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German Pages 224 [232] Year 1992
Series Maior
LEXICOGRAPHICA Series Maior Supplementary Volumes to the International Annual for Lexicography Suppléments à la Revue Internationale de Lexicographie Supplementbände zum Internationalen Jahrbuch für Lexikographie
Edited by Sture Allén, Pierre Corbin, Reinhard R. K. Hartmann, Franz Josef Hausmann, Hans-Peder Kromann, Oskar Reichmann, Ladislav Zgusta 42
Published in cooperation with the Dictionary Society of North America (DSNA) and the European Association for Lexicography (EURALEX)
Worte, Wörter, Wörterbücher Lexikographische Beiträge zum Essener Linguistischen Kolloquium herausgegeben von Gregor Meder und Andreas Dörner
Max Niemeyer Verlag Tübingen 1992
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Worte, Wörter, Wörterbücher : lexikographische Beiträge zum Essener Linguistischen Kolloquium / hrsg. von Gregor Meder und Andreas Dörner. - Tübingen : Niemeyer, 1992 (Lexicographica : Series maior ; 42) NE: Meder, Gregor [Hrsg.]; Essener Linguistisches Kolloquium ; Lexicographica / Series maior ISBN 3-484-30942-3
ISSN 0175-9264
© Max Niemeyer Verlag GmbH & Co. KG, Tübingen 1992 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Druck: Weihert-Druck GmbH, Darmstadt Einband: Hugo Nädele, Nehren
Inhalt Einleitung
1
BURKHARD SCHAEDER Probleme einer Darstellung der Geschichte der deutschen Lexikographie. Oder: Ein ordenliche erzellung und erklärung waarhaffter, grundtlicher und geschächner dingen (Maaler)
7
JOACHIM MUGDAN Zur Typologie zweisprachiger Wörterbücher
25
HENNING BERGENHOLTZ Lemmaselektion in zweisprachigen Wörterbüchern
49
JÖRG ALLHOFF Die Berücksichtigung von Affixen in Wörterbüchern BRODER CARSTENSEN
67
Anglicisms in German. The Description of the Loan-process
87
GREGOR MEDER Angaben zur Bildung der Komparationsformen deutscher Adjektive in Wörterbüchern der deutschen Sprache
105
ANDREAS DÖRNER Politische Lexik in deutschen und englischen Wörterbüchern. Metalexikographische Überlegungen und Analysen in kulturwissenschaftlicher Absicht
123
GOTHILD THOMAS Kotasu, doma, yukata. Zu einem Phänomen der Wortsemantik im zweisprachigen Wörterbuch am Beispiel des Sprachenpaares Japanisch und Deutsch
147
GUSTAV MUTHMANN Neukonzeption eines rückläufigen deutschen Wörterbuchs SABINE PLUM Gefühlswörter im Wörterbuch. Überlegungen zur lexikographischen Bedeutungserläuterung des emotionalen Wortschatzes URSULA VENN Neoklassizlsm us.
155
169
Kritik und Vorschläge zur Fachlexikographie der Musik
183
PETER GRZYBEK Probleme der Sprichwort-Lexikographie (Parömiographie): Definition, Klassifikation, Selektion
195
Anschriften der Autoren
224
Einleitung
Die neuere Wissenschaftsforschung ist sich darin einig, daß Qualität und Quantität der Erträge wissenschaftlicher Arbelt in hohem Maße abhängig sind von der Qualität und Quantität der Kommunikation unter den Wissenschaftlern. Forschung ist in erster Linie ein Kommunikationsprozeß, auch wenn die alten Mythen vom einsamen Forscher, der in langen Nächten am Schreibtisch seine genialen Ideen ausbrütet, noch häufig die Alltagsvorstellungen von Wissenschaft prägen. Allerdings weist die kommunikative Infrastruktur der Forschung sehr unterschiedliche Formen und Medien auf: vom 'klassischen' Buch und Zeitschriftenaufsatz über die Zirkulation von 'grauer Literatur' bis hin zum On-LineDatenaustausch, von der Rede auf dem Festakt bis zum Informellen Gespräch am Rande einer Arbeitstagung. Kolloquien wie das in diesem Buch dokumentierte "Essener Linguistische Kolloquium" stellen in dieser Landschaft eine besonders wichtige kommunikative Gattung dar. Bei Vortrag und anschließender Diskussion Ist es möglich, die Qualität von Forschungshypothesen in direkter Rede und Gegenrede abzutesten. Viele "blinde Flecke", die der einzelne - oft tief in einen Themenbereich "eingewühlt" - nicht mehr erkennt, werden auf diese Welse offengelegt. Der Vortragende wird auf Schwachstellen seiner Argumentation hingewiesen und kann sie nachbessern, bevor er sich zur Publikation oder, im Falle einer Qualifikationsschrift, zur Abgabe entschließt. Das Publikum wiederum erhält Einblicke in die Werkstattprozesse der Forschung und erfährt von aktuellen Projekten, die in Arbelt sind. Neben diesen sachbezogenen Aspekten sind auch die sozialen Funktionen eines Kolloquiums herauszustellen. In der persönlichen Diskussion, vor allem aber bei geselligen Geprächen vor und nach den eigentlichen Vorträgen herrscht ein reger Informationsaustausch: über Projekte, Drlttmltteljagden, freie Stellen und anderes. Nicht zuletzt gibt es Raum für Jenen "Klatsch", der - wie eine neuere soziologische Habilitationsschrift belegt - konstitutiv für einen sozialen Gruppenzusammenhalt ist (Bergmann 1987). Wie sehr wissenschaftliche Aufklärung auch auf besondere Formen der Geselligkeit und der lebendigen Kommunikation angewiesen ist, das läßt sich beispielhaft etwa anhand der aufklärerischen Wissenschaft im Wechsel vom 18. zum 19. Jahrhundert mit Ihren gelehrten
2
Einleitung
Societäten, hier
Lesekabinetten scientific
die
schließlich
zu
jenen
Kriegern,
die
den
birgt
Forscher Ritus
zu
Zwei
Sinne
erwähnten
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Diskussion aktive
offenen
zum
ohne
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vorantreibt.
Linguistischen Burkhard
heutigen Veranstaltern Diachron
betrachtet
tionssequenzen antiquierten
mag
der
wichtige
hier ja
Linguistik
zu
sprechen.
Kolloquium
Im
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mit
dem
noch
im
erreicht;
hat
Ansatz
dieser die
Und
der
Schwerpunkt
und
wieder
als
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die
die
rationalen
Nachwuchs
durch
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und
dieses
Konzept
kritisch
"Schulen",
symbolisch
doch
Jahre einer
hat
ein
für
radikal
von
sich
einer
Bergenholtz werden
nie
zum
Linguistische
der
und
von
den
jüngeren
Kommunikadiesen
Namen
Prozeß,
der
Dogma
zurückliegenden
Berelchen
Grammatikographle,
orientierten ist.
Linguistische
forschung,
Sprachgeschichte,
H i s t o r i o g r a p h i e der Disziplin
das
Insbesondere
größeren
sondern
es
vor
Sprachwissenschaft
Joachim Mudgan und
einen
der
hat
durch
Burkhard
Bekanntheitsgrad in
diesem
seine
Band
Allerdings spezifische anderen
erfahren.
hat
Jahre
nicht
in
in immer w i e d e r neuen Diskussionen mit
Semantik,
und
sich
herausgebildet,
Forschergeneration
erstarrt,
Kolloquium
leicht
Prag
Schule"
Essener
das
Profil
gekennzeichnet
mittlerweile
der
man
Die
"Essener
durch
Henning B e r g e n h o l t z ,
Ansatz
Beiträge
von
sich
in
auch k e i n e s w e g s nur mit l e x i k o g r a p h i s c h e n Themen Programme
die
Essener
hat.
empirisch
Lexikographie
wenn
darf.
diesen
spezifisches
Forschern, ihren A n s ä t z e n und Methoden Essener
die
wie
beim
wissenschaftlicher
heranziehen
scheinen,
A u s g e s t a l t u n g g e r a d e im Dialog,
Das
des
berücksichtigt
Diskussion
Henning
im
Teilnehmer
b e l e g e n , daß sie in g e w i s s e r Hinsicht w i r k l i c h "Schule g e m a c h t " haben. Ist
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Laufe und
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der
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des
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und
oder
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und
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fortgeführt.
es
allem durch
zum
Offenheit
z u l e t z t über r e g e l m ä ß i g e K o l l o q u i e n v o l l z o g e n Nun
sich
der
Kühe die
Forschungsschwerpunkte
stehen
sich kommt
Stammesgesellschaft
mehr
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systematisch heilige
Aspekte,
formieren
Begriff
Kopenhagen
kann
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die
erweisen
wissenschaftlichen
Kolloquium
Schaeder
es
Häuptlingen
Im Weihrauch
entgegenzuarbeiten:
Kapital von
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Beide
des
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Aufklärungstradition
Rücksicht
Einbindung
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und
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dem symbolischen
und
der
Es
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doch
oder
Gegenmaßnahmen
auf
schon
aus
droht
Ritual
Entwicklungen
Verantwortlichen der
beobachten.
Zusammenhang,
"Stammesbildungen"
Gefahren,
entleerten
derartigen
Arguments als
sozialer
1985). auch
im
erstarren.
geeignet,
als
Wissenschaftsbereich
allerdings
allzuoft
Diskussionsclubs
eigentümlichen
k e n n z e i c h n e n (Campbell Dies
und
Community
zeigt
den
Vorträge
Pragmatik,
Namensforschung, Sprachwissenschaft.
zurückliegenden
Jahren
b e s c h ä f t i g t . Ein Blick auf die zum
Beispiel
Soziollnguistlk,
Computerlinguistik
aus
den
Sprachlehroder
aus
der
Einleitung
3
Es wurde aber auch der linguistische Tellerrand immer wieder überwunden, etwa In
Richtung
Soziologie
Literatur-
und
und Politologie.
Medienwissenschaft,
Ein
darin, daß häufig Forscher
besonderer Akzent
Philosophie, sich
Publizistik,
schließlich
noch
aus den anderen Hochschulen des Ruhrgebietes
ein-
geladen wurden; die v i e l f ä l t i g e
zeigt
und In gewisser Hinsicht
einmalige
Hochschul-
landschaft in dieser Region ist vielleicht auch durch das Kolloquium etwas näher zusammengerückt. Im
vorliegenden
Linguistischen
Band
werden
Kolloquium
die
von
lexikographischen
den
Anfängen
Themenbereich bildete in diesen Jahren
bis
einen
Beiträge
1989
Essener
zum
dokumentiert.
Dieser
Schwerpunkt im Kolloquium.
Die
Auswahl der Beiträge repräsentiert einerseits die Konzeption des Kolloquiums und andererseits Kolloquium
die
thematische
diskutiert
Wissenschaftler Probleme Dörner)
der
wurden:
Auswärtige Mugdan,
(Schaeder,
lexikographischen Probleme
und
der
allgemeine
behandeln
Metalexikographie
Streuung
der
lexikographischen und
Essener,
Probleme
Bergenholtz
Beschreibung
(Allhoff,
Lexikographie
etablierte
der und
Themen,
im
und Junge
Lexikographie
und
ausgewählte
Thomas), Carstensen,
spezieller
die
Meder
sprachlicher
und
Bereiche
(Muthmann, Plum, Venn und Grzybek). Den ersten Block eröffnet Burkhard SCHAEDER. Er stellt seine Überlegungen einer Geschichte
der Lexikographie
der Geschichte der und des Rolle.
Erscheinen
MUGDAN
des
thematisierte
einer
Historiographie
diskutiert
Aufsatzes
Trennung
von
die
in
der der
Probleme der Begründung
Lexikographie
"aktiven"
eine
Lexikographie
Kromann/Rllber/Rosbach
zwischen
und
zu
zunehmenden Interesses an
Sprachwissenschaft. Dabei spielen
Gegenstandes
Joachim
in den Kontext
besondere
spätestens
(1984)
immer
"passiven"
seit
wieder
zweisprachigen
Wörterbüchern. Er geht den Quellen dieser Unterscheidung nach und versucht sie für die
Gestaltung
zweisprachiger
BERGENHOLTZ geht der Frage
Wörterbücher
fruchtbar zu
machen.
Henning
der Lemma-Auswahl für ein Wörterbuch nach. In
seinem Werkstattbericht über das Madagassisch-Deutsche Wörterbuch werden zum ersten
Mal
die
Kriterien,
die
zur
Auswahl
der
Lemmata
für
ein
Wörterbuch
geführt haben, offengelegt. Jörg
ALLHOFF
analysiert
deutschen Wörterbüchern.
Im zweiten Die
Analyse
Block von
die
Behandlung
22 Wörterbüchern
von
"Affixen"
In
unterschiedlichen
Typs aus verschiedenen Zelträumen ergibt, daß die modernen Wörterbücher eine Tradition fortsetzen, deren Merkmal eine uneinheitliche, undurchsichtige und z.T. widersprüchliche Darstellung der A f f i x e ist. Auch der Beitrag von Gregor MEDER stellt eine
Tradition
in
den deutschen Wörterbüchern
morphologie deutscher Adjektive wird in einsprachigen nicht
systematisch
behandelt.
Dort,
wo
Angaben
fest:
die
deutschen
gemacht
KomparationsWörterbüchern
werden,
sind
sie
uneinheitlich und widersprüchlich. Broder CARSTENSEN diskutiert den Prozeß der Entlehnung
von
Wörtern
aus
dem
Englischen
und
die
daraus
resultierenden
Probleme. Den englischen Faden aufnehmend versucht Andreas DÖRNER, sich den
4
Einleitung
unterschiedlichen Politikverständnissen in Deutschland und Großbritannien durch Analyse der Kodifikation der politischen Lexik in deutschen und englischen Wörterbüchern zu nähern. Er gewinnt "Einblicke in die politisch-kulturellen Codes" der beiden Staaten und schließt mit einem Plädoyer für eine Interdisziplinäre Zusammenarbeit von (Meta-)Lexlkographie und Kulturwissenschaft. Den letzten Block eröffnet Gustav MUTHMANN mit einem Beitrag zur Neukonzeption eines rückläufigen Wörterbuchs. Nach einem kurzen geschichtlichen Überblick zeigt er, daß ein rückläufiges Wörterbuch mehr sein kann als eine Wortliste in finalalphabetischer Anordnung. Ihm folgt Ursula VENN mit ihrem Beitrag zur Fachlexikographie der Musik. Sie geht der Behandlung des Terminus Neoklassizlsmus in allgemeinsprachlichen Wörterbüchern und Fachwörterbüchern der Musik nach und macht auf der Basis von eigenen Korpusuntersuchungen einen Vorschlag für einen Wörterbucheintrag in einem Fachwörterbuch der Musik. Sabine PLUM vertritt mit Ihrem Beitrag den Vortrag von Ludwig Jäger und seiner Arbeitsgruppe im Essener Linguistischen Kolloquium. Sie stellt Überlegungen zur Bedeutungsbeschreibung des Gefühlsswortschatzes vor, die im Rahmen des Aachener "Historischen Wörterbuchs des deutschen Gefühlwortschatzes" entstanden sind. Ausgehend von emotionstheoretischen Ansätzen zeigt sie, Inwieweit gefühlsausdrückende Verhaltensweisen an die Verwendung von Emotionswörtern geknüpft sind und wie dies bei der Bedeutungsbeschreibung von Gefühlswörtern in Wörterbüchern berücksichtigt werden sollte. Sie demonstriert dies abschließend am Beispiel des Verbs sich freuen. Peter GRZYBEK schließt den Reigen mit einer empirischen Untersuchung zur Bekanntheit von Sprichwörtern und findet auch für die Sprichwortlexikographie, daß deren zentrale Probleme (Definition, Klassifikation und Selektion) nicht ohne Rückgriff auf empirische Erforschung des Gegenstandes zu lösen sind. "Ein gutes Wörterbuch ist In der Fremde mehr werth, als ein Schwert." heißt es im Sprichwörterbuch von Wander (1867). Wir hoffen, daß wir mit diesem Band nicht nur einen Beitrag zur Historiographie der Wörterbuchforschung (in dem wir einen Teil derselben dokumentieren) geleistet, sondern auch einen Beitrag zur lexikographischen Diskussion in Richtung auf bessere Wörterbücher gelenkt haben. Damit gute Wörterbücher überall Ihren Wert entfalten mögen. Danken möchten wir schließlich allen, die das Zustandekommen dieses Bandes ermöglicht haben: den Autoren, die viel Geduld mit uns hatten; den Reihenherausgebern, die trotz unserer Unerfahrenheit den vorliegenden Band in diese Reihe aufgenommen haben, und den Begründern, Veranstaltern und Teilnehmern am Essener Linguistischen Kolloquium, deren Einsatz die Voraussetzung für diesen Band ist. Essen, im Herbst 1990
5
Einleitung Literatur
Kromann, Hans-Peder / Riiber, Thels / Rosbach, Poul (1984): "Überlegungen zu Grundfragen der zweisprachigen Lexikographie." In: Wiegand, Herbert Ernst (Hrsg.): Studien zur neuhochdeutschen Lexikographie V. Hlldeshelm/Zürich/ New York: Olms 1984. (= GL 3-6/84); 159-238. Wander, Karl Friedrich Wilhelm (1867): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Ein Leipzig 1867. [Unveränderter Hausschatz für das deutsche Volk. fotomechanischer Nachdruck Essen-Kettwig: Athenaion 1987] Bergmann, Jörg R. (1987): Klatsch. Berlin, New York: de Gruyter.
Zur Sozialform
der
diskreten
Indiskretion.
Campbell, Donald T. (1985): "Häuptlinge und Rituale. Das Sozialsystem der Wissenschaft als Stammesorganisation." In: Wolfgang Bonß, Heinz Hartmann (Hrsg.), Entzauberte Wissenschaft. Zur Relativität und Geltung soziologischer Forschung. Göttingen: Schwarz 1985 [= Soziale Welt, Sonderband 31; 257274.
BURKHARD SCHAEDER Probleme einer Darstellung der Geschichte der deutschen Lexikographie. Oder: Ein ordenliche erzellung und erklärung waarhaffter, grundtllcher und geschftchner dingen (Maaler)
0.
Vorbemerkung
Der Titel meines Beitrags bedarf in mehrfacher Hinsicht einer Erläuterung. Auf den ersten Blick besehen - und damit läßt sich die gesamte Problematik dessen, wovon die Rede sein soll, schon in Umrissen aufzeigen - könnte die Verteilung von bestimmtem und unbestimmtem Artikel in der Formulierung der Überschrift durchaus auch eine andere als die von mir angebotene sein. Es wäre wohl - rein ästhetische Einwände einmal ausgenommen - niemandem anstößig erschienen, wenn die Überschrift etwa gelautet hätte: (a) "Probleme der Darstellung der Geschichte der deutschen Lexikographie", (b) "Probleme der Darstellung einer Geschichte der deutschen Lexikographie". (c) "Probleme einer Darstellung graphie".
einer Geschichte
der deutschen
Lexiko-
Wie unschwer zu bemerken Ist, habe ich den letzten Teil der Überschrift von dem Bäumchen-wechsle-dlch-Spiel ausgenommen. Das ist durchaus mit Absicht geschehen, well ich aus Gründen eines für Jede wissenschaftliche Arbelt notwendigen Maßes an Selbstvergewisserung schlichtweg von der Prämisse ausgehe, daß es die Lexikographie gibt: Die Existenz von Wörterbüchern liefert mir vorerst eine hinreichende Bestätigung für diese Annahme. Naturgemäß enthebt das nicht der Aufgabe, des näheren auszuführen, was unter "Lexlkogra-phle" zu verstehen ist. Ich begnüge mich an dieser Stelle erst einmal mit der Erklärung, daß "Lexikographie" diejenige Praxis oder Tätigkeit meint, die die Herstellung von Wörterbüchern zum Ziel hat (vgl. zu dieser Frage Schaeder 1987: 108-128). Ausgehend also von der Prämisse, daß es Lexikographie gibt (=Existenzprämlsse), gilt es Im weiteren zu fragen, ob es zulässig ist, von d e r Geschichte der Lexikographie zu sprechen. Das läßt sich wohl ohne weiteres tun. wenn man als "Geschichte der Lexikographie" die historische Entstehung und den Werdegang
8
Burkhard Schaeder
der anhand Ihrer Produkte (den Wörterbüchern) rekonstruierbaren Tätigkeit begreift. In diesem Sinne verwendet man "Geschichte" als ein nicht pluralfähiges und stets mit dem bestimmten Artikel gebrauchtes bzw. gedachtes Wort, so etwa auch in "Geschichte der neuhochdeutschen Grammatik" (Jelllnek 1913/14), "Geschichte der deutschen Literatur" (Newald/de Boor 1949ff) oder "Abriß der Geschichte der deutschen Sprache" (Schildt 1981), und bezeichnet damit einen Prozeß, den der als existent hypostasierte Gegenstand durchläuft und konstituiert. Bisher habe ich für die von mir gewählte Formulierung "der Geschichte der deutschen Lexikographie" argumentiert, gestehe aber unumwunden zu, daß man mit gutem Grund auch von "einer Geschichte der deutschen Lexikographie" sprechen kann, wie es etwa In Titeln wie den folgenden dann zum Ausdruck kommt: "Grundlegung einer Geschichte der deutschen Sprache" (Frings 1957), "A short hlstory of llnguistlcs" (Robins 1967), "Beiträge zu einer Geschichte der deutschen Literatur ..." usw. Lexikalisch gesehen haben wir es hier mit einer anderen Bedeutung des Wortes Geschichte zu tun, wie das "Duden-Universalwörterbuch. Die authentische Darstellung des Wortschatzes der deutschen Sprache" erklärt: Geschichte (...): 1. a) 'politischer, kultureller u. gesellschaftlicher Werdegang, Entwicklungsprozeß eines bestimmten geographischen od. k u l turellen Bereichs' [...); b) 'Geschichtswissenschaft' [...]; c) 'wissenschaftliche Darstellung einer historischen Entwicklung' 2. 'mündliche od. schriftliche, In einen logischen Handlungsablauf gebrachte Schilderung eines tatsächlichen od. erdachten Geschehens, Ereignisses; Erzählung' I...]. Das läuft auf eine Unterscheidung zwischen Geschichte 1 und Geschichte 2 hinaus, die derjenigen von System und Verlauf, Langue und Parole nicht unähnlich ist: Geschichte 1 (die Geschichte) gibt es nur als abstrakte, meinetwegen auch: fiktive Größe, Geschichte 2 dagegen (eine Geschichte) ist stets eine konkrete Ausformulierung, eine mögliche unter anderen, versteht sich. Ich füge hinzu, daß in meinem Verständnis von System und Verlauf, Langue und Parole eins das andere in einem hier nicht weiter ausgeführten Sinne konstituiert. Grimm erklärt unter dem Stichwort Geschichte u.a.: "mündliche oder schriftliche erzählung von etwas wirklich geschehenem, dann auch von etwas ersonnenem, das aber Im gründe als wirklich geschehen gedacht ist", um anschließend Maaler (1561) zu zitieren: "die geschieht [recte: gschicht; B.S.J, ein ordenliche erzellung und erklärung waarhaffter, gründlicher und geschächner dingen, hlstoria". Daß eine Darstellung der Geschichte der deutschen Lexikographie stets immer nur eine mögliche, mehr oder weniger gut begründete, nach diesen oder Jenen Kriterien vorgenommene Konstruktion einer Chronologie der Ereignisse ist, daß Anfang und Perlode Zutaten eines Hlstorlographen zu der Geschichte und keine
Geschichte der deutschen Lexikographie
9
Eigenschaften der Geschichte selbst sind, bedarf - so denke ich - keiner weiteren Erläuterung. Insofern kann man diese und jene, aber nicht die Geschichte, diese oder jene Periodisierung, aber nicht die Periodisierung, diesen oder Jenen Anfang, aber nicht den Anfang schlechthin annehmen. Mir mehr vorzunehmen, als nur ausgewählte Probleme einer Darstellung der Geschichte der deutschen Lexikographie zu behandeln, wäre angesichts des Umfangs der Thematik vermessen. Somit halte ich den von mir gewählten Titel "Probleme einer Darstellung der Geschichte der deutschen Lexikographie" zunächst einmal für hinreichend erläutert und begründet. Bleibt vorerst ungeklärt, was unter "deutscher Lexikographie" zu verstehen ist. Davon werde ich im Verlaufe meiner Ausführungen noch zu sprechen haben, so daß ich meine Vorrede erst einmal beenden kann.
1.
Das Interesse an der Historiographie
Es ist eine unstrittige Tatsache, daß In letzter Zeit das wissenschaftliche Interesse an der Historie der deutschen Sprache, der Germanistik, der germanistischen Sprachwissenschaft wie auch der germanistischen Lexikographie merklich gewachsen ist. Zeugnis für das wachsende Interesse an der Geschichte der germanistischen Lexikographie legen nicht nur zahlreiche Darstellungen zu verschiedenen älteren Wörterbüchern ab, sondern vor allem auch die allermeist mit nicht selten umfänglichen kommentierenden Vorworten ausgestatteten Nachdrucke von Wörterbüchern früherer Zeiten. Interesse für die Geschichte der Sprachwissenschaft bzw. der Germanischen Philologie gab es auch schon einmal in verstärktem Maße in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts, als sich das Fach Germanistik als selbständige Wissenschaft und eigene Universitätsdisziplin etablierte. Zunächst einmal dienten Darstellungen wie Benfeys (1869) "Geschichte der Sprachwissenschaft und orientalischen Philologie in Deutschland seit dem Anfange des 19. Jahrhunderts mit einem Rückblick auf die früheren Zelten", Raumers (1870) "Geschichte der Germanischen Philologie vorzugsweise in Deutschland" und Pauls (1901) "Geschichte der germanischen Philologie" dazu, gegenüber den schon institutionell verankerten Wissenschaften Selbstbewußtsein zu demonstrieren, das "Fach nicht nur als einen legitimen wissenschaftlichen Eigenbereich herauszustellen, sondern auch dessen geschichtliche Verwurzelung zu zeigen" (Bahner in Bahner/Neumann 1986: 5). Hinzu kam ein besonders bei Raumer (1870) erkennbar werdendes politischgesellschaftliches Motiv. Er beabsichtigte mit seinen Darlegungen "nicht nur die wissenschaftliche Nützlichkeit der germanischen Philologie herauszustellen, son-
10
Burkhard Schaeder
dem vor allem nachdrücklich deren nationale Funktion, das damit verknüpfte patriotische Anliegen zu unterstreichen" (Bahner In Bahner/Neumann 1985: 5). Für Janota (1980: 17f.) zeigt der Umstand, daß 1810 mit der Eröffnung der als Zentrum patriotischer Neubesinnung gegründeten Universität Berlin die erste (noch undotierte) Professur für deutsche Sprache und Literatur eingerichtet wurde, sogar "deutlich, daß die Etablierung der Germanistik als Universitätsfach zunächst nicht im Blick auf die philologische Qualifikation der neuen Disziplin erfolgte, sondern offenkundig von politischen Interessen geleitet war". Neben den aus der gesellschaftspolitischen bzw. wissenschaftspolitischen Situation heraus erklärbaren Zielen einer Selbstdarstellung kann eine entsprechend angelegte Historiographie auch eine weitere Absicht verfolgen. Sie bietet nämlich Ihrem Verfasser bzw. ihren Verfassern die Möglichkeit, die eigenen Ansichten, Konzepte, Theorien In je gewünschter Weise wissenschaftshistorisch zu situieren. So können etwa eigene Beiträge als konsequente Fortführung der Tradition oder einer In ihr angelegten bestimmten Richtung, aber auch als Wendepunkt oder Neubeginn erscheinen. Bevorzugtes Mittel solcher individuellen Eigendarstellung, vielleicht auch: Selbstvergewisserung, ist wohl an erster Stelle eine in dieser Hinsicht zielführende Auswahl und Akzentuierung der Ereignisse, an zweiter Stelle dann eine damit in enger Verbindung stehende Einteilung des Laufs der Geschichte in einzelne Abschnitte: Perioden, Phasen, Epochen. Die eigene Sicht der Dinge, die nicht selten als die einzig wahre ausgegeben wird, schafft die Auswahl, Ordnung und Interpretation der Fakten. Für Benfey, Raumer und Paul stand fest, daß die historisch-vergleichende Sprachforschung, wie sie sich in den Arbeiten von Bopp und Lachmann, vor allem aber In der Grammatik von Jacob Grimm manifestiere, gleichsam eine Zäsur In der Geschichte der Sprachforschung bildete. So befindet Raumer (1870: 685): "Bis zum Erscheinen von Grimms Grammatik (1819) war, mit wenigen Ausnahmen, das Studium des Altdeutschen In Deutschland eine unwissenschaftliche Liebhaberel. Durch Grimms Grammatik, im Verein mit Lachmanns und Bopps Arbelten, wurde es zur Wissenschaft erhoben." Durch derartige Grenzsetzungen werden bis heute (und zwar nicht allein in der Linguistik, sondern auch in anderen gelstes- bzw. gesellschaftswissenschaftlichen Fächern) Urteile von beträchtlicher Tragweite gefällt. Man führe sich nur vor Augen, daß die "auf eine Zweiteilung der Geschichte der Sprachwissenschaft ausgehende Betrachtungsweise in den meisten Handbüchern bis in die sechziger Jahre beibehalten wurde" (Bahner in Bahner/Neumann 1985: 10). Selbst wenn durch eine Grenzsetzung nicht explizit oder Implizit intendiert wird, was Raumer dabei im Sinn hatte, nämlich aller vordem geleisteter Arbelt das Siegel der Unwissenschaftlichkeit aufzudrücken, so hat sie doch Immerhin zur Folge, daß die jenseits der Grenze liegende Zeit den Charakter einer Vorge-
Geschichte der deutschen Lexikographie
11
schichte erhält und damit anheimgestellt wird, sie In Vergessenheit geraten zu lassen. Unverblümt verkündet etwa Benfey (1869: 332), daß mit dem Aufkommen der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft "der ganze Werth der vorhergegangenen Arbeit - selbst des darin richtigen, denn dies erhielt ganz andere Unterlagen - zu einem rein historischen herabsank". Betrachtet man das neuerliche Interesse an der Geschichte der Linguistik, "unter besonderer Berücksichtigung der biographischen und ideengeschichtlichen Aspekte, zeigt sich in der Darbietung der Erergebnisse zuweilen eine positivistische Aneinanderreihung der Fakten, teilweise mit einem Hang zum Anekdotischen, oder auch das Bemühen, einseitige ideengeschichtliche Konstruktionen vorzunehmen", wie Bahner (in Bahner/Neumann 1985, 5) entdecken zu können glaubt. Er weist auf der anderen Seite wohl auch darauf hin, daß es etliche Arbelten gibt, die eine Reflexion des hlstorlographischen Vorgehens und dabei vor allem dies auszeichnet, "die Frage nach den methodologischen Grundlagen der Historiographie der Linguistik weitaus zwingender als in früherer Zeit zu stellen" (Bahner in Bahner/Neumann 1985: 5). Wie sehr diese Einschätzung zutrifft, belegen Titel wie etwa die folgenden: "Theoretische und methodologische Aspekte der Historiographie der Sprachwissenschaft" (Bahner 1981), "Methodologische Mlszellen zur Geschichte der Sprachwissenschaft" (Neumann 1980), "Theoretische und methodische Positionen von Darstellungen zur Geschichte der Sprachwissenschaft" (Schippan 1978), "Untersuchungen zur Historiographie der Linguistik. Struktur, Methodik, theoretische Fundierung" (Schmitter 1982) oder die besonders hervorzuhebende Arbeit "Sprachwissenschaftsgeschichtsschreibung. Ein Beitrag zur Kritik und zur historischen und methodologischen Selbstvergewisserung der Disziplin" (Grotsch 1982). So wird inzwischen die Geschichte der Sprachwissenschaft bzw. ihre Darstellung selbst Gegenstand historlographischer, theoretischer, methodologischer Betrachtungen. Einer z.B. auch in der Literaturwissenschaft sich ausbreitenden Tendenz folgend, wird mitunter dafür plädiert, die Geschichte der Linguistik zum einen im Kontext der Wissenschaftsentwicklung allgemein (vgl. z.B. Greene 1974: "The hlstory of science and the hlstory of linguistics"), zum anderen in ihrem Verhältnis zur Sozialgeschichte zu untersuchen und zu beschreiben. Arbelten wie "The importance of linguistic hlstorlography and the place of hlstory In linguistic science" (Koerner 1976) oder "Théorie et histoire de la linguistique (Simone 1975) zeigen an, daß im weiteren bedacht wird, welcher Stellenwert der Historiographie im Rahmen einer Theorie der Linguistik zukommt - eine Frage, auf die im Zusammenhang mit den späteren Überlegungen zur Historiographie der Lexikographie noch einzugehen sein wird.
Burkhard Schaeder
12
Abschließend sei Schmitter (1982: 26) zitiert, der glaubt, "ein Konglomerat von sechs mehr oder weniger lnterdependenten Gründen für die wachsende historiographische Aktivität innerhalb der Sprachwissenschaft" ausgemacht zu haben, von denen er zwei (und zwar die im folgenden an erster Stelle a u f g e führten) als "außerlinguistisch", die weiteren als "fachimmanent" bezeichnet: "1. 2.
3. 4. 5. 6.
2.
die in der Sprachwissenschaft generell beobachtbare Zunahme wissenschaftshistorischen Interesses, die expandierende Theorie- und Methodologiediskussion im Bereiche der historischen Forschung und hier insbesondere den stimulierenden Anstoß Thomas S. Kuhns, Noam Chomskys einflußreichen Rückgriff auf die Sprachwissenschaft des 17. bis 19. Jahrhunderts, die Gegenreaktion auf die Geringschätzung der Leistungen vergangener Epochen durch Charles C. Fries und Leonard Bloomfleld, die Absicht, mittels der Erforschung der Geschichte der Linguistik zur Identitätsbestimmung dieses Faches beizutragen, und den Wunsch, in einer Zeit des Wandels der linguistischen Theorien und Methoden in der Geschichte dieser Disziplin ein stabilisierendes Element zu finden."
Das Erkenntnisinteresse einer Historiographie der Lexikographie "Daß wir innerhalb der Germanistik über eine Geschichte der Lexikographie nicht verfügen, ist bekannt." (Henne 1975, VII)
Bevor wir uns mit den Problemen beschäftigen, die es zu lösen gilt, um diesen Mangel zu beheben, sei darauf hingewiesen, daß jede Historiographie zuallererst auszuführen und zu begründen hat, welche Intention die Darstellung der Geschichte (etwa auch der Lexikographie) verfolgt, welche Hypothesen ihr zugrunde liegen, von welchen Prämissen sie ausgeht. Darüber Rechenschaft abzulegen, ist nicht nur ein Gebot wissenschaftlicher Redlichkeit, sondern ermöglicht es vor allem, die Resultate der Forschung zu überprüfen und einzuschätzen. Eine Darstellung der Geschichte der deutschen Lexikographie ist aus wenigstens den folgenden Gründen unentbehrlich (vgl. Schaeder 1987: 50-52). (a)
Jede Darstellung der Geschichte der deutschen Sprache ist - sofern sie beansprucht, die Entwicklung der deutschen Sprache in allen Ihren Teilen zu beschreiben - genötigt, Wörterbücher auszuwerten und bei dieser Gelegenheit den Stand lexikographischer Praxis kritisch zu reflektieren. Geschieht dies nicht, können Fehlurteile die Folge sein; Fehlurteile darüber, was Wörterbücher an Einsichten vermitteln können. Zu den Auskünften, die Wörterbücher geben können, gehören u.a. solche über:
13
Geschichte der deutschen Lexikographie -
die Herausbildung des Wortschatzes in den verschiedenen Sprachstadien und in seinen verschiedenen Varietäten, u.a. auch der Standardsprache,
-
die lexikalische Struktur Entwicklungsstufen,
-
das semantische Wissen einer Zeit, - die Semantik einzelner Wörter, deren Kenntnis u.a. für das Verstehen von Texten zurückliegender Sprachstadien unverzichtbar ist,
-
Sprachwandel, sprachliche Stratifikatlon und Diversifikation,
-
die Ausbildung von Sonder- bzw. SpezialWortschätzen und den lexikalischen Austausch zwischen verschiedenen Varietäten, vor allem auch den zwischen der Gemeinsprache und den Fachsprachen
-
und - nicht zuletzt - über gesellschaftliche (politische, kulturelle usw.) Entwicklungen.
des
Wortschatzes
auf
den
einzelnen
Auch wenn die diversen Darstellungen der Geschichte der deutschen Sprache (von Bach bis Tschirch) sich mit der Geschichte des Wortschatzes naturgemäß gründlich beschäftigen, sucht man in ihnen nach Hinweisen auf Wörterbücher in aller Regel vergeblich. Das verwundert um so mehr, als sie immerhin ausgewählten Grammatiken nicht geringe Aufmerksamkeit schenken. (b)
Jede Darstellung einer Geschichte der deutschen Sprachwissenschaft ist unvollständig, wenn in ihr nicht die Lexikographie angemessene Berücksichtigung findet. Abgesehen von Raumers "Geschichte der Germanischen Philologie vorzugsweise in Deutschland" (1870) und unter Vernachlässigung weniger kurzer Passagen in Reichards "Versuch einer Historie der deutschen Sprachkunst" (1747) bleibt festzustellen, daß auf diesem Feld ein erheblicher Nachholbedarf besteht. Der Umstand, daß auch Hermann Paul - selbst Verfasser eines Wörterbuchs (1. Auflage 1897) - in seiner "Geschichte der germanischen Philologie" (1891) die Lexikographie nahezu gänzlich ausspart, gibt zu Vermutung Anlaß, daß der Lexikographie in keiner Weise der gleiche Rang wie der Grammatlkographle beigemessen wird. Warum das - in Jedem Fall innerhalb der germanistischen Linguistik - der Fall Ist, läßt sich nicht schlüssig beantworten. Mir erscheint es jedenfalls so, daß der Lexikographie bei uns die wissenschaftliche Anerkennung versagt bleibt, weil sie im Geruch eines bloßen Handwerks steht. Adelung, Jacob Grimm, Hermann Paul genießen wissenschaftlichen Ruhm nicht so sehr als Verfasser von Wörterbüchern, sondern als Autoren von Grammatiken und sonstiger sprachwissenschaftlicher Werke.
Burkhard Schaeder
14
Wörterbücher, das sei hier kurz, aber nachdrücklich angemerkt, sind wissenschaftliche und kulturelle, sprach- und bisweilen auch gesellschaftspolitische Leistungen von hervorragendem Rang. (c)
(d)
Und ein weiteres sei zur Notwendigkeit einer Darstellung der Geschichte der deutschen Lexikographie angeführt. Für jede Konzeption einer Theorie der Lexikographie ist das Studium der Geschichte der Lexikographie unerläßlich. Wo - entweder in gesonderten Schriften oder in Wörterbucheinleitungen niedergelegte - metalexikographische Überlegungen nicht überliefert sind, erlaubt die Rekonstruktion lexikographischer Praxis durch die Analyse ihrer Produkte, der Wörterbücher nämlich, Einsichten in den Stand metalexikographischer Reflexion, Einsichten u.a. in: -
die Kenntnis und Berücksichtigung der Tradition,
-
die Einbeziehung von Forschungsergebnissen der Sprachwissenschaft und anderer Disziplinen,
-
Bestimmung Interessen,
-
Arten und Inhalt von Wörterbuchkritik,
-
arbeitsorganisatorische Wörterbüchern,
-
das methodische Vorgehen bei der Datenerhebung und Datenerfassung, der Datenverarbeitung und Datenbereitstellung, der Datenauswertung und Datenpräsentation,
-
Kriterien einer Wörterbuchtypologie,
-
Inhalt und Aufbau von Wörterbüchern und Wörterbuchartikeln,
-
Arten lexikographischer Sprachbeschreibung (u.a. In texttheoretischer Hinsicht).
des
Zwecks
von
Wörterbüchern
Verfahrenswelsen
bei
und
der
in
Benutzer-
Erstellung
von
Daß ein gewisses Maß an Vertrautheit mit der Geschichte der Lexikographie jeder lexikographischen Praxis nur förderlich sein kann, bedarf eigentlich keiner besonderen Erwähnung. Es nimmt daher auch nicht wunder, daß Lexikographen zu den eifrigsten Benutzern von Wörterbüchern gehören (Wörterbuchbenutzungssituation: Spicksituation, wie Wiegand es einmal genannt hat). Bevorzugt wird verständlicherweise In solchen Fällen die Lektüre jener Wörterbücher, die unmittelbar vor dem eigen konzipierten oder bearbeiteten entstanden sind. War es vordem in aller Regel üblich, die jeweils ausgewerteten Wörterbücher zu nennen und zu würdigen (vgl. Jacob Grimm in der Vorrede zum "Deutschen Wörterbuch": "Welche Vorgänger haben wir und was ist von ihnen schon geleistet worden?"), so ist dieser gute Brauch mit der Zelt gänzlich aus der Mode gekommen. Doch
Geschichte der deutschen Lexikographie
15
auch wenn solcher Nachwels fehlt, lassen sich die Vorgänger häufig durch entsprechende Wörterbuchverglelche mehr oder weniger unschwer ermitteln. Im Hinblick auf die Entwicklung der Lexikographie durch die Verfasser von Wörterbüchern früherer Zeiten gilt schon für Reichard (1747: 308) als "wahr, was der Herr von König in dem Vorberichte zu D. Steinbachs wörterbuche überhaupt versichert (...], daß wir gleichwol noch weit zurücke seyn würden, wenn sie uns nicht vorgebahnet hätten, und wir, da wir nunmehr auf Ihren Schultern stehen, leicht über dieselben hinaus sehen können". Obwohl eine Gesamtdarstellung der Geschichte der deutschen Lexikographie bisher nicht existiert, steht doch eine Reihe historiographischer Ausführungen über einzelne Zeltabschnitte, Wörterbuchkonzepte, Wörterbücher und Lexikographen sowie nicht zuletzt auch über lexikographische Forschungen zur Verfügung, die ich an dieser Stelle nicht im einzelnen aufführen kann. Immerhin können sie als Bausteine für eine Geschichte der deutschen Lexikographie dienen.
3.
Gegenstand einer Historiographie der Lexikographie
Es sei mir gestattet, hier nur in Umrissen aufzuzeigen, was einer gründlichen Abhandlung vorbehalten bleiben muß. (Vgl. zu einigen grundsätzlichen Problemen die vorzügliche Arbeit von K. Grotsch 1982.) Wenn auch nicht von jedem, der sich mit der Geschichte der Lexikographie beschäftigt, notwendig verlangt werden kann, daß er sich vorab zum Historiker, zum Geschichtswissenschaftler auszubilden habe, so muß man doch in Jedem Fall erwarten können, daß er sich in den gängigen Theorien über das Verständnis und die Verständnismöglichkeit von Geschichte hinreichend auskennt und selbst über einen Begriff des Historischen verfügt. Und wer glaubt, er könne sich dem dadurch entziehen, daß er lediglich aneinanderreiht, was er für Fakten hält, Irrt in mehrfacher Hinsicht. Zum einen offenbart das Aneinanderreihen von Fakten bereits ein bestimmtes Verständnis von Geschichte, zum anderen ist ein Faktum erst dadurch eines, daß ich es dazu erkläre (vgl. Fleck 1980). Zum Geschichtsverständnis gehört zudem im weiteren Sinne auch, ob und in welcher Weise der gesamthistorische Kontext (und zwar der wissenschaftshistorische, der gesellschaftliche, politische, kulturelle usw. Kontext) Berücksichtigung findet. Die Lexikographie existiert - ebensowenig wie andere Bereiche - nicht isoliert und unbeeinflußt von anderen Entwicklungen. Welcher Begriff von Geschichte oder auch des Historischen und welche Auffassung von historischer Gegenstandsbetrachtung zu einer bestimmten Zelt allgemein und speziell in der Sprachwissenschaft vorherrschen, hat Einfluß auf das
Burkhard Schaeder
16
Geschichtsverständnis nicht nur des Verfassers einer Geschichte der deutschen Lexikographie. Das Jeweils zugrunde liegende Geschichtsverständnis hätte eine hlstoriographische Darstellung zu explizieren, und zwar nicht nur die Theorie von Historie überhaupt, sondern auch, welcher Kontext (politischer, gesellschaftlicher, wissenschaftlicher Kontext) Berücksichtigung finden soll. Ein Blick auf die Historiographie der Sprachwissenschaft offenbart, daß diese Frage nicht einmal entstand. Der Umstand, daß Sprachwissenschaftler nun einmal keine ausgebildeten Historiker sind, genügt m.E. nicht als Entschuldigung für dieses Versäumnis. Um ein Verständnis vom Gegenstand "deutsche Lexikographie" zu gewinnen, sind Antworten auf wenigstens die folgenden Fragen zu geben: 1. Bilden den Gegenstand einer Geschichte der Lexikographie: a) allein die deutschen Wörterbücher (in welchem Fall man zutreffender von einer Geschichte des deutschen Wörterbuchs sprechen sollte); b) allein die lexikographische Praxis, tion von Wörterbüchern gerichtet (a) - auch die nicht realisierten (= eine Geschichte der deutschen
d.h. jene Praxis, die auf die Produkist, wobei dann - anders als im Fall Wörterbuchprojekte in Betracht kämen Lexikographie im engeren Sinne) oder
c) die Praxis einschließlich der von ihr angestrebten und realisierten (oder auch nicht realisierten) Produkte (= eine Geschichte der deutschen Lexikographie im weiteren Sinne)? 2. Was ist unter 'deutscher' Lexikographie zu verstehen: a) Lexikographie der deutschen Sprache; b) Lexikographie, wird?
die
im deutschsprachigem
Raum betrieben
wurde
und
3. Welche Arten von Wörterbüchern sollen in einer Geschichte der deutschen Lexikographie berücksichtigt werden: a) ausschließlich Sprachwörterbücher aller Art, einschließlich der zweiund mehrsprachigen Wörterbücher, in denen Deutsch Ausgangs- oder Zielsprache Ist; b) Sprachwörterbücher und Sachwörterbücher wahl, etwa bestimmte Fachwörterbücher)?
(letztere zumindest In Aus-
4. Wozu gehört die Geschichte der deutschen Lexikographie: a) zur Geschichte der deutschen Sprache; b) zur Geschichte der deutschen Sprachwissenschaft; c) weder zu (a) noch zu (b)? Wozu aber dann?
Geschichte der deutschen Lexikographie
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Wird die Frage mit (a) beantwortet, hätte eine Periodisierung der Geschichte der deutschen Lexikographie sich an jene der deutschen Sprachgeschichte anzulehnen. Fällt die Antwort zugunsten von (b) aus, wäre eine der Geschichte der deutschen Sprachwissenschaft angemessene Periodisierung zu wählen. 5. Ist eine Geschichte der deutschen Lexikographie nun a) eine Geschichte der lexikographischen Praxis; b) eine Geschichte der lexikographischen Theorie oder c) sowohl (a) als auch (b)? Jellinek (1913: V) sieht sich aufgrund der Mehrdeutigkeit des Wortes 'Grammatik' genötigt, die Leser seiner "Geschichte der neuhochdeutschen Grammatik" im Vorwort ausdrücklich "darauf aufmerksam zu machen, daß sie hier keine Geschichte der deutschen Sprache finden, sondern einzig und allein eine Geschichte der grammatischen Theorie". Folgt man Jellineks Argumentation - und seine Arbeit gilt vielen im Hinblick auf eine noch ausstehende Geschichte der deutschen oder auch nur neuhochdeutschen Lexikographie als Vorbild - so hätte eine Geschichte der deutschen Lexikographie recht eigentlich eine Geschichte der lexikalischen Theorie zu sein, die neben dem Verständnis vom Wortschatz auch dessen lexikographische Kodifikation zu umfassen hätte. Folgt man Wiegand, der darauf besteht, wohl zu unterscheiden zwischen Lexikographie als einer (wissenschaftlichen) Praxis und Metalexikographie als einer Theorie, die diese Praxis zum Gegenstand hat, dann müßte in seinem Sinne eine Geschichte der Lexikographie in Wahrheit eine Geschichte der Metalexikographie sein. So verdienstvoll Wiegands Beiträge zur Lexikographie - resp. Metalexikographie sind, so sehr gerade auch seine terminologischen Einlassungen Einsichten in die Sache vertieft haben, ich habe gelinde Zweifel, daß seine Bezeichnungs- und damit auch seine begriffliche Unterscheidung von Lexikographie und Metalexikographie weiterhilft. Ich will das an einigen analogen Beispielen zeigen. Was hülfe uns eine Unterscheidung in Orthographie und Metaorthographie als Bezeichnungen für die Praxis der Rechtschreibung einerseits und für die Theorie dieser Praxis andererseits? Was wäre gewonnen, wenn wir in gleicher Welse unterscheiden wollten: Kalligraphie und Metakalligraphie, Geographie und Metageographle, Télégraphié und Metatelegraphie, Choreographie und Metachoreographie, Biographie und Metablographie, Stenographie und Metastenographle, Historiographie und Metahlstoriographie? Ein eher marginaler Einwand: Eine solche Differenzierung kann gut und gerne ins terminologische Abseits bzw. jenseits führen. Nehmen wir z.B. die Historiographie. Historiographie wäre nach der von Wiegand vorgeschlagenen Unterscheidung
18
Burkhard Schaeder
die Praxis der Geschichtsschreibung, die Theorie dieser Praxis dann Metahistoriographie. Konsequenterweise wäre dann eine Theorie über die Theorien der Historiographie eine Metametahlstoriographie usw. ad lnfinitum. Vor allem aber liefe man bei dieser Unterscheidung - und das ist der Haupteinwand Gefahr, die Gegenstände, der die Jeweilige Praxis gilt, aus dem Blick zu verlieren. Letztlich liegt der terminologischen Akrobatik ein Verständnis von Theorie z u grunde, das diese säuberlich von der Praxis abtrennt. Diese Absonderung hat Geschichte, was aber nicht notwendig heißen muß, daß man sie auch fürderhin beibehält. Der Sache angemessener scheint mir, Theorie als eine Form von Praxis zu begreifen und damit deren strikte Trennung aufzuheben. 'Geschichte der deutschen Lexikographie' meint, und damit ziehe ich ein vorläufiges Resümee: Eine Geschichte der deutschsprachigen Wortschatz kodifizierenden Wörterbücher, was sowohl die Praxis der Wörterbucherstellung als auch die dieser Praxis zugrunde liegende Theorie umfaßt. "Die Forschung ist nicht auf ein zufälliges Finden gestellt, sondern sie sucht etwas. Sie muß wissen, was sie suchen will; erst dann findet sie etwas. Man muß die Dinge richtig fragen, dann geben sie Antwort", erklärt Droysen In seiner "Historik - Vorlesungen über Enzyklopädie und Methodologie der Geschichte" (1937: 35f.) "die historische Frage", die "doch anderer Art Ist als die Neugier des fragenden Kindes. Es fehlt viel daran, daß jeder beliebige Einfall dafür gelten könnte, schon eine historische Frage, eine solche zu sein, wie sie die Forschung meint und fordert" (Droysen 1936: 34). Gegenstand einer Geschichte der Lexikographie ist hier erklärtermaßen die Lexikographie. Bei der Bestimmung dieses Gegenstandes gibt es geringfügige Divergenzen, die eher die Terminologie als die Sache betreffen. Ich möchte diesen Streit hier nicht au6fächern. Nach verbreiteter Auffassung hat eine Historiographie der Lexikographie nicht nur die Resultate lexikographischer Praxis zu beschreiben, sondern auch deren Konzeption und Durchführung. Weit strittiger Ist, was unter "deutscher Lexikographie", "Lexikographie des Deutschen" oder auch "germanistischer Lexikographie" verstanden werden soll. Gehören hierzu etwa auch die lateinisch-deutschen Glossare bzw. Wörterbücher? Oder aber erst diejenigen, die von einem deutschsprachigen Lemmaansatz ausgehen? Oder - auch dieser Standpunkt wird vertreten - soll man vielleicht von einer deutschen Lexikographie erst sprechen, wenn ein deutschsprachiges Lemma auch deutsch erklärt wird? In diesem Zusammenhang gibt es dann auch so feinsinnige Attribuierungen wie "die eigentliche deutsche Lexikographie". Bevor man damit beginnen kann, eine Geschichte der deutschen Lexikographie im nunmehr bestimmten Sinne zu verfassen, d.h. die Fakten auszuwählen und In eine Ordnung zu bringen, sind noch mancherlei Forschungen über die Konzeptio-
Geschichte der deutschen Lexikographie
19
nen und Produkte, über Umstände und Bedingungen, über die Akteure und Nutznießer der deutschen Lexikographie vonnöten.
4.
Probleme einer Periodlsierung der Geschichte der Lexikographie
Periodisierungen sind uns auch aus anderen Wissenschaftsbereichen vertraut, z.B. aus der Musik, Kunstwissenschaft, Geschichte, Philosophie, Literaturwissenschaft: Altertum, Mittelalter, Neuzeit, Renaissance, Barock, Klassik, Romantik, Aufklärung, Naturallsmus, Realismus, Aufklärung, Fin de siècle, Neoklasslzismus, Moderne, Postmoderne usw. Ich übergehe eine Deutung der Bezeichnung "Periode" und möchte lediglich anklingen lassen, daß sie wenigstens ehemals ein bestimmtes Geschichtsverständnis implizierte. Aus dem Griechischen stammend bedeutet das Wort: Umlauf, Kreislauf, regelmäßige Wiederkehr, wie sie sich etwa in der Bezeichnung 'Periode' für die Menstruation, für eine sich unendlich wiederholende Zahl oder Zahlengruppe (Mathematik), für einen Zeltraum, der zwischen zwei gleichen Erscheinungen eines sich wiederholenden Vorgangs liegt (Astronomie: Umlaufzeit eines Planeten), auch bei 'Periode' in der Musik und in der Verslehre erhalten hat. Wohl nicht zuletzt aus diesem Grund spricht man deshalb auch von 'Epochen' oder 'Zeitaltern' (etwa in der Geschichtswissenschaft). "Periodlsierung" - so belehrt uns das Fischer-Lexikon "Geschichte" (1961: 245) rühre her aus "Notwendigkeit und Bedürfnis, die Geschichte in klar abgegrenzte und überschaubare Abschnitte einzuteilen". Im "Wörterbuch der Literaturwissenschaft" (Träger 1986: 392) ist zu lesen: "Periodlsierung [...]: chronolog. Ordnung überlieferten hlstor., llterar. u.a. Materials zum Zwecke einer geschichtl. Darstellung." Der meist angeführte Zweck von Periodisierungen ist ein didaktischer - nach dem Diktum von Croce: "Epochen haben nur mnemotechnisches Interesse." Andere - wie etwa Collingwood ("Geschichtsbücher beginnen und enden, nicht aber die Ereignisse, die sie beschreiben") - halten Jede Epocheneinteilung angesichts der Kontinuität des historischen Geschehens im Grunde für unhistorisch. Dazu Bernhelm (1908): "Keine chronologische Einteilung kann eine absolute und ewige Dauer beanspruchen, und es muß genügen, wenn wir dem Jeweiligen Stande des historischen Stoffes und Interesses gerecht werden. [...1 Sei diese Uberzeugung nur kräftig genug, so brauchen wir das erwünschte Hülfsmittel zur besseren Übersicht des Stoffes, das eine angemessene Einteilung uns z e i t weilig gewährt, nicht zu fürchten; wir werden dann Jederzeit bereit sein, verändertem Bedürfnis vorurteilsfrei zu entsprechen." Positiv gewendet kann eine Periodlsierung sowohl den Gesichtspunkt von Kontinuität (der Gesamtverlauf wird als Einheit betrachtet) als auch den von Diskontinuität (es werden aufgrund bestimmter Kriterien Zäsuren, Einschnitte gesetzt)
Burkhard Schaeder
20
ausdrücken, soweit man darüber Einigkeit herstellt, daß Perlodislerungen - wie jede historische Betrachtung - nicht nur vom Standort und Vorverständnis des jeweiligen Periodisierers, sondern auch von einigen - u.a. das Geschichtsverständnis des einzelnen beeinflussenden - überindividuduellen Bedingungen abhängig sind. Nach den mit einer Periodisierung verbundenen - und nur selten explizierten - Interessen verbleiben zunächst zwei weitere Probleme, die im Grunde diejenigen Jeglicher Historiographie und so auch die einer solchen der Geschichte der Lexikographie sind: Das Verständnis vom Gegenstand und dasjenige von Geschichte. Lexikographie hat es in einem weiten Sinne mit der Kodifizierung von Wortschatz in Wörterbüchern zu tun, so daß man mit gutem Grund entsprechend der Sprachgeschichte einteilen könnte: althochdeutsche, mittelhochdeutsche, frühneuhochdeutsche, neuhochdeutsche Lexikographie. Allein der Umstand, daß es eine sog. historische Lexikographie gibt, die zu den verschiedensten Zeiten etwa Wörterbücher des Althochdeutschen, Mittelhochdeutschen, Frühneuhochdeutschen schuf und bis heute schafft, zeigt zunächst einmal die Untauglichkeit der Bezeichnungen. Gemeint ist natürlich nicht der behandelte Stoff, sondern die Zelt der Entstehung. Danach würden auch die großen historischen Wörterbücher der Neuzeit zur neuhochdeutschen Lexikographie gehören, was wir denn auch in einschlägigen Publikationen lesen können. Ich halte dies für wenig sinnvoll und einen Hinweis darauf, daß im Grunde nicht der Gegenstand, sondern die den Gegenstand hervorbringende Praxis gemeint ist. Nimmt man dies genau, so müßte es korrekterweise heißen: Lexikographie in althoch-, mittelhoch-, frühneuhochund neuhochdeutscher Zeit. Eine Zuordnung der Wörterbücher ergäbe sich dann nach den für diese sprachgeschichtliche Einteilung etablierten Kriterien. In der Darstellung der Geschichte der Grammatik wird nicht selten in gleicher Welse leichtfertigt verfahren. "Geschichte der neuhochdeutschen Grammatik" ist allein deshalb unverfänglich, well der behandelte Stoff und die den Stoff behandelnde Praxis zeitlich zusammenfallen. Man erkennt das von mir angesprochene Problem sofort, wenn ich analog formuliere: Geschichte der frühneuhochdeutschen Grammatik. Was Ist gemeint: eine Geschichte, die die Grammatiken aus frühneuhochdeutscher Zeit behandelt, oder eine solche, die Grammatiken des Frühneuhochdeutschen darstellt? Doch wohl das erstere.
5.
Ausblicke
Hinter allen Versuchen einer Periodisierung von Zeitverläufen steht nach Luhmann (1985: 15) eine der folgenden Evolutionstheorien: "Die eine sieht den evolutionären Trend in einer zunehmenden Spezifikation. Eine weitere spricht von zunehmender Komplexität, eine dritte von zunehmender Normalisierung von Unwahrschelnllchkeiten." Das leitet weiter zu dem Problem der Deduktion einer
21
Geschichte der deutschen Lexikographie Kontinuität a u s Diskontinuitäten bzw. zur Konstruktion überlagernden Sequenzen.
einer Einheit a u s
sich
Das Vergangene zu historisieren und damit die Gegenwart a l s Fortschritt zu deuten, i s t eine Form der S e l b s t d a r s t e l l u n g , die bis in die Hochkulturen der Alten Welt zurückreicht. Das Geschehene wird entlang einer angenommenen Z e i t s t r e c k e linearisiert und danach in Sequenzen unterteilt. "Die Zeitlinie r e p r ä s e n t i e r t dann [...] die Einheit a l s Träger von Kontinuität und Diskontinuität" (Luhmann 1985: 25). Der F o r t s c h r i t t s a n s p r u c h , den jede Periodensetzung impliziert, führt - wie manche Darstellung der Geschichte der deutschen S p r a c h w i s s e n s c h a f t zu erkennen gibt - immer auch dazu, die jeweils vorangehenden Perioden a l s überholt abzutun. Dem läßt sich einzig wohl dadurch entgehen, daß man der Versuchung widersteht, jede f e s t g e s t e l l t e Differenz a l s teleologische Entwicklung zu interpretieren. Damit kommt der Frage der Darstellungsform eine besondere und e r s t in Jüngster Zeit gründlicher bedachte Bedeutung zu. (Vgl. Koselleck/Lutz/Rüsen 1982). Man darf zum einen davon ausgehen, "daß jeder Darstellungsform auch eine bestimmte Erfahrung von geschichtlicher Wirklichkeit zugrunde liegt, die in die d a r g e s t e l l t e Geschichte eingeht" (Koselleck 1982: 11). Im weiteren drückt sich in Jeder D a r stellung auch eine bestimmte A u f f a s s u n g vom Dargestellten und eine bestimmte Einstellung zum Dargestellten a u s . Dieser Frage der Darstellungsform im Zusammenhang mit den Überlegungen zu einer Historiographie nachzugehen, i s t die Wissenschaft sich s e l b s t gegenüber, aber auch vor allem denjenigen gegenüber v e r p f l i c h t e t , denen eine h i s t o r l o graphische Darstellung a l s Auskunft darüber angeboten wird, wie es denn eigentlich gewesen ist.
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Zur Typologie zweisprachiger Wörterbücher
1.
Punktionen zweisprachiger Wörterbücher: Anmerkungen zum Diskussionsstand
1.1
"Aktive" und "passive" Obersetzungswörterbflcher
In der zweisprachigen Lexikographie i s t die Trennung zwischen " a k t i v e n " und " p a s s i v e n " Wörterbüchern mittlerweile zum Allgemeinplatz geworden. Aufgekommen sind diese Bezeichnungen im Rahmen von Arbeiten an einem d e u t s c h - r u s s i s c h e n Wörterbuch, d a s an der Akademie der Wissenschaften der DDR von Hans Holm Bielfeldt initiiert und unter Leitung von Ronald Lötzsch a b g e s c h l o s s e n wurde (s. Lötzsch u.a. 1 9 8 3 - 8 4 : VII mit weiterer L i t e r a t u r ) ; 1 zu ihrer Popularisierung haben Veröffentlichungen von Hans-Peder Kromann - z.T. mit Theis Rllber und Poul Rosbach - wesentlich beigetragen (vgl. Kromann/ Riiber/Rosbach 1984: 185; 1989: §4.4; Kromann 1989a: g l ; 1989b: 91). Dabei handelt es sich genau genommen zunächst nicht um verschiedene Arten von Wörterbüchern, sondern um deren Zwecke oder Funktionen, was auch Kromann in neueren Arbeiten klarer formuliert (z.B. 1989a: g l ; 1989b: g l ) . Das Wörterbuch mit a k t i v e r Funktion kurz " a k t i v e s Wörterbuch" - dient nach seiner Darstellung zur Hin-Obersetzung (französisch thème), zur Produktion oder Enkodierung fremdsprachiger Texte; Jenes mit p a s s i v e r Funktion soll bei der Her-Übersetzung (französisch version) helfen, beim Rezipieren oder Dekodieren solcher T e x t e (s. auch Hausmann 1977: 6 6 - 6 8 , 146f). Demzufolge i s t in einem a k t i v e n Wörterbuch die A u s g a n g s s p r a c h e (die der Lemmata) die Muttersprache des Benutzers, während die Zielsprache (die der Ü b e r s e t z u n g s ä q u i v a l e n t e ) für ihn eine Fremdsprache ist; im p a s s i v e n Wörterbuch hingegen i s t die A u s g a n g s s p r a c h e Fremdsprache, die Zielsprache Muttersprache:
Die Termini kommen wohl z u e r s t in dem A u f s a t z "'Aktives' Wörterbuch Nachrichten für Deutsch-Russisch" von Wolfgang Smolik vor (in Sprachmittier 1969, H. 3, 1 1 - 1 3 ) , der mir jedoch nicht zugänglich war.
Joachim Mugdan
26
Wörterbuch
Ausgangssprache
Zielsprache
Verwendungszweck
aktiv passiv
Muttersprache Frendspradie
Fremdsprache Muttersprache
Hillübersetzung, Produktion, Qikodienmg Herübersetzung, Rezeption, Dekodienmg
Wenn man nun davon ausgeht, daß Wörterbücher sich je nach ihrer Funktion auch in ihren Strukturen und im Informationsangebot unterscheiden müssen (s. 2.), so ergibt sich bei zwei Funktionen (aktiv/passiv) und zwei Benutzergruppen (entsprechend den beiden Muttersprachen) die bekannte Forderung nach vier Wörterbüchern pro Sprachenpaar. Hierbei beruft man sich mit Vorliebe auf Überlegungen des russischen Sprachwissenschaftlers Lev Vladimiroviö Sierba (1880-1944). Er teilt jedoch mit vielen anderen Klassikern der Linguistik das Schicksal, von der Nachwelt für eine Auffassung vereinnahmt zu werden, die sich bei genauerer Lektüre der Quellen nicht als die seine erweist.
1.2
L. V. SCerba zur zweisprachigen Lexikographie
Wie schon erwähnt, stammen die Termini aktiv und passiv als Epitheta für Wörterbücher nicht von ¿Serba selbst, wenn auch Äußerungen wie die folgende so verstanden werden können, als habe bereits er sie in dieser Welse benutzt: 2 "[äfierbal erhob In den dreißiger Jahren die Forderung, für jedes Sprachenpaar vier Wörterbücher, zwei aktive und zwei passive, zu schaffen, Je nachdem, welche von beiden Sprachen für die ins Auge gefaßten Benutzer Muttersprache Ist." (Lötzsch 1978: 28) Andere Darstellungen vermeiden diesen falschen Eindruck, suggerieren aber, äöerba habe inhaltlich die gleiche Trennung vorgenommen, die man heute mit diesen Termini verknüpft (s. z.B. Lötzsch u.a. 1983-84: VII). Auch das trifft nur sehr bedingt zu, denn Sierbas Unterscheidung deckt sich in wichtigen Details nicht mit derjenigen zwischen "aktiven" und "passiven" Wörterbüchern. In seinem "Versuch einer allgemeinen Theorie der Lexikographie" heißt es: "für Jedes Sprachenpaar sind vier Wörterbücher erforderlich - unbedingt zwei erklärende fremdsprachige Wörterbücher mit Erläuterungen in der Muttersprache des Benutzers des betreffenden Wörterbuchs, sowie in Abhängigkeit von den tatsächlichen Erfordernissen zwei Wörterbücher spezieller Art (im obigen Sinne) für die Übersetzung aus der Muttersprache in die Fremdsprache." (1974(1940):303, Übs. J.M.)3 Daß er von aktiver und passiver Sprachbeherrschung gesprochen hat (vgl. Duda u.a. 1986: 16), sollte man In diesem Zusammenhang nicht überbewerten - in der Fremdsprachendidaktik war diese Redeweise längst üblich. Wolskl macht daraus "[...) zwei erklärende fremdsprachige Wörterbücher mit Erklärungen in derjenigen Muttersprache, die in dem entsprechenden Wörterbuch verwendet wird" (1982: 55). Im Original ist Jedoch eindeutig von der "Muttersprache dessen, der das betreffende Wörterbuch benutzt" die Rede ("na rodnom Jazvke pol'zuJuSCegosJa dannym slovarem"). Zudem geht Wolskls Bestreben nach "Originaltreue" so weit, daß nicht nur "die eine oder andere Stelle etwas holprig klingt" (1982: 10), sondern durch unangebrachte Beibehaltung der russischen Syntax ein kaum noch
27
Typologie zweisprachiger Wörterbücher
Das erklärende Wörterbuch (s. 1.3) Ist nun gerade nicht zum Übersetzen in die Muttersprache bestimmt, wie es bei Kromann/Riiber/Rosbach den Anschein hat: Daß äfierba nach ihren eigenen Worten an ein Wörterbuch gedacht hat, "in dem die Bedeutungen der fremdsprachlichen Wörter für die Angehörigen der Muttersprache erläutert werden" (1984: 166), hindert sie erstaunlicherweise nicht, "das erklärende zweisprachige Wörterbuch ein passives (zweisprachiges) Wörterbuch" zu nennen (1984: 167) und diesem die Funktion der Herübersetzung zuzuschreiben. SCerba jedoch wendet sich ausdrücklich gegen Übersetzungswörterbücher (zumindest solche herkömmlicher Art). Nach seiner Auffassung verhelfen sie nämlich nicht zu einem korrekten Verständnis des fremdsprachigen Textes, insbesondere weil die aufgeführten Äquivalente zumeist auch andere Bedeutungen oder Konnotationen haben als das fremdsprachliche Wort. Er plädiert deshalb dafür, möglichst ein einsprachiges "erklärendes" Wörterbuch zu verwenden, wie man in der russischen Tradition das Bedeutungswörterbuch nennt (1974(1940): 298-301; 1974(1939]: 304-306). Allerdings ist ihm klar, daß das bereits recht gute Kenntnisse der Fremdsprache voraussetzt, und so schlägt er vor, Erklärungen in der Muttersprache der Benutzer abzufassen (1974(1940]: 301f; 1974(1939]: 306f). Dabei könnten ohne weiteres auch Ubersetzungen vorkommen "In allen Fällen, in denen das die Erklärung vereinfacht und einem vollständigen Erkennen der wahren Natur des fremdsprachlichen Wortes nicht im geringsten schadet" (1974(1940]: 301). 4 Primär kommt es aber SCerba darauf an, daß der Benutzer den fremdsprachigen Text versteht, denn - so glaubt er - "Jeder, der ein Buch verstanden hat, wird, wenn er eine Übersetzung braucht, selbst die dazu nötigen Wörter auswählen können" (1974(1939]: 307). Ein Wörterbuch zum Übersetzen in prinzipiell nicht für wünschenswert,
die
Fremdsprache
hält
Sferba
ebenfalls
"da die Grundregel der Methodik des Fremdsprachenunterrichts darin besteht, nie aus der Muttersprache zu übersetzen, sondern zu versuchen, entsprechend den Kenntnissen der Fremdsprache in Ihr zu denken. Bei Bedarf sollte man zu großen fremdsprachigen erklärenden Wörterbüchern mit reicher Phraseologie greifen: dort findet man Immer Muster für die eigene Verwendung der Fremdsprache." (1974[1939):307; vgl. 1974(1940]: 302) Auch Synonymwörterbücher, onomaslologische Wörterbücher und dergleichen empfiehlt er als Hilfsmittel. Er ist aber realistisch genug einzuräumen, daß die meisten Menschen fremde Sprachen nur schlecht beherrschen, zumal sie selten akzeptables Deutsch entsteht, z.B.: "zwei Übersetzungswörterbücher von der Muttersprache in die Fremdsprache eines (im oben genannten Sinne) speziellen Typs" (1982: 65). Das dürfte verständlich machen, warum Ich dieser bereits vorliegenden Übersetzung nicht folge (s. dazu auch Duda u.a. 1986: 14). Ein Wort einer fremden Sprache ist natürlich nicht gleich ein "Fremdwort", wie Wolskl meint (1982: 53), selbst wenn im Russischen beides als "lnostrannoe slovo" (wörtlich "ausländisches Wort") bezeichnet werden kann (vgl. zu einer ähnlichen Stelle Duda u.a. 1986: 3). Sicherlich sollte man den Benutzer auch nicht durch eine "erschöpfende Kenntnisnahme" (Wolskl 1982: 53) strapazleren s t a t t Ihn etwas vollständig erkennen zu lassen.
28
Joachim Mugdan
nach guten Methoden unterrichtet wurden. So ergibt sich womöglich doch meint ÖCerba mit "tatsächlichen
Erfordernissen" -
ein Bedarf für zweisprachige
Wörterbücher, mit denen man ohne grobe Fehler in die Fremdsprache kann
(1974(1939]:
307f;
1974(1940]:
302).
das
Beispielsweise
muß ein
übersetzen solches
für
Russen bestimmtes russisch-französisches Wörterbuch dem Benutzer "genaue Anleitungen geben, wie er russische Wörter in verschiedenen Kontexten übersetzen muß, um nicht nur verstanden zu werden, sondern auch nicht lächerlich zu wirken." (1974(1940): 302) Hier
darf
nun
Benutzer
die
"eine
Übersetzung
wirkliche
keine
Erklärung
Übersetzung,
grammatischen Form unmittelbar
für
die
sein.
sich
eine korrekte
In
Wörterbuch vorgelegt;
nach seinen
Worten
der
benötigt
der
entsprechenden
französische Fügung
(1974(1939]: 309). äierba hat selbst ein solches
würde"
Vielmehr
eignen
russisch-französisches
war es "der erste bewußte
Versuch
eines Übersetzungswörterbuchs dieses Typs" (1974(1940]: 302), auf den er sich in der
eingangs
zitierten
Passage
mit
"Wörterbücher
Sinne)" bezieht. Das Konzept eines "aktiven"
spezieller
Art
(im
obigen
zweisprachigen Wörterbuchs stammt
also in der Tat von ihm. Man sollte aber nicht unterschlagen, daß er in solchen Werken nur einen Notbehelf
sah. Seinen eigentlichen Intentionen entspräche es,
nicht bloß die Übersetzungswörterbücher zu verbessern, sondern auch zum einen den
(heute
wie
damals)
wenig
erfolgreichen
Fremdsprachenunterricht
zu
reformleren und zum anderen verstärkt einsprachige Wörterbücher zu entwickeln, die
den
besonderen
Bedürfnissen
von
Fremdsprachenlernern
gerecht
werden
(vgl. 1.4). Daß es daher nicht unproblematisch ist, sich bei der Unterscheidung aktiver
und
passiver
Übersetzungswörterbücher
auf
S£erba
zu
berufen,
ist
immerhin mittlerwelle schon eingeräumt worden (s. Duda 1986: lOf).
Das erklärende zweisprachige Wörterbuch
1.3
Die Idee eines Wörterbuchs, das die Bedeutungen der fremdsprachlichen Wörter in der Muttersprache des Benutzers erklärt, hat explizit
auf
§£erba
zu
beziehen
-
in
Hans Holm Bielfeldt -
seinem
erstmals
1958
russisch-deutschen Wörterbuch umgesetzt, dessen Zielsetzung
ohne sich
erschienenen
er im Vorwort
so
charakterisiert: "Die Beschreibung der Bedeutungen legt nicht in erster Linie auf Übersetzungsformulierungen Wert, die Ja doch immer vom Kontext abhängig bleiben. Es wird vielmehr die Bedeutung des russischen Wortes wirklich Identifiziert, und zwar unter Vermeidung von Mehrdeutigkelten der In der Beschreibung gebrauchten deutschen Wörter." (Bielfeldt 1958: (III]; vgl. 1956: 29) Obwohl das
"Fehlen
und
deutschen
einem
häufigste
Fall"
beschreibung
Ist die
einer totalen Wort"
(1966:
29),
Übereinstimmung
nach
seiner
nimmt er
Gegenüberstellung
zwischen
Beobachtung doch
eines
an,
für
"im
daß oft den
einem
russischen
Wörterbuch "zur
gebildeten
der
BedeutungsDeutschen
29
Typologie zweisprachiger Wörterbücher
eindeutigen Wortes" genügt (1956: 27). So unterscheidet sich sein Wörterbuch in der Praxis von herkömmlichen Ubersetzungswörterbüchern weniger radikal, als man erwarten könnte, wenngleich Paraphrasen durchaus häufiger vorkommen als gewohnt. Beispielsweise gibt Bielfeldt unter oöerk an: I. kleines allgemeine schaftlicher
literarisches Werk, kurze Beschreibung, Darlegung [...]. III. PI. Studien häufiger Arbeiten
[...]
Skizze. II. Abriß, Buchtitel wissen-
Erklärungen wie "kleines literarisches Werk", "kurze Beschreibung" und "allgemeine Darlegung", die mit denen in einem einsprachigen russischen Wörterbuch übereinstimmen (s. Oäegov 1949), gibt es in einem zweisprachigen Wörterbuch üblicher Art zwar auch, doch überwiegen die einwortlgen Äquivalente, z.B. bei Daum/Schenk (1967): 1. alt Umriß, Konturen 3. Essay; pl. Studien
2. Grundriß,
Abriß,
Skizze,
kurze
Darstellung
Die mit dem erklärenden zweisprachigen Wörterbuch verknüpfte Erwartung, daß dem Benutzer schon ein passendes muttersprachliches Äquivalent einfallen wird, wenn er nur den fremdsprachigen Text richtig verstanden hat. ist zweifellos viel zu optimistisch (vgl. Duda u.a. 1986: 20f; Duda 1986: 12f und auch Hausmann 1977: 149). Wer etwa russisch oöSski mit Hilfe der Erläuterung "Rückstand beim Auskämmen, Hecheln" in Bielfeldt (1958) versteht, muß die entsprechenden deutschen Termini (wie Hede oder Kämmling) keineswegs kennen. In weniger krassen Fällen schwebt ihm vielleicht bereits ein Äquivalent vor, aber er braucht Anregungen für mögliche Alternativen oder will sich vergewissern, daß es wirklich paßt. So könnte er z.B. bei otoplenec aufgrund der Angabe "Spezialist für Einrichtung und Bedienung der Zentralheizung" (die wiederum einer einsprachigen Bedeutungserklärung entspricht, vgl. Oiegov 1052) an Heizer oder Installateur denken, aber nicht sogleich auf Heizungsmonteur kommen. Das Verständnis ist also zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für eine angemessene Herübersetzung. Umgekehrt haben aber auch Sferba und Bielfeldt recht, wenn sie in der Kenntnis möglicher Übersetzungsäquivalente keine hinreichende Bedingung für ein korrektes Verständnis sehen, mag auch Hausmann meinen: "Wenn der Sprecher, vom (natürlich in einem Textzusammenhang stehenden) fremdsprachlichen Wort ausgehend, eine Reihe von muttersprachlichen Äquivalenten vorfindet, so genügen sie im Prinzip, s t a t t Definition, zur Klärung der Wortbedeutung." (1977: 56) Das gilt bekanntlich nicht bei Fällen wie schwedisch mormor, wo zwar Großmutter als Ubersetzung genügt, aber erst ein Zusatz wie "mütterlicherseits" die genaue Bedeutung erkennen läßt. Solche einschränkenden "semantischen Glossen" sind gängige Praxis und werden von Kromann/Rllber/Rosbach auch für das passive Ubersetzungswörterbuch ausdrücklich gefordert (1984: 190f, 200f; vgl. 1989: §5.2), während sie dort sonst "eine undifferenzierte Reihung der Äquivalente" für ausreichend halten (1984: 223; vgl. Duda u.a. 1986: 9f, 40f, 69—72). Zgusta
30
Joachim Mugdan
vertritt hingegen die merkwürdige Auffassung, daß zum Verstehen des fremdsprachigen Textes zusätzliche Glossen nicht nötig seien, wohl aber in einem Wörterbuch, das die Fremdsprache "beschreiben" soll (Zgusta u.a. 1971: 299-301). Eine derartige Einteilung jener Wörterbücher, bei denen die Ausgangssprache für die Benutzer eine Fremdsprache ist, vermag nicht zu überzeugen. Was er als Beschreibung bezeichnet, soll doch wohl das Textverständnis ermöglichen, während es bei seinem Verstehen in Wahrheit um die in seiner "Typologie" fehlende Herübersetzung zu gehen scheint (vgl. auch 1971: 302-304, 316, 328). Seine Ausführungen liefern somit keine neuen Gesichtspunkte. Selbst wenn man "Sonderfälle" vom Typ mormor ausnimmt, kann der Benutzer häufig die Bedeutung des fremdsprachlichen Worts aus den Äquivalenten nur unzulänglich erschließen und somit auch nicht mit Sicherheit das treffende Äquivalent auswählen (entgegen Hausmann 1977: 56 oder Kromann/Riiber/Rosbach 1984: 197). Gewiß trägt die Aufzählung mehrerer Äquivalente dazu bei, Mehrdeutigkeiten zu reduzieren. So wird man aus der Serie steil, jäh, schroff, abfallend, abschüssig (für unterengadinlsch stlp in Peer 1962) folgern dürfen, daß hier nicht schroff in der Bedeutung 'abweisend, unhöflich' gemeint sein kann. Es lassen sich Jedoch leicht Kontexte vorstellen, in denen typische Aufzählungen wie z.B. Zwinge, Zange; Klemme, Schraubstock (Buchholz/Fiedler/ Ulisch 1981 s.v. albanisch morst!), unwillig, widerwillig, unfreiwillig (Starosta 1985 s.v. niedersorbisch njewolny) oder genehmigen, bestätigen, gutheißen; ratifizieren (Weissling 1976 s.v. ungarisch jövähagy) dem Benutzer einige Rätsel aufgeben, überdies kann es sein, daß die genannten Äquivalente gar nicht zu seinem Wortschatz gehören; manche Lexikographen haben dieses Problem erkannt und tragen ihm mit Auskünften wie "Meeräsche (ein Fisch)" Rechnung (Koch 1983 s.v. spanisch müjol). Aus diesen Gründen ist es nicht gerechtfertigt, das "Verstehen fremdsprachiger Texte" mit der "Übersetzung aus der Fremd- in die Muttersprache" gleichzusetzen (Lötz6ch 1978: 28) oder den Unterschied zwischen diesen Funktionen mitsamt seinen Konsequenzen für die Wörterbuchgestaltung schon deshalb zu vernachlässigen, weil es vielleicht impraktikabel wäre, für die beiden Funktionen getrennte Wörterbücher zu erstellen (so Kromann/Riiber/Rosbach 1984; 1989; vgl. Baunebjerg Hansen 1988: 187). Daher ist es zu begrüßen, daß ein Team, das an dem erwähnten "aktiven" deutsch-russischen Wörterbuch (Lötzsch u.a. 1983-84) beteiligt war und nun an einem "passiven" russisch-deutschen Wörterbuch arbeitet, in seine "Teiltypologie zweisprachiger Wörterbücher" (Duda u.a. 1986: 2) auch das erklärende Wörterbuch im Sinne Sferbas und Bielfeldts einbezogen hat (1986: 5t). Damit ergibt sich schematisch folgende Einteilung:
31
Typologie zweisprachiger Wörterbücher
Wörterbuch
Ausgangssprache
Zielsprache
Vervendungszweck
aktives Übersetzungswörterbuch passives Übersetzungswörterbudi erklärendes Wörterbuch
Muttersprache Fremdsprache Fremdsprache
Fremdsprache Muttersprache Muttersprache
Istproduktion Textproduktion Tesctrezepticn
Zu beachten ist dabei, daß Im Unterschied zu der Tabelle in 1.1 die Bestimmung des Verwendungszwecks als "Textproduktion" oder "Textrezeption" sich hier nicht danach richtet, was der Benutzer mit dem fremdsprachigen Text tut, sondern danach, ob er lediglich einen Text rezipiert oder aber (außerdem) einen neuen produziert, gleich in welcher der beiden Sprachen (s. Duda u.a. 1986: 5). Diese unterschiedlichen Interpretationen zeigen, daß eine einfache Opposition von Produktion und Rezeption nicht ausreicht, um die Funktionen zweisprachiger Wörterbücher hinlänglich zu trennen. Bei der Übersetzung handelt es sich eben um die Verknüpfung der Rezeption eines Textes mit der Produktion eines äquivalenten Textes in einer anderen Sprache, also um eine aus De- und Enkodierung zusammengesetzte Transkodierung. Sowohl die Dekodierung als auch die Enkodierung fremdsprachiger Texte sind aber ohne Bezug zur Muttersprache möglich, und so bedarf das obige Schema noch einer Ergänzung.
1.4
Aller guten Dinge sind vier
Es ist mitnichten eine neue Erkenntnis, daß Im Hinblick auf zweisprachige Wörterbücher vier Kommunikationsaufgaben zu unterscheiden sind: (a) einen Text in der Fremdsprache verstehen, ohne Übersetzung in die Muttersprache (nur Rezeption in L2), (b) einen Text aus der Fremdsprache (L2) in die Muttersprache (LI) übersetzen (Rezeption in L2 / Produktion in LI). (c) einen Text in der Fremdsprache verfassen, ohne Vorlage in der Muttersprache (nur Produktion in L2), (d) einen Text aus der Muttersprache in die Fremdsprache übersetzen (Rezeption in LI / Produktion in L2). So schreibt Hausmann, die Rezeption des fremdsprachigen Textes könne sich mit dem Verstehen zufriedengeben oder bis zur Herübersetzung fortschreiten, die Produktion könne als "freie Produktion" vom eigenen Gedanken ausgehen oder als Hinübersetzung einen vorgegebenen muttersprachlichen Text übertragen (1977: 145f). Daß man für jede dieser Funktionen ein eigenes Wörterbuch brauche, wegen der beiden Sprechergruppen also pro Sprachenpaar Insgesamt acht (vgl. Baunebjerg Hansen 1988: 187), hat er daraus freilich nicht explizit gefolgert. Es hat vielmehr den Anschein, als halte er eine Trennung zwischen Lesewörterbächern für die Funktionen (a) und (b) sowie Schreibwörterbüchern für die Funktionen (c) und (d) für ausreichend (1977: 146). Als Oberbegriffe sind diese Termini etwas unglücklich, und es verwundert nicht, daß Hausmann zuweilen so
32
Joachim Mugdan
(miß)verstanden wird, als sei das Lesewörterbuch zum reinen Verstehen und das Schreibwörterbuch zur freien Produktion bestimmt. Während nun die Funktionen (a) und (b) durchaus von einem einzigen Wörterbuch erfüllt werden können, sofern es sowohl muttersprachliche Erklärungen als auch Übersetzungsäquivalente anbietet (s. 2.2; vgl. auch Zgusta u.a. 1971: 319f; Duda u.a. 1986: 1 8 - 2 1 , 23), kann es keine Wörterbücher geben, die sich "für die Anwendung der Fremdsprache bzw. das Übersetzen in die Fremdsprache" eignen (Lötzsch 1978: 28). 8 Der Grund dafür Ist ganz einfach: Wer z.B. aus seiner deutschen Muttersprache ins Russische übersetzt, benötigt ein Wörterbuch mit deutschen Lemmata. Wer hingegen versucht, auf Russisch zu formulieren, kann offenkundig mit einem deutsch-russischen Wörterbuch nicht viel anfangen, sondern muß unter russischen Lemmata nachschlagen können. Er hat j a meistens schon eine Vorstellung, wie er sich Im Russischen ausdrücken möchte, will aber beispielsweise überprüfen, ob seine Annahmen über Schreibung, Aussprache und Bedeutung eines Wortes richtig sind, oder sucht Auskunft über Flexionsformen, syntaktische Konstruktionen oder Kollokationen, die Im beabsichtigten Kontext am Platze sind. Auch bei Wortfindungsschwierigkeiten sollte er Sierbas Empfehlungen beherzigen und Innerhalb der Fremdsprache einen passenden Ausdruck suchen, s t a t t vom muttersprachlichen Begriffssystem auszugehen. Für das freie Produzieren in der Fremdsprache Ist das optimale Hilfsmittel zweifellos ein einsprachiges Wörterbuch, das neben orthographischen, phonologischen und semantischen Auskünften vor allem ausgiebige Informationen zu Flexion und Syntax sowie zahlreiche Anwendungsbeispiele liefert. Probleme bei der Wortwahl erfordern zudem Angaben zu Synonymen, möglichst mit Hinwelsen auf Bedeutungsnuancen und Gebrauchsunterschiede; ergänzend wäre ein onomasiologisches Wörterbuch nützlich, das - einer Anregung von S i e r b a folgend (1974(1939]: 307) - auch eine Art Sachregister zu einem alphabetischen Wörterbuch sein könnte (vgl. das eng an LDOCE angelehnte LLOCE). Wörterbücher für Muttersprachler genügen diesen Anforderungen nur zum Teil; insbesondere gelten bei ihnen syntaktische Angaben weitgehend als überflüssig. Genau diesen Mangel wollen spezielle Wörterbücher für Lerner (nach Art von ALD, LDOCE, COBUILD) beheben, doch gibt es solche Werke nur für sehr wenige Sprachen. Oft sind nicht einmal handliche allgemeine einsprachige Wörterbücher verfügbar, deren Notwendigkeit für muttersprachliche Benutzer Ja durchaus bezweifelt werden kann. (Enzyklopädien und ggf. Fremdwörterbücher oder Rechtschreibwörterbücher sind auf deren Bedürfnisse mindestens ebenso gut zugeschnitten, während aus philologischem Interesse an der Dokumentation des Wortschatzes entstandene umfangreichere Werke für den alltäglichen Gebrauch kaum in Frage kommen.) Zudem Ist jemand, der die betreffende Sprache nur mäßig beherrscht, mit einem nicht für Lerner konzipierten Bedeutungswörterbuch überfordert,
Mit bzw. wird hier kein Bezug hergestellt; es bedeutet schlicht 'und'.
33
Typologie zweisprachiger Wörterbücher benötigt also ohnedies ein zweisprachiges Wörterbuch sein, sich zusätzlich ein einsprachiges zu beschaffen.
und wird wenig
geneigt
Man könnte deshalb in Erwägung zu ziehen, ein zweisprachiges Wörterbuch mit der Fremdsprache als Ausgangssprache auch für die freie Produktion zu verwenden. Diese Möglichkeit ist keineswegs so abwegig, wie sie zunächst erscheinen mag, und wird in der Praxis nicht selten genutzt. Mit Hilfe der Äquivalente können - wenn auch mit Einschränkungen - die Bedeutungen fremdsprachlicher Wörter überprüft werden (vgl. Hausmann 1977: 63f zur Technik der Gegenprobe). Die Informationen zu Syntax und Kollokationen bleiben zwar normalerweise weit hinter denen einsprachiger Lernerwörterbücher zurück und sind überwiegend nur Indirekt aus Beispielen zu entnehmen (vgl. Herbst 1985), doch sind sie oft ergiebiger als In allgemeinen einsprachigen Wörterbüchern. Besondere Beachtung verdient, daß bei den Lemmata zumeist auch Auskünfte über Aussprache und Flexion zu finden sind, die sich durch eine "passive" Funktion des Wörterbuchs kaum rechtfertigen lassen, sondern für die freie Produktion bestimmt sein müssen. In diesem Zusammenhang ist eine Passage aus dem Vorwort zu dem primär "erklärenden" russisch-deutschen Wörterbuch von Bielfeldt auffällig: "Die Kennzeichnung der flexivischen und anderen grammatischen Eigenschaften und Veränderungen sowie der syntaktischen Verbindung der Wörter erstrebt Vollständigkeit sowie Übereinstimmung mit den neuesten Angaben über die Norm der russischen Literatursprache. So dient das Wörterbuch außer dem umfassenden Verstehen russischen Schrifttums auch dem Erlernen aktiven Sprachgebrauchs." (1958: [III]) In ähnlicher Weise werden bei dem Projekt eines neuen "passiven" Wörterbuchs Russisch-Deutsch nicht nur Fragen nach Äquivalenten unterstellt, sondern u.a. auch solche "zur Phonetik oder Grammatik bestimmter russischer Wörter" und "zur Verwendung (den Kollokationen) bestimmter russischer Wörter" (Duda u.a. 1986: 24); demgemäß ist geplant, "das Stichwort nicht nur in semantischer Hinsicht" zu charakterisieren, "sondern auch im Hinblick auf seine Phonetik (Aussprache und Betonung), Grammatik (Morphologie und Syntax) und stilistische Markierung" (1986: 53). Die dafür gegebene Begründung berücksichtigt aber erstaunlicherweise die freie Produktion nicht: "Für das passive Übersetzungswörterbuch könnte man eine Charakterisierung des fremdsprachigen Stichworts strenggenommen für überflüssig halten, da seine Aufgabe im Angebot von im muttersprachllchen Text einzusetzenden Äquivalenten besteht. Wir verfolgen Jedoch mit dem zu erarbeitenden Wörterbuch auch deskriptive Intentionen [...] und wollen auf die Angabe von deskriptiven Elementen nicht verzichten." (1986: 53) Der unter Rückgriff auf Zgusta verwendete Begriff der "Deskription" (s. 1.3) bleibt unklar (schließlich sind alle Angaben in einem Wörterbuch in ihrer Intention "deskriptiv", sofern es keine mehr oder minder willkürlichen Normen zu setzen versucht), während die wahre Funktion dieser Auskünfte aus folgender Bemerkung erhellt:
34
Joachim Mugdan "Wir halten die Angabe solcher deskriptiven Elemente für sinnvoll und mehr als bloßen 'informatorischen Luxus'. Dadurch kann der Anwendungsbereich des Wörterbuches beträchtlich erweitert werden. Es rückt in die Nähe des Lehrwörterbuches." (Duda u.a. 1986: 7)
Die angeblich "deskriptiven" Elemente sollen also gerade den Benutzer befähigen, russische Wörter aktiv zu verwenden - sei es, daß er bei einem akuten Zweifelsfall während der freien Produktion nachschlägt, sei es, daß er bei der Textrezeption auf ein unbekanntes Wort stößt, das er nicht nur im vorliegenden Kontext verstehen (und ggf. übersetzen), sondern sich auch mitsamt seinen phonologischen und grammatischen Eigenschaften einprägen will, um es bei passender Gelegenheit selbst benutzen zu können. Als Ergebnis ist also festzuhalten, daß bei der Erstellung zweisprachiger Wörterbücher neben der grundlegenden Unterscheidung zwischen den beiden Übersetzungsrichtungen (b) und (d) auch das Verstehen (a) und das freie Produzieren (c) berücksichtigt werden sollten, wenn auch f ü r die letztgenannten Funktionen fortgeschrittenere Benutzer mit einem einsprachigen Lernerwörterbuch besser bedient wären.
2.
Folgerungen aus den funktionalen Unterscheidungen
Um für eine der vier genannten Funktionen geeignet zu sein, muß ein Wörterbuch bestimmte Charakteristika aufweisen, die in den vorangehenden Abschnitten zum Teil schon erwähnt wurden. In der Frage, welche Merkmale in Übersetzungswörterbüchern Jeweils erforderlich oder wünschenswert sind, ist den bisher in der Literatur vertretenen Auffassungen weltgehend zuzustimmen (s. vor allem Kromann/Riiber/Rosbach 1984: bes. 195-224; 1989: bes. §5 sowie Duda u.a. 1986; Zgusta u.a. 1971). In einigen Details sind die vorgetragenen Ansichten allerdings angreifbar. Ferner sind Ergänzungen für die bislang nur unzulänglich berücksichtigten Funktionen des Verstehens fremdsprachiger Texte und der freien Produktion erforderlich.
2.1
Hinübersetzung
Es leuchtet ein, daß bei einem Wörterbuch für die Übersetzung in eine Fremdsprache besonderer Wert auf detaillierte Auskünfte zu den Äquivalenten gelegt werden muß, während es im Unterschied zur Textrezeption nicht auf eine möglichst große Anzahl von Lemmata ankommt (s. z.B. Hausmann 1977: 58). So halten Kromann/Riiber/Rosbach unregelmäßige Flexionsformen, orthographische Varianten, Regionalismen sowie gruppenspezifisches, stilistisch markiertes oder veraltetes Vokabular für überflüssig, da der Benutzer von standardsprachlichen Wörtern seiner Muttersprache ausgehen kann, deren Zitierformen er kennt (1984: 218-222). Ein radikaler Verzicht auf gängige Schreibvarianten wie Photo neben
Typologie zweisprachiger Wörterbücher
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der angeblich "präskriptiven oder üblichen" Form Foto (1984: 218) liegt jedoch nicht im Interesse des Benutzers, der dann möglicherweise vergeblich sucht. Zumindest wäre ein genereller Verweis wie "Photo(-) s. Foto(-)" auch in einem "aktiven" Wörterbuch sinnvoll (vgl. Lötzsch u.a. 1983-84 s.v.). Schon gar nicht sollte man auf "Regionalismen" wie Schlachter oder Metzger neben Fleischer verzichten (was von Kromann/Rliber/Rosbach 1989: §5.5 propagiert und In Lötzsch u.a. 1983-84 praktiziert wird). Zwar dient Fleischer in der Bundesrepublik als offizielle Berufsbezeichnung und ist in der DDR allgemein verbreitet, 6 doch ist diese Bezeichnung in der Alltagssprache der BRD unüblich: außer im Norden, wo Schlachter vorherrscht, spricht man normalerweise von Metzger, wie auch in der deutschsprachigen Schweiz; dazu kommt Fleischhauer im östlicheren Österreich (s. Eichhoff 1977: Karte 19). In solchen Fällen, wo es unterschiedliche regionale Standards gibt, sollte der Benutzer möglichst unter dem Wort fündig werden, das er selbst aktiv verwendet. Auch die Aufnahme stilistisch markierter Elemente Ist zumindest dann wünschenswert, wenn in der Zielsprache ein Äquivalent der gleichen Stilschicht vorhanden ist. Die zielsprachlichen lexikalischen Einheiten sollten sich für die Verwendung in einer Übersetzung eignen. Wenn es - wie beim kulturspezifischen Wortschatz kein äquivalentes Wort (oder keine äquivalente Phrase) gibt, sind laut Kromann/ Rliber/Rosbach "Vorschläge für in die Texte einsetzbare Aquivalentsurrogate In Form von Lehnwörtern, Lehnübersetzungen oder adaptierten bzw. neugeprägten zielsprachlichen lexikalischen Einheiten" möglich, aber "unter Umständen" verzichtbar (1984: 191). Bei der Hinübersetzung sind jedoch schwerlich Umstände erkennbar, die es rechtfertigen würden, gar keine Übersetzungsmöglichkeit anzubieten - was Kromann/Riiber/Rosbach vielleicht gleichfalls meinen, aber höchstens vage andeuten (1984: 202f). Eine in der Zielsprache abgefaßte "enzyklopädische Glosse" wie "Lower House of Parliament of the Federal Republic of Germany" für Bundestag (1984: 202) kann zusätzlich hilfreich sein, doch sollte auch dabei auf die Einsetzbarkelt im Text geachtet werden. Wenn mehrere standardsprachliche Äquivalente mit unterschiedlicher regionaler Verbreitung existieren, Ist die geforderte Beschränkung auf eines von ihnen (s. 1984: 221; 1989: §5.5) insofern problematisch, als der Benutzer sich am Sprachgebrauch der Zielgruppe orientieren sollte, an die sich der übersetzte Text wendet. So ist es zu begrüßen, wenn ein deutsch-englisches Wörterbuch unter Straßenbahn angibt: "Am. streetcar, trolley (car), Br. tram(way), tramcar" (Muret-Sanders D-E). Was hier recht ist (auch nach Kromann/Riiber/Rosbach 1989: §5.2), sollte bei Fleischer, Metzger usw. billig sein. Tatsächlich kann man z.B. Einträge wie "Fleischer, Metzger (dial). Schlachter (NGer) m" unter englisch butcher finden (Pons-Global E-D), und Kromann/Riiber/Rosbach schlagen selbst unter Mißachtung ihrer eigenen Grundsätze (1984: 221) vor, englisch Saturday als " der Sonnabend, -s, -e der Samstag, -s, -e" zu übersetzen (1984: 191). 7 Entgegen Ihrer Meinung (1984: 218) gilt Entsprechendes bei regional verschiedenen orthographischen Normen wie im Fall von britisch colour / amerikanisch color sowie dort, wo für ein a u s g a n g s sprachliches Element mehrere stilistisch unterschiedliche Äquivalente zur Verfügung stehen (vgl. "Telefon nt, Fernsprecher (form) m" unter englisch téléphoné in Pons-Global E-D). Derlei Hinweise auf den Geltungsbereich des Äquivalents stehen wohl besser nach diesem, um sie von den im folgenden zu erörternden Dlskriminatoren und etwaigen S t i l - und Verbreitungsangaben beim Lemma zu unterscheiden. Damit der Benutzer unter mehreren (nicht austauschbaren) Äquivalenten das richtige auswählen kann, braucht er Angaben, die unter Uberschriften wie "Aquivalenzunterscheidung" (Hausmann 1977: 58) oder "Bedeutungsdifferenzierung" (Kromann/Riiber/Rosbach 1984: 192) recht ausgiebig diskutiert worden sind. Dabei herrscht weitgehend Konsens darüber, daß derartige Angaben in der Muttersprache des Benutzers (also der Ausgangssprache) gegeben werden und dem jeweiligen Äquivalent vorangehen sollen. Bei den Dlskriminatoren, die die einzelnen Bedeutungen polysemer ausgangssprachlicher Elemente identifizieren sollen, handelt es sich insbesondere um semantische Angaben, S a c h g e b i e t s angaben und grammatische Angaben (vgl. Lötzsch u.a. 1983-84: XIV; Kromann/ Riiber/Rosbach 1984: 194), die auch innerhalb eines Artikels mehr oder minder willkürlich gemischt auftreten können. Markierungen wie "euphemistisch", "figurativ (übertragen)", "Ironisch", "pejorativ", die oft für Stilangaben gehalten werden, dienen ebenso primär zur Bedeutungsunterscheidung, z.B. in "moth-eaten (lit) mottenzerfressen; ( f i g ) ausgedient" (nach Pons-Global E-D). Sie sind Jedoch wenig hilfreich und können in der Regel durch deutlichere Angaben ersetzt werden (bei moth-eaten z.B. durch destroyed by moths bzw. scruffy und outdated). Die von Kromann/Riiber/Rosbach begrüßte Möglichkeit, eine an erster Stelle genannte "Grundbedeutung" ohne Kennzeichnung zu l a s s e n (1984: 197), scheint nur dann sinnvoll, wenn diese Bedeutung klar die bei weitem üblichste ist. Bei ihrem Beispiel Ente wird man ohne Bedenken als englische Äquivalente "1. duck 2. (Zeitungs)- canard [...)" angeben dürfen, aber bei französisch fleur i s t "1. Blume f. 2. (de l'arbre) Blüte f. [...1" nicht überzeugend (abgesehen davon, daß "de l'arbre" unzulänglich Ist). So werden im Petit Robert beide Bedeutungen von fleur als "geläufig" ( c o u r a n t ) markiert, wobei 'Blüte' ("production colorée l...)") vor 'Blume' ("plante considérée dans s a fleur") kommt. Ein Dlskriminator bei Jedem Äquivalent oder Jeder Gruppe synonymer Äquivalente gäbe dem Benutzer mehr Sicherheit.
Übrigens ist dial(ect) bei Metzger irreführend, und auch Fleischer bedarf einer Kennzeichnung (vgl. Bergenholtz/Mugdan 1986: 78f). Sonnabend anstelle von Samstag a l s Standard" zu etikettieren, wäre wiederum nur für die DDR berechtigt (s. Elchhoff 1977: Karte 41).
Typologie zweisprachiger Wörterbücher
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Sachgebietsangaben beim Lemma sind für die Hinübersetzung nur ais Dlskriminatoren vonnöten wie bei "Distribution 1 Ling, Math distribücija 2 ök raspredelenie" in Lötzsch u.a. ( 1 9 8 3 - 8 4 , transliteriert). Überflüssig sind sie dagegen, wenn keine Polysemie vorliegt oder alle Bedeutungen demselben Fachgebiet zuzurechnen sind; so i s t etwa bei Fadenheftung der (zudem von einem Synonym formal nicht unterschiedene) Zusatz "Buchbinderei" (Lötzsch 1 9 8 3 - 8 4 ) unangebracht. Rektion und Analog werden Auskünfte zu Wortart, Genus/Nominalklasse, dergleichen beim Lemma nur unter dem Gesichtspunkt der Aquivalenzunterscheidung gebraucht, z.B. Adverb/Präpositlon/Konjunktion bei Je, maskulin/ feminin bei Leiter, "Jdn. für etw. (mit etw.)" gegenüber "etw. durch etw." (Lötzsch u.a. 1983-84). Für diesen Zweck haben sie sogar bei belohnen gegenüber Bedeutungs- oder Sachgebietsangaben den Vorzug, klarer faßbar zu sein. Ansonsten gehören jedoch, wie generell anerkannt wird, morphologische und syntaktische Angaben auf die Seite der Äquivalente (vgl. Kromann/Riiber/Rosbach 1984: 2 1 3 - 2 1 7 ; 1989: §5.4). Sofern dabei grammatische Termini benutzt werden, müssen sie zweifellos dem zielsprachlichen System angepaßt sein, doch i s t das kein Grund, gemäß der Empfehlung von Zgusta u.a. (1971: 327) zielsprachliche Bezeichnungen zu verwenden. Da typischerweise mehrere Äquivalente genannt werden und dasselbe Wort in diversen Wörterbuchartikeln auftreten kann, können insbesondere die Flexionsangaben zu einer erheblichen Aufblähung führen. Man unterläßt daher in bestimmten - mehr oder minder sinnvoll gewählten - Fällen die Angabe (s. Mugdan 1983: 189f) oder faßt gleich flektierte Äquivalente zusammen wie bei "Rettung f , Befreiung f , -, - e n ; Hilfe f , -, - n " (Chuzlschwili/ Chatiaschwill 1977 s.v. georgisch daxsna). Am ökonomischsten wäre es freilich, einige Grundregeln aufzustellen und nur bei Abweichungen davon eine Angabe zu machen. So i s t wieder einmal daran zu erinnern, daß deutsche Feminina im Genitiv endungslos sind; wenn sie auf - e , -ei, -er enden, haben sie im Plural -n, sonst -en, sodaß Rettung, Befreiung und Hilfe keiner Angabe bedürfen. Während Kromann/Riiber/Rosbach bei Flexionsangaben mit dem Platz nicht geizen (sie schreiben sogar "Gans, die, pl. Gänse", wo "Gans, f, - e " genügen würde, s. 1989: §5.4), gehören Ausspracheangaben zu den fremdsprachigen Einheiten nach ihrer Meinung "ins p a s s i v e und nicht ins aktive Wörterbuch, weil dies wegen der Mehrfachbedeutungen der lexikalischen Einheiten zu überflüssigen Wiederholungen führen würde" (1984: 217). Diese Angaben werden jedoch speziell dann gebraucht, wenn man einen Text in der Fremdsprache mündlich vortragen will. Nicht die " p a s s i v e " Funktion der Herübersetzung rechtfertigt sie also bei fremdsprachigen Lemmata, sondern die freie Produktion. Bei der Herübersetzung zwingen fehlende Informationen zur Aussprache der Äquivalente den Benutzer dazu, zusätzlich in einem anderen Wörterbuch nachzuschlagen. Diese Unfreundlichkeit i s t ohne enormen Platzbedarf zu vermeiden, wenn man wiederum von einigen Grundregeln ausgeht und nur die Problemfälle vermerkt. So kann man bei deutsch v entweder (f] oder [v] als normale Aussprache betrachten und muß dann nur die andere
38
Joachim Mugdan
angeben - z.B. "Vater" und "Vulkan |v..)" (Kann u.a. 1987 s.v. estnisch isa bzw. tulemägi). Überdies steigt durch Diakritika (z.B. für die in vielen Orthographiesystemen notorischen Problembereiche Betonung, Vokallänge oder Vokalqualität) der Umfang des Wörterbuchs nicht einmal.
2.2
Verstehen fremdsprachiger Texte und Herflbersetzung
Das Verstehen fremdsprachiger Texte und ihre Übersetzung in die Muttersprache erfordern im Wörterbuch großenteils die gleichen Gestaltungsmerkmale. Bei der Auswahl der Lemmata ist Jedoch die Überlegung, transparente Wortbildungen und Wendungen könnten vor allem in kleineren Wörterbüchern zugunsten anderer Elemente weggelassen werden, weil der Benutzer sie ohne Erläuterung verstehen kann (vgl. Kromann/Rliber/Rosbach 1984: 211, 219f), gerade für die Herübersetzung nicht stichhaltig. Wie schon in 1.3 ausgeführt, benötigt der Benutzer oft auch Ubersetzungsvorschläge für Wörter und Syntagmen, die er versteht. Nicht die Verständlichkeit sollte daher ausschlaggebend sein, sondern die Möglichkeit, nach einem festen Muster zu übersetzen. Der Erwartung, ein Sprecher des Deutschen werde aufgrund der Auskünfte unter change und mind in der Lage sein, he changed his mind zu verstehen und korrekt als er änderte seine Meinung zu übersetzen (1984: 206, 208), widersprechen die unzähligen Fehler von Schülern und Studenten sowie Journalisten und Wissenschaftlern, die sich als Übersetzer betätigen - nicht nur schlecht programmierte Computer bringen solchen Unsinn wie er veränderte seinen Geist zuwege.8 Nur wenn die Übersetzung eines Kompositums, einer Ableitung oder einer Kollokation wirklich problemlos aus den Übersetzungen der Bestandteile zusammengefügt werden kann, reicht es aus, letztere zu verzeichnen. Das setzt offenkundig voraus, daß Kompositionstelle und Derivationsaffixe mit passenden Äquivalenten ins Wörterbuch aufgenommen werden (vgl. Mugdan 1984: 285f; Kromann/Riiber/Rosbach 1984: 221; Duda u.a. 1986: 42-45), womit sich dem Benutzer zugleich zahlreiche reguläre Wortbildungen erschließen, die schon mangels Häufigkeit keine Aufnahme finden können. Daß in beiden Sprachen vorkommende Internationalismen als "gute Freunde des Übersetzers" nicht aufgenommen werden müssen (Kromann/Riiber/Rosbach 1984: 221f; Duda u.a. 1986: 34), klingt schon plausibler. Systematische Entsprechungen sollten jedoch nicht als bekannt vorausgesetzt, sondern z.B. In einer Wörterbuchgrammatik oder den Benutzerhinweisen genannt werden, zumal sich in Fällen wie russisch -ik / deutsch -iker, russisch -ika / deutsch -ik leicht Mißverständnisse einstellen können. Auch mit solcher Hilfestellung ist jedoch das Weglassen von Internationalismen nicht unbedenklich, kann doch der Benutzer "
Da mind in der Bedeutung 'Meinung' nur in bestimmten Kollokationen vorkommt, ist ein Eintrag wie "Verstand, Geist; (oplnlon) Meinung [...)" (Kromann/Riiber/Rosbach 1984: 206) bedenklich.
Typologie zweisprachiger Wörterbücher
39
aus einer fehlenden Auskunft nicht mit Sicherheit schließen, daß es sich nicht um "falsche Freunde" handelt wie bei deutsch eventuell, tschechisch eventuälni usw. und englisch eventually 'schließlich' (das z.B. in Zgusta u.a. 1971 wiederholt falsch verwendet wird). Das Bedürfnis des Benutzers nach Bestätigung seiner Vermutungen sollte der Lexikograph nicht unterschätzen. Angaben zu Aussprache, Flexion, Syntax, Stilebene, Verbreitung, Fachgebiet usf. gehören hier auf die Seite der Lemmata; die Metasprache sollte die Muttersprache des Benutzers sein, aiso die Zielsprache (s. Kromann/Riiber/ Rosbach 1984: 193, 212 entgegen Zgusta u.a. 1971: 327). In bisherigen Vorschlägen wie in vorliegenden Wörterbüchern werden allerdings solche Informationen vielfach nicht konsequent genug auf die Textrezeption abgestimmt. So erwarten die Autoren des geplanten russisch-deutschen Wörterbuchs von einem Benutzer mit Schulkenntnissen, "daß er eine im Text vorkommende Wortform als solche erkennt, d.h. sie einem Paradigma zuzuordnen weiß und die Nennform, unter der er nachzuschlagen hat, bestimmen kann" (Duda u.a. 1986: 49) Sie räumen aber ein, daß das bei unregelmäßigen Formen nicht immer einfach ist und meinen: "Mit Hilfe der Angaben beim Stichwort kann er die Richtigkeit seiner Zuordnung überprüfen" (1986: 63). Zu diesem Zweck ist es aber noch wichtiger, irreguläre Formen - mit Verweisen auf die Zitierform - als Lemmata aufzunehmen (s. auch Kromann/Rilber/Rosbach 1984: 214). Außerdem wäre es hilfreich, für die regulären Fälle eine Anleitung zur Bestimmung der Zitierform beizufügen (wie in Lapldus/Sevcova 1980; vgl. Mugdan 1983: 182-184; 1989a: 519, 523; 1989b: 736f). Zum einen kann man auf diese Welse klar definieren, was im vorliegenden Wörterbuch als irregulär gilt; zum anderen ist zu bedenken, daß Wörterbücher gar nicht so selten von Personen mit minimalen Kenntnissen der Fremdsprache konsultiert werden (u.a. beim Bibliographieren oder auf Urlaubsreisen), für die das Auffinden des richtigen Lemmas große Schwierigkelten bereitet. Oft bewahren auch Schulkenntnisse nicht vor einer lästigen Sucherei nach dem Prinzip "Versuch und Irrtum" (vgl. soff zu saufen, troff zu triefen, quoll zu quellen, scholl zu schallen). In ähnlicher Weise könnten Hilfen für den Fall gegeben werden, daß der Benutzer ein Wort nachschlagen möchte, das er nur gehört hat. Ausspracheangaben beim Lemma bestätigen ihm zwar, das er am Ziel angelangt ist - aber erst einmal muß er dorthin kommen. Dazu braucht er Schreibregeln, die von der gesprochenen zur geschriebenen Form führen (s. Mugdan 1989b: 734f; vgl. auch Muthmann in diesem Band, §4). Ferner wäre zu erwägen, wo und wie Verweise gegeben werden könnten; geeignete Verfahren sind dafür noch zu entwickeln. Neben Auskünften, die für den Weg von der Wortform (im Text) zum Lemma (im Wörterbuch) relevant sind, gibt es solche, mit denen z.B. stilistische, regionale und zeltliche Einordnungen ausgangssprachlicher Elemente vorgenommen werden. Wenn Jedoch etwa die Zuordnung "amerikanisch" bei streetcar unübersetzbar ist
40
Joachim Mugdan
(s. Kromann/Rllber/Rosbach 1989: §4.2 (ii)), stellt sich die Frage, warum sie in einem englisch-deutschen Wörterbuch für die Herübersetzung unumgänglich sein soll (1984: 201). Offenbar geht es primär um das genaue Verstehen, das auch die Konnotationen einschließt. Aufgrund dieses Verstehens mag der Benutzer dann in der Lage sein, bei Bedarf die unübersetzbare Information auf andere Welse zu übermitteln oder eine vergleichbare stilistische Wirkung zu erzielen (wozu er schon einiges Geschick braucht). Daraus folgt, daß solche Einordnungen nur dann nötig sind, wenn sie nicht durch das Äquivalent oder die Bedeutungserklärung signalisiert werden können und zum Verständnis wesentlich beitragen. Das dürfte bei Sachgebietsangaben in der Regel nicht zutreffen, sodaß keinerlei Notwendigkeit besteht, z.B. englischsprachige Benutzer mit "civ.eng." bei Eisenträger auf das Sachgebiet "civil englneering" hinzuweisen (wie MuretSanders D-E), dem das Äquivalent Iron girder Ja ebenfalls zugehört. Fraglich bleibt auch, welchen Beitrag syntaktische Angaben beim Lemma nach dem Muster "übersetzen (in + Akk.) translate" (Kromann/Rllber/Rosbach 1984: 217) zum Verständnis leisten könnten, da der Benutzer die Präposition mit korrektem Kasus doch in dem zu übersetzenden Text vorfindet. Wollte man Ihm helfen, die "Mitspieler" des Verbs korrekt zu identifizieren, müßte man die ganze Konstruktion übersetzen. Dies geschieht z.B. in Muret-Sanders D-E mit "in acc into" sowie dem Beispiel "etwas aus dem Französischen ins Englische - to translate (od. put, render) s.th. from French into Engllsh"; konsequenterweise hätte freilich "aus from" ebenfalls angegeben werden müssen. (Vernünftig ist, daß die Rektion nur notiert wird, wenn die Präposition verschiedene Kasus regieren kann, vgl. S. XXIX.) Systematisch angewandt, könnte auf diesem Wege außerdem eine objektiv nachvollziehbare Gliederung des Artikels erzielt werden. Auf der zielsprachlichen Seite müssen für eine lesbare Übersetzung griffige Äquivalente Priorität haben. Beispielsweise bei Bezeichnungen von Realien wie Bundestag auf Aquivalentvorschläge zugunsten von Erklärungen zu verzichten, "da der Übersetzer aufgrund seiner muttersprachllchen Kompetenz und der Funktion der Übersetzung selbst entscheiden kann, ob etwa ein Lehnwort, eine Lehnübersetzung, eine adaptierte oder neugeprägte zielsprachliche Einheit zu dem gegebenen Text paßt" (Kromann/Riiber/Rosbach 1984: 203), ist aus bereits genannten Gründen (s. 1.3) nicht sonderlich benutzerfreundlich. Umschreibungen sind vielmehr, "wenn sie so nicht im Übersetzungstext einsetzbar sind, durch einsetzbare Aquivalent'angebote' zu ergänzen" (Duda u.a. 1986: 41). Darauf könnte man allenfalls dann verzichten, wenn das fragliche Wort normalerweise in der Übersetzung unverändert zitiert wird. Schon bei verschiedenen Schriftsystemen gilt das nicht mehr. Vorbildlich ist hier ein englisch-russisches landeskundliches Wörterbuch "Großbritannien", das z.B. Royal High School transkribiert (retransllteriert: Rojal-ChaJ-SkuD, aber Royal Historieal Society übersetzt (analog zu Königliche historische Gesellschaft); dazu kommen typographisch abgesetzt - "enzyklopädische" Auskünfte (Room u.a. 1980).
Typologie zweisprachiger Wörterbücher
41
Um ein möglichst genaues Verständnis des ausgangssprachlichen T e x t s zu vermitteln, sind detailliertere Bedeutungserklärungen erforderlich, die sich nicht notwendigerweise zugleich a l s Obersetzungsäquivalente eignen. Natürlich l a s s e n sich beide Arten von Angaben kombinieren. So i s t es nicht unüblich, wie schon am Beispiel mormor erörtert (s. 1.3), dem Äquivalent eine "semantische Glosse" beizugeben, um es zu disamblguieren. Für die Übersetzung i s t das (wie bei den Verbreitungs- und Stilangaben) insofern relevant, als der Übersetzer gegebenenf a l l s die im Äquivalent nicht enthaltene Information in anderer Form vermitteln kann. Man sollte jedoch nicht nur in diesen bekannten Fällen genau prüfen, Inwieweit eine Angabe a l s Verständnishilfe oder a l s Aqulvalentvorschlag oder beides taugt. Sonst l ä u f t man Gefahr, teils Äquivalente anzubieten, die zum Verstehen nicht ausreichen, teils Erläuterungen, die die Frage nach einer geeigneten Übersetzung nicht beantworten. In dieser Hinsicht sind auch die Anregungen in der Literatur oft nicht konsequent genug. Besonders bedenklich i s t die bereits kritisierte kommentarlose Reihung von Äquivalenten (s. 1.3). Zumal in mittleren und großen Wörterbüchern sind freilich gewisse Hilfen nicht unüblich, z.B. die Unterteilung der Verbeinträge nach T r a n s i t i v l t ä t / I n t r a n s i t i v i t ä t und insbesondere die Beispiele mit typischen Kontextelementen. Vor allem längere Wörterbuchartikel bleiben jedoch meist recht unübersichtlich. Hier wäre viel gewonnen, wenn sie systematischer nach syntaktischen Kriterien und im Kontext auftretenden Elementen gegliedert würden, wobei die Anordnung nach Möglichkeit formalen Prinzipien folgen sollte. Auch Fachgebietsangaben können zur Erleichterung der Aquivalentwahl eingesetzt werden, wie in dem Probeeintrag "1 v. Truppen Abzug [...) 6 v. Formel, Recht A b - , Herleitung 7 Tech Abführ-, Auslaßleitung" (Duda u.a. 1986: 93 s.v. vyvod). Anders a l s die F a c h g e b i e t s zuweisung (1986: 74) sind allerdings " v. Truppen" und 'V. Formel, Recht nicht zur Spezifizierung von Kontexten gedacht; diese Angaben erfolgen, well "durch die unkommentierte Nennung des Äquivalents die Bedeutung des Stichwortes nicht vollständig wiedergegeben werden kann" (1986: 72). Somit dienen sie und stünden eigentlich der Disambigulerung von Abzug bzw. Ab-, Herleitung besser danach. Im übrigen wäre es wohl günstiger, Kontextwörter in der Ausgangssprache anzuführen, in der der Benutzer s i e Ja a n t r i f f t . Angaben zur Flexion von Äquivalenten wollen Kromann/Riiber/Rosbach auf diejenigen beschränkt wissen, die zur Identifizierung des muttersprachlichen Elements nötig sind (1984: 212), z.B. Genus bei Band oder Plural bei Bank; mit Ausspracheangaben soll wohl analog verfahren werden (vgl. übersetzen mit unterschiedlicher Betonung). Sie setzen damit großes Vertrauen In die von Ihnen Immer wieder erwähnte muttersprachliche Kompetenz und übersehen, daß bei weniger geläufigen Äquivalenten auch ein Muttersprachler für einen Hinweis dankbar wäre, der Ihm zusätzliches Nachschlagen erspart (ähnlich wie bei der Bedeutungsangabe im Beispiel "Meeräsche (ein Fisch)" a u s 1.3).
Joachim Mugdan
42 2.3
Freie Produktion in der Fremdsprache
Ein zweisprachiges Wörterbuch, das beim Formulieren in der Fremdsprache gewisse Hilfen bieten soll, teilt mit den zum Verstehen und Herübersetzen bestimmten die Eigenschaft, daß die Fremdsprache Ausgangssprache ist; die bei den Lemmata benötigten Auskünfte stimmen dagegen im wesentlichen mit denen überein, die im Wörterbuch für die Hinübersetzung bei den Äquivalenten zu geben sind. Auch die Lemmaauswahl richtet sich nach ähnlichen Grundsätzen wie bei der Hinübersetzung, nur daß von verschiedenen Sprachen ausgegangen wird. Man kann sich also weitgehend auf geläufiges standardsprachliches Vokabular beschränken, wogegen die im "erklärenden" Wörterbuch eventuell weglaßbaren transparenten Wortbildungen oder Internationalismen nicht fehlen dürfen. Von großem Interesse sind für den Benutzer morphologische und (sofern der Text mündlich vorgetragen werden soll) phonologische Angaben zu den Lemmata, die aber wiederum auf Ausnahmen von bestimmten Regeln begrenzt werden können. Diese Regeln müssen allerdings in den Benutzerhinweisen oder in einer ins Wörterbuch integrierten Grammatik der Fremdsprache (in der Muttersprache des Benutzers abgefaßt) genannt sein (vgl. Mugdan 1989b). Eine solche Grammatik hat zudem den Vorteil, daß man bei den meisten Zweifelsfällen mit einem einzigen Nachschlagewerk auskommt. Besondere Schwierigkeiten bereitet erfahrungsgemäß die Wahl einer passenden Konstruktion; Auskünfte zur Syntax sowie zu häufigen und typischen Kollokationen sind deshalb wünschenswert, wobei ebenfalls auf eine Abstimmung mit der Wörterbuchgrammatik geachet werden sollte. Stilistische, geographische oder zeitliche Einordnungen können bei Unsicherheiten hinsichtlich der Angemessenheit des gewählten Wortes von Nutzen sein. Muttersprachliche Äquivalente oder Erklärungen spielen für die freie Produktion eine geringere Rolle, bieten aber In begrenztem Umfang - vor allem bei Kollokationen und Beispielen - die Möglichkeit zu verifizieren, ob die geplante Formulierung die vorgesehene Bedeutung hat.
3.
Typen zveisprachlger Wörterbücher
Während eine Klassifikation eine gegebene Grundmenge ohne Rest und ohne Überschneidungen in Teilmengen zerlegt, sodaß Jedes Element der Grundmenge genau einer Teilmenge (Klasse) angehört, kommt es bei einer Typologie darauf an, in welchem Grad die einzelnen Elemente der Grundmenge Gemeinsamkeiten mit gewissen Typen haben, die jeweils durch ein bestimmtes Bündel von Merkmalen definiert sind. Die Klassenzugehörigkeit, die normalerweise auf einer oder wenigen definitorlschen Eigenschaften beruht, Ist also eindeutig und absolut, wogegen Typen Orientierungspunkte in einem Kontinuum darstellen, zu denen die einzelnen Elemente in größerer oder geringerer Distanz stehen. Solche Typen lassen sich entweder deduktiv festlegen oder Induktiv ermitteln. Die in 2.
43
Typologie z w e i s p r a c h i g e r Wörterbücher
vorgenommenen Zuordnungen zwischen E i g e n s c h a f t e n und Funktionen von Wörterbüchern können in einem d e d u k t i v e n Verfahren g e n u t z t werden, um z.B. den Typ des
Hinübersetzungswörterbuchs
der z i e l s p r a c h l i c h e n S e i t e " ,
durch
die
Merkmale
"hat
vor", " e n t h ä l t eine Grammatik der Z i e l s p r a c h e " , " h a t keine Ausspracheangaben", "enthält usw. zu c h a r a k t e r i s i e r e n . Idealtyp repräsentieren, darin,
vorliegende
Flexionsangaben
auf
"nimmt B e d e u t u n g s d i f f e r e n z i e r u n g e n bei den Lemmata keine unregelmäßigen
Ob e s Wörterbücher
ausgangssprachlichen
Flexionsformen
als
Lemmata"
gibt, die in j e d e r Hinsicht
diesen
i s t dann eine zweite F r a g e . Der I n d u k t i v e Weg b e s t ü n d e
Wörterbücher
daraufhin
zu
untersuchen,
welche
Merkmale
b e s o n d e r s h ä u f i g gemeinsam a u f t r e t e n . Damit kommt man z.B. zu einer Matrix wie d i e s e r (die n a t ü r l i c h noch um manche Punkte zu erweitern wäre): MERKMAL (a) (b) (c) (d) (e) (f) (g) (h)
WÖRTERBUCH: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Akzent und/oder Aussprache beim Leoma Flexicn beim Leoma Disambiguierung durch Erklärungen in der Zielsprache Flexicnsformen a l s Leunata separate Graonatik der Auagangssprache Akzent und/oder Aussprache beim Äquivalent Flexion beim Äquivalent semantische Diskriminatoren in der Ausgangssprache
+ + + + - + + + - + + + + --? + + + +
+ + + + -+ + + +
+ + -+ + + + + + + + - + + — + + + + + - +
LfEENDE: + vorhanden, - nicht vorhanden, ? nicht bekannt WÖRIERBÜCHBl: 1 Leping u.a. (1976), 2 Bielfeldt (1958), 3 Duda u.a. (1986), 5 Leping/Strachova (1976), 6 IÄtzsch u.a. (1983-84), 4 Lapidus/Sevcova (1980), 7 Pens-Global E-D, 8 Muret-Sanders D-E, 9 Talihov/Gadziev (1966), 10 Siebaischein u.a. (1968) Berechnet man nun, mit welcher Häufigkeit j e d e s Merkmalspaar Ausprägungen aufweist,
s o zeigt
sich, daß a l l e P a a r e a u s
übereinstimmende
( a ) bis (d) s e c h s
bis
a c h t Mal gleiche Werte haben, e b e n s o a l l e P a a r e a u s (f) bis (h). Zwischen d i e s e n beiden Gruppen von Merkmalen reichen die Ubereinstimmungen d a g e g e n Null (z.B. tendiert
bei (b) und (g)) bis auch
-
allerdings
Grammatik der A u s g a n g s s p r a c h e " s t e l l t e n Wörterbuch
vier
weniger
(z.B. bei deutlich
(c) und -
das
(f)). Zur e r s t e n Merkmal
(e)
(zudem i s t bei dem in Duda u.a.
u n k l a r , ob e s
eine Grammatik
nur
enthalten
soll).
von
Gruppe
"separate
1986
vorge-
Man
könnte
also zunächst
zwei Haupttypen a n s e t z e n : Der e i n e h a t bei ( a ) bis (e) den Wert
plus,
bis
bei
(f)
umgekehrt. ausdrücklich
Beiden für
(h)
den
Typen die
Wert
minus,
entspricht
Rezeption
Je
beim ein
anderen
verhält
Wörterbuch
fremdsprachiger
Texte
es
genau,
sich
genau
nämlich
bestimmtes
ein
(Lapidus/
S e v c o v a 1980) und ein bewußt f ü r die H i n ü b e r s e t z u n g k o n z i p i e r t e s (Lötzsch u.a. 1 9 8 3 - 8 4 ) . Nimmt man freilich weitere
(nicht notwendigerweise b i n ä r e )
Merkmale
hinzu und u n t e r s u c h t e i n e größere Anzahl von Wörterbüchern, so e r g i b t sich ein wesentlich k o m p l i z i e r t e r e s
Bild, und man wird mit zwei Typen kaum
auskommen.
Inwieweit die auf d i e s e Weise f e s t g e s t e l l t e n Typen mit Blick auf die B e d ü r f n i s s e der Benutzer sinnvoll sind, wäre in einem zweiten S c h r i t t zu k l ä r e n . Schon die wenigen in der T a b e l l e f e s t g e h a l t e n e n B e f u n d e machen jedoch deutlich, daß v i e l e
Joachim Mugdan
44 Wörterbücher nicht systematisch zugeschnitten sind.
auf
eine
Funktion
und
eine
Benutzergruppe
Die vier in 2. erörterten Funktionen - Herübersetzung, Verstehen, Hinübersetzung und freie Produktion - erfordern vom Wörterbuch zwar Jeweils bestimmte Eigenschaften, doch ergeben sich daraus keineswegs genau vier Wörterbuchtypen. Insbesondere kann ein Wörterbuch auch für mehrere dieser Funktionen konzipiert sein (was inzwischen auch in Kromann 1989a; 1989b und Kromann/Riiber/Rosbach 1989 für die "aktive" und die "passive" Übersetzung betont wird). Oft ist das, was für eine Funktion wichtig Ist, für die andere unnötig, aber nicht störend. So kann man z.B. in ein Wörterbuch für die Hinübersetzung problemlos unregelmäßige Flexionsformen aufnehmen, um es für Herübersetzung und/oder Verstehen brauchbarer zu machen. Ebenso Ist es ohne weiteres möglich, phonologlsche und morphologische Auskünfte zu beiden Sprachen zu geben. Manche Angaben können für mehrere Funktionen nützlich sein. Beispielsweise lassen sich Ausspracheund Flexionsangaben bei den Lemmata, die beim Herübersetzen und Verstehen zur Kontrolle dienen, ob man die im Text vorgefundene Form dem richtigen Lemma zugeordnet hat, ebenso für die freie Produktion nutzen. In manchen Fällen gilt das nur unter gewissen Voraussetzungen. So sind Diskrlmlnatoren, die die Wahl des passenden Äquivalents bei der Hinübersetzung erleichtern sollen, nur dann beim Verstehen (und Herübersetzen) eine Hilfe, wenn es sich um syntagmatische Angaben handelt - also um Wörter, die Im fremdsprachigen Text zusammen mit dem nachgeschlagenen vorkommen. Nur in wenigen Fällen stellen die Funktionen widersprüchliche Anforderungen. Soll z.B. eine Fachgebietsangabe bei der Hinübersetzung zur Aqulvalentwahl dienen, müßte sie in der Ausgangssprache stehen, als Verständnishilfe bei der Textrezeption hingegen in der Zielsprache. Das Problem läßt sich aber leicht dadurch lösen, daß man (wie weithin üblich) mit Abkürzungen arbeitet, die in beiden Sprachen erläutert werden. Platzraubende Verdopplungen von Angaben wären vor allem dann zu befürchten, wenn beim Lemma (für die Hinübersetzung) wie beim Äquivalent (für das Verständnis) einander entsprechende disamblguierende Hinweise gegeben würden, etwa wie in folgendem hypothetischen Beispiel: v a s h waschen; (floor) putzen (Fußboden); (dishes)
spülen (Geschirr)
Wenn aber mehrere Äquivalente für Jede Bedeutung genannt werden (wie aufwischen bei putzen und abwaschen bei spülen), ist der Bedarf für zielsprachliche Erläuterungen schon erheblich geringer. Im übrigen ist gegen das unter Lexikographen so beliebte Argument, der Platz reiche für diese oder Jene Art von Information nicht aus, einzuwenden, daß sie viel Platz mit Elementen vergeuden, die entweder redundant sind (z.B. Flexionsangaben in Fällen, die mit einer allgemeinen Regel beschrieben werden können) oder sogar funktionslos (z.B. die meisten Fachgebietsangaben). Die Verknüpfung von verschiedenen Funktionen geschieht bislang gern in der Welse, daß man von allem ein bißchen bietet. Beispielswelse werden für die
Typologie zweisprachiger Wörterbücher
45
Sprecher der Ausgangssprache Hilfen zur Aquivalentwahl bei der Hinübersetzung gegeben, aber keine phonologischen oder morphologischen Auskünfte zu den Äquivalenten; dagegen finden die Sprecher der Zielsprache zwar Flexlons- und Ausspracheangaben bei den Lemmata vor, die sie bei der Rezeption fremdsprachiger Texte (und bei der freien Produktion) nutzen können, aber sie werden in Ermangelung disambiguierender Zusätze die Äquivalente möglicherweise mißverstehen. Sehr beliebt ist es auch, bei beiden Übersetzungsrichtungen die Informationen zu Aussprache und Flexion nur auf der ausgangssprachlichen Seite zu geben, so als ob z.B. der englisch-deutsche Teil von Sprechern des Deutschen und der deutsch-englische von Sprechern des Englischen verwendet würde noch dazu, wenn beide Teile zusammengebunden sind. Die bisher publizierten Überlegungen zu "aktiven" und "passiven" Übersetzungswörterbüchern haben ungeachtet der einen oder anderen Schwäche Im Detail bedeutende Impulse für eine schlüssigere lexikographischen Praxis gegeben. Die konsequente Ausrichtung auf eine Benutzergruppe hat aber auch ihre unverkennbaren Nachteile. Wer etwa ein größeres tschechisch-deutsches, lettisch-deutsches oder estnisch-deutsches Wörterbuch sucht, findet nur Werke, die primär für die Sprecher der Ausgangssprachen gedacht sind und Insbesondere keine morphologischen Informationen zu den Lemmata bieten. Da mit geeigneten Wörterbüchern für Deutschsprachige wegen der geringen Nachfrage auf absehbare Zeit nicht zu rechnen ist, wäre es sehr erfreulich gewesen, wenn man deren Interessen genügend mitberücksichtigt hätte. So bleibt das zweisprachige Nachschlagewerk, das den Titel "Universalwörterbuch" mit vollem Recht trägt, vorerst ein unerreichter Idealtyp.
4.
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In der Anmerkung der Herausgeber heißt es, es handle sich um das Vorwort zur 1. Auflage (Scerba 1974: 423); in ihrer Bibliographie ist unter dem Jahr 1939 jedoch die 2. Auflage verzeichnet (1974: 413). Was in neueren Auflagen des Wörterbuchs als Vorwort zur 2. Auflage abgedruckt Ist (z.B. söerba/Matuseviö 1956: 4 - 7 ) , stimmt mit diesem Text weitgehend, aber nicht völlig überein (vgl. auch Duda u.a. 1986: 14f).
HENNING BERGENHOLTZ Lemmaselektion in zweisprachigen Wörterbüchern
1.
Einleitung
Es ist auffallend und beim ersten Blick überraschend, daß dieses Thema eine nur geringe Rolle in der sehr lebendigen metalexikographischen Diskussion der letzten Jahre gespielt hat. Auch in den Einleitungen zu zweisprachigen Wörterbüchern finden sich nur in den seltensten Fällen ausführliche und genaue Angaben zur Lemmaselektion (wenn man von der Werbung auf der hinteren Umschlagsseite mit manchmal Ubertrieben großen Lemmazahlen absieht, vgl. z.B. Bergenholtz/Nielsen 1988 mit der Kritik einer Lemmaangabe, die um 100% zu groß war). Überraschend sind diese Befunde deswegen, weil die Selektion für den oder die beteiligten Lexikographen eine konzeptionell und auch arbeitsmäßig a u f wendige Aufgabe darstellt. Dieser relativen Schweigsamkeit steht das Verhalten von Wörterbuchkritikern gegenüber: Bei der Beurteilung von neuen oder neuaufgelegten Wörterbüchern stufen ihre Kritiker das Fehlen oder Vorhandensein von bestimmten Wörtern als Hauptkriterium ihrer Beurteilung ein. Diese Haltung führt vielfach zu einer Überbewertung der Selektion, weil sie voraussetzt, daß viele Lemmata in Jedem Fall vorteilhafter sind als eine geringere Anzahl. Und bei der Beurteilung von Großwörterbüchern setzt eine solche Kritik vielleicht auch die vollständige Lemmatislerung eines Wortschatzes als erwünscht und möglich voraus. Diese Erwartung relativer Vollständigkeit setzt außerdem voraus, daß eine Multifunktionalität durch ein einziges Wörterbuch gewährleistet werden kann: Demnach muß sich ein gutes Wörterbuch an Sprecher beider Sprachen wenden und soll Hilfe bieten sowohl bei Unsicherheiten in der Textrezeption als auch in der Textproduktion. Lösungswege für diese und weitere Entscheidungen bei der Lemmaselektion bieten prinzipiell zwei Arten der benutzerorientierten metalexikographischen Überlegungen. Gemeint ist zum einen die vor allem von Wiegand (z.B. 1977, 1985, 1987) initiierte Hinwendung zu einer Wörterbuchbenutzerforschung, die eine handlungsorientierte Trennung zwischen unterschiedlichen Benutzertypen (Laien, Wissenschaftlern, Lexikographen, Metalexlkographen) und verschiedenen Benut-
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Henning Bergenholtz
zersituationen vorsieht. Zum anderen könnte die Trennung der Erfordernisse von Sprechern der Ausgangs- und der Zielsprache in zweisprachigen Wörterbüchern und von Fragestellungen in der Sprachproduktion bzw. der -rezeption, wie z.B. bei Kromann/Riiber/Rosbach (1984), für eine Klärung der Selektionsproblematik nutzbar gemacht werden. Beide Diskussionsstränge können sicherlich auch der Lemmaselektion zunutze kommen, noch ist dies nicht geschehen. In Bergenholtz (1989) verweise ich u.a. auf die Vorteile von SpezialWörterbüchern, auf Nachschlagewerke für eine eng eingegrenzte Benutzergruppe. Ein solcher Vorschlag steht nicht nur im Widerspruch zu den Wünschen der Wörterbuchverlage, er setzt auch eine noch intensivere Erforschung von Wörterbuchbenutzungssituationen voraus. Viele Fragen stellen sich in diesem Zusammenhang - und sind bereits gestellt worden, z.B.: Könnte man auf die Lemmatisierung der häufigsten/bekanntesten/wichtigsten 2.000 Wörter in einem zweisprachigen Wörterbuch für jene Benutzer verzichten, die die eine Sprache als Muttersprache und die andere relativ gut beherrschen? Kann man in einem Wörterbuch, der als Nachschlagewerk für Probleme der Textrezeption gedacht ist, auf solche Wörter verzichten, die im Ausdruck und Inhalt beider Sprachen sehr ähnlich sind? Welche Unterschiede in der Lemmaauswahl können überhaupt zwischen zwei möglichen Wörterbüchern eines Sprachenpaares für Muttersprachler der einen bzw. der anderen Sprache vorgesehen werden?
2.
Informationen in Wörterbüchern zur jeweiligen Selektion
Es soll Im folgenden nicht versucht werden, eine sehr große Zahl von Wörterbüchern oder z.B. einen Querschnitt gebräuchlicher zweisprachiger Wörterbücher zu besprechen. Ich werde einfach auf einige der Nachschlagewerke eingehen, die in meinem Arbeitszimmer stehen. Ich habe allerdings den Eindruck, daß diese Auswahl einen typischen Uberblick über das Vorgehen In der heutigen zweisprachigen Lexikographie bietet. Sehr genaue Informationen über die Selektion bietet keines der untersuchten Wörterbücher. Es ist Jedoch eher die Ausnahme als die Regel, daß das Selektionsvorgehen unerwähnt bleibt, wie es bei SANSONI DT-ITAL, AL-PORT und HAND-WB UNG-DT der Fall ist (alle Wörterbücher ohne eigene Angaben zur Lemmazahl, nach meiner Schätzung jeweils 120.000, 75.000 und 40.000 Lemmata bzw. Sublemmata). Üblicherweise erfolgen mehr oder weniger vage Angaben, die sicher ganz werbewirksam sind, aber dem Benutzer keine klare Vorstellung Uber die tatsächliche Vorgehensweise bei der Auswahl vermitteln. Dafür ein typisches Beispiel, aus DT-FRANZ, das nach eigenen Angaben 38.000 Stichwörter enthält:
51
Lemmaselektion in zweisprachigen Wörterbüchern
"Das wichtigste allgemeinsprachliche Wortgut aus allen Bereichen wurde ergänzt durch Begriffe, die durch neue Formen unseres gesellschaftlichen Lebens oder durch Neubildungen auf dem Gebiet der Naturwissenschaften, der Technik und der Wissenschaft entstanden sind." Vergleichbar verfahren z.B. PONS DT-FRANZ, HAND-WB DT-UNG (45.000), DTPORT (40.000), LANG FRANZ-DT (120.000), LANG HAND-WB SPAN-DT (75.000), TASCH-WB ARAB-DT (18.000), BLINKENBERG/HÖYBYE (200.000). Die von den Verlagen angegebenen Zahlen beruhen zwar auf unterschiedlichen Arten der Zählung, es wird dennoch deutlich, daß kleinere wie größere Wörterbücher vage Angaben bringen. Diese sind nur insofern informativ, weil sie darlegen, daß kein SpezialWörterbuch vorliegt, das nur eine bestimmte Sprachvariante berücksichtigt. Die von Hausmann (1977: 5) vorgeschlagene Trennung von selektierenden Wörterbüchern (mit weniger als 30.000 Lemmata) und extensiven Wörterbüchern (mit mehr als 30.000 Lemmata) scheint plausibel zu sein, zumindest als Prinzip für ein Verfahren, das den Bestand des allgemeinsprachlichen Wortschatzes auf ein maximierendes Wörterbuch erweitert oder ihn auf ein minimierendes v e r ringert. Das maximierende Verfahren wird erkennbar in der Begründung f ü r die Selektion in einigen der Großwörterbücher, die um 200.000 Lemmata e n t h a l t e n . Das GROSSE DT-RUSS WB gibt u.a. an, daß es -
so viele Wörter aus dem Wortschatz des 19. und des letzten Drittels des 18. J a h r h u n d e r t s aufzeichnet, wie es der Umfang g e s t a t t e t soweit wie möglich die neuen und die neuesten Wörter e n t h ä l t , die sich in der Belletristik eingebürgert haben auch eine bietet.
geringe
Zahl
von
Wörtern
außerhalb
der
Literatursprache
Mit einer geringeren Gewichtung der Literatursprache hebt LANG DT-ENGL die Berücksichtigung der Umgangssprache, der Regionalismen, der Fachterminologien, der Neologismen hervor, wogegen dieses Wörterbuch Abkürzungen und Eigennamen nicht lemmatisiert, sondern in einem Appendix a n f ü h r t . Noch ausführlicher und zum Teil auch genauer ist HARRAP DT-ENGL, das als einziges der erwähnten Wörterbücher Affixe und Kompositateile lemmatisiert. Als einziges der großen Wörterbücher wird eine Gewichtung bei der Übernahme aus anderen Wörterbüchern erwähnt, HARRAP DT-ENGL übernimmt kritiklos Lemmata aus einsprachigen (deutschen) Wörterbüchern, wogegen es nur die Lemmata aus zweisprachigen Wörterbüchern a u f f ü h r t , die sich auch durch Textbelege nachweisen lassen. Das Gesamtbild der herangezogenen Wörterbücher ließ etliche mögliche Fragen zur Lemmaselektion aufkommen: (1)
Inwiefern kann ein Wörterbuch alle Wörter einer Sprache lemmatisieren?
(2)
Wird nur das Grundwort oder auch angeführt?
(3)
In welchem Umfang werden Derivata und Komposita lemmatisiert?
(4)
Werden auch Wortbildungselemente als Lemmata aufgenommen?
einzelne Flexionsformen eines
Lexems
52
Henning Bergenholtz
(5) (6)
Sind mehrteilige Lemmata (wie color télévision) vorgesehen? In welchem Umfang werden Ausdrücke aus Dialekten, Sonder- und Fachsprachen berücksichtigt?
(7)
Können und sollen Neologismen lemmatisiert werden?
(8)
Wird eine Variante der betreffenden Sprache bevorzugt berücksichtigt (z.B. die Literatursprache oder ein besonderes Sprachgebiet)?
(9)
Sind nicht mehr gebräuchliche ("veraltete") Wörter im Wörterbuch zu finden?
(10) Werden Abkürzungen lemmatisiert? (11) Enthält das Wörterbuch auch Namen als Lemmata?
3.
Lemmaselektlon und Datenselektion
Auf eine weitere mögliche Frage gehen die Wörterbücher In äußerst geringem Maße ein: Welche Datenbasis wurde bei der Selektion zugrunde gelegt? Die b i s herige Praxis scheint allgemein so zu sein wie z.B. in VINTERBERG/BODELSEN beschrieben: Ausgangspunkt bildet die Selektion in einer vorangegangenen Auflage oder (bei der ersten Auflage) einem anderen Wörterbuch, diese Auswahl wird unter Vergleich mit anderen Wörterbüchern und hinzugekommenen Belegen ergänzt bzw. unter Weglassung von als veraltet oder unwichtig angesehenen Einträgen gekürzt. Bei Wörterbüchern, die als Datenbasis nur andere Wörterbücher oder eine Belegkartei haben, bleibt diese Vorgehensweise die einzig mögliche, die aus metalexikographischer Sicht umso positiver beurteilt werden kann, je klarer die Selektionsschritte in den lexikographischen Instruktionen festgelegt und auch den Benutzern mitgeteilt werden. Für den Benutzer wird es zwar unwichtig sein, ob das gefundene Lemma aus einem anderen Wörterbuch, aus einer Liste oder aufgrund der Sprachkompetenz des Lexikographen mitgenommen wurde. Allerdings wird er umso eher zu einem zufriedenen Benutzer, wenn er nicht zu oft ein Wort vergeblich gesucht hat; und das vergebliche Nachschlagen könnte er sich einige Male ersparen, wenn er klare Hinwelse auf die Art der Selektion erhalten und wenn er erfahren hat, daß und vielleicht auch warum bestimmte Wörter nicht lemmatisiert sind. Mir scheint das Vorgehen in einem Korpuswörterbuch - wie das Trésor de la Langue Française (= TLF) - mit seiner Datenbasis entscheidende Vorteile zu bieten, weil damit eine genauere Berücksichtigung des üblichen Sprachgebrauchs möglich wird. (Dies gilt auch, wenn die weitere Methodik beim Verfassen der einzelnen Einträge ohne ein Textkorpus geplant ist.) Bei einem Korpus Wörterbuch bildet die Häufigkeit der Wörter in den untersuchten Texten das Entscheidungskriterium: Lexeme, die durch eine vorher festgelegte Mindestzahl von Belegen in einer Mindestzahl von Texten repräsentiert sind, sollen Aufnahme finden In die Lemmaliste. Diese wiederum kann durch bestimmte unregelmäßig flektierte Wortformen, Wortbildungselemente und eventuell "fehlende" Wörter aus geschlossenen Wortfeldern (z.B. Wochentagen, Farben, Zahlen) ergänzt werden.
Lemmaselektion in zweisprachigen Wörterbüchern
63
Bei der Selektion von Lemmata a u s F a c h - , Gruppen- und Sondersprachen kann das Frequenzkriterium genauso angewendet werden, d.h. durch die Auswahl der Texte auch hier die Lemmaselektion steuern. Man könnte jedoch auch die Stlchwortliste(n) in weit verbreiteten Lehrwerken als Grundlage nehmen. Dies würde zumindest zu konsequenteren Entscheidungen führen als ein Kriterium wie "Neben dem Wortgut der französischen Gemeinsprache wurde der f a c h s p r a c h liche Wortschatz aller Lebensbereiche gesichtet und ausgewertet. [...1 Entsprechendes gilt in gleichem Maße für den Fachwortschatz der naturwissenschaftlich-technischen und humanwissenschaftlichen Sachgebiete wie Medizin und Raumfahrt, Elektronik oder Umweltschutz." (LANG FRANZDT) Das Frequenzkriterium nun wird zwar zu klareren Entscheidungen führen, u.U. nicht zu den "wichtigsten" Fachtermini, worauf Magay 1984 hinweist. möchte allerdings bezweifeln, ob die von ihm propagierte Befragung Fachleuten praktikabel ist, die aufgrund ihrer Fachkompetenz die Relevanz Fachtermini beurteilen sollen. Die weiterhin von ihm erwähnte Untersuchung Lehrbüchern halte ich für praktikabler und auch z u v e r l ä s s s i g e r .
4.
aber Ich von von von
Lemmaentlastungen
Wie auch methodisch vorgegangen wird, das zweite der drei gefahrbringenden money) könnte dadurch beruhigt werden, daß der Monster ( tlme, space, Lexikograph vorgesehene oder denkbare Lemmata nicht aufnimmt. Statt Derivatlücken oder Kompositionslücken zu beklagen, i s t vorgeschlagen worden (z.B. von Eggers (1974)), neben einer möglichst vollständigen Lemmatisierung von Simpllzla und Wortbildungselementen nur noch solche Derivata und Komposita ins Lexikon aufzunehmen, die nicht durchsichtig (motiviert bzw. lexlkalisiert) sind. Alle durchsichtigen Wörter könnten dann bei der Lemmaselektion außer Acht gelassen werden. Swanson (1975: 63) führt aus, daß eine solche Berücksichtigung der Wortbildungsregularitäten bei der lexikographischen Erfassung von indoeuropäischen Sprachen in einem umfassenden allgemeinen zweisprachigen Wörterbuch zu einem reduzierten Lemmabestand von mindestens 5.000 und höchstens 10.000 Lemmata führen würde. Eine solche Lemmabeschränkung s e t z t jedoch voraus, daß eine operatlonale und leicht verständliche Bestimmung des Terminus "durchsichtig" vorliegt. Es s t e l l t sich aber die Frage, ob eine Wortbildung für alle Wörterbuchbenutzer Im gleichen Maße und in der gleichen Weise durchsichtig ist. Playboy durch the boy plays oder callgirJ durch someone calls the girl zu erklären, Ist wahrscheinlich nur Linguisten eingefallen. Es scheint so zu sein, daß erst ein Minimum an Ko- und Kontextwissen Bildungen wie Nahbereich, Nahgrenze, Nahpunkt, Nahpunkteinstellung (alle a u s einem Fotoprospekt), Putzfrau (nicht Jede Frau, die putzt, ist bekanntlich eine Putzfrau), Arztevertreter (Vertreter des Arztes oder Vertreter zu Verkaufsbesuch bei Ärzten?) verständlich macht. Bei einem großen Teil von neugeschaffenen
54
Henning Bergenholtz
Wortbildungen besteht die Tendenz, sie nur oder vor allem als Einheiten für nur eine der möglichen Bedeutungen zu gebrauchen (Mötsch 1977: 183). Durchsichtige Bildungen sind somit nur durchsichtig für den, der den Inhalt bereits kennt. Bei der Textproduktion läuft insbesondere der Ausländer Gefahr, Wörter zu bilden, die vom System her zwar möglich, aber im Sprachgebrauch unüblich sind. Für diesen Benutzer wäre es hilfreich, wenn er im Wörterbuch sehen kann, daß es das Wort "gibt". Die zusätzliche Aufnahme von Wortbildungselementen (vgl. Mugdan (1984), Bergenholtz/Mugdan (1986: 36-43)) könnte zwar in der T e x t rezeption bei Unsicherheiten mit nicht-lemmatisierten Wortbildungen eine gewisse Hilfe sein; sie kann Jedoch - aus den oben erwähnten Gründen - den Lemmabestand kaum entlasten. Eine Begrenzung ist hier ohne weiteres möglich, indem die entscheidende Häufigkeit höher oder nlederiger gewählt wird; aber eine gewisse Ergänzung wird nötig sein.
5.
Ergänzung durch besondere Lemmagruppen
Die Lemmatisierung von flektierten Wortformen kann vor allem f ü r denjenigen Wörterbuchbenutzer hilfreich sein, der einen fremdsprachigen Text einer Sprache liest, die er nicht voll beherrscht. Eine derartige Lemmatisierung geschieht bereits, wenn auch nicht immer konsequent (vgl. Mugdan (1983)). Im Prinzip müßten die Flexionsformen, die nicht den in der Wörterbuchgrammatik vorgestellten Grundregeln entsprechen, als eigene Einträge mit Verweis auf die "Grundform", aber auch mit einer grammatischen Erläuterung und einem Beispiel oder Beleg erscheinen. Für das Deutsche müßten demnach, z.B. bei befehlen, die grammatischen Wörter f ü r die 2. und 3. Person Singular Präsens (befiehlt), Singular Präteritum (befahl), Partizip Perfekt (befohlen) und Konjunktiv II (befähle und beföhle) neben dem Lemma befehlen als Einträge vorgesehen werden. In anderen Fällen kann eine besondere Bedeutung, ein besonderer grammatischer Gebrauch oder die große Häufigkeit einer Wortform zur eigenen Aufnahme führen, z.B. bei einer Lemmatisierung von Partizipien wie gestört und gestürzt, die z.T. auch oder nur mit der Wortartangabe Adjektiv versehen werden. Nicht besonders benutzerfreundllch ist es, daß einige Wörterbücher Abkürzungen grundsätzlich nicht lemmatisleren. Bei der Textrezeption gibt es bei solchen Ausdrücken oft erhebliche Verständnisschwierigkeiten. Wer versteht z.B. La, l.a. LA, LAG, L.A.M., Ib., Ib., Ibs.t Die substantivischen Abkürzungen könnten außerdem in ihrer Genuszuordnung auch jenem Benutzer Probleme bereiten, der die "Vollform" nicht kennt. Bei der nötigen Lemmatisierung der Kurzwörter kann das Korpuswörterbuch ein Häufigkeitskriterium festlegen, zusätzlich könnten alle Einträge aus einem oder mehreren kleineren Abkürzungswörterbüchern ü b e r nommen werden.
Lemmaselektion in zweisprachigen Wörterbüchern
65
Eine rigorose Grenzziehung zwischen Enzyklopädie und Wörterbuch kann zur Folge haben, daß Namen grundsätzlich von der Aufnahme ins Wörterbuch a u s geschlossen werden. Es bleiben dann mögliche Benutzerfragen unbeantwortet, die aufgrund einer Genusunsicherheit bei Ländern wie (dem) Iran und (dem) Irak oder Flüssen wie (dem) Mississippi oder (der) Volga entstehen. Für Wörterbücher, die mit dem überzeugenden Hinweis auf die Bedürfnisse der Benutzer Namen b e rücksichtigen, stellt sich zum einen die Frage, welche Klassen von Namen a u s zuwählen und wie die jeweilige Auswahl innerhalb einer Klasse vorzunehmen sind. Es scheint dabei fraglich zu sein, ob die Aufnahme von Vornamen, wie sie z.B. in SANSONI DT-ITAL oder AL-PORT (z.B. Lisbeth mit der Aquivalenzangabe Isabel) erfolgt, für irgendeinen Benutzer von Interesse sein kann. Besonders wichtig ist allerdings die Aufnahme von geographischen Namen, die zumindest f ü r UNO-Migliedsstaaten und deren Haupt- und Regierungsstädte vollständig werden kann. Für weitere Namen können und sollten klare Prinzipien offengelegt werden, wie z.B. alle Republiken der UdSSR, alle Staaten der USA, alle Städte ab einer bestimmten Einwohnerzahl. Für die Sprachgebiete des betreffenden Wörterbuches wäre es vielleicht angebracht, solche Zahlen niedriger anzusetzen als für andere Teile der Welt.
6.
Werkstattbericht Madagassisch-Deutsches Wörterbuch
Nicht völlig grundlos sind die Bedenken der Lexikographen, die jeden Tag an der konkreten Arbeit mit einem Wörterbuch beschäftigt sind, die Metalexikographen hätten zwar viel zu kritisieren, aber konstruktiv seien sie nicht; sie würden schnell weniger kritisch sein, wenn sie selber ein Wörterbuch zu erarbeiten hätten. In der Tat enthält der Alltag der lexikographischen Praxis viele Hindernisse, die als Entschuldigung f ü r etwaige Mängel und Ungenaulgkelten dienen können. Einige Forderungen der Metalexikographen können Jedoch ohne große Mühe erfüllt werden, z.B. die Offenlegung der Lemmaselektion. Für das Sprachenpaar deutsch-madagassisch gibt es bisher kein Wörterbuch, was etwas überraschend ist, wenn man bedenkt, daß sowohl Französisch als auch Englisch, Italienisch, Russisch, Altgriechisch, Latein und Norwegisch mit Madagassisch gepaart wurden. Die Qualität dieser Wörterbücher läßt zwar sehr zu wünschen übrig, aber sie bieten Nicht-Madagassen etwas Hilfe und den Madagassen die Möglichkeit, nicht immer zu einem Wörterbuch mit Französisch der zweiten Amtssprache auf Madagaskar - greifen zu müssen. Es gibt außerdem ein neues vorzügliches einsprachiges madagassisches Wörterbuch mit 25.000 Lemmata (RAKIBOLANA) sowie einige SpezialWörterbücher. Bei der Planung des Wörterbuches wurde mit dem zunächst vorgesehenen ausgehend von madagassischen Kooperationspartner vereinbart, daß er RAKIBOLANA unter Berücksichtigung von vorliegenden Untersuchungen der
56
Henning Bergenholtz
madagassischen Sprache 10.000 Lemmata auswählen sollte. Da er diese Arbeit anders als verabredet - nicht selber durchführte, sondern von Studenten ausführen ließ, war das Ergebnis unbrauchbar, weil diese von einem vor hundert Jahren erschienenen madagassisch-französischen Wörterbuch (MALZAC) ausgegangen waren. Dies erfuhr ich, als ich auf Madagaskar angekommen war, um gemeinsam mit Jenem Kooperationspartner Probeeinträge und Instruktionen für die Mitarbeiter zu schreiben. Es mußte daher ein schnelle, aber dennoch vertretbare Lösung gefunden werden. Es wurde daraufhin eine breitere Kooperation mit drei madagassischen Germanisten, Baovola Radanleüna, Suzy Rajaonarivo und Rolande Ramasomanana, sowie mit drei dort tätigen, von deutschen Organisationen entsandten Experten vereinbart, Jürgen Rlehter-Johanningmeier (DAAD-Lektor), Eckehart Olszowski (directeur du CGM, d.h. Leiter eines Instituts, das mit Goethe-Instituten in anderen Ländern vergleichbar Ist), Volker Zelss (pädagogischer Konsulent für den Deutschunterricht an madagassischen Gymnasien). Diese Gruppe von deutschen und madagassischen Wissenschaftlern hat gemeinsam mit mir die Einzelheiten des Wörterbuchkonzepts festgelegt und die makrostrukturellen Beiträge vorbereitet und verfaßt. Für das Verfassen der Wörterbucheinträge wurden drei madagassische Mitarbeiter eingestellt. Die erste Aufgabe der Mitarbeiter bestand darin, unter der Anleitung von mir und den madagassischen Kooperationspartnern eine erneute Lemmaselektion vorzunehmen. Diese Selektion mußte aber Innerhalb von drei bis vier Wochen erfolgen, well sie vor meiner Abreise aus Madagaskar abgeschlossen werden sollte. Zwei Mitarbeiterinnen, Nicole Rasoarlmanana und Mavotlana Razaflarivony, übernahmen die Aufgabe, jeweils einen Text daraufhin zu untersuchen, ob die in diesem Text auftretenden Textwörter als grammatische Wörter und/oder als Lexeme in dem madagassisch-englischen Wörterbuch HALLANGER MA-ENG1 (mit 7.000 Lemmata) und in dem einsprachigen madagassischen Bedeutungswörterbuch RAKIBOLANA (mit 25.000 Lemmata) zu finden sind. Der erste Text, ein Märchen "Ifaralahy diso fangataka" (= Ifaralahy, der sich das Falsche wünschte) (in Dahle 1984, 136-138) umfaßt 984 Textwörter, davon 855 Wortformen, die 259 Lexemen zugeordnet werden können. Während HALLANGER MA-ENGL viele Lemmalücken aufweist, stellte sich heraus, daß so gut wie alle Lexeme dieses Textes in RAKIBOLANA lemmatisiert sind. Ausnahmen bilden neben Namen einige Reduplikationen, z.B. averlmberina 'mehrmals wiederholen', tslmoramora 'ganz vorsichtig nehmen'. Welterhin sind einige grammatische Wörter, Insbesondere Passivformen nicht lemmatisiert: (a) (b) (c) (d)
mit mit mit mit
a - oder ana-: z.B. amplkombolna 'vermehren' tafa-, z.B. tafakatra 'ins Auto eingestiegen sein' i-...-ana, z.B. isehoana 'erschienen ist' aha-...-ana, z.B. ahatongavana 'womit man gekommen ist'
Lemmaselektion in zweisprachigen Wörterbüchern
57
Die zweite Textuntersuchung bestand in einer vollständigen Auswertung der auf madagassisch geschriebenen Teile in der Tageszeitung "Midi-Madagascar" vom 2. März 1987. Die insgesamt 13 madagassischen Texte enthalten 4022 Textwörter, von denen 49 Stadt- oder Personennamen bezeichnen. Die anderen 3973 Textwörter können 1038 Wortformen und 869 Lexemen zugeordnet werden. In HALLANGER MA-ENGL sind davon viele, in RAKIBOLANA einige grammatische Wörter nicht lemmatisiert, vor allem Passivformen: (a)
mit voa-, z.B. voapoisina 'vergiftet werden'
(b) (c) (d)
mit tafa-, z.B. tafafoha 'aufgestanden sein' mit J-...-ana, z.B. landrekitana 'Verantwortung tragen' mit an-...-ana, z.B. anombohana 'damit beginnen'
(e)
mit -ina und -ana, z.B. tantaraira 'erzählt werden'; tadidodana 'erinnert werden' Lemmalücken bilden auch einige Präterital- und Futurformen, z.B. hivoha 'wird öffnen', nivoha 'öffnete/hat geöffnet'
Alle diese grammatischen Wörter können jedoch unter den entsprechenden Lexemen nachgeschlagen werden. Als echte Lemmalücken können folgende Fälle gelten: (1)
die reduplikative Form: ontsaontsa
(2) (3)
rapa 'kaputt' mety 'das kann sein'
(4)
frangallana 'der, der immer singt'
(5)
totokondry
'Mitleid haben'
'die Faust ballen'
In folgenden weiteren Fällen liegen auch Lemmalücken vor; hier ist jedoch ein Synonym, das teilweise gebräuchlicher ist, lemmatisiert (für den Benutzer mit geringen Kenntnissen des Madagassischen hilft dies natürlich nicht): (6)
birao 'Büro'
(7)
profesora 'Professor'
(8) nomerao 'Nummer' (9) revolisionera 'Revolutionär' (10) saofera 'Schaffner' Parallel zu den Textuntersuchungen hat Raymonde Ravololomboahangy verschiedene Wörterbücher miteinander verglichen. Zunächst HALLANGER MAENGL mit HALLANGER MA-FRANZ, die beide 7.000 Lemmata enthalten (laut Titel bzw. Vorwort). Mit ganz wenigen Ausnahmen (z.B. findet sich das Lemma anarambosotra 'Kosename' nur in HALLANGER MA-FRANZ) stellt sich nicht unerwartet heraus, daß die Lemmabestände in diesen Wörterbüchern fast so gut wie identisch sind. In einem weiteren Schritt wurde HALLANGER MA-ENGL mit KORNEEV/RAKOTOSON verglichen, das 21.000 Lemmata enthält. Zunächst fällt auf, das KORNEEV/RAKOTOSON wie MALZAC und andere ältere madagassische Wörterbücher nach Stämmen bzw. Grundformen geordnet ist. Diese Anordnung scheint
58
Henning Bergenholtz
wenig sinnvoll für die im Vorwort vorgesehenen russischen Benutzer zu sein, aber auch für madagassische Benutzer erscheint eine strikt alphabetische Anordnung der lemmatislerten grammatischen Wörter vorteilhafter als das n i schenalphabetische Vorgehen. Da für das geplante madagassisch-deutsche Wörterbuch eine strikt alphabetische Anordnung vereinbart wurde, wäre es sehr unpraktisch gewesen, die Selektion in diesem Wörterbuch als Ausgangspunkt zu nehmen. Als weiterer Nachteil von KORNEEV/RAKOTOSON wird festgestellt, daß es eine Reihe von "malgachisierten" europäischen Fremdwörtern enthält, die völlig ungebräuchlich sind (und Im Erscheinungsjahr 1966 auch waren). Ungeachtet der Problematik einer solchen Sprachplanung erscheint mir ein zweisprachiges Wörterbuch für Nicht-Madagassen ungeeignet für die Einführung solcher Fremdwörter. Insgesamt ergab die Diskussion, daß RAKIBOLANA am ehesten eine sinnvolle Grundlage für die Selektion darstellt, und daß nur eine Berücksichtigung einer bereits getroffenen Auswahl zu der nötigen schnellen Klärung führen konnte. Geplant war ein Nachschlagewerk mit etwa 10.000 Lemmata für madagassische Benutzer, insbesondere für Gymnasialschüler und für Studenten der Germanistik. Aufgrund der dargestellten Untersuchungen wurde in der Forschungsgruppe beschlossen, von RAKIBOLANA (mit 25.000 Lemmata) unter Beachtung folgender Prinzipien auszugehen: (a)
Strukturelemente werden immer gewählt bildungselemente).
(b)
Grammatische Wörter (z.B. Passivformen) werden dann ausgewählt, wenn sie unregelmäßig gebildet sind oder eine besondere Bedeutung haben. die Häufigkeit bzw. Wichtigkeit eines Lemmas soll bei der Auswahl der übrigen Lemmata entscheidend sein.
(c)
(z.B. Konjunktionen
oder
Wort-
Das zuletztgenannte Prinzip ist wegen mangelnder Häufigkeitsuntersuchungen für das Madagassische nicht unproblematisch. Jede Selektionsentscheidung soll daher in Gruppen von mindestens zwei (madagassischen) Mitarbeitern getroffen werden. In den Fällen, In denen keine Einigkeit erreicht werden kann, sollen weitere Mitglieder der Forschungsgruppe herangezogen werden. Angestrebt wurde eine Zahl von etwa 9.500 Lemmata, indem aufgrund der prozentualen Verteilung in RAKIBOLANA Richtzahlen für die Auswahl von Lemmata mit den einzelnen Anfangsbuchstaben vorgegeben wurde. Die durchgeführte Selektion hat die vorgegebene Anzahl teilweise recht genau getroffen, z.B. für 1: 309 (vorgesehen 320), teilweise wurde die Richtzahl aber auch unterschritten , z.B. für j: 74 (statt 100) und für b: 230 (statt 280). Insgesamt erbrachte die vorläufige Auswahl aus RAKIBOLANA eine Anzahl von 9457 Lemmata. Eine Ergänzung erfolgt durch die Hinzunahme von Lemmata, die sich nicht in der Vorlage finden, aber für die vorgegebene Zielgruppe wichtig sind. Es sind u.a. Wörter aus dem schulischen Bereich, z.B. pensilihazo 'Bleistift', soJaitrabe 'Tafel', aus dem universitären Bereich, z.B. tranomboky 'Bibliothek', und aus dem Berufsleben, z.B. birao 'Büro'. Weiterhin werden einige Lemmata der VOAMBOLANA entnommen,
59
Lemmaselektion in zweisprachigen Wörterbüchern
einer Veröffentlichung aus dem Ministerium für Erziehung, die eine Reihe von neuen Wörtern aus dem wissenschaftlich-technischen Bereich verzeichnet, z.B. abo 'plus', adirafitra 'Zusammenstellung, Montage1, a f o t r o a 'Vulkan', aJijebra 'Algebra', ampihimamba 'Monopol'. Außerdem wurde aus einer 1972 entstandenen Liste mit neuen Wörtern ausgewählt. Diese Liste wurde seinerzeit in Zeitungen abgedruckt und auch auf Flugblättern verteilt. Sie enthält Wörter, die damals aufgrund der politischen Entwicklung neu hinzukamen oder besonders wichtig ara-barotra wurden, z.B. adim-poko 'Tribalismus' (Streit zwischen Volksstämmen), 'kommerziell', ara-polltika 'politisch', demokrasia 'Demokratie', depiote 'Abgeordnete(r)'.
7.
Werkstattbericht Deutsch-Madagassisches Wörterbuch
Für das folgende Wörterbuch ist die Vorbereitungszelt weniger hektisch gewesen, auch geht es hier nicht um eine nur in Ansätzen erforschte Sprache. Dennoch liegt sicher kein vorbildliches Selektionsvorgehen vor, das ohne Einschränkungen nachgeahmt werden kann. Zum einen geht es um die Auswahl für ein minimierendes bzw. selektives Wörterbuch mit 10.000 Lemmata, wobei die Reduktion von einer wünschbaren zu einer vertretbaren Auswahl eine besondere Rolle spielt. Zum anderen geht es nicht um ein Großprojekt mit großzügig bemessenen Mitteln für alle Arbeitsphasen, sondern um ein relativ bescheiden ausgestattetes Kooperationsprojekt mit einem Entwicklungsland. Die Selektion der Lemmata für das deutsch-madagassische Wörterbuch wurde von Sabine Stegemann (Essen) übernommen, die von mir drei Vorgaben erhielt: (a)
die Zahl der Lemmata soll 10.000 betragen,
(b)
Ausgangspunkt Lemmata sein,
(c)
zwei Textkorpora (das Limas-Korpus mit 1 Mio Textwörtern und das Bonner-Zeitungskorpus mit 3.6 Mio. Textwörtern) sowie die Selektion in ausgewählten Grundwortschätzen sind zu berücksichtigen.
soll
die
Selektion
In DUDEN-10
mit
seinen
gut
16.000
Ausgehend von Stegemann (1988) kann die abgeschlossene Selektion wie folgt charakterisiert werden: Den tatsächlichen Ausgangspunkt bildeten die oben erwähnten Textkorpora, zusätzlich wurden die Lernerwörterbücher von KOSARAS und OEHLER/HEUPEL berücksichtigt, schließlich wurden Zusatzlisten für besondere Gruppen von Lexemen und Wortbildungselementen erstellt und eingearbeitet. Aufgenommen wurden zunächst solche Lemmata, die in einem der Korpora (oder in beiden) mit einer Mindesthäufigkeit von 10 vorkommen und in KOSARAS oder OEHLER/HEUPEL lemmatisiert sind. Daraus ergaben sich 3.936 Lemmata. Zusätzlich wurden alle Wörter aufgenommen, die in einem der Korpora mit einer Mindesthäufigkeit von 26 auftreten (3.760 Lemmata). Die restlichen Lemmata wurden folgenden zusammengestellten Listen entnommen:
60
Henning Bergenholtz
Abkürzungen: Wortbildungselemente: unregelmäßige Verben: f l e k t i e r t e Adjektive: Wörter für Gebrauchsgegenstände: geographische Namen: Feiertage: Zahlwörter: Partelen in der BRD und der DDR: umfaßte
Im einzelnen KOSARAS,
LANG
wurde. Die zwischensolche
die
Liste
DT-FRANZ
Liste
der
und
Heiden-),
vor
die
gestrichen
allem
wurden.
in
Für
der
der einige
selten
nur die Formen für 3PersSgPräs, Liste
entscheidungen die Wörter in
DUDEN-10
aus
gekürzt
entnommen,
Sprache
wobei
gebrauchte Verben
(wie
3PersSgPrät und PartPerf wurden
und
auftreten
Verbformen
LANG DT-ENGL
Gebrauchsgegenstände
der
introspektiv
(z.B. Feld-Wald-und-Wiesen-)
unregelmäßigen
die
Zusammenstellung
die
gesprochenen
starken Verben in DUDEN-DUW,
die Quelle, aus
eine
DT-ENGL,
Wortbildungselemente wurde
der
Elemente,
der
Abkflrzungen
CASSELS
hinzugefügt und ad-hoc-Blldungen
Listen der
Bei
318 321 324 140 401 40 15 45 10
waren
und PONS
(z.B. die
ENGL-DT
dünken, kiesen) und übernommen
aufgrund
von
wurden.
Kompetenz-
DUDEN-3 aus folgenden Bereichen entnommen, die
als wichtig eingestuft werden: Küche, Fleischerei, Bäckerei, Lebensmittelgeschäft, Kaufhaus, Kleidung,
Auto,
Stadt,
Post,
Unlversltät/Büro/Schule,
Börse,
Mensch,
Tier, Sport, Musik. Welterhin wurden die Zahlen in KOSARAS übernommen. Für die Feiertage war ein Kalender
die Quelle.
Bei der
der flektierten Adjektive
Liste
wurde leicht verkürzt eine Liste aus Meder (1986) übernommen, die aufgrund von Häufigkeitsuntersuchungen geographischen Namen
in
verschiedenen
wurden alle
Korpora
entstanden
ist.
Bei
den
in KOSARAS aufgeführten Ländernamen
und
die entsprechenden A d j e k t i v e übernommen, außerdem die fünf höchsten Berge und die
fünf
längsten
Flüsse
der
Welt;
weiterhin
wurden
aufgenommen
die
fünf
größten Städte der BRD und der DDR und die drei größten in Osterreich und der Schweiz; schließlich wurden alle Bundesländer der BRD sowie die Bezirke der DDR in der
Lemmaliste verzeichnet.
wichtigsten Parteien Zeitungskorpus ist aufgestellten
Partelen
Die Liste der
umfaßt die Jeweils
fünf
in der BRD und der DDR. Die Sonderliste aus dem Bonner
eine
Prinzipien
Zusammenstellung von Wörtern, entsprechen,
aber
die nicht den
introspektiv
für
wichtig
zunächst gehalten
werden.
8.
Verlage und Benutzer
Wie bereits In der Einleitung erwähnt, spielt die Lemmaselektion eine wenn Rezensenten
Wörterbücher
beurteilen
oder wenn
Hauptrolle,
Benutzer sich mit
Klagen
an die Jeweilige Wörterbuchredaktion wenden. Voigt (1981) und Drosdowskl (1977) führen sehr Instruktive Beispiele solcher Benutzerklagen an und weisen zu Recht darauf
hin,
daß
kein
Wörterbuch
vollständig
sein
kann.
Allerdings
sind
die
Lemmaselektion in zweisprachigen Wörterbüchern
61
Verlage auch so unschuldig nicht an den zurückgewiesenen und selten unbegründeten Klagen: In ihrer Werbung wird oft genug die Vollständigkeit oder zumindest die außerordentlich breite Auswahl der "Stichwörter" gepriesen. Und in den Vorworten und den Einleitungen zu den Wörterbüchern wird nur sehr unklar deutlich, wie die Jeweilige Auswahl zustandegekommen ist, welche Einträge der Benutzer erwarten kann und welche nicht. Ich glaube schon, daß eine solche Darstellung ohne lange Umschweife begründet und erläutert werden kann (u.U. auch mit einigen Angaben zu Teilgebieten). Und was nicht weniger wichtig ist: Es sollte zur Gewohnheit werden, Werkstattberichte über die einzelnen Entscheidungswege bei der lexikographischen Tätigkeit zu verfassen. Sie können nicht nur bei weiteren metalexikographischen Überlegungen wichtig werden (über deren Wert einige Lexikographen Zweifel hegen), sie können auch wichtig werden, wenn ein Wörterbuch als Teilgrundlage für die Selektion in einem weiteren Wörterbuch gewählt wird. Ich bin da jedoch nicht sehr optimistisch: Zum einen erfolgt die Selektion vielleicht oft so zufällig, daß dies lieber der Verschwiegenheit überlassen werden sollte, zum anderen scheinen die großen Verlage eine fast panische Angst davor zu haben, die Geheimnisse ihrer "Werkstätte" zu lüften.
9.
Literatur
9.1
Wörterbücher
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de Alemo Portugues.
Porto: Porto Editora
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unter
DUDEN-3 = Duden Bildwörterbuch der deutschen Sprache. 3., vollständig neu bearb. Aufl. Bearb. von Kurt Dieter Solf und Joachim Schmidt In Zusammenarbeit mit den Fachredaktionen des Bibliographischen Instituts. Mannheim/Wien/Zürich: Bibliographisches Institut 1977. DUDEN-10 = Duden. Bedeutungswörterbuch. 2., völlig neu bearb. und erw. Aufl. Hrsg. und bearb. von Wolfgang Müller unter Mitwirkung folgender Mitarbeiter der Dudenredaktion: W. Eckey, J. Folz, H. Hartmann, R. Köster, D. Maag, C. Schrupp, M. Trunk-Nußbaumer. Mannhelm/Wien/Zürich: Bibliographisches Institut 1983.
Henning Bergenholtz
62
DUDEN-DUW = Duden. Deutsches Universalwörterbuch. Hrsg. u. bearb. vom Wissenschaftlichen Rat und den Mitarbeitern der Dudenredaktion unter Leitung von Günther Drosdowskl. Mannhelm/Wlen/Zürich: Bibliographisches Institut 1983. GROSSES-WB DT-RUSS = Das große deutsch-russische Wörterbuch / Bol'Soj nemecko-russkij slovar'. Autoren: E.I.Leplng, N.P.Strachova, N.I.Filiceva, M.Ja.Clvllling. R.A.Cerefas. Hrsg. von O.I.Moskal'skaja. Zwei Bde. Moskau: Vov. Enclklopedija 1969 [21980]. HALLANGER MA-ENGL = IF.S.Hallanger): Dlksionera Malagasy - Engiisy. Misy teny 7.000 voalahatra araka ny abidy. Antananarivo: Andro Vaovao/Trano Printy Loterana 1973. HALLANGER MA-FRANZ = Diksionera Malagasy - Fransay. Nataon'i F.S.Hallanger. Antananarivo: Trano Printy Loterana 1974. HAND-WB DT-UNG = Elöd Halâsz: Handwörterbuch der ungarischen und deutschen Sprache. Teil II. Deutsch Ungarisch. Neubearbeitung. Budapest: Akadémiai Kiadö; Berlin/München/Zürich: Langenscheidt 1969. HAND-WB UNG-DT = Elöd Halâsz: Handwörterbuch der ungarischen und deutschen Sprache. Teil I. Ungarisch-Deutsch. Budapest: Akadémiai Kladô/ Berlin/München/Zürich: Langenscheidt 1966. HARRAP DT-ENGL = HARRAP's Standard German and English Dlctionary. Ed. by Trevor Jones. Part one, German - English. London: Harrap 1963-1974. KORNEEV/RAKOTOSON = Diksionary Malagasy-Rosiana. Feny mi-isa 21000. Nataon'i Lev Korneev, Redaktora Frederik Rakotoson. Miaraka amln'ny "Gramara tsotsotra Malagasy" nataon'ny Profesora Vladimir Arakln. Mosko: Edisiona "Sovletskala Enziklopedia" 1966. KOSARAS = Istvân Kosaras: Grundwortschatz der deutschen Sprache. Einsprachiges Wörterbuch. Budapest: Tankönyvkiado/Berlin: Volk und Wissen 2 1983. LANG DT-ENGL = Langenscheidt Enzyklopädisches Wörterbuch der englischen und deutschen Sprache. Der Große Muret-Sanders. Tell II: Deutsch-Englisch. Zwei Bde. Völlige Neubearb. 1974. Hrsg. von Otto Springer. Berlin usw.: Langenscheidt 1983. LANG DT-FRANZ = Langenscheidts Großwörterbuch. Teil II. Deutsch-Französisch. Begründet von Karl Sachs und Césaire Vlllatte. Völlige Neubearb. Hrsg. von Walter Gottschalk und Gaston Bentot. Mit Nachtrag. Berlin usw.: Langenscheidt 1979. LANG FRANZ-DT = Langenscheidts Großwörterbuch Französisch. Tell I Französisch-Deutsch. Begründet von Karl Sachs und Césaire Vlllatte. Völlige Neubearb. Hrsg. von Erich Wels. Berlin usw.: Langenscheidt 91987 (1. Aufl. 1979). LANG HAND-WB SPAN-DT = Heinz Müller/Günther Haensch: Langenscheidts Handwörterbuch Spanisch. Teil I Spanisch-Deutsch. 11 Aufl. Berlin usw.: Langenscheidt 1981. (1. Aufl. 1971). MALZAC = Abinal / S.J. Malzac: Dictionnaire Malgache-Français. Fianarantsoa: Ambozontany 1987 [1. Aufl. 18881. OEHLER/HEUPEL = Heinz Oehler Stuttgart: Klett 1968.
/
Heinz
Heupel:
Grundwortschatz
Deutsch.
63
Lemmaselektion in zweisprachigen Wörterbüchern PONS
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Raklbolana
der italienischen
malagasy.
und deutschen
Fianarantsoa: Sprache.
Zweiter
Teil: Deutsch - Italienisch. Hergestellt vom Centro Lessicografico Sansoni unter der Leitung von Vladimito Macchi. Wiesbaden: Brandsteller / Firenze: Sansoni 1972. TASCH-WB ARAB-DT = Georg Krotkoff: Langenscheidts Taschenwörterbuch der arabischen
und
deutschen
Sprache.
Erster
Langenscheidt 1981 [1. Aufl. 1976]. TLF = Trésor de la Langue Française. Bisher 13 Bde. Paris 1971-1988. VOJ\MBOLANA
malagasy
Teil.
6.
Aufl.
Berlin
usw.:
Publié sous la direction de Paul Imbs.
= voambolana. malagasy-malagasy (frantsay). (français). Antananarivo: C N A P M A D 1986.
lexique
malagasy-
VINTERBERG/BODELSEN = Hermann Vinterberg og C.A. Bodeisen: Dansk-engelsk ordbog. Anden reviderede og udvidede udgave ved C.A.Bodeisen. Medredakttrer Jens Axelsen, B. Kjœrulff Nielsen og Edith Frey. Ottende oplag med tlllœg. 2 Bde. Kibenhavn: Gyldendal 1966. 9.2
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internationales
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Handbuch
Henning / Mugdan,
28.-30.6. Band 3].
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des
zur
Joachim
Essener
Lexikographie,
(Hrsg.)
Kolloquiums
Berlin/New
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zur
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Lexikographie
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de
und
Wörterbuch
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Anganon'
ny ntaolo.
Tantara
mamplseho
ny
fomban-drazana
sy
ny finoana sasany nananany. Nangonln-d Rev. L. Dahle. Natonta Fanltsiviny Nalahatra sy nahltsy ary namplan'i John Sims. Antananarivo: Trano Printy Loterana »1984.
64
Henning Bergenholtz
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Lemmaselektion
für
das
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Lemmaselektion in zweisprachigen Wörterbüchern
65
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der
JÖRG ALLHOFF Die Berücksichtigung von Affixen in Wörterbüchern
1.
Allgemeine Problematik "Es ist unbestreitbar, daß Wörterbücher den theoretischen Erkenntnisstand Ihrer Zeit widerspiegeln und auf die eine oder andere Weise einen theoretischen Standort repräsentieren, (...)." (Kempcke 1982: 42)
Dieses Zitat von G. Kempcke soll nicht als Motto, sondern allenfalls als AntiMotto den folgenden Ausführungen vorangestellt werden. Ich möchte mit meinen empirischen Untersuchungen über die Behandlung der Affixe in Wörterbüchern zeigen, daß diese optimistische Einschätzung G. Kempckes die lexikographische Praxis ignoriert. Die meisten Wörterbücher der deutschen Sprache beziehen nicht den einen oder anderen Standort, sondern repräsentieren eine Fülle von teilweise widersprüchlichen - Standpunkten. Die Ergebnisse der linguistischen Forschung finden in der Regel keinen sichtbaren Niederschlag in den Wörterbüchern. Obwohl Ich kein Freund von solch rigorosen Aussagen der Art G. Kempckes bin, möchte ich genau so bestimmt sagen: Es ist unbestreitbar, daß G. Kempcke sich irrt. Gerade die Wortbildung ist ein deutliches Beispiel, daß Vorschläge der Wortbildungsforschung, z.B. die Verkleinerung des Lexembestandes durch die Berücksichtigung regelhafter Wortbildungsmuster, den Interessen der Wörterbuchautoren bzw. den hinter ihnen stehenden Verlagen entgegenlaufen. Besonders bei den allgemeinsprachlichen Wörterbüchern geht das Quantitätskriterium vor dem Qualitätskriterium (vgl. H. Schmidt 1982: 188). So unübersehbar groß die Bedeutung von Komposita und Derivata für die Wörterbücher ist, so unbedeutend und unberücksichtigt sind die sie bildenden Elemente, die Affixe, Afflxoide und Kompositionsglieder (vgl. Bergenholtz/Mugdan 1982; Mugdan 1983; Müller 1982). Gegenteilige Aussagen lassen aufgrund der fehlenden empirischen Basis ihren intuitiven Charakter erkennen (vgl. Hundsnurscher 1970). Selbst Wörterbücher, die Wortbildungselemente berücksichtigen, geben dem Benutzer durch das Vorwort oder die
68
Jörg Allhoff
Benutzerhinweise
oft
keinerlei
Hinwelse
über
die
Berücksichtigung
der
Wortbildungselemente (vgl. Mugdan 1983: 300). Doch dieser
Vorwurf
adressieren.
Weder
ist in
nicht
der
nur an
Lexikographie wird die Darstellung thematisiert. Sowohl auch
empirische
selten zu
die
praktizierenden
Wortbildungsforschung
noch
finden. Die
der
zu
theoretischen
der A f f i x e im Wörterbuch in größerem Maße
Vorschläge zur lexikographischen
Untersuchungen
Lexikographen
in
zur
Wortbildung
wenigen vorliegenden
Erfassung der A f f i x e wie
im Wörterbuch
sind
Arbeiten beschäftigen
äußerst
sich in
der
Regel nur mit Einzelaspekten dieser Thematik, beispielsweise Ettinger (1984) mit Diminutiv-
und
Augmentativformen
(1982) mit Afflxoiden oder zweisprachigen
in
zweisprachigen
Wörterbüchern,
Hansen (1966) mit englischen
Wörterbüchern.
Mit
der
folgenden
Müller
A f f i x e n in e i n -
Untersuchung
und
soll
ein
es
wird
bescheidener Beitrag zur Schließung dieser Lücke geleistet werden.
2.
Berücksichtigung der Affixe In Wörterbüchern
Im Mittelpunkt
dieses
Kapitels
steht
das
Ob, weniger
das
Wie, d.h.
untersucht, ob A f f i x e als eigene Einträge In Wörterbüchern zu finden sind. Die Art der Darstellung wird im Abschnitt 3 thematisiert. Ist
das
Affix
durch
einen
eigenen
Wörterbuchartikel
vertreten,
gilt
es
als
berücksichtigt. Gleiches gilt, wenn es als eigenes Lexem aufgeführt ist, Jedoch auf einen oft von
anderen Wörterbuchartikel
— sei auf
Unterkapitel
zu,
-sal in
Bezug genommen wird;
denen
eigenständige
Lexeme
behandelt
auch dort zu findende A f f i x e als nachgewiesen, z.B. -mäßig mäßig.
Ist
das
beispielsweise
wird
verwiesen. Läßt die Struktur der Wörterbuchartikel
A f f i x Jedoch
in
den
Wörterbuchartikel
werden, so
auch
gelten
als Unterkapitel zu
eines
anderen
Lexems
integriert, also durch den Benutzer nicht als eigenes Lexem zu identifizieren, so gilt es als nicht berücksichtigt. Aus den in der Wortbildungsliteratur als A f f i x e oder Affixoide bezeichneten über 1000 Wortbildungselementen
wurden
60 A f f i x e
ausgewählt,
wortblldungsrelevante Aspekte abdecken. So wurden (-bar,
be-,
ent-,
er-,
ge-,
-ig,
heute als unproduktiv angesehene
-keit,
-lieh,
-schaft,
A f f i x e (z.B.
Ebenso wurden fremdsprachige (z.B. -abel,
ant-,
-ation,
durch ihre Polyfunktionalität oder Polysemantlk -en,
-er)
berücksichtigt.
Außerdem
wurden
bezeichneten Wortbildungselmente (z.B. -gemäß,
die möglichst
neben produktiven un-, -nis,
-ion,
-ung,
einige
auch
wie sich
A f f i x e (z.B. als
-e,
Affixoide
- w e i s e ) hinzugenommen.
Durch die Auswahl der 22 Wörterbücher sollten unterschiedliche Aspekte berücksichtigt
-ität)
üblicherweise
-mäßig,
ver-)
aufgenommen.
-sal)
-Ismus,
auszeichnende
viele
Affixen
lexikographische
werden. Die folgende Tabelle 1 gibt eine Obersicht über
die ausgewählten Wörterbücher; hinter den Wörterbüchern sind die In der Tabelle 2 verwandten Kennziffern aufgeführt. Kennziffer und Wörterbuchkürzel werden in
69
Affixe in Wörterbüchern
den folgenden Ausführungen zusammen aufgeführt, so ist für den geneigten Leser sowohl mittels der Auswertung der Tabelle 2 als auch durch die Wörterbuchkürzel eine Orientierung möglich. Kürzel Kennziffer 1 DU-GWB (1976-1981) 1.1. mehrbändige Wörterbücher der BroWa (1980-1984) 2 deutschen Sprache 3 WDG (1974ff) 4 5 6 7 8 9
1.2.
einbändige Wörterbücher der deutschen Sprache
PAUL/BETZ (»1966) DU-DUW (1983) WA ( 3 1980) MACK (101982) PEK (1966) HDG (1984) zweibg.
1.3.
deutsch-fremdsprachige Wörterbücher
LANG dt-eng (1974/75) HARR (1963-1974) SAN d t - i t a l (1970) d t - r u s s (1980)
10 11 12 13
1.4.
Wörterbücher der Zweifelsfälle
DU 10-9 (1972) DÜKem (1984)
14 15
1.5.
Wörterbücher 17. - 19. Jahrhundert
STIELER (1691) STEINBACH (1734) ADELUNG (1793) CAMPE (1807) HEINSIUS (1818-1822) SANDERS (1876) GRIMM (1854ff)
16 17 18 19 20 21 22
Tab. 1: Untersuchte Wörterbücher mit Kennziffern Das erst In den sechziger Jahren unseres Jahrhunderts beendete Grimmsche Wörterbuch stellt den Bezug zu den Wörterbüchern des 20. Jahrhunderts her. Die Berücksichtigung der 60 ausgewählten Affixe in den genannten 22 Wörterbüchern ist in der folgenden Tabelle 2 dargestellt. In der Auswertung dieses Kapitels steht der vergleichende Charakter im Vordergrund, d. h. es werden einerseits Wörterbücher bzw. Wörterbuchgruppen, andererseits Affixe und Affixgruppen miteinander in Beziehung gesetzt. Die Darstellung der Wortbildungselemente im Jeweiligen Wörterbuch ist dem Abschnitt 3 vorbehalten. In der Tabelle 2 fällt sofort auf, daß die meisten Wörterbücher der letzten Jahrhunderte (16-22) die Affixe in einem weitaus größeren Maße berücksichtigen als weder die sechsbändigen (1-3) noch die einbändigen (4-9) Wörterbücher des 20. Jahrhunderts. Andererseits wird durch den ersten Uberblick deutlich, daß die Affixe innerhalb der einzelnen Wörterbücher sowohl hinsichtlich ihrer Berücksichtigung als auch im Hinblick auf das Maß der Berücksichtigung einen recht unterschiedlichen Stellenwert haben.
70
Jörg Allhoff 16 17 19 19 20 21 22
1« 11 12 13
KENNZIFFER AFFIX
+ +
+ +
+
+
+ + + + + + + + + + + +
+
+
+
+ + +
+ +
+ +
+ +
+ + + +
+ +
+ +
+ + + + + + +
+ + + +
+ + + +
+ +
+ +
+ +
+
+
+
+
+
+
+ + +
+ +
+ + +
+
+
+
+
+
+
+ + + +
+ +
+ +
+ +
-aral -aria -fach
ln-
+ +
+
-tn -Im
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Himus HU»
-ilkm -1» -kaH
+
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+ + + (+) + + + + + + + + + + + + + + + +
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-I* -lldi
+ + + +
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+ +
+ +
+
+
+
+ +
+ +
+ +
+ +
-rich
-««I -aal -t»
-tlon -tum
+ +
-m Tab. 2: Auswertung der Wörterbücher
+ +
+ +
+ +
+ +
Affixe in Wörterbüchern
71
Wenden wir uns den einzelnen Wörterbuchgruppen zu. Bei den älteren Wörterbüchern fällt auf, daß sie mit Ausnahme von -ismus bei SANDERS (21) durchweg keine Fremdwortaffixe wie -abel, -ation, -ier, -Ion, -ismus, -ltät, -Ition, -iv, -tät oder -tion berücksichtigen. Neben den Fremdwortaffixen fehlen nur noch das als Nebenform zu -er zu betrachtende -ler und die Doppelsuffixe -erie/-erel. Mit vereinzelten Ausnahmen bei SANDERS (21) und STIELER (16) findet man also alle deutschen Affixe in dieser Wörterbuchgruppe vertreten; immerhin 48 von 60 ausgewählten Affixen. Innerhalb der Wörterbücher dieser Gruppe (16-22) gibt es zwar Unterschiede, doch die Mehrzahl der Affixe ist in den meisten Wörterbüchern dieser Gruppe zu finden. Ein ganz anderes Bild ergibt sich, betrachtet man die sechsbändigen Wörterbücher (1-3). Während BroWa (2) 44 der 60 ausgewählten Affixe berücksichtigt, führen WDG (3) nur 12 und DU-GWB (1) nur 9 Affixe auf. Auffällig Ist die große Übereinstimmung der Affixauswahl zwischen DU-GWB (1) und WDG (3): mit Ausnahme von -lel kommen alle Affixe des DU-GWB (1) auch beim WDG (3) vor. Berücksichtigt man die Erscheinungsjahre der einzelnen Bände, so liegt der Verdacht nahe, daß DU-GWB (1) sich am WDG (3) zumindest orientiert hat. Ein recht uneinheitliches Bild ergeben auch die einbändigen deutschen Wörterbücher (4-9). MACK (7) berücksichtigt keines der ausgewählten Affixe; PEK (8), DU-DUW (5) und HDG (9) zeichnen sich durch eine ausgesprochene Affixarmut aus. Die 4 Affixe des HDG (9) sind auch alle im WDG (3) zu finden. Auffällig ist, daß alle 8 bei PEK (8) aufgeführten Affixe auch bei PAUL/BETZ (4) zu finden sind, das immerhin 28 der 60 ausgewählten Affixe aufführt. PAUL/BETZ (4) scheint nicht nur für PEK (8) Vorbild gewesen zu sein. Mit Ausnahme von ei und -lein kommen alle im WA (6) aufgeführten Affixe auch bei PAUL/BETZ (4) vor. Ebenso findet man mit Ausnahme von be- alle bei PAUL/BETZ (4) vertretenen Affixe auch Im sechsbändigen BroWa (2), das im Vergleich zu PAUL/BETZ (4) allerdings seinen Affixbestand wesentlich ausgebaut hat. Die Vorbildfunktion von PAUL/BETZ (4) für diese Wörterbücher ist allerdings signifikant. Auffällige Unterschiede sind auch bei den deutsch-fremdsprachigen Wörterbüchern (10-13) festzustellen. Während LANG dt-engl (10) und SAN dt-ital (12) nur je 3 Affixe aufführen, sind dt-russ (13) mit 33 Affixen und HARR (11) - das nur bis zum Buchstaben R vorliegt - mit 35 Affixen ausgesprochen affixreich. Hochgerechnet bis zum Buchstaben Z dürfte HARR (11) mit den älteren Wörterbüchern (16-22) hinsichtlich der Anzahl der berücksichtigten Affixe gleichzusetzen sein. In den Wörterbüchern der Zweifelsfälle (14-15) ist jeweils ein Drittel der Affixauswahl berücksichtigt. 13 der 17 Affixe bei DüKem (15) sind auch bei DU 10-9 (14) zu finden. Ob hier abgeschrieben wurde oder nur die affixbezogenen Problemfälle etwa gleich eingeschätzt wurden, soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden.
72
Jörg Allhoff
Betrachtet man, welche Affixe oder Affixgruppen in den Wörterbüchern berücksichtigt werden, so ergibt sich nur bei den älteren Wörterbüchern (16-22) ein einheitliches Bild; die übrigen Wörterbücher (1-15) lassen auf den ersten Blick keine eindeutigen Kriterien der Auswahl erkennen. Die 10 Fremdwortaffixe - ich zähle -ieren aufgrund seiner besonderen Punktion und Bedeutung nicht zu den Fremdwortaffixen - sind in den einbändigen deutschen Wörterbüchern (4-9) ebensowenig zu finden wie in den älteren Wörterbüchern (16-22). In den übrigen Wörterbüchern ist nur -Ismus in 5 Wörterbüchern aufgeführt; -itlon und -tät sind in keinem Wörterbuch genannt. Die meisten der 10 Fremdwortaffixe sind bei BroWa (2) mit 7 und bei HARR (11) mit 6 Nennungen zu finden. Die Doppelsuffixe -erei und -erie sind mit Ausnahme von -erei im d t - r u s s (13) in keinem Wörterbuch aufgeführt. Häufig sind dagegen die Affixe -fach, -gemäß, -mäßig und -weise zu finden. -gemäß wird in 8 Wörterbüchern genannt, -fach in 16 Wörterbüchern, -mäßig In 15 Wörterbüchern und -weise in 14 Wörterbüchern. Diese in der Wortbildungsliteratur oft als Afflxolde bezeichneten Wortbildungselemente finden in der Lexikographie offensichtlich eine stärkere Berücksichtigung als die eigentlichen Affixe; dies läßt sich zumindest von den Wörterbüchern dieses Jahrhunderts recht deutlich sagen. Unterschiedlich werden die als unproduktiv eingestuften Affixe behandelt. Während die Suffixe -sai und -sei vorwiegend von den älteren Wörterbüchern (16-22) aufgeführt werden - -sai kommt nur In 4 der 15 Wörterbücher dieses Jahrhunderts (1-15) vor, -sei überhaupt nicht - , sind die Präfixe ant- und dar- Immerhin in 8 bzw. 6 der 15 Wörterbücher des 20. Jahrhunderts (1-15) zu finden, ant- jedoch oft als Kurzform des Fremdwortpräfixes anti-. Betrachten wir nun die produktiven Wortbildungselemente. Die Mehrzahl der produktiven Präfixe be-, ent-, er-, ge-, in-, miß-, um-, un-, ur-, ver- und zer- werden in den älteren Wörterbüchern (16-22) - mit Ausnahme von SANDERS (21) - genannt, selten dagegen in den Wörterbüchern des 20. Jahrhunderts (115). be-, ver- und zer- werden nur in 4 dieser 15 Wörterbücher genannt, er- in 5 Wörterbüchern, ent- und ge- in 6 Wörterbüchern. In 7 Wörterbüchern findet man um- und ur-; nur in- und ur- mit 8 Nennungen und miß- mit 10 Nennungen kann man als relativ häufig aufgeführte Präfixe in Wörterbüchern des 20. Jahrhunderts (1-15) bezeichnen. Auch die produktiven Suffixe werden in den älteren Wörterbüchern (16-22) häufiger berücksichtigt als in den Wörterbüchern dieses Jahrhunderts (1-15), allerdings sind die Unterschiede nicht mehr so prägnant wie bei den produktiven Präfixen. Besonders die produktiven Adjektivsuffixe -haft, -ig, -lieh und -bar wie auch die Substantivsuffixe -heit, -keit und -schaft sind im Durchschnitt in der Hälfte der untersuchten 22 Wörterbücher zu finden. Es sei noch kurz auf die Suffixe eingegangen, die aufgrund ihrer Polyfunktlonalität oft als schwierig zu behandelnde Morpheme angesehen werden.
A f f i x e in Wörterbüchern
wird
-e
-
mit
73
Ausnahme
von
DU
10-9
(14)
-en
und -er
Wörterbücher (16-22) behandelt. Auch
-
nur
in
4
der
7
älteren
werden in 5 Wörterbüchern
der letzten Jahrhunderte (16-22) berücksichtigt, allerdings kommen sie auch in 4 bzw. 3 (-er)
(-en)
der 15 Wörterbücher des 20. Jahrhunders (1-15) vor. Es fällt
auf, daß DU 10-9 (14) Im Gegensatz zu DüKem (15) diese Morpheme als schwierig genug ansieht, um sie in den Zweifelsfällen zu behandeln. Betrachtet
man
einmal
unabhängig
von
den
Affixtypen
Berücksichtigung von Affixen, so führen -fach Liste an, gefolgt von un-,
und -weise
ur-
bar, ent-,
ge-,
und miß-
die
Häufigkeit
-mäßig mit 15 Einträgen. In 14 Wörterbüchern sind zu finden, dar-,
um- und -zig
der
mit 16 Nennungen diese ant-,
in 13 Wörterbüchern und
wie die vorausgegangenen Ausführungen, daß bei den meisten Wörterbüchern besonders denen
-
in 12 Wörterbüchern. Doch diese Zahlenspiele zeigen ähnlich
in-
des 20. Jahrhunderts -
das Prinzip Zufall die
-
wesentlichste
Rolle bei der Aufnahme von Affixen ins Wörterbuch spielt.
3.
Darstellung der Affixe in den einzelnen WSrterbflchern
3.1
Mehrbändige Wörterbücher der deutschen Gegenwartssprache
Die Affixarmut von DU-GWB (1) ist nicht weiter verwunderlich, da die Autoren dieses
Wörterbuches
bemüht
sind,
"den
Wortschatz
der
deutschen
Gegenwartssprache mit allen Ableitungen und Zusammensetzungen so vollständig wie möglich" zu erfassen (DU-GWB 1976: 1), ohne allerdings Augenblicks- und Situationsbildungen
zu
berücksichtigen
Ableitungen und Affixen sucht
(DU-GWB
1976:
3).
Informationen
der wortbildungsinteressierte
Leser
zu
im Vorwort
oder in der Einleitung vergebens; zu den Zusammensetzungen liest er, daß diese in
"Strichartikeln"
Durch
das
erfaßt
werden,
sofern
Abkürzungsverzeichnls
Ableitungen,
Bestimmungswörter,
das Bestimmungswort
erfährt
der
produktiv
Wörterbuchbenutzer,
Zusammensetzungen
und
daß
ist. auf
Zusammenbildungen
hingewiesen wird. Während
über
Affix,
Präfix
oder
Suffix
als
grammatische
Angabe
oder
Wortartenangabe in der Einleitung nichts gesagt wird, tauchen diese Termini in Wörterbuchartikeln während -gemäß
auf;
z.B. werden
durch den Zusatz
-iei
und
-mäßig
als
Suffixe
bezeichnet,
"in Zus. mit Subst." als
Kompositionsglied
gekennzeichnet wird. Neben den differierenden grammatischen
Angaben zu den
einzelnen Affixen werden diese auch unterschiedlich im DU-GWB (1) dargestellt. Während beispielsweise -mäßig und -gemäß als Unterartikel zu mäßig und gemäß zu finden
sind,
ist
-weise
nach
weise als
eigenständiger
Wörterbuchartikel
aufgeführt. Weder von der theoretischen Grundlage noch von der Darstellung her ist
eine
Systematik
im
DU-GWB
(1)
Berücksichtigung der A f f i x e festzustellen.
bei
der
sowieso
schon
geringen
74
Jörg Allhoff
Das neben DU-GWB (1) sich ebenfalls durch Affixarmut auszeichnende WDG (3) geht im Vorwort etwas ausführlicher auf die Wortbildung ein. Neben einem Hinweis zur Darstellung von Derivata (WDG 1974: 19) wird besonders die verstärkte Aufnahme von Komposita thematisiert, die Aufnahmekriterien widersprechen sich allerdings schon im Vorwort. Einerseits werde auf Bedeutungsangaben bei ins Wörterbuch aufgenommenen Komposita verzichtet, sofern die Bedeutung aus den einzelnen Gliedern ersichtlich sei (WDG 1974: 9), andererseits seien gerade solche Komposita nicht ins Wörterbuch aufgenommen worden (WDG 1974: 18). Aufgenommen seien auch Kompositaformen, deren einzelne Glieder nicht Isoliert vorkommen (WDG 1974: 18); einzelne Kompositionsglieder würden auch für sich dargestellt, um die Möglichkeit der Bildung weiterer Komposita anzuzeigen (WDG 1974: 18). Am Ende der einzelnen Wörterbuchartikel findet man zur Verdeutlichung der Produktivität des Jeweiligen Lexems Hinweise zur Verwendung in Präfixbildungen, Komposita oder Zusammenbildungen. Da in dieser Form beispielsweise auch das Affix -gemäß dargestellt wurde - und damit von den Untersuchungskriterien dieser Arbeit etwas abwich - wurde in der Tabelle 2 des Kapitels 2 das entsprechende Kreuz eingeklammert. Andere Affixe, z.B. dar-, miß- oder -mäßig, sind dagegen als eigene Wörterbuchartikel aufgeführt, in denen die Affixe nach ihren Jeweiligen Bedeutungen unterteilt werden. Gleichzeitig wird im WDG (3) versucht, zu den einzelnen Bedeutungsgruppen auch Hinweise zur Produktivität zu geben, z.B. werden dar- und miß- als unproduktive Vorsilben gekennzeichnet; -weise wird als "heute sehr produktiv" bezeichnet, allerdings fehlt hier wie auch beim Affix -fach der Hinweis über den Typ des Wortbildungselements. Die Strukturierung der Affix-Wörterbuchartikel nach Bedeutungen bei g l e i c h zeitigen Angaben der Produktivität halte Ich für recht vielversprechend. Leider wird im WDG (3) kein Hinwels gegeben, auf welcher Basis die Häuflgkeits- bzw. Produktivitätsangaben beruhen. Zu kritisieren ist die terminologische Kennzeichnung. "Kurzwort" für -zig ist da genau so irreführend wie "verbale Vorsilbe" bei um- oder "nominale Vorsilbe" bei un- und ur-, da Präfixe weder nur an bestimmte Wortarten treten, noch wortartenbildend sind. Auch der Terminus "Silbe" Ist in der Wortbildung äußerst problematisch. Trotz dieser Mängel und den relativ wenig aufgenommenen Affixen berücksichtigt WDG (3) im Vorwort wie in den Wörterbuchartikeln die Wortbildung ausführlicher als beispielsweise DU-GWB (1). Obwohl BroWa (2) 45 der 60 untersuchten Affixe behandelt, wird im Vorwort und Im Kapitel über den Aufbau der Wörterbuchartikel so gut wie nichts zur Wortbildung gesagt; es wird lediglich darauf hingewiesen, daß nicht alle möglichen Wortableitungen und Zusammensetzungen erfaßt werden können (BroWa 1980: 9). Im Abkürzungsverzeichnis tauchen die Begriffe "Kompositum", "Derivat" oder "Ableitung" nicht auf, dafür aber "Zusammensetzung". Ebenfalls nicht vermerkt sind "Affix" oder "Suffix", Jedoch "Präfix", "Nachsilbe" und "Vorsilbe".
75
Affixe in Wörterbüchern Kurzum,
der
an
Affixen
interessierte
Leser
muß
sich
schon
den
Wörter-
buchartikeln zuwenden. Dargestellt werden die Affixe durch drei Punkte vor bzw. nach dem Affix. Diese Darstellungsweise wird durchgehend beibehalten, was - vergleicht man mit DuGWB (1) - nicht unbedingt selbstverständlich ist. Terminologisch ist allerdings keine durchgehende Darstellungsform festzustellen. BroWa (2) operiert vorwiegend mit den Termini "Vorsilbe", "Nachsilbe" und "Zusammensetzung" bzw. deren Abkürzungen. Der im Abkürzungsverzeichnis vorgesehene Terminus "Präfix" wurde nicht gefunden. -abeJ, -bar, -isch und -iv werden beispielsweise ebenso als Nachsilben zur A d j e k t i v b i l d u n g e n b e z e i c h n e t wie -fach, -gemäß, -mäßig, -weise und -sam, nur werden letztere mit dem Zusatz "in Zusammensetzungen" versehen. Bei den substantivbildenden Suffixen wird jeweils von "Nachsilben" gesprochen, bei der Bildung von Verben wird -ieren als "Nachsilbe", dar- als "Vorsilbe" zur Verbbildung genannt. Allerdings sollte man nicht dem Trugschluß erliegen, daß mit "Vor- bzw. Nachsilben" Derivata und mit dem Hinweis "in Zusammensetzungen" Komposita gemeint sind. So werden beispielsweise ent-, ge- und inals "Vorsilben in Zusammensetzungen" bezeichnet. Der Terminus "Zusammensetzung" ist also nicht mit dem in der Literatur oft analog verwendeten Terminus "Komposita" gleichzusetzen. Diese Aussage ist zugegebenermaßen spekulativ, da im BroWa (2) keinerlei Angaben zur Definition von Ableitungen und Zusammensetzungen zu finden sind. Die verschiedenen Bedeutungen der einzelnen Affixe werden unterschiedlich dargestellt. Während die drei Bedeutungen von ent- auch in drei einzelnen Wörterbuchartikeln dargestellt werden, findet man die fünf Bedeutungen von erinnerhalb eines Wörterbuchartikels. Zum Teil geht die Kategorisierung von Bedeutungsangaben und Verwendungsweisen wild durcheinander (vgl. z.B. -Ion und - i s m u s ) . Auch die Angaben zur Produktivität sind wenig aussagekräftig. Während z.B. bei -schatt der explizite Hinweis steht "heute nur noch teilweise produktiv" - wobei der Begriff 'teilweise' den Leser auch nicht weiter bringt - , wird bei den zwei Wörterbuchartikeln zu -ig (-ig als Nachsilbe zur Bildung männlicher Substantive wie König, Honig, Käfig, Zeisig; -ig als Nachsilbe zur Bildung von Adjektiven) kein Hinweis gegeben, daß -ig heute nicht mehr produktiv ist, -ig dagegen um so mehr. Übrigens wirkt die Angabe "männliche Substantive" bei -ig etwas merkwürdig, um nicht zu sagen lächerlich; Honig mag Ja maskulin im grammatischen Sinne sein, aber 'männlich' ? In einigen wenigen Wörterbuchartikeln findet man bei BroWa (2) Hinwelse zu morphologischen Besonderheiten von Affixen; z.B. wird bei -keit darauf hingewiesen, daß dieses Suffix vorwiegend an die Suffixe -bar, -ei, -er, -ig, -lieh und -sam tritt. Im großen und ganzen ist die Beschreibung der Affixe im BroWa (2) Jedoch recht unergiebig und uneinheitlich. Aus dem positiven Ansatz, viele Affixe aufgenommen zu haben, wird wenig gemacht.
76
Jörg Allhoff
3.2. Einbändige einsprachige Wörterbficher des 20. Jahrhunderts Die Darstellung der Affixe in den drei größten Wörterbüchern der deutschen Gegenwartssprache (1-3) hat sich als äußerst mangelhaft erwiesen. Einige gute Ansätze kommen nicht über ihr Anfangsstadium heraus. Der erste Blick In die Tabelle 2 zeigt auch bei den einbändigen Wörterbüchern (4-9) große Unterschiede allein schon in der Berücksichtigung der Affixe. Einige haben kaum oder keine Affixe aufgenommen. Letzteres gilt für MACK (7), das stattdessen versucht, den Wortbestand durch die Aufnahme möglichst vieler Komposita und Ableitungen zu erhöhen, ohne dies allerdings explizit zu sagen. Die Annahme, daß, wenn schon keine Wörterbuchartikel zu den Affixen zu finden sind, wenigstens in der bei MACK (7) recht ausführlichen Wörterbuchgrammatik Hinweise zu Komposita und Derivata oder gar zu Wortbildungselementen - zu finden sind, erweist sich als Irrtum. Lediglich bei der Behandlung der Wortart Substantiv wird auf die substantivbildenden Suffixe -ig (Pfennig), -ling, -heit, -ung, -icht und -tum hingewiesen, allerdings ohne jede Anmerkung, daß hier höchst unterschiedlich produktive Suffixe zusammengestellt wurden. Für MACK (7) scheint die Wortbildung kein Problem zu sein, das im Wörterbuch oder in der Wörterbuchgrammatik In irgendeiner Form einer Darstellung bedarf. Auch für DU-DUW (5) ist die Wortbildung etwas so Selbstverständliches, daß nicht ein Satz in der gesamten Einleitung darüber verschwendet wird. Immerhin kann man anhand des Abkürzungsregisters ersehen, daß Ableitungen, Zusammensetzungen und Zusammenbildungen berücksichtigt werden und daß auf Bestimmungswörter verwiesen wird. Von den 60 in der Tab. 2 genannten Affixen findet man im DU-DUW (5) nur 3. Macht man sich einmal die Mühe, das Wörterbuch von Deckel zu Deckel nach in eigenen Wörterbuchartikeln dargestellten Affixen zu durchsuchen, so verdreifacht sich die Zahl auf ganze 9 Einträge, die Wortbildungselemente berücksichtigen. Außer den 3 schon in Tab. 2 aufgeführten Affixen -lei, ur- und -zig findet man noch anti-, Color-, inter-, -karäter, pan- und -wärtlg. In Form von Unterartikeln werden auto-, -fähig, -karätig und -wärts berücksichtigt. Innerhalb einzelner Wörterbuchartikel findet man biswellen Hinweise zur Wortbildung; z.B. wird das maskuline Substantiv Ismus ergänzt durch den Hinweis "nach lat. ...ismus = Endung männlicher Substantive". Das Suffix -ismus Ist allerdings nicht als eigener Wörterbucheintrag oder Unterartikel berücksichtigt. Die Terminologie ist bei DU-DUW (5) recht unterschiedlich. Während anti-, autound interproduktive Vorsilben sind, ist ur- ein Präfix und panein Bestimmungswort In Zusammensetzungen. In Zusammensetzungen komme auch Color- vor, im Gegesatz zu pan- wird es allerdings nicht als Bestimmungswort bezeichnet. Auch die Suffixe werden unterschiedlich oder nicht gekennzeichnet. Bei -karäter und -karätig findet man den Hinweis, daß sie in
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Zusammenbildungen vorkommen; bei -wärtig und -wärts wird auf das Vorkommen in Zusammensetzungen hingewiesen, -lei ist Suffix, -fähig dagegen Suffixoid, -zig wiederum Endung. Außer den Hinwelsen bei anti-, auto- und inter-, daß es sich um produktive Vorsilben handelt, sind keine Angaben zu Häufigkeit und Produktivität zu finden. Die Schreibung der Affixe ist im DU-DUW (5) - im Gegensatz zu DU-GWB (1) - einheitlich; das Affix wird jeweils durch einen Bindestrich gekennzeichnet. Ähnlich wie DU-DUW (5) stellt auch HDG (9) nur wenige der ausgewählten 60 Affixe dar. Während der Informationsgehalt der einzelnen Affix-Wörterbuchartikel bis auf wenige Ausnahmen (vgl. z.B. um-) relativ gering ist, sind in den Benutzerhinweisen viele Informationen zur Wortbildung zu finden. Im Kapitel II. "Zum Stichwortansatz" findet man im Abschnitt 7 Hinweise zum Kompositum als Einzelstichwort oder Glied einer Kompositionsreihe, sowie zur Präfixbildung (HDG 1984; X). Zu den Präfixverben wird ausführlicher im Kapitel V "Zu den grammatischen Angaben" im Abschnitt 6.2. eingegangen (HDG 1984: XIX). Dort wird besonders auf die Problematik der Abtrennbarkelt bzw. Nichtabtrennbarkeit der Präfixe und Ihrer Darstellung im Wörterbuch eingegangen. Auffällig ist, daß hier von Präfixen gesprochen wird, während In den Wörterbuchartikeln der Terminus "Partikel" verwendet wird. Allerdings sind auch einige Widersprüche zu finden, die deutlich zeigen, daß HDG (7) am WDG (3) orientiert ist. Wie im WDG (3) wird auch Im HDG (7) im Zusammenhang mit den Bedeutungsangaben bei den Komposita gesagt, daß Komposita, deren Bedeutung sich aus der Summe ihrer Glieder erschließen läßt, ohne Definition bleiben (HDG 1984: XIII), während einige Selten vorher gesagt wird, daß gerade diese Komposita weitgehend unberücksichtigt bleiben (HDG 1984: IX). Trotz dieser Mängel ist das HDG (7) bezüglich der Wortbildung immer noch Informationsreicher als die meisten bisher besprochenen Wörterbücher. PEK (8) dagegen sagt in seiner Einleitung nichts zur Wortbildung; in seinen 9 Anweisungen zum Gebrauch des Wörterbuches werden allerdings 2 Anweisungen zu Suffixen gegeben. Unter VII. wird der Gebrauch der Verben auf -ein und -ern und die diesbezügliche Darstellung im Wörterbuch beschrieben (PEK 1966: XVII) und unter VIII. der Partizip-Perfekt-Gebrauch bei Verben auf -ieren (PEK 1966: XVIII). Warum gerade diese beiden Aspekte als so wichtig erachtet werden, daß sie explizit in den Benutzerhinweisen aufgeführt werden, ist ungewiß. Die Verwirrung geht weiter, betrachtet man die Wortblldungsterminl im Abkürzungsverzeichnis. Während "Zusammensetzungen", "Vorsilben" und "Vorwort" zu finden sind, sucht man "Ableitungen", "Nachsilben" oder "Nachwort" vergebens. Der Unterschied zwischen "Vorsilbe" und "Vorwort" wird nicht erläutert. Oft werden die Affixe mit den Wortarten bedacht, die sie eigentlich bilden; so werden -fach, -mäßig und miß- zu "Eigenschaftswörtern in Zusammensetzungen" und -weise zum "Umstandswort in Zusammensetzungen", während umwiederum eine "Vorsilbe in Zusammensetzungen" ist, -lel dagegen nur eine
78 "Nachsilbe". Diese unsystematischen und z.T. uneinsichtigen einzigen Informationen bei PEK (8) zur Wortbildung.
Jörg Allhoff Angaben sind die
Im Gegensatz zu den bisher besprochenen einbändigen Wörterbüchern sind bei WA (6) fast ein Drittel der 60 ausgewählten Affixe zu finden. Zusätzlich zeichnet sich WA (6) durch sein vor dem eigentlichen Wörterbuch zu findendes "Lexikon der deutschen Sprachlehre" aus. Anhand der dortigen Einträge (z.B. "Ableitung, Derivation, Diminutiv, Endung, Lexem, Morphem, Phonem, Präfix, Silbe, Suffix, Wortbildung") kann sich der Leser ausführlich zur Wortbildung informieren. Schlägt man allerdings im Wörterbuch Affixe nach, so stellt man besonders anhand der uneinheitlichen Terminologie fest, daß zwischen dem Wörterbuch und dem "Lexikon der deutschen Sprachlehre" keine Verbindungen hergestellt werden. Diese terminologische Unelnheitllchkeit soll am Beispiel der vorgefundenen Suffixe dokumentiert werden. HINWEIS Adjektiv; In Zusammensetzungen Adverb; in Zusammensetzungen In Zusammensetzungen; Adjektivsuffix in Zusammensetzungen; Substantivsuffix In Zusammensetzungen; Nachsilbe Nachsilbe für Adjektive Nachsilbe Ableitungsendung für weibliche Substantive Endung Endung zur Bildung der Verkleinerungsform aus dem Adjektiv entstandenes Suffix Suffix
SUFFIX -fach, -haft -gemäß, -weise -sam -sal -schaft -bar -tum -ei -lel -lein -mäßig -heit. -keit
Zur Benennung der Suffixe wurden also 12 verschiedene Darstellungsformen gewählt, wobei die Angabe "Suffix" bei -heit von mir gekürzt wurde. Der gute Ansatz, den WA (6) durch sein "Lexikon der deutschen Sprachlehre" nicht nur für die Wortbildung schafft, wird nicht ausgenutzt. Während die wichtigsten Affixe Im "Lexikon der deutschen Sprachlehre" zusammenfassend unter ausgewählten Aspekten behandelt werden, läßt die Darstellung der Affixe im Wörterbuch sehr zu wünschen übrig, trotz der im Vergleich zu anderen Wörterbüchern hohen Anzahl. Im Gegensatz zu allen bisher betrachteten Wörterbüchern des 20. Jahrhunderts ist das Wörterbuch von PAUL/BETZ (4), das in der ersten Auflage 1896 erschien, nicht synchron, sondern vorwiegend diachron orientiert. Es stellt somit die Verbindung zu der Gruppe der älteren Wörterbücher (16-22) her. Wie schon gesagt, fungierte PAUL/BETZ (4) für viele folgende Wörterbücher als Vorbild. Dies wird besonders an den sich stark ähnelnden Bedeutungsangeben zu den Affixen deutlich, die aber in keinem der späteren Wörterbücher die Ausführlichkeit von PAUL/BETZ (4) erreicht. Bei der Darstellung der Präfixe (be-, ent-, er-, ge-, miß-, um-, un-, ver-, zer-) geht PAUL/BETZ (4) ausführlich auf die unterschiedlichen Bedeutungen ein
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und gibt - bei der verbalen Verwendung von Präfixen - Informationen zur Abtrennbarkelt bzw. Nichtabtrennbarkeit, zur Translvität und zum syntaktischen Gebrauch der einzelnen Formen. Bei den einzelnen Aspekten befinden sich 1. d. R. ausführliche Beispiellisten. Schon O. Behaghel lobt die Behandlung der Verbindung von Verben mit trennbaren und untrennbaren Vorsilben, die sonst "kein deutsches Wörterbuch enthält". (BEHAGHEL 1927: 181). Terminologisch benannt werden die meisten Wortbildungselemente bei PAUL/BETZ (4) allerdings nicht; die wenigen terminologischen Darstellungen sind uneinheitlich, was aber zum Teil durch die diachronische Betrachtungsweise erklärbar Ist. Trotz der diachronen Betrachtung sind in keinem Wörterbuch des 20. Jahrhunderts so ausführlich die Affixe dargestellt worden wie bei PAUL/BETZ (4). Es ist zu bedauern, daß PAUL/BETZ (4) offensichtlich nur bezüglich der Affixauswahl als Vorbild gedient hat, nicht dagegen in inhaltlicher Sicht.
3.3. Zweisprachige Wörterbücher Wie schon die Wörterbücher der übrigen Gruppen zeichnen sich die 4 Wörterbücher dieser Gruppe (10-13) allein schon durch ihre Affixauswahl als höchst unterschiedlich aus. LANG dt-eng (10) führt nur 3 der 60 ausgewählten Affixe auf. Während ant- und -fach als "combining forms" bezeichnet werden, wird -zig als Adjektiv ausgewiesen. Die Beispiele bei -zig zeigen allerdings, daß mit diesem Wörterbuchartikel nicht das Suffix, sondern die frei vorkommende Form zig beschrieben wird. In den Benutzerhinweisen findet man nur sehr verstreut Hinweise zur Wortbildung. So wurden beispielsweise nur solche Wortbildungselemente aufgenommen, die der Erschließung nicht verzeichneter wissenschaftlicher oder sonstiger Spezialausdrücke dienen (z.B. -tele) (LANG dt-engl 1974: XX). Daher ist verständlich, daß die Mehrzahl der mehr aligemeinsprachlichen Wortblldungselemente der Tabelle 2 hier nicht dargestellt sind. Weitere Hinwelse zu den Affixen sind in den Benutzerhinweisen nicht enthalten; bei den grammatischen Angaben zu den Adjektiven und zu den Verben wird allerdings darauf hingewiesen, daß affigierte Formen im Wörterbuch berücksichtigt werden (LANG dt-engl 1974: XXV). Im Abkürzungverzeichnis sind keine Termini zur Wortbildung zu finden. Geradezu als Gegenstück wirkt dagegen HARR (11) bezüglich der Berücksichtigung von Wortbildungselementen. "Zahlreiche Zusammensetzungeselemente erscheinen in Form von selbständigen Stichwortartikeln, in denen der Benutzer Auskunft über die Gebrauchsmöglichkeiten bestimmter Wörter In Zusammensetzungen erhält. Präfixe und Suffixe werden ebenfalls derart behandelt, daß ihre möglichen Bedeutungen als Teil eines nicht aufgeführten Wortes ohne weiteres erkennbar sind. Sehr gründlich werden die Anwendungsformen der verschiedenen
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Verbalpräfixe (.ab-, ent-, ge-, zer- usw.) In den entsprechenden Artikeln dargestellt" (HARR 1963: XV). Auch an anderer Stelle des Vorwortes wird gerade auf die Problematik der Affixe besonderen Wert gelegt, ganz zu schweigen von den vielfältigen Hinweisen zu den Komposita. Der oben zitierte Anspruch wird im wesentlichen eingehalten. Kein anderes der untersuchten Wörterbücher hat so viele Affixe so ausführlich behandelt. Die Präfixe werden in HARR (11) nach dem Vorkommen in bestimmten Wortarten behandelt. Unabtrennbare Präfixe werden teilweise direkt so bezeichnet (be-, ent-), teilweise jedoch nur als Präfixe (ge-, miß-). Abtrennbare Präfixe werden grundsätzlich nur als Präfixe aufgeführt. Suffixe werden in Adjektivsuffixe, Substantivsuffixe und Verbalsuffixe unterschieden. HARR (11) berücksichtigt nicht nur homonyme Affixformen, sondern versucht auch die Polyfunktionalität mancher Morpheme (z.B. ge-, -en) darzustellen. Insgesamt ist bei HARR (11) ein Schwerpunkt im Bereich der lexikographischen Erfassung der Wortbildung festzustellen. Im krassen Gegensatz dazu steht SAN d t - i t a l (12), das nur 3 der 60 ausgewählten Affixe aufführt (ant-, -chert, -fach), die zudem noch recht unterschiedlichen Affixtypen angehören: ant- hier als verkürzte Form des Fremdwortpräfixes antl-, -chen als Diminutivbilder und -fach als Adjektivbilder. SAN d t - i t a l (12) bezeichnet sie alle als Präfixe bzw. Suffixe, jedoch werden diese Termini sehr global verwendet. Die bei der Bildung der Komposita häufig verwendeten Wortelemente, die im Wörterbuch durch einen eigenen Wörterbucheintrag vertreten sind (SAN d t - i t a l 1970: IX), werden ebenfalls Präfix bzw. Suffix genannt. Die Affixe im engeren Sinne spielen in diesem Wörterbuch keine Rolle. Daß Wortbildungselemente in zweisprachigen Wörterbüchern stärkere Berücksichtigung finden, zeigt sich neben HARR (11) auch im d t - r u s s Wörterbuch (13). Aufgrund fehlender Kenntnisse der russischen Sprache soll an dieser Stelle auf eine inhaltliche Analyse der entsprechenden Wörterbuchartikel meinerseits verzichtet werden, da solche Aussagen einen zu spekulativen Charakter hätten.
3.4. Wfirterbflcher der Zweifelsfälle Eine besondere Art von Wörterbüchern sind die Wörterbücher der Sprachschwierigkeiten und Zweifelsfälle (14-15), die aufgrund ihrer Berücksichtigung von Fachtermini, grammatisch problematischen Lexemen und einzelnen Grammatikbereichen eigentlich als alphabetisch geordnete Grammatiken zu betrachten sind. Berücksichtigt man die im Vergleich zu einem normalen Bedeutungswörterbuch relativ geringe Zahl an Wörterbuchartikeln, so wird der Wortbildung In diesen Büchern relativ viel Beachtung geschenkt. Sowohl bei DU 10-9 (14) wie bei DÜKem (15) sind eigene Wörterbuchartikel zu Präfixen, Suffixen, Bestimmungswörtern und - in geringer Zahl - Grundwörtern zu finden,
Affixe in Wörterbüchern worauf DilKem (15) in den Benutzerhinweisen Benutzerhinweise fehlen übrigens bei DU 10-9 völlig.
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deutlich
Bezug
nimmt.
Relativ viele Hinweise sind bei DU 10-9 (14) in den Wörterbuchartikeln aufgeführt, die sich direkt auf wortbildungsspezifische Fragen beziehen ("Ableitung, Adjektivsuffix, Adverbialsuffix, Fugen-s, Kompositum, Präfix, Suffix, Wortbildung"). Doch auch in Artikeln wie beispielsweise "Adjektiv, Amerikanismen/Anglizismen, Einwohnerbezeichnungen, Fremdwort, geographische Namen, Ortsnamen, Personennamen, Verbalsubstantiv, Wortbetonung" wird auf die Wortbildung und besonders auf die dabei relevanten Affixe hingewiesen. Eine Menge von Einträgen zu Affixen (z.B. -euse, -in, -Jon) bestehen nur aus Verweisen auf andere Artikel oder Affixe. Einige Affixe werden in Gruppen behandelt (z.B. -ig. -isch, -lieh). Direkt als Affix bezeichnet sind bei DU 10-9 nur wenige Wortbildungselemente; die Mehrzahl der Affixe enthält keine terminologische Angabe. Bei DüKem werden bis auf wenige Ausnahmen alle Affixe - auch solche, die auf andere Wörterbuchartikel verweisen - als Präfix bzw. Suffix gekennzeichnet. Allerdings gibt es keine klare terminologische Abgrenzung zwischen Präfix/Suffix und Kompositum. Beispielsweise werden Konstruktionen aus wider- + Verb als Komposita bezeichnet, während wider- selbst als Präfix gekennzeichnet ist. Eine eindeutige Zuordnung von Präfix bzw. Suffix zur Ableitung ist folglich nicht möglich, da Affixe auch In als Komposita gekennzeichneten Lexemen auftauchen. Da der Benutzer nirgendwo im Wörterbuch erfährt, nach welchem Komposita- und Derivata-Modell vorgegangen wird, bleiben solche sich ergebenen Fragen unbeantwortet. Zwischen Affix-Wörterbuchartikeln und anderen Wörterbuchartikeln wird oft wechselseitig verwiesen. In beiden Wörterbüchern der Zweifelsfälle (14-15) werden ganz bestimmte morphologische, syntaktische oder semantische Aspekte der Affixe herausgegriffen, so daß nie die gesamte Spannbreite eines Affixes dargestellt wird; dies erscheint mir aber auch sinnvoll, da unproblematische Konstruktionen in einem Wörterbuch der Zweifelsfälle meines Erachtens auch nicht aufgeführt werden müssen.
3.5. Deutsche Wörterbücher des 17. bis 19. Jahrhunderts Die älteren Wörterbücher zeichnen sich durch eine starke Berücksichtigung der Affixe als eigene Wörtebuchartlkel aus (vgl. Tab. 2). Da eine ausführliche Diskussion der in den 7 berücksichtigten Wörterbüchern aufgeführten AffixWörterbuchartikel den Rahmen dieses Berichtes sprengen würde, werden neben allgemein gehaltenen Aussagen nur exemplarisch einige Affixe thematisiert. Ähnlich wie in einigen Wörterbüchern des 20. Jahrhunderts wurde schon bei STIELER 1691 (16) darauf hingewiesen, daß ableitbare "Doppelungen"
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(= Komposita) nicht ins Wörterbuch aufgenommen seien, sondern nur deren Stammwörter (STIELER 1691: Vorrede). Diese Worte der Vorrede stehen allerdings in krassem Widerspruch zu der tatsächlich aufgenommen Zahl der Derivata und Komposita, die durchaus aus ihren Bestandteilen ableitbar sind. Die Mehrzahl der Ableitungen und Zusammensetzungen sind nicht als eigene Wörterbuchartikel zu finden, sondern werden beim jeweiligen Stammwort behandelt. Da diese Nestanordnung das Nachschlagen bestimmter Lexeme sehr erschwert, hat STIELER im 3. Band seines Werkes ein Register aller der Wörter aufgestellt, die sich Innerhalb solcher Wortnester befinden. Auf diesem Wege waren auch die meisten Affixe am schnellsten zu finden. Im Vergeich zu manch anderem der hier berücksichtigten älteren Wörterbücher führt STIELER (16) verhältnismäßig wenig Affixe an. Anstelle der damals ungebräuchlichen Termini "Affix", "Präfix" oder "Suffix" wird bezogen auf die Präfixe von Präpositionen gesprochen; z.B. ist ant- schon für STIELER (16) eine veraltete Präposition, ein Hinweis, daß dieses Wortbildungsmuster im Neuhochdeutschen nicht mehr produktiv war. Suffixe werden durch die in lateinischer Sprache geschriebenen grammatischen Angaben sowohl den Komposita (z.B. -fach "in copositione numerum") wie den Derivata zugeordnet (z.B. -ung "derivandi finalis"). Allgemein müssen die Aussagen zu den Affixen bei STIELER (16) als rudimentär bezeichnet werden. Umfassender hat dagegen STEINBACH (17) die Affixe in seinem nach dem Partizip Perfekt der Verben geordnetem Wörterbuch dargestellt. Die meisten Affixe werden in den in lateinischer Sprache verfaßten Erläuterungen als Bestandteile von Komposita deklariert. In den Wörterbuchartikeln der Suffixe wird die durch sie gebildete Wortart genannt, bei den Substantiven erfolgt in der Regel auch eine Genusangabe (-ling bildet z.B. maskuline Substantive). Die Präfixe werden als unabtrennbare ( e n t - , er-, ver-, zer-) oder abtrennbare Präpositionen gekennzeichnet; be- ist beispielsweise bei STEINBACH (17) noch eine abtrennbare Präposition. In einigen Fällen gibt STEINBACH (17) auch Informationen zur Kombinierbarkeit mit weiteren Wortbildungselementen. Bei -haft weist er z.B. auf die Kombinierbarkeit mit -ig zu -haftig und die weitere Kombinierbarkeit zu Substantiven, beispielsweise mit -keit (Standhaftigkeit, Herzhaftigkeit). Objektsprachliche Beispiele werden zu fast allen grammatischen Angaben gegeben. Wo nötig, wird auch die Polyfunktionalltät mancher Morpheme (z.B. -an, ge-) dargestellt. Sowohl von der Berücksichtigung wie von der Darstellung her findet der wortbildungsinteressierte Benutzer viele Informationen bei STEINBACH (17). Noch umfangreicher als STEINBACH (17) geht ADELUNG (18) in seinem Wörterbuch (1793-1801) auf die Affixe ein. Die Wörterbuchartikel sind wesentlich umfangreicher und bzgl. der Verwendung der Affixe weiter untergliedert, teilweise auf Kosten der Übersichtlichkeit. Die diachrone Betrachtung wird bei ADELUNG (18) noch verstärkt. Im Gegensatz zu STEINBACH (17) verwendet
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ADELUNG (18) deutsche Termini, die allerdings uneinheitlich gebraucht werden; S u f f i x e werden a l s "Endungen", "Endsilben" oder "Ableitungssilben" gekennzeichnet, Präfixe a l s "Partikel", z. T. mit dem Zusatz "abtrennbar" bzw. "unabtrennbar". Auch ADELUNG (18) weist bei einigen Affixen auf morphologische Besonderheiten hin, z.B. die Kombination von -kelt mit -bar, -er, -ig, -lieh und -sam. Ebenso berücksichtigt er bei Affixen wie -en und gederen Polyfunktionalität. Neben den Wörterbüchern von CAMPE (19) und HEINSIUS (20) berücksichtigt ADELUNG (18) die meisten der in Tab. 2 aufgeführten 60 Affixe. Viele der In diesen Wörterbüchern dargestellten Affixe hat ADELUNG (18) schon In seiner "Vollständigen Anweisung zur Deutschen Orthographie" (1788) berücksichtigt. Da die Wörterbücher von CAMPE (19) und Heinsius (20) dem von ADELUNG (18) in Auswahl der Affixe und deren inhaltlicher Darstellung sehr ähneln, seien im folgenden die Unterschiede v e r s t ä r k t herausgehoben. CAMPE (19) unterscheidet sich von ADELUNG (18) In den verwendeten Termini, die bei CAMPE (19) Jedoch noch uneinheitlicher gebraucht werden. Präfixe nennt "untrennbare Silbe" ( e r - ) , "untrennbare CAMPE (19) "Vorsilbe" ( a n t - , an-), Vorsetzsilbe" ( b e - , ent-), "tonlose Silbe" (ge-) sowie "untrennbare und unbetonte Vorsilbe" ( z e r - ) . Die h ä u f i g s t benutzten Termini für S u f f i x e sind " A b l e i t s i l b e " ( - i s c h , -heit, -lieh, -ner, -nis, -rieh, -schatt, -ung, -zig) und "Endsilbe" ( - c h e n , -ei, -en, -heit, -ing). Doch es gibt auch "zusammengezogene Endsilbe" (-ein), "Endung" (-ieren), "Anhängsilbe" (-haft), "fruchtbare A b i e l t silbe" (-ig) oder einfach nur Silbe (-lein). Bei einigen Affixen steht nur, daß ur-, ver-). Anscheinend wird mit sie in Zusammensetzungen vorkommen (-sal, dieser heterogenen Terminologie eine Tradition begründet, die bis heute in der Lexikographie gepflegt wird. HEINSIUS (20) und CAMPE (19) stimmen terminologisch weitgehend überein. Berücksichtigt man zusätzlich die Auswahl der Affixe und deren Beschreibung, so stellt man zusätzlich wesentliche Übereinstimmungen mit ADELUNG (18) f e s t . Ich will hier nicht die in der Lexikographie übliche Praxis des Abschreibens kritisieren, doch für eine vergleichende Untersuchung Ist in solch einem Fall eine eingehende Betrachtung unergiebig. Das Wörterbuch von GRIMM (22), 1854 von den Brüdern JAKOB und WILHELM GRIMM begonnen, fand erst f a s t 110 J a h r e später seinen Abschluß und muß a l s das monumentalste Werk der deutschen Lexikographie betrachtet werden. Obwohl sich die Autoren bemüht haben, dieses Wörterbuch in der Tradition der Gebrüder GRIMM zu vollenden, war es doch höchst wechselhaften Entwicklungen a u s g e s e t z t , die nicht ohne Einfluß auf das Wörterbuch blieben. Betrachtet man die Liste der bei GRIMM (22) belegten Affixe in der Tab. 2, so kann man feststellen, daß von der Berücksichtigung der Affixe her das Wörterbuch In der Tradition von ADELUNG (18), CAMPE (19) und HEINSIUS (20) steht, solange die Gebrüder GRIMM noch s e l b s t die Verantwortung für ihr Wörterbuch tragen. In ihrer Nachfolge
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reißt die Kette der behandelten Affixe ab, um erst in den letzten Bänden Ihre ursprüngliche Darstellungshäufigkeit zu erreichen. Da den Gebrüdern GRIMM klar war, daß eine vollständige Behandlung aller vorhandenen Zusammensetzungen und Ableitungen, geschweige denn aller möglichen, In ihrem Wörterbuch nicht zu leisten war - trotzdem gibt es laut P. BRAUN allein 1200 Stichwörter mit dem Präfix be- im GRIMM (BRAUN 1982: 217) - legten sie größten Wert auf die kleinsten Bestandteile der Sprache, "jedes einfache wort wiegt an gehalt fünfzig ableitungen und jede ableitung zehn zusammen Setzungen auf." (GRIMM 1854: XLIII). Dazu gehört natürlich auch eine angemessene Darstellung der einzelnen Wortbildungselemente, was sich besonders an der stringenten Behandlung der als "Vorsilben" oder "Partikel" bezeichneten Präfixe manifestiert. Ganz anders dagegen SANDERS (21), der, wie die Tab. 2 zeigt, kaum Affixe in seinem Wörterbuch aufführt und sich damit deutlich von der lexikographischen Praxis seiner Zelt unterscheidet. Für SANDERS sind die Affixe kein Bestandteil des Wörterbuches; sie gehören seiner Meinung nach wie die Formwörter in ein gesondertes Werk (SANDERS 1876: VII). Damit kann SANDERS als Verfechter einer eigenständigen Wortbildungslehre angesehen werden. SANDERS war einer der ersten, der, wie dieser kleine Querschnitt durch zwei Jahrhunderte gezeigt hat, eine immer stärker werdende Tradition, die Aufnahme und Darstellung von Affixen ins Wörterbuch, unterbrochen hatte. Ihn deshalb als Wendepunkt dieser Tradition zu bezeichnen, mit Blick auf die Wörterbücher des 20. Jahrhunderts, wäre sicherlich übertrieben. Wörterbücher wie PAUL/BETZ (4) oder HARR (11) zeugen noch - oder wieder - von dieser Tradition.
4. Zusammenfassende Schlußbemerkung Versucht man nun zusammenfassend festzustellen, ob und wie sich die lexikographische Darstellung der Affixe In einer Tradition befinden, so kann man vermuten, daß ausgehend von STEINBACH (17) eine Entwicklung über ADELUNG (18), CAMPE (19) und HEINSIUS (20) - vielleicht unter Einordnung der ersten Bände von GRIMM (22) - nach PAUL/BETZ (4) stattgefunden hat, der wiederum zumindest PEK (8) und WA (6), und damit auch BroWa (2), beeinflußt hat. Inwiefern HARR (11) hier einzuordnen ist, müssen eingehendere Untersuchungen ergeben. Möglicherwelse ist HARR (11) auch als Neuansatz bei der Darstellung der Wortbildungselemente zu sehen. Bedauerlich, daß dieses lexikographische Werk keinen Abschluß gefunden hat, damit auch die Gefahr groß ist, daß sich die dort zu findenen positiven Ansätze In der lexikographischen Praxis nicht weiterentwickeln. In einer Hinsicht haben sich aber fast alle hier dargestellten Wörterbücher des 20. Jahrhunderts als sehr traditionell erwiesen: Die uneinheitliche, zum Teil
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uneinsichtliche, zum Teil widersprüchliche terminologische Darstellung der Wortbildungselemente ist bis heute zu beklagen. Aber da dies kaum Jemand bemerkt, herrscht diesbezüglich Schweigen im linguistischen Walde.
5.
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In:
Germanistische
Schmidt, Hartmut (1982): "Stichwortkapazität und lexikalisches Netz einiger allgemelnsprachlicher Wörterbücher - Ein historischer Vergleich." In: Agricola, E.; Schildt, J.; Viehweger, D. (Hrsg.): Linguistische Studien. Wortschatzforschung heute. Leipzig, 182-202.
BRODER CARSTENSEN Anglicisms in German. The Description of the Loan-process
I have been working on a Dictionary of Anglicisms for a number of years now. The exact title should be A dictionary of frequently used words from (British, American, Canadian, Australian etc.) English which are used in present-day German (Federal Republic of Germany, German Democratic Republic, Austria and Switzerland), mainly those which entered the German language after 1945, but also older loan-words which are still productive today. It is not my Intention to describe this dictionary In progress today as I have done this in three articles: "Englisches im Deutschen: Bericht über Planung und Vorarbeiten zu einem Anglizismen-Wörterbuch als Schwerpunkt eines Forschungsprojektes" (1981) "Informationen zum geplanten Anglizismen-Wörterbuch" (1981) "English Elements in the German Language: Their Treatment and Compilation in a Dictionary of Anglicisms" (1983). The articles in this dictionary have the following form and contain the following information: Anglicism (with its syllabification); spelling variants; pronunciation; grammatical information (gender, genitive, plural; verb category, hat/lst etc.); pragmatic information; special language; definition; first booking in the Paderborn corpus (about 100.000 examples); first booking in a German dictionary; description of the loan process; pronunciation of the English model; further information on grammatical aspects; encyclopedic Information etc.; examples. All of these items present one or more problems Including some which cannot be solved. I am not going to describe all of these difficulties, but I intend to specialize on one particular problem which has bearings on lexicography in general: the description of the loan-process in dictionaries. As my dictionary deals with English words used in German, the main emphasis will be on English and German dictionaries, and my foremost Interest is the question as to how dictionaries describe the loan-process and which labels they use. There is no doubt that borrowing from other languages is one of the most Important sources which adds to the word-stock of a language. It is also
88
Broder Carstensen
obvious that languages are becoming more and more international, i.e. they are taking over an Increasing number of words from other languages, English being the main donor-language all over the world, especially in Europe, but also in Japan and other countries. For this reason, the borrowing of English words Into one or more recipient languages is of great Interest to linguists and has attained more and more attention in recent years. I would like to discuss some problems which arise when the lexicographer decides to describe this process. It goes without saying that a dictionary which plans to describe the migration of words from one language into another should give a detailed description of this process. But it has also become an axiom that a monolingual dictionary should contain a minimum of information In this respect. My paper intends to describe the vast field between two extremes: The Handwörterbuch der deutschen Gegenwartssprache (1984) does not pay tribute to the above-mentioned axiom: there is no Information at all in this dictionary on the language from which a foreign word used in present-day German has been taken: Arbeit, Job, Aide-mémoire, Subbotnik, Parka, Roboter and words from other languages are all treated in one and the same way, and there is no indication that these words are of German, English, French, Russian, Eskimoan and Czech origin. But things are obviously not as easy as they seem to be: In the introduction to the Handwörterbuch, we find a comment on "Zur Aussprache von Fremdwörtern" (On the pronunciation of loanwords) (Handwörterbuch der deutschen Gegenwartssprache 1984: xxvi). We all know that words taken from other languages differ or can differ from native (German) words in the following respects: pronunciation, spelling, grammar (especially gender and Inflection) and meaning. So there seems to be good reason to tell the dictionary-user that non-native words differ In these points and to give the exact information. This can be done in each Individual case, but we can also summarize this type of information by using symbols, etc. Wahrig's Deutsches Wörterbuch (1986) e.g. tells us that the English word test used in German is a member of the declension class 1 (der Tag), but this leaves out the information that the "German" plural form die Teste is not the only one; also the "English" plural form die Tests is possible in German, and it is more frequent. The other extreme is the detailed and refined terminology developed by the German scholar Werner Betz (1936, 1944, 1949, 1959). It describes the process of word-borrowing in all aspects; Betz developed this system on the basis of Old High German and suggested the following terminology: Lehnbildung, Lehnbedeutung, Lehnübersetzung, Lehnübertragung; Lehnschöpfung, Lehnwort and Lehnprägung.
Anglicisms in German
89
Scholars like Weinrelch (1974), Haugen (1950) and others have revised the system and suggested other terms like loan-translation, loan-rendition, loancreation etc. Tesch (1978) gives a good survey of these developments. Betz' system with the terminology outlined above cannot be generalized and applied to loan-processes and languages in general, and the work on the Dictionary of Anglicisms in present-day German has proved that it covers many, but not all cases, that It is contradictory in some cases and, most important, that it cannot be applied to living languages. Several reasons have convinced me that there must be something between these two extremes which cannot only be used for the description of loan-processes, but which, in a simplified form, could also be drawn on in general lexicography. Before I suggest a new or at least partly new system, let us look at some outstanding and well-known German dictionaries of present-day German, and later at some monolingual dictionaries of other languages, and see how these dictionaries treat and label loan-words. Before I go into these details, let me stress that transference-linguistics is in general agreement that we should distinguish between what I have called "evidente" and "latente Einflüsse" (Carstensen 1979) or direct and indirect loans. The direct loans are not a major problem as the word is taken over directly into another language in its original form though the pronunciation may (soon) be adapted to the recipient language's phonological system. The loan-word can also be adapted to the spelling system or to the declension of the guest-language, as German Job [d33p], Schlips, die Tests/die Teste and other loans show. The so-called indirect loans pose a much greater problem; I intend to comment on these questions later in this paper. Let me now give you the short survey of German monolingual dictionaries to show how direct and indirect loans are treated. The Duden dictionaries (GWb, DU), Brockhaus/Vahrig and WDG use different forms to state that a word has been borrowed, from e.g. English: Job: "engl.-amerik. Job" (GWb), "engl. Job" (DU), "engl." (Brockhaus/Wahrlg), "engl." (WDG). For indirect loans, I take the examples Der letzte Mohikaner, jemandem den Hof machen, verlorene Liebesmüh', Eierkopf, Einkaufszentrum and dritte Welt. Der letzte Mohikaner "seltener: der Letzte der Mohikaner... nach dem 1826 erschienenen Roman 'The last of the Mohicans' des amerik. Schriftstellers J.F. Cooper (1789-18511" (GWb), "seltener: der Letzte der Mohikaner... nach dem 1826 erschienenen Roman 'The last of the Mohicans' von J.F. Cooper" (DU), "nach 'The last of the Mohicans', dem Titel eines Romans (1826) des amerlkan. Schriftstellers J.F. Cooper" (Brockhaus/Wahrig); no information in WDG!
90
Broder Carstensen
jemandem den Hof machen "nach frz. faire la cour á quelqu'un" information In Brockhaus/Wahrig and WDG.
(GWb, DU); no
verlorene/vergebliche Liebesmüh(e) "LÜ von engl, iove's labour's lost, dem T i t e l eines Lustspiels des engl. Dichters W. Shakespeare [1564-1616]" (GWb, DU); no information in Brockhaus/Wahrig and WDG. Bierkopf "LO von amerlk. egghead" (GWb, DU), "(eindeutschend (Brockhaus/Wahrlg); no entry 'Eierkopf in WDG.
für)
Egghead"
Einkaufszentram "LÜ von engl, shopping center" (GWb), "LÜ von amerik. shopping center" (DU), "Sy Shopping-Center" (Brockhaus/Wahrig); no information in WDG. dritte Welt: no reference to English third world or French DU, Brockhaus/Wahrig and WDG! These examples
show
surprising
results;
at
the
rather disappointing and should not be taken the art in p r e s e n t - d a y If we
take into
same
tiers monde in GWb,
time,
though,
they
are
as an expression of the state of
lexicography.
consideration that
these four dictionaries
do not
explain
the
d i f f e r e n t types of loans in their introduction, we are l e f t b a f f l e d with a number of v e r y
important
questions,
"Lehnübersetzung"
in
the
Brockhaus/Wahrig mean
e.g. What
is
the
difference
Duden-dlctlonaries?
when
they
use the
What
between do
"nach"
the
term "eindeutschend"?
and
editors Why do
of they
g i v e the English word as a synonym of the German loan-translation? Why does none of the four dictionaries tell its users that dritte
Welt has an English or a
French model? One additional remark in this context: Duden's GWb writes that shopping is English,
DU that
It
Is
American.
This
is
strange,
even
if
center
"amerikanisch"
should mean American English - there is no American language! The list of abbreviations In Brockhaus/Wahrlg has 89 languages; in DU there 228. Theoretically, many languages
we should, f i r s t of
exist
and
how many
all, agree we
want
on the
to or
questions
have
to
as to
include
are how
in
our
dictionaries. It Is obvious, however, that a monolingual dictionary cannot be an etymological dictionary at the same time. But at the end of this section, I have
to mention a rather recent
dictionary,
Heinz Küpper's Wörterbuch der deutschen Umgangssprache (1987). Unfortunately, I have to use this dictionary as an anti-example as i t shows one principle which is
frequently
speculations of
found
In
transference-linguistics:
the editor. The lack of a theoretical
to
replace
research
foundation in these
by cases
Is most deplorable. As
in
comparable
categories
used,
dictionaries,
but I
following categories:
found
there most
of
Is
no
the
explanation
indirect
loans
or
definition
of
the
from English
in
the
91
Anglicisms in German
übersetzt 1 aus angloamerlkanlsch... Weiße-Kragen-Gauner (white collar criminal), Arbeitsessen (working lunch or French déjeuner d'affaires), Erbsensuppe 'dichter Nebel' (pea-soup), Fernsehbeine (T.V. legs), heißer Hund (hot dog) etc., but also cases like heiß 'hochfavorisiert' (hot), Heu 'Haschisch' (hay), Heuler 'großartige Sache' (howler), auf dem Hook sein 'unrettbar rauschgiftsüchtig sein' (hog), blauer Junge 'Matrose' (blue boy), kaschen (to cash) and other doubtful cases. übernommen aus dem Angloamerikanischen, englisch... : einen grünen Daumen haben (to have a green thumb), heißes Höschen (hot pants), vergessen (forget it) etc., but also cases like Vamp. fußt auf englisch... : do-it-selfen Happening (happening), hitschen doubtful cases.
(do it yourself), Freilader (freeloader), (to hitchhike), Bottel (bottle) and other
But there are many more formulations; I can only mention some of them: gleichbedeutend engl. ... (Beischläfer = sleeper, feuern = to fire), aus gleichbedeutend engl. ... entlehnt (Form 'Leistungsfähigkeit; sportliches Können' = form), gleichbedeutend und gleichlautend aus den USA übernommen (Fix 'Rauschgifteinspritzung'), wahrscheinlich beeinflußt von engl. ... (Brassa = brash), dem Englischen nachgeahmt (häßlicher Deutscher = "Dem Buchtitel The ugly American ... nachgeahmt"), dem Englischen nachgebildet (Eros-Center = "dem engl centre = Geschäftszentrum nachgebildet", Greenager = "Dem ... Teenager nachgebildet unter Einfluß von engl green = grün"), hängt wohl zusammen mit engl. ... (eumeln = on the oll 'auf dem Bummel'), verdeutscht engl. ... ([Ferienlgespielin - play girl), stammt aus engl. ... (fit), lehnübersetzt aus dem angloamerlkan. ... (Wolkenkratzer — skyscraper), aus engl. ... (fixen = to fix), wahrscheinlich Ubersetzung des engl. ... (genau! = exactly!), geht zurück auf engl. ... (hei = hl, heiß abfahren 'Jazz spielen' = hot), eingedeutscht aus engl. ... (kampeln = to camp), aus dem Angloamerlk. ... (Horrortrip) and other categories. The most conspicuous category, however, is "vgl." (cf.), a mark which we shall have to discuss later. "Vgl. englisch"-cases are das ist nicht mein Bier ("vgl. auch engl this Is not my tea"), Blumenkohlohr (cauliflower ear), Jemand den Boden unter den Füßen wegziehen (to cut the ground under someone's feet), Wo brennt es? (Where is the fire?), bullig warm (bully 'sehr'), mit jemandem durch Dick [sic] und Dünn [sie] gehen (to go through thick and thin), mit den Engeln geigen (to play the harp), einander in den Haaren liegen (they are always getting into each other's hair) and many more instances some of which are rather doubtful and would need special comments in every single case. It is obvious that there is no system behind these categories.
It is impossible to translate these formulations into English; they cover almost everything from "translated from" to "based on, borrowed from, adapted from, connected with" etc.
Broder Carstensen
92
Let us now try
to find a solution to our problems in other dictionaries as we
could
it
not
find
in
any
German
dictionary.
Here
is
a
selection
of
English
dictionaries in which, again, the direct loans are f r e e of problems: "rucksack ... G ..." (Macquarie), "smorgasbord ... Sw ..."(COD), "ombudsman ... Sw ..." (Webster's Ninth), "kindergarten ... from German ..." (Collins) etc. For indirect loans we usually find the term translation,
e.g.
"situation ethics ... trans.Ilation] of G situationsethlk" "storm-troops t r a n s l a t i o n ] G sturmtruppen" The
final
step
in
this
Investigation
is
to
(12,000 Words),
(Supplement OED). look
at
dictionaries
of
other
languages. The Grand Larousse: "Jumbo, mot amér.", Trésor: " h o t ( - ) d o g Mot anglo-amér. ...", Gilbert: "software ... Mot américain ...", Dictionnaire du français v i v a n t : "jet ... mot angl. ...". For indirect
loans, French
dictionaries usually
traduction,
e.g.
about one of the f i n e s t dictionaries of neologisms we
have
the Grand Robert, or the formulation d'apr., I now want to talk for
any
European
language,
Pia
Riber
apply the
term
e.g. Petit Robert.
Petersen's
Nye
ord
i
dansk
1955-75
(1984). She distinguishes between
arveord,
and fremmedord
lineord
and is aware of the
fact that there are no clear dividing lines between the three categories. In the dictionary itself,
she distinguishes
Fra is used for direct
loans,
used if
she does
foreign language
"vel
Werks tat I shall
"vel
elitär
fasclstoid
used
not
know
fra
efter
with absolute
for a Danish
Furthermore,
Fremdarbeiter". màske:
is
three d i f f e r e n t categories: fra, Verfremdung "fra tysk
Petersen
tysk
tysk
creation, uses
elitär",
the
faschistoid",
if
a model
"màske
vserkstedssamtale
is
markers
fra
and
vel
tysk
"màske
from a "jf. tysk
fremmedarbejder
probability
aleatorik
and j f . efter
Verhaltensforschung'.
certainty e.g.
efter
Verfremdung'-,
e.g. adfserdsforskning " e f t e r tysk
used for indirect loans, Jf. is
e.g.
Aleatorik", efter
tysk
tgespräch".
have to come back to this remarkable attempt at classifying loan-words
in a later section. Our remarks so far have clearly shown that there is a good deal of
uncertainty
in our dictionaries as far as the migration of words is concerned and that there is an urgent need to arrive at a more satisfactory solution to our problems. I
find
the
same
Webster's Ninth
and
New
that some indirect e.g. that goes of
convenience
similar
Collegiate
problems
stated
Dictionary
In
(1984).
loans into English have been
without
saying
(French
David
L.
Gold's
He complains
review
overlooked in this
dictionary,
(on the model of French ça va sans dire),
marriage
de
convenance),
water
of
about the f a c t
parting
(=
marriage German
93
Anglicisms in German
Wasserscheide), conclusion:
art
song
(= German Kunstlied)
etc. He comes to the following
The time has come for a large English etymological dictionary ... Because English has been influenced by so many other languages and because the native-origin vocabulary is historically so complex too, this would have to be a Joint project of people with expertise in many different fields (Gold 1984: 218). We might add that this does not only apply to an English dictionary, but to many dictionaries in different languages.
etymological
It is necessary now to come back to the Dictionary of Anglicisms in German and to say something about its history. In order to gain maximum profit from the r e s u l t s of p r e s e n t - d a y lexicography and in order to discuss the principles to be followed in this new type of dictionary, two workshops were arranged in Paderborn, the f i r s t in 1980. Oskar Relchmann and Herbert Ernst Wiegand give a detailed report on the results of this conference in the Zeitschrift für Germanistische Linguistik 8 (Reichmann / Wiegand 1980). The second conference was held from February 17-19, 1983; Alan Kirkness and Herbert Ernst Wiegand describe the results in the Zeitschrift für Germanistische Linguistik 11 (Kirkness/Wlegand 1983) ["Wörterbuch der Anglizismen im heutigen Deutsch"). The most important decision of the meeting in 1983 was to use the labels "aus engl. ..." for direct loans and "nach engl. ..." for indirect loans; aus corresponds more or l e s s to English from, nach to English after (the model of). German Film, Sport, Export, Ballade etc. are from English (aus englisch) film, Verlorene Liebesmüh(e), Viel sport, export, ballad etc., Der letzte Mohikaner, Lärm um Nichts etc. a f t e r English (nach englisch) The Last of the Mohicans, Love's Labour's Lost, Much Ado About Nothing etc. Later, Alan Kirkness suggested t h a t we might also use the label zu (to, to) for pseudo-loans. One example: German Twen is not from or a f t e r twen as this word does not e x i s t in English, but it t a k e s the f i r s t English twenty to form a new German morpheme so t h a t one might German Twen a s "zu englisch twenty.
related English part of classify
This solves a number of problems and can be applied to a number of p s e u d o loans, but not to all of them: The best-known German pseudo-loan, Dressman, cannot be explained In this way. The dictionary entry will contain the following information: "from English dress + English man which do not exist in this combination in English". I must add here t h a t a fourth label, Ober (English via), is still under d i s c u s sion. It might be applied to all those c a s e s in which the word borrowed from p r e s e n t - d a y English is not of native English origin, e.g. ketchup: 'engl.
Broder Carstensen
94 ketchup> malal. kechap (Grand Larousse) etc.
..." (DU), "mot angl. ... empr. de l'hindoustani
kitjap"
For all cases except those marked "aus engl. ..." we use two probability markers: "wahrscheinlich nach engl. ..." (example: Atombombe: wahrsch. nach engl. atom(ic) bomb), and if an English model is even less probable: "eventuell nach engl. ..." (example: ausdünnen: evtl. nach to thin out). Again, it is remarkable that Petersen uses the same markers, vel and miske. The surprising and promising result at this stage of my report is that the Paderborn solution and the one found by Pia Rlber Petersen and her team are rather similar. Our aus and nach correspond exactly to her fra and efter. The essential difference, however, is that we do not use j f . (.compare, vgl.). In my article "Deutsche Wörter im Dänischen" in the festschrift for Karl HyldgaardJensen (1987) I have shown some of the problems which arise from this rather vague category. In the hope that I can add to this discussion and hopefully find an extension or Improvement of the sus/nacTi-prlnclple, I would now like to discuss the major problems arising from this labelling which we have encountered in our work in Paderborn. The label aus (fra, from) offers no problems at first sight, as the conditions for this category are clear: "aus engl, x, wobei x ein englisches Sprachzeichen ist" 2 (from English x, x being an English linguistic sign). Midlife crisis, yuppie, skateboard, aerobics and hundreds of other words are English and have been borrowed by German. The label nach (efter, after) is also clearly defined: "nach engl, x ... Mit deutschem Sprachmaterial einem englischen Vorbild nachgebildet'' 3 (after the model of English x: Formed with German language material according to an English model). Examples have been given, and I might add many more like erste Dame (First Lady), Sternenkrieg (Star Wars), einen grünen Daumen haben (to have a green thumb), das Beste aus etwas machen (to make the best of something), Arbeitsessen (working lunch) etc. But the labels aus and nach for direct and indirect loans are not the solution of all problems. We have difficulties with such forms as Additiv (English additive) and other words which have a German pronunciation and spelling and enter a German declension class. Additiv is not the English linguistic sign, though this is also used in German. Another problem has to be faced with loan-meanings: die Pille is an old German word, but the new meaning, 'contraceptive', is due to English influence. 2 a
Kirkness/Wlegand (1983): 327 ibid.
Anglicisms In German
95
In cases like Alibi, Allergie, alternativ and many others we find that a change of meaning has taken place in English and that the same change can be registered in German, but is this really due to English influence or rather an international development? There are more problems like the ones described so far, but the central question, of course, is: how can we prove that German needed an English model to form a new word, phrase or construction? To put it more plainly: Which was first, the English or the German word? Was German Drahtzieher the model of English wire puller as Viereck (1982: 209) thinks, or was it the other way round as Stiven (1936: 81) states? The Second Barnhart Dictionary of New English says that both gliding time and sliding time are a "translation of German Gleitzeit' whereas Kann (1976: 15) is convinced that staggered worktime, sliding time and flextime were the models for German Gleitzeit. In my article "Der englische Einfluß auf die deutsche Sprache" (1987: 96) I have expressed my doubts that German das Licht am Ende des Tunnels sehen needed the example of to see the light at the end of the tunnel and that German kontrollieren in the meaning 'dominate' is a loan-meaning on the model of English to control. French contrôler seems to have played an additional part. The question, of course, always is: Which word was first, the English or the foreign one? The only criterion we have is the first dictionary booking. This is where our main problems with the Dictionary of Anglicisms lie: we have used a great number of English and American dictionaries which show us not only meanings and uses of words, but which also give us the dates of first bookings. The four-volume Supplement to the Oxford English Dictionary is the Ideal solution to our problems as far as the English word-stock is concerned. But our greatest problem is that we do not have a corresponding dictionary for the German vocabulary. We have three six-volume dictionaries of present-day German, but none of them has first bookings, and German lexicography has not yet achieved what Denmark (and other countries) have been able to do: to publish a dictionary of neologisms4. I will now illustrate additional examples:
the problems arising from this deficiency with a few
We have always thought that v4s 'prominent sportsman' owes Its new meaning to English ace, but As as an expression from card-playing can be found as early as 1804 (Handwörterbuch der Deutschen Sprache), and Küpper (1987: 50) says: Stammt aus der Kartenspielersprache: das As ist die Zahl Eins und bezeichnet eine hochwertige Karte. Etwa seit 1914 geläufig, anfangs vom erfolgreichen Kampfflieger gesagt (weswegen Herleitung aus gleichbed. engl, "ace" möglich ist), später allgemein auf Könner auf Jeglichem Gebiet angewandt. 4
The DDR is preparing a dictionary of neologisms; cf. Herberg (1988) and Heller et al. (1988).
96
Broder Carstensen
seems to go back to to vote with one's feet, but we became skeptical when we found the following example In "Die Zeit" (30/1961: Abstimmung
mit
den
Füßen
1):
Jenes Wort, daß die Flucht eine Abstimmung mit den Füßen sei, stammt von Lenin, - aus der Zeit, da er mit den Füßen gegen den Zaren gestimmt hatte und in der Schweiz lebte. Strangely enough, It is Küpper again who can possibly help us: "1955 aufgekommen; angeblich eine Wortprägung von Lenin" (1987: 16). Who can solve the question whether Lenin used this phrase first or not? The Duden GWb states that Automation is of English origin, but that automaautomatisieren to French automatiser. tisch goes back to French automatique, Nye ord i dansk (Petersen 1984) says that automation Is "Fra eng. automation". The Fontana Dictionary of Modern Thought (1988) tells us that automation is: "A word Introduced by Delmar S. Harder in 1948 for the automatic control of the manufacture of a product through a number of successive stages". Rey-Debove/Gagnon, in their Dlctionnaire des Anglicismes (1984), give 1947 as the first use of the word. The Duden Rechtschreibung (1926) lists the word Automatisierung. We are convinced that many problems still have to be solved and that international cooperation is the only way which leads to success, especially as far as internationalisms are concerned. We are not quite sure if German Anwender owes its existence to English user, but the surprising fact is that the German equivalent of user-friendly (booked in "12,000 Words", in the OED Supplement, in LDCE and other dictionaries) is not anwenderfreundlich, but benutzerfreundlich. Grimm's Deutsches Wörterbuch lists Anwender, but not Benutzer. The OED Supplement books user in the meaning 'A person or organization that makes use of a computer' from 1967 onwards; user-friendliness has a first booking in the year 1979; 1977 is the first year for user-friendly. All the examples refer to computers, but in the main entry we find the remark: "also transf."-, example: "No TV show (not even the news) could close without reference to this user-friendly family of dolls" (Listener 13. Dec 1984, 38/1). In spite of all this evidence, I still have doubts if German really needed the English model to form benutzerfreundlich. We have menschenfreundlich, gastfreundlich
katzenfreundlich,
and other formations with
arbeiterfreundlich,
regierungsfreundlich,
-freundlich.
One of the criteria, and in many cases the only one, to decide which language is the donor language and which the recipient language is the first booking In a dictionary. Still, there are some doubtful cases, as we have just seen, and they occur when the first booking in English Is rather close to the first appearance of the word in a German dictionary. However, there are some bewildering cases, one of which I would like to discuss: Callboy appears in every single English dictionary, in general with two
Anglicisms In German
97
meanings: "1: BELLHOP, PAGE 2: a boy who summons actors to go on stage" (Webster's Ninth), sometimes with three: "1. a boy who summons actors Just before they go on the stage. 2. - - > pageboy 3. a member of a railway staff who calls locomotive crews for duty" (Macquarle 1988). Then, suddenly, in 1983, a fourth meaning appears in American Speech 58 (1983: 36) with an example from the "Toronto Globe and Mall", November 6, 1975: "I guess all the newspapers today refer quite casually to call girls; still I'm a bit jarred when the ones in New York refer to call boys", the explanation being "... by analogy with call girt. Then, rather suddenly and from 1984 onwards, callboy appears in some English dictionaries with this new meaning. The earliest dictionary booking I have found so far is in Jonathon Green, The Dictionary of Contemporary Slang (1984): "call-boy n. a male prostitute who can be hired on the phone, fr. callgirl", with a reference to Karla Jay & Allen Young (eds.) The Gay Report, Summit Books, New York 1979. I have also found eallboy with its new meaning in the second edition of the Random House Dictionary (1987): "a male prostitute who arranges appointments with clients by telephone". Callboy does not apear in "6,000 Words" (1976) nor in "9,000 Words" (1983), but in "12,000 Words" (1986): "a male homosexual prostitute". These are the two standard English dictionaries in which we have found callboy in its new meaning so that the conclusion seems to be that the word was first used with homosexuals and then, in the 1980s, became known in Standard English, though it is obviously not widely spread as it is not to be found in dictionaries where you would expect it (OED Supplement, Webster's Ninth, Collins, Longman etc.). The question now is: when can callboy first be found in a German dictionary? The surprising answer: Küpper, in his Wörterbuch der deutschen Umgangssprache (1987), says that it was used "From 1960 onwards"; the 1973 edition of Der Große Duden, vol. 1: Rechtschreibung, lists the word two years prior to the citation from the "Globe and Mail"! The second surprise: In our Paderborn corpus, we have an example from 1964: Fast zwei Jahre später vertraute ein anderer Jüngling ("Ich bin Angehöriger eines Call-Boy-Rings") der Polizei bei einer einschlägigen Vernehmung an, Ulrich habe Conrad liquidiert. ("Der Spiegel" March 9, 1964: 69) The second early example is from the year 1979 and contains an Interesting remark of the journalist on the use of the English term: Einer vom ältesten Gewerbe - Henry Jaeger erzählt die Geschichte eines Callboys Dieser Beruf gilt als das älteste Gewerbe der Welt, jedenfalls wenn ihn Frauen ausüben. Für den Mann hingegen ist das Gewerbe noch so neu, daß es nicht einmal eine deutsche Bezeichnung dafür gibt. "Kavalier" ist vieldeutig. Das englische "Callboy" hilft aus. ("Welt", June 23, 1979: VI)
98
Broder Carstensen
The third surprise: Callboy in the meaning "prostitue die zieh telefonisch laat bestellen" is booked in the 11th edition of Van Dale Groot Woordenbook der Nederlandse Taal (1984). Theoretically, this state of affairs could mean that callboy is a German coinage, or rather: an analogy to callgirl. The earliest examples, 1964 in a text and 1973 in a dictionary, are earlier than the first English bookings, 1975 in a text and 1984 in a dictionary. But it is difficult to believe such a statement. The safest conclusion one can draw from this Instance is that dictionaries are sometimes rather slow In their work. As I have said, this is just one case, and there are only a few similar ones. However, this should have one serious consequence for our dictionary-work: In an earlier version of the article on callboy, I wrote: "from callboy which does not exist in English with this meaning", and I classified it as a pseudo-loan. I then wrote: "from callboy which is not booked with this meaning in English dictionaries". The third stage is: "from English callboy". Another consequence: I have to correct what I wrote on the callboy in 1979 and in 1980.
"pseudo-loan"
Or is callboy really an internationalism which was coined in Europe or even in Germany and then used in English-speaking countries? The lexicographical evidence is there! I have adduced some cases in which one of the (English) dictionaries could help us, but in a great number of cases there is no help at all. A striking example is dragnet, in modern times frequently used in police tactics: "2 a system of connected actions and methods for catching criminals" (LDCE). The OED Supplement has an example for "The Police Drag-Net" (1906). I cannot find any German dictionary which lists the first use of the modern meaning of German Schleppnetz(fahndung), but a letter to the Bundeskriminalamt in Wiesbaden had the following reply: ... daß ... der Begriff "Schleppnetzfahndung" erstmals mit dem Strafverfahrensänderungsgesetz 1987 vom27.01.81 In die Strafprozeßordnung Eingang gefundenhat. Dabei handelt es sich um eine Redaktionsüberschrift zu § 163 d StPO, nicht Jedoch um einen gesetzestechnischen Begriff.9 This is an exceptional case; in most instances we can profit from the excellent dictionaries compiled in England, the United States, Australia and elsewhere. In spite of their high standard, however, we have two formal difficulties: It is obvious that no dictionary can list all the compounds which exist in a language and that a choice has to be made. This is the reason why we cannot say definitely in each case if a German compound has an English model or if German borrows an English word and adds a German element. Our informants are 9
Letter of the Bundeskriminalamt, 20 June, 1988. It explains that the draft of the corresponding Polizeigesetz (1977) does not mention this term.
Anglicisms in German
99
sure that e.g. Managerkrankheit is a compound of an English and a German word without an English model, but we are not sure e.g. if Atomwissen, Atomgesetz, Atomfirma, Atomtransporter, Atomskandal and many other compounds follow the same principle or if there are English models. The second problem concerns the derivations. Dictionaries only list the most frequent and/or important ones, usually not the first and second participles and the nouns in -er. Our informants are definite that there is no • squasher, hockeyer etc. in English; they are not quite sure about volleyballer, but footballer is in the dictionaries. We find assembler in every single English dictionary, but we do not find assembler as a description of a person's occupation; this seems to be possible in German only, e.g.: Wir wachsen weiter und suchen für unser neu gegründetes European Repair Center zum 1. Oktober 1981 Assembler(innen). (Frankfurter Rundschau, July 11, 1981: 55). This meaning, however, is not to be found in German dictionaries. Two minor points in connection with the use of dictionaries: We had to wait until the appearance of the second edition of the Random House Dictionary of the English Language (1987) before we could say that antiskatlng is English. Until this time we had to say that this word is not booked in English dictionaries, not that it does not exist in English. This means that we have to study every new dictionary to check if we have overlooked Anglicisms. This is strenuous enough, but even more disappointing was the experience we had with ausflippen and ausgeflippt, frequently used In German, especially by the younger generation. The standard dictionaries only register to flip (and to freak out) for the meaning(s) this verb has in English. It was purely accidental that we found to flip out in all the meanings this verb has in German in The Underground Dictionary by Eugene E. Landy (1971), which means that dictionaries of all categories have to be used. This applies in particular to special dictionaries which cover technical languages though they have been widely excluded from our research. It goes without saying that we have more problems, e.g. to state the absolute frequency of an Anglicism in one of the four German-speaking countries, as we depend on written material, mainly from the German press, only. This is also the reason why we cannot say much about the pronunciation of English words in German. We have great problems with words of Latin or Greek origin which may have become more frequent In German due to their frequency in English; I mean words like urban, global, alternativ etc. We do not quite know what to do with affixes and wait for the problems connected with combining forms to be solved by German linguists who have not yet even agreed on a name for this phenomenon.
Broder Carstensen
100
My list of problems is much longer, but my primary Intention was to make a suggestion for the labelling of Anglicisms used in a living language. In spite of all its shortcomings, I think that the labels aus and nach serve this purpose best, at least for German. Moreover, I think it is a very fortunate coincidence that two groups of scholars in two different countries achieved more or less the same results, Independent of each other. This look into our study and into our workshop was meant to illustrate the problems
arising
when
the
influence of
one
language
on
another
idiom
is
investigated. I could only report on a few problems which are connected with the labelling of the loans. There are many more, and I hope to have shown that borrowing is a process which is much more complex than some people,
even
linguists, think. Our work can become exhaustive, satisfactory and convincing only when scholars with expert
knowledge of one, preferably of two or even
more languages, get together and discuss the problems occurring in individual languages. The Zagreb research project will help us in some cases, but definitely not in all of them, and it will not achieve what I have outlined in this paper. We not
only
need
international
cooperation
of
the
experts,
but
we
need
dictionaries of neologisms for many, if possible for all languages. And we need more and better etymological dictionaries! We have
a great
number of
internationalisms
in our
languages,
at least in
Europe, and I have stressed that we need international cooperation in our work on Anglicisms. When I think of all this, I sometimes come to the conclusion that international understanding could improve if we knew more about each other
-
the words we use are certainly part of this understanding6.
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This investigation was carried out In connection with the research project "Anglizismen-Wörterbuch" which is supported by the Deutsche Forschungsgemeinschaft. I would like to express my gratitude for this support. Moreover, I thank my Informants and helpers, above all Ulrich Busse and Donald Turner who corrected my English.
101
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GREGOR MEDER Angaben zur Bildung der Komparationsformen deutscher Adjektive In WOrterbfichern der deutschen Sprache
Im Bereich
der
Probleme der
Bildung
der
Komparationsformen
Komparierbarkeit
sein. Über dies
linguistisch
Problem hinaus
birgt die
der
Adjektive
und lexikographisch Bildung der
scheinen
nur
Interessant
Komparationsformen
deutschen Adjektive Jedoch noch weitere Schwierigkelten,
die einen Lerner
zu der vor
Probleme stellen können. Zu diesen Problemen gehören -
e-Elision bei der Bildung des Komaparativs
-
Allomorphauswahl bei Superlativmorphem (-est
oder
-st)
-
Umlaut bei der Bildung der Komparationsformen
-
Konsonantenwechsel bei der Bildung der Komparationsformen
-
Suppletive Bildung der Komparationsformen
-
Schließlich: Um vom Textwort zum Lemma zu gelangen, ist die Frage Lemmatisierung der Komparationsformen wichtig
Ein
Wörterbuch
sollte
Angaben Im
morphologie
enthalten.
deutschen
Wörterbücher
Komparationsmorphologie
zu
diesen
folgenden
werden
daraufhin vorhanden
Problembereichen die
untersucht,
sind
und
der
wichtigsten welche
inwieweit
sie
der
Adjektiv-
einsprachigen Angaben
den
Daten
zur aus
Textuntersuchungen entsprechen.
1.
In den
Angaben zur Bildung der Komparationsformen außerhalb der Wörterverzeichnisse Wörterbüchern
wird
die
Komparationsmorphologie,
Angaben dazu machen, in der Regel
sofern sie
unter den grammatischen
überhaupt
Angaben bei den
Lemmata behandelt. Vier der ausgewerteten Wörterbücher machen auch außerhalb Ihrer
Wörterverzeichnisse Angaben zur Bildung der Komparationsformen: WAHRIG
in seinen "Lexikon der deutschen Sprachlehre" WAHRIG-dtv und BRO/WA in ihren "Tabellen
zur
Formenbildung
und Syntax"
und der
grammatischen Übersicht beim Lemma Adjektiv.
SPRACHBROCKHAUS in
einer
Gregor Meder
106
WAHRIG in seinem "Lexikon Komparativ
durch Anhängen
der
der deutschen Endung
Sprachlehre"
gibt an,
an den Stamm gebildet
-er
daß
der
wird. Bei
Adjektiven mit umlautfähigem Stammvokal trete " o f t " der Umlaut ein, bei einigen Adjektiven schwanke
der Gebrauch des Umlauts (WAHRIG: 54). Etwas
wird aufgezählt, daß A d j e k t i v e auf - e , -el, -haft,
-ig,
-lieh,
Adjektive"
die
sowie
-sam
die
Komparationsformen
oder -er
-en
Partizipien
immer
ohne
darauf, daß mehrsilbige A d j e k t i v e (außer gesund) zeigen
(vgl.
Äugst
1971),
hätte
die
umständlich
mit den Suffixen
und
die
Umlaut
-bar,
"fremdsprachlichen
bilden.
Ein
Hinweis
nie Umlaut bei der Komparation
Angabe
eindeutiger
und
leichter
durchschaubar gemacht. Zum e - A u s f a l l wird im WAHRIG beschrieben, daß bei der Bildung des Komparativs von
Adjektiven
auf
-el,
oder
-en
das
-er
e vor
dem
Auslautkonsonanten
"gelegentlich" elidiert wird. Ein Hinweis darauf, daß auch das auslautende
e bei
A d j e k t i v e n auf e bei der Komparation wegfällt, f e h l t hier. Zur Bildung
des Superlativs
wird
hier angegeben,
gebildet wird" (WAHRIG: 54). Bei größte
-(e)st höchste
und nächste
daß
er
und beste
"im allgemeinen
mit
f a l l e ein s aus und in
werde das stammauslautende h In ein ch gewandelt. WAHRIG
übersieht dabei, daß der Positivstamm von hoch
nicht auf h auslautet, hier also
bei der Bildung des Superlativs kein h In ch "gewandelt" wird. 1 Außerdem gibt
WAHRIG
an,
daß
die
Komparationsformen
von
viel,
gut,
wenig,
gern und bald mlthilfe anderer Wortstämme gebildet werden. WAHRIG
hält
die
Verhältnisse
bei
offensichtlich
für
so
daß
deutschen
einfach,
Sprachlehre"
werden. Auch
bei
den
zur suppletiven
der
Komparation
außer
diesen
Lemmata
Bildung der
keine
der
deutschen
Hinweisen weiteren
im
Adjektive
"Lexikon
Angaben
der
gemacht
Komparationformen wird nichts
beim
Adjektiv
fest,
entsprechenden Lemma gesagt. Der SPRACHBROCKHAUS daß der Komparativ mit
-er
stellt in der Ubersicht beim Lemma
gebildet wird und bei A d j e k t i v e n auf -el
Komparativ w e g f ä l l t . Der Superlativ werde -est
für
das
Superlativmorphem
bei
mit -st
bestimmten
ein
-e im
gebildet. Auf das Allomorph Adjektivlexemen
wird
nicht
eingegangen. Schließlich wird bemerkt, daß bei der Komparation " o f t " der Umlaut eintrete, mitunter schwanke der Gebrauch Jedoch. Schon hier sei erwähnt, daß dies keineswegs den sprachlichen Fakten entspricht. Gemessen
bei
der
Komparation Umlaut zeigen, sehr gering. Nur bei den einsilbigen A d j e k t i v e n
an
der
Gesamtzahl
der
Adjektive
ist
die
Zahl
derer,
die
mit
Hier, wie auch In anderen Wörterbüchern, wird nicht deutlich zwischen Laut und Buchstabe getrennt. Wenn man ch nicht als einen Buchstaben ansehen will, so endet hoch auf h. Hier aber von Ausbaut zu sprechen, ist sicherlich verwirrend.
Komparation in Wörterbüchern
107
umlautfähigem Stammvokal besteht nämlich die Möglichkeit des Umlauts bei der Bildung der Komparationsformen (vgl. Äugst 1971). 2 Während WAHRIG und SPRACHBROCKHAUS die grammatischen Erläuterungen zusammenhanglos neben ihr Wörterverzeichnis stellen, wird im WAHRIG-dtv und BRO/WA über Codenummern von den Lemmata auf die "Tabellen zur Formenbildung und Syntax" Bezug genommen: Unter den Codenummern 21 bis 26 die Komparation der Adjektive. In beiden Wörterbüchern wird mit denselben Worten in den Benutzerhinwelsen auf diese Tabellen verwiesen: "Die Adjektive werden gewöhnlich nach den Ziffern 10 und 21 bzw. 11 der Tabellen dekliniert und gesteigert. Auf Abweichungen wird durch die Ziffern 22-26 hingewiesen." (WAHRIG-dtv: 9; BRO/WA: 7). Dabei wird in BRO/WA nicht berücksichtigt, daß die Tabellen gegenüber dem WAHRIG-dtv um die Ziffer 27 (Bildung der Komparationsformen mithilfe anderer Stämme) ergänzt wurden. Die Codenummer 21 gibt an, daß der Komparativ mit -er und der Superlativ mit -st gebildet wird. Adjektive auf s, ß, x, z, t oder d bilden den Superlativ mit -est und Adjektive, deren "Auslautsilbe" auf h oder Vokal endet, bilden den Superlativ mit -est "oder" -st (WAHRIG-dtv: 17; BRO/WA: 19). Bei Adjektiven auf -el werde das e bei der Bildung des Komparativs elidiert, bei Adjektiven auf -en oder -er "kann es wegfallen". Die Codenummer 22 verweist auf den Umlaut bei der Komparation, und der Code 23 steht für die Adjektive, bei denen die Komparationsformen sowohl mit als auch ohne Umlaut gebildet werden. Die Ziffern 24 bis 26 markieren Einschränkungen bei der "Bildbarkeit" der Komparationsformen.
2.
Angaben zur Bildung der Komparationsformen beim Lemma
Die anderen ausgewerteten Wörterbücher machen keine solchen allgemeinen Angaben zur Komparation. In den Benutzerhinweisen wird nur kurz erwähnt, welche Angaben zur Komparation bei den Lemmata gemacht werden. ULLSTEIN ist überheblich genug zu behaupten, daß "zum ersten Mal in einem deutschen Wörterbuch" die Steigerungsformen des Adjektivs mit Schwankungen und Zweifelsfällen durchgängig aufgeführt werden (ULLSTEIN: [5]). Ein Blick in ältere Wörterbücher (z.B. WENIG 1854, HEYNE 1905/06 oder SANDERS/WÜLFING 1910) zeigt, daß ULLSTEIN bei weitem nicht das erste Wörterbuch mit Angaben dieser Art ist. Außerdem sei die "schwankende Verwendung des - e - beim Superlativ überall berücksichtigt" (ULLSTEIN: [51).
Von Gesamtzahl der Adjektive zu sprechen ist sicherlich problematisch. der offenen Wortart der Adjektive ist es jedoch nicht zu erwarten, daß hinzukommende Adjektive zur Gruppe der einsilbigen Adjektive umlautfähigem Stammvokal gehören. - Zum Problem der Bestimmbarkeit Type-Frequenzen in diesem Zusammenhang vgl. Meder/Mugdan (1990).
Bei neu mit von
108
Gregor Meder
Das WDG und das HWDG wollen Steigerungsformen n u r dann angeben, "unregelmäßig" sind oder Umlaut aufweisen.
wenn sie
DUDEN-DUW und DUDEN-GWB geben laut Benutzerhinweisen nach der Wortartangabe "vom Normalen abweichende Steigerungformen" an (DUDEN-DUW: 21).
In den folgenden A b s c h n i t t e n soll der Lemmabestand der Wörterbücher d a r a u f h i n u n t e r s u c h t werden, inwieweit die o.g. Besonderheiten bei der Bildung der Komparationsformen bei den e n t s p r e c h e n d e n Adjektivlemmata Erwähnung finden. Allgemein l ä ß t sich sagen, daß Angaben zur Komparation bei den Lemmata sehr u n e i n h e i t l i c h sind. 898 549 70 Adjektivlemmata Als Beispiel sollen hier die drei 77 6 0 mit Angaben z. Wörterbücher (DUDEN-DUW, WAHRIG Komparation und HWDG) dienen, deren Tabelle 1 Lemmabestand des Buchstaben G im Hinblick auf die Markierung a l s Adjektiv und/oder Partizip a u s g e w e r t e t wurden. Die Tabelle 1 zeigt, daß WAHRIG, wie schon e r w ä h n t , keine Angaben zur Komparation macht, im HWDG haben die sechs Lemmata gesund, glatt, grob (Umlaut), groß (Umlaut und Ausnahme bei der Superlativbildung), gut (Suppletlon bei der Komparation) und gewiß (Wechsel von ß und ss) Angaben zu den Komparationsformen. DUW
HWDG
WAHRIG
Demgegenüber f i n d e n sich im DUDEN-DUW bei merkwürdig vielen Adjektiven Angaben zur Komparation. Neben denjenigen, die auch im HWDG zu f i n d e n sind, macht das DUDEN-DUW Angaben zum e - A u s f a l l bei gelinde und zum Wechsel von -st und -est im S u p e r l a t i v von grau, genau und getreu. Bei allen a n d e r e n 67 Lemmata mit Komparationsangaben wird vermerkt, daß der Komparativ mit -er und der S u p e r l a t i v mit -est gebildet wird. Das DUDEN-DUW legt die Bestimmung aus den Benutzerhinwelsen, Angaben zur Komparation n u r dann zu machen, wenn sie vom "Normalen" abweichen, s e h r weit a u s und bezieht sie auch auf die Bildung des S u p e r l a t i v s mit -est s t a t t mit -st. Diese Bildung i s t jedoch so regelmäßig, daß ein Vermerk in den Benutzerhinweisen genügt h ä t t e .
2.1
Zur e - E l l s l o n im Komparativ
Während bei den Angaben zur Flexion des A d j e k t i v s in den Wörterbüchern zum Wegfall des e keinerlei Angaben gemacht werden (vgl. Meder 1986), wird dies bei der Bildung des Komparativs von Adjektiven, die auf e enden, in w e n i g s t e n s drei der a u s g e w e r t e t e n Wörterbücher b e r ü c k s i c h t i g t . Systematisch wird der e - A u s f a l l Jedoch nur in ULLSTEIN v e r z e i c h n e t (vgl. Tabelle 2).
109
Komparation in Wörterbüchern
DUDEN-DUW behende blöde böse feige flügge gerade leise lose müde mürbe öde rege schnöde träge trübe
0 0 0 0 0 0 0 -r, -ste 0 0 0 reger, regste 0 0 trüber, trübste
DUDEN-GWB 0 0 0 0 0 0 0 -r, -ste 0 0 0 reger, regste 0 0 trüber, trübste
ULLSTEIN (1) blöde,blödeste böser,böseste (1) o. Steig. -r, -ste -r, -ste -r, -ste -r, -ste -r, mürb[e]ste öder, ödeste -r, regste -r, -ste -r, -träg[e]ste trüber, trübstei1)
(1) = nur die Form ohne e lemmatisiert - keine Angabe zur Komparation o. Steig. = Angabe: ohne Steigerung Tabelle 2 In WAHRIG-dtv, WAHRIG, BRO/WA, HWDG, WDG und dem SPRACHBROCKHAUS finden sich keinerlei Angaben dazu, sie werden deshalb In der Tabelle 2 auch nicht berücksichtigt. Es zeigt sich, daß DUDEN-DUW und DUDEN-GWB unverständlich unsystematische Angaben machen. Auch bei den Adjektiven auf -el, -en oder -er macht nur ULLSTEIN regelmäßig Angaben zum e-Ausfall bei den untersuchten Lemmata. Das HWDG und WAHRIG äußern sich hierzu überhaupt nicht, und WAHRIG-dtv und BRO/WA geben von den untersuchten Lemmata bei finster an, daß der Komparativ "bes. in gewählter Sprache" finstrer laute. Das WDG vermerkt nur bei teuer den e-Ausfall, und der SPRACHBROCKHAUS gibt neben teuer auch den Komparativ von edel an: "ed(e)lei". Darüber hinausgehende Angaben machen wieder nur DUDEN-DUW, DUDEN-GWB3 und ULLSTEIN, wie die Tabelle 3 zeigt. Interessant ist hier die behauptete Variation bei makaber (DUDEN-DUW, DUDENGWB und ULLSTEIN) und trocken (ULLSTEIN). Sucht man nämlich diese Wörter in Textkorpora auf, so findet sich hier kein Hinwels auf die freie Variation von Formen mit und ohne e bei trocken und makaber. In den 2,85 Mio. Textwörtern des Bonner Zeitungskorpus und in den 1 Mio. Textwörtern des LIMAS-Korpus« ist nur die Form trockener mit 66 Belegen vertreten. Von makaber läßt sich dagegen 3
4
Hier ist festzustellen, daß DUDEN-DUW und DUDEN-GWB anders als bei den Angaben zu den Adjektiven, die auf e enden (vgl. Tab. 2), nicht die gleichen Angaben machen. Abweichend vom DUDEN-DUW gibt das DUDEN-GWB an, daß eben und offen ohne Stelgerung seien. Sollte dies etwa auf die Datenbasis zurückzuführen sein? Zur Beschreibung der beiden Textkorpora vgl. Schaeder 1979.
Gregor Meder
110
in diesem Korpus nur die Form ohne e (makabrer) nachweisen (8 Belege). Von freier Variation, wie es die genannten Wörterbücher suggerieren, kann in beiden Fällen nicht die Rede sein. DUDEN-DUW
DUDEN-GWB
ULLSTEIN
dunkel edel eitel nobel
dunkler - s t e edler, -ste eitler, -ste nobler, - s t e
dunkler, - s t e edler, - s t e eitler, -ste nobler, - s t e
dunkler, - s t e edler, - s t e eitler, eitelste nobler, - s t e
eben gefroren gezogen offen trocken
0 0 0 0 0
0.
finster heiter illuster integer lauter makaber
0 0 0 ...grer -ste 0 ...b[e]rer, -ste
0 0 0
munter sauber sauer teuer
0 0 saurer. - s t e teurer, - s t e
0 0 saurer, teurer,
0 0
0.
Steig.
-er, -ste 0 k.E. -er, -ste trock(e)ner,
Steig.
0
0
.grer,
-ste
,. b [ e ] r e r , -ste -ste
-ste
-ste
-er, -ste -er, -ste k.E. k.E. -er, -ste makaberer, makabrer, - s t e -er, -ste -er, -ste saurer, - s t e teurer, teuerste
0 = keine Angabe zur Konparation; o. Steig= Angabe: ohne Steigerung k.E. = kein Eintrag Tabelle 3
2.2
Allomorphauswahl beim Superlativmorphem
Wie schon erwähnt, legen die Wörterbücher unterschiedliche Kriterien für die Angabe von Komparationsformen beim Lemma an. Insgesamt läßt sich Jedoch das Kriterium von DUDEN-DUW, "Abweichungen vom Normalen" zu verzeichnen, auf die anderen Wörterbücher übertragen. Was allerdings "normal" ist, legt Jedes Wörterbuch anders fest. So ist für DUDEN-DUW und DUDEN-GWB die Tatsache, daß der Superlativ mit -est gebildet wird, schon eine Abweichung vom Normalen, darauf lassen Jedenfalls die Angaben bei den entsprechenden Adjektivlemmata schließen. Außer im DUDEN-DUW, DUDEN-GWB und ULLSTEIN, letzteres gibt für alle Adjektive die Komparationsformen an, finden sich bei keinem der anderen ausgewerteten Wörterbücher systematische Angaben darüber, ob der Superlativ mit -est oder -st gebildet wird. WAHRIG-dtv und BRO/WA verlassen sich hier wohl auf die allgemeinen Angaben in den "Tabellen zur Formenblldung und Syntax", ohne allerdings bei den Lemmata darauf hinzuweisen, und WAHRIG
111
Komparation In Wörterbüchern begnügt sich mit den Abschn. 1).
Angaben im "Lexikon der
deutschen
Sprachlehre"
(vgl.
Auch zu den von vielen Grammatiken postulierten Schwankungen (vgl. MEDER 1986) des Gebrauchs bei den Adjektiven auf Diphthong oder Vokal bzw. Diphthong + h oder Vokal + h machen nur DUDEN-DUW, DUDEN-GWB und ULLSTEIN durchgängig Angaben. BRO/WA und das WDG geben in einigen Beispielen (wenig) Aufschluß über die Bildung des Superlativs bei den genannten Adjektiven. In WAHRIG-dtv, WAHRIG und dem HWDG finden sich keine Angaben zu diesem Problem, weshalb sie auch in der Tabelle 4 nicht erscheinen. DUDEN DUW blau flau frei froh früh genau grau lau neu rauh scheu schlau treu
-[e]ste -[e]ste -[eiste -[eiste -[eiste -[ejste -[eiste -[eiste neu[eiste -[eiste -[eiste -[eiste -[ejste
DUDEN GWB -[eiste -[ejste -[ejste -[ejste -[eiste 0 -[eiste -[eiste neu [eiste -[eiste -[eiste -[eiste -[eiste
WAHRIG dtv 0 0
0 B1 0 0 0 B2 0 0 0 0
BRO/WA
WDG
UILSTHN
0 0 0 0 B1 0 0 0 B2 0 0 0 0
0 0 0 0 0 0 0 0 B3 0 0 B4 0
-[eiste -[ejste -[ejste -[ejste -[eiste -[eiste -[eiste -[ejste -[eiste -[ejste -[eiste -[ejste -[eiste
SPR.BBD 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 schlau(e)ste 0
0 = keine Angaben zu den Kaqarationsfonnen Beispiele in BRO/WA, WAHRIG-dtv und WDG:
B1 = im frühesten Altertun; in frühester Jugend; meine frühesten Erinnerungen B2 = die neuesten Nachrichten; in neuester Zeit; neuste Geschichte; nach neuestem Geschmack; nach neuester Mode B3 = in neu(e)ster Zeit; das neueste; das neu(e)ste Beispiel B4 = es wäre das schlauste Tabelle 4 WDG, BRO/WA und WAHRIG-dtv geben also bei früh, neu und schlau Beispiele an, die aber auch nicht deutlicher machen, wie der Superlativ nun gebildet wird. Ob es sich jedoch bei der Wahl des Superlatlvallomorphs um eine derart freie Variation handelt, wie sie von DUDEN-DUW, DUDEN-GWB und ULLSTEIN angegeben wird, kann nur eine ä u ß e r s t umfangreiche Textuntersuchung beantworten. In den insgesamt 3,85 Mio. Textwörtern des LIMAS-Korpus und des Bonner Zeitungskorpus sind von den 13 Lexemen In Tabelle 4 nur sechs belegt.
Gregor Meder
112
Wie die Tabelle 5 zeigt, sind nur froh und neu häufig genug belegt, um (vorsichtige) Aussagen zu machen. Die Korpusdaten bestätigen nicht, daß -est und -st bei der Bildung des Superlativs bei Adjektiven, die auf Vokal enden, frei variieren. Zumindest bei neu wäre eine differenziertere Aussage zur Häufigkeit der Superlatlvallomorphe möglich gewesen.
2.3
früh genau grau neu roh treu
-st
-est
0 0 0 5 0 0
65 5 1 170 2 5
Tabelle 5
Zum Umlaut bei der Komparation
Der Hinweis von Mugdan (1983: 212), daß der Umlaut bei der Bildung der Komparationsformen nicht vorhersagbar sei, t r i f f t nicht ganz zu. Mehrsilbige lauten nie um (vgl. Äugst 1971). Umlaut bei der Adjektive (außer gesund) Bildung von Komparativ und Superlativ ist nur bei im unflektierten Positv einsilbigen Adjektiven mit hinterem Stammvokal möglich. Bei einigen dieser Adjektive und bei gesund schwankt der Gebrauch des Umlauts und ist nicht vorhersagbar, so daß hier eine Angabe im Wörterbuch erforderlich ist. Für die meisten der ausgewerteten Wörterbücher ist der Umlaut bei der Komparation eine "Abweichung vom Normalen", was eine Angabe zur Komparation beim Lemma rechtfertigt. Nur WAHRIG macht konsequent keine Angaben. In der folgenden Tabelle wird er deshalb auch nicht aufgeführt. Die Tabelle 6 zeigt, daß sich die Wörterbücher darüber, daß der Umlaut bei den Adjektiven der ersten Gruppe dieser Tabelle schwankt, relativ einig sind. Beschrieben wird diese Tatsache mithilfe einer Vielzahl von quantifizierenden Pseudotermini 3 , von denen nicht klar ist, worauf sie sich beziehen. Interessant ist, daß WAHRIG-dtv und BRO/WA mit der Angabe der Codenummer 22 bei gesund nur die Komparationsform mit Umlaut zulassen, obwohl gesund In den "Tabellen zur Formenbildung und Syntax" als Beispiel für Adjektive mit schwankendem Umlaut bei der Komparation genannt wird. Auch sonst hat BRO/WA alle Merkwürdigkeiten und Inkonsistenzen aus dem WAHRIG-dtv übernommen: Beispielsweise das Fehlen einer Angabe bei bange und blaß, was bedeutet, daß für diese Adjektive nur die Komparation ohne Umlaut zugelassen wird. Ein anderes Beispiel i s t die explizite Angabe bei naß, obwohl die Codenummer 23 hier hätte stehen können. Auch die fehlende Angabe bei karg und krumm im WDG und HWDG und bei schmal Im HWDG müssen den Angaben In den Benutzerhinwelsen zufolge dahingehend Interpretiert werden, daß nur Zur Kritik von Häufigkeitsangaben in Wörterbüchern allgemeiner zu Pseudotermini vgl. Ulvestad (1981)
vgl. Schaeder
(1983);
113
Komparation in Wörterbüchern
Komparationsformen ohne Umlaut zugelassen
werden. Ob das aber gemeint ist,
wird nicht deutlich. Das Fehlen von Angaben zur Komparation bei dumm und grob in WAHRIG-dtv und BRO/WA muß ebenfalls dahingehend gewertet werden, daß nur Komparationsformen ohne Umlaut zugelassen werden. Inwieweit der Umlaut bei der Komparation im Sprachgebrauch wirklich schwankt und welche Formen bei der Produktion bevorzugt werden, ist aus den Angaben in den Wörterbüchern
nicht ersichtlich.
Die quantifizierenden
Angaben
entbehren
offensichtlich Jeder empirischen Grundlage. DUDEN DUW
bange blaß fronm gesund glatt karg knrm na£ rot sdnal
+ + -
durm grob
+
DUDEN GWB
auch + seltr + auch + seltr ugs + seltr + lsch. + auch + seltr und +
+ + -
auch + seltr + od. + seltr ugs + seltr + lsch. + auch + seltr und +
+ +
+
WAHRIG BRO/WA
WDG
HWDG
uiisim
SPR.BRO
-/+
+ +
- od.+
dtv 0 0
23 22 - , + (1) 23
- /(+) - /(+)
0 0
23 22 - , + (1) 23
(-)/+ (-)/+
-/(+) 0 0
-/+
-/+ -/+ -/+
0 0
0 0 - od. + - od. + "/(+)
-/(+)
23 23
23 23
"
0
0 0
0 0
+ +
(")/+ / ( + )
seltr + seltr + auch + ält. seltr + s. n. + 1. a. + auch + seit. (2)
+
+
+
+
- od.+ +seltr.-/+
-selt.+ 0 - od. + + flbtr - od. + + +
+ = mit Unlaut; - = ohne IMaut; 0 = ohne Angabe 0 geben an, daß die entprechende Form im Wörterbuch in 0 steht seit. = selten; seltr = seltener; s.n. = selten noch lsch. = landschaftlich; l.a. = landsdiaftlich auch od. = oder; übtr. - übertragene Bedeutung; ugs = ungangssprachlich (1) österr. nur ohne IMaut (2) -er, -ste, auch: sdmälste, selten: schnäler Codes in WAHRIG-dtv und BRO/WA: 22 = mit IMaut; 23 = Uniautschwankung Tabelle 6 Eine solche
empirische Grundlage
Ist Jedoch schwer zu bekommen. Die geringe
Zahl von Komparativen und Superlativen Textkorpora
läßt
keine
Aussagen
über
der entsprechenden Adjektive In den die
Häufigkeit
des
Umlauts
bei
der
Bildung der Komparationsformen dieser Adjektive zu. Die Tabelle 6 zeigt, daß in den 3,85 Mio. Textwörtern des LIMAS-Korpus Bonner Zeitungskorpus
und
gesund mit neun Belegen noch am häufigsten vorkommt.
Diese neun Belege lassen Jedoch nur die Aussage zu, daß sowohl Formen mit als auch Formen ohne Umlaut bei der Komparation vorkommen.
114
Gregor Meder
Diese geringe Zahl der Belege wirft die Frage auf, worauf sich die z.T. sehr fein differenzierenden Häufigkeitsangaben in den untersuchten Wörterbüchern beziehen (vgl. Tabelle 6).
2.4
Konsonantenwechsel und Suppletion bei der Komparation
F a s t jedes der ausgewerteten Wörterbücher gibt die Formen für Superlativ und Komparativ bei den Lemmata hoch und nah an, da sich hier bei der Komparation neben dem Stammvokal auch der Auslautkonsonant verändert. Auch bei den Adjektiven, deren Komparationsformen von anderen Stämmen gebildet werden, sind diese Komparationsformen angegeben. Es werden dann Jeweils der Komparativ und der Superlativ aufgeführt. mit Uml. ohne Uml. bang blaß fromm gesund glatt klug krumm naß rot schmal
0 2 1 7 0 0 0 0 3 3
1 0 2 2 6 0 3 4 0 1
Eine Ausnahme unter den ausgewerteten Wörterbüchern bilden WAHRIG-dtv und WAHRIG. WAHRIG-dtv macht bei gut und wenig keine Angaben zur Komparation, und WAHRIG macht wie bei allen anderen Adjektiven weder bei hoch und nah noch bei gut,
viel
und
wenig
Angaben
zu
den
Komparationsformen. Bei gut fehlt sogar die Wortartangabe.
Tabelle 7
2.5
Lemmatlsierung von Komparationsformen
Die bisherigen Ausführungen beschäftigten sich mit der Frage, Inwieweit die Angaben in den Wörterbüchern den Benutzer in die Lage versetzen können, zu einem Adjektiv die entsprechende Komparationsform zu bilden. Bei den meisten deutschen Adjektiven ist die Bildung der Komparationsformen so regelmäßig, daß durch einen Hinweis auf die Regeln In einer Wörterbuchgrammatik oder durch einen entsprechenden Verweis in der Benutzungsanleitung ohne Schwierigkeiten das entsprechende Lemma gefunden werden kann. Leider haben nur vier der ausgewerteten Wörterbücher solche Hinwelse (WAHRIG WAHRIG-dtv, BRO/WA und SPRACHBROCKHAUS; vgl. Abschn. l ) s . Allerdings werden die Regeln in diesen Wörterbüchern nicht formuliert als Prozeduren, die von den Textwörtern zu dem Lemmata führen (vgl. Mugdan 1983: 181-186), sondern als Produktionsregeln, um aus den unflektierten Formen die Komparationsformen zu bilden.
Komparation In Wörterbüchern
115
Die Tabelle 8 zeigt, Inwieweit die Wörterbücher die Komparationsformen mit ihren unterschiedlichen Veränderungen gegenüber dem Positivstamm lemmatlsieren.
hoch nah bange blaß ircrn gesund glatt karg kram naß rot sdmal dann grab gut viel wenig dunkel übel
DUHM DUW
DUDEN GWB
WAHRIG WAHRIG BRO/WA dtv
K
S
K
S
K
+
+
+
+
-
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+ + +
+ + +
+
+ + +
+ +
+
+
+
(+)
(+) (+)
WDG
HWDG
UIASIN SPR.BRO
S
K
S
K
S
K
S
K
S
+ +
+
+
+
+
+ +
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+ +
+ + +
+ + +
+
+
+
+ +
+ +
+
+ +
+ +
+ +
+ +
+ +
+
(+)
(+) +
K
(+) (+) (+) (+) (+) (+) +
+
S
K
S
+ = lemnatisiert; - = nicht lamratisiert; (+) = lenratisiert, jedoch ohne Hinweis auf denzugehörigen Positiv K = Karparativ; S = Superlativ Tabelle 8 Die Tabelle 8 zeigt, daß alle ausgewerteten Wörterbücher den e-Ausfall bei der Bildung des
Komparativs auf
-el
nicht
als
hinreichenden
Grund ansehen, die
entsprechenden Komparative zu lemmatisieren. Auch der Umlaut bei der Komparation ist nur für
DUDEN-DUW und für DUDEN-
GWB ein Kriterium für die Lemmatisierung. Allerdings werden nicht alle Komparationsformen mit Umlaut lemmatisiert. Eine wie auch immer geartete Systematik ist
nicht
zu
erkennen,
zumal
das
DUDEN-GWB
nicht
einmal
alle
Komparationsformen, die das DUDEN-DUW enthält, lemmatisiert. Bei hoch und nah sieht es etwas anders aus: Die meisten Wörterbücher haben die Komparationsformen nah
in
allen
lemmatisiert.
ausgewerteten
Während Jedoch Wörterbüchern
die
Komparationsformen
enthalten
sind,
werden
von die
Komparationsformen von hoch im WAHRIG-dtv, WAHRIG, BRO/WA, WDG und HWDG nicht lemmatisiert. Interessant dabei ist, daß sich die Wörterbücher der WAHRIGReihe im Hinblick auf die Lemmatisierung
von höchste
und höher
voneinander
unterscheiden. Warum BRO/WA ausgerechnet den Komparativ von hoch und nicht
116
Gregor Meder
den Superlativ (der sich im Stammauslaut lemmatlsiert, i s t besonders unverständlich.
vom
Positiv
unterscheidet)
Einig sind sich die Wörterbücher auch im Hinblick auf die Lemmatislerung der suppletiven Komparationsformen. Alle Wörterbücher enthalten die Komparationsformen von gut und viel, wobei d a s DUDEN-DUW bei meist und d a s HWDG bei mehr und meist nicht d a r a u f hinweisen, daß e s sich um Komparationsformen von viel handelt. Es b e s t ä t i g t sich leider, daß die Wörterbücher keine einheitlichen Kriterien für die Lemmatislerung der Komparationsformen heranziehen. Besonders beim DUDEN-DUW und DUDEN-GWB zeigt sich, daß auch innerhalb eines Wörterbuchs nicht unmittelbar vorhergesagt werden kann, ob eine Komparationsform lemmatlsiert Ist oder nicht. S e l b s t wenn es in Tabelle 8 bei einigen Wörterbüchern (WAHRIG, WAHRIG-dtv, BRO/WA, WDG HWDG, ULLSTEIN und SPRACHBROCKHAUS) so scheint, a l s würden diese Wörterbücher Komparative mit Umlaut nicht lemmatlsleren, muß dies nicht heißen, daß sich in einigen Fällen nicht doch Komparationsformen mit Umlaut lemmatlsiert finden. So beispielsweise im WAHRIG, wo ganz unvermutet Jünger und älter a l s Lemma erscheinen. Dies könnte seinen Grund in der schon erwähnten eigentümlichen (gegenüber dem Positiv nicht " g e s t e i g e r t e n " ) Bedeutung von jünger und älter in eine ältere Dame und ein jüngerer Mann haben. Im WAHRIG wird jedoch nur beim Lemma älter auf diese Bedeutung verwiesen, so daß die Lemmatlsierung von jünger u n v e r s t ä n d l i c h bleibt.
2.6
Das Problem der Komparierbarkeit in den Wörterbüchern
Wie bereits eingangs erwähnt, erfreut sich die Frage der Komparierbarkeit von bestimmten Adjektiven besonderer Beliebtheit. Sprachglossen und Handbücher f ü r "gutes und richtiges" Deutsch sind voll von Beanstandungen des Gebrauchs vermeintlich unkomparierbarer Adjektive. Grammatiken der deutschen Sprache führen lange Listen von Adjektiven, die von der Komparation a u s g e s c h l o s s e n sein sollen. 7 Auch die Wörterbücher bilden hier keine Ausnahme. Von den ausgewerteten Wörterbüchern gehören DUDEN-GWB, DUDEN-DUW, WAHRIG-dtv und BRO/WA zu den Wörterbüchern, die Adjektive a l s "unkomparlerbar" markieren. Das DUDEN-GWB vergibt besonders großzügig die Markierung o.Stelg. für (vermeintlich) Allerdings sind sich die Autoren der Grammatiken nicht einig darin, welche Adjektive von der Komparation a u s g e s c h l o s s e n sein sollen: Zwölf neuere Grammatiken geben insgesamt 174 verschiedene Adjektive an, die nicht komparlert werden können. Nicht ein Adjektiv wird von allen zwölf Grammatiken genannt. Am h ä u f i g s t e n werden genannt: tot (von 11 (11), mündlich (10), nackt (7). lebendig (7). Grammatiken), schriftlich Insgesamt 105 Adjektive werden Jeweils nur von einer Grammatik genannt (zu Einzelheiten vgl. Meder 1986).
117
Komparation in Wörterbüchern unkomparierbare Adjektive, während das besonders sparsam ist.
DUDEN-DUW mit Angaben
dieser
Art
Im WAHRIG-dtv und im BRO/WA weist die Codenummer 24 darauf hin, daß einige Adjektive "weder Komparativ noch Superlativ" bilden (BRO/WA: 19). Im WDG ist das Fehlen einer Angabe zur Komparierbarkeit zweideutig. Es kann bedeuten, daß die Komparationsformen ohne Besonderheiten gebildet werden oder daß die Steigerung "fehlt", denn "auf das Fehlen der Steigerung wird nur in besonderen Fällen hingewiesen, während die Adjektive, die auf Grund ihrer Bedeutung nicht gesteigert werden können, nicht besonders gekennzeichnet werden" (WDG: 22). WAHRIG macht, ebenso wie das HWDG und der SPRACHBROCKHAUS, keine Angaben darüber, ob ein Adjektiv komparlert werden kann oder nicht. Das DUDEN-GWB, WAHRIG-dtv und BRO/WA machen sich bei einigen Lemmata die Mühe, f ü r verschiedene Bedeutungspositionen anzugeben, ob eine Komparation in dieser Bedeutung möglich ist. So gibt das DUDEN-GWB z.B. beim Lemma einzig an, daß es in der Bedeutung 'alleinig' ohne Komparation bleibe, der Superlativ "umgangssprachlich" einzigste laute. In der Bedeutung 'einzigartig' sei es nicht komparierbar. Im BRO/WA wird ohne Jede Differenzierung nach unterschiedlichen Bedeutungen f e s t g e s t e l l t , daß es nicht kompariert wird und der Superlativ umgangssprachlich sei. Beim Lemma tot sind sich die beiden Wörterbücher über die Komparierbarkeit in den verschiedenen Bedeutungen einig. tot
BRO/WA
DUDEN-GWB komp. komp.
1. 'ohne Leben' 2. ' n i c h t n u t z b a r ' 3. 'ohne Lebendigkeit'
0
0 0
1. 'ohne Leben' 2 . c . ' n i c h t mehr n u t z b a r ' 2 . a . 'ohne F r i s c h e und Lebendigkeit' 2 . b . 'leb-und bewegungslos'
komp. = Angaben zur Komparation = n i c h t komparierbar 0 = ohne Angabe Tabelle 9 WAHRIG-dtv gibt mehr und zum Teil auch andere Bedeutungspositionen an. Für sämtliche Bedeutungen gilt jedoch die nach dem Lemma stehende Codenummer 24, die anzeigt, daß "weder Komparativ noch Superlativ gebildet werden können".
118
Auch
Gregor Meder
beim
Lemma
sind
zentral
sich
BRO/WA
und
das
DUDEN-GWB
einig.
Allerdings verzeichnet das DUDEN-GWB nicht alle Bedeutungspositionen, die im BRO/WA zu finden sind. zentral BRO/WA
DUDEN-GWB komp. komp.
1.1. 'im Mittelpunkt' 1.2. 'den Mittelpunkt bildend' 1.3. 'hauptsächlich' 2. 'von leitender S t e l l e ausgehend'
1. 'den Mittelpunkt bildend'
0
2. ' l e i t e n d e
-
Stelle'
komp. = Angaben zur Komparation = nicht komparierbar 0 = ohne Angabe Tabelle 10 Das WAHRIG-dtv macht für die Bedeutung 'hauptsächlich' keine Angabe, was im Gegensatz kann.
zur Angabe in
ULLSTEIN
läßt
BRO/WA heißt, daß das Adjektiv
die
Komparation
ausdrücklich
komparlert
für alle
werden
Bedeutungen
zu,
indem es nach dem Lemma angibt, wie die Komparationsformen gebildet werden. Für gleich
wollen DUDEN-GWB und BRO/WA den Komparativ nur in
"ironischen
Wendungen" (DUDEN-GWB) bzw. "ironisierend" (BRO/WA) zulassen. Das DUDEN-DUW erlaubt
den
"scherzhaften
Redensart".
Alle
Wörterbücher beziehen sich auf den Satz alle Menschen
sind gleich,
nur
einige
anführen. Das DUDEN-GWB bemerkt
dazu:
sind gleicher,
Komparativ den
sie
nur
in
einer
als Beispiel
"urspr. von Tieren gesagt
in einer satirischen
Angabe
zwar
einer
Quelle
ist
sehr
Fabel
lobenswert,
von
jedoch
drei
George Orwell". Die Ist
dieser
Hinweis
sinnentstellend. In George Orwells "Animal Farm" heißt es natürlich: "All
animals
are equal, but some animals are more equal than others." Die Tabelle 11 zeigt, welche Angaben zur Komparlerbarkeit in den Wörterbüchern bei einigen anderen Lemmata zu finden sind. Bemerkenswert
ist,
Wörterbücher sich
Jedoch
nicht
inzwischen
nicht
mehr
überraschend,
einig sind. Im WDG bedeutet $ bei
maximal,
daß
die
daß das
Adjektiv entweder ohne Besonderheiten kompariert oder daß es "aufgrund seiner Bedeutung" nicht komparlert wird. DUDEN-GWB und ULLSTEIN geben jedoch an, daß maximal nicht komparlert wird, und das Fehlen einer Angabe im WAHRIG-dtv und BRO/WA bedeutet wiederum, daß die Komparation zugelassen wird. Was das DUDEN-DUW dazu meint ist nicht klar. Im Abkürzungsverzeichnis ist das Kürzel o.Steig
erklärt, welches zeigt, daß die Möglichkeit
einer Markierung als
"ohne
Komparation in Wörterbüchern
119
Steigerung" vorgesehen ist. Bei den untersuchten Markierung dieser Art zu finden.
Lemmata war jedoch keine
Worauf sich die Angabe im DUDEN-DUW und DUDEN-GWB bezieht, daß die Komparation von deutsch in der Bedeutung 'die deutsche Sprache betreffend' "selten" ist, wird nicht klar. Insgesamt sind die pseudoterminologischen Angaben zur quantitativen Verteilung der Komparationsformen jedoch seltener als bei den anderen untersuchten Angaben zur Adjektivmorphologie in den Wörterbüchern. Betrachtet man die widersprüchlichen Angaben in den Wörterbüchern, verwundert DUDEN-DUW DUDEN-GWB WAHRIG-dtv BRD/WA WDG UliSIHN absolut deutsch
o.Steig. 0 a. Steig. a. Steig. sei toi selten b. 0 b. 0 emririsch o.Steig. 0 fehlerfrei k.E. 0 huranistisch o.Steig. 0 international 0 o.Steig. lebendig 0 0 ledern 0 0 mayimal o.Steig. 0
minimal
total unrettbar versdiieden
0 0
0»
0
o.Steig. 0
0
24 24
0 0
ohne St. ohne St.
k.E. k.E. k.E. 0 0
24 24 24 24
0 0 0 0 0 0 0 0 0 0
ohne St. -er, -este ohne St. ohne. St.
24
24
0 0
0 0
24
1. o.Karp. 2. o.Steig.
0
24
k.E. 0
24 24 26
0
0 0
ohne St. 1 ohne St. 1 ohne St. k.E.
-er, -ste
0 = keine Angabe ; k.E. = kein Eintrag Angaben in den Wörterbüchern: o.Steig. , ohne St. = ohne Steigerung o.Kicap. = ohne Kcoparativ Oodenunmern im WAHRIG-dtv und BRD/WA: 24 = "bilden weder Superlativ noch Kcnparativ" 26 = "bilden nur den Superlativ" 1 mit ausdrücklichem Hinweis, daS der Superlativ falsch ist 2 jedoch mit dem Beispiel: "die -sten Interessen habof' Tabelle 11 es schon gar nicht mehr, daß sie mit den entsprechenden Angaben in den Grammatiken (z.T. aus derselben Redaktion) nicht übereinstimmen. So wird z.B. minimal von DUDEN-4 und DUDEN-9 (auch beim Lemma) ausdrücklich von der Komparation ausgeschlossen, außer ULLSTEIN vermerkt jedoch keines der ausgewerteten Wörterbücher dergleichen. Ahnliches gilt für total und unrettbar. Die Angaben in den Wörterbüchern, besonders wenn man ihre Widersprüchlichkeit betrachtet, geben keine Auskunft darüber, ob und in welchem Zusammenhang Adjektive besser nicht komparlert werden sollten. Möglicherweise gibt es Beschränkungen im Gebrauch der Komparationsformen. Sicherlich sind die
120
Gregor Meder
Komparationsformen einiger Adjektive besonders selten, was sich bei der Untersuchung zur Häufigkeit des Umlauts bei der Komparation auch schon gezeigt h a t (vgl. Abschn. 2.3). Allerdings i s t dies nicht nur bei den Adjektiven, von denen ein "Fehlen" der Komparationsformen behauptet wird, der Fall. B e i s p i e l s weise tot wird von vielen Grammatiken a l s "unkomparierbar" angegeben. Das DUDEN-GWB beschreibt die Komparation a l s "selten". Von blaß wird nichts dergleichen g e s a g t . Nun i s t es aber so, daß sich ein Beleg für tötere im LIMASKorpus findet, während sich keine Komparationsformen von blaß im selben Korpus nachweisen l a s s e n . Sind nun die Komparationsformen von blaß unüblich, während die von tot zwar selten, jedoch üblich sind? Auch der Hinweis darauf, daß tot mit 78 Belegen häufiger belegt i s t a l s blaß (9 Belege) führt nicht weiter, denn tot i s t etwa genauso h ä u f i g wie gesund (70 Belege), von dem auch nur ein Beleg einer Komparationsform nachweisbar ist. Trotzdem gilt gesund in den Wörterbüchern und Grammatiken nicht a l s unkomparierbar oder selten kompariert (wie tot). Dies zeigt, daß es nicht weiterführt, einzelne Adjektive von der Komparation auszuschließen. Denn untersucht man T e x t e oder hört man Zeitgenossen aufmerksam zu, so stößt man immer wieder auf Komparationsformen von angeblich unkomparierbaren Adjektiven. 8 Auch i s t die geringe Belegzahl von Komparationsformen kein Argument gegen Textuntersuchungen. Im Gegenteil: d a s geringe Vorkommen von Komparationsformen der unterschiedlichsten Adjektive s o l l t e deutlich machen, daß dichotome Angaben (komparlerbar/nicht komparierbar) f ü r den Benutzer keine Hilfe sein können. Vielmehr sollten für j e d e s Adjektiv d i f f e r e n z i e r t e Hinwelse zur semantischen Markiertheit der Komparationsformen zu gegeben werden. Bildbar sind die Komparationsformen zu allen Adjektiven. Damit s i e richtig gebildet werden, auch wenn man ein Wörterbuch zu Rate zieht, können die Angaben zur Bildung Komparationsformen in einsprachigen deutschen Wörterbüchern noch In mancher Hinsicht v e r b e s s e r t werden.
Ein Auswahl an Belegen sind z.B. nachzulesen In Meder/Mugdan 1990.
Komparation In Wörterbüchern 3.
Literatur
3.1
Wörterbücher
121
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Bd.l:
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1905; Bd.2:
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HWDG = Handwörterbuch der deutschen Gegenwartssprache. In zwei Bänden. Von einem Autorenkollektiv unter der Leitung von Günther Kempcke. Bd. 1 A-K, Bd. 2 L-Z. Berlin: Akademie Vlg. 1984. SANDERS/WÜLFING (1910) = Handwörterbuch der deutschen Sprache von Daniel Sanders. Neubearbeitet ergänzt und vermehrt von J. Ernst Wülfing. Achte Auflage, erste der Neubearbeitung. Leipzig: Wigand. SPRACHBROCKHAUS = Der Sprachbrockhaus. Deutsches Bildwörterbuch 9., neu bearb. u. erw. Aufl. Wiesbaden: Brockhaus 1984.
von
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Gregor Meder
122
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ANDREAS DÖRNER Polltische Lexik in deutschen und englischen Wörterbüchern. Metalexikographische Überlegungen und Analysen in kulturwissenschaftlicher Absicht
O.
Vorbemerkung "Da der Wortschatz bzw. die lexikalisch-semantische Ebene mehr als alle anderen Ebenen des sprachlichen Zeichensystems das soziale Leben widerspiegelt, öffnet sich ein weites Feld fflr interdisziplinäre Kontake der Lexikologie und Lexikographie mit anderen Wissenschaften."
Fast ungehört verhallte diese Feststellung mit Aufforderungscharakter, die Josef Filipec 1982 im Zusammenhang mit Überlegungen zum Thema "Sprachkultur und Lexikographie" an die scientific Community gerichtet hat (1982: 179). Interdisziplinäre Kontakte zwischen Lexikographie und anderen (Kultur-) Wissenschaften sind nach wie vor Orchideen im universitären Vorgarten. In diesem Beitrag soll daher der Versuch unternommen werden, Perspektiven für eine mögliche Zusammenarbeit zwischen (Meta-)Lexlkographle und Sozialwissenschaften aufzuzeigen. Damit jedoch das im angeführten Zitat erwähnte "weite Feld" nicht, frei nach Fontane, zum "zu weiten Feld" gerät, werden sich die folgenden Ausführungen auf einige Aspekte beschränken. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem möglichen Nutzen, den metalexikographische Analysen für die politlkwissenschaftllche Kulturforschung erbringen können. Um den Rahmen der Argumentation anzudeuten ist es zunächst erforderlich, das Projekt der Polltischen Kulturforschung mit seinen gegenwärtigen Paradigmenproblemen vorzustellen und aufzuzeigen, wie eine politikwissenschaftliche Sprachanalyse der Forschung neue Impulse geben könnte. In einem zweiten Schritt ist zu klären, welchen Stellenwert Wörterbücher in einem derartigen Analysezugriff haben und welche Methoden bei diesem Unterfangen erfolgversprechend scheinen. Zur Veranschaulichung folgen einige Ergebnisse eines laufenden Projektes zu den Polltischen Kulturen Deutschlands und Großbritanniens. Den Abschluß bilden dann schließlich Überlegungen zu einem interdisziplinären Zusammenhang zwischen Lexikographie und Politischer Kulturforschung, von dem beide Forschungsstränge profitleren könnten.
Andreas Dörner
124 1.
Politische Kultur und politische Lexik
Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht das Schlagwort der "Politischen Kultur" durch die Zeilen der Tagespresse geistert. Akteure und Beobachter des politischen Feldes beklagen Immer da, wo - natürlich meist vom 'gegnerischen' Lager aus - Verletzungen der Moral, des Anstandes oder des politischen Stils erfolgt sind, den Niedergang der Politischen Kultur. Angesichts dieser medialen Inflation des Wortgebrauchs gerät, selbst Innerhalb der Sozialwissenschaften, oft in Vergessenheit, daß der gleiche sprachliche Ausdruck bereits seit den 1960er Jahren als etablierter Analyseterminus innerhalb der Politologie fungiert. Gabriel Almond und Sldney Verba haben 1963 mit ihrer Studie "The Civic Culture" ein Forschungsparadigma begründet, das unter Politischer Kultur all Jene Einstellungen und Dispositionen versteht, die letztlich für die Stabilität oder Labilität eines demokratischen Systems verantwortlich sind - wobei das angelsächsische Modell einer "Civic Culture" als normatives Vorbild dient. Methodisch glaubt man, diese Einstellungen mithllfe der aufwendigen Forschungsinstrumente der quantitativen Umfrageforschung sicher elnzufangen. Während sich in den 1960er und 1970er Jahren eine hoffnungsfrohe Forschergemeinschaft um diesen Begriff scharte und in den Survey-Batterlen den Königsweg zur Erfassung politischer Kulturmuster erblickte, macht sich seit einigen Jahren ein Unbehagen im tradierten Paradigma breit. Man sieht in dem von Almond und Verba begründeten Politischen-Kultur-Konzept ein zu enges, teilweise widersprüchliches und In jedem Fall zu stark normativ aufgeladenes Begriffsinstrument, dessen mögliche Implikationen zudem durch die methodische Beschränkung auf die quantitative Survey-Analyse beschnitten werden (vgl. dazu die Beiträge in Almond/Verba 1980 sowie Rohe 1987, 1989 und Elkins / Simeon 1979). Die Frage ist nun, was daraus folgt: 'buslness as usual' oder "paradigm lost" (Luhmann)? Die vielfältigen Versuche jedenfalls, die Stagnation im Paradigma durch a l t e r native Forschungsstrategien zu bewältigen, haben die Konturen des Terminus unscharf gemacht. Da dieser wissenschaftliche Sprachgebrauch zusätzlich vom alltagssprachlichen Kontext der öffentlichen Diskursgefechte in der Medienlandschaft überlagert wird, stellt sich die Situation für den Politikwissenschaftler als eine Art "Neue Unübersichtlichkeit" (Habermas 1985) dar. Es bieten sich hier zwei Handlungsalternativen: Entweder man überantwortet den Begriff angesichts seiner semantischen Hypotheken dem großen Friedhof gescheiterter wissenschaftlicher Terminologien; oder aber man versucht, ihm Konturen zu geben, die Ihn forschungsstrategisch ergiebig und handhabbar machen. Mir scheint, daß letzteres gelingen könnte, wenn man 1) den Terminus sozialphänomenologisch und semiotlsch dimensioniert und 2) gesellschaftliche Kommunikation und Zeichenprozesse als materialen Zugang zu dem so verstandenen Phänomen der Politischen Kultur begreift. An dieser Stelle kann dann auch die Metalexlkographie kulturwissenschaftlich relevant werden.
Politische Lexik in deutschen und englischen Wörterbüchern
125
Im Unterschied zu Almond/Verba (1963), die Politische Kultur im wesentlichen über abfragbare Einstellungen, "attltudes" gegenüber bestimmten Themen und Institutionen bestimmt haben, soll im Folgenden als Kernkomponente des Konzeptes ein System von Vorstellungen bzw. Grundannahmen Uber die politische Welt angesehen werden (vgl. Elkins/Slmeon 1979). "Politische Kultur" steht dann im Folgenden für einen kollektiv geteilten, den Individuen selbstverständlichen und daher meist unbewußten politischen Code, der das Denken, Handeln und Fühlen der Akteure weitgehend steuert, ohne es doch völlig zu determinieren. In Verbindung von Begrifflichkeiten Pierre Bourdieus einerseits, der interaktionistlsch-phänomenologischen Soziologie andererseits wäre dann Politische Kultur als der gruppenspezifische Habitus zu kennzeichnen, mit dem politische Realität interaktiv und kommunikativ konstruiert wird (vgl. Berger/Luckmann 1969, Bourdieu 1985, 1987, 1989 und Dörner/Rohe 1990). Dieser Habitus der gesellschaftlichen Realitätskonstruktion enthält emotionale Muster, Wertkategorien, kognitive Größen (Sichtweisen, Problemdefinitlonen, Handlungseinhelten), operative Ideen und schließlich auch ästhetische Normen (vgl. Dörner 1989). Gerade diese - in der Analyse, keinesfalls von den Praktikern - häufig übersehene ästhetische Dimension des Politischen verweist auf eine wichtige Eigenschaft politischer Kulturen: Sie haben nicht nur eine Inhaltsseite, sondern diese gesellschaftliche Sinnstruktur muß auch immer in einer materlalen Ausdrucksseite manifest werden. Politische Kultur ist ganz wesentlich auch ein seiulotisches Phänomen, dem die klassische Bilateralität des Zeichens zu eigen Ist (vgl. Dörner 1989a; diese Angewiesenheit von kulturellem Sinn auf sinnenfälligen Ausdruck haben In aller Klarheit schon die Semlotiker des sog. Bachtin-Kreises herausgestellt, vgl. Medvedev 1928, VoloSinov 1929 und Bachtin 1979). Die Sozialisation In eine Politische Kultur hinein ist somit immer auch als "Semlotisation" zu betrachten, als gesellschaftlich gesteuerte Einübung in Praktiken der Zeichenproduktion und -rezeptlon. Die Präsenz in der Zeichenpraxis ist deshalb auch notwendige Voraussetzung dafür, daß bestimmte kulturelle Muster wirksam bleiben und nicht verblassen bzw. in den Modus des Musealen und Folkloristischen abgleiten. Der politischkulturelle Habitus einer Gruppe besitzt zwar aufgrund seiner langfristigen Prägung eine gewisse Trägheit, wird aber trotzdem vom vielfältigen Treiben im gesellschaftlichen Kräftefeld geformt: er weist gleichsam die Narben kollektiven Erlebens auf und kann schließlich langfristig auch dem sozialen Vergessen anheimfallen. Zeichen sind somit die elementaren Medien der kommunikativen Konstruktion von Politischer Kultur. Die sprachlichen Zeichen spielen in den modernen Industriegesellschaften dabei eine besonders prominente Rolle, wenngleich man in unserer Zeit die Grenzen der "Gutenberg-Galaxls" aufgrund des zunehmenden Einflusses elektronischer Medien schon deutlich sehen kann (vgl. Luhmann 1989, Patzelt 1989 und die Beiträge in Gumbrecht / Pfeiffer 1988). Gleichwohl gilt, daß unser politisch-kulturelles Denken in hohem Maße von (Schrift-)Sprache geprägt
126
Andreas Dörner
ist. Ein zentraler Teil
von Politischer Kultur, so lautet
einer sprachgeleiteten
Kulturanalyse,
Dimension, die im Folgenden
die zentrale
Prämisse
drückt
sich -
zumal in ihrer
kognitiven
im Mittelpunkt
stehen
soll
politischen
-
in der
Lexik und ihren Verwendungswelsen aus. Wenn es dann Ziel der Analyse ist, quasi unbewußte Dispositionen dann
empfiehlt
es
sich,
Materialien
zu
verwenden,
provoziert, manipuliert oder gar produziert dem noch
immer
Sprachanalyse entstanden
stark
durchaus
sind.
Folgenden
feullletonistisch
soll
keine
Kurz
diskutiert
zu
sondern
untersuchen
werden,
offenzulegen,
nicht
vom
wurden (gerade letzteres eingefärbten
Seltenheit),
gesagt:
die
inwiefern
Bereich die
(auch)
scheint in
der
politischen
gleichsam
"im
vorfindbare
sind
Forscher
Feld"
Texte.
Wörterbücher
eine
Im
solche
Datenbasis liefern können.
2.
Das Wörterbuch als kulturelles Medium
Die menschliche
Sprache
-
zumal
in
moderner
wichtigste
Kommunikationsmedium
Sprache
soziale
und
Schriftlichkeit
Ausdifferenzierungsprozesses Sprachprozeß gleichsam Steuerungsfunktionen kulturelle
Aspekte
Meta-Medlum
Gesellschaften als vgl.
entstehen
(Schrift-)Sprache
Zuge
auch
des
Systeme
das
Funktion
von
kommunikativen
Meta-Medien,
Position
gebündelt
stellt
das
bringen
zur
die
bestimmte
Ein
dar,
dem
spezifische
sie
Geltung.
Wörterbuch
-
als
nicht
Dimension eröffnen und
dieser
Kommunikation
Im
jedoch
In
wenn
gesellschaftlichen
1987).
eine selbstreflexive
der
schriftsprachlicher wichtiges,
(zur
Elwert
wahrnehmen.
sozialer
Form
der
fungiert Innerhalb
solches
wobei
Sozial- und Funktionsgeschichte dieser Textgattung bislang noch kaum
eine
geleistet
worden ist (vgl. dazu etwa Schaeder 1987: 48-62 und den Beitrag von Schaeder in diesem Band). Lediglich
zu
bestimmten
Zeltpunkten
gelangt
die
funktionale
Ausrichtung
der
Gattung Wörterbuch in aller Klarheit an die Oberfläche des diskursiven Treibens, in
Situationen,
wo
Institutionen
eine
Hier
etwa
wäre
"Fruchtbringenden 30jährigen
Krieg
Wörterbücher als
Sprache
zu
Gesellschaft" gebeutelten
mit
ihren
ausdifferenzierten
politisch-kulturelle
beispielhaft
um
erinnern ein
Instrumente
an in
Steuerungs-
Bedeutung
zugemessen
an
Bemühungen
deutsches
Deutschland;
sprachpolitische
(vgl. Schlieben-Lange 1854, als
der
besondere
die
Wörterbuch die
in
prominente
der Französischen
wird. der
dem
vom
Rolle
der
Revolution
1981 und 1985); an das Bestreben der Brüder Grimm, die
"nach dem gewitter von
1848 rückschläge lang
und schwerfällig
die
luft durchziehen" (Grimm 1854: VII), gerade in Sprache und Wörterbuch mögliche Medien
national-kultureller
gemeinsames als
Einigung
erblicken:
unsere spräche und literatur?"
"was
haben
wir
denn
(1854: III); oder aber es wäre
schließlich zu erinnern an den Machtpolltiker Vladimir I l j i i Lenin, der 1920 in
Politische Lexik in deutschen und englischen Wörterbüchern
127
der frisch gegründeten und vom Bürgerkrieg gezeichneten Sowjetunion in einem Brief an Lunaòarskl fragt: "Wäre es nicht an der Zeit, ein Wörterbuch der russischen Sprache der Gegenwart zu schaffen?"; und immerhin den heranzuziehenden Wissenschaftlern "die Lebensmittelration für Rotarmisten" in Aussicht stellt! (Lenin 1920) Doch auch in ruhigeren Zeiten, im kulturellen Alltag jenseits gesellschaftlicher Krisen- und Umbruchphasen, entfalten Wörterbücher eine rege, in spezifische Funktionen eingebundene Wirksamkeit. Sie sind Teil jenes filigranen Geflechts, das mit Pierre Bourdieu als kulturelles Feld zu bezeichnen ist und das seinerseits für die Strukturierung der Gesellschaft wichtige Distlnktions-, Hierarchisierungs- und Legitimationsarbelten verrichtet (vgl. Bourdieu 1977 und 1982: 355ff). Wörterbücher sind als öffentliche Benennungsinstitutionen in ein konkretes Machtfeld eingebunden, das dann, wenn die Institution ihre vom Feld zugewiesene Funktion nicht in erwarteter Weise wahrnimmt, Reaktionen der (zumindest diskursiven) Sanktion produziert. Die öffentliche Reaktion auf das Erscheinen von "Webster's Third" im Jahre 1961, als Geschmackswächter und Sprachpfleger die normierend-konservlerende Funktion des Wörterbuches gefährdet sahen, gibt dafür ein gutes Beispiel (vgl. Malkiel 1980). "Like polltics, language has a power structure and a power élite. There is no 'dictlonary of the living language', as some have clalmed there is, but only language pollced by the guardians of culture and decorum" (Forgue 1979:129). Als sprachliches MetaMedium ist das Wörterbuch, noch stärker als der allgemeine öffentliche Sprachgebrauch, eingebunden in ein Netz politisch-kultureller Machtrelatlonen. Es kann und soll an dieser Stelle keine systematische Soziologie bzw. Politologie des Wörterbuchs entwickelt werden (auch Baker 1972 und Sledd 1972 geben hier nur erste Hinweise). Zudem befindet sich die Rezeptionsforschung der Gattung eine "empirisch fundierte Soziologie des Wörterbuchbenutzers" (Wlegand 1976: 162) - noch immer in den Anfängen. Bekannt sind meist nur die mehr oder minder geschickten Marketlngstrateglen der Produzenten bzw. Dlstrlbuteure von Wörterbüchern (vgl. Kühn/Püschel 1982; ein Ansatz zur empirischen Erforschung der Wörterbuchbenutzung wird entwickelt bei Wiegand 1985 und 1987). Aber auch ohne großen empirischen background kann man Formulierungen wie die bekannte von Jacob Grimm - "warum sollte sich nicht der vater ein paar Wörter ausheben und des abend6 mit den knaben |!| durchgehend zugleich ihre sprachgabe prüfen und die eigne auffrischen? die mutter würde wol gern zuhören" (Grimm 1854: XIII) ziemlich schnell im Reich der Schreibtischphantasien von Wörterbuchmachern verorten. Trotz dieser noch bestehenden Forschungslücken lassen sich In bewußter Verkürzung zumindest drei zentrale gesellschaftliche und politisch-kulturelle Funktionen von Wörterbüchern nennen, die in den modernen Industriegesellschaften, sicherlich in unterschiedlicher Ausprägung und Gewichtung, eine
128
Andreas Dörner
gewisse Rolle
gespielt haben
-
und noch
immer
spielen
(vgl.
dazu auch
Rey
1987: 38-41 und Collinot / Mazlere 1987). wohl In der Normierung und Vereinheit-
Die offensichtlichste Funktion besteht
lichung der Sprache, wobei diese Effekte sich durchaus auch bei rein deskriptiv Intendierten Werken aufgrund von Gattungskonventionen und eingeübten Rezeptionsmustern aufgrund
einstellen.
der
Weniger
Tatsache,
Sprachgebrauch Markierungen
daß
sie
kodifizieren einbauen,
den
offensichtlich
ist
weitgehend
und
dabei,
den der
Wörterbücher
bürgerlich-hegemoniellen
entsprechende
Distlnktionsbedarf
daß
soziologisch-stilistische Schichten
gehobenen
mit
hinreichend distinktiven Zeichenmaterialien versorgen. In bestimmten
politischen
und gesellschaftsevolutionären
lexikographischen
Gattungen
talisierbar,
nicht
was
dann
nur
in
auch der
direkt
Situationen
sprachpolitisch
Französischen
sind
die
instrumen-
Revolution,
sondern
beispielsweise in den 1970er Jahren in der DDR zu beobachten war, wo in Band 4
des
"Wörterbuchs
der
Deutschen
proklamiert wird, "den gesamten
Gegenwartssprache"
Wortschatz
konsequent
(WDG)
auf
die
Absicht
der Grundlage
der
marxistisch-leninistischen Weltanschauung dar[zu)stellen" (WDG 4, 1974: II). Verbunden mit diesen Bereichen sind die didaktischen Funktionen, welche viele Wörterbücher -
seien sie nun daraufhin ausgerichtet oder nicht -
Allerdings sollte dieser Aspekt besonders bei einsprachigen
wahrnehmen.
Wörterbüchern
auch
noch als wichtige Funktion die
eines
nicht überschätzt werden. Makrostrukturell gesehen
wäre schließlich
Speichermediums, einer besonders auskristallisierten Institution des gesellschaftlichen "mémoire collective" (Halbwachs 1967) zu sehen, die zugleich Schutzfunktionen gegen
das durch die sprachliche Dynamik forcierte kulturelle
Verblassen
oder Vergessen ausübt. Dieser, in der französischen Wörterbuchbezeichnung
des
"Trésor" besonders deutlich zum Ausdruck kommende Aspekt bündelt gleichsam im Meta-Medium
des
Wörterbuchs
elementare
Funktionen
von
Schriftlichkeit
überhaupt. Mit
Einschränkungen,
Verzögerungsfaktor ist Sinne
(vgl.
theorie"
Heider
enthält
vor
allem
1926; Luhmanns
ein
aber
das Wörterbuch ausführliches,
mit
einem
gewissen
so auch Im engeren
noch
nicht
veröffentlichte
systematisches
soziale Funktion von Kommunikationsmedien) ein
Kapitel
zeitlichen
medientheoretischen "Gesellschafts-
Uber
Struktur
und
"Medium" der Gesellschaft: die
öffentlich-kulturellen Diskurse prägen sich als "Form" dem "Medium" Wörterbuch ein. Man muß hier nicht naiv von "Widerspiegelung" ausgehen (vgl. Fllipec 1982: 179). Wörterbücher
bieten
Wortschatzes",
DUDEN-DUW
wie
konstituieren eine relativ 1598). Und dennoch
mit Sicherheit von
sich
keine
"authentische
glauben
eigenständige Textwelt: "A
machen
Darstellung
will,
sondern
Worlde of Wördes"
sind sie aufgrund Ihrer funktional-diskursiven
des sie
(Florlo
Einbindung
Ausdruck der Sprachkultur(en), aus denen sie als ausdifferenzierte Institutionen hervorgehen.
Polltische Lexik in deutschen und englischen Wörterbüchern
129
Genau diese Prägung macht dann die Gattung für den Historiker und Kulturforscher interessant. Insbesondere In den sozialgeschichtlich orientierten h i s torlographlschen Paradigmen der Begriffs- und Mentalitätengeschichte hat man den Quellenwert dieser textuellen Institution erkannt - vor allem in den Arbeiten von Rolf Reichardt und seinen Beiträgern (Reichardt 1982 und Reichardt/ Schmitt 1985ff), während die von Reinhart Koselleck geprägte Begriffsgeschichte allerdings eher enzyklopädische Quellen bevorzugt (vgl. Brunner/Conze/Koselleck 1972ff und noch Spree 1987). Außerhalb der Geschichtswissenschaft jedoch ist eine Auswertung von Wörterbüchern in kulturanalytischer Absicht eher die sporadische Ausnahme. Luise Puschs Interpretation des Duden als Trivialroman etwa trägt eher feullletonistlsche Züge (Pusch 1983), und im Ost-West-Wortschatzprojekt konstatiert man lediglich lexikographische Mängel in der vorfindbaren Praxis, gemessen an den selbst erhobenen Ergebnissen (Lange/Pfafferott/Schmldt 1984). Die politologischen Beiträge von Heidenheimer (1986) und Petersen (1987) wiederum vergeben eher die Chancen als daß sie sie nutzen - vor allem Petersen liefert lediglich eine leicht angereicherte Nacherzählung eines Artikels aus dem Oxford English Dictionary. Die Lexikographie selbst beginnt erst seit kurzem, in metalexlkographischer Perspektive kulturelle Implikationen von Wörterbüchern zu thematisieren. Die wichtigsten Beiträge zu diesem Komplex sind aus Frankreich von der Gruppe um Alain Rey gekommen (vgl. Band 3/1987 der Zeitschrift "Lexicographica" sowie schon früher das Themenheft "Dictionnaire, sémantique et culture" der Zeitschrift "Langue française" 1979). Unter dem Titel "Le dictionnaire culturel" macht Rey Vorschläge für eine systematische kulturwlssenschaftlich-metalexikographische Auswertung von einsprachigen Wörterbüchern (Rey 1987: 9ff). Kulturelle Inhalte lassen sich demnach auf zumindest drei Ebenen ausmachen: a) b) c)
als enzyklopädischer Inhalt bzw. soziales Wissen, auf das Bezug genommen wird; als sprachliche Inhalte in den Deskriptionen und den als Belegen zitierten Diskursen; als kulturspezifischer lexikographischer Habitus, der sich etwa in Definitionsweisen, Markierungen und Wertungskategorien zeigt.
Im Projekt einer sprachgeleiteten Analyse von Politischen Kulturen Ist die zweite Ebene die aufschlußreichste. Im Folgenden soll daher beispielhaft aufgezeigt werden, wie eine metalexlkographlsche Auswertung in einem solchen Rahmen vorgehen kann. Derartige Forschungen können dann mit Resultaten aus begrlffsgeschlchtllcher Lektüre von Enzyklopädien sowie Textanalysen verbunden und in politisch-kultureller Perspektive interpretiert werden.
130 3.
Andreas Dörner Semlotische Spurensuche im Dschungel der Lemmata
Kulturelle Muster liegen auch in Wörterbüchern nicht einfach offen dar. Wie alle anderen sozial- und kulturwissenschaftlichen Materlallen bedürfen auch Wörterbücher einer kontrollierten Interpretation, wenn sie Auskunft über politischkulturelle Codes geben sollen. Um also einige Schnelsen In das komplexe Geflecht der politischen Semantik zu schlagen, erscheint mir ein semasiologisch gesteuertes Verfahren sinnvoll, das sich bestimmte Grundannahmen der semiotischen Theorie von Charles Sanders Peirce zunutze macht. Peirce zufolge besteht die Bedeutung eines Zeichens aus den "Interpretanten" dieses Zeichens, d.h. aus anderen Zeichen, die zur "Interpretation", zum Verstehen und I n - d l e eigene-Sprache-Übersetzen im alltäglichen Kommunikationsprozeß verwendet werden (vgl. etwa Peirce 1933). Dieser prozessuale Aspekt kommt Im Peirceschen Theorem von der potentiell "unendlichen Semiose" zum Ausdruck, die das Geschehen im 'Reich der Zeichen' kennzeichnet (vgl. auch Eco 1977: 168ff). Uberträgt man diese Mechanismen des semiotischen Alltags auf die gleichsam artifizlelle, sekundäre Textwelt des Wörterbuches, so können die politischsemantischen Strukturen, sofern sie sich in diesem Medium (ab-)geblldet haben, dann zu Tage gefördert werden, wenn man die Kette der "Interpretanten" innerhalb des Wörterbuches verfolgt und feststellt, in welche semantischen Regionen man Jeweils geführt wird. Es sind also ein oder mehrere Ausgangslexeme zu bestimmen, von dort aus die im entsprechenden Lemma zur Definition der Lexeme angegebenen Zeichen zu registrieren, diese wiederum als Ausgangspunkt anzusetzen und erneut die Definitionen zu untersuchen usw.; was potentiell ad lnfinltum weitergetrieben werden könnte. Zur Veranschaulichung dieser Herangehensweise sollen im Folgenden einige Beispiele gegeben werden, die sich ganz bewußt nicht im Bereich der sogenannten "brisanten Wörter" bewegen, welche meist den Mittelpunkt der strategischen Diskursgefechte im politischen Feld bilden (vgl. dazu Jetzt Strauß/ Haß/Hermanns 1989). Fokussiert ist vielmehr die grundlegende, nicht ideologisch aufgeladene Lexik, der sich zunächst einmal alle Akteure einer (Teil-)Kultur bedienen müssen. Um zu verdeutlichen, daß in politischer Lexik bzw. Lexikographie auch auf dieser elementaren Ebene schon kulturelle Formung am Werke ist, sind die Beispiele sowohl interkulturell als auch intertemporal vergleichend angelegt. Die Studien stehen in einem Rahmen vergleichender Politischer Kulturforschung, die von der Frage ausgeht. Inwiefern moderne politische Gesellschaften, die sich In ähnlichen Problemlagen befinden, diesen auch mit ähnlichen Dispositionen, Perzeptionen und Konstruktionen politischer Wirklichkeit begegnen. Deutschland und Großbritannien sind ausgewählt worden, da zu vermuten Ist, daß diese Länder bei allen - h i s t o risch bedingten - Unterschieden (vgl. Dyson 1980) auch das notwendige Ausmaß
Politische Lexik in deutschen und englischen Wörterbüchern
131
an Gemeinsamkeiten aufweisen, das für vergleichende Analysen erforderlich ist (vgl. dazu ausführlicher Dörner/Rohe 1990). Das Material besteht also aus deutschen und britisch-englischen Wörterbüchern aus der Zeit um die Jahrhundertwende (ca. 1880-1910) sowie aus den 19601980er Jahren (Quellen: WENIG (1886), PAUL (1908), WEIGAND (1909), SANDERS (1910) und MURET/SANDERS (1903); MACKENSEN (1962), WAHRIG-DW (1968), SCHÖFFLER/WEIS (1968), DUDEN-DUW (1983); HUNTER/MORRIS (1896), OGILVIE (1897), CHAMBERS (»1910), COD (1964), CHAMBERS (21972), CASSELL (1978), ALD (1974) und CCED (1987)). Zunächst ist ein synchroner Schnitt durch die Wörterbücher der Jahrhundertwende zu ziehen. Nimmt man als Ausgangspunkt und Wegweiser auf den Pfaden der polltischen Semantik die po7-Lexeme, so wird man schon zu Beginn in charakteristisch unterschiedliche Richtungen geleitet. Die deutschen Einträge zu Politik, politisch verweisen durchweg unmittelbar auf Staat und eine ganze Bandbreite von Komposita mit Staat als Bestimmungswort (Staatskunst, Staatswissenschaft, Staatsklugheit). Das Lemma Staat wiederum weist als primäres Definitionselement politisch auf, so daß sich hier eine bilaterale Interpretantenrelation zwischen 'politischer' und 'staatlicher' Semantiksphäre feststellen läßt. Dies ist auch anhand zweisprachiger Wörterbücher zu bestätigen, wo politics mit den Lexemen Staatswissenschaft und staatsbürgerlich übersetzt wird. Die britischen Wörterbücher bringen demgegenüber als primäre Interpretanten der poi-Lexeme (policy, politics, political) das Wort government ins Spiel. Interessant sind dabei einige Differenzen zwischen policy und politics, die man - vorsichtig mit Hilfe der Palonen'schen Unterscheidung zwischen Disziplin- und Handlungsbegriff des Polltischen wiefolgt beschreiben könnte: Politics wird meist modelliert als science (of government oder which treats of the distributions of power in a country), während policy demgegenüber die Interpretanten art und llne or system of procedure aufweist und stark semantisch eingefärbt ist durch interpersonale sowie institutionalisierte Interaktionsformen (vgl. Palonen 1985). In deutschen Definitionen finden sich in der Regel beide Komponenten, Wissenschaft und Kunst, verbunden mit Klugheit als operative Norm. Es ist vielleicht an dieser Stelle nicht ganz uninteressant, daß sich in deutschen Journalistischen Texten Gebrauchswelsen des Wortes Politik in genau der Weise differenzleren lassen, wie sie den Unterschied zwischen policy und politics im britischen Englisch konstituieren: es findet sich 'die Politik' als Bereich bzw. Interaktionsmodus des Politischen, während 'eine Politik' eine konkrete, inhaltlich spezifizierte und politisch relevante Aktlonsfolge bezeichnet. Wenn A. Heidenheimer also davon spricht, die kontinentaleuropäischen, insbesondere deutschen Sprecher seien aufgrund ihrer Politiklexik kommunikativ "deprived", so verliert diese These bei genauerem Hinsehen einiges von ihrer unmittelbaren
Andreas Dörner
132 Plauslbilitftt (vgl. Heidenheimer 1986).
1986 und Rohe / Dörner / Pfeffer / Schnorr
Interessantere Einblicke fördert die Interpretantenanalyse vor allem dann zu Tage, wenn man über die unmittelbaren Erstdefinitionen hinaus welter in das politisch-semantische Geflecht der Wörterbücher einsteigt. Setzt man dementsprechend Staat/state und Regierung/government als erneute AusgangsStaat/state wörter an, so sind die Bestimmungen zunächst recht ähnlich: für etwa politisches Gemeinwesen oder ein Land (Reich) und Volk als politischer Körper, als ein in sich geschlossenes, in bestimmter Form regiertes Ganzes (SANDERS) einerseits, political body oder the whole body of people under one government (CHAMBERS1) andererseits; für Regierung/government finden sich ebenfalls ähnliche Interpretationskomponenten wie das Regieren, das Walten als Herrscher, als oberster Leiter des Staates gegenüber ruling or managing, the body of persons authorised to administer the laws, or to govern a state. Die Unterschiede schälen sich erst auf der dritten Interpretantenebene deutlicher heraus: so erscheint In Deutschland eine Gruppe von Nomen aus dem organisatorisch-administrativen Feld (Amt, Rangordnung, Ministerium, Genossenschaft), die durch Verben der hierarchischen Kontrolle und Steuerung ergänzt werden (ordnen, walten, leiten, lenken, herrschen, bestimmen, befugen). Diese Ebene der Steuerung findet sich auch in britischen Wörterbüchern (dominate, guide, command, sanction), nicht jedoch eine äquivalente Gruppe von Organisationsnomen. Stattdessen dominieren die Interpretanten society und community, die ihren semantischen Ort eher Im mitmenschlichen Zusammenleben, in der Interaktion, haben. In bezug auf die zentralen Konzepte zeigen sich in der diachronen Dimension einige Kontinuitäten. Noch immer verweisen die unmittelbaren Interpretanten der poi-Lexeme im deutschen Bereich direkt auf die staatliche Sphäre, in Großbritannien auf die Regierungsinstitution. Charakteristisch sind nach wie vor die britischen Bestimmungen, selbst in relativ späten Werken wie ALD oder CCED: in CCED heißt es: which people use to achieve Politics refers to the actions or activities power in a country, society or organization or which ensure that power is used in a particular way [und, in Bezug auf policy:! a general set of ideas or plans that has been officially agreed on by people in authority and which is used as a basis for making decisions, especially in politics, economics and business. Ganz ähnlich bringt ALD im gleichen Artikel u.a. die Bestimmung: plan of action, Statement of aims and ideals, government, political party, business company, etc.
esp.
one made
by
a
Deutlich schälen sich hier Politikbegriffe heraus, die als Kernelement die intentionale Aktion und Interaktion sowohl individueller als auch kollektiver Akteure beinhalten.
Politische Lexik in deutschen und englischen Wörterbüchern
133
Wörterbücher aus den 1960er bzw. 1980er Jahren in der Bundesrepublik d o k u mentieren, daß die politische Sphäre hier nach wie vor geprägt ist von der Staatssemantik (zur gesellschaftlichen Funktion dieser Semantik vgl. Luhmann 1984, 1984a und 1987). So gibt WAHRIG-DW die Politik-Definition aile Maßnahmen zur Fährung (Innen-) u. seines Verhältnisses
eines Staates hinsieht!, seiner zu anderen Staaten (Außen-),
Verwaltung Staatskunst
(ähnlich MACKENSEN: Staatskunst, -fährung). Selbst dort, wo DUDEN-DUW explizit die Dimension des politischen Handelns durch Regierungen, Parlamente, Parteien und andere Organisationen aufweist und so das Bild eines komplexeren Interaktionssystems entwirft, wird das Ganze schließlich doch wieder staatssemantisch eingefärbt durch den Zusatz bes. im staatlichen Bereich. In den britischen Wörterbüchern findet sich lediglich eine semiotische Spur der S t a a t s i n s t i t u t i o n in der Definition von policy, die auf statecraft verweist. Höchst i n t e r e s s a n t sind in diesem Zusammenhang auch wieder die zweisprachigen Werke (SCHÖFFLER/WEIS, CASSELL), die die englischen PoV-Lexeme mithilfe zweier Komponenten übersetzen: zum einen mit polltisch, Politik, zum anderen aber wieder mit Staat (staatliche Organisation, Staatskunst, -Wissenschaft etc.). Verglichen mit den Jahren um 1900 ist Staat nicht mehr der einzige, gleichwohl Jedoch der wichtigste semantische Faktor im lexikographisch dokumentierten politischen Feld. An dieser Stelle sei ein kurzer Seitenblick g e s t a t t e t , der auf sehr eigene Weise ein Zeugnis f ü r die Stärke der deutschen Staatstradition liefert. Gemeint ist WDG (1968-77), das wichtigste Wörterbuch der deutschen Sprache in der DDR. Der Eintrag zu Politik soll hier etwas ausführlicher zitiert werden, da er einen sehr anschaulichen Einblick gewährt in Jene semiotische Koppelung der Felder 'Staat' und 'Kommunismus/Sozialismus', wie sie in mancher Hinsicht für die Politische Kultur der DDR typisch ist: "Politik; Kampf der Klassen und Ihrer Partelen um die Staatsmacht, um die Teilnahme an den Staatsgeschäften, Leitung des Staates und Festlegung der Formen, Aufgaben und des Inhaltes der staatlichen Tätigkeit zur Durchsetzung, Wahrung und Verteidigung der Interessen und Ziele der herschenden Klasse im Inneren des Staates oder gegenüber den anderen Staaten". Allerdings muß hier eingeräumt werden, daß gerade angesichts der offen p r o klamierten, bewußten Gestaltung der Definitionen im Rahmen des MarxismusLeninismus dieser Text lediglich auf die offiziell gemanagte Politische Kultur der DDR verweist (vgl. dazu auch Opp de Hlpt 1989). Dieser Tatbestand sollte Jedoch in Erinnerung rufen, daß auch die untersuchten bundesdeutschen und britischen Wörterbücher Rückschlüsse nur auf die etabliert-hegemonlalen Kulturen, nicht Jedoch auf s u b - und teilkulturelle Bereiche ermöglichen. Zurück zur bundesdeutschen Semantik. Die Lemmata zu Staat/state und Regierung/government zeigen eine ähnliche Tendenz wie die Politik-Definitionen,
134
Andreas Dörner
wobei ein
interessantes
d e f i n i e r t a l s governing
Detail
a State,
auffällt. the State
Das
Wort
as an agent
government -
wird
in
COD
e i n e B e s t i m m u n g , die im
britischen Kontext überraschend wirkt und eher an ein deutsches Staatsbild gemahnt. Gleichwohl Ist dabei zu beachten, daß der Ausdruck in der Funktion eines Interpretanten des Wortes government methaphorischen Charakter trägt; die aktive Funktion wird tatsächlich nach wie vor der Institution 'Regierung' zugesprochen, die agiert, als ob der Staat in Form eines Akteurs in Erscheinung treten könnte. Vielleicht markiert dieses "als ob" einen semlotischen Vorboten für den Obergang zu einer Sicht des Staates als aktive Handlungseinheit dort, In solcher Weise konzeptualisiert wurde. In wo traditionell nur government geradezu komplementärer Metaphorik erscheint in einem deutschen Wörterbuch (WAHRIG-DW) Staat figurativ interpretiert als Regierung (/fig/Regierung), und die im Artikel angegebenen Kollokationen weisen die aktive Funktion in einer personalisierenden Semantik direkt dem Staate zu: Vater Staat, im Interesse des Staates.
Die 'tieferen' Ebenen unserer Interpretantenanalysen eröffnen auch in der diachronen Vergleichsperspektive einige interessante Einsichten. Auf der einen Seite zeigt die dritte Analyseebene, daß in den (bundes-)deutschen Wörterbüchern nach wie vor das organisatorisch-administrative Feld dokumentiert ist: als Interpretanten der Lexeme Staat und Regierung erscheinen etwa folgende Zeichen:
Befehl,
Zweck,
Organisation,
Vorgesetzter,
Verwaltung,
Dienst/stelle,
Amtspflicht,
Befugnis,
Amtsgeschäfte,
Behörde,
Beamte(r),
Angelegenheit,
Verband,
verwalten, ernennen) Diese kulturelle Sphäre der "verwalteten Welt" hat nun freilich auch In der englischen Lexikographie Spuren hinterlassen (vgl. etwa administration, official, ministry etc.). Auf der anderen Seite sind in den deutschen Interpretantenketten nun auch Bezeichnungen für Organisationen außerhalb des Staates zum festen Bestandteil geworden. Dies gilt vor allem für die Wörter Partei
und
Gewerkschaft.
Der Aspekt des Steuerns und Herrschens scheint auf beiden Selten stabil. Allerdings ist auch in diesem Bereich ein nicht unwichtiger Unterschied zu finden: die britischen Wörterbücher federn den Herrschaftsaspekt gleichsam ab durch Komponenten der Individuellen Partizipation und der Legitimation (vgl. Interpretanten
wie
elect,
representative,
consent,
rights,
republic
sowie
als
Kontrast
tyrant und opress). Derartiges ist in der lexikographisch manifestierten politischen Kultur der Bundesrepublik nicht beobachtbar. Die Partizipationsdimension, so müßte man vorsichtig gerade im Hinblick auf die oben erwähnten Wörter Partei und Gewerkschaft Interpretieren, trägt eher Züge der kollektiven Beteiligung. Als kurze Zwischenbilanz kann also festgehalten werden, daß die deutschen Wörterbücher auf eine politisch-kulturelle Konstruktion von Wirklichkeit verweisen, die um 1900 eindeutig vom Staat und seinem organisatorischen Apparat dominiert wird. Später ist dieses Bild angereichert mit einem politisch-
135
Politische Lexik in deutschen und englischen Wörterbüchern
administrativen
"Vorbau",
Organisationen
ebenso
Sprachlandschaft
zeigt
"Regierung",
die mit
interaglert,
wobei
in
dem
eine
Regierungen,
gewichtige
nach
wie
vor
Parteien
Rolle
eine
spielen.
Vorherrschaft
anderen
Kräften
im Rahmen
allerdings
eine
Einfärbung
von
andere britische
der
society
durch
und Die
Institution
und
Community
administrative
und
organisatorische Semantiken zu beobachten ist.
Einblicke in die elementaren politisch-kulturellen Codes in Deutschland und Großbritannien
4.
Die
in
der
gebotenen
Kürze
schaftliche Auswertung diese
Quellengattung
Schnelsenschlagens wichtige Dienste
von vor
allem
einer leisten
vorgestellten
Beispiele
Sprachwörterbüchern in
der
Heuristik
sprachgeleiteten kann,
wie sie
für
sollten und
Analyse
darüber
eine
kulturwissen-
veranschaulichen, der
Phase
von
hinaus
des
Politischer
aber auch
wie
ersten Kultur
Phänomene
offenlegt, die bei anderen Zugangsweisen so nicht sichtbar würden. Natürlich ist andererseits die Stellung des Wörterbuchs im politisch-kulturellen Feld kaum so, daß eine metalexlkographische Analyse vollständig die sprachlich manifestierten basalen
Kulturmuster erfassen
könnte. Zur
Kontrolle,
Ergänzung
und weiteren Dimensionierung sind Zugänge über andere Institutionen, respektive andere
Textwelten
zugrundeliegende,
und
Konversationslexika Um den Stellenwert im
Projekt
sind
begriffsgeschichtlich
auf morphologischer, sollen
Quellengattungen
vergleichende
syntaktischer einige
Aspekte
Resultate knapp referiert werden
das
und Journalistische
untersucht
Ebene
analysiert
im Kontext einschätzen
der
(vgl.
Für
über
diese
dazu und zur
hier
Enzyklopädien
auch
und semantischer
der Wörterbuchbefunde
Folgenden
erforderlich. daher
zu
Materialien
genaueren
bzw. Texte
worden. können,
erhobenen
Kennzeichnung
der Quellengattungen Dörner/Rohe 1990). Für die wichtigsten Grundstrukturen der politisch-kulturellen Codes, die als dem (Meta-)Medium auch
In
Wörterbuch
den
Deutschland
eingeprägt
Enzyklopädien
führen
fast
des
alle
festgestellt
werden
Zeitraums
deutliche
Wege
zum
Mittelpunkt
stellen.
Begriffsregionen
Dieser
wie
den
Sachverhalt Einträgen
läßt
zu
society sich
und
selbst
police/Polizei
finden
Bestätigungen.
während
Staat,
Definitionspolitiker die Komponenten government,
konnten, die
EB U ),
die Sicherung von
law and
order
Community in den
in
eher
und
peripheren
anarchy/Anarchie
gerichtete Institution (EB9
die deutsche Teleologie der Polizei als "die gesamte staatliche
gegenüber,
die
"Im
Inneren
Staatsleben
zur
Sicherung
In
britischen
nachweisen: Im ersten Falle steht einer nüchtern-kurzen Bestimmung von als eine auf
sich
und
pólice und
Tätigkeit"
Förderung
der
Wohlfahrt des Staates und seiner Angehörigen entwickelt wird"; hier drückt sich ein Grundmuster von (MEYER3).
Im zweiten
outputorientierter, Fall
dagegen
technizistischer
zeigt
sich
Staatsbezogenheit
angesichts
von
Anarchie
aus auf
136
Andreas Dörner
deutscher Seite eine hochgradige Phobie vor einer Staatsform (!), die ohne legale Autorität und Herrschaft der Gesetze auskommen müßte, während die britischen Lexika die möglichen Chancen für freie Assoziationsformen und den Individualismus herauspunkten. Auch die diachrone Tendenz von zugleich Kontinuität und Wandel der politischen Kulturen bildet sich im enzyklopädischen Diskurs deutlich ab: im deutschen Bereich die staatsbezogene Perspektlvik, die durch Elemente eines politischadministrativen Systems ergänzt wird (vor allem die wachsende Bedeutung der politischen Parteien ist gut dokumentiert), im britischen das Politikmodell von lntentlonaler Aktion und interaktiver Konstruktion des polltischen Feldes. Darüber hinaus Jedoch lassen sich weitere Beobachtungen machen: etwa die geradezu "abteilungsförmlge" Ausdifferenzierung der Semantik wie auch des Aufbaus der in den Nachschlagewerken vorfindbaren Artikel, die eine strukturhomologe Beziehung zwischen enzyklopädischem Diskurs und kulturell ausdifferenzierten Politikfeldern anzeigen. Das zeigt sich etwa im Artikel Politik in MEYER® mit folgenden Teilartikeln: praktische Politik, theoretische Politik, Real- und Idealpolitik (VerfassungsGesetzgebungs-, Rechts-, Finanz-, Steuer-, Wirtschaftspolitik), äußere Politik (Handels-, Zollpolitik). Dieses Phänomen einer ausdifferenzierten Politik-Lexik zeigt sich schließlich auch in den journalistischen Textquellen sowohl der Jahrhundertwende wie der Zeit nach 1946 (vgl. zum Folgenden ausführlich die Arbeit von Seck 1989, die maschinenlesbare Textkorpora ausgewertet hat, und Dörner/Rohe 1990). Einer morphologischen Armada von Komposita mit den Wörtern Politik und politisch auf deutscher Seite stehen kaum gleiche oder äquivalente Formen (Komposita, Adjektivkonstruktionen) auf britischer Seite gegenüber. In dieser Hinsicht ist allerdings auch ein gewisser Wandel festzustellen, denn die neueren englischen Texte weisen ebenfalls eine derartige Lexik auf (internal, foreign, economic, social policy etc.). Interessanter sind auf der textuellen Ebene natürlich die kontextuellen Gebrauchswelsen und Kollokationen. So deuten nicht nur die Gebrauchsfrequenzen von Textwörtern wie Staat/staate, Regierung/government deutliche kulturelle Unterschiede an, sondern diese zeigen sich vor allem in typischen Wendungen. Staat erscheint In deutschen Texten besonders häufig als logisches und syntaktisches Subjekt, das Wort bezeichnet eine aktive Institution, die auf verschiedenen Politikfeldern - vor allem Finanzen, Kultur, Erziehung und Gesundheit - tätig ist. Typisch sind Verbalphrasen vom Muster "der Staat gibt, gewährt, leistet". Trotzdem zeigt sich der spezifische Erweiterungsprozeß in der politisch-kulturellen Sprache der Bundesrepublik auch in den Journalistischen Texten: neben Staat haben sich auch Regierung und vor allem Partei als Protagonisten auf der diskursiven Bühne fest etabliert. Regierung etwa Ist in ca. 45% der Belege
Politische Lexik in deutschen und englischen Wörterbüchern
137
ebenfalls in logischer Subjektposition zu finden, und viele der Kollokationen ähneln denen mit Staat. So wird das Wort kombiniert mit Verbalkonstruktionen wie Straßenbau betreiben oder wirtschaftliche Ordnung wieder herstellen. Das heißt jedoch nicht, daß alle Unterschiede damit nivelliert wären. So ist zu beobachten, daß in Verbindung mit dem Regierungs-Lexem recht häufig Verben der Interaktion und Kommunikation sowie performative Verben Verwendung finden, z.B. erklären, zum Ausdruck bringen, ankündigen, entscheiden, das Handtuch werfen. Zudem wird in den meisten Fällen das Wort Regierung mit konkretisierenden Attributen gebraucht (deutsche Regierung, Regierung Kohl). Sind diese Elemente in Zusammenhang mit Staat kaum gebräuchlich, so weist dieses Wort andererseits ein Charakteristikum auf, das für das Lexem Regierung weniger häufig ist: Kollokationen mit Modalverben wie der Staat muß, kann, soll, darf etc. Im britischen Bereich ist Government (in der Großschreibung) das dominierende Wort. Es erscheint in ca. der Hälfte der Fälle in logischer Subjektposition. Syntaktisch wie semantisch gibt es einige Parallelen zum deutschen Lexem Regierung, allerdings auch einen wichtigen Unterschied: Government und government haben funktional komplementäre semantische Rollen. Die erstgenannte Wortform bezeichnet einen kollektiven Akteur, während government einen abstrakten Begriff zum Ausdruck bringt, der verschiedene - prinzipielle Aspekte einer Institution thematisiert. Daher finden sich in den Texten typische Kollokationen wie interested in government, participate in government, government powers, government tradition sowie machinery of government. State/state spielen in dem Ausschnitt der politischen Kommunikation, der mit diesen Materialien eingefangen wurde, eine nachgeordnete Rolle, die sich zudem meist auf feste Fügungen wie State Secretary u.ä. beschränkt. Zumindest in bezug auf das innenpolitische Feld scheint die Staatssemantik in Großbritannien in der polltischen Sprache nach wie vor eine quantité negligable. Zusammenfassend (vgl. hierzu ausführlicher Seck 1989 und Dörner/Rohe 1990) läßt sich als politisch-kulturelle Interpretation dieser Sprachbefunde festhalten, daß Im elementaren politischen Code der dominanten Politischen Kultur in Deutschland die 'cognltive map' einen Wandel von der monolithischen Vorherrschaft des Staates zu einem komplexen politisch-administrativen System durchlaufen hat. Schon zur Jahrhundertwende ist in Deutschland gegenüber Großbritannien ein "moderneres" Politikverständnis festzumachen, moderner aufgrund 1) eines höheren Grades an Ausdifferenzierung der Politiklexik, die gleichsam der Ausdifferenzierung von politischen und administrativen Feldern in der Zelt korrespondiert, und aufgrund 2) einer "technischeren" Politikkonstruktion, welche die systemische Produktion und Distribution von öffentlichen Gütern in den Mittelpunkt stellt. Dieser Code bleibt, ungeachtet konstatierter Paradigmen- und Wertewandelsprozesse, bis in die Gegenwart hinein wirksam: wer in (der Bundesrepublik) Deutschland diskursstrategisch erfolgreich handeln will, der kommt an der spezifischen Staatssemantik nach wie vor nicht vorbei.
138
Andreas Dörner
In Großbritannien scheint demgegenüber eine gewisse Konstanz des handlungsbezogen-interaktlonistischen Politikbildes festzustellen, wobei jedoch nach 1945 eine Konvergenzbewegung hin zu den deutschen Mustern besteht, die sich etwa In der ausdifferenzierten Politlkfeld-Lexlk ausdrückt.
5. Ausblick: Lexikographie und (politische) Kulturfoschung "Befruchtung ist keine Einbahnstraße" (Dr. Helmut Kohl) Unser Bundeskanzler hatte, als er vor einigen Jahren mit der oben zitierten Bemerkung anläßlich des deutsch-japanischen Kulturaustausches wieder einmal das versammelte Medienpublikum zum Lachen brachte, sicherlich weder die Lexikographie noch die Politikwissenschaft im Sinn. Gleichwohl kann sein eigenwilliger Sprachwitz hier zum Verweis darauf dienen, daß das Verhältnis von (Meta-)Lexikographle und Kulturforschung nicht lediglich in einer einseitigen Instrumentellen Ausrichtung bestehen muß. Können Wörterbücher als aufschlußreiche Quellen dienen, so erscheint es andererseits auch sinnvoll, Resultate der Politischen Kulturfoschung In lexikographische Beschreibungen eingehen zu lassen, d.h. Wörterbücher auch in der Produktionsperspektive als "Kulturwörterbücher" zu verstehen. Die Forderung nach bewußter Aufnahme kulturellen Wissens ist natürlich keinesfalls neu (vgl. etwa Reichmann 1986), allerdings gerade im Bereich der politischen Lexik noch kaum beachtet worden. Zu denken ist dabei nicht nur an eine Berücksichtigung von empirischen Textuntersuchungen etwa zum Gebrauch der elementaren Politiklexik wie Staat und Regierung-, dies ist in der empirisch orientierten Lexikographie zumindest ein etabliertes Desiderat, wobei jedoch auch Arbeiten aus der Politikwissenschaft ausgewertet werden sollten (etwa Opp de Hipt 1987 zum Staatsbegriff). Zu denken Ist darüberhinaus auch an die Berücksichtigung historisch erfolgter, aber synchron wirksamer Aufladungen bestimmter Wörter, deren lexikographische Berücksichtigung vor so manchem politisch-kulturellen Mißverständnis bewahren könnte. Als Beispiel sei auf das US-amerikanische liberal verwiesen, das aufgrund seiner spezifischen Semantik fast diskursunfähig geworden ist, obgleich man doch zurecht als Außenstehender In den USA eine starke "liberale" Tradition vermuten kann. Man braucht aber auch nur an die gewandelte Semantik einer ganzen Reihe von Wertbegriffen zu denken, die Im Zuge des "Wertewandels" mit neuen kognitiven und vor allem normativen Ladungen ausgestattet worden sind (vgl. Gabriel 1986). Die neuere begriffs- und mentalltätengeschichtllche Forschung (vgl. etwa Relchardt / Schmitt 1985ff) zeigt, freilich noch In eher monographisch-narrativer Form, In welche Richtung eine derartige Arbeit gehen könnte. Folgt man diesem
Politische Lexik in deutschen und englischen Wörterbüchern
139
Gedankenpfad weiter, so sind sogar Formen der Beschreibung denkbar, die ein genau erhobenes Sprachwissen verbinden mit dem in distanzierender politologischer Analyse gewonnenen Sachwissen über politisch-soziale Strukturen, um so die multiperspektivische, komplexe Konstruktion politischer Realität innerhalb einer Gesellschaft zu re-konstruieren. Gerade dem so oft beschworenen Verhältnis zwischen Sprach- bzw. Textwelten und "realen" Erfahrungswelten wäre so genauer empirisch auf die Spur zu kommen. Wenn - allen real existierenden Hindernissen zum Trotze - eine derartige interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Metalexikographie und Politischer Kulturforschung zustande käme, dann könnte das Medium Wörterbuch vielleicht im kulturellen Feld tatsächlich eine orientierende, oder - der Ausdruck sollte gerade in diesen postmodernen Zeiten nicht vergessen werden - eine aufklärerische Funktion wahrnehmen.
6.
Literatur:
6.1
Quellen:
6.1.1 Deutsche Wörterbflcher: DUDEN-DUW = Duden Deutsches Universalwörterbuch. Herausgegeben und bearbeitet vom Wissenschaftlichen Rat und den Mitarbeitern der Dudenredaktion unter Leitung von Günther Drosdowski. Mannheim, Wien, Zürich 1983. GRIMM = Deutsches Wörterbuch. Von Jacob und Wilhelm Grimm. Sechster Band (1889), bearbeitet von Dr. Matthias von Lexer. Zehnter Band, II.Abt., 1.T1. (1919), bearb. von M. Heyne, Br. Crome, H. Meyer, H. Seedorf. Leipzig 1854 - 1954. MACKENSEN = Deutsches Wörterbuch. Grammatik - Stil Worterklärung. Fremdwörterbuch. Bearb. und hrsg. von Lutz Mackensen. Baden-Baden: Pfahl 1962. MURET-SANDERS = Muret - Sanders Encyklop&dlsches englisch-deutsches und deutsch-englisches Wörterbuch [...] Hand- und Schulausgabe. Durchgesehene und verbesserte Stereotyp-Auflage. Dreiunddrelssigstes bis zweiundvierzigstes Tausend. Berlin: Langenscheidt 1903. PAUL = Deutsches Wörterbuch. Von Hermann Paul. Zweite vermehrte Auflage. Halle a.S 1908. SCHÖFFLER/WEIS = Schöffier-Weis Handwörterbuch. Teil I Englisch-Deutsch, bearbeitet von Prof. Dr. Erich Weis unter Mitwirkung von Dr. Heinrich Mattutat. Teil II Deutsch-Englisch, bearbeitet von Dr. Erwin Weis und Dr. Erich Weis. Stuttgart 1968. SANDERS = Handwörterbuch der deutschen Sprache. Von Daniel Sanders. Neu bearbeitet, ergänzt und vermehrt von J. Ernst Wülfing. Leipzig 1910.
Andreas Dörner
140
WAHRIG-DW = Das Große Deutsche Wörterbuch. Herausgegeben in Zusammenarbeit mit zahlreichen Wissenschaftlern und anderen Fachleuten von Gerhard Wahrig (...] Gütersloh 1968. WDG = Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache. Hrsg. von Ruth Klappenbach und Wolfgang Stelnitz. Berlin/DDR: Akademie-Verlag 1961-1977. WEIGAND = Deutsches Wörterbuch. Von Fr.L.L. Welgand. Fünfte Auflage in der neuesten für Deutschland, Österreich und die Schweiz gültigen amtlichen Rechtschreibung. Nach des Verfassers Tode vollständig neu bearbeitet von Karl von Bahder, Herman Hirt, Karl Kant, hrsg. von Herman Hirt. Gießen: Töpelmann 1909. WENIG = Handwörterbuch der deutschen Sprache mit Bezeichnung der Aussprache und Betonung [...]. Von Christian Wenig. Neu bearbeitet von Dr. G. Schumann. Achte, sorgfältig verbesserte und vermehrte Auflage. Köln: Du Mont-Schauberg 1896.
6.1.2 Britische Wörterbücher: ALD = Oxford Advanced Learner's Dictionary of Current English. A.S. Hornby with A.P. Cowie, A.C. Gimson. 11., überarbeiteter Druck. Berlin: Cornelsen & Oxford UP 1974. CASSELL = CasseJJ's German-English English-German Dictionary. Completely revised by Harold T. Betteridge. London, New York: Cassell 1978. CHAMBERS1 = Chambers's Twentieth Century Dictionary of the English Language. Edited by Rev. Thomas Davidson. London, Edinburgh: Chambers 1910. CHAMBERS2 = Chambers Twentieth Edinburgh: Chambers 1972.
Century Dictionary.
COD = The Concise Oxford Dictionary of Current and F.G. Fowler. Oxford: OUP 1964. COLLINS-CELD = Collins Cobuild English Collins 1987.
Language
Edited by A.M. Macdonald.
English.
Edited by H.W. Fowler
Dictionary.
London, Glasgow:
HUNTER/MORRIS = The Encyclopaedic Dictionary. A new, original and exhaustive work of reference to all English words, their origin, development, orthography, pronunciation, meaning and legitimate or customary use. Ed. by Robert Hunter and Charles Morris [...]. Boston u.a.: Newspaper Syndicate 1896. OGILVIE = The Student's English Dictionary. Literary, scientific, etymological and pronouncing. By John Ogilvie. New Edition, thoroughly revised and greatly augmented. Edited by Charles Annandale. [...]. London, Glasgow and Dublin: Blackie. 1897.
6.2
Sonstige Literatur
Almond, Gabriel A. / Verba, Sidney (1963): The Civic Culture. and Democracy in Five Nations. Princeton: Princeton UP.
Political
Attitudes
Almond, Gabriel A. / Verba, Sidney (Hrsg.) (1980): The Civic Culture Boston, Toronto: Little, Brown.
Revisited.
Politische Lexik in d e u t s c h e n und e n g l i s c h e n Wörterbüchern
141
Bachtin, Michail M. ( 1 9 7 9 ) : Die Ästhetik des Wortes. Hrsg. und übers, von Rainer Grübel. F r a n k f u r t / M . : Suhrkamp [= edition suhrkamp 967], Baker, S h e r i d a n (1972): "The Sociology Words." In: Weinbrot 1972; 1 3 8 - 1 5 1 . Ball,
Terence (1988): Critical Conceptual
of
Dictionaries
and
Transforming Political Discourse. History. Oxford: Blackwell.
the Sociology
Political
Theory
of
and
Berger, Peter L. / Luckmann, Thomas (1969): Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie. Frankfurt/M.: F i s c h e r . Bourdieu, Pierre (1977): "La production de la croyance. Contribution économie des b i e n s s y m b o l i q u e s . " In: Actes de la recherche en sociales 3 (1977), No. 13; 3 - 4 4 . Bourdieu, Pierre Urteilskraft.
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feinen Unterschiede. Suhrkamp.
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der
Western and
GOTHILD THOMAS
Kotasu, doma, yukata. Zu einem Phänomen der Wortsemantik im zweisprachigen Wörterbuch am Beispiel des Sprachenpaares Japanisch und Deutsch
Der
ausgangssprachliche
einem Wort, sehr
Teil
dem Lemma,
unterschiedlich
Verfügung, das
eines
während
sein
inhaltlich
kann. mit
Wörterbucheintrags
der
zielsprachliche
Steht
in
dem Lemma
der
besteht Teil
gewöhnlich
Zielsprache
übereinstimmt,
dann
ein
Lexem
sind
die
T e i l e des Wörterbucheintrags auch In Form und Umfang gleich. Besteht dem Lemma mung,
und mehreren
dann
findet
man
zielsprachlichen auf
der
Lexemen
zielsprachlichen
eine t e i l w e i s e Seite
des
eine Reihe von Lexemen, die ihrerseits t e i l w e i s e inhaltlich in
der
Zielsprache
kein
Lexem
zur
Verfügung,
das
elliptischen
Satzes
einsprachigen
zwischen
Wörterbucheintrags
übereinstimmen.
inhaltlich
mit
dem
Steht Lemma
Sprache,
Seite des Wörterbucheintrags auch die Form
annehmen,
enzyklopädischen
ähnlich
den
Wörterbuchs. In
Wörterbucheintragungen diesem
zur
beiden
Übereinstim-
übereinstimmt, d. h. ist ein Lexem ä q u i v a l e n t l o s gegenüber der anderen dann kann die zielsprachliche
aus
in Form und Umfang
Fall
eines eines
sind die Wörter
im
zielsprachlichen Teil des Wörterbucheintrags syntaktisch miteinander v e r k n ü p f t . Stehen
sich
Einheiten, kehrbar.
im
Wörterbucheintrag
also zwei
Das
Wort,
Lexeme, das
zwei
gegenüber,
im Wörterbuch
in
Form
dann
ist
der
einen
und der
Richtung
Seite gestanden hatte, erscheint
im Wörterbuch
und umgekehrt.
der zielsprachliche T e i l
Besteht dagegen
Umfang
vergleichbare
Nachschlagevorgang auf
der anderen Richtung des
um-
zielsprachllcher als Lemma
Wörterbucheintrags
aus mehreren Lexemen, dann ist der Nachschlagevorgang in umgekehrter Richtung f ü r Jedes
einzelne Lexem durchführbar. In
im Wörterbuch
der
umgekehrten
Richtung
diesem Fall an
vielen
kann das
Ausgangslexem
verschiedenen
Stellen
zu
finden sein. Besteht
der
miteinander Lexem
aus
zielsprachliche verbundenen dieser
Teil
des
Wortkette,
Wortkette
Wörterbucheintrags dann
im
ist
es
Wörterbuch
zwar der
aus
einer
syntaktisch
möglich, Jedes
einzelne
umgekehrten
Richtung
nachzuschlagen. Aber das Ausgangslexem, das dieser Wortkette
gegenübergestan-
den hatte, wird bei keinem dieser Lexeme a u f f i n d b a r sein. In diesem Fall ist
der
Nachschlagevorgang nicht umkehrbar. Die
Umkehrbarkeit
das
Äquivalent
des
eine
Nachschlagevorgangs
vergleichbare
setzt
voraus,
Gebrauchshäufigkeit
daß
das Lemma
aufweisen.
Die
und
Auswahl
148
Gothild Thomas
der Lemmata ist immer am Wortschatz der Ausgangssprache orientiert. Wenn ein Lemma und ein Lexem der Zielsprache inhaltlich völlig übereinstimmen, aber das zielsprachliche Lexem so ungebräuchlich ist, daß es nicht im engeren Sinn zum Wortschatz der Zielsprache gehört, wird es im Wörterbuch der umgekehrten Richtung nicht als Lemma erscheinen. In diesem Fall ist das Ausgangslexem in diesem Wörterbuch nicht auffindbar. Während die Komponentenanalyse als Mittel zur Untersuchung von A q u i v a lenzbeziehungen zwischen Lexemen aus verschiedenen natürlichen Sprachen ausschließlich Inhaltliche Gesichtspunkte zugrunde legt, wird bei der Umkehrung des Nachschlagevorgangs auch die pragmatische Komponente der Gebrauchshäufigkeit bzw. der Geläufigkeit berücksichtigt. Die Fragestellung der Untersuchung lautet: Ist das Ausgangslexem durch Umkehrung des Nachschlagevorgangs im Wörterbuch der umgekehrten Richtung wieder auffindbar? Die These l a u t e t : Ist ein Lexem im Wörterbuch der umgekehrten Richtung nicht auffindbar, dann ist es gegenüber der anderen Sprache äquivalentlos. Bei einer Untersuchung von Aquivalenzbeziehungen zwischen Lexemen aus unterschiedlichen Sprachen, die sich auf Wörterbücher s t ü t z t , ist eine besondere Sorgfalt bei der Auswahl geeigneter Wörterbücher geboten. Generell kann dabei gelten, daß die Untersuchung um so genauer ausfallen wird, je mehr Wörterbücher einbezogen werden, und je unterschiedlicher diese Wörterbücher h i n sichtlich der Autoren beziehungsweise Autorenteams, der Adressatenkreise und des Umfangs sind. Für das Sprachenpaar Japanisch und Deutsch Wörterbüchern zur Verfügung, aus denen f ü r Wörterbücher ausgewählt wurden:
steht diese
eine große Zahl von Untersuchung folgende
Japanisch-Deutsch: (a)
KIMURA (1950): 2622 Seiten. Anzahl der Lemmata geschätzt: 60.000. Nach den japanisch geschriebenen Angaben der japanischen Autoren Vorwort des Wörterbuchs richtet sich dieses Wörterbuch sowohl japanische Germanisten als auch an deutsche Benutzer.
(b)
LANGENSCHEIDT (1981): Teil 1: Japanisch-Deutsch. 192 Seiten. Teil 2: Deutsch-Japanisch. 187 Seiten. Gesamtzahl der Lemmata nach e i g e nen Angaben: 27.000. Vorbemerkungen und Benutzungsanweisungen: deutsch. Keine Schriftzeichen. Dieses Wörterbuch ist von deutschen Autoren f ü r deutsche Benutzer geschrieben.
(c)
SCHINZINGER (1980): J a p a n i s c h - Deutsch. 1581 Seiten. Anzahl der Lemmata nach eigenen Angaben: 79.000. Dieses Wörterbuch i s t von einem d e u t s c h - j a p a n i s c h e n Autorenteam sowohl f ü r deutsche als auch f ü r Japanische Benutzer konzipiert.
im an
149
Wortsemantik im zweisprachigen Wörterbuch Für die umgekehrte Richtung, Wörterbücher zugrundegelegt:
nämlich
deutsch-japanisch,
wurden
folgende
(a)
KURAISHI (1961): 1127 Seiten. Anzahl der Lemmata: geschätzt ca 30.000. Das bei Sanseido erschienene Wörterbuch ist von japanischen Autoren f ü r japanische Benutzer geschrieben, wie das Vorwort und die Benutzungsanweisungen unschwer erkennen lassen.
(b)
LANGENSCHEIDT (1981):
(c)
SAGARA (1963): 1792 Seiten. Anzahl der Lemmata: geschätzt ca. 60.000. Vorwort und Benutzungsanweisungen sind japanisch geschrieben, so daß sich auch dieses Wörterbuch, das von japanischen Autoren v e r f a ß t wurde, an einen japanischen Benutzerkreis richtet.
Wie oben.
Als einsprachiges japanisches enzyklopädisches Wörterbuch wurde folgendes Werk herangezogen: SHINMURA (1950): 2359 Seiten. Anzahl der Lemmata: geschätzt ca 140.000. Anhand dieser Wörterbücher soll untersucht werden, ob die Lexeme kotatsu, doma und yukata äquivalentlos gegenüber dem Deutschen sind. Bei den drei a u s gewählten Lexemen handelt es sich um Benennungen von Gegenständen des täglichen Gebrauchs. In der japanischen Sprache zeichnen sie sich durch eine hohe Gebrauchshäufigkeit und Geläufigkeit aus. In zwei von sechs japanischen Nachkriegsromanen war das Lexem kotatsu e n t h a l t e n , in vier von ihnen kam doma vor, und in fünf der sechs Texte wurde yukata erwähnt. Das Lexem kotatsu wird im einsprachigen enzyklopädischen (SHINMURA) wie folgt erklärt: (eigene Übersetzung)
Wörterbuch
kotatsu Eine Vorrichtung, mit der man sich wärmen kann, wobei der Fußboden ausgeschnitten und darin ein Ofen aufgestellt wird; darüber kommt ein Gerüst, über das eine Steppdecke gebreitet wird. Oder die Wärmequelle wird, ohne den Boden auszuschneiden, in dem Gerüst angebracht. Diese Erklärung ist f ü r japanische Wörterbuchbenutzer gedacht. Für NichtJapaner muß hier ergänzt werden, daß Japaner gewöhnlich auf dem Fußboden sitzen. Wenn der Fußboden ausgeschnitten ist, kann man seine Beine in dieser Bodenvertiefung wärmen. Die Steppdecke wird um die Hüften gelegt, und der Oberkörper bleibt kalt, da der kotatsu meist die einzige Wärmequelle im j a p a n i schen Haus ist. Ist der Boden nicht ausgeschnitten, kniet man vor dem niedrigen Gestell auf dem Boden. In jedem Fall liegt auf der Steppdecke über diesem Gerüst eine Tischplatte, so daß man im Winter zum Essen, zum Arbelten oder gemeinsam mit Freunden am kotatsu sitzt. In allen drei ausgewählten j a p a n i s c h - d e u t s c h e n Wörterbüchern ist kotatsu als Lemma enthalten. Die zielsprachliche Seite f ä l l t bei unterschiedlich aus:
das Lexem allen sehr
150 (1)
Gothild Thomas KIMURA: kotatsu
der Fußwärmer mit einem Holzgestell darüber, die Feuerstelle mit einer Decke darüber
( j a p a n i s c h e )
(2)
LANGENSCHEIDT: kotatsu jap. Fußwärmer
(3)
SCHINZINGER kotatsu der Kotatsu, ein Fußwärmer mit Tisch und Steppdecke
Gemeinsam ist allen drei Wörterbucheintragungen, daß auf deutscher Seite das Kompositum Fußwärmer erscheint. Dieses steht Jedoch in keinem Fall allein. Im LANGENSCHEIDT ist die Wörterbucheintragung am kürzesten, aber auch hier ist das Kompositum durch ein Adjektiv ergänzt. Bei KIMURA enthält die zielsprachliche Seite des Wörterbucheintrags zwei durch Komma getrennte Einheiten, wobei die erste 6, die zweite insgesamt 7 Wörter enthält, von denen eins, nämlich das Adjektiv >japanischJapanisch< gebraucht worden, und zwar einmal bei LANGENSCHEIDT in abgekürzter Form, zum anderen bei SCHINZINGER, wo es in Klammern gesetzt ist. Im ersten Fall moderiert es das Kompositum Fußwärmer, im zweiten Fall das Kompositum Feuerstelle. In keinem Fall informiert es über die Eigenschaften dieser Gegenstände. Weder der Fußwärmer noch die Feuerstelle haben die Eigenschaft >japanlschJapanisch< trägt nichts dazu bei, die unklare Vorstellung über Form und Beschaffenheit des Fußwärmers beziehungsweise der Feuerstelle zu präzisieren.
Wenn wir andererseits das Adjektiv ergänzen zu >typisch JapanischJapanischJapanischjapanisch< auf der zielsprachlichen Seite zu finden ist, sind im Wörterbuch der umgekehrten Richtung nicht unter dem Lemma japanisch zu finden. Demnach ist auch über dieses Adjektiv das Ausgangslexem nicht wiederzufinden.
(4)
Mehrworterklärung Besteht die Angabe auf zielsprachlicher Seite aus einer syntaktisch m i t einander verknüpften Wortkette, dann ist der Nachschlagevorgang ebenfalls nicht reversibel. In diesem Fall ist es zwar möglich, jedes einzelne Wort der Erklärung im Wörterbuch der umgekehrten Richtung nachzuschlagen, aber nicht die Erklärung in ihrer Gesamtheit. Durch das Nachschlagen der einzelnen Elemente bekommt man möglicherweise eine ins Japanische übersetzte Erklärung zu dem Lexem kotatsu, ähnlich dem, was In SHINMURA bei dem Lemma kotatsu steht. Aber das Ausgangslexem kotatsu ist auf d i e sem Wege nicht mehr auffindbar.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß bei keinem der in den j a p a n i s c h deutschen Wörterbüchern erschienenen Äquivalente im deutsch-japanischen Wörterbuch das Ausgangslexem als Äquivalent zu finden ist. Nun wäre es denkbar, daß das Wort kotatsu bei irgendeinem anderen deutschen Lemma zu finden sein könnte, etwa bei Heizung oder Ofen oder Tisch. Aber wenn zwischen diesen Lexemen und kotatsu eine inhaltliche Übereinstimmung bestünde, dann hätten diese Lexeme als Äquivalente bei dem Lemma kotatsu im Japanischdeutschen Wörterbuch erscheinen müssen. Tatsächlich ist bei keinem der genannten Lexeme das Ausgangslexem kotatsu zu finden. Diese Ergebnisse bestätigen sich, wenn ein weiteres japanisches Lexem, untersucht wird. Wir finden hierfür folgende Wörterbucheintragungen:
doma,
SHINMURA: doma Eine Stelle im Haus, wo der Boden nicht bedeckt ist, sondern nur bloße Erde oder Zement
153
Wortsemantik im zweisprachigen Wörterbuch
Zu ergänzen ist hier für den mit der japanischen Wohnkultur nicht vertrauten Leser, daß die Bezeichnung doma sowohl für die ungedielten Räume eines Hauses als auch für den ungedielten Boden wie sie
teilweise
befindet sich
auf dem
als auch für Gebäude ohne festen Boden,
Land üblich
waren,
gebraucht
doma gewöhnlich im Eingangsbereich,
wird.
Im Wohnhaus
wo Bewohner und Besucher
die Schuhe ablegen, bevor sie die Wohnräume betreten, sowie im Küchenbereich, wo
die
schmutzigen
Arbeiten
erledigt
werden.
In
modernen
Häusern
mit
Etagenwohnungen entfällt meist das doma im Küchenbereich. In den japanisch-deutschen Wörterbüchern findet man folgende Angaben: (1)
KIMURA: der
doma
ungedlelte
Fußboden;
die
Stelle
eines
Hauses,
die
ungedielt ist (2)
LANGENSCHEIDT enthält kein Lemma doma
(3)
SCHINZINGER: der Estrich
doma
KIMURA enthält auf zielsprachlicher Seite zwei Mehrworterklärungen, von denen die zweite einen vollständigen Relativsatz ist in beiden Fällen
einschließt. Der
nicht umkehrbar. Im ersten
durch ein Partizip Perfekt mit negativer Vorsilbe,
Nachschlagevorgang
komplexen Ausdruck ungedielt,
ist
das
moderierte Nomen
Fußboden, zwar in den Wörterbüchern der umgekehrten Richtung nachschlagbar, aber alle drei japanische
genannten Wörterbücher
Äquivalent
yuka.
Doma
bringen bei dem Lemma Fußboden
erscheint
in
keinem
Fall.
SCHINZINGER als einziges Äquivalent angegebenen Lexem Estrich
Bei
dem
das bei
finden wir bei
KURAISHI und SAGARA die beiden Äquivalente yuka und tataki, aber nicht doma. LANGENSCHEIDT enthält kein Lemma
Estrich.
Damit ist doma in keinem der deutsch-Japanischen Wörterbücher auffindbar. Es ist auch kein anderes Lemma denkbar, bei dem es nachgeschlagen werden könnte. Aus dieser
Tatsache können wir schließen, daß das Lexem doma äquivalentlos
gegenüber dem Deutschen ist. Das Lexem yukata wird im einsprachigen Kojien wie folgt erklärt: yukata Ungefüttertes Kleidungsstück aus Baumwolle, das man nach dem Baden sowie im Sommer anzieht Der Schnitt, nach dem ein yukata
genäht ist, gleicht
dem eines Kimono. Der
Unterschied zum Kimono besteht in dem einfacheren Material und dem informellen Gebrauch des Kleidungsstückes. In
dem Japanisch-deutschen
yukata:
Wörterbüchern
findet
man
folgende
Angaben
zu
154 (1)
Gothild Thomas KIMURA: yukata
das Japanische Badekleid; der leichte, hellfarbige Kimono; die einfache japanische Sommerkleidung
yukata
(2)
LANGENSCHEIDT enthält kein Lemma
(3)
SCHINZINGER: yukata der Yukata, ein leichter Sommerkimono
Hier finden wir bei KIMURA drei, bei SCHINZINGER eine Mehrworterklärung. Bei den moderierenden Adjektiven nachzuschlagen führt zu japanischen Adjektiven, aber nicht zu yukata. Die moderierten Komposita Badekleid, Sommerkleidung und Sommerkimono sind nirgends als Lemma enthalten. Das Fremdwort Kimono ist nur bei LANGENSCHEIDT zu finden, und als Ayuivalente sind wafuku und kimono angegeben, nicht aber yukata. Das Zitatwort der Yukata ist in keinem der deutsch-Japanischen Wörterbücher enthalten. Demnach ist auch das Lexem yukata in den deutsch-japanischen nicht enthalten. Der Nachschlagevorgang ist nicht reversibel.
Wörterbüchern
Durch diese Untersuchung konnte deutlich gemacht werden, daß für solche Lexeme, die in der anderen Sprache kein Äquivalent haben, der Nachschlagevorgang unumkehrbar ist. Es konnte ebenfalls dargestellt werden, daß durch Umkehrung des Nachschlagevorgangs die Aquivalenzloslgkeit von Lexemen gegenüber der anderen Sprache nachgewiesen werden kann.
Wörterbücher KIMURA = Kimura, Kinji: Hakuyusha 1950. KURAISHI
=
Kuraishl,
Großes
Goro:
Tokyo: Sanseido 1961
LANGENSCHEIDT =
Langenscheidts
Neues
Japanisch-Deutsches Concise
Deutsch-Japanisches
Universal-Wörterbuch
chen, Wien, Zürich: Langenscheidt 1981.
SAGARA = Sagara, Morio: Kimura-Sagara Hakuyusha 1963
Wörterbuch.
Wörterbuch.
Japanisch.
Deutsch-Japanisches
SCHINZINGER = Schinzlnger, Robert: Wörterbuch der deutschen Sprache. Tokyo: Sansyusya 1980.
Tokyo:
Berlin,
Mün-
Wörterbuch. Tokyo: und
SHINMURA = Shinmura, Izuru: Kojlen. Tokyo: Iwanami Shoten 1950.
japanischen
GUSTAV MUTHMANN Neukonzeption eines rückläufigen deutschen Wörterbuchs 1
1.
Historischer Oberblick
Von Wörterbüchern und der Beschäftigung mit ihnen muß immer schon eine eigenartige Faszination ausgegangen sein, besonders seitdem am Ende des 15. Jahrhunderts zu dem durch den Humanismus geweckten und verstärkten Interesse an den Sprachen (den klassisischen und dann auch den modernen) die Möglichkeit der Verbreitung durch den Buchdruck kam. Gewiß mögen die Verfasser einem Zeitbedürfnis entsprochen haben. Das beflügelnde Moment lag für sie aber wohl in etwas anderem: In einem eigenartigen Sammelelfer, der sich mit dem Studium der Sprache verband, in dem Wunsch, einen "Schatz" zu horten, ihn überschaubar und verfügbar zu machen. So kommt gerade damals für Wortschatzsammlungen der Titel "Thesaurus" auf: "Thesaurus linguae latinae" von Robert Stephanus, llnguae Graecae" seines Sohnes Henricus Stephanus, "Linguae Teutonlcae Thesaurus" von Josua Maaler in Linguae Romanae et Britannlcae" von Thomas Cooper
Paris 1531 und "Thesaurus Genf 1572; dazwischen 1561 Zürich und 1565 "Thesaurus in Oxford.
Indessen nennen sich die meisten der zahlreichen Wörterbücher, die seit der Erfindung der Buchdruckerkunst bis zum Ende des 16. Jahrhunderts erscheinen, nicht Thesaurus. Sie heißen zunächst Vocabularius (wie schon viele handschriftliche Wörterbücher des Mittelalters), und bald nach 1500 tritt dafür die Bezeichnung Dictionarius (als Adjektiv zu libellus) und Dictionarium ein (nach vereinzelten Vorläufern im Mittelalter): -
1502 veröffentlichte Caleplnus mit diesem Titel ein lateinisches Wörterbuch; seit 1511 erscheint eine ganze Reihe von zweisprachigen "Dlctionarlen", Jeweils mit Latein als Ausgangssprache, sogar drei-, vier- und sechssprachige, woran auch ihr Hauptzweck sichtbar wird: nämlich im Reiseverkehr die Verständigung zu erleichtern. Eine erweiterte Ausarbeitung unter historischer Perspektive erscheint In der Zeitschrift Lexicographlca 6, 1990.
156
Gustav Muthmann
Aber es gibt auch "Dictionarien", die der Vertiefung der humanistischen Bildung unter den Studenten dienen wollen, z.B. das berühmt gewordene "Dictlonarium" des Petrus Dasypodius, 1535 in Straßburg, und er fügt dem Buch in der 2. Auflage 1536 einen (knapperen) deutsch-lateinischen Teil hinzu. Gerade durch diese zweiteilige Anlage erwies sich das "Dictlonarium" des Dasypodius als nützlich für den erneuerten Lateinunterricht und wurde zum verbreitetsten Schulwörterbuch des 16. Jahrhunderts. Erst vor diesem Hintergrund wird der Anspruch deutlich, mit dem 1540 ein "Dictlonarium" mit dem Adjektiv "novum" auf sich aufmerksam macht: "Novum Dictionaril genus ...", erschienen in Frankfurt a.M., verfaßt von Erasmus Alberus. In der Tat ist es In seiner Anlage sehr neuartig. Schon daß es von den deutschen Lemmata ausging und deren Bedeutung nicht nur mit lateinischen Entsprechungen, sondern auch mit deutschen Synonymen zu umreißen versuchte, war neuartig genug. Eine andere Besonderheit bestand darin, daß es für die einzelnen Lemmata nicht von den geläufigen Wortformen ausging, sondern von dem Grundwort oder Stamm einer Wortsippe, von der "Wurzel", wie er sagt, lateinisch radix, und zu dieser dann jeweils auch die Ableitungen (derivata) und Zusammensetzungen (composita) aufführte. Er nennt selbst in der Einleitung als Beispiel das Wort Gesang, zu dem man eben das Verb singen suchen müsse, genauer die 1. Pers. Sg. ("primam indicatlvi personam singularein")-. Ich sing. Ebenso erscheint das Verbum springen in der Singularform des Präsens spring. Wir sollten das etwas näher ansehen.
Ich
Nach lateinischen Entsprechungen finden wir das Synonym ich dantz. Neben dem substantivierten Infinitiv das springen stehen die Synonyme das dantzen, das hüpften, der dantz. Zum lateinischen Substantiv saltus wird als deutsche Entsprechung ein sprung gestellt. Präfixbildungen werden ebenfalls in der Singularform gegeben, wobei das Präfix oder der Verbzusatz teils vor dem Verb, teils dahinter steht: Ich zu spring, spring beiseit, spring ab, spring herzu, spring hinein, spring hinauß, spring u f f , spring zu berg, spring hinan/herfür, spring hlnder mich, spring hinüber, ich entspring - und schließlich als Nomen agentls die sprengerin mit dem Synonym die dentzerin. Diese Wortstämme oder "Lexeme", wie wir sie nennen könnten, sind nun in dem neuartigen Wörterbuch von Erasmus Alberus nicht normal-alphabetisch a u f gereiht, ordlne alphabetico, sondern von hinten her alphabetisch, "finalalphabetisch" oder "rückläufig alphabetisch". Alberus nennt das Verfahren in der Einleitung schlicht die umgekehrte Methode: "Ordo et modus l...] slmpliciter in versus est." Das Lemma Ich spring steht also nicht unter dem Buchstaben s - , sondern wegen seines letzten Buchstabens unter -g.
Neukonzeption eines rückläufigen deutschen Wörterbuchs
157
Alberus deutet in der Einleitung auch an, wie er darauf gekommen ist. Für seine Übersetzung einiger Fabeln des Aesop habe er sich Gruppen deutscher Reimwörter zusammengestellt, um einen reicheren Wortschatz zur Verfügung zu haben: "Germanicarum vocum classes, in eundem Rhythmum desinentium." Aus solchen Anfängen sei sein "Novum dictionaril genus" entstanden - also ein Reimwörterbuch, wie man aus dieser Andeutung vorschnell geschlossen hat, und als solches ist das Wörterbuch des Grasmus Alberus tatsächlich meist etwas abschätzig eingestuft worden. Alberus erklärt damit zwar in seiner einleitenden Widmung an die beiden Landgrafensöhne Wilhelm und Ludwig den Ursprung seines Wörterbuchs, nicht aber dessen Zweck. Dieser liegt eher, wie er in demselben Zusammenhang sagt, darin, zu den deutschen Stichwörtern die lateinischen Entsprechungen zu nennen: "Latinum se simul offerat vocabulum", und dies gleich, wie wir gesehen haben, in synonymen Reihungen. - Zum deutschen Stichwort soll also lateinisches Wissen vermittelt werden. Das paßt durchaus für die genannte Schule (schola), die von dem damals achtjährigen Landgrafensohn Wilhelm, seinem jüngeren Bruder Ludwig und mehreren anderen hochadligen Schülern besucht wurde, auf deren humanistische Bildung gerade vom Landgrafen Philipp dem Großmütigen größter Wert gelegt wurde. Aber die Nennung auch vieler deutscher (!) Entsprechungen und Synonyma, der Umriß ganzer Wortfamilien und Sinnbereiche weist noch darüber hinaus, wie auch die lateinischen Distichen erkennen lassen, die auf dem Titelblatt von Alberus' Wörterbuch stehen und von dem damals berühmten Dichter und Professor an der Marburger Universität Helius Eobanus Hessus verfaßt wurden, besonders das letzte Distichon: "Teutona Romanae cognata vocabula 2linguae Hie mirare senex, hic venerare puer." Es wird deutlich, daß ein wesentliches Anliegen des Verfassers der deutschen Sprache galt, und das hängt gerade bei Erasmus Alberus sicher mit seinem reformatorischen Eifer zusammen. Er war in Wittenberg Luthers Schüler gewesen und wurde einer seiner treuesten Anhänger und Mitstreiter, vor allem in seinem Geburtsland Hessen, in dem Landgraf Philipp schon früh die Reformation einführte und 1527 in Marburg die erste protestantische Universität gründete. Neben der lateinischen Sprache galt also der Kenntnis und Förderung der deutschen Sprache das besondere Anliegen des Verfassers - und er erkannte, daß man die Wortstruktur und die Wortstämme deutlicher erfaßt, wenn man sie rückläufig ordnet und so Gruppen strukturell verwandter Wörter erhält. Also das erste rückläufige Wörterbuch der deutschen Sprache und zugleich ein deutsch-lateinisches Schulwörterbuch, Synonymen- und Bedeutungswörterbuch und auch ein Wortfamilienwörterbuch! 2
Auf deutsch unter Beibehaltung des Rhythmus etwa: "Hier bewundre der Greis, hier verehre der Jüngling Deutsche Wörter, sie sind römischer Sprache verwandt."
Gustav Muthmann
158
Aber - der von Erasmus Alberus kreierte Wörterbuch-Typ hat keine Nachfolge gefunden. Auf die erste Auflage von 1540 folgte nur noch 1565 ein Nachdruck, ebenfalls in Frankfurt/Main. Die folgenden deutschen Wörterbücher sind weiter lnltlalalphabetisch aufgebaut, d.h. sie ordnen die Wörter alphabetisch von ihrem ersten Buchstaben an, also von links nach rechts, und dieser Wörterbuchtyp hat sich bis heute als Norm behauptet. Rückläufige Wörterbücher Im eigentlichen Sinne, die nicht Wortstämme, sondern die vollen Wortformen für die Sortierung zugrunde legen, tauchen erst im 19. Jahrhundert auf, und zwar als erstes wohl ein rückläufiger Index zu dem ersten großen, sechsbändigen Wörterbuch der polnischen Sprache von Samuel Bogumil Linde. Dieses erschien in Warschau 1807-1814. Der rückläufige Index dazu wurde als Manuskript von Onufry Kopczynski zusammengestellt, ist aber spurlos verschwunden. Kopczynski starb 1817 (vgl. Collison 1982: 175). Erst seit der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts liegen veröffentlichte rückläufig geordnete Wortsammlungen vor: -
zunächst zu älteren Sprachsammlungen und Sprachen: zu den altindlschen Hymnensammlungen "Rigveda" und "Atharva-Veda" (von Graßmann, 1873, und Whitney, 1881), zu einem altiranischen Wörterbuch (von Bartholomae) und zu einem lateinischen Wörterbuch (von Gradenwitz), beide 1904;
-
dann, 1915, als erstes rückläufiges Wörterbuch zu einer modernen Sprache das "Rückläufige Wörterbuch der russischen Sprache der Gegenwart", und zwar Interessanterweise im Auftrag des deutschen Militärs, das sich auf diese Weise ein Hilfsmittel zum Lesen von nur teilweise entschlüsselten russischen Nachrichten zu verschaffen suchte, während die genannten Wörterbücher zur altindischen Veda von Graßmann 1873 und Whitney 1881 einen sprachwissenschaftlichen Zweck verfolgten und auf Fragen der Grammatik und Wortbildung zielten. Das lateinische rückläufige Wörterbuch von Gradenwitz hatte eher eine didaktische Absicht und sollte als Unterlage zum Einprägen von Suffixen dienen. 1944 erscheinen gleich zwei rückläufige Wörterbücher zur griechischen Sprache (von Locker/Kretschmer und von Buck/Petersen). - Seit den 50er Jahren häufen sich dann rückläufige Wörterbücher: zum Altklrchenslavlschen, zum Rumänischen, zum Hebräischen, gleich drei zum Russischen, weiter zum Italienischen, Ägyptischen, auch zum Deutschen, zum Englischen und vor allem zu vielen osteuropäischen Sprachen. 3
Von besonderem Interesse sind auch rückläufige Wortlisten und Register zu einzelnen literarischen Werken und sonstigen Text-Corpora, besonders der Vergangenheit, z.B. zu mittelhochdeutschen Dichtungen (Nibelungenlied, Hartman von Aue u.a.), aber auch zu neueren Schriftstellern (z.B. Rilke, Kafka). 4 Man kann nicht sagen, daß das Interesse an der rückläufigen Sortierung von Wortbeständen erst durch die moderne Computertechnik geweckt worden sei; aber diese hat doch dazu beigetragen und die Arbeit erleichtert. Zu dem Nutzen ihrer Vgl. das ausführliche Verzeichnis bei Gärtner/Kühn (1989) Vgl. zur deutschen Literatur die Übersicht bei Gärtner/Kühn (1984: 622 ff).
159
Neukonzeption eines rückläufigen deutschen Wörterbuchs
Wörterbücher äußern sich die Verfasser in den Vorworten allerdings recht unterschiedlich und meist nur knapp. So nennt Bielfeldt zum "Rückläufigen Wörterbuch der russischen Sprache der Gegenwart" (1968) als Aufgabe nur, "das Studium der russischen Wortbildung zu erleichtern". - Mater deutet im "Rückläufigen Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache" (1965) nach minutiösen Angaben zum technischen Verfahren etwas vage und geheimnisvoll an, daß das Wörterbuch nur ein "Nebenprodukt einer anderen Arbeit" sei, nämlich "den deutschen Wortschatz für eine maschinelle Verarbeitung von Informationen zu speichern". - Was gemeint ist, Ist vielleicht dem 1971 ebenfalls in Ostberlin erschienenen "Rückläufigen Wörterbuch der englischen Gegenwartssprache" von Lehnert zu entnehmen, in dem an erster Stelle unter den durch die rückläufige Anordnung ermöglichten Verwendungsweisen die "dem Nachrichtenexperten" dienende "Entschlüsselung verschlüsselter Texte" genannt wird, also jener Zweck, zu dem das erwähnte erste rückläufige Wörterbuch einer modernen Sprache, nämlich der russischen, im Jahre 1915 verfaßt wurde. Bei Lehnert werden indessen angegeben:
einige weitere
"Perspektiven und
Möglichkeiten"
-
"Dem Philologen dient es zur Ergänzung verstümmelter Texte".
-
"Dem Linguisten bietet es eine fast verschiedener Wortbildungselemente".
-
"Die Englischlehrer" an Schulen und Universitäten "können mit seiner Hilfe wichtige Wortschatzübungen durchführen". Und schließlich heißt es: "Dem Dichter hilft es mit seinem vollständigen Vergleichsmaterial als Reimlexikon, in dem alle Reimwörter gleicher Schreibung sowie die sogenannten Augenreime untereinander stehen." 8
-
vollständige
Zusammenstellung
Zu beachten ist die Einschränkung auf "Reimwörter gleicher Schreibung". Auch Mater hatte in seinem Rückläufigen deutschen Wörterbuch von 1965 gewarnt, daß "eine alphabetische Ubereinstimmung der Wörter nicht immer einer phonetischen Gleichheit entspricht; dies sei besonders bei der Benutzung des Wörterbuches als Reimlexikon zu beachten."*
2.
Sinn und Nutzen eines rückläufigen Wörterbuchs
Damit stellt Entwicklung Wörterbuchs. alphabetisch nachschlägt, » *
sich nun, nach dem gerafften Oberblick über die bisherige die grundsätzliche Frage nach Sinn und Nutzen eines rückläufigen Wir gehen dazu am besten von den Möglichkeiten eines normalen, geordneten, einsprachigen Wörterbuchs aus. Wer in einem solchen sucht l.a. ein Einzelwort und erhofft zu diesem Informationen:
Lehnert (1971: 5) Mater (1970), Hinwelse für die Benutzung
Gustav
160
Muthmann
wie e s g e s c h r i e b e n wird, -
wie e s a u s g e s p r o c h e n
wird,
-
welche B e d e u t u n g e s h a t , wie e s s i c h g e g e n ü b e r s i n n v e r w a n d t e n Wörtern a b h e b t ,
-
in welchen Redewendungen e s g e b r a u c h t wird,
-
welche B e s o n d e r h e i t e n beachten sind,
-
wie e s e n t s t a n d e n i s t u . a .
Zu J e d e r
dieser
Fragen
der F l e x i o n
gibt
es
und der s y n t a k t i s c h e n B e z i e h u n g e n
SpezialWörterbücher;
die
großen
zu
Wörterbücher
v e r s u c h e n eine u m f a s s e n d e Antwort im Zusammenhang. Nun können a b e r a u c h G e m e i n s a m k e i t e n mit a n d e r e n Wörtern von I n t e r e s s e
sein:
e t w a Wörter mit g l e i c h e r Vorsilbe, z.B. bevon beabsichtigen bis bezwingen-, hier i s t ein Uberblick e r s c h w e r t , weil durch die a l p h a b e t i s c h e Anordnung v i e l e a n d e r e Wörter d a z w i s c h e n s t e h e n : Beat, Becher, Becken, Beet, bei, Bein usw.; oder K o m p o s i t a zu einem B e s t i m m u n g s w o r t , z.B. zu Tür. von Türangel bis Türzarge-, a u c h hier i s t bei a l p h a b e t i s c h e r F o l g e ein Überblick mühsam, Turteltaube und v i e l e weil die Reihe durch Turban, Türke, Turm, turnen, a n d e r e immer wieder u n t e r b r o c h e n wird; oder Wörter g l e i c h e r A u s s p r a c h e , die mit einem b e s t i m m t e n B u c h s t a b e n b e g i n n e n , z.B. mit C-. da g i b t e s den A n l a u t [k] in Cafe, Computer, Clown oder [ t s ] in Celsius oder ( t / 1 in Cembalo oder [fl in Cello oder [sl in City, a b e r Gruppen mit g l e i c h g e s p r o c h e n e m A n l a u t muß man selbst z u s a m m e n s u c h e n oder s i c h mit den b e g r e n z t e n A u f z ä h l u n g e n in e i n e r D a r s t e l l u n g zur A u s s p r a c h e d e s D e u t s c h e n b e g n ü g e n . Auf e i n e Präfix
Berücksichtigung
oder gleichem
(allenfalls
werden
von
Wortgruppen
Bestimmungswort
Komposita
sind
mit einem
mit gleichem unsere
Anlaut
Wörterbücher
Bestimmungswort
oder
gleichem
nicht
angelegt
zu einem
sog.
"Nest"
zusammengefaßt). Nach
den
Überlegungen
b e t i s c h e r Wörterbücher
zu
den
Möglichkeiten
wird nun
der S t e l l e n w e r t
und eines
Grenzen
normaler
rückläufigen
alpha-
Wörterbuchs
s i c h t b a r : Sein Sinn k a n n n i c h t d a r i n b e s t e h e n , zum Einzelwort I n f o r m a t i o n e n s k i z z i e r t e n Art Sein
Sinn
liegt
zu g e b e n ;
dazu
vielmehr
darin,
gibt es j a
bereits
Gemeinsamkeiten
die g e w o h n t e n mit
anderen
Wörtern
sichtbar
werden zu l a s s e n , und zwar, wie schon im G r u n d a n s a t z bei E r a s m u s A l b e r u s wurde, a u s turelle
der B l i c k r i c h t u n g
Zusammenhänge
e r k e n n b a r werden.
des Wortausgangs.
zwischen
Wörtern,
Gerade dadurch
müßten
Wörter
der
Wörterbücher.
müßten
gleicher
klar
strukStruktur
Neukonzeption eines rückläufigen deutschen Wörterbuchs 3.
161
Die Anordnung der Wörter im rückläufigen Wörterbuch
Dafür aber i s t die s t r i k t e alphabetische Auflistung, die bislang von den rückläufigen Wörterbüchern befolgt wurde, hinderlich, j a zweckwidrig. Es ist also zu erörtern, wie eine b e s s e r e , dem erkannten Zweck dienliche, Gruppenzusammenhänge aufzeigende Anordnung gefunden und verwirklicht werden kann. Dazu sollen einige Gesichtspunkte erörtert werden. So wie wir In einem normalen Wörterbuch Komposita zu einem Bestimmungswort so kann nur zusammenstellen können (z.B. zu Tür. von Türangel bis Türzarge), ein r ü c k l ä u f i g e s Wörterbuch einen Überblick über alle Komposita zu einem Grundwort ermöglichen, z.B. zu -tür von Harmonikatür bis Holztür. Allerdings Temperatur wird diese Reihe von der Fülle von Fremdwörtern auf -ur (Kubatur, usw.) unterbrochen. Das führt zu einer ersten Überlegung und Entscheidung: Alle Komposita zu einem Wort a l s Grundwort sollten a l s Gruppe zusammengefaßt werden und nicht a u s Alphabetgründen durch andere Wörter unterbrochen werden. Bei Wörtern auf -ö i s t die mangelnde Unterscheidung der Wortausgänge mit und ohne Umlaut nicht minder störend. Da s t e h t Bö zwischen Pharao und Lavabo, Dlarrhö zwischen Slpho und Litho. Daraus ergibt sich eine zweite Überlegung und Entscheidung: Wörter mit UmlautBuchstaben sollten getrennt von Wörtern mit Buchstaben ohne Umlautzeichen erfaßt werden, am besten dahinter; also bei den Wörtern auf -o e r s t nach der Gruppe horrido bis Intermezzo die kleine Gruppe Bö bis Tötö. Entsprechendes gilt für -ä und -ü. Auch im Wortinnern sollte d i e s e s Prinzip gelten, z.B. für die vorletzte Buchstabenstelle, so daß erst die Wörter auf -os (dubios bis virtuos), dann e r s t die auf -ös (fungös bis nervös) aufzuführen sind. Entsprechend sollten auch andere Buchstaben mit diakritischem Zeichen getrennt hinter den Buchstaben ohne diakritisches Zeichen stehen, z.B. in Wörtern auf -é (Café, Attache). Der Sonderbuchstabe -ß- zwingt zu weiteren Überlegungen, well er e i n e r s e i t s vom einfachen Buchstaben - s - , andererseits vom Doppelbuchstaben -ssabzugrenzen ist. Die Praxis unserer Wörterbücher i s t hier wenig befriedigend: hinter Maß folgt Massage und wieder Maßanalyse, dann Masse, maßen, Masseur, Maßholder, massieren, mäßig usw., ständig Wörter mit -ssund -ß- wechselnd, well - ß - a l s Doppel-s angesehen wird. Das führt zur Frage der E i n s t u f u n g von Doppelbuchstaben überhaupt, die J a nicht, wie man irrtümlich oft meint - und l i e s t , Zeichen f ü r einen Doppellaut sind, sondern für einen einfachen Laut, -ssf ü r [s], z.B. im Wortausgang In Bypass, Cleverness, tubeless. Der Doppelbuchstabe -ssIst also ein S o n d e r graphem wie -ß-. Beide sollten hinter dem einfachen Graphem -seingeordnet
162
Gustav
werden, a l s o e r s t die Wörter Diabas
Maß bis
b i s Erinnys,
d a n n Upperclass
Muthmann
b i s Cross,
dann
süß.
Daß eine s o l c h e E n t s c h e i d u n g
in einem r ü c k l ä u f i g e n
Wörterbuch zweckmäßig
Ist,
wird noch d e u t l i c h e r bei a n d e r e n K o n s o n a n t e n , z.B. bei dem Phonem | t ) , f ü r
-t-
neben
oder bei
Bock,
und
-tt-
-k-
[kl, f ü r d a s n e b e n
Das f ü h r t nun a l l g e m e i n b e s t e h e n , a b e r Zeichen Schwa-Laut
|-a)
-ck-
-kk-
und
zu den Graphemen, die a u s f ü r einen
auf
-e.
einfachen Laut
Hier b e z e i c h n e t
Trophäe
von
auch
zu b e a c h t e n
i s t (Rat,
stehen
Stadt,
das
Brett)
können ( A n o r a k ,
Mokka).
nur im Wortinnern:
die W o r t a u s g ä n g e
-dt-
a u c h d a s Graphem
bis
Stütze.
mehr a l s
einem B u c h s t a b e n
s i n d . Nehmen wir a l s
der Buchstabe
- e meistens
Aber
a u c h mit
er
kann
Beispiel nur
den
einem
oder
s o g a r zwei weiteren B u c h s t a b e n Zeichen f ü r einen e i n f a c h e n L a u t s e i n :
-ae -ee
Lapsus linguae. Idee, Moschee usw. Jubilee [' d j u : b i l i : 1, Toffee [ ' t D f l l , Chickoree, Akribie b i s Pharmazie, Fondue, Revue, Queue, Rallye usw.
l-c : 1 t-e : 1 1-1:1 [-11 l-el [-1:1 l-y:l [-«:! [-11
-ée -le -ue -eue -ye
Bei dem W o r t a u s g a n g
-ie
auf
ist
zu b e a c h t e n ,
Tragödie,
bei den
- e mit der A u s s p r a c h e
Mythe
a n d e r e n Wörtern a u f
Boje),
und
während
e i g e n e Gruppe bilden Die
Wortausgänge
die
Studie
daß er
g e s p r o c h e n werden kann (z.B.
genannten
auf
[-a] einzuordnen
Wortausgänge
-e
werfen
noch
eine
Aloe.
weitere
Trophäe,
auch die A u s s p r a c h e mit langem [ - e : | , z.B. ade,
publice,
als
auf
-ae
[-lal
natürlich (zwischen
-ye
bis
eine
sollten.
m e i s t e n s mit dem S c h w a - L a u t g e s p r o c h e n : z.B. Hebe,
auch getrennt
usw.). D i e s e Gruppe i s t
Frage
auf.
Gabe b i s Skizze.
in spe,
Sie
werden
Es gibt aber
oder mit h a l b l a n g e m [ - e ] ,
Auch hier s o l l t e die A u s s p r a c h e b e a c h t e t werden und zu
zwei g e t r e n n t e n Gruppen f ü h r e n . Das heißt nun a l l g e m e i n ,
daß zwar die S c h r e i b u n g
(die Grapheme) die G r u n d l a g e
f ü r die G e s a m t g l i e d e r u n g d e s W o r t s c h a t z e s b i l d e t , daß a b e r bei gleichem
Graphem
die A u s s p r a c h e (d.h. die möglichen z u g e h ö r i g e n Phoneme) zu b e a c h t e n i s t und
zu
g e s o n d e r t e n Gruppen f ü h r t . Das b e d e u t e t f ü r K o n s o n a n t e n , daß z.B. a u f s t i m m h a f t e und s t i m m l o s e zu a c h t e n i s t . Bei den Wörtern a u f
-s,
Aussprache
von denen s c h o n die Rede war, w ä r e die
k l e i n e Gruppe mit dem W o r t a u s g a n g [ - z ] g e s o n d e r t a u f z u f ü h r e n , z.B. Blues,
News, Die
d a n a c h e r s t die große Gruppe mit stimmlosem vereinzelte
[ t/a:rda:/). 1
Aussprache
Kurus
Iku'ruJ)
u.a.)
Ausgang
ist
auch
für
sich
und,
wenn
konsequent
zu
Jeans,
(Gas bis
Schmaus).
nehmen
(Csardas
weiter
gedacht
wird.
163
Neukonzeption eines rückläufigen deutschen Wörterbuchs
auch
die
Wörter,
in
denen
im
-s
Wortausgang
nicht
gesprochen
wird,
z.B.
für
die
Fauxpas [ f o ' p a ] , Fonds [ f 6 : l , Palais (pa'1c:l und viele andere. Mit
solchen
Überlegungen
schält
sich
nun
ein
gewisses
System
rückläufige Ordnung des Wortschatzes heraus. Wir sollten es an allen Wörtern mit einem bestimmten Buchstaben ira Wortausgang zu erproben versuchen, z.B. an den schon mehrfach
herangezogenen
Wörtern
auf
-s,
deren
Zahl
als
achtstärkste
Gruppe Immerhin über 6000 beträgt. (1)
In gut 50 Wörtern wird - s im Wortausgang stimmhaft gesprochen: -s [-z] Skrubs bis News
(2)
Im allgemeinen gesprochen: -s |-s]
wird
-s
im
Diabas bis
Wortausgang
als
stimmloser
Zahnreibelaut
Erinnys
(3)
In einigen Wörtern (aus dem Ungarischen) entspricht die Schreibung -s dem stimmlosen Zahndamm-Zungen-Relbelaut (palatoalveolaren Reibelaut) l-Jl: -s [-/] Gulyas, Csardas, Kurus u.a.
(4)
In zahlreichen, aus dem Französischen Wortausgang nicht gesprochen: -s [-] a bas bis Refüs
(5)
Die fünfte Gruppe bilden die Wörter, in denen -s im Wortausgang zusammen mit einem voranstehenden Buchstaben ein Phonem bezeichnet, und zwar als Doppelbuchstabe -ss: -ss [-s ] Upperclass bis Cross
(6)
Als Rest bleibt eine Gruppe von Buchstabenabkürzungen (Buchstablerwörtern) mit dem Endbuchstaben -s, z.B. ABS (Antiblockiersystem), MS (Motorschiff), SOS (save our souls als Rettungsruf) u.a. Auch diese Wörter besonderer Art gehören zur Standardsprache und dürfen nicht ausgelassen werden. Da aber -s hier als [es) buchstabiert wird, bilden sie eine eigene Gruppe.
(7)
Die Schlußgruppe bilden die schon erwähnten Wörter mit dem Sonderzeichen -ß\ von Maß bis süß.
Da die 6000 Wörter auf - s und -ß,
entlehnten
Wörtern
wird
-s
im
wenn sie in Kolumnen untereinander stehen,
etwa 30 Seiten einnehmen, dürfte ein Benutzer, dem das Einteilungsprinzip nicht vertraut
ist,
Wortgruppe
vielleicht
zu
finden.
einige Für
Mühe
ihn wäre
haben, ein
ein
bestimmtes
geraffter
Überblick,
Wort wie
oder er
eine
soeben
gegeben wurde, möglichst mit Seitenangaben, nützlich. Dieser könnte am Anfang eines
Buchstabens
stehen
oder
besser
vielleicht
für
alle
Buchstaben
im
Zusammenhang in der Einleitung, in der auch sonst die Probleme der Gliederung und Darstellung im einzelnen erläutert werden sollten. Ich will darauf jetzt nicht näher eingehen,
sondern
noch
auf
einige
Konsequenzen
und Möglichkeiten
zu
sprechen kommen, die sich aus der neuen Konzeption eines rückläufigen Wörterbuchs ergeben.
164
Gustav Muthmann
4.
Der Lautwert der Buchstaben als Ordnungsprlnzip
Es dürfte
aus
den
bisherigen
Darlegungen
klar
geworden
sein,
weshalb
Berücksichtigung des Lautwerts der
Buchstaben und Buchstabenfolgen in
rückläufigen
ist,
Wörterbuch
wesentlich
wegen
nämlich
des
die
einem
"Nachbarschafts-
prinzips", wie Ich es verkürzt nennen möchte. Ich erinnere bei den Wörtern auf -s
an die Gruppe mit stimmhafter Aussprache (Blues,
getrennten
Gruppen
Wortausgang (ade,
mit
in
langgesprochenem
Aussprachewörterbuch
Gabe bis Skizze).
spe -
graphisch-rückläufigen
[-e:l
Wörterbuch werden.
Das
dem Schwa-Laut
Dadurch könnte
unversehens sollten
Jeans, News) oder an die
oder
zugleich
wir
noch
etwa
[ - e ] im
aus dem orthoein
rückläufiges
genauer
ins
Auge
fassen. Wenn
eine
vollständige
vorliegt, geordnet
nach
rückläufige
Auflistung
den Graphemausgängen,
von gleichen Graphemausgängen welter nach Phonemen,
dann läßt
des
deutschen
aber innerhalb
differenziert nach
sich eine Tabelle
der
Wortschatzes
dieser Gruppen
der Aussprache,
also
Graphem-Phonem-Bezlehungen
anlegen. Bei den Wörtern auf -s z.B. ergibt sich folgende Übersicht: -s
1-z) 1-si (es) 1-/1
Diese
Ubersicht
schatzsammlung
Blues Gras s (buchstabiert) Csärdäs könnte, vorliegt,
da
eine
durch
vollständige,
Jene
festen
rückläufig
geordnete
Buchstabenverbindungen
Wortauf
-s
ergänzt werden, die (als Grapheme) Zeichen für einen Laut (ein Phonem) sind: -as -ds -bes -pes -ppes -tes -is -als -OS -rps -SS -US -ous -üs Nützlich
Fauxpas Fonds Fines herbes Escalopes Nippes Pommes frites Marquis Palais Gros, apropos en gros Korps Hostess Refus (OV Refäs) Rendezvous Refiis (OV Refus)
t-a) 1-8:1 I-b] I-Pl 1-pl I-tl 1-1:1 (-e : 1 l-o: 1 t-ol l-rl 1-sl I-y:l l-u:l I-y:l ist
es.
in
einer
solchen
Tabelle
neben
die
Graphem-Phonem-
Entsprechungen im Wortausgang
auch die im Wortlnnern und am Wortanfang zu
setzen.
augenscheinlich,
Auf
diese
Weise
wird
an
welchen
Stellen
im
Wort
bestimmte Grapheme vorwiegend zu finden sind oder auch gar nicht vorkommen. Der Vorteil einer solchen Tabelle: Da sie das gesamte rückläufige Wörterbuch als Grundlage hat, bietet sie für die Wortausgänge im Deutschen das vollständige Inventar der Graphem-Phonem-Entsprechungen.
(!)
165
Neukonzeption eines rückläufigen deutschen Wörterbuchs
Diese Tabelle der Graphem-Phonem-Entsprechungen eine
weitere
Schreibung
wünschenswerte
(!)
Übersicht
genutzt
kann nun als Grundlage werden,
der Wortausgänge ausgeht, sondern
von
die
der
nicht
für
von
der
(!)
der
Aussprache
Wortausgänge, völlig unabhängig von der Schreibung. Wir hatten uns etwas näher mit den Wörtern beschäftigt, die auf den Buchstaben —5 enden,
und f e s t g e s t e l l t ,
gesprochen wird: Blues,
daß
Jeans,
-s
im
Wortausgang
stimmhaft
News einerseits, Gas, Kies,
dazu Wörter mit nicht gesprochenem
im Wortausgang
-s
oder
stimmlos
Maus u.a. andererseits, Fauxpas,
Pommes
frites
u.a. Nun könnten
wir z.B. fragen,
ob es noch
andere Schreibungen für stimmhaftes
[-zJ im Wortausgang gibt, und diese Schreibungen (Grapheme) zusammenstellen: |-zl
Oder
-s -se -ses -ze -zz wir
Blues Mayonnaise l m a j o ' n c : z l (österr.) Falaises [ f a ' l c : z l King-size ['kiijsaiz) Jazz [d3«z, (auch) d j c s , j a t s )
fragen
nach
allen
Wörtern
mit
stimmlos
gesprochenem
[ - s)
im
Wortausgang: [-s 1
-ce -ces -s -se -ss -sse -sz -ß -x -z -ze -zz
Service Amorces Gras Penthouse tubeless Bouillabaisse Kuvasz groß Prix [pri :s],Grand Prix (PI. zu Prix, Grand Prix) Quiz Bronze [(österr.) br8:s; (sonst) ' b r ö : s a , 'bronsa] Jazz [d3cs, (auch) d j « z , j a t s )
Auf diese Weise ist
nun in Ergänzung
zu der vorhin
besprochenen
Tabelle der
Graphem-Phonem-Entsprechungen umgekehrt eine zweite hochinteressante Tabelle der Phonem-Graphem-Entsprechungen der Wortausgänge im Deutschen zu erstellen - dazu zusätzlich wiederum im Wortinnern und am Wortanfang. Auf
das
interessante
Problem,
in
welcher
Reihenfolge
aufgeführt werden sollen, da es hier Ja kein Alphabet wie
denn
die
Phoneme
bei den Buchstaben
gibt, will Ich j e t z t nicht mehr eingehen. Es ist Im Grunde nicht so wichtig. Man sollte nur eine einmal überlegte Ordnung
konsequent einhalten, etwa
nach
hier
Vokalen
und
Konsonanten
und
wieder
nach
Trennung
Verschlußlauten,
Reibelauten usw. Neben der vollständigen Übersicht vollständige Übersicht
über
die
über die Grapheme ergibt sich so auch
phonologische
(!)
Gestalt
der Wortausgänge
eine im
Deutschen - also ein rückläufiges Aussprachewörterbuch, Ja es e r ö f f n e t sich hier
166
Gustav Muthmann
sogar
eine
Möglichkeit,
ein
rückläufiges
Wörterbuch
Reimlexikon
als
zu
verwenden, sogar als vollständiges ( ! ) Reimlexikon. Wichtiger scheint mir aber -
das möchte ich abschließend
die
eines
dargestellte
brauchbares
Konzeption
Instrument
zur
Untersuchung
gewonnen wird, sondern zugleich, auf
die
Wortausgänge
rückläufigen der
und zwar
vollständiges
sagen - , daß durch
Wörterbuchs
nicht
Wortausgänge
im
nur
ein
Deutschen
auf empirische Weise, ein im Blick
Inventar
der
Grapheme
und
Phoneme
der
deutschen Gegenwartssprache und daß dadurch die Diskussion um den Graphemund Phonembegriff eine breite solide Grundlage erhält.
5.
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The
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Neukonzeption eines rückläufigen deutschen Wörterbuchs
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SABINE PLUM
Gefdhlswörter Im Wörterbuch. Überlegungen zur lexikographischen Bedeutungeerläuterung des emotionalen Wortschatzes
1.
Erläuterung der Fragestellung
Die Linguistik h a t sich zwar in den letzten J a h r e n v e r s t ä r k t Problemen der Lexikographie zugewendet und sich mit Fragestellungen b e s c h ä f t i g t , die mit der lexikographischen E r f a s s u n g unterschiedlicher Wortschätze zusammenhängen. Der emotionale Wortschatz i s t jedoch innerhalb d i e s e s Kontextes bisher gar nicht oder a l l e n f a l l s am Rande thematisiert worden. 1 Wurde von Seiten der l e x i k o g r a phischen Forschung oder Innerhalb der Linguistik allgemein d a s Verhältnis zwischen Emotionalität und Lexik a u f g e g r i f f e n , dann geschah dies vor allem im Hinblick auf die Frage, wie symptomfunktionale 2 und a p p e l l a t i v e 3 Bedeut u n g s a s p e k t e in die lexikographische Bedeutungsbeschreibung zu integrieren w ä ren. D.h. d a s Verhältnis zwischen Emotionalität und Lexik wurde In e r s t e r Linie a l s ein allgemeines semantiktheoretisches Problem behandelt. Das l e x i k o g r a phische Problemfeld des emotionalen Wortschatzes, also jener Wörter, mit denen Emotionen nicht nur ausgedrückt oder bewirkt, sondern c h a r a k t e r i s i e r t 4 bzw. k l a s s i f i z i e r t werden, geriet dabei nicht ins Blickfeld. Im folgenden b e f a s s e ich mich mit Problemen der Bedeutungsbeschreibung d i e s e s Wortschatzes im Hinblick auf ein lexikographisches Unternehmen, in dem die Bedeutungsgeschichte von Gefühlswörtern rekonstruiert und d a r g e s t e l l t werden
Eine Ausnahme bildet Kühn (1987). Mit Möglichkelten der B e d e u t u n g s e r l ä u terung von emotiven Beflndllchkeitsadjektlven b e s c h ä f t i g t sich Harras (1982). Dieser Aspekt wird vor allem im Kontext der Beschreibung konnotatlver Bedeutungselemente thematisiert, vgl. etwa Ludwig (1984: 39). Vgl. etwa Odgen/Rlchards (1974: 146ff). Von der Charakterisierungsfunktion eines p r ä d i k a t i v e n Ausdrucks spreche Ich hier im Sinne von Tugendhat (1976: 182f). Unter Gefühlswörtern v e r s t e h e Ich also p r ä d i k a t i v e Ausdrücke, die verwendet werden können, um die Emotionen bzw. die emotionalen Zustände einer Person zu c h a r a k t e r i s i e r e n . sich freuen, froh, Beispiele für Gefühlswörter sind die Ausdrücke Freude, Angst, Furcht, sich fürchten, Liebe, verhebt, lieben.
170
Sabine Plum
soll. 3 Das geplante "Historische Wörterbuch des deutschen Gefühlswortschatzes" (HWGW) versteht sich in Anlehnung an das Lexikon "Geschichtliche Grundbegriffe" von Brunner/Conze/Koselleck (1972ff.) als ein gegenwartsbezogenes die historische Genese unseres historisches Wörterbuch, insofern es gegenwärtigen Gebrauchs von Gefühlswörtern aufzeigen will. Im Rahmen der Erarbeitung einer Konzeption für ein solches Wörterbuch sind u.a. Formen der Bedeutungsbeschreibung von Gefühlswörtern zu entwickeln, in denen historisch-soziale Dimensionen der Verwendung dieser Wörter sichtbar gemacht werden können. Im vorliegenden Beitrag werde ich versuchen, einige der Überlegungen, von denen wir uns dabei leiten lassen, anhand gegenwartssprachlicher Beispiele zu verdeutlichen. Ich beginne mit der überblicksartigen Darstellung emotionstheoretischer Ansätze, aus denen ich Desiderate für die lexikographische Bedeutungsbeschreibung von Gefühlswörtern ableite. In einem zweiten Schritt werde ich aufzeigen, daß Emotionswörter unterschiedliche Charakterisierungsfunktionen erfüllen können, die in Wörterbucheinträgen häufig nicht berücksichtigt werden. Abschließend beschreibe ich auf der Grundlage der dargestellten Kritik einige Perspektiven und Problemstellungen, die sich bezüglich einer neuen Konzeption von Bedeutungsbeschreibungen zu Gefühlswörtern ergeben.
2.
Darstellung emotionstheoretischer Ansätze
In meinen einleitenden Bemerkungen habe ich die Begriffe "Emotion" und "Gefühl" weltgehend synonym verwendet. Ich folge damit einem im Deutschen möglichen und auch durchaus üblichen Sprachgebrauch, der allerdings im Rahmen der Disziplinen, die sich mit Emotionen beschäftigen, zunehmend Kritik erfährt. Der synonyme Gebrauch der beiden Begriffe "Gefühl" und "Emotion" kann nämlich die Annahme nahelegen, daß es sich bei Emotionen um innere, gefühlte Erlebnisse, um sprachunabhängige Bewußtseinszustände handelt, die mittels eines Gefühlswortes lediglich nachträglich benannt werden.6 Von dieser Annahme geht in der Tat eine emotionstheoretische Auffassung aus, die eine lange Tradition hat 7 und z.T. auch heute noch in Teilen der psychologischen Gefühlsforschung vertreten wird.9 Emotionen sind dieser Auffassung zufolge spezifische, nur dem Subjekt zugängliche Erlebnisse, die aufgrund bestimmter Erlebnisqualitäten unterschieden und erkannt werden. Emotionswörter wären dann Namen für 3 6 7 8
Zu theoretischen Problemen und zur konzeptionellen Idee dieses Wörterbuchs, vgl. Jäger/Plum (1988). Zur Verwendung der beiden Begriffe "Emotion" und "Gefühl" in der Psychologie, vgl. Debus (1988: 97f). Mit der Tradition dieser Gefühlstheorie setzt sich ausführlich auseinander Kenny (1979). Vgl. etwa Debus (1977: 156).
Gefühlswörter Im Wörterbuch
171
Erlebnisqualitäten, die uns nur durch Introspektion zugänglich sind. Eine konsensfähige Angabe solcher Erlebnisqualitäten, die dieser Emotionstheorie zufolge als die unterscheidenden Merkmale zwischen verschiedenen Gefühlswörtern zu gelten h ä t t e n , muß sich jedoch im selben Maße als notorisch schwierig erweisen, in dem sich der methodische Zugang über die Introspektion als unzuverlässig, ja als fragwürdig herausstellt. Ludwig Wittgenstein h a t in seinen "Philosophischen Untersuchungen" die erkenntnistheoretischen Schwierigkeiten aufgezeigt, die mit einer solchen' Emotionstheorie verbunden sind. 9 Er hat vor allem deutlich gemacht, daß eine Theorie, die Gefühlswörter als Namen für nur privat zugängliche Erfahrungen ansieht, nicht in der Lage ist zu erklären, wie wir diese Wörter erlernen und in einer intersubjektiv kontrollierbaren Weise gebrauchen können. Die Argumentation Wittgensteins gegen die Möglichkeit einer privaten Sprache aufgreifend, haben im sprachanalytischen Philosophie dann Bemühungen um eine Umfeld der Emotionstheorie eingesetzt, die die Aporien der traditionellen Gefühlstheorie zu vermeiden suchen. 1 0 Weitgehend einig ist man sich innerhalb dieser Ansätze darin, daß Emotionen nicht aufgrund bestimmter Erlebnisqualitäten unterschieden werden, sondern durch äußere Faktoren. Die skeptische Frage Bedfords "was eigentlich f ü r die Existenz einer solchen Vielzahl von Gefühlen (spreche), wie sie den ausgedehnten und subtilen sprachlichen Unterscheidungen unseres Vokabulars zur Diskussion von Gefühlen entspräche?" (1981: 35) kann durchaus als r e p r ä s e n t a t i v und als Ausgangsfrage dieser gesamten Richtung angesehen werden. Innerhalb dieses emotionstheoretischen Ansatzes werden nun verschiedene Merkmale genannt, die als Unterscheidungskriterien f ü r Emotionen fungieren können und die f ü r das Erlernen, den Gebrauch und das Verstehen von Gefühlswörtern wesentlich sind, wie z.B. die Gegenstände, auf die sich eine Emotion richtet, die Anlässe, durch die sie hervorgerufen werden kann und Verhaltensmuster, die mit dem emotionalen Zustand einer Person einhergehen. Der letzte Punkt verdient besondere Beachtung: Schon Wittgenstein hat sowohl in seinen "Philosophischen Untersuchungen" als auch in seinen "Bemerkungen über die Philosophie der Psychologie" immer wieder herausgestellt, daß wir den Gebrauch von Emotionswörtern im Zusammenhang mit charakteristischen Formen emotionalen Benehmens und eines bestimmten Ausdrucksverhaltens erlernen. 1 1 Eine Untersuchung darüber, wie die genannten Faktoren systematisch f ü r die lexikographische Bedeutungsbeschreibung von Gefühlswörtern genutzt werden können, s t e h t jedoch aus. 9 10 11
Vgl. Wittgenstein (1945). Eine ausführliche Darstellung der Argumentation Wittgensteins, vgl. Giegel (1969: 62-91), sowie Kenny (1979). Ich beziehe mich im folgenden auf die Ansätze von Aiston, Bedford, Pltcher und Perkins, in: Kahle (Hrsg.) (1981), sowie auf Kenny (1979). Vgl. etwa Wittgenstein (1945: 244 und 1949, I: 129, II: 166, 324).
172
Sabine Plum
Schon auf der Grundlage dieser überblicksartigen Darstellung läßt sich aber angeben, in welche Richtung der neuere emotionstheoretische Ansatz für eine lexikographische Bedeutungsbeschreibung von Gefühlswörtern weist: In Wörterbucheinträgen sollte - das nämlich ist eine Konsequenz, die sich aus diesem Ansatz ergibt - darauf verzichtet werden, die Bedeutung von Gefühlswörtern durch die Angabe bestimmter Erlebnisqualltäten zu erläutern. Paraphrasen zu Gefühlswörtern, die die Form haben: "Emotion, die charakterisiert ist durch die Erlebnisqualitäten xyz", sind ungeeignet, weil die Angabe solcher Erlebnisqualitäten erstens mehr oder weniger subjektiv und daher angreifbar bleibt und well sie zweitens nicht deutlich macht, in welche Sprachspiele und Verhaltensmodelle der Gebrauch von Gefühlswörtern eingebunden ist und auf der Grundlage welchen gemeinsamen Wissens ihre Verwendung erfolgt. Zur Beschreibung dieser Sprachspiele und Verhaltensmodelle würde unter anderem die Angabe von emotlonserzeugenden Anlässen und von konventionalisierten Formen emotionalen Benehmens gehören, Faktoren, die sicher nicht im Sinne der traditionellen Definitionslehre als notwendige Merkmale interpretiert werden dürfen, die aber wohl einen stereotypischen Rahmen für den Gebrauch von Gefühlswörtern konstituieren. Wörterbuchelntrftge zu Gefühlswörtern berücksichtigen diese Faktoren aber unsystematisch.
nur
So erläutert beispielsweise DUDEN-GWB12 zwar das Lemma Furcht durch die Paraphrase: "Gefühl des Bedrohtseins durch eine bestimme Gefahr oder ein bestimmtes Ober'. Bei Freude wird jedoch überhaupt kein Hinweis auf Gegenstände oder Anlässe gegeben: "hochgestimmter Gemütszustand, Gefühl des Aufschwungs, das Froh- und Beglücktsein". Häufig finden sich auch Einträge zu Emotionswörtern, die Erlebnisqualitäten und Anlässe mehr oder weniger willkürlich zusammenstellen, wie z.B. im Duden bei Arger. "1. bewußtes, von starker Unlust und [aggressiver] innerer Auflehnung geprägtes [erregtes] Erleben [vermeintlicher] persönlicher Beeinträchtigung, insbes. dadurch, daß etw. nicht ungeschehen zu machen, jmd. od. etw. in Beziehung auf etw. unmittelbar nicht zu ändern ist', und dann folgt eine lange Aufzählung von Synonymen.
Die Wörterbucheinträge zu Gefühlswörtern sind sowohl in DUDEN-GWB als auch in anderen einsprachigen Wörterbüchern der Gegenwartssprache, dem WDG und WAHRIG-DW, nicht einheitlich. Insofern ist auch die hier vorgetragene Kritik nur mit Einschränkungen gültig.
Gefühlswörter Im Wörterbuch 3.
173
Unterschiedliche Charakterisierungsfunktionen von Emotionswörtern und ihre Darstellung im Wörterbuch
Gegen meine bisherige Argumentation ließe sich einwenden, daß es weder üblich noch so ohne weiteres zu rechtfertigen ist, aus Feststellungen zu einem spezifischen Gegenstandsbereich, hier dem der Emotionen, Postulate f ü r die Darstellung der Bedeutung jener Sprachzeichen abzuleiten, die diesen Gegenstandsbereich sprachlich repräsentieren, hier der Gefühlswörter. Darauf, daß eine s o l che Ableitung meist nicht möglich, sondern ä u ß e r s t problematisch ist, beruht ja beispielsweise die Schwierigkeit, gemeinsprachliche Lexeme, die auch in einer Fachsprache, dort aber sachbezogen terminologisch, verwendet werden, lexikographisch zu erläutern. Trotzdem halte ich diese Überleitung von emotionstheoretischen Feststellungen zu Postulaten für die Bedeutungsbeschreibung von Gefühlswörtern in diesem speziellen Falle f ü r möglich, denn die emotionstheoretischen Ausführungen im Umfeld der sprachanalytischen Philosophie, auf die ich mich hier beziehe, berufen sich selbst und stützen sich bei der Ausarbeitung ihrer Gefühlstheorie auf Analysen unserer Verwendung von Gefühlswörtern. Diese meist auch k e i neswegs systematisch durchgeführten Analysen beschreiben unsere Verwendung von Gefühlswörtern vielfach besser als dies die Wörterbücher tun, und sie erfassen häufig im Gegensatz zu den Wörterbüchern Bedingungen f ü r den Gebrauch von Emotionswörtern, die nicht jedem kompetenten Sprecher auch bewußt sind. Daß dies so ist, hat - und dies werde ich zu zeigen versuchen weniger mit einer emotionstheoretischen als mit der sprachtheoretischen und methodischen Überlegenheit des sprachanalytischen Ansatzes zu tun. Ich h a t t e zu Anfang darauf hingewiesen, daß Ich als Gefühlswörter prädikative Ausdrücke ansehe, die dazu verwendet werden können, die Emotionen einer Person zu charakterisieren. Nun h a t in dezidierter Weise Ernst Tugendhat die gegen eine gegenstandstheoretische Position gewendete sprachanalytische Auffassung deutlich gemacht, daß das Verstehen eines Prädikatsausdrucks nicht auf dem Wissen davon gründet, wofür, d.h. f ü r welche Eigenschaft, welchen Gegenstand etc. dieser Ausdruck s t e h t , sondern daß umgekehrt die Frage, wofür ein solcher Ausdruck s t e h t , nur beantwortet werden kann über die Beantwortung der Frage, wie dieser Ausdruck charakterisierend verwendet wird (vgl. Tugendhat 1976: 207). Wenn Tugendhat z.B. die semantische Priorität der prädikativen Form (rot) vor ihrer nominalisierten Modifikation {Röte) betont, so macht er damit auf den Vorrang der Charakterisierungsfunktion eines Prädikats aufmerksam, von der a b strahierend ein möglicher Bezugsgegenstand f ü r dieses Prädikat erst gewonnen werden kann (vgl. Tugendhat 1976: 183). Akzeptiert man nicht nur diese sprachtheoretische Position, sondern auch den methodischen Hinweis, den sie e n t h ä l t , und wendet ihn auf substantivische
Sabine Plum
174
Lexeme des emotionalen Wortschatzes an, so wird man sehr schnell darauf aufmerksam, daß diese Lexeme unterschiedliche Charakterisierungsfunktionen erfüllen. So besteht beispielsweise ein Unterschied zwischen "Angst haben" im Sinne von "sich in einem bestimmten akuten emotionalen Zustand befinden" und "Angst z.B. vor Schlangen haben" im Sinne von "eine lang andauernde Einstellung gegenüber bestimmten Dingen haben" (Aiston 1981: 10). Diese unterschiedlichen Verwendungsmöglichkeiten des Lexems Angst werden jedoch im Wörterbucheintrag zu diesem Lemma nicht aufgezeigt. Ebenso fehlt bei Freude ein Hinweis darauf, daß ein Unterschied zwischen der Verwendung dieses Lexems in einem Syntagma wie Freude über etwas empfinden gegenüber Verwendungen
an der Natur
in: Freude
an
etwas
haben
besteht
( F r e u d e am
Leben,
haben).
Diese Feststellung leitet mich zu der Vermutung, daß die Wörterbucheinträge zu substantivischen Gefühlswörtern weitgehend einer gegenstandstheoretischen Auffassung verpflichtet bleiben. Sie erläutern die Bedeutung substantivischer Emotionswörter nicht nur nach dem Prinzip, wofür steht das Prädikat x, wogegen ja nichts einzuwenden wäre, wenn bewußt bliebe, daß sich ein solcher Eintrag einer Abstraktionsleistung verdankt; sondern - und nur das erscheint mir kritikwürdig - ihre Angaben zur Bedeutung dieser Lexeme dokumentieren vielfach nur ungenügend die Regeln für den prädizierenden Gebrauch dieser Lexeme. Ungenügend - so kann ich jetzt meine Kritik zusammenfassen - in mindestens zwei Hinsichten: Erstens nämlich im Hinblick auf jenen historisch-gesellschaftlichen Rahmen, der diesen Gebrauch jeweils stereotypisch bestimmt und zweitens im Hinblick auf die unterschiedlichen Charakterisierungsfunktionen, die Gefühlswörter erfüllen.
4.
Überlegungen zur lexikographischen Bedeutungsbeschreibung von Gefühlswörtern
Es geht mir aber nun weniger um diese Kritik als vielmehr um die Möglichkeiten, auf die sie verweist, um zu einer vielleicht angemesseneren und informativeren lexikographischen Bedeutungsbeschreibung von Gefühlswörtern zu gelangen. Im folgenden werde Ich daher versuchen, in Grundzügen Perspektiven und Fragestellungen aufzuzeigen, die sich aus der oben dargestellten Kritik für die Konzeption von Bedeutungsbeschreibungen zu Gefühlswörtern ergeben.
175
Gefühlswörter im Wörterbuch 4.1
Zur Bedeutungsbeschreibung substantivischer Gefühlswörter: Verweisstrukturen
Zunächst müßten lexikographische Bedeutungsangaben - abgeleitet von der prädizierenden
Verwendung
eines
Emotionswortes
-
seine
verschiedenen
dungsweisen differenzierter unterscheiden, als es die
Wörterbücher
und auf
von
unterschiedliche Charakterisierungsfunktionen
mindest hinweisen oder - wenn möglich einzelnen Einträge
konsequent
an
ihnen
Verwen-
bisher tun
Gefühlswörtern
zu-
die mikrostrukturelle Gliederung der orientieren.
Zusammenhänge
der Verwendungsweise eines Wortes und bestimmten syntagmatischen
zwischen Kontexten,
in die es eintritt, sollten dabei verdeutlicht werden. Dadurch nämlich wird dem Wörterbuchbenutzer angezeigt, daß und wie die Bedeutungsangaben zu Prädikatsausdrücken aus bestimmten Vorkommenskontexten wurden.
Ein
Wörterbucheintrag
zum
Lemma
abstrahiert
dieses Ausdrucks
"Freude"
könnte
beispielsweise
zwischen folgenden Verwendungen unterscheiden: (1)
Meist ergänzt durch die Präposition über und das Verb empfinden: Freude über etwas empfinden wird der Ausdruck Freude verwendet, um die emotionale Befindlichkeit oder Rfeaktion eines Menschen zu charakterisieren, die durch Ereignisse ausgelöst wird, die dieser Mensch als positiv empfindet, häufig auch die diese Befindlichkeit kennzeichnenden Verhaltensweisen. Vgl. sich freuen A hat war
(2)
sich über mein Geschenk gefreut.
Seine Freude
über mein
Geschenk
aufrichtig.
Meist ergänzt durch die Präposition an und das Verb haben: Freude an etwas haben wird der Ausdruck Freude verwendet, um eine Haltung bewußter Wertschätzung zu charakterisieren, die eine Person (a)
zu bestimmten Gegenständen hat, über die sie verfügt: A hat Freude am Leben, an der Natur,
(b)
an seinen/ihren
Kindern.
zu bestimmten Handlungen hat: Spaß an einer Handlung haben, etwas gerne tun: A hat Freude am
In einer
solchen
Struktur
Routineformeln, vgl. Es ist Erläuterung dieser
Klavierspielen.
wäre
dann
auch
mir eine Freude...
Verwendung Hinweise
die
Verwendung
des
Lemmas
in
u.ä., eigens zu vermerken, da zur
auf die Situationen,
in
denen
solche
Routineformeln gebraucht werden, notwendig sind (vgl. Kühn 1984: 195). In der Regel wird jedoch nicht das Substantiv verwendet, um einer Person eine bestimmte Emotion zuzuschreiben. Wenn wir jemandem mitteilen wollen, daß sich eine andere Person im emotionalen Zustand der Freude oder des Ärgers befindet, sagen wir, daß sie sich freut oder ärgert, selten aber, daß sie Freude oder Arger empfindet. D.h. in der Regel wird für solche (vgl.
Freude
verwendet,
-
sich
seltener
freuen) dagegen
Prädikationshandlungen
oder das Adjektiv das
Substantiv.
(vgl. Das
Glück Lexem
-
das Verb
glücklich
sein)
mit
seiner
Angst
176
Sabine Plum
häufigen Verwendung in Angst 1980:
haben stellt eine Ausnahme dar (vgl. Bergenholtz
154).
Um solchen bietet
es
kommunikativ relevanten
tragen,
und
Adjektiven
des Prä-
dikationshandlungen
zu
sondern
vollziehen.
bei
Beim
den
nicht
zu
emotionalen Wortschatzes, die vorrangig benutzt werden, um entsprechende
anzugeben,
Prädikationsregeln
Rechnung dem
Lemma
ausführliche
Wortschatzstrukturen
unter
vischen
sich an,
Verben
Eintrag
zum
substanti-
substantivischen
Lemma
könnte dann auf diese Angaben verwiesen werden. Die Frage nach inhaltlichen Aspekten, die Bedeutungsbeschreibungen zu Gefühlswörtern
enthalten
sollten,
um
den
Verwendung von Gefühlswörtern
historisch-gesellschaftlichen
Rahmen
zumindest ansatzweise zu erfassen,
wird
der daher
im folgenden im Hinblick auf die Verben des emotionalen Wortschatzes diskutiert.
4.2
Zur lexikographischen Bedeutungsbeschreibung von Verben des emotionalen Wortschatzes
4.2.1
Formen des GefOhlsausdrucks
Aussagen über die Emotionen anderer Personen können sich auf die Beobachtung bestimmter Verhaltensweisen dieser Personen stützen und durch diese werden.
Die
Verwendung
Wittgenstein wiederholt
von
Gefühlsausdrücken
hingewiesen
-
-
darauf
hat
begründet vor
wird im Zusammenhang mit solchen
allem Ver-
haltensweisen erlernt. Daraus ergibt sich für Ihn die Konsequenz, daß die Frage nach der Bedeutung von Emotionswörtern nicht allein durch den Hinweis auf b e stimmte "Gefühle" oder "innere Zustände" einer Person beantwortet werden kann, die
gemäß
werden,
der
traditionellen
sondern
berücksichtigen
an hat,
Gefühlstheorie
zentraler die
Stelle
mithilfe
von
durch
jene
diese
Formen
Gefühlswörtern
Wörter
des in
bezeichnet
Benehmens
spezifischer
zu Weise
gedeutet und interpretiert werden. "Vergessen wir doch einmal ganz, daß uns der Seelenzustand des F ü r c h t e n den interessiert. Gewiß ist, daß uns auch sein Benehmen unter gewissen Umständen als Anzeichen für künftiges Verhalten interessieren kann. Warum sollten wir also nicht dafür ein Wort haben. Es kann dies ein Verbum oder ein Adjektiv sein." (Wittgenstein 1949, I: 166) "Vor allem: Was tut Einer, wenn er zornig ist? Wie benimmt er sich? Mit andern Worten: Wann sagt man, Einer sei zornig? Nun und in solchen Fällen lernt er den Ausdruck gebrauchen: "Ich bin zornig"". (Wittgenstein 1949, I: 127) Wenn
jedoch
ein
solch
enger
Zusammenhang
zwischen
Emotionswörtern
und
emotionalem Benehmen angenommen werden kann, dann sollten Wörterbücher j e n e Verhaltensmuster,
die
bestimmte Emotion
angesehen
Emotionswörtern
als
integrieren.
charakteristisches werden
können,
Ausdrucksbenehmen in
für
Bedeutungsbeschreibungen
eine zu
Gefühlswörter im Wörterbuch
177
Als charakteristische Ausdrucksformen können dabei nicht nur die verschiedenen Anzeichen körperlicher Erregung, die emotionale Zustände häufig begleiten, und der Gefühlsausdruck durch Mimik und Gestik verstanden werden. Mihâly Péter hat ausführlich unterschiedliche Formen des sprachlichen Gefühlsausdrucks beschrieben (Péter 1984). Die von ihm erarbeitete Klassifikation ließe sich vielleicht für die Ausarbeitung einer Struktur für Bedeutungsbeschreibungen von Emotionswörtern nutzen. Péter unterscheidet u.a. zwischen sprachlichen Mitteln, durch die ein Gefühlszustand angedeutet wird, wie: Interjektionen, Modalwörter, Intonation 13 ; emotional gefärbtem Sprachgebrauch, der auf unterschiedlichen sprachlichen Beschreibungsebenen, z.B. der Lexik, Syntax, Morphologie auftreten kann, und dem expliziten Gefühlsausdruck, bei dem Emotionswörter verwendet werden. "Es liegt kein Grund vor, Äußerungen wie Ich freue mich. Ich habe Angst, Das ist empörend und dergleichen nicht als eine Art des sprachlichen Gefühlsausdrucks zu betrachten" (Péter 1984: 246). Während aber Péter mit dieser dritten Gruppe alle Formen des Gefühlsausdrucks zusammenfaßt, in denen ein Emotionswort verwendet und eine Emotion "begriffsmäßig bezeichnet" (Péter 1984: 246) wird, haben sowohl Wittgenstein als auch Tugendhat auf die besondere Bedeutung von expliziten Gefühlsäußerungen hingewiesen, in denen das finlte Verb in der 1. Person Präsens Indikativ steht (vgl. Wittgenstein 1949, II: 63 u. 177; Tugendhat 1981: 86ff). Solche "egologischen" Äußerungen, wie Ich freue mich. Ich ärgere mich etc., haben folgt man den Ausführungen Wittgensteins und Tugendhats - einen grundsätzlich anderen kommunikativen Stellenwert als entsprechende Zuschrelbungen aus der Perspektive einer anderen Person, vgl. "A freut sich" u.ä. Um den Unterschied beider Verwendungen zu kennzeichnen, führt Tugendhat den Begriff der "epistemischen Asymmetrie" (1981: 89) ein. Mit diesem Begriff charakterisiert Tugendhat allerdings nicht eine Besonderheit der Verwendung von Emotionswörtern, sondern aller Prädikate, die für Bewußtseinszustände stehen. Eine Asymmetrie besteht hier insofern, als egologische Äußerungen, die Bewußtseinsprädikate enthalten, im Gegensatz zu entsprechenden Äußerungen aus der Perspektive einer anderen Person nicht auf Beobachtung beruhen. Auch stellen wir bei egologischen Äußerungen in der Regel keine Rückfragen der Art: Woher weißt du, daß du dich freust? oder Vertust du dich da nicht?, wohl aber bei Behauptungen des Typs "A freut sich." Nach Tugendhat kommt in solchen egologischen Äußerungen ein unmittelbares Wissen darüber zum Ausdruck, in welchem psychischen Zustand man sich befindet (1981: 134). Es scheint einiges dafür zu sprechen, daß es sich bei diesen Äußerungen um eine Realisierungsform für einen Typ von Sprechhandlungen handelt, die als expressiv beschrieben werden können. Für die Konzeption von Bedeutungsbeschreibungen zu Gefühlswörtern ergibt sich aus diesem Überblick über verschiedene Formen des Gefühlsausdrucks vor allem 13
Péter spricht hier (1984: 248) von Andeutungen "gewisser psychischer Zustände oder Innerer Erlebnisse mittels intentlonaler Zeichensetzung".
178
Sabine Plum
die Frage, wie die unterschiedliche Verwendung von Gefühlswörtern in egologischen und nicht-egologischen Äußerungen in Wörterbucheinträgen s t r u k turell deutlich gemacht werden kann. Aufgrund des bisher eher noch u m s t r i t t e nen Status von egologischen Gefühls- und Einstellungsäußerungen kann diese Frage jedoch bisher nicht zufriedenstellend beantwortet werden. 14
4.2.2
Kognitive Implikationen
Ein weiteres Merkmal, das die Verwendung von Gefühlswörtern wesentlich bestimmt, verbindet sich mit der Gerichtetheit von Emotionen, die sich grammatisch z.B. durch die unterschiedlichen präpositionalen Ergänzungen ausdrückt, die bei
vor
Gefühlswörtern
auftreten:
vgl.
sich
freuen
auf,
über,
an-, sich
fürchten
etc.
Vor allem durch kognitivistische Richtungen der Emotionspsychologie, aber auch im Kontext der sprachanalytischen Philosophie ist deutlich gemacht worden, daß der Gebrauch von Emotionswörtern bestimmte Wertungen und kognitive Urteile bezüglich der Gegenstände impliziert, auf die sich Emotionen in dieser Weise richten können (vgl. Pitcher 1981: 89ff; Mandl/Huber 1983: 29). Es wäre zu fordern, daß diese kognitiven Implikationen in stärkerem Maße als bisher in der Bedeutungsbeschreibung von Gefühlswörtern Berücksichtigung finden. Denn mithilfe dieser kognitiven Aspekte lassen sich semantische Unterschiede zwischen verschiedenen Gefühlswörtern, aber auch zwischen verschiedenen Verwendungsweisen eines einzelnen Lexems sichtbar machen. Anhand der kognitiven Einstellungen und Situationseinschätzungen, die der Gebrauch von Emotionswörtern impliziert, zeigt sich besonders deutlich, daß Emotionswörter immer auch auf soziale Konstrukte verweisen, insofern mit ihnen ein "Benehmen unter gewissen äußeren Umständen" (Wittgenstein 1949, II: 166) In spezifischer Weise interpretiert wird. So unterscheidet sich beispielsweise die Verwendung des Ausdrucks froh sein bezüglich Ihrer kognitiven Implikationen von der des Ausdrucks sich freuen. Wenn man von einer Person sagt, daß sie froh ist, setzt dies nämlich nicht unbedingt voraus, daß ein Ereignis eingetreten ist, das sie als sehr positiv empfindet und sich gewünscht hat. Man s a g t von einer Person auch dann, daß sie froh Ist, wenn etwas, das diese Person als unangemessen empfunden hätte, wider Erwarten nicht eingetreten ist oder ein Zustand aufgehört hat, den diese Person als unangenehm empfand, in Fällen also, in denen man nicht unbedingt davon sprechen würde, daß sie sich freut. Daher sind typische Verwendungen von
froh
sein
Äußerungen,
wie:
Ich
bin
froh,
das
hinter
mir
zu
haben,
A
ist
Vgl. etwa Lang (1984) und die im Anschluß an ihn geführte Kontroverse in Rosengren (1984; 1985) und Pasch (1985).
Gefühlswörter im Wörterbuch
179
froh, daß dies nicht geschehen ist etc. Dagegen sagt man beispielsweise nicht: Ich bin froh über dein Geschenk.
5.
Zusammenfassung und Ausblick
Ausgehend von emotionstheoretischen Ansätzen vor allem aus dem Umkreis der sprachanalytischen Philosophie habe ich versucht, deutlich zu machen, inwiefern gefühlsausdrückende Verhaltensweisen und kognitive Implikationen, an die die Verwendung von Emotionswörtern geknüpft ist, bei der Bedeutungsbeschreibung emotionaler Ausdrücke berücksichtigt werden sollten. Am Beispiel des Verbs sich freuen illustrieren: sich
lassen sich meine Überlegungen etwa wie folgt
freuen
Durch den Ausdruck A freut sich deutet ein Sprecher B ein bestimmtes Benehmen einer anderen Person A (charakteristisch: Jauchzen, Jubeln, Lachen, Hochwerfen der Arme) als Ausdruck eines bestimmten emotionalen Zustandes von A. Die Deutung Bs setzt voraus, daß die Emotion As entweder durch das Eintreten eines Ereignisses ausgelöst wurde, das A als besonders positiv für sich empfindet, sich gewünscht oder ersehnt hat (vgl. A freut sich über etw./daß etw. geschehen ist) oder durch die Überzeugung und Erwartung von A, daß ein solches Ereignis in Zukunft eintreten wird (vgl. A freut sich auf etw./daß etw. eintreten wird). Anstelle oder im Kontext des oben beschriebenen Verhaltens kann die Person A ihren emotionalen Zustand und ihre positive Stellungnahme zu einem Ereignis auch explizit zum Ausdruck bringen: Ich freue mich (riesig, sehr\ (über/daß/auf). Auf zwei weiterführende Aspekte, die im Rahmen dieses Beitrags angesprochen werden konnten, sei abschließend in Kürze verwiesen:
nicht
(1)
Bedeutungsbeschreibungen, die den Anspruch erheben, Regeln für die Verwendung sprachlicher Zeichen zu formulieren, können nicht auf die Darstellung von Prädikationsregeln beschränkt bleiben. Über die vorgestellten Überlegungen ist also insofern hinauszugehen, als die Verwendung von Emotionswörtern in anderen Sprechhandlungen, ihre appellativen, wertenden und symptomfunktionalen Bedeutungsaspekte mit zu beachten sind.
(2)
In diesem Zusammenhang ist dem Hinweis Kühns nachzugehen, daß es "den Verwendungsdurchschnitt eines Wortes" (Kühn 1987: 274) nicht gibt und in der lexikographischen Beschreibung daher nicht die Angabe einer allgemeinen "prototypischen Bedeutung" (1987: 274) angestrebt werden sollte. Die von ihm geforderte Darstellung der verschiedenen gruppenabhängigen Wortverwendungen im Wörterbuch kann nur über textdokumentativ verfahrende Bedeutungsbeschreibungen erfolgen (vgl. auch Jäger/Plum 1989).
Im Hinblick auf die Entwicklung von Modellen zur lexikographischen Bedeutungsbeschreibung von Emotionswörtern, die in stärkerem Maße als herkömmliche
Sabine Plum
180
Wörterbucheinträge gesellschaftliche Bedingungen und Bedingtheiten ihrer Verwendung verdeutlichen sollen, kann der vorliegende Beitrag daher a l l e n f a l l s eine vorbereitende Funktion haben.
6.
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182
Sabine Plum
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URSULA VENN Neoklassizismus. Kritik und Vorschläge zur Fachlexikographie der Musik
Wörterbucheintrag Neoklassizismus im gemeinsprachlichen W&rterbuch und im Fachwörterbuch der Musik
1.
"Erst als er vom Neoklassizismus ergriffen wurde, erkannte Hindemith, auf welchem Weg er seine natürlichen Gaben zur vollen Entfaltung bringen konnte." (Copland 1947: 81) Jeder,
auch
Konzerts,
der
begegnet
musikwissenschaftlich In
Konzertprogrammen,
Wörtern der Fachterminologie Musikverständnis Konzertbesucher Im
zunächst Fall
nicht
des
vorbelastete
-Vorankündigungen
der Musik, die dem T e x t im
Wege
Terminus
Besucher
stehen.
und
-kritlken
und damit
auch dem
Zieht
Neoklassizismus
eines
der
ein
interessierte
gemeinsprachliches
Wörterbuch heran, um sich einen groben Überblick über die Bedeutung des Wortes In der Fachsprache der Musik zu verschaffen, wird er überwiegend feststellen, daß die Bedeutung des Wortes in der Musik im gemeinsprachlichen
Wörterbuch
ausgespart bleibt, wie das folgende Beispiel zeigt: Neben
den
Im
Eintrag
vorhandenen
Angaben
(Lemma, Silbentrennung, grammatische Angaben, Ntolklif|il|z|i|iirai, der; Bedeutung des Wortes in der Literatur) fehlen
• : sich bes. in kolossalen Säulenordnungen aus-
T
.
_
..
. ^
„ ,
drückende formalistische u. historisierende Ten- Informationen zur Wortgeschichte, Belegzahlen und Belegß (Grundlagen einer sprachlichen Untersuchung) sowie Bedeutungen des Wortes in anderen Fachsprachen (Duden-DUW 1983- 882) Bedeutung des Wortes Vergleich ein Eintrag Der folgende Eintrag in Fachwörterbüchern
als der hier aufgeführten
Bedeutung in der Fachsprache der Architektur.
Diese Feststellung erstaunt im Hinblick auf die in der Fachsprache der Musik Jedoch kaum mehr, wenn als aus einem Fachwörterbuch der Musik herangezogen wird. steht stellvertretend für zahlreiche vergleichbare Einträge der Musik:
184
Ursula Venn NEOKLASSIZISMUS, Bz. für eine allgemein kulturhistorische Strömung der I. Hälfte des 20. Jh.; in der Musik zwischen 1900 und 1920 hauptsachlich als Gegenbewegung entstanden: einerseits zur Spatromantik und deren Monumentalitat, ihrer Chromatik und Alterationsharmonik als Merkmale einer übersteigenen, komplexen und ausdrucksüberladenen Musiksprache; andererseits zum Expressionismus (später auch zur Zwölflontechnik) der 2. Wiener Schule, der man gleichermaßen Überspitzung des Subjektivistischen und Konstruktivismus vorwarf. N. ist in bezug auf Musik ein sehr weitgefaßter Sammelbegriff, der zur Kennzeichnung von Werken unterschiedlichster Ausprägung verwendet wird, so daß eine Beschreibung seiner Merkmale notwendig nur sehr allgemein gefaßt werden kann. Die Übergange und Grenzen zu anderen Stilen sind fließend. Darüber hinaus finden sich stilistische Ähnlichkeiten zu ausgesprochenen Vertretern des N. auch bei Komponisten mit ganzlich andersartigen Ausgangspositionen. Allen gemeinsam ist noch am ehesten: der Versuch, durch bewußten Rückgriff (auf eine „Klassik") gewonnene formale. satztechnische und ausdrucksmaßige Elemente mit einer gemäßigten, meist frei tonalen Harmonik sowie einer durchaus traditionellen, schwerpunktsbezogenen Rhythmik (oft mit moto-
rischen Zügen) zu verbinden, wobei durch Zurücknahme des subjektiv-expressionistischen Moments die quasi „objektive" Seite der Musik und ihr Spielerisches betont wird. Oer Begriff der „Klassik" ist dabei sehr weit gefaßt und bezieht sich auf die Vokalpolyphonie der franko-flamischen Schule ebenso wie auf die Musik des Barocks, der Vorlüassik und der Wiener Klassik (Motette, Fuge, Suite, Concerto grosso und Sonate werden wiederbelebt). Andererseits steht „Klassik" dabei etwas einseitig als ästhetisches Vorbild für Einfachheit, Leichtigkeit und Natürlichkeit Zu den wichtigsten Vertretern des N. zählen die Komponisten der /• Groupe des Six, P. Hindemith, E. Pepping, H. Distler, J. N. David. Charakteristische Werke dieser Stilrichtung schufen u.a. Cl. Debussy (Pour lepiano), M. Ravel (Le tombeau de Couperin; Sonatine), I. Strawinsky (Puldndla [nach G. B. Pergolesi]; Symphony in C), S. Prokofjew (Symphonie classique) und B. Bartök (Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta). Neoklassizistische Elemente (in Rhythmus und Form) finden sich jedoch auch in A. Schönbergs spaterer zwölftöniger Schaffensphase, z. B. in den Streichquartetten op. 30 und 37 und im Violin- und Klavierkonzert Ein Zusammenhang von N. und sozialistischem Realismus besteht auch bei den nissischen Komponisten A. Chatschatuijan und Dm. Schostakowitsch. Lit: TH. W. ADORNO, Philosophie der Neuen Musik (TS 1949. NA F 1938. >1967), wiederabgedruckt in: Gesammelte Schriften XII. hrsg. v. R. Tiedeinann (F 1973): F. KXUMMACHEX, Klassizismus als musikgesch. Problem, in: Kgr.-Ber. Kopenhagen 1972 (Kop 1972): P. BOULEZ, Anhaltspunkte. Eaays (St - Z 1973).
EK1EM
(Honegger VI, 1981: 19) Angaben zur sprachlichen Untersuchung des Terminus finden in dem Eintrag keine Berücksichtigung: Es fehlen Angaben zur Anzahl der untersuchten Textwörter, zur Verwendung des Terminus in Gemein- und Fachsprache, grammatische Angaben, Angaben zur Wortgeschichte. Darüber hinaus fehlt eine repräsentative Aufstellung von Merkmalen ebenso wie der Bezug zu Musikbeispielen. Eine Zuordnung und Abgrenzung von Komponisten und Werken entbehrt jeder Grundlage. Ein Bezug zur Fachliteratur ist nicht hergestellt. Ausführliche und weiterleitende Literaturangaben sind nur ansatzweise aufzufinden. Sowohl eine Klärung der Bedeutung des Wortes, als auch das Belegen festgestellter Charakteristika des Stils und/oder der zeitlichen Epoche o.ä. an ausgewählten Musikbeispielen sind nicht auffindbar. Die recht begrenzten Literaturangaben lassen deutlich werden, daß in diesem Eintrag lediglich einige wenige Beispiele aus der Fachliteratur reproduzierend aufgegriffen werden, ohne daß es darüber hinaus zu einer tatsächlichen Klärung der Bedeutung des Wortes kommt. So stellt sich die Frage, wie ein "weitgefaßter Sammelbegriff" (Honegger VI, 1981: 19) dennoch kennzeichnend sein kann für einen bestimmten musikalischen Stil (1), welche gemeinsame Grundlage den Autor veranlaßt, musikalische Werke
185
Fachlexikographie der Musik
"unterschiedlichster Ausprägung" (Honegger VI, 1981: 19) zu machen (2), wie die musikalischen Merkmale konkret
zu
auch "sehr
beschreiben
sind
gekennzeichnet
Neoklassizismus
allgemein
(3),
gefaßt"
wodurch
(Honegger
der
VI,
musikalische
ist, und wodurch "seine
1981:
19)
Stil
des
Übergänge und Grenzen
zu anderen Stilen" (Honegger VI, 1981: 19) fließend sind (4), wieviele Merkmale zusammtreffen müssen,
damit
der Terminus
kann (5), wie Neoklassizismus welche
ästhetische
Position
Kompositonstechniken
verwendet
Neoklassizismus
werden
gegen Barock, Vorklassik u.a. abzugrenzen ist
und
als mit
Grundlage welchen
dient
(7),
auf
Kompositionen
Grund
(6),
welcher
Komponisten
dem
zuzuordnen sind (8).
Neoklassizismus
Gebrauch des Wortes Neoklassizismus in der Gemeinsprache und in der Fachsprache der Musik
2.
Eine
vorläufige
z.T. zwar
als
Komponente
Beobachtung in
Neoklassizismus
Lemma
jedoch
Untersuchung wird
der
lexikographischen
gemeinsprachlichen aufgenommen stets
Wörterbüchern
ist,
ausgespart
es deshalb
sein,
die wird.
Einträge ergibt,
Erläuterung Ein
seiner
Ziel
zum
die
Terminus
musikalischen
meiner
aufzuzeigen, inwiefern
Terminus
daß der
umfassenden Ausklammerung
der musikalischen Bedeutung des Terminus Neoklassizismus
in gemeinsprachlichen
Wörterbüchern berechtigt
der bisherigen
Ist oder
nicht.
Eine Erklärung
Praxis
liegt sicher (wie im vorangegangenen Abschnitt deutlich wird) in der Behandlung des Terminus in den Fachwörterbucheinträgen Die
definitorische
Lücke
in
der Fachwörterbücher
Fachwörterbucheinträgen
der
Musik
der Musik.
wird
Durchsicht einiger wichtiger musikwissenschaftlicher Fachwörterbücher deutlich. Der Terminus Neoklassizismus
bei
der
nur allzu
ist aufgenommen bei Honegger/Massenkeil,
fehlt jedoch in MGG sowie bei Riemann, Bennwitz und Eggebrecht.
Gebrauch des Wortes Neoklassizismus In muslkwissensch&fltichen Texten aus den Bereichen Ästhetik und Werkanalyse
3.
Ein Hauptproblem
bei
der
analytischen
Auseinandersetzung
mit
musikalischen
Werken unterschiedlicher Zeiten stellt die Beschäftigung mit in der musikwissenschaftlichen
Literatur
vorhandenen
Werkbeschreibungen
dar,
in
denen
Stelle analytischer Untersuchungsergebnisse häufig Beschreibungen wie romantisch
an
die
klassisch,
o.ä. treten, die eine allgemeine Verständlichkeit Implizieren.
Insbesondere
der
Bereich
des
Wortfelds
klassisch
erweist
sich
als
einer
der
weitest verbreiteten und am wenigsten deutlichen, da klare Definitionen, die für eine
Untersuchung
möglicher
struktureller
Affinitäten
zwischen
musikalischen
Werken unterschiedlicher zeitlicher Abschnitte notwendige Voraussetzung sind, an keiner
Stelle
gegeben
werden.
Eine
gründliche
Untersuchung
von
Ursula Venn
186
Fachwörterbucheinträgen, Artikeln in musikwissenschaftlichen Enzyklopädien und sonstigen musikwissenschaftlichen Beiträgen läßt jedoch nicht nur eine klare Begriffsklärung (im Sinne des tatsächlichen Sprachgebrauchs) vermissen, sondern auch ein Belegen festgestellter Charakteristika des Stils oder der zeitlichen Epoche an ausgewählten Musikbeispielen. Als Beispiele für die Verwendung des Terminus Neoklassizismus in musikwissenschaftlichen Texten aus den Bereichen Ästhetik und Werkanalyse sollen folgende Äußerungen stehen: nicht unmittelbar beeinflußt "Auch Komponisten, die vom Neoklassizismus wurden, fanden sich durch ihn veranlaßt, vom mechanistischen Primitivismus ihrer frühen Werke Abstand zu nehmen." (Copland 1947: 81) Der Text setzt ein ganz bestimmtes Verständnis des Terminus Neoklassizismus voraus, meint offensichtlich ein ganz bestimmtes Material, eine ganz bestimmte musikalische Struktur, ohne diese zu belegen oder zu benennen. "Der Vitalismus Hindemiths und der Neoklassizismus beherrschten bis 1933 die Neue Musik, um dann vor allem In Deutschland einem sterilen, epigonenhaften, volkstümelnd-wuchtigen oder platt-zisellerten Musikschaffen abgelöst zu werden." (Bennwltz 1963: 310) Der Text stellt unterschiedliche stilistische Richtungen einander gegenüber. Klare Definitionen werden vorausgesetzt. "Während sich Casella In seinem Neoklassizismus nach 1920 zunächst an Stawinsky orientierte und erst später jenen Nationalanspruch erhob, der auch In seiner Faschismus-Begeisterung Ausdruck fand, verkörperte sich in Malipieros umfangreichem, quallfitiv ungleichem Schaffen eine Spielart des Neoklassizismus, die durch den Rückgriff auf altitalienische Traditionen gekennzeichnet war und die seiner Tätigkeit als Schriftsteller und Editor korrespondierte (...)." (Danuser 1984: 150) Dieser Text setzt die Unterscheidung unterschiedlicher Neoklassizismus voraus. Eine gemeinsame Grundlage der unterstellt, an keiner Stelle des Gesamttextes definiert.
Ausprägungen von Ausprägungen wird
Der Vergleich aller drei Textausschnitte - die Jeweils als typische Beispiele für ihre jeweilige Entstehungszelt angesehen werden können - macht deutlich, daß es bislang keine Verbesserung hinsichtlich einer klareren Definition des Terminus Neoklassizismus in der Musikwissenschaft gegeben hat. Ähnlich unklar bleibt der Terminus in der musikwissenschaftlichen Literatur, die sich speziell mit dem Problem der genaueren Definition des Terminus auseinandergesetzt und ein verbessertes Verständnis des Terminus angestrebt hat. Als Beispiel dieser Texte sei der folgende Ausschnitt angeführt:
Fachlexikographie der Musik
187
Neoklassizismus setzt, wie jeder Klassizismus, eine Klassik oder Klassisches in der Gestalt klassischer Werke voraus. Der Begriff der Klassik meint in einem solchen Zusammenhang stets eine bestimmte geschichtliche Periode, insbesondere, wenn nicht von Musik, sondern von bildender Kunst und Literatur die Rede ist, das Altertum; klassische Werke sind solche, die allgemein als mustergültige anerkannt sind. Wenn auch im Bereich der Musik eine bestimmte Periode Klassik genannt wird - die Wiener Klassik des späteren 18. und des beginnenden 19. Jahrhunderts - , so sind selbstverständlich nicht alle klassischen Werke Produkte jener Zeit. Die klassischen Werke der Gattungen Sinfonie, Quartett und Klaviersonate entstammen freilich dem Zeitalter der Wiener Klassik, ihre Schöpfer waren Haydn, Mozart und Beethoven, aber die klassischen Fugen komponierte Bach, die klassischen Oratorien Händel, und als Klassiker der Motette und der katholischen Kirchenmusik insgesamt gilt Palestrlna. Wie immer dem auch sei, mit dem Wort Klassizismus ist stets ein Rückgriff gemeint, sei es nun auf ein klassisches Werk, auf bestimmte Eigenschaften eines klassischen Werkes, oder auf ein Werk einer klassischen Periode. (Stephan 1977: 1) Der Text verwendet in seiner Erklärung des Terminus Neoklassizismus folgende Wörter: Klassik (3 Belege), Klassiker (2), klassische (1), Klassizismus (2), Neoklassizismus (1) und Wiener Klassik (1). Zwar hat diese Definition die wesentliche Regel des Definierens (Definiens ungleich Definiendum) formal eingehalten, jedoch stellt der Text mit der Verwendung elf verschiedener verwandter Wörter des zu definierenden Terminus - insgesamt 19 Belege dieser Art (das sind knapp 11% aller Textwörter) dennoch lediglich eine Scheindifferenzierung dar, da eine klare Definition aller oben genannten Wörter vorausgesetzt wird. Diese Definitionen liegen aber ebenfalls nicht vor.
4.
Untersuchung des Wortes Klassiker bei Brandt 1976
Als eins von drei wesentlichen Zielen seiner Arbeit führt Brandt an, er wolle "auf der Grundlage eines Korpus standardsprachlicher Belege Auskunft über die Bedeutung und die Anwendungsbereiche des Wortes Klassiker in der deutschen Standardsprache der Gegenwart" (Brandt 1976: 1) geben. Brandt untersucht in seiner Arbelt jedoch lediglich ein einziges grammatisches Wort des gesamten Problemkreises, kann also nur einen Teilausschnitt darstellen, der für einen verbesserten lexikographischen Eintrag nicht ausreichend ist. Darüber hinaus strebt Brandt eine synchrone Betrachtung an, die Jeder sprachgeschichtllchen Grundlage entbehrt, die gerade für das gesamte Wortfeld Klassik von entscheidender Bedeutung ist. Den begrenzten Aussagewert der Untersuchung gibt Brandt selbst einschränkend an: "Entsprechend unserem ersten, praktischen Ziel werden sowohl die Wörterbücher wie die analytischen Operationen der Pleremik nur an dem Exemplum Klassiker gemessen. Über dieses Exemplum hinausgehende Aussagen sind daher in der Mehrzahl wissenschaftliche Spekulationen, die der Verifizierung bedürfen" (Brandt 1976: 1).
188
Ursula Venn
Als aussichtsreichsten Weg seiner Untersuchung gibt Brandt "die aus Lese- und Hörfrüchten selbst zusammengetragene an; deren
Nachteil, der
Belegsammlung"
seiner Meinung
nach
"in
(Brandt
den
1976: 29 -
Zufälligkeiten
30)
und der
Subjektivität der Interessen und der Lese- und Hörgewohnheiten des Linguisten" (Brandt 1976: 30) begründet liegt, nimmt er in Kauf. Die von
Brandt
Ergebnisses
selbst
setzen
eingeräumten
sich
in
der
Zufälligkeiten
Gruppierung
stehen für einzelne Teilbereiche
und
die Subjektivität
der Belege
fort. Darüber
als Grundlage tatsächlich
des
hinaus
nur ein oder
zwei
Belege zur Verfügung. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn Brandt, um eine Glaubwürdigkeit seiner Ergebnisse zu suggerieren, Im folgenden Text nicht mehr von absoluten Belegzahlen, sondern von prozentualen Anteilen spricht. Zudem
setzt
Fachsprache
Brandt voraus,
Untersuchung
vor,
in
seiner
nimmt
wenn
er
Arbeit
eine
Trennung
aber
selbst
keine
sagt:
"Komplizierter
von
derartige liegen
die
Gemein-
und
Trennung
der
Dinge
der
in
Literatur- und Kunstwissenschaft. Denn weder Germanisten, noch Altphilologen, noch Kunsthistoriker Eingrenzung Zuordnung
ihrer von
sind sich
im geringsten
spezifischen Klassiken, Autoren,
Künstlern
weltgehender Konsens, klassisch, aber
dennoch
einig
die
und
über die
anzulegenden
Werken.
genaue
zeitliche
Kriterien
und die
Trotzdem
besteht
aber
Klassiker und Klassik als zwar pauschalierende,
unentbehrliche
Ordnungsbegriffe
künstlerischen Wesensbestimmung, der Qualitäts-
der
Epochenbildung,
oder der
der
Stilcharakterisierung
zu verwenden." (Brandt 1976: 92) Zusammenfassend
sind
folgende
gravierende
Mängel
der
Arbeit
von
Brandt
festzustellen: Die Auseinandersetzung
beschränkt sich lediglich auf das Wort
Klassiker
(1).
6.
-
Brandt strebt eine ausschließlich synchrone Untersuchung an (2). Die Anzahl der Belege ist relativ gering (204) und gründet in hohem Maße auf Subjektivität und Zufälligkeit (3).
-
Brandt nimmt keine Trennung zwischen Gemein- und Fachsprache vor (4).
-
Eine Differenzierung ebenfalls (5).
-
Die Ergebnisse haben keine funktionale Bedeutung. Sie sind auf Grund ihrer Unzuverlässigkeit lexikographisch nicht verwendbar (6).
innerhalb
einer
Fachsprache
fehlt
entsprechend
Untersuchung der tatsächlichen Bedeutung des Wortes Neoklassizisntus in der Fachsprache der Musik mit Hilfe eines Textkorpus zur Fachliteratur der Musik
Eine fundierte Definition des Terminus Neoklassizismus Musik kann
Uber die musikwissenschaftliche
Arbelt
in der Fachsprache der
hinaus m.E. nur mit
einer Korpusanalyse gefunden und damit die Anwendbarkeit erreicht werden.
Hilfe
Fachlexikographie der Musik
189
Die Auseinandersetzung mit der einzigen zu diesem Problemkreis vorhandenen Arbeit, Brandt 1976, macht darüber hinaus deutlich, daß nur eine interdisziplinäre Bearbeitung des Problems tatsächlich funktionale Bedeutung (im Sinne eines verbesserten lexikographischen Eintrags sowie schließlich mit dessen Hilfe im Sinne eines v e r t i e f t e n Musikverstehens) haben kann. Daher scheinen zwei parallel angesetzte Untersuchungswege sinnvoll: die lexikographische Untersuchung und die musikalisch-strukturelle (phänomenologische) Analyse. Auf der Grundlage mehrerer Sprachkorpora (Limaskorpus, Bonner Zeitungskorpus, Goethe-Wörterbuch-Korpus, eigens erstelltes Korpus zur Allgemeinsprache, eigens erstelltes Korpus zur musikwissenschaftlichen Fachliteratur) ist eine sprachliche Analyse des Terminus selbst und aller Termini des gesamten Wortfelds klassisch zu erstellen. Parallel dazu erfolgt eine strukturelle Analyse ausgewählter Musikbeispiele nach phänomenologischem Ansatz (Roman Ingarden). Auf dieser Grundlage kann letztlich eine Detaillierung musikalischer Analyse erreicht, können Affinitäten zwischen musikalischen Werken unterschiedlicher Epochen aufgezeigt werden, kann eine Zuordnung oder Abgrenzung bestimmter Komponisten und deren Werke erfolgen, soll eine wesentliche Grundlage für ein v e r t i e f t e s Musikverständnis geschaffen werden. Im Interesse einer funktionalen Bedeutung von Fachwörterbucheinträgen muß es in einem verbesserten Eintrag zum Terminus Neoklassizismus vorrangig um die Untersuchung des Sprachgebrauchs des Terminus mit seinen vielfältigen Bedeutungen gehen. Erst auf dieser Grundlage kann eine r e p r ä s e n t a t i v e Aufstellung von Merkmalen (etwa im Sinne spezifischer kompositorischer P r i n zipien) als gesichert gelten. Danach können gesicherte Zuordnungen und Abgrenzungen von Komponisten und Werken erfolgen. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen Erstellung und Untersuchung eines Korpus der musikwissenschaftlichen Fachliteratur, das nach folgenden Auswahlkriterien e n t s t e h t : Herangezogen werden lexikographische Einträge zum Terminus Neoklassizismus, daneben Bücher, Aufsätze, Zeitschriftenartikel u.a. musikwissenschaftliche Beiträge, die im Titel oder Untertitel das Wort klassisch, bzw. Neoklassizismus, oder ein ihm verwandtes verwenden, z.B.: "Paul Mies: Der Kanon im mehrstimmigen klassischen Werk" (alle grammatischen Wörter sind dabei einbezogen), daneben Bücher, Aufsätze, Zeitschriftenartikel u.a. musikwissenschaftliche Beiträge, die im Titel zwar nicht einen der zu untersuchenden Termini verwenden, aber auf ein bestimmtes in den Zusammenhang gehörendes Phänomen eindeutig hinweisen, z.B.: "Kathl Mayer: Zum Stilproblem in der Musik". Letztlich wird eine zusätzliche Belegsammlung aller Zufallsbelege aus dem Bereich der musikwissenschaftlichen Literatur, die während der Untersuchung aufgefunden werden, ergänzend hinzugezogen.
190
Ursula Venn
Eine erste Untersuchung von Belegen zum Terminus Neoklassizismus 1m Hinblick auf Lemma, Anzahl der Belege, Kollokationen mit Belegzahlen, Jahreszahlen mit Belegzahlen, grammatische Wörter (berücksichtigt sind ausschließlich Artikel und Belege, die Neoklassizismus als Terminus auch verwenden; nicht berücksichtigt bleiben zunächst Belege, die das gleiche Phänomen mit anderen Termini beschreiben) ergibt folgendes Bild: Lemma:
Neoklassizismus
Anzahl der Belege: 93
Neoklassizismus
Kollokationen mit Belegzahlen: Belanchines Neoklassizismus (2), Vertreter des Neoklassizismus (2), der musikalische Neoklassizismus (6), der deutsche Neoklassizismus (3), der Begriff des Neoklassizismus (5), Strawinskys Neoklassizismus (2), der französiche Neoklassizismus (2), der formalistische Neoklassizismus (2), Richtungen des Neoklassizismus (2) Anzahl der Werke/Autoren mit Belgzahlen: Strobel (1), Danuser (56), Koegler (6), Lindlar (1), Konoid (1), Bennwitz (1), Kiem (4), Maurer-Zenck (2), Adorno (2), Stephan (6), Vetter (1), Stephenson (1), Stuckenschmidt (3), Dibelius (1), Oehlmann (3), Busoni (1), Laaff (2) Jahreszahlen mit Belegzahlen: 1947 (1), 1953 (6), 1954 (2), 1957 (1), 1961 (3), 1963 (4), 1967 (2), 1972 (1), 1975 (1), 1978 (8), 1981 (7), 1984 (56) Grammatische Wörter: Nom. Sg. (25), Gen. Sg. (38), Dat. Sg. (18), Akk. Sg. (11), ohne Kasus (2) Diese Untersuchungsergebnisse weisen folgende Probleme auf: (a)
Der früheste Beleg datiert bisher von 1947. Zwar gibt Kiem Im Klassizismus- Artikel (Riemann 1959-75) einen Hinwels auf eine Erstverwendung des Terminus In der französischen Literatur (1918 bei Cocteau), jedoch hat eine Überprüfung der Angabe ergeben, daß der Terminus dort tatsächlich nicht verwendet wird.
(b)
Darüber hinaus stammt ein großer Teil der Belege von einem einzigen Autor und aus einem Werk (Danuser 1984). Daraufhin sind Zeitschriften der frühen zwanziger Jahre (Melos, Anbruch) noch einmal durchzusehen.
(c)
Belege für eine Pluralverwendung wurden bisher nicht gefunden; sie sind lediglich für den Terminus Klassizismus nachweisbar.
6.
Bedeutung des Wortes Neoklassizismus in der Fachsprache der Musik
Neoklassizismus meint in der Fachsprache der Musik eine musikalische Erscheinung des 20. Jahrhunderts, die sich auf die als Reaktion zum späten 19.
191
Fachlexikographie der Musik Jahrhundert und zu Schönberg zu verstehenden Sechs (französischen Komponisten) gründet: "1.
Forderungen
der Gruppe der
Die musikalischen Formen scheinen von zahlreichen und unnützen Durchführungsvorgängen überladen. Es gilt, auf normale Verhältnisse zurückzukommen, die Hypertrophie der bestehenden Formen zu beseitigen. Das Ideal der Sonate: Haydn. Das Ideal der Suite: Rameau.
2. Die echten französischen Traditionen müssen wieder aufgenommen werden, die auf der Scheu vor Emphase und gefühlsmäßigen Übertreibungen beruhen. Es gilt, allen romantischen Geist zu verbannen und das echte Gleichgewicht von Gefühl und Vernunft herzustellen, das den französischen Klassizismus kennzeichnet. Unter diesem Gesichtspunkt ist Satie das Beispiel, das Vorbild der Jungen. 3. Verzicht auf den Chromatismus, das charakteristische Ausdrucksmittel der Romantik. Man darf auch nicht Schönberg folgen, dem gewaltigen Musiker, der ja eine letzte Entwicklung der Romantik bringt, die Chromatik zu ihrer äußersten Konsequenz, der Atonalität führt. 4. Es gilt im Gegenteil, die diatonische Harmonik in ihre beherrschende Stellung wieder einzusetzen. Sie bekräftigt die reine feste Tonalltät, das Grundprinzip der wahren Architektur, die mit den Maßen haushält, sie ordnet und sie ohne Verwirrung in Kontrast setzt." (Ziliig 1959: 149150) Aus diesen Forderungen entwickeln sich Rückgriffe auf Kompositionsprinzipien der Wiener Klassiker, des Barock, der Niederländer und Rückgriffe auf unterschiedliche historische Grundlagen. Beispielhaft für diese Richtungen stehen folgende Werke: Strawinskys Klaviersonate (Wiener Klassiker), Hlndemlths Mathis (Barock), Davids Quadrate (Niederländer) und Strawinskys Psalmensinfonie (unterschiedliche historische Vorlagen miteinander verbunden).
7.
Vorschlag für einen verbesserten Wörterbucheintrag Neoklasslzlsmus Fachwörterbuch der Musik
im
Einige Lesehinweise: < > bezeichnen grammatische Angaben gibt die Verwendung in der musikwissenschaftlichen Fachliteratur an bezeichnet den Erstbeleg bezeichnet Verweise auf andere Einträge Lit. meint Literaturangaben Neoklassizismus, ; 147 (D 56); der musikalische N. (6), • der Begriff des N. (5), der deutsche N. (3), Strawinskys N. (3); '1947. N. ist eine von Frankreich ausgehende musikalische Erscheinung des 20. Jh.s, die in Reaktion auf die Musik des 19. Jh.s, aber auch auf Schönbergs Zwölftontechnik nach Ausgewogenheit zwischen Ausdruck und Tektonik in der Musik strebt (Hansllck"). Richtunsweisend sind ab 1918 zunächst die von Jean Cocteau formulierten Forderungen der "Groupe des Six"". Daraus entwickelten sich Rückgriffe auf Kompositionsprinzipien
Ursula Venn
2. des Barock"; kennzeichnend Ist die Verwendung polyphoner Satzart, des konzertierenden Prinzips, des Komplementärrhythmus z.B. in Hindemiths "Mathis der Maler":
Fachlexikographie der Musik 3. der Niederländer"; "Magische Quadrate":
193 Insbesondere
deren
Zahlenspiel
z.B.
in
Davids
Das unmagische Q u a d r a t •• 2um .Hexeneinmaleins'
,Du musst verstehnT Aus eins mach zehn. Und zivei lag gehn. Und drei mach gleich. So bist du reich. Verlier die Vier, Aus fünf und sechs. So sagt die Hex ! Mach sieben und achtr. So Ists vollbracht. Und neun ist eins,
Und zehn Istkelns.
10
1
Z 3
5u.6
V
7u.8
7 u.8 Su.6
9 tosdwindd'wfcl
Da» Ist das Hexeneinmafdns!
4. unterschiedlicher historischer Vorlagen, z.B. in Strawinskys "Psalmensinfonie", die an den Sonatensatz der Wiener Klassiker (1. Satz: Exposition, 2. Satz: Durchführung, 3. Satz: Reprise) anknüpft, den barocken Komplementärrhythmus übersteigert, das Psalmodell des Gregorianischen Chorals als Grundlage verwendet:
Lit.: Cocteau, Jean (1918): Le Coqet L' Arlequin. Paris: Stock. Danuser, Hermann (1984): "Anfänge des Neoklassizismus". In: Dahlhaus, Carl (Hrsg.): Die Musik des 20. Jahrhunderts. Regensburg: Athenaion 1984; 146-159. Stephan, Rudolf (1978): "Der Neoklassizismus als Formallsmus". In: Dahlhaus, Carl (Hrsg.): Funkkolleg Musik. Weinheim: Beltz 1978. (Funkkolleg Musik); 1 17). Zillig, Winfried (1959): Variationen über neue Musik. München: Nymphenburger; 8.
194
8.
Ursula Venn
Literatur
Benhwitz, Hanspeter (1963): Kleines
Musiklexikon.
Brandt, Wolfgang (1976): Das Wort "Klassiker". Cocteau, J e a n (1918): Le Coq et L' Arlequin.
München.
Wiesbaden: Franz Steiner. Paris: Stock.
Copland, Aaron (1947): Unsere neue Musik. München: Kasparek. Danuser, Hermann (1984): "Anfänge des Neoklassizismus". In: Dahlhaus, Carl (Hrsg.): Die Musik des 20. Jahrhunderts. Regensburg: Athenaion 1984. (=Neues Handbuch der Musikwissenschaft); 1 4 6 - 1 6 9 . Duden-DUW (1983) Dudenverlag.
=
Duden
Deutsches
Universalwörterbuch.
Eggebrecht, Hans Heinrich (1971ff.): Handbuch Freiburg/ Breisgau: Franz Steiner Eggebrecht, Hans Heinrich ( 1 9 5 9 - 7 5 ) : Riemann
der
MGG = Blume, Friedrich Kassel: Bärenreiter.
(1949-86):
Die
musikalischen
Musik Lexikon.
Honegger, Marc/Massenkeil, Günther (1981): Das große Bänden. Freiburg/ Breisgau: Herder.
Musik
in
Mannheim:
Terminologie.
Mainz: Schott.
Lexikon Geschichte
der Musik in und
acht
Gegenwart.
Stephan, Rudolf (1978): "Der Neoklassizismus a l s Formalismus." In: Dahlhaus, Carl (Hrsg.): Funkkolleg Musik. Weinheim: Beltz 1978. (Funkkolleg Musik); 1 - 1 7 . Zillig, Winfried (1959): Variationen über neue Musik. München: Nymphenburger.
PETER GRZYBEK Probleme der Sprichwort-Lexikographie (Parömlographie): Definition, Klassifikation, Selektion
0.
Problemstellung
Sprichwortsammlungen Im weitesten Sinne gibt es seit der Antike - die ältesten registrierten Sprichworttexte, die man mit gutem Recht als 'Sammlung' bezeichnen kann, finden sich bereits auf den in Keilschrift
verfaßten Tafeln der Sumerer
und reichen bis ins 2. Jahrtausend v.u.Z. zurück (Moll (1966)). Doch trotz dieser Jahrhunderte
alten
Geschichte des
Sprichwortsammelns
den letzten Jahrzehnten zunehmenden
(und international
und ungeachtet
des in
koordinierten) wissen-
schaftlichen Interesses am Sprichwort ist eine Geschichte der Parömlographie und Parömiologie,
d.h.
bislang nicht
geschrieben
der
Sprichwortsammlung, worden
(Voigt
-dokumentation
und
-erforschung
(1977: 164)). Auch Lexikographie und
Lexikologie haben von diesem Spezialbereich nur unzureichend Kenntnis genommen. Dabei ließe sich die Parömlographie (von grch.: paroimia Gleichnis'),
mit gutem
Recht
als Teilbereich
einer
'der Spruch, das
umfassenden
Lexikographie
verstehen. Wie allerdings die beiden wichtigsten Fachbibliographien zur Sprichwortforschung von Moll (1958) und Mieder (1982) belegen, ist trotz der umfangreichen Literatur zum Sprichwort und seiner Erforschung bislang äußerst wenig zu
lexikographischen
Nicht
zu
Unrecht
Darstellungen
Problemen
spricht
der
Mieder
Sprichwortdokumentation
(1984: 308;
zur Sprichwörterlexikographie
wiederholt
Bild" nicht nur im deutschsprachigen Bereich Jeder Herausgeber
einer Sprichwortsammlung
1989: 1033) von
gesagt
deshalb einem
worden.
in
seinen
"chaotischen
und das, obwohl sich praktisch
in der einen
oder
anderen Weise
auch mit theoretischen Fragen auseinanderzusetzen hat. Die zentralen Fragen, um die es bei der Parömlographie geht, sind zweifellos die der
Definition
(was
ist
ein
Sprichwort,
verwandten Spruchtypen abgrenzen?), der
wie
kann
man
es
von
anderen,
Selektion (welche Sprichwörter
in eine Sammlung aufgenommen werden?), sowie der
Klassifikation (in
sollen welcher
Form sollen sie in der Sammlung angeordnet werden?), die eng mit der Typologie des Sprichworts zusammenhängt. Alle weiteren Probleme lassen sich in der einen
196
Peter Grzybek
oder
anderen
Weise
diesen
drei
genannten
zuordnen,
wobei
diese
z.T.
voneinander abhängig sind. Zu
allen
drei
hier
angesprochenen
vergangenen Jahren Innovativer
insbesondere
Lösungsvorschläge
jeweiligen Problembereiche diese
Arbeiten
Fragekomplexen
hat
im russischsprachigen
gegeben.
Ohne
den
es
jedoch
Bereich -
gesamten
in
den
eine Reihe
Hintergrund
der
umfassend darzustellen, wollen wir im folgenden auf
ausführlicher
eingehen,
und
dabei
die
Übertragbarkeit
dieser
Neuansätze auch für den deutschsprachigen Bereich aufzeigen. In bezug auf die Frage der Definition handelt es sich bei diesen Arbeiten allem um Untersuchungen, die das Sprichwort Insbesondere tischer
Perspektive
sprechende
analysieren.
Verfahren
einem vollkommen 1979b). Die
der
neuen
diesen
Untersuchungen
Klassifikation von von
Typ
theoretischen
Aus
Grzybek
1986,
Grzybek
1987);
ihr
Prinzip
soll
haben
sind
anderen Stellen umfassend dargestellt worden (Permjakov
sich
ableiten,
geführt
dieses Vorgehens
an
in
ent-
die
zu
(Permjakov
verschiedenen
1979a, Grzybek
deshalb
vor
logisch-semio-
lassen
Sprichwörtern
Sprichwortlexikon
Grundlagen
aus
der
1984a,
vorliegenden
Darstellung nur insoweit referiert werden, wie dies zum Verständnis der Vorgehensweise notwendig ist. Ausführlicher eingehen wollen wir stattdessen auf die Frage der Selektion, wobei sich empirische Untersuchungen zu einem parömischen Minimum, d.h. zur Frage, welche sprichwörtlichen Wendungen heute noch allen (oder fast allen) Sprechern einer Sprache bekannt
sind,
von
besonderem Wert
erweisen.
Der Wert
solcher
Untersuchungen für die Lexikographie, aber auch für i n t r a - und interkulturelle typologische
Vergleiche
empirischer Forschungen der
vorliegenden
ist
bislang
kaum erkannt
worden. 1
Erste
Ergebnisse
zu einem parömischen Minimum des Deutschen, die
Arbeit
präsentiert
werden,
sollen
den
Stellenwert
in
solcher
Untersuchungen verdeutlichen.
1.
Definition
Ohne Frage haben die Angehörigen einer Kultur ein mehr oder weniger gemeinsam geteiltes
intuitives
Wissen
darüber,
was
ein
Sprichwort
ist
und
was
nicht.
Dennoch gibt es bis zum heutigen Tag keine allgemein akzeptierte Definition des Sprichworts; vielmehr haben auch so bekannte und wichtige
Sprichwortforscher
wie Archer Taylor (1931: 3) oder Bartlett J. Whiting (1952: 331) resigniert, ja sie haben eine Definition des Sprichworts sogar für prinzipiell unmöglich erklärt. Nichtsdestoweniger
gehen
beide
davon
aus,
daß
so
etwas
wie
eine
Abgesehen von den Arbeiten G.L. Permjakovs, der diese Untersuchungen erstmals im russischsprachigen Bereich durchgeführt hat (Permjakov 1971, 1973, 1982, 1985), sind solche Fragen praktisch nur bei BuSuj (1979), Grzybek (1984b), Schellbach-Kopra (1987) und Ruef (1989) diskutiert.
Probleme der Sprichwort-Lexikographie
"incommunicable erkennen.
quality"
Eigentlich
notwendig, da
wir ja
es
197
uns ermögliche,
sei
deshalb
ohnehin
auch
wissen,
Auch in neuesten Untersuchungen
eine
Äußerung
keine
was ein
als
Definition
Sprichwort
Sprichwort
des
zu
Sprichworts
ist (und was
nicht).
wird das Problem einer Definition des Sprich-
worts nach wie vor als "eine der schwierigsten Fragen der Parömiologie", die bis zum heutigen Tag nicht gelöst worden
sei, bezeichnet
(Matta (1988: 69)).
Auch
Matta zufolge muß eine Aussage zuerst als Sprichwort i d e n t i f i z i e r t werden, damit man die ihm als Gattung inhärente übertragene, allgemeine Bedeutung erkennt Grundlage
für
die
Identifikation
des
Sprichworts
seine Definition. Doch diese Schlußfolgerung
als
scheint
solchem
ist
nach
-
Matta
ein wenig vorschnell,
denn
nicht jedes intuitive Wissen darf sogleich mit einer Definition mit w i s s e n s c h a f t lichem Anspruch gleichgesetzt die
paradoxe
werden.
einer
Denn
während einerseits
herausgestellt:
solchen
Der Ungar Zoltan Kanyö (1980: 149) hat
Natur
Zirkelargumentation ein
intuitives
in
aller
Wissen
Deutlichkeit
über
das Wesen
des Sprichworts existiert und zugleich auch die empirische Grundlage für Bestimmung und Abgrenzung schungen
bildet,
Explikation
des
des Gegenstandsbereichs wissenschaftlicher
stiftet
die
wissenschaftliche
Alltagswissens
Eindeutigkeit zu
herrschen
"eine
schien."
Untersuchung
offenbare
Mehrdeutigkeit
Damit verbunden
ist
Sprichwortfor-
beim
Versuch
dort,
wo
früher
nach Kanyö auch
Tatsache, daß es auf die Frage, was ein Sprichwort ist, nicht eine einzige tige)
Antwort
gebe(n
könne),
sondern
mindestens
der
genau
so
viele,
die
(rich-
wie
es
Wissenschaftssprachen gibt. Für
unsere
Fragestellung
(metasprachlichen) werden,
die
angesehen anderen
darüber
und
dann
Worten:
heißt
Definition
das,
des
entscheiden,
ob
gegebenenfalls
Bereits
auf
der
daß
bereits
Sprichworts eine In
auf
Aussage
Sammlung
Ebene
wird
als -
der
eingeführt Sprichwort
aufgenommen
Definition
der
der
Restriktionen
sprachliche
eine
Ebene
u.U.
wird.
gewollt
Mit oder
ungewollt - eine bestimmte Selektion vorgenommen. Um dies an einem Beispiel zu verdeutlichen:
Mitunter
wird
Metaphorizität
als
unabdingbares
Merkmal
Sprichworts angesehen. Auf der Basis dieses Kriteriums wird dann z.B. proverb
und
metaphorical terschieden,
maxim (Barley proverb wobei
und
dem
(1972)), proverbial
übertragen
proverbe
lich aber ist es so -
(Taylor
(metaphorisch)
eine wörtlich zu interpretierende Entsprechung
dicton
und
apophtegm
zu
(Greimas
(1931))
und das wird in der Regel auch eingestanden
kategorialer Natur ist, daß man sinnvollerweise
von
un-
Sprichwort
gegenübergestellt wird.
Unterscheidung zwischen beiden Typen eher gradueller
(1970)),
u.a.m.
verstehenden
eines
zwischen
Tatsäch-
- , daß die
(bzw. funktionaler)
einem fließenden
denn
Ubergang
ausgeht, daß es letztendlich also nicht eine Frage der direkten oder ü b e r t r a g e nen
Natur
eines
Verwender eines
Spruchs,
sondern
Sprichworts bereitet
des
entsprechenden
dies in
Gebrauchs
der Regel keinerlei
ist.
Dem
Schwierigkeit,
der Parömiograph aber muß hier eine Entscheidung treffen... Doch v i e l
gewonnen wäre bereits, wenn Einigkeit darüber erzielt werden könnte,
welche Kriterien
bei der
Definition
eines Sprichworts
und
der ihm
verwandten
198
Peter Grzybek
Typen überhaupt berücksichtigt werden
sollen
-
inwiefern
diese dann bei
Erstellung von Sammlungen für fakultativ oder obligatorisch könnte
dann
verbleiben,
durchaus
doch
wäre
im
Ermessen
des
die
jeweilige
Entscheidung
jeweiligen
Sammlers für
der
angesehen werden,
einen
bzw.
Forschers
Außenstehenden
leichter nachvollziehbar. In dieser Hinsicht sind jüngere sowjetische Forschungen zur zeichenhaften Natur des Sprichworts zu wichtigen Ergebnissen gekommen, die für die Lexikographie bzw. Parömiographie ein besonderes Interesse verkörpern. Eine
herausragende
Permjakov 2
ein.
Sprichwort nicht
Zu
Rolle
unter
einer
seiner
nur auf
diesen
Arbeiten
nimmt
das
Grundannahmen
gehört
die
Werk
von
G.L.
Auffassung,
ein
auf mehreren Ebenen zu beschreiben
einer, sondern
und damit zu definieren. 3 Permjakov geht davon aus, daß ein Sprichwort
auf der sprachlichen Ebene die
Form eines Satzes bzw. einer Satzsequenz hat; damit gelangt er im wesentlichen zu
derselben
Auffassung
Sprichwort mindestens
wie
Dundes
toplc und
(1975),
der
davon
spricht,
comment aufweise(n müsse).
daß
Aufgrund
Kriteriums kann Permjakov Sprichwörter sozusagen "nach oben" gegen
ein
dieses
satzüber-
greifende Sequenzen, "nach unten" gegen sprichwörtliche Redensarten und Phraseologismen
verschiedener
Art
abgrenzen. 4
Sprichwörter
zeichnen
nach
sich
Permjakov auf der sprachlichen Ebene freilich noch durch zwei weitere Merkmale aus. Zum einen handelt es sich bei ihnen um feste Wortfügungen in abgeschlossener Satzform, weshalb Permjakov sie als "vollständig klischiert" bezeichnet. Wenn es sicherlich immer auch fließende Übergänge zwischen beiden Formen geben kann
man
Sprichwörter
damit
von
den
sprichwörtlichen
wird,
Redensarten
unterscheiden, die noch aus dem Kontext der Sprachverwendung ergänzt werden müssen. Diese Sichtweise ist - wie im folgenden noch zu sehen sein wird - von erheblicher Tragweite, da Permjakov Sprichwörter damit dem Bereich der langue (im Sinne Saussures) zuordnet,
und nicht, wie etwa Bausinger (1968: 122), dem
Bereich der parole. Wenn Sprichwörter freilich auch nur in der Sprachverwendung funktionieren, ordnet Permjakov
(1973)
Ebene der Sprache zu, deren Existenz
sie dennoch einer eigenen
parömischen
er neben einer lexikalischen
und phra-
seologischen Ebene aufzeigt. Zum anderen handelt es sich bei ihnen um bildlich motivierte ist nicht
das
Vorkommen
sondern die Tatsache,
einzelner
Tropen
auf
lexikalischer
Aussagen. Ebene
daß es sich bei einem Sprichwort um eine
handelt. Es geht somit um eine ähnliche
Differenzierung wie die
Damit
gemeint,
Satzmetapher oben
bereits
Zu einer Bibliographie der Arbeiten Pernnjakovs siehe: Grzybek (Hrsg.) (1984): 203-214. Eine vollständige Zusammenstellung seiner Aufsätze in russischer Sprache findet sich in Permjakov (1988). Vgl. hierzu auch die Ausführungen in Anm. 19. Zur Abgrenzung von sprichwörtlichen Redensarten und Phraseologismen siehe weiter unten.
Probleme der Sprichwort-Lexikographie
199
angesprochene, wobei Permjakov von 'Sprichwörtern im eigentlichen Sinne' auf der einen und 'volkstümlichen Aphorismen' auf der anderen Seite spricht. Zur ersten Kategorie würden solche Aussagen wie "Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm" zählen, zur zweiten solche wie "Wieviele Köpfe, soviele Meinungen". Während wir also im zweiten Beispiel auf lexikalischer Ebene Bildlichkeit in Form der Synekdoche 'Köpfe' vorliegen haben, bleibt der Sinn der Aussage als Ganzes doch direkt motiviert; im ersten Fall hingegen ist der Gesamtsinn übertragen oder, wie Permjakov sagt, bildlich motiviert. Die meisten Sprichwörter weisen somit zwei Bedeutungsebenen auf: eine wörtliche (denotative) und eine übertragene (konnotative) 5 , wobei es beim Wesen des Sprichworts gerade auf diese zweite, konnotative Bedeutungsebene ankommt. Diese Differenzierung läßt sich unter Bezugnahme auf die Hjelmslevschen Überlegungen zu einer Unterscheidung von denotativen und auf ihnen aufbauenden konnotativen semiotischen Systemen verstehen (vgl. Grzybek (1984), (1986), (1987)). Permjakov spricht in dieser Hinsicht davon, daß Sprichwörter gleichzeitig als Zeichen und als Modell dienen - als Zeichen ordnet er sie dabei der Ebene der Sprache, als Modelle hingegen der Folklore zu. Damit ist folgendes gemeint: Auf der Ebene der Bezeichnung dienen Sprichwörter - in ähnlicher Weise wie Wörter zur Bezeichnung von Gegenständen dienen - lediglich der Versprachlichung bestimmter Sachverhalte; sie unterscheiden sich in dieser Hinsicht nicht von üblichen Sätzen. Zu Sprichwörtern werden sie allerdings erst in dem Moment, in dem man sie als Modelle bestimmter Sachverhalte auffaßt. Der hier verwendete Modellbegriff entspricht in vollem Umfang demjenigen, wie ihn der Tartuer Literatursemiotiker Ju.M. Lotman in bezug auf künstlerische Texte allgemein definiert. In der Tat erweist sich ein Sprichwort so als künstlerischer Text; damit bestätigt sich vollauf die Annahme Cerkasskijs (1968: 364), ein Sprichwort als "Minimaleinheit der übersprachlichen semiotischen Stufe" zu verstehen. Für die Erfassung der Bedeutung eines Sprichworts sind damit weitreichende Konsequenzen verbunden. Denn ein Modell konstruiert nach Lotman (1970: 81) "sein eigenes System von Denotaten, das keine Kopie, sondern ein Modell der Welt der Denotate in allgemeinsprachlicher Bedeutung darstellt", es ist demzufolge "Abbildung einer Realität in einer anderen, d.h. stets Übersetzung' (Lotman (1970: 317)). Sprichwörter in ihrer Eigenschaft als sekundäre modellierende Systeme haben demnach in der unmittelbaren Welt der Erfahrung 3
Zu Recht weist Permjakov (1979a: 299) darauf hin, daß dies nicht bei allen Sprichwörtern der Fall ist. Dies zeigt sich deutlich im Falle sogenannter "paradoxer Sprichwörter", wie sie die rumänische Parömiologin GolopentiaEretescu (1970, 1971) genannt hat. Zu diesen zählt sie solche, die sich auf der denotativen Ebene als "sinnlos" erweisen, wie z.B. "Der Mund eines Lügners spricht die Wahrheit", das in der logischen Notation die folgende Form aufwiese: t X -> X. Während Golopentia-Eretescu vorschlägt, solche Sprichwörter im Sinne von Quine (1961: 9) als "falsidical paradoxes" aufzufassen, als logisch falsche Aussagen also, die durch außerlogische Mittel als wahr bewiesen werden können, schlägt Levin (1981) vor, dieses Problem auf der Grundlage zweier Bedeutungsebenen zu lösen. Ein Sprichwort wie "Sie haben nicht geschlagen, sondern nur gehauen" erhielte damit auf der ersten Bedeutungsebene die logische Notation -i P & Q, auf der zweiten hingegen eine vollkommen andere, nämlich: P • > > > >
33
< £
> > > >
Sv
( %)
27 9 .82 63 22,.91 99 36,.00 129 36,.91 175 63 .64 189 68,,73 46 16,,72 64 23,.28 40 14,.54 1,.46 4
Tab. lb: Richtige und "bekannte" Lösungen der Gesamtgruppe (N = 100)
Ohne daß die Berechnungen der möglichen Korrelationen hier im Detail d a r gestellt werden können, hat sich gezeigt, daß mit Ausnahme des Altersfaktors keine der Variablen statistisch signifikanten Einfluß auf das Ergebnis hatte (also weder Geschlecht, noch Bildungsgrad, noch Größe oder Region des Wohnorts, und zwar weder aktuell noch während der ersten 18-20 Lebensjahre). 32 Hochsignifikante Unterschiede ergaben sich allerdings in Abhängigkeit vom Alter der Vpn; dies zeigt anschaulich die Teilung der Gesamtstichprobe beim Median von 29.5 (Tab. 2a/2b):
100 97 95 90 75 66 33 - 66 - 50 < - 33 < - 10 > > > > >
00 50 00 00 00 66 66 00 33 00
25 49 56 85 131 152 41 104 82 44
9 17 20 30 47 55 14 37 29 14
09 82 37 91 63 28 90 82 82 90
Tab. 2a: Richtige Lösungen der Gruppe bis 29 Jahre
100 97 95 90 75 66 33.3 - 66 - 50 - 33 i - 10
00 50 00 00 00 66 66 00 33 00
50 83 104 149 180 198 33 60 44 17
18 30 37 54 65 72 12 21 16 6
18 18 82 19 45 00 00 82 00 18
Tab. 2b: Richtige Lösungen der Gruppe über 29 Jahre
Bei einzelnen, allerdings bei den Jeweiligen Variablen unterschiedlichen, Sprichwörtern (allerdings ausschließlich solchen unter 90* Bekanntheit), spielten verschiedene Faktoren z.T. schon eine Rolle, doch nicht in bezug auf die Gesamtmenge der Sprichwörter. Natürlich wäre es Interessant, dieser Frage genauer nachzugehen; das wäre Jedoch eine ganz andere Frage der Paromiologie als die nach der allgemeinen Bekanntheit von Sprichwörtern.
218
Eine
Peter Grzybek
weitere
Unterteilung
der
Gruppe
über
29
Jahre
erlaubt
Schlußfolgerungen; die Ergebnisse finden sich in den Tabellen
Bekanntheit ( i n %)
>
> 1 >
> 33 <
> 33
> 33 < <
Tab. 3a: Richtige Lösungen der Gruppe von 2 9 - 4 5 Jahren (N = 22)
Bekanntheit ( i n %)
3a-c:
Bekanntheit ( i n %)
>
weiterführende
sind.
Sollte
gegebenfalls
sich
sich
zu noch
kleineren)
bei von
denen
deutlicher
sogar
alle
bis sind,
in
der
über
60-
Sprüche
im
Bekanntheit
absolut
bestimmte
Tendenz
eine
Möglichkeit,
97.5%
bekannt
Gruppe der
90-100%
diesbezüglich
eine
100%
eine
plausible
Grenze
zwischen allgemein bekannten und weniger bekannten Sprüchen zu ziehen. Solange dies nicht möglich ist, ist es vermutlich am sinnvollsten, dem Leser Ziehen einer Darstellung jeweiligen
solchen Grenze ist
deshalb
Sprichwörter
Bekanntheitsgrad
jeder
-
selbst zu überlassen. ungeachtet
ein
der
des
geordnetes
275
Parömien
In der
folgenden
"individuellen"
Verlaufsdiagramm einen
Punkt
Abschneidens enthalten,
auf
den
das
graphischen das
der dem
Koordinaten
Eine genaue A n a l y s e der verschiedenen in die Sammlung aufgenommenen parömlschen T y p e n muß aus Platzgründen ausgespart bleiben.
Probleme der Sprichwort-Lexikographie
219
zuordnet; abhängig vom gewählten Punkt auf der Ordinate trennt eine jeweilige Parallele
zur
Abszisse
den
Bereich
der
allgemein
nicht oder weniger bekannten Sprichwörter - eine Ordinate zeigt
bekannten
vom Bereich
der
jeweils gewählte Parallele zur
hingegen, wieviele Sprichwörter in dem gewählten
Prozentbereich
liegen. 34
Bekanntheitsgrad der Sw (in Prozent)
%
Sprichwörter N • 100 ( 6 / 8 9 )
4.
Schlußfolgerungen
Parömiographie und Parömiologie sind zwei voneinander zentralen Probleme der Sprichwortlexikographie
-
abhängige Bereiche: Die
Definition, Klassifikation und
Selektion, die sich z.T. wechselseitig bedingen - lassen sich nicht ohne Rückgriff auf theoretische
Arbeiten
freilich noch völlig Lösung
zentraler
der
Parömiologie lösen.
in den Kinderschuhen
parömiologischer,
graphischer Probleme -
Empirische
Forschungen,
stecken, versprechen
parömiographischer
und
die
Erfolg bei der
allgemein
lexiko-
sie versprechen ebenso mehr Einsicht in das Wesen des
Sprichworts nicht nur als
Einheit der Sprache und Folklore,
sondern
auch als
minimalem Modell eines künstlerischen Textes überhaupt.
Es sei noch einmal daran erinnert, daß Permjakov für den russischen Bereich eine Grenze von 97.5% gezogen hat! - Allerdings gilt es zu berücksichtigen, daß keinerlei statistische Angaben über die Zusammensetzung der Versuchspersonen vorliegen; auch über die Auswertungskategorien finden sich keine detaillierten Angaben.
Peter Grzybek
220
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Anschriften der Autoren Jörg Allhoff Flockenfeld 101 4200 Oberhausen Henning Bergenholtz Handelhöjskolen 1 Arhus Fuglesangsallee 4 DK-8000 Arhus Broder Carstensen FB 3, Englische Sprachwissenschaft Universität GH Paderborn Warburger Str. 100 4790 Paderborn Andreas Dörner FB 1, Politikwissenschaft Universität GH Essen Universitätsstr. 12 4300 Essen 1 Peter Grzybek Seminar für Slavlstik Ruhr-Universität Bochum Universitätsstr. 4630 Bochum Gregor Meder FB 3, Deutsch als Zweitsprache Universität GH Essen Universitätsstr. 12 4300 Essen 1 Joachim Mugdan Eupener Weg 14 4400 Münster Gustav Muthmann Bonifatiusstr. 15 4630 Bochum 7 Sabine Plum Germanistisches Institut RWTH Aachen Templergraben 65 5100 Aachen Burkhard Schaeder FB 3 Universität GH Siegen Adolf-Reichweln-Str. 2 5900 Siegen Gothild Thomas FB 3, Germanistische Linguistik Universität GH Essen Universitätsstr. 12 4300 Essen 1 Ursula Venn Hauptstr. 10 4240 Emmerich-Vrasselt