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German Pages 471 [472] Year 2004
Boris Paraschkewow Wörter und Namen gleicher Herkunft und Struktur
Boris Paraschkewow
Wörter und Namen gleicher Herkunft und Struktur Lexikon etymologischer Dubletten im Deutschen
W DE
G
Walter de Gruyter Berlin/New York
®
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I S B N 3-11-017469-3 (geb.) I S B N 3-11-017470-7 (brosch.) Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
© Copyright 2004 by Walter de Gruyter G m b H & Co. K G , 10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Z u s t i m m u n g des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere f ü r Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung u n d Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in G e m a n y Einbandgestaltung: Christopher Schneider, Berlin Typografie: Farnschläder & Mahlstedt, H a m b u r g Satz: Dörlemann-Satz G m b H & Co. KG, Lemförde Druck und buchbinderische Verarbeitung: Hubert & Co. G m b H & Co. K G , Göttingen
Meinem Doktorvater Professor Dr. Rudolf Große anlässlich seines 80. Geburtstages gewidmet
Besonders wichtig erscheint aber gerade in der Gegenwart die Betrachtung der von Bodmer zuletzt genannten Kategorie, wo im Deutschen an Stelle eines einzigen Wortes der älteren Zeit später mehrere Wörter erscheinen: der deutschen Doppel- oder Zwillingswörter. Otto Behaghel Heidelberg, den 7. März 1878
Inhalt Vorwort
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Etymologische Dubletten: Begriffsbestimmung, Arten, Ermittlung Abkürzungen und Zeichen xxv Literaturverzeichnis Wörterbuch
xxix
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Alphabetisches Zugriffsregister
401
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Vorwort
Da im Bereich der deutschsprachigen Lexikographie (und nicht nur dort) keine nach der Art dieses Lexikons angelegten Nachschlagewerke existieren, ist zunächst ein kurzer Überblick darüber angebracht, wie in den herkömmlichen etymologischen Wörterbüchern der Wortschatz behandelt wird, der den Kern des vorliegenden Werkes bildet, und worin sich dieses von jenen unterscheidet. Im einleitenden Teil von E. Wasserziehers »Ableitendes Wörterbuch der deutschen Sprache« findet der Benutzer im Rahmen einer einfallsreichen Gliederung des Wortschatzes u.a. zwei, unter dem Titel »Form und Verwandtschaft« aufgeführte Wortlisten: a) Wörter, die trotz verschiedener äußerer Form zusammengehören, und b) Wörter, die trotz gleicher oder ähnlicher Form nicht zusammengehören. Gemeint ist freilich die etymologische Zusammenund Nicht-Zusammengehörigkeit, wobei die Letztere sowohl anhand von homonymen Wortpaaren wie Ball1 - Ball2, Degen1 - Degen1, Hamen'' - Hamen1, Kater1 - Kater2, kosten1 - kosten1, Reif1 - Reif1 als auch von auf den ersten Blick wie Ableitungen anmutenden Bildungen wie abluchsen - Luchs, anberaumen Raum, derb - verderben, Ruhe - geruhen anschaulich gemacht wird. Die Untergruppe der äußerlich verschiedenen, etymologisch aber zusammengehörenden Wörter enthält zum einen einheimische und übernommene A b l e i t u n g e n jeder Art wie etwa Aas - essen, applaudieren - Explosion, Auge - ereignen, kommen - bequem, Makler - machen. Zum anderen handelt es sich um Wortpaare wie Bollwerk - Boulevard, Libelle - Niveau, Magister - Meister, Ministerium Metier, Parabel - Parole, Siesta - Sexta, Sopran - Souverän, bei denen die etymologische Analyse ein u n d d i e s e l b e V o r f o r m als Ausgangspunkt erschließen würde. Weitaus zahlreichere Belege für die zweite Untergruppe bietet die wortgeschichtlich und wortbildungsmäßig gleichfalls inhomogene Wortliste »Doppelformen (Zwillingswörter)«. Das ist eine Zusammenstellung von Wörtern, deren Auswahl durch folgende, vom Verfasser resümiert dargestellte Erläuterungen motiviert ist: Nebeneinander eines schrift- oder hochdeutschen Wortes und einer mundartlichen, besonders niederdeutschen Form (etwa Schacht ne-
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Vorwort
ben Schaft, sacht neben sanft, fett neben feist); zwei-, bisweilen sogar dreimal zu ganz verschiedenen Zeiten stattgefundene Entlehnungen (etwa lat. Palatium, aus dem sowohl Pfalz als auch Palast und Palais übernommen sind); ins Romanische übergegangene deutsche Wörter, die in fremder Form wieder zurückkehren und neben den einheimischen existieren: Etappe neben Stapel und Staffel; Liste neben Leiste. An diese drei Kriterien, die unmissverständlich aufzeigen sollen, wie ein einheimisches oder fremdes Wort im Laufe der Zeit zu zwei oder mehreren Wörtern geworden ist, wird ein viertes angeschlossen, von dem hier ausdrücklich Abstand genommen werden muss, weil es auch noch die Kategorie der allgemeinen etymologischen Zusammengehörigkeit, wie sie sich im Rahmen der Wortfamilie manifestiert, in den obigen Kreis einzuschleusen versucht (vgl. »demselben Stamm entsprossene« Wörter wie darben - dürfen, Made - Motte, Stock - Stück, zeigen - ziehen) und somit das eigentliche Territorium der sog. Doppelformen im Sinne von derivativ identischen Gliedern eines Wortpaares verlässt. Nähere etymologische Angaben über jedes der aufgelisteten Wörter findet dann der Benutzer vor Ort im Korpus des Wörterbuchs, so dass er sich durch den Inhaltsvergleich der einzelnen Wörterbuchartikel ein Bild von der etymologischen Zusammengehörigkeit, insbesondere von der Herkunftsgleichheit der betreffenden Wörter machen kann. Sofern derartige Wörter aufeinander folgen, wird diese Information - vergleichbar dem Verfahren bei Ableitungen und Komposita - in der Regel kompakt geboten (so bei Ténor1 und Tenor2, Grat und Gräte), zuweilen geschieht dies allerdings durch Verweisung wie etwa von Dekan auf Dechant. Obwohl die kompakte Behandlung verschiedener, wenn auch etymologisch zusammengehöriger (also auch etymologisch identischer) Wörter in einem Artikel in E. Seebolds »Kluge« grundsätzlich vermieden wird, lassen sich durch die Anwendung eines Vernetzungssystems bei ihm verwandtschaftliche Beziehungen jeder Art nachvollziehen. In U. Hermanns »Wahrig-Herkunftswörterbuch« wird zwar Verwandtschaft, inkl. Identität, häufig durch einen Verweis angedeutet (so von Beton auf Bitumen, von Palais und Pfalz auf Palast, von Palaver auf Parabel, von Trumpf auf Triumph), nicht selten bleibt jedoch der nicht immer evidente Zusammenhang ohne Kommentar, so etwa bei Biskotte und Biskuit, Karree und Quadrat, Koda und Queue, Palatschinke und Plazenta, Pigment und Piment, Radio und Radius. Durch die eigenartige Auswahl des etymologisierten Wortschatzes bedingt (aufgeführt sind beispielsweise Esprit, Etat, Etüde, Sta-
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dium, nicht aber die mit ihnen herkunftsgleichen Spirit und Spiritus, Status und Staat, Studium, Stadion), ist viel in dieser Hinsicht Wissenswertes verloren gegangen. In W. Pfeifers »Etymologisches Wörterbuch des Deutschen« und im DudenHerkunftswörterbuch wird sowohl die wortfamilienweise Darstellung der etymologisierten Lexik als auch das Verweissystem praktiziert. Von dieser zweifachen Behandlungsweise erfasst sind auch die herkunfts- oder ursprungsgleichen Wörter. Bei Pfeifer werden z. B. Alp und Alm, Bestie und Biest, Borax und Bor, Budike und Boutique, Büchse und Buchse, Schachtel und Schatulle u. v. a. in einem Wörterbuchartikel, Apotheke und Budike (mit Boutique, Butike), Beet und Bett, dichten und diktieren, sacht und sanft, trachten und traktieren (dieses unter Traktat) dagegen lemmatisiert und separat erörtert. Analog wird im Duden-Herkunftswörterbuch verfahren, und zwar nicht nur bei durch die alphabetische Anordnung begünstigten Wortpaaren wie also und als, Basilika und Basilikum, Basis und Base, Büchse und Buchse, Drache und Drachen, Ruin und Ruine, Tempo und Tempus, Trupp und Truppe, Tube und Tubus, wider und wieder, sondern auch bei andersartigen wie z. B. Atem und Odem, Bestie und Biest, Beton und Bitumen, Design und Dessin, Gabel und Gaffel, Schachtel und Schatulle, Kaiser und Zar, Wisent und Bison, Zichorie und Chicorée, Zopf und Topp. Weit größer ist jedenfalls die Zahl der getrennt (einschl. hintereinander wie Aktie und Aktion, Werg und Werk) behandelten, durch verschiedenartige Verweise verknüpften Wortpaare und -reihen wie Alarm - Lärm, Apotheke - Boutique - Butike, Azur Lasur, Bar-Barre
(mit Barren), Barbar-brav,
Bassin - Becken, Beet-Bett,
Boll-
werk - Boulevard, Chiffre - Ziffer, Dollar - Taler, Drops - Tropfen - Tropf, Etat Staat - Status, Fibel - Bibel, Kobold - Kobalt, Stadt - Statt (mit statt, Stätte) etc. Diese Übersicht soll, wie eingangs angedeutet, das Augenmerk auf jenen nicht unbedeutenden Teil des deutschen Wortschatzes lenken, der in den Bereich des sprachwissenschaftlichen Phänomens etymologische Duplizität gehört und dessen zusammenfassende Darstellung Gegenstand des Lexikons ist. Es handelt sich also in erster Linie um die Abwandlung von Wörtern und deren Wortformen, die verschiedene Entwicklungswege eingeschlagen haben und in der deutschen Gegenwartssprache als selbständige Lexeme teils mit erkennbarer etymologischer Zusammengehörigkeit, teils bis zur Unkenntlichkeit modifiziert auftreten. Da sich der im ausgehenden 19. Jh. aufgekommene Fachausdruck »Doppelformen« nicht zur festen und vor allem nicht zur eindeutigen Bezeichnung dieser Kategorie von Wörtern durchzusetzen vermochte, werden
Vorwort
XII
sie in der lexikologischen Praxis weder terminologisch einheitlich gekennzeichnet noch gesondert vorgeführt. Auf ihre eigenartigen Beziehungen zueinander macht man in Nachschlagewerken meist durch Formulierungen wie »damit identisch ist ...«, »gleicher Herkunft ist ...«, »dasselbe (Wort) wie ...«, »das gleiche Wort wie ...« oder durch Umschreibungen anderer Art aufmerksam. Das bedeutet, dass der Großteil der Doppelformen, die ich e t y m o l o g i s c h e D u b l e t t e n nenne, im Grunde genommen lexikologisch und lexikographisch identifiziert sind und dass sie in der einschlägigen Literatur je nach den Gesichtspunkten der Autoren entweder gruppiert oder lemmatisiert, zum Teil aber auch zusammenhanglos, vielfach nicht besonders gekennzeichnet vorliegen. In den 8oer Jahren des vorigen Jahrhunderts kam ich auf den Gedanken, dass es nicht abwegig wäre, häufig, aber nicht immer durch Verweise verknüpfte, derivativ weder voneinander abhängige noch divergierende, sondern sich spontan auseinander entwickelte Erb- und Fremdwörter im Deutschen zu ermitteln, ihre etymologische Zusammengehörigkeit zu überprüfen und sie jeweils in Stichwörtern zusammengeführt und mit knappen sprach-, wort- und kulturgeschichtlichen Angaben versehen - dem lexikologisch Interessierten zu präsentieren. Die von J. J. Bodmer aufgeworfene und von O. Behaghel aufgegriffene Idee, eine Liste von Wörtern anzufertigen, »die durch die Buchstabierart ein so verschiedenes Ansehen gewonnen haben, daß man eines derselben fyr zwei, drey und mehrere genommen und gegeben hat«, ginge dadurch endlich in Erfüllung, und zwar in Gestalt eines Lexikons: einer Darstellung solcher einfachen, abgeleiteten und zusammengesetzten Wörter und Namen im Deutschen, die etymologisch identisch sind oder aus etymologisch identischen Morphemen bestehen. Somit ist das vorliegende Lexikon ein Versuch, an den deutschen Wortschatz unter einem besonderen Gesichtswinkel heranzugehen und das darin h e r k u n f t s m ä ß i g I d e n t i s c h e aufzudecken. Die zusätzlichen Kriterien und Grundprinzipien, die Schritt für Schritt ausgearbeitet wurden und von denen sich die Realisierung meiner durch die Vorarbeiten von J. J. Bodmer, O. Behaghel, E. Mensch sowie K. G. Andresen angeregten Idee leiten ließ, sind in mehreren vorausgehenden Aufsätzen entwickelt worden und in aller Kürze im einleitenden Kapitel »Etymologische Dubletten: Begriffsbestimmung, Arten, Ermittlung« dargelegt. Die Verwirklichung meines ausgedehnten, auch die Subkategorie der strukturgleichen Wörter erfassenden lexikographischen Projekts wenigstens in einem
Vorwort
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gewissen Umfang bliebe sicher noch lange im Rahmen der guten Absichten, wenn ich die freundliche Unterstützung meiner deutschen Kollegen Prof. Dr. Wolfgang Haubrichs, Prof. Dr. Herbert Ernst Wiegand und Dr. Heiko Hartmann nicht hätte. Ihnen, die mich zunächst bei meinem Forschungsvorhaben und dann bei der Vorbereitung und Herausgabe dieses Lexikons bestärkt haben, gilt mein herzlichster Dank. Sofia, im Dezember 2003 Boris Paraschkewow
Etymologische Dubletten: Begriffsbestimmung, Arten, Ermittlung i. Begriffsbestimmung. Das Fremdwort »Dublette« ist als sprachwissenschaftlicher Terminus im Deutschen seit dem letzten Jahrzehnt des 20. Jh. in dem Metzler-Lexikon Sprache ( 2 Stuttgart 2000) lexikographisch nachweisbar und soll nach der dortigen Definition Bezeichnung sowohl für eine doppelt oder mehrfach vorhandene Ausdrucksform eines Lexems (z. B. Phantasie vs. Fantasie) als auch (vor allem in der Etymologie) für die Aufspaltung einer Entlehnung in zwei oder mehr Lexeme (z.B. Schrift - Skriptum - Skript < lat. scriptum >Geschriebeneseither of two words that derive ultimately from the same source but by différent processes< angelehnt, wobei diese Definition bereits unmittelbar auf die Untergruppe der erst weiter unten definierten etymologisch identischen Dubletten zielt. Auf lat. cognatus »blutsverwandt; Verwandten und engl, cognate >derived from a common original form< stützt sich andererseits der für die Zwecke der untersuchten und erörterten Materie unentbehrliche Fachausdruck Kognat im Sinne von u r v e r w a n d t e i n d o g e r m a n i s c h e o d e r g e r m a n i s c h e E n t s p r e c h u n g (etwa lat. frater, engl, brother) e i n e s d e u t s c h e n E r b w o r t e s (Bruder). 2. Arten von etymologischen Dubletten. Im Rahmen der lexikologischen Kategorie der (etymologischen) Dubletten lassen sich zwei Subkategorien unterscheiden. Der durch substanzielle Gleichheit und derivative Parallelität gekennzeichneten, im Lexikon nur repräsentativ vorgestellten kleineren gehören die strukturgleichen oder etymologisch adäquaten Dubletten an. Das sind Ab l e i t u n g e n u n d K o m p o s i t a , die zu v e r s c h i e d e n e n Z e i t e n , an v e r s c h i e d e n e n O r t e n u n d zu v e r s c h i e d e n e n Z w e c k e n aus d e n s e l b e n W ö r t e r n , W o r t f o r m e n u n d S u f f i x e n g e b i l d e t w o r d e n s i n d . Dazugehören Dublettenpaare wie bekommen - beikommen, bestehen - beistehen, betragen - beitragen, sächlich - sachlich, Sonntag - Sonnentag, Schau - Show. Unberücksichtigt bleiben dabei sowohl Umkehrungen, die zwar der Bedingung für substanzielle Gleichheit genügende, aber umgekehrt strukturierte Zusammenrückungen darstellen (z.B. anderswo und woanders, demnach und nachdem, nachher und landsch. hernach, Gernot und Notker), als auch Zusammenrückungen, neben denen in gleicher Weise geordnete Wortverbindungen auftreten können (z.B. immer und je mehr, nachdem und nach dem, solange und 50 lange, sooft und so oft, vielmehr und viel mehr, kurz: Jungfer - Jungfrau, aber nicht junge Frau). Die weitaus größere Subkategorie umfasst die herkunftsgleichen oder etymologisch identischen Dubletten, d. h. W o r t p a a r e u n d W o r t r e i h e n , die in e r s t e r Linie d u r c h die A u s e i n a n d e r e n t w i c k l u n g u n d Verselbs t ä n d i g u n g (von F o r m e n ) e i n e s e x i s t i e r e n d e n , a u s g e s t o r b e n e n o d e r e r s c h l o s s e n e n E r b - o d e r L e h n w o r t e s e n t s t a n d e n s i n d . Das
Etymologische Dubletten
XVII
sind zum einen aus Varianten entwickelte, zum anderen durch (zwei- oder mehrfache) Entlehnung und Rückentlehnung entstandene Dublettenpaare oder -reihen. Die Duplizität bei früheren Varianten, zum Teil aber auch bei bestimmten Entlehnungen ist - entsprechend den ausgesonderten Variantengruppen - durch semantisch motivierte arbiträre Festlegung von Schreibung, Betonung, Lautung und grammatischem Paradigma der Dubletten charakterisiert: -
graphosemantische etymologische Dubletten: das - dass (gegenüber niederl. dat, engl, that Fron, und Konj. zugleich), wider-wieder, phrenetisch-frenetisch;
-
akzentsemantische etymologische Dubletten: Humor - Humór, Konsum Konsum, Ténor - Tenor,
-
phonosemantische etymologische Dubletten: Bett - Beet, Schrott - Schrot, fahl-falb, Gabel - Gaffel, sanft - sacht - soft, Zopf - Topp-,
-
morphosemantische etymologische Dubletten: Etikett - Etikette, Drache Drachen, Effekte, Sing. Effekt - Effekten Pluraletantum, Fall-falls, Kraft- kraft, Gehalt m. - Gehalt n., Fahrt - Fährte, Mann - man, Stadt - Stätte - Statt statt; wägen - wiegen (nicht beachtet wurden allerdings morphologisch korrespondierende Bildungen des Typs brillant bzw. Brillant und brillierend, Croisé und croisiert, Consommé und konsummiert, korrupt und korrumpiert, Negligé/Negligee und negligiert, passé und passiert).
Die Duplizität offenbart sich normalerweise in Kombinationen der genannten Merkmale, vgl. die graphosemantischen das - dass, wider - wieder, die zugleich den morphosemantischen Merkmalen zuzuordnen sind. Diese Auffassung und ganz besonders Fälle wie Flug-flugs, Statt- (an)statt, Weg- weg-wegen zeigen, dass im Lexikon Erscheinungen wie K o n v e r s i o n u n d H y p o s t a s i e r u n g nicht provisorisch als Wortbildungsmittel (etwa im Sinne impliziter oder affixloser Ableitung), sondern als das interpretiert werden, was ihrem Aufkommen in der Tat zugrunde liegt: e i n e m o r p h o l o g i s c h e U m f u n k t i o n i e r u n g ein u n d d e s s e l b e n W o r t e s . Ausgenommen Einzelfälle wie ober - Obere m./f., vor - pro - Pro n. wird allerdings auf die Aufführung von Substantivierungen nach der festen Regel, dass jede Wortart als Neutrum (bestellen - das Bestellen, blau - das Blaue, ich - das Ich usw.) auftreten kann, grundsätzlich verzichtet. Gelegentlich kann die Duplizität durch I n k l u s i o n gekennzeichnet sein, wenn die Semantik der einen Dublette in der Semantik der anderen eingeschlossen ist (Verflechtung von Varianz und Duplizität): Talk - Talkum >Talk; feiner weißer Talk zur Herstellung von Pudern dt. Musketierer (um 1600, seit dem 18. Jh. Musketier), frz. dragón > dt. Dragoner (vs. Drakon - Drache etc.), lat. Africanus > dt. afrikanisch - Afrikaner; lat. idealis > dt. idealisch - Ideal (vs. deglutiniertem ideal);
-
Suffixersatz: Er wird regulär praktiziert, um Adjektive auf frz. -ique und lat. -icus als Reflexe des griechischen Suffixes -ikós in die Wortart der deutschen Eigenschaftswörter zu integrieren, wobei ihre Substantivierungen das fremde Suffix beibehalten und gegebenenfalls adsuffigiert werden: technisch - Technik - Technikum - Techniker, fanatisch - Fanatiker;
-
Rückbildung: Im Rahmen der Ermittlung etymologischer Dubletten kommen dabei freilich nicht etwa Ableitungen in Frage wie Besuch von besuchen, Kauf von kaufen (also so genannte Nomina postverbalia), sondern lediglich die Herausbildung von (neuen) Singularformen aus ursprünglichen Pluralformen, z.B. (mhd. wäfen n., Plur. wäfen > nhd. Waffen, dazu Sing.) Waffe f. - Wappen n., älter-Eltern Elternteil isoliert).
(Plur., dazu Sing.) - Elter n./m. (wenn nicht aus
Etymologische Dubletten
xix
Alternationen wie Abitur/Abi, Abonnement/Abo, Akkumulator/Akku, Demonstration/Demo, Johannes/Hans und Dutzende andere zeigen, dass es sich bei den Kurzwörtern eigentlich um andere, spontan entstandene Erscheinungsformen desselben Lexems oder Namens handelt. Kommt es bei ihnen zu einer semantischen Auseinanderentwicklung, dann geht die stilistische Varianz in etymologische Duplizität über. Eine neue Bedeutung kann man daher auch dem ganzen Wort bzw. Namen oder aber seiner Kurzform zukommen lassen (etwa Ängström als Eigenname und physikalische Einheit vs. Faraday als Eigenname, woneben Farad als physikalische Einheit). Die bei den Wortkürzungen übliche Unterteilung in Kopf- u n d S c h w a n z w ö r t e r wird im Lexikon für die Zwecke einer definierbaren Ermittlung der Dubletten von Kurzwörtern präzisiert durch die zusätzliche Unterscheidung von Kopf- und Schwanzisolierungen (etwa Auto für Automobil bzw. Bahn für Eisen-, Straßenbahn) und von Kopfund Schwanzfragmentierungen (Pils für Pilsner bzw. Bus für Omnibus, vor allem aber bei Personennamen unter Weglassung der vorhergehenden unbetonten Silbe oder Silben ursprünglich in der Kindersprache: Lotte, Rike, Rita, Sandra, Tonio): -
Isolierungen: Das sind verselbständigte Bestandteile eines Kompositums, die dessen Funktion und Bedeutung übernommen haben und nur mit ihrer eigenen Grundlage und deren Dubletten ein Dublettenpaar oder eine Dublettenreihe bilden: (Hochdruckgebiet >) Hoch - hoch, (Oberkellner >) Ober - ober - Oberer - Obers, (Konsumverein >) Konsum2 - Konsum1, (engl. Teenager >) Teen-zehn; (ahd. *gundfano >KriegsfahneKriegstuch< >) Fahne - Pannus - Pagne.
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Fragmentierungen: Sofern sie nicht Varianten von einfachen, abgeleiteten oder zusammengesetzten Wörtern sind, sondern eine eigene Bedeutung entwickelt haben, bilden diese Wortstutzungen mit dem jeweiligen einfachen oder abgeleiteten Wort sowie mit dem jeweiligen Kompositum, wenn sie dessen Morphemgrenze überschreiten, ein Dublettenpaar oder eine Dublettenreihe, z. B. Mätresse - Mistress - Miss, mobil - Möbel - Mob, Pfeffer - Pep, Vampir - Vamp; Johannes - Hann(e)s, Karavane - Van; Faksimile (aus lat. fac simile! >mache ähnliche) - Fax, Christopher/Christophorus (für griech. Christo-phoros >Christusträger *
/ -
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ab 1 : Die heute als Adverb und Präverb gebrauchte Partikel (enthalten auch im kölnischen Karnevalsruf aiaaf >hoch!, hurra!all aballes andere weg!von< und off >weg< auf germ. *aha >ab, weg< (aus gleichbed. idg. *apö oder *apo in proklitischer Stellung) zurück. Engl, of (kurz auch o') und off{ 15. Jh. Variante von of, dann generalisiert für dessen Verwendungen in betonter Stellung) erscheinen z. B. in Terms of trade (s. Term), Five o'Clock Tea {s.fünf, Glocke, Tee) bzw. off »nicht sichtbar (von einem Sprecher im Film und Fernsehen)das Unsichtbarbleiben des Sprechersvon, ab< und lat. ab/abs/a >von, aus< hervorgegangen, vgl. Letzteres als homonymes ab 2 neben a im Deutschen etwa in ab ovo >von A n f a n g an< (eigtl. >vom Ei an«, s. Ei), a dato >vom Tag der Ausstellung an< (s. datum), häufiger in Präfigierungen wie abrupt >plötzlich< ( < lat. abruptus, eigtl. »abgerissen, abgebrochen^ s. abrupt), einschließlich mit den Positionsvarianten a-, abs-: Amentia/Amenz »vorübergehende geistige Verwirrtheit ( < lat. amentia >WahnsinnVerstandwegführenführenfort sein< (einer Zusammensetzung aus esse >sein< mit dem Präfix abs-, s. ab', vgl. Essentia, Interessent, präsent). Der Ablativ Singular des lateinischen Substantivs liegt vor im rechtswissenschaftlichen Terminus in absentia >in Abwesenheit (des Angeklagten)ohne< zurückgeführt, das in Verbindung mit musikalischen Vortragsanweisungen auch im deutschsprachigen Raum bekannt ist, vgl. senza pedale >ohne Pedals senza sordino >ohne Dämpfen. Zwar hat ital. senza gleichbed. lat. sine (s. Kondition) verdrängt, dieses hat aber zweifellos bei der Umgestaltung von (in) absentia zu senza mitgewirkt. Bei einem analogen Vorgang im Französischen wird dagegen davon ausgegangen, dass unbetontes lat. sine durch Antreten von adverbialem -s oder durch Wortkreuzung mit absentia frz. sans >ohne< ergeben habe. In Anbetracht dieser Annahme erscheint es angemessen, das Vorderglied von Zusammenrückungen französischer Herkunft wie Sansculotte (eigtl. >ohne Kniehoseohne Sorgeohne Sorgekurze Inhaltsangabe eines Artikels oder Buchesc Übernahme von gleichbed. engl, abstract (eigtl. >Auszugvom Gegenständlichen losgelöst< (eigtl. >abgezogenab-, wegziehen< (> dt. abstrahieren), einer Zusammensetzung aus abs- (s. ab1) und trahere >ziehen< (s. Traktus). Ferner beruhen im Deutschen auf lat. abstractus m., abstractum n. und abstracto n. Plur. jeweils das Adjektiv abstrakt (über das Gegenwort konkret s. d.), der philosophische und sprachwissenschaftliche Fachausdruck Abstraktum allgemeiner Begriff; abstraktes Substantiv< sowie das Pluraletantum Abstrakten >die Teile einer Orgel, die die Tasten mit den Pfeifenventilen verbinden (eigtl. >die Fortgezogenem). Die präpositionale Fügung in
2
abstracto >ohne Berücksichtigung der besonderen Lage< enthält den Ablativ Singular des lateinischen Adjektivs. Abt >Vorsteher eines Mönchsklostersc Das auf dem Stamm der obliquen Kasus von kirchenlat. abbas, Gen. abbatis beruhende Lehnwort hat sich durch Synkope aus mhd. abetiabbet, ahd. abbat lautlich entwickelt. Aus dem Akkusativ lat. abbatem hervorgegangen sind die Titel der Weltgeistlichen in Italien und Spanien (abate) sowie in Frankreich (abbé), die auch in deutschen Lexika als Exotismen aufgeführt werden: Abate bzw. Abbé. Das lateinische Wort geht über spätgriech. äbbäs zurück auf das aramäische Lallwort abbä, mit dem man den Familienvater anredete. Als biblische Anrede hat griech. abbä im 4. Jh. spätlat. abba und daher dt. Abba ebenfalls als neutestamentliche Gebetsanrede an Gott ergeben, vgl. Gal 4,6: »Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater.« Etymologisch identisch und bedeutungsgleich mit aram. abbä >Vater< sind arab. abü und hebr. ab. Abu begegnet uns in arabischen Eigennamen, z. B. im Namen des Scheichtums der Vereinigten Arabischen Emirate und dessen Hauptstadt Abu Dhabi oder in Webers Singspiel »Abu Hassan«, in denen die als zweites Element auftretenden Personennamen in appellativischer Funktion entsprechend >Gazelle< und >schön< bedeuten (vgl. auch Borretsch). Der hebräische Kognat äb ist seinerseits erster Bestandteil der biblischen Namen Absalom (eigtl. »Vater des FriedensVater der MengeAnteil, Apanages wie dies von E. Seebold angenommen wird? Accentus liturgischer Sprechgesangc Ebenso wie die eingedeutschte deglutinierte Dublette Akzent Betonung; Aussprache; Nachdruck< stammt das Wort unmittelbar aus lat. accentus >Betonung< (eigtl. »Beitönendazu singensingenBetonungszeichen< zugrunde, das in den sprachwissenschaftlichen Fachausdrücken Accent aigu (s. akut) und Accentgrave (s.grave) auftritt. Lat. accentus gilt als eine Lehnübersetzung von griech. prosöidia >Wortbetonung< (eigtl. >ZugesangLehre von intonatorischen Eigenschaften von Versen und Sätzen< lieferte. Mit lat. canere ist übrigens dt. Hahn wurzelverwandt, das heißt, das männliche Haushuhn ist wegen seines Rufs besonders in der Morgenfrühe >der Sänger< genannt worden. Achat >ein mehrfarbig gebänderter Schmucksteinc Die Bezeichnung für diese Abart des Chalzedons ist im 15. Jh aus mhd. achätes deglutiniert, das über lat. achates (mlat. auch acates, woraus frz., engl, agate >Achattreuer Freund, Kampfgefährte< auftritt. Parallel zu achätes begegnen im Mittelhochdeutschen die mlat. acates widerspiegelnden verdeutlichenden Bildungen agestein/agetstein »Bern-, Magnetstein< (vgl. Stein), die heute in oberd. Ag-/Agtsfem >Bernstein< fortbestehen. Achse »Drehpunkt der Räder; Mittelliniec Über mhd. ahse, ahd. ahsa geht das Substantiv auf germ. *ahsö>Achse< zurück, das bedeutungsgleiche, wenn auch in ihrem morphologischen Aufbau abweichende Kognaten hat u.a. in lat. axis (< idg. *äk'si-) und griech. äxön (< idg. *äk'sön). Als Ausgangspunkt wird ein s-Stamm idg. *ak's angesetzt, der allerdings ebenso auf *ak'~ »scharf, spitz< (vgl. Ecke) wie auf *ag'>(mit geschwungenen Armen) treiben< (woraus lat. agere »treiben, handeln^ s. Agens) zurückführbar ist. Als genetisch bedingte Dubletten sind unter diesen Umständen ansprechbar der Latinismus in Axis als anatomischer Bezeichnung für die Mittellinie eines Organs und für den zweiten Halswirbel (vgl. auch Axis Mundi, wörtl. »Achse der Welt(bis) zu< in formelhaft gebrauchten Fügungen wie ad 5 >zu (dem bereits aufgeführten Punkt) 5zu, bei, nach, an, auf< hervorgegangen sind ital. a(d) >zu, auf< (mit dem bestimmten Artikel verschmolzen und in Fachausdrücken der Musik und Malerei gebräuchlich mit der Bedeutung >in der Art von, nach ... Art, a u f . . . Weisec al, alla, allo, all' u.a.) etwa in a cappella/alla cappella (s. Kapelle1), verdoppelt in adagio (s. Adjazent), und frz. ä >zu, nach, für< > dt. kaufmänn. à >zu (je)*, ferner in à la carte >nach der Speisekarte< (s. Chart), à la chasse/alla caccia >in der Art der Jagdmusik< (s. Caccia) sowie - mit den bestimmten Artikeln le m. und les Plur. verschmolzen - in au moment (s. Moment1), au naturel (s. Naturalien), aux armes (s. Arma) u.a. Gebunden erscheinen ad und seine romanischen Reflexe in Zusammenrückungen (s. ade, Alarm), vor allem aber als Verbalpräfix (so in addieren < lat. addere Einzugeben, -fügengeben /ktse/) Akzent (zu lat. canere >singen*, s. Accentui), Affix (zu lat. figere >befestigenschreitenverbindenknüpfenähnlichziehenZahl, die hinzuzuzählen iste Das maskuline Geschlecht des substantivierten Gerundivums zu lat. addere >hinzufügen< (Präfigierung von dare >geben< mit ad-, s. datum, ad), das addieren mit dem Abstraktum Addition geliefert hat, richtet sich genau wie gleichbed. Summand nach dem Geschlecht von weggelassenem lat. numerus >Zahl< in der Fügung
numerus addendus bzw. numerus summandus (vgl. Numero), als Fachwort der Mathematik ist es aber von Summand weitgehend verdrängt worden. Zwar ist das substantivierte Neutrum Addendum, Plur. Addenda in der allgemeinen Bedeutung >Zusatz, Nachtrag, Ergänzung* (eigtl. >das Hinzuzufügende*) ebenfalls veraltet, doch als Bezeichnung für die Nachträge in wissenschaftlichen Publikationen und Lexika wird es besonders im Plural weiterhin verwendet. ade: Der heute veraltende, in einem Streifen vom Oberrhein bis zur Mainquelle häufig zu hörende Abschiedsgruß wurde im 13. Jh. (mhd. ade) aus afrz. adé übernommen, das durch Zusammenrückung aus lat. ad deum >zu Gott< (eigtl. >Gott befohlen*), einer präpositionalen Fügung aus der unter ad behandelten Präposition und der Akkusativform von lat. deus >Gott< (s. Ziu), entstanden ist. Im 16-/17. Jh. fand die Grußformel nunmehr in der neufranzösischen Lautung adieu noch einmal Aufnahme ins Deutsche, ihre Verwendung wurde allerdings während des Ersten Weltkrieges stark eingeschränkt. Die italienische und spanische Fortsetzung von lat. ad deum lautet jeweils addio und adiós. Das einst in Künstlerkreisen verbreitete Fremdwort addio konnte sich praktisch seinen etymologischen Dubletten ade und adieu nicht anschließen. Span, adiós gelangte seinerseits über die Seemannssprache und die norddeutschen Hafenstädte in landeinwärts zunehmender Entstellung und Vereinfachung (adjüs, atjüs, adüs, tjüs, tüs,jüs u.a.m.) in nieder- und mitteldeutsche Mundarten. Über die Aufnahme seiner palatalisierten Variante tschüs(s) in die Umgangssprache s. Ziu. Adel >vornehmes Geschlecht*: Über mhd. adel, ahd. adal geht das Substantiv auf germ. *apala- A b s t a m mung, Geschlecht, Sippe* zurück. In dieser Bedeutung oder im Sinne von >edel, vornehm* trat es häufig als Bestimmungswort von Zusammensetzungen und als Vorderglied von Personennamen auf. In seiner uralten Lautung erscheint es z. B. in dem zu Beginn des 19. Jh. neu belebten männlichen Vornamen Adalbert (Hinterglied: ahd. beraht >glänzend* auch in Humbert, Richbert/Rigbert, s. Hüne, Rex), dagegen verdunkelt in dessen seit dem ausgehenden Mittelalter üblich gewordenen Kurzformen Aibrecht/ Albert (vgl. analog Ado//als Kurzform von veraltetem Adalwolf/Adalwulf wohl im Sinne von >edler Wolf*, s. Wolf). Als Bestimmungswort fungiert mhd. adel unter anderem in der Zusammensetzung adelar(e)/ adelarn >edler Aar*, dessen Grundwort ar(e)/arn damals auch niedere Greifvögel bezeichnete und durch adel- eine positive Verdeutlichung angestrebt wurde. Aus dem in der Blütezeit der Falknerei entstandenen Kompositum ging über mhd. adlar/adler nhd. Adler hervor, das ar(e)/arn (s. Aar unter Arn) schon im Mittelalter zu verdrängen begann.
Adjazent
Adjazent »Anwohner, Anrainer, Grenznachbar«: Im Sinne von >der Anliegende< präsentiert sich im veralteten Fremdwort der substantivierte Stamm des Partizips Präsens adiacens, Gen. adiacentis von lat. adiacere >an, bei, neben etwas liegen< (zu iacere »liegenwas danebenliegt (und deshalb bequem zu erreichen ist)< frz. aise »Wohlbefinden, Behagen< entwickelt. Zwar ist der Gallizismus Aise »Wohlstand; Bequemlichkeit, Gemächlichkeit im Deutschen ebenfalls veraltet, das französische Wort ist aber Hinterglied in malaise »Unbehagen, Misere< und erscheint daher in gleichbed. Malaise (s. d.) sowie in dessen vermutlicher etymologischer Dublette nordd. Male sehe »Ungelegenheit, Unannehmlichkeit als gebundene Dublette von Adjazent. Aus afrz. aise »Behagen, Bequemlichkeit oder aus dessen Kognaten aprov. aize »Annehmlichkeit, Ruhe< übernommen ist ital. agio »Bequemlichkeit, Gemütlichkeit, RuheVerbindung nn) annectere »anhängen, anknüpfen« (woraus dt. annektieren). Deutlicher ausgeprägt ist die semantische Überschneidung von Adnex und Annex in der als anatomischer Terminus üblicheren Pluralform Adnexe/Annexe »Anhangsgebilde des menschlichen oder tierischen Körpers; Anhangsgebilde der Gebärmutter«, die allerdings gleichbed. nlat. adnexa (Plural von substantivisch gebrauchtem adnexum n.) wiedergibt. Advokat: Im 14. Jh. entlehnt aus lat. advocatus »Rechtsbeistand, Rechtsvertreter, Sachwalter« und 1878 als Berufsbezeichnung zugunsten von Rechtsanwalt abgeschafft. Im Sinne von »der in einem Rechtsstreit zur Hilfe Herbeigerufene« ist lat. advocatus eine Substantivierung des Partizips Perfekt von lat. advocare »herbeirufen« (aus dem mit ad- präfigierten Verb vocare »rufen, berufen«, zu vox »Stimme«, s. Voces, ad). Unverändert erscheint das lateinische Wort in der Fügung Advocatus Diaboli »Geistlicher, der in einem Heilig- oder Seligsprechungsprozess der katholischen Kirche die Gründe gegen die Heiligoder Seligsprechung darlegt (im Gegensatz zum dafür eintretenden Advocatus Dei, vgl. Ziu); jemand, der bewusst Gegenargumente in eine Diskussion einbringt« (eigtl. »Anwalt des Teufels«, s. Teufel). Infolge von Deglutination des Präfixes tritt im Mittellateinischen neben advocatus auch die strukturell abweichende Variante vocatus auf, das (mit roman. -g- statt -c-) über ahd.fogät und mhd. vog(e)t/voit dem Historismus Vogt »Verwalter, Schirmherr, Richter« (als Familienname auch in der Lautgestalt Voit) zugrunde liegt. Neben avocat »Rechtsanwalt« existiert im Französischen die aus dem Vulgärlatein ererbte Dublette avoué, welche in deutschsprachigen Nachschlagewerken zusammen mit Avocat »Anwalt der Partei, dem in Zivil- und Strafsachen das Plädoyer vor den Gerichten 1. und 2. Instanz obliegt« ebenfalls als Exotismus gelegentlich aufgeführt wird: Avoué »im französischen Prozessrecht Anwalt einer Partei, dem besonders die formelle Vorbereitung eines Prozesses vor den Berufungsgerichten obliegt«. Der spanische Fortsetzer des lateinischen Wortes lieferte seinerseits den Namen der birnenförmigen dunkelgrünen Frucht des südamerikanischen Baumes nlat. Persea gratissima dt. Avocado (vgl. analog gleichbed. engl, avocado, frz. avocat sowie die verdeutlichende Lehnübersetzung Advokatenbirne neben Avocado-, Avocat-, Avogatbirne). Es handelt sich um eine zeitweilige volksetymologische Anlehnung an span. abogado/avocado »Anwalt«, denn der Name der Avocadobirne lautet auf Spanisch im Prinzip aguacate und geht zurück auf aztekisch ahuacatl/auacatl (eigtl.
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>HodenFotze der Hündinzu gleichen Teilen«: Erstarrter Ablativ Plural von lat. pars >Teil< (s. Part) und aequus >eben; gleich; gerechte von dem abgeleitet sind z. B. aequare >gleichmachen< (s. äquieren) und aequalis >eben; gleich< (s. äqual). Der Ablativ Singular des Adjektivs liegt vor in der präpositionalen Fügung ex aequo >in derselben Weise, gleichermaßen« (s. ex), viel häufiger anzutreffen ist jedoch seine eingedeutschte Kompositionsform äqui-/Äqui- als Wortbildungselement mit der Bedeutung >gleich-< etwa in äquivalent >gleichwertigstark, kräftig, gesund, wert seinHubschrauber im Taxidienst; Nahverkehrsmittel, das aus einer Kabine besteht, die an Kabeln zwischen Masten schwebtc Zusammensetzung aus dem Wortbildungselement Aer(o)- >Luft, Gas< (eigtl. Kompositionsform von griech. äir >Luft(schicht), DunstkreisFahrzeug für alles s. Omnibus). Dasselbe Wortbildungselement war Vorderglied des im 19. Jh. aufgekommenen, heute im Französischen und Deutschen veralteten Wortes aéroplane bzw. Aeroplan >FlugzeugLuft< angelehnt und lautet daher airplane. Zur Bezeichnung eines Großraumflugzeugs für Kurz- und Mittelstrecken wurde dort durch Abtrennung von air- und dessen Verknüpfung mit bus das Warenzeichen airbus gebildet, das zu dt. Airbus als strukturgleicher Dublette von Aerobus übernommen wurde. Affion >mit Ambra und Safran zu Dicksaft eingekochtes Opium«: Das veraltete Fremdwort stammt aus gleichbed. ital. affione, das über türk. afyort und arab. afyun >Opium< auf griech. ôpion >Mohnsaft< zurückgeht. Letzteres, ein Diminutiv zu opôs »Pflanzensaft«, ist auch die Quelle von lat. opium, welches im 15. Jh. die Bezeichnung für das aus dem Milchsaft des Schlafmohns gewonnene schmerzstillende Arznei-
afrikanisch mittel und Rauschgift Opium lieferte. Im Falle von Dublettenpaaren, bei denen das eine Glied - etwa Affion vs. Opium - Archaismus ist, ließe sich von etymologischer Duplizität aus historischer Sicht sprechen. Afrika: Morphologisch-orthographische Eindeutschung von lat. Africa, ursprünglich dem Namen der 146 v. Chr. gegründeten römischen Provinz entlang dem südlichen Küstenland des Mittelmeeres und dann des ganzen Erdteils. Sie war nach dem um Karthago sesshaften Volksstamm der Afri benannt, vgl. die Kompositionsform von dessen Namen in afroalpin »das afrikanische Hochgebirge betreffend« und in Afroamerikaner >aus Afrika stammender Amerikaner«. An sich ist Africa das Femininum zum Adjektiv Africus »afrikanisch; punisch«, das in Africanus (s. afrikanisch) weitergebildet erscheint. Das aus lat. ventus Africus (wörtl. »afrikanischer Wind«) verselbständigte Maskulinum liegt der Bezeichnung eines in Südspanien wehenden Südwinds span. ábrego und daher dem Exotismus Abrego zugrunde. afrikanisch: Durch Adsuffigierung stattgefundene Übernahme des gleichbedeutenden lateinischen Adjektivs Africanus m. »Afrika betreffend, aus Afrika stammend«, einer Weiterbildung von Africus (s. Afrika). Die Struktur des deutschen Adjektivs deckt sich mit der von niederl. Afrikaans »afrikanisch« (-5 < -sch), das mit seiner Nebenbedeutung »kapholländisch« sowie als Sprachbezeichnung im Deutschen üblich ist: afrikaans bzw. Afrikaans »Tochtersprache des Niederländischen, die sich seit dem 17. Jh. aus der Sprache der niederländischen Siedler in Südafrika entwickelt hat (seit 1875 zur Schriftsprache erhoben, seit 1925 neben dem Englischen gleichberechtigte Landessprache der Republik Südafrika)«. Im Unterschied zur morphologischen Anpassung des lateinischen Adjektivs durch das Suffix -isch bleibt das im Altertum als Ehrenname (Kognomen) mehrerer Patrizierfamilien gebrauchte Africanus unverändert, als Personenbezeichnung substantiviert wurde es dagegen mithilfe des Suffixes -er zu Afrikaner eingedeutscht und ist somit als etymologische Dublette von afrikanisch usw. im weiteren Sinn des Wortes anzusehen. Als etymologische Dublette im engeren Sinne stellt sich zu Afrikaner die aus dem Niederländischen entlehnte, analog strukturierte Bezeichnung für die in Südafrika geborenen Nachkommen der Buren (s. Bauer) Afrikaander/ Afrikánder (Auslaut -ander nach niederl. Englander »Engländer«, Hollander »Holländer«), Der Vorlage am nächsten steht der substantivierte Plural des Neutrums Africanum Afrikana »Werke über Afrika«. Im Englischen tritt lat. Africanus lediglich zu African deglutiniert auf, vgl. z. B. den auch im Deutschen
Agenda
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gelegentlich anzutreffenden Namen der i960 verbotenen politischen Bewegung und heutigen Partei in der Republik Südafrika Afrikanischer Nationalkongress: African National Congress. Agenda >Merkbuch; Liste von Gesprächs- und Verhandlungspunktenc Als Vorlage dieses Femininums diente lat. agenda >zu erledigende Dingetreiben, handeln< (s. Agens). Mit der Bedeutung >(Buch für die) Gottesdienstordnung< ist in der evangelischen Kirche die eingedeutschte Dublette Agende üblich, in der sich mlat. agenda (dies) >durch Messfeier ausgezeichneter Tag)< spiegelt. Deren lexikalisierten Plural Agenden gebraucht man, der Ausgangsbedeutung des Latinismus folgend, besonders im Österreichischen im Sinne von >zu erledigende Aufgaben, Obliegenheiten^ vgl. Zollagenden Aufgabenbereich des Zollstreibende Kräfte In der Linguistik bezeichnet das sonst in der Philosophie und Medizin fungierende Fremdwort im Gegensatz zu Patiens (s. d.) den Träger eines durch das Verb ausgedrückten aktiven Verhaltens. Es ist das substantivierte Partizip Präsens agens, Gen. agentis von lat. agere, Part. Perf. actum >treiben, handeln< (> dt. agieren). Die spätlateinische Substantivierung agens {in rebus) >Sachwalter, Beauftragten lieferte im 16. Jh. über ital. agente dt. Agent >Spion; Vermittler von Engagements< (ursprünglich nur >GeschäftsträgerLockspitzelvon einem Verb abgeleitetes Substantiv, das das (handelnde) Subjekt eines Geschehens bezeichnet (s. Nomen). Auf dem Verb agere beruht Agenda (s. d.), und von seinem Partizipiaistamm act- abgeleitet sind die unter Act, Actio, Actus, aktiv, Aktivitas, aktuell dargestellten Dubletten, vgl. auch Attitude. Agreement >formlose, aber bindende Übereinkunft im zwischenstaatlichen Verkehre Als politischer Terminus im Rahmen der Fügung Gentlemans/ Gentlemen's Agreement (vgl. Gentleman unter gentil) entlehnt aus gleichbed. engl, agreement (eigtl. Vereinbarung^, dessen Quelle oder Derivationsmuster frz. agrément dt. Agrément Zustimmung einer Regierung zur Ernennung eines diplomatischen Vertreters in ihrem Land< ergab. Das französische Wort ist ein Deverbativum von agréer genehmigen, gut heißen, gefallen< (daraus engl, to agree zustimmen, Übereinkommens dt. agreieren >genehmigenzu Gefallen< oder - über roman. *aggretare - auf der analog strukturierten präpositionalen Fügung lat. adgratum (vgl. ad, s. grata) beruht.
Air >Hauch, Fluidum; Aussehen, Haltung; Melodie, liederartiges Instrumentalstückc In der Regel wird die letztere Bedeutung lexikographisch in einem Homonym verselbständigt, obwohl das seit dem Anfang des 18. Jh. bezeugte Air aus gleichbed. frz. air stammt, das zusammen mit seinen bedeutungsgleichen Kognaten ital. aria und span. aire von den meisten Forschern über lat. aer >Luft< auf griech. äir >Luft(schicht), Dunstkreis< zurückgeführt wird. Ausschlaggebend für die zugesprochene Homonymie sollte demnach nicht die Ursprungsverschiedenheit, sondern die zweifelsohne verwirrende semantische Vielfalt des Wortes sein, die man durch eine Bedeutungserweiterung von >Luft< über >Atmosphäre, Milieu< (z. B. frz. l'air de la cour >die Atmosphäre bei HofeWeise, Melodie, Lied< zu erklären versucht. Ital. aria, entstanden aus umgestelltem vlat. *area (< lat. aera, Akkusativ von aer), lieferte im 17. Jh. Aria >Lied, MelodieOpernlied< eingeengt wurde. Die ursprüngliche Bedeutung des italienischen Wortes steckt in der Krankheitsbezeichnung Malaria (eigtl. schlechte LuftLuft, Gas< auf in zahlreichen Termini wie Aerodynamik >Lehre von der Bewegung gasförmiger Stoffe, besonders der Luft< (über das Grundwort vgl. Dyn), Aerobús (s. d.), aerogen >gasbildend (Bakterien); durch die Luft übertragen (Infektion)< (über -gen vgl. Genus). Analog fungiert auch ins Englische entlehntes air >LuftMittel zur Luftverbesserung< (s. frisch), Aircondition >(versehen mit) Klimaanlage< (s. Kondition), Royal Air Force >Königliche Luft-waffe< (s. Royal, Forsche). Der Plural von span. aire begegnet uns im Namen der Hauptstadt Argentiniens Buenos Aires (eigtl. >gute Winde< oder >frische Luftan einer Universität oder Hochschule erworben oder erfolgend; wissenschaftlich; trocken, theoretische Im 16. Jh. durch regulären Suffixersatz (s. fanatisch) übernommen aus lat. academicus m., académica f., dem Adjektiv zum Gräzismus Academia (aus griech. Akadémeia, dem Namen des Sitzes der platonischen Schule in der Nähe eines Hains, der nach dem altgriechischen Heros Akademos benannt war), der durch französische und italienische Vermittlung dt. Akademie >Forschungsstätte; Fachhochschule< lieferte. Durch Adsuffigierung wurde das substantivierte Maskulinum academicus über Academicus/Akademikus (seit 1600) im 18. Jh. zu Akademiker >jemand, der eine Universitäts- oder Hochschul-
akut
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a u s b i l d u n g hat o d e r Mitglied einer A k a d e m i e ist
vor allem f ü r die Studierenden eingerichtete
nus der P h i l o s o p h i e Vita activa »tätiges Leben«
Kantine an H o c h s c h u l e n u n d Universitäten« (eigtl.
(s.
a k a d e m i s c h e r MittagstischZusammenklang; B e z a h l u n g nach Stückzahl;
einer studentischen V e r b i n d u n g Verpflichteten«: A u s
Ü b e r e i n k o m m e n « : I m 16. Jh. enlehnt aus frz. accord
lat. activitas,
mit der A u s g a n g s b e d e u t u n g Ȇbereinstimmung,
t r a k t u m zu activus »tätig, wirksam«, s. aktiv) u n d so-
A b k o m m e n s einer A b l e i t u n g v o n accorder
mit einer der w e n i g e n originalgetreu wiedergegebe-
>ein
G e n . activitatis
»Wirkungskraft« (Abs-
A b k o m m e n schließen«. Ü b e r afrz. acorder >in Ü b e r -
nen Latinismen a u f - t a s . Der Auslaut v o n B i l d u n g e n
e i n s t i m m u n g bringen« f ü h r t dieses gleichbed. vlat.
dieser Art w i r d g e w ö h n l i c h durch -tat (aus d e m
*adcordare
S t a m m der o b l i q u e n Kasus -tat- im Lateinischen u n d
f o r t , das eine A n a l o g i e b i l d u n g mit d e m
P r ä f i x ad- (s. ad) zu concordare
>in Einklang stehen«
unter d e m Einfluss seines französischen Repräsen-
ist u n d gleicherweise a u f lat. cors, G e n . cordis >Herz,
tanten -te, s. Karitas,
Geist, G e m ü t , Stimmung« (s. Herz) beruht. A u s d e m
die im Singular gebräuchliche e t y m o l o g i s c h e D u b -
Französischen s t a m m t auch der seltenere A u s d r u c k
lette Aktivität »Tätigkeit(sdrang), Betriebsamkeit,
accord »einverstanden« (s.
de').
Societas)
verdeutscht, so auch
W i r k s a m k e i t , U n t e r n e h m u n g s g e i s t , Energie«. Ihr geg e n ü b e r hat sich die lexikalisierte P l u r a l f o r m Aktivi-
A k m e »Höhepunkt, G i p f e l (des Fiebers, einer K r a n k heit o.A.)Tätig(keitsgenus des Ver-
bums)« (s. Genus, vgl. Wort) als G e g e n w o r t zu Passiv »Leideform des Verbs« (s. passiv).
Die Verwendung
v o n h o m o n y m e m Aktiv 2 n. »Arbeitsgruppe zur gemeinsamen Vorbereitung und Erfüllung bestimmter Aufgaben«, f r ü h e r ein fester Bestandteil des politischgesellschaftlichen Wortschatzes der D D R , erfolgte nach d e m Vorbild v o n gleichbed. russ. aktiv, entstanden w o h l durch B e d e u t u n g s e r w e i t e r u n g v o n aktiv »Bestand«, dieses aus frz. a c f i / a l s
finanzwirtschaft-
lichem Fachwort, vgl. d a f ü r im D e u t s c h e n Aktiva/ Aktiven Plur. »Vermögenswerte eines U n t e r n e h m e n s auf der linken Seite der Bilanz« (aus lat. activa, lexikalisierten N e u t r u m Plural zu activus).
dem
Adjekti-
visch flektiert Aktiver »aktiver Sportler; aktives Mitglied eines Karnevalvereins o d e r einer Aktivitas (s. d.)Betonungszeichen für den steigenden Ton< (Zeichen: ' in e, eigtl. >scharfe Betonungan etwas fallen; vorfallen, sich ereignen< (ad-Präfigierung von cadere >fallenzufällige, nicht wesentliche Eigenschaften zurück, während die übliche >zufällige Dinge, Nebensächlichkeiten im Deutschen von der zu einem semantisch spezialisierten Femininum singularisierten Pluralform übernommen wurde: Akzidenz >Druckarbeit, die nicht zum Buch-, Zeitungs- und Zeitschriftendruck gehört (z.B. Formulare, Prospekte, Anzeigen)Destillierkolben der Alchimisten: Historismus, der wie gleichbed. niederl. alambiek/alembiek, frz. alambic und mlat. alambicum traditionell über span. alambique auf arab. (samt bestimmtem Artikel al-) al-anbiq/al-inblq >Becher< und dann weiter auf griech. ämbix >Becher, Destilliergefäß< zurückgeführt wird. Für den ähnlich lautenden Namen eines dunklen belgischen Biers ohne Hefezusatz, das spontan in ein bis zwei Jahren ausgegoren ist, frz. lambic und daher dt. Lambic ist P. A. F. van Veens Annahme in Bezug auf fläm. lambiek >Biersorte< und unter Verweis auf niederl. alambiek, es sei vermutlich nach dem Braukessel benannt, einleuchtender denn die im Duden-Fremdwörterbuch geäußerte, das Wort gehöre vielleicht zu frz. lambin >langsam, trödlerischNotsignal, Warnung bei Gefahre Das seit dem 15. Jh. bezeugte Wort (spätmhd. alerm, frühnhd. alerman/alarm) stammt aus ital. allarme, einer Zusammenrückung des militärischen Rufs all'arme >zu den Waffen!weißes liturgisches Untergewand der katholischen und anglikanischen Geistlichem (über die analoge dreifache Übernahme von lat. medius m., media f., medium n. s. mitten). Eine ältere, in lat. alba >Helle, Morgenröte< vorliegende substantivische Verwendung des Femininums lieferte sowohl das Homonym Alba 2 >altprovenzalisches Tagelied< als auch dessen französische lautliche Umwandlung Aube mordfranzösisches Minnelied, das neben der provenzalischen Alba Vorbild des deutschen Tagelieds wurde< (eigtl. >Morgendämmerung, Tagesanbruchweißer Adlere s. Aquila). Der von der Präposition in (s. d.) regierte Ablativ Plural des Adjektivs ist enthalten im veralteten Fachausdruck der Buchbinder in albis >in Rohbogen, nicht gebunden< (eigtl. >auf weißenauf weißen, mit Gips übertünchten TafelnBruchweiß blühende Über die Verdrängung der auf idg. *albh>weiß< (vgl. Alb1) zurückgehenden lateinischen Farbbezeichnung durch germ. *blanka- >glänzend, hell, weiß< in den romanischen Sprachen s. Blanc. Algorithmus: Der Fachausdruck der mathematischen Logik im Sinne von Verfahren zur schrittweisen Umformung von Zeichenreihen ist in Anlehnung an griech. arithmös >ZahlRechenkunst< aus der mittellateinischen Bezeichnung für die Rechenart mit Dezimalzahlen algorismus entstanden. Dies ist ein Eponym (s. d.), und zwar latinisierte Form des Beinamens des aus Choresm (heute Chiwa in Usbekistan) stammenden persisch-arabischen Mathematikers des 9. Jh. Abdallah Muhammad Ibn Musa Al-Chwarismi (andere Transkriptionsvarianten AI-HwarizmT/Al Charismi, also eigtl. >der aus Cho-resm/Chwarism, der Chwarismierganz, gesamte Zusammen mit gleichbed. engl, all wird es über germ. *alla-, älter *alna- auf die indogermanische Partizipialform *alno- ausgewachsen, vollständig< (zu *al- >wachsenüberall, insgesamt^ eigtl. >über allesganz freundliche zu wäri, einer nach W. Pfeifer jfl-stämmigen Variante von war > nhd. wahr, s. d „ nach E. Seebold aus germ. *al[l]a-wxrja-, einem Bahuvrihi-Kompositum >dessen Vertrauen ganz ist, der volles Vertrauen hat< zu einem Wurzelnomen idg. *wer- >Vertrauenalles ist in Ordnung< (s. wohl), Overall einteiliger (Arbeits)anzug< (s. über) sowie in der morphemgleichen Struktur allover >über und über gemustert (von Stoffen und Gewirken)GottGottmein< versehen, erscheint die semitische Grundlage in den letzten Worten Jesu Eli, Eli lema sabachtani? >Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?< (Mt 27,46). Sie ist ferner Bestandteil einiger biblischer, zum Teil recht abweichend gedeuteter Namen wie Daniel (hebr. däni'el >[mein] Richter ist GottGott mit uns/mit uns ist Gott[das Gebet wurde] von Gott erhörtsich verbundene (sich) alliieren >(sich) verbünden, (sich) vereinigen^ ganz besonders im substantivierten Partizip Perfekt die Allierten >die im l. und 2. Weltkrieg gegen Deutschland verbündeten Staaten< (vgl. entsprechend frz. allié >verbündet; Verbündeten). Alpen: Der im Plural übliche Gebirgsname (entsprechend lat. Alpes, griech. Älpeis) wird zusammen mit Alb 2 f. (in Fränkische Alb, Schwäbische Alb) aus einer vorindogermanischen Grundlage alb- >hoher Berg< hergeleitet, man hat ihn aber sehr früh von der Vorstellung der Schneeberge heraus volksetymologisch mit lat. albus >weiß< (s. Album) verknüpft. Als Gattungsname kommt das oberdeutsche Femininum Alb (mhd. albe, ahd. alba >BergweideWeideplatz auf einem Berg, Hochweide< vor, woneben eine aus synkopierten Formen des einst schwach flektierten Substantivs Alben/ Albn/Albm durch assimilatorischen Schwund entstandene gleichbedeutende Dublette Alm existiert. Totale Assimilation Ib/lp > II liegt dagegen vor im Landschaftsnamen Allgäu (seit dem 14./15. Jh. aus älterem Albegewi, Albigowi, eigtl. >AlbgauAntimon-, Grauspießglanz< zurück. Ohne den Artikel al- liegt das arabische Wort in engl, kohl >Puder zum Schwärzen der Augenlider< vor, über span.-arab. alkuhül gelangte dagegen die determinierte Fügung im 16. Jh. in die Sprache der Alchimisten, in der mlat. alcohol >feines Pulver< vor allem durch Sublimierung und Destillation gewonnene Substanzen und Essenzen bezeichnete. Paracelsus bezog es auf den durch hohe Flüchtigkeit gekennzeichneten Weingeist (mlat. alcohol vini, vgl. Wein), wonach der Terminus Alkohol einerseits auf andere berauschende Getränke übertragen wurde, andererseits in der Chemie Klassenbedeutung erhielt. als 1 : Dieser Konjunktion liegt ein nach eingetretener Abschwächung apokopiertes mhd. als(e) >ebenso,
wie, als (ob), weil< zugrunde, das mit gleichbed. also auf ahd. alsö/also >ebenso, wieganz so< (aus so >sosobald< > nhd. alsbald/veraltet alsobald >sofortaufgewachsen< zu germ. *ala- >wachsen, nähren< stellen oder unmittelbar auf das to-Partizip *alto- >herangewachsen< von dessen Quelle idg. *al- (vgl. allx) zurückführen lässt. Gleicher Herkunft (nach W. Pfeifer) bzw. eine parallele Entwicklung (nach anderen Forschern), d.h. eine angesichts von lat. alere mähren, aufziehen< adäquate Bildung stellt lat. altus >hoch< dar. Aus diesem (substantivisch vertreten in Altus >falsettierende Männerstimme in Altlage, besonders in der Musik des 16.-18. Jh.; Sänger mit Altstimmehochtiefe Frauenstimme< (für lat. vox alta >hohe Stimmedie Mode bestimmende (eigtl. hohe) Schneiderkunst< (Bezugswort: couture >Nähen, Schneiderhandwerk< aus vlat. *cosutura, Verbalabstraktum zu *cosere für lat. consuere >zusammennähenschieß hoch!ziehen; schießenaltes Rotaltes, gut gepflegtes Modell eines Fahrzeugs mit Sammler- oder Liebhaberwert; Telefon, Möbel, das nach dem Vorbild des Alten hergestellt wurde; jemand, der über viele Jahre bei einem Beruf oder Ähnlichem dabei ist< (aus engl, old-timer »Altgedienter, Altbewährter, Veteranaus alten Zeiten stammendhandlich, praktisch, zur Hand< gestütztem Handy oder aus engl, twenty >zwanzig< fragmentiertem Twen (s. zwanzig) - um eine Umdeutung der englischen Vorlage. Aus mnd. ölt (flektiert ölde) ist durch totale Angleichung It/ld > II die landschaftliche Lautform oll >alt; unangenehm; unschön< z.B. in der umgangssprachlichen Fügung olle Kamellen >Altbekanntes< (s. Kamille) entwickelt, vgl. auch substantiviert der/die Olle >der/die Altealte Erdealte Burg< von Plisne/Blisna bezieht und die flektierte Form von alt (s. d.) aus der Fügung (zur) alten Burg als Vorderglied hat. Er kann die Lehnübersetzung von einem alten westslawischen Namen sein, der in mehreren Stargard (stary >alt< + gard >Burg, Stadtdie Älterenbei der Parfümherstellung verwendete fettige Darmausscheidung des Pottwalsc Die beiden Varianten der auf gleichbed. arab. 'anbar zurückgehenden Bezeichnung des Duftstoffs zeugen von deren Vermittlung jeweils durch frz. ambre und ital. bzw. mlat. ambra (gleichermaßen mit teilweiser Angleichung mb < arab. nb). Im Englischen gebraucht man dafür ambergris (< afrz. ambre gris, eigtl. >grauer A m b e n ) , während amber seit dem 14. Jh. im Sinne von >Bernstein< auftritt. Gelegentlich wird Amber 2 >Bernstein< auch im Deutschen als Anglizismus verzeichnet. Aus gleichbed. engl, pomander (älter pomamber) stammt offensichtlich die im DudenFremdwörterbuch aufgeführte Zusammenrückung Pomander >kleines, mit Löchern versehenes kugliges Gefäß, das mit duftenden Kräutern o. Ä. gefüllt in Kleider- oder Wäscheschränke gehängt wirdWettrennen auf amerikanische ArtSpringprüfung, in der der Parcours beim ersten Fehler beendet ist< (s. ad). Amerikana, substantivierter Plural des Neutrums Americanum zu lat. Americanus, ist schließlich die zusammenfassende Bezeichnung für Werke über Amerika.
Amigo Amigo >als Freund und Gönner eines Politikers auftretender Geschäftsmann, der sich dadurch Vorteile für sein Unternehmen erhoffte Die umgangssprachliche Bezeichnung und ihre weibliche Form Amiga beruhen auf span. amigo >Freund< bzw. amiga >Freundinlieb, befreund e t (zu amare >liebenFreundFreund des VolkesFreunde der Schwarzenin mehreren Sprachen in gleicher Form, aber in verschiedenen Bedeutungen vorkommendes Wort, das leicht falsch verwendet werden und zu Interferenzfehlern führen kann< (gekürzt aus faux ami du tradueteur >falscher Freund des Übersetzers^ s. Falsum), Beiami >Frauenlieblingschöner FreundBeamter des gehobenen Dienstes< (vgl. Beamter) identisch. Es ist aus diesem durch Angleichung /mtm/ > /mm/ entstanden und setzt demnach mhd. amtman/ambetman, ahd. ambahtman fort. Letzteres, eine Zusammensetzung aus Mann (s. man) und dem Amt (ebenfalls durch Angleichung aus mhd. ampt/ambet hervorgegangen) zugrunde liegenden Substantiv ahd. ambahti >Dienst, AmtDiener, Gefolgsmann< verdrängt. Ahd. ambahti wird über germ. *ambaht(j)a auf gall. *ambaktos >Höriger, Diener, Bote< (eigtl. >Herumgesandterherum< (s. um) und der indogermanischen Grundlage des unter Agens genannten Verbs lat. agere >treiben, handeln< komponiert ist. Da der Mechanismus der Weiterbildung von lat. ambactia >Dienst< als Entsprechung von gleichbed. ahd. ambahti über aprovenz. *ambaissa zu ambaissada bzw. zu ital. ambasciata und daraus (afrz. ambasse verdrängend) frz. ambassade nicht präzise genug analysierbar ist, wäre es wohl
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nicht vertretbar, bei Amt und Ambassade >Botschaft, Gesandtschaft etymologische Duplizität erschließen zu wollen. Ammer: Name eines linken Nebenflusses der Isar, der den Ammersee durchfließt und nach seinem Austritt bis zur Mündung bei Moosburg Amper 1 genannt wird (zu homonymem Amper2 s. Amphora). Nach D. Berger ist der seiner Herkunft nach lateinische Flussname (vgl. die aus dem 3. und 8. Jh. bezeugten Genitiv- und Lokativformen Ambrae, Ambre) mit dem Suffix -ra zur indogermanischen Wurzel *ombh-, "tnbh- >feucht; Wasser< gebildet. Als weitere Glieder dieses sonderbaren Dublettenpaares wiederum mit und ohne Assimilation des Verschlusslautes sind der Name des linken Nebenflusses der Weser Emmer (9. Jh. super fluvium Ambra) und das Bestimmungswort im Namen der südöstlich von Hildesheim liegenden Landschaft Ambergau (vgl. Gau) zu nennen. Amor: Der Name des römischen Liebesgottes (s. auch Amorette), der dem Eros in der griechischen Mythologie entspricht und nach dem auch ein Planetoid benannt ist, ist mit dem lateinischen Wort amor, Gen. amoris m. >LiebeLiebschaften< (zu amare >liebenLiebe zum Notwendigen und Unausweichlichem (eigtl. >Liebe zum Schicksal, s. Fatum). Aus dem lateinischen Akkusativ Singular amorem sind gleichbed. ital. amore (vgl. amoroso) und (afrz. amur, dann lautgesetzlich ameur, schließlich unter Einfluss der provenzalischen höfischen Dichtung) frz. amour hervorgegangen, vgl. dessen Plural amours wiedergebendes veraltendes Amouren >Liebschaften, Liebesabenteuer und dessen in der französischen Bezeichnung für Liebe unter Männern Amour bleu (eigtl. >blaue LiebeFigur eines geflügelten Liebesgottesc Unter Anlehnung an das französische Diminutivsuffix -ette stattgefundene Eindeutschung des gleichbedeutenden kunstwissenschaftlichen Fachausdrucks ital. amoretto (Verkleinerungsform zu Amor, s. d.). Strukturgleich ist frz. amourette >Liebeleihartes, rötliches Holz einer westindischen Mimose< hat dagegen nichts mit frz. amourette >Liebelei< zu tun, sondern ist vielmehr teilweise
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Lehnübersetzung von frz. bois d'amourette >Akazienholz< (zu bois >Wald; Holz< s. Busch). Darin tritt offensichtlich das gewöhnlich durch Zittergras wiedergegebene Homonym amourette auf, das A. Dauzat auf den unter Einfluss von lat. amarus >bitter, herb< und frz. amour geratenen lateinischen Pflanzennamen amalusta zurückführt. amoroso >liebevoll, zärtlichc Als musikalische Vortragsanweisung übernommen aus gleichbed. ital. amoroso m., das wie frz. amoureux m., amoureuse f. (aus dem Femininum dt. amourös >eine Liebschaft betreffend; verliebtliebevoll, verliebt< (zu amor >LiebeEinheit der elektrischen Stromstärkec Im Unterschied zu anderen auf Eigen- oder Gattungsnamen basierenden Maßeinheiten, die sich wie etwa Farad (s. d.), Dyn (s. d.) strukturell von ihren Vorlagen unterscheiden, ist Ampere (Zeichen: A) phonound graphosemantische Dublette von Ampère, dem Familiennamen des französischen Physikers A. M. Ampère (1775-1836), dem zu Ehren sie 1898 eingeführt wurde. Amphora/Amphore: Der Name des antiken zweihenkligen Tongefäßes zur Aufbewahrung von ö l und Wein geht über lat. amp(h)ora auf griech. amphoreüs, das haplologisch verkürzt ist aus *amphiphoreüs >Zweiträger, ein beiderseits getragener Krugum - herum, von beiden Seiten< (s. um) und der abgetönten Vollstufe des Verbs phérein >tragen< (urverwandt mit ahd., mhd. berett >tragen, hervorbringen^ zu dem nhd. gebären und entbehren sowie Bahre eigtl. >Trage< gehören, vgl. Phosphor). Die vulgärlateinische Nebenform ampora wurde mit romanischem b ins Westgermanische entlehnt und ergab ahd. ambar/amber, das ziemlich adäquat in österr. mdal. Amper2 >Kanne; eine Art KübelEimer, große Kanne; große weibliche Brust< fortlebt (zu homonymem Amper1 s. Ammer). In gewissem Sinne wirkte das Fremdwort eine Zeitlang synonym mit dem einheimischen ahd. zubar >zweiträgiges Gefäßtragen< wurde es dann auf einen nur einhenkligen Kübel übertragen und in der Lautung einbar/eimbar von zubar bedeutungsmäßig differenziert. Im Mittelhochdeutschen ist die aus nb durch partielle Assimilation entstandene Lautverbindung mb in eimber durch totale Assimilation zu mm umgewandelt und zu m vereinfacht worden, so dass das Wort letztendlich die
Analyse
Lautgestalt Eimer (einst als Gegenwort zu Zuber umgedeutet) annahm. Ampulle: Die Bezeichnung für ein bauchiges Gefäß, die in der Neuzeit in der Medizin auch die Bedeutungen >bauchige Erweiterung eines röhrenförmigen Hohlorgans< (19. Jh.) und >zugeschmolzenes Glasröhrchen< (20. Jh.) entwickelt hat, gibt lat. ampulla >kleine Flasche; ölgefäß< (lautlich umgewandelt aus *amporla, einer Verkleinerungsbildung zu vlat. ampora >kleineres bauchiges, nicht unbedingt zweihenkliges Gefäßkleine Hängelampe; hängendes Gefäß für Topfpflanzen< durch die Bedeutung S i g nallampe zur Verkehrsregelung< (urspr. Verkehrsampel) neu belebt. Auf niederdeutschem Boden wurde die unbetonte Anfangssilbe einer Parallelform des Fremdwortes weggelassen, so dass es im 18. Jh. in der Lautung Pulle >Flasche< in die allgemeine Umgangssprache gelangen konnte. an: Das als Präposition und Adverb (besonders als Präverb) fungierende Wort geht über mhd. an{e), ahd. an(a) auf germ. "ana (woraus auch engl, on >an, aufauf, hinauf, entlang, gemäß, zu< auf idg. *ana >hinan, entlang< beruht. Durch Angleichung anb- > amb- umgewandeltes an- liegt in der präfigierten Bildung Amfcojß vor, entstanden aus mhd. an(e)böz ( < ahd. anaböz, wörtl. >woran, worauf man schlägtdas Sichtbarsein des Sprechers im Fernsehen(Kauf) auf Abrufin direkter Verbindung mit der Datenverarbeitungsanlage arbeitend< (s. Linie). Mit distributiver Funktion ist die griechische Präposition enthalten im normalerweise zu ana (oder ää, oder aber ää. pt. aequ.) abgekürzt gebrauchten Vermerk auf ärztlichen Rezepten ana partes aequales >zu gleichen Teilen< (s. Part, äqual). Als erster Bestandteil ana- tritt sie in Fremdwörtern auf wie analog (< griech. análogos >einem Verhältnis entsprechende zusammengebildet aus aná und lógos >Wort, Rede; Maß; V e r n u n f t , s. Logo), Analyse (s. d.). Analyse: Der seit dem 15. Jh. bezeugte wissenschaftliche Terminus (zunächst analysis) wurde aus mlat. analysis »Auflösung, Zergliederung< entlehnt und im
Angelica 18. Jh. wohl an frz. analyse formal angeglichen. Das mittellateinische Wort entstammt aus gleichbed. griech. análysis (zu analyein >auflösenlösen< mit ana- >auf, hinaufTeil der Mathematik, in dem mit Grenzwerten und veränderlichen Größen gearbeitet wird; Voruntersuchung beim Lösen geometrischer Aufgaben< wiederkehrt. Angélica >kleine theorbenartige Laute des 17./18. Jh. mit 17 diatonisch gestimmten Saiten; ein Orgelregistero Substantivische Verwendung der femininen Form von lat. angelicus >himmlisch, engelhaft^ entlehnt aus griech. angelikós >die Engel betreffend, ihnen zukommend, zu ihnen gehörend< (zu úngelos >Gesandter, Bote, Engellieblich, schwebend klingendes, flötenartiges Orgelregister< (eigtl. >von engelhaftem Klangdie Engelhafteauf die Engel bezüglich, Engels-Vorliebe; Schwung, Lust< bedeutenden Austriazismus liegt ital. animo >Seele, Mut, Wille< zugrunde. Dieses setzt lat. animus >Seele, Geist; Neigung, Lust; Stimmung; Mut< (zusammen mit anima >Atem; Seele; Leben< zu idg. 'and- >atmendas Seelenbild des Mannes im Unbewussten der Frau (nach C. G. Jung)Ahnung, Eingebung< stammt, vgl. ferner die rechtssprachlichen Termini Animus Auctoris >Täterwille< (s. Autor), Animus Socii >Gehilfenwille< (s. Sozius). A n k e r : Der über lat. ancora aus gleichbed. griech. ánkyra entlehnte Schifffahrtsterminus erscheint im 12. Jh. mit der Übernahme des neuartigen Geräts am Niederrhein und an der Nordsee anstelle der ahd. senkil genannten schweren Steine zum Festmachen der Schiffe. Er gelangte auch ins Englische: aengl. ancor/ancer/ancra, das heute - einer im Schriftbild von ancora abweichenden Nebenform lat. anchora folgend - engl, anchor zugrunde liegt und, von dessen verbaler Verwendung im Sinne von >verankern< ausgehend, als Vorderglied des Fremdwortes Anchorman >Moderator, Nachrichtensprecher< (also eigtl. d e r jenige, der journalistische Beiträge quasi verankertHaken< bedeutet haben soll,
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begann man einen früher den hethitischen Namen Ankulla/Ankuva tragenden antiken Ort in Anatolien zu nennen, der 1923 Hauptstadt der Türkei wurde und seit 1930 Ankara heißt. Dieser modernen Lautung ihres Namens ging die aus Ankyra entwickelte Angora voraus, die als Wortbildungselement mit der Bedeutung >feine, lange Haare habend< in den Komposita Angorakatze, -kaninchen, -wolle, -ziege (gelegentlich auch als Kopfisolierung die Angora >Angorakatzeungenannt, namenlos; nicht namentlich bekannte Im 18. Jh. über gleichbed. frz. anonyme und lat. anonymus entlehnt aus griech. anönymos, einer Bildung aus dem Substantiv ónyma/ónoma »Name« (s. Name) mit dem verneinenden, privativen Präfix a(n)-, das mit dt. un- urverwandt ist. Belege für den Gebrauch der lateinischen maskulinen Substantivierung anonymus im Deutschen existieren dagegen seit dem 17. Jh.: Anonymus >Ungenannter (in Bezug auf jemanden, der etwas geschrieben hat, sein Name aber nicht bekannt ist oder bewusst verschwiegen wird)Gott< (s. Asen) und germ. *gaiza- >Ger< (s. Ger) zusammensetzt und genaue Entsprechungen in aengl. Ösgär und aisl. Asgeirr (heute: Ásgeir) hat. Aus diesem stammt vermutlich air. Oscur, das wohl zusammen mit der altenglischen Lautform dem englischen Namen Oscar zugrunde liegt. Im Deutschen gilt Oskar als eine Ende des 18. Jh. erfolgte Übernahme aus der OssianDichtung des Schotten James Macpherson und tritt u.a. bildlich auf im saloppen Ausdruck frech wie Oskar >auf eine dreiste Art frech< (laut Duden-Universalwörterbuch vielleicht nach Oskar Blumenthal, der Anfang des 20. Jh. sehr scharfe und »freche« Kritiken schrieb). Nicht eingedeutscht kommt zwar Oscar als Personenname selten vor, als Bezeichnung für den jährlich in Form einer vergoldeten Statuette verliehenen amerikanischen Filmpreis ist es aber wohlbekannt. Wahrscheinlich eine altsächsische Lautvariante des germanischen Namens ist erster Bestandteil des Ortsnamens Oschers/efeen (1010 Oskersleuo), in dem -leben so viel wie >erblich hinterlassenes Gut, Grundeigentum< bedeutet, so dass das Ganze im Sinne von »Besitz, Erbe des Öskers< aufzufassen ist.
Appartement
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anti: D i e in der u m g a n g s s p r a c h l i c h e n F ü g u n g anti sein >völlig a n d e r e r Ansicht, absolut dagegen sein< auftretende Partikel ist eine Isolierung des internationalen Präfixes Anti-/anti-,
mit d e m z. B. Antipode
>Gegner
Gegenfüßlerangesichts, entgegen, g e g e n ü b e r beruht. S o w o h l lat. ante >vor< (etwa in ante diem >vor der festgesetzten Zeitvor d e m TagVorderseite, Stirn, G e s i c h t s D a r a u f w i r d auch g e r m . *anda-
>entgegen,
g e g e n ü b e r (vgl. Ende) z u r ü c k g e f ü h r t , das heute in den p r ä f i x b e t o n t e n N o m i n a l k o m p o s i t a A u f - , in den wurzelbetonten V e r b a l k o m p o s i t a dagegen ent( u n d emp- durch A n g l e i c h u n g an d a s / - in gen, empfehlen
u n d empfinden)
lautet: Antlitz
>das Entgegenblickendeund< ebenfalls aus idg. *ant- herzuleiten, s.
t r a k t u m Apartheit »das Apartsein; apartes W e s e n s Apertur »Maß f ü r die Leistung eines optischen S y s t e m s s D e r Terminus basiert auf lat. apertura
»Öffnung, E r -
öffnung< (zum Partizipiaistamm apert- von
aperire
verts unter Pratze). Ü b e r vlat. *opertura
ergab das la-
teinische A b s t r a k t u m gleichbed. frz. ouverture,
aus
d e m im 17. Jh. der musikalische Fachausdruck Ouvertüre »einleitendes Instrumentalstück< entlehnt wurde. A p o t h e k e : D i e seit d e m 13. Jh. bezeugte Ü b e r n a h m e
und.
v o n mlat. apotheca antik >das A l t e r t u m b e t r e f f e n d , altertümliche Seit d e m 17. Jh. bezeugte E n t l e h n u n g v o n gleichbed. frz. antique, welches das zu lat. ante >vor, vorher< (s. anti) gebildete Adjektiv antiquus
m., antiqua
f. >vorig, v o r -
malig, alt< mit der N e b e n f o r m anticus >der vordere< (daraus schon im 16. Jh. mit m o r p h o l o g i s c h adaptier e n d e m S u f f i x -isch dt. antiquisch,
heute antikisch
>im Stile des klassischen A l t e r t u m s , ihm nachstre-
rischen E r f o r s c h u n g des klassischen A l t e r t u m s zus a m m e n , vgl. die d a r a u f b e r u h e n d e Substantivierung Antike >das klassische A l t e r t u m u n d seine Kultur; aus der Antike s t a m m e n d e s Kunstwerk< o d e r den aus d e m Italienischen s t a m m e n d e n musikalischen Facha u s d r u c k Stile antico f ü r einen strengen klassischen antiqua
ist Attribut in Ars antiqua >erste Blütezeit der M e n s u ralmusik< (wörtl. >alte Kunstalte Schrift< verselbstän-
digt ist die Bezeichnung f ü r die heute allgemein gebräuchliche B u c h s c h r i f t Antiqua, die nach E. Seebold so b e n a n n t ist, weil das A l p h a b e t der alten Inschriften als Vorbild f ü r die G r o ß b u c h s t a b e n diente. Dieselbe f e m i n i n e F o r m des lateinischen Adjektivs lautet u n d liegt d e m N a m e n der Insel der
Kleinen Antillen Antigua z u g r u n d e , die z u s a m m e n d e m Inselstaat Antigua
und Barbuda
der K a r i b i k angehört. D a v o n ist Antigua
der übrig
ruht auf griech. apotheke
»Abstellraum, A u f b e w a h -
r u n g s o r t (zu apotithenai
»weg-, a b l e g e n s s. ab1,
Theke). A u s der Aphärese a u f w e i s e n d e n Variante mlat. potheca s t a m m t (wohl ü b e r prov. botica) frz. boutique
>(Kram)ladenaltertümlich< hängt m i t der kunst- u n d kulturhisto-
Ellipse aus (littera) antiqua
zur Versorgung der K r a n k e n in alten Klösternalt< zu
Stil wie etwa den A-cappella-Stil (s. Stil). Lat.
»Vorratskammer; Weinlager;
Kramladen< (insbesondere »Raum f ü r Heilkräuter
Butike/Budike (Letzteres an Bude, s. d., angelehnt)
bendAbgesondertheitWeinschenke< (daraus Bodega »spanische Weinschenke; Warenlager in SeehäfenAufruf, Mahnruf; Antreten zur Überprüfungc Entlehnt im 18. Jh. als militärischer Fachausdruck aus gleichbed. frz. appel, einer Rückbildung aus appeler »auffordern«, dem lat. appellare >um Hilfe ansprechen, aufrufen< (zu lat. pellere >stoßen, treibenzu, an, heran, herbeiaufrufenBerufung; Reiz, Anziehungskraft, Wirkungstarke erotische Anziehungskraft einer FrauBogen< entlehnt aus griech. (h)apsts, Gen. (h)apstdos >Gefüge, Rundung, Bogen, Gewölbe< (zu häptein verbinden, zusammenfügen«). Eine Rückbildung aus dem Plural Apsiden oder Übernahme von ähnlich entstandenem kirchenlat. apsida »Wölbung, Chorkapelle« (d.h. durch Verallgemeinerung des Stamms der obliquen Kasus griech. und lat. apsid-) ist gleichbed. Apside, in der Astronomie auch Bezeichnung für den Punkt der kleinsten oder größten Entfernung eines Planeten von dem Gestirn, das er umläuft. In Anlehnung an mhd. ab(e)- >ab-< und Site >Seite< ergab kirchlenlat. apsida andererseits mhd. abside/absite >überwölbter Nebenraum in einer Kirche; Nebengebäude«, das heute in landsch. (niederd.) Abseite1 >Nebenraum unter der Dachschräge; Nebenbau« (s. Arkuballiste) als Homonym zu nicht verwandtem Abseite2 >Stoffrückseite< fortlebt. Aqua: Das in fachspr. Aqua destillata >destilliertes Wasser« enthaltene lat. aqua, Gen. aquae >Wasser< tritt außerdem in Aquatinta >ein Kupferstichverfahren« (s. Tinte), Aquavit >ein mit Kümmel aromatisierter Branntwein« (s. Vita), Aquädukt (s. d.) gebunden auf, vgl. ferner seine Kompositionsformen aqui-laquo-/ (vor Vokal) aqu- in der internationalen geologischen Fachbezeichnung für Grundwasserleiter Aquifer (wörtl. >WasserträgerAnlagerungskomplex mit Wassermolekülen als Liganden« bzw. Aquoxyd/Aquoxid »wasserhaltiges Oxyd«. Die Pluralformen in den Ausdrücken Aquae GrannilAquisgrani >(bei den) Heilquellen des kelti-
schen Gottes Gran(n)us< liegen dem Stadtnamen Aachen zugrunde, der in niederdeutscher Lautung im Ortsnamen Aken (an der mittleren Elbe) wiederkehrt. Im Französischen sind sie nicht nur im französischen Namen von Aachen Aix-la-Chapelle, sondern auch in Aix-en-Provence (vgl. in, Provinz) und auch allein stehend in Aix vertreten. Sonst ist aus lat. aqua regelrecht gleichbed. frz. eau hervorgegangen, das uns in Fügungen wie Eau de Cologne (eigtl. »Wasser aus Köln«, s. Colonia, de'), Eau de vie (s. Vita, de1) begegnet. Ebenso wie der russische Flussname Oka1 (über Oka2 s. Unze) geht lat. aqua auf idg. *ak'"ä »Wasser« zurück, das über germ. *axwö »Wasser, Gewässer« und ahd. aha, mhd. ahe heute sporadisch erhalten ist als ober- und mitteldeutsches Femininum Aa/Aach/Ach/Ache »Fluss, Bach«, insbesondere als Grundwort {-ach, -a) von Gewässer- und Siedlungsnamen wie etwa Biberach, Eisenach, Salzach, Fulda (älter Fuldaa/Vultaha, eigtl. »Landfluss«), Schwarza. Germ. *aywö als Bestimmungswort in *Axwaland ist in finn. Ahvenanmaa, in dem finn. maa »Land« das Grundwort -land übersetzt, relativ gut bewahrt, im Schwedischen wurde aber das Kompositum auf Aland reduziert, und gerade in dieser Lautung erscheint es in der deutschen Bezeichnung für die finnische Inselgruppe am Eingang des Bottnischen Meerbusens klandinseln. Aquädukt »altrömische brückenartige Wasserleitung«: Deglutinierte Übernahme von gleichbed. lat. aquaeductus, dessen Vorderglied die Genitivform von lat. aqua »Wasser« (s. Aqua) ist und dessen Grundwort unter Ductus besprochen wird. Durch volksetymologische Umformung ergab das Fremdwort (nach W. Henzen über äducht) landsch. (schweiz.) Abzucht »Abzugs-, Wassergraben; Luftschacht«, das schon J. Grimm zusammen mit mniederl. aghedocht für eine Entstellung von lat. aquaeductus hielt und das man als eine eigenartige etymologische Dublette von Aquädukt gelten lassen kann (vgl. Armbrust unter Arkuballiste). J. Grimms und W. Henzens Bemerkungen können übrigens dadurch präzisiert werden, dass es sich offenbar auch hier um die unter diktieren dargestellte Substitution lat. /kt/ > westgerm. lyll handelt, die für die weitere lautliche Umgestaltung des erst seit spätmittelhochdeutscher Zeit bezeugten äduht vielfach bestimmend war. äqual »gleich (groß), nicht verschieden, entsprechend«: Das selten vorkommende Fremdwort beruht auf lat. aequalis »eben; gleich, gelichmäßig« (zu bedeutungsgleichem aequus, s. aequis), dessen einhetliche Form des Nominativs und Akkusativs Plural in dem musikalischen Fachausdruck Voces aequales »gleiche Stimmen« (s. Voces) und im pharmazeutischen Vermerk ana partes aequales »zu gleichen Teilen« (s. an, Part) auftritt. Aus lat. aequal ist frz. égal >gleich(ar-
arabisch
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tig), gleichgültig< h e r v o r g e g a n g e n , das d e m gleichbe-
derglied des K o m p o s i t u m s Aigelstei« >altrömischer
deutenden Adjektiv h o c h d . egal 1 z u g r u n d e liegt. Aus
Grabstein m i t Adler< beruht. D u r c h altfranzösische
diesem hat sich mit A n f a n g s b e t o n u n g das A d v e r b
Vermittlung w u r d e engl, eagle >Adler< ü b e r n o m m e n ,
landsch. (ostmitteld.) egal 2 >immer, fortwährend
das Treffen des Loches mit zwei
entwickelt.
Schlägen unter Par< als A n g l i z i s m u s i m G o l f s p i e l
A q u a r i u m : D i e i m 19. Jh. i m Englischen a u f g e k o m m e n e B e z e i c h n u n g f ü r den Behälter u n d das G e b ä u d e zur Pflege, Z u c h t u n d B e o b a c h t u n g v o n Wassertieren u n d - p f l a n z e n (erstes S c h a u a q u a r i u m 1852
(s. paar)
u n d >einstige l o - D o l l a r - G o l d m ü n z e der
U S A mit d e m Adler als Prägebild< als A m e r i k a n i s m u s im Deutschen s t a m m t . ä q u i e r e n v e r g l e i c h e n , g l e i c h m a c h e n c Bildungs-
in L o n d o n , 1869 in Berlin) stellt eine Substantivie-
sprachliche Ü b e r n a h m e des zu lat. aequus
r u n g des N e u t r u m s aquarium
gleich; gerecht< (s. aequis) gebildeten Verbs
von lat. aquarius
Wasser gehörend< (zu aqua >Wasserzum dar,
>Wasserkrug
Wasserbehältergleichmachen< (vgl. Äquator). (misuras)
A u f lat.
>eben; aequare
(ex)aequare
>(die M a ß e ) ausgleichen< scheint anderer-
seits das z w a r erst seit d e m 14. Jh. in der L a u t u n g
évier m. >Spülbecken, AusgussWasserkrug< frz. aiguière
f.
>Wasserkanne< ( m o r p h o s e m a n t i s c h e e t y m o l o g i s c h e
bezeugte, aber angesichts v o n m n d .
r u n g des Gutturals /k/ a u f w e i s e n d e Verb eichen >das gesetzliche M a ß geben oder prüfen< zurückzugehen.
Dublette des oben e r w ä h n t e n évier m.), w o r a u f der
N a c h A n g a b e n des D u d e n - H e r k u n f t s w ö r t e r b u c h s
kunstwissenschaftliche F a c h a u s d r u c k Aiguière b a u -
w u r d e der Latinismus in Nordgallien zu a f r ä n k .
chige Wasserkanne aus Metall o d e r Keramik< beruht.
*ikön als Fachwort des Weinbaus f ü r das A u s m e s s e n
Als N a m e eines Sternbilds beiderseits des H i m m e l s -
u n d Z e i c h n e n der G e f ä ß e entlehnt.
äquators u n d eines Tierkreiszeichens w i r d das substantivierte M a s k u l i n u m des lateinischen Adjektivs Aquarius
durch Wassermann
i m D e u t s c h e n wieder-
Araber: Der N a m e der A n g e h ö r i g e n einer in N o r d a f r i k a u n d im N a h e n Osten ansässigen Volksgruppe u n d zugleich eines der edelsten Pferderasse des arabischen
gegeben.
Vollbluts gehörenden Pferdes ist A d a p t i e r u n g v o n lat. Ä q u a t o r : D e r N a m e des größten Breitenkreises der Erdkugel s t a m m t aus mlat. aequator
(diei et noctis)
Arabs/Arabus,
das über griech. Äraps ( S t a m m :
Arab-)
zurückgeht auf die Selbstbezeichnung der A r a b e r
>Gleichmacher (des Tages u n d der Nacht)< (zu ae-
>arab (eigtl. >WüstenbewohnergleichmachenAraber; arabisch< gleichset-
äquator, d a n n auf den E r d ä q u a t o r übertragen, weil
zen, enthalten in der Bezeichnung f ü r eine M i s c h u n g
alle P u n k t e auf diesem Kreis stets Tagundnachtglei-
des m a u r i s c h e n u n d gotischen Baustils arabo-tedesco
che h a b e n . Seit 1830 dient die spanische F o r m des
(eigtl. >arabisch-deutschLegionszeichen bei den R ö m e r n ; Giebelverzie-
deutsch).
arabisch: D u r c h regulären Suffixersatz entlehnt aus lat. Arabicus
(dies aus griech. Arabikös
Äraps >Araberarabischeinst aus Ä g y p t e n eingeführtes als Kleb-
e i n e m Adler, auf dessen ausgebreitete Flügel das
stoff verwendetes Gummiharz< (eigtl. a r a b i s c h e s
C h o r b u c h gelegt w u r d e ; ein S t e r n b i l d c D i e S e m a n t i k
G u m m i < ) ist. Das deutsche S u f f i x -isch ist als Fortset-
des nicht eingedeutschten F r e m d w o r t e s lässt erken-
zer v o n g e r m . -iska- identisch m i t den über r o m a n .
nen, dass seine Vorlage >Adler< bedeutete. Das ist lat.
-iskus ebenfalls auf dieses z u r ü c k g e h e n d e n S u f f i x e n
aquila
>Adler; Legionsadler als Feldzeichen; Giebel-
frz. -esque, ital., span. -esco. Mit -esco erweitertes ital.
teil a m Tempel; ein SternbildarabischOrnament in arabischer
H o r n q u e c k s i l b e r s o d e r Kalomels Aquila
A r t , ranken- u n d b l a t t f ö r m i g e Verzierung< (daher
w e i ß e r Adlerrankenförmig verziert, v e r s c h n ö r k e l t ) , in der M u s i k m i t der B e d e u t u n g
lifer >römischer F ä h n r i c h , der die A q u i l a trug< (eigtl.
>Verzierung einer M e l o d i e , heiteres M u s i k s t ü c k e im
>Adlerträger-träger,
Ballett noch in der französischen Schreibweise Ara-
- b r i n g e n s. Luzifer unter Lux). Das lateinische Sub-
besque > Tanzpose a u f e i n e m Standbein< als struktur-
stantiv lebt in frz. aigle >Adler< f o r t , w o r a u f das Vor-
gleiche Dubletten v o n arabisch.
Nicht im R a h m e n
Archipresbyter der Duplizität, sondern der Variabilität beobachtet man dagegen dasselbe Verhältnis im Falle von pikaresk und pikarisch für frz. picaresque aus span. picaresco >schelmenhaftErzpriester< stammenden und über kirchenlat. presbyterus übernommenen Titels ist dasselbe Wort presbyteros, das dt. Priester (s. d.) ergeben hat. Vorderglied ist das in mehreren Fremdwörtern vorkommende Wortbildungselement Archi-/(v or Vokal) Arch- (vgl. Archiater unter Arzt), das griech. archi>Ober-, Haupt-< (zu ärchein >der erste sein, vorangehen, herrschend widerspiegelt. Dieses präfixartig gebrauchte Element (mittellateinisch dafür auch arci-) erscheint bereits in althochdeutscher Zeit in Bildungen wie erzibiscof, das die umgelautete Wiedergabe einer romanischen Form von griech.-lat. archiepiscopus >Erzbischof< (über das Grundwort s. Episkop) darstellt. Das seit dem 12. Jh. bezeugte erzipriester lässt sich entweder als Eindeutschung einer galloromanischen Form *arciprestre von kirchenlat. archipresbyterus oder als dessen Lehnübersetzung interpretieren, wie dies bei mhd. erzengel für kirchenlat. archangelus (< griech. archängelos >Erzengelumschriebener Bezirk eines Organs; Flächeneinheit in Kolumbien und Argentinien (100 m2)Fläche, freier Platz, Tenne< fußende anatomische Fachausdruck und Exotismus bedeutete früher > Fläche, KampfplatzFläche, Tenne, NestBogenschleuderBogen< (s. Arkus) und ballista >Wurfmaschine< (zu griech. bällein >werfenAusrüstung< (als Ganzes also im Sinne von >ArmwaffeBogenmaß eines Winkels (Zeichen: arc)BogenBogen, bogenförmiger Teil eines Organs< (z. B. fachspr. Arcus venosus >bogenförmige Krümmung einer VeneBogen der Streichinstrumente< bekannt und tritt in Spielanweisungen für Streicher auf wie arco oder coll'arco >(wieder) mit dem Bogen (zu spielen)< (mit Angleichung der Präposition con >mit< an die Kurzform des bestimmten Artikels /'), punta d'arco >mit der Spitze des Geigenbogens (zu spielen)< (s. Punctum puncti). Die Kompositionsform des Latinismus arcu- (neben arco- in Arkosol/Arkosolium >Wandgrab unter einer Bodennische in den KatakombenSargBogen< (etwa im französischen Namen des Triumphbogens in Paris Arc de Triomphe, vgl. de1, Triumph) erscheint praktisch verschlüsselt in Arkebuse, nachdem dessen mittelhochdeutsche Vorlage im Französischen volksetymologisch in arquebuse umgedeutet wurde (s. Hakenbüchse). Arma: Das Fremdwort erscheint in der religions- und kunstwissenschaftlichen Wendung Arma Christi, d.h. die Leidenswerkzeuge Christi (Geißelsäule, Geißel, Kreuz, Dornenkrone, Lanze, Schwamm mit Stab u.a., auch als wappenartige Darstellung in der mittelalterlichen Kunst), und repräsentiert lat. arma >Werkzeuge, Gerätschaften, Waffen< (zu idg. *ara>fügenWaffe< singularisiert wurde. Dessen italienische Fortsetzung arma, Plur. arme ist in A/arm (s. d.) enthalten. Der Plural armes ihres französischen Kognaten arme (vgl. Gendarm unter Gens sowie aux armes >zu den Waffen!< unter Alarm, ad) ist seit dem 13. Jh. auch in der Bedeutung >Wappen< (zunächst
Arrak
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eigentlich Erkennungszeichen auf der Waffe eines Rittersden Namen des Inhabers durch bildliche Darstellung andeutendes Wappen< (eigtl. »redendes WappenSchnapsSchilde< zu verstehen, dies war aber zugleich der Name der im altgriechischen Heer mit Schilden ausgestatteten Krieger, die den feindlichen Lanzenangriff abzuwehren hatten. Der Historismus ist eine metonymische Bezeichnung, der griech. aspis, Gen. aspidos >Schild< zugrunde liegt. Der Nominativ des griechischen Wortes, das außerdem so viel wie >Giftschlange, ägyptische Kobra< bedeutet, erscheint seinerseits in kirchenspr. Aspis >schlangenartiges biblisches Fabeltier; christliches Symbol des TodesGelee als Überzug von Fleisch- und Fischspeisen< der Gallizismus Aspik in Anbetracht der farbigen Muster dieser Speisen auf frz. aspic2 ägyptische Kobra< (Auslaut vermutlich nach basilic >Basilisk< umgewandelt), zurückgeht, bleibt nach W. Pfeifer doch fraglich (über eine andere Verknüpfung s. Spica). Aspirator >Luft-, Gasansaugerc Neulateinisches Nomen Instrumenti, gebildet auf der Grundlage von lat. aspirieren >hinhauchen, zuhauchen< (einer Präfigierung von spirare >atmen, hauchen< mit ad- >zu-,
hin-EntlüfterAufnahme einer Seele in den Himmel; Maria Himmelfahrt (Verbalabstraktum zu lat. assumere >an sich, zu sich nehmenAuf-, Annahmen das Verb durch Assimilation aus ad- und sumere >zu sich nehmen, greifennehmen; kaufen< mit sub- >unterAufzehrung< gebildeten con-Präfigierung zu demselben Verb Konsumption/Konsumtion >Verbrauch von Wirtschaftsgütern; körperliche Auszehrung u.a.bildliche Darstellung der Himmelfahrt MariasStadt unserer Herrin der Himmelfahrt, s. City, de1, noster, Senhora), die am 15. August 1537, dem Tag der Himmelfahrt Marias, von spanischen Konquistadoren gegründet wurde. Aster >SternblumeSternGestirn, Stern< rückgebildet, welches im Deutschen ebenfalls latinisiert - als Astrum >Stern, Sternbild< auftritt. Das im Duden-Fremdwörterbuch stehende und auf griech. ástron >Stern(bild)< zurückgeführte Neutrum Astron astronomische Längeneinheit (mit dem Verweis: vgl. Parsec) scheint - wenn überhaupt existent - eine sonderbare Kürzung aus astronomische Einheit (engl, astronomical unit) >Maßeinheit der Länge für die mittlere Entfernung zwischen Erde und Sonne (= 149,6 Mio km; Zeichen: AE; 1 Parsec = 206264,8 AE)< zu sein, so dass es trotz der erlangten äußeren Gleichheit mit dem griechischen Wort lieber außer Acht zu lassen ist. Als seltene Kompositionsform ist Astern- in Astero/if/i (s.d.) nachweisbar,
Asteriskos
während die von griech. ästron nicht nur in alten Komposita wie etwa Astrolöge (s. d.) vorkommt, sondern sich zu einem produktiven Wortbildungselement mit der Bedeutung >Stern, Weltraum< entwickelt hat, vgl. Astrobiologie, -dynamik, -medizin, -naut etc. Asteriskos »ein in den Ostkirchen verwendetes Altargerät aus zwei sich kreuzenden Metallbogen als Träger der Decke über dem geweihten Brote Kirchensprachlicher Exotismus, der auf griech. asteriskos (eigtl. >SternchenSternStern< und dem Wortbildungselement -lith mit der Bedeutung >Stein, Mineral< (s. Litho) zusammengesetzte und synonym mit Asterit »versteinerter Sees t e r s gebrauchte geologische Terminus bildet zusammen mit Astrolith »grüne, eisenreiche Abart des Biotiths, d.h. des dunklen Glimmers< ein kurioses Paar strukturgleicher Dubletten, sofern sie ein und dasselbe Grundwort -lith haben und ihre Bestimmungswörter Kompositionsformen der als etymologische Dubletten im Griechischen anzusehenden astSr und ästron (s. Aster) sind. Astrologe »Sterndeuterc Im 16. Jh. getätigte Entlehnung von lat. astrologus, das damals auch »Sternkundigen bedeutete (die Unterscheidung in Astronomie >Sternkunde< und Astrologie >Sterndeutung< kommt nach E. Seebold im 16./17. Jh. etwa mit J. Kepler auf und steht im Zusammenhang mit der Umgestaltung des mittelalterlich-theologischen Weltbilds). Vorlage ist griech. astrolögos »Sternkundigen, eine Zusammensetzung aus der Kompositionsform von ästron »Gestirn, Stern< (s. Aster) und dem heute als Wortbildungselement -löge »Kundiger, Forscher, Wissenschaftler fungierende Grundwort logos »Rede, Wort, Vernunft< (s. Logo). Erwähnenswert für die Zwecke dieser Darstellung ist der von A. J. Storfer unternommene und von W. Pfeifer und E. Seebold mit berücksichtigte Versuch, das etymologisch nicht geklärte, seit dem 17. Jh. bezeugte Substantiv Strolch »Landstreicher, Spitzbube, Lump< auf ital. astrologo »Astrologe, ProphetAstralstrolch< nannte, so machte er im Grund genommen ein etymologisches Wortspiel, denn Astralstrolch bedeutet ja, wortgeschichtlich betrachtet: Astralastrologe.« Atem: Das im Westgermanischen bezeugte Substantiv (vgl. ahd. ätum »Hauch, GeisttollenJauchepassend, geeignet,
attackieren >angreifeneine Schlacht beginnen< die neue B e d e u t u n g >angreifen< neben den u r s p r ü n g l i c h e n >befestigen, anstecken, anbinden< entwickelte, geht (mit Wechsel des vermeintlichen Präfixes) w i e o d e r über frz. attacher (afrz. estachier)
>befestigen, a n b i n d e n ; z u o r d -
n e n z u r ü c k a u f vlat. *(e)staccare,
eine B i l d u n g zu
g e r m . (got.) *stakka >Pfahl< o d e r unmittelbare Ü b e r n a h m e v o n a f r ä n k . "stakkön
>steckend befestigen^
Die Herkunftsgleichheit des französischen u n d des italienischen Verbs h e r v o r h e b e n d , hält E. Seebold w e n i g e r überzeugend ein v o r r o m a n i s c h e s
*attacti-
care (über das Partizip Perfekt attactus zu lat. attingere >berühren, anstoßenGoldkronejunger Edelmann, KnappeKnappe, junger Mann< (vgl. mit Suffixwechsel frz. bachelier, aus dem das selten vorkommende Bachelier als Synonym von Bachelor stammt) auf vlat. *baccalaris, eine Nebenform von etymologisch nicht geklärtem mlat. baccalarius >untergeordneter Ritter, Knappe< zurück. Als akademischer Titel wurde Letzteres in Anlehnung an die Wendung bacca lauri >Lorbeerbeere< wohl scherzhaft zu baccalaureus umgewandelt, das dt. Bakkalaureus >Inhaber des Bakkalaureats< zugrunde liegt. bald: Das durch Apokope aus mhd. balde (vgl. als') hervorgegangene Wort setzt eigentlich das Adjektivadverb baldo von ahd. bald bzw. germ. *balpa>kühn< fort und hat über >eifrig, mit beherzter Entschlossenheit, schnell, eilig< seine heutige temporale Bedeutung >in nächster Zeit darauf< entwickelt. Das Adjektiv selbst ist nur noch als Bestandteil von Eigennamen erhalten wie Balduin (s. d.), Humboldt (s. Hüne), Luitpold (s. Leute), Willibald (Vorderglied Wille, also etwa >willenskühn Trinker, Saufen, zum Partizipialadjektiv trunken >betrunkenkühn< (s. bald) und wini >Freund< darstellt und etwa >kühner Freund< bedeutet, hat sich aus der früher üblichen, im Englischen aufrechterhaltenen Baldwin entwickelt. Als Traditionsname bei den Grafen von Flandern ist er im Mittelalter auch im Französischen wohl bekannt geworden, dort lautet er allerdings Baudouin.
Balg 1 : Von vornherein offensichtlich eine Bezeichnung für die abgezogene Tierhaut, die als Schlauch, Lederbeutel oder Luftsack diente, ausgestopft werden konnte und beim Zusammenpressen einen Luftstrom erzeugte. Der einstige germanische /-Stamm *balgi- >Balg< hat seine Grundzüge bewahrt und bildet den Plural mit Umlaut: Bälge. Ein homonymes Balg2 >unartiges Kind< hat sich zum Teil als Neutrum mit der Pluralform Bälger morphologisch verselbständigt. Aus gelegentlichen Parallelformen Balgen statt Bälge entstand außerdem ein neuer Maskulinum Balgen >harmonikaartig ausziehbares Verbindungsteil zwischen Objektiv und Gehäuse beim Fotoapparat (daher auch Balgenkamera) als formal unterschiedene Dublette der beiden Homonyme. Balken: Das ursprünglich schwach flektierte und phonomorphologisch wie Brunnen (s. d.) abgewandelte Substantiv (ahd. balko < westgerm. *balkön >BalkenBalkon; Balkontür mit Geländer; gestützter Gebäudevorbau< (zunächst wohl >BalkengerüstBalkon< ist kein zwingender Grund, balcone als Vergrößerungsbildung dazu anzusehen, wie dies etwa bei ital. pallone/ballone (woher dt. Ballon) vs. palla >Ball< (mit Ball identischer Germanismus) der Fall ist. Ball >runder Körperc Über mhd., ahd. bal >Ball, Kugel, Hand-, Fußballern hervorgegangen aus germ. *ballu>Ball, Kugeis das im Sinne von >Geschwollenes, Aufgeblasenes< auf die abgetönte Vollstufe *bhol- von idg. *bhel- >aufblasen, aufschwellen, prall sein< zurückgeführt wird (vgl. Bowle, Bulle1). Auf germ. Ballon beruht als schwach flektierte Nebenform von ahd., mhd. bal gleichbed. ahd. ballo, mhd. balle, Gen. ballen, aus dem sich im Neuhochdeutschen durch Bedeutungsdifferenzierung Ballen entwickelte (über analoge phonomorphologische Abwandlungen vgl. Brunnen). Gebunden erscheint engl, ball >Ball, Kugel< (entweder aus gleichbed. anord. ball- oder über frz. balle >Kugel< aus dem Altfränkischen übernommen) z.B. in Baseball (s. Basis), Football (s. Fußball), Netball (s. Netz).
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Bambus >schnell wachsende (sub)tropische Graspflanze, deren leichter, hohler Stängel stark verholzte Dem Maskulinum, an sich eine Pluralform (vgl. Drops unter Tropf), wurde im 17. Jh. durch Vermittlung von niederl. bamboes (Sing, bamboe) und port. bambus (Sing, bambu) aus malai. bambu/ mambu übernommen, dessen Bedeutung unbekannt ist. Das seit dem 16. Jh. bezeugte gleichbed. engl. bambus/bambos/bambous wurde auf demselben Weg entlehnt, dann aber durch Abtrennung des -s zu bamboo singularisiert. Außer Bambus verzeichnet das Duden-Fremdwörterbuch unter etymologischer Berufung auf das englische Wort auch den Exotismus Bamboo >in Indien gefertigte bambusfarbene (gelbliche) unglasierte TonwareFessel; Bindung; Strickc Über mhd., ahd. bant geht das Neutrum wie gleichbed. anord. band auf germ. *banda- >Band, Fessel< (eigtl. >etwas Bindendes oder zum Binden DienendesEinband; Eingebundenes< aufgekommen, wodurch das griechisch-lateinische Fremdwort Tomus >Abschnitt eines Schriftwerkes< verdrängt wurde. Aus dem Altenglischen überliefertes engl, bend >Band, Gewebestreifen< (< germ. 'bandjö ) wurde seinerseits vom altnordischen Lehnwort band >Streifen; Binde; Fessel; Schnur« weitestgehend zurückgedrängt. Dieses entwickelte im 13./14. Jh. die Lautvariante bond, die ihre Semantik auf Verpflichtung; Abkommen; Bürgschaft; Schuldverschreibung« spezialisierte und im 20. Jh. dt. Bond festverzinsliches, auf den Inhaber lautendes Wertpapier« ergab. Band 3 >MusikgruppeVerbindung von Personen«), das auf (a)frz. bände >Trupp, Schar« (im Sinne von >Fähnlein, Truppe unter einer gemeinsamen Fahne« wohl aus got. bandwa/bandwö bzw. germ. *bandwön >Zeichen, Feldzeichen« stammend, vgl. Banner>) zurückgeführt wird. Das französische Wort lieferte im 17. Jh. auch dt. Bande1 >Schar von Soldaten« (über das Homonym Bande2 s. Binde), seit dem 18. Jh. möglicherweise in Anlehnung an Bandit auf Diebe und Räuber bezogen. Außerdem verzeichnen Nachschlagewerke gelegentlich den Exotismus Banda >Blasorchester«, eine lautgetreue Wiedergabe von gleichbed. ital. banda, das nach A. Dauzat im 14. Jh. in der Bedeutung >Trupp, Schar« obiges (a)frz. bände vermittelt haben soll. Bank 1 Sitzgelegenheit«: Das ursprünglich maskuline, seit mittelhochdeutscher Zeit feminine Substantiv (Plural Bänke) setzt gleichbed. germ. *banki- m. fort, das früh zu ital. banco m./banca f. >Bank, Tisch,
Baptist Theke« entlehnt wurde. Über >Tisch des Geldwechslers« entwickelte es im Italienischen die Bedeutung Geldinstitut« und lieferte sowohl frz. banque f. als auch dt. Bank2 (im 15. Jh. und lange danach als Maskulinum in der Lautgestalt Bancho/Banko gebraucht, dann von frz. banque in Lautung und Genus beeinflusst), das somit im Grunde genommen als Rückentlehnung (mit der Pluralform Banken) zu einer homonymen Dublette von Bank1 wurde. Auf ital. banca rotta verbrochener (Wechsel)tisch« beruht seinerseits das Fachwort Bankrott >finanzieller Zusammenbruch«, bankrott »zahlungsunfähig« (s. Rotte), und frz. banque kehrt unverändert in va banque >es gilt die Bank« (eigtl. >es geht die Bank«) wieder, einer Wendung bei dem Glücksspiel, die auch übertragen gebraucht wird: va banque/Vabanque spielen »alles auf eine Karte setzen, ein Wagnis eingehen«. Gebunden erscheint bench, der über aengl. benc ebenfalls aus germ. *banki- hervorgegangene englische Kognat von dt. Bank1, im Wirtschaftsterminus Benchmark »Maßstab für den Vergleich von Leistungen« (eigtl. »trigonometrischer Punkt; Nivelierzeichen im Vermessungswesen«, einer Zusammensetzung aus bench »Bank, Schulbank« und dem mit dt. Marke aus frz. marque »Kennzeichen, Warenzeichen« entlehntem mark »Zeichen«, s. Marke). Banner 1 »Fahne«: Die heutige Form des Substantivs (schon mhd. baner) ist unter Akzentverschiebung aus mhd. banier/baniere »Feldzeichen, Fähnlein am Speer« entstanden, das aus gleichbed. afrz. baniere (für ein von afrz. banier »öffentlich ankündigen« oder ban »Aufgebot zum Kriegsdienst« beeinflusstes roman. *bandiere »Ort, wo die Fahne aufgestellt wird«, zu germ. *bandwön »Zeichen«, s. Band1) entlehnt wurde. Die im Mittelhochdeutschen mit banier konkurrierende Lautvariante panier lebt heute in der gehobenen Sprache fort: Panier »Wahlspruch; etwas, dem man sich zur Treue verpflichtet fühlt« (älter »Banner, Fahne«). Seit dem 13. Jh. nachweisbar ist auch ursprungsgleiches engl, banner »Banner, Fahne; Transparent«, amerik. »Schlagzeile«, das in der Neuzeit das Homograph Banner2 »Werbebalken auf einer Seite des World Wide Webs« geliefert hat. Baptist »Anhänger des Baptismus«: Der Gattungsname, der über spätlat. baptista auf griech. baptistis »Täufer« (zu baptizein »eintauchen; taufen«) zurückgeht und der eigentlich Beiname Johannes des Täufers ist, tritt auch als männlicher Vorname auf, und zwar gewöhnlich in dem Doppelnamen Johann Baptist (s. Johannes). Meist als Familienname (mit Assimilation pt > tt/t) ist er aus romanischen Sprachen bekannt: frz. Baptiste, ital. Baptista, span. Batista. Für überholt gilt die weit verbreitete Annahme, die aus dem gleich lautenden französischen Femininum batiste stammende Stoffbezeichnung Batist »feines Gewebe
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aus Baumwolle, Leinen, Zellwolle, Seide oder Chemiefasen hänge mit einem Fabrikanten namens Baptiste aus Cambrai (13. Jh.) zusammen, der als erster diesen Stoff hergestellt haben soll. Frz. batiste (1401, zunächst in der Form batiche/batisse bezeugt) wird heutzutage aus battre >schlagen< (afrz. auch >walkenköniglich< (aus gleichbed. griech. basilikös,
zu basileüs
basanites.
Basilika >altrömische M a r k t - o d e r Gerichtshalle; Kirc h e n b a u f o r m m i t ü b e r h ö h t e m M i t t e l s c h i f f e Das
>König,
Fürstkönigliche (Halle)< u n d basilikön
könig-
(phytön)
liche (Pflanze)Kirche< zu afrz. basoche >Gedächtniskirche< w u r d e wahrscheinlich a u f die G e s a m t h e i t der Gottesdiener an einer (Gedächtnis)kirche, seit d e m 15. Jh. auf die G e s a m t h e i t der an e i n e m G e r i c h t s h o f Angestellten übertragen, w o r a n der H i s t o r i s m u s Basoche K ö r p e r s c h a f t der Parlam e n t s a d v o k a t e n v o n Paris i m 16./17. Jh.< erinnert. Basis >GrundlageSockel, Grund(lage)worauf m a n gehen o d e r stehen kann< z u m Verb bainein
>gehen, schreiten< (zu idg. *gwem-
men, vgl. Aventiure,
> dt. kommen,
>gehen, s.
bekom-
mager) gehört. A u s d e m Plural
Basen rückgebildet o d e r unter d e m Einfluss v o n frz. base entstanden ist der chemische T e r m i n u s Base1 (etwa >Grundlage f ü r die B i l d u n g v o n SäurenGrundlage, A u s g a n g s - , Stützpunkt< ü b e r n o m m e n , das uns in Base2 >Eckpunkt des M a l q u a d r a t s (einer markierten Stelle) i m Spielfeld des Baseballspiels< (daher auch d e r N a m e des a m e r i k a n i s c h e n Schlagballspiels Baseball,
s. Ball) begegnet. In der grie-
chischen Vorlage dieser Dubletten präsentiert sich nach C. T. O n i o n s ein nullstufiges Verbalabstraktum idg. *gwmtis, w o r a u f über g e r m . *kwumdi-
Basanit >Alkalibasalt m i t Einsprenglingen v o n Plagio-
basilica
die S u b s t a n t i v i e r u n g e n des F e m i n i -
kommen< > g e r m . *kwema-
Barte2 >Beil, Streitäxte E. Seebold hält diesen Archais-
das H o m o n y m Barte').
bzw. basilicum,
schub (im G e g e n s a t z zu got. gaqumps
mit/-Ein-
>Zusammen-
kunftniedrig, tief< setzt wie gleichbed. frz. bas m „ basse f. das e t y m o l o g i s c h u n durchsichtige spätlat. bassus m., bassa f. >dick; niedrig, tief< fort. Nicht eingedeutscht treten die R o m a n i s m e n in verschiedenen terminologisierten F ü g u n g e n u n d Z u s a m m e n r ü c k u n g e n auf w i e etwa Basrelief
>FlachreliefBildteppich mit
waagerecht g e f ü h r t e r Kette< (s. Litze), de haut en bas >geringschätzig< (eigtl. >von o b e n nach untern, s. de', alt, in), Bassa Danza/Basse
Danse >Schritttanz des
Bauer
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15./16. Jh. in Italien, Frankreich und Spanien< (eigtl. >tiefer Tanzmit dem Bass oder der Bassstimme (zu spielen bzw. zu singen)< (Vorderglied kontrahiert aus con il >mit demLandmannHaus, Wohnung< (verwandt mit bauen und erhalten in Bauer2 >KäfigMitbewohner, Mitbürger, DorfgenosseBauerNussbaumAmt< (s. Ammann) abgeleiteten Verbs beampten/beamten »mit einem öffentlichen Amt betrauern bzw. »mit bestimmten Privilegien ausgestatteter Angestellter im Staatsdienste Die volle Form des Partizips des außer Gebrauch gekommenen Verbs beam(p)tet lebt weiterhin im Partizipialadjektiv beamtet »als Beamter angestellt, tätige Beau »schöner Manne Das nur noch spöttisch gebrauchte Fremdwort stammt aus gleichbed. frz. beau, der substantivierten maskulinen Form (neben bei, s.u.) des gleich lautenden Adjektivs, das lat. bellus >schön< fortführt (vgl. dieses in der ablativischen Fügung bello modo »auf schöne, passende Artflache Meeresbucht« (eigtl. >Grund eines Gewässers«) führt man ebenso wie engl, bottom >Grund, Boden« (dessen Plural in Bottoms Überschwemmungsgebiete nordamerikanischer Flüsse« vorliegt) und schwed. botten >Boden, Grund« (etwa im Provinznamen JVorrbotten, s. Nord) auf germ. *bupma-/ *butma- >Boden< und von hier aus zusammen mit lat.fundus >Boden, Grund(lage), Grundstück« auf idg. *bhudhm(e)n- >Boden< zurück. Das wohl durch
Konsonantenerleichterung und Metathese (*bhudhmno- > *bhudhno- > *bhundho-, vgl. aind. budhnä- >Boden, Grund«) umgestaltete lat. fundus lieferte sowohl dt. Fundus >Grund und Boden; Grundlage; Bestand an Kostümen, Kulissen usw.« als auch die orthographisch differenzierten frz. fond >Boden, Tiefe, Hintergrund« und fonds >Grund(stück), Landgut; Kapital«. Aus den Letzteren stammen dt. Fond Hintergrund; Rücksitz im Wagen u.a.« und Fonds >Geldmittel< (dazu auch die präpositionale Fügung ä fonds perdu >auf Verlustkonto«, vgl. ad) sowie relatinisiertes engl, fund >Fonds< z.B. im Namen der internationalen Naturschutzorganisation World Wide Fund for Nature (vgl. Welt, weit, vor, Natur). Bohle: Das spätmhd. hole >starkes Brett« fortführende Substantiv ist wie mniederl. bollbolle >Baumstamm< auf germ. *bulön >Bohle, Baumstamm« zurückführbar, dessen etymologische Zusammenhänge (möglicherweise elementar verwandt mit Balken, s. d.) unsicher bleiben. Sein Vorläufer und sein niederländischer Kognat sind erster Bestandteil von mhd., mniederl. bolwerc >Schutzbau aus Bohlen«, so dass sie andererseits in Boulevard und Bollwerk (s. d.) als gebundene Dubletten von Bohle auftreten. Bollwerk Befestigung, Festung«: Das Kompositum führt gleichbed. mhd., mniederl. bolwerc fort. Es setzt sich aus mhd. bole >starkes Brett« (s. Bohle) und werc >(Bau)werk< (s. Werg) zusammen und bedeutet also eigtl. >Bohlengerüst, Schutzbau aus Bohlen und Erde« (seit dem 14. Jh. auch >Schutzbau gegen Wasser, Uferbefestigung, Landeplatz«). Aus mniederl. bolwerc wurde frz. boulevard Festungswerk, Stadtwall« übernommen, das im 18. Jh. in der jüngeren Bedeutung >ringförmig verlaufende Prachtstraße an der Stelle früherer Festungswälle« die Rückentlehnung Boulevard >breite (Ring)straße« ergab. bombenfest 1 >durch Bomben nicht zerstörbar«: Das aus Bombe (einem durch romanische Vermittlung übernommenen und letztlich auf griech. bömbos >dumpfes Getöse« zurückgehenden Lehnwort) und fest (s. d.) gebildete, Haupt- und Nebenbetonung aufweisende Adjektiv hat in dem mit zweifachem Hauptton auszusprechenden, emotional verstärkenden Homograph ugs. bombenfest2 >unumstößlich (feststehend), unverrückbar fest« eine akzentsemantische etymologische Dublette (s. blutarm1). Bon >Gutschein für Speisen oder Getränke; Kassenzettel«: Im 18. Jh. entlehnt aus frz. bon, einer Substantivierung von bon >gut< zuerst im Sinne einer Zahlungsanweisung, die vom Schuldner gutgeheißen« wird, dann >Gutschein; Kassenzettel«. Das französische Adjektiv, das indeklinabel in ugs. bon >gut< üblich und in Bonheur >Glück, Zufall« (s. Augurium), Bonmot geistreiche Wendung« (s. Motto), veraltet
Bord
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Bonsens >Menschenverstand< (s. Sensus)
Vorderglied
bieten< (aus engl, bumboat
>ProviantbootHand in der Mützeärmelloser Umhang< übernommen, aus dem gleichbed. dt. Cape1 stammt, während span. capa >Umhang< den Bezeichnungs-
Capriccio exotismus Capa >roter Umhang der Stierkämpfen lieferte. Über den h o m o n y m e n Anglizismus Cape2 >Kap, Vorgebirge< s. Haupt. C a p r i c c i o / K a p r i c c i o scherzhaftes, launiges Musikstücke Der musikalische Fachausdruck beruht auf gleichbed. ital. capriccio, eigtl. >Laune, Einfall< (vgl. analog a capriccio >nach Belieben, frei im Vortrags eigtl. mach LauneKopfim Kopf EntstandenesKopf< + riccio >IgelKopf mit zu Berge stehenden Haaren< bzw. >WirrkopfZiegeZiegeper Adresse; im Hause; in Firma; wohnhaft bei .. .unter Obhut von< (s. ab1), stammt aus dem Englischen und wird als Zusatz bei der Adressenangabe auf Briefumschlägen international gebraucht. Engl, care »Sorge, K u m m e n ist aus gleichbed. germ. *karö hervorgegangen, das auch ahd. chara, mhd. kar >Klage, Trauen (mit der Ableitung karg, urspr. »bekümmert, besorgt)< ergeben hat. Dieses ist als selbständiges Wort in spätmittelhochdeutscher Zeit untergegangen, als gebundene Dublette des Anglizismus hält es sich aber in den Zusammensetzungen Karfreitag und Karwoche, die jeweils den Freitag vor Ostern, an dem der Kreuzigung Christi gedacht wird, und die Woche zwischen Palmsonntag und Ostern bezeichnen. Cäsar 1 : Teilweise phonographematische Eindeutschung des Familiennamens des römischen Feldherrn und Staatsmanns Gaius Iulius Caesar ( 1 0 0 - 4 4 v. Chr.), s.Julius. Seit Augustus (s. August1) wurde Caesar zum ehrenden Beinamen aller römischen Kaiser, der sich im schwach flektierenden Appellativ Cäsar 2 widerspiegelt. Als höchster Herrschertitel (einschl. f ü r die römischen Imperatoren) gelangte das Wort sehr früh ins Germanische, vgl. ahd. keisar > mhd. keiser > nhd. Kaiser. Auf dieselbe Quelle geht über got. kaisar oder griech. kaisar auch abulg. cesarb >König< zurück, das dann infolge der lautlichen Abwandlung ebsarb und anhand von Kürzeln wie erb (917) das Klappwort abulg. carb (seit Mitte des 13. Jh.), serb. carb (seit 1346), russ. carb (seit 1547) ergab und somit dem Exotismus Zar als Titel der ehemaligen Monarchen von Russen, Bulgaren und Serben zugrunde liegt. In der A n n a h m e , der erste Träger des Namens sei durch operative Entbindung zur Welt gekommen, ver-
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suchte Plinius eine wohl volkstümliche Deutung von Caesar (heute z.T. als N a m e etruskischer Herkunft angesehen), indem er es aus lat. caedere (Part. Perf. caesus) »schlagen, abhauen, herausschneiden (also eigtl. »der aus dem Mutterleib GeschnittenebarTrommel< sowie in Fügungen wie kaufmänn. per cassa »gegen Barzahlungaltrömisches befestigtes Militärlagerc Der im Duden-Fremdwörterbuch aufgeführte Historismus beruht auf lat. Castrum, Plur. castra >fester Platz, Feste, BurgBurg, Schloss< die Quelle von dt. Kastell (s. d.) ist. Für eine wohl durch griechische Vermittlung getätigte Entlehnung von lat. Castrum hält man arab. al-qasr >die Burg, das Schlösse aus dem die spanische Bezeichnung für Burg, Schloss, Palast alcázar zusammen mit dem bestimmtem Artikel al- übernommen ist. Dies ist die Quelle des teilweise eingedeutschten bzw. adäquat wiedergegebenen Exotismus A/kazar/A/cázar >Burg, Schloss in Spaniern. Direkt aus dem Lateinischen stammt das in einigen allgemein bekannten englischen Ortsnamen auftretende Grundwort -caster/-ehester, vgl. Lancaster, ehester (wonach Chesterkäse >ein fetter Hartkäseeleganter Herrenmantel< (s. Feld). Catcher >Freistilkämpfergreifen, wie man nur greifen kanngreifen, fangen, erwischen< (über afrz. cachier aus roman. *captiare für spätlat. captare, eine sekundäre Bildung zum Partizipiaistamm capt- von lat. capere >greifen, ergreifen, begreifenFänger, FanggerätFischhamen< führen E. Seebold und andere Forscher über mnd. kesser, dän. ketser das beuteiförmige Netz zum Fischfang Kescher (mit Nebenformen Käscher/Ketscher, niederd. Kesser/Ketzer 2 ) zurück. Über Ketzer1 s. Katharer. C a u d a / K a u d a »Endstück eines Organs oder Körperteils; Schleppe an den liturgischen Gewändern hoher Geistlicher; Hals einer Note oder Ligaturc Der anatomische, kirchensprachliche und musikalische Fachausdruck stützt sich auf lat. cauda >SchwanzSchlussteil eines Musikstücks< widerspiegeln. Über vlat. *coda liegt das lateinische Wort ferner frz. queue >Schwanz< zugrunde, aus dem die Homonyme Queue 1 f. >lange Reihe, Schlange (von Wartenden); Ende einer Kolonne< und Queue 2 n./m. >Billardstock< (für frz. queue de billard) entlehnt sind (vgl. auch die präpositionale Fügung ä la queue >am Ende(Rechts)grund, Ursache (eines Schadens)Sache, Angelegenheit; Streitfälle Der juristische Fachausdruck (vgl. auch causa finalis »letzte, endliche Ursachen s. Finalis) stammt wie gleichbed. frz. cause
(woher Cause célèbre »berühmter Rechtsfall; berüchtigte Angelegenheit, Attribut: frz. célèbre »berühmt für lat. celeber »festlich; bekanntbeispielshalber< (s. Exempel). Ähnlich wie Ding' (s. d.) entwickelte es sich durch Verallgemeinerung seiner letzteren Bedeutung zum Synonym von lat. res >Sache< (vgl. Res), verdrängte es aus dem Vulgärlatein und ergab frz. chose bzw. ital. cosa »Sache, Angelegenheit (vgl. die Semantik von Causa als Austriazismus). Diese Romanismen liegen entsprechend vor in ugs. Chose/Schose »(unangenehme) Sache, Angelegenheit und Cosa Nostra »kriminelle Organisation in den USA, deren Mitglieder vor allem Italiener oder Italoamerikaner sind< (eigtl. »unsere SachePferdKäfig, Vogelbauers aus dem veraltet Cage >Rädergehäuse einer Uhr; Krinoline, Reifrock< stammt.
wurden Hektar >100 Ar< (s. Ar unter Area), HekXogramm >100 Gramm< (s. Gramm) u.a., in denen der griechische Kognat nur noch in Resten nachweisbar ist, ins Deutsche entlehnt und amtlich eingeführt. Wesentlich besser erkennbar ist er im Fremdwort Hekatombe >riesige Menge von Menschen, die einem Unglück zum Opfer gefallen sind< (aus griech. hekatómbé >kultisches Opfer von 100 StierenRind< steckt, s. Kuh). Zwar erscheint in ahd. ein-, zweihunt >100, 200< aus germ. *%unda- ererbtes hunt >hundertZahlein Hundertstel des temperierten Halbtons; ein Hundertstel der Reaktivitätseinheitc Außer als Maßeinheit der Musik und der Kernphysik war dasselbe Wort bis zum 31. Dezember 2001 als Exotismus im Sinne von >Untereinheit der Währungseinheit der USA, Kanadas, Australiens und vieler anderer Staaten Amerikas, Asiens, Afrikas und Europas< bekannt, wonach es auch Bezeichnung für ein Hundertstel des Euros wurde: (Euro)cent. Da frz. Centime >ein HunCentesimo: Ital. centesimo, das diesem Exotismus dertstel des Franc< (s. Centime) 1795 geprägt wurde, zugrunde liegt, stellt ebenso wie span. centésimo amerik. cent dagegen schon 1786 in seiner heutigen (woher entsprechend Centésimo) eine maskuline Bedeutung üblich war, kann dieses keine FragmenSubstantivierung derselben Kardinalzahl dar, die tierung von jenem sein, sondern es wird direkt oder im Gegensatz zur Analogiebildung frz. centime durch Vermittlung von frz. cent >hundert< auf dessen (s. Centime) lat. centesimus >der hundertste< fortbedeutungsgleiche Quelle lat. centum zurückgeführt. führt. Es handelt sich um früher in Italien und in An lat. centum bzw. an frz. cent anknüpfend, wurde anderen Ländern bzw. noch immer in Chile und aber 1795 in Frankreich die Kompositionsform centiUruguay gebrauchte Bezeichnungen für den hunzur Bildung von Maßeinheiten mit der Bedeutung dertsten Teil der jeweiligen Landeswährung. >ein Hundertstel von ... < amtlich in Umlauf gebracht, die bei Entlehnungen ins Deutsche relatinisiert wird, Centime: Die heute in der französischsprachigen vgl. Zentimeter >ein hundertstel Meter< (s. Metrum). Schweiz und in anderen Ländern (ursprünglich und Das lateinische Numerale, das über gleichbed. ital. bis zum 1. Januar 2002 auch in Frankreich) gecento in Ducento/Dugento/Duecento, Trecento usw., brauchte Untereinheit des Frankens (s. aber Rappen d.h. das 13., 14. Jahrhundert usw. in Italien als Kunstunter Rabe) bzw. der jeweiligen sonstigen Wähstilbegriffe, bzw. urspr. kaufmannsspr. Prozent rungseinheit stammt aus frz. centime >ein Hunderts(relatinisiert wie pro centum aus ital. per cento >für tel des Franchundert< (s. Cent) anknüphundert, von Hunderte s. vor) lieferte, ist wie germ. fend und dem Muster von décime >ein Zehntel des *Xunda-, awest. satam, griech. he-katön (he- nach Franc< (s. Dezime unter Decima) folgend, wurde das E. Seebold zu idg. *sem >einseinhunWort 1795 in Frankreich geprägt. Ihm nachgebildet dertio< (s. zehn), zuela (früher auch in Spanien) als Untereinheit hervorgegangen. Ferner ist lat. centum - jeweils order Landeswährung üblich ist und im Deutschen als thographisch eingedeutscht und in seiner ursprüngExotismus Céntimo verzeichnet wird. lichen Lautung auftretend - enthalten im Historismus Zentumvir >Mitglied des anfangs aus hundert Cessio >AbtretungForm Kentumsprachen, das im Gegensatz zum mit dem der Übertragung eines Herrschaftsrechts durch eine awestischen Kognaten gebildeten Satemsprachen die prozessähnliche Handlung im römischen Recht< indogermanischen Sprachen zusammenfasst, welche (eigtl. >Abtretung vor Gerichts s. in, Jus). Er beruht die palatalen k' und g nicht in die Zischlaute s/f, Z/T, auf gleichbed. lat. cessio, Gen. cessionis (Verbalumwandeln, sondern als Verschlusslaute beibehalabstraktum zu cedere, Part. Perf. cessus >weichen; ten. Auf der Basis von griech. hekatön bildete man überlassen, abtreten; einräumen^ vgl. daraus dt. 1795 in Frankreich die Kompositionsform hect(o)zedieren >eine Forderung an einen Dritten abtretenübrigens meine ichKarthago muss zerstört werden< beendet haben). Lat. ceterum >übrigens, sonst< ist das adverbial gebrauchte gleich lautende Neutrum von ceterus m., cetera f. >der/die übrige, andereund so weiten (eigtl. >und die übrigen [Dinge] übrigens< (wörtl. >vom Übrigens s. de1). chamois >gemsfarben, gelbbräunlichc Wie die Substantivierung Chamois »besonders weiches, mit Öl oder Tran gegerbtes Gemsen-, Schafleder; chamois Farbe< (danach auch das in der Fotografie gebrauchte gelbbräunliche Kopierpapier Chamoispapier) entlehnt im 20. Jh. aus frz. chamois >Gemse; weiches Gemsenleder; gelbbräunlichfettgegerbt< (besonders in der Zusammenrückung Sämischleder »geschmeidiges Lederfettgar< als Suffixersatz aufweisende Übernahme des seit dem 12. Jh. bezeugten afrz. camois nur betrachten, wenn man annimmt, dass afrz. c vor a bereits palatalisiert und über [tj] nunmehr []"] lautete (vgl. den Lautwandel spätlat. cadencia zu afrz. cheance, s. Chance), so dass es durch das im Mittelhochdeutschen die Qualität eines Zischlauts habende s substituiert werden konnte. Chance »günstige Gelegenheit: Das im 19. Jh. aus frz. chance »Glücksfall, Aussicht< übernommene Wort geht über afrz. cheance auf spätlat. cadentia »Fallen, Fall< (Verbalabstraktum zu cadere >fallenTabellegrafische Darstellung von Zahlenreihen ist. Wie dt. Charte w i c h tige Urkunde im Staats- und Völkerrecht geht engl. chart über frz. charte >Urkunde, Satzung< zurück auf lat. charta >Papier(blatt), Schriftstücke mlat. auch >Urkunde< (< griech. chärtes >Papyrusblatt(Verfassungs)urkunde< (vgl. Magna Charta libertatum >Große Urkunde der Freiheitens s. Magnus, Liberias), welches Charte praktisch zurückgedrängt hat. Etymologische Dublette von frz. charte ist die seit Ende des 14. Jh. bezeugte jüngere Entlehnung carte >steifes Papierblatt, Spielkartenach der Speisekarte< (s. ad), Carte blanche u n b e schränkte Vollmacht< (eigtl. >weiße KarteKarte< (mit ungeklärtem d-Auslaut), enthalten z.B. in dem aus dem Tennis stammenden Fachausdruck Wildcard (s. wild), im behördlichen Greencard (s. grün) sowie in den Neuprägungen Bahncard, SparCard. Die weit verbreitete Annahme, auf lat. charta beruhe auch ahd. charza/ kerza >Docht, Werg, Licht< > mhd. kerze/kirze > nhd. Kerze, wird heute stark angezweifelt zum Teil zugunsten einer Entlehnung von lat. (candela) cerata > Wachslichts Checklist >Kontrollliste, mit deren Hilfe die Funktionsfähigkeit komplizierter Apparate überprüft oder das Vorhandensein notwendiger Ausrüstungsgegenstände festgestellt wirdc Der Grund, dass dieses aus check >Kontrolle< (s. Schach) und list >Liste, Verzeichnis< (s. Leiste) bestehende Kompositum englischer Abstammung an einem Dublettenpaar teilnimmt, ist sein Auftreten im Deutschen neben eingedeutschtem Checkliste, das zwar mit Checklist gleichbedeutend ist, aber außerdem im Sinne von >Liste der eingecheckten Flugpassagiere< gebraucht wird. Chemie: Der sich nach 1800 durchgesetzte Name der modernen Lehre von den Stoffen und deren Verbindungen lautete im 17./18. Jh. Chymia/Chymie/ Chimie (1670 von Ph. von Zesen mit Scheidekunst
verdeutscht) und ist durch Deglutination des Anlauts von Alchimie!Alchemie entstanden. Diese seit dem 13. Jh. auch im Deutschen (spätmhd. alchemie) bezeugte Bezeichnung der vermeintlichen mittelalterlichen Goldmacherkunst geht über mlat. alchimia, afrz. alquemie und aspan. alquimia auf gleichbed. arab. al-ktmiyä' (nach E. Seebold auch >Stein der WeisenKunst der Metallverwandlung, der Legierung< gehalten wird. Möglicherweise ist die Deglutination eine Art Wiederherstellung der griechischen Urquelle, dessen Ursprung übrigens umstritten ist: Vermutet wird Verbindung mit dem koptischen Namen Ägyptens Khmi (eigtl. >das Schwarzes d.h. >Schwarzlandägyptische Kunst der Metallverwandlungs vermischt mit griech. chein >schütten, gießens Chimäre 1 >Organismus oder einzelner Trieb, der aus genetisch verschiedenen Zellen aufgebaut ist; Lebewesen, dessen Körper Zellen mit abweichender Chromosomenstruktur besitzte Der biologischmedizinische Fachausdruck geht über lat. chimaera auf griech. chtmaira >Ziege< zurück. Das nach diesem in der griechischen Mythologie benannte feuerspeiende Ungeheuer (vorn Löwe, in der Mitte Ziege und hinten Drache) ist seit dem 15. Jh. im Deutschen in der Lautung Chimära/Chimäre2 bezeugt. Als Gattungsname gelangte das griechisch-lateinische Wort zum Teil durch Vermittlung von frz. chimère ins Deutsche: Schimäre/Chimäre3 >Trugbild, Hirngespinst (semantische Entwicklung nach E. Seebold durch Vergleiche wie >das ist - so unwirklich - wie eine SchimäreKnochenasche enthaltendes Porzellan< (aus gleichbed. engl, bone china, wo auf China >China< zurückgehendes china >Porzellan, Porzellanware< bedeutet, s. Bein) und Chinatown (s. Zaun) bzw. in Crêpe de Chine >feinnarbiges Gewebe aus Natur- oder Kunstseide< (eigtl. >Krepp aus Chinas vgl. Crêpex, de1). Von der alten, um 1700 im Deutschen üblichen Form des Ländernamens Sina (vgl. auch griech. Sinai, spätlat. Sina, frz. Sine) zeugen die gebundene Dublette in der norddeutschen Bezeichnung für die einst aus Südchina eingeführte Zitrusfrucht Apfelsine (verhochdeutscht aus niederd. Appelsina/Apel de Sina für niederl. appelsien bzw. frz. pomme de Sine, also wörtl. >Apfel aus Chinain China gefundener Frühmensch< (eigtl. >Chinamenschs Grundwort griech. ânthropos >MenschLehre von der chinesischen Sprache und Kultur< (über das Grundwort s. Logo). Der Länder-
Christ
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name soll nach U. Hermann angeblich auf das chinesische Herrschergeschlecht der Chi'n (221-206 v. Chr.) zurückgehen, welches zum ersten Mal einen einheitlichen chinesischen Staat schuf. C h l o d w i g : Der Name des Begründers des Frankenreichs zwischen Rhein und Garonne und ersten katholischen Frankenkönigs Chlodwig I. (466-511), afränk. Chlodovech, ist eine Zusammensetzung aus ahd. hlüt >laut< (als erstes Glied von Namen >berühmtKampf, Krieg< (daher gelegentlich gedeutet als >berühmt im Kampf, der berühmte Kriegen, vgl. Weigand). Spuren des ursprünglichen gutturalen Spiranten im Anlaut halten sich ausnahmsweise sowohl in Chlodwig (mit Schreibvarianten Clodwig/Klodwig) als auch in dessen Entsprechungen ital. Clodoveo, frz., engl. Clovis. Nachdem im 9. Jh. die althochdeutsche Lautverbindung hlgrundsätzlich zu /- vereinfacht worden war, entstand die heutige Lautgestalt desselben männlichen Vornamens, nämlich Ludwig, der dann in verschiedene europäische Sprachen drang, vgl. latinisiert Ludovicus, ital. Ludovico, frz. Ludovic, niederl. Lodewik und ganz besonders die weitaus üblicheren kontrahierten Formen niederl. Lowik, frz. Louis, engl. Lewis, span. Luis/Luiz, ital. Luigi, ungar. Lajos. Die umgangssprachliche Bedeutung leichtsinniger Mensch, Windhund; Zuhälter< der als Gattungsname zurückentlehnten französischen Form Louis, die außerdem an der Bezeichnung verschiedener Kunststile wie Louis-quatorze >Barockstil zur Zeit Ludwigs XIV.< beteiligt ist und auch in Louisdor >unter Ludwig XIII. geprägte französische Goldmünze< (< frz. louis d'or >goldener Ludwigs s. de1, Aurum) auftritt, ist treffend auf Lude (s. d.), eine Kopfisolierung aus Ludwig, ausgedehnt worden.
chordê zurückgeht. Dies gehört zur indogermanischen Sippe von germ. *garna- >Garnaus getrockneten Därmen gedrehte Schnur< als Ausgangsbedeutung von dt. Garn angesetzt wird. Auf lat. chorda/corda beruht einerseits ital. corda >Schnur, Saite< (vgl. die Beteiligung von dessen Pluralform corde am musikalischen Fachausdruck tutte le corde >alle SaitenSchnur, Leinealtes französisches Volumenmaß für Brennholz (3,84 m3)< neben veraltetem Korde >schnurartiger Besatz< und von engl, cord >Schnur, Zwirn, geripptes Gewebeim Jazz mehrfach wiederholtes und improvisiertes, aber in der Harmonie festliegendes T h e m a c In dieser Bedeutung entlehnt aus engl, chorus, das wie veraltet dt. Chorus >Sängerschar< über lat. chorus (vgl. dessen Genitiv in Regens Chori, d.h. Chorregent >Leiter eines katholischen Kirchenchorss s. Regens) auf griech. chorós >Reigen; Tanzplatz; tanzende Schar< zurückgeht. Die einstige Semantik von dt. Chorus hält sich in der deglutinierten Form Chor, die daneben aus dem Mittellateinischen übernommene Bedeutungen wie >Chorgesang; Kirchenraum mit (Haupt)altar u.a.< aufweist. Über rum. horä und nhebr. hörä ergab das griechische Wort die Exotismen Hora' rumänischer Volkstanz; ländliche Tanzveranstaltung mit rumänischen Volkstänzen und Horra/Hora jüdischer Volkstanz< Über Hora2 s. Uhr.
Cholera: Der Krankheitsname griech. cholera >Gallenbrechdurchfalh (zu chols >Gallegalliges Temperament, Zornausbruch< ahd. kolero, mhd. kolre ausbrechende oder stille Wut< ergeben, worauf ugs. Koller 1 >(krankhafter) Wutanfall< beruht (über das H o m o n y m s. Koller2).
C h r i s a m / C h r i s m a >SalbölSalbung, ÖlungSalböl< (zu chriein einreiben, salbenSahne< - homophones crème >Sahne(speise), Salbe; gelblichSahne; Creme< und dt. Creme/Krem >Süßspeise; Salbe< bzw. creme >mattgelb< beruhen, vgl. ferner das Kompositum Eiscreme/Eiskrem >Speise-, Sahneeis< (s. Eis) und die Fügung Crème fraîche >saure Sahne mit hohem Fettgehalt< (eigtl. >frische Sahnekühlend wirkende Hautcreme< (s. kalt), Icecream >Eiskrem, Fruchteis< (s. Eiscreme).
Chorda/Chorde: Im Sinne von >knorpelähnlicher Achsenstab als Vorstufe der Wirbelsäule bei Schädellosen, Mantel- und Wirbeltieren< stehen die beiden Varianten (Chorda allein bedeutet auch >Sehnen-, Knorpel-, NervenstrangRückensaiteDarm(saite)< auf gleichbed. griech.
C h r i s t >Anhänger der christlichen Religione Der heutigen schwach flektierten Form geht mhd. kristen voraus, Substantivierung von kristen >christlich< < ahd. kristäni, einer Nachbildung von lat. Christianus >zu Christus gehörend, christlich< (zu Christus, s. d.), das wie Christ auch als Familienname (mit der patronymischen Bildung im Genitiv Christiani) begegnet.
Christoph Das lateinische Adjektiv lebt im Vornamen Christian (mit Varianten wie Kristan/Kristen, niederd. Carsten/ Karsten) und in frz. chrétien >christlich; Christ< (vgl. den Namen des altfranzösischen Dichters Chrétien de Troyes, s. Troyes) fort, dessen mundartliche Form crétin im Wallis und in Savoyen im Sinne von >(armer) Christenmensch< zur Bezeichnung für Menschen mit schweren Entwicklungsstörungen wurde. Über frz. crétin ergab sie im 18. Jh. dt. Kretin »Schwachsinnigen. Christoph/Christof: Kopffragmentierung von Christopherus, worauf auch das deglutinierte und abgeschwächte Christopher/Christoffer zurückgeht. Christophorus ist die lateinische Form von griech. Christophöros, das zum Namen Christi (s. Christus) mit dem suffixartig gebrauchten -phôros »tragend, bringend< (s. Phosphor) gebildet ist und demnach wörtlich >Christusträger, Christus tragend< bedeutet. Im Mittelalter fand der Name durch die Verehrung des heiligen Christopherus als einer der vierzehn Nothelfer Verbreitung. Im Spanischen wurde sein Auslaut ähnlichen Umwandlungen unterworfen wie die bei Luzibel für Luzifer (s. Lux) und lautet Cristôbal, vgl. den spanischen Namen des Entdeckers Amerikas Cristôbal Colon (s. Coulomb). Christus: Der latinisierte Beiname des Urhebers und der zentralen Gestalt des Christentums Jesus Christus (s. Joschua, vgl. Christ) entstammt griech. Christös, dem substantivierten Partizip Perfekt von chriein »einreiben, salben< (s. Chrisam), und bedeutet dementsprechend >der Gesalbte< (Lehnübersetzung von hebr. mäst"h, der Quelle von dt. Messias). Seine lateinische Dativ- und Ablativform (vgl. nach/vor Christo) tritt zugleich als Kompositionsform auf, etwa im männlichen Vornamen Christophorus (wörtl. >ChristusträgerHelldunkelmalerei< eine struktur- und bedeutungsgleiche, seltener gebrauchte Dublette von Clairobscur. Clavis >Orgeltaste; Notenschlüssel: Im heutigen Bedeutungsumfang dieses Fremdwortes (früher auch Bezeichnung für ein lexikographisches Werk zur Erklärung antiker Schriften oder der Bibel) spiegelt sich die mittellateinische semantische Nuancierung >Schlüssel; Taste< von lat. clavis >Schlüssel, Riegek Dessen Kompositionsform ist Bestimmungswort in Klavizimbel (s. d.) sowie in Clavicembalo, Clavecin, den romanischen Abwandlungen dieses Latinismus. Der lexikalisierte Plural des spanischen Fortsetzers clave >Schlüssel; Klavichord< liegt dem Exotismus engl, claves und dt. Claves zugrunde als Bezeichnung für ein Rhythmusinstrument lateinamerikanischen Ursprungs, das aus zwei gegeneinander zu schlagenden Hartholzstäbchen besteht. Clou >Höhe-, Glanzpunkt; Zugstück, Knüllerc Anfang des 20. Jh. übernommen aus gleichbed. frz. clou, eigtl. >Nagel< (semantisch vergleichbar Schlager als Ableitung von schlagen), das lat. clavus >Nagel, Pflock< fortsetzt. Im Deutschen wird Klavus/Clavus als Historismus im Sinne von >Purpur- oder Goldstreifen am Gewand altrömischer Würdenträgen verzeichnet, es ist aber außerdem die medizinische Bezeichnung sowohl für das Hühnerauge als auch für eine umschriebene Hornzellenwucherung der Haut. Codex/Kodex >Handschrift; Gesetzbuch; ungeschriebene Regeln des Verhaltensc Die nichteingedeutschte Variante, die meist in Namen alter Hand-
Colonia schriften wie Codex argenteus, der gotischen Bibelhandschrift in silberverziertem Einband, üblich ist, spiegelt lat. codex >Schreibtafel (aus gespaltenem Holz); (Gesetz)buch; Verzeichnis; Handschrift (zu cudere >schlagen, verfertigenZeichensystem als Grundlage für Kommunikation, Nachrichtenübermittlung und Informationsverarbeitung; Schlüssel zu Geheimschriften, Telegrafenschlüssel< stammt, wobei die erste Variante als fachsprachlich gilt. Cognac 1 : Name einer französischen Stadt an der Charente, wonach der dort erzeugte Weinbrand frz. cognac genannt worden ist. Dafür hat sich im Deutschen das Maskulinum Cognac 2 mit vorverlegter Betonung durchgesetzt. In der Schreibung Kognak war dieses umgangssprachlich für schon im 19. Jh. bei der Firma Asbach verwendetes Weinbrand (s. gebrannt) geläufig, das seit 1921 als Ersatzwort für das geschützte Warenzeichen Cognac amtlich in Gebrauch gesetzt wurde, nachdem man gemäß § 275 des Versailler Vertrages den Namen Cognac für deutschen Weinbrand verboten hatte. Adjektivisch fungiert das französische Wort als Farbbezeichnung: cognac (attributiv: cognacfarben) >goldbraunBauernsiedlung, AnsiedlungBauer, Siedlers s. Colono) wieder. Das Appellativ erscheint seit dem Jahr 50 im Ortsnamen Colonia Claudia Ära Agrippinensium, dem Geburtsort von Agrippina (Tochter des Germanicus, Gattin des Kaisers Claudius und Mutter Neros), nachdem sie ihn eben zu colonia erhoben und man ihr zu Ehren und aus Anlass der Umwandlung des früheren Zentralheiligtums Ära Ubiorim, d. h. des Altars der Ubier nunmehr in Altar der Agrippinenser so genannt hatte. Der lange Name wurde im 4. Jh. zu Colonia Agrippina und nach 450 zu Colonia gekürzt. Daraus entwickelten sich der eingedeutschte Stadtname Köln (mhd. Kölne, mitteld. Collen, im heutigen Kölsch Kölle etwa im Karnevalsruf Kölle alaafl, s. ab1, vgl. kölnisch), Neukölln als Stadtteil von Berlin (um 1200 Berlin-Cölln), der niederländische Keulen, älter Ceulen z.B. im Familiennamen des deutsch-niederländischen Mathematikers Ludolph van Ceulen (1540-1610), der die nach ihm benannte Ludolfsche Zahl/Ludolf-Zahl oder Kreiszahl auf 36 Stellen berechnete (zu seinem Vornamen s. Leute, Wolf sowie van), und der französische Cologne, enthalten im zuerst in Köln hergestellten Eau de Cologne >Kölnischwasser< (s. Aqua, de1).
Colono
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Die von Köln übernommenen Mülltonnen heißen heute noch in Wien Ko\oniakübel/Coloniakübel, wozu auch Kolonia-ZColoniaraum >Platz im Hauseingang für ihre Unterbringung< bzw. Kolonia-IColoniawagen >Wagen der städtischen MüllabfuhrArbeiter auf südamerikanischen Kaffeeplantagenc Der Bezeichnungsexotismus spiegelt span. colono (eigtl. >Ansiedler, PächterBauer, Bebauer, Siedler< (zu colere >bebauen, pflegenklotzige Person< erwogen. Color: In der Musikgeschichte bezeichnet das Fremdwort die Ausschmückung einer Melodie in der mittelalterlichen Musik. Es beruht auf lat. color >Farbe; Schmuck< (s. Colorado), vgl. dessen Kompositionsform etwa in Kolorimeter >Gerät zur Bestimmung von Farbtönen« (s. Metrum). Über frz. couleur >Farbe< ergab der Latinismus die Dublette Couleur bestimmte geistig-weltanschauliche Prägung einer Person; Trumpf im Kartenspiel; Band und Mütze einer studentischen Verbindung*. Der Gallizismus Trikolore >dreifarbige Fahne< stellt seinerseits eine Ellipse aus der gleichbedeutenden Fügung frz. (drapeau) tricolore dar, in der das substantivierte Attribut auf der spätlateinischen suffixlosen Zusammenbildung tricolor >dreifarbig< (vgl. drei) basiert. Colorado: Der Bundesstaat der USA ist nach dem in ihm entspringenden großen Fluss Colorado River (vgl. Revier) benannt. Dies ist eine teilweise Lehnübersetzung von span. Rio Colorado (eigtl. >rötlich gefärbter Flussfärben; ausschmücken* (zu color >Farbemit Farben ausmalen* entlehnt, so dass den obigen Dubletten im Deutschen morphologisch koloriert entspricht.
C o m e s Beantwortung des Fugenthemas*: Der musikalische Fachausdruck beruht auf lat. comes, Akk. comitem >Begleiter< (gebildet aus ire >gehen< mit dem Präfix com- >mit-Graf< bedeutete, z. B. Comes palatinus >Pflazgraf< (s. Palatin), Comes Terrae >Landgraf< (vgl. dürr). Daher die romanischen Exotismen Comte und Conte, dem Grafen entsprechende Adelstitel jeweils in Frankreich und Italien, bzw. Count, englische Bezeichnung für einen nichtbritischen Grafen (zum Unterschied vom britischen Earl). Mlat. vicecomes (s. Vize) lieferte seinerseits über mfranz. vicomte/visconte den zwischen Graf und Baron rangierenden französischen Adelstitel Vicomte und die ihm entsprechenden ital. Visconte bzw. engl. Viscount. Über entsprechende Movierungen s. Komtess. con in con effetto, confuoco (s. Effekt, Fokus) und öfter: Italienische Fortsetzung der lateinischen Präposition cum >mit< (etwa in cum modo >mit Maß*, s. Kommode), entstanden aus alat. com, das als Präfix com-, vor Vokalen und h co- und mit Assimilation col-, con-, cor- an zahlreichen Präfigierungen teilnimmt, vgl. folgende unter den im Lexikon lemmatisierten Bildungen Kohorte, Kopula, Comes, Kommandeur, Kommerz, komplett. Komposite, KoUega, kollektiv, Korrektor, Kondition, Konferenz, konfluent, konkret, Konkurs, konsequent, Konzert, Kostüm. In diesem Zusammenhang wäre es angebracht, an die prinzipiell aufgegebene Auffassung zu erinnern, dass lat. cum mit der germanischen Präposition *ga >mit< urverwandt sein könnte, die über ein Präfix *ga- in nhd. Ge-/ge- fortlebt. Nur noch W. Pfeifer kommentiert unter dem Lemma ge-, dass ein als Adverb, Präfix und Präposition fungierendes idg. *kom >neben, bei, mit* (die Vorlage von oben besprochenem lat. cum/ com-) germ. *ham ergeben müsste, so dass »germ. *ga- lautlich nicht hierher zu gehören scheint; es sei denn, man führt germ. g- im unbetonten Präfix über X auf idg. k- zurück und nimmt Nasalschwund an«. Diesen Umstand hat schon O. Behaghel in einer kurzen Bemerkung im Anschluss an seinen Beitrag »Die neuhochdeutschen Zwillingswörter« (Germania 23/1878, S. 292) erwogen. Vom Standpunkt des von französischen Linguisten aufgestellten Prinzips der sog. »phonétique syntactique« ergebe sich nach seiner Meinung, dass der Anlaut des Adverbs bi >bei* einmal unter dem Einfluss des Vernerschen Gesetzes gestanden habe, so dass wir somit die Möglichkeit erhalten, germ. bi mit sanskr. pi zu vermitteln, und dass sich nunmehr in ähnlicher Weise »germ. ga mit lat. co in Verbindung bringen« lasse. Die durchaus
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vertretbare lautliche Entwicklung des in unbetonter Stellung (en- und proklitisch) auftretenden idg. *co(m) > germ. *xa(m) > *ya(m) > *ga ist zugleich ein Argument dafür, lat. cum/co- usw. und dt. Ge-/ge- als genetische etymologische Dubletten zu betrachten. Ihre von W. Pfeifer hervorgehobene semantische Berührung äußert sich in spezifischer Weise bei lexikalischen Nachbildungen: Das Substantiv Gewissen gilt als Produkt des Versuchs, lat. conscientia >Bewusstsein; Gewissen< (eigtl. M i t w i s sen, Mitwisserschaft) im Althochdeutschen durch giwizzani (Adjektivabstraktum zum Partizip Präteritum von wizzan >wissenallgemein< bzw. mit dt. gemein erörtert. Und umgekehrt wird unter Kumpan daraufhingewiesen, dass spätlat. companio >Brotgenosse, Kamerad< offenbar germ. "gaxlaiba, got. gahlaiba, ahd. gi(h)leibo >Genosse< (wörtl. >wer das Brot mit anderen gemeinsam hatHahn< bedeutende Fremdwort begegnet in aus dem Französischen eingedrungenen Fügungen wie etwa Coq au Vin >Hähnchen in Weinsoße< (s. Wein), veraltet Coq du Village >Hahn im Korbe< (eigtl. >DorfhahnDorf< s. Villa). Frz. coq setzt gleichbed. spätlat. coccus >Hahn< fort, für das lautmalende, wohl den Hahnenschrei nachahmende Herkunft angenommen wird. Aus dem lateinischen Wort entlehntes aengl. coc festigte unter Einfluss von (m)frz. coq seinen Gebrauch und liegt engl, cock zugrunde, das im Deutschen gebunden erscheint in Cockpii >Pilotenraum, Sitzraum eines Sportboots oder RennwagensGrube, Vertiefung für einen Hahnenkampf< (s. Pfütze), dann auch >hinterer Teil des Unterdecks eines KriegsschiffesHahnenschwanzMuschelschale; in einer Muschelschale angerichtetes Ragoutc Das aus dem Französischen stammende Fremdwort repräsentiert den zu einem Femininum singularisierten und von nicht verwandtem coque >Eier-, Fruchtschale< beeinflussten Plural conchylia von lat. conchylium >Schaltier, Auster; PurpurschneckeMuschel< (s. Koncha) zurückgeht. Eingedeutscht kehrt das französische Wort im Fachausdruck des Hüttenwesens Kokille >metallische, wiederholt verwendbare Gussform< wieder. Corps/Korps >größerer Truppenverband; studentische Verbindungc Die fremde Schreibung des im 17. Jh.
Coulomb
aus frz. corps (d'armée) >Körper(schaft); (Heeres)abteilung< zuerst als Ausdruck im militärischen Bereich übernommenen Wortes erscheint heute in Fügungen wie Corps de Ballet > Ballettgruppen Corps diplomatique = diplomatisches Korps. Frz. corps beruht auf dem Nominativ des lateinischen Neutrums corpus, Gen. corporis >Leib, Rumpf; Körperschaft; Gesamtheit; Sammelwerke das als unmittelbare Entlehnung in Corpus n. >Hauptteil eines Organs oder KörperteilsBelegsammlung von Texten und Schriften; einer wissenschaftlichen (Sprach)analyse zugrunde liegendes Material; Klangkörpen vorliegt. Dazu stellen sich die Homonyme Korpus 2 m. >Christusfigur am Kreuz; massives Teil an Möbeln< und Korpus 3 f. >alter Schriftgrad< (feminin nach Schrift). Als Synonym zu mhd. lïch(e) >Körper< (woraus zu >toter Körper< verengtes nhd. Leiche, s. d.) tritt seit dem 13. Jh. aus obliquen Kasus von lat. corpus entlehntes mhd. korper/körper auf, das in nhd. Körper fortlebt. Costa >RippeKüste< etwa in Costa Rica/ Kostarika (eigtl. >reiche Küstewilde KüsteRippeRücken; Seite< wider. Span. costa ist allerdings kein regulärer Fortsetzer von lat. costa, sondern eine im Mittelalter aus den Küstenmundarten übernommene, übertragen gebrauchte Lautform (über die aus dem Altnordischen ausgehende Benennung lang gestreckter Klippenreihen und Sandbänke nach ihrer Ähnlichkeit mit einer Rippe s. Riff unter Rippe). Das gesetzmäßige Erbwort im Spanischen ist das diphthongierte cuesta >Bergabhangaufgrund verschiedener Materialeigenschaften von Schichtgesteinen durch Abtragung entstandene Geländestufe< beruht. Auf den altfranzösischen Fortsetzer coste >Rippe; Abhang; Meeresküste< geht andererseits durch Vermittlung von niederl. kust(e) dt. Küste zurück, während die moderne französische Form côte >Küste; Rippe< (vgl. Kotelett) in Côte d'Azure (eigtl. >himmelblaue KüsteZwischenrippenstückKüste< zugrunde, das in East-Coast-Jazz und WestCoast-Jazz (s. Ost, West) als Bezeichnungen für zwei besondere Stilrichtungen des Jazz an der Ost- und Westküste der USA in den 50er Jahren des 20. Jh. auftrtt. Coulomb: Die 1881 eingeführte Maßeinheit der elektrischen Ladung oder der Elektrizitätsmenge (Zeichen: C, gleich 1 Ampersekunde) ist nach dem französischen Physiker Charles Augustin de Coulomb (1736-1806)
Crêpe
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benannt, dessen Familienname mit lat. columbus >Tauberich< identisch ist. Mit diesem stimmt auch der latinisierte Familienname des Genuesers Cristoforo Colombo überein: Christof Kolumbus (1451-1506). Die spanische Namensform des Entdeckers Amerikas Cristóbal Colón (s. Christoph) verlieh man sowohl der Währungseinheit in Costa Rica und El Salvador als auch drei lateinamerikanischen Städten jeweils in Argentinien, Panama und auf Kuba. Crêpe 1 f. >sehr dünner Eierkuchen: Jüngere Übernahme von gleichbed. frz. crêpe1, der femininen Substantivierung eines bis ins 16. Jh. fungierenden Adjektivs afrz. cresp(e) >gekräuseltkraus< fortsetzte. Als Benennungsmotiv wird gelegentlich die Tatsache erwähnt, dass sich die dünnen Eierkuchen leicht wellen. Aus der maskulinen Stoffbezeichnung crêpe2 stammt nhd. Krepp/ Crêpe2 m. (18. Jh. Crep, 16. Jh. Kresp über niederl. crespe) als Sammelbezeichnung für Gewebe mit welliger oder gekräuselter Oberfläche, z. B. Crêpe de Chine (eigtl. >Krepp aus Chinascheiden; entscheiden), enthalten auch im strafrechtlichen Grundsatz nullum crimen sine lege, der besagt, dass eine Tat nur bei bereits gesetzlich bestimmter Strafbarkeit bestraft werden kann (wörtl. >kein Verbrechen ohne GesetzWissenschaft vom Verbrechen (über das Grundwort s. Logo). Über afrz. crimne ergab crimen frz. crime >Verbrechenschwere, vor dem Schwurgericht verhandelte StraftatStraftat im angloamerikanischen Strafrecht im Gegensatz zur Ordnungswidrigkeit; schwerster Rechtsverstoß im Völkerrechts vgl. auch die Fügungen Sex and Crime (s. Sex, und), White-Collar-Kriminalität (s. Koller2) sowie die Ableitung kriminell. Crista >Leiste, Knochenkamm, kammartiger Teil eines Organsc Im Duden-Fremdwörterbuch sind neben diesem medizinischen Fachausdruck zwei weitere Substantive aufgeführt, die auf dessen Quelle lat. crista >Kamm (bei Tieren); Helmbusch, Kopfaufsatz bei Elefanten zurückgehen und sich somit als seine etymologischen Dubletten offenbaren: Über afrz. creste ist aus crista frz. crête >Hahnen-, Wellen-, Berg-
k a m m hervorgegangen, vertreten in Schweiz. Krete >Geländekamm, GratHahnenkamm; Haarschopf; Mähne; Helmbusch; Bergrücken liegt seinerseits Crest als Bezeichnung für die Helmzier in der englischen Heraldik zugrunde. crudus >ungereinigt, rohe Das laut Duden-Fremdwörterbuch in Bezug auf Chemikalien gebrauchte Eigenschaftswort beruht auf lat. crudus m., crudum n. >roh, unreif; frisch< (eigtl. >blutigBlutroh< und daher mit roh elementar verwandt ist). Dessen substantiviertes Neutrum liegt dem ebenfalls fachsprachlichen Crudum >Rohstofffür die Antimongewinnung< zugrunde, und deglutiniert bzw. von herkunftsgleichem engl, crude >roh, unverarbeitet; ungehobelt, grob< beeinflusst erscheint der Latinismus in krud/krude >roh (von Nahrungsmitteln); unverdaulich; roh, grausam. Im Französischen lebt crudus im Erbwort cru >roh, ungekocht; derb, anstößig< und - mit dem Präfix e- (s. ex) verstärkt - auch in ecru >roh, ungebleicht fort, das entsprechend dt. ekrü/ecru >ungebleicht; weißlich, gelblich lieferte. Cup >Pokal(wettbewerb)Tasse, Pokal< (> Schweiz. Coupe >Eisbecheraltes spanisches Hohlmaß von 0,126 1Gefäß, Schale, Bechen fort, auf das man ferner das im 18. Jh. schriftsprachlich gewordene mitteldeutsche Wort Kuppe >(Berg)spitze, Gipfel< (woneben die landschaftliche Variante Koppe und möglicherweise gleichbed. oberd. Gupf) mit vermutlicher Bedeutungsentwicklung >Schale, Haube< > >rundlicher Gegenstand, äußerste Spitze< zurückzuführen versucht. Mit diesen identisch und somit herkunftsgleich zu sein scheint engl, cop >Garnwickel; Knäuels mda. >Bergspitze, -kammauf dem Seifaktor bewickelte Schussspule in der Baumwollspinnerei (s. Pinne) ist und dessen Plural cops im Fachwort der Spinnerei Kops m. >Kötzer, Spinnhülse mit aufgewundenem Garn, Garnkörper, Spule< singularisiert vorliegt. Lautgetreue Übernahmen von lat. cuppa stellen die graphisch unterschiedenen Dubletten kirchenspr. Cuppa »Schale eines (Abendmahls)kelches< und kunstwiss. Kuppa >die Schale eines Kelchs< dar. Vor der hochdeutschen Lautverschiebung wurde cuppa zu ahd. kopf>Becher, Trinkschale< entlehnt, welches sich über die im Mittelhochdeutschen entwickelte bildlich übertragene Bedeutung >Hirnschale< zu nhd. Kopf etablierte (vgl. gleichbed. niederd. Kopp in der abwertenden Zusammensetzung Doof kopp >beschränkter MenschBottich, Bütte< sowie über das Niederdeutsche übernommenem Küpe >Färbebad, Lösung eines Küpenfarbstoffes< (urspr. und landsch. >der Kessel, in dem Farbe gekocht wirdSorge, Fürsorge; Pflege; Behandlungspätere Sorgeohne Sorge< (im Sinne von >ohne AmtssorgenPfründe ohne Amtsgeschäfte; müheloses, einträgliches Amt< (vgl. Absence) dar. Das lateinische Wort, das u. a. Quelle von frz. eure >Sorge, Pflege, Kur< ist, ergab im 16. Jh. dt. Kur >HeilbehandlungFußpflege< (s. Fuß), auf der gleichbed. dt. Pediküre beruht. Cutter: Entlehnung von engl, cutter, das - als Nomen Agentis und Nomen Instrumenti zum Verb to eut >schneiden< die allgemeinere Bedeutung Schneidender; Zuschneiden vertretend - sich im Deutschen in der ersten Hälfte des 20. Jh. zur Berufsbezeichnung für den Schnittmeister im Film- und Funkwesen und zur Bezeichnung einer Fleischschneidemaschine zur
Cyclops
Wurstbereitung entwickelte. Älter (seit dem 18. Jh. bezeugt) und eingedeutscht ist Kutter, das als Schiffsbezeichnung engl, cutter im Sinne von >die Wellen durchschneidendes Fahrzeug< widerspiegelt; hier wäre allerdings nach C. T. Onions und W. Pfeifer auch lautliche Umbildung von port. catur >kleines indisches Kriegsschiff erwägenswert. Cydops >niederer Krebs (Ruderfüßer)c Das im DudenFremdwörterbuch aufgeführte zoologische Fachwort, das wahrscheinlich eine Unterart der Hüpferlinge genannten Cyclopidae meint, stützt sich auf die lateinische Bezeichnung der sagenhaften einäugigen Riesen auf Sizilien Cyclopes, Sing. Cyclops. Für diese gebraucht man die Eindeutschung Zyklop, das - vom tölpelhaften Riesen Polyphem in der Odyssee ausgehend - umgangssprachlich auch so viel wie >ungeschlachter Mensch, ein Mann, den man leicht übertölpeln kann< bedeutet. Wie die seltenere Variante Kyklop erkennen lässt, beruht der Latinismus auf gleichbed. griech. Kyklöps, das traditionell als ein Kompositum aus kyklos >Kreis, Ring< (s. Zyklus) und öps >Auge< interpretiert und dementsprechend als >das Rundauge, der Rundäugige< gedeutet wird. E. Seebold hält diese Erklärung für sachlich unbefriedigend, weshalb er aufgrund einer anderen Morphemanalyse im Vorderglied des Kompositums eine mit dt. Vieh (s. d.) identische indogermanische Wurzel und im Hinterglied griech. klöps >Dieb< (also urspr. >ViehdiebVersfuß aus einer Länge und zwei Kürzenc Als Terminus der Verslehre entlehnt über lat. dactylus aus gleichbed. griech. dáktylos, eigtl. >Finger (mit drei Gliedern) Finger, Zehe< gebraucht und erscheint verselbständigt in Daktylo, der Kurzform (Kopfisolierung) von Schweiz. Daktylographin M a schinenschreibens. Mit demselben Gräzismus nannte man auch die Frucht der Dattelpalme, doch mit Rücksicht auf gleichbed. arab. daqal und hebr. deqel wird in diesem Fall eher eine volksetymologische Umdeutung der semitischen Bezeichnung nach der fingerähnlichen Form des Palmenblattes oder der Früchte selbst vermutet. Mit dem Südfruchthandel gelangte das griechisch-lateinische Wort zunächst in der Lautung dahtil (älteste Belege in der Zusammensetzung dahtilboum aus dem 11. Jh.; über die Substitution /kt/ > lytl s. dichten unter diktieren), dann seit dem 13. Jh. durch Vermittlung von älterem ital. dattilo und span. dátil ins Mittelhochdeutsche: datel, das heute in Dattel fortlebt. In H. Pauls deutschem Wörterbuch wird angenommen, seit 1613 bezeugtes landsch. Dachtel >Ohrfeige< gehe eher auf mhd. dahtel >Dattel< mit scherzhafter Übertragung wie bei Ohrfeige denn auf mhd. däht >Denken< als >Denkzettel< zurück (vgl. auch H. Küppers Erläuterung unter Dachtel >Ohrfeigeeinfarbiges, feines (Seiden)gewebe mit eingewebtem Mustere Die seit dem 14. Jh. in der Lautung damasch/damasc vorkommende Bezeichnung für die exotische Gewebeart stammt aus gleichbed. ital. (und span.) damasco. Dieses ist identisch mit Damasco, dem (zusammen mit frz. Damas) aus lat. Damascus ererbten Namen der syrischen Stadt, aus der der Damast ebenso wie andere Waren (vgl. Damaszener) ursprünglich eingeführt wurde. Während im Italienischen, Spanischen und Französischen Eigen- und Gattungsname (Damasco - damasco bzw. Damas - damas) gleich lautend sind, weicht dt. Damast auffällig von
seiner etymologischen Dublette Damaskus ab, in der sich lat. Damascus (aus griech. Damaskós für arab. Dimasq, ägypt. [16. Jh. v. Chr.] tjmsqw unklaren, vorsemitischen Ursprungs) adäquat widerspiegelt. Dt. Damast (erste Hälfte des 15. Jh. bezeugt, seit Beginn des 18. Jh. allein geltend) ist als Entlehnung entweder aus frz. damas (mit sekundär angetretenem -f, vgl. damascht im 16. Jh.) oder aus der veralteten italienischen Nebenform damasto erklärbar, die man gleicherweise auf frz. damas zurückzuführen versucht. Damaszener: Zusammen mit damaszenisch durch Adsuffigierung morphologisch angepasste Entlehnungen von griech. damaskénós über lat. damascenus >aus Damaskus, damaszenisch< (vgl. Damast), wobei Damaszener entweder substantiviert als Einwohnerbezeichnung oder indeklinabel als Adjektiv gewöhnlich in den Verbindungen Damaszener Stahl, Klinge >mit feinen Mustern versehener Stahl oder Säbel< fungiert. Der Fachausdruck Damaszenerpflaume für die entsprechende Pflaumensortengruppe erinnert an eine im Altertum in der Gegend von Damaskus kultivierte Pflaume. Es wird angenommen, dass deren romanischer (norditalienischer oder südostfranzösischer) Name, der über entstelltes vlat. *davascena auf den lateinischen Plural damascena >Pflaumen aus Damaskus< zurückgeht, die Quelle von seit dem 15. Jh. im deutschen Südwesten bezeugten Lautformen wie twetzschen ist. Daraus sind durch die regelrechte Lautentwicklung tw- > zw-/ qu- (s. quer) die regional variierenden Bezeichnungen für die (länglichere, später reifende) Pflaumenart oberd. Zwetsche/Zwetschge, österr. Zwetschke und mitteld. Quetsche entstanden. Dame: Die heutige Bezeichnung für vornehme Frauen ist im 16. Jh. aus frz. dame entlehnt als Modewort der höfisch-galanten Dichtung. Seit Mitte des 17. Jh. beginnt das Fremdwort die herkömmliche Benennung für Frauen des Adels Frau (s. d.) zu verdrängen, und erst seit Ende des 18. Jh. wird es auch auf bürgerliche Frauen angewandt. Frz. dame geht wie seine Kognaten ital. donna und span. doña (eine Nebenform von regelrecht diphthongiertem dueña >HerrinHausfrau, Gebieterin, Herrin Hausherr, Gebieter, Besitzen (s.
Daune
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Dominus), bezeichnet aber in der Fügung Notre-Dame (s. d., eigtl. >Unsere FrauAnstandsdame; Erzieherin< veraltet ist, sind Donna und Doña als vor weiblichen Vornamen gebrauchte höfliche Anreden jeweils in Italien und Spanien Exotismen im Deutschen, jenes ist aber außerdem Grundwort in Zusammenrückungen wie Belladonna (s. Beau), Primadonna >Darstellerin der weiblichen Hauptpartie in der Oper; verwöhnte Person< (aus gleichbed. ital. prima donna, eigtl. >erste Dameweibliche Person; Freundin, Geliebte< als Eindeutschung von span. doña) in der Bedeutung H a u s angestellte, Dienstmädchen< auf. Auch deren lateinische Ausgangsform Domina begegnet im Deutschen, und zwar in den zwei weit voneinander entfernten Bedeutungen >Stiftsvorsteherin< und >Prostituierte, die sadistische Handlungen an einem Masochisten vornimmthalb-< (s. Teint), ist erster Bestandteil des Anglizismus Demijohn >Korbflasche< (eigtl. Dame Jeanne >Frau Johannadann, darauf< und than >als (nach Komparativ)< - in der Hochsprache funktional differenziert wurden (jedoch nicht in der nord- und mitteldeutschen Umgangssprache, wo denn auch für dann gebraucht wird). Über die Herkunft der vorausgehenden Variantenpaare mhd. danne/denne, ahd. thanne/thenni bestehen verschiedene Meinungen. Die auf dem demonstrativen indogermanischen fo-Pronomen beruhende und Nasalerweiterung aufweisende Ausgangsform (west)germ. *pan bzw. *pann- wird von E. Seebold in Anbetracht der ältesten Verwendung der Partikel im Deutschen als Vergleichspartikel, temporale Konjunktion und temporales Adverb für ein Zeitadverb, im Duden-Herkunftswörterbuch dagegen für ein Ortsadverb mit der Grundbedeutung >von da aus< gehalten, die Ausgangspunkt für seinen späteren Auftritt als Vergleichspartikel sowie als Zeitadverb und Konjunktion sein soll. Die heute auf denn eingeschränkte Funktion, begründende Hauptsätze einzuleiten, rührt nach W. Pfeifer vom Gebrauch der beiden Partikeln als Konjunktion her, durch den in älterer Zeit nebenund unterordnend verschiedenartige, namentlich temporale und kausale Zusammenhänge hergestellt wurden. Über eine analog verlaufene Auseinanderentwicklung bei wenn und wann s. wann. das: Neutrales Demonstrativpronomen, das auch als Relativum und bestimmter Artikel fungiert. Durch Verschiebung der Satzgrenze in Äußerungen wie ich
weiß das, er kommt > ich weiß, das er kommt entstand aus dem Demonstrativum die Konjunktion dass, die seit dem 16. Jh. zunächst bei J. Maaler durch die Schreibung dasz bzw. daß orthographisch unterschieden wurde. Die hochdeutsche, in süddeutschen Mundarten zu des abgeschwächte Partikel ist durch umgekehrte Umwandlung des anlautenden Spiranten und des auslautenden Verschlusslautes von germ. *pat (aus einem indogermanischen Demonstrativum *tod) jeweils in Verschlusslaut (soweit auch niederd. dat) und Spiranten entstanden, während im Englischen lediglich der stimmlose Spirant im Anlaut der funktionsgleichen Partikel durch einen stimmhaften ersetzt worden ist, vgl. deren Präsenz in Hamlets Worten To be, or not to be: that is the question >Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage< (s. Ist, vgl. zu, nicht). datum geschrieben, verfügte Das in alten Briefen und Urkunden vor die Zeitangabe als Einleitungsformel gesetzte Adverb (datum den ...) repräsentiert das auf die Wendung litteras dare >einen Brief schreiben< (vgl. Litera) bezogene Partizip Perfekt des lateinischen Verbs dare >geben; ausfertigen und bedeutet demnach eigentlich >gegeben(bis) heute, jetztvom Tag der Ausstellung an< (s. ab1) ist sein Ablativ Singular vertreten. Die Substantivierung Datum >Tagesangabe; Faktum< erscheint im Deutschen seit dem 13. Jh. (Plur. data, seit Mitte des 14. Jh. auch daten). Die im 18. Jh. in der Sprache der Wissenschaft aufgekommene Bedeutung >gegebene Größe< wird seit dem 19. Jh. zunehmend vom (heute schon lexikalisierten) Plural Daten >Zahlenwerte, Angaben, Tatsachen, zum Zwecke der Auswertung kodierte Informationen über reale Gegenstände, Gegebenheiten, Ereignisse etc.< übernommen. Diese semantische Entwicklung wurde zweifelsohne durch den analogen Gebrauch von herkunfts- und bedeutungsgleichem engl, data, dem Plural von datum gefördert, woneben die etymologische Dublette date >Datum, Zeitangabe< (über afrz. date aus mlat. data, dem Femininum von datum, herausgelöst aus der Formel data epistula Romae >in Rom gegebener BriefVerabredung, Treffen< lieferte Letzteres dt. ugs. Date. Daune >Flaumfederstieben, wirbeln< und demnach etwa >Aufgewirbeltesvon, von - weg, von - her(ab); über; gemäß< bedeutet und in formelhaft gebrauchten Fügungen wie de facto >tatsächlich< (s. Fact) auftritt, aber auch als Präverb fungiert wie in deponere >weglegen< (s. Deponens, Depositen), designare >bezeichnen< (s. designieren). Im Spanischen und Portugiesischen lautet sie weiterhin de bzw. - mit dem maskulinen und femininen bestimmten Artikel - del bzw. da wie etwa in span. Rio de Oro, Rio Grande del Norte (s. Aurum, Nord), port. Autodafé, und ihre französische Fortsetzung ergab das Homograph de2 z. B. im Namen des Balletttanzes Pas de deux (s. Passus, zwei). Im Italienischen ist aus der Verschmelzung von lat. de und ital. a (s. ad) die neue Präposition da entstanden, die in da capo >von Anfang an< (s. Haupt) vorliegt und in der vom lateinischen Wort nur der Anlaut d- (wie auch bei frz. d' z.B. in d'accord »einverstandenzehn frz. dîme >ZehntZehntelio-Cent-Münze in den USA und Kanada< zugrunde, vgl. den Exotismus Dime in der letzteren Bedeutung. Ebenso durch Ellipse ist aus lat. decima (vox) »zehnter (Ton)< das Fachwort Dezime »zehnter Ton der diatonischen Leiten entstanden. Das substantivierte Maskulinum des lateinischen Numerales tritt auf sowohl in Decimus »einer von den in Zehnergruppen auf den Dörfern angesiedelten Landsklaven eines polnischen Fürsten bis ins 12. Jh.< als auch - über frz. décime - in Decime »frühere französische Münze im Wert von 10 Centimes^ Eine Kopffragmentierung von lat. decimus stellt schließlich das zur Bezeichnung des zehnten Teils einer Maßeinheit geschaffene Bestimmungswort frz. dèci- dar, z.B. in décimètre > dt. Dezimeter (vgl. Metrum), Dezibel (s. Bei). Dejeuner »kleines Mittagessen; Frühstücksgedeck (aus Keramik oder Holz) für zwei Personenfastenergötzen, amüsierenan sich locken, ergötzen« (de-Präfigierung zu lacere >locken, verlocken, bestricken«, zur Sippe von laqueus >Schlinge, Fallstrick /tt/ ergab der Latinismus ital. dilettare e r freuen, amüsierenNichtfachmann< die heutige abwertende Bedeutung >Stümper< erlangte. Parallel dazu hat sich auch das zugehörige Verb dilettieren semantisch zu >im wissenschaftlichen oder künstlerischen Bereich als Dilettant tätig sein< entwickelt, das angesichts seiner Struktur (vgl. Garant - garantieren vs. Dilettant-dilettieren, nicht etwa *dilettantieren) nur schwer als Rückbildung aus Dilettant zu interpretieren wäre. delikat >lecker; zart; fein; taktvoll; heikelc Seit Ende des 16. Jh. belegte Übernahme von frz. délicat, das selbst ungefähr 100 Jahre zuvor aus lat. delicatus »reizend; üppig; verwöhnt; schlüpfrig< entlehnt wurde, aus dem Vulgärlatein ererbtes delgié/dougié verdrängend. Dessen spanisch-portugiesischer Kognat delgado >dünn; fein; üppig; schlau< liegt in Cabo Delgado >Kap Delgado< (eigtl. >das dünne, feine Kapanlocken, ergötzen< gehörenden lateinischen Verbs *delicare (vgl. delektieren, deliziös). deliziös >sehr wohlschmeckend, besonders köstliche Der gehobenen Sprache vorbehaltene hybride Übernahme von frz. délicieux >köstlich, lieblich, fein< und dessen Vorlage spätlat. deliciosus >weichlich, verwöhnt; köstlich< (zu lat. deliciae Plur. >üppige Genüsse; Leckerbissen, feine Speisen«, zu delectare »ergötzen, amüsieren«, s. delektieren, vgl. delikat). Aus der Vorform des Gallizismus afrz. delicious wurde bereits im 13. Jh. engl, delicious wohlschmeckend, köstlich« entlehnt, das im Namen der Apfelsorte Golden Delicious (eigtl. >der goldene Köstliche«, s. Gulden) vorliegt, außerdem aber auch elliptisch vorkommt und sogar relatinisiert auftritt: Delicious bzw. Delicius/Delizius. Delphin'/Delfin m. »fischähnliches Meeressäugetier aus der Familie der Zahnwale«: Das Variantenpaar hat eine morphosemantische Dublette in der Bezeichnung des Schwimmstils Delphin2/Delfin n., die als Kopfisolierung aus Delphinschwimmen regelrecht
Deodorant das Genus des weggelassenen Grundwortes übernommen hat. Über lat. delphinus stammt der Tiername aus spätgriech. delphin (mit -n aus den obliquen Kasus von älterem delphis, Gen. delphïnos »Delphin«), dem vermutlich griech. delphys »Gebärmutter« zugrunde liegt, so das das Tier (W. Pfeifer zufolge) entweder nach der einer Gebärmutter ähnlichen Form seines Körpers benannt oder der Name als »Meerestier mit Gebärmutter« zu verstehen ist. Über vlat. *dalfinus ergab lat. delphinus/Delphinus als Gattungs- und Personenname frz. daufin, gebraucht im Sinne von »Delphin« wie auch als Herrschertitel. Dieser wurde im 12. Jh. von den Grafen der Vienne angenommen (vgl. den darauf beruhenden späteren Namen der Vienne Dauphiné) und galt von 1349 bis 1830 als Titel des französischen Thronfolgers. Daher der Historismus Dauphin »französischer Thronfolger« im Deutschen. Denar: Deglutinierte Wiedergabe von lat. denarius (nummus) »Zehner (Münze)«, abgeleitet von deni »je zehn« (zu decem »zehn«, s. zehn), seit dem 2. Jh. v. Chr. üblichste römische Silbermünze im Wert von 10 (später 16) Assen, seit dem 7. Jh. Name einer merowingisch-karolingischen Münze (Pfennig). Das lateinische Wort, das in der Fügung denariusgrossus m. »dicker Denar« den Ausgangspunkt für dt. Groschen (s. Gros1) bildete, verbreitete sich durch Vermittlung von griech. dênârion n. (mit der byzantinischen Aussprache von ê als 1) auch ostwärts und ist in der Lautung Dinar heute noch Währungseinheit in SerbienMontenegro und in einigen arabischen Ländern (z.B. Algerien, Bahrain, Irak, Jordanien, Tunesien). Lat. denarius entwickelte sich lautlich zu frz. denier, das im Mittelalter den Wert von 1/12 Sou hatte, im 19. Jh. zu Maßeinheit der Masse (0,05 g) und zu Denier als Maß für die Feinheit von Garn, Fäden und Faserstoffen (Abkürzung: den) wurde, die nach der den-Anzahl pro 450 m gemessen wird. Deodorant/Deo »Pflegemittel gegen Körpergeruch«: Die Kopffragmentierung Deo ist im Deutschen aus der vollen Form des Fremdwortes entstanden, das aus gleichbed. engl, déodorant übernommen wurde. Der Anglizismus ist aus dem Flexionsstamm odorant- des Partizips Präsens von lat. odorare »mit Wohlgeruch erfüllen« (zu odor »Duft, Geruch«, s. Odor) mit dem Präfix de- (vgl. de1) gebildet. Dieses Präfix repräsentiert in gleichem Maße lat. de- und frz. dé(s)-, in dem lat. de- »von - weg« und dis- »auseinander, entzwei« (herkunftsgleich mit dt. zer-) zusammengefallen sind. Im Französischen bildete man im 19. Jh. aus dés- und lat. odor das Verb désodoriser »geruchlos machen« (vgl. analog gleichbed. engl, deodorize) mit dem substantivierten Partizipiaistamm désodorisant (20. Jh.), dem nach E. Seebold dt. Desodorant als Variante von Deo(dorant) folgt. Daneben
Departement ist auch Desodorans >Mittel zum Desodorieren< als substantivierter relatinisierter Nominativ zum Gallizismus Desodorant im Deutschen lexikographisch verzeichnet. Departement Verwaltungsbezirk in Frankreichc Das in der Schweiz auch im Sinne von >Ministerium< sowie in der sonst veralteten Bedeutung >Abteilung, Geschäftsbereich< gebräuchliche Fremdwort stammt aus gleichbed. frz. département, Deverbativ von départir >vertei\en< (über vlat. * départire < lat. dispartire, aus dis- >auseinander< und partiri >teilenRegierungs- oder Verwaltungszweig; Fachbereich an amerikanischen und englischen Universitäten (vgl. ferner State Department unter Status). Deponens >Verb mit passivischen Formen, aber aktivischer Bedeutungc Der sprachwissenschaftliche Fachausdruck, verselbständigt aus lat. verbum deponens, repräsentiert das substantivierte Partizip Präsens deponens, Gen. deponentis von lat. deponere >ab-, weg-, hinterlegen (s. Depositen) und bedeutet eigtl. >ablegendjemand, der etwas in Verwahrung gibt< auf. Depositen >Gelder, die als kurz- oder mittelfristige Geldanlage bei einem Kreditinstitut gegen Verzinsung eingelegt und nicht auf einem Spar- oder Kontokorrentkonto verbucht werdenc Das im Bankwesen übliche Fremdwort ist eigentlich der Plural zu seltener vorkommendem Depositum >das Hinterlegte; hinterlegter Betrags welches das substantivierte Partizip Perfekt Neutrum depositum von lat. deponere >ab-, weg-, hinterlegen (komponiert aus de- und ponere, s. de', Post, und adaptiert zu dt. deponieren) wiedergibt. Aus mlat. depositum a u f b e wahrtes Gut; Aufbewahrungsort entwickelte sich afrz. depost »Vorrat, Niederlagen das über frz. dépôt im 18. Jh. dt. Depot >Lager; Sammelstelle; Aufbewahrungsort u.a.< lieferte. Design zeichnerischer oder plastischer Entwurf, Skizze, Modell; danach entstandene Forme Im Hinblick auf die Gestaltung industriell gefertigter Gegenstände übernommen aus engl, design, das über frz. dessin/dessein (älter desseing) auf ital. disegno >Zeichnung; Zweck, V o r h a b e n zurückgeht oder nach dessen Vorbild zum Verb dessiner >zeichnen< (älter desseigner/dessigner < ital. disegnare beabsichtigen, bezeichnen < lat. designare bezeichnen, bestimmen, bildlich darstellen, s. designieren) gebildet ist. Die einstigen orthographischen Varianten frz. dessin/dessein, die seit dem 18. Jh. semantisch diffe-
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renziert auftreten, ergaben jeweils dt. Dessin Z e i c h nung, Muster< und veraltet Dessein >Plan, Absicht, Vorhaben. designieren bestimmen; für ein Amt vorsehen: Übernahme von lat. designare bezeichnen, bestimmen, bildlich darstellen (aus de- und signare >ein-, bezeichnen, s. de', signieren), das auch ital. disegnare beabsichtigen; bezeichnen zugrunde liegt. Dieses ergab dann durch Vermittlung von frz. dessiner (älter desseigner/dessigner) >zeichnen< dt. dessinieren >(Muster) entwerfen, zeichnen und engl, to design. Vom Letzteren, das seit dem 16. Jh. in verschiedenen Verwendungsweisen bezeugt ist und in enger Wechselbeziehung mit dem Substantiv design (s. Design) steht, wurde Ende des 20. Jh. dt. designen >das Design von Gebrauchs- und Verbrauchsgütern entwerfen entlehnt. desperat verzweifelt, hoffnungslose Das bildungssprachlich verwendete Adjektiv ist eigentlich das Partizip Perfekt desperatus von lat. desperare v e r zweifeln (de-Präfigierung des Verbs sperare >hoffen, erwarten, zu spes >Erwartung, Hoffnungin Verzweiflung b r i n g e n , aus roman. *des- für lat. dis>ent-, auseinander^ und esperar >erwarten; hoffen; f ü r c h t e n , dies aus lat. sperare mit e-Vorschlag) und an auf -ado ausgehende spanische Nomina überhaupt tritt substantivisch gebrauchtes engl, desparate >jemand, der (aus Verzweiflung) rücksichtslos hand e l t seit dem 17. Jh. im Amerikanischen hispanisierend als desperado auf, aus dem das Fremdwort Desperado >zu jeder Verzweiflungstat entschlossener politischer Abenteurer; Bandit< übernommen ist. deutsch: Das für das 8. Jh. zunächst in der lateinischen Form theodiscus volksgemäß, zum Volk gehörig< bezeugte und auf die fränkische Sprache (mlat. lingua theodisca) im Frankenreich Karls des Großen bezogene Adjektiv beruht auf westfränk. *peodisk, einer Ableitung vom Substantiv ahd. diot(a), mhd. diet >Volk< (erhalten als Vorderglied von Namen wie Dietrich, s. d., Dietmar, eigtl. etwa >im Volk berühmtSohn des VolkesHinterlassenschaft< vorliegt). Es diente also primär zur Abgrenzung der Sprache der germanischen Komponente im Frankenreich gegen das Latein und das Romanische überhaupt und wurde erst seit dem 12. Jh. auf politische Verhältnisse ausgedehnt (vgl. mhd. tiutschiu lant »deutsche Landes woraus später durch Zusammenrückung Deutschland entstanden ist). Demnach ist das Wort deutsch
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im Gegensatz zu anderen Benennungen dieser Art nicht von einem Stammes- oder Völkernamen abgeleitet, sondern die Deutschen führen eigentlich den Namen ihrer Sprache. Auf Stammesnamen (Alemannen, Germanen, Sachsen, Teutonen, Letzteres auf demselben Wort germ. *peudö >Volk< basierend wie bereits erwähntes ahd. diot >Volkvolksmäßigdeutsch< in Nachbarsprachen: frz. allemand, span. alemán, engl. German, finn. saksalainen, lat. Teutonicus. Das Wort deutsch selbst liegt gleichbed. niederl. Duits (einst >niederländischHolländerein Zweimann-Sportsegelboot< (eigtl. »fliegender Holländers erster Bestandteil zu engl, tofly >fliegennach Art eines deutschen Tanzes, im deutschen Stil< als Vortragsanweisung in der Musik (feminine Form von tedesco, s. ad), arabo-tedesco >eine Mischung des maurischen und gotischen Stils in der Architektur (eigtl. >arabisch-deutschKopfKopf, Spitze< (aus lat. testa >irdener TopfAnfang, Spitze (einer marschierender Truppe)< für veraltet gilt, ist der Gallizismus zumindest scherzhaft noch gebräuchlich im Rahmen der Fügung Tête à-Tête >zärtliches Beisammenseins früher auch >Gespräch unter vier Augen< (aus frz. tête à tête >ZwiegesprächKopf an Kopf dt. -isch (s. fanatisch) erfolgte. Griech. diabolikós ist eine Ableitung vom neutestamentlichen diabolos >Teufel, Feind, Widersacher< (eigtl. >Verleumderteufelmäßig, teuflisch< gebildet. Dieses lebt in teuflisch fort, das mit diabolisch strukturgleich ist. In Anlehnung an lat. diabolicus und darauf beruhendes frz. diabolique >teuflisch< ist im Deutschen die Substantivierung Diabolik >teuflisch-boshaftes Wesen< entstanden. Dietrich: Der seit 1400 durch scherzhafte Übertragung auch mit der Bedeutung >Nachschlüssel< gebrauchte männliche Vorname, den man im Sinne von >Herrscher des Volkes< oder >im Volk mächtig< zu deuten versucht, setzt sich aus germ. *peudö >Volk< (s. deutsch) und dem problematischen zweiten Bestandteil rih- >Herrscher, Fürst< oder >mächtig, reich< (s. Rex, reich) zusammen. Die besondere Beliebtheit des Namens im Mittelalter knüpfte an die Sagengestalt Dietrichs von Bern an, in der der große Ostgotenkönig Theoderich (um 454-526) fortlebte. Dt. Theoderich ließe sich als eine Mischform aus der gräzisierten Theudérichos und der latinisierten Theodericus/Theudericus von got. *piudareiks interpretieren, das herkunfts- oder zumindest strukturgleich mit dt. Dietrich ist. Angemessener wäre jedoch, darin eine Anpassung von Theodericus an auf -rieh ausgehende hochdeutsche Namen wie Friedrich (s. d.), Heinrich (s. Hain) zu sehen. Reflexe und Nebenformen des gotisch-deutschen Namens sind u.a. niederdt. Derk/ Dirk, schwed. Didrik, engl. Derek/Derrick. Differential' >Zuwachs einer Funktion bei einer (kleinen) Änderung ihres Argumentsc Durch ihre Bedeutungsspezialisierung haben sich der mathematische Terminus und sein im Bereich der Technik geläufiges Homonym Differential 2 , das eine Kopfisolierung aus Differentialgetriebe darstellt, vom adjektivischen Variantenpaar differential/differentiell >einen Unterschied begründend oder darstellend< nicht nur morphologisch losgelöst. Dessen erstes Glied geht direkt, das zweite dagegen über frz. différentiel zurück auf spätlat. differentialis >eine Differenz betreffend« (zu differentia >Verschiedenheitauseinander< und ferre >tragenauseinandertragenvorsagen, vorschreiben, abfassen«, Intensivum zu dicere >sagen l%tl (vgl. Frucht, trachten, Trichter sowie Abzucht unter Aquädukt, Dachtel unter Daktylos, ahd. mulhtra unter Mulde, nüchtern unter Nocturne, Pacht unter Pakt bzw. Utrecht und Maastricht unter Trajekt) und mit althochdeutscher Lautverschiebung /dl > /t/ lieferte lat. dictare schon ahd. tihtön/dihtön schriftlich abfassen, ersinnen«, mniederl. dichten >ein Werk verfas-
Diktum
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sen, schreiben^ Neben der allgemeinen Bedeutung >ein Schriftstück verfassen< zeigt daraus hervorgegangenes mhd. tihten den Nebensinn >Verse machen^ mit dem dessen Fortsetung nhd. dichten heute gebraucht wird. Diktum: Das zur Bezeichnung eines pointierten Ausspruchs dienende Fremdwort bedeutet eigtl. >das Gesagte< und repräsentiert das substantivierte Neutrum des Partizips Perfekt dictus m. von lat. dicere >sagen< (vgl. auch benedizieren, diktieren, Kondition, Prädikat sowie Jurisdiktion unter Jus1). Nicht eingedeutscht treten der Akkusativ des Maskulinums in rechtsspr. ad diem dictum >auf den anberaumten Tag< (s. ad, Zeus) sowie der Nominativ des Neutrums und der Ablativ des Maskulinums in den veralteten Fügungen dictum factum >gesagt, getan< (s. Fact) und dicto loco >am erwähnten Ort< (s. loco) auf. Reflexe des lateinischen Verbs und seines Partizips Perfekt sind u.a. gleichbed. frz. dire, Part. Perf. dit, und ital. dire, Part. Perf. deffo/toskan. ditto. Vertretungen der Partizipen als etymologische Dubletten von Diktum liegen vor in Ondit >Gerücht< (s. Homo) und dito d e s gleichen, dasselbe, ebenfalls, ebenso< (eigtl. >besagt, genannte abgekürzt: do„ dto.). Letzteres, wie niederl. dito von bedeutungs- und ursprungsgleichem frz. dito beeinflusst, ist seit dem 15. Jh. bezeugt, und zwar zunächst zur Wiederholung eines Monatsnamens, dann in der Kaufmannssprache in Bezug auf sich wiederholende Warenbezeichnungen, seit dem 18./19. Jh. auch als Adverb außerhalb der Fachsprachen. In Österreich gilt dagegen behördensprachlich die modernere italienische Form: detto >dasselbe; wie obengesegnet, gepriesengut, wohl< (s. d.) komponierten Verbs benedicere >segnen; preisen< (s. benedizieren), enthält den bereits erwähnten Nominativ dictus, der somit auch im religiösen Terminus Benedictus >Teil der lateinischen Liturgie< auftritt. Über andere Abwandlungen dieser gebundenen Dublette von Diktum siehe Benedictus, wo fremdsprachliche Erscheinungsformen des auf diesem Appellativ beruhenden Personennamens Benediktus/ Benedikt aufgeführt sind, sowie Verdikt unter wahr. Schwanzisolierung aus Benedix, einer Modifizierung von Benedikt, ist Dix, u.a. Familienname des deutschen Malers und Grafikers Otto Dix (19./20. Jh.). Diligence >Eilpostwagen Flinkheit, Schnelligkeit, Emsigkeit< zurück auf lat. diligentia >Sorgfalt, Achtsamkeit (Verbalsubstantiv zu diligere >hochachten, lieben; auswählen^ gebildet aus dis-ldi-
>aus-, heraus-< und legere >sammeln, auslesen^ vgl. kollektiv sowie Sakrileg, intelligent unter Sakrum, unter1). Eingedeutscht liegt der Latinismus selbst im veralteten Diligenz >Sorgfalt, Umsicht, Fleiß< vor. Ding 1 germanische Volks-, Gerichts- und Heeresversammlungc Historisierend kommt daneben die Variante Thing vor, die gleichbed. anord. ping widerspiegelt. Dies geht wie Ding1 (mhd. ding, ahd. thing/ ding) zurück auf germ. enga- (vermutlich zu idg. *ten-k- >ziehen, dehnenZeitpunkt, festgelegte Zeitfestnehmenwer sich durch Flucht dem Gericht entzieht< ist. Reflexe des altnordischen Wortes erscheinen in Folketing >das dänische Parlament (seit 1953, zuvor die zweite Kammer des dänischen Reichstags^ (eigtl. >Volksversammlungdas norwegische Oberhaus< (s. Law), Storfing >norwegische Volksvertretung< (eigtl. >großes ThingGerichtsversammlung< entwickelte über >zu verhandelnde Rechtssache< die allgemeinere Bedeutung >Sache, Gegenstand, Angelegenheit (vgl. Causa), die heute Ding 2 fortführt. Dessen partitiver Genitiv, verselbständigt im 16. Jh. aus Wendungen wie ein stück dings, liegt ugs. Dings >unbestimmter oder unbekannter Mensch, Ort oder Gegenstand< (s. auch Zeug) zugrunde. Mit der germanischen Ableitung *pingsaz, latinisiert Thingsus >Thingbeschützer< als Beiname des Kriegsgottes Tyr/ Tiu/Ziu (s. Ziu), dem lat. Mars, Gen. Mortis entspricht, verknüpft man üblicherweise das erste Kompositionsglied von Dienstag (Lehnübersetzung aus gleichbed. lat. Martis dies), wo demnach und unabhängig von Belegen wie mnd. dinges-Zdinsdach >Dienstag< Diens- nicht als gebundene Dublette von Ding/Thing anzusehen ist. Dionysien >Bacchusfestdionysischzweiflügelig< (aus pterón >Flügel< und der Kompositionsform di>zwei-, zwie-< von dyo >zweiZweiflüglerSchallplattensammlung; Tanzlokal mit Schallplatten- oder TonbandmusikTanzlokal< auf amerik. disco(thèque) verweisen. Quelle dieses Kompositums ist das 1932 geprägte frz. discothèque, das aus disque >Schallplatte< und -thèque (abgetrennt von bibliothèque >Bibliothek< und identisch mit dt. Theke, s. d.) besteht. Disco-/Disko- ist die Kompositionsform von griech. diskos > Wurfscheibe, Platte, Teilen (zu disketn >werfenWurfscheibe, Platte, Schüssel« sowohl frz. disque und engl, disc/disk >Scheibe, Schallplatte< (vgl. die übernommene Fügung Compact Disc >Kompaktschallplattein der orthodoxen Kirche Opferteller für das geweihte Brot< lieferte. Nur vereinzelt erscheint das griechische Wort ohne Fugenelement wie in Diskkamera >Kamera, bei der die Fotos auf einer runden Scheibe belichtet werden< (s. Kamera) oder in Diskjockey j e mand, der meist in Diskotheken Musiktitel präsentiert (aus gleichbed. engl, dise jockey). Dt. Diskus ist seit Ende des 18. Jh. bezeugt, doch als Lehnwort im Westgermanischen hatte lat. discus schon ahd. tisc >Schüssel, Tisch< ergeben, das über mhd. tisch in nhd. Tisch fortlebt. Der Bedeutungswandel von >Platte, Schüssel < zu >Tisch< erklärt sich dadurch, dass man einst zu den Mahlzeiten eine hölzerne Platte, die als Esstisch und zugleich als Essschüssel diente, vorgesetzt bekam. Während sich herkunftsgleiches engl. dish >Schüssel, Speise< parallel zu dt. Tisch aus dem Westgermanischen heraus entwickelt hat, vermittelte mlat. desea >Tisch< (nach C. T. Onions wohl auf prov. desea >Korb< oder ital. deseo >Tisch< basierend) im 14. Jh. die etymologische Dublette desk >Katheder, Schreibtische die z.B. in der Fügung desk research auch im Deutschen belegt ist: Desk research A u s w e r tung sekundären statistischen Materials zum Zweck der Markt- und Meinungsforschung< (eigtl. >SchreibtischforschungGebetbuch der katholischen Geistlichen mit den Tages- oder Stundengebetenc In den beiden morphologischen Varianten präsentiert
doloros
sich jeweils die eingedeutschte (Plur. Diurnale) und die adäqate (Plur. Diurnalia) Wiedergabe von spätlat. diurnale, dem substantivierten Neutrum von diurnalis m./f. >täglich; jeden einzelnen Tag betreffend< (zu diurnum >Tagtäglich geführtes Geschäftsbuch< bzw. >Bericht über die Tagesereignisse; Zeitschrift. Mit der ersteren fand das romanische Wort bereits im 15-/16. Jh. (diurnal/jornal/giornal kaufmännisches Rechnungsbuch(Reise)tagebuchgelehrte Zeits c h r i f t , um 1800 >TageblattHund< wieder entlehnt, das wohl für große, starke Hunde galt, ehe es die einst neutrale Bezeichnung hound (heute >Jagdhundheißes Würstchen in einem Brötchen< (eigtl. >heißer Hundbüscheliger Blütenstandc Das wohl mit ahd. (wtn)tola >Stiel der Weinrebe< verwandte Substantiv (ahd. toldo, mhd. tolde >Baumkrone, Blütenbüscheh) entwickelte offenbar durch Assimilation Id > II die Formen frühnhd. tollen >BaumwipfelQuasteBüschel, Haarschopf, Quaste< beruht. doloros/dolorös >schmerzhaft, schmerzerfülltc Z u m Teil von gleichbed. frz. douloureuse beeinflusste Eindeutschung von lat. dolorosus, einer Ableitung von dolor >Schmerz; Kummer, Teilnahmen Die feminine Form dolorosa erscheint attributiv in Mater dolorosa (auch verselbständigt: Dolorosa), einem lateinischen Beinamen der Gottesmutter im Schmerz um die Leiden des Sohnes (eigtl. >schmerzerfüllte Muttern s. Mutter). Quelle des Ausdrucks ist nach K. Böttcher die Sequenz Stabat mater dolorosa >Die schmerzensreiche Mutter [Jesu] stand [am Kreuze] BischofskircheHaus< in dessen Funktion als Verselbständigung aus Wortfügungen wie domus ecclesiae >Haus der Christengemeinde< (s. Ekklesia) und domus dei episcopalis bischöfliche Hauptkirche und ResidenzGotteshaus des Bischofs, Bischofskirche< (vgl. Episkop). Es ist nicht ausgeschlossen, dass eine Rolle bei der Durchsetzung dieser Lautform gleichbed. mnd. dorn gespielt hat, das ebenso wie ahd. döm/duom, mhd. tuom, nhd. Thuom (bis ins 18. Jh. gebräuchlich und dann durch Dom verdrängt) direkte Entlehnung der lateinischen Vorlage darstellte. Nicht deglutiniert erscheint der gleich lautende Genitiv von lat. domus im Historismus Ma/ordomus >oberster Hofbeamter, Befehlshaber des Heeres (unter den fränkischen Königen)Oberer des (königlichen) Hauses, Hausmeier< (s. Major1), und sein Ablativ liegt vor in der präpositionalen Fügung pro domo >in eigener Sache, zum eigenen Nutzen, für sich selbst< (gekürzt aus lat. pro domo sua, eigtl. >für das eigene HausHaus< beruhende, vgl. den russischen Historismus Domosfro/ als Bezeichnung für die 1547 zusammengestellte russische Sammlung von Lebensregeln und Verhaltensweisen gegenüber Obrigkeit und Familie (eigtl. >HausordnungKuppel, gewölbte Decke; gewölbter Aufsatz eines Dampfkessels oder DestillierapparatsHaus, (flaches) DachBau, Haus< zurückgeführt wird. Dom 2 : Das einen Plural darstellende Fremdwort (Pluraletantum) bezeichnet eine der niedersten Kasten in Nordindien. Im Namen präsentiert sich Hindi döm, das auf aind. döma/dömba >Mann (vom niedrigen Stand) < zurückgeht und zu Selbstbezeichnung einiger Zigeunerstämme geworden ist. Das zerebrale (mit der Zungenspitze am Gaumendach gebildete) anlautende d- dieses Wortes wird jedoch in ihren
Sprachvarietäten verschieden wiedergegeben: bei den persischen Zigeunern lautet es immer noch dorn, bei den syrischen dom/dum, bei den armenischen lom und bei den europäischen rom. Aus der Romani genannten Sprache der Letzteren stammt die heute offizielle deutsche Bezeichnung der Angehörigen der traditionell als Zigeuner bekannten ethnischen Minderheit Roma, Sing. Rom (eigtl. >Mann, Ehemann, MenschGut in landesherrlichem BesitzBesitz, Herrschaftsgebiet (zu dominus >Hausherr, Gebieter, Besitzer*, s. Dominus) zurückgeführt, dessen direkt übernommener Vertreter im Deutschen Dominium >Herrschaft, Herrschaftsgebiet* schon veraltet ist. Dominikus/Dominik: Eingedeutschter männlicher Vorname, der auf lat. dominicus m., dominica f., dominicum n. herrschaftlich, des Herrndes Herrn (Christi), dem Herrn geweiht* (zu dominus >HerrTag< erklärt sich die Tatsache, dass sich der Sonntag, der Tag des Herrn kirchenlat. (dies) dominicus/dominica, im Französischen und Spanischen als Maskulinum (dimanche, domingo), im Italienischen dagegen als Femininum (domenica) etabliert hat. Auch im Deutschen wird das Femininum Dominica >Sonntag< verzeichnet, z. B. in der lateinischen Fügung Dominica in albis für den weißen Sonntag (vgl. in, Album), d.h. für den ersten Sonntag nach Ostern (gemäß dem Duden-Fremdwörterbuch nach den bis dahin getragenen weißen Kleidern der Neugetauften in der alten Kirche) gegenüber dem maskulinen Dies academicus akademischer Tag< (s. Zeus). Das substantivierte Neutrum des Latinismus Dominikum >Kirche; Gottesdienst, Abendmahlsfeier; Kirchenvermögen« gilt im Deutschen als veraltet. Vgl. ferner das über das Aufkommen von Palmarum unter Palme Ausgeführte. Dominus >Herr, Gebieterc Das Fremdwort, das auch im liturgischen Gruß Dominus vobiscum >der Herr sei mit euch< und im Genitiv in Anno Domini >im Jahre des Herrn< (Bezugswort: lat. annus >Jahr< im Ablativ) sowie in dem Misericordias Domini be-
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nannten zweiten Sonntag nach Ostern (eigtl. >die Barmherzigkeit des HerrnHausherr, Herr, Besitzer, Gebieten (zu domus >HausVermögensverwalter geistlicher, später auch weltlicher HerrschaftenKarnevalkostüm; Träger eines solchen Kostüms< und Domino 2 n. >Anlegespiel mit rechteckigen Steinern über gleichbed. frz. und ital. domino auf lat. dominus >Herr< mit der Begründung zurück, das italienische Wort habe ursprünglich den von Mönchen getragenen Kapuzenmantel, d.h. metonymisch für dessen Träger, den geistlichen Herrn bezeichnet. Als Benennungsmotiv bei dem Dominospiel vermutet man das Recht des Gewinners, sich Domino, d.h. >Herr< nennen zu dürfen. Vgl. Dame, Domäne, Dominikus, Donjon. Donjon >Hauptturm einer mittelalterlichen Burg in Frankreich*: Dem Historismus liegt gleichbed. frz. donjon zugrunde, das eigentlich den Herrenturm einer Burg bezeichnet. Der Gallizismus wird aus vlat. *dom(i)nionem, dem Akkusativ eines zu lat. dominus >Herr, Gebieten (s. Dominus) gebildeten und mit dominium >Herrschaft< (s. Domäne) gleichbedeutenden Femininums dominio, Gen. dominionis hergeleitet. Im 14. Jh. ergab das Abstraktum durch mittellateinische (nach C. T. Onions durch altfranzösische) Vermittlung engl, dominion >Herrschaft, Macht, Gewalt; Herrschaftsgebiet (1867 als politischer Begriff auf Kanada angewandt). Aus dem Englischen übernommen ist sowohl frz. dominion (Rückentleh-
Dörfler nung?) als auch dt. Dominion als ehemalige Bezeichnung für ein der Verwaltung nach selbständiges Land des Britischen Reiches (heute dafür: Country of the Commonwealth, über dessen Glieder Erläuterungen unter Tanz, ab1, kommun, wohl auffindbar sind). Dorado/£/dorado: Die variierende Bezeichnung für das sagenhafte Goldland in Südamerika erklärt sich durch die Übernahme seines spanischen Namens el dorado mit und ohne bestimmten Artikel (vgl. Alligator unter Lazerte sowie die unter Algorithmus, Castrum, Chemie, Kali, Kubba, Zenit erörterten Arabismen). Er ist im 16. Jh. durch Verselbständigung aus der Fügung el pais dorado >das vergoldete Land< oder el pais del cacique dorado >das Land des vergoldeten Kaziken< (nach der Legende von dem sich täglich mit Gold bestreuenden Häuptling) entstanden und wird im Deutschen seit dem 18. Jh. auch allgemein im Sinne von >Traum-, Wunschland, Paradies< gebraucht. Der Form nach ist span. dorado das Maskulinum eines Partizips Perfekt, das lat. deauratum >vergoldet< (zu deaurare >vergoldendie Vergoldetet zurück. Im Französischen wurde lat. deaurare lautlich zu dorer (vgl. daraus veraltet dorieren >vergoldenvergoldet< gemäß Duden-Fremdwörterbuch jeweils in Dorè-Metall goldhaltige Silberlegierung< und Jeunesse dorée leichtfertige, elegante Jugend der begüterten Oberschicht; monarchisch gesinnte, modisch elegante Jugend von Paris nach dem Sturz Robespierres< auftritt. Dörfler >DorfbewohnerDorf< (s. Trupp) abgeleitetes mhd. dörfcere fortführte. Neben diesem existierte ein aus dem Flämischen übernommenes, unverschobenes p aufweisendes, strukturgleiches dorpœre/dôrper/tôrper >Bauer; bäuerisch roher, nicht höfisch gebildeter MenschDörfler, Bauer< zur Wiedergabe von afrz. vilain >Landmann, Nichtadliger< (für mlat. villanus >Land-, Dorfbewohnen, s. Villa) diente. Aus der Variante törper entwickelten sich durch Dissimilation und anschließende Assimilation die semantisch spezifizierten Lautungen törpel/tölpel >plumper, ungeschickter Menscheinfältiger Mensch* gemeinsprachlich geworden und konnte mit Dorf selbst komponiert werden: Dorftölpel. Allerdings erwägt E. Seebold Be-
Double
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rührungen in der Überlieferung dieser Wortformen mit einer Gruppe abschätziger mundartlicher Wörter für >Klotz, grober Mensch< wie Tölp/Tülp. Double >Doppelgänger; Ersatzmann, der für den eigentlichen Darsteller gefährliche Rollenpartien spielte Im 19. Jh. übernommen aus gleichbed. frz. double, einer Substantivierung des Adjektivs double >doppelt< (s. auch Dublett). Über afrz. doble/duble gelangte das Wort auch ins Englische und tritt daher entsprechend mit englischer Aussprache auf beispielsweise im psychologischen Fachausdruck Doubiebind >(Verwirrung und Orientierungslosigkeit hervorrufende) Beziehung, Bindung zwischen einander nahe stehenden, meist sozial voneinander abhängigen Personen, bei der die eine Person sich der anderen gegenüber widersprüchlich äußert und verhält< (< engl, double bind >DilemmaBand, BindungDoppelzeitzweifach, zweifältigzwei< (s. zwei) und einem mit dt. falten wurzelverwandten und deshalb mit -falt/-fältig funktionsmäßig vergleichbaren Kompositionselement -plusl-plex (vgl. simpel) gebildet ist, wurde das altfranzösische Adjektiv über westmitteld. dobbel/ dubbel zu frühnhd. doppel mit der Ableitung doppeln entlehnt. Durch Vermischung mit dessen Partizip Präteritum gedoppelt gestaltete sich nhd. doppelt, das jedoch als Bestimmungswort in Dutzenden Komposita wie Doppelbett, -fehler, -punkt und in den Substantivierungen Doppel' n. »Zweitschrift; Spiel zweier Spieler gegen zwei andere< (jeweils für frz. double und engl, doubles), Schweiz. Doppel2 m. »Einsatz des Schützen für eine bestimmte Anzahl Schüsse< ohne -t erscheint. Auf lat. duplus gehen auch span. doble und ital. doppio >doppelt< zurück, enthalten jeweils im Namen des Gesellschaftstanzes Paso doble (eigtl. >DoppelschrittViertel< aus lat. quartus >der Viertes vgl. Quarta) aufweisendes frz. trocart lieferte den internationalen Namen des chirurgischen Stichinstruments mit einer starken dreikantigen Nadel und einem Röhrchen für Punktionen Trokar/TrocartAroicart. Lat. tria wurde im Italienischen nach dem Vorbild von duo (s. zwei) zu Trio >Musikstück für drei Instrumente; die drei Ausführenden; Gruppe von drei Personen überhaupt substantiviert. Vgl. ferner die Duplizität bei den Ableitungen Trias und Trinität. Dreifuß >Gestell mit drei Füßenc Das seit dem 11. Jh. bezeugte Substantiv (ahd. drifuoz, mhd. drivuoz) ist eine Lehnübersetzung, die aus tri- >drei-< und poüs >Fuß< zusammengebildetes griech. tripous, Gen. tripodös >dreifüßiges Geschirr; dreifüßiger Stuhl der Priesterin Pythia, die das Orakel in Delphi verkündete< (eigtl. >dreibeinig, dreifüßigs vgl. drei, Fuß) wortwörtlich wiedergibt. Über lat. tripus vermittelt, aber nicht wie Polyp (s. Fuß) »deglutieniert«, liegt der Gräzismus selbst in Tripus >Dreifuß, altgriechisches dreifüßiges Gestell für Gefäße, als Weihegeschenk und Siegespreis< vor. Im Unterschied zu dieser im Deutschen festgestellten Duplizität, die auf der Strukturgleichheit der Lehnübersetzung basiert und durch die genetische Identität von deren Bestandteilen bedingt ist, ist die bei engl, tripod >Dreifuß; Stativ< und tripos »Dreifuß; Universitätsexamen mit Auszeichnung an der Universität Cambridge< nachweisbare etymologische Duplizität eine Folge zweifacher Entlehnung. drücken »pressen, belasten, bedrängenc Für das germanische jan-Verb, dessen Semantik im Deutschen (ahd. drucchen, mhd. drücken/drucken) vielfach mit der von lat. premere übereinstimmt, wird »reiben, bedrängen als Ausgangsbedeutung erschlossen. Seine oberdeutsche Lautform drucken ist durch Ausbleiben des Umlauts vor dem Guttural -kk- (vgl. Ortsnamen wie Innsbruck in Tirol gegenüber Saarbrücken, Osnabrück in Mittel- und Norddeutschland sowie Rucksack gegenüber zurück, s. Brücke, Rücken) gekennzeichnet. Nachdem Mitte des 15. Jh. die Kunst des
Dschungel Buchdrucks in Oberdeutschland erfunden worden war und sich gerade bei oberd. drucken die Bedeutung »Texte und Abbildungen maschinell vervielfältigem entwickelt hatte, nahm auch drücken diese Bedeutung an und konkurrierte bis ins 17. Jh. mit drucken. Erst dann wurden die beiden ursprünglich regionalen Varianten semantisch geschieden, was auch die Herausbildung zusätzlicher Dublettenpaare wie abdrücken - abdrucken, aufdrücken - aufdrucken, ausdrücken - ausdrucken zur Folge hatte. Die Art, wie das neue technische Verfahren im (Ober)deutschen benannt wurde, scheint sich auf das Französische ausgewirkt zu haben, sofern ab Ende des 15. Jh. frz. imprimer nicht nur (entsprechend seiner Vorlage lat. imprimere) »ein-, aufdrückenBuchdruckerpresse< (aus mlat.pressa, afrz. presse, zu lat. premere bzw. zu dem zugehörigen Intensivum pressare >drückenBaumHerzogin (in Frankreich^, das zugleich Bezeichnung für ein schweres Seidengewebe mit glänzender Vorder- und matter Hinterseite in Atlasbindung ist. Ductus >Gang, Verbindungsgange Der anatomische Terminus beruht auf lat. duetus >Zug, Führung, (Rohr)leitung< (Abstraktum zu ducere >ziehen, leiten, führens urverwandt mit dt. ziehen), das als graphosemantische Dublette in Duktus >Schriftzug, Linienführung der Schriftzeichen; charakteristische Art der (künstlerischen) Formgebung< vorliegt. Ferner ist deglutiniertes lat. duetus Grundwort beispielsweise im Historismus Aquädukt (s. d.) und im medizinisch-biologischen Fachausdruck Ovidukt (s. Ei), vgl. auch Dux. Duell n.: Im 17. Jh. übernommen aus mlat. duellum >Zweikampfzwei< (s. zwei) volksetymologisch umgedeutetes alat. duellum n. >Krieg< fortführt. Im Ergeb-
nis des Lautwandels due- > be- entwickelte sich das altlateinische Wort im klassischen Latein regelrecht zu bellum, das aber - ungeachtet der beibehaltenen ursprünglichen Bedeutung >Krieg< - später in den romanischen Sprachen vom Germanismus afränk. *werra >Streit, Krieg< zurückgedrängt wurde (vgl. dessen gutturalisierte Vertreter frz. guerre, ital., span. guerra >KriegPistole mit Selbstladevorrichtung< (Genus nach Pistole bzw. Parabellumpistole). Der als deutsches Warenzeichen geprägte Name stellt eigentlich eine Zusammenrückung dar aus elliptisch gekürztem lat. (si vis pacem,) para bellum >(wenn du Frieden willst,) bereite den Krieg vorKrieg< zusammen. Die Genitivform von bellum ist in der Fügung Casus Belli >kriegsauslösendes Ereignis< (eigtl. >Kriegsfalldickes, aufgerautes Halbwollgewebec Der Stoff führt den Namen der nordbelgischen Stadt Düffel (Provinz Antwerpen), die sich im 17. Jh. ihrer blühenden Textilindustrie erfreute. Die Stoffbezeichnung ist eher direkt aus gleichbed. niederl. duffel denn über engl, duffel/duffle entlehnt worden. Aus engl, duffle coat wurde im 20. Jh. Dufflecoai dreiviertellanger, meist mit Knebeln zu schließender Sportmantel< (s. Kutte) übernommen. dumm: Durch Assimilation mp/mb > mm entstanden aus mhd. tump, Gen. tumbes >töricht, unerfahren, stummstumm< (wahrscheinlich eine nasalierte nullstufige Form der unter taub aufgeführten indogermanischen Wurzel *dheubh- >verdunkelt, umnebelt, verwirrtarglos, einfältig-naivHügel, Höhe, Berg< und ahd. düna >Vorgebirge, Kap< auf idg. 'dheu- >stieben, wirbeln< (s. Dunst) unter Ansetzung einer Ausgangsbedeutung >das vom Wind Aufgewirbelte, Zusammengeblasene< zurückgeführt. E. Seebold hält die Herkunft der von ihm erschlossenen westgermanischen Grundlage *dünö(n) >Hügel< für unklar, unter Showdown >Entscheidungskampf< (aus engl. Showdown, eigtl. >das Aufdecken der Karten beim Pokernhinunter, unten< keltischen Ursprung vermute. Der Anglizismus down, der in der Umgangssprache auch allein stehend mit der Bedeutung >zerschlagen, ermattet; niedergeschlagen, bedrückt< auftritt, ist durch Aphärese über adown >hinab< tatsächlich aus der gleichbedeutenden dativischen Fügung aengl. of düne (wörtl. >talabwärtstal-, flussabwärtsBerg; Burg, Befestigung« (latinisiert in Ortsnamen -dunum) bleibt jedoch zumindest in der germanistischen Forschung fragwürdig. dünn: Die älteren Lautformen des Adjektivs mhd. dünne, ahd. dunni >zart, schmal, dünn; schwach« sowie die der west- und nordgermanischen Kognaten engl, thin, schwed. tunn weisen auf germ. *punnjabzw. *punnu- aus älterem *punwu- >dünnzart, dünn« kann man gelegentlich in der Sprache der Medizin (z.B. Intestitum tenue »Dünndarm«) begegnen, in der Sprachwissenschaft ist dagegen nur die Substantivierung Tenuis »stimmloser Verschlusslaut (p, t, k)< üblich. Dunst: Als dessen Entsprechung wird der seit dem 17. Jh. im Hochdeutschen bezeugte norddeutsche Regionalismus Dust1 »Dunst, Staub« (nicht zuletzt wegen seines Vorkommens in Goethes »Faust«) lexikographisch verzeichnet. Hinzu kommt der im Duden-Fremdwörterbuch aufgeführte Anglizismus Dust2 »feinste Teeaussiebung«, veraltet auch »Staub, Kehricht«. Sofern das Wort im Althochdeutschen
durchleuchtet
»Sturm« bedeutete, führt man es zusammen mit Dust' und mit dem englischen Kognaten dust »Staub« zurück auf westgerm. *dunstu- »Staub(wind)«, eigtl. »was als Dampf, Rauch, Staub hochwirbelt« (s-Erweiterung zu idg. *dheu- »stieben, wirbeln«, vgl. Daune, Düne, tot). Die norddeutsch-englische Form setzt gleichbed. asächs., aengl. dust/düst fort, gekennzeichnet wie five und fifty-fifty (s. fünf, fünfzig), soft und sacht (s. sanft) durch «-Schwund vor dem jeweiligen Spiranten /s/, Iii, IxJ. Duodez »Buchformat in der Größe eines zwölftel Bogens«: Kopffragmentierung aus dem Ablativ des lateinischen Numerales duodecimum »das Zwölfte« (zu duodecim »zwölf« < duo und decem, s. zwei, zehn) in der Wendung in duodecimo »in einem Zwölftel«. Die substantivierte Vollform seines Femininums duodecima (bzw. ital. duodecima) liegt andererseits dem musikalischen Fachausdruck Duodezime »der zwölfte Ton einer diatonischen Tonleiter; Interval von zwölf diatonischen Tonstufen« zugrunde. Dur »Tongeschlecht mit großer Terz«: Da der musikalische Fachausdruck auf dem deglutinierten und substantivierten Neutrum von lat. durus »hart« beruht, motiviert man ihn für gewöhnlich durch die als harten Klang empfundene große Terz. In Wirklichkeit handelt es sich um den mittelalterlichen Namen des eckigen Notenzeichens für den Ton B (heute h) 'l, das man b quadratum »viereckiges b« (vgl. daraus ital. b quadro, frz. bécarre, s. Quadrat, Quader) oder b durum »hartes b« nannte, zum Unterschied von dessen Erniedrigung um einen halben Ton (heute b), das man durch ein gerundetes oder »weiches« b (lat. b rotundum bzw. b molle, Zeichen |> ) bezeichnete und worauf dt. Moll »Tongeschlecht mit kleiner Terz« zurückgeht. Das nicht deglutinierte Neutrum des lateinischen Adjektivs tritt gebunden auf im hybriden Kompositum Durumweizen »Hart- oder Glasweizen«, und Dura »harte (äußere) Hirnhaut« ist sein aus gleichbed. Dura Mater (< lat. dura mater cerebris, wörtl. »harte Mutter des Gehirns«, vgl. Mutter) verselbständigtes Femininum, das im Italienischen seine Lautung bewahrt hat, vgl. die Bezeichnung für Florentiner Mosaik Pietra dura (eigtl. »harter Stein«, s. Petrus). Das Maskulinum durus hat span. duro »hart« ergeben, das substantivisch in Bezug auf den Peso (s. Pensum) gebraucht wurde. Daraus stammt der Exotismus Duro »spanische Münze«, der mit der Kompositionsform des Latinismus etwa in Duroplast »in Hitze härtbarer, aber nicht schmelzbarer Kunststoff« gleich lautend ist. durchleuchtet: Partizip Präteritum des präfigierten schwachen Verbs durchleuchten »mit Licht erfüllen«, das sich durch Diphthongierung aus mhd. durchliuhten »durchstrahlen« (zu ahd. liuhten »leuchten«, einer Ableitung von lioht, s. licht) lautlich entwickelt
dürr
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hat. Die mitteldeutsche, nur scheinbar sog. Rückumlaut anmutende Lautvariante desselben Verbs durchlüht, das seit dem 12. Jh. zur Wiedergabe von lat. perillustris >sehr strahlend, sehr berühmt< (eigtl. >erleuchtetTitel und Anrede für Fürsten bzw. Träger dieses Titels« (vgl. erlaucht unter erleuchtet). dürr: Über germ. *purzü- geht das zu den;a-Stämmen übergetretene deutsche Eigenschaftswort (mhd. dürre, ahd. durri) zurück auf idg. *trsü- >trockenErde; Land< (eigtl. >die Trockene«). Daraus und über formgleiches ital. terra stammt das gleichbedeutende Fremdwort Terra etwa in (lat.) Terra incognita >unbekanntes Land«, (ital.) Terra di Siena >Sienaerde«, als gebundene Dublette auch in den Zusammenrückungen TerrakottaTerrakotte gebrannter Ton; Gefäß oder Bildwerk daraus« (< ital. terracotta, eigtl. gebrannte Erde«, zum Hinterglied s. Biskotte, eigtl. >zweimal Gebackenes«). Der Nominativ Plural und der Genitiv Plural sind in Terrae >gebirgige Hochländer der Mondkruste, welche die Maria um einige tausend Meter überragen« und in Orbis Terrarum >Erdkreis, bewohnte Erde, Welt« (s. Orbis) repräsentiert. Verdunkelt steckt der Genitiv Singular terrae in Kartoffel, entstanden im 17. Jh. durch Dissimilation t-t>k-t aus TartoffelTartuffel, dies aus ital. veraltet tartufolotartufo »Trüffel« < vlat. * terrae tufer für spätlat. terrae tuber >Erdknolle«. Der französische Fortsetzer ist enthalten in parterre >zu ebener Erde« (aus gleichbed. frz. parterre, eigtl. >auf der Erde«, vgl. vor) bzw. in Parterre älter »ebenes Gartenbeet; zur ebenen Erde liegender Zuschauerraum im Theater«, heute in der erst im Deutschen entstandenen Bedeutung »Erdgeschoss« (dafür frz. rez-dechausee > dt. veraltet Rez-de-Chaussee »Erdgeschoss«, eigtl. >auf gleicher Höhe mit der Straße«). Durch gesetzmäßige Diphthongierung des kurzen -e- in terra hat sich der spanische Reflex tierra »Erde; Land« entwickelt, vgl. den Fachausdruck der Klimatologie Tierra templada »die mittlere klimatische Höhenstufe in den tropischen Gebirgsländern Mittel- und Südamerikas« (eigtl. »gemäßigtes Land«, Attribut: das Partizip Perfekt von templar »mäßigen« aus gleichbed. lat. temperare, s. temperieren). Vgl. ferner Terrain, Terrarium, Terrasse. Dusel »Benommenheit, Schwindel; unverdientes Glück«: Im 16. Jh. übernommen aus niederd. Dusel »Betäubung, Rausch, Halbschlaf« (verwandt mit
ebenfalls dem Niederdeutschen entstammenden dösig.»schwindlig, benommen, schläfrig«, dösen »halb schlafen«). Eine auf Vokalkürzung beruhende Nebenform von Dusel liegt in der Personifizierung Dussel »Dummkopf« vor, die seit dem 19. Jh. bezeugt ist und eigentlich jemanden, der schläft oder einen Rausch hat, bezeichnet. Dux »Führer einer Heeresabteilung im Römischen Reich; im Mittelalter königlicher Amtsträger mit vorwiegend militärischen Aufgaben«: Außer als Historismus wird das Fremdwort als musikalischer Fachausdruck zur Bezeichnung eines meist einstimmigen Fugenthemas in der Haupttonart, das im Comes (s. d.) mündet, gebraucht. Ihm liegt lat. dux »Führer« (zu ducere »ziehen, leiten, führen«, s. Ductus) zugrunde, dessen Akkusativ ducem im Titel des ehemaligen Staatsoberhauptes in Venedig und Genua ital. (venez.) doge fortlebt und über frz. doge dt. Doge lieferte. Eine seit dem 14. Jh. dokumentierte gelehrte Übernahme derselben Kasusform des lateinischen Wortes ist ital. duce »Führer«, 1922-1943 auf den Führer des italienischen Faschismus B. Mussolini (II Duce, daher dt. Duce) bezogen. Der Akkusativ doüka des aus lat. dux stammenden Gräzismus düx »Führer« ergab sowohl ital. duca »Herzog« als auch entsprechend frz. duc und engl, duke, die als Exotismen auch im Deutschen verzeichnet werden: Duca »italienischer Adelstitel, Herzog«, Duc »höchste Rangstufe des Adels in Frankreich« (veraltet auch »zweisitziges, vierrädriges Luxusgefährt für Damen«), Duke »höchste Rangstufe des Adels in England« (auch Personenname). Die einst gängige Annahme, DuckDückdalbe »Pfahlbündel zum Befestigen von Schiffen« beruhe auf dem Namen von Herzog Alba (frz. Duc d'Alba), ist vielfach zugunsten der Herleitung seiner niederländischen Vorlage dukdalf aus dallen »Pfähle« und ducken »sich neigen; tauchen« (also etwa »geneigte, eingetauchte Pfähle«) aufgegeben worden. Dyn: Die veraltete Einheit der Kraft (vgl. frz. dyne seit dem 1881 in Paris abgehaltenen Kongress der Physiker) ist eine Kopffragmentierung aus griech. dynamis »Kraft, Vermögen« (zu dynasthai »vermögen«), das dem philosophischen Fachbegriff Dynamis »Kraft, Vermögen, eine Veränderung herbeizuführen« zugrunde liegt. Unter Heranziehung der Kompositionsform dynamo- des griechischen Wortes nannte W. Siemens 1867 das von ihm konstruierte Gerät zur Umwandlung mechanischer Kraft in Elektrizität dynamo-elektrische Maschine oder Dynamo-Maschine. Diese Bezeichnungen ergaben engl, dynamoelectric machine und dynamomachine, seit 1882 auch die Isolierung dynamo, woraus dt. Dynamo m. (heute als im Genus abweichende Kurzform von Dynamomaschine f. interpretiert) stammt.
echt: Seit dem 13. Jh. in der Bedeutung »unverfälscht, rein< aus der niederdeutschen Rechtssprache eingedrungener Kognat von mhd. ehaft >gesetzlich, gesetzmäßig, rechtsgültig; ehelich geboren< (über die konsonantische Relation vgl. sacht unter sanft, Schacht unter Schaft1). Beide Adjektive setzen sich zusammen aus mhd., mnd. e(we) >Ewigkeit; Recht, Gesetz; Ehevertrag, Ehe< und dem suffixartig gebrauchten Verbaladjektiv haft >gebunden, gefangene -haft »haltend< (verwandt mit heben, s. d.). Eine Fortsetzung von mhd. ehaft ist oberd., Schweiz, veraltend ehehaft >gesetzlich, rechtsgültig< (etwa in der Fügung ehehafte Not ¡gesetzlicher NotstandRecht< (s. Jus) urverwandt, während W. Pfeifer und andere Forscher eine mögliche Verbindung mit ahd. ewa >Ewigkeit; Recht, Gesetz« erwägen, was Ehe mit je (s. d.) mehr oder weniger in etymologischen Zusammenhang bringen würde. Ecke: Über mhd. ecke/egge >Schneide einer Waffe; Spitze; Ecke, Kante, Winkel« und ahd. ekka/egga ¡Schneide; Spitze, Ecke« geht das Femininum wie engl, edge >Schärfe, Schneide; Ecke; Rand, Kante« zurück auf germ. *agjö >Schärfe, Kante« (zu idg. *ak'-, *ok'~ >scharf, spitz, kantig«, vgl. die unter Acid und akut angedeutete Elementarverwandtschaft mit diesen Latinismen). Im heutigen Konsonantismus des Wortes spiegelt sich die im Hochdeutschen stattgefundene, dem Niederdeutschen fremde Verschiebung von germ. -gg- zu -kk-, vgl. seinen niederdeutschen Kognaten Egge, der im Fachwort Egge 1 >Web-, Salkante« vorliegt (der homonyme Name des Ackergerätes Egge2 ist mit Ecke und Egge1 nicht etymologisch identisch, sondern lediglich wurzelverwandt). Apokopiert und mit unbehauchtem stimmlosem Auslaut ausgesprochen, ist Schweiz. Egg >Ende eines Hügelzuges, Ausläufer eines Berges, langgestreckte Anhöhe« nach K. Meyer meist nicht mehr eigentliches Gattungswort, sondern mindestens im Übergang zum Örtlichkeitsnamen. Die seit dem 13. Jh. im Oberdeutschen aufgekommene und wohl der Apokope zu verdankende neutrale Nebenform Eck hat in der Bezeichnung geometrischer Figuren wie etwa Drei-, Vier-, Rechteck alleinige Geltung gewonnen
(manche Autoren erwägen allerdings bei diesen auch mögliche Rückbildung aus dreieckig usw.). In seiner uralten, nach mittelhochdeutscher Zeit aufgegebenen Bedeutung >Spitze oder Schneide eines Schwertes; Schwert; Kante, Winkel« tritt das Wort auf zum einen als Vorderglied der mit ahd. beraht »glänzend« bzw. hart >hart< komponierten männlichen Vornamen Egbert/Egbrecht/Eckbert/Eckbrecht (etwa >der mit dem glänzenden Schwert«) und Eckart/Eckehard/Eckhart (etwa >der mit dem harten Schwert«), zum anderen als Grundwort von Burgennamen, das auf die exponierte Lage einer Burg hinweist: Lahn-, Rhein-, Waldeck. Der englische Kognat ist seinerseits in Hardedge, der Bezeichnung einer Richtung in der modernen Malerei, die klare geometrische Formen und kontrastreiche Farben verwendet (eigtl. >harte Kante«, vgl. hart), enthalten. Ecossais m. >groß karierter Kleider- und Futterstoff«: Das Fremdwort gibt das aus der Fügung tissu écossais (wörtl. »schottischer Stoff«, vgl. Text1) herausgelöste Maskulinum des französischen Adjektivs écossais »schottisch« adäquat wieder. Dessen aus danse écossaise »schottischer Tanz« (vgl. Tanz) verselbständigtes Femininum liegt seinerseits vor in der morphosemantischen Dublette Ecossaise/Ekossaise f. »schottischer Volkstanz im Dreiertakt; Gesellschaftstanz des 18./19. Jh.«. Frz. écossais ist von Écosse (< lat. Scotia »Schottland«) mit dem altfranzösischen Suffix -eis abgeleitet, das den akkusativischen Ausgang -ensem lateinischer Adjektive auf -ensis fortsetzt. Das ist der Grund, weshalb sich dieses Dublettenpaar nicht an die unter schottisch behandelten anders strukturierten Dubletten anschließen kann. Effekt »Wirkung, Erfolg; Ergebnis«: Das Substantiv ist im 16. Jh. aus gleichbed. lat. effectus (Abstraktum zu efficere »hervorbringen, bewirken«, einer Präfigierung von facere »tun«, s. Fazit, mit dem lautlich angeglichenen Präfix ex- »aus, heraus«, s. ex) entlehnt und bildet den regelrechten Plural Effekte. Als etymologische Dublette existiert daneben nur im Plural übliches Effekten »Wertpapiere (Aktien, Obligationen, Pfandbriefe u.Ä.), die an der Börse gehandelt werden und der Kapitalanlage dienen«, eine Relatinisierung von seit dem 17. Jh. bezeugtem Effecti/Effetti für ital. effetti »Wertpapiere« bzw. gleichbed. frz. effets,
E
Égalité
80
die mit Assimilation t(t) < et ebenfalls auf lat. effectus
amerikanischen Bezeichnung Egghead intellektuel-
b e r u h e n . D e r Singular frz. effet >Wirkung< ergab
l e n (wörtl. >Eierkopf< u n d gelegentlich durch Eier-
E n d e des 19. Jh. dt. Effet >Drall einer (Billard)kugel
kopf eingedeutscht; z u m G r u n d w o r t vgl.
o d e r eines (Fuß)balls< (ugs. >Kraft, S c h w u n g , N a c h -
Nach E. Seebold gehört der G e r m a n i s m u s zu einer
d r u c k ) u n d erscheint a u ß e r d e m in der präpositio-
lautlich auseinander fallenden, aber o f f e n b a r z u s a m -
nalen F ü g u n g en effet t a t s ä c h l i c h , in der Tat< (s. in).
m e n g e h ö r i g e n G r u p p e v o n W ö r t e r n f ü r >Ei< in den
D e r gleichbedeutende Singular ital. effetto liegt im
i n d o g e r m a n i s c h e n Sprachen. D e n N a m e n des Eis
musikalischen F a c h a u s d r u c k con effetto >mit W i r -
deutet er als das »zum Vogel Gehörige< (also zu idg.
kung< (s. con) vor, das s y n o n y m m i t effettuoso
ge-
Haupt).
*ewei- »Vogel< etwa in gleichbed. lat. avis). Setzt m a n
b r a u c h t wird. E n d e des 20. Jh. w u r d e aus engl, special
mit W. P f e i f e r als A u s g a n g s f o r m e n f ü r diese Spra-
effects gleichbed. Specialeffect/Special
chen idg. *öuiom ( o - S t a m m ) , daraus gekürztes *öiom
Effect >(von
C o m p u t e r n erzeugter) besonderer Bild- o d e r Ton-
u n d w o h l auch *öuom an, d a n n ließen sich u . a . auch
effekt zur D r a m a t i s i e r u n g des H a n d l u n g s a b l a u f s
griech öion/öon,
in Actionfilmen< (s. Special)
g e r m . *ajjaz- erklären. Lat. ovum liegt nicht n u r A b -
in die Fachsprache
der K i n e m a t o g r a p h i e ü b e r n o m m e n (vgl. auch FirstPass-Effect
unter
Fürst).
lat. ovum >Ei< f ü r K o g n a t e n v o n
leitungen wie oval (eigtl. >eiförmigEi, Eizelle< u n d sein Ablativ in
Égalité >Gleichheitgleich(artig),
s i t i o n s f o r m e n ovi- u n d ovo- sind neben ( z u m Teil so-
gleichgültig< (s. äqual) g e h ö r e n d e u n d aus gleichbed.
gar in paralleler V e r w e n d u n g mit) der griechischen
lat. aequalitas,
00- Vorderglieder weiterer medizinisch-biologischer
A k k . aequalitatem
hervorgegangene
A b s t r a k t u m , das nach d e m Vorbild mehrerer deriva-
Z u s a m m e n s e t z u n g e n w i e Ovidukt >Eileiter< (s.
tiver E n t s p r e c h u n g e n frz. -ité vs. dt. -ität (aus lat.
Ductus),
-itas, F l e x i o n s s t a m m -tat-, s. Societas)
Eierstockgewebe< ( G r u n d w o r t lat. testis >HodenZwitterorgan aus H o d e n - u n d
L a u t f o r m Egalität p o l i t i s c h e o d e r soziale Gleichheit,
Oogenese!Ovogenese »Entwicklung des Eis v o m K e i m -
Gleichberechtigung< auftritt.
epithel bis z u m reifen Ei< (s.
eher: D a s A d v e r b ist eine F o r t f ü h r u n g v o n ahd. er, m h d . ër/ë >früher, vormalsfrüh< noch erhaltenen g e r m a n i schen Positiv, dessen Superlativ in erst fortlebt. D i e heutige L a u t f o r m eher geht offensichtlich nicht u n mittelbar auf m h d . er zurück, s o n d e r n ist aus d e m i m F r ü h n e u h o c h d e u t s c h e n durch Z e r d e h n u n g zweisilbig - ehe - g e w o r d e n e n m h d . ë entstanden durch Antreten eines - r in A n l e h n u n g an das mittlerweile verloren gegangene k o m p a r a t i v i s c h e Adjektiv m h d . ërer/êrre
>früher, vorigseit langemEid
EidMeineid< v e r m u t e t m a n entweder U r v e r -
w a n d t s c h a f t o d e r E n t l e h n u n g aus d e m Keltischen, Letzteres nach E. Seebold nicht wahrscheinlich, denn bei den obigen W ö r t e r n handle es sich nicht u m die n o r m a l e n keltischen W ö r t e r f ü r >EidEid< (s. Eid) u n d genöz/genöze
gebraucht, im O b e r d e u t s c h e n entwickelte sich aber
(s. Genosse)
»Genosse, Gefährte
nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir< (s. Vita, Schule), gewöhnlich präfixartig non- >nicht-, un-, ohne< in lateinischen, französischen, heutzutage meist englischen Bildungen etwa in Non-Paper
Eiscreme
(s. Papier), Nonsens >Unsinn< (s. Sensus) u.a.m. Das Maskulinum des Latinismus liegt im Nominativ und im Ablativ vor in den Wortfügungen unus pro multis >einer für viele« (s. vor, molto) bzw. uno actu >in einem Akt, ohne Unterbrechung« (s. Actus), sein Akkusativ in der Einleitung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses Credo in unum deum >Ich glaube an den einen Gott< (s. Kredo, in, Ziu), das Femininum in der Selbstbezeichnung der römisch-katholischen Kirche Una Sancta >die eine heilige katholische und apostolische Kirche< (s. Sanctus), das mit dem Akkustaiv des Maskulinums gleich lautende Nominativ und Akkusativ des Neutrums im USA-Wahlspruch e pluribus unum >aus mehreren eines< (s. ex, plus) und die Kompositionsform uni- (zugleich Wortbildungselement mit der Bedeutung >ein-; nur einmal vorhanden; einheitlich«) in der Kopfisolierung Uni aus Universität, im 14. Jh. entlehnt aus lat. universitas, Gen. universitatis G e m e i n s a m k e i t , Gemeinschaft (der Lehrenden und Lernenden)«, einem Abstraktum zu universus >ganz, sämtlich« (s. versus). Der aus seinem italienischen Reflex uno entwickelte unbestimmte Artikel un ist in der musikalischen A n weisung un poco largo >ein wenig breit« (s. poco, largo) und dessen französischer Kognat un >ein< in dem Namen des Kartenglücksspiels Trente-et-un (eigtl. >einunddreißigio< (s. zehn) gebildet und lebt im stark modifizierten frz. onze >elf< fort, vgl. den adäquat übernommenen Namen eines anderen Kartenglücksspiels Onze et demi (eigtl. >elfeinhalb«, s. et, mitten). Eis: Diphthongiert aus mhd., ahd. ts, das germ. *ïsa>Eis< fortführt, worauf auch gleichbed. anord. iss und - ebenfalls diphthongiertes - engl, ice zurückgehen. Das altnordische Wort tritt im Namen des Inselstaates Island (wörtl. >EislandEiskrem, Fruchteis« (s. Eiscreme). Nichts mit Eis zu tun hat das Vorderglied von Eisbein (s. Ischium). Eiscreme/Eiskrem >Speise-, Sahneeis«: Das aus Eis und Creme/Krem (s. Eis, Chrisam) komponierte Wort ist entweder Lehnübersetzung von amerik. ice cream >Fruchteis< (urspr. iced cream, wörtl. >gefrorene Creme«) oder wie dieses möglicherweise Lehnbildung nach frz. crème glacée >gefrorene Creme« anzusehen, vgl. Softeis >sahniges Speiseeis«, gebildet nach gleichbed. engl, soft ice-cream (s. sanft). Auf jeden Fall ist die deutsche Zusammensetzung strukturgleich mit dem im Duden-Fremdwörterbuch als englische Bezeichnung f ü r Eiskrem, Fruchteis aufgeführten Icecream.
Eisen
82
Eisen: Der neuhochdeutsche Name des im Lateinischen ferrum (s. Ferrum) heißenden Schwermetalls geht über mhd. isen/iser/isern, ahd. isatt/isarn auf germ. *isarna- zurück, das aus gleichbed. kelt. *isarno- oder mit diesem aus einer dritten Sprache entlehnt ist. Die von E. Seebold hervorgehobene unregelmäßige lautliche Vereinfachung von -rn- zeigt sich auch beim englischen Kognaten iron >Eisen< (aus aengl. isern/isen/iren), der heute wie dt. Eisen diphthongiert auftritt und in einigen Fremdwörtern vorliegt: Ironman/Iron Man >Triathlonwettkampf über extrem lange Strecken« (s. man), Irons Plur. »Golfschläger aus M e t a l k Spuren vom -r- sind - außer im Adjektiv eisern (aus mhd. iserin/isern neben tsenin/isnin/isin) - feststellbar im Ortsnamen Iserlohn (1215 Iserenlon, Grundwort Dativ Plural von mnd. lö >Wald, Gehölz«, daher nach E. Wasserzieher >Wald im Eisenerzgebiet«, s. Loh). Nicht diphthongierte (Kurz)formen is(en)- sind erster Bestandteil veralteter Vornamen wie Isbert/Isenbert (s. Albrecht unter Adel), Isger/Isenger (s. Ger), möglicherweise Isolde (wenn nicht keltisch und wenn mit Grundwort wie in Herold, s. d.). Hierher gehört schließlich der Name des Wolfs im Tierepos Isegrim (seit dem 18. Jh. in Anlehnung an grimmig auch »mürrischer Mensch«), eigentlich seit dem 10. Jh. nachweisbarer Männername Isangrim, zusammengesetzt aus isan und ahd. grimo, aengl. grima, anord. grima >Maske, Larve, Helm« (also etwa >Eisenhelm(gottesdienstliche) Versammlung; christliche Gemeinde; Kirche« zurück auf griech. ekklesia »Volksversammlung; Versammlungsplatz«, das als Historismus Ekklesie »Volksversammlung der altgriechischen Stadtstaaten« lexikographisch verzeichnet wird. In adäquater Schreibung tritt lat. ecclesia auf in einigen kirchensprachlichen Fügungen wie etwa Ecclesia patiens >die leidende Kirche, die Seelen der Verstorbenen im Fegefeuer« (vgl. Patiens), und in der bildenden Kunst ist die Ecclesia - im Unterschied zur Synagoge als Allegorie des Alten Testaments - eine mit Krone, Kelch und Kreuzstab dargestellte weibliche Figur als Allegorie des Neuen Testaments. Über vlat. *eclesia lebt das griechisch-lateinische Wort in der französischen Bezeichnung für Kirche Eglise fort. Ekstase »übermäßige Begeisterung, (religiöse) Verzückung«: Im 16. Jh. über kirchenlat. ecstasis »das Außersichsein in religiöser Verzückung« aus griech ekstasis »Rausch, tiefe Ohnmacht« (eigtl. »Entferntsein, Aus-sich-herausgetreten-Sein«, Verbalabstraktum zu existänai »heraustreten, sich entfernen«, gebildet zu histänai »stellen, legen« mit dem Präfix ek- »heraus«, s. ex), im 17./18. Jh. beeinflusst von her-
kunftsgleichem frz. extase »höchste Erregung«. Über mfrz. extasie wurde im 14. Jh. engl, ecstasy »Entzückung, Verzückung; Ekstase« (im Anlaut wie dt. Ekstase orthographisch regräzisiert) übernommen, das seinerseits seit der zweiten Hälfte des 20. Jh. als Name der künstlich synthetisierten halluzinogenen Designerdroge Ecstasy auch im Deutschen gebräuchlich ist. Elefant: Das Substantiv setzt mhd. elefant, ahd. elafant/ helfant »Elefant; Elfenbein« fort, das (mit volksetymologischer Anknüpfung an ahd. helfan »helfen«) über lat. elephantus auf gleichbed. griech. elephas, Gen. elephantos (wohl altägyptischer Herkunft, vgl. kopt. eb[o]u »Elefant«) zurückgeht. In der Bedeutung »Elfenbein«, mit der sich das exotische Wort zuerst verbreitete, trat auch das verdeutlichende Kompositum ahd. helfan(t)bein, mhd. helfenbein (eigtl. »Elefantenknochen«, s. Bein) auf, worauf seit Luther nhd. Elfenbein beruht. Neben afrz. elefant stand olifant (< vlat. *olifantus für lat. elephantus), aus dem dt. Olifant »reichverziertes mittelalterliches Jagdund Kriegshorn« (nach dem Namen des elfenbeinernen Hifthorns Rolands in der Karlssage) stammt. Äußerst fragwürdig bleibt dagegen die Herleitung des Fremdwortes Element über lat. elementum, Plur. elementa (ursprünglich angeblich »elfenbeinerne Spielbuchstaben zur Förderung des Leselernens«) ebenfalls aus griech. elephas, Akk. elephanta. Elegie »wehmütiges Gedicht, Klagelied; Wehmut, Schwermut«: Im 16. Jh. durch lateinische Vermittlung entlehnter Gräzismus, der in der Antike ein im Elegeion abgefasstes Gedicht bezeichnete. Das Versmaß Elegeion meint seinerseits die Verbindung von Hexameter und Pentameter zu einer aus zwei Verszeilen bestehenden und Distichon heißenden Verseinheit. Die beiden Fachausdrücke sind elliptisch entstanden aus den attributiven Fügungen griech. elegeia (öide) »elegisches (Gedicht, Lied)« bzw. elegeion (metron) »elegisches (Silben-, Versmaß)«, in denen die substantivierten Adjektive jeweils das Femininum und Neutrum einer Ableitung von elegos »ursprünglich wahrscheinlich mit Flötenbegleitung gesungenes Klagelied« darstellen. Unter Einfluss von griech. lögos »Wort, Rede« wurde das auf griech. elegeion beruhende lat. elegium in elogium »Ausspruch, Grabschrift; Belastungsbericht« umgewandelt, das im Fremdwort Elogium »Inschrift auf römischen Grabsteinen und Statuen; Lobrede« vorliegt. Dessen zweite Bedeutung, die auch über frz. eloge »Lobrede, Lobeserhebung« entlehntem Eloge »Lobeserhebung, Lobrede; Schmeichelei« zukommt, bezeugt die semantische Einwirkung von mlat. eulogium/eulogia »Lobrede; Gedächtnisfeier; Gabe; Abendmahl« (aus gleichbed. griech. eulogia, zu eulögios »wohlredend«) auf lat. elegium/elogium.
Ende
83
elektrisch: Das in deutschen Texten seit dem 18. Jh. bezeugte und heute Elektrizität führend, speichernd oder erzeugend, die Elektrizität betreffend oder mit Elektrizität betrieben bedeutende Adjektiv beruht auf nlat. electricus >(durch elektrische Ladung) magnetische Nach Ausweis von E. Seebold wurde es zuerst vom Engländer W. Gilbert in seiner 1600 publizierten Schrift »De Magnete« in der Fügung attractio electrica >dem Bernstein eigentümliche Anziehungskraft gebraucht und ist gräzisierend von lat. electrum >Bernstein< (aus gleichbed. griech. élektron) abgeleitet. Umgangssprachliche Substantivierungen der deutschen suffixalen Adaptation (vgl. elektronisch unter Elektronik) sind Elektrisch n. elektrischer Strom< und veraltend Elektrische f. >StraßenbahnGesamtheit einer elektrischen AusstattungElektrotechnik< und der herkunftsgleiche Anglizismus electric in Electric Jazz als Bezeichnung für eine durch elektroakustische Verstärkung und Verfremdung des Instrumentalklangs gekennzeichnete Richtung des Jazz in den 1970er-Jahren eingestellt haben. Elektronik: Der Name des Teilgebiets der Elektrotechnik, das sich mit der Entwicklung und Verwendung von Geräten mit Elektronenröhren, Photozellen, Halbleitern u.Ä. befasst, ist aus dem 1891 von G. J. Stoney geprägten Fachausdruck Elektron >negativ geladenes Elementarteilchen (zu engl, electric »elektrisch< + -on, s. elektrisch) mithilfe des zur Bezeichnung von Fachgebieten dienenden Suffixes griechischen Ursprungs -ik (s. Kybernetik') gebildet. Im Englischen tritt dafür, wie auch sonst in solchen Fällen üblich, electronics, d.h. der substantivierte Plural des Adjektivs electronic auf, das zuerst im Titel des 1902 veröffentlichten Werks von J. A. Fleming »The electronic theory of electricity« belegt ist. Im Deutschen wird das englische Adjektiv nach dem regulären Suffixersatz (s. fanatisch) durch elektronisch wiedergegeben, gelegentlich erscheint es aber auch in adäquater Form, so z.B. in den Fügungen Electronic Cash bargeldloser Zahlungsverkehr (mit der Scheckkarte)< (s. Cash), Electronic Commerce Vertrieb von Waren oder Dienstleistungen über das Internet (eigtl. elektronischer HandelSchmelz< zurückgeführt. Diese zum Verb schmelzen gehörende ablautende Bildung gelangte vor der hochdeutschen Lautverschiebung It > Iz ins Romanische und ergab außer dem altfranzösischen Wort auch mlat. smaltum und ital. smalto, aus dem Schmalte/Smalte >pulverig gemahlener, kobaltblauer Farbstoff für feuerfeste Glasuren< rückentlehnt wurde. Geht man davon aus, dass dt. schmelzen über gleichbed. ahd. smelzan germ. *smelta- »zerfließen, schmelzen fortführt und dass von diesem abgeleitetes germ. *smalta- ursprünglich »Verflüssigtes, Geschmolzenes< bedeutet haben soll, lässt sich annehmen, dass afränk. *smalt >Schmelz< und bereits verschobenes, semantisch spezialisiertes ahd. smalz >Schmalz< nicht nur formal übereinstimmen, sondern herkunftsgleich sind, so dass auch Schmalz »ausgelassenes Fett< dem obigen Dublettenpaar zuzurechnen wäre. Zudem verzeichnet das DudenFremdwörterbuch den auf dem entstellten Plural des Gallizismus emaux beruhenden Archaismus Amause »Email; Schmuckstein aus GlasFeigenbaum; Feige< zu seit dem 9. Jh. bezeugtem ahd. figa entlehnt. Auch die lateinische Vorlage, die mit griech. sykon >Feige< wohl aus einer kleinasiatischen oder mediterranen Sprache stammt, wird heute im Deutschen in der adäquaten Form Ficus und im Sinne von >Feigenbaum (Maulbeergewächs); ein (Zier)baum< verzeichnet. feist >dick, wohlgenährte Das Adjektiv (ahd. feizit/feizt) geht wie gleichbed. engl, fat zurück auf westgerm. *faitida, Partizip Perfekt von *faitjan >fett machen< (daraus mhd. veizen >mästenfett, feist< (in gleichbed. alemann. feiß). Niederdeutsche Entsprechung von feist ist fett (< mnd. vet, mit nach der Kontraktion von "feted eingetretener Vokalkürzung), aus dem seit dem 14. Jh. nachweisbares hochd. fett >dick, fetthaltig usw.< übernommen wurde. Dazu substantivisch Fett bzw. Feist >Fett, Speck des Haarwildes< in der Jägersprache. Feld: Wie gleichbed. engl, field setzt das Substantiv westgerm. *felpa- Ausgebreitetes, Ebene< fort, das über idg. *peh, *plä- >platt, eben, breit; breitschlagen, ausbreitem urverwandt ist mit anderen im Weiteren mit behandelten Dublettenreihen, vgl. Flett, Flur', Palme, plan, platt. Über >Turnierplatz< entwickelte mhd. velt - sofern kriegerische Auseinandersetzungen auf offenem Gelände ausgetragen wurden - die Bedeutung >Kampf-, Schlachtfelds vgl. Feldtstuhl, Feldwebel jeweils unter Faltstuhl, Weibel. Der englische Kognat ist Bestandteil einiger aus dem Englischen stammender Fachausdrücke wie Fieldresearch >Verfahren in der Markt- und Meinungsforschung zur Erhebung statistischen Materials durch persönliche Befragung oder durch Fragebogen< (< engl .field research >Feldforschung, Primärerhebungkleiner englischer Jagdhund< (< engl, field Spaniel, eigtl. >FeldspanielHerrenmantel mit verdeckter Knopfleiste< (vermutlich nach einem Lord namens Chesterfield, s. Alkazar) u.a. Fell: Das deutsche Wort (mhd. vel, ahd .fei) geht über germ. *fella- >Haut, Fell< (neutraler a-Stamm) auf idg. *peln- (zur Verbalwurzel *pel- >bedecken, verhüllen^ zurück, auf welchem gleichermaßen Assimilation In > II aufweisendes lat. pellis >Haut, Fell< (femininer ¿-Stamm) beruht (vgl. ferner herkunftsgleiches griech. pella >HautWundrose< < griech. ery-
Feria »Wochentag i m Gegensatz z u m S o n n - u n d Feier-
sipelas, das meist als >rote Haut< gedeutet w i r d ) . Ü b e r
tag in der katholischen Liturgie*: A d ä q u a t e W i e d e r -
m n d . u n d mniederl. pelle >Schale< w u r d e d a r a u s nach
gabe v o n kirchenlat. feria »Wochentag*, einer spät-
W. P f e i f e r u n d d e m D u d e n - H e r k u n f t s w ö r t e r b u c h
lateinischen Singularisierung des l a t . / e n u e »Fest-,
hochd. Pelle >dünne H a u t , Wursthaut, Schale< ent-
Ruhetage*, die im Sinne v o n »Feiertag, Ruhe, Fest*
lehnt, das d e m n a c h als genetische e t y m o l o g i s c h e
schon ahd. fira
Dublette v o n Fell a n g e s p r o c h e n w e r d e n k ö n n t e . A u s
nhd. Feier fortlebt. A u s d e m u r s p r ü n g l i c h e n Plurale-
lat. pellis ererbt ist frz. peau >HautEngelshautMantelsack, Reisetasche< spiegelt sich da-
rin ein r o m a n i s c h e s Substitut v o n mlat. valisia
»Rei-
sesack, Satteltasche< (nach E. Seebold eine Weiterbild u n g v o n lat. vidulus >geflochtener Korbfeste M a s s e harten Gesteins< vs. >größere, a u f r a -
das
v e r m u t l i c h durch hebräische u n d phönizische Vermittlung aus einer vorderasiatischen Sprache s t a m m t , tritt in drei K o m p o s i t i o n s f o r m e n auf: seltener ferri-, fer-, z. B. Ferrolegierung
Fels/Felsen: D i e eher stilistisch denn semantisch (etwa
unter
ferro-,
»Legierung des
Eisens mit Begleitelementen* (vgl. legieren),
Ferrina-
trit »ein grauweißes Mineral*, Fetvanit »ein g o l d b r a u -
gende M a s s e fest in sich z u s a m m e n h ä n g e n d e n G e -
nes, glänzendes Mineral*. Die aus ferrum
steins*) a b w e i c h e n d e n Varianten f ü h r e n die e t y m o -
Appellativa p o r t . f i e r r o u n d span. hierro »Eisen* (über
logisch nicht eindeutig identifizierbaren, stark u n d
dessen A n l a u t s. Fazenda,
schwach
m ä n n l i c h e V o r n a m e n , vgl. f e r n e r Hierro bzw. Fierro
flektierenden
m a s k u l i n e n (vermutlich in
A n l e h n u n g an ahd., m h d . stein m. >SteinFels, Stein< vorausgeht. Schließt m a n
Interpretation v o n -fe in M f e »wahrscheinlich aus
sich d e r in der R o m a n i s t i k einheitlich vertretenen
Nickel u n d Eisen bestehender Erdkern* als g e b u n -
Ansicht an, dass frz. ( n o r m a n n i s c h - p i k a r d i s c h ) fa-
d e n e Dublette v o n Ferrum
laise, P l u r . f a l a i s e s »Klippe, Steilküste« auf noch nicht
bleibt die v o n E. Klein geäußerte A n n a h m e , engl.
s. Nickel.
Problematisch
u m g e l a u t e t e m a f r ä n k . *falisa >Fels< beruht, d a n n
brass »Kupferlegierung, Messing, Bronze* ( z . B . in
ließe sich das althochdeutsche Substantiv über g e r m .
musikalischen F a c h a u s d r ü c k e n w i e Brass Band
*falisö auf v o r g e r m . *palisä >Stein, Fels< z u r ü c k f ü h -
Blechblasinstrumenten u n d Schlagzeug z u s a m m e n -
ren. Als R ü c k e n t l e h n u n g aus d e m Französischen darf
gesetzte Marschkapelle*, eigtl. »Blechkapelle*, s.
m a n mit Rücksicht auf die obigen E r w ä g u n g e n auf
Band3)
jeden Fall den E x o t i s m u s Falaises/Falaisen Plur. als
aus der lat. ferrum
B e z e i c h n u n g f ü r die Steilküsten der N o r m a n d i e u n d
sei. Vgl.
Picardie ansehen.
»aus
gehe auf dieselbe semitische Quelle z u r ü c k , über alat. *fersom h e r v o r g e g a n g e n
Eisen.
fest: D a s im D e u t s c h e n als j a - S t a m m auftretende A d -
Fenz >Zaun, Hecke, E i n f r i e d u n g c Das g e m ä ß den D u -
jektiv ahd. festi, m h d . vest(e) geht nach Ausweis sei-
den-Wörterbüchern besonders von Deutschameri-
ner umlautlosen K o g n a t e n in anderen g e r m a n i s c h e n
kanern verwendete W o r t vertritt gleichbed. engl.
S p r a c h e n (vgl. etwa engl., schwed. fast »fest, bestän-
fence, das aus defence »Verteidigung* d u r c h Degluti-
dig; schnell*) über g e r m . *fastu- (oder *fasta-)
nation des Präfixes u m g e f o r m t w o r d e n ist. Engl, de-
idg. *pazdu-
fence geht d u r c h altfranzösische Vermittlung zurück
einer deskriptiven Regel werden im Alt- u n d Mittel-
auf vlat. defensa,
die f e m i n i n e F o r m des Partizips
Perfekt defensus v o n defendere
»wegstoßen, a b w e h -
(oder *pazdo-)
auf
»fest, hart* zurück. Laut
hochdeutschen die A d v e r b i e n zu den adjektivischen ja-Stämmen
d u r c h A n h ä n g e n des S u f f i x e s -o bzw. -e
ren, verteidigen* ( d e - P r ä f i g i e r u n g des nicht bezeug-
nicht an den S t a m m , s o n d e r n direkt an die Wurzel
ten e i n f a c h e n Verbs *fendere
gebildet, also ahd. fasto, m h d . vast(e) z u m Adjektiv
»stoßen*, s. de').
m o d e r n e F o r m der französischen Vorlage
Die
défense
ahd. festi, m h d . vest(e). G e h t m a n aber d a v o n aus,
liegt im medizinischen F a c h a u s d r u c k Défense mus-
dass der adverbiale Auslaut -0 im A l t h o c h d e u t s c h e n
culaire »Abwehrspannung der Muskeln* vor.
über g e r m . -ö aus der E n d u n g des neutralen Ablativs
Fest
98
der indogermanschen o-Stämme -öd hergeleitet wird, dürfte man annehmen, dass es sich bei ahd. fasto genauso wie bei den Adverbien ango >eng< (s. bange unter eng), sanfto >sanft< (s. sanft), sköno >schön< (s. schon unter schön), späto >spät< (s. spat unter spät), suozo >süß< (s. süß), dräto >schnell, sehr< u. a. eigentlich um aus dem Germanischen ererbte erstarrte Kasusformen (versteinerter Ablativ nach W. Henzen) und nicht um Ableitungen von den zugehörigen ja-stämmigen Adjektiven engl, sköni, späti, suozi, dräti handelt. Eine solche Annahme würde zugleich erlauben, lexikalisierte primäre, bei den j'a-Stämmen durch Ausbleiben des Umlauts gekennzeichnete Adverbien als etymologische Dubletten der jeweiligen Adjektive im Neuhochdeutschen zu interpretieren. Dies ist bei fast der Fall, das sich aus mhd. vast(e) >fest; stark; schnell; sehr, recht* entwickelte, indem seine Funktion als Verstärkung modifiziert wurde und es in Fügungen wie fast alle die Bedeutung >beinahe* übernahm, einstiges schier zurückdrängend. Alle diese Prozesse wurden dadurch ermöglicht, dass seit frühneuhochdeutscher Zeit die flektierte Form des Adjektivs in der Regel attributiv, die flexionslose und nunmehr meist apokopierte Form hingegen nur adverbal, d.h. als Prädikativ, prädikatives Attribut und Adverbialbestimmung prädikatsbezogen verwendet wurde. Nach der funktionalen Differenzierung der zwei Adjektivformen erübrigte sich die besondere Markierung (im Gegensatz zur Kennzeichnung des Adverbs z. B. durch -ment im Französischen oder durch -ly im Englischen, s. Leiche) und daher die Existenz der Kategorie des Adjektivadverbs im Deutschen überhaupt. Eine Reliktform, abgesehen von den bereits als etymologischen Dubletten angesprochenen schon, spat (s.o.) sowie lange (s. lang) und -ange in bange, liegt ferner in gerne (ahd. gerno, von Haus aus Adverb im Unterschied etwa zu den späten Analogiebildungen mda., ugs. alleine, sachte neben allein, sacht, s. sanft) vor, während mda., ugs. feste >sehr, tüchtig< das nach dem formalen Ausgleich von Adjektiv und einstigem Adverb meist zugunsten des Adjektivs (z.B. böse, müde, mürbe, süß usw.) das adverbial gebrauchte feste fortführt. Der englische Kognat von fest ist enthalten in der Fügung bzw. Zusammenrückung Fast Food/Fastfood >in gleichnamigen Gaststätten angebotene schnell verzehrbare kleinere Gerichte* (eigtl. schnelles Essern, Hinterglied: food >Nahrung, Speise; Lebensmittel; Essern, verwandt mit ahd. fuoten mähren*, ersetzt durch das Denominal füttern). Fest: Das Wort, das Hochzeit1 (s. d.) in seiner älteren Bedeutung verdrängte, ist in mittelhochdeutscher Zeit aus ht.festum >Fest(tag)festlich, feierlich* (< *fes- religiöse Handlung*) entlehnt worden, vgl. dessen Ak-
kusativ in der Wendung posf festum >hinterher, zu spät* (eigtl. >nach dem Fest*). Sein im Vulgärlatein als Femininum aufgefasster Nominativ Plural festa liegt span. fiesta, aus dem Fiesta >(spanisches Volks)fest* stammt, wie auch frz .fête zugrunde, worauf ugs. Fete >Party, ausgelassene Feier* beruht. Auf die Pluralform frz. fêtes gehen Fêtes galantes >höfische Feste im Frankreich des 18. Jh. bzw. die sie in der Art der Genremalerei darstellende Gemäldegattung* und möglicherweise im 19. Jh. von Berlin aus verbreitetes ugs. Fez/Feez >Spaß, Vergnügen* zurück. Über Letzteres vermutet man außerdem Zusammenhang mit mhd. fatzen >foppen* oder Übernahme von engl.feats >Taten*, was die Zuordnung von Fez zu den unter Fact behandelten Dubletten berechtigen würde. Feudum >Lehngutdas Lehnswesen betreffend; vornehm, großartig; reaktionär*, repräsentiert gleichbed. mlat. feodum/ feudum, das selbst auf der Grundlage von afränk. *fehu >Vieh; Vermögen, Besitz, Gut*, im Karolingerreich (9. Jh.) >erbliches Lehen* (vgl. Vieh) gebildet ist. Auf *fehu beruhendes mlat. feum/fevum ist wohl unter Einwirkung von mlat. allodum/allodium >Eigengut* (latinisiert aus afränk. allöd >Habe, Besitz*, vgl. dt. Allod/Allodium als mittelalterlicher Rechtsbegriff für das Familiengut im Gegensatz zum Lehen) zum besagten feodum/feudum umgeformt worden, falls dieses nicht einfach aus einem altfränkischen Kompositum *fehu-öd >Lehngut* hervorgegangen ist. Über afrz.feu/fiu (heute:/ïe/>Lehen Lehen; Erbgut; Lohn; Gehalt; Gebühr*, das enthalten ist im Fachausdruck des Bankwesens Handlingfee/Handling-fee >Bearbeitungsgebühren*, einer Zusammenrückung aus gleichbed. engl, handlingfee (Vorderglied: das Verbalsubstantiv zu to handle >handhaben*, Ableitung von hand wie dt. handeln von Hand, s. d.). Feuer: Die neuhochdeutsche Lautung des Substantivs ist ebenso durch Diphthongierung aus mhd. viur, ahd. fiur entstanden wie engl, fire aus aengl. fyr, die E. Seebold über westgerm. *fewur >Feuer* auf gleichbed. idg. *pehwr zurückführt. Aus der gedehnten Nullstufe dieses Ansatzes ist griech. pyr, Gen. pyrös >Feuer* hervorgegangen, dessen Kompositionsform Pyro-l(vor Vokal) Pyr- als Wortbildungselement mit der Bedeutung >Feuer, Hitze* fungiert, vgl. Pyrotechnik Herstellung und Gebrauch von Feuerwerkskörpern* (vgl. technisch). Der englische Kognat ist inzwischen im Rahmen der Zusammensetzung firewall (eigtl. >BrandmauerSicherungssystem, das ein Netzwerk vor dem Zugriff nicht befugter Nutzer schützt* (s. Wall).
Fides
99
Fibel2 >frühgeschichtliche Spange oder verzierte Nadel aus Metall zum Zusammenstecken der Kleidungsstückec Im 19. Jh. entlehnt aus lat. fibula >Schnalle, Spange, Klammer< (dies nach E. Seebold aus *fivibula, zu figere >anheften, festmachen«, s .fix). In seiner ursprünglichen Lautgestalt Fibula tritt der Latinismus in der Archäologie und Kunstwissenschaft synonym mit der Eindeutschung Fibel auf, gilt aber außerdem als anatomische Bezeichnung für den Wadenbein genannten, hinter dem Schienbein gelegenen Unterschenkelknochen. Über Fibel1 s. Bibel. Fidalgo Angehöriger des niederen Adels in Portugal«: Historismus, der auf port. fidalgo >Edelmann, Junker< beruht und - mit/- > /¡-Wechsel vor Vokal im Anlaut (vgl. Hazienda, Hierro unter Facenda, Ferrum) eine genaue etymologische Entsprechung in span. Hidalgo als Bezeichnung für Angehörige des niederen Adels im Spanien des 12.-15. Jh. hat, dessen Verfall Cervantes Saavedra in der Gestalt von Don Quijote geschildert hat. Span, hidalgo >Edler< stellt eine Zusammenrückung dar aus aspan. hijo dalgo/ hijo de algo, wörtl. >Sohn des Vermögens< (eigtl. >Sohn von etwasetwas< repräsentiert, s. Filius, de'). Hidalgo ist außerdem der Name eines Bundesdistrikts in Mexiko und einer früheren mexikanischen Goldmünze. Fidel1: Dem Namen des mittelalterlichen Streichinstruments der Spielleute, das eine Vorform der Geige war, liegt gleichbed. mhd. videl/videle, ahd. fidula >Fidel< zugrunde. Dazu stellt sich als graphosemantische Dublette die für umgangssprachlich, volkstümlich oder veraltend gehaltene, leicht abschätzige Bezeichnung der Geige Fiedel. Obwohl sich für die althochdeutsche Form lat.fidicula >kleine Laute«,/ides >SaiteLeier, Laute< als Anhaltspunkte bieten, ist die Herkunft des in den west- und nordgermanischen Sprachen vorkommenden Wortes (vgl. engl.fiddle >Fiedel, GeigeSaiteninstrument< (angeblich zu lat. vitulari >frohlocken, jubeln«) bereitet wegen dessen Bezeugung erst seit dem 11. Jh. Schwierigkeiten. W. Pfeifer ist geneigt, mlat. vitula als Latinisierung von ahd. fidula bzw. einer entsprechenden germanischen Form anzusehen. Äußerst problematisch erscheint unter diesen Umständen die versuchte Zurückführung von ital. viola (vgl. Gambe), frz. viole, prov. viula >Geige< auf den fragwürdigen Latinismus vitula (so beispielsweise bei H. Paul und C. T. Onions unter fiddle, nach J. Picoche dagegen wie entsprechend frz. vielle eher zu einem romanischen Verb lautmalender Natur im Sinne von >vi machenBratsche< nicht ohne weiteres dem Dublettenpaar Fidel1 (über Fidel2 s. fidel) und Fiedel als dritte Dublette zuordnen.
fidel >lustig, gut gelaunt, vergnügte Im 18. Jh. in der Studentensprache scherzhaft entwickelte Bedeutung aus der älteren >treuTreue, Zuverlässigkeit, Glaubwürdigkeit«, spätlat. >Glaubegetreu, zuverlässig«, s. fidel) im Nominativ bzw. mit dem Stamm der obliquen Kasus, wie auch engl, fidelity >Treue; Wahrhaftigkeit; Genauigkeit« direkt oder über gleichbed. frz. fidélité entlehnt ist. Der Bedeutung nach korrespondiert der Latinismus im Deutschen mit fidel und wird im Duden-Fremdwörterbuch zusammen mit einer an lat. fidus zuverlässig, gewissenhaft, treu« angelehnte Entstellung Fidulität als der inoffizielle, zwangslosere zweite Teil eines studentischen Kommerses (d.h. eines festlichen Trinkabends, s. Kommerz) präziser definiert. Der Anglizismus liegt vor in der Zusammenrückung H/g/i-Fidelity/fiigMidelity (Abkürzung: Hi-Fi) o r i g i nalgetreue Wiedergabe bei Schallplatten und elektroakustischen Geräten« (eigtl. >hohe Treue«, s. hoch). Fides: Der auf lat. fides >Vertrauen, Treue; Zuverlässigkeit«, spätlat. >Glaube< (vgl .fidel) beruhende Historismus bezeichnet das Treueverhältnis zwischen Patron und Klient im alten Rom. Außerdem ist Fides weiblicher Vorname, der früher häufiger im Elsass vorkam, wo eine heilige Fides verehrt wurde. Auch Kasusformen des lateinischen Substantivs treten im Deutschen auf wie etwa sein Akkusativ und Ablativ Singular in den (präpositionalen) Fügungen in f idem >zur Beglaubigung« (Formel bei Abschriften, eigtl. >für die Treue«, s. in) und (ex) bona fide/fide bona >guten Glaubens, in gutem Glauben, auf Treu und Glauben« bzw. malafide >in böser Absicht; trotz besseren Wissens« (s. ex, Bon, Malum), sein Dativ Singular im juristischen Fachausdruck Fideifcommiss u n veräußerliches und unteilbares Vermögen einer Familie« (< lat. fideicommissum >zu treuen Händen überlassen«, Partizip Perfekt von fidei committere j e mandem etwas auf seine Ehrlichkeit hin anvertrauen«, dann auch testamentarisch verfügen«) und der gleich lautende Genitiv in dem seit Heinrich V I I I .
Fieber
100
üblich gewordenen Ehrentitel der englischen Könige Defensor Fidei >Verteidiger des Glaubens< (Bezugswort zu lat. defendere >verteidigenGlaube< angenommen, enthalten jeweils im Städtenamen Santa Fé, Hauptstadt der gleichnamigen argentinischen Provinz (ohne Betonungszeichen dagegen in Santa Fe, Hauptstadt des Staates Neumexiko in den USA; eigtl. >heiliger GlaubeKetzergericht und Ketzerverbrennung< (s. Actus, de'). Auf dasselbe lateinische Wort geht durch altfranzösische Vermittlung engl. fait h >Glaube, Treue, Vertrauen< zurück, das uns in der Bezeichnung der ökumenischen Einigungsbewegung Faith and Order (eigtl. >Glaube und GesetzHitze< gedeutet wird, indem man an eine vielleicht auch dem Wort Tag (s. d.) zugrunde liegende indogermanische Wurzel *dhegwh-, *dhogwh- >brennen< anzuknüpfen versucht. Das lateinische Wort hat auch ins Französische und direkt wie auch vermittelt - ins Englische Eingang gefunden, vgl. jeweils die medizinischen Fachausdrücke Fièvre boutonneuse >durch Zeckenbiss hervorgerufene nicht ansteckende Infektionskrankheit mit 8 - 1 4 Tage dauerndem Fieber< (eigtl. >BläschenfieberpickeligZeckenfieber< (s. Zecke), Drugfever >durch eine Arzneimittelallergie ausgelöste Fieberreaktion< (eigtl. >ArzneimittelfieberFieber< fachsprachlich nicht nur in zahlreichen Fügungen wie Febris flava >Gelbfieber< (s. blau), Febris tropica >Tropenfieberformen, gestalten; ersinnen; vortäuschen^ woraus dt. fingieren). Das Duden-Fremdwörterbuch verzeichnet den Anglizismus Fiction allein stehend als Sammelbezeichnung für fiktive Erzählliteratur (d.h. als Gegenwort zu Non-Fiction >Sach-, FachliteraturGroschenheft, anspruchslose Massenliteratur< (vgl. Pulp), ScienceFiction/Sciencefiction/(woneben die Kurzform Scifi) >Literatur aus dem Bereich derjenigen Thematiken, die die Zukunft der Menschheit in einer fiktionalen Welt betreffen< (Vorderglied über frz. science aus lat. sciencia >WissenschaftSohnFrau< (eigtl. >Säugende< oder >sich saugen Lassendesaugen< (Ausgangspunkt: idg. *dhe- >saugenGefährte, Genosse< zu socia (s. Sozius), dann ließe sich das lateinische Femininum im Rahmen der ebenfalls aus der Studentensprache stammenden scherzhaften Fügung Filia hospitalis >Tochter der Wirtsleute des Studenten< (s. Hospital) als morphosemantische etymologische Dublette von Filius ansehen. Filter: Die Bezeichnung der Vorrichtung, die feste Stoffe von Flüssigkeiten trennt, stellt eine im 19. Jh. erfolgte Eindeutschung von seit dem 16. Jh. bezeugtem und aus mlat.filtrum >(Durchseihgerät aus) Filz< übernommenem Filtrum dar. Das lateinische Wort selbst stammt als Latinisierung der Alchimistensprache aus dem Pluralstamm *filtir- oder unmittelbar aus dessen Singular westgerm. *filta- >Gestampftes, gestampfte Wollmasse< (wohl Dentalerweiterung zu idg. *pel- »stoßen, schlagen, treibenFaden< und ital./i/o »dünner Faden; Schneide< zählen. Jenes tritt beispielsweise in der Fügung Filfl-Fil »Kleiderstoff mit karoähnlichem Gewebebild< (eigtl. »Faden an FadenSchlussfuge< (s. Fuge), causa >letzte, endliche Ursache< (s. Causa).
finalis
Kampagne)
Deglutiniert
u n d in Fines Herbes >fein gehackte K r ä u -
ter (mit C h a m p i g n o n s o d e r Trüffeln)< (eigtl. >feine
liegt der Latinismus dt. final >den Schluss bildend;
Kräutern vgl. die F ü g u n g aux fines Herbes »mit feinen
zweckbestimmend< als sprach- u n d rechtswissen-
Kräutern< in B e z u g auf die Z u b e r e i t u n g eines G e -
schaftlicher F a c h b e g r i f f z u g r u n d e , als Vorderglied
richts). D i e m a s k u l i n e n A d j e k t i v f o r m e n frz. fin u n d
v o n Z u s a m m e n s e t z u n g e n erfüllt er aber v i e l f a c h die
span .fino sind nachgetragene Attribute in Ragout fin
F u n k t i o n eines Wortbildungselements im Sinne v o n
»Ragout aus Kalbfleisch o d e r G e f l ü g e l überbacken
>den Schluss b e t r e f f e n d , zweckgerichtet, a m E n d e be-
o d e r als Pastetenfüllung< (eigtl. »feines RagoutschneidenSchlussteil; E n d k a m p f , -spiel, - r u n d e ;
(mit u n d o h n e s m o b i l e , vgl. schwed. spink »Sperling;
Schlussstück, -satz< ü b e r n o m m e n .
Finkan der GrenzeSchluss, Ende< h e r v o r g e g a n g e n . Sie liegen jeweils v o r im musikalischen F a c h a u s d r u c k Fine1 >Schluss eines Musikstücks< (vgl. auch die A u f f o r d e r u n g , das M u s i k s t ü c k v o m A n f a n g bis z u m Schlusszeichen zu 1
wiederholen: da capo a/fine, s. de , Haupt,
ad) u n d
im kulturwissenschaftlichen Fin de Siècle >durch Verfallserscheinungen in Gesellschaft, Kunst u n d Literatur geprägte Zeit des ausgehenden 19. Jh.< (eigtl. >Ende des JahrhundertsÄußerstesdas
im A l t f r a n z ö s i -
schen u n d in anderen r o m a n i s c h e n S p r a c h e n adjektivischer G e b r a u c h entwickelt hat, n ä m l i c h (a)frz .fin m. (fine f.) >von höchster Qualität, ausgezeichnet, zart, rein< (analog ital., s p a n . f i n o m , , f i n a f.). Die im 12. u n d 13. Jh. daraus entlehnten m h d . ftn/vin
>fein,
schön< u n d mengl. fine ergaben nach v o n e i n a n d e r u n a b h ä n g i g e r D i p h t h o n g i e r u n g nhd. fein u n d gleichbed. engl. fine. Substantivierungen der f r a n z ö sischen f e m i n i n e n F o r m fine u n d des Plurals fines treten auf in Fine2, d e m N a m e n eines besonders feinen französischen W e i n b r a n d s (vgl. gleichbed. engl. fine, das nach C. T. O n i o n s eine K ü r z u n g v o n f r z .fine Champagne
aus älter eau-de-vie
fine
de la
Champagne
»feiner W e i n b r a n d aus der Champagne< darstellt, vgl.
ahd.finko)
einen westgermanischen m a s k u l i n e n « - S t a m m , w ä h r e n d f ü r seinen englischen Kognaten finch »Fink, Gimpel< ein ¿-Stamm westgerm. *finki-
angesetzt
wird. Duplizität im Deutschen ergibt sich durch die Ü b e r n a h m e v o n ßu//finch »hohe Hecke als H i n d e r n i s bei Pferderennen< aus gleichbed. engl, bull finch,
ent-
standen d u r c h Ellipse aus bullfinch fence, eigtl. »Gimp e l z a u m (vgl. Bulle1,
Fenz).
Fiorette »Gesangsverzierung in O p e r n a r i e n des 18. Jh., F i o r i t u r c D e r musikalische F a c h a u s d r u c k geht zurück auf ital. fioretto, das als D i m i n u t i v zu fiore »Blume, Knospe< (aus l a t . f l o s , G e n . floris >BlumeBlume< angeglichen u n d in fleuret lautlich u m g e w a n d e l t . Das im 17. Jh. ins D e u t sche ü b e r n o m m e n e französische Wort lautete zunächst Flöret, w o n a c h es durch Relatinisierung die heutige Lautgestalt a n n a h m : Florett >Stoßwaffe mit biegsamer, vierkantiger Klinge u n d H a n d s c h u t z ; Florettfechtern. firm »fest, sicher, beschlagene Das hauptsächlich in der V e r b i n d u n g in etwas (Fachgebiet,
Bereich)
firm
sein
gebrauchte Adjektiv mit der (von J. E b n e r allerdings nicht bestätigten) österreichischen Variante ferm ist durch regelrechte D e g l u t i n a t i o n aus lat.
firmus
»stark, fest, sicher; standhaft, zuverlässig< bzw. (gemäß Duden-Fremdwörterbuch und Duden-Univ e r s a l w ö r t e r b u c h ) über ital. fermo
»fest, unentwegt
fester Gesangs s. Cantus). Nicht auf das Femininum firma dieses Adjektivs, sondern auf das davon abgeleitete Verb lat.firmare >befestigen, bekräftigen< gehen die im Italienischen und im Französischen entstandenen Rückbildungen firma und ferme zurück, die sich im Deutschen in Gestalt der etymologisch adäquaten Dubletten Farm - Firma (s. d.) präsentieren. Firma: Von lat. firmus >fest, sicher; standhafte ( s . f i r m ) ist das Verb firmare >festmachen, bekräftigen, sichersteilem, spätlat. >durch Unterschrift für gültig erklären< abgeleitet, worauf ital .firmare unterschreiben, (rechtskräftig) bestätigen und frz./ermer»festsetzen, bindend vereinbarem zurückgehen. Aus diesen rückgebildet sind jeweils ital. firma >(verpflichtende) Unterschrift (eines Geschäftsinhabers)< und frz. ferme >feste jährliche Pachtzahlung(durch festen Vertrag übernommenes) LandgutHof für Geflügel- und Pelztierzucht), und ital. firma lieferte seinerseits die etymologisch adäquate Dublette Firma, die über »Handelsname< - wie auch engl, firm - zur Bezeichnung eines geschäftlichen Unternehmens und seines Aushängeschildes wurde. Fisch: Ebenso wie im englischen Kognaten fish hat sich der Zischlaut /// im deutschen Wort (schon mhd. visch vs. ahd. fisk) aus /sk/ in germ. *fiska- >Fisch< entwickelt, das mit gleichbed. lat. piskis urverwandt ist und nach E. Seebold möglicherweise eine Zugehörigkeitsbildung zu idg. *peitos- >Nahrung< (also etwa >Zu-, BeikostWeitwinkel-, Fischaugenobjektiv, z.B. an Apparaten< (vgl. Auge) und Fishburger >mit einer Fischfrikadelle belegte Art Hamburger< (s. Käse), deren weiteres Schicksal im Deutschen allerdings besiegelt zu sein scheint, wenn man die Erläuterung »Fischaugenobjektiv« in der obigen Definition bzw. den Verweis von Fisheye auf Fischauge im Duden-Universalwörterbuch in Erwägung zieht. Fistula >Hirtenflöte; ein Orgelregisterc Das lat. fistula >Röhre; hell tönende Rohrpfeife< adäquat wiedergebende Fremdwort ist zugleich medizinisches Fachwort, denn zusammen mit der regelrechten Eindeutschung Fistel1 bezeichnet es auch einen durch Gewebszerfall entstandenen oder operativ angelegten röhrenförmigen Kanal, der ein Organ mit der Körperoberfläche oder einem anderen Organ verbindet. Fistel2 wird synonym mit Fistelstimme K o p f stimme (ohne Brustresonanz) < gebraucht, aus dem es isoliert worden ist.
fix >sicher, stetig, feststehend, konstante Im 16./17. Jh. aus lat. fixus m . , f i x u m n. >fest< (eigtl. >befestigt, angeheftetanheften, festm a c h e n ) entlehnt zunächst als Bezeichnung f ü r den festen Aggregatzustand der Stoffe in der Alchimistenterminologie, dann im Sinne von >beständig< in Verbindung mit Idee, Gehalt, Preis, Summe sowie wohl von derselben Vorstellung heraus - umgangssprachlich für >schnell, geschickt, gewandt< gebraucht. Etymologische Dubletten von fix sind das substantivierte Neutrum Fixum, das seit dem 17. Jh. in der Kaufmannssprache mit der Bedeutung >fester Betrag, festes Entgelt< üblich ist, und das homophone frz. fixe >befestigt, feststehend, konstant< in der Fügung Prix fixe >Geschäft mit festen Preisen< (eigtl. >fester Preisfest, festgem a c h t (s. fix) entstand im Mittellateinischen das faktitive Verb fixare beständig, haltbar machen; fest ansehenFlaggeFahneflatternSchiffsfahne< durch niederländische und niederdeutsche Vermittlung hochd. Flagge ergab. Erst die Praxis hat zu entscheiden, ob sich Flag als Fachausdruck auf Dauer durchsetzen oder Flagge auch seine Funktion (wie dies etwa bei Maus, s. d., gegenüber Mouse der Fall war) übernehmen wird. flanken: Das in der Sportsprache des 20. Jh. aufgekommene Verb ist von Flanke >Seite< abgeleitet. Dieses wurde im 16./17. Jh. im Sinne von »Weiche des Pferdes; Seite eines Festungswerks oder eines in Schlachtordnung aufgestellten Heeres< aus gleichbed. frz. flanc (< afränk., ahd. hlanka »Hüfte, Lende(schützend) begleiten«, das somit als etymologisch adäquate Dublette von flanken interpretierbar ist. Flasche: Im Wort (mhd. vlasche, ahd.flaska) lebt germ. *flaskö fort, das wahrscheinlich im Sinne von >umflochtenes Gefäß< zu germ. *flextan- >flechten< gehört und als Gefäßbezeichnung zu spätlat. fiasco, Akk. flasconem entlehnt wurde. Aus diesem sind u.a. frz. flacon >Fläschchen< und ital. fiasco >Flasche< hervorgegangen, die entsprechend dt. Flakon >(Riech)fläschchen< und Fiasco >mit einer Strohhülle umflochtene italienische Weinflasche, meist für Chianti« bzw. Fiasko >Misserfolg, Zusammenbruch« lieferten, Letzteres aus dem nicht sicher gedeuteten Ausdruck der Bühnensprache ital. far fiasco durchfallen« (wörtl. >Flasche machen«). Gelegentlich wird auf folgenden Erklärungsversuch verwiesen: Wenn in das Glas, das die venezianischen Glasbläser gerade bearbeiteten, Wolken oder Blasen gerieten, stellten sie den fehlerhaften Gegenstand beiseite, um dann eine einfache Flasche daraus zu machen, bei der es nicht so darauf ankam. flebile >weinerlich, kläglich, klagend«: Im musikalischen Fachausdruck spiegelt sich gleichbed. ital. flebile, das \at.flebilis >beweinenswert, kläglich« (zu flere »weinen«) fortführt. Ein Erbwort aus dem Lateinischen ist auch frz. faible »schwach« (mit dissimilatorischem Schwund / - / > 0 - / wohl in Anlehnung an lat. debilis »schwach«), das in substantivierter Form zu Faible »Schwäche, Vorliebe« entlehnt wurde. Flecken »größeres Dorf«: Abgesehen von dieser aus Marktflecken hervorgegangenen Verwendungsweise, ist die Differenzierung der ursprünglichen Varianten Flecken und Fleck (jeweils n- und a-Stamm) angeblich nicht so ausgeprägt wie etwa bei Ballen und Ball (s. d.). Dennoch lässt sich Flecken, das mit Fleck m./n. semantisch vielfach gleichgesetzt wird, häufig nicht ohne weiteres gegen dieses austauschen, vgl. ein blauer Fleck, der blinde Fleck im Auge, ein schönes Fleck, ein weißer Fleck auf der Landkarte, und erst recht nicht gegen den lexikalisierten Plural landsch. Flecke »Kaidaunen«.
tende Substantiv geht zusammen mit seinem oberdeutschen Kognaten Fletz »Hausflur« (dieser mhd. vlez/ vletze »Tenne; Hausflur, Stubenboden; Lagerstatt«, ahd. flazzi »Tenne« fortsetzend) zurück auf das ;'a-stämmige Neutrum germ. *flatja- »geebneter Boden« (zu *flat- »flach, eben«, wohl Dentalerweiterung zu idg. *peb-, *plä- »platt, eben, breit; breitschlagen, ausbreiten«, s. Feld). Der umgelautete Wurzelvokal der hochdeutsche Affrizierung Ittl > Itsl aufweisenden Form wurde im Ostmitteldeutschen gerundet: Flöz, das seit dem 16. Jh. im Bergbau des Erz- und des Riesengebirges die plattenförmige Lagerstätte zu bezeichnen begann. Mit Flöz »Gesteinsschicht« als »hingeworfene Masse« versucht man gelegentlich, das norddeutsche Scheltwort Fläz »Flegel, Lümmel« (nach E. Seebold eher vielleicht zu niederd. vlote »Abrahmlöffel« unter Berufung auf Löffel als Scheltwort) in Zusammenhang zu bringen, was wenig überzeugend ist. Fliege: Der deutsche Insektenname und gleichbed. engl, fly gehen über ahd. flioga und aengl. fleoge/flyge auf westgerm. *fleug(j)ön »Fliege«, einen variativen ö«-/;'ö«-Stamm zum Verb fliegen (s. Flieger), zurück. Der englische Kognat ist als Grundwort in Butteriiy (eigtl. »Schmetterling«, s. Butter, Butterfliege) vertreten, das die Bezeichnung für einen Spreizsprung im Eiskunstlauf und für einen frei gesprungenen Salto ist sowie kurz für Butterflystil »Schmetterlingsstil im Schwimmsport« steht. Eine genaue semantische und strukturelle Entsprechung im Sinne der etymologischen Duplizität findet das englische Kompositum in mda. Butterfliege (s. d.). Auf Fliege in der Sprache deutscher Juden versucht z. B. J. Picoche frz. flic »Polizist, Bulle« als Transposition von frz. mouche »Fliege; Spion« zurückzuführen, während man im Duden-Universalwörterbuch den Gallizismus Flic als volkstümliche französische Bezeichnung für »Polizist« auf rotwelsch Flick »Knabe« zu beziehen geneigt ist.
Flesche »Pfeilschanze, gewinkelte Feldschanze«: Im Duden-Fremdwörterbuch verzeichnete eingedeutschte Entlehnung aus dem Französischen, in dem flèche »Pfeil, pfeilartiger Gegenstand« aus afränk. *fliugika/*fliukka (vgl. altoberd. flukhe »Pfeil«, einer Bildung zufliegen im Sinne von »Fliegendes«, s. Flieger) hergeleitet wird. Nicht adaptiert tritt das französische Wort in der Fachsprache der Fechter auf: Flèche »blitzartiger Angriff aus weitem oder mittlerem Abstand zum Gegner«.
Flieger: Mit dem Suffix -er (dies aus ahd. -äri, abgelöst wohl schon in germanischer Zeit aus alten lateinischen Entlehnungen auf -arius) gebildete Personenbezeichnung zum Verb fliegen, das zusammen mit engl, tofly auf germ. *fleuga- »fliegen« (vgl. Flesche, Fliege, Flug, Flucht') zurückgeht. Aus dem englischen Verb ist mithilfe von -er, d.h. von demselben alten Suffix zur Bildung von Personen- und Gerätebezeichnungen wie in Flieger, engl, flyer gebildet, das dt. Flyer »Vorspinn-, Flügelspinnmaschine; Arbeiter an einer solchen Maschine; Prospektblatt« lieferte und sich somit Flieger als etymologisch adäquate Dublette zugesellte.
Flett »Wohn- und Herdraum im niedersächsischen Bauernhaus«: Das niederdeutsche Herkunft verra-
Flor 1 m. »Blüte, Blumenfülle; Gedeihen, Wohlstand«: Das Wort scheint eine Verschmelzung zu sein aus
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m h d . f l ö r e >Blume, BlüteBlume, Blüte, Knospe< in der Redewendung inflore esse >in Blüte stehenmit gefüllter Blüte; mit üppigem Blütenstand< (s. voll), vgl. ferner übertragen im Ablativ Plural in floribus et fructibus >in sehr guten Verhältnissen, sehr wohlhabend< (eigtl. >in Blüten und Früchten;, s. Frucht, in, et). Der Nominativ Plural von lat. flos (genauer: flös), das übrigens auf der Grundlage der indogermanischen Verbalwurzel *bhle-, *bhlö- >blühen, üppig sprießen< (zu *bhel>aufschwellen, aufblasengetrocknete Blüten als Bestandteile von Drogen; gesungene, meist improvisierte Verzierungen in der Musik des MittelaltersMehl< und flower >Blume, Blüte, ZierdeBlumengewaltdas Beste von etwas; Zierde; dünner, gegerbter Narbenspalt von Schaffellen; (in der letzteren Bedeutung vorzugsweise der Plural Fleurs, sofern für Bucheinbände verwendet). Der Plural des italienischen Kognaten fiore >Blume< tritt - ebenso wie der französische - als Bestandteil der strukturgleichen Dubletten Milld\ot\glas und Millefleurs1 (s. d.) auf. Sein Singular ist Hinterglied von ital. cavolfiore, das eigtl. >Kohlblume< (s. Kohl) bedeutet und einerseits als Blumenkohl ins Deutsche übertragen wurde, andererseits durch Umstellung gleichbed, österr. Karfiol ergab. Über Flor2 s. Velours. Vgl. auch Fiorette, floral, florid. floral >mit Blumen, geblümt; Blumen betreffend, darstellende Deglutiniert aus lat.floralis m./{.,florale n. >Blumen-, Blüten-< (zu flos, Gen. floris >Blume, Blüte, KnospeBlumenspielevoll entwickelt, stark ausgeprägt, rasch fortschreitende Der das Entwicklungsstadium einer Krankheit kennzeichnende medizinische Fachausdruck stellt eine Deglutination des lateinischen Adjektivs floridus m.,florida f. >blühend< dar, das zu flos, Gen. floris >Blume, Blüte< (s. Flor1) gebildet ist. Aus span. Pascua florida >Ostern< (s. Pessach) verselbständigt, liegt das im Spanischen gleich lautende Femini num dem Namen der nordamerikanischen Halbinsel und des Bundesstaates der USA Florida zugrunde. Anlass dazu hat die Tatsache gegeben, dass dieses Küstengebiet um Ostern 1513 von Juan Ponce de Leon entdeckt und für Spanien in Besitz genommen wurde. Flucht 1 >Reihung in gerader Linie; in einer Reihe liegende Zimmer; geradliniger Verlauf einer Mauer; Spielräume Man ist in der Regel bemüht, dieses Femininum und das zu fliehen gehörende Homonym Flucht2 lexikographisch auseinander zu halten. Als Fachausdruck der Architektur, aber auch im Sinne von »zusammen fliegende Schar Vögel< gilt seit dem 18. Jh. im Hochdeutschen gebräuchliches Flucht1 als Übernahme von niederd. Flucht/Flugt >Flug, Vogelschwarm, Richtung in einer geraden LinieFlug< geht dieses ebenso wie engl, flight1 >Flug; Schwarm< zurück auf westgerm. *flu%ti- >das Fliegen, Flugfliegen< (s. Flieger). Der Anglizismus, der ebenso wie der Teutonismus homonymes flight2 >Flucht< (zu to flee, dem gleichbedeutenden englischen Kognaten von dt. fliehen) neben sich hat, ist beispielsweise im Fremdwort Flight-Recorder »Flugschreiber, Flugdatenregistriergerät< enthalten. Flug: Abstraktum zum Verb fliegen (s. Flieger). Bereits im Mittelhochdeutschen gebrauchte man die Genitivform vluges adverbial im Sinne von >im Fluge, eilend, in eiligster BewegungSaatfeld, Boden(fläche)< geht es auf g e r m .
*flöra-
lagen S t a m m v a r i a n z an, d a n n ließe sich Fir im selte-
>(festgestampfter) Boden< zurück u n d ist mit Feld
nen E x o t i s m u s Red Fir (im F r e m d w ö r t e r b u c h : Red
(s. d., eigtl. A u s g e b r e i t e t e s , EbeneHolz der kalifornischen Tanne< ( f ü r engl.
g e r m . *flöra- s t a m m t auch der englische K o g n a t floor
fornia
Cali-
red fir [Abies m a g n i f i c a ] , eigtl. k a l i f o r n i s c h e
>Tenne; F u ß b o d e n ; Stockwerk; Sitzungssaal; nied-
rote TanneMittelpunkt des Interesses, einer Auseinandersetzung, eines Diskurses< bedeutet, beruht a u f lat. focus
Flut: Ü b e r m h d . vluot, ahd. fluot geht das hochdeutsche Substantiv zurück auf g e r m . *flödu-
>Flutfließen< f o r t l e b e n d e n g e r m a n i s c h e n Verb *flöwa-
>fließen,
strömen< (abgetönte D e h n s t u f e zu idg. *pleu-,
*plou-
>fließen; schwimmenFlut; Ü b e r s c h w e m m u n g ; Hochwasser*, das Vorderglied des g e o g r a p h i s c h e n Terminus Floodp/ain >generell ü b e r s c h w e m m t e Flachlandebene< ( s . p l a n ) ist.
>Feuerstätte, Herd< (vgl. Fächel).
I m Vulgärlatein ver-
drängte focus lat. ignis, das ursprüngliche Wort f ü r >FeuerEintopf aus Fleisch u n d G e m ü s e , dessen
B r ü h e , über Weißbrot gegossen, v o r w e g gegessen wird< (eigtl. >Topf auf d e m Feuerheftig, schnell* (eigtl. >mit F e u e r s s. con). Folie >dünnes (Metall)blatt; Prägeblatt; H i n t e r g r ü n d e
F ö h n >warmer, trockener Fallwind*: Das sich seit d e m 16. Jh. aus d e m A l e m a n n i s c h e n ausbreitende Wort w u r d e in althochdeutscher Zeit über vlat. aus lat. favonius
F o k u s >Brennpunktlauer Westwind< (zu fovere
>wär-
menmetallenes Glanzblättchen als U n terlage f ü r gefasste Edelsteine*) entlehnt aus d e m in einen kollektiven f e m i n i n e n Singular u m g e w a n d e l ten Plural folia >Metallblättchen* v o n lat.
folium
>pflanzliches Blatt*. Gleichen U r s p r u n g s ist frz. feuille >BlattFolie, Blattmetall* vermittelt hat. A u c h dieses liegt g e b u n d e n v o r in d e m v o n B. Carstensen verzeichneten /effoil d ü s e n g e t r i e -
sylvestris
benes B o o t mit tragflächenähnlichen Flügeln, Trag-
heißenden g e m e i n e n Kiefer geht über m h d . vorhe
flächenboot,
u n d ahd. forha auf g e r m . *fur/ö
>Düse; S t r o m , Strahl*, letztlich zu lat. iactare >werfen,
>Föhre< z u r ü c k , w o -
Tragflügelboot* ( B e s t i m m u n g s w o r t : jet
bei E. Seebold die U m l a u t f o r m aus einer alten A d j e k -
schleudern*, zu iacere >werfenPflan-
zu erklären versucht. In g e r m .
*fur%ö präsentiert sich die Nullstufe v o n idg.
*perkwu-
selbst ist
zenblatt* adäqat u n d in Treff >Kreuz im Kartenspiel*
>EicheEichenholz
Eiche< (vgl.
ten vertreten. Seine A b l a t i v f o r m w u r d e im 18. Jh. aus
Kork) vertreten ist. Belege wie m h d . kienvorhtn
der F ü g u n g in Folio ( < lat. infolio
Kiefernholzaus
>Kiefer
in e i n e m Blatt*,
vgl. in) zur Bezeichnung des n u r einmal gefalzten Pa-
zeugen unmissverständlich davon, dass vorhe f r ü h
p i e r b o g e n s verselbständigt: Folio >Buchformat in d e r
mit d e m Substantiv Kien (ahd., m h d . kien >Holzspan,
G r ö ß e eines halben Bogens; Doppelseite des G e -
K i e n s p a n , Fackel; K i e f e n , urspr. wohl A b g e s p a l t e -
schäftsbuches*, vgl. auch folio »auf d e m Blatt (einer
nes*) k o m p o n i e r t w u r d e . Das Resultat ist die heute
mittelalterlichen Handschrift)*, recto folio u n d verso
m i t Föhre s y n o n y m gebrauchte verdunkelte Z u s a m -
folio >auf der Vorderseite bzw. auf der Rückseite des
m e n s e t z u n g Kiefer, in der Föhre in derselben abge-
Blattes stehend* (s. recht, Vers, vgl. Quart2
schwächten u n d g e b u n d e n e n F o r m enthalten
Quarta).
ist wie Frau in Jungfer
schaft bzw. Identität v o n lat. folium
(s. d.). N e b e n g e r m .
*furxö
setzt C. T. O n i o n s einen g e r m a n i s c h e n j ö n - S t a m m 'fur/jön
an, aus d e m er engl, fir >Nadelbaum (Pinus,
Abies, Picea), Tanne, Fichte, Föhre< herleitet. N e h -
unter
U n k l a r bleibt die e t y m o l o g i s c h e V e r w a n d t -
griech. phyllon,
u n d gleichbed.
vgl. z . B . die durch U m k e h r u n g der
K o m p o s i t i o n s g l i e d e r gebildeten Phyllopode ßer* u n d - latinisiert - Podophyllum
>Blattfü-
>Maiapfel*, eigtl.
Form
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>Fußblatt< (über Podo- und -pode s. Fuß), sowie griech. *chairephyllon, das nur in lateinischer Form chaerephyllum bezeugt ist und zu lat. caerefolium umgestaltet auftritt. Über ahd. kervola und mhd. kervele/kerbel lieferte Letzteres den Namen der als Gewürz verwendeten Pflanze Kerbel (wegen ihrer Duft gedeutet als > liebliches, angenehmes Blattdie Klangfarbe von Lauten formende charakteristische Gruppen von Partialtönen« rückgebildet ist die ebenfalls als sprachwissenschaftlicher Fachbegriff, aber in der Phonetik gebrauchte Dublette Formant m., Plur. Formanten.
Form: Das heute eine große Bedeutungsvielfalt aufweisende Wort wurde im 13. Jh. aus lat .forma >äußere Gestalt, Umriss< zu mhd. forme/form >Form, Gestalt; Vorbild, Muster; Art und Weise< entlehnt. In Bezug auf lat. forma (vgl. dessen Ablativ in der präpositionalen Fügung pro forma >der Form wegen, zum Scheins s. vor) vermutet man zwar sehr vorsichtig, aber kaum zu Unrecht Übernahme (nach dem Duden-Herkunftswörterbuch eventuell durch etruskische Vermittlung) von griech. morphe >Form, äußere Gestalt«. Dieses wird als endbetontes Femininum gelegentlich auch im Deutschen verzeichnet: Morphe >Gestalt, Form, Aussehen, EidosLehre von der Gestalt, den Formen und ihrer Entwicklung< (nach W. Pfeifer 1796 von Goethe geprägte gelehrte Bildung, vgl. Logo). Sofern Morph >kleinstes formales, bedeutungstragendes Bauelement in der Rede< aus Morphem >kleinste bedeutungstragende Gestalteinheit in der Sprachen einer Ableitung auf der Basis von griech. morphe, rückgebildet ist, lässt es sich nicht mit Morphe (und Form) gleichsetzen und demnach nicht als deren etymologische Dublette ansehen (vgl. auch die restriktiven Überlegungen zu Fan unter fanatisch).
förmlich: Im Sinne von offiziell, amtlich, durch Vorschrift angeordnet; konventionell, steif, unpersönlich deckt sich das Adjektiv semantisch mit formell (s. formal), besonders in adverbialer Funktion kennt es aber außerdem die zum Teil umgangssprachliche Bedeutung regelrecht; wahrhaft, buchstäblich, geradezudie Form betreffend, äußerliche Im 16. Jh. entlehnt aus lat. formalis >äußerlich, zur Form gehörig< (zu forma >äußere Gestalt, Umrissin aller Form ausgesprochen, ausdrücklich, unmissverständlichförmlich, konventionell, steif< lieferte. Vgl. auch aktuell. Formans n., Plur. Formanzien/Formantia: Die auf F. K. Brugmann zurückgehende Bezeichnung für ein Wortbildungsmorphem (Präfix, Suffix, Infix, Wurzeldeterminativ), die heute mit Formativ konkurrierend in der generativen Transformationsgrammatik auch auf die kleinsten linearen Einheiten mit syntaktischer Funktion bezogen wird, stellt den substantivierten Nominativ Singular Neutrum des Partizips Präsens formans, Gen. formantis, ¥\UT. formantia von lat. formare >formen, einrichten« (Faktitiv zu forma,
Forsche >forsches Wesen, Schneid, Wagemut, Draufgängertum: Das umgangssprachliche Femininum ist eine durch Lautsubstitution rs > rsch gekennzeichnete Übernahme von mnd. forse >Kraft, Stärke, Gewaltkräftig< rückgebildet und im 19. Jh. in hochd. forsch umgewandelt wurde. Das niederdeutsche Wort geht auf frz. force >Kraft, Macht« zurück, das andererseits die Quelle ist von veraltet Force >Kraft, Zwang, Gewalt« (auch in Force majeure, s. Major1, und in par force >mit Gewalt; unbedingt«, s. vor). Dieses gelangte auch über engl, force >Kraft, Stärke; Truppe« ins Deutsche, z. B. in der Bezeichnung der britischen Luftwaffe Royal Air Force, eigtl. >Königliche Luftwaffe« (s. Regal, Air) und in Akronymen des Typs Jfor >von der NATO aufgestellte Einsatztruppe für Bosnien und Herzegowina« (gekürzt aus engl. Implementation Force, eigtl. >Durchführungstruppevon der NATO aufgestellte Einsatztruppe für Kosovo« (gekürzt aus engl. Kosovo Force). Frz. force führt zusammen mit gleichbed. ital. forza (etwa in tutta la forza >mit voller Kraft«, s. tutti) spätlat. fortia >Kraft, Macht«, den Plural des Neutrums von lat.fortis »stark, kraftvoll«, fort. Substantiviert liegt das lateinische Adjektiv vor im sprachwissenschaftlichen Terminus Fortis >mit großer Intensität und gespannten Artikulationsorganen gebildeter Konsonant, z. B. p, t, klaut, stark« und Forte >große Lautstärke, starke Klangfülle« in der Musik) und frz. fort, aus dessen substantivierter Form im 16. Jh. das militärische Fachwort Fort >Festungsanlage< übernommen wurde. Foto'/Photo1 m. »Fotoapparat«: Das als umgangssprachlich geltende Maskulinum ist eine Kopfisolierung aus Fotoapparat unter regelrechter Beibehaltung von dessen Genus. Foto2/Photo2 (im Schweizerischen
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Femininum, sonst wie Kino, Lotto Neutrum) ist Franchise2 n. »spezielle Form der Zusammenarbeit ebenso eine Kopfisolierung, und zwar aus Fotograzwischen rechtlich und wirtschaftlich selbständigen phie >Lichtibild< als Resultat des Verfahrens zur HerUnternehmen; Vertriebsform im Einzelhandel, bei stellung dauerhafter, durch Licht erzeugter Bilder, der ein Unternehmer seine Erzeugnisse durch einen dessen Benennung der ursprüngliche Zweck von Einzelhändler in Lizenz verkaufen lässt« als Wirtengl, photography war. Dieses Kompositum wurde in schafte- und Handelsterminus und phonomorphoden 3oer-Jahren des 19. Jh. vom englischen Astrosemantische Dublette von Franchise1 übernommen. nom und Chemiker J. F. W. Herschel gebildet mögfrank »frei, offen«: Das heute nur noch in der tautologilicherweise als Kreuzung von Heliographie (eigtl. schen Fügung frank und frei lebende Adjektiv ist im »Sonnenschrift«), wie die Technik zur Reproduzie15. Jh. aus afrz. franc »edel von Geburt, frei (von Lasrung von Bildern mit Hilfe lichtempfindlicher Stoffe ten), freimütig« (daraus frz. franc m.,franche f. »frei, hieß, und photogenic drawittgs >lichtentstandene freimütig« sowie ital. franco »frei, offen, sicher, offenZeichnungen«, wie W. H. F. Talbot die von ihm entherzig«) rückentlehnt. Dieses wird zwar auf afränk. wickelten Positiv-Kopien von einem Negativ nannte. *frank »kühn, mutig, dreist« (oder »mit dem franca Auf jeden Fall setzt sich Fotographie aus photo-, der genannten Wurfspieß bewaffnet«?) zurückgeführt, es Kompositionsform von griech. phös, Gen. phötds ist aber zweifellos mit dem Namen der in Nordgal>Lichtritzen, schreiben«) im ten Bedeutungen von afrz .franc offenbar auf franc Sinne von > Beschreibung, Schrift< zusammen, so dass »fränkisch« beruhen und mit der Stellung der Franes so viel wie >Lichtschrift< bedeutet. Auf phot-, dem ken als im Gegensatz zu der hörigen galloromaniStamm der flektierten Formen von griech. phös, beschen Bevölkerung freien Herren zusammenhängen. ruht ferner die Maßeinheit der spezifischen LichtDemnach ist frank etymologische Dublette von ausstrahlung Phot (Zeichen: ph). Der Nominativ Franke urspr. »Angehöriger eines westgermanischen desselben griechischen Wortes ist im Adjektiv phösVolksstammes« (schon im 3. Jh. zu Francus, Plur. phöros >lichttragend< enthalten, das im 17. Jh. zur BeFranci latinisiert). Dieser Name liegt dem Eigennazeichnung des chemischen Elements Phosphor (s. d.) men (bis ins 19. Jh. nur Beiname) Frank/Franko (vgl. substantiviert wurde. ital., span. Franco) zugrunde und ist in Frankfurt (verkürzt aus Frankenfurt, 794 Franconofurd »Furt Fracht >VersandgutLohn, Verdienst«, das auch in gleichunter dem französischen Herrscher Johann II., dem bed. ahd. freht vorliegt und eine Präfigierung von Guten, geprägten Münze gekürzt ist Franc als frühere ahd. eht >Habe< (Abstraktum zum präteritopräsenWährungseinheit in Frankreich, Belgien, Luxemtialen Verb *aih »haben, besitzen«, dessen adjektivierburg, wofür in der Schweiz seit 1799 Franken1 m. gilt. tes Partizip Perfekt in eigen fortlebt) mit einer VorAus Fügungen wie die von D. Berger aufgeführten form von ver- darstellt. Die Bedeutungsentwicklung ahd. in Vrankön, mhd. da ci Frankin ist der Dativ im Deutschen verläuft von »Beförderungsgebühr« Plural von Franke zum Namen der heute Franken2 über >gegen Bezahlung beförderte Ladung« zu »beförheißenden Gebiete entstanden (vgl. Schwaben unter dertes Gut«. Mnd., mniederl. vracht lieferte außerSwebe). Eine weitere Rückentlehnung ist franko/ dem engl, freight »Fracht; Frachtgeld«, das beispielsfranco »gebühren-, kostenfrei«, das (wie auch gleichweise in der Überseehandelsklausel bezüglich der im bed. frz. franco) im 17. Jh. aus ital. franco (di porto) Preis eingeschlossenen Fracht-, Versicherungs- und oder (porto) franco »(Beförderung) frei, portofrei« Verladekosten cost, insurance, freight (s. Kost) enthalzusammen mit anderen Fachwörtern des Postwesens ten ist, und frz. fret »Schiffsfracht«, vgl. gleichbed. (vgl. Post) ins Deutsche gelangte. Die attributiv geFret, das ebenso wie die englischsprachige «/-Klausel brauchte feminine Form von ital. franco ist Bestandim Duden-Fremdwörterbuch aufgeführt ist. teil des sprachwissenschaftlichen Terminus Lingua franca »Verkehrssprache (an der Mittelmeerküste im Franchise 1 f. »Abgaben-, Zollfreiheit; Haftungseintritt Mittelalter), Mischsprache« (eigtl. »fränkische Spraeiner Versicherung beim Überschreiten einer beche«, s. Zunge). stimmten Schadenshöhe«: Die veraltete Bedeutung »Freiheit, Freimütigkeit« des Fremdwortes lässt die semantische Entwicklung seiner Vorlage frz.franFranz: Neben der selteneren Variante Frenz zunächst in chise »Freiheit (von Abgaben)« (zu franc »frei, freimüSüddeutschland und Österreich beliebter, später in tig«, s. frank) als finanzieller Fachausdruck einleuchganz Deutschland volkstümlich gewordener Name, ten. Über engl, franchise (eigtl. »Konzession«) und vgl. analog niederl., schwed. Frans, ung. Ferenc (über mit englischer Aussprache wurde das Homograph die Umgestaltung von dessen Anlaut s. das unter Pia-
Franz
Fraternité
zen ta zu Palatschinke Ausgeführte). Franz ist als Kopffragmentierung aus lat. Franciscus entstanden, das nach G. Drosdowskis »Lexikon der Vornamen« Latinisierung von ital. Francesco darstelle und auf den Stifter der Franziskanerbewegung Franz von Assisi (12./13. Jh.) zurückgehe. Dieser hieß eigentlich Giovanni Bernardone, wurde aber von seinem Vater Francesco >der Franzose< genannt, weil seine Mutter Französin war und weil er gut Französisch sprach. Ihrer Form nach sind der italienische Name und seine Latinisierung substantivierte maskuline Adjektive, gebildet mithilfe des germanischen Suffixes -isk (s. Grotteske) zu mlat. Francia >Frankenland< (benannt nach dem Volksstamm der Franken, s. frank). Vertretungen der Vollform Francesco sind ferner span. Francisco, frz. François, während Frisco eine Klappform der zweiten Komponente von San Francisco (s. Sanctus) repräsentiert. Als Femininum im ursprünglichen Sinne >die Fränkin oder die Französ i n zu nennen ist Franziska mit den aus anderen Sprachen bekannt gewordenen Entsprechungen ital. Francesca, s p a n . Francisca, frz. Françoise, vgl. a b e r
auch den gelegentlich lexikographisch aufgeführten Historismus Franziska ehemalige Axt der Frankens verselbständigt wie gleichbed. frz. francisque aus lat. (ascia oder securis) francisca >fränkischer (Axt)französich; Franzose; Französin (vgl. die heutigen adjektivischen Suffixe frz. -ais/-ois, die J. Picoche als Kreuzungen von lat. -ensis/ -ense mit germ. -isk und griech.-lat. -iscus darstellt) sind dagegen die Namen frz., engl. Francis m. und engl. Frances f. Aus dem Altfranzösischen wurden andererseits über mhd.franzois/franzeis >französisch< und gleichbed. franzoisisch/franzoisch die Substantivierung Franzose und die Adsuffigierung französisch übernommen. Die heutigen Lautformen des französischen Adjektivs français m.lfrançaise f. treten auf im sprachwissenschaftlichen Fachausdruck Français fondamental >Grundwortschatz der französischen Sprache< (eigtl. grundlegendes Französisch^ und im musikalischen Française >älterer französischer Tanz, vorwiegend im 6/8-Takt< (elliptisch für danse française französischer Tanzfranzösisch< aus germ. *fraijkiskaz >fränkisch< her, das er für die Quelle von mlat. Franciscus und daher für afrz. franceis, frz. français erklärt. Im Prinzip ist dieser Ansatz akzeptabel, so dass sich abschließend sowohl das Attribut der englischen Fügung French Dressing >Vinaigrette< (eigtl. französische SalatsoßeherrichtenBrüderlichkeitbrüderlichBruder dt. -ität (s. Societas) die Dublette Fraternität Brüderlichkeit; Verbrüderung; (kirchliche) Bruderschaft lieferte. Frau: Das Substantiv (mhd. vrouwe, ahd. frouwa) ist das movierte Femininum zum untergegangenen Maskulinum ahd. frö >Herr< (s. frönen). Somit bedeutete es von vornherein >HerrinFrau, Gattin< (daraus heute Weib). Die junge Herrin hieß mhd. juncvrouwe mit einer seit dem 14. Jh. bezeugten Nebenform juncfer, die heute in Jungfer (s. d.) fortlebt und in der das Grundwort gebundene etymologische Dublette von Frau ist. Über homonymes -fer s. Kiefer unter Föhre. frei: Das aus mhd. vri, ahd./n durch Diphthongierung lautlich umgestaltete Adjektiv geht wie gleichbed. engl, free und niederl. vrij auf germ. *frija- >frei, unabhängig< zurück, das eine spezifische germanischkeltische semantische Entwicklung von idg. *prijo>lieb< darstellt. Die nicht diphthongierte Vorform ist im französischen Namen des westschweizerischen Kantons und dessen Hauptstadt Freiburg bewahrt: Fribourg (vgl. Burg). Der ebenfalls nicht diphthongierten Vokal enthaltende englische Kognat free ist Bestandteil nicht nur von Ortsnamen wie dem der Hauptstadt Sierra Leones Freetown (vgl. Zaun), sondern auch von terminologisierten Komposita und Wortfügungen wie etwa Freesty/e/Free Style >Trickskilaufen< (s. Stil), Free Concert (s. Konzert) und in Vertragsklauseln, nach denen der Käufer Kosten und Risiko bis zu einem bestimmten Punkt übernimmt, z.B. free on quay >frei (bis zum) Kai< (s. Kai, vgl. an). Wie dt. -frei wird auch engl, -free suffixartig gebraucht, vgl. Duty-free-Shop/Dutyfreeshop >Laden, in dem Waren zollfrei verkauft werden< (eigtl. zollfreier Ladern, s. Shopf). Auf der genetischen und semantischen Identität von frei und free basiert die seit dem 18. Jh. bezeugte Wiedergabe von engl. Freemason durch dt. Freimaurer (Lehnübersetzung mit teilweiser Adaptation). Als Vorderglied von frijbuiter > Freibeuten tritt der niederländische Kognat von frei in flibustier/fHibuster2 bzw. in Filibuster1 (s. Freibeuter) stark modifiziert auf. Freibeuter >SeeräuberSchiffsführer oder Seemann mit Vollmacht zum Kapern feindlicher Schiffe; Seeräuberauf Freibeute fahren^ Unter dem Einfluss des im 16. Jh. sehr gebräuchlichen und nach dem Ärmel zur Zuiderzee Vlie benannten Wasserfahrzeug mniederl. vlieboot (daraus dt. Flieboot >kleines Fischerboot; BeibootFliege< angelehnt -flyboat, vgl. frz. bateau muche, wörtl. >FliegenschiffFreibeuter< zu fleebooter/flibutor und schließlich in ein lautliche Schwierigkeiten bereitendes filibuster (= span. filibustero = frz.flibustier) umgewandelt. Aus dem Französischen und Englischen entlehnt ist dt. Fiibustier/Filibuster 2 westindischer Seeräuber in der zweiten Hälfte des 17. Jh.; Seeräuber, gesetzloser Abenteurern An diese Varianten schließt sich der Amerikanismus Filibuster' an als Bezeichnung für eine im amerikanischen Senat von Minderheiten geübte Praktik, durch Marathonreden die Verabschiedung eines Gesetzes zu verzögern. Friedrich: Der alte deutsche männliche Vorname setzt sich aus a h d . f r i d u >Friede, Schutz< und rihhi H e r r scher; königlich, mächtig< (s. reich), so dass er üblicherweise im Sinne von >Friedensherrscher< gedeutet wird. Zu seiner Beliebtheit im Mittelalter haben bedeutende Namensträger von Friedrich Barbarossa (12. Jh.) bis Friedrich den Großen (18. Jh.) beigetragen. Nennenswert außer der Latinisierung Fridericus sind u.a. seine lautlichen Abwandlungen niederl. Frederik, engl. Frederic, schwed. Fredrick, frz. Frédéric, ital. Federico, span. Federigo, poln. Frydrych, tschech. Bedrich, finn. Veetrikki. Friedrichshagen: Berliner Vorort, der in der Literaturgeschichte für die 1890 dort stattgefundene Zusammenkunft einer Gruppe von Naturalisten (des sog. Friedrichshagener Dichterkreises) bekannt ist. Seine Benennung verdankt er ebenso wie der Berliner Stadtteil Friedrichshain dem unter den preußischen Königen beliebten Herrschernamen Friedrich (s. d.). Die etymologische Duplizität beider Ortsnamen gründet sich auf die Herkunftsgleichheit ihres zweiten Bestandteils (s. Hain). frisch: Über mhd. vrisch und ahd. frise geht das Adjektiv ebenso wie engl, fresh auf etymologisch nicht geklärtes westgerm. *friska- zurück, das in die romanischen Nachbarsprachen (vgl. frz. frais m.,fraiche f. und ital. fresco m. fresca f.) und aus dem Frühneuhochdeutschen auch zu ung. friss >neu, noch unverdorben; munter, flink; kühl, erfrischend< entlehnt wurde. Engl, fresh und die feminine französische Form sind enthalten etwa in Airfresh >Mittel zur
Luftverbesserung< (s. Air) und Creme fraiche >saure Sahne mit hohem Fettgehalt< (s. Chrisam). Aus dem italienischen Fachausdruck dipingere afresco >auf frischem Kalkputz malen< stammt die präpositionale Fügung a fresco/a/ fresco >auf frischem Verputz, auf die noch feuchte Wand (gemalt)< (s. ad) als Bezeichnung dieser Maltechnik, die substantivisch auf die seit dem 18. Jh. bezeugte Rückentlehnung Fresko 1 n. übertragen wurde und heute - neben im 19. Jh. über frz. fresque übernommenem und eingedeutschtem Freske - auch im Sinne von >Freskogemälde< auftritt. Formal identisch mit jenem ist der als Phantasiebezeichnung geltende Stoffname Fresko 2 m. >poröses, raues Kammgarngewebehurtig, flink, frisch< beruht der musikalische Terminus Friss >der schnelle Paartanz des Csärdässich einer Leidenschaft ergebene In dieser übertragenen Bedeutung hat sich das der gehobenen Sprache vorbehaltene Verb erst seit dem 18. Jh. etabliert. Zuvor war es mit seiner umlautlosen, ursprünglich mitteldeutschen Variante fronen Frondienste, schwere Arbeit leisten< gleichbedeutend. Das Dublettenpaar setzt mhd. vroenen/vrönen >zum Herrn machen, heiligen, verherrlichen; (für den Herrn) in Beschlag nehmen; dienen, Frondienst leisten< fort. Voraus geht das jan-Verb ahd .frönen >(für den Herrn) in Beschlag nehmen< (eigtl. >dienen, unterworfen seindes Herrn, dem Herrn gehörig; herrlich; heiligHerrscher, Herr, Gott< darstellt. Dieses aus germ. *frawan- >Herr< hervorgegangene Substantiv, zu dem Frau (s. d.) als moviertes Femininum gehört, wurde zwar von Herr (s. hehrer) verdrängt, ist aber als Bestimmungswort in Fronarbeit, -dienst, -leichnam (eigtl. >Arbeit, Dienst an den Herrn< bzw. >der Leib des HerrnStirn; Vorderseite< zurückgehen, vgl. auch die aus dem Französischen stammende präpositionale Fügung bildungsspr. front ä front »Mann gegen Mann< (eigtl. >Stirn gegen StirnFront< ist beteiligt am Akronym Frelimo, d.h. am abgekürzten Namen der bis 1975 als Befreiungsbewegung, danach als Einheitspartei in Mocambique existierende Frente de Libertaqäo de Mocambique >Befreiungsfront von Mocambiquer In adäquater Form ist das lateinische Substantiv anatomischer Terminus: Frons >Stirn, Stirnbeine Zwei Kompositionsformen des Latinismus liegen vor im ebenfalls über das Französische übernommenen
Frontier
110
Kompositum Frontispiz >Giebeldreieck; Verzierung eines Buchtitelblatts< (aus gleichbed. frz. frontispic, einer Umgestaltung von lat. frontispicium >VordergiebelVorderansichtsehen< komponiertes Verbalabstraktum) und im neoklassischen Fachausdruck der Meteorologie Frontogenese >Bildung von Grenzflächen zwischen Luftmassen von verschiedener Dichte und Temperatun (vgl. Genese). Frontier: Die im Duden-Fremdwörterbuch aufgeführte Definition des Fremdwortes Bezeichnung für die Siedlungsgrenze zwischen dem von Indianern, Jägern und Fallenstellern beherrschten Gebiet und der nachfolgenden, durch Besiedlung und Verdrängung erfolgenden »Zivilisation« in Nordamerika im 19. Jh.< weist auf eine spezifisch amerikanische Bedeutung von engl, frontier >GrenzeGrenzeStirn-, Vorderseite«, s. Front), mit dem auch span. frontera >Grenze< identisch ist, vgl. den andalusischen Ortsnamen Jerez de la Frontera (also eigtl. >Jerez an der Grenzefünfzehn Minuten Pause machen« (vgl. ferner ein falscher Fuff-
111 ziger >jemand, dem nicht zu trauen istaltgriechischer culaire der ebenfalls veraltete gleichbedeutende GalFünfkampf< (< griech.pentäthlon, zu äthlos >Kampffünfter< bzw. »fünfzigster (Tag)< in seiner italienischen Entsprechung funicolare »Seilsüdostd. Pf iriz tag »Donnerstag< (eigtl. »fünfter Tag der bahn« und Ski ein Kompositum entstanden, das laut Woche«) bzw. im alten und entstellten Lehnwort Duden-Universalwörterbuch in Gestalt der KopfPfingsten neben dem gleichbedeutenden Fremdwort fragmentierung Skifuni »großer Schlitten, der von Pentefcosfe (s. d.). Eine Fortsetzung von lat. quinque einer seilbahnähnlichen Konstruktion gezogen wird ist das dissimilierte ital. cinque »fünf< etwa in cinqueund Skiläufer bergaufwärts befördert« auftritt und cento »fünfhundert«, das sich als Bezeichnung für die infolge anschließender Schwanzisolierung - nach Kunst und Kultur des 16. Jh. in Italien im Fremdwort Duden-Fremdwörterbuch sogar Funi lauten kann. Cinquecento (gekürzt aus mille cinquecento >1500Anführer, H e r r -
s p r e c h u n g brennen,
s c h e n . D e r englische K o g n a t tritt als Bestandteil v o n
zwei Verben ü b e r n o m m e n hat). Fortsetzer mit u n -
F ü g u n g e n auf wie first class e r s t k l a s s i g , v o n g e h o b e -
terschiedlich verallgemeinerten A b l a u t s t u f e n der
n e m Standard< (s. Klasse),
First-Pass-Effect teilweise
s. gebrannt,
die F u n k t i o n v o n
i n d o g e r m a n i s c h e n Wurzel sind gleichbed. griech.
o d e r vollständige V e r m i n d e r u n g der B i o v e r f ü g b a r -
poüs, G e n . podös u n d lat. pês, A k k . pedem
keit eines durch den M u n d verabreichten A r z n e i m i t -
ital. piede/piè,
tels durch V e r ä n d e r u n g e n im Stoffwechselprozess
Frau eines Staatsober-
Erde w o h n e n d e r M e n s c h ; Gegner, Widersacher
erste DameÜberfahrtsstelle, Flussübergang
Durchgang, Furt< zurück, einer tuE r w e i t e r u n g zur i n d o g e r m a n i s c h e n Verbalwurzel *per-, *por-, *pr- >hinüberführen, Übersetzern, w o r a u f u . a . dt. fahren
(s. auch vor) u n d griech.
perän
>hinüberbringen< ( d a z u p ö r o s >Übergang< in Bösporos »Stelle, w o R i n d v i e h h i n ü b e r g e f ü h r t wird< > dt. Bosporus, s. Kuh) b e r u h e n . Gleicher i n d o g e r m a n i s c h e r H e r k u n f t sind awest. paratu-
im F l u s s n a m e n Eu-
phrat, eigtl. >der gut Überschreitbare< u n d lat. portus >Hafen< (s. Port). V o m s c h w u n d s t u f i g e n westgerm. *furdu-
ist das h o c h s t u f i g e n o r d g e r m . *ferpu-
A n s a t z gibt J. P o k o r n y idg. *per-tu-,
*por-tu-,
(als Gen.
*pr-teus »Durchgang, Furt< an) k a u m zu trennen, das a n h a n d v o n a i s l . f i g r d r >enger Meerbusen< u n d n o r w . , schwed. fiord erschlossen wird. A u s diesem s t a m m t einerseits das international verbreitete geologische F a c h w o r t Fjord, andererseits niederd. Förde »langgestreckte Meeresbucht< u n d engl, firth >Meeresarm, weite M ü n d u n g , Fördein Schottland B e z e i c h n u n g f ü r tief ins Landesinnere hineinreichender, lang gestreckter MeeresarmFußNesseltier; Tintenfisch; gestielte Geschwulstviel< +
poüs, also eigtl. >VielfußFuß-, S c h r i t t e etwa in Podagra
>Fußgicht< (eigtl. >Fußfalledas F a n g e n s zur S e m a n t i k vgl. auch Goutte unter Guttae), ser* (s. d. u n d vgl. Metrum).
Podometer S c h r i t t m e s Lat. pês w i r d als anato-
misches F a c h w o r t u n d H i s t o r i s m u s verzeichnet: Pes >Fuß; fußartiges Gebilde, Ansatzstelle eines Organs; altrömisches L ä n g e n m a ß ( = 29,6 cm)das kleinste der drei G e h ö r k n ö c h e l c h e n in der Paukenhöhle* ( < lat. stapes >SteigbügelstehenentgegenGegenfüßlerauf d e m gegenüberliegenden P u n k t der
( < griech. antipodes,
Furt: D a s Substantiv, das auch im seit d e m 13. Jh. be-
(daraus
frz. pied >Fußdem Rugby ähnliches amerikanisches Mannschaftsspiel mit zwei Mannschaften zu je elf SpielernZukunft, Zukunftsform des Verbsc Sprachwissenschaftlicher Terminus, deglutiniert aus veraltetem Futurum (vgl. aber Futurum exaktum, d.h. vollendetes oder zweites Futur wie im Satz Wir werden es überstanden haben gegenüber dem ersten Futur
in Wir werden es überstehen, s. exakt). Er stellt eine Verselbständigung aus der lateinischen Fügung tempus futurum >künftige Zeit< (vgl. Tempo) dar, in der futurum das Neutrum von futurus m. >zukünftig< (eigtl. >sein werdende Suppletivform in der Funktion des Partizips Futur von esse >seindie KünftigeZukunftsforschung< (vgl. Logo). Die durch englische Vermittlung übernommene Pluralform Futures ist ihrerseits im Börsenwesen Sammelbezeichnung für standardisierte Terminkontrakte, die an Börsen gehandelt werden. Der Singular des Anglizismus tritt auf im Schlagwort no future als Ausdruck der Hoffnungslosigkeit arbeitsloser Jugendlicher zu Beginn der 8oer-Jahre des 20. Jh. in den westeuropäischen Industriestaaten (dazu NoFuture-Generation für eine >junge Generation ohne Zukunftsaussichtengegabelter Ast u.a.< wird das Substantiv über mhd. gabel/gabele, ahd. gabala >zwei- oder mehrzankige Gabel< und westgerm. *gablö- >Gabel< auf idg. *ghabh(o)lo-/*ghabh(o)lä>(Ast)gabel< zurückgeführt. Auf seinem Kognaten niederl., niederd. gaffel beruht die seit dem 18. Jh. bezeugte hochdeutsche Übernahme aus der Seemannssprache Gaffel g a b e l förmige Segelstangeneugierig, mit o f f e n e m M u n d und d ü m m lichem Gesichtsausdruck etwas anstarreno Das mhd. gaffen >verwundert oder neugierig schauen< fortsetzende Verb hat in mnd. gapen >den M u n d aufsperren< seinen Kognaten mit unverschobenem germ. p, so dass sich für die beiden Verben Elementarverwandtschaft mit gähnen annehmen lässt. Im Unterschied zu Gaffel (s. Gabel) tritt das niederdeutsche Wort in mittel- und norddeutschen Mundarten umgangssprachlich auf mit regional umgewandeltem Anlaut und aufrecht erhaltenem kurzem Wurzelvokal: jappen >den M u n d aufsperren, nach Luft schnappen; lechzen< (vgl. feck unter Geck und über einen umgekehrten Lautwandel s. Gauner). Gagat >als Schmuckstein verwendete Pechkohle, schwarzer Bernsteine Der Fachausdruck geht über lat. gagates auf gleichbed. griech. gagdtes, das nach dem Fluss und der Stadt Gagas in Lykien (Kleinasien) benannt ist. Synonym mit Gagat wird vielfach Jett/Jet gebraucht, obwohl jenes eher Bezeichnung f ü r den Stoff überhaupt und dieses f ü r den zu Schmuckstein verarbeiteten Gagat ist. Letzteres stammt aus engl, jet >GagatSchwarzstein, Pechkohle; Trauerschmuck aus Pechkohlen Gambe >KniegeigeBeingeigeein Zupfinstrument spielenBratschevon< (s. de1) und gamba >Bein< (über spätlat. gamba >Bein; Schenkel« aus griech. kampë>Gelenk, Biegungin Kniehaltung gespielte größere Form der Lira da Braccio mit 9 bis 15 Saiten< (s. Lira1) auf. Galloromanischer Fortsetzer des latinisierten Gräzismus ist seit dem 11. Jh. bezeugtes frz. jambe >Bein; Unterschenkel, enthalten in der im Ballett gebräuchlichen präpositionalen Fügung Rond de Jambe >am Boden ausgeführte Kreisbewegung des Spielbeins< (s. Rotunde, de') Ganeff/Ganef >Gauner, Spitzbubec Das Wort gilt als Austriazismus, dem im Binnendeutschen in Österreich nicht übliches gleichbed. Ganove entspricht. Die gemeinsame Quelle dieses heteronym fungierenden Wortpaares ist hebr. gannäv >Dieb< (zu gänav >stehlenDiebe< beruht die jiddische ganöwem/ganöwen, die auch im Deutschen als Plural empfunden wurde und daher einen regelrecht gebildeten neuen Singular Ganove neben sich entstehen ließ. Garant >Bürge, G e w ä h r s m a n n c Im 18. Jh. über gleichbed. frz. garant übernommen aus afrz. guarant/garant >Bürge, Zeuge, Beschützen, dem substantivierten Partizip Präsens eines altfränkischen oder darauf beruhenden altfranzösischen Verbs. Als altfränkische Vorlage erwägt man entweder *wärjan >als wahr bezeichnen, die Richtigkeit verbürgen< (zu wahr, s. d.) oder werèn gewährleisten, sicherstellen (heute in gewähren fortlebend), wobei der gesetzmäßig gutturalisierte Romanismus (vgl. Garçon unter Recke) in Vokalismus und Semantik wahrscheinlich von afrz. garir >verteidigen, beschützen< (heute guérir >heilenBürge; Gerichtszeugevon einem Lagerhalter ausgestellte Bescheinigung, die im Falle der Beleihung der eingelagerten Waren verpfändet werden kann< lieferte. Gardine: Das im 16./17. Jh. durch niederdeutsche und niederländische Vermittlung in der Bedeutung »Bettvorhang< entlehnte Substantiv geht über afrz. cortine (mda. gordine) auf spätlat. cortina >Vorhang< zurück, in dem eine adjektivische Ableitung von lat. cohors/ cors »eingezäunter Hofraum< (s. Kohorte) ursprünglich wohl zur Bezeichnung des einen Raum vom Innenhof abgrenzenden Vorhangs vermutet wird. In seiner heutigen Lautgestalt courtine liegt das französische Wort dem eingedeutschten Historismus Kurtine >Teil des Hauptwalles einer Festung< (veraltet auch »Mittelvorhang auf der BühneLand, Landschaft, Gegend< auf ein Kollektivum zurück, das W. Pfeifer entweder als germ. *ga-auja n. >Siedlungsgebiet< oder als germ. *ga-awja n. U m gebung eines Gewässers< (zur Grundlage von Aue und daher wohl verwandt mit Aa/Aach, s. Aqua) rekonstruiert. Aus der umgelauteten Variante mhd. göu, ahd. gewi hervorgegangen ist die oberdeutsche Variante Gäu n. etwa in Allgäu (s. Alpen), vgl. redensartlich österr., Schweiz, jemandem ins Gäu kommen/ gehen j e m a n d e m ins Gehege kommenSchutz des Landes; Bodenerhebung, auf der ein Wachtposten steht< zurückgeführt wird in der Romanistik der volksetymologisch umgewandelte Gattungsname frz. veraltet montjoie Steinhaufen (als Orientierungszeichen oder Denkmal)Freudenberg< auftritt. Geht man von der Annahme sekundärer Motivation bei frz. montjoie aus, dann ließe sich bei dem zweiten Bestandteil des auf Montjoie beruhenden Ortsnamens Monschau doppelter etymologischer Bezug definieren: gebundene Dublette von Gaudium (s. d.) mit Rücksicht auf die formale Realisierung (vgl. die Ausführungen unter Arkuballiste) einerseits und von Gau mit Rücksicht auf die etymologische Basisstruktur des Wortes andererseits. Gaudium n. Ausgelassenheit, Freude, Spaß, Vergnügenc Das 1526 als Biername bezeugte, im 17./18. Jh. aus der Studentensprache im Sinne von »Frohsinn, Spaß, Belustigung< allgemein bekannt gewordene, heute veraltende Wort hat eine umgangssprachliche Kopffragmentierung Gaudi »fröhliches Treiben, Belustigung< neben sich, das in Deutschland und der Schweiz logischerweise als Neutrum, in Österreich nur als Femininum (hier auch bis zur endbetonten Gaudee weiter entstellt) auftritt. Die Quelle ist lat. gaudium >Freude, Genuss; Wonne< (Verbalabstraktum zu gaudere >sich freuenfreuen wir uns alsoFreudeFreude, Vergnügen< ist Bestimmungswort in ioystick Steuerhebel für Computerspiele< (eigtl. >SteuerknüppelFreudenberg< aus oder für lat. Möns gaudii, s. Montes) entwickelt ist der Name der an der oberen Rur gelegenen Stadt Monschau (mda. Monschauwe). Graf Walram III. von Limburg soll die gleichnamige Burg (1217 Castrum Munioie) nach einem Berg bei Jerusalem so benannt haben, weil die Kreuzfahrer angeblich von diesem >Berg der Freude
janz z.B. im Berlinerischen ausgehend, vgl. auch jappen, Jeck unter gaffen, Geck) gebietsweise in hyperkorrekter Aussprache ing- (etwa gang, Gosef statt jung, Josef) umgewandelt wird. Das Wort stammt aus seit dem 15. Jh. bezeugtem rotw. Juonner/ foner >Falschspieler< und wird im Allgemeinen auf jidd. *jewöne(r) >Grieche< (zu jöwön >GriechenlandIonienGrieche< neben grec >griechisch; Griechisch; Falschspielen findet. Soll diese Herleitung zutreffen und das rotwelsch-jiddische Nomen kein Deverbativum zu frühnhd.junen >spielen< sein, dann wären Gauner und lonier/loner Angehöriger eines der altgriechischen Hauptstämme an der Westküste Kleinasiens< strukturgleiche etymologische Dubletten. gebrannt: Das Partizip Präteritum des Verbs brennen, mhd. brennen >anzünden; destillieren< (ursprünglich Kausativ im Sinne von >in Brand stecken< zu ahd., mhd. brinnen >in Flammen stehen(zuerst aus Wein und Weinrückständen) destilliertes alkoholisches Getränks die nach Unterdrückung (Deglutination) von ge- zu frühnhd. brantewein, nhd. Branntwein (vgl. Wein) zusammenrückte. Über niederl. brandewijn ergab das Wort gleichbed. engl. brandewine. In Anlehnung an das dt. -ig entsprechende englische Adjektivsuffix -y wurde das Kompositum in brandy wine zerlegt und zu brandy verkürzt, aus dem dann Brandy (auch in Cherry Brandy, s. Kirsch) als Rückentlehnung ins Deutsche zurückkehrte. Inwiefern Branntwein durch Umstellung und Umdeutung das Aufkommen von Weinbrand bewirkt haben mag, ist nicht auszumachen. Geck >eitler, gefallsüchtiger Menschc Die heutige abwertende Bedeutung des Substantivs hat sich im 19. Jh. aus der älteren >Narr< entwickelt, mit der das wohl lautnachahmende Scheltwort für den Narren, der unverständliche Laute ausstößt, im 14. Jh. aus dem Mittelniederdeutschen vordrang. Nach Duden-
Geist
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Herkunftswörterbuch wurde es im Niederfränkischen zur Bezeichnung der Hofnarren der Bischöfe und später auf die Narren des rheinischen Karnevals übertragen. Von hier aus erlangte Jeck >Fastnachter< in seiner ripuarischen Lautgestalt (vgl. jappeti unter gaffen) allgemeine Beliebtheit. Aus dem prädikativ gebrauchten Jeck/Geck ist das Adjektiv jeck/geck >närrisch, verrückt« entstanden. gedeckt: Nhd., mhd. decken geht über gleichbed. ahd. thecken auf germ. *pakjan zurück und ist entweder ein Faktitivum zur Vorlage von Dach (also >mit einem Dach versehendeckenoben verschlossen und eine Oktave oder eine Quinte tiefer klingend als eine gleich lange offene Pfeifen g e d i e g e n >echt, lauter; dauerhaft; anständig, zuverlässige Genau wie in bescheiden und erhaben steckt auch in diesem Adjektiv ein Partizip Präteritum, und zwar dieses des Verbs gedeihen >sich gut entwickele. Die vier Grundformen von dessen Simplex lauteten im Althochdeutschen dihan - deh - digum - gidigan >zunehmen, gedeihenGefecht, Kampf< zurück, das ebenso wie ahd. fehta >Gefecht, K a m p f s mhd. vehte >Streit, Kampf< bzw. gleichbed. aengl. gefeoht und feohte- Verbalabstraktum zu germ. *fexta- >kämpfen, streiten< (s. fechten) ist. Sofern die genannten altenglischen Kognaten und auch das Neutrum feoht >Streit, Kampf< in engl, fight >Kampf, Gefecht; Zweikampf; Faustkampf< zusammengefallen sind, lässt sich das Fremdwort Fight >hart geführter Kampf, Wettkampf (besonders beim Boxen)< bedingt als etymologische Dublette von Gefecht ansehen. Gehalt 1 m. gedanklicher Inhalt; Anteile Das Substantiv setzt mhd. gehalt m. >Gewahrsam, Gefängnis; innerer Wert< (Verbalabstraktum zu gehalten festhalten, gefangen nehmen; behüten, bewahren Ib hervorgegangen, während die unflektierte Form mhd. gel in mda. gehl ¡gelb« - ebenso wie niederl. geel ge-
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dehnt - fortlebt (zur analogen Lautentwicklung mit umgekehrter Durchsetzung der Wortformen in der Standardsprache vgl. falb und fahl, s. d.). Engl, yellow liegt z. B. vor im Fachausdruck Yellow Cake ¡bei der Kernbrennstofferzeugung anfallendes pulverförmiges Urankonzentrat« (eigtl. ¡gelber Kuchen«, s. Keks), vgl. ferner als Bestandteil des geologischen Fachausdrucks Yellow Ground/Yellowground ¡in den obersten Teilen von Pipes enthaltenes verwittertes Kimberlit« (eigtl. ¡Gelbgrund«, s. Grund) oder des zum Teil eingedeutschten Namens des Naturschutzgebiets Yellowstone-Nationalpark (s. Stein) in den USA. gelehrt: Das adjektivierte Partizip Präteritum des Verbs lehren, das als Kausativum zu einem im Gotischen bezeugten Präteritopräsens lais ¡ich weiß« auf germ. *laisja- ¡wissen machen, lehren« (vgl. auch Lehre) zurückgeht, lautete ahd. gilerit, mhd. geleret, diente zur Wiedergabe von lat. doctum ¡gelehrt« (Partizip Perfekt von docere ¡lehren«, dazu doctor, eigtl. ¡Lehrer«, woraus dt. Doktor) bzw. von doctus ¡Gelehrter«, einer sich heute in der Verwendung der Substantivierung Gelehrter offenbarenden Praxis. Der lange Wurzelvokal in gilerit ist infolge der althochdeutschen Monophthongierung germ. /ai/ > ahd. Ie:l vor /h/, Irl, /w/ regelrecht entstanden, so dass die Nebenform mhd. (mitteld.) gelärt nichts mit dem sog. Rückumlaut bei Partizipien wie bestallt, gedackt, gestellt (s. bestellen, gedeckt, Gestalt) zu tun hat, sondern in Analogie zu ihnen aufgekommen ist. Wegen seiner Bedeutungsgleichheit konnte sich der daraus hervorgegangene Regionalismus gelahrt im Neuhochdeutschen nicht durchsetzen, dessen ungeachtet wird jedoch diese veraltete, zum Teil scherzhaft gebrauchte etymologische Dublette von gelehrt gelegentlich lexikographisch aufgeführt. gelt/gell/gelle ¡nicht wahr«: Die seit dem 14. Jh. bezeugbare, heute im Süd- und Mitteldeutschen übliche Interjektion ist durch funktionale Spezialisierung der 3. Person Singular Präsens Konjunktiv des Verbs gelten (also urspr. ¡es möge gelten«) entstanden und hat sich somit der zum Formenbestand des Verbs weiterhin gehörenden flektierten Form gelte gegenüber morphologisch verselbständigt. gemacht: Das heutige Partizip Präteritum von machen hat sich lautlich genauso aus ahd. gimahhöt entwickelt, wie engl, made als Partizip Perfekt von to make ¡machen« aus aengl. (se)macod hervorgegangen ist. Das bedeutet, dass die heutigen Partizipien gemacht und made ebenso miteinander korrespondieren wie die Kognaten machen und to make als Fortsetzer jeweils von ahd. mahhön und aengl. macian (beide aus westgerm. *makö-, s. machen). Engl, made ist vor allem aus dem Aufdruck made in ¡hergestellt in« (eigtl. ¡gemacht in«, s. in) aufWaren allgemein bekannt, vgl.
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ferner die Zusammenrückung Selfmademan »jemand, der aus eigener Kraft zu beruflichem Erfolg gelangt ist< (eigtl. >selbst gemachter Manndie Habenseite eines Kontoszur Verfügung gestellter Geldbetrag< eben wegen seiner partizipialen Natur nicht gerechnet wird. generell allgemein, grundsätzliche In dieser Lautung stellt das Adjektiv eine französierende Umbildung (d.h. Suffixersatz -al > -eil) von älterem général »allgemein, umfassend< dar, wie es als Bestimmungswort etwa in Generalprobe, Generalversammlung weiterlebt. Es repräsentiert gleichbed. lat. generalis m./f., generale n. (eigtl. >zur ganzen Gattung gehörige eine Ableitung von genus »Geschlecht, Art, Gattunggießen< und *g'hau- >rufen, anrufen« herzuleiten versucht. In bestimmten Fügungen, die sich auf das Leiden Jesu Christi beziehen, wurde die Genitivform mhd. gotes verselbständigt und über mhd. pocks, frühnhd. botz zur neuhochdeutschen Interjektion potz morphologisch umfunktioniert, vgl. den veralteten Ausruf der Verwunderung potz Blitz. Der englische Kognat steht am Anfang der britischen Nationalhymne God save the King/Queen, d.h. >Gott schütze den König bzw. die Königin« (vgl. König). Formal an good >gut< (s. gut) angelehnt, ist er im englischen Abschiedsgruß goodbye (einer entstellten Z u sammenrückung von God be with ye >Gott sei mit dir«) enthalten, der häufiger in der Abwandlung byebye auftritt. Gouverneur Statthalter einer Kolonie; höchster Exekutivbeamter eines größeren Verwaltungsbezirks, eines Bundesstaates in den USA; oberster Befehlshaber einer Festung oder eines Standorts«: Das aus gleichbed. frz. gouverneur entlehnte Fremdwort ist eine romanische Fortsetzung des lateinischen Nomen Agentis gubernator >Steuermann; Lenker, Leiter« (zu gubernare >das Steuerruder führen; lenken, leiten, regieren«, das selbst als Fachausdruck der Seefahrt aus gleichbed. griech. kybernän übernommen worden ist, vgl. Kybernetik1). Das lateinische Substantiv liegt in adäquater Form russ. gubernator >oberster Beamter eines Gubernium heißenden Verwaltungsbezirks im zaristischen Russland bzw. einer Oblast im heutigen Russland« zugrunde, das im Deutschen als Exotismus
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Gubernator neben Gouverneur vorliegt (zu analogen Dublettenpaaren s. Abbreviator). graben: Das heutige Verb geht über ahd. graban auf gleichbed. germ. *graba- (vgl. Grube) zurück. Aus dem mittelniederländischen und mittelniederdeutschen Kognaten gräven wurde (a)frz. graver e i n schneiden, einritzen< (urspr. >einen Scheitel, eine Furche z i e h e n ) entlehnt, das im 18. Jh. die Rückentlehnung gravieren >in Metall, Stein u.Ä. ritzen, s c h n e i d e n (vgl. Gravur) ergab. Grad >Rang, Stufe, akademische Würde; Abstufung; Maßeinheitc U m 1000 getätigte deglutinierte Entlehnung (ahd. gräd >RangStufe, GradStufe< (eigtl. >SchrittschreitenTitel von Werken, die in die lateinische oder griechische Verskunst einführen< (wörtl. >Stufe zum ParnassLehre v o m Massenwechsel vieler Tierarten, der von Klima, Nahrung etc. gesteuert wird< (vgl. Logo). Mit englischer Aussprache tritt der Latinismus auf in der Präfigierung Upgrade Aktualisierung der Version eines Programms; verbesserte Leistung in der Touristik< (eigtl. >Steigungin Graden, gradweise< (eigtl. >schrittweiseSchritt, Stufeden Grad, Rang betreffend< (s. auch postgradual). Auf die Übernahme einer kirchenlateinischen Substantivierung des Neutrums deutet Graduale >kurzer Psalmgesang nach der Epistel in der katholischen Messe; liturgisches Gesangbuch mit den Messgesängen< hin, wobei U. Hermann diese Bezeichnung damit zu erläutern versucht, dass sich die Sänger des Graduales auf das erhöhte Lesepult (den sog. A m b o ) der frühchristlichen Kirche bzw. seine Stufen stellten. graduieren >einen akademischen Grad verleihen, (seltener: erwerben); gradweise abstufen, mit einer Gradeinteilung versehene Ende des 14. Jh. wohl über afrz. graduer entlehnt aus mlat. graduare (zum « - S t a m m gradus >Schritteinen akademischen Grad oder das Abschlusszeugnis einer Fachhochschule besitzend< gebraucht. Seit dem 16. Jh. bezeugt ist die von Grad abgeleitete etymologisch adäquate Dublette gradieren, die nach
Gramm
W. Pfeifer heute vor allem im Sinne von >Sole in Gradierwerken konzentrieren auftritt, ansonsten sich mit graduieren semantisch berührt. Graecum >Prüfung im Altgriechischene Entweder wie Latinum (s. d.) Herauslösung aus der lateinischen Fügung examen Graecum >griechische Prüfung< oder Substantivierung von Graecum, das Neutrum von Graecus m., Graeca f. >griechisch; Grieche bzw. Griec h i n für gleichbed. griech. Graikös (nach Aristoteles vorgeschichtlicher N a m e der Hellenen). Das Femininum (vgl. seine gleich lautende italienische und französische Fortsetzung in Maniera greca »byzantinisch geprägte italienische Malereiauf griechische [Art]niemals< (s. Kaienden) und gräkolateinisch >griechisch-lateinischLaut, Ton, Schall< und -gramm). Durch Umkehrung von dessen Gliedern entstand das Warenzeichen Grammophon als Name des von E. Berliner 1887 in Washington konstruierten Plattenspielers (vgl. Mikrophon unter Mikro1). Dagegen erscheinen der konsonantische Stamm gram mat-, der dem Adjektiv grammatikös und daher dem Lehnwort Grammatik (s. d.) zugrunde liegt, und die darauf beruhende echte Kompositionsform des griechischen Substantivs erst im Archaismus Grammatologie >Schriftkunde; philosophische Grammatik< (vgl. Logo). Grammatik: Ersatzwort dieser fremdsprachlichen Bezeichnung für den Teil der Sprachwissenschaft, der sich mit den sprachlichen Formen und deren Funktion im Satz, mit den Gesetzmäßigkeiten und dem Bau einer Sprache beschäftigt, ist Sprachlehre. Sie wurde von lat. (ars) grammatica bereits zu ahd. grammatih entlehnt. Voraus geht griech. grammatiki, das substantivierte Femininum des Adjektivs grammatikös >schriftkundig, die Schrift betreffend< (zu grdmma beschriebenes, Schriftzeichen, Buchstaben s. Gramm), herausgelöst aus der Fügung grammatikg techne >Kunst des Lesens und Schreibens< (dafür auch die lateinische Lehnübersetzung litteratura, vgl. Litera). Dessen substantivierte maskuline Vertretung im Lateinischen grammaticus >Sprachgelehrter< ergab durch Adsuffigierung dt. Grammatiker, und das Adjektiv selbst wurde durch regulären Suffixersatz lat. -icus > dt. -isch zu grammatisch eingedeutscht (vgl. fanatisch). Auf lat. grammatica beruht die im 12. Jh. getätigte halbgelehrte Entlehnung afrz. gram(m)aire, die im 14. Jh. (m)engl. grammar lieferte, lexikographisch verzeichnet z. B. in der in Großbritannien und Nordirland üblichen Bezeichnung für die das Hochschulstudium vorbereitenden Schulen Grammar School (s. Schule). Granat: Als Name des meist dunkelroten Halbedelsteins wurde das Wort in mittelhochdeutscher Zeit aus gleichbed. mlat. granatus (eigtl. >mit Körnern versehen, kornförmigKorn; Kern; Beerekornförmiger (Edel)stein< (s. Lapis), überzeugender erscheint jedoch der Vergleich der Farbe dieses Minerals mit der roten Blüten- und Fruchtfarbe des Granatbaums. Nach dessen Frucht span. granada ist wahrscheinlich die südspanische Provinzhauptstadt Granada (etwa
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>GranatapfelstadtAusländerhügel< in Verbindung zu setzen. Denselben spanischen Namen führt ein Inselstaat auf den Kleinen Antillen, der im Deutschen in seiner englischen Lautform Grenada üblich ist. Auf die elliptische Form der lateinischen Fruchtbezeichnung malum granatum (Plur. mala granata), die eigtl. >kernreicher, körnererfüllter Apfel< bedeutet und halb entlehnt, halb übersetzt in dt. Granatapfel vorliegt, geht gleichbed. ital. granata (der als Sammelname aufgefasste und zu einem Femininum singularisierte lateinische Plural granata) zurück. Aufgrund äußerer Ähnlichkeit wurde sie auf einen Sprengkörper übertragen und ergab um 1600 dt. Granate. Grand >höchstes Spiel im Skat, bei dem nur die Buben Trumpf sindc Im 19. Jh. verselbständigt aus der französischen attributiven Fügung grandjeu (eigtl. >großes SpielAngabe an französischen Orgeln, die eine besondere Verbindung mehrerer Register anweisen< vorliegt. Frz.gramim. (Pluralgrands in ä grands courants >in langen Zügengroß< (vgl. auch Grand Prix, s. Preis) setzt ebenso lat. grandis >groß; bedeutend, erhaben< fort wie das gleichbedeutende spanische Adjektiv grande (vor Substantiven: gran), vgl. dessen Auftritt in der Substantivierung Grande >bis 1931 Titel der Angehörigen des höchsten Adels in Spanien< und im Namen der südamerikanischen Landschaft Gran Chaco (eigtl. >Große Treibjagd*). Das Femininum von frz. grand und über dieses übernommenes engl. grand >großartig, prächtig; groß, wichtig* sind als Homographe der obigen Substantivierungen enthalten beispielsweise in der Selbstbezeichnung des französischen Volkes seit Napoleon I. Grande Nation (eigtl. >die große Nation*) und Grand OldMan ä l teste bedeutende männliche Persönlichkeit in einem bestimmten Bereich* (eigtl. >der große alte Mann*, vgl. alt, man). Gras >in Halmen wachsende grüne Pflanze; Rasen; Marihuana, Haschisch*: Das seit dem 8. Jh. bezeugte Substantiv geht wie engl, grass zurück auf germ. *grasa- >Gras, Kraut*, wohl elementar verwandt mit idg. *gher- >hervorstechen; Spitze* (s. Graf, grün). Die dritte, vom Duden-Universalwörterbuch im Jargon registrierte Bedeutung ist von dem im DudenFremdwörterbuch aufgeführten Amerikanismus ugs. Grass >Marihuana* übernommen und bestätigt den Trend, bei der Integrierung gleich lautender Anglizismen die (zeitweilig bestehende) orthographische Unterscheidung zugunsten des Schriftbildes des einheimischen Kognaten aufzugeben (vgl. Haus, Maus).
Gros
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Grat >Bergkamm-, Schnittlinie, Kantee Das mhd. grât >Bergrücken; Rückgrat; Fischgräte; Spitze; Stachel< fortführende Maskulinum bildet heute den Plural Grate, während aus seinem ursprünglich umlautenden Plural grcete im 17. Jh. das Femininum Gräte >Fischgräte; Knochen< rückgebildet und durch Bedeutungsverengung von Grat semantisch differenziert wurde. Formal ist das Substantiv auf idg. *gher>hervorstechen; Spitze< zurückführbar. grata in den Fügungen Persona grata und Persona non grata (oder ingrata) >Diplomat, gegen den vonseiten des Gastlandes kein Einwand erhoben wird bzw. dessen Aufenthalt vom Gastland nicht mehr gewünscht wirdc Die aus dem Lateinischen stammenden und auch allgemein im Sinne von >gern gesehener bzw. unerwünschter Mensch< gebrauchten Ausdrücke bestehen aus persona »Mensch, menschliches Wesen< (s. Person) und dem (negierten) Femininum zu gratus >lieb, willkommen; dankbar; gefällig, anmutig< (vgl. Gratia). Aus der Kompositionsform des Adjektivs und dem Verb facere >machen< (s. Fazit) ist das Verb gratificari >sich gefällig erweisen< (daraus veraltet gratifizieren >vergütenGefälligkeit< gebildet, das im Fremdwort Gratifikation »Vergütung; Sonderzuwendung< vorliegt. Auf der präpositionalen Fügung lat. adgratum bzw. auf dessen Reflex frz. a gré >zu Gefallen< basiert das französische Verb agréer »genehmigen, gut heißen< mit dem Abstraktum agrément »Genehmigung, Zustimmung, BilligungAnmutHöhle, Grotteseltsam geformtes Werk oder Bild< nannte. Im 18. Jh. wurde das Adjektiv selbst zu grotesk >wunderlich, seltsam, verzerrt< entlehnt. Für eine darauf beruhende Phantasiebildung hält man im Duden-Fremdwörterbuch das formgleiche Femininum Grotesk gleichmäßig starke Antiquaschrift ohne Serifen< (vermutlich wegen des ungewöhnlich wirkenden Schriftbildes). Z u m griechischen Verb kryptein v e r bergen, verstecken< ist neben dem unter Krypta als dessen Grundlage erörterten Verbaladjektiv kryptös >verborgen< auch die gleichbedeutende suffixale Ableitung kryptikös gebildet worden, das über lat. crypticus mit dem üblichen Suffixersatz (vgl. arabisch) dt.
kryptisch >unklar in seiner Ausdrucksweise oder Darstellung und daher schwer zu deuten< lieferte. Da dt. -isch und ital. -esco (beide aus germ. -isk) genetisch identische Suffixe sind, die auf die geschilderte Weise letztendlich an die griechische Verbalwurzel kryptherantraten, lässt sich kryptisch aufgrund struktureller Gleichheit als etymologisch adäquate Dublette von grotesk und dessen Substantivierungen darstellen. Grube: Über mhd. gruobe, ahd. gruoba geht das deutsche Substantiv ebenso wie (m)niederl. groeve >Graben, Kanal; Grube< zurück auf germ. *gröbö>Grubegraben< (s. graben). Aus dem Mittelniederländischen übernommenes engl, groove >Rinne; Furche; Graben< bedeutet im Rahmen der präpositionalen Fügung in the groove >im richtigen Fahrw a s s e r als Fachausdruck der Jazzmusiker so viel wie >zündend spielend; mühelos oder überlegen spielendwachsen< (vgl. ahd. gruoen, mhd. grüejen >wachsen, grünen, gedeihenwachsenhervorstechen; wachsen< gehört. Primär bedeutete das Verbaladjektiv demnach >sprießend, wachsende dann wurde seine Bedeutung auf die Farbe der sprießenden Pflanzen eingeengt. Es tritt auch in Gestalt des stark flektierten Neutrums Grün >grüne Farbe< auf. Eine umlautlose Form steckt als gebundene Dublette in Grummet >Heu v o m zweiten Grasschnitt< (< mhd. gruonmät/grüenmät, eigtl. >sprießende Mahdgenießen, schmeckenGeschmack an etwas finden; gutheißenanekeln, anwidernkosten, versuchen< (vgl. de 1 ), während das Präfix dé- in frz. dégoûter >anekeln< (eigtl. >die Esslust verlierenGeschmack; Lust, Neigung; Appetite Übernahme von ital. gusto >GeschmackGeschmack; Genuss< (zu gustare >schmecken, kosten, genießenGerät zur Prüfung des Geschmackssinns< (s. Metrum) auftritt. Der Gallizismus hat bildungsspr. Gout »Geschmack, Wohlgefallen ergeben, das zwar veraltend ist, gebunden aber auch in Hautgout »eigentümlich scharfer Geschmack und Geruch, den das Fleisch von Wild nach dem Abhängen annimmt; Anrüchigkeit (s. alt) vorliegt. gustoso »mit Geschmack, zurückhaltende Vortragsanweisung, die aus gleichbed. ital. gustoso (zu gusto »Geschmacks s. Gusto) übernommen ist. Aus demselben Wort stammt der französierend umgestaltete Austriazismus ugs. gustiös »lecker, appetitanregend (von Speisenjs gut: Das aus mhd., ahd. guot monophthongierte Adjektiv geht mit gleichbed. engl, good zurück auf germ. *göda- »trefflich, gutElemente des Spirituals, des Blues und des Jazz enthaltendes geistliches Lied der nordamerikanischen Schwarzen, das durch einen ekstatischen Ausdruck gekennzeichnet ist< (vgl. Song). Dies ist aus amerik. gospel (song), wörtl. >Evangelien(lied)gute Botschaft, eine Lehnüberstzung von lat. bona annuntiatio für evangelium (< griech. euangelion >gute Botschaft«, s. Engel), fortsetzt. Über das Grundwort s. -spiel. Guttae >an den Mutuli genannten Dielenköpfen herabhängende nagelkopfartige Stifte am Kranzgesims dorischer Tempelc Der baukünstlerische Fachausdruck beruht auf dem Plural guttae des lateinischen Femininums gutta >Tropfen(steter) Tropfen höhlt den Stein< (s. Lapis) enthalten ist. Herkunftsgleich ist veraltet Goutte >GichtTropfen; Gicht«, dessen seit dem 12. Jh.
bezeugte medizinische Bedeutung im Volksglauben in der Annahme aufgekommen war, die rheumatischen Schmerzen würden durch Tropfen verdorbener Körperflüssigkeit hervorgerufen (vgl. das anders motivierte Podagra unter Fuß). Apokopiert erscheint der Latinismus als erster Bestandteil des laut DudenFremdwörterbuch durch Wortverschmelzung mit Phiole (s. Phiale) gebildeten Warenzeichens Guttio/e >Fläschchen, mit dem man Medizin einträufeln kann; Tropfflasche«. Gynäkeion: Die Bezeichnung für das Frauengemach des altgriechischen Hauses (griech. gynaikeion, zu gyni, Gen. gynaikös >FrauGesamtheit der Fruchtblätter einer Blüte< fungiert. In dieser Bedeutung ist es aber zugleich Variante von Gynözeum, das wie engl, gynoecium (neben gynaeceum) eine Umbildung in Anlehnung an griech. oikion >Haus< darstellt.
H Habitus Erscheinungsbild von Menschen, Pflanzen und Kristallen; Anlage; Haltung, Benehmen; Körperbeschaffenheit«: Seit dem 18. Jh. zunächst in der Medizin bezeugte adäquate Übernahme von lat. habitus >Haltung, Aussehen; Beschaffenheit«, spätlat. Lebensführung; Gewohnheit< (eigtl. >Gehabenhaben, an sich tragenOrdenstracht< ist bereits spätmhd. habit entnommen, das mit schwankender Betonung in möglicherweise von frz. habit >Ordenskleid; Gewand; Anzug« beeinflusstem Habit1 >(Amts)kleidung, Tracht; Aufzug« fortlebt. Deglutiniert tritt auch das über das Englische entlehnte, in der Psychologie übliche Homograph Habit2 >Gewohnheit; Anerzogenes; Erworbenes« auf. Hafen1 >Landeplatz für Schiffe«: Das schon im Mittelhochdeutschen in der Lautung habe/habenebezeugte Wort war eine lautliche Umsetzung von mnd., mniederl. have/havene, die seit dem 16. Jh. aufgegeben wurde. Das Küstenwort geht wie auch gleichbed. anord. hafti (daraus engl, haven, heute meist in Ortsnamen wie etwa New Haven, eigtl. >neuer Hafen«, s. neu) auf germ. *xab(a)nö zurück, das man im Sinne von >das Umfassende, ein Ort, wo man etwas bewahrt oder birgt« mit heben (s. d.) und haben zu verknüpfen und sogar mit oberd. Hafen1 >Topf< (urspr. >Gefäß, Behältnis«) zu identifizieren versucht. In norddeutschen Ortsnamen erscheint die graphische Variante -haven, vgl. Cuxhaven (eigtl. >Hafen im Koog«, s. Koog). Anord. hafn lebt u.a. in dän. havn >Hafen< fort, vgl. auch den Namen der Hauptstadt Dänemarks Kebenhavn (im Deutschen in Kopenhagen umgewandelt), der eine Art Klammerform darstellt, sofern das 1043 an diesem Ort erwähnte Fischerdorf Havn im 13. Jh. ihn zunächst zu Kjobmannshavn (eigtl. >KaufmannshafenSeehafen; Zuflucht«, vertreten im Ortsnamen Le Havre (1517 von Franz I. als Ersatz für den versandeten Hafen Harfleur gegründet und ursprünglich Havre-de-Gräce >Hafen der Gnade«, nach einer dort stehenden Kapelle Notre-Dame-de-Gräce, benannt, vgl. nostra, de1, Gratia). Im Gegensatz zur vom Duden-Herkunftswörterbuch suggerierten
Rückführung von Havanna auf das germanische Wort findet sich bei anderen Autoren die Herleitung dieses Namens aus span. sabana (aus Taino zabana >SavanneWäldchenDornbusch, Dorn; Einfriedung um einen Platz oder ein Heerlager, Verhau; der umhegte Ort«. Nach W. Pfeifer und E. Seebold geht dieses über ahd. hagan >Dornstrauch< zurück auf eine ana-Erweiterung des mit der keltischen Vorlage von dt. Kai (s. Kai1) urverwandten germ. *XaSa' >Umzäunung (umzäuntes Grundstück, Weideplatz, Hecke)«, aus welchem nhd. Hag >Hecke; Einhegung, Einfriedung aus Gebüsch o. Ä.; umfriedeter Wald« (vgl. auch Hecke) hervorgegangen ist. Zusammengezogen oder in seiner üblichen Lautgestalt erscheint das Appellativ ferner sowohl als Ortsname Haan bei Düsseldorf bzw. Hagen im westlichen Sauerland (zur Umwandlung von dän. Kebenhavn in Kopenhagen s. Hafen1) wie auch als Personenname Hagen (z.B. Hagen von Tronje des Nibelungenliedes). Dieser wird entweder im Sinne von >der aus der Einhegung« gedeutet oder als Isolierung aus einstigem Haganrich betrachtet, das - sofern es sich dabei nicht um umgeformtes, nicht mehr übliches Heim(e)rich handelt - in Heinrich und dessen Vertretungen niederd., niederl. Hendn'fc, niederd., schwed. Henri/:, engl. Henry (auch als Maßeinheit für die elektromagnetische Induktion, Zeichen: H, nach dem amerikanischen Physiker J. Henry, 1797-1878), frz. Henri, ital. Enrico u.a. fortlebt (zum zweiten Bestandteil s. Rex). Aus Heinrich isoliertes Hein gilt übrigens seit Mitte des 17. Jh. in der Formel Freund Hein als verhüllende Bezeichnung für den Tod. Darüber hinaus ist das besprochene Wort erstes Kompositionsglied von hanebüchen, das - wie veraltet hagebüchen - mhd. hagenbüechin »aus Hain- oder Hagebuchenholz bestehend« (zu hagenbuoche >Hain-, Weißbuche«) fortführt und die übertragene Bedeutung >grob, derb, unerhört, em-
Hakenbüchse
132
pörend< nach d e m auffällig k n o r r i g e n H o l z der
Engl. half(-back)
H a i n b u c h e entwickelt hat.
s c h a f t (eigtl. >Halbverteidiger H a n d f e u e r w a f f e m i t H a k e n s t a n g e c D e r H i s t o r i s m u s f ü h r t den N a m e n einer größeren H a n d -
>Läufer in einer F u ß b a l l m a n n -
veraltend Half bzw. Schweiz. Half-Back
geliefert.
Halm: Ü b e r g e r m . *%alma- beruht das Substantiv auf
f e u e r w a f f e f o r t , die mittels eines Hakens auf e i n e m
idg. *kohmos
Gestell befestigt w u r d e , u m den Schützen gegen den
culmus >(Stroh)halm, Ähre< u n d griech.
R ü c k s t o ß zu sichern. I m 15. Jh. lautete er
>Halm, Rohr< (mit a statt o in d e r Wurzel w o h l durch
häkenbühse
>Halm, Schilft, w o r a u f m a n auch lat. kälamos
(eine durchsichtige Z u s a m m e n s e t z u n g aus schwach
A s s i m i l a t i o n , falls es sich dabei nicht u m eine null-
flektiertem
stufige B i l d u n g o d e r R ü c k b i l d u n g aus gleichbed. ka-
m h d . , f r ü h n h d . hake >Haken< u n d bühse
>FeuerwaffeBo-
genantikes Schreibgerät aus Schilfrohr< widerspiegelt, gelangte ins Lateinische: calamus,
G e n . calami
>(Schilf)rohr,
Schreibrohr< (als genetisch bedingte e t y m o l o g i s c h e
sowie v o n struktur- u n d b e d e u t u n g s g l e i c h e m m n i e -
Dublette des einheimischen culmus),
derl. haecbusse,
zweimal ins Deutsche entlehnt w u r d e : Calamus als
auf j e d e n Fall v o l k s e t y m o l o g i s c h a n -
v o n w o aus es
gelehnt an arc >Bogen< u n d buse >MäusebussardSchreibfehlerhohler Teil des Feder-
mittlerweile w a r aber frz. arquebuse
kiels bei Vogelfedern< u n d Kalmus >eine G a t t u n g v o n
häkenbühse
als S y n o n y m zu
ins Deutsche rückentlehnt u n d liegt
(vgl. auch die genitivische
S u m p f - u n d Wasserpflanzen, Aronstabgewächsdie G r e i f e n d e , Fangende< zu deuten versucht. S c h o n
schien es d e m G e n e r a l doch zu grauen.«
im A l t h o c h d e u t s c h e n schließt sich das Substantiv an
z u r ü c k , den m a n im Sinne v o n
die f e m i n i n e n ¿ - S t ä m m e an, d. h. es bildete n u n m e h r Hakim 1 >Arzt; Weiser, Philosoph (im Orient)bei der
terscheidet zwischen diesem a n f a n g s b e t o n t e n B e g r i f f
HandHerrscher; G o u v e r -
nicht umgelautete Dative Plural in z u s a m m e n g e -
neur; Richter (im Orient)vor den Händenhalb< (eigtl. Verschnitten, gespaltenHandspiel b e i m Fuß-
falls zu idg. *[s]kel-
b a l l vor. D e r Singular des englischen Wortes, dessen
s c h n e i d e n , h a u e n , trennenSeite, R i c h t u n g , Gegend
Behinderung; ( W e t t k a m p f mit) Ausgleichsvorgabe
Geschäft f ü r Sekunde,
>an Tagungsteilneh-
m e r ausgegebenes Informationsmaterial< (s. aus) enthalten.
an das stark flektierte M a s k u l i n u m des Adjektivs halb angelehnte U m b i l d u n g von-halben)
a u ß e r d e m als
Hanf: D e r über m h d . , ahd. hanef auf g e r m .
*xanapa-
d e m Substantiv nachgestellte P r ä p o s i t i o n ( u n d daher
z u r ü c k f ü h r b a r e N a m e dieser Faserpflanze ist eine
eigentlich als Postposition): halber >wegenHanf; Haschisch< lieferte. hart: Das heutige Eigenschaftswort führt einerseits (ebenso wie sanft, s. d.) das einstige nicht umgelautete Adverb mhd. hart(e), ahd. harto >hart; sehr< des Adjektivs mhd. herte, ahd. herti >hart, festhart< zugrunde, das in mehreren aus dem Englischen übernommenen Wortverbindungen und Zusammensetzungen erscheint, z. B. Hard Rock/Hardrock >laute Rockmusik mit einfachen Harmonien und Rhythmen< (< engl, hard rock, eigtl. >harter Rockstarkes Rauschgift (< engl, hard stuff, eigtl. >harter Stoffdie apparativen Bestandteile einer EDV-Anlage< (< amerik. hardware, eigtl. >harte Warehart, stark, kühn< an Personennamen teil wie Bernhard/Bernhart/Bernhardt (etwa »kräftig, ausdauernd wie ein BärHieb< vorkommende und forstwirtschaftlich für >Stelle im Wald, an der Holz geschlagen wird< veraltete Maskulinum setzt mhd. hou >Hieb; Holzhieb, Schlagstelle im Wald< (zu houwen >hauenPrügel, Schläge< auf und stellt sich somit als Homonym zu südd., österr., Schweiz. Haue2 >Hacke< (aus ebenfalls von houwen abgeleitetem gleichbed. mhd. houwe/howe/hawe f., ahd. houwa f.). Haupt: Das heute nur noch der gehobenen Sprache vorbehaltene Synonym von Kopf (s. Cup) geht wie gleichbed. engl, head und schwed. huvud auf germ. *xaubida-/*xaubuda(neben *xabuda- etwa in aengl. hafud) >Kopf< zurück. Sein englischer Kognat fungiert als sprachwissenschaftlicher Fachausdruck: Head >Wort als Trägerelement einer (Satz)konstruktion(zu Gewalttätigkeit neigender) Jugendlicher mit kahl geschorenem Kopf< (eigtl. >HautkopfSchweinekopfKopf, Spitze, Ende< kaum von der Hand zu weisen: aus idg. *kaput-, wohl zu *kap- >fassen, packenGefäß, Schalenförmiges^ Das lateinische Wort begegnet im medizinischen und juristischen Wortschatz, vgl. Caput >Kopf; Gelenk- oder Muskelkopf< bzw. dessen Ablativ in der präpositionalen Fügung der lateinischen Rechtssprache ex capite >aus dem einen Rechtsgrund< (eigtl. >aus dem Kopf, aus dem Gedächtnisdas Ichzweites, anderes Ich; vertrauter FreundZahn< wurde engl, iguanodon gebildet, das als Fachausdruck der Zoologie Eingang ins Deutsche gefunden hat: Iguanodon >bis 10 m langer, pflanzenfressender Dinosaurier der Jura- und Kreidezeit« (s. Zahn).
Ideal n. >Sinnbild der Vollkommenheit; als ein höchster Wert erkanntes Ziele Im 18. Jh. isoliert aus seit dem 17. Jh. bezeugten Zusammensetzungen wie Idealbild n. oder entlehnt aus substantiviertem mlat. idealis >mustergültig, vollkommen< (eigtl. >der Idee entsprechend«, zu lat. idea >Vorstellung; Urbild« < griech. idèa >Erscheinung, Gestalt, Form; Urbildsehen, erkennen«, urverwandt mit lat. ridere >sehen< und dt. wissen, eigtl. >gesehen habeneinem Ideal entsprechend« (s. antikisch unter antik), dann seit dem 19. Jh. deglutiniert: ideal >mustergültig, vollkommen«. Mit englischer Aussprache ist Letzteres im sprachwissenschaftlichen Ausdruck Ideal Speakerl\Aea\speaker eingeschlossen, der zur Bezeichnung des im Rahmen der generativen Grammatik entwickelten Modells eines idealen, d.h. eine Sprache perfekt beherrschenden und keine psychologisch bedingten Fehler machenden SprecherHörers (s. Sprecher) dient. Eine etymologisch adäquate Dublette von Ideal usw. ist das im 18./19. Jh. zum direkt und über das Französische übernommenen Fremdwort Idee neu gebildete Adjektiv ideell >die Idee betreffend; geistig; in der Vorstellung vorhanden«. Vgl. auch aktuell.
Ikon n. »stilisierte Abbildung eines Gegenstandes; Zeichen, das mit dem Gegenstand, den es darstellt, Ähnlichkeit aufweist«: So definiert das DudenFremdwörterbuch dieses Neutrum, das - mit byzantinischer Aussprache von /ei/ als Ii:/ - auf griech. eikön, Akk. eikóna >Bild, bildliche Darstellung, Abbild« (zur indogermanischen Grundlage *weik- »ähneln«) zurückgeht. Über lat. icon, Gen. iconis >Bild< ist engl, icon >Abbild; Statue; Heiligenbild« entlehnt. Dieses entwickelte im Rahmen der Datenverarbeitung die Spezialbedeutung »graphisches Sinnbild am Bildschirm eines Personalcomputers«, mit der es die grapho- und phonosemantische Dublette Icon n. lieferte. Die Kompositionsform des Gräzismus liegt beispielsweise vor in Ikonoklast »Bilderstürmer« (aus gleichbed. griech. eikonoklástés, dessen Grundwort wie in eikonoklasmós »Bildersturm« besonders im Hinblick auf die Zerstörung von Heiligenbildern während des Bilderstreits in der byzantinischen Kirche des 8-/9. Jh. - auf klän »zerbrechen« beruht). Im Byzantinischen und daher im Neugriechischen trat anstelle von eikön dessen Akkusativ eikóna f. »Abbild; Gemälde; Heiligenbild«, welches über das seit dem 11. Jh. bezeugte abulg., aruss. ikóna »Heiligenbild« im 19. Jh. ins Deutsche gelangte: Ikone f. »Kultbild der orthodoxen Kirche mit der Darstellung heiliger Personen oder ihrer Geschichte; Person oder Sache als Verkörperung bestimmter Werte, Vorstellungen, eines bestimmten Lebensgefühls o. Ä.Bild, Aussehen, Gebilde< (zu aemulus
wettei-
bial entstanden ist die Lautvariante /im/in Imfn'ss
f e r n d , gleich, ebenbürtigesseneinbeißenvoll ausgebildetes,
gierten lateinischen E n t l e h n u n g e n wie
geschlechtsreifes Insekt< wie auch im Sinne v o n >im
(s. d.) u n d - mit nasalierter A u s s p r a c h e - in dessen
Unterbewusstsein v o r h a n d e n e s Bild einer anderen
französischer Dublette imprimé
Person, das H a n d l u n g e n u n d Lebenseinstellung be-
gewebe; D r u c k s a c h e n analog v o r L i q u i d a etwa in II-
s t i m m e n kann< u n d >wächserne Totenmaske v o n
lumination
V o r f a h r e n (im antiken Rom)< gebräuchlich.
mlat. illuminatio,
Imperium >Kaiser-, Weltreiche Das F r e m d w o r t s t a m m t aus lat. imperium
>Befehl; Macht; H e r r s c h a f t , Staats-
gewalt, Kaiserreich< (zu imperare
>befehlen, a n o r d -
nendas f r ü h e r e britische Kaiserreiche
Impressum
G e d r u c k t e s Seiden-
F e s t b e l e u c h t u n g , Ausmahlung< (aus Verbalabstraktum zu
illuminare
>erleuchtenLichtunsicher m a c h e n , ablenken< (aus lat. irritare
erre-
gen, reizenaufregenin demBehinderung, Nachteil< (s.
D u r c h R e d u z i e r u n g des anlautenden Vokals
in u n b e t o n t e r Stellung h e r v o r g e r u f e n ist die L a u t u n g en- in entlang
(niederdeutsche Z u s a m m e n r ü c k u n g
v o n in u n d lang mit Gleitlaut -t- in A u s d r ü c k e n wie den wech in lane >den Weg entlangAngabe ü b e r Verleger, D r u c k e r usw.e Seit d e m Reichspressegesetz v o n 1874 muss jede D r u c k schrift einen E r s c h e i n u n g s v e r m e r k tragen, f ü r den m a n das Fachwort der D r u c k e r s p r a c h e
Impressum
gebraucht. Es s t a m m t aus lat. impressum
>das Einge-
d r ü c k t e ^ d e m substantivierten Partizip Perfekt v o n imprimere
inbizan
>ein-, aufdrücken< (aus premere
m i t d e m P r ä f i x in-, s. in, pressen). Verb (auf d e m dt. imprimieren
>drücken
das I m p r i m a t u r , d . h .
die D r u c k e r l a u b n i s erteilen< b e r u h t ) u n d sein Partizip Perfekt liegen frz. imprimer
>aufdrücken; d r u -
cken< m i t d e m zugehörigen Partizip Perfekt
imprimé
z u g r u n d e . Letzteres ist die Quelle v o n Imprimé >bedrucktes Seidengewebe mit a u s d r u c k s v o l l e m M u s ter; D r u c k s a c h e n einer e t y m o l o g i s c h e n Dublette v o n Impressum. in: D i e ü b e r g e r m . *in a u f i d g . 'en z u r ü c k g e h e n d e Präposition ist nicht n u r mit engl, in, s o n d e r n auch mit lat. in u n d ital. in gleich lautend u n d b e d e u t u n g s gleich. Diese b e m e r k e n s w e r t e , genetisch bedingte H o m o p h o n i e u n d H o m o g r a p h i e lässt sich, o h n e sie b e s o n d e r s zu kennzeichnen, an Beispielen f ü r im D e u t s c h e n geläufige F ü g u n g e n m i t K o g n a t e n v o n in anschaulich m a c h e n w i e Sit-in >Sitzstreik< (aus gleichbed. amerik. sit-in, zu to sit in t e i l n e h m e n , a n w e s e n d seinsitzen< + in), infolio lioformat< (aus lat. infolio
>in Fo-
>in e i n e m Blatt, in Blatt-
gen, entzwei,
m i t Assimilation in empor (aus m h d .
embor/enbor
< ahd. in bor >in die Höhein gleicher Ebene, n e b e n e i n a n d e r ^ . In b e t o n ter Stellung w u r d e adverbial gebrauchtes ahd. in zu in >ein, hinein< gedehnt, das im N e u h o c h d e u t s c h e n zu ein 2 d i p h t h o n g i e r t in ein und aus u n d vor allem als V e r b a l p r ä f i x ein- z.B. in einatmen,
einbauen,
einstei-
gen usw. auftritt (zu h o m o n y m e m ein1 s. d.). M i t idg. *en gleich lautend ist griech. en >in(hin)ein< in F r e m d w ö r t e r n
nachweisbar ist wie Enkaustik
>Malverfahren, bei
d e m die F a r b e n durch Wachs g e b u n d e n sind< (aus griech. enkaustike
[téchnè]
>Einbrennkunst L u f t a n s a m m l u n g im Gewebe< (aus griech. emphysema
>das Eingeblasenemit enthalten, mitgezählte Das Adjektiv, in d e m der Vokal des Präfixes u n g e d e h n t u n d daher nicht d i p h t h o n g i e r t geblieben ist (s. in), gilt als erstarrte N e b e n f o r m des Partizips P r ä t e r i t u m v o n einbegreifen.
S y n o n y m mit i h m f u n g i e r t dessen adjekti-
visch gebrauchtes reguläres Partizip einbegriffen, das w i e seine Dublette u n d das Verb selbst die u r s p r ü n g liche konkrete B e d e u t u n g >umfassen, einbeziehen, e i n s c h l i e ß e n v o n begreifen
b e w a h r t hat.
Indianer 1 >Ureinwohner A m e r i k a s ; Späher, K u n d s c h a f t e n ; österr. >Indianerkrapfendie Indianer b e t r e f f e n d , zu ihnen gehörend
im Sinne habenin gerader A n s i c h t , v o n v o r n , gegen-
>indisch< bedeutendes Adjektiv (vgl. indisch).
ü b e n (aus frz. enface,
A u s d e h n u n g der lateinischen Bezeichnung f ü r >In-
d . h . en + face >GesichtIndianer< nicht n u r i m Deutschen (in d e m
Insel
145
beide Begriffe wenigstens deutlich auseinander gehalten werden) beruht bekanntlich auf dem Missverständnis von Kolumbus, der bei der Entdeckung Amerikas glaubte, in Indien gelandet zu sein. An Indianer1 schließt sich Indianer 2 als besonders in Österreich gebräuchliche bedeutungsgleiche Kopfisolierung aus Indianerkrapfen >kugelförmiges, mit Schokolade überzogenes und mit Sahne gefülltes Gebäckstück aus Biskuitteige das wohl wegen des rötlich braunen Überzugs so benannt worden ist. Durch das Englische und das Französische, in denen die Reflexe des Latinismus doppeldeutig sind, vermittelt sind folgende, sich als Dubletten zu Indianer', Indianer2 und indianisch stellende Entlehnungen: Indian österr. >Truthahn< (Ellipse aus engl. Indian cock, wörtl. indianischer Hahn< - der Truthahn wurde ja im 16. Jh. aus Amerika eingeführt), der Name des US-Staates Indiana (vgl. Montana unter montan), Indienne >mit Seide durchschossenes Baumwollgewebe< (Ellipse aus frz. toile indienne, eigtl. >indische LeinwandIndien« (benannt nach dem Flussnamen Indos >IndusFluss, Stromder IndischeFlaggeVorrichtung< auftritt in Union Jack (s. Union), Jackpot (s. Pott) und Jackstag »Schiene zum Festmachen von Segeln< (Grundwort: niederd. Stag »Drahtseil zum Verspannen und Abstützen von MastenJanuarflussSt. Sebastian von Rio de JaneiroCäsars (Landstadt)laut jubeln; jemandem jubelnd seinen Dank sagenc Durch Diphthongierung und Synkope entjiddisch >in jiddischer Sprachec Auch substantivisch wickelt aus dem seit dem 15. Jh. bezeugten gleichbeJiddisch als Bezeichnung für die Sprache der deutdeutenden Verb jüchezen, einer Ableitung von der schen oder aschkenasischen Juden (SelbstbezeichInterjektion jüch (also eigtl. >jüch rufenfreudiger Aufschreis Deutschlands Aschkenas), die als eine auf frühneudas dt. Jubel >Frohlocken< zugrunde liegt). Mit gehochdeutscher Basis entstandene und mit hebräischkürztem Wurzelvokal lebt es in ugs. juchzen >einen aramäischen lexikalischen Elementen durchsetzte Juchzer ausstoßen< fort. Mischsprache Grundzüge süd- und mitteldeutscher Dialekte erkennen lässt. An und für sich ist jiddisch je >jemals; immer; entsprechend; proc Die heutige graphische Eindeutschung von amerik. Yiddish Lautung der adverbial gebrauchten Partikel, die ers(geschrieben mit -dd-, um den Lautwert von i als ter Bestandteil in jeglich (s. gleich) ist, resultiert aus Monophthong anzudeuten), dem Begriff, mit dem jieiner auffälligen Verschiebung des Silbenakzents in disch (taitsch), d.h. die Sprache der ostjüdischen Einanfangsbetontem mhd. ie >immer, zu aller Zeit; irwanderer nach Nordamerika, Ende des 19. Jh. wiedergendwann; je (verstärkend und distributiv)immer; je< zurück auf den Wortfügung jidisch taitsch deuten auf mundartliche erstarrten Akkusativ Singular eines germanischen Entrundung /i:/ und Diphthongerweiterung /ai/, Substantivs, wie es in got. aiws >Zeit, Ewigkeit< aufdenen jeweils /y:/ und loyl in frühnhd. jüdisch teutsch/ tritt. Durch Verknüpfung mit der Negationspartikel deutsch entsprechen. Demnach sind die sprachbezoni entstand das althochdeutsche Temporaladverb nio genen Termini jiddisch und Jiddisch mit dem deut>niemalsdie Juden und das Judentum deutschen (eigentlich mitteldeutschen) Monobetreffend< identisch. Im Deutschen hat sich also phthongierung des fallenden Diphthongs [ie] zu [i:] durch Rückentlehnung das Dublettenpaar jüdisch heute nie lautet. Sehr deutlich offenbart sich die jiddisch etabliert, das die Relation Jewish - Yiddish im zweifache Lautentwicklung von mhd. ie bei der GeEnglischen reflektiert, sofern es sich bei allen diesen genüberstellung von jemand (s. man) und niemand. Bildungen um strukturgleiche suffixale Ableitungen Gebunden wie in jemand und nie(mand), aber zu [i] auf -ish/-isch von Jew und Jude (s. d.) handelt. verkürzt erscheint die mittelhochdeutsche Partikel beispielsweise in (schon spätmhd.) immer (s. mehr) Johanna: Weibliche Form zu Johannes (s. d.), die in bzw. nimmer. Völlig verdunkelt ist ihr Vorkommen vielen Sprachen Entsprechungen hat, z. B. engl. in der Negation nicht (s. d.). Joanna/Joan/Jane, frz. Jeanne, ital. Giovanna, span. Jerez/Xerez: Der auch Jerezwein heißende, auf endbetontem span. jerez beruhende alkoholreiche, bernsteingelbe Dessertwein ist nach der andalusischen Stadt Jerez de la Frontera benannt, aus deren Umgebung er stammt und die im 14. Jh. Grenzfestung gegen das arabische Königreich von Granada war. Ihr Name, der demnach etwa >Jerez an der Grenze< (s. Frontier) bedeutet, lautete früher Xeres (daher die Variante Xerez, vgl. auch frz. Xerez), d.h. eigentlich mit einem Zischlaut an, so dass der spanische Gattungsname im 16. Jh. gesetzmäßig engl, sherris ergab. Nachdem dessen als Pluralendung aufgefasstes -s weggelassen worden war, entstand die heutige Bezeichnung für Verschnittweine aus Trauben verschiedener Rebsorten und Jahrgänge sherry, die die Quelle von dt. Sherry als häufiger gebrauchtem »Synonym« von Jerez(wein) ist. Die Herkunft des arab. Scharasch lautenden Namens von Jerez ist umstritten. Zum einen hält man es für die phönikische Siedlung Xera, die als römische Kolonie Asta Regia hieß, zum anderen für lat. Acido Caesariana oder (oppidum) Caesa-
Juana, russ., bulg. Iwana. In abgewandelter Lautgestalt sind Jeanne und Juana außerdem vermutliche Bestandteile von zwei Gattungsnamen: Demijohn >Korbflasche< stammt zwar aus gleichbed. engl, demijohn, das aber entstellt ist aus dame Jane, einer wörtlichen Wiedergabe von frz. dame-jeanne >große Korbflasche< (eigtl. Dame Jeanne >Frau Johanna< als scherzhafte Bezeichnung für dieses Gefäß, s. Dame). Der Name des aus den weiblichen Blütenstauden des indischen Hanfs zubereiteten, einem fein geschnittenen Tabak ähnlichen Rauschgifts Marihuana geht über amerik. marihuana/marijuana auf span. (Mexiko) marijuana zurück, das für eine Zusammenrückung aus den weiblichen Vornamen Maria und Juana gehalten wird. Auf der Grundlage dieser Auslegung kam dann die umgangssprachliche verhüllende Bezeichnung für Marihuana (Lady) Mary Jane (zu Lady s. Laib) zustande. Johannes: Der aus der Bibel übernommene männliche Vorname, der auch in der deglutinierten, in Österreich grundsätzlich auf der ersten Silbe betonten
Julius
151
Form Johann, in der Schwanzisolierung Hannes/Hans und in der niederdeutschen Zusammenziehung John 1 auftritt, geht über griech. Iöännes auf hebr. Yehöhänän >Jahwe/Gott ist gnädig< zurück. Als Name Johannes' des Täufers (vgl. seinen lexikalisierten variativen griechisch-lateinischen Genitiv Johannis/ Johanni, der den 24. Juni, den Tag des Johannes des Täufers, bezeichnet und erster Bestandteil von damit zusammenhängenden Begriffen wie Johannisbeere, -feuer, -käfer ist) und des gleichnamigen Apostels und Evangelisten fand er schon früh in der christlichen Welt große Verbreitung. Zu seinen auch im Deutschen bekannt gewordenen fremdsprachlichen Reflexen zählen beispielsweise engl. John 2 (etwa in John Bull, s. Bulle), niederd., niederl., tschech., poln. Jan (auch in Jan Maat/Janmaat, der aus dem Norddeutschen und Niederländischen stammenden scherzhaften Bezeichnung für >Matrosekleines (einmastiges) Boote Die Herkunft des seit dem 16. Jh. im Mittelniederdeutschen bezeugten Namens des Segel- oder Ruderbootes bleibt unklar. Er hat aber u.a. Eingang ins Niederländische gefunden und lieferte im 17. Jh. engl, yawl >Schiffsboot; kleines Segel- oder Fischerboote Aus diesem stammen die Rückentlehnungen niederl. yawl >kleines Wasserfahrzeug< und dt. Yawl als Bezeichnung für ein zweimastiges Segelboot, dessen kleinerer Mast hinter dem Ruder steht, sowie für eine Takelungsart von solchen Booten. Joschua/Josua/Josuah: So heißt im Alten Testament der Führer der Israeliten ins »gelobte Land« Kanaan. Der Name (vgl. auch seine populäre englische Entsprechung Joshua) geht auf hebr. Yehöshüa' zurück, das als >Jahwe/Gott ist Hilfe/Rettung< (vgl. dt. Gotthilf) gedeutet wird. Aus seiner späteren Form Yeshüa' wurde über griech. Iesous und lat. lesus andererseits
der neutestamentliche Name Jesus (auch in englischer Aussprache etwa in Jesus-People-Bewegung, s. Pöbel) übernommen. Aus der lateinischen Anredeform Jesu domine >0 Herr Jesus!< ist im Deutschen durch Zusammenrückung mit anschließender Zusammenziehung ein als Ausruf des Erstaunens oder Erschreckens gebrauchtes, schon veraltendes Klappwort jemine (s. Dominus) mit den Bestürzung ausdrückenden Varianten je/oje entstanden, vgl. ferner den umgangssprachlichen Ausruf des Unwillens, des Entsetzens oder Erstaunens Jeses/Jesses/Jessas/ Jösses. Jour >Dienst-, Amts-, Empfangstag; Wochentag, an dem regelmäßig Gäste empfangen werdenc Die Semantik des eigentlich >Tag< bedeutenden veralteten Fremdwortes basiert auf der attributiven Fügung Jour fixe >für ein regelmäßiges Treffen vereinbarter Tag; Tag, an dem jemand Dienst hat< (aus frz. jour fixe festgelegter Tagbis zum heutigen Tagdurchbrochen gearbeitet (von Spitzen, Geweben)< (s. ad). Der Gallizismus geht über afrz. jorn auf ein von lat. dies >Tag< (s. Zeus) abgeleitetes Adjektiv diurnus m. >Tages-, täglich< zurück, dessen substantiviertes Neutrum diurnum >Tag< im Vulgärlatein an die Stelle von dies getreten war und auch die Quelle von ital giorno >Tag< bildete. Letzteres ist Bestandteil von Mezzogiorno, dem Namen des südlich von Rom (einschl. Sizilien) gelegenen Teils von Italien (eigtl. >Mittag; Südens s. mitten). Strukturgleich mit Mezzogiorno ist Midi >Süden; Mittag< (s. d.), veraltete Übernahme von gleichbed. frz. midi, in dem lat. dies ebenso wie in den Namen der Wochentage lundi >Montag< bis samedi >Samstag< relikthaft erhalten geblieben ist. Julius: Altrömischer Geschlechtername (lat. Iulius >der aus dem Geschlecht der Julien). Nach seinem bekanntesten Angerhörigen Gaius Iulius Caesar (s. Cäsar1) benannt ist nicht nur der im Jahre 46 v. Chr. von ihm unter Beratung durch den alexandrinischen Gelehrten Sosigenes reformierte Julianische Kalender, durch den der mit März beginnende und mit Februar (s. d.) zu Ende gehende altrömische Kalender abgeschafft wurde, sondern auch der im römischen Kalender fünfte Monat (mensis) Quintiiis (zu lat. quintus >fünfterjung< zurückgehende Adjektiv (über seinen Komparativ s. jünger) ist mit gleichbed. lat. iuvenis urverwandt, strukturell aber damit nicht identisch. Verdunkeltes jung ist Vorderglied in Junker >adliger Großgrundbesitzen, das sich aus mhd. juncherre als Bezeichnung des noch nicht zum Ritter geschlagenen jungen Adligen entwickelt hat (wörtl. >junger Herrzornige junge Männer*, s. man; der erste Bestandteil der Fügung angry ist verwandt mit dt. eng, s. d.). jünger: In substantivierter Form steht der Komparativ von jung (s. d.) gewöhnlich als Ergänzung bei Eigennamen (z.B. Lucas Cranach der Jüngere), d.h. als deutsche Entsprechung des Latinismus junior. Nach dem Muster von lat. iunior>jünger< (Komparativ von iuvenis >jungLehrling, Schüler< sowie (in Wiedergabe des biblischen discipulus >SchülerApostel, Anhängen. Jungfer >ältere, unverheiratet gebliebene, zimperliche FrauFräulein, Dienstmädchen*: Es beruht auf dem seit dem 14. Jh. bezeugten juncferljumfer (zuerst niederrheinisch bezeugt), einer Nebenform von mhd. juncvrou(we) >junge Herrin, EdelfräuleinBlumenspieleweibliches Reh; Bocksprungeinspännige englische Droschke< lieferte. Kadett >Bursche, Kerle Die frühere Bezeichnung für die Zöglinge einer Offiziersschule in Deutschland bzw. für die Angehörigen einer heute nur noch in Resten erhaltenen vormilitärischen Organisation in der Schweiz wurde im 18. Jh. aus veraltet frz. cadet Offiziersanwärter; junger Mann< übernommen. Das Substantiv geht auf seit dem 15. Jh. bezeugtes gaskogn. capdet >Führer, Offizien (eigtl. >kleines Haupt, kleiner HauptmannHaupt, Kopf< (s. Haupt) ist. E. Seebold sieht den Grund für die auffällige Bedeutungsmischung im lautlichen Zusammenfall von lat. capitellum und catellus in provenz. cadel >Chef< und >Tierjungesnachgeboren, jünger< annahm und älteres bedeutungsgleiches puîné (eigtl. >später geborenjemand, der den Golfspielern die Schläger trägtSchutzhülle für eine CD-ROM, mit der diese in das Laufwerk eingeführt wirdeinen Prozess gegen jemanden anstrengen< gebraucht wird. Es stammt aus arab. qädt >Richterder Richten in der Lautung alcalde durchgesetzt, das sich im Exotismus Alkalde >(Straf)richter, Bürgermeister in Spanien< spiegelt. Kaffee: Die Bezeichnung des anregenden Getränks führt man in der Regel auf arab. qahva (eigtl. >WeinKaffee; Kaffeehaus< übernahm. Die Betonung des Letzteren wurde übrigens besonders in Österreich auf Kaffee übertragen. Herkunftsgleiches engl, coffee, auf dessen Grundlage Koffein >in Kaffee, Tee und Kolanüssen enthaltenes Alkaloid< gebildet ist, erscheint gebunden in den Zusammenrü-
155
ckungen Coffeeshop >kleines Restaurant (meist innerhalb eines Hotels), in dem Erfrischungen und kleine Mahlzeiten serviert werden« (aus amerik. coffee shop >Kaffeestubeirischer Kaffee«, s. irisch). Kaffer: Diese Bezeichnung für die Angehörigen eines Bantustammes in Südafrika geht auf arab. käfir U n gläubiger« (Partizip zu kafara >ungläubig sein«) zurück, das sich auch im Fremdwort Kafir »Nichtmohammedaner; Name der Götzendiener im Koran« widerspiegelt. Durch Vermittlung von türk. gävur (eigtl. >ChristUngläubiger< ergeben zu haben, falls türk. gävur eine volkstümliche Variante des Arabismus käfir >Ungläubiger< ist und nicht auf (von arab. käfir semantisch beeinflusstem) pers. gaur/gäbr Feueranbeter« beruht. Das arabische Wort gilt ferner als Quelle für Suffixsubstitution aufweisendes frz. cafard >Schabe; Schwermut« in der Soldatensprache in Algerien (19. Jh.), vgl. avoir le cafard gedrückter Stimmung sein«, aus dem Schweiz. Cafard >Unlust, Überdruss« (dt. veraltet >tiefe Niedergeschlagenheit, Apathie«) stammt. Kai1 Anlegestelle, befestigtes Hafenufer«: Das Substantiv wurde im 17. Jh. in der Lautung [kai] aus gleichbed. niederl. kaai übernommen, das über mniederl. caye auf afrz. cai >Hafendamm, Anlegestelle« zurückgeht. Das französische Wort, das aus dem Keltischen stammt und mit der Sippe von dt. Hain (s. d.) urverwandt ist, bietet einen merkwürdigen Fall der Wortspaltung, denn in seiner heutigen Lautgestalt [ke:] tritt es zum anderen auf sowohl in österr. Kai2 als bedeutungsgleiches Homograph von Kai1 wie auch seinem modernen Schriftbild entsperechend - in Schweiz. Quai >Kai; Uferstraße« (vgl. auch Quai d'Orsay als Bezeichnung für das an der gleichnamigen Straße in Paris gelegene französische Außenministerium). Dasselbe Wort ist als Anglizismus enthalten in der terminologisierten Wortfügung free on quay >frei (bis zum) Kai« (s .frei, vgl. on). Kalamarien >fossile Schachtelhalme«: Der Name der ausgestorbenen Schachtelhalmgewächse beruht auf einer Substantivierung von lat. calamarius >zum Schreibrohr gehörig, Schreibrohr-«, ein zum Gräzismus calamus >Schilfrohr; Schreibrohr« (etwa im Historismus Kalam/Kalamos »antikes Schreibgerät aus Schilfrohr«, s. Halm) gebildetes Adjektiv, vgl. das davon abgeleitete Synonym Kalamiten »baumhohe Schachtelhalme des Karbons«. Im Spätlatein gebrauchte man das substantivierte Neutrum calamarium im Sinne von »Futeral für die Schreibgeräte, Tintenfass«, und im Mittellateinischen wurde es zur Bezeichnung eines Vertreters der Tintenfische, die
Kaienden bei Gefahr einen an Tinte erinnernden Farbstoff absondern. Das ist der Kopffüßer der Gattung Loligo, der ital. calamaro, span. calamar, frz. calmar und dt. Kalmar heißt. Der Plural des italienischen und des spanischen Wortes Calamari bzw. Calamares wird im Deutschen gelegentlich als Exotismus verzeichnet, der ein Gericht aus frittierten Tintenfischstückchen benennt. Kalauer »wenig geistreicher, auf einem Wortspiel beruhender Witz«: Das Wort wird allgemein für eine wahrscheinliche Umformung des veralteten Gallizismus ungeklärter Herkunft Calembour/Calembourg »Wortspiel« nach dem Namen der niederlausitzischen Stadt Calau. Darauf hinweisend, dass die Calauer für die Herstellung von Stiefeln bekannt waren und dass im 19. Jh. Kalauer eine spöttische Anrede für Schustergesellen war, denen man eine Art sprachlicher Primitivität nachgesagt zu haben scheint, versucht E. Seebold, eine wenigstens provisorische Erklärung für die stattgefundene Umdeutung zu geben. Kalb: Das deutsche Wort geht auf germ. *kalhaz- zurück, in dem man eine semantische Entwicklung »Anschwellung - Mutterleib - Leibesfrucht« zu sehen geneigt ist. Denselben Ansatz führt engl, calf »Kalb; Kalbsleder« fort, aus dem dt. Calf »Kalbsleder, das besonders zum Einbinden von Büchern verwendet wird« übernommen wurde. Gebunden und zum Teil orthographisch eingedeutscht erscheint der englische Kognat ferner in der aus amerik. box calf entstandenen Zusammenrückung ßoxkalf/ßoxcalf »chromgegerbtes, feinnarbiges Kalbsleder«, in deren Vorderglied man zum einen den Namen eines Londoner Schuhmachers Joseph Box (nach C. T. Onions geprägt um 1890 von Edward L. White von der Firma White Bros. & Co., Massachusetts, USA), zum anderen angesichts der kästchenförmigen Narbung dieses Leders den Gattungsnamen box »kastenförmiger Behälter« (s. Büchse) vermutet. Kalenden/Calendae: Bezeichnung für den ersten Tag des altrömischen Monats, die in eingedeutschter und in authentischer Form den lateinischen femininen Plural calendae (vgl. Kalender) wiedergibt. Der erste Tag des Monats war zugleich Zahlungstermin, wovon der vom Latinismus rückgebildete Historismus Kaiende f. »Naturalabgabe an den Geistlichen« zeugt. Indem man das lateinische Substantiv im Sinne von »das Ausrufen (von Terminen durch einen Priester)« deutet, leitet man es vom Verb calare »ausrufen« her. Ein von Sueton überlieferter und Kaiser Octavian (s. August') charakterisierender, den Akkusativ von calendae enthaltender Ausspruch ist dessen spöttische Bemerkung, die säumigen Schuldner würden ad calendas graecas (wörtl. »an den griechischen Kaienden«, s. Graecum), d.h. niemals bezahlen (gemeint
Kalender
156
ist, dass die G r i e c h e n im Gegensatz zu den R ö m e r n
13. Jh. (zuerst in F ü g u n g e n w i e salcz alkali)
f ü r den Monatsersten keine besondere Bezeichnung
Ü b e r gleichbed. frz. alcali u n d span. älcali geht sie
verwendeten). D e r im D u d e n - F r e m d w ö r t e r b u c h
auf mit d e m b e s t i m m t e n Artikel al- entlehntes arab.
bezeugt.
a u f g e f ü h r t e E x o t i s m u s Koleda ist tatsächlich eine
al-qäli
alte, umgedeutete E n t l e h n u n g v o n lat.
k o c h t e s zu arab. qalä >im Topf kochen, röstenPottasche< (eigtl. >das Ausgelaugte, Ausge-
in den slawischen S p r a c h e n , in denen es so viel w i e
rück, das auf die u r s p r ü n g l i c h e A r t der G e w i n -
>Weihnachten, Weihnachtsfest, -lied, -geschenk
Neujahr; SonnenwendeZeitweiser durchs Jahr; Z e i t r e c h n u n g c I m 15. Jh. ü b e r n o m m e n aus gleichbed. mlat. m., das das N e u t r u m lat. calendarium
calendarius
>Schuldbuch,
Terminkalender f ü r Schuldenzahlungen< (zu calendae >Monatserster; Z a h l t a g e s. Kaienden)
verdrängte.
M . H . K l a p r o t h daraus durch A b t r e n n u n g des arabischen Artikels Kali rückgebildet, das n u n m e h r auch als K u r z f o r m v o n K a l i u m v e r b i n d u n g e n f u n g i e r t . kalt: Das Adjektiv beruht wie gleichbed. engl, cold auf g e r m . "kalda-,
einer Partizipialbildung zu
*kala-
I m Kirchenlatein hatte Letzteres die B e d e u t u n g
>frieren, kalt werdengefrieren
kalt; frieren< (vgl. kühl,
wickelt, mit der es in der Dublette Kalendarium ver-
tine) voraussetzt. Sein englischer K o g n a t cold liegt
treten ist.
z.B. in Coldcream/Cold Cream »kühlend w i r k e n d e , halbfette Hautcreme< (s. Chrisam)
Kalfakter/Kalfaktor: D i e heutige Bezeichnung f ü r jem a n d , der niedere Hilfsdienste verrichtet ( m u n d a r t lich auch f ü r Schmeichler, Aushorcher, V e r l e u m d e r ) , hat sich semantisch über die f ü r Streber aus der B e d e u t u n g w u r d e das Wort im 16. Jh. aus d e m Lateinischen in die Schülersprache a u f g e n o m m e n u n d zunächst wohl auf einen mit d e m Einheizen der Ö f e n betrauten Schüler angewandt. Mlat. calfactor ist N o m e n Agentis zu cal(e)facere
>einheizen, w a r m m a -
chen! (einer faktitiven B i l d u n g , entstanden durch die V e r k n ü p f u n g v o n calere >heiß sein< [zu idg. *k'el>warmtunHeizer (Heizer u n d ) Lokführer< auf
(d'automobile)
de
chauffeur
>Kraftfahrer< u n d w u r d e im 20. Jh. zu
dt. Chauffeur/Schofför entlehnt, d e m aber in der Praxis - ungeachtet der fortschreitenden Eindeuts c h u n g - dt. Fahrer in der Regel vorgezogen wird. Ein als H i s t o r i s m u s gelegentlich a u f g e f ü h r t e r lexikalisierter Plural Chauffeurs >Räuberbanden in Frankreich zur Zeit der R e v o l u t i o n ist aus der F ü g u n g 1
Chauffeurs de pieds >Fußbrenner< (vgl. de , Fuß) verselbständigt.
vor.
Kamerad: I m 16./17. Jh. in die Militärsprache entlehnt aus gleichbed. frz. veraltet camerade, aus ital. camerata span. camarada
u r s p r ü n g l i c h e n f ü r Heizer entwickelt. M i t dieser
Gela-
das o f f e n b a r
s t a m m t , nachträglich aber v o n beeinflusst u n d später völlig ver-
drängt w u r d e : frz. camarade
(neben e t y m o l o g i s c h
identischem h e i m i s c h e m chambrée
»Stubengenos-
senschaftZimmer, Stube< (s. Kammer)
in der
B e d e u t u n g >StubengemeinschaftApfelAltbekanntes< (s. alt) ist der Plural seiner niederdeutschen E n t s p r e c h u n g Kamelle
Kamell
enthalten,
deren figurative B e d e u t u n g d a d u r c h erklärt wird, dass die K a m i l l e durch lange L a g e r u n g ihre Heilkraft verliert. Kammer: Wie mehrere m i t d e m Steinbau z u s a m m e n -
r u n g der beiden E x i s t e n z f o r m e n v o n Kali geht seine
h ä n g e n d e Fachausdrücke ist das Wort ( m h d .
H e r a u s l ö s u n g aus Alkali
kamere,
>Laugensalz< voraus. Diese
ahd. chamara)
kamerI
in voralthochdeutscher Zeit
meist in der P l u r a l f o r m A/kalien gebrauchte Bezeich-
entlehnt aus lat. camera/camara
n u n g f ü r stark basische V e r b i n d u n g e n ist seit d e m
mit gewölbter DeckeSchlaf-, Wohn-, Vorratsraum, Schatzkammer, fürstliche Wohnung, Gerichtsstubedunkle K ä m m e n , s. obskur) zur Bezeichnung eines optischen Geräts, das nach der hinter dem Objektiv gelegenen lichtdichten K a m m e r so benannt ist und als Vorläufer des modernen Fotoapparats erscheint. Daraus verkürztes engl, camera lieferte im 19. Jh. dt. Kamera, zunächst mit der Bedeutung f o t o g r a f i s c h e s Aufnahmegerät^ im 20. Jh. auch >FilmapparatZimmer, K ä m m e n , dessen Funktion als N a m e verschiedener Körperschaften durch Kammer wiedergegeben wird, ist in einigen, zum Teil veralteten Wortfügungen enthalten, vgl. die nach W. Pfeifer im Deutschen gebildete Chambre séparée >kleiner Nebenraum in Restaurants f ü r ungestörte Zusamm e n k u n f t (eigtl. (abgesondertes Z i m m e n ) , aus der sich durch Ellipse gleichbed. Séparée (s. separat) verselbständigt hat. Kämmerer >Vorsteher der städtischen Kämmerei; Aufseher über eine Schatz- oder Kunstkammerc Die heutige Bedeutung des Wortes führt die im Mittelalter übliche >Aufseher über die Finanzen und Vorräte eines Fürsten< fort, als der Kämmerer neben Schenk, Marschall (s. Schalk) und Truchsess (s. d.) einer der vier obersten Hofbeamten war. Voraus geht mhd. kamerer/kamerœre, ahd. chamaräri, das angesichts des synonymen Germanismus ahd. chamerling (s. Kammerling) eher auf mlat. camerarius (Kämmerer, Kammerherr< (zu camara/camera, eigtl. >Raum mit gewölbter DeckeForaminifereDiener< von ahd. kamera/chamera (Gemach, Zelle< (s. Kammer). Über mhd. kemerlinc (Kammerdiener< liegt die althochdeutsche Personenbezeichnung im gleichbedeutenden Archaismus Kämmerling als etymologisch adäquate Dublette von
Kämpe
Kammerling \or. Außerdem gelangte sie über afränk. *kamarling/:tkamerling in die romanischen Nachbarsprachen, vgl. ital. camarlingo/camerlengo (und mlat. camerlingus) (KämmererSchilfrohr, RöhreKanal, Röhre, Rinne< entlehnt, lebt Letzteres in den Regionalismen südd., westmitteld. Kanel/Kandel >Straßenrinnehölzerne oder metallene Wasserrinne, Dachrinne; das senkrechte Regenabfallrohr< fort. In der Medizin bezeichnet Canalis einen röhrenförmigen Durchgang, z.B. den Verdauungskanal, und der französische Reflex des Latinismus liegt vor in veraltet Chenal >(enges) Fahrwasser, Fahrrinne (zwischen Klippen)Kanal des Zentrums^ s. Zentrum). Diese Entlehnung beeinflusste nämlich die vorgefundene Dublette chenal, lautlich umgestaltet aus afrz. chanel, das auch die Quelle von engl. Channel >Flussbett; Kanal; Rinne< (dazu the Channel als Bezeichnung für den Ärmelkanal) ist. Dessen Verwendung als Fachwort der Elektronik wird zwar durch dt. Kanal wiedergegeben, mit bestimmten Bedeutungen ist es aber auch im Deutschen belegt: Channel >der vom Gate gesteuerte Strompfad zwischen den Elektroden beim Feldeffekttransistors vgl. auch Channel(montage) »Vormontage eines Chips auf ein metallisiertes Keramikplättchen bei der Herstellung von HybridschaltungenKorb< entlehnte Substantiv übernahm gegen Ende des 19. Jh. die aus >Korb< über >Behälter< entwickelte Bedeutung »Blechdose< von engl, canister. Das englische Wort beruht ebenso wie
ital. canestro auf lat. canistrum, das aus griech. kdnistron/känastron »aus Rohr geflochtener Korb< (zu känna >Rohr, RohrgeflechtRohrkörbchen< ergeben zu haben. Den im 17. Jh. in solchen Körbchen gehandelten feinen, würzigen Tabak nannte man zunächst Canastertobac/Kanastertabak, um 1700 nach dem Vorbild von niederl. k(a)naster auch mit der synkopierten Kopfisolierung Knaster. Dass ugs. Knaster heute »schlechter, übelriechender Tabak< bedeutet, erklärt sich durch die Verwendung des Wortes in der Studentensprache für Tabak jeder Art, einschließlich für minderwertigen Pfeifentabak. Kanne: Wenn auch mit nicht geringen Vorbehalten, wird das seit dem 11 Jh. bezeugte Substantiv in der Regel über mlat. canna »Schilfrohr; Röhre< auf griech. känna »Rohr; Rohrgeflecht< (semitischen Ursprungs: über babylon.-assyr. qanü aus sumer.-akkad. gin >Rohrin tropischen Gebieten wild wachsende, als Zierpflanze kultivierte hohe Staude mit roten, gelben oder rosa BlütenKante, Rand; Ecke< übernommen, das wie gleichbed. mniederl. cant/cante über cant, eine pikardische Lautform von afrz. chant >Seite; EckeEcke; Kreis; Rand; Radreifen< (älter »Radreifen, -felgeSänger< (Nomen Agentis zu canere >singenChorleiter< entwickelt. Der französische Reflex des Latinismus liegt im Exotismus Chanteur >Sänger< vor (zu analogen Dublettenpaaren s. Abbreviator). Kanzel: Der älteste Beleg des heute auch mit Bedeutungen wie >Pilotensitz im Flugzeug; Hochsitz des Jägers< gebrauchten Wortes ahd. kanzella zeugt davon, dass es wohl aus der mittellateinischen Nebenform cancella von lat. cancelli Plur. >Chorschranken< stammt als Bezeichnung für den abgesonderten Platz für die Geistlichkeit in der Kirche. Die lateinische Pluralform cancelli >Gitter, Schranken< (Diminutiv zum durch dieses verdrängten gleichbed. cáncer, das seinerseits vermutlich durch Dissimilation aus carcer >Umfriedung, Schranke< entstanden ist, s. Kerker) bedeutete eigentlich >durch Schranken abgetrenntes Lesepult für den Prediger in der Kirche; Chorschranke< und ist die Quelle von dt. Kanzelle »Chorschranke in der altchristlichen Kirche; Kanal beim Harmonium bzw. Abteilung der Windlade bei der Orgel«. Als Bezeichnung auch für einen mit Schranken umgebenen Dienstraum für Beamte und Schreiber an Behörden und Gerichtshöfen, dann auch für eine Schreibstube scheint der Latinismus noch einmal entlehnt und (nach E. Seebold mit dem Adaptionssuffix -ie) zu mhd. kanzelte umgebildet zu sein, das sich lautlich zu nhd. Kanzlei entwickelte. Das ist logischer als die Annahme einer Umgestaltung aus lat. cancellaria, denn auf der Basis von lat. cancelli/ cancella bildete man offenbar das Nomen Agentis cancellarius (woraus dt. Kanzler, urspr. >Vorsteher einer KanzleiKanzleiGesangstück; romanische Gedichtform; Instrumentalkomposition für Orgel, Laute, Klavier und kleine Streichbesetzungo Eingedeutscht aus ital. canzone >Gesang, LiedGesang< hervorgegangen ist. Das lateinische Wort, das wie gleichbed. cantus (s. Cantus) von canere >singen< abgeleitet ist, liegt vor im Fremdwort Cantio »einstimmiges (geistliches) lateinisches Strophenlied des Mittelalters«. Über frz. chanson >Lied< und span. canción >Lied, Gesang< übernommene andere romanische Reflexe von lat. cantionem sind Chanson1 f. >im Sprechgesang vorgetragenes episches oder lyrisches Lied der frühen französischen Dichtung; Liebes- oder Trinklied des 15.-17. Jh.< (dazu das an Lied angelehnte Neutrum Chanson 2 >[Kabarett]liedKirsche< lieferte. Letzteres liegt vor in der Fügung cherry brandy, entlehnt in Form der Zusammenrückung Cherry brandy >feiner Kirschlikör (s. gebrannt). Als Farbbezeichnung ergab frz. cerise seinerseits dt. cerise (auch substantivisch: Cerise) >kirschrotKiste, Kasten< (vgl. davon abgeleitetes cisterna »unterirdischer Behälter zur Ansammlung von Regenwasser dt. Zisterne »Behälter für RegenwasserKorb, Kiste« stammt, den Fachausdruck Zista/Ziste »frühgeschichtliche Bronzeeimer bzw. etruskische Urne in Zylinderform; altgriechischer zylinderförmiger Korb, in dem bei Mysterienfeiern die heiligen Symbole aufbewahrt wurden«. Klampe: Der Name der Vorrichtung zum Festlegen von Tauen auf Schiffen und von Schiffen stammt aus dem Niederdeutschen und beruht auf mnd. klampe »Haken, Klammer«. Sein hochdeutscher, Verschiebung germ. mp > oberd. mpf aufweisender Kognat lautet österr. Klampfe »Bauklammer, Eisenklammer zum Zusammenhalten von Hölzern« (urspr. »Haken, Klammer«), Das westgermanische Substantiv wird als Variante von Klammer zu mhd. klimmen »drücken, kneifen, zwicken« oder zu klimpfen »zusammenziehen, drücken, einengen« gestellt. Nicht eindeutig geklärt ist allerdings, ob der seit etwa 1700 bezeugte oberdeutsche Gebrauch von Klampfe als Benennung der Zither, seit dem 19. Jh. - von der Wandervogelbewegung allgemein verbreitet - auch der Gitarre von einem lautmalenden Verb klamp(f)ern beinflusst worden (E. Seebold) oder diese Benennung von Klampfe/Klampe »Klammer, Haken, Öse« fern zu halten ist (W. Pfeifer). klar: Das im 12. Jh. am Niederrhein über mniederl. ciaer und afrz. clar/cler zu mhd. klär/clär »hell, rein, glänzend, schön, deutlich« entlehnte Adjektiv stammt aus lat. clarus »laut, hell, klar, deutlich«, das genauso wie dt. hell (urspr. »tönend, laut«, dann »licht, glänzend«) auf die indogermanische ablautende Schallwurzel *kel-, *kle-, *klä- »rufen, schreien, klingen« zurückgeht. Um dieselbe Zeit fand die feminine Form clara als Heiligenname Verbreitung und liegt dt. Klara/Clara (eigtl. »die Leuchtende, Hervor-
klassisch
stechende, Berühmte«) zugrunde, dem z.B. Chiara, Ciaire, Clare/Claire jeweils im Italienischen, Französischen und Englischen entsprechen. Als Gattungsname ist frz. clair m. »hell, klar, deutlich« ebenso wie die Kompositionsform von gleichbed. ital. chiaro Vorderglied des kunstwissenschaftlichen Fachausdrucks Clair-obscur (s. d.) bzw. Chiaroscuro »Helldunkelmalerei« (s. obskur), und durch altfranzösische Vermittlung übernommenes engl, clear »hell, klar, licht« tritt im meteorologischen Terminus ClearAir-Turbulenz »Turbulenz im wolkenfreien Raum« (s. Air) auf. Klasse: Im 16. Jh. entlehnt aus lat. classis »militärisches Aufgebot; Klasse von Schülern; Abteilung der Bürger« (eigtl. »Aufruf, Herbeirufung; einberufene Mannschaft«, verwandt mit calare »ausrufen, berufen«, clamare »herbeirufen«, clarus »laut; hell«, s. klar). Im 18. Jh. entwickelt das Lehnwort zum Teil unter dem Einfluss von herkunftsgleichen frz. classe und engl, class die Bedeutung »Schicht (des Volkes)« (vgl. engl, lower classes »untere Schichten«), wird zu einem wissenschaftlichen Einteilungsbegriff und dient zu Gliederungen in verschiedenen Lebensbereichen. Seit dem 20. Jh. tritt es umgangssprachlich als indeklinables Adjektiv klasse im Sinne von »großartig, hervorragend« auf. Der Anglizismus ist beteiligt an der Fügung/irsf class »erstklassig, von gehobenem Standard« (< engl, first-class »erstklassig, von bester Qualität«, s. Fürst). klassisch: Im 18. Jh. unter Einfluss von frz. classique »mustergültig, vorbildlich« erfolgte suffixale Adaptation (vgl. fanatisch, komisch) von gleichbed. mlat. classicus, das - von lat. classis (s. Klasse) abgeleitet ursprünglich »zur Flotte gehörig; die erste römische Bürgerklasse betreffend« bedeutete und im 2. Jh. in der attributiven Fügung scriptor classicus »mustergültiger Schriftsteller« (scriptor »Schreiber, Verfasser«, Nomen Agentis zum Verb scribere, s. schreiben) auftrat. Diese Fügung wiedergebendes frz. auteur classique wurde entsprechend durch die Adsuffigierung Klassiker eingedeutscht. Im Anschluss daran stellte sich im 19. Jh. zum Adjektiv klassisch in seiner erweiterten Bedeutung »das griechische und römische Altertum betreffend; herkömmlich« - in gewissem Sinne das Wortbildungsparadigma ergänzend - das Abstraktum Klassik »Kultur und Kunst der griechischrömischen Antike; Epoche kultureller Höchstleistung« (auch als Gegensatz zu Romantik). Herkunftsgleich mit dt. klassisch sind ital. classico und engl. classic, vertreten in der Bezeichnung für italienische Weine aus dem traditionellen Kernraum eines Anbaugebietes wie etwa in Chianti classico »Chiantiwein, aus der italienischen Landschaft Chianti stammender Rotwein« bzw. Classic Rock oder Barockrock »Stilbereich der Rockmusik seit Ende der 60er Jahre, in dem Gestaltungsprinzipien vor allem der Barock-
Klause
168
musik mit Klangvorstellungen des Rocks gekoppelt wurdenEinfriedung; Zelle« zurückgeht. Dies ist das substantivierte Femininum von clüsum, dem Partizip Perfekt von clüdere >schließen< (eine nach W. Pfeifer aus den Verbalkomposita übernommenes ü aufweisende Nebenform von claudere, Part. Perf. clausum >ab-, verschließen«, s. Kloster). Phonosemantische Dubletten von Klause mit nicht diphthongiertem Wurzelvokal sind Kluse/schweiz. Klus >Engpass, Schlucht< und durch niederländische Vermittlung übernommenes seemannsspr. Klüse >Öffnung im Schiffsbug für (Anker)ketten und TaueKleider, Kleidungdas mit Klei Gewalkte, das gekleite Tuch< zurückführen. Aus dem Englischen stammt die Dublette Cloth/österr. Kloth mit der spezialisierten Bedeutung >glänzender (Futter)stoff aus Baumwolle oder Halbwolle in AtlasbindungKohlblumedas Ansetzen der Blüten unmittelbar am Stamm< rückgebildet ist der Neulatinismus kauliflor unmittelbar am Stamm der Pflanze ansetzend (von Blüten)Steckrübe, weiße Rübe, Wruke< eingedeutscht aus ital. cavolo rapa, Plur. cavoli rape (s. Kohl, Rübe). Eher aus italienischen mundartlichen Formen wie den von W. Pfeifer angeführten cauliravi/calarabi/colrabi übernommen denn durch Eindeutschung von cavolo durch herkunftsgleiches dt. Kohl zustande gekommen ist die semantisch authentische Entlehnung Kohlrabi/ südd. Kohlrabe (älter: Kaulirabi). Die Bezeichnung cavolo rapa ist offensichtlich eine Umkehrung von gleichbed. lat. rapa caulis, das nach E. Seebold in sächs. Rübenkohl, Schweiz. Rüebechöl erhalten ist. Obwohl im Vergleich zu Kohlrübe aus etymologisch identischen Bestandteilen zusammengesetzt (vgl. auch Bertram und Rambert unter Rabe, Gernot und Notker unter Ger, Grammophon und Phonogramm unter Gramm, Walter und Harold unter Heer), dürften derartige Bildungen wegen ihrer strukturellen Inadäquatheit nicht als eine Abart der etymologisch adäquaten Dubletten angesehen werden.
Koller
171
Kohorte >der zehnte Teil einer römischen Legion ( 6 0 0 420 Mann)Schar, Gruppeeingezäunter Hofraum; zusammengeschlossene Menschengruppe, Truppenabteilung< (aus co- >mitHerrenhof, besonders der fränkischen Königshöfe, der als befestigtes Lager- und Verpflegungsstation diente; Gehöft im Mittelalten. Aus dessen Akkusativ cörtem sind span. corte, Plur. cortes (im Exotismus Cortes Volksvertretung in Spanien«) und afrz. cort (dazu das Adjektiv corteis/cortois, s. höfisch), frz. cour >Hof< (seit dem 15. Jh. ohne -t in volksetymologischer Anlehnung an mlat. curia >FürstenhofVerbrechen im weißen Kragensteifer Halskragen, besonders des katholischen Geistlichen; kragenförmiger Zierbesatz des liturgischen Schultertuches< in Frage, obwohl das Duden-Fremdwörterbuch es nicht wie engl, collar >Kragen< aus lat. collare >Halsband, HalseisenPaket, Ballendas, was auf dem Nacken getragen wird< flgurativ aus collo >Hals< entwickelt worden ist. Singularisiert tritt die Pluralform in österr. veraltet Kolli n. Frachtstück, großes Paket< auf. Das italienische Wort führt lat. Collum >Hals< fort, worauf der medizinische Fachausdruck Collum >Hals; sich verjüngender Teil eines Organs, Verbindungsteil' beruht, vgl. dessen orthographische Eindeutschung besonders in Komposita wie Kollumkarzinom >Krebs des GebärmutterhalsesdrehenHalsdrehen< aus idg. *wert- >drehen, wendenmit Maßallgemein< auf idg. *moino- »Wechsel, Tausche zu *mei- »wechseln, tauschen< zurückführbar ist. Der substantivierte Plural Neutrum communia wurde im 13. Jh. über (a)frz. com(m)une zu mhd. commune/comüne/comün >Gemeinde< entlehnt, das
Komödie in Kommune »Gemeinde; Wohngemeinschaft (auch anstelle des Gallizismus Commune in Kommune von Paris) fortlebt. Der Singular Neutrum ist Attribut im Namen der Sammlung von Mess- und Breviergebeten in der katholischen Liturgie für die Heiligenfeste Commune Sanctorum (eigtl. »das den Heiligen Gemeinsame*, vgl. Sanctus). Die maskulin-feminine Form des Latinismus bzw. dessen Plural Nominativ treten auf z. B. in Consensus communis »allgemeine Übereinstimmung der katholischen Gläubigen in einer Lehrfrage< (s. Konsens), Communis Opinio »allgemeine Meinung durch den Laut [ce:] statt durch [e:], vgl. ökonomisch). Voraus geht griech. kömöidia, gedeutet üblicherweise als das Singen eines kömos genannten lärmenden Umzugs (vgl. komisch, Melodei) bzw. als Abstraktum zu kömöidos >komischer Schauspieler; Lustspieldichter< (die Komödie als literarische Kunstgattung ist aus den ausgelassenen Umzügen und Gesängen zu Ehren des Weingottes Dionysos hervorgegangen, s. Dionysien). Aus dem Lateinischen stammen ferner ital. commedia und frz. comédie (daraus engl, comedy), die in deutschen Nachschlagewerken im Rahmen einiger fremden Historismen aufgeführt werden: Commedia dell'Arte v o l k s t ü m liche italienische Stegreifkomödie des 16./18. Jh.< (eigtl. >Berufskomödiemit Ballettnummern verbundene französische Komödie im 17./18. Jh.ein beliebter Komödientyp der englischen Restaurationszeit im 17. Jh.< (eigtl. >SittenkomödieKomiksendung im Fernsehen, deren Gags aus der Situation heraus entstehen< als Übernahme von gleichbed. engl. ugs. Sitcom, in dem sit und com Kopffragmentierungen von situation comedy >Situationskomödie< darstellen. Kompanie >untere Einheit der Infanterien veraltet H a n d e l s g e s e l l s c h a f t (vgl. aber die weiterhin geläufigen Abkürzungen dafür Co./Co/Comp.): Das seit dem 14. Jh. bezeugte mhd. kompänie/kumpänie Gesellschaft, G e n o s s e n s c h a f t entwickelte im 15. Jh. unter dem Einfluss seiner Quelle afrz. compagnie und z. T. von ital. compagnia (vgl. die von W. Pfeifer angeführten Belege aus dem 16. Jh. oberd. Compagnia/ Companey) die kaufmännische und im 16. Jh. die militärische Bedeutung. Das romanische Wort vertritt vlat. *compania, den singularisierten Plural von spätlat. companium >KameradengruppeBrotgenosse, Kamerad< darstellt. Z u Kumpanei meint man in H. Pauls »Deutsches Wörterbuch«, es sei offenbar jung, mhd. kumpänte würde jedoch gerade diese neuhochdeutsche Lautung ergeben (vgl. Melodei sowie Paradeis und Partei unter Paradies und Partie). Über mniederl. compaenge/compaigne, seit dem 16. Jh. campange/campaenge lieferte frz. compagne >(Kajüte f ü r die) Gesellschaft niederl. kampanje und daher dt. Kampanje, eine in früherer Zeit übliche Bezeichnung f ü r den hinteren A u f b a u auf dem Schiffsoberdeck. komplett vollständig, abgeschlossen, ganz, vollzählig, absolute Eindeutschung des im 17. Jh. entlehnten gleichbed. frz. complet, das auf lat. completus v o l l -
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k o m m e n , vollständig< (Partizipialadjektiv zu complere >füllen, vollmachenMantel bzw. Jacke und Kleid aus dem gleichen Stoff< (aus frz. complet vollständiger AnzugKaffeegedeckhöfliche Redensart, schmeichelnde Äußerunge Ein Leitbegriff der Alamodezeit, übernommen Ende des 16. Jh. aus frz. compliment >HöflichkeitsbezeigungErfüllung des Gebots der H ö f l i c h k e i t (eigtl. >Fülle, Übertreibung, Überschwang;) zurückgeht. Das spanische Wort gehört zum Verb cumplir >ausfüllen, erfüllen< und setzt zusammen mit diesem lat. complementum >Ergänzung, Vervollständigung< bzw. complere (vlat. *complire) >aus-, erfüllen, vervollständigen; (s. komplett) fort. Unmittelbar aus dem Lateinischen stammt Komplement >Ergänzung< besonders als mathematischer, medizinischer und sprachwissenschaftlicher Terminus jeweils im Sinne von >Differenzmenge von zwei Mengen; Serumbestandteil, der die spezifische Wirkung eines Antikörpers ergänzt; beliebige grammatische Ergänzung zu einem Satz oder Satzteil;. Eine Kopffragmentierung des Letzteren ist außerdem Vorderglied von Komplenym (zum Hinterglied s. Name) als Bezeichnung f ü r komplementäre Ausdrücke wie verheiratet!unverheiratet, tot/lebendig, deren semantische Relation durch Gegensatz gekennzeichnet ist. Komposite >Korbblütlermit, zusammen; u n d p o n e r e > [festsetzen, stellen;, s. con, Post). Dessen aus der Fügung (verbum) compositum zusammengesetztes (Wort); verselbständigtes Neutrum ergab im 16. Jh. den sprachwissenschaftlichen Fachausdruck Kompositum. Auf lat. compositus geht unmittelbar oder über frz. composite engl, composite Zusammengesetztes;, die Quelle von dt. Composite >ein Verbundwerkstoff; zurück. Mlat. compos(i)tum >aus verschiedenen pflanzlichen und tierischen Abfällen bestehender Dünger; liegt gleichbed. afrz. compost zugrunde, das ins
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Mittelenglische gelangte, rückentlehnt wurde und im 19. Jh. dt. Kompost >Mischdünger< lieferte. Auf einem Femininum vlat. *compos(i)ta (ursprünglich gleich lautendes Neutrum Plural von compositum Zusammengesetztes, Eingemachtes frz. compote, aus dem dt. Kompott stammt. Das Neutrum selbst wurde zu ahd. kumpost, mhd. kumpost/kompost >Eingemachtes, Sauerkohl< entlehnt und lebt heute noch in landsch. Kumst >Weiß-, Sauerkohl< fort. Eine Fortsetzung von lat. compositum stellt frz. composé (heute Partizip Perfekt zu neugebildetem composer >komponierenzweifarbig gemustertes Gewebe, bei dem Muster- und Grundfarbe wechseln< und Composé2 n. >zwei oder mehrere farblich und im Muster aufeinander abgestimmte Stoffe bzw. daraus hergestellte, mehrteilige Damenoberbekleidung< widerspiegelt. Komtess/Komtesse >unverheiratete Tochter eines Grafenc Eingedeutscht aus veraltetem Comtesse, das frz. comtesse >Gräfin< (zu comte >GrafFrau eines Comes< zurück und lieferte selbst engl. countess >Frau oder Witwe eines Counts oder Earls< (daraus der Exotismus Countess englischer Titel für eine GräfinMuschel, muschelähnlicher Teil eines Organsc Wie die zweite Variante zeigt, ist der medizinische Fachausdruck teilweise Eindeutschung von lat. concha >MuschelHalbkuppel einer Apsis; bei der Herstellung von Schokolade verwendeter muschelförmiger Trogmuschelförmig< (Grundwort zu lat. forma, vgl. Form) und Konchosicop >Spiegelinstrument zur direkten Untersuchung der Nasenmuscheln< (über das Grundwort s. Episkop). Kondition >Liefer-, Zahlungsbedingungen; körperlichseelische Verfassung, gute körperliche Leistungsfähigkeit: Im 16. Jh. als kaufmännischer Fachausdruck übernommener Flexionsstamm von lat. conditio, Gen. conditionis Übereinkunft, Bedingung; Beschaffenheit, Zustand< (Verbalabstraktum zu condicere >verabreden, übereinkommen^ zu dicere >sagen, sprechen^ präfigiert mit com- >mit-unabdingbare Voraussetzung< (eigtl. >Bedingung, ohne die nicht ...Krone aus Gold, Goldkronen s. de1, Aurum).
Formen mit r-Umstellung wie Korste/Kurste >Brotrinde< (vgl. Brunnen). Graphisch und lautlich adäquat tritt Crusta auf einerseits in medizinischen fachsprachlichen Fügungen im Sinne von >Borke, Schorf; harte Schicht, Deckschicht eines OrgansKrümmung, Biegung, Beule, Rumpf< hervorgegangen. Setzt man als feminine Variante dazu *kruppön in afränk. *kruppa und daher in frz. Croupe >Hinterteil, Kreuz des Pferdes< an, dann ließe sich die gleichbedeutende Rückentlehnung Kruppe als Dublette von Kropf ansehen. Weit verbreitet unter Romanisten und Anglisten ist ferner die Zurückführung der Vorlage von dt. Gruppe (und gleichbed. engl, group), nämlich frz. groupe und ital. gruppo (eigtl. Ansammlung, ScharKnoten, Verwicklungunterirdischer Gang; Gewölbe; Gruftversteckt, verb o r g e n zu kryptein >verbergen, verstecken, verhüllenfarb- und geruchloses Edelgas, verwendet u.a. zur Füllung von Glühlampen (den sog. Kryptonlampen)Verstext mit verborgener Nebenbedeutung; Geheimtext< (zum suffixartig gebrauchten -gramm vgl. Gramm) und Kryptonym Pseudonym, gebildet aus den Anfangsbuchstaben oder -silben des Autorennamens< (über das Grundwort vgl. Name). Aus der vulgärlateinischen Form crupta entwickelte sich u.a. durch Assimilaton pt > tt ital. grotta >Höhlekünstlich angelegte Felsenhöhle< lieferte. Nicht eindeutig ist dagegen zu entscheiden, ob lombard. grotto m. >Weinkeller< (> dt. Grotto >Tessiner WeinschenkeGrabgewölbe, gemauerte Begräbnisstätte; (offenes) Grab< zu besprechen. E. Seebold meint, es lasse sich nicht mehr mit Sicherheit bestimmen, in welchem Umfang hier eine Ableitung von graben mit unregelmäßigem Ablaut und eine Entlehnung aus lat. crypta zusammengespielt hätten. Als Ausgangspunkt nennt man üblicherweise das von vlat. crupta beeinflusste amorphe ahd. girophti >Graben< bzw. grufti >Ziselierunggraben< (> dt. graben) beruhen
Krücke: In der heutugen Bezeichnung des Stocks für Gehbehinderte spiegelt sich der westgermanische jö(tt)-Stamm *krukjö(n) >Stab mit Krümmung oder Gabelung< (wohl zur Sippe von kriechen, eigtl. >sich krümmenKrücke; Bischofsstab; Kreuz; OfenkrückeKrücke, Krummholz< fort, das über afränk. *krukja seit dem 11. Jh. bezeugtes (a)frz. Crosse >Bischofsstab; Stock; Schläger< lieferte. Aus der Wendung (lejeu de) la Crosse >(das Spiel mit) dem Krummstab< kam im 18. Jh. in Kanada die Benennung eines ursprünglich unter den nordamerikanischen Indianern beliebten Spiels auf. Mit dem bestimmten Artikel le zusammengewachsen, ergab diese engl, lacrosse und daher dt. Lacrosse >dem Hockey verwandtes amerikanisches Mannschaftsspiel, bei dem ein Gummiball mit Schlägern in die Tore geschleudert wirdBrotrinde, Rinde, harter Überzug, Schorfo Seit althochdeutscher Zeit (krusta/kruste) bezeugte Entlehnung aus lat. crusta >Rinde, Borke; Schorfdurch Gerinnen Festgewordenes; verkrustetes Blut(geronnenes) Blut, Blutstropfens Aus dem Mittelniederdeutschen ererbt sind landschaftliche
Kubba
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sollte. Das schwundstufige Abstraktum dazu hätte aber - im Gegensatz zu den anders strukturierten Geburt, (Ab-, An-, Her-, Zu)kunft, Vernunft, Zunft jeweils zu gebären, kommen, nehmen, ziemen (ahd. heran, queman, neman, zeman) - eher *grub (wie Bruch, Spruch zu brechen, sprechen) lauten sollen. Zu ahd. graban >graben; schnitzen< stellt sich zum anderen das reguläre ti-Abstraktum graft >Graben, Vertiefung, Skulptur< (vgl. daraus dt. veraltet Graft >Graben, Wassergraben, Kanal; Begräbnis< bzw. den niederländischen Exotismus Gracht schiffbarer Kanal, Kanalstraße /ft/ (vgl. Schrift) ahd. crufta/cruft gedeckter Gang; Grotte< und durch Vermischung mit graft mhd. gruft/kruft »unterirdischer Raum, Grabkammer; Höhle, Höhlung; Gruft < ergeben hat, was die Angliederung von Gruft an die obige Dublettenreihe rechtfertigen würde. Kubba >Kuppel einer Moschee oder eines Grabhauses; kleiner überwölbter Grabbau in der islamischen Baukunstc Der im Duden-Fremdwörterbuch verzeichnete Exotismus repräsentiert die unbestimmte Form von arab. al-qubba >Nebenraum zum Schläfern (eigtl. >gewölbter Raum; Gewölbe, KuppelSchlafgemach< und frz. alcöve >Bettnische< um 1700 zunächst Alkove f., dann Mitte des 18. Jh. das heute allerdings selten gebrauchte Fremdwort A/koven m. >nischenartiger Nebenraum zum Schlafen -hh- nach Vokal aus vlat. *cucina/*cocina für spätlat. coquina entlehnt worden ist. In dieser Bezeichnung für den Kochraum steckt die substantivierte feminine Form des Adjektivs coquinus >Koch-, zum Kochen gehörige einer Ableitung von lat. coquere >kochen, backenkochen< und von diesem im Vokalismus beeinflusstes cuisine >Kücheum 1970 in Frankreich aufgekommene moderne Richtung der Kochkunst< (eigtl. >neue KücheKüchenchef< (s. Haupt, de1) vorliegt. Deutlicher ausgeprägt ist die von lat. coquina ausgegangene etymologische Duplizität im Englischen, wo die dt. Küche zukommenden Bedeutungen >Raum zum Kochen< und >Kochkunst,
Art des Zubereitens< jeweils auf die parallel zu ahd. kuhhina direkt aus dem Vulgärlatein getätigte Entlehnung kitchen und auf die über das Französische vermittelte cuisine verteilt sind. Küfer >Böttcher; Kellermeisterc Der südwestdeutsche und schweizerische Regionalismus setzt mhd. küefer fort und ist das Nomen Agentis von unter Cup erörtertem Kufe »Bottich, KübelBöttcherWarenkontrolleur in Häfen< fungiert. Kugel: Das Substantiv setzt das zu einer Gutturalerweiterung von idg. *geu-, *gü- >biegen, krümmen, wölben< gestellte gleichbed. mhd. kugel/kugele fort, neben dem eine kontrahierte Form küle >Kugel, Kugelgörmiges, Klumpen< existierte. Regelrecht diphthongiert sieht man diese in mitteld. Kaule1 >KugelBeule, Anschwellung< sowie generell im Bestimmungswort Kaul- von Kaulbarsch, -köpf, -quappe, vgl. auch das zugehörige Diminutiv Käulchen >rundes Küchlein, meist aus Kartoffeln und QuarkKuhjunge(männliches, weibliches) Rind< zurückgeht. Dieses lebt (allerdings mit in bilabiales b- umgewandeltem labiovelarem *gw-) u.a. in gleichbed. lat. bos, Gen. bovis, und in griech. boüs fort. Die Kompositionsform von lat. bos begegnet uns im Namen des früher gebräuchlichen Impfstoffs gegen Rindertuberkulose Bovovakzin, und sein Dativ Singular tritt auf im populären lateinischen Sprichwort quod licet Jovi, non licet bovi >eines schickt sich nicht für alle< (eigtl. >was Jupiter erlaubt ist, ist nicht dem Ochsen erlaubte s. was, Vater, ein'). Sein zu afrz. boef/ buef modifizierter Akkusativ bovem lieferte engl, beef >Rindfleischeingesalzenes Rindfieisch< (Vorderglied das Partizip Präteritum von to com >einsalzen, mit Salzkörnern einpökeln^ zu com >Körnchen ahd. (p)f die neue Metallbezeichnung ahd. kupfar, das dann mhd. kupfer und nhd. Kupfer ergab. Mit der Kompositionsform des Latinismus gebildet ist Kuproplatin, der
Kuppel
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Name eines Mischkristalls von Platin, Kupfer und Eisen (s. Platin). Zweifellos liegt sie auch Cupro als Sammelbezeichnung für die nach dem KupferoxidAmmoniak-Verfahren auf Zellulosebasis hergestellten synthetischen Fasern zugrunde, auf dessen Grundlage dann veraltet Cuprophan >Zellulosehydrat in Form von Folien, Bogen u. a. für Verpackungszwecke und Kabelumhüllungen< gebildet worden ist. Als Erbwort lebt cyprium über vlat. *cupreum in frz. cuivre >Kupfer< fort, welches im Rahmen des Fachausdrucks cuivrepoli >Messingbronze< (eigtl. »poliertes KupferMessing aus 70 % Kupfer und 30 % Zink für Küchen- und Gebrauchsgegenstände< erscheint. Kuppel »Überdachung eines größeren Raumesc Eindeutschung des im 17. Jh. entlehnten gleichbed. ital. cupola. Als adäquatere jüngere Übernahme ist der Romanismus auch die Quelle des Bestimmungswortes in Kupolofen »Schmelzofen zum Umschmelzen von Schrott und Gusseisen< (ein bis in die Kuppel der Gießhalle reichender und deshalb gelegentlich auch Kuppelofen genannter Schachtofen). Das italienische Wort wird aus spätlat. cupula »kleine Tonne; kleines Grabgewölbe< (Diminutiv von lat. cüpa »größeres Holzgefäß, Tonnehündischdie Hündischen, die Unverschämtenhündisch; schamlos< ausgehende übertragene Bedeutung >verletzend-spöttisch, bissig, schamlos-verletzende
laben: Die sprachgeschichtlich vorausgehenden Vorformen mhd. laben, ahd. labön >waschen, erfrischen< hält man für eine frühe westgermanische Entlehnung aus mit Lauge urverwandtem lat. lavare >waschen; benetzen< (offensichtlich mit Lautsubstitution lat. v > ahd. b und einer semantischen Entwicklung b e netzen, tränken< > >erfrischen, erquickenwaschen, verwaschen< wurde das lateinische Verb in der Neuzeit nunmehr als Fachwort der Malerei zu lavieren 1 >die aufgetragenen Farben auf einem Bild verwaschen, damit die Grenzen verschwinden; mit verlaufenden Farbflächen arbeiten« übernommen, dessen unverwandtes H o m o n y m lavieren2 >im Zickzack gegen den Wind segeln; sich durch Schwierigkeiten hindurchwinden< aus gleichbed. niederl. laveren (zu loev >Luv, Windseite«, also eigtl. >den Wind abgewinnen«) stammt. Zwar liegen in der Sentenz manus manum lavat >eine Hand wäscht die andere« (s. mano) die 3. Person Singular Präsens von lavare und im Fremdwort Lavabo >Handwaschung des Priesters in der Messe bzw. das dazu verwendete Waschbecken mit Kanne« (schweiz. >Waschbeckenich werde waschen« vor, aber angesichts ihrer Zugehörigkeit zu verschiedenen Paradigmen wäre es kaum vertretbar, die eine flektierte Form als etymologische Dublette der anderen oder gar der Repräsentanten von lavare im Deutschen in der Gestalt von laben - lavieren1 anzusehen, wie dies bei den Wortpaaren facio - Fazit (s. d.), Kredit1 - Kredo (s. d.) versucht wurde. L a c h e >Pfützestehendes Wasser«, das seit dem 14. Jh. wohl durch die Verwendung in Bezug auf salzwasserhaltige Pfützen und Kleinseen in Küstennähe in der Bedeutung >(Herings)salzbrühe< auftritt. Im Rahmen des Heringshandels gelangte das Wort bald ins Mittel- und Oberdeutsche (15. Jh. lacke, dessen Z u s a m m e n h a n g mit dem heutigen bair.österr. Lacke >Lache, Pfütze« nicht einleuchtet) und lebt in Lake >Salzlösung zum Einlegen von Fisch, Fleisch o. Ä.< fort. Die Herkunft des germanischen Wortes, vertreten z.B. auch in aengl. lacu >Bach, Teich, See«, ist nicht sicher geklärt. Einerseits wird es
auf idg. *leg- >tröpfeln, sickern« zurückgeführt, andererseits aus lat. lacus >Teich, Weiher, Flussbett, Bassin, Wanne, Trog« (vgl. Lakune) hergeleitet. Im zweiten Fall kämen als weitere Dubletten die auf lat. lacus beruhenden und in Eigennamen auftretenden frz. lac, ital. lago, engl, lake >See< in Frage, vgl. Lac du Bourget, Lago Maggiore (italienischer Name für Langensee, eigtl. >der größere See«, s. Major'), Salt Lake City (Name der südöstlich v o m Großen Salzsee gelegenen Hauptstadt des Staates Utah, s. Salz, City), sowie das mit dem lateinischen Wort urverwandte schottisch-gälische loch >See< etwa im Namen des populär gewordenen Loch Ness in Nordwestschottland. Lateinischen Ursprungs ist auch der N a m e des zwischen Thuner und Bienzer See gelegenen Kurorts /nferlaken (eigtl. >zwischen den Seen«, s. unter1). L a g r i m a >ein meist süßer Wein, der nur aus Most vom Vorlauf (also ohne Druck der Kelter) bereitet wird«: Das im Duden-Fremdwörterbuch verzeichnete Fremdwort ist elliptisch aus gleichbed. span. vino di lágrima (eigtl. >TränenweinTräne«. Dieses geht über älter dacryma zurück auf das griechische Deverbativ dákryma (eigtl. >das Tränen«), zu dákryein >weinen< (Ableitung von däkry >Träne«, etymologisch identisch mit Zähre, s. d.). Der Plural des Latinismus steckt in einem anderen Fachausdruck der Weinkunde: Lacrimae Christi >alkoholreicher, goldfarbener Wein von den Hängen des Vesuvs und aus Süditalien« (eigtl. >Tränen Christi«) im Gegenstaz zum Singular lacrima etwa in gleichbed. ital. lacrima Christi (auch lacrima di Napoli, lacrima ñera, d.h. >Neapler bzw. schwarze Träne«, s. Christus, neu, Neger), frz. lacrima- oder lacryma-christi, engl, lachryma Christi. Im Italienischen wechseln die mit lat. lacrima gleich lautende Form und die wie im Spanischen erweichte lagrima ab, vgl. die auf dieser Alternation beruhende Varianz bei der musikalischen Vortragsanweisung lacrimando/lagrimando und lacrimoso/lagrimoso >traurig, klagend« (eigtl. >weinend< bzw. >tränenreichLaib Brot< geht es auf germ. *%laiba- >(ungesäuertes) Brot< zurück, dessen Bedeutsamkeit aus der Tatsache hervorgeht, dass aengl. hläf als Bestimmungswort der Komposita hläfweard/ hläford >Herr< (eigtl. >BrotwartHerrin< (eigtl. »Brotkneterin«) auftrat, die sich lautlich und semantisch zu engl. lord und lady entwickelten. Diese sind als englische Adelstitel auch im Deutschen bekannt, in Lord und Lady lassen sich jedoch nur verstümmelte Überreste des Kognaten loaf als gebundene etymologische Dubletten von Laib nachweisen. Laken >BetttuchTuch, Decke; Vorhang< zurückgeht auf das von E. Seebold erschlossene germ. *lak-na-/ Hakana- >Stück Gewebe< (wohl verwandt mit lat. laxus >schlaff, lose, locken, s. lax). Aus derselben Grundlage hervorgegangen ist Spirantisierung des postvokalischen germ. /kj aufweisendes ahd. lahhana, mhd. lachen >(Bett)tuch, DeckeBetttuch, Leintuch< (s. Lein). Lakune >Lücke in einem Text; Hohlraum in Gewebenc Der sprachwissenschaftliche und anatomische Fachausdruck beruht auf lat. lacuna »Vertiefung, Loch, Lücke, Lache, Weiher< (zu lacus >Seedurch einen Landstreifen vom offenen Meer getrennter flacher Meeresteil«. Lamm: Ebenso wie gleichbed. engl, lamb hervorgegangen aus germ. *lamba- >LammLammfellimitation aus Plüsch< (s. Schinn), Lambswool >weiche, zarte Lamm-, Schafwolle< (s. Wolle). Landeskunde »Wissenschaft von der Kultur, den geographischen Verhältnissen, den historischen Entwicklungen o. Ä. eines Landeso Struktursemantische Dublette dieser Zusammensetzung mit es-Fuge ist die mit dem Plural des Bestimmungswortes gebildete
Länderkunde »Teilgebiet der Geographie, das sich mit der Erforschung und Darstellung der geographischen Gegebenheiten und Eigenarten von Ländern befasst< (vgl. Volkskunde). Dubletten sind mithin auch die zu ihnen gebildeten /¿cfc-Ableitungen länderkundlich und landeskundlich >die Länderkunde bzw. die Landeskunde betreffend«, nicht aber das derivativ abweichende, aufgrund der Redewendung des Landes kundig sein produzierte landeskundig >ein Land genau kennende Landkind >auf dem Lande aufwachsendes Kind; Person, die auf dem Lande aufgewachsen ist und vom Leben in ländlicher Umgebung geprägt isto Wie bei Landmann (s. d.) tritt in diesem fugenlos gebildeten Kompositum das Bestimmungswort Land in der Bedeutung >das Gebiet, in dem man vorwiegend Landwirtschaft betreibe auf. Mit es-Fuge gebildet ist die meist im Plural gebräuchliche struktursemantische Dublette Landeskind als Bezeichnung für jemand bzw. für diejenigen, die zur Bevölkerung eines bestimmten Landes gehören. Landmann »Bauer, Landwirte Die heutige Verwendung dieses Substantivs wird durch die stilistische Markierung »gehoben, veraltend« gekennzeichnet. Es ist eine so genannte eigentliche Zusammensetzung, d. h. aus lant und man im Mittelhochdeutschen fugenlos komponiert: lantman, Plur. lantliute. Damals bedeutete es sowohl »Bauer, Landwirt< als auch »Bewohner eines Landes, eines Gebiets«. Die letztere Bedeutung wurde seit Mitte des 16. Jh. allmählich von der Fugen-s aufweisenden Neubildung Landsmann übernommen. Somit haben sich Landmann und Landsmann aus einstigen strukturellen Varianten (vgl. im heutigen Gebrauch Fälle wie Vorortverkehr/Vorortsverkehr, Vorortzug/Vorortszug bzw. Landgericht vs. österr. Landesgericht) durch sekundäre Semantisierung des Fugenelements zu etymologisch adäquaten Dubletten entwickelt (weitere Beispiele siehe unter Völkskunde). Landrat »oberster Beamter eines Landkreises, Leiter einer Kreisverwaltungo Diese im Duden-Universalwörterbuch angegebene Semantik des Kompositums trifft auf deutsche Verhältnisse zu. In der Schweiz bedeutet Landrat »Kantonsparlament; Mitglied des Kantonspalaments u.a.in den Zuständigkeitsbereich eines Bundeslandes fallendes Recht (dem das Recht des Bundes übergeordnet ist)lang< zurückfuhren, die in Anbetracht ähnlich lautender und bedeutungsgleicher Adjektive in anderen indogermanischen Sprachen möglicherweise aus *dlongho- modifiziert worden ist. Das germanische Wort ist zuerst in lat. Langobardi bei Tacitus als Bestandteil des Namens des westgermanischen Volksstamms der Langobarden (eigtl. >Langbärteder Länge nach; vor langer Zeitlanges, d.h. mit Sodawasser o. Ä. verlängertes Getränkdie lange Insellangzweitlängster Notenwert der Ars nova des 14. Jh.< und (in französischer Lautgestalt [10:33]) Longe >im Reitsport gebrauchte lange Laufleine für Pferde; Sicherheitsleine in der Akrobatikgepolsterte Liege mit Kopflehne< (aus frz. Chaiselongue, eigtl. >Langstuhlauf die Dauer< (s. ad) beteiligt ist. Adverbial gebraucht, ist lungo (italienischer Reflex von lat. longus) musikalische Vortragsanweisung: lungo >lang gehaltene Die Kompositionsform des lateinischen Adjektivs ist schließlich im Fremdwort Longimetrie »Längenmessung< (s. Metrum) enthalten. lapidar >wuchtig, gedrungen; knapp, gedrängte Das Adjektiv geht auf lat. lapidarius m., lapidarium n. >Stein-; in Stein gehauen< (zu lapis. Gen. lapidis >SteinSammlung von Steindenkmälern< vorliegt. Das als Nomen Agentis fungierende lapidarius >Steinmetz< ergab frz. lapidaire >(Edel)steinschneiderSteinStein der Weisem und in der Zusammenrückung Lapislazuli >Lasurstein, Lasurit« (s. Lasur). Im Akkusativ Singular steht der Latinismus in dem auf Ovid zurückgehenden Sprichwort gutta cavat lapidem >(steter) Tropfen höhlt den Stein< (s. Guttae), das oft durch den Zusatz non vi, sed saepe cadendo >nicht durch Kraft, sondern durch häufiges Fallen< ergänzt wird. Lappen >Fetzen, minderwertiges Stück Stoff, Leder o. Ä . c Das im Mittel- und Althochdeutschen schwach flektierte (vgl. Brunnen) und (nach W. Pfeifer expressive und unverschobene) Geminata -pp- aufweisende Substantiv ist wie engl, lap >Läppchen; Zipfel; Schoß< zurückfuhrbar auf germ. *lappön, das ursprünglich wohl >schlaff Herabhängendes< bedeutet hat und mit den unter Lapsus und schlaff erwähnten indogermanischen Grundlagen zusammenhängt. Der englische Kognat ist Bestimmungswort in der Bezeichnung jenes tragbaren Personalcomputers, den man auf den Schoß bzw. auf die Knie nehmen kann, nämlich Lap top (Grundwort das unter Zopf aufgeführte engl, top »Oberseite, oberster Teil usw.aus-, entgleiten, fallen< (s. schlaff), vgl. auch die attributiven Fügungen Lapsus Linguae >das Sichversprechen< (s. Zunge), Lapsus Calami >Schreibfehler< (s. Halm), Lapsus Memoriae >Gedächtnisfehler< (s. Memoire)
largo
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sowie die Kompositionsform in lapsologie als Teilgebiet der angewandten Linguistik, das sich mit der Fehlerbeschreibung und -behebung im Fremdsprachenunterricht befasst (über das Grundwort s. Logo). Eine Bildung mit dem assimilierten Präfix com- >mit, zusammen< (s. con) ist lat. collabi zusammenstürzen, verfallen (daraus dt. kollabieren >in sich zusammenfallen; plötzlich schwach werden, verfallend, dessen deglutiniertes Partizip Perfekt collapsus seinerseits im Fachausdruck JCo/laps >plötzlicher Schwächeanfall; wirtschaftlicher Zusammenbruch; Endphase der Sternenentwicklung< vorliegt. largo >breit, gedehnt, sehr langsame Aus gleichbed. ital. largo übernommener musikalischer Terminus, der als Vortragsanweisung zusätzlich präzisiert werden kann (z.B. unpoco largo >ein wenig breitMischling aus Weißen und Indianern in Mexiko und Mittelamerikamäßig warm; mild; unentschlossene Über mhd. /«, flektiert läwer usw., ahd. läo geht das Adjektiv auf den germanischen vra-Stamm *%llau, mild< zurück, das wahrscheinlich zur indogermanischen Sippe von lat. calere >heiß sein< (s. Kalfakter) gehört. Bei der Etymologisierung von dt. flau, das im 17. Jh. aus der Seemanssprache in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen ist, wird auf die im Grunde genommen ungeklärte Herkunft seiner Quelle mnd., mniederl. flau >schwach, müde< bzw. deren Vorlage frz. flou >weich, sanft< hingewiesen. Z u m Teil versucht man den Romanismus aus mit dt. blau (s. d.) urverwandtem lat. flavus >gelb< herzuleiten (vgl. E. Baumgartner, W. Pfeifer), andere Forscher (z.B. A. Dauzat, J. Picoche, E. Seebold) sind dagegen geneigt, frz. flou bzw. afrz. flo eher als Entlehnung von fränk. *hläo, der Vorstufe von ahd. läo, zu interpretieren (über die auch bei Frack, Flanke zu beobachtende Lautsubstitution germ. %r-, //- > f r z . f r - , f l - s. Rock). Schließt man sich der letzteren Annahme an, dann ließen sich flau »schwach, kraftlos; schwindlige kaufmänn. »schlecht, nicht den Erwartungen entsprechend< und flou »weich, verschwimmend (Malerei)< für durch Rückentlehnung gewonnene etymologische Dubletten von lau qualifizieren. Laube: Die heutige Bedeutung >Gartenhäuschen< hat sich erst im 20. Jh. auf dem Wege der Schwanzisolierung aus dem Kompositum Gartenlaube durchgesetzt. Ausgangspunkt ist germ. *laubjön »Laubwerk, LaubhütteBlattlegen< darstellt, die mit dem zu setzen gebildeten dt. Gesetz (s. d.) vergleichbar ist. Das anord. lag fortführende norw. lag >Gesetz< ist erster Bestandteil des Namens des norwegischen Oberhauses Lagting (eigtl. Versammlung mit richterlicher Gewaltsehr feine Leinwände Quelle der Stoffbezeichnung ist das seit dem 15. Jh. bezeugte gleichbedeutende engl, lawn, das für eine lautliche und graphische Umwandlung des Namens der französischen Stadt Laon in der Picardie als Herstellungsort des Lawns gehalten wird. lax >schlaff, locker; nachlässig; ungebundene Das oft abwertend gebrauchte Fremdwort würde im 18. Jh. aus lat. laxus m. >schlaff, lose, locker; weit; lang< (vgl. laxieren) entlehnt. Dessen substantiviertes Femininum laxa >Gürtel, Zügel< ist die Quelle von afrz. lesse >LeineGürtel; Schnur< ergeben und engl, leash >Leine< vermittelt hat. Diese liegen vor im Historismus Laisse >beliebig langer, durch Assonanz verbundener Abschnitt in den Chansons de Geste< und im Fachausdruck Leash >Fangleine, die Snowboarder vor Stürzen schützen sollabführenschlaff machen, lockern, lösenschlaff, lose, locken, s. lax) beruht, vgl. sein zur Benennung eines Abführmittels substantiviertes Partizip Präsens Laxans. Als Erbwort lebt das lateinische Verb in frz. laisser >lassen, verlassen; aufgeben< fort. Dessen Vorform afrz. lessier/lesser/laissier >lassen< lieferte engl, to lease >mieten, pachten; vermieten^ die Quelle von dt. leasen >(Industrieanlagen, Fahrzeuge u.Ä.) mieten, pachtend Substantiviert und gebunden liegt der französische Infinitiv in Laisser-/aire/Laisser-passer Ungezwungenheit, Ungebundenheit; Gewährung, Duldung< (eigtl. >das Gewähren-, Gehenlassen^ vgl. Fazit, passen). Lazerte >EidechseOberarm< bedeutet, so das die Eidechse im Lateinischen möglicherwise nach ihrer Biegsamkeit und Beweglichkeit benannt worden ist. Aus beiden phonomorphologischen Varianten her-
vorgegangen sind gleichbed. frz. (urspr. f.) lézard (daraus engl, lizard) und span. lagarto m. Mit agglutiniertem bestimmtem Artikel (vgl. span. el dorado >das Vergoldete< > dt. Eldorado, s. Dorado) ergab span. el lagarto (de Indios) >die Echse (der Indianer)< engl, (nach W. Pfeifer vielleicht in formaler Anlehnung an lat. alligare >anbindenwer die Weinreben anbindetundichte Stelle, Leck; Gewichtsverlust durch Verdunsten oder Aussickern aufgrund einer undichten Stellec Wie das Adjektiv leck >eine undichte Stelle aufweisend< selbst entstammt auch dieses Substantiv aus der niederdeutschen Seemannssprache. Es ist eine wahrscheinlich im Mittelniederländischen zustande gekommene französierende Bildung leckage (heute: lekkage) zu lecken, >fließen, tropfen, Flüssigkeit durchlassen, undicht seinWasser durchlassen, tröpfelnundicht sein (vom Schiff)< angeglichen und lautet leakage >Leck; Gewichtsverluste Auf ihm beruht die viel jüngere Übernahme ins Deutsche Leakage >Sickerstrahlung, durch eine Abschirmung noch durchtretende Strahlung an Reaktoren und Röntgenapparatene legal gesetzlich, gesetzmäßige Im 17. Jh. entlehnt aus dem gleichbedeutenden lateinischen Adjektiv legalis, einer Ableitung von lex >Gesetz< (s. Lex). Genau wie sich dieses Substantiv lautlich zu frz. loi entwickelte, so wurde legalis über afrz. leial/loial in frz. loyal >dem Gesetz entsprechend< umgewandelt, das im 18. Jh. dt. loyal »gesetzes-, regierungstreu; redlich, anständig, die Interessen anderer respektierend< lieferte und sich somit an legal als seine etymologische Dublette anschloss. leger >ungezwungen, lässig; oberflächlich, nachlässige Übernahme von gleichbed. frz. léger, das auf gleichbed. vlat. *leviarius zurückgeführt wird. Dieses ist von dem mit dt. leicht elementar verwandten lateinischen Adjektiv levis >leicht; leichtfertig< abgeleitet. Das französische Erbwort, enthalten ferner im Historismus Chevauleger >leichter Reiter, berittener Soldat< (s. Cavallo) und im Archaismus Legerdemain >Taschenspielerstück, Trick< (eigtl. >mit leichter, lockerer Handleicht; schwach; dünnleicht, anmutig, spielerisch, ungezwungen, perlende
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Leghorn >Huhn einer meist weißen Rasse mit hoher Legeleistungc Entlehnt aus gleichbed. engl, leghorn, so genannt nach dem italienischen Ausfuhrhafen Livorno, der auf Englisch Leghorn (aus ital. veraltet Legorno für lat. Liburnus) heißt. Im Englischen ist der Auslaut des Ortsnamens volksetymologisch an horn >Horn< angelehnt (s. Horn), und im Deutschen findet das Lehnwort im Verb legen eine nachträgliche Motivation. legieren >mehrere Metalle zusammenschmelzen; Suppen und Soßen mit Ei oder Mehl bindern: Das Verb gilt als Entlehnung aus ital. legare >(ver)binden, vereinigem, das auf gleichbed. lat. ligare (vgl. alligieren) zurückgeht. Auf diesem beruht auch span. ligar (s. Liga) sowie frz. (se) Her, die Quelle von meist reflexiv gebrauchtem sich liieren >sich eng verbinden, vereinigen, eine Liebschaft eingehendie gegnerische Klinge zur Seite drückend Legierung: Während ital. legato/ligato, Partizipialadjektive jeweils von legare/(älter:) ligare >binden, vereinigem (s. legieren), als Vortragsanweisung in der Musik im Sinne von >gebunden< variativ nebeneinander stehen, entwickelten sich die im Deutschen zu legieren und liieren gebildeten Verbalabstrakta zu den etymologisch adäquaten Dubletten Legierung >durch Zusammenschmelzen mehrerer Metalle entstandenes Mischmetall< - Liierung >enge (geschäftliche) Verbindungwissend machen, lehrenLehre, Kunde* hervorgegangen, das als gebundene Dublette in Folklore auftritt. Diese mit engl, veraltet folk >Volk< (s. Volk) als Bestimmungswort komponierte Zusammensetzung wurde 1846 von W. J. Thoms möglicherweise nach dem Vorbild von dt. Volkskunde (s. d.) geprägt. Engl.folklore >Volkskunde< wurde schon im 19. Jh. als Synonym von Volkskunde übernommen, im 20. Jh. weitete jedoch dt. Folklore seine Bedeutung aus, indem es zu einer Sammelbezeichnung für Volkslieder, -tänze und -musik als Gegenstand der Volkskunde und der Musikwissenschaft wurde. Die Aussprache des Fremdwortes im Deutschen folgt dem Schriftbild. Leib: Durch Diphthongierung entstanden aus mhd. lip, Gen. libes >Leben; Körper; Magen; Person, MenschLeben, Lebensweise*, dessen Quelle germ. *leiba- >Leben< mit den Vorformen von leben und bleiben (urspr. wohl >beharren, dauern,
Leiche
übrig bleiben*) urverwandt ist. Der substantivierte Infinitiv von leben hat bereits in mittelhochdeutscher Zeit lip endgültig in der Bedeutung >Leben< verdrängt, dieses bedingt aber das einstige Aufkommen einiger Bildungen wie Leibrente (eigtl. >Rente auf Lebenszeit*), beileibe nicht >unter keinen Umständen* (eigtl. >beim Leben, d.h. bei Lebensstrafe nicht*). Der englische Kognat life wird dagegen auch heute folgerichtig im Sinne von >Leben* gebraucht, vgl. seinen Auftritt in Fremdwörtern und Wendungen wie Highiife >glanzvolles Leben der begüterten Gesellschaftsschicht* (wörtl. >hohes Leben*, s. hoch), American Way ofLife amerikanische Lebensweise* (s. amerikanisch, weg, ab1), Lifestyle = Lebensstil (s. Stil), MidlifeCrisis (s. Krise). Der einstige Dativ Singular dieses Substantivs liegt vor in aengl. on life >am Leben* (s. an), das sich durch Reduktion zu engl, alive l e bendig* und durch Aphärese zum Teil weiter zu gleichbed. live entwickelte, welches den Fachausdruck des Rundfunks und Fernsehens live >direkt, original; unmittelbar, in realer Anwesenheit, persönlich* (häufiger als Bestimmungswort von Komposita wie Liveaufzeichnung, -mitschnitt, -sendung, -show u.a.) lieferte. Leich >Großform des einstimmigen Sololieds aus ungleichen Strophen im Mittelalter*: Im 19. Jh. stattgefundene terminologische Wiederbelebung von mhd. leich >Tonstück, gespielte Melodie, Gesang aus ungleichen Strophen*, dies aus ahd. leih >Spiel, Melodie, Gesang*, zu einem im Althochdeutschen nicht bezeugten starken Verb, dem got. laikan >hüpfen, springen* entspricht. Auf die Nebenbedeutung >Liebesspiel, Laichen der Fische* von mhd. leich geht nach allgemeiner Auffassung nhd. Laich >Eier von Wassertieren* zurück, dessen heutige Schreibung im 18. Jh. zur Unterscheidung von Leiche >toter Mensch* (s. d.) eingeführt wurde. E. Seebold hält die Herkunft von Laich dennoch für unklar und die Berührung mit Leich für sekundär. Leiche: Das in dieser Lautung seit dem 16. Jh. bezeugte, durch Genuswechsel im Deutschen gekennzeichnete Substantiv, dessen ursprüngliche Bedeutung >Körper* war (vgl. mda. Leichdorn >Hühnerauge*, eigtl. >Stachel im Körper*), geht über mhd. lieh (femininer ¿-Stamm: Gen., Dat. Sing, liehe, dann generell im Sing, liehe) und ahd. Ith (.In. auf das germanische Neutrum *lika- >Körper, Gestalt* zurück. Durch Umfunktionieren (Hypostase) ergab dieses das Kompositionselement aengl. -lic/-lic sowie ahd. -Ith und daraus - durch Vokalkürzung - mhd., nhd. -lieh zunächst im Sinne von >die Gestalt, die Beschaffenheit habend*, so dass z.B. das heutige Adjektiv fcömglich ursprünglich so viel wie >die Gestalt, die Würde eines Königs habend, nach Art des Königs* bedeutet haben soll (zur Überführung des Ganzen in die Kategorie
Leier
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der Adjektive vgl. die in der Gegenwartssprache erfolgende Transposition von Adverbien des Typs stundenweise etwa in Wendungen wie seine Arbeit wird stundenweise bezahlt -*• die stundenweise Bezahlung seiner Arbeit). Im Althochdeutschen verband sich -lih nicht nur mit Personenbezeichnungen, sondern auch mit Partikeln und erscheint synkopiert ebenfalls als gebundene Dublette von Leiche in solch (aus mhd. solich, ahd. solih, Ausgangsbedeutung nach W. Pfeifer >eine so beschaffene Gestalt habend, so beschaffen^ bzw. in welch (eigtl. >was für eine Gestalt habenddingberechtigtes M i t g l i e d des Volksver-
b a n d e s s Plur. >Volkkühnkühn i m V o l k s s. bald; die N e b e n f o r m Leopold Leo angelehnt, s. Löwe),
wahrscheinlich an
Ludolf/Ludolph/Luitolf
( G r u n d w o r t : Wolf, s. d., der N a m e als Ganzes gelegentlich im Sinne v o n >Volkswolf< gedeutet). Lex f. >Gesetz, Gesetzesantragc I m G r u n d e g e n o m m e n ist das F r e m d w o r t Bestandteil juristischer Fachausdrücke w i e Lex generalis (s. generell),
Lex perfecta
a l l g e m e i n e s Gesetz
Sondergesetz, das
d e m allgemeinen ( d . h . der Lex generalis) ü b e r g e o r d net ist< (s. Special),
eine Lex w i r d aber a u ß e r d e m oft
nach d e m Antragsteller o d e r nach d e m Anlass be-
Lexikon
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nannt, z. B. Lex Heinze, Lex Soraya. Als Ausgangsbedeutung der Vorlage lat. lex, Gen. legis >Gesetz, Gesetzesvorschlag, Bestimmung, Regel, Vorschrift vermutet man »Sammlung (der Vorschriften)sammeln, auslesen; lesen< (vgl. kollektiv) anzuknüpfen erlaubt. Der Genitiv Singular des Latinismus ist Vorderglied der Zusammensetzung Legislatur >GesetzgebungEinbringenvorschriftsmäßig< (eigtl. »nach der Regel der KunstWortschatz< zu. Libelle »Wasserjungfer; Teil der Wasserwaagec Mit Rücksicht auf die Fähigkeit des Raubinsekts, beim Fliegen seine ausgespannten Flügel waagerecht zu halten, wurde es im 18. Jh. von den Zoologen mit dem lateinischen Wort libella »kleine Waage; waage-
rechte Fläche< (Diminutiv zu libra »Waage « - / und Lautwandel -el > -eau entwickelte sich afrz. livel zu frz. niveau, das als dritte auf lat. libella/*libellus beruhende etymologische Dublette Eingang ins Deutsche fand: Niveau »waagerechte Fläche auf einer gewissen Höhenstufe; Höhenlage; Stand, Rang, Stufefreier, selbständiger Entschluss< (< lat. liberum arbitrium >freie EntscheidungFreistadt(römische G ö t t i n der) Freiheit«: Die gelegentliche lexikographische P r ä s e n t i e r u n g v o n Libertas als G ö t t i n d e r Freiheit geht offensichtlich auf eine Vermischung von Libéra, d e m N a m e n einer mit P r o s e r p i n a gleichgesetzten italischen Fruchtbarkeitsgöttin, m i t d e m v o m Adjektiv liber >frei< (s. Libero) abgeleiteten A b s t r a k t u m libertas, G e n . libertatis >Freiheit, F r e i m ü t i g k e i t zurück. Dessen Genitiv Plural tritt auf in d e r vollen F o r m des u n t e r Magnus b e s p r o c h e n e n englischen Grundgesetzes von 1215 Magna C(h)arta libertatum (eigtl. >Große U r k u n d e der FreiheitenFreiheit< ist der H i s t o r i s m u s Libertät >Freiheit der L a n d e s f ü r s t e n geg e n ü b e r d e m Kaisen entwickelt. Frz. liberté liegt vor in d e r L o s u n g der Französischen Revolution v o n 1789 u n d Staatsdevise der französischen Republik Liberté, Egalité, Fraternité >Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit« (s. Égalité, Fraternité). Aus d e m Altfranzösischen ü b e r n o m m e n ist das seit d e m 14. Jh. bezeugte engl. liberty >Freiheitfeines atlasbindiges Gewebe aus N a t u r s e i d e o d e r Chemiefasern« lieferte, vgl. a u c h Liberty Ship als Bezeichnung f ü r die Einheitsfrachtschiffe im Zweiten Weltkieg, die die a m e r i k a n i s c h e n T r u p p e n in E u r o p a versorgten (eigtl. >Freiheitsschiffaltrömisches G e w i c h t s m a ß (= 327 g); f r ü h e r e s G e w i c h t s m a ß in Spanien, Portugal u n d Brasilien (etwa 460 g)Waage; Gewogenes; Pfund< u n d die d a r a u f b e r u h e n d e n span., p o r t , libra, ital. libbra wider. Als E r b w o r t im Französischen u n d Italienischen hat libra zusätzliche lautliche V e r ä n d e r u n g e n erfahren, die sich in zwei weiteren Exotismen k u n d t u n : Livre >altes französisches G e w i c h t s m a ß ; f r ü h e r e französische W ä h rungseinheit« ( d a h e r a u c h Schweiz, m d a . Fünf liber >FünffrankenstückPfund als Gewicht u n d M ü n z e (Silbergeld)« z u g r u n d e liegen soll. Letzteres, das in der a d ä q u a t e n Lautgestalt Litra >antikes griechisches, der r ö m i s c h e n Libra e n t sprechendes Gewicht; M ü n z e i n h e i t antiker griechischer Städte auf Sizilien« a u c h deutsche Lexika als H i s t o r i s m u s verzeichnen, ergab auf der G r u n d l a g e des mittellateinischen Flüssigkeitsmaßes litra das mittelfranzösische A u g m e n t a t i v litron >Hohlmaß v o n etwa 8/10 1«, aus d e m 1795 in Frankreich bei d e r E i n f ü h r u n g des m e t r i s c h e n Systems frz. litre rückge bildet w u r d e . D a r a u s e n t l e h n t ist das 1868 z u r gesetzlich gültigen M a ß e i n h e i t erklärte dt. Liter, das angesichts der soeben g e n a n n t e n Derivationsprozesse korrekterweise nicht zu d e n obigen, auf Wortspalt u n g basierenden D u b l e t t e n gerechnet werden darf. licht >hell, l e u c h t e n d , klar; dünn«: Das in der Gegenwartssprache d u r c h Vokalkürzung aus m h d . lieht, a h d . Höht e n t s t a n d e n e Adjektiv setzt eine westgerma nische (vgl. gleichbed. engl, light) D e n t a l b i l d u n g *leuxta- fort, die auf idg. *leuk- >leuchten, strahlen« ( d a r a u s lat. lux >Licht«, s. Lux) z u r ü c k g e h t . Eine uralte S u b s t a n t i v i e r u n g des Adjektivs liegt vor sowohl in dt. Licht (zunächst >Glanz, Helle«, seit d e m 15. Jh. auch >Kerze«, vgl. Lichtmess u n t e r Missa) als a u c h in gleichbed. engl, light, das in einigen entlehn ten K o m p o s i t i o n e n auftritt: Lights/iow >Show mit bes o n d e r e n Lichteffekten« (s. Schau), Flashlight a u f blitzendes Licht bzw. solches Licht erzeugendes Gerät« ( B e s t i m m u n g s w o r t : flash >BlitzHöhepunkt, G l a n z p u n k t eines kulturellen Ereignisses« (s. hoch), Spotlight >auf einen P u n k t gerichtetes Licht« ( B e s t i m m u n g s w o r t : spot >Fleck, Ort«), Ü b e r die durch- u n d er-Präfigierungen des v o n licht abgeleiteten Verbs leuchten s. durchleuchtet u n d erleuchtet. Liga: Seit d e m 15. Jh. m i t der B e d e u t u n g >Bund, B ü n d nis« bezeugte E n t l e h n u n g aus gleichbed. span. liga (Verbalabstraktum zu ligar v e r b i n d e n ; vereinigen«, dieses aus lat. ligare >binden, v e r b i n d e n ; vereinigen«, s. legieren). Das bis ins 17. Jh. hauptsächlich als Bestandteil von N a m e n politisch-konfessioneller Bündnisse g e b r a u c h t e W o r t (vgl. die 1609 gegen die protestantische U n i o n g e g r ü n d e t e Katholische Liga, w o f ü r gelegentlich der Gallizismus Ligue, s.u.) wird zuweilen t r o t z seiner V e r d r ä n g u n g von A u s d r ü c k e n wie Allianz u n d Koalition weiterhin m i t derselben B e d e u t u n g verwendet, z. B. Arabische Liga nach engl. Arab League. Zwar wird engl, league ü b e r frz. ligue aus zu liga relatinisiertem ital. lega hergeleitet, es k a n n aber kein Zweifel d a r a n bestehen, dass die a n g e n o m m e n e n Vorlagen i m Spanischen u n d Italienischen z u m i n d e s t etymologisch a d ä q u a t , w e n n nicht
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Lilak etymologisch identisch sind. Dt. Liga dient heute im Sport wie auch engl, league zur Bezeichnung einer Wettkampfklasse, in der mehrere Vereinsmannschaften zusammengeschlossen sind, vgl. Bundes-, Oberliga sowie das in englischer Lautgestalt übliche Champions League im Fußball (eigtl. >Liga der Champions^ s. Champion unter Kämpe, obgleich an dem so bezeichneten Wettbewerb nicht nur erstplatzierte Mannschaften teilnehmen). Lilak spanischer Fliederc Wie diesem Namen des Zierstrauchs Syringa vulgaris zu entnehmen ist, stammt das Wort aus span. lilac >Flieder; Fliederblütenfarbedunkel-, indigoblau< (zu «^»Indigo*, dieses über gleichbed. arab. an-nil auch in der Bezeichnung des Farbstoffs Anilin) zurückgeführt wird. Da der Flieder nach W. Pfeifer und N. Osman über Südosteuropa nach Mitteleuropa, genauer 1560 von Konstantinopel über Wien nach Frankreich eingeführt wurde, ist auch türk. leyläk >Flieder< (vgl. daraus bulg. liljak/ljulak, rumän. liliac sowie C. T. Onions' Bemerkung, der bei Bacon nachgewiesene älteste Beleg im Englischen lelacke könne türk. leilaq repräsentieren) als Vermittler in Betracht zu ziehen. Seit 1600 bezeugt ist frz. lilac >Flieder; Fliederblütenfarbefliederblau, hellviolett< isoliert, woneben sich das Substantiv Lila >lila Farbe< etablierte. Limes >altrömischer Grenzwall zum Schutz gegen die Germanen*: Der seit dem 19. Jh. in deutschen Texten bezeugte Terminus, welcher in der Mathematik außerdem im Sinne von >Grenzwert< gebraucht wird, beruht auf lat. limes, Gen. limitis >Quergang, Rain, Grenzlinie< (zu limus >schief, quer< und ire >gehenQuergangGrenzeweg von den GrenzenLeine, Richtschnur; (damit gezogene) Gerade< (eigtl. >leinene [Schnur] leinen< (über dessen Grundlage linum >Lein, Flachs< s. Lein) darstellt. In der Medizin bedeutet das substantivierte Femininum Linea >Kante,
KnochenleisteLinie, Reihe, Zeile< und gleichbed. port. linha werden gelegentlich als Exotismen lexikographisch aufgeführt: Ligne >altes Maß (ca. 2,26 mm)< bzw. Linha >altes portugiesisches Längenmaß (2,29 mm)aus Leinen< beruht frz. linge >WäscheLinie, Reihe, Zeile; Leine, Schnur< gilt als Verschmelzung von zwei Wörtern: aengl. line und mengl. ligne/line, die jeweils direkt bzw. über afrz. ligne (< roman. *linja) auf lat. linea »Richtschnur, Lot; Linie< zurückgehen. Andererseits betrachtet man in der germanistischen Lexikologie mit F. Kluge sowohl aengl. line als auch ahd. lina (daraus nhd. Leine) als Repräsentanten von germ. *linjön >Leine< (Herkunftsbildung zu *lina- >Lein, Flachs< im Sinne von >aus Flachs gedrehtes SeilLinie, Reihe< enthalten, ihr zuordnen, z.B. offline »getrennt von der Datenverarbeitungsanlage arbeitend< (eigtl. >ohne Verbindungslinien vgl. ab1), online (eigtl. »in VerbindungUmriss< (s. d.), Deadlinie »äußerster Termin< (s. tot), Headline >Schlagzeile< (vgl. Haupt), Hotline »Telefonanschluss für rasche Serviceleistungen< (eigtl. »heißer DrahtSchriftsteller< (eigtl. »Mann der Literaturs s. Homo, de1) enthalten. Über das Altfranzösische vermittelt ist engl, letter >Brief; Buchstaben das in der Zusammenrückung Four-Letter-Word für den Amerikanismus four-letter word (wörtl. »VierbuchstabenwortkoitierenScheißeSteinzeichnung, graphisches Kunstblatt in Steindrucke Das Neutrum (wohl nach Kunstblatt) ist eine Kopfisolierung aus dem Femininum Lithographie, das außerdem die Herstellung von Platten für das Flachdruckverfahren sowie die Originalplatte für Stein- oder Flachdruck bezeichnet. Als gelehrte Bildung des 19. Jh. besteht dieser Fachausdruck der künstlerischen Graphik aus litho-, Kompositionsform von griech. lithos >Steingraphische Darstellung* bedeuten, weshalb das Ganze durch Steinzeichnung bzw. durch Steindruck ins Deutsche übertragen wird. Mit der Bedeutung >Stein, Gestein, Minerah tritt griech. lithos deglutiniert auch als Grundwort zahlreicher Termini auf wie Megalith >großer Steinblock bei vorgeschichtlichen Grabanlagen< (s. mega), Astrolith Asterolith (s. d.), Elaolith (s. Oleum). Litze: Im 14. Jh. (spätmhd. litze >Schnur; Schranke, Zaun, GehegeFaden, Querfaden*. Nach Ausweis von W. Pfeifer soll sich lat. licium als Terminus der Webetechnik semantisch von >Schlinge, durch die der Kettfaden geht, Aufzug am Gewebe* über >jeder Faden eines Gewebes* zu »Band, Gewebe* entwickelt haben. Im 14. und 15. Jh. verbindet sich (m)frz. lice/lisse >Weberaufzug, Schaft* mit den adjektivischen Attributen hasse und haute zu den heutigen Fügungen basse lisse und haute lisse >Schaft
mit waagerecht bzw. senkrecht aufgezogener Kette*, die im Deutschen als Zusammenrückungen auftreten: ßflssdisse »gewirkter Bildteppich mit waagerecht geführter Kette* (s. Bass) und Hautelisse >Webart mit senkrechter Kette; mit senkrechter Kette gewebter Wand- oder Bildteppich* (vgl. alt). loco >am Ort, hier, greifbar, vorrätig; an seinem Platz (zu spielen)*: Der vor allem kaufmännische, aber auch musikalische (in dieser Funktion neben seinem eigenen Fortsetzer ital. luogo) und bildungssprachliche Fachausdruck (vgl. loco citato, Abkürzung: l. c. >am angeführten Ort*, loco sigilli, Abkürzung: Z. s. »anstatt des Siegels*, s. Siegel) stellt den erstarrten Ablativ von lat. locus, Gen. loci, Nom./Akk. Plur. loca »Platz, Ort, Stelle* dar. Sein Nominativ Singular ist in der Wortfügung Locus communis (eigtl. »allgemeiner Ort*) enthalten, die im Englischen durch die teilweise Lehnübersetzung common place wiedergegeben und von dort aus sinngemäß durch Gemeinplatz ins Deutsche übertragen wurde (s. kommun). Graphisch eingedeutschtes Lokus ist zwar im Sinne von »Ort, Stelle* veraltet, aus der Fügung locus necessitatis »Ort der Notdurft* verselbständigt, erlangte es aber zunächst wohl in der Schülersprache und dann auch in der Umgangssprache die Bedeutung »Klosett*. Der Genitiv Singular ist Attribut im linguistischen Fachausdruck Nomen Loci »Substantiv, das den Ort eines Geschehens bezeichnet* (s. Name und vgl. z.B. das Nomen Loci cancellaria unter Kanzel). Der von ad (s. d.) abhängige Akkusativ Plural liegt vor in ad loca »an die Plätze*. Aus lat. locus ist (a)frz. lieu »Ort, Stelle, Lage; Umstand* hervorgegangen, das Bestandteil der Lehnwörter Leutnant und Milieu ist. Jenes ist in der Schreibung Lieutenant um 1700 (die heutige Form offiziell erst seit 1899) aus frz. lieutenant übernommen, das eine Zusammenrückung aus lieu und tenant, dem Partizip Präsens von tenir »halten* (vgl. tenuto), ist und lat. locum tenens »Stellvertreter (des Hauptmanns)* (dazu die deutsche Lehnübersetzung Statthalter) wortwörtlich nachbildet. Milieu repräsentiert frz. milieu, eine Zusammensetzung aus mi- »in der Mitte befindlich* (aus gleichbed. lat. medius, s. mitten) und lieu, das Ganze ursprünglich Entsprechung von lat. medius locus »Mitte, mittlere Lage*, seit 1870 in der heutigen Bedeutung »Lebenskreis, soziale Verhältnisse*. In Verbindung mit spätlat. motivus »antreibend, bewegend*, das Ausgangspunkt für dt. Motiv ist und wie mobilis »beweglich* (s. Mob) zu lat. movere »bewegen* gehört, ergab der eingangs erörterte Ablativ loco nlat. locomotivus, welches in der Gestalt der englischen Substantivierung locomotive (engine) »sich von der Stelle bewegende (Maschine)* zu dt. Lokomotive mit der fragmentierten Kopfisolierung Lok entlehnt wurde.
Logo
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Logo >Marken-, Firmenzeichenc Das Fremdwort ist entlehnt aus gleichbed. engl, logo, einer Kopfisolierung aus logotype, das ursprünglich wie dt. Logotype nur >Drucktype mit häufig vorkommender Buchstabenverbindung< (vgl. Typos) bedeutete und die neue Semantik wohl wegen der feststehenden Buchstabenund/oder Zeichenfolge bei Firmenzeichen annahm. Innerhalb von Logotype ist Logo- (vor Vokalen auch Log-) Kompositionsform von griech. lögos >Rede, Wort, Rechnung, Verhältnis, Vernunft u.a.< (zu legein >lesen; sammeln; reden, rechnenKundiger, Wissenschaftler< (vgl. Astrologe), -logie >Kunde, Lehre< sowie des griechischen Adjektivs anälogos >dem Logos, der Vernunft entsprechend< (einer Zusammenbildung auf der Basis von anä >gemäßVerhältnisHain, Wald, Buschholzc Das von E. Wasserzieher und E. Seebold als Archaismus, von G. Wahrig und im Sprachbrockhaus als bairisch-hessischer Regionalismus aufgeführte Maskulinum oder Neutrum geht über mhd., mnd., mniederl. lö/löch »Gebüsch, Wald, GehölzHain< zurück auf germ. *lauha >Hain, Lichtung< bzw. auf idg. *louko>Hain; freier PlatzWald des Guther/GuntherAsenhain< (s. Asen), während andere Autoren (z.B. P. A. F. van Veen) den Namen dieser Mitte des 11. Jh. gegründeten und Äslo genannten Stadt in norw. os >Mündung< und den Flussnamen Lo (also etwa >Lomündungbrustfrei< (s. Zopf), tubeless »schlauchlos (von Fahrzeugreifen)< (s. Tubus), in denen -less gebundene Dublette von los und lose ist. Los: Die heutige Bedeutung des Wortes setzt die von mhd. löz »Auslosung, Verlosung; Weissagung durch das Los; Schicksal; Erbteilung; Losungsworts ahd. (h)löz »Los, Schicksal; Spruch; (zugefallener) Anteil< fort, dessen Quelle germ. *ylauta- »Losung, Los< (Nominalbildung zu *xleuta- >losen ahd. z [s] unterworfen wurde, behielt die altniederfränkische, heute in niederl. lot »Los< fortbestehende Variante *(h)lot (aus der gleichbedeutenden schwundstufigen Nebenform germ. das -t im Auslaut bei. Mniederl. lot (davon abgeleitet loterij, woraus seit dem 16. Jh. dt. Lotterie) bildete den Ausgangspunkt für seit dem 12. Jh. bezeugtes frz. lot »Teil, Anteil, LosZahlenlotterie< zu Lotto rückentlehnt. Sollten die unterschiedlichen Ablautstufen gewisse Zweifel an der Ursprungsgleichheit von Los und der niederländischen Vorlage von Lotto aufkommen lassen, so ist die genetische Identität von niederl. lot >Los< und dem ebenfalls auf germ. *//«ta- beruhenden engl, lot »Partie, Posten, Menge (zusammengehöriger Dinge)< unbestreitbar. Aus diesem übernommen ist dt. Lot2 »zusammengestellter Posten einer bestimmten Zucht oder Ware; abgepackte Zusammenstellung von Einzelbriefmarken oder Briefmarkensätzenein monoklines Bleimineral von gelb- und grauweißer Farbe< gebildet ist. Über Lot2 s. Los. löten >Metallteile mithilfe einer geschmolzenen Legierung miteinander verhindern: Voraus liegt mhd. Iceten >mit Blei u.Ä. zusammenlötendie senkrechte Lage bzw. die Wassertiefe bestimmen< wesentlich später gebildet. Löwe: Der etymologisch nicht sicher geklärte griechische Name des afrikanischen Raubtiers léôti, Gen. léontos (gelegentlich wird akkad. labbu >Löwe< als dessen Quelle angesehen) lieferte über lat. leo, Gen. leonis ahd. /eo/(mit zwischenvokalischem Übergangslaut) lewo, mhd. lewe/lew/leu, aus denen sich einerseits die heute nur noch dichterisch gebräuchliche Form Leu1, andererseits das labialisierte schriftsprachliche Löwe entwickelten (ausgebliebene Labialisierung unter eingetretener Kontraktion und Assimilation weist der Ortsname Lemberg auf, s. Leonberg). Als männlicher Vorname funktioniert lat. leo bzw. der Stamm von dessen obliquen Kasus etwa in Leo (mit besonderer Verbreitung als Heiligen- und Papstname im Mittelalter), ital. Leone, frz. Léon, dt. Leon (Kopfisolierung aus Leonhard) neben Lion1, engl. Lion2 [laian], arm. Lewon. Gebunden erscheinen die beiden Grundformen des lateinischen Wortes ferner in Leopard (Hinterglied ist griech.-lat. pardus >Parder, Pantherauf der ErdeErdlöweZuhälterSteuermannZuhälter< sich nach einer im Duden-Herkunftswörterbuch und im Duden-Fremdwörterbuch geäußerten Annahme auf die gleichnamigen französischen Könige im 17. und 18. Jh. bezieht, die wegen ihrer zahlreichen Mätressen bekannt waren. Frz. Louis geht wie auch Ludwig auf eine unter Chlodwig erörterte Vorform des Namens zurück, die sich aus ahd. hlüt >laut< (als erstes Glied von Namen >berühmtKampf, Krieg< zusammensetzt. Obwohl man sich bei der Kürzung von Ludwig nicht der Isolierung eines erkennbaren Wortes bewusst war, ist ihr Produkt Lude nicht mit dem ganzen Namen, sondern lediglich mit dessen erstem Glied zu identifizieren, so dass sich Lude und nhd. laut1, der gesetzmäßige Nachfolger von ahd. hlüt, als etymologische Dubletten erweisen. An sie schließen sich die Vorderglieder der Personennamen Ludwig und Chlodwig (s. d.) sowie Klothilde/Chlot/n'We (aus afränk. Chlodhildis mit Grundwort ahd. hiltia >KampfTon, Stimme, SchreiInhalt, Wortlaute Daraus heute Laut, aus dem sich durch Verkürzung von Strukturen wie nach lüte + Substantiv im Genitiv (wörtl. >nach dem Wortlaut ...gemäß, entsprechend, dem Inhalt nach< entwickelt hat. Luft: Über mhd., ahd. luft geht die Bezeichnung für das die Erde umgebende Gasgemenge auf germ. *luftuzurück, dessen Herkunft nicht geklärt ist, aber nach Ausweis von anord. loft/luft >Luft; Obergeschosse mniederl. lucht/locht >Luft, oberes Stockwerk eines Hauses< zugleich >Bodenraum, Dachstube< bedeutet zu haben scheint. Gerade in diesem Sinn wird nordd. Lucht >Dachboden, Bodenraum< gebraucht, das mnd. lucht >Bodenraum, oberes Stockwerk< fortsetzt und die niederfränkisch-niedersächsische Assimilation ft > cht (s. analog sacht, Schacht unter sanft, Schaft) aufweist, vgl. auch niederd. Utlucht >Erker< unter Auslucht. Lumpen >Lappen, Stofffetzen, altes Kleidungsstücke Wie Brunnen (s. d.), Galgen, Kasten Knochen ist auch Lumpen aus einem im Mittelhochdeutschen schwach flektierten Substantiv hervorgegangen: lumpe, Gen. lumpen >Lumpen, Fetzenschlaff Herabhängendes< wird dieses etymologisch mit
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mhd. lampen >welk niederhängern in Verbindung gebracht. Die gelegentlich angenommene enge Verwandtschaft mit s mobile aufweisendem Schlampe und die sich daraus zwangsläufig ergebende Rückführung auf idg. *(s)lemb(h)-, eine angeblich nasalierte und im Auslaut alternierende Variante von idg. *leb- >schlaff herabhängen(d)< (s. schlaff), bietet zum Teil eine Erklärung für den ausgebliebenen Lautwandel germ. mp > hochdt. mpf. Seit dem 17. Jh. ist eine durch Aufspaltung von mhd. lumpe entstandene apokopierte und ebenfalls stark flektierende Nebenform Lump bezeugt, welche zunächst in der Bedeutung >Mensch in zerlumpter Kleidungs dann schlechter, gesinnungsloser Mensch, Gauner< auftritt. Lupe >VergrößerungsglasEisenklumpen; Knorren; unvollständig ausgebildeter Edelstein< die Etymologisierung weitgehend erschweren. Das Wort wird aus ahd. (afränk.) luppa >formlose Masse aus zusammengeronnener Flüssigk e i t hergeleitet, mit lat. lupa >Wölfin< im Sinne von >kreisförmige Geschwulst< (vgl. Lupus tuberkulöse Hautflechte< unter Wolf) in Zusammenhang gebracht sowie auf eine expressiv gebildete galloromanische Wurzel *lopp- >schlaff hängendes Stück< zurückgeführt. Auf jeden Fall beruht der im 20. Jh. aufgekommene technische Fachausdruck Luppe >Eisenklumpen, rohes, von Schlacken durchzogenes Eisen< ebenfalls auf frz. loupe. lütt >klein{z\i der) kleinen Burg< (vgl. München unter Mönch sowie Mecklenburg unter dem Gegensatzwort michel >groß mb bzw. Nasalausfall im Auslaut die Lautungen Luxem- und
Letze- entstanden sind. Da die Interpretation von mhd. lütz(e)/lüz (vgl. auch aengl. lyt, niederl. lutje u.a.) als Kürzung (Kopffragmentierung) von lützel (s. d.) kaum vertretbar wäre, wird die Duplizität bei diesem getrennt dargestellt. lützel >kleinklein, gering< zurück. Daraus sind das altenglische Adverb lyt >wenig< und engl, little >klein< hervorgegangen, Letzteres z. B. attributiv im Namen der Hauptstadt von Arkansas Little Rock (Grundwort: rock >FelsenEinheit der Beleuchtungsstärke (Zeichen: lx)lichtbringendtragen< abgeleitet ist wie griech. -phöros etwa in phösphöros >lichttragend< (s. Phosphor) ablautend zu griech. pherein >tragen< gehört. Lucifer, d. h. Lichtbringer nannten die Römer den gleichsam das Tageslicht bringenden Morgenstern. Mit Lucifer wurde in der Vulgata (Jesaja 14,12) die hebräische Bezeichnung für den Sohn der Morgenröte melel bensahar (eigtl. >GlanzgestirnUnteroffizier der Marinec Der Dienstgrad ist durch Spezifizierung der Bedeutung >Steuermanns-, Bootsmannsgehilfe< zustande gekommen, mit der niederd. Mät >Kamerad, Genosse< seit dem 18. Jh. bezeugt ist und ins Hochdeutsche Eingang gefunden hat. Das niederdeutsche Wort hält man für eine durch Aphärese entstandene Nebenform von mnd. gemate, das zusammen mit mhd. gemazze, ahd. gimazzo >Speise-, Essens-, Tischgenosse< die gleichbedeutende Soziativbildung *gimatön (s. Genosse) zu germ. *mata-l*mati- >Speise< (s. Matelot, Mett) fortführt. Aus mnd. mate/mat, mniederl. mate/maet wurde im 14. Jh. engl, mate >Kamerad, Genosse; Gehilfe; Maat< übernommen. Als Bestandteil der Fügung Mate's Receipt beispielsweise ist dieses im Frachtverkehr Bezeichnung für die Quittung des Ladeoffiziers über den Empfang der Ware an Bord des Schiffes (eigtl. >Empfangsbescheinigung des Maatsmachen Vermittlergeschäfte machen< sowie das zugehörige Nomen Agentis Makler >Vermittler< mit aufrechterhaltenem germanischem -k-) zugrunde liegt. Der englische Kognat ist Bestandteil des wirtschaftlichen Fachausdrucks zur Benennung der Entscheidungsalternative zwischen der Eigenfertigung von Sachgütern, Dienstleistungen oder Produktionsfaktoren und der Beschaffung bei Dritten make or buy (wörtl. >herstellen oder kaufenzurechtmachenGeldmacherGeldFreund; Bursche, Kerl; Anführer, Macher; Arbeitskollege* übernommen, dessen Vorlage macker >Mitarbeiter< nach E. Seebold auf einer Soziativbildung (s. Genosse) im Sinne von >der (zusammen) mit einem anderen etwas macht< beruhen könnte. Sollte seine durch den Verweis auf aengl. gemaca/ gemäcca >Gefährte< unterstützte Annahme stimmen, dann ließe sich auch ahd. (ga)mahhari >Urheber< als eine Art Analogon des niederdeutschen, auch >Helfer; Freund< bedeutenden Wortes heranziehen. Dies würde aber zugleich die Qualifizierung von Macker als etymologische Dublette von Macher in Frage stellen. Sicher ist dagegen dieser Status bei niederd. -maker in als Familiennamen gebrauchten Berufsnamen wie etwa Sc/iomaker (eigtl. >SchuhmacherSchreinemachersgnädige Fraumeine Herrin< (aus gleichbed. lat. mea domina >meine GebieterinHausherrin< schon veraltet ist, es begegnet aber noch als scherzhafte Bezeichnung für eine dickliche, behäbige Frau und - landschaftlich - für Ehefrau. Gleicher Struktur und Herkunft ist mit der Nebenform ma des Possessivpronomens mia >meine< komponiertes ital. madonna, das im 16. Jh. zu Madonna als Anrede an vor-
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nehme Frauen übernommen, danach in seiner Bedeutung zu >(schöne) Geliebte< herabgesetzt, seit Anfang des 18. Jh. aber Bezeichnung für die Gottesmutter und ihre Darstellung häufig mit dem Jesuskind in der bildenden Kunst wurde. Über die maskuline Entsprechung dieser Anrede im Sinne von >mein Herr< s. Monseigneur. M a g d >LandarbeiterinDienstmädchen< gebräuchliche Substantiv, aus dem übrigens die Diminutiva Mädchen (17. Jh. in Sachsen und Thüringen aus Mägdchen) und Mägdelein/Mägdlein/Mädel hervorgegangen sind, beruht auf mhd. maget >Jungfrau, (unfreies) Mädchen, DienerinMädchen< fort. mager >nicht dick, ohne Fette Über mhd. mager, ahd. magar geht das Adjektiv auf germ. *magra- und von dort aus auf idg. *makro- >lang, mager< (zu *makoder *mak- >dünn, schlankmager< und griech. makrós >schlank; lang; groß< hervorgegangen, dessen Kompositionsform als internationales Wortbildungselement mit der Bedeutung >lang, groß, hoch< auftritt, z. B. Makrokosmos >Weltall, Universum< (Grundwort: griech. kósmos >Schmuck; Ordnung; Weltordnung; Weltgroße Weltmager; dürftigvor dem 30. Lebensjahr auftretende Zuckerkrankheit (eigtl. >magerer DiabetesHarnruhrmehrgrößerauf des Meisters Worte schwören< (s. Wort, in) attributiv auftritt. Auf einer bereits in germanischer Zeit erfolgten Übernahme des Latinismus, der übrigens das Gegenteil von analog strukturiertem Minister (< lat. minister, urspr. »Diener, Untergebeners s. Ministerium) bildet, beruhen andererseits sowohl seit dem 8. Jh. bezeugtes Meister (ahd. meistar »Baumeister; Künstler; Lehrer, Vorstehen) als auch über das Englische vermitteltes Master »Leiter bei Parforcejagden; englischer und amerikanischer akademischer Titel< (aus engl, master »Herr,
Meister, Magister< bzw. master of arts, s. Ars, ferner auch in Quiz-, Showmaster, s. Schau), die englische Anrede Mister (abgeschwächte Nebenform von master in proklitischer Stellung) und der Exotismus Massa »ehemalige, von den schwarzen Sklaven in den Südstaaten der USA verwendete Anrede< (verstümmelt aus master). Bei seiner Etablierung ist engl. master z.T. von herkunfts- und bedeutungsgleichem afrz. maistre beeinflusst worden, das frz. maitre »Gebieter, Herr, Lehrer< (z.B. in der veralteten Wortfügung dt. Maitre de Plaisir »Leiter eines UnterhaltungsprogrammsMahdmähenHeu vom zweiten Grasschnitts einer Zusammensetzung mit Bestimmungswort grün (s. d.), ist das unbetonte Grundwort -mät des ihr vorausgehenden mhd. gruonmät zu -met (gebundene Dublette der morphosemantisch differenzierten Mahd1 - Mahd1) reduziert und in der kontrahierten Nebenform Grumt sogar zu -(m)t entstellt worden. Ähnlich verhält es sich mit dem Auslaut von südwestd. Öhmd »zweiter Heuschnittübrig< bzw. «0- >nachGröße, Erhabenheit: Das mhd. majestät/ majesteet fortführende Fremdwort beruht auf dem Stamm der obliquen Kasus von lat. maiestas, Gen. maiestatis >Hoheit< (Abstraktum zu maior m./f., maius n. >größergroßsich unwohl fühlen, missgestimmt sein«. Gleicher Herkunft ist vermutlich nordd. Malesche Angelegenheit, Unannehmlichkeit, Schererei« (weniger glaubwürdig ist seine von U. Hermann angenommene Herleitung aus frz. malchance >Pech, Unglück«), Malum chronische Krankheit, Gebrechen, Übel«: Das medizinische Fachwort beruht auf gleichbed. lat. malum, dem substantivierten Neutrum von malus m., mala f. schlecht, schlimm, schädlich; Fehler, Gebrechen; Übel, Unheil, Schaden«. Dessen Substantivierung Malus bedeutet in der Kraftfahrzeug-Versicherung >Prämienzuschlag bei Häufung von Schadensfällen«, sonst bezeichnet sie den zum Ausgleich für eine bessere Ausgangsposition erteilten Punktnachteil (im Gegensatz zu Bonus >Vorteil, Vorsprung«, s. Bon).
mano
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Der Ablativ des Maskulinums und des Femininums liegt entsprechend vor in der bildungssprachlichen Fügung sensu malo >im schlechten Sinn< (s. Sensus) und in der rechtssprachlichen mala fide >in böser Absicht; wider besseres Wissen« (s. Fides). Dem lateinischen Adjektiv im Sinne von »schlecht« entstammen ital. malo m., mala f. etwa in Malaria (eigtl. »schlechte Luft«, Zusammenrückung aus mala und aria, urspr. >Luft«, s. Air) und im Schluchtnamen Via Mala (eigtl. >Böser Weg«, s. via1) sowie frz. mal m., male f. etwa in Malheur >Pech; Unglück, Missgeschick« (s. Augurium) und malträtieren >misshandeln< (s. d.). Über die eventuelle etymologische Verknüpfung von lat. malus mit germ. *smala- >klein; gering« als Formen jeweils ohne und mit s mobile s. schmal.
über ahd. manag/manig zurück auf germ. *managa-/ *maniga- »mancher, viel« (daraus auch engl, many >vieleMalve; malvenfarbig« entwickelt. Aus diesem übernommen ist das Adjektiv mauve, das auch durch - f a r b i g , -färben (s. mauvefarben) verdeutlicht auftritt und schriftsprachlich ebenso unflektierbar ist wie viele andere Farbbezeichnungen, z.B. bleu (s. blau), chamois (s. d.), cognac (s. Cognac'), creme (s. Chrisam), orange (s. Orange1), rosa (s. d.).
Manier »Art und Weise; Gewohnheit; musikalische Verzierung; Künstelei«: In der Lautform mhd. maniere »Art und Weise, Benehmen« entlehnt aus afrz. maniere, dem das substantivierte Femininum von lat. manuarius »zu den Händen gehörig«, galloroman. »handlich, geschickt, gewohnt« (zu manus »Hand«, s. mano) zugrunde liegt. Sein Plural Manieren neigt zur Lexikalisierung im Sinne von »(Gesamtheit der) Umgangsformen; (gutes) Benehmen«, und zwar nach dem Vorbild von seit dem 17. Jh. bezeugtem gleichbed. frz. les belies manieres (vgl. Beau). Über das Provenzalische übernommen wurde ital. maniera »Art und Weise; Stil« (vgl. Maniera greca »die byzantinisch geprägte italienische Malerei, besonders des 13. Jh.«, eigtl. »griechischer Kunststil«, s. Graecum), und aus dem Altfranzösischen stammt gleichbed. engl, manner, vgl. dessen Plural in der Fügung Comedy o/Manners »ein beliebter Komödientyp der englischen Restaurationszeit im 17. Jh.« (eigtl. »Sittenkomödie«, s. ab1, Komödie).
man: Seit dem 8. Jh. bezeugtes Indefinitpronomen, hervorgegangen aus ahd. man >Mensch, Mann«, dem gleichbed. niederl. man (vgl. Männchen), engl, man, Plur. men (z.B. in Chairman, Gentleman, s. jeweils Katheder, gentil, bzw. in Angry Young Men, s. jung) als Kognaten entsprechen. Analoge funktionale und semantische Verschiebung weist übrigens frz. on >man< auf, das sich aus lat. homo >Mensch, Mann« entwickelt hat (s. Homo, auf dessen germanische Entsprechung *gumön-/*gman-ön E. Seebold Mann/man durch Erleichterung der Konsonantengruppe im A n laut zurückzuführen sucht). Über mhd. man (Gen. mannes) ergab das althochdeutsche Substantiv nhd. Mann mit der kodifizierten Pluralform Männer, während die veraltete Mannen nur noch historisierend im Sinne von >Lehns-, Dienstleute, Gefolge« auftritt. Aus ahd. eo/ io >immer, je« (daraus nhd. je, s. d.) und man ist die Zusammenrückung ioman (negiert: nioman) »irgendein (bzw. kein) Mensch« entstanden, das über mhd. (n)ieman mit unorganischem (epithetischem) t/d in jemand bzw. niemand fortlebt. manch: Das mhd. manec/manic >viel, manch, vielfach, vielgestaltig« fortführende Indefinitpronomen geht
Männchen: Dem hochdeutschen Diminutiv zu Mann (s. man) entsprechen im Sinne von »kleiner (bedauernswerter) Mann; Zwerg« mit unverschobenem -kim Suffix nordd. Männeken und südniederl. mannekijn. Aus dessen Vorstufe mniederl. mannekln wurde frz. mannequin »Männchen, Figürchen, bildliche Menschendarstellung« entlehnt, das im 19. Jh. die Bedeutungen »Schneider-, Schaufensterpuppe« sowie (in der Fügung mannequin vivant »lebende Puppe«) »Person, die die neuesten Modeschöpfungen präsentiert« entwickelte und mit ihnen dt. Mannequin lieferte. mano in mano destra, mano sinistra »mit der rechten bzw. linken Hand (zu spielen)«: Das in diesen Vortragsanweisungen auftretende Fremdwort repräsentiert ital. mano »Hand«. Es entstammt aus lat. manus f. »Hand«, das als Erbwort auch in gleichbed. frz. main fortlebt, dessen Plural in analogen musikalischen Fachausdrücken enthalten ist: ä deux mains
Mantel
210
>für zwei Händevierhändig< (s. ad, zwei, vier). In scherzhaften festen Wendungen wie ein Brot aus der Lamäng essen, aus der (kalten, freien) Lamäng verbreitete sich von Berlin aus ugs. Lamäng/ lamain >aus der Hand, ohne Teller und Besteck; aus dem Stegreif, unvorbereitete in dem das französische Substantiv main mit agglutiniertem bestimmtem Artikel la erscheint. Als Kompositionsform von lat. manus fungieren mani- und auf dem Ablativ Singular manu (vgl. manu propria/propria manu >mit eigener Hand, eigenhändige s. proper) beruhendes manu-, vgl. manipulieren (< frz. manipuler >behandeln, bearbeiten^ zu manipule >eine Handvoll< für gleichbed. lat. manipulus, entstanden auf der Basis von manus undplere >füllenvollHandarbeitBearbeiten, Machern, s. Facture), Manuskript (< mlat. manuscriptum eigenhändig Geschriebenes^ aus manu- + scriptum >geschriebenHandarbeitAuftrag, Befehlübergeben, anvertrauen; auftragen, befehlengebenin die Hand gebeneine Hand wäscht die anderedie Hand wäscht die Hand< (zur Rolle von lat. lavare >waschen< als Quelle etymologischer Dubletten im Deutschen s. laben)-, die Sentenz gilt als eine Umbildung von Epicharms Fragment »Hand wird nur von Hand gewaschen, wenn du nehmen willst, so gib!« (so in Goethes Epigramm »Wie du mir, so ich dir«). Jeweils im Akkusativ Singular und Plural steht ferner das lateinische Wort im Hinweis bei Medikamenten ad manum medici bzw. ad manus medici >zur Hand/zu Händen des Arztes< (s. Medikus). Mantel: Bereits in althochdeutscher Zeit entlehnt aus vlat. *mantellus m. >Hülle, Decke< neben gleichbed. lat. mantellum n. (Diminutiv zu mantus >kurzer Mantelleichter Damenmantel< lexikographisch verzeichnet wird. Die eindeutige Zuordnung von Mantille' Schleieröder Spitzentuch der traditionellen Festkleidung der Spanierin< und Mantille2 >Fichu; halblanger Damenmantel< zu diesem Dublettenpaar scheitert an der widersprüchlichen Behandlung von deren Vorlage span. mantilla, das zum Teil als feminine Variante von lat. mantellum, zum Teil als separate Ableitung
von span. manta >Decke; Umhang< angesehen wird. Auf jeden Fall würden sie selbst ein Dublettenpaar bilden, sofern der Hispanismus Mantille1 und über frz. mantille >langes Kopftuch< vermitteltes und französisch gesprochenes Mantille2 lexikalisch auseinander gehalten werden, wie dies etwa im Duden-Fremdwörterbuch der Fall ist. Maquereau/Mac >ZuhälterKupplermachen< denn zu makelen, s. makein, vgl. ferner das herkunftsmäßig unklare, in diesem Zusammenhang aber dennoch in Betracht gezogene afrz. maquerel >Makrele; Kupplerislamischer Einsiedler oder Heiligere Der Exotismus geht über gleichbed. port. marabuto zurück auf arab. muräbit, eigtl. Bezeichnung für die Bewohner eines der ribät genannten Wehrklöster, welche die Araber nach der Eroberung Nordafrikas als militärische Stützpunkte errichteten. Da ihre Bewohner als tapfere, wehrhafte und zugleich fromme Männer galten, wurde der Begriff muräbit im Volksmund zu >Einsiedler, Asket, Heiligen verallgemeinert. Die Bezeichnung wurde dann scherzhaft auf eine tropische Storchenart wegen des komisch-würdevollen Aussehens dieses Vogels übertragen und ergab im 19. Jh. durch französische Vermittlung dt. Marabu. Marburg (a. d. Lahn): D. Berger hält den Namen der im 12. Jh. an der oberen Lahn entstandenen Stadt (im 13. Jh. Marhpurc/Marcborch) für eine aus *Marbachburg unter Auslassung des Mittelglieds gekürzte Klammerform, in deren Bestimmungswort Marbach- sich der Gewässername Marbach (eigtl. >GrenzbachGrenzeBrennen; brennendes Holzscheite brinnan >brennenanzündenGrenzland, -gebiete Der Historismus geht nach E. Seebold über mhd. marke, ahd. marha/marcha zurück auf germ. *mark/*markö >GrenzgebietRand, Grenze< (etwa in der ablativischen Fügung in margirie >am RandeRand, Begrenzung, Randleiste eines OrgansFlurgrenze< tritt Mark auf im Ländernamen Dänemark, verstümmelt im Ortsnamen Marburg (s. d.), im Familiennamen Markwart/ Markward(t) und dessen kurioserweise graphisch entstellter Variante Marquart (wörtl. >Grenzschützeran einer bestimmten Stelle angebrachte Markierung; Handels-, Waren-, Fabrikzeichen; Erkennungs-, Dienst-, Garderoben-, Briefmarkec Seit dem 17. Jh. bezeugte Entlehnung von frz. marque >Zeichen, Kennzeichens einer Rückbildung aus marquer >kennzeichnenmit einem Zeichen versehen und dessen Ausgangspunkt marco >Zeichen, Marke< zurückgeht auf die germanische Grundlage *mark- >Zeichen< von dt. Mark >Grenzland< (urspr. >Grenze; Grenzgebiets s. Mark). Der auch ins Englische Aufnahme gefundene Gallizismus ist Grundwort des Wirtschaftsterminus Benchmark (s. Bank1).
Marquise Marmaräs und daher verdeutlichend dt. Marmarameer (dafür in der Antike Propontis, heute Propontida, eigtl. >VormeerFelsblock, gebrochener SteinMarmorstein< lieferte. Über mhd. marmel/mermel lebt diese noch in frühnhd. Marmel m. >Marmor< fort, bis es im 16. Jh. unter humanistischem Einfluss zu Marmor relatinisiert wurde. Daneben blieb jedoch landsch. Murmel >kleine (Glas-, urspr. Marmor)kugel zum Spielen< mit der Variantenreihe Marmel/Marbel/Märbel bestehen, deren feminines Geschlecht sich durch Kopfisolierung aus mhd. * marmelkugele/* marmelküle >marmorne Kugel< oder zumindest durch Anlehnung (semantische Analogie) an mhd. kugele/küle f. >Kugel< (s. Kugel) erklären lässt. Die bei den Varianten Marbel/Märbel weitergeführte Dissimilation m - m > m -b hat ihr Analogon in afrz. marbre, dem Nachfolger von lat. marmor und Vermittler von engl, marble >MarmorAndamanen-Ebenholzbaum< (eigtl. >MarmorholzMarokko, die Marokkaner betreffend; von den Marokkanern stammend, zu ihnen gehörende Ableitung vom Namen des nordwestafrikanischen Staates Marokko, der über port. Marocos und span. Marruecos zurückgeht auf den Namen von Marrakesch (älter Marrukus), gegründet im 11. Jh. als Hauptstadt des entstehenden Reiches der Almoraviden. Das Adjektiv und die Einwohnerbezeichnung Marokkaner sind ihrem Wesen nach Adsuffigierungen der Art, wie sie unter afrikanisch als Bildungen mit dem lateinischen Suffix -anus dargestellt wurden. Mit demselben Suffix (im Unterschied zum anders gebildeten maroquin >feines, genarbtes Ziegenledermarokkanisch< abgeleitet, das Attribut in der Fügung crêpe marocain >marokkanischer Kreppfein geripptes (Kunst)seidengewebe in Taftbindung< (s. Crêpe1) ist.
Markt: Das seit dem 8. Jh. (ahd. markät, mhd. market) bezeugte Lehnwort geht wie gleichbed. engl, market (seit dem 12. Jh. nachweisbar) über vlat. *marcatus zurück auf lat. mercatus >Handel, Kauf; (Jahr)markt< (zu mercari >Handel treiben, erkaufenWare, KramMarkt mit fallenden bzw. steigenden Börsenkursen (zu den Bestimmungswörtern und ihrer übertragenen Bedeutung s. Bär und Bulle').
Marquess: Der Titel des britischen Hochadels (Nobility), der im 14. Jh. aufkam und in der Rangliste an zweiter Stelle steht, geht ebenso wie der spanische Marqués auf frz. marquis >Markgraf< zurück. Dieses und ital. marchese, jeweils im Deutschen repräsentiert durch Marquis und Marchese ebenfalls als fremde Adelstitel und als Bezeichnungen für ihre Träger, sind von germ. (afränk.) *mark- >Grenzmark< (s. Mark) abgeleitet.
Marmor >grobkörniger, metamorpher Kalksteine Der Name dieser Gesteinsart, auf dessen Basis griech.
Marquise französischer Adelstitel; Trägerin dieses Titelse Femininum zu Marquis, wie in Bezug auf italie-
Marsch
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nische Verhältnisse geltendes Marchesa zu (s. Marquess)
gehört. Z u span. Marqués
Márchese
gehört ent-
sprechend Marquesa, dessen Plural im N a m e n der 1595 v o n A l v a r o de M e n d a ñ a N e i r a entdeckten, 1842 an Frankreich g e k o m m e n e n Marquesasinse/n (frz. îles Marquises,
vgl. Insel) vorliegt. Bis Mitte des 19. Jh.
w a r die französische Schreibweise üblich auch f ü r die d a n a c h o r t h o g r a p h i s c h unterschiedene Dublette Markise >aufrollbares S o n n e n d a c h , Schutzdach, S c h u t z v o r h a n g aus festem StoffStift o d e r Bürste z u m A u f t r a g e n v o n W i m p e r n t u s c h e auftritt. Matelot >zum M a t r o s e n a n z u g getragener r u n d e r Hut mit B a n d u n d gerollter K r e m p e c Zweifellos Ü b e r n a h m e v o n frz. matelot, das eigentlich n u r >Seemann< bedeutet. Es ist durch Dissimilation m-lsumpfige Niederung< auf westgerm.
*marisk-
aus
älterem matenot entstanden, f ü r dessen Quelle m n i e derl. mattenoot
gleicher B e d e u t u n g gehalten wird.
D e r Plural frz. matelots w u r d e d a n n i m 16. Jh. zu niederl. matroos rückentlehnt u n d gelangte i m 17. Jh. ins Deutsche: Matrose. M a n sieht in mniederl.
mattenoot
(bei m a n c h e n Autoren d a f ü r alternativ a n o r d . nautr) einerseits eine m h d . mazgenöze
Marsch >vor Küsten a n g e s c h w e m m t e r f r u c h t b a r e r B o schen, w o es über m n d . marsch/mersch
p e r n t u s c h e s die im D e u t s c h e n auch als M a s k u l i n u m
mçtu-
>Speise-,
Tischgenosse< entsprechende Z u s a m m e n s e t z u n g (Vorderglied maz >Speise, Mahl< aus gleichbed. g e r m . *mata-/*mati-, s. Genosse)
vgl. Maat, Mett; über das G r u n d w o r t
u n d erschließt daher die B e d e u t u n g
>sumpfiges Gelände< (eigtl. >zum M e e r GehörigesSpeisegenosse< (da die g e r m a n i s c h e n S c h i f f s m a n n -
zu " m a r i >stehendes GewässerScherz; Possenreißerei; Verspottung< (zu sahara
Materie s t o f f l i c h e Substanz, Stoff; Gegenstand; Inhalt, T h e m a c D a s Substantiv setzt m h d .
materje/materge
>Stoff; K ö r p e r , G e g e n s t a n d ; Flüssigkeit i m Körper
spotten, sich lustig machenschwarz< in aprovenz., mlat. masca >Hexe
Mutter Bauholz, S t o f f ; A u f g a b e ,
(daher die v o n W. P f e i f e r angesetzte u r s p r ü n g l i c h e
u r s p r ü n g l i c h w o h l im Sinne v o n >der h e r v o r b r i n -
B e d e u t u n g >schwarze d ä m o n i s c h e Gestalt; die eine
gende, n ä h r e n d e Teil des BaumsMorgenlob
BergmausMurmeltiermurmeln< interpretiert) und an Tier ohne weiteres als gebundene etymologische Dublette von Maus ansehen. Mauser 1 >Federwechsel der Vögele Das feminine Abstraktum hat im 19. Jh. älteres Mause abgelöst, das über mhd. müze zurückgeht auf gleichbed. mlat. muta, eine Bildung zu lat. (pennas) mutare >(die Federn) wechseln«, welches über ahd. müzön, mhd. müzen dem noch im 19. Jh. gebräuchlichen mausen zugrunde lag. Dieses wurde dann von mausern verdrängt, dessen -r- W. Pfeifer als mögliche Anknüpfung an Mauser2 >sich mausernder Vogel< zu erklären versucht. Sollte diese Annahme zutreffen, dann wäre mausern eine Art Rückbildung aus Mauser2 und ließe sich daher - im Gegensatz zum untergegangenen mausen - nicht als etymologische Dublette von aus dem lateinischen Verb erneut entlehntem mutieren ansehen. Demgegenüber ist nicht diphthongiertes und unverschobenes, aber sonst formgleiches niederd. Muter >Mauser< (neben gleichbed. älterem Mute) gebundene Dublette von Mauser1 in der fachsprachlichen Zusammensetzung Mutterfcrebs >schalenloser Krebsmalvenfarbiglängste gebräuchliche Note der Mensuralmusik (im Zeitwert von acht ganzen Noten)die größte (Note)< elliptisch entstandenen Fachausdruck präsentiert sich das Femininum von lat. maximus >größter, mächtigsten (lautlich aus *magsomos entwickelter Superlativ von magnus >großoberster Grundsatz, wichtigste Regel< (vgl. Proposition, Regel), wurde im 17. Jh. unter Einfluss von frz.
maxime zu Maxime >Hauptgrundsatz, Leitsatz, Lebensregel« (mit auf die vorletzte Silbe verlagerter Betonung) umgestaltet. Das Maskulinum des lateinischen Adjektivs ist Attribut in der als Titel der römischen Kaiser und des Papstes gebrauchten Fügung Pontifex maximus (eigtl. >oberster PriesterHöchstwert, oberer Extremwert; etwas Unüberbietbares< vor. Als Analogiebildung zu mini (s. d.) gilt die auf maximus beruhende, adjektivisch gebrauchte Kopffragmentierung maxi >knöchenlang (auf Röcke, Kleider, Mäntel bezogen)Kunstfreund; freigebiger Kunstgönnerc Ein weiteres Eponym (s. d.), denn das Wort geht auf den Namen des reichen, Kaiser Oktavian (s. August) nahe stehenden Römers C. Cilnius Maecenas (etwa 70-8 v. Chr.) zurück, der Dichter wie Properz, Rufus, Horaz und Vergil großzügig unterstützte. Aus dem Umstand, dass im Zeitraum 16.-18. Jh. das Appellativ in Anlehnung an den lateinischen Plural Maecenates meist in der Lautform Mäzenat auftrat, erklärt sich die abweichende Struktur der mit Mäzen zusammenhängenden Ableitungen mäzenatisch, Mäzenatentum, gelegentlich auch Mäzenatin neben Mäzenin. median >in der Mittellinie eines Körpers oder Organs gelegene Das in der Anatomie gebräuchliche Adjektiv beruht auf lat. medianus >mittler, in der Mitte befindlich«, einer Bildung zu medium >das Mittlere, in der Mitte Befindliche« (s. mitten). Substantivierungen dazu sind der geometrische Fachausdruck Mediane f. Seitenhalbierende eines Dreiecks; Verbindungslinie von einer Ecke eines Tetraeders zum Schwerpunkt der gegenüberliegenden Seite< und der in Anlehnung an engl, median >Mittelwert< in die Statistik eingeführte Median m. >ZentralwertmittlerHinter-, Besanmast; Gaffelsegel am Hintermast, Besansegel« zurück, das im 17. Jh. über mniederl. besane (älter mesane, mit Umwandlung me- > be- unter Einfluss des Präfixes
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be-) entlehnt wurde. Das mediterrane Wort (daraus außer niederl. bezaan - vgl. span. mesana, engl, mizen über frz. misaine, das gleichbed. afrz. migenne aus katalan. mitjana >Mittel[segel]< verdrängte) ist als Bezeichnung des zwischen Großmast und Heck befindlichen Mastes zu verstehen. Für unwahrscheinlich hält W. Pfeifer seine Herleitung aus arab. mazäti >Mast< (nach P. A. F. van Veen: mizän, einer Ableitung vom Verb wazana >er wog< mit dem Instrumentalpräfix mi-, sofern der Bisam unter bestimmten Umständen ein wichtiger Faktor für die Schiffssteuerung sei), das vielmehr selbst aus dem Italienischen stammen könne. Medikus >Arztheilsam, heilendheilen; abhelfen« abgeleitet und selbst Ausgangspunkt für (ars) medicina >Heilkunstzur Hand/zu Händen des Arztes< (s. mano, ad) auf. Lat. medicus liegt auch ital. medico >Arzt< zugrunde. Dessen Plural medici ist seit dem 13. Jh. in Zunft- und Stadtämtern als Name des geadelten Kaufmannsgeschlechts Medici nachgewiesen, das im Zeitalter der Renaissance in der Republik Florenz eine führende Rolle spielte und dem drei Päpste und zwei Königinnen von Frankreich entstammten. Derselbe Name, der im Deutschen - allgemein auf die Angehörigen dieser Familie bezogen auch Mediceer lautet, ist Vorderglied in Mediciporzellan, der Bezeichnung einer Art Weichporzellan mit meist kobaltblauem Dekor (so benannt nach dem Großherzog Francesco de'Medici, unter dessen Regentschaft im 16. Jh. sie in Florenz hergestellt wurde). Mediokrität >Mittelmäßigkeitmittelmäßig< entlehnt jeweils über gleichbed. frz. mediocre bzw. médiocrité aus lat. mediocris »mittelmäßig, unbedeutend; gemäßigt« (zu medius »mittler«, s. mitten) und dem davon abgeleiteten Abstraktum mediocritas, Gen. mediocritatis »Mäßigkeit, Mittelmäßigkeit; Maß, Bescheidenheit«. In nicht adaptierter Form tritt dieses auf in Aurea Mediocritas »goldene Mitte, goldener Mittelweg« (s. Öre), einem geflügelten Wort aus den Oden des Horaz. Meer: Über mhd. mer und ahd. meri/mari hervorgegangen aus germ. *marja-, das wie gleichbed. lat. mare, Gen. maris und daraus ererbtes ital. mare, aber mit abgewandeltem Paradigma auf den indogermanischen neutralen i-Stamm *mari »stehendes Gewässer, Binnensee« (zum Sachlichen vgl. auch See 1 ) zurückgeht. Der lateinische Kognat liegt vor einerseits
Mehltau im Fachausdruck Mare »als dunkle Fläche erscheinende große Ebene auf dem Mond oder dem Mars«, andererseits (über vlat. mara »stehendes Gewässer, See«) in Maar »(mit Wasser gefüllte) kraterförmige Vertiefung«. Ital. mare »Meer« ist in der präpositionalen Fügung Frutti di Mare »mit dem Netz gefangene Meerestiere« (eigtl. »Früchte des Meeres«, s. Frucht, de1) enthalten. Angesichts alter, ins 10.-11. Jh. zurückreichender Formen wie Wymar/Wimare/Wimmeri ist man geneigt, in Weimar einen Gewässernamen im Sinne von »heiliger See, heilige Quelle« erschließen zu können, in dessen Grundwort demnach die nicht umgelautete Variante von ahd. meri (Bestimmungswort: ahd. wlh »heilig«, vgl. Weihnachten unter Nacht) auftritt. mega »super«: Das in der Jugendsprache verwendete Verstärkungswort (meist zur Steigerung von Adjektiven, vgl. megahart, -geil, -stark) ist eine Kopfisolierung aus mit griech. mega- »groß-« komponierten Zusammensetzungen, in denen es als Wortbildungselement Meg(a)- mit den Bedeutungen »Groß-« (z.B. Megalith »großer Steinblock bei vorgeschichtlichen Grabanlagen«, s. Litho) und »das Millionenfache der jeweiligen Einheit« (etwa Megabyte, -hertz) auftritt. Die Kompositionsform mega- ist mit dem Neutrum mega (vgl. den Namen des letzten Buchstabens des griechischen Alphabets Omega, eigtl. »das große, d. h. das lange Ö, ö, nämlich ß, CO«, vgl. Omikron unter Mikro') von megäle f., megas m. (Gen. megaloü) »groß« gleich lautend. Griech. megas ist mit aind. mähi »groß« herkunftsgleich und geht auf idg. *meg(h)-, *mag(h)~ »groß« zurück. Als Vorderglied von Komposita lautet das altindische Wort mahä-, vgl. den indischen Herrschertitel Maharadscha (eigtl. »Großkönig«, s. Rex) oder den Ehrentitel für geistig hoch stehende Männer Mahatma (eigtl. »mit großer Seele«, zu aind. ätmän »Seele«). Sofern griech. megas ein Heteroklitikon (Adjektiv mit unregelmäßigem Paradigma) ist, erscheint der Stamm der obliquen Kasus megal- ebenfalls in der Funktion eines Wortbildungselements, vgl. Megalomanie »Größenwahn«. Da jedoch das Motiv der Wurzelerweiterung bei griech. megal- ähnlich wie bei dem verwandten lateinischen Adjektiv magnus »groß« (s. Magnus) umstritten bleibt, wäre die Gleichsetzung von Megal(0)- mit Meg(a)- und Maha- im Sinne der etymologischen Duplizität genauso wenig berechtigt wie mit germ. *mekila- »groß« (s. michel), das man gelegentlich als Parallele zur Erklärung der Struktur des griechischen Wortes heranzieht. Mehltau »durch bestimmte Pilze hervorgerufene Pflanzenkrankheit in Form eines weißen Überzugs«: Obwohl man einen primären Zusammenhang des Bestimmungswortes mit der Wurzel von Mehl nicht ganz ausschließt (so im Duden-Herkunftswörter-
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buch), wird für das seit dem 9. Jh. bezeugte Kompositum mit Tau >Niederschlag< (ahd. militou, mhd. miltou), das wohl einen süß schmeckenden Pflanzenbefall bezeichnete, vorzugsweise die ursprüngliche Bedeutung >Honigtau< angesetzt. Gleiches gilt für die englische Entsprechung mildew, aus dem im 19. Jh. frz. mildiou >Mehltau< entlehnt wurde. Somit wird ihr Vorderglied auf das auch in den Romanismen Melasse, Marmelade enthaltene, aber auch in got. milip vorliegende indogermanische Wort für Honig *melit zurückgeführt und eine erst im 13. Jh. erfolgte volksetymologische Anlehnung des deutschen Wortes an Mehl angenommen (vgl. heute noch gleichbed. mda. Miltau). Zu einer graphosemantischen Wortspaltung kam es mittlerweile durch Festlegung der Bedeutung >Honigtau, Blattlaushonig< auf das homophone Meltau. Vgl. auch Honig. mehr: Die erst neuhochdeutsche Schreibung des Adverbs mit Dehnungs-/i zeigt explizite die bereits im Alt- und Mittelhochdeutschen vorliegende Länge des Wurzelvokals von mer an, nachdem sich dieses durch Monophthongierung germ. ai > ahd. é vor Dental aus gleichbed. germ. *maizön entwickelt hatte. Es fungiert von vornherein als suppletiver Komparativ zum Positivadverb viel. Durch Zusammenrückung mit vorangehendem io (s .je) und mit der Negationspartikel ni entstanden die Temporaladverbien ahd. iomër >immer, immerfort; je, jemals< und niomër >niemalsder über das Meer gekommene< eingetreten sei, wird beispielsweise von W. Pfeifer deshalb für wenig wahrscheinlich gehalten, weil für das Althochdeutsche langes ê in mer(i)ratih durch die überlieferten Schreibungen nicht zu stützen sei. Melodei >singbare, in sich geschlossene Folge von Tönenc Das in der Dichtung bis ins 19., gelegentlich sogar im 20. Jh. vorkommende Fremdwort ist die lautgerechte Fortsetzung von mhd. mélodie (Belege seit dem 13. Jh.). Im Unterschied zu Komödie (s. d.) wurde dieses nicht direkt, sondern durch altfranzösische Vermittlung aus spätlat. melödia übernommen, das selbst aus griech. melöidia >(gegliedertes) SingenLied, Gesang< (eigtl. >Glied, Teil eines Musikstücks-singen< (ablautend zu aeidein >singenSingspiel< aus den griechischen Wörtern mélos >Lied, Gesang< (vgl. Melodei) und dräma ¡Handlung, Geschehen< (zu dran ¡machen, tun(sportliche) Veranstaltung zum Gedenken an einen Verstorbenen; Denkmal< reproduziert engl, memorial >Gedenkfeier; Denkmalals Schutzanstrich gegen Rost verwendete rote Malerfarbe, Bleirotc Über mhd. minig und ahd. minio geht das Wort auf etymologisch nicht geklärtes lat. minium >Zinnober< zürück, wobei sich das -g- in Mennige nach E. Seebold aus dem unsilbisch gewordenen -i- entwickelt haben soll. Die in Nachschlagewerken mit der Bedeutung von Mennige gelegentlich aufgeführte lateinische Vorlage Minium wird zumindest im Duden-Fremdwörterbuch für veraltet gehalten. Der von E. Seebold angedeutete Versuch P. Guirauds, frz. mine (woraus dt. Miene), das üblicherweise aus bret. min >Schnauze< hergeleitet wird, mit lat. minium >Zinnober, Mennigeschminken< in Verbindung zu setzen, fand bei anderen Forschern praktisch keinen Anklang. Menorca: Spanischer Name der zweitgrößten, wörtlich »kleineren« Insel der Balearen (lat. Balearis minor, s. Minor, vgl. Mallorca unter Majolika). Im Englischen ist der Inselname in seiner italienischen Form Minore« üblich. So nennt man zugleich eine englische Hühnerrasse spanischer Herkunft mit weißen Küken, die in Minorka eingedeutscht auftritt. Mensa >Altartisch, -platte (steinerne Deckplatte des katholischen Altars); Kantine an Hochschulen und Universitätenc Die beiden Bedeutungen des aus lat. mensa >Tisch< stammenden Fremdwortes zeugen von seiner Verselbständigung (Ellipse) jeweils aus den attributiven Fügungen mensa domini >Tisch des Herrn< (s. Dominus) und mensa academica akademischer (Mittags)tischfrüher für die Unterstützung der Armen bestimmtes Kirchengut< (eigtl. >Tisch der ArmenTisch, Tafel< entwickelt, das im Südwesten der USA mit seiner übertragenen Bedeutung >Tafelberg< üblich geworden ist und im gleichbedeutenden Amerikanismus Mesa vorliegt, vgl. auch Ortsnamen wie Mesa (Arizona), La Mesa (Kalifornien).
Meritum Mensch 1 m.: Eine im Althochdeutschen stattgefundene Substantivierung des zu man >Mensch; Mann< (s. man) gehörenden Adjektivs germ. *manniska>menschlich< ergab ahd. mennisco >MenschMensch; Mädchen, Buhlerin; dienender Mensch, Magd oder Knecht< im heutigen Maskulinum fortlebt. Schon im Mittelhochdeutschen konkurriert mit diesem ein gleich lautendes Neutrum, das vorzugsweise >Dienstbotin, Magd; Geliebte< (vgl. heute noch darauf basierend mda. M ä d chen, Geliebte, EhefrauWeibsbild, Dirne< behaftet, und Mensch1 etablierte sich als Bezeichnung für das höchstentwickelte Lebewesen. Damit war die im 13. Jh. eingeleitete morphosemantische Wortspaltung abgeschlossen. Menschenkind >Mensch, Person; Kinde Das häufig als biblischer Ausdruck gebrauchte Kompositum führt mhd. menschenkint >Mensch< fort. Seit dem 17. Jh. wird es in der Anrede auch ironisch (nach Campe »auch im Unwillen«) gebraucht. Aus dieser Gebrauchsweise ist die mit einem für die Komposita mit Bestimmungswort Menschen- ungewöhnlichen Fugen-s versehene expressive Nebenform Menschenskind hervorgegangen, die umgangssprachlich als Interjektion verwendet wird, um Erstaunen, Freude, Angst, manchmal einen Vorwurf, eine Zurechtweisung auszudrücken. Mergel: Der Name des ton- und kalkhaltigen Gesteins ist seit dem 11. Jh. in der umgelauteten Form mergil/ mergel als Entlehnung aus gleichbed. mlat. margila bezeugt. Dieses ist eine nach C. T. Onions von lat. argilla >Töpfererde< beeinflusste Umbildung des aus dem Keltischen stammenden marga >Mergel< (die Kelten gelten nämlich als die ersten, die die Mergeldüngung praktizierten). Entweder auf aengl. meargealla/mergelle oder auf über afrz. marie entlehntem engl, marl >Mergel< beruht vermutlich der erste Bestandteil des Ortsnamens Marlborough, dessen Grundwort der Form nach mit dt. Burg identisch, seinen ältesten Belegen nach (Mcerle beorg m o , Merleberga 1130) mit Berg herkunftsgleich ist, was ein weiteres Zeugnis vom engen Zusammenhang zwischen Berg und Burg (s. d.) ablegt. Afrz. marie wurde in ungeklärter Weise zu frz. marne >Mergel< umgestaltet, ob dieser Gattungsname aber dem Flussnamen Marne zugrunde liegt, lässt sich noch immer nicht entscheiden. Meritum: Das meist im Plural Meriten >Verdienste< gebrauchte Fremdwort ist aus lat. meritum >Lohn, Verdienste dem substantivierten Partizip Perfekt Neutrum von mereri >sich verdient machenfur das Verdienst^ s. vor) wieder, von dem seit 1918 nur noch die Friedensklasse (für Wissenschaften und Künste) verliehen wird. Met: Der Name des bei den Germanen beliebten alkoholischen Getränks aus vergorenem Honig geht über mhd. met/mete, ahd. metu auf germ. *medu- >Met< (in der Kaiserzeit zu lat. medus >Honigwein< entlehnt) zurück, das mit seinen eindeutigen Kognaten in anderen indogermanischen Sprachen die Ansetzung einer gemeinsamen Grundlage *medhu- >Honig; Met< erlaubt. Für eine niederdeutsch-niederländische Fortsetzung von germ. *medu- hält man das Vorderglied des im 20. Jh. teilweise verhochdeutschten Namens der als Würzkraut verwendeten Pflanze Mädesüjß >Spierstaude (Filipendula ulmaria)< (aus medesoet, Grundwort: süß, s. d.). Vgl. Honig. Metrum >VersmaßMaß, Silben-, Versmaß< wiedergibt. Zusammen mit dem Wortbildungselement -meine >Messung< in Komposita auf -metrie gehört dieses zu metrein >messen< und ist wohl elementarverwandt mit dt. messen (vgl. Mal). Auf griech. métron beruht frz. mètre als Bezeichnung für die Grundeinheit des Längenmaßes in dem 1795 von der französischen Nationalversammlung festgelegten Maßsystem, die 1864 in der Form Meter m./n. durch Reichsgesetz auch in Deutschland amtlich eingeführt worden ist. Direkt auf griech. métron >Maß< geht -meter als Wortbildungselement mit der Bedeutung >Messgerät< zurück in gelehrten Neubildungen wie Taxameter n. >Fahrpreismesser< (s. Taxe1), in denen es homonym mit Meter und mit ihm als Grundwort zusammengesetzten Maßeinheiten wie Millimeter (s. Mille), Zentimeter (s. Cent) auftritt. Die Kompositionsform des griechischen Wortes ist Vorderglied des Kompositums Metro nom >Taktmesser, Tempoanzeiger in der MusikRegel, Gesetz< basiert. Über homonymes metro- >Mutter-, Haupt-< s. Mutter. Mett >Hackfleisch vom Schwein, das (mit Gewürzen vermischt) roh gegessen wirdo Das semantisch entsprechend auch als Vorderglied in Mettwurst (im 16. Jh. aus mnd. metworst >Fleischwurst< übernommen) fungierende und aus dem Niederdeutschen stammende Neutrum geht über asächs. meti auf germ. *mata-/*mati- >Speise, Essen< (vgl. Maat, Matelot) zurück. Die im Altsächsischen wie auch bei engl, meat eingetretene Bedeutungsverengung >Speise< > >Fleisch< war der erschließbaren westgermanischen Zusammensetzung "matiz-sahsa- >Schneidewerk-
zeug für Speisem (eigtl. >Speiseschwertam Fest des Hl. Jakob, Josef< usw., vgl. auch österr. Floriani-Prinzip vs. hochd. (Sankt-)Florians-Prinzip. Michael ist ein mit dem semitischen Element el >Gott, Gottheit, Jahwe< (s. Allah) gebildeter alttestamentlicher Name hebr. mikä'el >wer ist wie Gott; wer ist gleich Gottgroßgroßzur großen Stadtsehr, viel[zu der] großen Burgwenig< vs. lutel >klein
vielgroß, vielgroß< auf die gleichbedeutende indogermanische Wurzel *meg(h)~, *mag(h)~ (s. Magnus, mega) zurück. Außer in Ortsnamen lebt aber das deutsche Adjektiv praktisch auch im seit dem Mittelalter im Oberdeutschen volkstümlich gewordenen männlichen Vornamen Michel1 fort, den man üblicherweise als eine in irrtümlicher Anlehnung an michel entstandene Nebenform von Michael1 (s. Michaeli, wo auch Auskunft über Michel2, MicheP und MichaeP zu finden ist) ansieht. Die Beliebtheit dieses Vornamens musste allerdings seit Mitte des 16. Jh. zurückgehen, nachdem die zuerst in der 1541 veröffentlichten Sammlung deutscher »Sprichwörter« S. Francks (1499-1542/43) aufgekommene Wendung Ein rechter dummer Jan, der teutsch Michel allmählich zur Bezeichnung eines einfältig-naiven Menschen bzw. des weltfremden, unpolitischen Deutschen (deutscher Michel) geworden war. Midi veraltet >Süden; Mittage Übernahme von gleichbed. frz. midi, das aus den nur in Zusammensetzungen vorkommenden Elementen (gebundenen lexikalischen Morphemen) mi- >Mitte< (s. mitten) und -dt >Tag< (s. Jour, Zeus) besteht. Strukturgleich mit Midi und daher seine etymologisch adäquate Dublette im Deutschen ist der italienische Exotismus Mezzogiorno >der Teil Italiens südlich von Rom, einschließlich Siziliens Migräne >anfallsweise auftretender, meist einseitiger heftiger Kopfschmerze Im 18. Jh. entlehnt aus gleichbed. frz. migraine, das selbst seit dem 12. Jh. bezeugt ist und eine lautliche Umgestaltung von lat. hemikrania darstellt. Als medizinischer Terminus beruht Letzteres auf griech. hemikranta, einer Zusammenbildung aus hemi- >halb-< und kranion >SchädelSchmerzklein, gering; kurzklein, gering, fein; ein Millionstel (in Maßeinheiten)^ vgl. Mikrophon/Mikrofon >Gerät zur Über-
tragung von Tönen über Lautsprechen (im 19. Jh. aus gleichbed. engl, microphon übernommene Neubildung aufgrund von micro- und griech. phöne >Laut, Ton, Schall< bzw. dem darauf beruhenden Wortbildungselement -phon, s. Gramm). Aus diesem ist ebenfalls durch Kopfisolierung bedeutungsgleiches Mikro2 n. (vgl. analog frz. micro) als morphosemantische Dublette von Mikro1 hervorgegangen. Die englische Entsprechung von Mikro- tritt beispielsweise auf im Fachbegriff des Flugwesens Microburst >den Start- oder Landevorgang von Flugzeugen gefährdende Fallbö< (aus engl, microburst, Grundwort: burst >Schlag, Stoß; Ausbruche zum mit dt. bersten herkunftsgleichen Verb to burst >platzen, zerbrechendas kleine, d.h. das kurze O, oTausendtausendfür< (s. vor): per/pro mille >für tausend, vom Tausend< (vgl. auch die erst durch die Alkoholmessung üblich gewordene Substantivierung Promille >Tausendsteltausend (Doppelschritte)« (s. Passus) gelangte ins Westgermanische: *mïlja, das über ahd. mtla und mhd. mïl(e) in nhd. Meile fortbesteht. Die Kompositionsformen des lateinischen Numerales milli- und (vor Vokal) mill- erscheinen z.B. in Millimeter (< frz. millimètre tausendstel Meter«, gebildet aus milli- und frz. mètre »Meter«, s. Metrum) bzw. Millennium J a h r tausend« (Zusammenbildung aus mille und lat. annus >Jahrtausend Punkte«, s. Punctum puneti und vgl. Mille fleurs'). Sofern ital. mille lat. mille unverändert fortführt, das einstige Längenmaß aber die etymologische Dublette miglio (Plur. miglia) >Meile< ergeben hat, liegt im Exotismus Mille Miglia >Langstreckenrennen für Sportwagen in Italien« (eigtl. >tausend Meilen«, buchstäblich >tausend Tausende«) aus wortgeschichtlicher Sicht eine kuriose tautologische Verknüpfung vor. Port, mil »tausend« ist schließlich erste Komponente von Milreis >alte Währungseinheit in Portugal und Brasilien« (eigtl. »tausend Reis«, s. Regal).
Millefleurs
220
Millefleurs 1 n. >Streublumenmusterzu e i n e m Dienst Be-
Z u s a m m e n r ü c k u n g aus mille >tausend< u n d fleur
auftragter, Beamter< zurückgehen.
u n d Minstrel »Spielminstrel),
>Blume< u n d bedeutet d e m n a c h eigentlich >tausend Blumentausend< (s. Mille) >Blume< (s. Flor1).
flos, A k k . florem
und
D i e italienischen
M i n i s t e r i u m : Relatinisierte E n t l e h n u n g v o n gleichbed. frz. ministère,
dieses aus lat. ministerium
A m t s b e z i r k (zu minister
>Dienst,
urspr. >Diener, Untergebe-
Fortsetzer derselben lateinischen W ö r t e r lauten mille
n e n f ü r älteres *ministeros
u n d fiore u n d sind in einer a n a l o g e n K o n s t r u k t i o n
verbialen K o m p a r a t i v minus >weniger< v o n
< *minustoros,
v e r k n ü p f t , die im D e u t s c h e n d u r c h -glas verdeutlicht
>klein, g e r i n g e s. Minor, w o b e i der L a u t w a n d e l u > i
auftritt: Millefiorig/as >Mosaikglas, vielfarbiges
wohl unter Einfluss der V o r f o r m *magisteros
Kunstglas aus verschiedenfarbigen Glasstäben, die
magister, s. Magister,
erklärbar ist). Aus
z u m adparvus von
ministerium
m i t e i n a n d e r verschmolzen u n d in Scheiben ge-
(im Kirchenlatein auch >GottesdienstGeheimnis, Geheimlehre< (s.
die kontrahierte F o r m r o m a n . *misterium,
Mysterium) das über
afrz. mestier >Dienst, A m t , Handwerk< u n d frz. métier
renden e t y m o l o g i s c h e n Dubletten Mini 1 m. (isoliert
>Fach, b e r u f l i c h e T ä t i g k e i t gleichbed. dt. Metier er-
aus Minirock,
gab.
das engl, miniskirt
Mini 2 n. (isoliert aus Minikleid,
nachbildet) u n d aber auch in der Be-
d e u t u n g >Minimode< gebraucht) eine Verselbständi-
M i n o r >Begriff mit e n g e r e m U m f a n g im S y l l o g i s m u s c
g u n g v o n - d e r Praxis i m Englischen folgend - p r ä -
Das aus lat. minor (terminus),
fixartig a u f t r e t e n d e m Mini-
g r i f f ^ verselbständigte F r e m d w o r t repräsentiert die
-computer,
>Klein-< (vgl.
Minicar,
-golf, -knirps u.a.). Als K o m p o s i t i o n s g l i e d
stellt engl, mini-
( z . B . in minibus
>KleinbusMiniaturbildder kleinere (Be»klein, gering< f u n g i e -
rende S u p p l e t i v f o r m minor, G e n . minoris
»kleiner,
g e r i n g e n . Dessen N o m i n a t i v Plural ist Attribut in
adjektivisch >sehr klein, klein dimensioniert< dar, das
Fratres minores >Minoritenbrüder< (s. Bruder).
ital. miniatura
flexe des lateinischen Adjektivs treten in minor,
>Kleinmalerei< ( < mlat.
miniatura
Re-
>Buchmalerei, m i t Z i n n o b e r r o t a u s g e f ü h r t e Z i e r m a -
mineur, minore als jeweils englische, französische u n d
lereimit Z i n n o b e r färbenZinnoberkleiner< (s. Minor)
angelehnt
w u r d e , ist die Quelle s o w o h l v o n dt. Miniatur >kleines Bild; (kleine) I l l u s t r a t i o n als auch v o n gleichbed. frz. miniature,
das in der präpositionalen F ü g u n g en
miniature >in kleinem Maßstab< (s. in) vorliegt. ministerial/ministeriell >von e i n e m Minister o d e r M i -
a u f , vgl. auch die Substantivierung Minore »Molltonart; Mittelteil in M o l l eines Tonsatzes in DurGroßmarkt, Ausstellung*. Eine analoge
wie engl, mint f r ü h ins Westgermanische entlehnt
B e d e u t u n g s e n t w i c k l u n g weist das K o m p o s i t u m Kir-
aus lat. menta/mentha,
das z u s a m m e n mit gleichbed.
griech. minthe aus einer u n b e k a n n t e n S p r a c h e
mes/Kirmse
a u f , das u r s p r ü n g l i c h >Messe zur Kirch-
weihe*, d a n n >Erinnerungsfest a m Jahrestag der
s t a m m t . Engl, mint ist erstes G l i e d in MintsojSe, einer
Kirchweihe, Volksfest* u n d schließlich auch >im A n -
Lehnübersetzung o d e r A d a p t a t i o n v o n engl,
schluss daran veranstalteter Jahrmarkt* (s.
mint-
Kirche)
sauce (vgl. Soße), der Bezeichnung f ü r eine würzige
bedeutete. N a c h der a m 2. F e b r u a r stattfindenden
Soße aus G r ü n e r M i n z e . G e b u n d e n erscheint auch
Kerzenweihe u n d Lichterprozession nannte m a n die-
die Variante mentha des lateinischen Wortes in der
ses katholische Fest zur E r i n n e r u n g an die Darstel-
gelehrten B i l d u n g des 19. Jh. Mentho/ B e s t a n d t e i l des
lung Jesu im Tempel m h d . liehtmesse,
Pfefferminzöls< (über das G r u n d w o r t s.
w o r t heute w i e in Kirmes a p o k o p i e r t erscheint:
Oleum).
M i s e l : E. Seebold f ü h r t diesen A r c h a i s m u s mit d e m V e r m e r k a u f , dies sei das bei G o e t h e als A n r e d e j u n ger M ä d c h e n v o r k o m m e n d e elsässische D i m i n u t i v zu Maus. Es handelt sich also u m die entrundete, nicht d i p h t h o n g i e r t e K u r z f o r m v o n o b e r d . Mäuslein, die mit d e r bairisch-österreichischen ebenso w i e h o c h d . Mäuschen
Mäusel/Mäusl
u n d ihre g e m e i n s a m e
G r u n d l a g e Maus (s. d.) als K o s e w o r t m i t der B e d e u tung >kleines K i n d , Mädchen* gebräuchlich ist. D a gegen hat nach K. K r ü g e r - L o t e n z e n Mäusle in der als scherzhafte V e r w ü n s c h u n g u n d h a r m l o s e n Z w i s c h e n r u f der V e r w u n d e r u n g gebrauchte W e n d u n g Dass dich das Mäusle
beiß! nichts mit der M a u s zu
tun. U r s p r ü n g l i c h sei sie keineswegs h a r m l o s , d e n n das d a r i n enthaltene Meisel k o m m e v o n
Miselsucht
>unheilbarer, tödlicher Aussatz*, so dass sie eigentlich Dass dich die Miselsucht
befalle!
meine.
(Maria)
Lichtmess.
dessen G r u n d -
D a s N e u t r u m des lateinischen
Partizips missum >geschickt, gesandt*, substantivisch >(aus der K ü c h e ) Geschicktes, (zu Tisch) A u f g e t r a g e nes, Speisegang, Gericht* lieferte über afrz. mes >Speise, Mahlzeit* engl, mess >Mahlzeit; Tischgesellschaft*, das seinerseits im 19. Jh. dt. Messe 3 »Speiseu n d A u f e n t h a l t s r a u m auf e i n e m Schiff; Tischgesellschaft der O f f i z i e r e oder der Schiffsbesatzung* ergab. D i e im Spätlatein a u f g e k o m m e n e B e d e u t u n g v o n lat. mittere »setzen, legen* bürgert sich über das R o m a n i sche in frz. mettre »stellen, legen, setzen, einsetzen* ein, dessen seit d e m 13. Jh. substantivisch g e b r a u c h tes, lat. missa f o r t f ü h r e n d e s f e m i n i n e s Partizip Perfekt mise die Quelle des F r e m d w o r t e s Mise »Einsatz bei Glücksspielen; einmalige P r ä m i e bei der Lebensversicherung* ist. D a s M a s k u l i n u m des f r a n z ö s i schen Partizips v o n mettre bzw. v o n dessen Präfigier u n g remettre »zurückstellen* tritt uns im T e r m i n u s
M i s s a >katholischer Gottesdienst, Messfeier*: S u b s t a n -
des Schachspiels .Remis/remis (s. d.) entgegen.
tiviertes F e m i n i n u m des Partizips Perfekt missus m. v o n lat. mittere e n t l a s s e n , gehen lassen; schicken,
Mittel 1 n. »Hilfe, M a ß n a h m e , M e d i k a m e n t , Substanz*:
senden*, das i m Kirchenlatein aus der die gottes-
D a s N e u t r u m , dessen B e d e u t u n g e n sich aus »Mitte,
dienstliche V e r s a m m l u n g (lat. concio/contio)
das sich in der Mitte Befindende* entwickelt h a b e n ,
auffor-
d e r n d e n S c h l u s s f o r m e l Ite, missa est! >Geht, sie ist
ist eine Substantivierung des heute im Positiv nicht
entlassen!* herausgelöst w u r d e u n d d a n a c h auch als
m e h r gebräuchlichen Adjektivs mittel »in der Mitte
B e z e i c h n u n g eines geistlichen Tonwerks in seiner u r -
befindlich*, einer w e s t g e r m a n i s c h e n ¿/-Weiterbil-
s p r ü n g l i c h e n A u f f ü h r u n g w ä h r e n d des kirchlichen
d u n g *middil-
H o c h a m t s aufzutreten b e g a n n . I m D e u t s c h e n begeg-
Teil*) des unter mitten erörterten G e r m a n i s m u s
(vgl. engl, middle
»mittler; mittlerer
net uns das F r e m d w o r t als E x o t i s m u s in F ü g u n g e n
*midja-,
wie Missa solemnis
sein K o m p a r a t i v mittler u n d sein Superlativ
f e i e r l i c h e s Hochamt* (s.
vgl. f e r n e r seinen Genitiv in Ordinarium
solenn),
missae >die
westgerm. *middi-.
Ü b l i c h sind weiterhin mittelst,
es tritt aber a u ß e r d e m auf in mittlerwei/e ( m h d . in
im ganzen K i r c h e n j a h r gleich bleibenden G e s ä n g e
mitler wile, f r ü h n h d . mittler weile »in der Z w i s c h e n -
der Messe* (s. ordinär).
zeit*, eine i m D a t i v Singular erstarrte u n d z u s a m -
H e r k u n f t s g l e i c h e s ital. messa
A u s f ü h r u n g , Verwirklichung* ist ebenfalls in e i n e m
mengerückte p r ä p o s i t i o n a l e F ü g u n g , vgl. weil)
und
mitten
222
als Vorderglied von Komposita wie etwa mittelgroß, -stark, Mittelalter, -punkt, -schule, -stand. Isolierungen aus solchen Bildungen sind ugs. mittel >mäßig, durchschnittlich< (aus mittelmäßig, -prächtig) und das Fachwort Mittel2 f. >Schriftgrad von 14 Punkt< (aus Mittelschrift, vgl. Perl). Der erstarrte Genitiv von Mittel1 ist seinerseits zur Präposition mittels/(auch mit epithetischem -t) mittelst >mithilfe von, durch< umfunktioniert worden. mitten: Adverbial erstarrter Dativ Plural des untergegangenen Adjektivs mhd. mitte, ahd. mitti >in der Mitte befindlich*, das auch als Bestimmungswort in Mittag, Mittwoch, Mitternacht (hier erstarrter Dativ Singular, vgl. mhd. ze mitter naht >mitten in der NachtRangbezeichung in der britischen und amerikanischen MarineErde, Weltder Ort zwischen dem Sitz der Asen Asgard und der Unterwelt) wird es über germ. *midja-, älter *medjaauf idg. *medhyo- >mittler< zurückgeführt. Aus derselben Grundlage hervorgegangen sind gleichbed. griech. mesos (z.B. in Mesolithikum >mittlere SteinzeitMittelbegriff im Syllogismus< (elliptisch für medius terminus), Media >stimmhafter Verschlusslaut (nach der Mittelstellung zwischen Tenuis und Aspirata)Aktionsform des Verbs; Mittelsperson beim Spiritualismus* bzw. durch engl, medium vermittelt - medium >mittelgroß (Abkürzung: M als Kleidergröße, vgl. large und small unter largo und schmal); halb durchbratenunmittelbar zur Sache* (eigtl. >mitten in die Dinge hinein*, vgl. in, Res). In der Kaufmannssprache spiegeln ferner Medio M o natsmitte* und medio >in der Mitte des Monats* über ital. medio >mittler, Mittel-* erneut übernommenes lat. medius wider, während z.B. in Mezzotinto T e c h nik des Kupferstichs* (s. Tinte, vgl. Intermezzo), Mezair >erster Teil der Kurbette* (aus mezzo und aria >Luft* durch französische Vermittlung, s. Arie) bzw. mezza voce >mit gedämpfter Stimme, halblaut (zu singen, zu spielen)* (s. Voces) und in Milieu (s. loco), veraltet Midi (s. Jour) jeweils ital. mezzo m. bzw. mezza f. >halb, mittler* und frz. mi- >mittel-< als ro-
manische Fortsetzungen des lateinischen Adjektivs auftreten. Zwar begegnet frz. mi- heute nur noch als erster Bestandteil von Komposita, es steckt aber außerdem in demi >halb; Hälfte; Halbe* (< vlat. *dimedius für lat. dimidius >halbelfeinhalb*. s. ein1, zehn, et), gespielt mit 52 Karten, von denen das As 11, jedes Bild Vi, die anderen nach Nennwert gewertet werden. Nach Entgleichung d - d> r - d und Zusammenrückung ist aus dem lokativischen Ausdruck *mediei die >am mittleren Tag* lat. meridie >am Mittag* entstanden und daraus meridies >Mittag* rückgebildet worden, zu dem sich das Adjektiv meridianus >mittägig* stellte. Die darauf beruhende Fügung meridianus circulus >Mittagskreis* (s. Zirkel) lieferte im 16. Jh. Meridianzirkel und seit dem 17. Jh. daraus isoliertes Meridian >über beide Pole laufender und zum Äquator senkrechter Großkreis auf der Erd- oder Himmelskugel*. Mob >Pöbel, randalierender Haufen*: Das Fremdwort spiegelt die Kopffragmentierung engl, mob a u f g e wiegelte Volksmenge* wider, die über gleichbed. veraltet mobile zurückgeführt wird auf lat. mobile vulgus >wankelmütige Menge*, eine nach C. T. Onions und A. J. Storfer bei Claudius belegte Stelle, vgl. aber auch mobilium turba Quiritium >Haufen der wankelmütigen Bürger* bei Horaz. Das darin enthaltene Adjektiv möbilis »beweglich* (kontrahiert aus *movibilis, zu movere >bewegen*, s. Motor) lieferte über frz. mobile dt. mobil >beweglich, einsatzbereit, lebhaft*. Aus vlat. *mobilis (mit wohl durch Einwirkung von movere verkürztem Tonvokal) entwickelte sich regelrecht frz. meuble >beweglich*, das substantiviert zuerst b e w e g liche Habe*, dann auch >Hausrat, Einrichtungsgegenstand* bedeutete und dt. Möbel ergab. Vorbild für die rechtssprachliche Verwendung von frz. meuble war offensichtlich die mittellateinische Fügung bona mobilia >bewegliche Güter* (daraus gleichbed. frz. biens meubles) und das aus dieser verselbständigte mobilia (Sing, mobile), welches zu Mobilien b e w e g liche Güter, bewegliches Vermögen* eingedeutscht wurde. Eine weitere Substantivierung Mobile >durch Luftzug in Schwingung geratendes, von der Decke hängendes Gebilde aus Fäden, Stäben und Figuren* stammt aus gleichbed. engl, mobile, während die musikalische Vortragsanweisung mobile »beweglich, nicht steif* auf ital. mobile fußt. Das italienische Wort, in dem der Akkusativ mobilem von lat. mobilis m./f. fortlebt, ist übrigens mit dessen Neutrum mobile gleich lautend geworden, welches in den Fügungen Primum mobile >der erste (unbewegte) Beweger* (s. prim) und Cor mobile >Wanderherz* (s. Herz) sowie im sprachwissenschaftlichen Fachausdruck s mobile »bewegliches s, anlautendes s-< (vgl. einige diesbezügliche Zusammenstellungen unter Moder,
Modus
223
schmal, Schurz)
auftritt. I m D u d e n - F r e m d w ö r t e r -
(s. Modus)
nach d e m Vorbild v o n hodiernus
>heutig
heuteFahrzeug, Auto
Muster, Typ; E n t w u r f ; G i e ß f o r m ; Einzelanfertigung eines Kleidungsstücks; Person o d e r Sache als V o r b i l d f ü r ein K u n s t w e r k ; M a n n e q u i n c D a s u m 1600 aus ital. modello
>Vorbild, Muster, Entwurf
Maß, Maßstab
Modell; Vorbild, MusterFotomodell< (über das H o m o g r a p h Model1
s.Modul1).
S c h l a m m , Schlammerde«: Das seit d e m 14. Jh. bezeugte W o r t s t a m m t aus m n d . modder
»Schlamm«,
das m a n m i t den s m o b i l e (s. Mob) a u f w e i s e n d e n schmuddelig
u . a . auf idg.
*(s)meu(t)~
>feucht, s c h i m m e l i g , m o d r i g ; unreine Flüssigkeit; S c h i m m e l ; Schmutz; beschmutzen< z u r ü c k z u f ü h r e n sucht. D i e in Essigmutter >von Essigsäurebakterien gebildeter B o d e n s a t z bei Essig u n d alkoholhaltigen Flüssigkeiten« zu b e o b a c h t e n d e U m d e u t u n g v o m Moder hat nach G . Stucke ihren G r u n d in d e r A u f f a s sung des Bodensatzes als »Mutter«, d . h . als G r u n d lage d e r g ä h r e n d e n Flüssigkeiten. Seit d e m 19. Jh. gilt n o r d d t . Modder >Schlamm, Schmutz« als h o c h d e u t scher R e g i o n a l i s m u s u n d ist d e m n a c h nicht als Variante, s o n d e r n als e t y m o l o g i s c h e Dublette des in seiner B e d e u t u n g u m f a s s e n d e r e n Moder
anzusehen.
modérât >gemäßigt, m a ß v o l l e I m 19. Jh. ü b e r n o m m e n aus d e m adjektivierten Partizip Perfekt
moderatus
>gemäßigt, m ä ß i g , besonnen« des zu modus >Maß, G r ö ß e , Mäßigung« (s. Modus) Verbs moderare dt. moderieren
gebildeten lateinischen
>mäßigen, zügeln, lenken«, aus d e m urspr. >mäßigen, mildern«, d a n n - u n -
ter Einfluss v o n engl, to moderate
- >eine S e n d u n g
mit einleitenden u n d v e r b i n d e n d e n Worten versehen« s t a m m t . A l s musikalische T e m p o b e z e i c h n u n g moderato >gemäßigt, m ä ß i g schnell« w u r d e es außerd e m über gleichbed. ital. moderato
zugleich auch
in substantivierter F o r m Moderato >Musikstück in m ä ß i g schnellem Zeitmaß« entlehnt. modern: I m 18. Jh. in d e r B e d e u t u n g >neu, neuzeitlich, zeitgemäß« entlehnt über frz. moderne lat. modernus
aus gleichbed.
(vgl. dessen F e m i n i n u m in b i l d u n g s -
Jazz/Modernjazz
>Musikformen des Jazz nach 1945«, Modern
Dance
»amerikanische F o r m des Ausdruckstanzes« (s. Tanz) vor. D i e gegenwärtig s o w o h l f ü r dt. modern auch f ü r frz. moderne
als
kennzeichnenden B e d e u t u n -
gen »neuartig; a u f die H ö h e der Zeit; d e m Zeitges c h m a c k entsprechend« sind v o n ebenfalls unter Modus e r ö r t e r t e m Mode beeinflusst. D e r i m D u d e n F r e m d w ö r t e r b u c h verzeichnete B r i t a n n i s m u s M o d »Angehöriger einer G r u p p e männlicher Jugendlicher, die den Musikstil der 60er Jahre des 20. Jh. u n d als K l e i d u n g A n z u g u n d Krawatte bevorzugen« w i r d als U m f o r m u n g v o n engl, mode »Art u n d Weise, Lebensart« (aus lat. modus)
M o d e r >in V e r w e s u n g ü b e r g e g a n g e n e r K ö r p e r , Fäulnis,
Schmutz,
n u n g liegt das Adjektiv in Modern
interpretiert, w ä h r e n d in Webs-
ter die englische Vorlage mod w o h l nicht zu Unrecht als F r a g m e n t i e r u n g aus modern
hergeleitet w i r d .
M o d u l 1 m. »Verhältniszahl m a t h e m a t i s c h e r o d e r technischer G r ö ß e n ; Materialkonstante«: D e r a n f a n g s betonte m a s k u l i n e T e r m i n u s d e r M a t h e m a t i k u n d Physik stützt sich auf die deglutinierte F o r m v o n lat. modulus
»Maß, Maßstab« ( D i m i n u t i v zu
»Maß, M a ß s t a b , Größe«, s. Modus),
modus
w ä h r e n d das end-
betonte N e u t r u m Modul 2 n. »Bau- o d e r Schaltungseinheit in d e r Elektrotechnik u n d EDV« über ebenfalls auf modulus
f u ß e n d e s engl, u n d frz.
module
vermittelt w u r d e . U n m i t t e l b a r aus d e m Lateinischen s t a m m t das zwar vielfach auch in der F o r m v o n Modul1
a u f t r e t e n d e Model 1 m . »Maß, Muster, Form«
( m h d . model, a h d . modul, ü b e r Model2
n. s.
Modell),
das aber heute n u r n o c h im h a n d w e r k s s p r a c h l i c h e n Bereich ( z . B . »erhabene D r u c k f o r m f ü r S t o f f - u n d Tapetendruck; Stick- u n d Wirkmuster«) sowie in süddeutschen M u n d a r t e n u n d in Österreich (hier speziell im S i n n e v o n »Kuchenform«) üblich ist. Ü b e r niederl. mal u n d afrz. modle/mole
(heute: moule »Ma-
trize, Gussform«, vgl. das F r e m d w o r t Moulage
»Ab-
d r u c k , Abguss, b e s o n d e r s farbiges anatomisches W a c h s m o d e l l v o n Organen«) w i r d f e r n e r fachspr. Mall »Muster, M o d e l l f ü r Schiffsteile, S p a n t e n s c h a b lone« auf lat. modulus
»Einheit, Maßstab« z u r ü c k g e -
f ü h r t . D e m m a t h e m a t i s c h e n F a c h w o r t modulo »plus ein V i e l f a c h e s v o n . . . < als B e g r i f f aus der Z a h l e n t h e o rie z u m R e c h n e n mit Resten liegt lat. modulo d e m Maß«, Ablativ Singular v o n modulus,
»mit
zugrunde.
M o d u s »Art u n d Weise, Verfahrensweise; Aussageweise des Verbs; K i r c h e n t o n a r t , Melodie«: E n t l e h n u n g v o n lat. modus m. »Maß, G r ö ß e ; A r t , Weise; Melodie«
spr. Via moderna »rationalistisch-mathematische
(eigtl. »Gemessenes, Erfasstes«, zu idg. *med-,
M e t h o d e des Kartesianismus«, s. via1). Dieses ist eine
»messen, ermessen«, w o r a u f über gleichbed. g e r m .
Ableitung aus modo >nur, gerade, sogleich, jetzt«
*meta- auch dt. messen, Maß zurückgehen, vgl. Mal).
*mad-
Mohr
224
Sein erstarrter Ablativ Singular modo liegt vor in Wendungen wie hello modo >auf schöne, passende Art< (s. Beau), bono modo >auf gute Weise< (s. Bon), grosso modo >im großen Ganzen< (eigtl. >auf grobe Weisebewegende Kraft, Beweggrund, Ausschlage eigtl. >Übergewicht, das bei gleichschwebenden Waagebalken den Ausschlag gibtAugenblick< und danach in der Lautung moment bezeugt ist, dieser Gebrauch wurde aber erst seit dem 17. Jh. regelmäßig, nachdem das Substantiv aus frz. moment mit bis ins 19. Jh. üblicher französischer Aussprache und maskulinem Genus zu Moment 2 m. >Augenblick; kurze Zeitspanne< erneut entlehnt worden war. In adäquater Lautung tritt das französische Wort auf im Namen des kleineren, meist für Klavier komponierten lyrischen Musikstücks Moment musical (eigtl. »musikalischer Augenblicke s. musikalisch) sowie in der im Duden-Fremdwörterbuch verzeichneten präpositionalen Fügung au moment »im Augenblicke Lat. momentum ist durch Kontraktion aus dem zum Verb movere >bewegen< (s. Motor) gebildeten Abstraktum movimentum >Bewegung< hervorgegangen, das in vollständiger (oder wiederhergestellter?) Form z.B. frz. mouvement (woraus engl, movement), ital. movimento >Bewegung< zugrunde liegt, vgl. Letzteres in der musikalischen Vortragsanweisung doppio movimento »doppelte Bewegung, doppelt so schnell wie bisher< (s. Double). Monasterium »Kloster(kirche), Münsterc Der Umstand, dass für diesen im Duden-Rechtschreibung lemmatisierten Gräzismus im Duden-Fremdwörterbuch eingeräumt wird, es handele sich bloß um eine lateinische Bezeichnung für Kloster, Münster, berechtigt dazu, das Vorhandensein eventueller üblicherer Vertreter dieses Exotismus im Deutschen zu überprüfen. Kirchenlat. monasterium stammt aus griech. monastSrion »Einsiedelei, KlosterKloster; Klosterkirche< und gleichbed. ahd. munistri dar. Unter noch ausgeprägterer Übertragung des Namens des Ganzen auf einen Teil von ihm (sog. Totum pro parte) entsprangen den Letzteren als Bezeichnungen für große (bischöfliche) Kirchen sowie als (Teile von) Ortsnamen die gegenwärtigen Lautungen engl, minster (etwa im Namen der westlichen Innenstadt Londons Wesiminster, eigtl. >WestmünsterKloster, StiftMond; Monat< zurück, bei dessen Herleitung man an idg. *me- >wandern, abschreiten, abstecken, messen< anzuknüpfen sucht. Demnach soll *menöt- primär entweder >Zeitmesser< oder (nach dem Duden-Herkunftswörterbuch) eher >Wanderer (am Himmelszelt) < und im Anschluss daran auch >Mondwechsel< bzw. >Monat< bedeutet haben. Da der N a m e des Himmelskörpers - im Gegensatz zum zählbaren Gattungsnamen - nur singularisch vorkam, fiel bei ihm im Germanischen das meist im absoluten Auslaut stehende -p ab, und nach seinem Übergang zu den n-Stämmen (vgl. gehoben Mondenschein gegenüber sekundärem Mondschein) kam es zur Aufspaltung des Wortes in *mä:nöp >Monat< und *mcsnön >MondMonatTag der Mondgöttin Luna< (s. Zeus) f ü r griech. hemera Seiines >Tag der Mondgöttin Selenedick gefütterte Winter-
Moneta
stiefel aus Kunststoff< (aus dem gleichbedeutenden englischen Plural moonboots, eigtl. >Mondstiefel Flitterwochen (s. Honig). M ö n c h : Die Bezeichnung f ü r die Angehörigen eines geistlichen Ordens führt die mitteldeutsche delabialisierte Variante mönch von mhd. mün(e)ch, das nach der Synkope des -e- im Familiennamen Münch (Übername z.B. f ü r einen entlaufenen M ö n c h ) und als erstes Glied von Münchhausen >Aufschneider< (nach dem berühmten Anekdotenerzähler des 18. Jh. Freiherr von Münchhausen, s. Haus) weiterlebt. Ein erstarrter Dativ Plural derselben Lautform liegt vor im Siedlungsnamen München (eigtl. >bei den M ö n chenEinsiedler< zurück. Das griechische Wort ist eine Substantivierung des gleich lautenden Adjektivs, welches von mönos >allein, einzeln< (s. mono) abgeleitet ist und >allein lebend< bedeutet. Die semantische Entwicklung des Wortes Mönch zeugt davon, wie sich aus dem Einsiedlertum wohl über Eremitenkolonien geistliche Orden und klösterliche Gemeinschaften entwickelten. Aus lat. monachus hervorgegangenes ital. monaco >Mönch< liegt Monaco/Monako, dem Namen des Fürstentums an der Cöte d'Azur und dessen Stadtbezirks, zugrunde. Im Unterschied dazu nennen die Italiener München Monaco di Baviera, d.h. >der Bayerische MönchMahnerin, Warnerinerinnern, mahnenMünzstätte; gemünztes Geld(Bar)geldGeldstück< entlehnt, aus dem sich über ahd. munizza (mit postvokalischer Spirantisierung von -t-) und mhd. münze die heutige Lautform Münze entwickelte. In der Schweiz hat sich daneben morphologisch wohl unter Einfluss von Hart-, Kleingeld und im Gegensatz zu Papiergeld in mundartnahem Gebrauch das Neutrum Münz >Kleingeld< etabliert. Über afrz. moneie ergab moneta einerseits frz. monnaie >GeldGeldtäschchen, Börse< (imperativische Z u s a m m e n -
Mongole
Setzung aus porter >tragen< und monnaie) Grundwort ist, und andererseits engl, money >Geldgerissener Geschäftsmann; cleverer Großverdienen (eigtl. >GeldmacherZeit ist Geld< (s. Ist). Mongole: Das nach Ausweis von C. T. Onions üblicherweise auf mong. mong >kühn, tapfer< (eigtl. murtch, among. möng-e >stark; kühnMongole; mongolischMongoleeinkanalig(in Bezug auf die Schallübertragung) einkanaligLaut, Ton; Stimme< (vgl. Gramm) beruht. In dt. mono, das in Ausdrücken wie eine mono aufgenommene Schallplatte vorkommt, spiegelt sich (ebenso wie in Mono, das seinerseits aus Monophonie >einkanalige Schallübertragung< isoliert und mit ihm gleichbedeutend ist) das griechische Adjektiv mönos >allein, einzeln, einzig< wider. Heute sind mon(o)- und Mon(o)- im Sinne von >ein-, allein-< Vorderglieder zahlreicher Wörter und Fachausdrücke des internationalen Wortschatzes wie Monarch (eigtl. >AlleinherrscherEinglas< (eigtl. >einäugigAugeGieß- und Setzmaschine für Einzelbuchstaben< (s. Typos). Verdunkelte Vertreter des griechischen Adjektivs als Vorderglied von griech.-lat. monasterium >Kloster(kirche)< liegen vor in den Entlehnungen Münster und Westminster (s. Monasterium, vgl. Mönch), die somit als gebundene Dubletten der im Deutschen verselbständigten mono, Mono auftreten. Monseigneur: Der als Titel und Anrede hoher französischer Geistlicher, Adliger und hochgestellter Personen gebrauchte Exotismus ist wie Monsieur >Herr< eine Zusammenrückung aus frz. mon (< lat. meum, Akkusativ von meus >meinHerr< (s. Senhor), so dass beide eigtl. >mein Herr< bedeuten. Analog strukturiert sind ital. monsignore und messere in den Fremdwörtern Monsignore >hoher Würdenträger der katholischen Kirche< und Messer 2 m. >Herr< als Anrede f ü r Höhergestellte in der italienischen Komödie.
226
Über das weibliche Pendant dieser Anrede s. Madame und über homonymes Messer1 n. Mett. Monster >Ungeheuer, furchterregendes Fabeltiere Das als Bestimmungswort auch im Sinne von >Riesen-< gebrauchte Substantiv ist aus gleichbed. engl, monster entlehnt, das über (a)frz. monstre (gelegentlich in dt. Monstre/i/m statt Monsterfilm vorkommend) auf lat. monstrum >Ungeheuer, Scheusal, Ungeheuerlichkeitmahnendes Zeichen der Götter durch ein widernatürliches Ereignis< (zu monere >erinnern, mahnen, zurechtweisen^ vgl. Moneta) zurückgeht. Unmittelbar aus diesem stammt Monstrum, das zwar synonym mit Monster gebraucht wird, außerdem aber auch >großer unförmiger Gegenstand< und in der Medizinsprache >Missbildung, Missgeburt< bedeutet. montan bergbaulich, Bergbau und Hüttenwesen betreffende Das vorwiegend als Bestimmungswort von Zusammensetzungen wie Montangesellschaft >Bergbaugesellschaft< auftretende Adjektiv wurde im 19. Jh. terminologisierend aus lat. montanus >gebirgig; zum Berg gehörig; (lexikographisch Montanus auch als Name des Gründers einer altchristlichen Sekte verzeichnet) entlehnt, das zu mons, Gen. montis >Berg< (s. Montes) mit dem Zugehörigkeit anzeigenden Suffix -an-(e)us gebildet ist. Der Genitiv Plural der lateinischen Vorlage ist Bestandteil des Attributs im akademischen Titel doctor rerum montanarum >Doktor der Bergbauwissenschaften< (abgekürzt: Dr. rer. mont., s. Res). Auf dem substantivierten Neutrum Plural montana >Gebirgsgegenden< beruht der Name des US-Staates Montana. Eine analoge und zu einem Femininum singularisierte romanische Form *montanea/*montania ergab u.a. afrz. montagnia/ montaigne >Berg< (daraus der Ortsname Montagne, 10. Jh. Montagnia, bzw. der Familienname des französischen Schriftstellers und Philosophen des 16. Jh. Montaigne), das im 13. Jh. gleichbed. engl, mountain lieferte. Gebunden liegt dieses vor im Kompositum Mountainbifce >Fahrrad mit breiten Reifen und vielen Gängen für Gelände- bzw. Gebirgsfahrten< (eigtl. >BergfahrradFahrradblauer GebirgskammBergweiblicher SchambergGliedstaat von Serbien-Montenegro< (umgebildet aus dem um 1500 aufgekommenen venezianischen Namen des Berglandes nördlich von Kotor Montagna negra schwarzer Berg< für gleichbed. serb. Crna Gora, vgl. Neger), Montblanc >höchster Gipfel der Alpen und Europas« (eigtl. >weißer Berghöchster Berg der Erde im Himalaja«. Formal gehört auch der wahrscheinlich durch volksetymologische Umdeutung entstandene französische Burgenname Montjoie (angeblich aus oder für lat. Möns gaudii, s. Gaudium) hierher, auf dem der deutsche Ortsname Monschau beruht (s. Gau). Während sich in Murmeltier, dem als Vorderglied vermutlich murem, der Akkusativ zu lat. mus im Rahmen der Fügung mus montis >Bergmaus< zugrunde liegt, Mur- als gebundene etymologische Dublette von Maus (s. d.) isolieren ließ, ist im zweiten Bestandteil infolge der Anlehnung des Ganzen an murmeln und Tier kein vertretbares Substitut des Genitivattributs montis mehr auszumachen. Morgen 1 m. >TagesbeginnOstenMorgen< (eigtl. >Dämmerungflimmernso viel Land, wie ein Gespann an einem Morgen pflügen kann< dargestellt wird, bietet einleuchtende Beispiele für eine morphosemantische Wortspaltung, die infolge von Hypostasierung und Konversion zustande gekommen ist. Der erstarrte Genitiv Singular mhd. morgenes/morgens und der erstarrte Dativ Singular mhd. morgene/morgen liegen den Adverbien morgens >am Morgen, jeden Morgen< und morgen (zunächst tarn Morgenam folgenden Morgen< und schließlich) >am folgenden Tagdie Zukunft< bildete. Durch Zusammenrückung und Substantivierung der präpositionalen Fügung im Ausdruck zu Morgen essen ist im Schweizerischen Zmorge >Frühstück< entstanden. Moritat: Die im 19. Jh. aufgekommene Bezeichnung des Liedes eines Bänkelsängers, das - zu Leierkastenbegleitung und zu einer Bildertafel vorgetragen - von einem schrecklichen oder rührenden Ereignis handelt, wird vielfach mit dem Wort Mordtat identifiziert, aus dem es durch zerdehntes Singen (etwa Mo-red-tat) entstanden sein soll. Sofern ein solches Lied mit einer belehrenden Moral endet, vermutet man jedoch außerdem, Moritat stamme eher aus mlat. moritas, Gen. moritatis >Moralpredigt< (vgl. W. Pfeifer) oder es sei aus dem Latinismus Moralität umgeformt, wobei es
(so E. Seebold) zumindest später als Verballhornung von Mordtat aufgefasst worden sei. Mörser schalenförmiges Gefäß zum Zerkleinernc Das seit dem 15. Jh. auch im Hinblick auf ein Geschütz bildlich gebrauchte Wort geht über wohl nach (zer)mürsen >zerstoßen< (dazu morsch >brüchig, zerfallend< aus gleichbed. frühnhd. mursch = mnd. murs) umgestaltetes mhd. mörser/morscere und ahd. morsäri auf ahd. mortäri zurück, das aus lat. mortarium >Mörser, Mörtelpfanne; Mörtel< (zu idg. *mer>zerreibenzermalmt r-l) mortel auf, worauf nhd. Mörtel >aus Sand, Wasser und Kalk oder Zement bestehendes Bindemittel für Bausteine< (urspr. >zerstampfter Inhalt des Mörsersim Mörser zerstoßen< korrespondiert. Moslem/Muslim >Anhänger des Islams, Mohammedanerc Wie engl. Moslem/Muslem Übernahme von arab. muslim, wörtl. >der sich Gott unterwirft, aktives Partizip von aslama >sich (Gott) unterwerfen^ mit Islam (< arab. isläm >völlige Hingabe an GottbewegenUrheber; Leiter; Anstiften ist mittlerweile außer Gebrauch gekommen (zu analogen Dublettenpaaren s. Abbreviator). Durch die Verwendung des Motors als Bestandteil eines Fahrrads bedingt ist die Entstehung zweier sowohl im Französischen und Englischen wie auch Deutschen gebräuchlicher Kopffragmentierungen, vgl. Schweiz, ugs. Moto >Motorrad< (sonst gebunden etwa im Anglizismus Motocross
Motto
228
bzw. Bicycle-Moto-Cross »Radrennen mit Spezialrädern, s. Bike, Zyklus, Kreuz), das aus Motorfahrrad gekürzte Initialwort (Silbenwort) Mofa sowie das Klammerwort Motel >an Autostraßen gelegenes Hotel< (aus engl, motor [car] hotel, s. Hospital, vgl. Karre). Motto >Denk-, Leitspruch; Devisec Im 18. Jh. entlehnt aus ital. motto >Denk-, Wahlspruch^ das im Sinne von >Wort< entweder direkt aus vlat. *mottum für spätlat. muttum >Muckser; Wort< (zum schallnachahmenden Verb muttire >mucksen, halblaut redenWort< aus derselben Quelle stammt. Dies ist seinerseits durch Übernahme von frz. bon mot »witzige Bemerkung< (eigtl. »gutes WortMückenschwarm< vermutet, wird gewöhnlich auf die das eindringliche Summen nachahmende indogermanische Wurzel *mu- zurückgeführt und scheint somit lautmalenden Ursprungs zu sein. Dann wäre er elementar verwandt mit lat. musca »FliegeMückensehenOrt f ü r gelehrte
musicalia
B e s c h ä f t i g u n g ; BibliothekStudierzimmermusikalischer
wissenschaftliche u n d technische Gegenstände
musikalisches LustspielGattung des Musiktheaters m i t Elementen aus
M u s i c a >Musik als eine der Sieben Freien K ü n s t e (s. Ars)TonkunstMusenkunst< (vgl. Museion).
(téchnè),
eigtl.
Es handelt sich also
u m die Substantivierung der f e m i n i n e n F o r m des griechischen Adjektivs mousikós >zu den M u s e n k ü n s ten g e h ö r i g e einer A b l e i t u n g v o n Moüsa >Muse< im Sinne v o n >Göttin, die die Künste (insbesondere G e sang u n d Dichtkunst) b e s c h i r m t e D u r c h Suffixersatz {-isch anstelle v o n -ikós, vgl. persisch)
ergab das grie-
chische Adjektiv dt. musisch >die s c h ö n e n K ü n s t e betreffend; künstlerisch (durchgebildet, hoch begabt)Art der elektronischen M u sik, die sich alltäglicher realer Klangelemente u n d G e r ä u s c h e w i e W a s s e r t r o p f e n , A u f p r a l l e n eines H a m m e r s u . Ä . bedient u n d diese mittels K l a n g m o n tage über T o n b a n d v e r a r b e i t e t (wörtl. >konkrete MusikSchallplattenapparat in Gast-
stätten, der gegen G e l d e i n w u r f nach freier Wahl M u sikstücke abspielt< (s. Büchse)
und
Countrymusic
> V o l k s m u s i k (der Südstaaten in den USA)Ton-
setzer, Tonkünstlerfreie Vereinigung v o n
M u s i k l i e b h a b e r n (an Universitäten)< (s.
Kolleg).
Schauspiel, Operette u n d Revue< ü b e r n o m m e n . M u s k e l : Diese Bezeichnung f ü r die fleischigen Teile im menschlichen u n d tierischen K ö r p e r w u r d e A n f a n g des 18. Jh. aus in der Sprache der Medizin ü b l i c h e m gleichbed. lat. musculus
m. ü b e r n o m m e n u n d ver-
drängte die ältere Maus, vgl. m h d . müs >Maus; M u s kel besonders a m O b e r a r m e M i t d e m lateinischen Substantiv, das ein D i m i n u t i v zu mus >Maus< (urverw a n d t m i t dt. Maus, s. d.) ist u n d d e m n a c h p r i m ä r >Mäuschen< bedeutet, w u r d e n im übertragenen Sinn sowohl die genannten Körperteile (wie dies entsprec h e n d auch im Griechischen u n d in den slawischen S p r a c h e n der Fall ist, u n d zwar w o h l a u f g r u n d eines Vergleichs der M u s k e l b e w e g u n g e n unter der H a u t m i t einer l a u f e n d e n M a u s ) als auch die M i e s m u scheln (möglicherweise w e g e n ihrer einer M a u s ä h n lich aussehenden F o r m u n d Farbe) bezeichnet. Ü b e r eine f e m i n i n e N e b e n f o r m vlat. *muscula
(daher auch
frz. moule f. >MuschelMuttere Bedeutungsgleiche K o g n a t e n
des deutschen Wortes sind daher u . a . engl,
mother
(etwa im E D V - F a c h w o r t Motherboard >Grundplatte eines C o m p u t e r s , a u f der alle wesentlichen B a u g r u p pen angeordnet s i n d e s. Bord) i m R a h m e n des germ a n i s c h e n Sprachzweiges u n d beispielsweise griech. miter, lat. mater (Plur. matres) i m R a h m e n der i n d o g e r m a n i s c h e n S p r a c h f a m i l i e . A u f d e m Letzteren beruht dt. Mater als T e r m i n u s des D r u c k w e s e n s (eine A r t Papptafel, in die der Satz z u m n a c h f o l g e n d e n G u s s der Druckplatte a b g e f o r m t ist) u n d der M e d i zin (die ein O r g a n u m h ü l l e n d e H a u t , z. B. H i r n h a u t ) ,
Mysterium
vgl. auch den theologischen und kunstwissenschaftlichen Ausdruck Mater dolorosa, eigtl. >schmerzerfüllte Mutten (s. doloros) sowie bildungsspr. Alma Mater >Universität< (eigtl. mährende Mutternährenältere (ehrwürdige) FrauenMutterherrschaftHerrschaftWeltstadt, Zentrum< (über lat. metropolis aus griech. metropolis, eigtl. >MutterstadtHauptstadtHauptstadtbahn< mit der Kurzform (Kopfisolierung) métro, woraus dt. Metro als Bezeichnung für die Untergrundbahn vor allem in Paris und Moskau (über homonymes metro>Mess-< s. Metrum). Aus dem Lateinischen ererbt ist span., port., ital. madre >Mutter< etwa im Namen der drei das Hochland von Mexiko einrahmenden Gebirge Sierra Madre (eigtl. >MuttergebirgeStein-, Löcherkoralle< (wohl über neolat. Madrepora und frz. madrépore aus gleichbed. ital. madrepora, einer feminisierten Zusammensetzung aus madre und dem Gräzismus poro m. >Porekultische
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Weihes einem Abstraktum zum Nomen Agentis mystes >der (in die Eleusinischen Geheimlehren) Eingeweihte< (eigtl. >wer verschwiegen ist, wer die Augen schließt^ zu myein >sich schließen [von Lippen und Augen]kultische Feiern zu Ehren einer Gottheit in der Antike< zum Ausdruck (vgl. ferner die Übertragung des Begriffs auf die auf biblischen Erzählungen beruhenden, Mysterienspiele genannten geistlichen Spiele im Mittelalter und s. das mit Mysterium etymologisch zusammenhängende Mystik). Im 20. Jh. gelangte das Wort über engl, mystery noch einmal ins Deutsche: Mystery >Film oder Roman mit geheimnisvoller, schauriger Darstellung von mysteriösen, meist nicht mit natürlichen Phänomenen erklärbaren Verbrechern. Mystik >im Mittelalter entstandene religiöse Bewegung, bei der der Mensch durch innere Versenkung, Hingabe, Askese u.Ä. zu persönlicher Vereinigung mit Gott zu gelangen suchtc Das feminine Genus des seit dem 16. Jh. in deutschen Texten bezeugten Substantivs deutet daraufhin, dass es sich bei der Bezeichnung dieser Form der Religiosität um eine Ellipse aus kirchenlat. theologia mystica >geheimnisvolle Theologie< oder (auch im Deutschen vorkommendem) Unio mystica geheimnisvolle Einswerdung< (s. Union) handelt. Das lateinische Adjektiv mysticus m., mystica f. >geheimnisvollgeheim, geheimnisvoll (eigtl. >zu den Mysterien gehörend^ s. Mysterium) zurück.
N nach: In der heute als Präposition und Adverb verwendeten Partikel steckt nach W. Henzen der unflektierte Akkusativ Singular Neutrum des Adjektivs nah (mhd. nach, ahd. näh). Im Gegesatz zu hoch (s. d.) wurde der aus dem Germanischen überkommene Auslaut -ch des mittelhochdeutschen Adjektivs nach unter Einfluss des Hauchlauts -h-, der zwischen Vokalen aus dem Spiranten in der ursprünglich funktionalen Variante nahe (einst Adjektivadverb: mhd. nähe, ahd. näho, vgl .fest), im Komparativ näher, im Abstraktum Nähe und vor allem in den flektierten Formen naher, nahen etc. infolge der sog. Neutralisierung der Alomorphe entstandenen war, aufgegeben und in -h umgewandelt, das seit frühneuhochdeutscher Zeit in dieser Stellung verstummte (vgl. den gleichartigen Hergang und die frühere Schreibung rauh von rau, s. d.). Der Bedeutungswandel von nach, dessen Gebrauch in unbetonter Position die Kürzung des Vokals bewirkte, wird wie folgt dargestellt: zunächst >nahe bei, in der Nähe von< (vgl. den ersten Bestandteil von Nachbar, s. Bauer1), dann >auf etwas hin< und schließlich >hinter etwas her; zufolge, gemäß*. Nachen >Kahn, Boote Der als dichterisch und gehoben geltende und am Rhein beheimatete Regionalismus geht über mhd. nache, ahd. nahho zurück auf germ. *nakwön >NachenSchiff< könnte dieses mit gleichbed. lat. navis urverwandt sein, oder aber es hängt mit aind. nägah >Baum< (zu einem daraus erschließbaren Ansatz idg. *nogwo-/*nagwo>Baum(ausgehöhlter) Baum; Einbaum< bedeutet haben. Nachdem das anlautende «- offenbar als Bestandteil des Artikels den oder ein (en) umgedeutet und wie bei Otter vs. Natter (s. d.) abgelöst worden war, entstanden die hochdeutschen mundartlichen Varianten Achen/Ache von Nachen bzw. gleichbed. niederl. aak. Aus diesem wurde gemäß Duden-Fremdwörterbuch Aak n./Aake f. >flaches Rheinfrachtschiff< wahrscheinlich wieder als regionaler Fachausdruck übernommen. Nacht: Indogermanisches Erbwort, das auf der Grundlage von germ. *naxt- und idg. *nokt- Kognaten z.B. in gleichbed. engl, night und lat. nox, Gen. noctis,
griech. nyx, Gen. nyktös hat. Seit dem 12./13. Jh. bezeugt sind die (präpositionalen) Fügungen diu wihe naht/ze der wihen naht (Nom. Dat. Sg.) und ze den wihen nahten/nehten (Dat. Plur.), d.h. >in/an den heiligen Nächten< (über das untergegangene Adjektiv ahd., mhd. wih >heilig< s. Weimar unter Meer). Aus der nicht umgelauteten Nebenform der Letzteren ist die Zusammenrückung wihenahten/wlnnahten/winahten hervorgegangen, die diphthongiert nhd. Weihnachten (Neutrum wohl in Anlehnung an Weihnachtsfest, bairisch-österreichisch und schweizerisch dagegen von vornherein Plural) zugrunde liegt. Gebunden erscheint engl, night etwa in den Komposita Late-Night-Show Veranstaltung, Unterhaltungssendung am späten Abend< (eigtl. >eine Show spät in der Nacht(exklusives) Nachtlokal* (eigtl. >NachtklubRecht der ersten Nachtnächtlich< (s. Nocturne) abgeleitet ist, ist durch seine Kompositionsform nocti-/(vor Vokalen) noct- vertreten in den Gelehrtenbildungen Nocti/uca >im Oberflächenwasser der Meere lebende, das Meeresleuchten verursachende Geißeltierchenart< (eigtl. >NachtleuchteleuchtenSomnambulismus< (eigtl. >NachtwandelnumhergehenNachtschmerz, nur zur Nachtzeit auftretender körperlicher SchmerzNachtangst, krankhafte Angst vor der Dunkelheit (Grundwörter zu griech. älgos >Schmerz< bzw. phöbos >FurchtTag und Nacht< und in mhd. nahtes auftretende Adverb nachts ist an und für sich kein erstarrter Kasus von naht, sondern eine mit sekundärem -s (vgl. die moderneren Adverbialisierungen abseits, seitens) komponierte Analogiebildung zu tages und demnach - wegen seines klaren Statuts eines Derivats - nicht als etymologische Dublette von Nacht interpretierbar. Nägelchen: In der Bedeutung >Gewürznelke< ist dieses Diminutiv zu Nagel wie auch bair.-österr. Nagerl >Nelke< nur noch landschaftlich gebräuchlich, sie wurzelt aber in der mittelhochdeutschen Praxis, als
Naib
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man aus Übersee eingeführte Blütenknospen des Gewürznelkenbaums nach ihrer Ähnlichkeit mit kleinen Nägeln mhd. nagel (diminuiert: negellin, mitteldt. negelkin), mnd. negelken/negelkin (kontrahiert neilikin/neilkin/neliktn) nannte. Aus dem Plural kontrahierter mittel- und niederdeutscher Formen entwickelte sich durch «-Abfall der feminine Singular neilke, der auf die einen würzigen Duft habende Gartennelke übertragen wurde und seit dem 16. Jh. in der Lautgestalt Nelke auftritt.
nym, homonym ist -onym keine gebundene etymologische Dublette von Name, weil darin nicht die griechische Nebenform önyma schlechthin auftritt, sondern mit dessen Hilfe eine adjektivische Zusammenbildung (im Falle von anonym die mit der Negationspartikel a-/an- als Vorderglied komponierte anönymos >namenlosDorfrichter, Notar< bekannt war, geht auf arab. nä'b >Stellvertreter< zurück. Dessen als Ehrentitel gebrauchter Plural (Pluralis Majestatis) nuwwäb lieferte über Hindi, Urdu nuwwäb/ nawwäb und port. nababo, engl, nabob das singularisierte Nabob >Provinzgouverneur in Indien zur Zeit des Mogulreichs*, das wie im Englischen und Französischen figurativ auch in der Bedeutung >(aus Indien zurückgekehrter) sehr reicher Mann< auftritt und bereits Ende des 19. Jh. durch A. Daudets Roman »Der Nabob« populär geworden war. Zu anderen (morphosemantischen) Dubletten dieser Art s. Fakir, Moslem, Zenit.
namentlich >mit Namen genannt; vor allem, besonders*: Das heute sowohl adjektivisch als auch adverbial gebrauchte, den Gleitlaut -t- aufweisende Wort geht wie seine umgelautete Dublette nämlich ¡genauer gesagt* zurück auf das Adverb mhd. name(n)liche/ nemeliche bzw. das Adjektiv mhd. name(n)lich/nemellch ¡namentlich, bestimmt, ausdrücklich* < ahd. namolich/neminlich ¡namentlich bekannt*, die parallele /ic/i-Ableitungen von verschiedenen Stammformen des ursprünglich schwach flektierten Substantivs ahd. namo, mhd. name (s. Name) darstellen.
Name/(seltener) Namen: Das ursprünglich schwach flektierte Substantiv (ahd. namo, mhd. name, Gen. namen) geht - wie engl, name - über germ. *namön auf idg. *(o)nomn- >Name< zurück, das sich auch in gleichbed. lat. nomen, Gen. nominis, griech. önoma (mda. önyma), Gen. onömatos (ein t-Stamm, entwickelt nach O. Szemerenyi als griechische Neuerung aus -mn-tos) widerspiegelt. Sein erstarrter Genitiv Singular namens >im Namen, im Auftrag; mit Namen< wird präpositional oder adverbial gebraucht, und engl, name ist registriert in einigen Ausdrücken wie Namedropping >Einflechten von Namen berühmter Persönlichkeiten, mit denen man angeblich bekannt ist, in der Absicht, Eindruck zu machen< (zweiter Bestandteil zu to drop >fallen lassen*, zu drop >Tropfenneutral verpackte Ware ohne Marken- oder Firmenzeichen*. Auf dem lateinischen Kognaten nomen beruhen der sprachwissenschaftliche Terminus Nomen ¡Substantiv* (vgl. auch die Fügungen Nomen Acti bzw. Actionis, Agentis, Loci, Patientis, s. entsprechend Act, Actio, Agens, loco, Patiens) und frz. nom >NameDeck-, Künstlername* (eigtl. >KriegsnameLautmalerei, Bildung von Wörtern durch Schallnachahmung* (< griech. onomatopoiia, eigtl. >das Namenmachen*, Grundwort zu poietn >tun, machen, dichten*). In Wörtern wie ano-
Nase: Der Name des Geruchsorgans, den Philipp von Zesen für ein Fremdwort hielt und durch Gesichtserker zu verdeutschen versuchte, geht über germ. *nasö(n)-/*nasjö- zurück auf idg. *nas-l*näs- ¡Nase* (primär wohl ¡Nasenloch*) mit einzelsprachlich unterschiedlich realisiertem Wurzelvokal und Stammauslaut. Die in der übertragenen Bedeutung ¡Landspitze; Vorgebirge* auftretende germanische Stammvariante *nasjö- (vgl. mnd. nese ¡Vorgebirge*, mniederl. nesse/nes ¡Landzunge*) ist in Ortsnamen enthalten wie etwa im Namen des Hamburger Stadtteils Blankenese (eigtl. ¡weiße Bergnase*, vgl. blank unter Blanc). Aus der indogermanischen Grundlage hervorgegangen ist u.a. lat. nasus ¡Nase* (vgl. das Fremdwort Nasal ¡durch die Nase gesprochener Laut*), das auch in der deutschen anatomischen Nomenklatur vorkommt: Nasus ¡Nase*. Fortsetzung des lateinischen Wortes ist gleichbed. frz. Nez z. B. als Bestandteil der Komposition pince-nez ¡Zwicker* (Vorderglied pincer ¡zwicken, kneifen*). Daraus dt. veraltet Pincenez, ersetzt durch die Lehnübertragungen Zwicker, Klemmer, Kneifer (vgl. kneipen), die sämtlich Schwanzisolierungen aus Nasenzwicker, -klemmer, -kneifer sind. nativ ¡im natürlichen Zustand befindlich; angeboren; einheimisch, nicht entlehnte Der chemische, medizinische und sprachwissenschaftliche Fachausdruck gründet sich auf lat. nativus ¡durch Geburt entstanden, angeboren, natürlich* (zum Partizipiaistamm nat- von nasci ¡geboren werden, entstehen*, vgl. Natur). Aus diesem stammt auch engl, native ¡natürlich, angeboren; gebürtig; Einheimische(r)*, das in seinem substantivischen Gebrauch Eingang ins Deut-
Neffe
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sehe gefunden hat: Native1 m. Eingeborener (der ehemaligen englischen Kolonien< (vgl. ferner Nativspeaker Muttersprachlers s. Sprecher) und Native2 f. >nicht in Austernbänken gezüchtete Austen. Aus dem Latinismus entsprungen ist das französische Erbwort naiv >natürlich; unbefangen; einfältige das im 18. Jh. dt. naiv >natürlich; unbefangen, treuherzig; kindlich; einfältig< lieferte. Dazu stellt sich als Rollenfach beim Theater das schwach flektierende Femininum Naive >Darstellerin jugendlich-naiver MädchengestaltenStand der Gestirne bei der Geburt eines Menschenc Das in der Astrologie gebräuchliche, früher auch im Sinne von >Geburtsstunde, Geburt< auftretende Fremdwort ist durch die reguläre derivative Substitution lat. -tas > dt. -tat entlehnt aus spätlat. nativitas, Gen. nativitatis >Geburt; Entstehung; Natur, ursprüngliches Wesenangeboren, natürlich« (s. nativ). Auf der Grundlage von frz. naïve, dem Nachfolger von lat. nativus, wurde im 13. Jh. ein sprachhistorisch lat. nativitas, Akk. nativitatem entsprechendes frz. naïveté Unbefangenheit; Weltfremdheit; Einfalt« gebildet, nach dessen Muster im 18. Jh. dt. Naivität (parallel zur misslungenen einheimischen Abstraktbildung Naivheit) gestaltet wurde. Natter: Die ursprüngliche Bedeutung dieser durch Vokalkürzung a < ä vor t aus mhd. näter hervorgegangenen Bezeichnung für eine Schlangenart war vermutlich >die Sich-Windende«. Im Ostmitteldeutschen entwickelte sich aus der mittelhochdeutschen Vorlage die labialisierte Variante noter (hinsichtlich der Rundung vgl. Odem vs. Atem, s. d.). Deren anlautendes n- wurde dann vermutlich als Bestandteil eines voraufgehenden unbestimmten Artikels (ei)n(e) aufgefasst und abgelöst (vgl. analog mda. Achen/ Ache bzw. niederl. aak >Kahn< unter Nachen sowie die im Altitalienischen erfolgte lautliche Umgestaltung von Orange, s. d.). So entstand die seit dem 16. Jh. bezeugte etymologische Dublette Otter2 >Schlange«, die heute auch synonym mit Viper gebraucht wird. Über Otter1 s. d. Natur >Gesamtheit des Gewachsenen, Gewordenen; die Schöpfung, die Welt; Wesen, Art, Anlage, Charakter«: Darauf beruhend gemäß dem Duden-Fremdwörterbuch natur >naturbelassen, naturfarben« etwa in Fügungen wie Eiche natur. Obwohl das Wort seit dem 9. Jh. bezeugt ist (vgl. ahd. natura, mhd. nature), hat es in ständiger Anlehnung an seine Vorlage gleichbed. lat. natura (eigtl. >Geburt, natürliche Herkunft, das Geborensein, das Hervorbringen«, zum Stamm von natus >geboren«, dem Partizip Perfekt von nasci >geboren werden, entstehen, entspringen, wachsen«, s. nativ) die ursprüngliche Akzentstelle bewahrt. Das
lateinische Wort ist in den von Spinoza geprägten Wortverbindungen Natura naturana und Natura naturata jeweils für >die schaffende Natur (gleichbedeutend mit Gott)« und >die geschaffene Natur (gleichbedeutend mit der Welt)« sowie in der ablativischen präpositionalen Fügung in natura leibhaftig, wirklich, persönlich«, ugs. auch >in Waren, in Form von Naturalien (bezahlen)« (s. in) enthalten. In französischer Lautgestalt liegt es vor im gastronomischen Fachwort nature >natürlich, ohne Zusätze« (etwa in Schnitzel nature, d. h. ohne Panade) sowie in Nature morte, der französischen Bezeichnung für Stillleben. Aus dem Französischen übernommenes engl, nature begegnet uns im Namen der internationalen Naturschutzorganisation World Wide Fundfor Nature (vgl. Welt, weit, Boden, vor). Naturalien Naturprodukte, Landwirtschaftserzeugnisse (meist im Hinblick auf ihre Verwendbarkeit als Zahlungsmittel); Gegenstände einer naturwissenschaftlichen Sammlung«: Morphologische Eindeutschung des im 17. Jh. entlehnten lat. naturalia, Neutrum Plural von naturalis m./f. >leiblich, natürlich, zur Natur gehörig, die Natur betreffend« (zu natura natürliche Herkunft, Geburt«, s. Natur), dessen Neutrum Singular im juristischen Fachausdruck Jus naturale > Naturrecht« (s. Jus1) vorliegt. Im Sinne von >auf natürlichem Wege« (z. B. Abgang verschluckter Fremdkörper mit dem Stuhl) gebraucht man in der Medizin die im Akkusativ Plural stehende Wortfügung per vias naturales (eigtl. >auf natürlichen Wegen«, s. vor, via1). Sonst wird der Stamm des lateinischen Adjektivs im Deutschen nur noch als Bestimmungswort von Zusammensetzungen gebraucht (vgl. Naturallohn, -obligation, -register, -restitution), während in adjektivischer Funktion über frz. naturel übernommenes naturell >natürlich, ungefärbt, unbearbeitet; ohne besondere Zutaten zubereitet« auftritt. Substantivisch erscheint das französische Wort ferner in Naturell Veranlagung, Wesensart, Gemütsart, Temperament«, das ebenfalls seit dem 17. Jh. bezeugt ist und wie naturell lautlich eingedeutscht - /u/ statt /y/ - ausgesprochen wird im Unterschied zur präpositionalen Fügung der Gastronomie au naturel >ohne künstlichen Zusatz« (wörtl. >im Natürlichen«). Neffe: Im zugehörigen Femininum Nichte, das - seit dem 16. Jh. hochd. Nift/Niftel verdrängend - aus mnd. nichte/nichtele (zu dessen abweichendem Konsonantismus vgl. sanft) stammt, hält sich der Dental dieser jeweils auf idg. *nepöt- >Enkel< und *neptie>Enkelin« (später auch >Neffe< bzw. >NichteVerwandter< erweitert), was in frz. neveu >Neffe< (Plur. auch >NachkommenNeffe< wird im Duden-Fremdwörterbuch als »veraltet, noch scherzhaft« gekennzeichnet. negativ >verneinend, ablehnend; ergebnislos, ungünstige Das auch als Fachwort der Medizin, Fotographie und Physik verwendete Fremdwort wurde im 18. Jh. aus mlat. negativus m., negativa f., negativum n. >verneinend< entlehnt, das eine Bildung zum Partizipiaistamm negat- von lat. negare >Nein sagen, bestreiten (über die indogermanische Satzverneinung *ne wurzelverwandt mit der germanischen in nicht, s. d.) darstellt. Substantiviert erscheint das lateinische Neutrum in Negativum >etwas, was an einer Sache als negativ, ungünstig, schlecht empfunden wirdGegenbild, Kehrbild< beeinflusst oder daraus entlehnt ist der gleichbedeutende fotographische Fachausdruck Negativ (s. auch positiv). Neger: In dieser Lautung wurde die Bezeichnung für die Angehörigen der in Afrika beheimateten Menschenrasse dunkler Hautfarbe im 17. Jh. über frz. nègre aus span., port, negro übernommen, das als Erbwort auf lat. nigrus m., nigra f., nigrum n. >schwarz, dunkelfarbig< zurückgeht und in substantivierter Form die als Sklaven gehandelten Eingeborenen des afrikanischen Kontinents meinte. Gelegentlich begegnet im Deutschen auch die ausgesprochen verächtliche Bezeichnung Nigger als adäquater Repräsentant von amerik. nigger, einer ursprünglich dialektalen Nebenform von Negro >Neger< (heute für Letzteres meist black/Black, doch vgl. sein Auftreten etwa in der Fügung Negro Spiritual bzw. in deren Wiedergabe im Deutschen durch die Zusammenrückung Negiospiritual geistliches Volkslied der im Süden Nordamerikas lebenden Afroamerikaner mit schwermütiger, synkopierter MelodieFlussschwarzer Flusslinker Nebenfluss des Rio Uruguay in Uruguay< erscheint, vgl. außerdem deren Plural im Namen der philippinischen Insel Negros. Direkte Fortsetzungen von lat. nigrus, dessen Femininum als Attribut im Namen des römischen Stadttors in Trier Porta Nigra (eigtl. >schwarzes TorRot und Schwarza vgl. et, s. auch Crise noir unter Krise), und ital. nero, vgl. aber daneben älter (venez.) negro im Landesnamen Montenegro (s. Montes). Der Name des
größten Stroms Westafrikas und der danach benannten Republik Niger hat mit lat. nigrus nichts zu tun, sondern beruht auf dem berberischen Wort für Fluss. nett >freundlich, niedlich, reizend, hübschc Die heutige Bedeutung des Adjektivs entwickelte sich im 16./17. Jh. aus der älteren >sauber glänzend (von Metall)sauber, rein, unvermischt< zurück, das wie gleichbed. ital. netto lat. nitidus >glänzend, hell, schmuck< (zu nitere »glänzen, blinkenreines (Gewicht), Nettogewicht beruht zum anderen der seit dem 15. Jh. bezeugte kaufmännische Fachausdruck netto >rein, ohne Abzug, ohne Verpackung^ der sich seinerseits gegen das im Westmitteldeutschen und Niederdeutschen übliche und aus dem Französischen stammende gleichbed. net (vgl. frz. poids net >NettogewichtNetz< zurück, der mit lat. nodus >Knoten, Schlinge< die abgetönte Vollstufe *nod- von idg. *ned- zusammendrehen, knüpfen< repräsentiert. Der englische Kognat fungiert als Grundwort in der allgemein bekannten Bezeichnung des internationalen Computernetzes Internet (s. unter2), ist aber außerdem Bestandteil der im Duden-Fremdwörterbuch aufgeführten Komposita Netball >ein aus dem Basketball entwickeltes Ballspiel für Mannschaften mit sieben Spielern< (s. Ball), Network (s. Netzwerk). Netzwerk >netzartiges Gefüge aus Fäden, Drähten, Liniene Das nach dem Grimmschen Wörterbuch seit Wieland bezeugte Kompositum hat eine strukturund bedeutungsgleiche Entsprechung in engl, network, welches als Terminus des Rundfunks und Fernsehens sowie der Datenverarbeitung im DudenFremdwörterbuch verzeichnet ist: Network >Rundfunkverbundsystem zur großflächigen Verteilung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen oder Einzelsendungen durch Zusammenschalten mehrerer Sender oder Umsetzer; Datenverbundsystem, das den Datenaustausch zwischen mehreren, voneinander unabhängigen Geräten ermöglicht (s. Netz, Werg). neu: Germanisches Erbwort (vgl. mhd. niuwe/nüwe, ahd. niuwi sowie niederl. nieuw, engl, new, norw. ny), das über germ. *neuja- auf idg. *newyo- (neben *newo-, s.u.) >neu< zurückgeht. Diphthongiertes mitteld. nüwe, Variante von mhd. niuwe, und monophthongiertes mnd. nie leben fort in Ortsnamen wie Nauheim (d.h. Neuheim, s. Heim), Naunstadt (d. h. Neustadt, urspr. ze der nüwen stat >zu der neuen Stadtzur/an der neuen Burg< mit Assimilation der Endung in urspr. ze der nüwen burc) bzw. Nienburg, Nimburg (s. Burg). Flektiert ist der niederländische Kognat im Namen des Hauptmündungsarms des Rheins Nieuwe Maas (eigtl. >Neue MaasNeufeldNachricht(en)< von engl, new vertritt der Anglizismus News >(sensationelle) Neuigkeiten, Meldungen^ sonst erscheint new in Wortverbindungen oder Ortsnamen wie New Age >neues Zeitalter als Inbegriff eines neuen integralen Weltbildes< (zweite Komponente: age >Alter, Zeitalten, dazu teenager >HalbwüchsigerNeunorwegischneu, frisch; jung< und lat. novus m., nova f., novum n. >neu< haben Eingang ins Deutsche gefunden: Mit dem Neutrum des griechischen Wortes hat 1898 der englische Chemiker W. Ramsay das in Leuchtröhren verwendete Edelgas Neon (eigtl. >das NeueNeustadtneu, erneuert, wieder aufgelebt; weiterentwickele dient seine Kompositionsform neo- (vor Vokalen auch ne-) zur Bildung von Substantiven und Adjektiven wie etwa Neogenese >Neubildung, besonders von Körpersubstanzen< (s. Genese), neovulkanisch >von neuerem vulkanischem Ursprungs Nearktis >pflanzen- und tiergeographisches Gebiet, das - im Gegensatz zur Eurasien und Nordafrika umfassenden Paläoarktis - Nordamerika und Grönland umfasst< (also etwa >NeuarktisBär< unter Bär), vgl. auch die einst praktizierte Gräzisierung von dt. Neumann (s. d.) zu Neander. In lat. novus ist der Wurzelvokal e vor dem konsonantischen u (d. i. /w/) zu 0 geworden. Diese maskuline Form ist Attribut in der bildungssprachlichen Fügung Homo novus >Neuling; Emporkömmling< (eigtl. >neuer Mensch Fixstern, dessen Helligkeit plötzlich sehr stark ansteigt (elliptisch für nova Stella >neuer Sternabsolute Neuheit, noch nie Dageweseneserstes Sichtbarwerden der Mondsichel nach Neumond< (das Grundwort nach lat. luna >Mondneudie neue BurgNeustadtneue Anpflanzungneues Landneu< (s. neu) und kelt. magos >Feld< (vgl. Remagen unter Rex) zusammensetzt und demnach so viel wie >Neufeld< bedeutet. Denselben Namen führt die an der Waal gelegene niederländische Stadt Nijmegen (Bestimmungswort: die Kompositionsform nij- von niederl. nieuw >neuNeufeld der BataverNeuling; Emporkömmling< (s. neu) ein ziemlich adäquates strukturelles und semantisches Analogon hat, existieren eine ursprünglich mitteldeutsche, auf der regionalen Variante nüwe von mhd. niuwe >neu< basierende Nebenform Naumann sowie eine genaue Entsprechung im Anglizismus Newman (vgl. man). Humanisten des 16. und 17. Jh. gräzisierten gelegentlich Neumann zu Neander (Grundwort: griech. anér, Gen. andrós >Mann< wie in Alexander, eigtl. etwa >der Männer Abwehrendes vgl. das zugehörige Adjektiv andreïos >männlich, mannhaft, tapfer< in griech. Andréas, woraus dt. Andreas, engl. Andrew, frz. André, russ. Andrej). So berichten beispielsweise D. Berger und R. Rössing über den Lehrer und Kirchenlieddichter Joachim Neander, der 1674-1679 oft durch eine Klamm des Düsselbachs wanderte. Seinen Familiennamen erhielt schon um jene Zeit das Neandertal bei Düsseldorf, in dem 1856 Skelettreste des Neandertaler (lat. Homo neanderthalensis) genannten altsteinzeitlichen Menschen gefunden wurden.
neun
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neun: Durch Diphthongierung von mhd. iu [y:] zu nhd. eu (vgl. die analoge Lautentwicklung bei engl. nine) entstanden aus mhd., ahd. muri, das über germ. *newun auf idg. *newn >9< (möglicherweise zur Grundlage von neu [s. d.] im Sinne von >neue Zahl der dritten Viererreihe< beim Zählen mithilfe der Finger ohne Daumen) zurückgeht. Daraus hervorgegangen ist lat. novem (auslautendes -m nach decem >ioneunhundertneunzehnhundertSahnehöchster Vorgesetzten sowie des schwach oder stark flektierten Oberst >ein Stabsoffiziere Parallel zu diesem besteht dessen als isf-Ableitung aufgefasste und deshalb endbetonte N e b e n f o r m Obrist (vgl. mhd. oberest/oberist >der Höchsteentgegenwerfen; vorsetzen< (Präfigierung von iacere >werfen< mit ob- >gegen, entgegen, widerauf ein Objekt bezüglich< war das Fremdwort auch von Objekt, dem substantivierten
0
Partizip Perfekt zu obicere, inhaltlich abhängig. Diese Bedeutung ermöglichte das A u f k o m m e n der Zusammensetzung Objektivglas >dem zu beobachtenden Gegenstand zugewandte Linse oder Linsenkombination eines optischen Gerätesaus Weizenmehl und Wasser gebackenes dünnes Scheibchen; rundes G e b ä c k c Die Bezeichnung für die besonders in der katholischen Kirche als Abendmahlsbrot gereichte unkonsekrierte Hostie ist elliptisch aus mlat. oblata (hostia) >dargebrachtes (Opferbrot)< entstanden. Darin bedeutet das weggelassene Bezugswort hostia, die Quelle von dt. Hostie, >MessopferOpfer(tier)anbieten, darbringen, erweisen< (eigtl. >entgegentragentragen, bringen< [s. Luzifer unter Lux], herkunftsgleich mit dem Grundverb in gebären, und Präfix ob-/of- >entgegen-anerbotener (Knabe)*, einer in der mittelalterlichen Kirche üblichen Bezeichnung f ü r Knaben, die von ihren Eltern für das Leben im Kloster bestimmt worden waren. Daher die morphosemantische, in Österreich (sofern Oblate1 dort auf der ersten Silbe betont wird) auch akzentsemantische Dublette Oblate 2 m. >im Mittelalter im Kloster erzogenes, für den Ordensstand bestimmtes Kind; Mitglied einer neueren Ordensgemeinschaft; jemand, der sich einem Orden oder Kloster angeschlossen hat, ohne Vollmitglied zu seine Oboe: Der N a m e des Holzblasinstruments wurde über ital. oboe aus gleichbed. frz. hautbois entleht, das eine Zusammenrückung aus haut >hoch< (s. alt) und bois >Holz; Wald< (s. Busch) ist und demnach wörtl. >hohes, d.h. hoch klingendes Holz< bedeutet. Neben Oboe verzeichnet das Duden-Fremdwörterbuch Hautbois selbst als französische Bezeichnung für dieses Musikinstrument. obskur >dunkel, verdächtig, fragwürdig, unbekannte Seit dem 17. Jh. bezeugte Übernahme von lat. obscu-
Ochse
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rus >dunkel, unsichtbar, unbekannt (ursprünglich wohl >bedecktLochkammer< (eigtl. >dunkie K ä m m e n , s. Kammer) enthalten, und in französischer und italienischer Lautgestalt liegt das Wort vor in der Bezeichnung für die Helldunkelmalerei Clair-obscur (s. d.) bzw. in dessen selteneren Dublette Chiaroscuro (s. klar). Ochse: Die deutsche Bezeichnung für ein verschnittenes männliches Rind geht wie auch engl, ox >Ochse; Rind< auf den germanischen maskulinen «-Stamm *uhsön >Ochse< zurück. Im Sinne von >Befeuchter, d.h. Samenspritzer, Stier< (vgl. den von W. Pfeifer mit erwähnten landwirtschaftlichen Gebrauch von Ochse in der Bedeutung >Zuchtbullefeucht; netzen; bespritzen< hergeleitet. Der englische Kognat, der übrigens mit der regionalen (südd., österr., Schweiz.) und umgangssprachlichen Nebenform Ochs gleich lautend ist, tritt im Ortsnamen Oxford (s. Ochsenfurt) gebunden auf. Ochsenfurt: Der Aufbau des Namens dieser unterfränkischen Stadt am Main (1288 Ohsenvurd) ist durchsichtig: Er benennt nach Ausweis von D. Berger den Ort nach der für Ochsen begehbaren Furt. Über seine Bestandteile wurde entsprechend unter Furt und Ochse gehandelt. Die alt- und mittelenglischen Lautformen Ox(e)nafordbzw. Oxen(e)fordbezeugen die Strukturgleichheit von Ochsenfurt mit einem Ortsnamen in England, den heute die angesehene Universitätsstadt Oxford führt. Ochslein: Oberdeutsches Diminutiv zu Ochse (s. d.), dem man in der Schriftsprache das mitteldeutsche Öchschen vorzieht. Mit seiner schwäbischen Lautform Öchsle identisch ist der Familienname des Pforzheimer Mechanikers Ferdinand Öchsle (1774 bis 1852), Erfinder der Maßeinheit für das spezifische Gewicht des Mostes, nach dem sie benannt wurde: Öchslegrad m. oder einfach Öchsle n. Oculus: Die anatomische Bezeichnung für Auge gibt lat. oculus, Plur. oculi (Kompositionsform oculoetwa in ocuiotoxisch >das Auge schädigend< im Hinblick auf Medikamente) wieder, das als eine diminuierende Ableitung auf dieselbe indogermanische Grundlage *okw- zurückgeht wie gleichbed. germ. *augön (s. Auge). Nach dem Eingangsvers des Gottesdienstes (Psalm 25,15: »Meine Augen schauen stets auf den Herrn«) ist in der evangelischen Kirche der orthographisch eingedeutschte Nominativ Plural Okuli Name des dritten Sonntags in der Passionszeit, d.h. des vierten vor Ostern, während der Singular Okulus ein kleines rundes Kirchenfenster benennt. In
der präpositionalen Fügung ad oculos >vor Augen< (vgl. ad) ist sein Akkusativ Plural üblich als Bestandteil der Redewendung jemandem etwas ad oculos demonstrieren, d.h. >es ihm durch den Augenschein beweisend Aus griech. monöphthalmos >einäugig< entstand unter Beibehaltung des präfixoiden mon(o)>einzig, allein< (s. mono) die Teilübersetzung spätlat. monoculus, das im 19. Jh. über frz. monocle dt. Monokel >Einglas< neben nach demselben Muster im Jahre 1645 mithilfe von lat. bini >je zwei, doppelt< gebildetem nlat. binoculus bzw. frz. binocle und daher dt. Binokel >Brille; Fernglas; Mikroskop f ü r beide Augen< lieferte. Als Erbwort im Französischen etablierte sich das aus dem lateinischen Akkusativ oculum im Laufe der Zeit lautlich umgestaltete ceil >Augerundes oder ovales Dachfenstern das auch als wörtliche Übersetzung Ochsenauge (s. de1, Kuh) fungiert. Die gleiche Metapher liegt engl, bull's eye (eigtl. >Bullenaugewasserdicht schließendes rundes Schiffsfenster< ergab. Odor >GeruchDuft, Geruchoffener Wettbewerb oder als Bestandteil von Open-Air- (eigtl. >im Freien stattfindend, Freiluft-amtlich; feierlich, förmliche Das im Sport auch als schwach flektierendes Substantiv Offizieller Spielleiter, Spielaufsicht< auftretende Fremdwort ist Ende des 18. Jh. über frz. officiel (seit dem 18. Jh.) und engl, official (seit dem 16. Jh.) übernommen aus spätlat. ofpcialis m./f., offtciale n. >amtsgemäß; die Pflicht betreffend< (zu officium >Pflicht; Dienst, AmtVertreter des (Erz)bischofs als Vorsteher der Offizialat heißenden (erz)bischöflichen kirchlichen Gerichtsbehörde; Beamter im mittleren Dienst in Österreich< (vgl. auch Offizialals Wortbildungselement mit der Bedeutung >von Amts wegen, pflichtgemäßAmtsgeschäfte, Dienstangelegenheiten (adäquate und adaptierte Übernahme des
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gleichbedeutenden substantivierten Neutrums Plural officialia). Offizium >Messe an hohen Feiertagen; Stunden-, Chorgebet; katholisches Kirchenamt, Amt und die damit verbundenen Pflichten eines Geistlichen«: Das früher gelegentlich in der Kurzform Offiz, in erstarrten Redewendungen dagegen meist Officium (vgl. Sanctum Officium >Heiliges O f f i z i u m s Officium supremum >letzte Pflicht, letzte Ehre( Dienstpflicht, Obliegenheit; Amt, Dienst« auftretende Fremdwort beruht auf lat. officium >Pflicht, Schuldigkeit, Dienstfertigkeit; Dienst, Amt< (wohl mit Assimilation aus opificium Dienstleistung; Handwerk«, das mit oder über das Nomen Agentis opifex >Verfertiger, Handwerker« aus der Kompositionsform opi- von *ops, Gen. opis >Kraft, Macht; Hilfe« und facere >tun< gebildet ist, s. Opus, Fazit). Dessen Ablativ ist in der präpositionalen Fügung rechtssprachl. ex officio >von Amts wegen, amtlich« (s. ex) enthalten. Über frz. office >(Gottes)dienst; Amt; Büro«, das endbetontes, im Gastgewerbe gebräuchliches Schweiz. Office1 >Anrichte(raum)« lieferte, wurde engl, office >Amt; Büro; Ministerium« übernommen, vgl. die Exotismen Office2 und Foreign Office als englische Bezeichnungen für Büro bzw. für das britische Außenministerium (Attribut: engl, foreign auswärtig« aus mlat.foranusl foraneus >auswärts wohnend«) sowie Office of the Future als plakativen Begriff zur Beschreibung von besonders stark automatisierten Verwaltungseinrichtungen, in denen die traditionelle Kommunikation mit Papier weitgehend entfällt (eigtl. >Büro der Zukunft«, s. ab', Futur). Im Italienischen ist der Latinismus durch drei Lautvarianten vertreten: officio/ufficio/uffizio Obliegenheit; Amt, Kanzlei, Dienststelle; Stellung, Posten«. Die Letztere liegt eingedeutscht im Namen des einstigen Verwaltungsgebäudes in Florenz Uffizien (eigtl. >Ämterallgegenwärtig< (aus gleichbed. mlat. omnipraesens, Gen. omnipraesentis, s. präsent) gebildet. Onkel: Das im 18. Jh. aus frz. oncle »Bruder der M u t t e r o d e r des Vaters< ü b e r n o m m e n e L e h n w o r t verdrängte einheimisches u n d auf i n d o g e r m a n i s c h e r G r u n d l a g e u r v e r w a n d t e n ersten Bestandteil e n t h a l t e n d e s Oheim (s. d.). Der Gallizismus, der ü b e r spätlat. aunculus auf lat. avunculus >Mutterbruder< ( D i m i n u t i v zu avus »Großvater< < idg. *awo- »Großvater m ü t t e r l i c h e r seitsOnkelArbeit, WerkTätigkeit, Bemühung«, s. Opus). Aus dem Kirchenlatein, in dem operari >einer religiösen Handlung obliegen, Gott ein Opfer bringen, Almosen spenden< bedeutete, wurde ahd. opfarön >ein religiöses Opfer darbringen< übernommen, das in der Dublette opfern fortlebt. Mit diesem Verb konkurrierte nicht verwandtes und verloren gegangenes ahd. offrön >Gott schenken, weihen, opfern< (aus gleichbed. kirchenlat. offerre, urspr. ¡entgegentragen, darbringenan-, darbieten(musikalisches) Werke Übernahme von lat. opus >Arbeit, Beschäftigung, Werk< (zu *ops, Gen. opis >Kraft, Macht; HilfeHaupt-, Meisterwerk«, s. Haupt, de\ und die Zusammenrückung Horsd'ceuvre appetitanregendes Vor- oder Beigericht« < frz. horse-d'ceuvre, eigtl. >Beiwerk«, s. Dehors), gebunden auch in Manöver >größere Truppenübung; mit einem Schiff oder Flugzeug ausgeführte Bewegung; Winkelung« (aus gleichbed. frz. manœuvre, dies aus lat. manuopera, eigtl. L a n d arbeit«, Vorderglied: manus >Hand«, s. mano). Orange 1 f.: Das vorwiegend süd- und mitteldeutsche Heteronym von Apfelsine (s. China) ist im 17. Jh. aus gleichbed. frz. orange, älter pomme d'orange/pume orenge (danach dt. Orangenapfel) entlehnt. Letzteres ist eine Lehnübersetzung von aital. bzw. mlat. pomarancia oder melarancia, in denen die ersten Kompo-
nenten pom- und mel- so viel wie >Apfel< bedeuten. Das Grundwort ital. arancia, dessen Anlaut durch als unbestimmter Artikel una >eine< aufgefasstes und abgetrenntes n- aus venez. naranza umgestaltet worden ist, geht durch arabische Vermittlung auf die persische Bezeichnung für eine bitter schmeckende Apfelsinensorte närang zurück. Im Französischen erklärt man den zusätzlichen Wandel des anlautenden a- in o- durch volksetymologische Anlehnung entweder an den Namen der südfranzösischen Stadt Orange, über die die Frucht importiert wurde, oder an or >Gold< (s. Aurum) wegen des goldgelben Aussehens der Früchte. Wohl nach dem Vorbild von frz. orange >orangefarben< tritt orange im Deutschen ebenfalls seit dem 17. Jh. adjektivisch auf, vgl. dazu das Neutrum Orange 2 >orange Farbe«. Das eingangs erwähnte aital. pomarancia bzw. darauf beruhendes mlat. pomerancia lieferte bereits im 15. Jh. frühnhd. pomeranez/pomerantze, d. h. die Vorformen von nhd. Pomeranze ¡Bitterorange« (s. Pommes), in dem das persische Wort als gebundene Dublette fortlebt. Oration >formal strenges liturgisches Gebet«: Der besonders im Rahmen der katholischen Messe gebräuchliche kirchensprachliche Begriff repräsentiert den Flexionsstamm von lat. oratio, Gen. orationis >Rede; Erörterung; Äußerung«, spätlat. ¡Gebet« (Verbalabstraktum zu orare >reden; vortragen; beten; bitten«). Im Deutschen wird der Latinismus auch in seiner Grundform Oratio lexikographisch verzeichnet als Bestandteil von Wortfügungen, in denen er sowohl im Sinne von >Rede< wie auch in der Bedeutung >Gebet< auftritt, vgl. die sprachwissenschaftlichen Fachausdrücke Oratio recta >direkte Rede« (vgl. recht), Oratio obliqua ¡indirekte Rede« und den kirchensprachlichen Oratio dominica ¡Gebet des Herrn, Vaterunser« (vgl. Dominikus). Orbis ¡Umkreis oder Wirkungsbereich, der sich aus der Stellung der Planeten zueinander und zur Erde ergibt«: Astrologischer Fachausdruck, der auf lat. orbis, Gen. orbis ¡Kreis(linie); Wölbung; Himmelsphäre« (vgl. Otbita) beruht und von der Wortfügung orbis terrarum (s. dürr) heraus auch die Bedeutung ¡Erdkreis, bewohnte Erde, Welt« entwickelt hat. Der Dativ des etymologisch unklaren, auf jeden Fall nicht als indogermanisches Erbwort angesehenen Substantivs tritt zusammen mit urbs ¡Stadt« auf in der Formel urbi et orbi ¡aller Welt, allgemein« (eigtl. ¡der Stadt bzw. Rom und dem Erdkreis«, s. et, Urbs), mit der päpstliche Erlasse und Segenspendungen verkündet werden. Orbita ¡Augenhöhle«: Die den Augapfel aufnehmende Höhlung des Gesichtsschädels bezeichnet man mit dem als anatomischer Begriff übernommenen lateinischen Wort orbita ¡Kreislauf, -bahn; Wagen-, Fahr-
Orchester
geleiseKreis(linie); Wölbung< (s. Orbis) abgeleiteten Adjektivs orbitus >kreisförmig< (möglicherweise elliptische Verselbständigung aus der Fügung via orbita >kreisförmiger Wegelliptische Umlaufbahn eines Satelliten o. Ä. um einen größeren Himmelskörpen. Orchester: Das heute auch im Sinne von >größeres Ensemble von Instrumentalisten unter der Leitung eines Dirigenten< wurde im 18. Jh. ursprünglich in der Bedeutung >Raum für die Musiker vor der Bühne< aus frz. orchestre entlehnt, das über spätlat. orchestra >Erhöhung auf der Vorderbühne für Musiker, Tänzer, Pantomimen< auf griech. orchSstra >Tanzraum des Chores zwischen Bühne und Zuschauern (eigtl. >TanzplatztanzenReihe, Ordnung, Regel< und deutet auf die bestimmten Regeln hin, nach denen sie lebten. Das lateinische Wort wurde schon zu ahd. ordena >Reihe(nfolge)Ordnung, Regel, Rang; christlicher Orden< (dazu auch die Ableitung ordenlich >der Ordnung, Regel gemäß< > nhd. ordentlich) entlehnt, wohingegen der z. B. in der Biologie anzutreffende Fachausdruck Ordo >verwandte Familien zusammenfassende systematische Einheit< nur ein selten vorkommendes Fremdwort ist. Über afrz. ordern ergab die lateinische Akkusativform ordinem frz. ordre >Auftrag, BefehlAuftrag einer Bank an eine ausländische Bank, gezogene Wechsel gegen Akkreditiv anzukaufen (eigtl. >Auftrag zu verhandeln), während im Namen der ökumenischen Einigungsbewegung Faith and Order >Glaube und Gesetz< (s. Fi-
246
des, und) und im Schlagwort law and order >Gesetz und Ordnung< (s. Law, und) dasselbe englische Wort mit der ursprünglichen Semantik >Ordnung, Regel, Gesetz< wiederkehrt. In französischer Gestalt liegt das erörterte Wort vor z. B. in Ordre public Gesamtheit der grundlegenden Rechtsbestimmungen eines Staates, die eine Sperre gegen ansonsten anzuwendendes ausländisches Recht im Rahmen des internationalen Privat-, Straf- oder öffentlichen Rechts darstellt< (eigtl. öffentliche OrdnungGepäck< > >Heeresgepäck< > >Trossmannschaft< (vgl. Tross) die pejorative Bedeutung >Gesindel, Pöbel< entwickelte, wird der Umstand genannt, dass die Trossmannschaft im Vergleich zur kämpfenden Mannschaft als minderwertig galt. Die Quelle des auf diesem Wege entstandenen Dublettenpaars ist das seit dem 12. Jh. bezeugte, etymologisch unklare mniederl. pac >Bündel, BallenKasserolle(Op-
Pagina
250
fer)schale, flache Schüssel; Platten ein Diminutiv zum Gräzismus spätlat. patena >Schüssel< (s. Patina'), das in der Medizin in adäquater Lautform Patella Bezeichnung für die Kniescheibe ist. Pagina >Buch-, Blattseite mit Zahlenangabec Das veraltete Fachwort des Buchdrucks hat Spuren hinterlassen in der bibliographischen Abkürzung für Seite pag. oder p. und noch deutlicher in der Ableitung paginieren >(ein Manuskript, Buch) mit Seitenzahlen versehen< (urspr. >abfassen, schreibenSeite, Blatt; Urkunde; Schreiben, Schrift< (zu pangere >fügenDruckseite< lautet und morphologisch eingedeutscht in Porfepagen Plur. >Kartons als Zwischenlage bei der Aufbewahrung von Stehsatz< für frz. porte-pages (imperativische Zusammensetzung aus porter >tragen< und page, vgl. Portfeuille sowie Portemonnaie unter Moneta, s. auch Pasch) erscheint. Das französische Wort liegt ferner in engl. page >Druckseite< vor, das seinerseits dt. Page >Seite< als EDV-Fachausdruck lieferte, vgl. auch Homepage als englische Bezeichnung für eine über das WWW abrufbare Leitseite bzw. für die Gesamtheit der davon erreichbaren Dateien einer Person, Institution etc. (zum Bestimmungswort Home- s. Heim). Pais: Das spanische Wort, das so viel wie >Land< bedeutet und mit dem maskulinen bestimmten Artikel el im Namen der unabhängigen Madrider Zeitung El Pais auftritt, stammt aus (a)frz. pays >Land< (dies aus lat. pagensis/pagesis >Bewohner einer pagus genannten Siedlung, dann das Territorium der SiedlungLandweinLandvollfetter italienischer Weichkäse, Butterkäse< (wörtl. >schönes LandVertrag, Übereinkunft, Bündnisc Deglutiniert aus älterem Paktum/Pactum, das im 15. Jh. aus lat. pactum Übereinkunft, Vertrags dem substantivierten Neutrum des Partizips Perfekt von pacisci »übereinkommen< (zu pangere >fügen, verabreden^ vgl. Pagina, Pax), entlehnt wurde. Dessen als Femininum Singular gefasster Plural pacta tritt mit westgermanischer Substitution /kt/ > /xt/ (s. diktieren) und affriziertem Anlaut in schon vor der hochdeutschen Lautverschiebung übernommenem mhd. pfaht(e) >Recht, Gesetz, Abgabe von einem Zinsgut, Pacht< auf, das mit adäquatem Anlaut in oberdeutschen Mundarten fortlebt, in der Schriftsprache (bis ins 18. Jh. auch Pfacht) dagegen von der ursprünglich westmitteldeutschen Form Pacht vertraglich vereinbartes Recht zur Nutzung einer Sache gegen Entgelt
Vertrag, Abkommen< zurückzuführen, bleibt eine ebenso unsichere Vermutung wie die Herleitung dieses etymologisch unklaren deutschen Wortes aus lat. pondus >Gewicht< (s. Pfund). Bei weitem nicht so abwegig ist demgegenüber die vielfach angezweifelte Annahme, dass patt >zugunfähig im Schachspiel bzw. Patt >Stellung, bei der nicht mehr gezogen werden kann, ohne dass der König angegriffen ist< über frz. pat, ital. patta »quitt, patt< auf mlat. pactus m., pacta f. »(zwangsläufig getroffenes) Übereinkommen, (zwangsläufig abgeschlossener) Waffenstillstand< beruhten. Palas »Hauptgebäude der mittelalterlichen Burg mit Wohn- und Festsaalc Der heute in der Geschichte der Baukunst gebräuchliche Terminus bewahrt die ursprüngliche Lautform von mhd. palas, einer Entlehnung des 12. Jh. aus gleichbed. afrz. paleis/palais/ pales, das selbst (wie auch ital. palazzo im Exotismus Palazzo >PalastSpreu< hervorgegangen, das in seinem adjektivischen Gebrauch auch ins Deutsche Eingang gefunden hat: veraltet paille strohfarben, strohgelbe Vertrauter als dieses Dublettenpaar dürfte das zum Gallizismus gebildete Diminutiv Pailletten >glänzende Metallplättchen< (< frz. paillette »Goldkörnchen; FlitterDiskussionsrunde; repräsentative Personengruppe für die Meinungsforschungc Moderne Entlehnung jeweils als Ellipse aus engl, panel discussion bzw. aus panel >für eine bestimmte Aufgabe ausgewählte Personengruppe< (Ausgangsbedeutung >Sattelkissen; Holztäfelung, Türfüllung; Geschworene«), in dem sich afrz. panel »Lappen, Lumpen, Sattelkissen, eingefasste Fläche, Wand< spiegelt. Über mniederl. panneel/paneel >Sattelkissen, Tafelwerk< ergab Letzteres im 18. Jh. durch niederdeutsche Vermittlung die Dublette Paneel »Holztäfelung der Innenwänden Das altfranzösische Wort gilt als Fortsetzung von vlat. *pannelus, Diminutiv zu lat. pannus »Stück Tuch, Lappen, Lumpenflache Hand< bedeutete. Das lateinische Wort, das in den Namen der Hauptstadt der spanischen Balearen Palma de Mallorca (s. de\ Majolika) und der Hauptstadt der spanischen Insel Gran Canaria Las Palmas bzw. des Seebads im Süden von Florida Palm Beach (eigtl. >Palmenstrand(Sonntag) der Palmen< (s. Dominikus), oder - durch Verselbständigung des lateinischen Genitivs Plural aus dieser Fügung - Palmarum. Auf lat. palma >flache Hand< geht gleichbed. frz. paume zurück, enthalten in der präpositionalen Fügung Jeu de Paume als Bezeichnung für ein altfranzösisches, ursprünglich mit den Handflächen und erst später mit Schlägern gespieltes Rückschlagspiel, aus dem sich das Tennis entwickelte (s. Jux, de1). Palmus >altrömisches Längenmaß (= 7,39 cm)flache Hand< (s. Palme) war >Spanne,
Pansen »erster großer Abschnitt des Magens bei Wiederkäuern«: Das landschaftlich auch Panz/Panzen lautende und »Wanst, Schmerbauch< bedeutende Maskulinum hat sich semantisch unter Einfluss von frz. panse »Pansen; Wanst< entwickelt, aus dessen Vorform afrz. pance es zu mhd. panze »Wanst, Magen« entlehnt war. Der Gallizismus, von dem übrigens afrz. pancier als Bezeichnung des den Bauch bedeckenden Teils der Rüstung und als Quelle von dt. Panzer abgeleitet ist, beruht wie span. panza »Wanst« auf vlat. *pantice( m), Akkusativ von lat. pantex, Gen. panticis »Wanst«. Das spanische Wort ist mit dem Beinamen von Sancho Pansa (s. Sanctus) identisch. panta, enthalten im bildungssprachlichen Ausdruck griechischer Herkunft panta rhei »alles ist im Werden, in unaufhörlicher Bewegung«: Er bedeutet wörtlich »alles fließt« (über das Verb rhein »fließen« vgl. auch Katarrh) und gilt als Ausspruch Heraklits aus Ephesos (um 544-483 v. Chr.), durch den er die Grundthese seiner Philosophie von der sich in ständiger Veränderung befindlichen Welt bildhaft formuliert haben soll. Das Fremdwort repräsentiert den Nominativ Plural des griechischen Neutrums pari »ganz, gesamt«, dessen präfixartig gebrauchte Grundform pan- »all-« z.B. in Pantheon »antiker Tempel für alle Götter; Gesamtheit der Götter einer Religion« (zu theös »Gott«) und dessen Kompositionsform pant(0)etwa in Pantomime »Gebärdenkünstler« (zu mimos »Nachahmer, Schauspieler«, woraus dt. Mime) auftreten. Etymologisch identisch mitpant(o)-,pan und panta erweist sich der aus engl, pantaloons »Hose« (s. Pantaleon) durch Kopfisolierung gewonnene
Pantaleon
252
A m e r i k a n i s m u s pants Plur., der in Hoipants >modi-
Papier: D i e E r f i n d u n g dieses Schreibmaterials w i r d
sche, kurze u n d enge Damenhose< (eigtl. >heiße H o -
d e m C h i n e s e n Tsai-Lun (2. Jh.) zugeschrieben. I m
senjeder, alle< ist Vorderglied
den A r a b e r n u n d gelangte seit d e m 9. Jh. über Ä g y p -
beispielsweise in Pasigraphie als Bezeichnung f ü r eine
ten nach N o r d a f r i k a , Spanien u n d Italien. I m 12. Jh.
angeblich allen V ö l k e r n verständliche Schrift o h n e
w u r d e in Oberitalien mlat. papirus
Hilfe der Laute ( B e g r i f f s s c h r i f t , s.
rium r o m a n i s i e r t ) auf den neuen, v o r w i e g e n d aus
Skenographie).
Pantaleon >Hackbrett m i t d o p p e l t e m R e s o n a n z b o d e n u n d D a r m - o d e r D r a h t s a i t e n c D e r V o r l ä u f e r des H a m m e r k l a v i e r s ist nach seinem E r f i n d e r Pantaleon Hebenstreit ( 1 6 6 7 - 1 7 5 0 ) b e n a n n t . D e r durch den heiligen Pantaleon v o n N i c o m e d i a (3-/4. Jh.) b e k a n n t g e w o r d e n e m ä n n l i c h e V o r n a m e Pantaleon
m i t den
N e b e n f o r m e n Pantelermon/Panthel ist w o h l in A n l e h n u n g an ital. leone >Löwe< (vgl. Löwe) aus d e m griechischen Panteleemon pant(a)-
>all-< (s. panta)
umgestaltet, der sich aus u n d eleSmön
>barmherzig
AllerbarmerEhrenwort«, s. de\ Honneurs)
w u r d e n . A u f vlat. *paraula
entlehnt
mit L a u t u m s t e l l u n g
r - l > l - r beruht f e r n e r port. palavra
>Wort«, urspr.
parágraphos
»Zeichen a m R a n d e einer Buchrolle« (eigtl. »Dane-
s. Gramm)
»danebenschrei»schreiben«,
beruht. D i e w o h l durch Z u s a m m e n z i e -
h u n g im Mittellateinischen entstandene N e b e n f o r m
»Unterredung, Erzählung«, das im Hinblick auf die
(ein sog. K l a m m e r w o r t ) paraphus
langwierigen V e r h a n d l u n g e n mit der B e v ö l k e r u n g
phe, aus d e m die Dublette Paraphe »Namenszug, -Zei-
Westafrikas die B e d e u t u n g »endloses Gerede« entwickelte u n d im 19. Jh. d u r c h Vermittlung v o n engl. palaver
»Besprechung, U n t e r r e d u n g ; Geschwätz«
dt. ugs. Palaver »endlos langes, überflüssiges Gerede« ergab.
chen« s t a m m t . Park: Mit der heutigen B e d e u t u n g i m 18. Jh. entlehnt aus frz. parc, das ursprünglich »eingeschlossener R a u m , Tiergehege« bedeutete u n d auf gleichbed. mlat. parricus
Paradies: Ü b e r (kirchen)lat. paradisus
»Baum- u n d
Tiergarten; Paradies, Himmelreich« geht das W o r t auf griech. parädeisos pairidaeza
zurück, welches - aus awest.
»Umwallung, Umzäunung« s t a m m e n d -
lieferte frz. para-
b e r u h t . A u s diesem w u r d e bereits v o r
der hochdeutschen Lautverschiebung ahd. pherrih,
mhd. pherrich
pharrih/
»Einfriedung, Gehege, Hürde«
ü b e r n o m m e n , das heute in Pferch fortbesteht. M a n hält das lateinische Wort f ü r eine Ableitung v o n iber.
v o n X e n o p h o n ( u m 4 3 0 - u m 354 v. Chr.) f ü r die Be-
*parra »Stange, Gitter« ( w o r a u s span. parra
zeichnung der Parks persischer K ö n i g e u n d in der
laube«) o d e r v o n vlat. *barra »Querstange« (s.
»Wein-
Septuaginta in Bezug auf den G a r t e n E d e n ( f ü r hebr.
E i n e n sozusagen u m g e k e h r t e n E n t l e h n u n g s w e g f ü r
gan »Garten«) gebraucht w u r d e . I m N e u e n Testament
engl, park erwägt C. T. O n i o n s , s o f e r n er mlat.
(Lk 23,43) bezeichnet es auch das H i m m e l r e i c h als
cus (8. Jh.) auf eine (west)germanische Basis z u r ü c k -
Barre). parri-
Part
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führt, die durch ahd.pherih und entsprechend aengl. pearruc, mnd., mniederl. perc repräsentiert sei. Part >Anteil; Rolle; Stimme eines Instrumental- oder Gesangstückesc Das auch in halbpart >zu zwei gleichen Teilern und Widerpart >Gegner< enthaltene Fremdwort setzt mhd. part/parte >(An)teil, Zugeteiltes, Abteilung, Partei< fort. Dies ist eine Entlehnung aus gleichbed. (a)frz. part (dazu ferner die unter Apartheid erörterte Zusammenrückung apart und das Grundwort in Counterpart, s. Kontra). Frz. part ist wie gleichbed. ital. parte aus dem Akkusativ Singular partem von lat. pars (Gen. partis, Abi. parte) >Teil, Seite, Partei< hervorgegangen, das in ad partem >mit jedem Teil einzeln, besonders (verhandeln)« (eigtl. >zum Teil, beiseiteder Teil für das Ganze< bzw. >das Ganze für den TeilMittelwort< (aus gleichbed. lat. participium, zu particeps >teilhaftignehmen, fassenzu gleichen Teilern (s. aequis) und in dem synonymen Vermerk auf ärztlichen Rezepten ana partes aequales (s. an, äqual). Ostmitteldt. Parte1 >Mietspartei, Wohnung« ist eine Nebenform von Part oder Übernahme von ital. parte, das auch österr. Parte2 >Todesanzeige, die angeschlagen oder verschickt wird< zugrunde liegt. Partie >Teil, Abschnitt, Ausschnitt; bestimmte Bühnenrolle; Warenposten; Durchgang, Spiele Das seit dem 17. Jh. bezeugte polyseme Fremdwort ist aus (a)frz. partie >Teil, Abteilung, Gruppe u.a.< entlehnt, das zuvor mhd. partie >Abteilung, Gruppierung« und mengl. parti(e) >Teil, Abteilung, Vereinigung« lieferte. Jenes lebt nach der frühneuhochdeutschen Diphthongierung in Partei, dieses in engl, party >Pertei; Partie; Gesellschaft; Veranstaltung« fort, aus dem im 20. Jh. dt. Party zwangloses privates Fest« übernommen wurde. Frz. partie vertritt wie auch ital. partita >Partie« (daraus das musikalische Fachwort Partita >Folge von in sich geschlossenen Sätzen, Suite« und kaufmänn. Partite einzelner Posten einer Rechnung«) roman. "partita, das substantivierte Femininum des Partizips Perfekt von lat. partiri >teilen, trennen« (daher gleichbed. frz. partir und ital. partire), zu pars, Gen. partis >Teil, Seite« (s. Part). Pascal 1 >Maßeinheit des Drucks und der mechanischen Spannung (Zeichen: Pa)der zu Ostern Geborene« ergibt sich daraus, dass der Latinismus eine Substantivierung des von pascha >Osterfest< (s. Pessach) abgeleiteten Adjektivs spätlat. paschalis >Oster-, österlich, zu Ostern gehörend« darstellt. Dieses ist u.a. Vorderglied in Paschalsfri >mittelalterliche Zeitbestimmung mit dem Jahresanfang zu Ostern«, wohl in Anlehnung an »Dieser Monat soll die Reihe eurer Monate eröffnen, er soll euch als der erste unter den Monaten des Jahres gelten« (Ex 12,2). Pasch >Wurf von mehreren Würfeln mit gleicher Augenzahl; Dominostein mit einer doppelten Zahl«: Nach Angaben von Grimms Wörterbuch und von E. Seebold steckt in diesem seit dem 17. Jh. bezeugten und über das Niederländische in regionaler Aussprache übernommenen Wort die Bezeichnung eines Spiels mit drei Würfeln, bei dem nur gewinnen kann, wer mehr als zehn Augen und auf zwei Würfeln gleiche Augenzahl wirft. Sollte diese Annahme zutreffen, dann ist Pasch der Form nach eine Kopfisolierung aus niederl. passedies (dessen Diminutiv passediesje möglicherweise die Entstehung des Zischlauts in seinem Auslaut gefördert hat) bzw. aus dessen Vorlage frz. passe-dix, das wörtl. >überschreite zehn« (gedeutet als Zusammenrückung aus der Befehlsform von passer >durchqueren, überschreiten, übertreffen« und dem Numerale dix >io«, s. passen, zehn) meint. Ob nun Bildungen dieser Art tatsächlich imperativische Zusammensetzungen darstellen (s. Portefeuille sowie Portemonnaie unter Moneta) oder ihr Vorderglied den jeweiligen Verbalstamm in der 3. Person Singular Präsens Indikativ wie in passe >die Zahlen von 19-36 in Bezug auf eine Gewinnmöglichkeit beim Roulette betreffend« (wörtl. >übertrifftWechselrahmen aus leichter Pappe für Fotos, Grafiken u.A.«, Schweiz. >Dauerkarte; Hauptschlüssel« (aus gleichbed. frz. passe-partout, urspr. >Hauptschlüssel; Dietrich«, eigtl. »was überall passt«; zum Hinterglied s. tutti), Passepied >Rundtanz aus der Bretagne« (aus frz. passe-pied, eigtl. >Tanz, bei dem ein Fuß über den anderen gesetzt wird«, vgl. Fuß), österr., Schweiz. Passepoil >schmaler Zierstreifen« neben Paspel (s. d.). Paspel >schmaler Nahtbesatz bei Kleidungsstücken«: Eine als Femininum und Maskulinum auftretende Eindeutschung des im 18./19. Jh. übernommenen französischen Fachausdrucks der Schneiderei passepoil, der in österr., Schweiz. Passepoil als regionale Dublette (vgl. analog das Wortpaar Polizze - Police, s. d.) originalgetreu fortlebt. Das französische Substantiv ist aus passer >durchqueren, überschreiten, darüber hinausgehen« (s. passen) und poil >Haar(franse), Tuch-, Gewebehaar« (s. Pilus) gebildet und
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im Sinne von »über das Haar/Gewebe hinausgehend< (E. Seebold) oder als imperativische Zusammensetzung durchdringe das Gewebe, rage über dessen Vorderseite hinaus* (W. Pfeifer) gedeutet (über die Problematik der unterschiedlichen Interpretation solcher Strukturen s. Pasch). Das zugehörige Verb frz. passepoiler >mit Paspeln versehen< wird folgerichtig durch dt. paspelieren und österr., Schweiz, passepoilieren wiedergegeben, woneben auch ein zweifellos von Paspel abgeleitetes gleichbedeutendes paspeln existiert. Passant >Fußgängervorbei-, vorübergehen* (s. passen, also eigtl. >Vorübergehenderauf der Durchreise« und erst seit dem 19. Jh. im Sinne von >im Vorbeigehen, beiläufig, nebenbei* verwendet wird. passé/passee >vorbei, abgetane Das umgangssprachliche Wort repräsentiert das Partizip Perfekt von frz. passer >vorbei-, vorübergehen* (s. passen), dessen Partizip Präsens als Quelle von zwei etymologischen Dubletten im Deutschen unter Passant besprochen wurde. Frz. passer und das zugehörige Partizip passé haben sich lautlich aus vlat. *passare »durchschreiten* bzw. *passatum entwickelt, deren Fortsetzer im Italienischen entsprechend passare >vorbei-, vorübergehen* und passato lauten. Im Sinne von »vergangen* wird Letzteres auch adjektivisch gebraucht, z. B. in der pluralischen Fügung tempipassati »vergangene Zeiten*, die bildungssprachlich auch im Deutschen geläufig ist: Tempi passati >(leider oder zum Glück schon längst) vergangene Zeiten* (s. Tempo). Diese Äußerung wird Kaiser Joseph II. (reg. 1765-1790) zugeschrieben, der sie während einer Besichtigung des Dogenpalastes bei der Betrachtung eines Gemäldes von F. Zuccaro lächelnd gemacht haben soll, auf dem abgebildet war, wie 1177 der kniende Friedrich I. vom Papst vom Bann freigesprochen wird. passen »angemessen, willkommen sein, genau entsprechen, gut anstehen*: Die heutige Semantik des Verbs entwickelte sich aus >zum Ziel kommen, erreichen* (13. Jh. am Niederrhein) unter Einfluss von mniederl. passen »zumessen, abrichten; gelegen kommen; durchqueren*, mnd. passen »angemessen machen, geeignet sein; Acht geben, berücksichtigen; vorbeifahren*. Ihre gemeinsame Quelle ist (a)frz. passer »durchqueren, überschreiten, vorbei-, vorübergehen; annehmbar, erträglich sein*, das wie gleichbed. ital. passare, span. pasar ein Erbwort aus vlat. * passare
Passus
»durchschreiten, durchgehen* (zu lat. passus »Schritt, Gang*, s. Passus) ist. Frz. passer, das im seit dem 16. Jh. bezeugten passieren »vorübergehen, vorüberfahren, geschehen* wiederkehrt, liegt außerdem substantiviert vor in Lflisser-passer »Ungezwungenheit, Ungebundenheit* (eigtl. »Gehenlassen*, vgl. laxieren). Vgl. ferner Pasch, Paspel, Passant, passé. Passio »Erleiden, Erdulden*: Als Gegenwort von Actio (s. d.) beruht der philosophische Ausdruck auf lat. passio, Gen. passionis »Leiden, Krankheit* (zu passus, Partizip Perfekt von pati »erdulden, hinnehmen*, mlat. »den Märtyrertod erleiden*, s. Patiens). Aus dem Kirchenlatein stammt die seit mittelhochdeutscher Zeit bezeugte Dublette Passion »Leiden Christi; Darstellung der Leidensgeschichte Christi in der bildenden Kunst*, die unter Einfluss von frz. passion auch die spezialisierte Bedeutung »Leidenschaft, leidenschaftliche Hingabe* angenommen hat. passiv »untätig, teilnahmslos, duldende Das seit dem 18. Jh. bezeugte Adjektiv stammt aus lat. passivus »empfindsam, fähig zu leiden* (einer Ableitung von pati »erdulden, leiden*, s. Patiens), wurde aber vermutlich von gleichbed. frz. passi/beeinflusst. Es ist das Gegenwort sowohl zum Adjektiv aktiv (s. d.) als auch zu zwei von dessen Substantivierungen: dem sprachwissenschaftlichen Fachausdruck Passiv »Leideform des Verbs*, entlehnt aus gleichbed. lat. passivum (genus verbi), und dem finanzwirtschaftlichen Passiva/Passiven »Verbindlichkeiten, Schulden, das auf der rechten Seite verzeichnete Eigen- und Fremdkapital eines Unternehmens*, dem lexikalisierten Neutrum Plural zu passivus. Passus »Textstelle; Angelegenheit, Falle In dieser übertragenen Bedeutung ist das Wort im 16. Jh. aus mlat. passus entlehnt, das primär »Schritt, Tritt, Gang*, eigtl. »das Ausspreizen der Füße beim Gehen* (zu pandere »ausspreizen*) bedeutet. Romanische Fortsetzer des lateinischen Substantivs sind z. B. span. paso »Schritt; Gebirgspass* und (a)frz. pas »Schritt, Tritt, Durchgang*. Jenes liegt dem Exotismus Paso »Gebirgspass; komisches Zwischenspiel auf der klassischen spanischen Bühne* zugrunde, enthalten ferner in Paso doble »ein Gesellschaftstanz* (eigtl. »Doppelschritt*, s. Double) und Pasofino »ein feingliedriges Reitpferd* (eigtl. »feiner Schritt*, s.fein). Frz. pas ist seinerseits Quelle des Fremdwortes Pas »Tanzschritt* insbesondere in den Fügungen Pas de deux »Balletttanz f ü r eine Solotänzerin und einen Solotänzer*, Pas de trois »Balletttanz für drei Tänzer*, Pas de quatre »Balletttanz für vier Tänzer* (eigtl. jeweils »Tanzschritt zu zweit, zu dritt, zu viert*, s. de1, zwei, drei, vier). Aus dem Altfranzösischen stammen dt. Pass »Gebirgsübergang* und engl, pass »Zugang, Durchgang* (etwa in First-Pass-Effect »Verminde-
Paste
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rung der Bioverfügbarkeit eines durch den Mund verabreichten Arzneimittels durch Veränderungen im StoffwechselprozessSchrittTempo eines Ritts< (vgl. auch Pacemaker) beruht. Paste >streichbare, teigartige Massec Das als kulinarischer und pharmazeutischer Fachausdruck übliche Wort ist seit dem 15. Jh. als Übernahme von mlat. pasta >Teig; Brei< bezeugt und in Anlehnung an ital. pasta >Teig; Teigware, Nudeln; Mehlspeise; Brei, Masse, Paste< lange in der Lautung Pasta (vgl. immer noch Zahnpasta) gebraucht. Auf ital. pasta asciutta >Teigwaren< (eigtl. >trockener TeigSpaghettigericht mit Hackfleisch, Tomaten, geriebenem Käse u.a.< im Deutschen hin. Das lateinische Wort, das man aus griech. päste f. >Mehlteig; Breigestreutstreuen, besprengendie Gestreute, die Gestreutem) herleitet, liegt auch frz. päte >Teig; Brei; Masse, Paste< zugrunde. Dieses ist Bestandteil der im Duden-Fremdwörterbuch aufgeführten präpositionalen Fügung Päte sur Päte als Bezeichnung für eine Art der Porzellan- oder Steingutverzierung, bei der der glasierte Grund durch die dünnen Stellen eines flachen Reliefs durchschimmert (eigtl. >Masse auf Massein betrügerischer Absicht in der Manier eines großen Meisters gemaltes Bild; Flickoper, aus Stücken verschiedener Komponisten (mit einem neuen Text) zusammengesetztes Musikstücke Übernahme von ital. pasticcio, das eigtl. >Pastete< bedeutet, übertragen aber auch im Sinne von >Mischmasch; schlecht ausgeführte Arbeit, Pfuschwerk< auftritt und daher Verwendung in Bezug auf Kunst- und Musikwerke gefunden hat. Das auf vlat. *pasticium (zu mlat. pasta >Teig; BreiNachahmung des Stils und der Ideen eines AutorsPastete< ins Französische gedrungen, das heute ugs. >Unordnung, Wirrwarr< bedeutet, aber auch Bezeichnung für einen Kräuteraperitif mit großem Anteil von Anisöl ist, in deren Funktion im Duden-Fremdwörterbuch dt. Pastis verzeichnet ist. Pastor: Das seit der Reformation zur Bezeichnung für protestantische Geistliche üblich gewordene Fremdwort ist eine bereits im 14. Jh. getätigte Entlehnung von spätlat. pastor >Seelenhirt< (urspr. >HirtSchäfer; Hirt; Geistlicher, Pastor< hervorgegangen, von denen der zweite im Familiennamen des französischen Chemikers und Mikrobiologen Louis Pasteur (1822-1895, s - Chlodwig) vorliegt (zu analogen Dublettenpaaren s. Abbreviator). Vgl. pastoral, Pastorelle. pastoral >ländlich, idyllisch; feierlich; salbungsvoll; pfarramtlich, seelsorgerischo Übernahme von lat. pastoralis m./f., pastorale n. >Hirten-, zu den Hirten gehörige kirchenlat. >seelsorgerisch, geistlich, bischöflich< (zu pastor >Hirte, s. Pastor), das außerdem in folgenden verschiedenartig motivierten Substantivierungen auftritt: Pastorale1 n./f. ländlich-idyllisches Singspiel, das Stoffe aus dem idealisierten Hirtenleben zum Thema hat; musikalisches oder literarisches Schäferspiel; idyllische Darstellung von Szenen aus dem Leben der Hirten in der Malerei< (aus bedeutungs- und herkunftsgleichem ital. pastotale), Pastorale2 n. >Krummstab als Symbol der bischöflichen Würde< (aus ital. pastorale, elliptisch für bastone pastorale, wörtl. >HirtenstabPfarramtsangelegenheiten< (aus gleichbed. mlat. pastoralia, Plural von pastorale), Pastoral f., Kopfisolierung aus dem Fachausdruck der katholischen Kirche Pastoraltheologie praktische Theologien Pastorelle >kleines Hirtenliedc Struktur- und bedeutungsgleich mit diesem aus ital. pastorella übernommenen Romanismus ist der aus dem Französischen stammende Pastourelle. Die beiden sind feminine Diminutiva zum Latinismus pastor >Schäfer< (s. Pastor) und bedeuteten ursprünglich so viel wie >(Lied von einer kleinen) SchäferinGattung gramnegativer, unbeweglicher, elliptischer Bakterien< gebildet, der sich dem obigen Wortpaar als dritte etymologisch adäquate Dublette anschließt. pastos >dickflüssig, teigartig; dick aufgetragen (von Ölfarben eines Gemäldes)TeigZiel eines durch ein Verb ausgedrückten Verhaltensc In diesem linguistischen Fachausdruck, der sich mit dem direkten Objekt der traditionellen G r a m m a t i k berührt und das Gegenteil von Agens (s. d.) in der sog. Kasusgrammatik bildet, präsentiert sich eigentlich das substantivierte Partizip Präsens patiens, Gen. patientis >leidend< des lateinischen Verbs pati >dulden, erdulden, hinnehmen, leidendie leidende Kirche< (s. Ekklesia) hingewiesen. Der Genitiv Singular ist Attribut in einem anderen, im Duden-Fremdwörterbuch erläuterten linguistischen Fachausdruck: Nomen Patientis (s. Name), d.h. ein Substantiv mit passivischer Bedeutung, wie es z. B. Hammer als Werkzeug, mit dem gehämmert wird, eines ist. Bereits im 16. Jh. entstand aus dem Stamm der obliquen Kasus von patiens die Substantivierung Patient als Bezeichnung f ü r den in ärztlicher Behandlung befindlichen Kranken. Vgl. ferner Passio, passiv. Patina'/Patine >(im Gottesdienst verwendete) Schüssel*: Adäquate Wiedergabe von lat. patina >Schüssel< (dies aus gleichbed. griech. patáné), das über mlat. patena auch in Patene >Hostienteller< vorliegt. Ein wohl durch Synkope (*patna) und anschließende Angleichung tn > nn entstandenes spätlat. panna hat zuvor ahd. phanna, mhd. phanne und dann nhd. Pfanne ergeben. Sofern f ü r ital. patina >Edelrost< (älter >Firnis, Glanzmittel f ü r FelleMitglied des altrömischen Sippenadels; vornehmer, wohlhabender Bürger im Mittelalter*: Im 18. Jh. aufgekommene Eindeutschung des zuvor originalgetreu gebrauchten Latinismus Patricii (zur Adsuffigierung vgl. Dragoner unter Drache). Dies ist der substantivierte Plural von lat. patricius m., patricia f. >dem herrschenden römischen Stand, dem Geburtsadel Roms angehörig< (zu pater >Vaterden altrömischen Adel be-
treffend; wohlhabend, vornehm< adaptiert, außerdem ist es aber im Sinne von >der/die Edle, der/die Patrizier(in)< auch als männlicher und weiblicher Vorname in verschiedenen Sprachen üblich. Zwar k o m m t im Deutschen Patrizius/Patricius seit eh und je nur vereinzelt vor, im Englischen ist dagegen der aus dem Irischen übernommene Patrick/Pat (dem Namen des heiligen Patrick, des Apostels und Schutzheiligen Irlands) weit verbreitet. Auf die feminine Form gehen dt. Patrizia, engl. Patricia/Pat, frz. Patrice zurück. Patron1 m. >Schutzherr, -heiliger; Stifter einer KircheGönner, Förderers ugs. >übler Kerle Das Substantiv setzt gleichbed. mhd. patron(e) fort, dem wie auch (a)frz. patrón und ital. padrone (daraus der Exotismus Padrone >Herr, Wirt, Chef; Schutzheiligen) - lat. patronus >Schutzherr, gerichtlicher Verteidigen (zu pater >VaterMuster(form), Modell' (eigtl. >Vaterform, nach der etwas entsteht*, sofern der Vater Vorbild f ü r Gestalt und Charakter des Sohnes ist) und lieferte im 16. Jh. dt. Patron(e) >Muster, Modell, Musterform f ü r Pulverladungen< (zunächst Maskulinum, seit dem 17. Jh. Femininum), worauf Patrone »Hülse mit Geschoss und Treibladung; Musterzeichnung; Behält e r beruht. Das Duden-Fremdwörterbuch führt außerdem ein ebenfalls aus dem Französischen stammendes Neutrum Patron2 n. >Modell, äußere Form eines Saiteninstruments< auf. Gleicher Herkunft ist mengl. patrón, seit dem 16. Jh. zu pattern >Muster, Modell, Schablone< umgestaltet, aus dem dt. Pattern >(Verhaltens)muster, (Denk)schema; Sprachmuster< stammt. Paulus/Paullus: Männlicher Vorname, der als Beiname auf lat. paul(l)us m., pau(l)la f. >klein* (elementar verwandt mit paueus >gering; wenigärmlichder Kleine< bzw. >die Kleine* bedeutet. Der Name, insbesondere seine deglutinierte Form Paul1, fand vor allem durch den des heiligen Apostels Paulus Verbreitung und hat in den europäischen Sprachen verschiedene Lautformen entwickelt, vgl. z. B. frz., engl. Paul 2 , d ä n . Poul, s c h w e d . Pal/Pál, ital. Paolo, s p a n .
Pablo, port. Paulo, tschech. Pavel, poln., russ., bulg. Pawel, u n g . Pál, finn. Paavali.
Pavillon »kleines frei stehendes Gebäude in einem Garten oder auf einem Ausstellungsgelände*: Diese Bedeutung des Fremdwortes ist aus der älteren >(Fest)zelt< entstanden, mit der es um 1600 aus dem Französischen neu entlehnt wurde, nachdem mhd. pavelün/pavilün/poulün >Zelt< mit der Sprache des höfischen Epos bereits ausgestorben war. Frz. pavil-
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Ion >Zelt< (im 12. Jh. auch >SchmetterlingSchmetterlingfließen, fliegen, flattern< zurückgehenden reduplizierenden Bildung im Sinne von >die Flatternde«, wie es germ. *fifal-drdn bzw. ahd. fifalt(a)ra, mhd. vivalter (daraus durch Ablösung des vielfach umgestalteten und umgedeuteten Anlauts nhd. Falter) eine war. Die im Spätlatein aufgekommene metaphorische Bedeutung >(Soldaten)zelt< erklärt man durch die Ähnlichkeit der am Zelteingang nach außen umgeschlagenen Enden mit einem Schmetterling. Im 13. Jh. wurde frz. pavillon als Bezeichnung des Schmetterlings von der adäquateren Nebenform papillon verdrängt, die mit übertragenen, auf dem Vergleich mit einem Schmetterling oder seinen Flügeln fußenden Bedeutungen auch im Deutschen vorkommt: Papillon >Zwergspaniel mit nach außen gerichteten Stehohren; feinfädiges Woll- und Mischgewebe von ripsähnlichem Aussehen« (veraltet auch >flatterhafter Mensch«). Pax: Das lateinische Wort für Frieden - lat. pax, Gen. pacis, Akk. pacem (zur etymologischen Verwandtschaft s. Pakt) - tritt auf beispielsweise im Namen der 1944 in Frankreich auf Initiative des Bischofs von Lourdes gegründeten katholischen Weltfriedensbewegung Pax Christi (eigtl. >der Friede Christi«), In der katholischen Kirche gilt es als Friedensgruß, entstanden elliptisch aus Pax vobiscum! >Friede (sei) mit euch!«, dem Gruß, den Jesus seinen Jüngern gemäß der Vulgata (Lk 24,36) nach der Auferstehung entbietet. Die Kompositionsform von pax erscheint im Adjektiv pacificus f r i e d f e r t i g , friedlich« und darauf beruhenden dt. Pazifik (s. pazifisch). Aus der Akkusativform pacem (enthalten etwa im Ausdruck si vis pacem, para bellum >wenn du den Frieden willst, bereite den Krieg vor«, s. Duell, vgl. si) sind die romanischen Fortsetzer von pax hervorgegangen, darunter span. paz (vgl. den Namen des Regierungssitzes von Bolivien La Paz, eigtl. >der Frieden«), frz. paix bzw. afrz. pais, aus dem engl, peace >Frieden< entstammt. Letzteres ist Grundwort im Namen der internationalen Umweltschutzorganisation Greenpeace (eigtl. >grüner Frieden«, s. grün), vgl. ferner den kanadischen Gewässernamen Peace River (wörtl. >Friedensfluss«, s. Revier). pazifisch >den R a u m , den Küstentyp und die Inseln des Pazifischen Ozeans betreffend«: Die Semantik dieses Adjektivs zeugt davon, dass es nur indirekt auf lat. pacificus f r i e d f e r t i g , friedlich, sanft« (eigtl. >Frieden stiftend, Frieden schließend«, gebildet aus pax f r i e den« und dem reduzierten Stamm von facere >tun«, s. Pax, Fazit) beruht. Voraus geht die 1520 von Magellan geprägte Bezeichnung f ü r den Großen Ozean port. Mar Pacifico (eigtl. >das friedliche Meer«, vgl.
Meer), die auf die ohne Sturm und Unwetter verlaufenen Ozeanüberquerungen des portugiesischen Seefahrers anspielt. Nach dem Vorbild von engl. Pacific (Ocean) wurde im 19. Jh. das Weltmeer, das man zuvor im Deutschen - auf nlat. Mare Pacificum, frz. Mer Pacific f ü r port. Mar Pacifico basierend - mit der Lehnübersetzung Stilles Meer nannte, zu Stiller oder Pazifischer Ozean, kurz Pazifik umbenannt. Dieser N a m e motivierte dann die durch regulären Suffixersatz (vgl. fanatisch) verwirklichte Ausgestaltung des darauf bezogenen Adjektivs pazifisch. Pectus >Brust, Brustkorb«: Das mit dem gleichbedeutenden Gräzismus Thorax in der medizinischen Terminologie konkurrierende Fachwort repräsentiert lat. pectus, dessen Genitivform enthalten ist in der Krankheitsbezeichnung Angina pectoris >Herzk r a m p f , anfallartig auftretende Schmerzen hinter dem Brustbein infolge Erkrankung der Herzkranzgefäße« (erster Bestandteil identisch mit Angina E n t zündung des Rachenraumes; organisch bedingtes Beengungsgefühl«, über lat. angina >Halsbräune< aus griech. anchônë >das Erdrosseln« unter Anlehnung an lat. angere >beengenim Herzen, im Sinne (haben)« und daher im Deutschen >unter Geheimhaltung (z. B. bei der Ernennung eines Kardinals, dessen Namen der Papst aus bestimmten Gründen zunächst nicht bekannt gibt)«. Aus der italianisierten Form dieses Ausdrucks avere in petto ist dt. in petto b e a b sichtigt, geplant« bzw. etwas in petto haben >etwas im Sinne haben, etwas vorhaben, etwas im Schilde führen« übernommen. Pein: Durch die frühneuhochdeutsche Diphthongierung aus mhd. ptn/ptne >(Leibes)strafe; Qual; eifrige Bemühung«, ahd. pïna >Marter< (8. Jh.) lautlich umgewandeltes Substantiv, das über mlat. pëna >(Höllen)strafe< und lat. poena >Strafe, Buße, Qual« auf griech. poina/poinê >Strafe, Sühne, Rache« zurückgeht. Adäquat tritt die lateinische L a u t f o r m auf in dem strafrechtlichen Grundsatz nulla poena sine lege >keine Strafe ohne Gesetz« (s. Null, Absence, Lex), was so zu verstehen ist, dass bei der Festsetzung einer Strafe nur ein bereits zur Tatzeit geltendes Gesetz angewendet werden darf. Während das alte Lehnwort Pein mit dem offensichtlich nach dem Muster von frz. pénible ( > dt. penibel) gebildeten Adjektiv peinlich (s. d.) erhalten blieb, hat die jüngere Entlehnung mhd. pëne/pên >Strafe< lediglich im schon veralteten rechtswissenschaftlichen Fachausdruck Pön >Strafe, Buße« sowie in dem davon abgeleiteten ebefalls veraltenden Verb verpönen >missbilligen, ablehnen, verachten« und dem zugehörigen adjektivierten Partizip Präteritum verpönt gewisse Spuren hinterlassen.
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peinlich >unangenehm, schmerzlichc Diphthongiert aus mhd.ptnlich >quälend, Pein verursachend*, einer vom analog strukturierten, seit dem 12. Jh. bezeugten frz. pénible >mühsam; peinlich< kaum unabhängigen Ableitung zu pïn/pïne, der Vorform des Substantivs Pein (s. d.). Der nicht diphthongierte westmitteldeutsche Regionalismus pingelich »empfindlich; zimperlich, peinlich genau< (vgl. entsprechend Ping >Pein< im Kölschen) gelangte seinerseits Anfang i960 aus einer politischen Fernsehrede des Bundeskanzlers K. Adenauer über sein Idiolekt in die überregionale Umgangssprache: pingelig »übertrieben gewissenhaft, pedantisch; zimperlich, empfindlichsehr, ganz< und facere >tunVerbform in der vollendeten Gegenwart ergeben. Im Französischen tritt perfectus in der abgewandelten Form parfait auf, worauf die kulinarische Bezeichnung Parfait >gefrorene Speiseeismasse; gebundene und erstarrte Masse aus fein gehacktem Fleisch oder Fisch< beruht. Perkussion >ärztliche Organuntersuchung durch Beklopfen der Körperoberfläche; Zündung durch Stoß oder Schlag (beim Perkussionsgewehr des 19. Jh.); Anschlagvorrichtung beim Harmoniumc Terminologisierte Verwendung von lat. percussio >SchlagenKörperhohlräume zur Untersuchung abklopfenSchlagzeug< ist die Quelle der englisch ausgesprochenen Dublette Percussion >Gruppe der Schlaginstrumente; kurzer oder langer Abklingeffekt bei der elektronischen OrgelSchriftgrad von fünf Punkte Im Druckwesen aus Perlschrift gewonnene Kopfisolierung und somit Dublette von Perle. Letzteres ist aus ahd. per(a)la/perula hervorgegangen, das über gleichbed. vlat. *per(n)ula wohl zu lat. perna >Hinterkeule von Tierens aufgrund äußerer Ähnlichkeit auch >Art Meeresmuschel< gehört. Über (a)frz. perle vermittelt ist engl. pearl >PerlePerlenhafenPerson; Gestalt, Ansehen< (seit dem 15. Jh. auch >Handlungsträger des VerbsMaske< stammt. Aus seiner Kompositionsform und der abgeschwächten Form von lat. facere >machen< (s. Fazit) ist im 18. Jh. nach dem Vorbild
von struktur- und bedeutungsgleichem frz. personnifier das Verb personifizieren >Götter, Gegenstände, Begriffe in Gestalt einer Person darstellen< gebildet worden. In adäquater Form erscheint der Latinismus in Fügungen wie Persona grata >Diplomat, gegen den vonseiten des Gastlandes kein Einwand erhoben wird< (eigtl. willkommene Personpersönlich< (vgl. in). In englischer Lautung tritt er im Historismus Displaced Person auf, den man - auch zu D. P. abgekürzt - insbesondere auf die im Zweiten Weltkrieg nach Deutschland verschleppten ausländischen Zwangsarbeiter bezog (erster Bestandteil das Partizip Perfekt zum englischen Gallizismus to displace versetzen, verschieben; verschleppenPlatz, Ort< zugrunde liegt, s. platt). personal >persönlichdas Personal, die Person betreffend< ist personal (häufiger als Vorderglied von Komposita Personal- >Persönlichkeits-< auftretend, außerdem aber mit englischer Aussprache und in seinem eigentlichen Sinn >persönlich< auch in Personalcomputer/Personal Computer) eine direkte Übernahme von spätlat. personalis m./f., personale n. persönlich, sich auf eine Person beziehende dem zu persona >Person, Persönlichkeits mlat. auch >Diener, Dienstmann< (s. Person) gehörenden lateinischen Adjektiv. Mit der Bedeutung >dienerhaft< wurde dessen Neutrum personale im Sinne von >Dienerschaft, Hausangestellte< substantiviert und ergab dt. Personal Belegschaft, Gesamtheit der in einem Betrieb Beschäftigten oder der Hausangestelltens Bis ins 19. Jh. hinein lautete dieses Personale 1 n., diese Form ist aber heute nur noch in der Sprachwissenschaft gelegentlich als Synonym von Personalpronomen gebräuchlich. Von ihr zu unterscheiden ist übrigens der feminine Austriazismus Personale 2 >Ausstellung der Werke eines einzelnen Künstlerss Das substantivierte lateinische Neutrum Plural personalia persönliche Dinge< lieferte seinerseits das seit dem 17. Jh. bezeugte, mittlerweile eingedeutschte Personalien als Bezeichnung für die allgemeinen Angaben zur Person bzw. für die sie enthaltenden Papiere. Pessach >Fest der ungesäuerten Brotes Im Frühjahr stattfindendes jüdisches Fest zum Andenken an den Auszug aus Ägypten (Ex 12,1-13,16), wofür im Deutschen die Namen Passah/Passa (auch das beim Passahmahl gegessene Lamm bezeichnend), ökumenisch Pascha üblicher sind. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um die Verschmelzung von zwei ursprünglich verschiedenen Festen - einem Bauernfest und einem hebr. pesah (zu päsah >hüpfenÜberschreitung< oder >Vorübergehen des Herrn< (vgl. Ex 12,13), oder aber von
Pfeffer
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>Verschonung< umdeutete. Dass das hebräische Wort über griech. Pascha und kirchenlat. Pascha zur Bezeichnung des Osterfestes in einigen westeuropäischen Sprachen geworden ist (z. B. niederl. Pasen, frz. Pâques, ital. Pasqua, span. Pascua/Pascua florida, s . f l o r i d , vgl. Val), hängt mit dem letzten Paschamahl zusammen, das Jesus am Vorabend seiner Kreuzigung mit seinen Jüngern aß (Mt 26,17-29, M k 14,12-25, Lk 22,14-25), vgl. auch die symbolische Äußerung »denn als unser Paschalamm ist Christus geopfert worden« (1 Kor 5,7). Pasche(n) >Ostern< bzw. Paasche(n) als Familienname (etwa >zu Ostern Geboren e n ) ist in einer Randzone an der niederländischen Grenze gebräuchlich, vgl. daher den veraltenden Namen eines Ostergebäcks Paschweck (um Aachen) und Paschsemmel (um Hamburg). Petit >Schriftgrad von acht Punkte An sich Substantivierung von frz. petit m. >kleinfeines Kleingebäck< (aus gleichbed. frz. petits fours, wörtl. >kleine ÖfenBackofen, -hausunbedeutend; Klein-kleiner Rockdas A m t des Papstes< auftritt. Voraus geht griech. Pétros, das auf dem Gattungsnamen pétros (s.u.), einer maskulinen Nebenform des Femininums pétra >Stein, Felsblock< (woraus lat. petra >FelsWissenschaft von der chemischen Zusammensetzung der Gesteine< (vgl. Alchemie), Petrol (schweiz. auch Petroleum) >Erdöl; Destillationsprodukt des Erdöls< (eigtl. >Steinöltun, machenversteinern< (über das Grundwort -fizierert >machen< s. Fazit). Reflexe des lateinischen Femininums, welche einheimisches lapis >Stein< aus den romanischen Sprachen verdrängten, sind u.a. ital. pietra, enthalten in der italienischen Bezeichnung f ü r Florentiner Mosaik Pietra dura (s. Dur),
und span. piedra, vgl. daraus Piedra als N a m e einer in den Tropen heimischen Haarpilzerkrankung, bei der sich harte Knötchen an den Haaren und in der Kopfhaut bilden. Seine Entstehung verdankt der Name Petrus der Tatsache, dass ihn Christus nach der Bibel Simon, einem seiner ersten Jünger, als Beinamen gab, wobei das griechische (bzw. das deutsche) Wort die aramäische Bezeichnung kepha(s) >Fels< übersetzt, vgl. Jesu Worte »Du bist Simon, der Sohn des Johannes, du sollst Kephas heißen. Kephas bedeutet: Fels (Petrus)« (Joh 1,42) und »Ich aber sage dir: D u bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen« (Mt 16,18). Der N a m e fand nicht nur im Deutschen, sondern auch in den anderen europäischen Sprachen große Verbreitung, und zwar in entsprechend adaptierter Form, z.B. dt. Peter 1 , engl. Peter 2 , dän. Peder, frz. Pierre, ital. Pietro, span., port. Pedro, rumän. Petru, russ. Pjotr, bulg., serb., kroat. Petar, tschech. Petr, ung. Peter, finn. Pietari, armen. Bedros. Pfahl: Seit dem 10. Jh. bezeugtes, aber schon vor der Affrizierung germ. p - > ahd. pf- entlehntes Fachwort des römischen Bauwesens. Die lateinische Vorlage gleichbed. palus ist zugleich die Quelle von niederl. paal >Pfahl, StabPfahl, Pfosten; Stab, Stangeäußerste Spitze< liegt Letzteres vor in Po\eposition als Bezeichnung f ü r den vordersten Startplatz bei Autorennen, der dem Fahrer mit der schnellsten Zeit im Training zukommt. Als etymologische Dublette von niederl. paal >Pfahl< gilt pal >Sperrhakenspitz zulaufender Pfahl< auf lat. palus zurückgeht. Damit identisch ist vermutlich (ausgehend - nach E. Seebold - von einfacheren Rädern und Räderwerken, bei denen mit Pfählen gesperrt und gebremst wurde) seemannsspr. Pall >Sperrklinke zum Blockieren eines Zahnrades einer Winde oder eines SpillsPfahl< ist Grundwort des im Niederdeutschen und am Niederrhein gebräuchlichen Dörpel/Dörpel >Schwelle< (eigtl. >Türpfahlviolettbraunes, von dunklen Adern durchzogenes, wertvolles brasilianisches Nutzholz< stecke span. palo santo (eigtl. >heiliger PfahlBeere; Pfeffer(korn)< ergab unter persischer und griechischer Vermittlung lat. piper, das ins Westgermanische übernommen wurde und heute in dt. Pfeffer, niederl. peper, engl, pepper
Pfeife
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fortbesteht. Im Amerikanischen stellte sich zu pepper die umgangssprachliche Kopffragmentierung pep >Energie, Tatkraft, Lebhaftigkeit*, welche die Quelle von dt. Pep >Elan, mitreißender Schwung, begeisternde Wirkung< (dazu ferner ugs. Pepmittel, -pillert >AufputschmittelPfeife; Rohr; Hohlmaß< entlehnt vor der hochdeutschen Lautverschiebung aus vlat. *pipa >Schalmei, Röhre< (zu lat. pipäre >piepenPfeife; längliches Wein- oder Ölfass< fort, während österr. Pipe2 >Fass-, Wasserhahn* als spätere Übernahme von ital. pipa >Pfeife; Fass< gilt. Niederdeutsch ist nach H. Küpper und K. Krüger-Lorenzen piepe in dem im frühen 19. Jh. aufgekommenen Ausdruck das ist ihm piepe >das ist ihm schnuppe, schnurz, gleichgültige der wahrscheinlich mit der von Kindern geschnittenen und nur einen Ton hervorbringenden Weidenpfeife zusammenhängt, wohl beeinflusst von auf etwaspfeifen (laut dem Duden-Universalwörterbuch einfach zu dieser Wendung gehörend). Die aus dem Vulgärlatein hervorgegangene Nebenform ital. piva spiegelt sich im Exotismus Piva als italienische Bezeichnung für Dudelsack und für einen schnellen Tanz. Über engl, pipe vermittelt ist das Homograph Pipe3 >Hohlmaß von unterschiedlicher Größe für Wein und Branntwein (ca. 400-500 1); runde oder ovale vulkanische DurchschlagsröhreRohrleitung für Gas, Erdöl< (< engl, pipeline, s. Linie). Im Duden-Fremdwörterbuch ist schließlich die auf span. pipa >Pfeife; Fass< beruhende Dublette Pipa >altes spanisches und portugiesisches Flüssigkeitsmaß< mit aufgeführt. pfeifen: Das im Althochdeutschen schwach flektierende Verb phifön >mit dem Mund oder mit einem Instrument hohe Töne erzeugen*, welches seit mittelhochdeutscher Zeit nach dem Muster von grifen >greifenleidenreiten< meist starke Beugung aufweist, ist aus dem gleichbedeutenden lautmalenden lateinischen Verb pipäre entlehnt. Daneben bezeugt ist seit dem 16. Jh. piepen, ein wahrscheinlich aus mnd. pipen stammendes Verb, das nicht auf lat. pipäre zurückzugehen braucht, sondern - den Laut junger Vögel nachahmend - wie dieses lautmalenden Ursprungs sein kann. Da also bei pfeifen und piepen keine Wortspaltung durch zweifache Entlehnung oder durch Urverwandtschaft nachweisbar ist, so käme etymologische Adäquatheit insofern in Frage, als man in verschiedenen Sprachen zu analogen semantischen und Wortbildungszwe-
cken von demselben Lautkomplex /pi:p/Gebrauch gemacht hat. Pfeiler >Stütze, Säulec Im Unterschied zu gleichbed. niederd. Piler entstanden durch Diphthongierung aus mhd. pfilcere, das über ahd. pfiläri auf den Fachausdruck des römischen Bauwesens mlat. pilarium/ pilarius >Pfeiler, Stütze, Säule< zurückgeht. Dieses ist vermutlich eine adjektivische Ableitung von lat. pila >Pfeiler< (vgl. das über engl, pile >Haufen; Atomsäule< vermittelte Pile >Kernreaktor; StapelPfeiler, Pfosten< als Erbwort fortlebt. Daraus dt. Pilar »Rundholz zum Anbinden der Halteleinen bei der PferdedressurStück Tuch, Lappen< (sofern in der Frühzeit Tuche als Tausch- und Zahlungsmittel verwendet wurden, vgl. auch Fahne, Panel), auf Varianten von lat. patina >Schüssel< (wie etwa Schilling auf Schild, s. Patina1), ja auch auf lat. pondus >Gewicht< (wie möglicherweise auch Pfand, s. Pfund), was wegen des anzusetzenden Wandels o > germ. a chronologisch äußerst fragwürdig ist. Ungelöst bleibt das Problem auch im Rahmen von herkunftsgleichem engl, penny (die Annahmen schwanken zwischen pannus und ebenso unklarem *pand- >Pfandein Hundertstel der Finnmarke Wahrscheinlich in voralthochdeutscher Zeit wurde gemeinslaw. *pen$dzi >Münze, Geld< aus dem Germanischen entlehnt, woraus poln. pienifdze Plur. >GeldGeld, Geldmittel vorliegt. Pferd: Die heute einsilbige schriftsprachliche Tierbezeichnung ist aus mhd. pfert/pfärit/pferfrit, ahd. pferfrit/pfarafrit/parafred zusammengezogen. Dieses stammt aus spätlat. paraveredus, einer Bildung aus dem Gräzismus para- >bei, neben, entlang« und dem Gallizismus veredus >PostpferdBeipferd zum Postpferd auf Nebenlinien, Kurierpferd (auf Nebenlinien), Extrapostpferd< (eigtl. >NebenpferdPost-, Kurierpferd* übernommene Fremdwort wurde also semantisch verallgemeinert und hat sich gegen die in ober- und mitteldeutschen Mundarten ohne jegliche Konnotation gebrauchten Ross (s. d.) und Gaul (vgl. außerdem das unter Marschall erwähnte ahd. marah- >Pferdpersischer (Baum)persischer (Apfel)< seltsamerweise erst seit 1100 im Deutschen bezeugt ist: mhd. pfersich/pfirsich als Vorgänger von nhd. Pfirsich (eigtl. >der PersischeSorte kleiner, säuerlicher Aprikosen mit festem Fleisch< geliefert. Ebenso wie lat. Persia dem morphologischen System des Deutschen assimiliert wurde und die Lautung Persien annahm, so scheint auch das zugehörige Adjektiv persicus mit Suffixersatz (vgl. fanatisch) dt. persisch ergeben zu haben, das somit dem Dublettenpaar Pfirsich Alberge als ein weiteres Glied angeschlossen werden darf. Pflanze: Vor der hochdeutschen Lautverschiebung entlehnt aus lat. planta >Schössling, Setzling« (wohl rückgebildet aus plantare >bepflanzendie Erde um den Setzling mit der Sohle festtreten«). Mithilfe von dessen Kompositionsform ist die hybride Bildung Plantowolle >veredelte Jutefaser« konstruiert. Auf das lateinische Wort werden air. cland bzw. daraus hervorgegangenes gäl. clann >Abkömmling, Nachkommenschaft« zurückgeführt, auf dem engl, clan und daher dt. Clan/Klan >Lehns-, Stammesverband; Gruppe von Personen, die jemand um sich scharrt« beruhen (zum Bedeutungswandel vgl. dt. Stamm »Teil eines Baums«, übertr. »Geschlecht, Sippenverband«). Die eine Zeitlang in Duden-Wörterbüchern durch Bedeutungsverteilung angedeutete teilweise Duplizität, nämlich Clan »schottischer Sippen- oder Stammesverband« vs. Klan »Gruppe eines Stammes, die sich von gleichen Vorfahren herleitet« bzw. Clan/ Klan »durch gemeinsame Interessen oder verwandtschaftliche Beziehungen verbundene Gruppe« wurde neuerdings zugunsten der Varianz aufgegeben. Pflaster: Vor der hochdeutschen Lautverschiebung entlehnt aus mlat. plastrum »Wundpflaster; aufgetragener Fußboden- oder Straßenbelag« zu ahd. pflastar »Wundpflaster; gepflasterter Boden; Straßenpflaster«. Das mittellateinische Wort ist durch Präfixschwund aus lat. emplastrum (vgl. daraus das Fremdwort
Emplastrum »medizinisches Pflaster«) entstanden, das aus griech. emplastron/emplaston (phärmakon) »zu Heilzwecken aufgetragene Salbe, Salbenverband«, eigtl. »aufgeschmiertes (Heilmittel)« (zu emplässein »eindrücken, aufschmieren«, einer en-Präfigierung von plässein »kneten, bilden, formen«) stammt. Das aus mlat. piastra, dem Plural von plastrum, singularisierte Femininum ital. piastra »Metallplatte« hat sich (nach C. T. Onions elliptisch aus piastra d'argento »Silberplatte«) zur Münzbezeichnung entwickelt und liegt durch Vermittlung von frz. piastre in dt. Piaster »Währungseinheit im Libanon, Sudan, in Syrien und Ägypten, früher auch in der Türkei« vor. Pflaume: Der deutsche Name dieser Steinfrucht ist wie gleichbed. niederl. pruim und engl, plum eine westgermanische Entlehnung aus vlat. *prüma, dem als femininer Singular aufgefassten Plural von *prümum, einer Nebenform von lat. *prünum n. »Pflaume« (dazu prunus f. »Pflaumenbaum« in dem botanischen Fachausdruck Prunus »Pflanzengattung der Steinobstgewächse«). Bei der Übernahme des lateinischen Wortes, das selbst ein Lehnwort ist und über griech. proümnon wohl aus einer kleinasiatischen Sprache stammt, trat ein teilweiser Wechsel von r zu / im Althochdeutschen ( p f r ü m a neben pflüma) und im Altenglischen (plüme) auf. Engl, plum mit der Nebenbedeutung »Rosine« ist in Plumpudding »mit vielerlei Zutaten im Wasserbad gekochter Rosinenpudding« (aus gleichbed. engl, plum pudding) gebundene Dublette von Pflaume. Niederl. pruim wurde seinerseits um 1800 in der Bedeutung »Stück Kautabak« zu Priem entlehnt, ein metaphorischer Gebrauch der Fruchtbezeichnung, bei dem vermutlich davon ausgegangen ist, dass die Menge Kautabak in Form und Farbe einer Backpflaume gleicht. Pforte »kleines Tor, Eingang; Gebirgsdurchgang«: Einer der zahlreichen Fachausdrücke auf dem Gebiet des Bauwesens (insbesondere des Steinbaus), welche die Germanen von den Römern entlehnten. Die Vorlage lat. porta »Tür, Tor, Eingang«, das wie etymologisch zugehöriges portus »Hafen« (s. Port) mit Furt (s. d.) urverwandt, ja möglicherweise herkunftsgleich ist, weist heute - im Gegensatz zu mhd. pforze neben pforte - Inkonsequenz bei der Affrizierung der Verschlusslaute p und t in der Ausgangsform auf. Lat. porta tritt heute adäquat auf im Fachwort der Anatomie Porta »Zugang, Stelle der Einmündung oder des Eintretens besonders von Gefäßen in ein Organ«, bekannt geworden ist es aber vielmehr durch den Namen des monumentalen römischen Stadttors in Trier Porta Nigra (eigtl. »schwarzes Tor«, s. Neger) sowie durch den der 1973 entstandenen Stadt Porta (Westfalicadie nach dem Westfälische Pforte bzw. lat. Porta Westfalica heißenden Durchbruch der Weser durch den Rand des Weserberglandes genannt
Pfropf
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wurde. Der lautgetreue Fortsetzer des Latinismus ital. porta erscheint teilweise eingedeutscht im baukünstlerischen Fachausdruck des Barocks und Rokokos Sopra-/Supraporte >Feld mit Verzierung über der Tür< (aus ital. soprapporta, wörtl. >über dem Torkleiner Zylin-
der- oder kegelförmiger Gegenstand aus Kork, Holz oder Kunststoff< stellt ebenso wie diese eine Verhochdeutschung von niederd. Propp/Proppen >Stöpsel< (< mnd. prop/proppe, nach W. Pfeifer urspr. >jede Masse, durch die eine Öffnung fest verstopft wirdPfropfen, Stöpselkleiner Jungeganz voll, übervoll, vollgestopft,
Wonneproppen
>niedliches, wohlgenährtes Kleinkinds Abgesehen von E. Seebolds Ansicht, Pfropfen gehe wie pfropfen auf lat. propago >Ableger< und propagare >ausdehnen, fortpflanzen, hineinstecken< (der Verschluss werde in die Flasche gesteckt wie das Edelreis in die Erde oder in den Wildling) zurück, vermutet man in Proppen eher eine Mischbildung aus lautnachahmenden Verben. Pfründe >Einkommen durch ein Kirchenamtc Das seit dem 9. Jh. (ahd. pfruonta) bezeugte, durch Vokalkürzung /ü:/ > /ü/ nach der Monophthongierung von /üe/ aus mhd. pfrüende umgestaltete, heute scherzhaft auch im Sinne von >(fast) müheloses Einkomm e n gebrauchte Substantiv ist aus mlat. provenda >was einem Geistlichen als Gegenleistung für seine Dienste zusteht< entlehnt. Dies ist eine unter Einwirkung von lat. providere vorhersehen; versorgen< entstandene lautliche Umgestaltung von spätlat. praebenda >Proviant, Lebensmittel für Militär< (eigtl. >das Darzureichende^ zu praebere >hinhalten, darreichen, gewähren^ einer Präfigierung von habere >haben, haltengroße Pfützec Die westgermanische Grundlage des Wortes *pöla- >Sumpf, Morast< (daraus auch engl, pool >Tümpel, TeichglänzenSumpf< urverwandt sein sollte). Das aus amerik. swimming pool verselbständigte pool >Schwimmbecken< ergab gleichbed. dt. Pool1 (woneben auch die Vollform Swimmingpool/Swimming-Pool gebräuchlich ist). Die im Duden-Herkunftswörterbuch dem Fremdwort zugeschriebene Bedeutung >Gewinnverteilungskartell< kommt eigentlich dem Homonym Pool2 (s. Poule) zu. Pfühl >Kissen; weiche Lagerstattc Eine alemannische Nebenform dieses Archaismus lebt fort in Schweiz. Pfulmen >breites Kissen, auf dem das Kopfkissen liegtFederkissenKissenPolster, Kissen; Gartenbeets Über aengl. pyle und meng, pilwe geht auch engl, pillow > Kopfkissen, Polster; Lagen auf dieselbe, etymologisch ungeklärte lateinische Vorlage zurück. Der Anglizismus ist Vorderglied im geologischen Fachausdruck Pillowlava >für untermeerischen Erguss typische Lava von kissenähnlicher F o r m . Pfund: Das in erster Lienie als Gewichtseinheit in Höhe von einem halben Kilo gebrauchte Wort stellt eine alte lateinische Entlehnung in den germanischen Sprachen dar. Ihre Vorlage ist der erstarrte Ablativ pondo (eigtl. >dem Gewicht nach, an GewichtGewicht (bei der Waage)< gegenüber dem üblichen gleichbedeutenden s-Stamm pondus, Abi. pondere (daraus die ältere Maßeinheit der Kraft Pond), beides Ableitungen von pendere >abwägenGewichtseinheit von 453,60 g< wird das Wort gelegentlich als Exotismus lexikographisch aufgeführt, während es als Münzeinheit in Großbritannien durch Pfund Sterling wiedergegeben wird. Ein weiterer Exotismus liegt vor in Pud als früheres russisches Gewicht (16,38 kg), das durch altnordische Vermittlung aus derselben Quelle stammt. Unter Annahme einer Bedeutungsentwicklung von >Gewicht< zu >Münzsicherheit< unternahm man den Versuch, auch dt. Pfand (ähnlich wie Pfennig, s. d.) auf lat. pondo zurückzuführen, dies macht es aber zugleich erforderlich, den Eintritt des Wandels vorgerm. 0 > germ. a erst nach der Entlehnung anzusetzen, was kaum wahrscheinlich ist. Pfütze >LacheBrunnen, WassergrubeBrun-
Phiale
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nen; Tümpel, LacheZiehbrunnen; Kohlengrube, Bergwerk, Schacht< sowie niederl. put >Brunnen; Grube, Vertiefung; Schacht< und engl, pit >Grube, Vertiefung; Kampfplatz f ü r Hahnenkämpfe< herkömmlicherweise als sehr frühe Entlehnung aus lat. puteus >Grube; Brunnen; Brunnen-, Luftschacht< (mit westgermanischer Gemination des t vor aus lat. e entwickeltem;') angesehen. Die englische Entsprechung liegt in Pit >als Speicher der Information dienende Vertiefung unterhalb der Oberfläche der CD-ROM< vor, und gebunden steckt sie in Cockpit >Pilotenraum, Sitzraum eines Sportboots oder Rennwagens< (s. Coq) und in Pitbull(terrier) >mit Bulldogge und Terrier verwandte, als K a m p f h u n d abrichtbare englische Hunderasse< (s. Bulle'). Aus niederl. puts >kleiner Eimer< übernommenes gleichbed. seemänn. Pütz/Pütze ließe sich als wahrscheinliche lautnachahmende Bildung höchstens über das Verb putten >Wasser schöpfen< mit dem dt. Pfütze entsprechenden niederl. put in Z u s a m m e n h a n g bringen. Phalanx geschlossene Schlachtreihec Das in der Anatomie auch >Finger-, Zehenglied< bedeutende Fremdwort wurde im 18. Jh. über gleichbed. lat. phalanx, Akk. phalangem aus griech. phalanx, Akk. phálanga >Baumstamm; Balken; Walze; Schlachtreihe< (urverwandt mit Balken, s.d.) entlehnt. Aus dem Akkusativ phalangem ererbt ist span. falange >Fingerglied; SchlachtreiheStange, Rolle< zurück, aus dem - möglicherweise vom Adjektiv planus >flach, glatt, eben< (s. plan) beeinflusst - spätlat.-vlat. palanca/planca >Bohle, Brett< hervorgegangen ist. Die synkopierte Variante planea ergab über mhd. planke >dickes Brett< nhd. Planke >starkes Brett, Bretterzaun< und über frz. planche (eigtl. >BrettFechtbahn< (vgl. auch Planchette). P h ä n o m e n o n >das Erscheinende, sich den Sinnen Zeigende; der sich der Erkenntnis darbietende Bewusstseinsinhaltc Philosophischer Fachausdruck, der über lat. phaenomenon auf griech. phainómenon >das Erscheinende, Einleuchtende< (Substantivierung des Partizips Passiv von phainesthai erscheinen, sichtbar werdenzeigen; gesehen werdenetwas, was in seiner Erscheinungs-
f o r m auffällt, ungewöhnlich ist; Erscheinung; außergewöhnlicher, phänomenaler Mensch< bedeutet. Als Kopffragmentierung von Phänomen gilt der im Duden-Fremdwörterbuch aufgeführte Fachausdruck der Biologie Phän >deutlich in Erscheinung tretendes (Erb)merkmal eines Lebewesens, das mit anderen zusammen den Phänotypus ausbildete Die K o m p o sitionsform des Gräzismus tritt auf in Phänomenologie >Lehre von den Wesenserscheinungen der Dinge< (über das Grundwort vgl. Logo). Phantasma Sinnestäuschung, Trugbildc Der Fachausdruck der Psychologie geht über lat. Phantasma zurück auf griech. phäntasma >Erscheinung, Gestalt, Trugbild, Gespenst< (Verbalabstraktum zu phantäzesthai erscheinen, sichtbar werdenKönigspalast< (eigtl. >großes HausPharaoaltgriechische flache Opferschalec Der Historismus gibt griech. phiale >flache Schale, Trinkschale; Urne< wieder. Durch Vermittlung von gleichbed. lat. phiala und wahrscheinlich von i t a l . f i a l a >Flasche mit engem Hals< ist phiale zugleich die Quelle der graphosemantischen Dublette Fiale, eines baukünstlerischen Fachausdrucks zur Bezeichnung des schlanken, spitzen Türmchens an gotischen Bauwerken, das als Bekrönung von Strebepfeilern dient. Im Mittellateinischen tratfiala (woher a h d . f i a l a >Flaschebauchförmige Glasflasche mit langem Hals< auf, die gleichbed. mhd. viole und in der Graphie regräzisiert - nhd. Phiole lieferte. In Form einer Schwanzfragmentierung ist Letzteres
Phosphor zweiter Bestandteil des durch Wortverschmelzung oder -kreuzung mit lat. gutta >Tropfen< (s. Guttae) gebildeten Warenzeichens Guttiole >TropfflaschelichttragendLicht< (s. Foto) und -phôros >tragend, bringend< (zu phérein >tragentragenLichtbringer, Lichtträger< schon zuvor auf in griech. Phösphoros, lat. Phosphoros/Phosphorus als Bezeichnung für den Morgenstern, der gleichsam das Tageslicht bringt. Möglicherweise diente auch diese Substantivierung zum Vorbild bei der variativen Benennung der Leuchtstoffe oder Luminophore mit der Pluralform Phosphore phosphoreszierende Leuchtmassen (Substanzen, die durch Bestrahlen lange Zeit im Dunkeln leuchten)< gegenüber ausschließlich im Singular gebräuchlichem Phosphor. phrenetisch >wahnsinnigwahnsinnig, gehirnkrankZwerchfellrasend, irrsinnig, leidenschaftlich< gemeinsprachliche Verwendung und etablierte sich als graphosemantische etymologische Dublette von phrenetisch. Piémont: Eingedeutschte Form von ital. Piemonte, dem Namen einer historischen Landschaft in Nordwestitalien, der auf Lateinisch - aus der Kompositionsform von pes >Fuß< und mons, Gen. montis >Berg< (s. Fuß, Montes) mithilfe des Suffixes -ium im Sinne von >Gebirgsfuß< gebildet - Pedimontium lautet und im Englischen in der Lautgestalt Piedmont üblich ist. Als Gattungsname ist dieses ein geologisch-geographi-
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scher Terminus, der im Deutschen im Rahmen einer verdeutlichenden Komposition auftritt: Piedmont/7ä che >meist flache, sanft geneigte Fläche vor dem Fuß eines Gebirges, gegen den sie deutlich abgesetzt istEhrfurcht, Achtung (besonders gegenüber Toten); Rücksichtsnahme auf die Gefühle anderere Entlehnt aus lat. pietas, Gen. pietatis Pflichtgefühl, Anhänglichkeit, Milde< (Abstraktum zupius >fromm, pflichtbewusstFrömmigkeit, Barmherzigkeit, Liebe< fortbesteht. Als kunstwissenschaftlicher Fachausdruck wird Pietà/Pietà im Deutschen synonym mit Vesperbild für die Darstellung Marias mit dem Leichnam Christi auf dem Schoß gebraucht, vgl. auch die musikalische Vortragsanweisung con pietà >mitleidsvoll, andächtig, pietoso< (eigt. >mit AndachtKörperfarbstoff; im Binde- und Lösungsmittel unlöslicher, aber feinst verteilter Farbstoffe Das seit dem 18. Jh. bezeugte Fremdwort ist aus dem lateinischen Neutrum pigmentum >Färbestoff, Farbe< (zu pingere >malen, bestreichen^ deglutiniert. Dessen vulgär- und mittellateinische Nebenform piment (auch >Duftstoff, GewürzSchminke; Duftstoff; Spezerei, Gewürz, Kräuter< und mhd. piment(e) >Gewürz, Spezerei; gewürzter Wein; würziger DuftNelkenpfeffer< beeinflusst - in gleichbed. Piment fortlebt. Pik n. >SpielkartenfarbeLanze, Spieß der Landknechte< nach der Ähnlichkeit des Kartensymbols mit der Stichwaffe entwickelt hat. Seit dem 14. Jh. (spätmhd. pieke) bezeugtes Pike >Spieß, Lanze< (heute in von der Pike auf dienen, d. h. sich zunächst von Soldat an, dann in senem Beruf von der untersten Stufe emporarbeiten) wird zum Teil aus dem Französischen (vgl. die Schreibung Pique Anfang des 17. Jh.), zum Teil aus gleichbed. mniederl. pieke/pike (13. Jh.) hergeleitet, das auch die Quelle von mfrz. piqué (14. Jh.) zu sein scheint. Manche Forscher führen das französische Wort (und daher das niederländische und das deutsche) auf (a)frz. piquer >stechen, reizen< (zu pie >Spitze< oder vlat. spiccare >stechen, sticheln