexandria wartz, und kundt kainer mit mir reden oder ich mit in. 9. Dezemb. Item an mitwuch umb vesperzeit kamen mir gen Rossete355, ist ain

stettlin, da statt man aus dem schiff und reitt über land gen Ale­ xandria356. Item da selbs dingten mir meyller und ritten dennocht dieselben nacht bis an das mer, und ritten also an dem mer wol bis mitnacht, kamen mir an ain wasser, ist ain arm des mer, da beliben mir bis an den tag. 10. Dezemb. Item da es tag ward, furen mir über und ritten bis gen Alexandria und was umb mittag, als mir dar kamen. Item da mir an die porten kamen, liess man die Mamenlucken hin ein, aber mich wolt man nit zu der selben portten hin ein lassen, und must zu ainer anderen portten hin umb reitten, und gab ainem buben 351. 352. 353. 354. 355. 356.

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Gemeint sind die Pyramiden von Giza. Baedeker S. 126 ff. Der Obelisk zu Heliopolis. Baedeker S. 124. Heute der Garten des kgl. Palais. Baedeker S. 123. Moschee. Das heutige Rosette. Von Kairo bis dahin sind es ca. 220 km. Ungefähr 70 km.

ain madon357, das er mich zu der portten solt weysen. Als er den madon hett, stal er sich hinden von mir und lies mich reitten; also ritt ich allain an der maur hinumb als lang, bis ich zu der portten kam. Item als ich zu der portten kam, must ich von dem maul abston, also furtten sy das maul hin weg. Item als ich abgestanden was, must ich mein seck und gewextter358 auff tun und als mein ding ersuchen359 lassen. Item als sy das alles ersucht hetten, must ich mich ausziechen, und ersuchten mich allenthalben so ver in der nider watt360, also fanden sy etliche klainett361 bey mir, must ich ain ducaten von geben, und stalen mir sunst ach ain ducaten, so must ich in sunst ach 10 madon geben. Item als sy mich nun gar ersucht hetten, fanden sy bey mir 2 brieff, hett mir des soldans tritzelman geben, die solt ich zu Alexandria anttwurtten362 zwayen [Blatt 24r:] kaufteutten von Venedig in das klain fontico363. Mit den selben brieffen furten sy mich für den armary zu Alexandria, wann all die brieff, die man bey ainem findt, der hin will, bricht der armary all auff und liest die. Also must ich mit den brieffen ach für in, und verzuch sych also, ee ich von jm kam, bis gegen der nacht, wann er was nit da haim, und da er kam, must ich erst ainem ain madon geben, der ainen tritzelmann holte, der die brieff lesy, da er die brieff gelesen hett, furt er mich in das klain fontico der Venediger. Also gaben mir die selben kaufleut herberg und hielten mich erlich und schon. 357. Eine kleine Münze. 358. Gepäck. 359. Durchsuchen. 360. Vorn unter der Kleidung. 361. Kleinodien. 362. Überantworten, übergeben. 363. In Alexandria gab es mehrere Kaufhöfe für die christlichen Kaufleute, fondaco’s genannt. So besaßen die Venezianer deren zwei, je einen die Pisaner, Akonitaner usw. Vgl. H. Simonsfeld, Der Fondaco dei Tedeschi in Venedig. Stuttgart 1887. Bd. 2, S. 4 f.

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Item zu Alexandria send 4 fontico, die Venediger haben zway, das gros und das klain. In dem grossen haben sy ain kirchen und ain capplon, der hat schier altag mess. Item sunst send noch zway der Genueser und der Katelanier. Item zu Alexandria send 2 schulen, die send von rottem marmel fast gros und hoch, auff den selben ist das rad gestanden, da sant Katherin mit solt gemartert sein worden364. Item zu nest dar bey ist der kercker, da sy in gefangen ist gelegen. Item es ist ach zu Alexandria ain kirch, haist zu sant Saba, da ist unser frawen bild in, das hat sant Lucas gemalt, und ist gar ain andechtig bild. Da gand die kaufleut al morgen in die selben kirchen, haltten die kirch in. Item da ist ach ain kirchen, haist zu sant Marx365 in der statt. Item vor der statt ain mer her aussen ist ain kirch, haist ach zu sant Marx, da ist er tett worden. Item hinder dem grossen fontico der Venediger ist die statt, da sant Marx gefangen ist worden, und bis zu der bemellten kirchen für die statt geschlaifft. Item zu Alexandria ist ach ain gros haus366, da ist [Blatt 25r:] ain closter gewesen, soll sant Katherina jn gewonet hon, ist fast ain gros ding gewesen von gemeur, dick und weitt. Item vor der statt am mer gegen Ponent zu ist ain port367 des mers, da die schiff aus lenden, ist gar ain schöne port, und die statt an dem selben ort gar schön von gemeir, und an dem mer vor der statt gar ain schön schlos, da sy die portt des mers mügen beschitzen und were. 364. Sie soll um 310 unter Maxentius in Alexandria gerädert worden sein. 365. Der Evangelist Markus ist der Gründer und erste Bischof der Kirche zu Ale­ xandria. Die Übertragung seiner Reliquien nach Venedig fand 829 statt. Vgl. M. Buchberger, Kirchliches Handlexikon. Freiburg 1912. Bd. II, Sp. 850. Die oben­ genannte Kirche ist wohl die heutige koptisch-orthodoxe zu St. Markus. Vgl. Bädeker S. 18. 366. Vgl. Baedeker S. 14. 367. Gemeint sind die beiden Häfen, der östliche, im Altertum der „grosse“ Hafen genannt, und der westliche, von den Griechen Eunostos, Hafen der guten Heim­ kehr, genannt. Vgl. Baedeker S. 9.

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