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German Pages 124 Year 2004
HERMANN BUTZER (Hrsg.)
Wirtschaftlichkeit durch Organisations- und Verfahrensrecht
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 964
Wirtschaftlichkeit durch Organisations- und Verfahrensrecht Vorträge beim Symposium anlässlich des 65. Geburtstags von Prof. Dr. Friedrich E. Schnapp in Bochum
Herausgegeben von
Hermann Butzer
Duncker & Humblot • Berlin
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-11523-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706© Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Der vorliegende Tagungsband dokumentiert die Vorträge eines Symposiums, das am 14. November 2003 aus Anlaß des fünfündsechzigsten Geburtstages von Prof. Dr. Friedrich E. Schnapp auf Einladung von Herrn Vorsitzenden Richter am Bundessozialgericht Dr. Wolfgang Meyer und des Unterzeichnenden in Bochum stattgefunden hat. Das für diese Veranstaltung gewählte Generalthema „Wirtschaftlichkeit durch Organisations- und Verfahrensrecht" greift dabei ein Themenfeld auf, dem sich der Jubilar unter verschiedenen Blickwinkeln seit jeher wissenschaftlich zugewendet hat, zuletzt in einem Festschriftbeitrag, der in diesem Band ebenfalls abgedruckt ist. Wirtschaftlichkeitsfragen sind aber auch sonst ohne Zweifel hochaktuell, denn auf der öffentlichen Verwaltung lastet ein ganz erheblicher Ökonomisierungsdruck, was unter anderem an der Hochkonjunktur von Begriffen wie „New Public Management" (NPM) oder „Neues Steuerungsmodell" (NSM) sichtbar wird. Derzeit wird die Diskussion um Verwaltungsreformen besonders im wirtschafte-, politik- und verwaltungswissenschaftlichen Bereich geführt. Nach Ansicht des Jubilars und der Einladenden gehört es jedoch zu den Aufgaben der modernen Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft, hier nicht als Zuschauer an der Seite stehen zu bleiben. Für eine solche, intensivere Beteiligung des Öffentlichen Rechts sollte mit dem Symposium geworben werden. Die etwa 180 Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden am Mittag des 14. November im Musischen Zentrum von der Prorektorin der Ruhr-Universität Bochum, Frau Prof. Dr. Notburga Ott, und vom Präsidenten des Bundessozialgerichts, Herrn Matthias von Wulffen, begrüßt. Ein gemeinsames Abendessen im kürzlich neu erbauten Querforum West auf Einladung des Jubilars, bei dem der Dekan der Juristischen Fakultät, Herr Prof. Dr. Peter Kindler, die Begrüßungsworte sprach und Herr Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfgang Gitter, Bayreuth, eine Laudatio hielt, gaben dem Tag einen festlichen und unvergeßlichen Abschluß. Der Dank des Herausgebers gilt zuerst den Autoren der einzelnen Beiträge für die rasche Fertigstellung der Manuskripte. Dank schulde ich sodann dem Verein zur Förderung der Rechtswissenschaft e.V., Bochum, für die Gewährung eines großzügigen Druckkostenzuschusses zu dieser Veröffentlichung. Herrn Prof. Dr. h.c. Norbert Simon und Herrn Dr. Florian R. Simon, LL.M. danke ich für die Aufnahme des Symposiumsbandes in die „Schriften zum Öffentlichen Recht" im Verlag Duncker & Humblot.
Vorwort
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Unverzichtbar bei Vorbereitung und Durchführung des Symposiums war die Unterstützung der Bochumer Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Staats- und Verwaltungsrecht mit besonderer Berücksichtigung des Sozialrechts und am Institut für Sozialrecht. Im einzelnen sind zu nennen: Gabriele Kraemulat, Kirsten Lange, Katharina Summann, Ann-Kathrin Besemann, Inka Schmidtchen, Daniela Voß und Dr. Markus Kaltenborn (Lehrstuhl) sowie Kathrin Hücking, Manuela Cravotta, Peter Kostorz, Thorsten Wagner und Kai Pöhl (Institut für Sozialrecht). Ganz besonders verdient gemacht um die Organisation haben sich die Wissenschaftlichen Mitarbeiter am Bochumer Lehrstuhl Christoph Gusovius und Michael Neupert. Darüber hinaus haben in Hannover Herr Wissenschaftlicher Mitarbeiter Henning Knopp, Herr Christoph Lontzek sowie Frau Ingrid Beringer (Sekretariat) die technische Bearbeitung der Manuskripte besorgt. Ihnen allen danke ich sehr herzlich. Hannover, im Mai 2004
Hermann Butzer
Inhaltsverzeichnis
I. Erster Teil Einfuhrung: Zur Notwendigkeit eines rechtswissenschaftlichen Konzepts von „Wirtschaftlichkeit" Dr. Wolfgang Meyer, Vorsitzender Richter am Bundessozialgericht, Kassel ....
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Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit - Verfassungsrechtliche Determinanten Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Christian-Albrechts-Universität, Kiel
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Die Modernisierung der sozialen Sicherung im Zeichen von Effektivität und Effizienz - Zum Grundsatz der Wirtschaftlichkeit im Sozialrecht Prof. Dr. Rainer Pitschas, Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften, Speyer
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II. Zweiter Teil Einfuhrung in den Zweiten Teil des Wissenschaftlichen Symposiums Dr. Markus Kaltenborn, Ruhr-Universität, Bochum
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Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit im Verwaltungsrecht Prof. Dr. Martin Burgi, Ruhr-Universität, Bochum
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Wirtschaftlichkeit in der Krankenversicherung Prof. Dr. Jef Van Langendonck, Katholieke Universiteit, Leuven
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Wirtschaftlichkeitsanforderungen an Staat und Verwaltung im Rahmen der Osterweiterung der Europäischen Union (in umweltrechtlicher Perspektive) Prof. Dr. Andrzej Wasilewski, Uniwersytet Jagiellonski, Kraköw, Richter am Obersten Gericht der Republik Polen
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I I I . Schluss Schlusswort Prof. Dr. Friedrich E. Schnapp, Ruhr-Universität, Bochum
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Inhaltsverzeichnis
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IV. Nachdruck Der Haushaltsgrundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit - im Sozialrecht und in anderen Rechtsgebieten Prof. Dr. Friedrich E. Schnapp, Ruhr-Universität, Bochum
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Einführung: Z u r Notwendigkeit eines rechtswissenschaftlichen Konzepts von „Wirtschaftlichkeit 44 Von Wolfgang Meyer , Kassel Als wir das Generalthema „Wirtschaftlichkeit durch Organisations- und Verfahrensrecht" für dieses Symposium wählten, stand zu Anfang der Denkanstoß dahinter, den Friedrich E. Schnapp in seinem Beitrag für die Festschrift für Bernd Baron von Maydell gegeben hatte1. Wir wollten die Anregung aufgreifen, der rechtlichen Bedeutung des Haushaltsgrundsatzes der Wirtschaftlichkeit gerade für das staatliche Organisations- und Verfahrensrecht nachzugehen. Auch die Hoffnung auf neue Erkenntnisse in diesem besonderen Problemfeld zog uns an, das juristisch bislang noch in keinem übergreifenden Sachzusammenhang erforscht ist. Nicht zuletzt aber gab unser Glaube den Ausschlag, dass die Rechtswissenschaft einen eigenständigen rechtlichen Begriff der Wirtschaftlichkeit entwickeln und dadurch einen unersetzbaren Beitrag zu den aktuellen politischen „Reformdiskussionen" leisten kann und muss. In diesem wird das 1
Friedrich E. Schnapp, Der Haushaltsgrundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit - im Sozialrecht und in anderen Rechtsgebieten, in: Winfried Boecken / Franz Ruland / Heinz-Dietrich Steinmeyer (Hrsg.), Sozialrecht und Sozialpolitik in Deutschland und Europa, Festschrift für Bernd Baron von Maydell, 2002, S. 621 ff. (abgedruckt in diesem Band). Rechtswissenschaft und Rechtsprechung haben sich stets vor allem in den Sparten des Gesundheitswesens, aber auch im Umwelt-, Gemeinde- und Haushaltsrecht mit Fragen „wirtschaftlichen" Verhaltens befasst. Meilensteine für den Weg der juristischen Diskussion sind: Hans Herbert von Arnim , Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, 1988; ferner zum Wirtschaftlichkeitsprinzip als verfassungsrechtliches Organisationsprinzip: Hubertus Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratie- und Wirtschaftlichkeitsprinzip, 2000, S. 408 ff. Zum Diskussionsstand im Übrigen Stellv.: Christoph Enders, Ökonomische Prinzipien im Dienste des Umweltrechts?, DÖV 1998, S. 184 ff.; Günter Gaentzsch, Gesetzmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Verwaltung - Beißt sich oder verträgt sich das?, DÖV 1998, S. 952 ff.; Jürgen Görnas, Grundzüge einer Verwaltungskostenrechnung, 2. Auflage 1992; Bianca Fischer, Abschied von der „Sparsamkeit", JZ 1982, S. 6 ff; Klaus Grupp, Die „Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit" im Haushaltsrecht, JZ 1982, S. 231 ff.; Helmut Karehnke, Zur Wirtschaftlichkeitsmessung im staatlichen Bereich, DVB1 1970, S. 949 ff.; Thomas Oppermann , „Neue Weltwirtschaftsordnung" und internationales Wirtschaftsrecht, Festschrift für Karl Carstens, 1984, S. 449 ff.; Stefan Siegel, Das Wirtschaftlichkeitsgebot im Sozialrecht - Anforderungen an eine geeignete Orientierungsgröße, in: G. Sieben / M. Litsch (Hrsg.), Krankenhausbetriebsvergleich, 2000, S. 9 ff.; Klaus Walther, Inhalt und Bedeutung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit in der öffentlichen Verwaltung, BayVBl 1990, S. 231 ff.
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Wolfgang Meyer
Wort „Wirtschaftlichkeit" als Chiffre für einen (den?) Höchstwert staatlichen Verhaltens gebraucht; aber dessen Bedeutung bleibt genau so unentschlüsselt wie die des Kennworts selbst. Mit der Wertung, etwas sei (für wen?) unwirtschaftlich, rechne sich nicht oder koste zu viel, werden sogar verfassungsrechtliche Bindungen der Staatsgewalt abqualifiziert und ein Bedarf nach ihrer Abschaffung oder Veränderung behauptet. Betroffen sind alle Bereiche des materiellen Rechts, des Verfahrensrechts und des Organisationsrechts. Aus „Rechtssubjekten" werden „Kostenfaktoren". Rechtlich zwingend angeordnete Aufgaben sind nicht mehr möglichst effektiv zu erfüllen, sondern vor allem „sparsam", d.h. mit möglichst geringen Kosten. Leere Polizeiautos an Autobahnkreuzen sind billiger als mit Beamten besetzte fahrende Streifenwagen; eine einzige Notambulanz im Stadtgebiet kann kostendeckend betrieben werden, auch wenn dies Menschenleben kostet; Polizeibeamte werden angewiesen, „Raser zu blitzen" und so Geld hereinzuholen, obwohl bekannt ist, dass deshalb ca. 150 m entfernt Drogendealer ihre Art von Geschäften „ungestört" betreiben können2. Die öffentliche Reformdiskussion wird allerdings schon seit einigen Jahren wissenschaftlich begleitet. Jedoch fällt das nahezu vollständige Schweigen der Rechtswissenschaft dabei kaum auf. Vor allem Volks- und Betriebswirtschaftler bestimmen das Bild mit ihren unterschiedlichen Theorien darüber, was nach ihren privaten Bewertungsmaßstäben als „unwirtschaftlich" zu betrachten und deshalb durch „ökonomischere" Lösungen zu ersetzen sei. Es ist erschreckend, wie das geltende Recht nicht oder nur in sehr grober Annäherung zur Kenntnis genommen und in der Regel lediglich als Objekt oder Mittel der Verwirklichung „wirtschaftswissenschaftlicher" Wertungen behandelt wird. Die Notwendigkeit einer Politikberatung unter anderem auch durch die Wirtschaftswissenschaften wird hier nicht in Frage gestellt. Es bedarf aber ernsthafter Anstrengung, die ebenso notwendige und sachnähere rechtswissenschaftliche Aufklärung in den demokratischen Rechtsetzungsprozess einzubringen.
I. Weshalb wirtschaftswissenschaftliche Konzepte nicht ausreichen Das Generalthema knüpft mit dem Ausdruck „Wirtschaftlichkeit" an keine bestimmten Vorgaben der Wirtschaftswissenschaften an. Die Begriffe „Wirtschaftlichkeit" und „Sparsamkeit" sind nämlich - streng genommen - keine
2 Diese Beispielsfalle haben sich so ereignet und könnten um eine Vielzahl von Fällen staatlichen Rechtsbruchs „aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit" verlängert werden; die Lokalzeitungen bieten täglich Anschauungsmaterial.
Einfuhrung in das Generalthema
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Fachbegriffe speziell der (empirischen) Wirtschaftswissenschaften 3. Im Verfahrens« und Organisationsrecht des Staates dürfte es sich um Aufforderungen zur Bewertung der Relation zwischen Aufgabenerfüllung (Effektivität) und hierfür eingesetzten Mitteln (Effizienz) handeln, ohne dass der Mitteleinsatz der beherrschende Abwägungsfaktor ist, sei es als Minimal- oder als Maximalprinzip. Einen durch die vollziehende Gewalt oder die Rechtsprechung konkret anwendbaren Inhalt können sie rechtlich nur erhalten, wenn ihr normativer Aufforderungsgehalt, die Bewertungsvorgaben, die Feststellungsverfahren und die Kompetenzen zur Letztentscheidung bereichsspezifisch ausgestaltet werden. Denn es handelt sich um mehrfach relationale offene Rechtsbegriffe, und, wie Hans Herbert von Arnim 4 zur „Wirtschaftlichkeit" herausgearbeitet hat, um Optimierungsgebote für alle Bereiche staatlichen Handelns, die aber nur vorgeben, dass optimiert werden soll, nicht aber, was möglichst weitgehend realisiert werden soll. Es handelt sich daher nicht um Rechtsprinzipien im Sinne des diskurstheoretischen Ansatzes und auch nicht um kategorische Rechtsprinzipien5, sondern
3 Im Lexikon der Volkswirtschaft von Michael Hohlstein / Barbara Pflugmann / Herbert Sperber / Joachim Sprink, 2. Auflage 2003, („Beck-Wirtschaftsberater") tauchen beide Begriffe nicht einmal auf; im Lexikon der Betriebswirtschaft von Ottmar Schneck 5. Auflage 2003, S. 1077, findet sich zu „Wirtschaftlichkeit": „Wertmäßiger Ausdruck des Ökonomischen Prinzips. Im Gegensatz zur Produktivität, welche Mengen oder Zeiteinheiten betrachtet, werden hier die Relationen aus wertmäßigen Einsatz- und Ausbringungsgrößen (z.B. Ertrag / Aufwand) betrachtet. Produktionskennziffern (z.B. ein Auto in 10 Stunden) können durch Bewertung der Mengen in eine Wirtschaftlichkeitskennziffer (Verkaufspreis des Autos / Personalkosten) transferiert werden". Auch aus dieser betriebswirtschaftlichen Konkretisierung wird deutlich, dass „Wirtschaftlichkeit" ein Denkmodell ist, das sich im Wesentlichen in der formalen Aufforderung zur Bewertung der Relation (1) zwischen „Ertrag" (2) und „Aufwand" (3) erschöpft, ohne selbst den Inhalt dieser drei Komponenten vorzugeben. Damit ist dieses Formalprinzip auf sehr unterschiedliche Sachgebiete und auch in anderen Wissenschaften nach deren Erkenntnisinteressen anwendbar (ähnlich Hans Herbert von Arnim, Wirtschaftlichkeit [o. Fn. 1], S. 38: „offenes Prinzip"). - Dieses formale Denkmodell zwingt nicht zu der für die Wirtschaftswissenschaften typischen Blickverengung auf den „Tausch" geldwerter „Güter" und auf dessen Bedingungen, Abläufe und Entwicklungen; es nötigt nicht, von der Wirklichkeit des Lebens der Mehrzahl der „normalen" Menschen abzusehen, ihre persönlichen, kulturellen und sozialen Wertungen hintanzustellen und ihre nicht veräußerbaren Güter außer Betracht zu lassen; es fordert auch nicht, alles allein aus der Perspektive der vornehmlich auf die Vermehrung geldwerten Vermögens ausgerichteten und deshalb menschenverachtenden „Kaufmannsseele" (Aristoteles; Max Weber) zu betrachten. Es ermöglicht Aufklärung sogar gegenüber ökonomistischen Dogmen. 4
Hans Herbert von Arnim, Wirtschaftlichkeit (o. Fn. 1), S. 33 ff.; ders., Volkswirtschaftspolitik, 6. Auflage 1998, S. 27 ff., S. 33 ff. 5 Zum diskurstheoretischen Verständnis von Rechtsprinzip Stellv. Robert Alexy, Theorie der Grundrechte, 1986, S. 71 ff., zur Kritik an diesen Positionen Stellv. Wolfgang Meyer, in: I. von Münch / Ph. Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. III, 5. Auflage 2003, Art. 97.Rn. 17 ff.; ferner: Armin Engländer, Diskurs als Rechtsquelle?, 2002, S. 88 ff.; zur Natur der „kategorischen Rechtsprinzipien" Stellv. Otfried Höffe, Kategorische Rechtsprinzipien, 1995, S. 126 ff., S. 153 ff.
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Wolfgang Meyer
um objektive Gebote für die Meta-Ebene der Rechtsverwirklichung (und Rechtsetzung). Im wirtschaftswissenschaftlichen Bereich kommt dem das sog. Ökonomische Prinzip nahe6. Es beruht auf der Unterstellung, für das Verhalten von Wirtschaftsakteuren ,von der jeweiligen Theorie nach ihren Erkenntnisinteressen definiertes menschliches Verhalten' gelte ein Rationalprinzip7. Dieses Dogma bildet in der Betriebswirtschaftslehre den Erkenntnishorizont, unter dem Betriebe als Erfahrungsobjekte dieser Wissenschaft untersucht werden. Seine ohnehin abstrakte und offene Bedeutung ändert sich laufend. Oberstes rationales Ziel8 eines privaten wirtschaftlichen Betriebes war danach zunächst die Gewinnmaximierung9, sodann die Produktivität als Ergiebigkeit (Funktion) der Verbindung der Produktionsfaktoren 10 und bis vor kurzer Zeit noch die optimale Ver6 Es handelt sich um eines der fundamentalen Dogmen der Wirtschaftswissenschaften und besteht in einer nicht weiter zu hinterfragenden Annahme über das Verhalten von Wirtschaftssubjekten: Diese streben entweder ein (wirtschaftlich messbares) Ergebnis mit einem (wirtschaftlich messbaren) möglichst geringen Aufwand an (sog. Minimalprinzip) oder mit zugemessenem Aufwand einen (wirtschaftlich messbaren) möglichst großen Erfolg (sog. Maximalprinzip). 7 Ökonomie als Wissenschaft tritt auf als die Lehre vom „rationalen Handeln", siehe Stellv. Gérard Gäfgen, Theorie der wirtschaftlichen Entscheidung, 2. Auflage 1968, S. 18 ff., S. 43 ff.; als Handlungsaspekt, der bei vielen - wenn auch nicht bei allen Handlungstypen - vorhanden ist; es geht um jenen Aspekt eines bewussten Verhaltens, „der aus der Knappheit von Mitteln zur Erreichung von Zielen erwächst"; dabei sind die Wirtschaftswissenschaften neutral, was die Ziele betrifft, so Lionel Robbins, An Essay on the Nature and Significance of Economic Science, London, 2. Aufl. 1935, S. 24 ff., S. 90 ff. (Übersetzung durch Verfasser). 8 Im Rahmen der liberalistisch-utilitaristischen Vorstellungswelt gilt ein Verhalten (ökonomisch betrachtet?) im Wesentlichen dann als „rational", wenn das (Wirtschafts-)Subjekt aus den ihm (von wem?) gegebenen Alternativen auf Grund einer (richtigen? - ggf.: woran im Voraus gemessenen?) Abwägung ihrer Folgen (mit welchem Grad an Gewissheit im Voraus erkannt?), ggf. unter Beachtung von Handlungsregeln (von wem gesetzt?), diejenige verwirklicht, die sein (von wem nach welchen Werten bestimmtes?) Wohlergehen und das aller von ihr Betroffenen (wie und von wem abgegrenzt?) möglichst weitgehend (woran gemessen?) fördert. Vgl. Stellv. Peter Behrens, Utilitaristische Ethik und ökonomische Analyse des Rechts, in: F. Bydlinski / Th. Mayer-Maly (Hrsg.), Die ethischen Grundlagen des Privatrechts, Rechtsethik Band 1, 1994, S. 35 ff; ferner: Wolfgang B. Schünemann, Der Homo-Oeconomicus im Rechtsleben, ARSP 72 (1986), S. 502 ff. Diese Vorstellungswelt eignet sich besonders als Rechtfertigungslehre für eine plutokratische, scheindemokratisch organisierte Zwangsordnung. 9
Aus rechtlicher Sicht dazu Stellv. Peter O. Mülbert, Shareholde Value aus rechtlicher Sicht, ZGR 1997, S. 129 ff. mit der aktienrechtlichen Unterscheidung zwischen „Gewinnmaximierung" im Interesse aller und der „Marktwertmaximierung" allein im Aktionärsinteresse; Bernd W. Feudner, Zur arbeitsrechtlichen Wertigkeit des "Shareholder Value", DB 1999, S. 742 ff.; ferner: Arthur Fridolin Utz, Die ethische Bedeutung der Leistung, in: W. Leisner (Hrsg.), Staatsethik, 1977, S. 95 ff. 10 Stellv. Leo Pusse, Konzepte der Arbeitsproduktivitätsforschung im IAB, in: D. Mertens (Hrsg.), Konzepte der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 1982, S. 182 ff; Bernd Prior, Fehllenkung der Lohnpolitik durch Produktivitätsvergleiche, Sozialer Fort-
Einfuhrung in das Generalthema
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wendung knapper Güter, diese ergänzt um die Prinzipien der sozialen Verantwortung11 und des ökologischen Nutzens12. Seit dem Untergang der Sowjetunion geht der Kurs wieder zurück zur Gewinnmaximierung, ja sogar zur bloßen Marktwertmaximierung. Das Verhältnis zwischen den Formalzielen eines Unternehmens, also seinen Ertrags-, Kosten-, Liquiditäts- und Kapitalzielen, und seinen Sachzielen, d.h. Art, Menge, Qualität und Zeitpunkt der Erstellung von Waren oder Dienstleistungen, verschiebt sich nun (auch im Bereich der Unternehmen der öffentlichen Hand) zur Formalzieldominanz13. Das ökonomische Prinzip der Gewinnmaximierung tendiert dazu, das - aus seiner Sicht - gesellschaftliche Subsystem des Staates und seine Untergliederungen insgesamt ebenfalls bloß als ein für begrenzte Aufgaben ausgelagertes Dienstleistungsunternehmen nach quantifizierenden Modellen der Produktion misszuverstehen. Deshalb wird von Industrie und Wirtschaft gefragt, ob die für diesen Betrieb „Staat" aufgewandten Mittel noch hinreichenden Nutzen bringen, und zwar gemessen an dem jeweils eigenen Formalziel und an dem, was der Staat für die Privatwirtschaft produziert. Gefordert wird eine strikte Prüfung sowohl des Aufgabenbestandes des (nachgeordneten) Unternehmens „Staat" als
schritt 1998, S. 45 ff.; Gero-Falk Borrmann / Gerhard Sohn, Was ist das?, VR 1985, S. 148 ff, zur Bedeutung der Ausdrücke Subvention, Produktionsfunktion, Ertragsgesetz, Produktionsfaktoren; im weiteren Sinn werden heute als „Produktionsfaktoren" genannt: Information / Kommunikation / Ausbildung / Gesundheit / Arbeitsschutz / soziale Sicherung / Wissensbasierte Vermögenswerte / Steuerungssysteme / Versicherungsschutz etc. Zum Produktionsfaktor „Arbeit": Heinz-J. Bontrup , Zum Faktor Arbeit und ihre [„zu seiner"] Zukunft, Sozialer Fortschritt 2000, S. 164 ff 11 Stellv. Angelika Perret , Der Betriebsbegriff, DStZ 1986, S. 476; Michael Schäfers, Arbeit als Beitrag zur Menschwerdung und Gesundheit, in: Wissenschaftliche Arbeitsstelle des Oswald-Nell-Breuning-Hauses (Hrsg.), Hauptsache Gesund 2003, Jahrbuch für Arbeit und Menschenwürde, Band 4, 2003, S. 5 ff 12 Stellv. Eugene P. Odum, Prinzipien der Ökologie, 1991, S. 47 ff; Hans Joachim Müller, Ökologie, 2. Auflage 1991, S. 311 f. 13 Siehe Hans-Jochen Kleineidam, Zur veranlassungsorientierten Steuerentstrickung bei grenzüberschreitenden Vorgängen im Unternehmensbereich, IStR 2000, S. 577 ff; Peter O. Mülbert (o. Fn. 8), ZGR 1997, S. 129 ff; Falko Schuster, Öffentliche Betriebswirtschaftslehre - Management, DVP 2000, S. 243 ff; Heinrich Kürpick, Die Zukunft der Arbeit - aus der Sicht der Wirtschaft, in: Studienkreis Kirche / Wirtschaft NRW (Hrsg.), Sozialethisches Kolloquium 1983 „Die Zukunft der Arbeit", 1987, S. 31 ff; siehe ferner zu einigen Fallgruppen der Sachzieldominanz: Dietmar Bräunig / Bernd Simon, Betriebsfunktionen und Dienstleistungstypen von Berufsgenossenschaften, ZVersWiss 1998, S. 27 ff; Anton Schifter / Manfred Tieber / Hannes Fritz, Aufgabenfelder für ein rechnungswesenorientiertes Controlling in der Sozialversicherung, SozSichÖst 1992, S. 638 ff; Günter Sieben / Michael Philippi, Finanzmanagement im bundesdeutschen Krankenhauswesen, in: K.-D. Henke / I. Metze (Hrsg.), Beiträge zur Gesundheitsökonomie, Band 10: Finanzierung im Gesundheitswesen, 1986, S. 13 ff; zum Sachziel der Wirtschaft: Joseph Höffner, Sozialethik und Wirtschaftsordnung, in: W. Schreiber / W. Dreier (Hrsg.), Gesellschaftspolitik aus christlicher Weltverantwortung, 1966, S. 25 ff
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auch der finanziellen Mittel, die ihm zur Verfügung gestellt werden (müssen). Im Sinne des ökonomischen Minimalprinzips sind daher die aus den Roherträgen kapitalistischen Wirtschaftens zu entrichtenden Abgaben (z. B. Körperschaftsteuern, Sozialversicherungsbeiträge) ebenso drastisch zu senken wie die Staatsausgaben und müssen die Schranken, die der Staat diesem Wirtschaften zum Schutz qualitativer Güter gezogen hat (z. B. Genehmigungsvorbehalte zum Schutz für Leben, Gesundheit und Umwelt; Kündigungsschutz) „zurückgefahren" oder beseitigt werden. Anzustreben ist - nach 120-jähriger Unterbrechung - wieder der Minimalstaat, jedoch in einem geschwächten Zustand, weil er sich durch völkerrechtliche Verträge zu verpflichten hat, international den „freien Markt" für Kapital, Waren und Dienstleistungen zu sichern14. Die Anwendung des Ökonomischen Prinzips auf den Staat zeigt, dass die Betriebswirtschaftslehre diejenigen Merkmale, die den Staat nach der Rechtsordnung prägen, insbesondere seine grundlegende Verpflichtung auf Achtung und Schutz der Würde des einzelnen Menschen und seiner "unveräußerlichen" Rechte, nicht einmal ansatzweise in den Blick bekommt15. Auch die Volkswirtschaftslehre erreicht mit den Topoi des in Faktorkosten bemessenen staatlichen Konsums, der Staatsausgaben, des Staatsverbrauchs und der Staatsquote voraussetzungsgemäß nur denjenigen Teil des staatlichen Verhaltens, der für das private "kaufmännische Rechnen" nach Formalzielen relevant ist. Beide Wissen14
Noch nicht geklärt ist, ob der Minimalstaat noch als Garant der Sicherheit der Kapitaleigner und der von diesen profitierenden Gruppen eine Zukunft hat oder ob er im Sinne des - naturrechtlich verstanden - auf Privateigentum, Tausch, freie Verträge und Markt gegründeten Anarchokapitalismus durch den Wettbewerb privater Organisationen, hilfsweise durch eine Erbmonarchie oder durch eine „aristokratisch" gegliederte Gesellschaft, zu ersetzen ist, die jene „Grundwerte" schützt. In Fortführung des USamerikanischen Anarchokapitalismus hat Hans-Hermann Hoppe (Der Gott der keiner ist. Monarchie, Demokratie und natürliche Ordnung, 2003) aufgezeigt, wie in einer „freien Marktwirtschaft" verhindert werden kann, dass der gemäßigte Sozialismus des Wohlfahrtsstaates Privateigentum, Freiheit und Rechtssicherheit auflöst, die Familie unterminiert und die spontane Gliederung der Gesellschaft aufhebt, wie jetzt Gerd Habermann (FAZ v. 5. April 2004, Nr. 81, S. 12) mit erklärter Sympathie für eine aristokratische Gesellschaft den gegenwärtigen Zustand beschrieben hat. Der Staat und seine Rechtsordnung „rechnen sich" eben nicht für jeden. Deshalb sind in einer im vorgenannten Sinne „wirklich freien Marktwirtschaft" (nicht: in einer Marktwirtschaft der Freien) „Kommunisten, Demokraten, Lebensalternativler, Umweltschützer" und ähnliche Menschen vom Privateigentum auszuschließen und zu verbannen (Hoppe). Aber auch bei einer realistischeren Anwendung des Minimalprinzips bleibt der Minimalstaat (Existenzberechtigung und Aufgaben) eine Frage des Grenznutzens. 15
Soweit die Kritik von Karl-Heinz Brodbeck, Die fragwürdigen Grundlagen der Ökonomie, 1998, an den wissenschaftstheoretischen Voraussetzungen der herrschenden Praxis der Wirtschaftswissenschaften, an ihrem Selbstverständnis als (Pseudo-)Naturwissenschaft sowie an ihren (Fehl-) Vorstellungen von Zeit, Natur und Rationalität zutrifft, können rechtlich relevante Phänomene von ihr nicht einmal konzeptuell erfasst werden; ders., Erfolgsfaktor Kreativität. Die Zukunft unserer Marktwirtschaft, 1996, S. 42 ff., auch zu den Zweifeln an der Prognosekompetenz der neoklassischen Theorie.
Einfhrung in das Generalthema
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schaftsbereiche, im Wesentlichen aber auch die Lehren von der „Ökonomischen Analyse des Rechts"16, stehen den qualitativ bestimmten subjektiven Rechten der Rechtssubjekte und den Wertungen und Zielen des objektiven Rechts im Kern verständnislos und fremd gegenüber; sie behandeln einen zwar auch notwendigen, aber nur kleinen Teil der vielschichtigen Voraussetzungen, Bedingungen und Folgen der Rechtsverwirklichung.
I I . Grundthemenbereiche von „Wirtschaftlichkeit" im Recht Vor dem Hintergrund des ökonomischen Dogmas stellen sich rechtlich vor allem zwei Gruppen von Themen, welche die möglichen Rechtsinhalte des Formalprinzips „Wirtschaftlichkeit" strukturieren: a) Der erste Themenkreis betrifft das Außenverhältnis zwischen dem Staat und dem nach Formzielen wirtschaftenden Teil der Gesellschaft. Es ist z.B. zu fragen: Schreibt die Rechtsordnung dem Staat oder seinen Untergliederungen überhaupt vor, er müsse sich so verhalten, dass privatwirtschaftliche Gewinnerzielung möglichst wenig behindert wird? Ggf., welchen Rang hat ein solches Wirtschaftlichkeitsgebot im Verhältnis zu den anderen Rechtspflichten des Staates, z. B. zur Pflicht, allen wenigstens annähernd gleiche Chancen zur freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit zu sichern oder die nichtökonomischen „unveräußerlichen" Rechte Dritter (oder gar das Sittengesetz) zu schützen? Hierauf geht das Generalthema nicht ein. Wir setzen voraus, dass an den Staat gerichtete Gebote, sich wirtschaftlich und sparsam zu verhalten, im Verhältnis zu seinen Hauptpflichten nur dienende, ergänzende und begrenzende Bedeutung haben dürfen 17. Soweit die Rechtsordnung Staatsaufgaben normiert und diese durch Gesetz abgeschafft oder geändert werden dürfen, gilt gleichfalls vorrangig die Pflicht, die verfassungsrechtlichen Staatsziele und materialen Wertungen möglichst weitgehend zu verwirklichen. Daher darf der Staat sich keiner Mittel begeben, die er hierfür braucht; er muss aber mit den jeweils gegebenen Mitteln die qualitativen Optimierungsaufgaben erfüllen. b) Der zweite Themenkreis betrifft den „Innenbereich" des staatlichen Verhaltens. Ein soziales System - wie der Staat und seine Untergliederungen kann nur durch das Zusammenwirken mehrerer Subsysteme handeln und ist auf die stete Zuführ von knappen Drittmitteln angewiesen. Deshalb muss es seine Organisationsstrukturen und internen Verfahrensabläufe, aber auch die Art und 16 Stellv. Heinz-Dieter Assmann / Christian Kirchner / Erich Schanze, Ökonomische Analyse des Rechts, 1993. 17 Günter Gaentzsch (o. Fn. 1), DÖV 1998, S. 952 ff.; Hans Herbert von Arnim , Wirtschaftlichkeit (o. Fn. 1), S. 39 f.
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Weise, wie es seine Ziele im Verhältnis nach außen verfolgt, laufend an die Veränderungen seiner externen Umwelt und an die seiner inneren Situation anpassen, aber zugleich stets sicherstellen, dass es seine rechtlich festgelegten Aufgaben effektiv erfüllt. Dabei dient diese Organisationsentwicklung den Organisationszielen. Sie sind für den Staat in der Rechtsordnung festgelegt. Er muss sie möglichst weitgehend erfüllen, hat aber keinen uneingeschränkten Zugriff auf die nötigen Drittmittel. Damit besteht dauerhafter Anpassungsbedarf für die internen Strukturen und Verfahren.
I I I . Anfragen an die Verfassungsrechtsdogmatik und an die Verwaltungswissenschaft Deshalb haben sich uns die Fragen gestellt, welche verfassungsrechtlichen Vorgaben hierfür im Sinne eines Gebotes zu wirtschaftlichem Verhalten existieren, wie dieses in Verwaltungseinheiten organisiert werden kann und wie bislang das Verwalten vom Grundsatz der Wirtschaftlichkeit bestimmt ist. Zur externen Umwelt, die Anpassungsdruck ausübt und Entwicklungschancen bietet, gehört heute auch die Zugehörigkeit der souveränen Bundesrepublik Deutschland zur Europäischen Union, deren Erweiterung unter anderem um die Republik Polen, unserer Nachbarin, kurz bevorsteht. Im ersten Teil des Symposiums soll es um die beiden ersten Fragen gehen. a) Herr Bundesjustizminister a. D., Abgeordneter des Deutschen Bundestages a. D., Professor Dr. Schmidt-Jortzig hat sich bereit erklärt, zum ersten Thema, der Frage nach den verfassungsrechtlichen Determinanten des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit, zu uns zu sprechen. Da Herr Schmidt-Jortzig früher auch Richter am OVG Lüneburg und Schleswig und Verfassungsrichter des Freistaates Sachsen war, kennt er die Staatspraxis aus der Sicht aller drei Gewalten, deren Bindungen er in seinem verfassungsrechtlichen Forschungswerk vielfältig intensiv untersucht hat. b) Herr Professor Dr. Pitschas, Ordinarius für Verwaltungswissenschaft, Internationale Beziehungen und Öffentliches Recht an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer, wird uns anschließend um die verwaltungswissenschaftliche und organisationstheoretische Sicht des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit bereichern. Herr Pitschas hat aufgrund seiner Forschung und der praktischen Relevanz seiner Erkenntnisse nicht nur in vielen Ländern Europas, Afrikas und Asiens zu lehren und Regierungen im In- und Ausland zu beraten, sondern hat auch einen besonderen Arbeitsschwerpunkt im Bereich des „Public Management" und in der Management-Entwicklung in Behörden. Ich danke beiden Referenten für Ihre Zusagen. Wir warten mit Spannung und Vorfreude auf Ihre Ausführungen.
Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit Verfassungsrechtliche Determinanten Von Eckard Schmidt- Jortzig, Kiel
Daß sich dieses Wissenschaftliche Symposium mit „Wirtschaftlichkeit durch Organisations- und Verfahrensrecht" beschäftigt, ehrt den zu feiernden Jubilar in besonderer Weise. Denn der Generaltitel bezeichnet ja - wie es im Einladungsschreiben von Herrn Butzer hieß - „ein Themenfeld, dem sich Herr Schnapp unter verschiedenen Blickwinkeln seit jeher wissenschaftlich zugewendet hat". Es zeichnet aber gewiß nicht nur den Privatmann Friedrich E. Schnapp aus, daß er mit hausväterlicher Sorgfalt die verfügbaren Finanzmittel der Familie verwaltet, mit den eigenen Prosperitätserwartungen und den Belastungsperspektiven ins Verhältnis setzt und danach die vertretbaren Ausgaben bzw. deren Abtragungsplanung bestimmt. Für solcherart Fürsorge loben wir ihn zwischenmenschlich, freundschaftlich und vielleicht auch gesellschaftspolitisch. Denn das treue, fürsorgliche und sparsame Walten zu Hause bleibt einfach eine Tugend. Schon die Bibel lobt sie ja: „Wie ein großes Ding ist's um einen treuen und klugen Haushalter, welchen der Herr setzt über sein Gesinde". Und Paulus ermahnt einen Bischof, daß er „untadelig (sei) als ein Haushalter" und neben anderer Regeleinhaltung „nicht unehrliche Hantierung treibe". Bei Friedrich Schiller wird „des Hauses redlicher Hüter" gelobt, der auch noch Philostratus heißt: Freund des Haushalts. Rühmen wir den pater familias Friedrich Schnapp also ob seiner klugen und fürsorglichen Budgetführung daheim. Aber ein legitimes Thema für die Rechtswissenschaft bedeutet sein Verhalten bei aller Liebe nicht. Da sind die Grundrechte davor. Denn wie jemand mit seinem finanziellen und physischen Vermögen verfährt, geht das Recht, d.h. die verbindliche Ordnungsvorgabe für das Gemeinwesen so lange nichts an, wie die handelnde Person mit ihrem Verhalten nicht andere in Mitleidenschaft zieht oder eben die Gemeinschaftsordnung belastet. Das persönliche Wirtschaftlichkeitsverhalten ist mindestens Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit, rechnet der Eigentums- und Berufsfreiheit zu und macht wohl auch eine wesentliche Komponente des engeren Persönlichkeitsrechts aus. Grundrechtsdogmatisch dürfte man sogar den Würdeschutz in An2 Butzer
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spruch nehmen. Für die praktische Diskussion - verwaltungsrechtlich wie politisch - wäre das aber ziemlich „hochgegriffen", selbst wenn man im öffentlichen Diskurs heute all zu gern auf die großen Würdeargumente zurückgreift. Die Wirtschaftlichkeitsfrage bleibt mithin für die Rechtswissenschaft nur im staatlich gewährleisteten Ordnungsbereich ein Befassungsgegenstand. Das Zivilrecht erstreckt sich immerhin noch auf jene Felder und Wirkungen privaten Handelns, mit denen sich der Gemeinschaftsvorbehalt von Art. 2 Abs. 1 GG verwirklicht, wenn also jemand durch Unachtsamkeit, Verschwendung und sonstige Pflichtenmißachtung „die Rechte anderer verletzt (oder) gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt". Aber für das Öffentliche Recht ist „Wirtschaftlichkeit" als unmittelbarer Normgegenstand nur da ein Thema, wo es um Funktionswahrnehmungen des Staates und seiner verschiedenen Handlungseinheiten geht. Respekt wird man dem Jubilar für sein Forschungsthema auch in ganz spezifischem Zuschnitt zollen müssen. Friedrich Schnapp ist schwerpunktmäßig Sozialrechtler. Allenthalben wird derzeit die Reform der sozialen Sicherungssysteme eingefordert, seien es die für Arbeitslosigkeit oder Krankheit, seien es die für Altersversorgung oder Pflege. Und immer wieder hört man, daß die staatlich entsprechend geschaffenen oder verantworteten Einrichtungen eben höchst unwirtschaftlich arbeiten, überhöhte Personalkosten produzieren oder in der Effektivität ihrer Leistungen ziemlich zurückbleiben1. Dabei gilt dort das Wirtschaftlichkeitsprinzip noch ganz gezielt und ausdrücklich2. Die Befassung mit der Wirtschaftlichkeit öffentlich-rechtlich eingebundener Aktivitäten ist also in jeder Weise ein den Jubilar ehrendes sujet, nicht nur von politischer Daueraktualität, sondern allemal - wie man heute gerne sagt „spannend" auch und gerade rechtswissenschaftlich 3.
1 Siehe zuletzt nur etwa: „Kassen sollen Verwaltungskosten senken", Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) v. 5.8.2003, S. 13; oder die aktuelle Meldung, daß die Bundesanstalt für Arbeit erst einmal 12.000 neue Bedienstete bekomme, bevor sie zu einer Umstellung ihrer Arbeit schreiten könne. 2 § 69 Abs. 2 SGB IV (für die Sozialversicherungsträger), § 2 Abs. 1 Satz 1, § 4 Abs. 3 und Abs. 4, § 12 Abs. 1, § 70 Abs. 1 Satz 2 SGB V (für die gesetzliche Krankenversicherung), § 4 Abs. 3 SGB XI (für die Pflegeversicherung). 3 Siehe also vorab und vor allem Friedrich E. Schnapp, Der Haushaltsgrundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit - im Sozialrecht und in anderen Rechtsgebieten, in: Festschrift für Bernd Baron v. Maydell (2002), S. 621 ff.; aber auch etwa dens., Rechtsaufsicht und Wirtschaftsaufsicht über kassenärztliche Vereinigungen - ein systemwidriges Steuerungsinstrument?, in: D. Merten (Hrsg.), Die Selbstverwaltung im Krankenversicherungsrecht (1995), S. 27 (33 ff.).
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I. Terminologische Bedeutung Was meint aber nun eigentlich der Topos „Wirtschaftlichkeit", mit dem wir uns beschäftigen wollen? Und was sind nach seinem substantiellen Gehalt seine rechtlichen Wurzeln? Keine Frage, daß der Begriff „Wirtschaftlichkeit" zunächst von derjenigen Disziplin bestimmt wird, die möglichst gutes Wirtschaften zum Thema hat, den Wirtschaftswissenschaften also. Hier sind denn auch die maßgeblichen Konturen entwickelt worden, welche die Juristen dann zur speziellen Rechtsbegrifflichkeit verfestigt haben. Der ökonomische Wirtschaftlichkeitsbegriff 4 hat vor allem eines als grundlegend herausgearbeitet, nämlich daß es auf eine Zweck-Mittel-Relation zwischen Nutzen (dem verfolgten Ziel) und Kosten (den einzusetzenden Ressourcen) ankommt und dieses Verhältnis zu optimieren ist. Auch, daß der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz (Vernunftprinzip, Rationalprinzip oder ökonomisches Prinzip) danach zwei Bestandteile bzw. Varianten hat, nämlich das „Minimalprinzip" (ein bestimmtes Ergebnis soll mit möglichst geringem Einsatz von Mitteln erreicht werden) und das „Maximalprinzip" (mit einem bestimmten Einsatz von Mitteln soll das bestmögliche Ergebnis erzielt werden), ist terminologisches Allgemeingut. Beide Aspekte des Wirtschaftlichkeitsprinzips geben auch direkt anwendbare Maximen für die konkrete Entscheidungssituation ab. Sie sind praktische Handlungsanleitung und rezensiver Beurteilungsmaßstab, nicht nur dogmatische Einteilungskategorie und / oder Verständnishilfe 5. Entscheidungstheoretisch bzw. strategisch kommt freilich noch etwas hinzu, denn ökonomisch geht es eben weniger um Kontrolle als um Gestaltung. Nicht statisch-repressiv ist der Ansatz, sondern dynamisch-prospektiv. Deshalb wird hier auf ein Denken in Alternativen abgestellt, die es zu bewerten gilt: Wirtschaftliches Handeln heißt vergleichen. Wirtschaftlichkeit ist also „ein Verhältnis und eine Maßzahl für den ergiebigen oder sparsamen Mitteleinsatz; es gibt daher vergleichsweise günstige, ungünstige oder optimale Wirtschaftlichkeit" 6. 4
Vgl. zu diesem Begriffsverständnis Heinrich Reinermann , Wirtschaftlichkeitsanalysen, in: U. Becker / W. Thieme (Hrsg.), Handbuch der Verwaltung, Heft Nr. 4.6 (1974), S. 2 ff.; Josef Löffelholz, in: E. Grochla (Hrsg.), Betriebswirtschaftslehre, Bd. I (1978), S. 217 ff.; ders., Repetitorium der Betriebswirtschaftslehre (6. Aufl. 1980), S. 32 ff.; Jürgen Görnas / Werner Beyer , Betriebswirtschaft in der öffentlichen Verwaltung (1991), S. 43 ff.; Jürgen Schmidt , Wirtschaftlichkeit in der öffentlichen Verwaltung (6. Aufl. 2002), S. 20 ff.; oder Günter Wöhe / Ulrich Doering , Einfuhrung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre (21. Aufl. 2002), S. 1 f., S. 47 f. 5 Zu den Anfängen der Diskussion: Wilhelm Koetzler , Der Begriff der Wirtschaftlichkeit in der öffentlichen Verwaltung (1939). 6 Klaus Walther , Wirtschaftlich geprägte Rechtsbegriffe, in: Verwaltungsführung. Organisation. Personal, 1995, S. 212; auch Hans Herbert v. Arnim , Wirtschaftlichkeit als Rechtsbegriff (1988), S. 22 f.
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Zu beachten sind die unterschiedlichen Ebenen, in denen Entscheidungen anstehen. Bei Maßnahmen, die nach gesamtwirtschaftlichen Kriterien zu beurteilen sind, handelt es sich um Kennzahlen der allokativen Wirtschaftlichkeit, bei einzelwirtschaftlichen Maßnahmen hingegen um betriebliche Wirtschaftlichkeit als dem Verhältnis zwischen Ist-Kosten und Soll-Kosten7. Der rechtliche Wirtschaftlichkeitsbegriff, über dessen Verankerung hier gesprochen werden soll, hat nach wie vor keine allgemein verbindliche Definition gefunden. Immerhin bietet haushaltsrechtlich die Verwaltungsvorschrift zu § 7 BHO8 entscheidenden Anhalt, wo es heißt: „Nach dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit ist die günstigste Relation zwischen dem verfolgten Zweck und den einzusetzenden Mitteln (Ressourcen) anzustreben. Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit umfaßt das Sparsamkeits- und das Ergiebigkeitsprinzip. Das Sparsamkeitsprinzip (Minimalprinzip) verlangt, ein bestimmtes Ergebnis mit möglichst geringem Mitteleinsatz zu erzielen. Das Ergiebigkeitsprinzip (Maximalprinzip) verlangt, mit einem bestimmten Mitteleinsatz das bestmögliche Ergebnis zu erzielen."
Damit sind die ökonomischen Gehalte ebenso in den Begriff mit aufgenommen, wie durch die Ergänzung bzw. Neufassung von § 6 HGrG und § 7 BHO / LHO in den 90er Jahren auch rechtlich eine stärkere Verfahrensbedeutung und Entscheidungsrelevanz der Wirtschaftlichkeitsfrage sicherzustellen versucht wurde. Für die Verfassung wird man ebenfalls von diesem Wirtschaftlichkeitsbegriff ausgehen können9. Freilich ist hier schwerpunktmäßig auf die Minimal Variante, das sog. „Sparsamkeitsprinzip", abgestellt, weil es dort vorwiegend um Finanzkontrolle geht, und die findet den angestrebten Maßnahmezweck in der Regel schon politisch fixiert vor. In einer viel zitierten Grundgesetzkommentierung heißt es demgemäß: „ ,Wirtschaftlich' ist eine staatliche Maßnahme ... jeweils dann, wenn die Bedeutung der durch sie erreichbaren Ziele ftir das Gemeinwohl 1
Jürgen Schmidt, Wirtschaftlichkeit (o. Fn. 4), S. 20 (Abschnitt I, 2.1). VV-BHO, GMB1. 2001, S. 307 ff., zu § 7, Nr. 1 Abs. 2 BHO. In der alten Vorläufigen Verwaltungsvorschrift zu § 7 BHO (MinBIFin. 1973, S. 191) lautete die entsprechende Passage noch: „Das Wirtschaftlichkeitsprinzip (Ökonomische Prinzip) gebietet, entweder ein bestimmtes Ergebnis mit möglichst geringem Einsatz von Mitteln (Minimalprinzip) oder mit einem bestimmten Einsatz von Mitteln das bestmögliche Ergebnis (Maximalprinzip) zu erzielen." Bereits die zwischenzeitliche Novellierung der Vorl.VV 1995 (GMB1. 1995, S. 762) brachte dann die heute geltende Fassung. 9 Vgl. Theodor Maunz (1984), in: Th. Maunz / G. Dürig, GG-Kommentar (6. Aufl. 1983 ff.), Art. 114 Rn. 50; Gunter Kisker, Staatshaushalt, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV (1990), § 89 Rn. 111 f.; Kyrill-A. Schwarz, in: H. v. Mangoldt / Fr. Klein / Chr. Starck (Hrsg.), Das Bonner Grundgesetz. Kommentar, Bd. III (4. Aufl. 2001), Art. 114 Rn. 87; Jürgen W. Midien (2002), in: Bonner Kommentar (1950 ff.), Art. 106 Rn. 844; Herbert Fischer-Menshausen, in: I. v. Münch / Ph. Kunig (Hrsg.), GG-Kommentar, Bd. 3 (5. Aufl. 2003), Art. 114 Rn. 17, jeweils mit weiteren Nachweisen. 8
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den eingesetzten Aufwand an Zeit, Arbeitskraft, Finanzmitteln usw. - unter Einschluß etwaiger abträglicher Nebenfolgen - als gerechtfertigt erscheinen läßt und wenn die gleichen Ziele nicht auch mit geringerem Aufwand ... erreicht werden könnten"10.
I I . Konstitutionelle Verankerung Daß der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz einen wesentlichen Maßstab der deutschen Verfassung darstellt, ist heute unbestritten. Seit 1969 wird die Verbindlichkeit ja auch in Art. 114 Abs. 2 GG ausdrücklich festgehalten 11. Dort heißt es bekanntlich, daß der Bundesrechnungshof neben anderem auch „die Wirtschaftlichkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung" der Bundesregierung prüfe. Mittelbar kommt das Verfassungsgebot der Wirtschaftlichkeit allerdings auch in anderen Grundgesetzvorschriften zum Ausdruck12. Nur beziehen sich diese zunächst allein auf die Finanzverfassung bzw. die „Haushalts- und Wirtschaftsführung". Aber dem Wirtschaftlichkeitsprinzip kommt sicherlich noch eine darüber hinausreichende Bedeutung zu, weil sich seine Idee eben nicht beim finanzwirksamen Staatsverhalten erschöpft. Vielmehr geht es wohl auch um eine ganz grundsätzliche Ausrichtung. Erfaßt werden soll eine Mentalität und Gesinnung. Ziel ist die innere Einstellung bei hoheitlicher Funktionswahrnehmung überhaupt, bei jeder Art von Amtsführung. Und die soll von Verfassungs wegen nicht nur Ethos bleiben, sondern stabile Rechtspflicht sein. 1. Das solcherart verallgemeinerte Wirtschaftlichkeitsprinzip versucht man z.T. schon aus Art. 14 GG zu begründen. Vor allem Hans Herbert v. Arnim hat sich dafür eingesetzt13. Bei aller Sympathie für eine breite (und möglichst auch den Bürger als Verteidiger einbeziehende) Verankerung kann v. Arnim dies aber m.E. nicht durchhalten, und zwar gleichgültig, ob man die Eigentumsgewährleistung als Grundrecht in Anspruch nimmt, als objektive Institutsgarantie oder lediglich als Bezugsgröße für eine staatliche Schutzpflicht.
10 Klaus Vogel / Paul Kirchhof (1973), in: Bonner Kommentar (o. Fn. 9), Art. 114 Rn. 90. 11 20. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 12.5.1969 (BGBl. I, S. 357). 12 So in Art. 104a Abs. 5 Satz 1, Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2, Art. 111 Abs. 1, Art. 112, Art. 113 Abs. 1 oder in Art. 115 Abs. 1 GG; vgl. Jürgen Hidien, Die Verteilung der Umsatzsteuer zwischen Bund und Ländern (2002), S. 222 mit Nachweisen in Fn. 351. 13 Hans Herbert v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 286 (311 ff.); dersWirtschaftlichkeit (o. Fn. 6), S. 72 f.
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Zum einen nämlich würden über Art. 14 GG nur diejenigen Finanzmittel erfaßt, die sich der Staat irgendwie aus dem Eigentum Privater, also der Menschen und ihrer Unternehmen verschafft hat. Das sind im theoretischen Ursprung zwar letztlich alle Ressourcen der öffentlichen Hand. Aber in der Praxis und vor allem beim entwickelten Staat kommen die Mittel eben längst auch aus anderen Quellen, seien es Vermögenserträge, Zuführungen von Zentralbankgewinnen, Verkaufserlöse, Finanzausgleichszahlungen, Titelübertragungen, Fondstransfers, EU-Beihilfen o.a. Hier hat sich die Verbindung zum privaten Herkunftseigentum längst verflüchtigt, jedenfalls ist sie real oft nicht mehr auszumachen. Zum anderen aber führt noch so intensives politisches Wünschen nicht an der Tatsache vorbei, daß nur der in der Erhebung von Steuern und Abgaben liegende hoheitliche Wegnahmeakt beim Privaten von Art. 14 GG gebändigt und kontrolliert werden kann14, nicht indessen, wie der Staat dann damit umgeht. Gewiß muß schon beim Erhebungsakt auch über den Bedarf Rechenschaft abgelegt werden, denn daran richtet sich die Verhältnismäßigkeitsprüfung aus. Aber das kann nicht auf die einzelne Ausgabe durchschlagen. Denn ob und wie sie bedient wird, ist eine Frage erst neu einsetzender politischer Entscheidung bzw. des betreffenden Planvollzugs. Dem trägt das haushaltsrechtliche Non-Affektations-Prinzip ebenso Rechnung wie die Regel, daß haushaltsgesetzliche Festlegungen überhaupt nur Ermächtigungen, nie aber Verpflichtungen zu entsprechender Mittelverausgabung sind (§ 3 HGrG, § 3 BHO / LHO). Ohnehin meinen deshalb ja viele, daß der parlamentarische (Haushalts-)Gesetzgeber durch das verfassungsrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot gar nicht gebunden sei15 (darauf wird noch zurückzukommen sein).
14 Das ist in der Literatur seit der Staatsrechtslehrertagung 1980 weitgehend unstreitig; den damaligen „Dammbruch" markierten die Referate von Paul Kirchhof, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 213 (226 ff.); und Hans Herbert v. Arnim, ebd., S. 286 (299 ff.). Otto Kimminich (1992) hat den quälenden Gang der einschlägigen Diskussion eindringlich nachgezeichnet: Bonner Kommentar (o. Fn. 9), Art. 14 Rn. 50 bis Rn. 64. Das Bundesverfassungsgericht hält indessen fast störrisch an seiner widersprüchlichen, ablehnenden Position fest. Die in BVerfGE 93, 121 (137) endlich sich zeigende Bereitschaft zum Umschwenken wurde in BVerfGE 105, 17 (32) offenbar wieder relativiert. 15 Etwa Peter Badura, Eigentum im Verfassungsrecht der Gegenwart, in: Verhandlungen des 49. DJT (1972), Bd. II, S. T 32; Klaus Vogel / Paul Kirchhof (o. Fn. 10), Art. 114 Rn. 100; Paul Kirchhof Besteuerungsgewalt und Grundgesetz (1973), S. 16; ders., Rechtsmaßstäbe finanzstaatlichen Handelns, JZ 1979, S. 153 (158); Klaus Vogel, Begrenzung von Subventionen durch ihren Zweck, Festschrift für Hans Peter Ipsen (1977), S. 539 (548 f.); Ernst Heuer, in: E. Heuer / H. Dommach (Hrsg.), Handbuch der Finanzkontrolle. Kommentar zum Bundeshaushaltsrecht (1981 ff.), Art. 114 GG Rn. 61; Herbert Fischer-Menshausen (o. Fn. 9), Art. 114 Rn. IIa: „politischer Wertungs- und Entscheidungsvorrang des Gesetzgebers"; schließlich Helmut Siekmann, in: M. Sachs (Hrsg.), GG-Kommentar (3. Aufl. 2003), Art. 110 Rn. 28, Rn. 14.
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Dann aber führt auch der tapfere Appell nicht weiter, wenn man auf der Steuererhebungsseite mit einer Wirtschaftlichkeitskontrolle aus Art. 14 GG nicht zum Zuge komme, müsse man den Schutz, den die Garantie gewähren könne, eben auf die Ausgabenseite verlagern 16. Denn wie dies dogmatisch bzw. methodisch bewerkstelligt werden soll, bleibt gänzlich im Dunkeln. Den Rechnungshöfen jedenfalls fehlte die Legitimation für einen solchen Zugriff. Und die Verfassungsgerichtsbarkeit brauchte augenscheinlich einen anderen, nicht vom Individualschutz ausgehenden Kontrollansatz17. Offenbar bleibt deshalb von allem auch nur der „Druck auf die politisch Verantwortlichen" 18. 2. Den angemahnten überindividuellen, prinzipiellen Rechtsgrund für die Wirtschaftlichkeitsverpflichtung des Staates könnte indessen die Gemeinwohlbindung allen hoheitlichen Handelns liefern. Von dorther bezöge dann auch der Gesetzgeber (und nicht nur die Exekutive) zwingende Vorgaben für das Tätigwerden, und Verletzungen dieser Norm würden via Normenkontrolle zur Nichtigkeit entsprechender Werkstücke führen. Daß im republikanischen Verfassungsstaat „die Bindung an das Gemeinwohl selbstverständliche Voraussetzung jeder verfassungsrechtlich gebundenen Gesetzgebung" ist, hat in wünschenswerter Klarheit das Bundesverfassungsgericht frühzeitig deutlich gemacht19. Der Tatbestand ist auch in jeder Weise unstrittig, deshalb braucht hier darauf nicht näher eingegangen zu werden. Ob daraus aber zwingend für alle Staatsgewalt auch das Verfassungsgebot zu ausschließlich wirtschaftlichem Verhalten folgt 20, ist durchaus fraglich, selbst wenn das Bundesverfassungsgericht einmal argumentiert hat, bei der Veräußerung öffentlichen Vermögens einen angemessenen Preis zu erstreben, sei eine „aus dem Dienst am Gemeinwohl folgende selbstverständliche Verpflichtung" 21. Vorsicht ist schon geboten, weil das Gemeinwohl kaum positiv bestimmt werden kann. Lediglich über das abstrakte Ziel und die allgemeine Handlungsmotivation wird etwas ausgesagt, nicht aber über die einzelnen Extrakte. Damit 16 Hans Herbert v. Arnim , Wirtschaftlichkeit (o. Fn. 6), S. 73 mit Nachweisen in Fn. 26 f.; ebenso bereits in: VVDStRL 39 (1981), S. 286 (317). 17 Daß der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit eine ausschließlich objektive Vorgabe ist, die keinerlei drittschützende Wirkung entfaltet, hat ja auch die Fachgerichtsbarkeit immer herausgestellt; vgl. BVerwG, NVwZ 1999, S. 70 f.; sowie Utz Schliesky , Öffentliches Wirtschaftsrecht (2. Aufl. 2003), S. 171. 18 Hans Herbert v. Arnim , VVDStRL 39 (1981), S. 286 (315). 19 BVerfGE 50, 50 (51); auch etwa BVerfGE 42, 312 (332); BVerfGE 49, 89 (132); BVerfGE 59, 216 (228 f.). Eindeutig zudem einige Landesverfassungen, so: Bay Art. 3 Abs. 1 Satz 2 oder RhPf Art. 1 Abs. 3. 20 So insb. Hans Herbert v. Arnim , Gemeinwohl und Gruppeninteressen (1977), S. 54 ff., S. 222 ff., S. 276 ff., S. 375 f.; ders ., VVDStRL 39 (1981), S. 286 (317, Fn. 124); ders., Wirtschaftlichkeit (o. Fn. 6), S. 75 f. 21 BVerfGE 12,354 (364).
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wäre das Recht auch überfordert. Möglicherweise verhält es sich mit dem Gemeinwohl nämlich so wie offenbar mit der Menschenwürde: Man kann sie eigentlich nicht positiv definieren und typisiert deshalb ihre augenscheinlichen Verletzungen. Wäre also jedenfalls festzuhalten, daß unwirtschaftliche Maßnahmen stets gemeinwohlwidrig sind? Das läßt sich jedoch durchaus bezweifeln. Man braucht sich ja nur vorzustellen, daß ein unbestrittener Gemeinwohlbelang für seine Verwirklichung einfach ein „Klotzen statt Kleckern" verlangt, beispielsweise die dringend notwendige Reform sozialer Sicherungssysteme nun nicht mehr mit dosierten, möglichst kostenneutralen Korrekturen zustande gebracht werden kann, sondern einen wirklich schmerzhaften, auch aufwendigen und sozial teuren Schnitt verlangt. Das Gemeinwohl ist offenbar eine zu unkonturierte, vielschichtige Größe, als daß sich daraus konkrete Forderungen ableiten ließen. Selbst ein allgemeines staatsrechtliches Rationalitätsgebot, das manche aus der Gemeinwohlbindung ableiten22 und welches dann eine gewisse Nachvollziehbarkeit und Vernünftigkeit der Erwägungen verlangte, ist eben nicht dasselbe wie die mit Wirtschaftlichkeit gleichbedeutende Forderung ökonomischer Rationalität. Es mag zwar in der Regel vernünftig und akzeptabel sein, (legitime) Ziele nur mit möglichst sparsamen Mitteln anzusteuern, aber das muß keineswegs unter allen Umständen so sein und erst recht nicht da, wo es um politische Wertungen und Einschätzungen geht. 3. Die Verfassungsrelevanz eines weitergehenden, alle Staatsgewalt - auch den Gesetzgeber - einbeziehenden Wirtschaftlichkeitsgebotes könnte sich aber aus der ganz bestimmten Grundausrichtung des konkreten Staates ergeben. Insofern nämlich zeigt sich für die Bundesrepublik Deutschland unübersehbar, daß alles, was an hoheitlicher bzw. staatlicher Formierung betrieben wird, sich von den Menschen und ihren Bedürfhissen her begründen muß. Hieran läßt die Verfassung keinen Zweifel. Die Würde des Menschen steht an der Spitze aller grundgesetzlichen Normen, „sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt" (Art. 1 Abs. 1 GG). Und allein von dorther, von den Menschen also, die sich in dem Gemeinwesen zusammenfinden und es zu einem Staat verfassen („das deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt"), legitimiert sich dann die geschaffene Hoheitsmacht: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus" (Art. 20 Abs. 2 GG). „Der Staat ist (mithin) um des Menschen willen da, nicht der Mensch um des Staates willen". So hatte es Art. 1 Abs. 1 des Herrenchiemsee-Entwurfs formuliert, und so ist es auch heute noch elementar richtig, selbst wenn diese Grundlage im geltenden Verfassungstext nicht wiederholt wird, sondern in Art. 1 bis 20 GG nurmehr in verschiedenen Aus22 Etwa Josef Isensee, Der Fiskalbeamte - ein Fiskalprivileg, DÖV 1970, S. 397 (404); oder Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre (2. Aufl. 1966), S. 58 f., S. 738 f., S. 834 f.
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formungen auftaucht. Deutlich greift im übrigen etwa die Baden-Württembergische Verfassung den Gedanken auf (Art. 1 Abs. 1 und 2 Satz 1): „Der Mensch ist berufen, in der ihn umgebenden Gemeinschaft seine Gaben in Freiheit und in der Erfüllung des christlichen Sittengesetzes zu seinem und der anderen Wohl zu entfalten, (und) der Staat hat die Aufgabe, den Menschen hierbei zu dienen". Insoweit also ist der Staat - zugespitzt formuliert - lediglich eine Zweckeinrichtung zur Erfüllung von Gemeinschaftsbelangen der in ihm sich zusammenschließenden Menschen23. Die Ressourcen, welche er zur Erreichung seiner Zwecke zugewiesen bekommt bzw. sich verschafft, stehen ihm deshalb bloß fiduziarisch zu. Er hat sie allein für die Gemeinschaftszwecke zu verwenden und keinerlei eigene Interessen, Vorlieben oder Selbstbehalte daran zu entwickeln. Die gesamte öffentliche Mittelbewirtschaftung hat ausschließlich einen „demokratisch-treuhänderischen Charakter" 24. Und oberster Grundsatz für alle Staatlichkeit ist deshalb die Pflicht zur Führung einer pfleglichen, sorgsamen und haushälterischen Vermögensverwaltung.
I I I . Gegenständliche Ausformung Durch die letzte Untermauerung bzw. Herleitung hat das Wirtschaftlichkeitsprinzip von Verfassungs wegen eine weiterreichende Dimension erhalten, als lediglich für unmittelbare Ausgabentätigung zu gelten. Der konstitutionell grundsätzlich hergeleitete Sorgsamkeitsgrundsatz stellt danach nicht nur eine haushalts- und wirtschaftsrechtliche Regel dar, sondern kennzeichnet eine allgemeine Verhaltenspflicht, ein durchgehendes Respektgebot, ja, eine notwendige Grundeinstellung. Vergleichbar ist sie insofern dem alten Amtsethos oder noch allgemeiner - dem republikanischen Prinzip25.
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Vgl. Josef Isensee (o. Fn. 22), DÖV 1970, S. 397 (404); Roman Herzog, Allgemeine Staatslehre (1971), S. 141 f.; Hans Peter Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz (1973), S. 70 ff., S. 77; Edzard Schmidt-Jortzig, Verfassungsmäßige und soziologische Legitimation gemeindlicher Selbstverwaltung heute (1980), S. 13 f., = DVB1. 1980, S. 1 (3 f.), mit weiteren Nachweisen. 24 Edzard Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht .(1982), Rn. 827. Ebenso Kurt Heinig, Das Budget, Bd. 1 (1949), S. V; Achim-Rüdiger Börner, Zur Einfuhrung: Haushaltsrecht, JuS 1982, S. 805 (807); Hans Herbert v. Arnim, Wirtschaftlichkeit (o. Fn. 6), S. 74; oder Herbert Fischer-Menshausen (o. Fn. 9), Art. 114 Rn. 17. 25 Dieser tragende Grundgedanke des modernen zivilisatorischen Staates wird leider immer noch in der Bedeutung unterschätzt. Vgl. zu seinem Ideen- und Bewußtseinsgehalt hier nur Josef Isensee, Republik - Sinnpotential eines Begriffes, JZ 1981, S. 1 ff.; ders., Staat und Verfassung, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band I (1987), § 13 Rn. 104 ff.; Wilhelm Henke, Die Republik, ebd., § 21 insb. Rn. 8 f., 20 ff.
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Der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz des X. Grundgesetzabschnittes und speziell in Art. 114 GG ist danach nur eine Sonderausprägung, eine lex specialis des allgemeinen staatsrechtlichen Selbstbescheidungs- oder Sorgsamkeitsprinzips. Er erstreckt sich in der Tat nur auf finanziell relevante Maßnahmen. Und er richtet sich auch lediglich auf eine Abwägung zwischen unterschiedlich kostenrechnenden Alternativen. Es ist rein betriebswirtschaftliches Abwägen vonnöten. Aspekte von Nachhaltigkeit, Generationenverantwortung sowie allgemeiner Fürsorge und Pfleglichkeit treten in den Hintergrund. Dies ist der Bereich, mit dem sich die Rechts- und Staatswissenschaften im eigentlichen beschäftigen die Wirtschaftswissenschaften ohnehin. Auch das heutige Symposium kreist wohl gezielt um diesen Gegenstand und seine Konkretionen. Aus Verfassungshöhe ist aber jedenfalls zu einem Aspekt noch eine generelle Aussage zu machen, nämlich zu der Frage nach dem Objekt der Wirtschaftlichkeitserwägungen. Beziehen sich die entsprechend zu beurteilenden Vorhaben und Maßnahmen allein auf exekutivische Tätigkeiten oder auch auf politische Planungen oder jedenfalls gesetzgeberische Zielfestlegungen? Das mag zunächst eine etwas theoretische Fragestellung sein, hat aber auch Auswirkungen darauf, wer denn die betreffende Kontrolle auszuüben hat, mit welcher maßstäblichen Stringenz und welchen eventuellen Rechtsfolgen. Selbstverständlich sind politische Entscheidungen nicht a priori dem Wirtschaftlichkeitsgebot bzw. entsprechend nachträglicher Kontrolle entzogen26. Nach der Konzeption des Grundgesetzes steht auch die Politik unter, nicht über dem Recht (Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3, Art. 19 Abs. 4, Art. 93 Abs. 1 GG), und es ist nur die Frage, welches Organ bzw. welche Instanz jeweils für die Kontrollaufgabe zuständig sein soll. Im Rechtsstaat macht die Politik ihre Entscheidungen im Wege des Gesetzes verbindlich, die Gesetzgebung aber ist unter dem Grundgesetz unmißverständlich „an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden". Authentische Einschätzungen, Wertungen und Entwürfe sind womöglich aus Gründen der Funktionenordnung oder Sachnähe durch dritte Stellen nicht vollständig kontrollier- und zensierbar. Aber dies wird durch Zuerkennung von mehr oder weniger weiten Gestaltungsspielräumen oder Entschei26
Klaus Vogel / Paul Kirchhof (o. Fn. 10), Art. 114 Rn. 91; Ulrich Battis, Rechnungshof und Politik, DÖV 1976, S. 721 (723 ff.); ders., Schlußwort, DÖV 1977, S. 243; Walter Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen (1984), S. 201 ff.; Herbert Sauer / Hans Blasius, Politik und Finanzkontrolle durch Rechnungshöfe, DVB1. 1985, S. 548; Werner Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung (1989), S. 506 f.; ders., in: H. Dreier (Hrsg.), GG-Kommentar, Bd. III (2000), Art. 114 Rn. 25; Gunter Kisker (o. Fn. 9), § 89 Rn. 112 f.; Christoph Gröpl (2001), in: Bonner Kommentar (1950 ff.), Art. 110 Rn. 140; Gunnar Folke Schuppert, in: D. C. Umbach / Th. Clemens (Hrsg.), GG. Mitarbeiterkommentar, Bd. II (2002), Art. 114 Rn. 12; und überraschend (sowie in gewissem Widerspruch zu oben in Fn. 15) Herbert Fischer-Menshausen (o. Fn. 9), Art. 114 Rn. IIa: „Es gibt keine prüfungsfreien Räume, ... auch politische Vorgänge (sind) der Rechnungshofkontrolle zugänglich".
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dungsprärogativen innerhalb der Rechtsgebundenheit sichergestellt und nicht durch Exemtion aus der Überprüfbarkeit 27. Ohnehin sind „bei Anwendung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit' Recht und Politik kaum säuberlich voneinander zu scheiden"28. Denn selbst im reinen Vollzug gesetzlich festgelegter Aufgaben oder haushaltsmäßig fixierter Ausgaben kann aus subjektiven Momenten heraus immer noch gebremst oder gepusht, gestreckt oder konzentriert werden. Jeder Praktiker kennt die Möglichkeiten der Verwaltungspolitik. Selbst das noch so sachinteressenlose Umsetzen von Vorgaben benötigt unter dem Signum des Wirtschaftlichkeitsgebots ja eine Abwägung zwischen den Sachaspekten der jeweiligen Fallgruppe oder des zu entscheidenden Einzelfalles auf der einen Seite und den Aufwandsaspekten von benötigter bzw. vorhandener Zeit, Arbeitskraft und Finanzmenge auf der anderen. Im Übrigen ergeben sich aus dem damit festgemachten verfassungsrechtlichen Gesamtbefund noch verschiedene weitere Einzelaspekte bzw. Konkretisierungen. Sie können hier indessen nur kursorisch behandelt werden. Dies ist jedoch zu verschmerzen, weil sie jeweils ja - auch über die verfassungsrechtlichen Grundlagen hinaus - in den nachfolgenden Vorträgen noch ausfuhrlicher zur Sprache kommen. 1. So zeigt sich aufgrund der je spezifischen Kontrollbedingungen schon etwa die Zuständigkeit flir eine entsprechende Nachprüfung und Überwachung der wirtschaftlichkeitsrelevanten Entscheidungen durchaus unterschiedlich verteilt. Und dabei kommen selbst Doppelungen vor, weil die Wirtschaftlichkeit möglichst optimal gewährleistet werden soll. Auf jeden Fall obliegt es immer und zu allererst der entscheidenden Stelle selber (festsetzendes Parlament, umsetzende Behörde), die getroffenen Maßnahmen noch einmal auf ihre Wirtschaftlichkeit zu überprüfen. Die interne oder begleitende Kontrolle 29 ist zur Normeinhaltungsgewähr allemal die wirksamste Form.
27 A.A. (neben den oben in Fn. 15 Genannten), wenn auch nicht immer in voller Frontstellung oder entsprechender Grundsätzlichkeit, etwa Arthur Fuchs , Wesen und Wirken der Kontrolle (1966), S. 63; Susanne Tiemann , Die staatsrechtliche Stellung der Finanzkontrolle des Bundes (1974), S. 111 f., S. 131; dies., Nochmals: Rechnungshof und Politik, DÖV 1977, S. 240 (241 f.); Gotthart Brunner, Möglichkeiten und Grenzen der öffentlichen Finanzkontrolle, Festschrift für Hans Schäfer (1975), S. 169 (179 f.); Theodor Maunz (o. Fn. 9), Art. 114 Rn. 51; Kyrill-A. Schwarz (o. Fn. 9), Art. 114 Rn. 87 mit Nachweisen in Fn. 199. 28 Gunter Kisker (o. Fn. 9) § 89 Rn. 112 a.E.; sowie Werner Heun (o. Fn. 26), Art. 114 Rn. 29 mit weiteren Nachweisen in Fn. 116. 29 Speziell im Hinblick auf das Parlament (den Gesetzgeber) - als Kontrolleur wie als Kontrolliertem - vgl. Joachim Jens Hesse / Thomas Ellwein, Das Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland (8. Aufl. 1997), S. 261; oder Matthias Schmidt-Preuß, Gestaltungskräfte im parlamentarischen Regierungssystem der Bundesrepublik Deutsch-
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Geht es dann aber an dieförmliche, „externe" oder nachträgliche Kontrolle, kommt es für die Zuweisung dieser Kompetenz darauf an, welche Stelle im vielgliedrigen Staatsaufbau überprüft werden soll. Ist es beispielsweise die Exekutive - in Gestalt eines Ministeriums ebenso wie bei einer letzten, nachgeordneten Behörde so greift mit seiner Wirtschaftlichkeitskontrolle auf jeden Fall der Bundes- oder Landesrechnungshof ein, bei Gemeinden in örtlicher Hinsicht zunächst das betreffende Rechnungsprüfüngsamt, in überörtlicher Hinsicht das Gemeindeprüfungsamt oder eine spezielle Prüfimgsinstanz 30. Auf diesen Sektor ist Art. 114 Abs. 2 GG gemünzt, und in den Ländern zielt darauf die entsprechende verfassungsmäßige Installierung der Landesrechnungshöfe. Auf Bundesebene wird parallel und vorab auch der Bundesbeauftragte für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung tätig, als welcher der Präsident des Bundesrechnungshofs fungiert und durch Vorschläge, Gutachten oder Stellungnahmen („Beratung") Einfluß zu nehmen versucht31. Wenn schließlich entsprechend antragsberechtigte Organe eine Verletzung der Wirtschaftlichkeitspflicht ausmachen, kann via Normenkontrolle, aber evtl. auch Organstreit sogar das Verfassungsgericht eingreifen. Es erklärt ggf. den betreffenden Rechtsakt für rechtswidrig und nichtig. Auf kommunaler Ebene greifen die Aufsichtsbehörden mit einer Prüfung der Wirtschaftlichkeit zu - repressiv wie (bei Genehmigungen) antizipiert - , und die Verwaltungsgerichte kommen ins Spiel, wenn entsprechende Aufsichtsmaßnahmen von den Kommunen angegriffen werden. 2. Da bei der Frage der Wirtschaftlichkeit immer auch Einschätzungen und Wertungen eine Rolle spielen, ist die überprüfende Instanz allerdings - worauf schon hingewiesen wurde - in ihrer Kontrolldichte u.U. eingeschränkt. Denn keinesfalls dürfen auf dem Wege von Aufsicht und Kontrolle die Primärverantwortlichkeiten verwischt werden. Nur wo die Überprüfung intern bleibt, also von der Behördenspitze durchgeführt wird oder von einem endogenen Beauftragten für die Verwaltungswirtschaftlichkeit, braucht bei der Überprüfung keinerlei maßstäbliche Restriktion beachtet zu werden. Bei externer Kontrolle ist das anders. Hier kann die kontrollierende Instanz auf Einschätzungsprärogativen und / oder Beurteilungsspielräume stoßen, die zu
land, Festschrift für Walter Leisner (1999), S. 467 (472). Zur weiteren Differenzierung der Parlamentskontrolle Edzard Schmidt-Jortzig, Regierungskontrolle durch die Parlamentsmehrheit, Festschrift für Dietrich Rauschning (2001), S. 143 (155). 30 Sei es eine eigene Prüfungsanstalt, ein Prüfungsverband oder doch gleich der Landesrechnungshof. 31 Auf der Basis von Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GG, § 88 Abs. 2 BHO berufen durch Kabinettsbeschluß. Vgl. Jens-Hermann Treuner, Der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, DVB1. 1992, S. 421 ff. Ähnliche Beauftragte oder gezielte Kompetenzbenennung mag es auch in den Ländern geben.
Wirtschaftlichkeit - Verfassungsrechtliche Determinanten
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respektieren sind. Im Allgemeinen dürfte dies zwar bei der Anwendung des Wirtschaftlichkeitskriteriums nicht der Fall sein32, weil das Vorliegen aller Merkmale dieses Maßstabes Rechtsfragen betrifft. Aber wo der beaufsichtigte Akteur besondere demokratische Legitimation aufweist (sei es als Gesetzgeber, sei es als Gemeindevertretung oder pluralistisches Repräsentativorgan), besondere funktionsbestimmte Kernbereiche in Rede stehen (spezifisches Regierungshandeln) oder die Verwaltungsstelle eine unwiederbringliche Augenblickssituation zu beurteilen hat bzw. über spezielle, nicht nachstellbare Fachkompetenz verfügt (Prüfausschüsse, Sachverständigenkommissionen), kann das anders sein33. Hier muß die Wirtschaftlichkeitskontrolle Zurückhaltung üben34. Das bedeutet allerdings nicht - um es nochmals zu betonen - eine Herausnahme bestimmter Hoheitsmaßnahmen aus der Prinzipiengebundenheit, sondern nur eine Reduzierung der Kontrolldichte. 3. Auch die Rechtsfolgen bzw. Sanktionsmöglichkeiten kontrollmäßig festgestellter UnWirtschaftlichkeit sind je nach Kontrollinstanz, Kontrollgegenstand und Kontrolldichte unterschiedlich ausgestaltet. Einrichtungen der exekutivischen Finanzkontrolle - vom gemeindlichen Rechnungsprüfungsamt bis zum staatlichen Rechnungshof - haben grundsätzlich keine Kassationsbefugnis. Sie können nur - aber immerhin - förmliche Bewertungen („Bemerkungen") vorlegen oder Beanstandungen vornehmen, welche dann die kontrollierte Behörde selber oder die einschlägige Aufsichtsinstanz zu entsprechenden Konsequenzen nötigt. Bei der antizipierten Kontrolle und der Beratung sind diese Einflußmöglichkeiten ohnehin noch weiterreichend weil informell. Gerichte und Aufsichtsinstanzen allerdings können unwirtschaftliche Maßnahmen aus eigener Zuständigkeit aufheben. Allerdings sollte davon im Sinne geringstnotwendigen Eingreifens in fremde Kompetenzbereiche nur Gebrauch gemacht werden, wenn andere Möglichkeiten der Regulierung (wie: Aussetzung, Beanstandung, Aufhebungsverlangen oder Anordnung) aus zeitlichen oder sachlichen Gründen nicht mehr ausreichen. Das ist eine Forderung des Ver32
A.A. beispielsweise durchgehend Herbert Fischer-Menshausen (o. Fn. 9), Art. 114 Rn. 11: „politischer Wertungsvorrang der Exekutive", Rn. 17: „eigenständiger Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum" der Exekutive, „Wertungs- und Entscheidungsspielraum" (widersprüchlich dann freilich Rn. 18). 33 Zum Stand der Diskussion um Einschätzungsprärogativen und Beurteilungsspielräume in der Exekutive statt anderer Hartmut Maurer , Allgemeines Verwaltungsrecht (14. Aufl. 2002), § 7 Rn. 31 ff., 55 ff. mit weiteren Nachweisen. 34 Heute wohl überwiegende Auffassung. Statt anderer (freilich mehrheitlich jeweils zu Einzelaspekten): Klaus Vogel /Paul Kirchhof (o. Fn. 10), Art. 114 Rn. 91; Susanne Tiemann , Staatsrechtliche Stellung (o. Fn. 27), S. 136; Klaus Stern , Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II (1980), S. 439; Klaus Grupp , Steuerung des Verwaltungshandelns durch Wirtschaftlichkeitskontrolle?, DÖV 1983, S. 661 (664); Hans Herbert v. Arnim , Wirtschaftlichkeit (o. Fn. 6), S. 104 f.; Gunter Kisker (o. Fn. 9), § 89 Rn. 113; Kyrill-A. Schwarz (o. Fn. 9), Art. 114 Rn. 88.
30
Edzard Schmidt-Jortzig
hältnismäßigkeitsgedankens. Selbst das Bundesverfassungsgericht scheut ja vor einer Nichtigkeitserklärung von Gesetzen oder einer Aufhebung von Regierungsmaßnahmen zurück, wenn eine autoritative verfassungskonforme Auslegung das Dilemma beheben kann, der Verstoß noch vorerst so hinnehmbar erscheint, daß eine Fristsetzung zur Selbstkorrektur hinreichend erscheint, oder lediglich für künftige Fälle ein definitives Machtwort zu sprechen ist35. Immer also verlangt das horizontale wie vertikale Zusammenspiel der einzelnen Organe, Einrichtungen und Behörden, daß man funktionell aufeinander Rücksicht nimmt, ohne die allumfassende Gebundenheit an das Wirtschaftlichkeitsprinzip aus dem Auge zu verlieren.
IV. Exegetische Zusammenfassung Quintessenz also ist, daß das Wirtschaftlichkeitsprinzip im Verfassungsrecht weitergreift als in der Betriebswirtschaft. Begrifflich findet man sich zwar noch weitgehend zusammen. Das ökonomische Verhaltensgebot für die Haushaltsund Wirtschaftsführung ist aber nach dem Grundgesetz nur noch eine lex specialis gegenüber der allgemeinen staatsrechtlichen Sorgsamkeitspflicht. Die Sicherstellung seiner Einhaltung zeigt sich dann in mehrfacher Hinsicht diversifiziert. Ziel ist allenthalben eine möglichst optimale Wirksamkeit. Nach Kontrollinstanz und Kontrollgegenstand, Kontrolldichte und Kontrollfolgen sind die Vorgehensmöglichkeiten aber unterschiedlich ausgestaltet. Im Rahmen der Verfassung unterliegen die einzelnen Sachgebiete eben ihren spezifischen Bedingungen. Und das werden gewiß auch die nachfolgenden Beiträge noch deutlich machen.
35 Jörn Ipsen, Rechtsfolgen der Verfassungswidrigkeit von Norm und Einzelakt (1980), S. 95 ff., S. 211 ff.
Die Modernisierung der sozialen Sicherung im Zeichen von Effektivität und Effizienz Zum Grundsatz der Wirtschaftlichkeit im Sozialrecht
Von Rainer Pitschas, Speyer
I. Wirtschaftlichkeit als Leitbild sozialrechtlicher Modernisierung Die Modernisierung der sozialen Sicherungssysteme in Deutschland und in der Europäischen Union (EU) nimmt ihren Ausgangspunkt in dem prinzipiellen Ruf nach einem Rückschnitt des öffentlichen Sektors bei der Bewältigung von sozialen Risiken.1 Über die Notwendigkeit eines solchen Beitrags zur allgemeinen Staats- und Verwaltungsmodernisierung 2 besteht heute kein Zweifel mehr. Die Überlastung des herkömmlichen Wohlfahrtsstaates ist zu groß geworden. Kennzeichnend hierfür ist nicht nur die unüberschaubare Flut der Gesetzgebung im Sozialsektor. Mehr noch ist in der Vergangenheit der Anteil der staatlichen Gesamtausgaben hierfür am Bruttoinlandsprodukt besorgniserregend gewachsen. So wird der Zeitraum zwischen 1960 und 1990 durch eine beispiellos aktive Ausgabenpolitik der westlichen Industrieländer und auch Deutschlands geprägt.3 Heute stellt sich die Frage, ob das dadurch erreichte Wachstum des Staates tatsächlich nennenswert zu einer Erhöhung der sozialen Wohlfahrt geführt hat. In Deutschland herrscht jedenfalls mehr und mehr das Bewusstsein vor, dass angesichts des zunehmenden weltweiten ökonomischen Wettbewerbs zwischen Staaten wie Unternehmen die öffentliche Produktion sozialer Güter und Dienstleistungen sowie das soziale Sicherungsnetz nicht mehr im bisheri-
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Friedhelm Hase, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die staatliche Gewährleistung sozialer Sicherheit, in: E. Eichenhofer (Red.), Soziale Sicherheit durch öffentliches und Privatrecht, SDSRV Bd. 51 (2004), S. 7 (16 ff., 24 f.); Rainer Pitschas, Der „neue" soziale Rechtsstaat. Vom Wandel der Arbeits- und Sozialverfassung des Grundgesetzes, in: Festschrift für Hans F. Zacher, 1998, S. 755 (763 ff., 765 ff.). 2
Frieder Naschold / Jörg Bogumil, Modernisierung des Staates, 4. Aufl. 2000. Dazu der Überblick bei Vito Tanzi / Ludger Schuknecht, Reform des staatlichen Sektors in den Industrieländern, in: Finanzen & Entwicklung 33 (1996), H. 3, S. 2 ff. 3
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Rainer Pitschas
gen Ausmaß fmanzierbar sind. Der Wohlfahrtsstaat ist unter Modernisierungsdruck geraten. Am Horizont scheint der subsidiäre Sozialstaat auf. 4
1. Rechtsfunktionen und Wirtschaftlichkeitsprinzip
Dessen Ausgestaltung folgt der Einsicht, dass die bislang erdrückende Staatsund Verwaltungsverantwortung im Sozialsektor die Eigenverantwortung des Bürgers und seine individuelle Freiheitsentfaltung über Gebühr eingeengt hat. Auch aus diesem Grund ist der Sozialstaat in Deutschland dem „Imperativ des Wandels" unterworfen. 5 Dementsprechend wird seit einigen Jahren nachdrücklich versucht, an die breite internationale Strömung zu verstärkter sozialer Eigensicherung und, damit verbunden, an die „Ökonomisierung" der staatlichen Sozialleistungen anzuknüpfen.6 In den aktuellen Vorschlägen der sog. RürupKommission zum Gestaltwandel der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung7, aber auch im Umbau der Arbeitsmarktpolitik einschließlich der Reorganisation der Bundesanstalt für Arbeit8 bricht sich diese Entwicklung bahn. Sowohl in der Makro- als auch in der Mikroperspektive wird dadurch jeweils in der sozialen Sicherung dem Wirtschaftlichkeitsziel der Vorrang vor anderen Gestaltungszielen eingeräumt. Der daraus erfließende Veränderungsbedarf der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung, ferner - wie hinzuzufügen bleibt - auch derjenige in der Arbeitsförderung bzw. der Arbeitslosenversicherung im Verein mit der Sozialhilfe 9, stellt allerdings nicht nur ein ökonomisches Problem dar. Die Modernisierung der sozialen Sicherungssysteme hat es vielmehr in sich; sie ist ein 4 Dazu näher aus verfassungsrechtlicher Sicht Rainer Pitschas, Soziale Sicherungssysteme im „europäisierten" Sozialstaat, in: Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. II, 2001, S. 827 (828 f.). 5 Rupert Scholz, Sozialstaat und Globalisierung, in: Festschrift für Helmut Steinberger, 2002, S. 611 (619 ff., 621 ff., 623). 6 Siehe nur Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit, 2 Bde., Gutachten 2000/2001, 2001. 7 Schlussbericht und Reformenempfehlung der „Kommission für die Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme" vom 20.08.2003, abgedr. im Internet unter www.soziale-sicherungssysteme.de/download/PDFs/Bericht.pdf. 8 Zur Reform der Arbeitslosenversicherung siehe den Bericht der Kommission „Soziale Sicherheit" zur Reform der sozialen Sicherungssysteme vom 29.09.2003, auszugsweise abgedr. in info also 2004, S. 42 ff; Drittes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848). 9 Dazu siehe die Vorschläge der so genannten Hartz-Kommission, Abschlussbericht vom 16.08.2002 (vgl. Peter Hartz, Der Bericht der Kommission, Soziale Sicherheit 2002, S. 254 ff., S. 257 f.) sowie das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl. I S. 2954) zur neuen einheitlichen Grundsicherung für Arbeitssuchende („Arbeitslosengeld II").
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hochkomplexes Unterfangen. Denn sie unterliegt gleichzeitig vielfältigen, am Gerechtigkeitspostulat wie an ethischen, sozialpolitischen und -psychologischen, medizinischen und wirtschaftlichen Maßgaben orientierten Herausforderungen, aber auch und nicht zuletzt ernsten (verfassungs-)rechtlichen Fragen.10 Vor allem das Sozialrecht hat für die künftige Gestalt des jeweiligen sozialen Sicherungssystems sowohl einen veränderten rechtlichen Rahmen bereitzustellen („Bereitstellungsfimktion des Rechts"), als auch selbst durch seine zukünftigen Strukturen und Einzelaussagen die angestrebten Modernisierungsgehalte und -prozesse zu steuern („Steuerungsfunktion des Sozialrechts").11 Zu den Maßstäben für die dabei von Verfassungs wegen aufgegebene Steuerungsrationalität zählt wiederum und neben anderen das Wirtschaftlichkeitsprinzip. In der sozialrechtlichen Gesetzgebung wird es durchweg als ein Leitziel der Leistungserbringung verankert, wie etwa der Blick in das Krankenversicherungsrecht lehrt. 12 Was aber bedeutet die Orientierung an der „Wirtschaftlichkeit" für die Rechtsetzung und Rechtsanwendung im Sozialsektor?13
2. Dimensionalität der Wirtschaftlichkeitssteuerung
Der Antwort auf diese Frage gehe ich im folgenden auf der mikropolitischen Ebene nach, also im Kontext des Sozialleistungsrechts und der Leistungserbringung. Aus rechtlicher Perspektive sind es zunächst verfassungsrechtliche Gründe, die hierbei zur Integration haushaltsrechtlicher Erfordernisse und budgetärer Vorgaben in das anzuwendende Sachrecht zwingen. So hat z. B. das BSG zu Recht die Bindungswirkung von Haushaltsplänen für den sachgesetzlichen Aufgabenvollzug unter Rückgriff auf verfassungs- und verwaltungsrechtliche Gesichtspunkte der Steuerung von Wirtschaftlichkeit im Leistungsvollzug des Arbeitsförderungsgesetzes bejaht.14 Doch reicht die allein rechtliche Argumentation nicht aus, auch die ökonomischen und sozialpolitischen Aspekte in die Wirtschaftlichkeitsdiskussion einzubringen. An dieses Erfordernis anknüpfend, will 10 Siehe z. B. Joachim Wieland, Verfassungsrechtliche Grenzen der Beitragserhebung in der gesetzlichen Krankenversicherung, VSSR 2003, S. 259 ff. 11 Zu diesen Funktionen des Rechts vgl. allgemein Gunnar Folke Schuppert, Verwaltungswissenschaft, 2000, S. 146, S. 148 f. 12 §§ 12, 72 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) - Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung i. d. F. des Gesetzes vom 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022); hierzu statt anderer Stimmen Michael Jörg, Der Umfang der vertragsärztlichen Versorgung, in: F. E. Schnapp / P. Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 2002, § 10 Rdnr. 47 ff. 13 Dazu die grundlegende Untersuchung von Ernst-Wilhelm Luthe, Optimierende Sozialgestaltung. Bedarf - Wirtschaftlichkeit - Abwägung, 2001, insbes. S. 319 ff. 14 BSGE 31, 247 (257); BSGE 55, 277 (280); BSG, SGb 1991, S. 487 ff. m. Anm. Rainer Pitschas, SGb. 1991, S. 492 ff.; siehe ferner Ernst-Wilhelm Luthe (o. Fn. 13), S. 346 ff.; Michael Jörg (o. Fn. 12), Rdnr. 58 m. w. Nachw. zur Rspr. des BSG.
3 Butzer
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ich daher mein Thema in einem ersten Schritt als staatswissenschaftliche Ausformung des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes begreifen; er fungiert aus dieser Sicht als Staatsprinzip.15 Darauf gründet die anschließende Transformation als integrierte Steuerungsdirektive für das Handeln öffentlicher Sozialleistungsträger. Deren Instrumente will ich in einem dritten thematischen Zugriff vorstellen und dabei auf das Effektivitäts- und EfFizienzprinzip zu sprechen kommen. Mit ihm verbinden sich entsprechende Organisations- und Verfahrensvorkehrungen zur Steuerung der wirtschaftlichen Leistungserbringung im Sozialsektor. Der abschließende Teil meiner Überlegungen wird dann die gewonnenen Sachaussagen auf Beispiele für unwirtschaftliches Verhalten bei der aktuellen Modernisierung ausgewählter sozialen Sicherungssysteme erstrecken.
II. Wirtschaftlichkeit als Staatsprinzip 1. Wirtschaftlichkeit im Verantwortungszusammenhang von Staat und Gesellschaft
Das Dilemma von Sozialversicherung und Sozialverwaltung im Widerstreit von rechtlicher Anspruchsgewähr und knappen Finanzressourcen bestandssicher für die Zukunft aufzulösen, erfordert zunächst den Rückgriff auf allgemeinere Überlegungen zur Wirtschaftlichkeit als Staatsprinzip. In Literatur und Rechtsprechung wird freilich diese im kooperativen Charakter des Staats geborgene gemeinsame Wirtschaft! ichkeitsVerantwortung mit der Gesellschaft bis hinein in die jüngste Zeit vernachlässigt. Viele sehen in der Wirtschaftlichkeit - ökonomisch betrachtet - lediglich ein staatsrechtlich begründetes Formalprinzip, das zwar auf allen Ebenen der Normenhierarchie gelte, als rechtsgrundsätzliche Aussage aber nur für den Staat Bedeutung entfalte und erst noch der Verknüpfung mit anderen vorgegebenen letzten Zwecken bedürfe. 16 Diese Verknüpfung stellt indessen das Grundgesetz selbst her, wenn und soweit es in Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG die Wirtschaftlichkeit als einen der allgemeinen Prüfungsmaßstäbe für die Haushaltskontrolle durch den Bundesrechnungshof benennt. Nicht zuletzt dadurch hat der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz auch Verfassungsrang erhalten. Er entfaltet damit einerseits eine durchgreifende
15 Vgl. auch Hans. Herbert von Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, 1988, S. 38 f., S.41 ff., S. 67 ff., S. 79. 16 Dirk Ehlers, Verwaltung und Verwaltungsrecht im demokratischen und sozialen Rechtsstaat, in: H.-U. Erichsen / D. Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Aufl. 2002, Rdnr. 33; Albert von Mutius, Die Steuerung des Verwaltungshandelns durch Haushaltsrecht und Haushaltskontrolle, VVDStRL 42 (1984), S. 147 (177).
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rechtliche Bindungswirkung sowohl für den Haushalts- wie für den Sachgesetzgeber.17 Als beitrags- und steuerfinanzierter Treuhänder der aus der Bürgergesellschaft ersprießenden Allgemeinheit, die sich gesellschaftlicher Solidarität verpflichtet sieht, ist der Staat aber überdies und andererseits gehalten, mit deren Finanzmitteln wirtschaftlich umzugehen und haushaltsgefährdende bzw. unwirtschaftliche Maßnahmen ebenso zu unterlassen, wie umgekehrt die individuelle Verantwortlichkeit in der Gesellschaft für sparsame und wirtschaftliche Verhaltensweisen in Bezug auf staatliche Leistungen durch das Grundgesetz berufen wird. 18 Auf dieser Grundlage sowie auch im Wege einfachgesetzlicher Ausgestaltung - etwa auch in § 69 Abs. 2 SGB IV 1 9 - prägt der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz das Leistungsverhalten in der gesamten Sozialversicherung entscheidend mit. Er ist Struktur-, Bindungs- wie Kontrollnorm zugleich, obschon die Steuerungsintensität gemeinhin als gering eingeschätzt wird. 20 Darin liegt jedoch ein großer Irrtum, wie sich in der beginnenden Modernisierung der sozialen Sicherungssysteme zeigt. Denn gerade die „Ökonomisierung" entfaltet sich als deren Leitmotiv.
2. Grenzen behördlichen Ermessens und individueller Ansprüche
Von besonderem Interesse sind dabei die Reichweite des Wirtschaftlichkeitsgebotes sowie die Art und Weise, wie es in der Lage ist, metajuristische Zielvorstellungen und Zwecksetzungen in rechtliche Geltung umzuwandeln.21 Denn als „Staatsprinzip" dringt es in seiner inneren Verschmelzung mit der Ge17
Ernst-Wilhelm Luthe (o. Fn. 13), S. 333 ff. m. zahlr. Nachw. Vgl. einerseits zur "Treuhänderstellung" des Staates BSGE 56, 197 ff.; zur (Mit-) Verantwortung der Bürgergesellschaft aus Gründen der Solidarität siehe andererseits Walter Berka, Bürgerverantwortung im demokratischen Verfassungsstaat, VVDStRL 55 (1996), S. 48 (66). 19 Näher hierzu Barbara Hassenkamp, in: G. Wannagat / E. Eichenhofer (Hrsg.), SGB IV, 2003 (13. Lfg.) § 69 Rdnr. 19 ff.; Detlef Merten, Zum Selbstverwaltungsrecht der Kassenärztlichen Vereinigungen, 1995, S. 22 ff. 20 Barbara Hassenkamp (o. Fn. 19), Rdnr. 26 („formal"). 21 Zu Begriff und Reichweite solcher politisch, ökonomisch, sozial und auch technisch determinierten und entsprechend methodenvielfältigen Wirtschaftlichkeitsverantwortung der Verwaltung, die einseitig betriebswirtschaftlicher Festlegung auf „betriebliche Effizienz" widerstrebt, siehe grdl. Rupert Scholz, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, VVDStRL 34 (1976), S. 145 (152); in diesem Sinne aber auch und aus betriebswirtschaftlicher Perspektive (!) Holger Mühlenkamp, Zum grundlegenden Verständnis einer Ökonomisierung des öffentlichen Sektors - Die Sicht eines Ökonomen - , in: J. Harms / C. Reichard (Hrsg.), Die Ökonomisierung des öffentlichen Sektors: Instrumente und Trends, 2003, S. 47 (48, 56, 65 ff., 71); im übrigen wird zur Vertiefung verwiesen auf Friedrich E. Schnapp, Der Haushaltsgrundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit - im Sozialrecht und in anderen Rechtsgebieten, in: Festschrift für Bernd Baron von Maydell, 2002, S. 621 ff. 18
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meinwohlidee und gesellschaftlichen Teilverantwortung hierfür ohne ausdrückliche rechtliche Transformation gebieterisch in alle Formenkreise staatlicher und gesellschaftlicher Aktivitäten hinein. Es überwölbt dadurch jede Form staatlichen Handelns. Als ein Funktionsprinzip des partnerschaftlichen sozialen Rechtsstaates amalgamiert es aber auch und zugleich die Konkretisierung des Rechts mit der bürgergesellschaftlichen Eigen Verantwortung in deren regulativen ökonomischen Verständnis.22 In der Konsequenz dessen liegt, dass Wirtschaftlichkeit auch die Grenzen des Handlungs-, Verfahrens- und Organisationsermessens der öffentlichen Verwaltung beschreibt. Unser Jubilar Friedrich Schnapp hat mehrfach und eindringlich hierauf hingewiesen.23 Des weiteren leitet sich aus der gewonnenen Erkenntnis ab, dass selbst die sachgesetzliche und zwingende Einräumung von individuellen Leistungsansprüchen gegen den Staat (Pflichtleistungen) unter dem Vorbehalt der Wirtschaftlichkeit steht, womit beispielsweise im Verantwortungszusammenhang mit der Gesellschaft ärztliche Verantwortlichkeit auf Maßhalten im Verordnen von Arzneimitteln drängt und die Solidarverpflichtung der Versicherten diesen eine Verantwortung zur Bescheidenheit auferlegt. 24
I I I . Wirtschaftlichkeit als integrierte Steuerungsdirektive für die öffentliche Verwaltung 1. Wirtschaftlichkeit als Maßstab reflexiver Steuerungsverantwortung der Sozialleistungsträger
Zuzugeben ist, dass diese Sicht der Dinge die traditionelle Einordnung von Wirtschaftlichkeit (und Sparsamkeit) als Grundsätze des Verwaltungshandelns verlässt.25 Doch in jenem Verständnis blieben bislang alle Versuche, den Inhalt des Wirtschaftlichkeitsbegriffs abstrakt zu klären, mehr oder weniger ohne substanzielles Ergebnis. Dies gilt für die verbreitete Deutung des Wirtschaftlichkeitsgebots als „Maximalprinzip" ebenso sehr wie für das in der Staats- und
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Zur Herausbildung eines in diesem Sinne „partnerschaftlichen sozialen Rechtsstaates" siehe Rainer Pitschas , Neues Verwaltungsrecht im partnerschaftlichen Rechtsstaat?, DÖV 2004, S. 231 (237 f.). 23 So z. B. in seinem Artikel „Aufsicht und Finanzprüfling", in: Bertram Schulin (Hrsg.), Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. I, 1994, § 52 Rn. 68. 24 Rainer Pitschas (o. Fn. 4), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. II, S. 827 (831); Paul Kirchhof, Das Recht auf Gesundheit, in: Stimmen der Zeit 222 (2004), S. 3(13 f.). 25 Zu dieser näher noch Barbara Hassenkamp (o. Fn. 19), Rn. 19 ff.; Rainer Pitschas (o. Fn. 14), S. 493; Friedrich E. Schnapp (o. Fn. 23), Rn. 64 ff.
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Verwaltungswissenschaft gepflegte Verständnis des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes als ein „Minimalprinzip". Letzterem geht es übrigens darum, im Sozialleistungshandeln für den angestrebten qualitätsgesicherten Nutzen einen möglichst geringen Aufwand zu betreiben. Aber auch die Stärke der an ökonomischen Kriterien ausgerichteten Ansätze - etwa jener, die Wirtschaftlichkeit als Maximierung der Differenz zwischen dem Nutzen und dem hierfür aufgewendeten Mittel ansehen bzw. einer Maximierung des Quotienten aus Nutzen und Kosten das Wort reden - führen nicht viel weiter.26 Im hiesigen Begriffsverständnis bildet demgegenüber Wirtschaftlichkeit ein komplexes Steuerungskonzept für ziel- und wirkungsorientiertes Sozialleistungshandeln. Es verkörpert in seiner inhaltlichen Ausdeutung die reflexive Steuerungsverantwortung der Sozialleistungsträger und ihres Klienteis für die Durchsetzung eines budgetär begleiteten und durch Bezugnahme auf die Formel der „Wirtschaftlichkeit" gestützten haushaltsrechtlichen Obermaßverbots, wie es z. B. in § 12 SGB V für die Gewährung von Ermessens- und Pflichtleistungen normiert ist. Auf diese Weise will es den „Leistungsexzess" inhibieren. Vor allem die „innere" Strukturgebung durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip27 verlangt dabei, im jeweiligen Haushaltsjahr bei allen Maßnahmen die günstigste Relation zwischen dem gesteckten Ziel und den einzustehenden Ressourcen herauszufinden. In diesem Sinne erstreckt sich die Wirtschaftlichkeitssteuerung in ihrer Reichweite auf den gesamten Bogen der Leistungsaktivitäten von der Maßnahmenplanung über die Leistungsbewilligung und Erfolgskontrolle bis hin zu Folgen Verantwortung.
2. Mehrdimensionalität des Wirtschaftlichkeitsbegriffs
Die gleichwohl allgemein festzustellende Diffusität der inhaltlichen Ausdeutung des Wirtschaftlichkeitsprinzips macht es schwierig, dessen Reichweite im Hinblick auf die fachliche Aufgabenwahrnehmung bei sozialrechtlichen Pflichtund Kannleistungen, aber auch im Hinblick auf die organisations- und verfahrensmäßige Gestaltung der sozialbehördlichen Aufgabenwahrnehmung zu bestimmen. Erfolgreich kann dies nur gelingen, wenn man die Mehrdimensionalität des Wirtschaftlichkeitsbegriffs erkennt und akzeptiert. Er erfasst nämlich so-
26
Ebenso Barbara Hassenkamp (o. Fn. 19), Rn. 23, 26 - es sei denn, man will Nutzungserwägungen integrieren, die „über betriebliche Kosten ... hinausgehen", vgl. Holger Mühlenkamp (o. Fn. 21), S. 55 ff. Siehe ferner Michael Jörg (o. Fn. 12), Rn. 60, der zu Recht die Orientierung an Nächstenliebe und Humanität einbezieht, also Werte (!); ebenso Ernst-Wilhelm Luthe (o. Fn. 13), S. 369. 27 So schon Rainer Pitschas (o. Fn. 14), SGb. 1991, S. 492 (494 [„haushaltsrechtliches Übermaßverbot"]); vgl. nunmehr auch VerfGH NRW, NWVB1. 2003, S. 419 (422 f.).
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wohl einzelwirtschaftliche Kosten als Indikatoren für das Urteil über Wirtschaftlichkeit/Unwirtschaftlichkeit als auch die „sozialen Kosten" der Erbringung von Leistungen, von Kommunikationslasten u. a. m. Wirtschaftlichkeit lässt sich des weiteren nur in Relation zu gegebenen institutionellen Faktoren beurteilen.28 So kann die Organisation von Sozialleistungsträgern wirtschaftlich oder unwirtschaftlich sein.29 Darüber hinaus tritt bei diesen insofern eine Mehr-Ebenen-Verflechtung wirtschaftlichkeitsrelevanter Vorgänge auf, weil die Prozesse des Aufgabenvollzugs auch von ihrer Selbstverwaltung beeinflusst werden. Zu berücksichtigen ist ferner und mit Bezug auf die Gliederung der Sozialversicherung im Föderalismus das „vernetzte Implementationsspiel" auf den jeweiligen Steuerungs- bzw. Leistungsebenen wie z. B. bei der Bundesanstalt für Arbeit zwischen der Hauptstelle, den Landesarbeitsämtern und den Arbeitsämtern. 30 Aus der Verwaltungswissenschaft liehen Perspektive ist schließlich Wirtschaftlichkeit auch verhaltensbezogen zu deuten: Als Handlungsparameter der öffentlichen Verwaltung setzt sie eine entsprechende Motivation des Personals der Sozialleistungsverwaltung voraus.31
3. Wirtschaftlichkeit als Handlungsgrundsatz
Die damit aufgezeigte Reichweite der inhaltlichen Ausdeutung von Wirtschaftlichkeit, die zugleich Spiegelbild deren inhaltlicher Unbestimmtheit ist, wird von zahlreichen Anwendungsproblemen des Wirtschaftlichkeitsbegriffs begleitet. Empirische Untersuchungen hierzu belegen, dass Versuche der Sozialleistungsträger, über organisatorische und prozessuale Schritte die wirtschaftliche Orientierung des Leistungshandelns zu verstärken, viel zu punktuell ansetzen, dabei aber oftmals das integrative Verständnis von Wirtschaftlichkeit ver-
28
Peter Eichhorn, Das Prinzip Wirtschaftlichkeit, 2. Aufl. 2000, S. 145 f. (mit dem Beispiel der Aufbauorganisation bei der Rentenversicherung); Maximilian Wallerath, Zielverfehlungen im Recht der sozialen Sicherung - unterschiedliche Sozialhilfedichte in alten und in neuen Bundesländern, in: M. Rodi (Hrsg.), Recht und Wirkung, 2002, S. 9 (16 f.). 29 Rainer Pitschas, Organisationsrecht als Steuerungsressource in der Sozialverwaltung, in: E. Schmidt-Aßmann / W. Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, 1997, S. 151 (154 ff., 162 f., 171, 181); Detlef Merten / Rainer Pitschas, Sozialverwaltung im Reformprozeß, 1997, S. 78 (108 f.); Christoph Waibel, Rechtliche Vorgaben für eine regionale Neugliederung der Rentenversicherungsträger, VSSR 2003, S. 115 (121 ff., 133 ff.). 30 Rainer Pitschas, Wirtschaftlichkeit in Staat und Verwaltung: Arbeitsverwaltung, in: H. H. von Arnim / K. Lüder (Hrsg.), Wirtschaftlichkeit in Staat und Verwaltung, 1993, S. 167 ff. 31 Vgl. Peter Eichhorn (o. Fn. 28), S. 170.
Zum Grundsatz der Wirtschaftlichkeit im Sozialrecht
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fehlen. Dies gilt beispielsweise und nicht zuletzt für die beschlossene regionale Neugliederung der Rentenversicherungsträger in Deutschland.32 Ungeachtet solcher Anwendungsdefizite und ihrer Folgen in der Praxis muss Wirtschaftlichkeit als ein durchgängiger Handlungsgrundsatz definiert werden, der sowohl institutionell als auch instrumenten, ebenso akteurs- wie prozessbezogen, d. h. ganzheitlich zu verstehen ist. Er steuert das Verwaltungshandeln über die Abfolge von Aktivitäten in der Leistungsplanung und -erbringung, zu denen jeweils auch die „wirtschaftliche" Ausformung zählt. In dieser Sicht steht die Wirtschaftlichkeit der Sozialleistungsverwaltung in einer gewissen Korrelation zu den Grundsätzen der „Rechtmäßigkeit" des Verwaltungshandelns einerseits, der „Verwaltungsverantwortung" in Gestalt der Wirtschaftlichkeitsverantwortung andererseits.33 Die bereits erwähnte „Verhältnismäßigkeit" als ein weiteres leitendes Prinzip des Staatshandelns verbindet beide Grundsätze miteinander; Wirtschaftlichkeit ist also kein „K.O.-Prinzip" rechtlichen Verwaltungshandelns. Umgekehrt ist der soziale Rechtsstaat nicht effizienzblind. 34 Auch wirtschaftliches Verwaltungshandeln bleibt daher immer normgesteuert. Doch ist es nur rechtmäßig, wenn es auch wirtschaftlich ist.
4. Betriebswirtschaftliche Orientierung des Sozialleistungshandelns
In der Konsequenz dieser Auffassung stellt sich Wirtschaftlichkeit in der öffentlichen Verwaltung auch und zugleich Ausdruck einer betriebswirtschaftlichen Orientierung der Leistungserbringung im Sozialsektor dar.35 Aus dieser Perspektive verpflichtet der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit somit die Sozialleistungsträger dazu, sich an der Nutzenmaximierung ihres Handelns bzw. an ökonomisch orientierten Anreizsystemen auszurichten. Betriebswirtschaftliche Konzepte der Resultats Verantwortung und des „Controlling" haben in diesem Verständnis der Steuerung von Wirtschaftlichkeit ihren notwendig unverzichtbaren Platz.36 Nicht zuletzt daraus resultieren die aktuell diskutierten Datenan-
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Christoph Waibel (o. Fn. 29), VSSR 2003, S. 130 ff., S. 138 f. Rainer Wahl, Verwaltungsverfahren zwischen Verwaltungseffizienz und Rechtschutzauftrag, VVDStRL41 (1983), S. 151 (157). 34 Zur Effizienzberücksichtigung in Gesetzgebung und Rechtsanwendung siehe m. w. Nachw. Wolfgang Hoffmann-Riem, Effizienz als Herausforderung an das Verwaltungsrecht, in: W. Hoffmann-Riem / E. Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Effizienz als Herausforderung an das Verwaltungsrecht, 1998, S. 11 (40 ff., 46 f.). 35 Karl-Jürgen Bieback, Effizienzanforderungen an das sozialstaatliche Leistungsrecht, in: W. Hoffmann-Riem / E. Schmidt-Aßmann (o. Fn. 34), S. 127 ff.; ferner ErnstWilhelm Luthe (o. Fn. 13), S. 368, S. 369. 36 Vgl. vorsichtig zustimmend Ernst-Wilhelm Luthe (o. Fn. 13), S. 386 m. Anm. 120. 33
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forderungen der Sozialleistungsträger im Gesundheitswesen.37 Allerdings dürfen dabei die Grenzen eines ausschließlich betriebswirtschaftlichen Verständnisses der öffentlichen Verwaltung in Anerkennung ihres prinzipiellen Unterschieds zu privaten Unternehmen nicht vergessen werden. Die Sozialverwaltung und Sozialversicherung sind eben keine marktwirtschaftlichen und auf Gewinnerzielung ausgelegten Versicherungsunternehmen.
IV. Parameter der Wirtschaftlichkeitssteuerung Die Steuerung der Wirtschaftlichkeit von Sozialleistungen ergibt nach alledem ein hochdifferenziertes Bild. Der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz erweist sich als ein relationaler und reflexiver, an der jeweiligen Vollzugssituation des Sozialleistungsrechts orientierter, rechtsformig eingebetteter Handlungs- und Verhaltensmaßstab filr Sozialverwaltung und Sozialversicherung. Mit dieser Maßgabe offenbart sich das Wirtschaftlichkeitsurteil gegenüber einzelnen Maßnahmen bzw. Leistungsentscheidungen als das Ergebnis der Wahrnehmung einer dimensionalen (Mehr-Ebenen-)Steuerungsverantwortung in dem jeweiligen Aufgabenfeld. Diese Verantwortung ist durch Organisationsarbeit und den in sich aufgefächerten Einsatz spezifischer Instrumente der Wirtschaftlichkeitssteuerung nach Maßgabe der Steuerungsparameter von Effektivität und Effizienz wahrzunehmen.
1. Effektivität und Effizienz
Das Instrumentarium der Wirtschaftlichkeitssteuerung umfasst näherhin Instrumente zur Feststellung der Wirksamkeit (Effektivität) und der Wirtschaftlichkeit (Effizienz) des bereitgestellten Rechts und der Leistungserbringung. Unter „Effektivität" wird der Grad der Zielerreichung verstanden, also das Ausmaß, in dem gesetzgeberische Ziele durch entsprechende Maßnahmen realisiert werden.38 Der Mitteleinsatz bleibt unberücksichtigt. Demgegenüber geht es um „Effizienz", wenn mit einem möglichst geringen Kostenaufwand das bestmögliche Leistungsergebnis erreicht werden soll. Dabei ist zwischen Vollzugseffizienz, Maßnahmeneffizienz und Programmeffizienz zu unterscheiden.39
37 Dazu näher Christian Diercks / Gerhard Nitz / Ulrich Grau, Gesundheitstelematik und Recht, 2003. 38 Zu dieser Unterscheidung siehe Peter Eichhorn (o. Fn. 28), S. 140 f. 39 Holger Mühlenkamp (o. Fn. 21) untergliedert dagegen „Effizienz" des weiteren in Produktionseffizienz, Kosteneffizienz und allokative Effizienz (a. a. O., S. 59 ff).
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Vor diesem Hintergrund lassen sich die Instrumente der Wirtschaftlichkeitssteuerung entsprechend der voraufgegangenen Differenzierung des Wirtschaftlichkeitsbegriffs untergliedern in solche zur Beurteilung der Wirksamkeit und Kostengünstigkeit von Einzelmaßnahmen, in solche zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit des Aufgabenvollzugs und in Instrumente zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit gesetzgeberischer Programme. Im einzelnen wäre hierbei auf Leistungsstandards, Maßnahmen-Ausgaben-Rechnungen, Wirtschaftlichkeitsanalysen oder auch Investitionsrechnungen zu verweisen. Das zentrale Instrument zur Steuerung der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung ist allerdings die Kostenrechnung.40 Bei entsprechendem Aufbau liefert sie alle benötigten Informationen über die den einzelnen Kostenträgern zuzurechnenden Kosten. Die Kostenrechnung hat darüber hinaus grundsätzlich eine verhaltenssteuernde Wirkung in Richtung kostenbewussteren und damit wirtschaftlicheren Verhaltens des Personals.
2. Das Wirtschaftlichkeitsgebot als Rahmen staatlichen Solidarschutzes
Das auf diesen Grundlagen aufsetzende Urteil über die Effektivität und die Effizienz auch von Sozialleistungen prägt im Sozialrecht die Reichweite des solidarischen Ausgleichs. So ordnet einerseits § 2 SGB I als gesetzliche Fassung des Effektivitätsprinzips an, die sozialen Rechte bei der Auslegung der Vorschriften des Sozialgesetzbuchs und bei der Ermessensausübung zu beachten; sie sollen möglichst weitgehend verwirklicht werden. Gleichermaßen ist das Effizienzprinzip dem Sozialrecht seit langem vertraut. Im Sinne eines Optimierungsgebots für das Verhältnis von Ressourceneinsatz und Leistungsnutzen stimuliert es einerseits den Einsatz von Wettbewerb als „Entdeckungsverfahren" für Leistungsreserven bei der sozialstaatlichen Risikovorsorge. Andererseits beschränkt das Effizienzprinzip - wie im Fall des § 12 SGB V - die Reichweite solidarischer Leistungsverfügbarkeit. 41 Es verwundert daher nicht, dass inzwischen die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung im Zuge des staatlichen Modernisierungsprozesses auch im Sozialsektor zu einem zentralen Parameter solidarischer Gesundheitsschutzes herangereift ist. Denn Solidarität einzufordern setzt die Wahrnehmung der Eigenverantwortung für die Wirtschaftlichkeit sozialstaatlicher Leistungserbringung voraus; unwirtschaftlicher Sozialschutz ist unsolidarisch! Für den Umbau des Sozialstaats hat deshalb, wie noch am Beispiel der gegenwärtigen Gesundheits-
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Peter Eichhorn (o. Fn. 28), S. 223 ff., S. 226 f. Günther Schneider, in: B. Schulin (o. Fn. 23), § 22 Rn. 5 spricht davon, die Vorschrift des § 12 SGB V „nivelliert... das gesamte Leistungsgefüge der GKV". 41
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reform zu belegen sein wird, die nachhaltige Bindung aller Sozialleistungen an Effektivität und Effizienz eine herausragende Bedeutung erlangt.42
3. Wirtschaftlichkeit als Organisations- und prozedurales Prinzip
a) Organisatorische Dezentralisierung Häufig vernachlässigt wird dabei allerdings und einerseits die institutionellorganisatorische Dimension der Wirtschaftlichkeitssteuerung. Hierbei geht es vor allem um die notwendige organisatorische Dezentralisierung von Sozialleistungsträgern. Indikatoren fur entsprechende Wirtschaftlichkeitsdefizite sind oftmals unzureichende dezentrale Strukturen der Sozialleistungsverwaltung mit je autonomen Teileinheiten und fehlende Regionalisierung bei stattdessen fortbestehender zentraler Steuerung des Aufgabenvollzugs. 43 Die gegenwärtige Reorganisation der Bundesanstalt für Arbeit mit der Ausgliederung sog. Personalagenturen als Serviceeinheiten ist deshalb eine unbedingte Notwendigkeit zeitgemäßer Wirtschaftlichkeitssteuerung des Aufgabenvollzugs. 44 Organisatorische Dezentralisierung, mit der sich unser Jubilar intensiv und nicht nur unter Bezug auf die gesetzliche Krankenversicherung auseinandergesetzt hat45, meint nämlich die Verselbständigung organisatorischer Teilbereiche im Sozialleistungshandeln. Der „Zentrale" verbleiben hauptsächlich strategische Aufgaben und die Koordinierung der „Teilbereiche" im Hinblick auf die Organisationsziele. Gesteuert werden die organisatorischen Teilbereiche wie z. B. die Landesdirektionen bzw. -verbände gesetzlicher Krankenversicherungsträger in erster Linie mittels Zielvereinbarungen zwischen Zentrale und Teilbereichen und durch die Überwachung ihrer Einhaltung. Die operative Verantwortung für die Zielerreichung liegt bei den organisatorischen Teilbereichen.
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Am Beispiel der GKV siehe etwa Michael Jörg (o. Fn. 12), Rn. 8, 15, 34, 47 ff.; in Rn. 48 wird - konsequent und wie hier der Doppelnatur des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes als Staatsprinzip Rechnung tragend - „Wirtschaftlichkeit" als „anspruchsbegründend und zugleich anspruchsbegrenzend" angesehen. 43 Detlef Merten/Rainer Pitschas (o. Fn. 29), S. 108, S. 109 f., S. 118. 44 Auch hier tragen „Regionaldirektionen" die Verantwortung für den Erfolg der (regionalen) Arbeitsmarktpolitik (§ 367 Abs. 3 SGB III); zu alledem vgl. den Bericht von Bernd Heller / Rainer Stosberg, Das Dritte und das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, DAngVers 2004, S. 100 ff. 45 In bezug auf die Organisation der gesetzlichen Krankenversicherung siehe nur Friedrich E. Schnapp, in: B. Schulin (o. Fn. 23), § 49 Rn. 45, 46, 75; allgemeiner ders Dogmatische Überlegungen zu einer Theorie des Organisationsrechts, AöR 105 (1980), S. 243 ff.
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b) Controlling In diesem Sinne verstandene organisatorische Dezentralisierung bedarf der Einführung eines Controllings.46 Diesem Controlling fällt die Aufgabe zu, Planungs- und Kontrollinformationen über die Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit einzelner Leistungsmaßnahmen bzw. von Leistungsbündeln bei gegebenen Zielen und Rahmenbedingungen für das autonome Handeln aufzubereiten bzw. der „Zentrale" entsprechende Führungsinformationen an die Hand zu geben. In aggregierter Form vermag damit das Controlling der Führungsunterstützung zu dienen („strategisches Controlling"). Dem operativen Controlling obliegt dagegen die Vollzugsunterstützung in den jeweiligen dezentralen Handlungsfeldern.47
c) Verfahrensbindung In Verbindung damit scheint es vor allem geboten, Wirtschaftlichkeit als Verfahrensform, d. h. als ein Gebot und zugleich Produkt rationaler Entscheidungsverfahren zu begreifen. Erforderlich ist, Methoden und Verfahren in den Vordergrund zu rücken, mit deren Hilfe die Wirtschaftlichkeit des Leistungshandelns gesichert werden kann. Zu diesem prozeduralen Verständnis wirtschaftlichen Entscheidens48 gehört es, gegebene Entscheidungsalternativen auszuwählen, die Zielkriterien einer Maßnahme zu bestimmen, diese zu gewichten und den Teilnutzen herauszuarbeiten, dabei den letzteren wiederum zu gewichten und sodann den Gesamtnutzwert zu ermitteln. Das Wirtschaftlichkeitsprinzip enthält auf der Grundlage dieser Verfahrensschritte ein Gebot rationaler Entscheidungsfindung, das durch jeden Sozialleistungsträger mittels einer entsprechend formalisierten Verfahrensordnung abgesichert werden muss. In diesem Sinne lässt sich dann als Inhalt des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit auch die prozedural verankerte Verpflichtung eines Sozialleistungsträgers erkennen, bei der Durchführung seiner Aufgaben geeignete Methoden und Verfahren zur Beurteilung und zum Vergleich der Wirtschaftlichkeit („benchmarking") vorzusehen. Dieser Verfahrensbindung des Wirt-
46 Zum Verständnis des „Controllings" siehe näher Klaus Lüder, Verwaltungscontrolling, DÖV 1993, S. 265 ff.; zur Verbindung von organisatorischer Dezentralisierung und Budgetsteuerung durch Controlling auch Gunnar Folke Schuppert (o. Fn. 11), S. 711 f. 47 Wulf Damkowski / Claus Precht, Public Management. Neuere Steuerungskonzepte für den öffentlichen Sektor, 1995, S. 143 ff., S. 153 f., S. 161. 48 Ernst-Wilhelm Luthe (o. Fn. 13), S. 362 f.; Rainer Pitschas (o. Fn. 14), SGb. 1991, S. 492 (493 f., 494 f.).
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schaftlichkeitsurteils gibt z. B. § 69 SGB IV Raum. Sie engt das Verfahrensermessen der Verwaltung (§ 9 SGB X) ein.
V. Das GKV-Modernisierungsgesetz als Beispiel unwirtschaftlicher Modernisierung der sozialen Sicherungssysteme Spätestens an dieser Stelle dürfte sich die Frage nach dem Praxisbezug der bisherigen Erörterungen über die Steuerung der Wirtschaftlichkeit von Sozialleistungen aufdrängen. Ihr will ich deshalb im folgenden nachgehen. Denn es geht mir bei meinen Überlegungen nicht um ein theoretisches Glasperlenspiel. Vielmehr leisten die staats- und sozialrechtlichen, verwaltungswissenschaftlichen sowie organisationstheoretischen Analysen zur Wirtschaftlichkeitssteuerung einen zentralen Beitrag zur Bewertung der gegenwärtigen Modernisierung unserer sozialen Sicherungssysteme, wie ich zum Abschluss meiner Ausfuhrungen am Beispiel des GKV-Modernisierungsgesetzes darlegen möchte, das zum 1. Januar 2004 in Kraft getreten ist.49
1. „Wirtschaftlichkeit" der Gesundheitsversorgung
Auch dieses Reformgesetz zählt die „Wirtschaftlichkeit" der Gesundheitsleistungen zu den maßgeblichen Parametern des geltenden Krankenversicherungsrechts. Die mit seiner Hilfe versuchte Modernisierung des Gesundheitssystems bezieht sich deshalb auch und notwendig auf die künftige wirtschaftliche Steuerung der Leistungen zur Gesundheitsvorsorge und -Versorgung durch die gesetzlichen Krankenkassen. Deren Aufgabenbestand und derzeitige Organisationsstruktur werden im Sinne einer umfassenden Wirtschaftlichkeitsorientierung verändert. Das Resultat ist freilich ernüchternd: Das GKV-Modernisierungsgesetz selbst hält einer Wirtschaftlichkeitsprüfiing nicht Stand. Es verwirklicht mit den in ihm enthaltenen Programm- und Organisationsaussagen zur künftigen Aufgabengesamtheit der Krankenkassen die Prinzipien von Wirtschaftlichkeit und Wettbewerb nicht hinreichend.
2. Solidarischer Wettbewerb, eigenwirtschaftliche Gesundheitseinrichtungen und Praxisgebühren
Ausdrückliche Ziele des Gesetzes sind der Ausbau einer solidarischen Wettbewerbsordnung sowie die ökonomische Effizienz und Effektivität der Gesund49
Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14.11.2003 (BGBl. I S. 2190).
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heitsversorgung bei bestmöglicher medizinischer Qualität und ordnungspolitischer Ausgewogenheit. Der Wettbewerb soll noch verborgene Wirtschaftlichkeitsreserven erschließen und die Qualität der Versorgung verbessern.50 Allerdings bleibt der Zielerreichungsgrad (= Effektivität) der im Modernisierungsgesetz enthaltenen Regelungen auf der Programmebene gering. Die Veränderungen in den Versorgungsstrukturen, die der Einführung eines Hausarztsystems und der teilweisen Verlagerung des Sicherstellungsauftrags von den Kassenärztlichen Vereinigungen weg und hin auf die Krankenkassen dienen, führen sukzessive zu einem Anbietermonopol der Kasse. Deren Aufgabe soll es künftig sein, Versorgungslücken zu schließen. Darunter leider aber die Freiheit der Patienten zur Arztwahl ebenso wie die Eigenverantwortung der Versicherten.51 Stattdessen öffnet das Gesetz den Weg in einen nach ausländischen Erfahrungen ineffektiven nationalen Gesundheitsdienst unter weitgehendem Rückschnitt freiberuflich verantworteter Versorgung noch weiter. Der Gesetzgeber schafft die neuartige Form öffentlich-rechtlicher Gesundheitszentren und - gleichsam als Einfallstor zur einer staatlich angeleiteten Medizin - ein „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit". 52 An dieser Einschätzung ändert es nichts, dass die vorgenannte Einrichtung als fachlich unabhängige Institution unter dem Dach der Gemeinsamen Selbstverwaltung entstehen soll. Darüber hinaus tragen die den Krankenkassen eingeräumte Möglichkeit, eigenwirtschaftliche Gesundheitseinrichtungen zu gründen, sowie die Ermächtigung zum Abschluss privater Zusatzversicherungsverträge 53 dazu bei, den Spielraum der privaten Krankenversicherung einzuengen, ohne die gesetzliche Krankenversicherung dem privaten Wettbewerbsrecht entsprechend zu unterwerfen. Unter wirtschaftlichkeitssteuernden Gesichtspunkten ist schließlich die den Vertragsärzten, ausgewählten Krankenhäusern sowie weiteren Leistungserbringern auferlegte Pflicht bedenklich, eine Praxisgebühr zu erheben.54 Diese ist dort einzubehalten, wo sie anfällt (§ 43 b Abs. 2), also in der Regel in der Praxis. Die Zahlung muss quittiert werden; vergütet wird diese Dienstleistung nicht (§ 61). Die Regelung scheint wenig durchdacht. Sie bedeutet für die Ärzte eine 50
Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG), BT-Drs. 15 / 1525, Begründung, S. 71 ff. 51 Die „freie Arztwahl" (§ 76 SGB V) zieht m. a. W. der Bonus- und Modellpolitik in der GKV enge Schranken; näher dazu Rainer Pitschas, Neue Versorgungs- und Vergütungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung im Wirkfeld der Gesundheitsverfassung, VSSR 1998, S. 253 (258). 52 §§95 Abs. 1, 139a SGB V. 53 §§ 140, 194 Abs. laSGB V. 54 Stephan Rixen, Der Leistungserbringer als Inkassobüro. - Die „Praxisgebühr" (§ 436 Abs. 2 SGB V i. d. F. des GKV-Modernisierungsgesetzes - GMG) und ihre Konkretisierung in den BundesmanteltarifVerträgen - , SGb. 2004, S. 2 ff.
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zusätzliche bürokratische Belastung, die in der Einzelpraxis erhebliche Infrastrukturprobleme aufwirft und zudem geeignet ist, das Verhältnis zwischen Patienten und behandelndem Arzt zu belasten. Es scheint, als ob der gesetzgeberische Versuch zur Umsteuerung der Gesundheitsversorgung insoweit unter Effektivitätsdefiziten leidet.
3. Organisation der Krankenkassen
Besondere Beachtung verdient unter Wirtschaftlichkeitsaspekten die unterbliebene durchgreifende Reform des Organisationsrechts der Krankenkassen. Zwar finden sich schon im Krankenversicherungs-Weiterentwicklungsgesetz von 197655 und dann vor allem in den Jahren 1992 und 2001 einschlägige organisationsrechtliche Modernisierungsschritte. Doch sehen sich diese nicht wirklich fortgesetzt. 56 Der Gesetzgeber unterbindet nicht die Zersplitterung der Kassenlandschaft. Stattdessen beträgt die Zahl der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland Anfang des Jahres 2004 noch immer 290 juristische Personen.57 Hierin liegt ein beträchtliches Effektivitätsdefizit der Krankenkassenmodernisierung. Der Kassenwettbewerb sieht sich dadurch notwendig bürokratischen Verwerfungen ausgesetzt. Aus der Vielzahl der gesetzlichen Krankenkassen speisen sich überdies und insgesamt, d. h. über alle Kassenarten hinweg, zu hohe, weil existenzbedingte Verwaltungskosten. So liegt der Kostendurchschnitt bei 157 Euro jährlich in 2003.58 Zu prüfen bleibt darüber hinaus die Effizienz jeder einzelnen Kassentätigkeit, also die Frage, ob nicht die Aufgaben der einzelnen Krankenkasse mit einem verringerten finanziellen Aufwand hätten erbracht werden können. Auch die vom Gesetzgeber ermöglichten Anhörungs- und Informationsrechte der Verbände59, befriedigen nicht. Solche Regelungen zögern faktisch den unverzichtbaren Übergang von einem gegliedert-zersplitterten System der gesetz55
Gesetz zur Weiterentwicklung des Kassenarztrechts vom 28.12.1976 (BGBl. I S. 3871). 56 Vgl. die eher bescheidenen Ansätze in §§ 147, 148 Abs. 1, 149, 155 Abs. 4 und Abs. 5, 157, 158 Abs. 1, 159 Abs. 3, 164 Abs. 1, 171, 172, 173 Abs. 1, 175 Abs. 4, 194 Abs. la, 197a SGBV. 57 Darunter sind 255 Betriebskrankenkassen; zu den Angaben im einzelnen vgl. den Bericht in FAZ v. 22.01.2004, S. 11. Fortschritte sind freilich zu verzeichnen, wie das Tableau von Schnapp zur Organisation der GKV (o. Fn. 45), Rdnr. 251 für das Jahr 1991 zeigt. 58 FAZ v. 22.01.04, S. 11; um mehr als 50 Prozent sind die Verwaltungskosten seit 1989 allein im Westen gestiegen, berichtet Timo Bloß , DÄB1. 100 (2003), H. 31 - 32, B 1707 f.; dementsprechend bindet das GMG die Verwaltungskosten je Mitglied bis zum Jahr 2007 an die Grundlohnentwicklung. 59 § 172 SGBV.
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liehen Krankenversicherung zu einer konzernhaften Mehr-Ebenen-Struktur einiger weniger gesetzlicher Krankenkassen nur noch weiter hinaus, anstatt zu einer wirklichen Synthese von Einheit und Vielfalt in der kassenbezogenen Organisation der Krankenversicherung vorzustoßen.60 Versäumt sieht sich auf diese Weise und erneut die dringend fiir den europäischen Sozialraum erforderliche, gestufte Neuordnung der gegliederten Krankenversicherung zur Vorbereitung auf den (solidarischen) Wettbewerb mit der privaten Krankenversicherung. Dieser ist nämlich gemeinschaftsrechtlich unvermeidlich.61 Den Schaden dieser gewollten Zögerlichkeit tragen die Versicherten. Von einer Stärkung der Organisationseffektivität kann daher ebenso wenig die Rede sein wie von einem Effizienzbeitrag der Krankenkassenreform für die Neufassung des Risikostrukturausgleichs.
4. Funktionsschwächung der sozialen Selbstverwaltung
a) Systemsteuerung durch funktionale Selbstverwaltung Einen wesentlichen Beitrag zur wirtschaftlichen Steuerung der medizinischen Versorgung und ihrer Leistungen übernimmt seit je her die funktionale Selbstverwaltung in der GKV. Allerdings hat sie seit Jahrzehnten einen erheblichen Verlust an Entscheidungskompetenzen zu beklagen. Dadurch ist die eigenverantwortliche Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben, die mit der Übertragung inhaltlicher Gestaltungsmöglichkeiten einhergehen könnte, vom Gesetzgeber immer stärker eingeschränkt worden.62 Heute sind Entscheidungen in der Krankenversicherung zu mehr als 95 Prozent gesetzlich vorherbestimmte „Punktlandungen", gleichsam das Ergebnis eines „Subsumtionsautomatismus" (Friedrich E. Schnapp). Das neue Recht setzt diesen allgemeinen Trend fort, wenn und soweit es vor allem die Rolle der Aufsicht stärkt.63 Die Begründung zum Allgemeinen Teil des Gesetzes verzerrt diese Einsicht, indem sie davon spricht, dass
60 Siehe dazu auch Rainer Pitschas, Gesundheitsstrukturreform - Einheitsversicherung oder Trägervielfalt?, in: Bitburger Gespräche. Jahrbuch 1996, S. 15 (26 ff., 29 ff.). 61 Anders dagegen Thorsten Kingreen, Das Sozialstaatsprinzip im europäischen Verfassungsverbund, 2003, S. 484 ff. 62 Von „Verantwortungsschrumpfung" spricht Detlef Merten, Möglichkeiten und Grenzen der Selbstverwaltung - am Beispiel des Krankenversicherungsrechts, in: D. Merten (Hrsg.), Die Selbstverwaltung im Krankenversicherungsrecht, Berlin 1995, S. 11 (20 ff.). 63 Vgl. etwa §§ 78 Abs. 3, 89, 91 Abs. 10, 94 Abs. 1, 137c Abs. 2 Satz 1 SGB V; siehe ferner Hermann Butzer, Bürgerschaftliches Engagement in der sozialen Selbstverwaltung, in: E. Eichenhofer (Red.), Mitmenschliches und bürgerschaftliches Engagement im Sozialrecht, SDSRV Bd. 50, 2003, S. 51 (84 f.).
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die Konfliktlösungsmechanismen in der Selbstverwaltung verbessert würden.64 Ich kann dies nicht erkennen.
b) Effizienzdruck
auf die Organisationsstruktur
Unabhängig davon ist die funktionale Selbstverwaltung seit längerem einem zunehmenden Effizienzdruck ausgesetzt. So ist bei den Krankenkassen schon im Jahr 1992 zu Lasten der Selbstverwaltungsfunktionen eine duale Organisationsstruktur geschaffen worden, die als ihren einen Bestandteil die managementorientierte Verwaltung kennt. Insoweit handelt ein hauptamtlicher Vorstand. Daneben besteht der Verwaltungsrat der Kasse als Selbstverwaltungsorgan. Diese „Professionalisierung" der Leitungsstrukturen erstreckt das Modernisierungsgesetz nunmehr auch auf die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen und die jeweilige Bundesvereinigung.65 Darüber hinaus wird zur Beschleunigung von Entscheidungen das Schiedsamtverfahren als Bestandteil der „Gemeinsamen Selbstverwaltung" von Kassen und Vertragsärzten verkürzt. Diese Änderung stellt allerdings eine Verschlimmbesserung der Schiedslösungen nach § 89 SGB V dar. Insbesondere erhält die Aufsichtsbehörde nunmehr die Möglichkeit, Vertragsinhalte selbst festzusetzen und damit in eine staatliche Ersatzvornahme einzutreten.66 Dieser Schritt beschädigt die Schiedsidee und setzt den Abbau von Selbstverwaltungsrechten fort. Das Gesetz zeigt sehr deutlich, dass der „Gemeinsamen Selbstverwaltung" im Gesundheitswesen die mit dem Organisationstypus von „Selbstverwaltung" traditionell verbundene Legitimationsgrundlage fehlt. Stattdessen nimmt der Gesetzgeber das Leistungs- und Legitimationspotential von Selbstverwaltungshandeln zu Unrecht in Anspruch. Insofern bleiben die gesetzlichen Regelungen zur Selbstverwaltung auf der Programm-, Organisations- und Verfahrensebene ineffektiv. Schließlich wird die „Hybridform" der Gemeinsamen Selbstverwaltung auch in Zukunft nicht den am stärksten Betroffenen, nämlich den Patienten mit eigenständiger Entscheidungsmacht in die Prozesse des Interessenclearings, einbeziehen. Stattdessen verstärkt der Gesetzgeber durch Konzentration die Verschachtelung gegenseitiger Interessendurchsetzung der beteiligten Gruppen bei der Gestaltung des Gesundheitswesens. Die Gemeinwohlsicherungsfunktion von sozialer Selbstverwaltung wird nämlich im neuen Gremium des Gemeinsamen Bundesausschusses, in dem die Interessen der beteiligten Gruppen ausgemen-
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Begründung (o. Fn. 50), S. 73. § 79 Abs. 1 und Abs. 4 SGB V. § 89 Abs. 1 SGB V.
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delt werden, nicht hinreichend erkennbar.67 Auch daran hat der Jubilar schon vor einiger Zeit berechtigte Kritik geübt.68 Denn für Versicherte und Patienten entsteht in praxi eine Art der Fremdverwaltung, bestenfalls eine Treuhänderschaft durch Politikvertreter.
VI. Zusammenfassung Ich fasse zusammen. Im Prozess der gegenwärtigen Modernisierung der sozialen Sicherungssysteme in Deutschland und innerhalb der EU erweist sich Wirtschaftlichkeit als die zentrale Leitmaßgabe der einzelnen Sektorprojekte. Diese Maßstabsfunktion kommt nicht von ungefähr. Wirtschaftlichkeit als Staatsprinzip reicht in alle Formenkreise staatlicher Verantwortung hinein. Sie ist jeder Form staatlichen Handelns vorgelagert. Darüber hinaus bindet der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz auch die gesellschaftlichen Akteure (Patienten, Versicherte, Bürger) qua Verantwortungsteilhabe in seine Wirkung ein. Er bildet damit ein Funktionsprinzip des modernen Staates. Reift auf diese Weise Wirtschaftlichkeit zum Maßstab reflexiver Steuerungsverantwortung der Sozialverwaltung und Sozialversicherung heran, so geht es darum, ihren grundsätzlichen Aussagegehalt sowie ihre Instrumente zu konkretisieren. Hierbei lässt sich als Ergebnis festhalten, das aus staats- und verwaltungswissenschaftlicher Perspektive Wirtschaftlichkeit als ein haushaltsrechtliches Übermaßverbot fungiert, das zu einer qualitativen Wirtschaftlichkeitssteuerung des Sozialleistungshandelns anhält. Dieses steht jederzeit unter dem „Vorbehalt des finanziellen Möglichen". Es muss sich daneben den Begründungserfordernissen des Effektivitäts- und Effizienzprinzips unterwerfen. Weitergehend fordert das Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechende organisationsund verfahrensrechtliche Vorkehrungen zur Steuerung der wirtschaftlichen Aufgabenerfüllung: Wirtschaftlichkeit ist eine Verfahrensform. Im einzelnen lassen sich somit aus einer staats- und sozialrechtlichen sowie verwaltungswissenschaftlichen und organisationstheoretischen Perspektive zahlreiche Ansatzpunkte für die qualitative, strukturelle und prozedurale Steuerung der Wirtschaftlichkeit sozialrechtlicher Normsetzung und des Sozialleistungshandelns einschließlich deren Kontrolle finden.
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Vgl. das (intransparente) Zusammenwirken zwischen § 91 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 und § 140 f. Abs. 2 Satz 4 SGB V: Das Recht, Anträge zu steilen, bleibt für die Patientenvertreter ein „Geschäftsordnungsrecht", ist also keine Selbstverwaltungsteilhabe i. S. eines Rechtsanspruchs gem. § 91 SGB V. Wie aber wird dann diese Interessenvertretung das Gemeinwohl „auf gleicher Augenhöhe" mitbilden können? 68 Friedrich E. Schnapp, Friedenswahlen in der Sozialversicherung - vordemokratisches Relikt oder scheindemokratisches Etikett?, in: Festschrift für Knut Ipsen, 2000, S. 807 ff. 4 Butzer
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Für die Beurteilung und Bewertung aktueller gesetzgeberischer Modernisierungsschritte im Sozialsektor ist der Rückgriff auf eine solche Wirtschaftlichkeitskontrolle unverzichtbar. Deshalb bezieht sich auch die „Modernisierung des Gesundheitssystems" auf die Notwendigkeit der wirtschaftlichen Steuerung von Gesundheitsversorgung durch die gesetzlichen Krankenkassen. Stellt man freilich die gesetzliche Neuregelung des Aufgabenvollzugs und der Organisationsstruktur auf den Prüfstand einer Effektivitäts- und Effizienzkontrolle, so zeigt sich alsbald, dass die gegenwärtige Gesetzgebung die Prinzipien von Wirtschaftlichkeit und Wettbewerb nicht hinreichend verwirklicht. Die Krankenkassenreform nach dem GKV-Modernisierungsgesetz trägt nicht zur Stärkung der „Wirtschaftlichkeit" unserer Gesundheitsversorgung bei.
Einführung in den Zweiten Teil des Wissenschaftlichen Symposiums Von Markus Kaltenborn , Bochum Wie heute bereits mehrfach angeklungen ist, steht die öffentliche Verwaltung gegenwärtig unter einem ungeheuren Ökonomisierungsdruck. Wirft man einen Blick in neuere Veröffentlichungen zur Verwaltungsreform, dann vermittelt allein schon die dort vorherrschende Terminologie einen Eindruck davon, welch immense Bedeutung der Aspekt der Wirtschaftlichkeit in den Verwaltungswissenschaften, aber auch in der täglichen Verwaltungspraxis mittlerweile erlangt hat: „Input- und outputorientierte Budgetierung", „Benchmarking", „Verwaltungscontrolling", „Profit"- und „Cost Centers", „Lean Government" - die Häufigkeit, in der einem diese und andere Schlagworte aus der Diskussion um das Neue Steuerungsmodell begegnen, lässt zuweilen den Eindruck entstehen, dass die ökonomische Perspektive inzwischen alle anderen Maßstäbe des Verwaltungshandelns weit in den Hintergrund gedrängt hat. In auffälligem Kontrast hierzu stehen dann wiederum Meldungen, in denen man mit immer wieder neuen Beispielen für ausgesprochen unwirtschaftliches Verhalten der Behörden konfrontiert wird. Jedes Jahr im Herbst veröffentlicht der Bund der Steuerzahler ein „Schwarzbuch", in dem mehr oder weniger skandalöse Fälle von Steuergeldverschwendung dokumentiert werden. Neben den üblichen Klagen über maßlose Baukostenüberschreitungen oder unnötige Politikerreisen sind dort auch eine ganze Reihe kostenintensiver Schildbürgerstreiche aufgelistet, die sich sicherlich leicht hätten vermeiden lassen, wenn in den betreffenden Amtsstuben nur ein wenig mehr über den Sinn und Zweck der Maßnahmen und ihre Folgen nachgedacht worden wäre. Weitaus diffiziler gestaltet sich jedoch das Aufspüren von Wirtschaftlichkeitsreserven, wenn man nicht nur die besonders spektakulären Einzelfälle in den Blick nimmt, sondern sich den alltäglichen Verfahrensabläufen in der Verwaltung und der Behördenorganisation zuwendet. Inwieweit hier das Allgemeine Verwaltungsrecht Anreize zu wirtschaftlichem Verhalten setzt, aber auch welche Probleme möglicherweise mit einer zu einseitigen Orientierung des Gesetzesvollzugs an ökonomischen Vorgaben verbunden sein können, wird nun das Thema des Vortrages von Herrn Burgi sein. Sein besonderes Interesse an Fragen des Organisation- und Verfahrensrechts hat er bereits vielfach unter Beweis gestellt. Hervorheben will ich an dieser Stelle nur die Habilitationsschrift von Herrn Burgi zur „Funktionalen Privatisierung und Verwaltungshil4*
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fe", seinen Vortrag auf der Staatsrechtslehrertagung im vergangenen Jahr zum Thema „Selbstverwaltung angesichts von Europäisierung und Ökonomisierung", und nicht zuletzt den von ihm verfassten Abschnitt zum „Verwaltungsorganisationsrecht" in dem von Hans-Uwe Erichsen und Dirk Ehlers herausgegebenen Lehrbuch zum Allgemeinen Verwaltungsrecht. Organisations- und Verfahrensfragen sollen auch im Mittelpunkt der Arbeit der neuen Forschungsstelle zur Verwaltungsrechtsmodernisierung stehen, die zu Beginn des nächsten Jahres an seinem Lehrstuhl hier in Bochum eingerichtet werden wird. Der zweite Vortrag führt uns auf ein Feld, dem sich Herr Schnapp besonders intensiv gewidmet hat, und das gerade in der jüngeren Vergangenheit in das Zentrum der Ökonomisierungsdebatte gerückt ist - das Recht der Krankenversicherung. Auch hier zeigt sich deutlich das Spannungsfeld, in dem sich die Diskussion um die Wirtschaftlichkeitsanforderungen an das Verwaltungshandeln bewegt. Auf der einen Seite steht die sicherlich berechtigte generelle Forderung nach einer stärkeren Ausschöpfung der Wirtschaftlichkeitsreserven im Gesundheitssystem, auf der anderen Seite hat man den Eindruck, dass manche konkreten Einsparvorschläge dann doch recht weit über das Ziel hinaus schießen - erinnert sei hier nur an die Debatte um die Erstattungsfähigkeit künstlicher Hüftgelenke. Über den Stand der Diskussion in der Europäischen Union zum Thema „Wirtschaftlichkeit in der Krankenversicherung" wird uns Herr Van Langendonck berichten. Er lehrt an der Juristischen Fakultät der Universität Leuven und ist dort Direktor des Instituts für Sozialrecht. Als Experte auf den Gebieten der Sozialrechtsvergleichung und des Europäischen Sozialrechts hat Herr Van Langendonck zudem an zahlreichen ausländischen Fakultäten Gastprofessuren übernommen, darunter mehrere Male auch an der Ruhr-Universität. Mit Herrn Schnapp verbindet ihn ein seit vielen Jahren bestehender enger wissenschaftlicher und auch persönlicher Kontakt. Ebenfalls einem europäischen Thema gewidmet ist der dritte Vortrag, den wir von Herrn Wasilewski aus Krakau hören werden. Er wird der Frage nachgehen, welche „Wirtschaftlichkeitsanforderungen an Staat und Verwaltung im Rahmen der Osterweiterung der Europäischen Union" gestellt werden. Herr Wasilewski ist Inhaber des Lehrstuhls für Umweltrecht an der Universität Krakau und seit 1997 zugleich Richter des Obersten Gerichts der Republik Polen. Seine wissenschaftlichen Interessenschwerpunkte liegen im polnischen und europäischen Verfassungs- und Verwaltungsrecht, dort insbesondere im Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrecht sowie im Verwaltungsverfahrensrecht. Ebenso wie Herr van Langendonck ist Herr Wasilewski mit unserem Jubilar seit langem befreundet. Zahlreiche Forschungsaufenthalte haben ihn schon nach Bochum geführt, und wir freuen uns ganz besonders, dass er auch heute unserer Einladung gefolgt ist und uns über einige Auswirkungen der Ökonomisierungsdiskussion auf den europäischen Erweiterungsprozess berichten wird. Nun darf ich aber zunächst einmal Herrn Burgi bitten, das Wort zu ergreifen.
Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit im Verwaltungsrecht Von Martin Burgi, Bochum Besonders spannend wird es bekanntlich immer dann, wenn zwei Welten aufeinandertreffen, die dem äußeren Anschein nach nichts miteinander zu tun haben, wie etwa die Rechtswissenschaft und die Wirklichkeit (so jedenfalls ein vielfach geäußerter hochschulpolitischer Vorwurf), oder wie die Verwaltung1 und die ökonomische Effizienz 2 (so eine der wenigen noch verbliebenen gemeinsamen Grundüberzeugungen aller Deutschen, die in Begriffen wie „Bürokratieabbau" nicht nur an den Stammtischen Ausdruck findet). Noch spannender wird es, wenn Verbindungslinien zwischen den beiden Welten gesucht werden oder gar die Frage aufgeworfen ist, ob Elemente des Denkens und Handelns aus der einen Welt in der anderen Welt wirken bzw., juristisch gesprochen, ob sie dort gar rechtliche Bindungen erzeugen können.
I. Wirtschaftlichkeit und Wirtschaftlichkeitsgrundsatz im Verwaltungsrecht In dieser Spannungslage ist unser Thema angesiedelt, das ich im Folgenden in zwei große Blöcke unterteilen möchte. Der erste, eher analytische Block (nachfolgend II.) gilt dem Verwaltungsrecht als Wirtschaftlichkeitsreserve und der zweite, eher am Normativen orientierte Block (nachfolgend III.) zielt sodann auf den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit als etwaiger Rechtspflicht der Verwaltung. Zwischen Wirtschaftlichkeit und Wirtschaftlichkeitsgrundsatz zu unterscheiden, entspricht dem Zugriff der modernen Verwaltungsrechtsdogma-
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Im nachfolgenden beschränkt auf die Kernverwaltung bei Bund, Ländern, Kommunen und anderen Selbstverwaltungsträgern, d.h. ohne die dort jeweils anzusiedelnden öffentlichen Unternehmen. Mit der Bedeutung des Wirtschaftlichkeitsdenkens in diesem Bereich befassen sich verschiedene Beiträge in dem Sammelwerk von Jens Harms / Christoph Reichard (Hrsg.), Die Ökonomisierung des öffentlichen Sektors, 2003, S. 175 ff. 2 Statt vieler Niklas Luhmann, Kann die Verwaltung wirtschaftlich handeln?, VerwArch 51 (1960), S. 97 ff
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tik 3 mit ihrem Anliegen, steuerungs- und interpretationswissenschaftliche Erkenntnisse zu verbinden. Dass sich das Werk des Rechtswissenschaftlers Friedrich E. Schnapp von Anbeginn der sozialökonomischen Wirklichkeit geöffnet und auf sie erheblichen Einfluss genommen hat, braucht in diesem Kreise nicht hervorgehoben zu werden. Vorab einige Bemerkungen zu den Begriffen: „Wirtschaftlichkeit" bezeichnet ein möglichst günstiges Verhältnis von Nutzen und Kosten, d. h. von Zweck und Mittel4. Als ökonomisches Prinzip zielt Wirtschaftlichkeit entweder auf die Erreichung eines feststehenden Zwecks mit möglichst wenig Kostenaufwand (= Effizienz) oder umgekehrt auf die bestmögliche Zweckerreichung mit gleichbleibendem Kostenaufwand (= Effektivität). Im Kontext des Verwaltungsrechts interessieren beide Teilgehalte, wobei als Zweck jeweils die Erfüllung einer bestimmten öffentlichen Aufgabe 5 anzusehen ist. Entweder die Verwaltung ändert also Organisation bzw. Verhalten, um den Kostenaufwand zu verringern, oder sie ändert Organisation bzw. Verhalten, um bei gleichem Kostenaufwand bessere Ergebnisse zu erzielen. In beiden Situationen werden bestimmte Mittel der Zweckverwirklichung (Haushaltsvollzug, Organisation, Maßstäbe etc.) als variabel, und das heißt als reformierbar angesehen. Es kommt demzufolge zu einem Vergleich mit alternativen Szenarien, wodurch die tradierten Verwaltungsmittel in finanzieller Hin-
3 Um deren Entfaltung geht es im folgenden, nicht etwa um einen Beitrag zur sog. ökonomischen Theorie des Rechts (vgl. nur Christoph Engel / Martin Morlok [Hrsg.], Öffentliches Recht als ein Gegenstand ökonomischer Forschung, 1998; Michael Adams [Hrsg.], Ökonomische Theorie des Rechts, 2002; zuletzt zur Frage der Anwendung ökonomischer Analysen auf das Verfassungsrecht Bernd Grzeszick , Lässt sich eine Verfassung kalkulieren?, JZ 2003, S. 647). 4 Zuletzt und mit zahlreichen Nachweisen auch aus der älteren Literatur Christoph Gröpl, Haushaltsrecht und Reform, 2001, S. 344. 5 Hierunter fallen alle im öffentlichen Interesse liegenden Aufgaben, gleichgültig ob sie von Privaten oder vom Staat (dann spricht man von Staatsaufgaben) wahrgenommen werden. Die Bestimmung des die jeweilige Aufgabe tragenden öffentlichen Zwecks, auf den hin dann die Wirtschaftlichkeitsprüfung auszurichten ist, bereitet angesichts der Offenheit vieler Aufgaben und Aufgabenfestlegungen oft schon erhebliche Schwierigkeiten. Diese wurzeln aber nicht so sehr im hier zu behandelnden Gebiet des Allgemeinen Verwaltungsrechts, sondern sind im jeweiligen Fachrecht (den Materien des Besonderen Verwaltungsrechts) begründet; vgl. hierzu Albert v. Mutius, Die Steuerung des Verwaltungshandelns durch Haushaltsrecht und Haushaltskontrolle, VVDStRL 42 (1984), S. 147 (189 f.); Hans Herbert v. Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, 1988, S. 28. Zum Teil gibt es auf dieser Ebene der Zwecke / Aufgaben bereits Wirtschaftlichkeitsgebote (wie etwa in § 27 Abs. 2 BSHG [Hilfeleistungen in anderen besonderen Lebenslagen nur, „wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen"]); zum Teil prüft bereits heute der Rechnungshof die Prioritätenfestlegung (vgl. Helmuth Schulze-Fielitz, Kontrolle der Verwaltung durch Rechnungshöfe, VVDStRL 55 [1996], S. 231 [243 ff.]; Jürgen Schmidt, Wirtschaftlichkeit in der öffentlichen Verwaltung, 6. Aufl. 2002, S. 91 ff.).
Wirtschaftlichkeit
Veraungsrecht
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sieht6 rechtfertigungspflichtig werden, und zwar beschränkt auf die Ausgabenseite, weil der Blick auf die Einnahmenseite7 aus dem Verwaltungsrecht hinaus und in das Abgabenrecht hinein fuhren würde. Innerhalb des breiteren Phänomens der Ökonomisierung des Verwaltungsrechts, dem sämtliche Einwirkungen des ökonomischen Denkens und Handelns zuzurechnen sind8, betrifft das Wirtschaftlichkeitsdenken denjenigen Ausschnitt, in dem es unmittelbar um die Kosten der Verwaltung geht.
II. Wirtschaftlichkeit auf dem Weg vom Haushaltsrecht in das allgemeine Verwaltungsrecht Klassischerweise geht es um Wirtschaftlichkeit bei der Aufstellung und Durchführung der Haushaltspläne9. Nicht sämtliche Aktivitäten oder gar Strukturen der Verwaltung, sondern nur die unmittelbar haushaltswirksamen Maßnahmen sind hier erfasst, wie etwa der Umgang mit Vermögen und Fremdmitteln, die Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen durch öffentliche Aufträge10 oder die Zahl und die Vergütung der Mitarbeiter 11.
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Es geht im vorliegenden Zusammenhang also nicht um die organisatorische Effizienz (allg. zu ihr Wolfgang Hoffmann-Riem, Effizienz als Herausforderung an das Verwaltungsrecht - einleitende Problemskizze, in: W. Hoffmann-Riem / E. Schmidt-Aßmann [Hrsg.], Effizienz als Herausforderung an das Verwaltungsrecht, 1998, S. 11 [28 f.]), wie etwa bei der Frage, ob bei einem Einsatz des Organisationstyps „Selbstverwaltung" deren Vorzüge realisiert oder verspielt werden (erörtert bei Martin Burgi, Selbstverwaltung angesichts von Europäisierung und Ökonomisierung, VVDStRL 62 [2003], S. 405 [429 ff.]). 7 Diesbezügliche Überlegungen stellt Anne Peters, Die Ausfüllung von Spielräumen der Verwaltung durch Wirtschaftlichkeitserwägungen, DÖV 2001, S. 749 (751) an, etwa im Hinblick auf die Frage, ob die Aufstellung von Geschwindigkeitsmessgeräten an Wirtschaftlichkeitsüberlegungen orientiert werden darf. 8 Vgl. ausführlich und mit zahlreichen Nachweisen Martin Burgi (o. Fn. 6), VVDStRL 62 (2003), S. 416 f. Außer Betracht bleiben insbesondere Verteilungssituationen (Lizenzversteigerung, Emissionszertifikatehandel), in denen ebenfalls auf Kostengünstigkeit gezielt wird, jedoch nicht auf Seiten der Verwaltung, sondern auf Seiten der betroffenen Wirtschaftskreise. 9 Haushaltsrecht bezeichnet die Summe derjenigen Normen, die bestimmen, auf welche Weise die einem Verwaltungsträger zur Verfügung stehenden Ressourcen für die zu erfüllenden Aufgaben eingesetzt werden. Eine umfassende Darstellung des bislang, d.h. vor den sogleich (II. 1.) zu erwähnenden Reformen geltenden Haushaltsrechts findet sich bei Hermann Pünder, Haushaltsrecht im Umbruch, 2003, S. 57 ff, S. 165 ff, S. 271 ff 10 Das neue, in den §§ 97 ff GWB niederlegte Vergaberecht (Kartellvergaberecht) bewirkt zwar eine Zuspitzung weg von der Verfolgung politischer Ziele hin zu einer Stärkung des Wettbewerbsgedankens einschließlich der Begründung subjektiver Rechte der unterlegenen Bieter. Unverändert wird aber auch die klassische haushaltsrechtliche Zielsetzung eines schonenden Einsatzes von Haushaltsgeldern verfolgt (vgl. Meinrad
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Martin Burgi 1. Der haushaltsrechtliche Grundsatz der Wirtschaftlichkeit
Bezogen auf diesen Kern 12 ist die Herstellung von Wirtschaftlichkeit nicht nur mehr oder weniger erfolgreiche Verwaltungspraxis, sondern ein rechtliches Gebot. Schon im Grundgesetz13, vor allem aber in den Haushaltsgesetzen von Bund (§ 69 Abs. SGB IV), Ländern (z.B. § 7 Abs. 1 LHO NRW) und in den Gemeindeordnungen (z.B. § 75 Abs. 2 GO NRW), ist der „Haushaltsgrundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit" normiert. Mit seinen Wirkungen, den Sanktions-14 und Kontrollmechanismen beschäftigen sich Wissenschaft und Praxis seit jeher, mit einem Schwerpunkt auf der Rechnungshofkontrolle und bei den Möglichkeiten und Grenzen der Staatsaufsicht. In den letzten Jahren sind hier im Interesse der Wirtschaftlichkeit zahlreiche Reformen durchgeführt worden15; Stichworte wie Budgetierung oder Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) als Teile eines „New Public Management" sind in aller Munde. Bei un-
Dreher, in: Ulrich Immenga / Ernst-Joachim Mestmäcker [Hrsg.], GWB, Vor §§ 97 ff. Rn. 36 ff.); es ist daher nicht überzeugend, wenn Jens-Peter Schneider, Zur Ökonomisierung von Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtswissenschaft. Begriffsbildung und einfuhrende Analyse ausgewählter Beispielsfälle, DV 34 (2001), S. 317 (323 f.), gerade das Vergaberecht als Erscheinungsform eines Bedeutungsgewinns des Maßstabs der Kosteneffizienz präsentiert. 11 Oder auch um die Vergütung von ehrenamtlich tätigen Ärzten in der Krankenversicherung wie im Falle des BSG, Urteil v. 28.6.2000, B 6 KA 64/98 R (MedR 2001, S. 95 mit Anmerkung von Friedrich E. Schnapp, MedR 2001, S. 269). Allgemein zur Ökonomisierung des Personaleinsatzes vgl. Ulrich Battis, Hergebrachte Grundsätze versus Ökonomismus: Das deutsche Beamtenrecht in der Modernisierungsfalle?, DÖV 2001, S. 309 ff. 12
Formulierung nach Christoph Gröpl, Haushaltsrecht (o. Fn. 4), S. 348. Daraus, dass die „Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung" in Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG als Prüfungsmaßstab für den Bundesrechnungshof genannt wird, schließt die h.M. zu Recht, dass es sich hierbei auch um einen Handlungsmaßstab für die Verwaltung handele; ergänzend können weitere, unspezifischere Normen des Grundgesetzes als Rechtsgrundlage wirken (vgl. im einzelnen Hans Herbert v. Arnim, Wirtschaftlichkeit [o. Fn. 5], S. 19 ff., S. 67 ff., sowie Edzard Schmidt-Jortzig, Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit - Verfassungsrechtliche Determinanten, in diesem Band, S. 17 [21]). 13
14 Dies kann in auf den ersten Blick weiter entfernt liegende Rechtsgebiete hineinfuhren, etwa in das Abgabenrecht, wo die Kosten und Kostenelemente auch anhand des Wirtschaftlichkeitsprinzips zu ermitteln und zu bewerten sind, mit der Konsequenz, dass ein Verstoß hiergegen abgaben- bzw. privatrechtlich festgesetzte Entgelte rechtswidrig werden lässt (vgl. hierzu Franz Cromme, Das Wirtschaftlichkeitsprinzip bei öffentlichen Gebühren und bei der staatlichen Genehmigung privater Entgelte, DVB1. 2001, S. 757 ff.). 15 Ausfuhrlich hierzu Christoph Gröpl, Haushaltsrecht (o. Fn. 4), S. 183 ff.; Hermann Pünder, Haushaltsrecht (o. Fn. 9), S. 405 ff. Zur Notwendigkeit der Formulierung und Ableitbarkeit der politischen Zielvorgaben als Grundlage einer wirkungsorientierten Steuerung vgl. Susanne Ast, Verwaltungsreform ohne Ziel?, VerwArch 94 (2003), S. 574 ff.
Wirtschaftlichkeit im Verwaltungsrecht
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serem Thema, der Wirtschaftlichkeit im allgemeinen Verwaltungs- und Kommunalrecht16, geht es aber um etwas anderes.
2. Wirtschaftlichkeit im Verwaltungsrecht - Verwaltungsrecht als Wirtschaftlichkeitsreserve
Unkoordiniert und vielfach 17 unbemerkt werden immer mehr Maßnahmen, die nicht unmittelbar haushaltswirksam sind, in die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung einbezogen. Sowohl die Trägerschaft an einer bestimmten öffentlichen Aufgabe als auch die Organisation, das Verfahren und die Handlungsformen bei ihrer Erledigung können als Wirtschaftlichkeitsreserven begriffen werden. Selbst in den Kreis der Maßstäbe für Ermessensentscheidungen ist der Faktor Wirtschaftlichkeit eingerückt. Ging es im haushaltsrechtlichen Kontext darum, ob die Dimensionierung einer EDV-Anlage oder die Vergütung fur ehrenamtlich mitwirkende Sachverständige wirtschaftlich gewesen sind, so stehen nunmehr die gesamte Aufbauorganisation, Dauer und Aufwand des Verwaltungsverfahrens oder die Nutzen-Kosten-Relation der getroffenen Entscheidung auf dem Prüfstand. Die Gelegenheiten, wirtschaftlicher oder unwirtschaftlicher zu handeln, sind über das Haushaltswesen hinaus auf die wichtigsten Strukturelemente des allgemeinen Verwaltungsrechts (vgl. sogleich 3.) erstreckt worden18. Gänzlich neu ist die Deutung von Verwaltung und Verwaltungsrecht als Wirtschaftlichkeitsreserven freilich nicht. Sie ist sogar älter als das Gebot der Gesetzmäßigkeit und gründet im Kameralismus, der bekanntlich auf hohe Staatseinkünfte und deren möglichst effektive Verwendung gezielt hat19. Noch für den Freiherrn Karl vom und zum Stein war es ganz selbstverständlich, die Nutzen-/Kosten-Relation in den preußischen Provinzen nicht allein durch haushaltsbezogene Maßnamen, sondern durch eine neue „Einrichtung" der Verwaltung selbst zu verbessern. So schrieb er in einem Bericht an das preußische Ge16 Dies schließt einen Blick auf die Sozial-, Wissenschafts- oder Umweltverwaltungen nicht aus. Definitiv nicht einbezogen werden kann aber das dort jeweils beachtliche materielle (das Besondere) Verwaltungsrecht. 17 Vgl. aber bereits die umfassenden und weit ausholenden wissenschaftlichen Analysen bei der Staatsrechtslehrertagung 1983 von Albert v. Mutius (o. Fn. 5), S. 147 ff., und Gunnar Folke Schuppert, Die Steuerung des Verwaltungshandelns durch Haushaltsrecht und Haushaltskontrolle, VVDStRL 42 (1984), S. 216 ff. 18 Vgl. Eberhard Schmidt-Aßmann, Effizienz als Herausforderung an das Verwaltungsrecht - Perspektiven der verwaltungsrechtlichen Systembildung, in: W. HoffmannRiem / E. Schmidt-Aßmann, Effizienz (o. Fn. 6), S. 245 (248 u.ö.), will diesen Wandel durch die Verwendung des Begriffs „Effizienz" anstelle von „Wirtschaftlichkeit" zum Ausdruck bringen. 19 Knapp skizziert bei Günther Gaentzsch, Gesetzmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Verwaltung: Beißt oder verträgt sich das?, DÖV 1998, S. 952 (953).
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neral-Direktorium (nicht etwa an die General-Rechen-Kammer) über Zustand und Verwaltung des Herzogtums Geldern im November 1793: „Ich glaube, die Ursachen seines zerrütteten Wohlstandes hauptsächlich in der unvollkommenen Geschäftsverteilung zu finden (und) in dem daher entstehenden Mangel von Aufsicht auf den Eingesessenen"20. Während Nationalökonomie und Verwaltungslehre diesen Blick auf alle Rahmenbedingungen des Verwaltungshandelns beibehalten und gepflegt haben, hat sich die aufstrebende VerwaltungsrecAtelehre ganz auf die Rechtsgebundenheit der Verwaltung konzentriert, und so sind im jahrzehntelangen Siegeszug des Rechtsstaates nebst Ausbau des Sozialstaates Wirtschaftlichkeitsüberlegungen in das Randgebiet des Haushaltsrechts abgedrängt worden. Erst heute, in einem bedrohlich veränderten Umfeld, das Herr Pitschas in seinem vorhergehenden Beitrag geschildert hat, treten sie wieder ans Licht, erhalten neuen Glanz - und werden ein Thema für das Verwaltungsrecht. Die nachfolgende Analyse will einen Eindruck von der Breite und Tiefe dieser Entwicklung vermitteln, wobei sowohl abstrakt-generelle Maßnahmen der Verwaltungspolitik, die vielfach durch Gesetz vollzogen wurden, als auch einzelne Verwaltungsmaßnahmen in der konkreten Entscheidungssituation beleuchtet werden sollen. Wenngleich eine verbesserte Wirtschaftlichkeit nicht immer die einzige Triebfeder ist, sondern ordnungspolitische Aspekte oder Ziele wie Bürgernähe oder Bürokratieabbau hinzutreten können, bildet sie doch den kleinsten gemeinsamen Nenner zahlreicher Veränderungen der letzten Jahre, mit denen auch die nur mittelbar haushaltswirksamen Kosten der Verwaltung auf den Prüfstand gestellt worden sind.
3. Die einzelnen Strukturelemente als Wirtschaftlichkeitsreserven
a) Aufgabenträgerschaft Eindeutig auch mit dem Ziel der Kostenreduzierung wird verstärkt bereits die Übernahme einer bestimmten öffentlichen Aufgabe durch die Verwaltung mit der Alternative ihrer Übernahme durch private Träger konfrontiert. Verspricht die private Aufgabenträgerschaft unter staatlicher bzw. kommunaler Gewährleistungsverantwortung - trotz erheblicher und nicht zu vernachlässigender
20
Bericht Steins an das General-Direktorium über Zustand und Verwaltung des Herzogtums Geldern vom 22.11.1693, Nr. 315, in: Briefe und Amtliche Schriften des Freiherrn vom Stein, bearbeitet von Erich Botzenhart (neu herausgegeben von Waither Hubatsch), Band I, 1974, S. 362 (364).
Wirtschaftlichkeit im Verwaltungsrecht
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Transaktionskosten21 - die kostengünstigere oder die erfolgreichere Erledigung, dann wird entweder ihre Privatisierung oder die Ausschreibung einer sogenannten Dienstleistungskonzession geprüft und immer häufiger auch vollzogen. Durch § 7 Abs. 1 Satz 2 BHO wird die Bundesverwaltung hierzu in jedem einzelnen Fall sogar verpflichtet, wodurch ganz nebenbei das haushaltsrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot des Satzes 1 dieser Vorschrift auf das allgemeine Verwaltungsrecht ausgedehnt worden ist. Anders als in Anwendung des Subsidiaritätsdenkens wird die Vorzugswürdigkeit der Entstaatlichung nicht in einer besonderen Entfaltungswürdigkeit der privaten Kräfte, sondern in ihrer vermeintlichen Kostengünstigkeit gesehen. Besonders stark wird der Rechtfertigungsdruck auf die Kosten einer staatlichen oder kommunalen Aufgabenerledigung, wenn die betreffende Aufgabe infolge einer der Marktöffnungen in der Daseinsvorsorge parallel auch von privatwirtschaftlichen Unternehmen angeboten wird.
b) Verwaltungsorganisation Das Recht der Verwaltungsorganisation wird zur Wirtschaftlichkeitsreserve, wenn die staatliche Aufgabenträgerschaft feststeht, aber verschiedene Organisationstypen und -formen einem Kostenvergleich unterzogen werden. Dies kann wiederum abstrakt-generell oder im Hinblick auf die Ausübung des Organisationsermessens in einer bestimmten Situation geschehen. Die wichtigsten Alternativen lauten: Unmittelbare oder mittelbare Staatsverwaltung (letztere mit oder ohne Selbstverwaltung), privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Form, Eigenverwaltung oder Einschaltung von Verwaltungshelfern bzw. Beliehenen, Erhaltung oder Zusammenlegung von Behördenstandorten. Das Spektrum, innerhalb dessen das Wirtschaftlichkeitsdenken insoweit wirkmächtig ist, reicht von der sog. Funktionalreform im Bereich eines ganzen Bundeslandes bis zur universitätsinternen Diskussion um die Zusammenlegung von Fakultäten oder auch nur ihrer Bibliotheken. Je weiter freilich die organisationsbezogene Wirtschaftlichkeitsuntersuchung ausgreifen soll, desto schwerer wird das Wirtschaftlichkeitsurteil zu treffen sein. Im Binnenbereich der Kommunen22, der Krankenkassen und der Universitäten hat mit dem „Neuen Steuerungsmodell" eine ganze Strategie Einzug gehalten, die den Anspruch erhebt, die Verwaltung zugleich effizienter und effektiver
21 Diese entstehen vor allem im Zusammenhang mit der Vergabe der entsprechenden Dienstleistungen an private Träger und mit deren Überwachung in Ausfluss.der sog. Privatisierungsfolgen- bzw. Gewährleistungsverantwortung. 22 Vgl. zu den diesbezüglichen Problemen Hubert Meyer , Mit Recht steuern: Das „Was" und „Wie" in) kommunalen Kompetenzgefüge und im Haushaltsrecht, DÖV 2000, S. 449.
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werden zu lassen. Offeriert werden23 die dezentrale Zusammenführung von Fach- und Ressourcenverantwortung 24 und die stärkere Entflechtung von Politik und Verwaltung25. Damit einher geht eine Reduzierung der Kompetenzen der Kollegialorgane zugunsten des Verwaltungsmanagements in teilweise expliziter Orientierung am Modell der Aktiengesellschaft 26. Während sich somit die Gemeinderäte, die Vertreterversammlungen oder die Hochschulsenate auf die politischen Grundsatzentscheidungen beschränken sollen, werden die Strukturen innerhalb des Verwaltungsmanagements unternehmensähnlicher und auf das Ziel einer verbesserten Nutzen-Kosten-Relation hin ausgerichtet. In letzter Konsequenz könnte es zu Ausschreibungswettbewerben kommen, in denen die am kostengünstigsten arbeitende Behörde ermittelt und sodann mit der Aufgabenerledigung betraut würde27. In der Summe all dessen gilt wiederum: Die einzelnen Verwaltungsträger verfügen über zahlreiche zusätzliche Optionen und damit über zusätzliche potenzielle Wirtschaftlichkeitsreserven. Und: Gäbe es einen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit mit entsprechender Reichweite, dann enthielte das Recht nicht nur Grenzen28, sondern auch einen kräftigen Impuls zugunsten des Neuen Steuerungsmodells - vorausgesetzt, die behaupteten Wirtschaftlichkeitsreserven werden tatsächlich realisiert.
23 Im Folgenden ausgewählt werden die beiden organisationsrelevantesten Elemente. Weitere wichtige Elemente des neuen Steuerungsmodells sind: Output- statt Inputorientierung, Budgetierung, Kontraktmanagement (vgl. nur Hermann Hill, Neue Organisationsformen in der Staats- und Kommunalverwaltung, in: E. Schmidt-Aßmann / W. Hoffmann-Riem [Hrsg.], Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, 1997, S. 65 ff.; Veit Mehde, Neues Steuerungsmodell und Demokratieprinzip, 2000, mit weiteren Nachweisen). 24 Hier überschneiden sich Haushalts- und Verwaltungsrecht; vgl. näher Hermann Pünder, Haushaltsrecht (o. Fn. 9), S. 376 f., S. 417 f., S. 428 f., S. 522 f. 25 Näher hierzu mit weiteren Nachweisen Martin Burgi (o. Fn. 6), VVDStRL 62 (2003), S. 447 f. 26 Kritisch auch Christoph Reichard, „New Public Management" als Auslöser zunehmender Ökonomisierung der Verwaltung, in: J. Harms / Ch. Reichard, Ökonomisierung (o. Fn. 1), S. 119 (128 ff.). 27 Diese Option ist skizziert bei Christoph Reichard, ebd. (Fn. 26 und o. Fn. 1), S. 133 f. 28 Zu den vielfach behandelten rechtlichen Grenzen einer Einfuhrung des neuen Steuerungsmodells vgl. Albert v. Mutius, Neues Steuerungsmodell in der Kommunalverwaltung, Festschrift für Klaus Stern, 1997, S. 685 ff.; Janbernd Oebbecke, Verwaltungssteuerung im Spannungsfeld von Rat und Verwaltung - Kommunalverfassungsrechtliche Grenzen der Einfuhrung neuer Steuerungsmodelle, DÖV 1998, S. 853 ff.; Hermann Pünder, Zur Verbindlichkeit der Kontrakte zwischen Politik und Verwaltung im Rahmen des neuen Steuerungsmodells, DÖV 1998, S. 63 ff.; Veit Mehde, Neues Steuerungsmodell (o. Fn. 23), S. 86 ff. (jeweils mit Fokus auf den kommunalen Bereich); weitere Nachweise im Hinblick auf andere Selbstverwaltungsträger bei Martin Burgi (o. Fn. 6), VVDStRL 62 (2003), S. 448 f.
Wirtschaftlichkeit im Verwaltungsrecht
c) Verwaltungsverfahren
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und Handlungsformen
In diesen beiden Bereichen sind in den vergangenen Jahren durch die sog. Beschleunigungsgesetzgebung29 Wirtschaftlichkeitsreserven erschlossen worden; das Potenzial für Verwaltungspolitik in diesem Bereich dürfte damit erst einmal erschöpft sein, zumal die europäischen Signale eher auf eine Stärkung der prozeduralen Elemente30 hindeuten. Vielfach noch unerschlossene Wirtschaftlichkeitsreserven werden aber im Hinblick auf die Ausübung des Verfahrensermessens im konkreten Einzelfall gesehen. Immerhin verpflichtet § 10 Satz 2 des VwVfG dazu, jedes Verfahren „einfach, zweckmäßig und zügig durchzuführen". Bei der Wahl der Handlungsform dürfte künftig sowohl die Entscheidung zwischen Verwaltungsakt31 und Verwaltungsvertrag 32 wie auch die Wahl zwischen der öffentlich-rechtlichen und der privatrechtlichen Handlungsform stärker an Wirtschaftlichkeitsüberlegungen ausgerichtet werden als dies bislang geschieht.
d) Maßstäbe der Verwaltungsentscheidung Die gleichsam höchste Stufe hätte das Wirtschaftlichkeitsdenken im Verwaltungsrecht erreicht, wenn es sich auch auf die jeweils zu treffende Verwaltungsentscheidung auswirkte. Eine solche Beförderung zum Maßstab des Verwaltungshandelns würde bedeuten, dass in jeder Entscheidungssituation, in der ein Entscheidungsspielraum besteht, Wirtschaftlichkeitsüberlegungen zum Tragen kämen. Konkret wäre dies vor allem dort der Fall, wo die gesetzliche Determinierung aufhört und das Ermessen der Verwaltung beginnt33. Neben anderen Zweckmäßigkeitsüberlegungen würde dann nach der Nutzen-Kosten-Relation gefragt; gäbe es einen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit, dann wanderte diese Prüfung sogar von der Ebene der Zweckmäßigkeit auf die Ebene der Rechtmä29 Vgl. u.a. Ulrich Becker, Verfahrensbeschleunigung durch Genehmigungskonzentration, VerwArch 87 (1996), S. 581 ff.; Michael Sachs, in: P. Stelkens / H. J. Bonk / M. Sachs (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz. Kommentar, 6. Aufl. 2001, § 45 Rn. 10 ff., §46 Rn. 5 ff. 30 Ebenso Eberhard Schmidt-Aßmann, Effizienz als Herausforderung (o. Fn. 18), in: W. Hoffmann-Riem / E. Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Effizienz (o. Fn. 6), S. 245 (263). 31 Vorteil: Titelfunktion, Nachteil: Konfliktpotential. 32 Vorteil: Streitbeilegung, Nachteil: u.U. größerer Aufwand in der Verhandlungsund Durchsetzungsphase. 33 Hiermit haben sich ausführlicher befasst Christoph Gröpl, Ökonomisierung von Verwaltung und Verwaltungsrecht, VerwArch 93 (2002), S. 459 (478); Albert v. Mutius (o. Fn. 5), VVDStRL 42 (1983), S. 147 (175 f.); Hans-Jürgen Papier, Der Wandel der Lehre von Ermessens- und Beurteilungsspielräumen als Reaktion auf die staatliche Finanzkrise, in: W. Hoffmann-Riem / E. Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Effizienz (o. Fn. 6), S. 231 (233 f.); Anne Peters (o. Fn. 7), DÖV 2001, S. 749 (752 f.).
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ßigkeit der jeweiligen Ermessensausübung34. Mit einem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit als Maßstab für das Verwaltungshandeln im Ermessensbereich wäre das Wirtschaftlichkeitsdenken endgültig aus dem Dunkel des staatlichen Innenbereichs in das gleißende Licht des Außenrechts35 getreten. Was dies bedeuten würde, sei an einigen Beispielen36 aus dem besonders spektakulären Bereich der EingrifFsverwaltung veranschaulicht37: (1) Im Polizeirecht besteht häufig die Notwendigkeit, eine Auswahl unter mehreren Störern zu treffen. Kann die Behörde sich für denjenigen Störer entscheiden, der infolge der größten finanziellen Potenz am ehesten die Gewähr bietet, dass die Behörde nicht selbst, und das heißt unter Verursachung von Kosten, einspringen muss?38 (2) Bei der Planung von Autobahnen sind zahlreiche Belange zu berücksichtigen, wobei häufig private Grundstücke in Anspruch genommen werden müssen. Kann eine bestimmte Trasse, die Natur und Grundstückseigentum weniger belastet, trotzdem ausgeschieden werden, weil sie erheblich höhere Bau- und Planungskosten verursachen würde?39 34 So Walter Krebs, Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit als Kontrollmaßstäbe des Rechnungshofs, in: H. H. v. Arnim (Hrsg.), Finanzkontrolle im Wandel, 1989, S. 65 (73). 35 Der Rechtscharakter des Innenrechts ist heute unstreitig, es unterscheidet sich vom Außenrecht aber durch seinen Gegenstand und dadurch, dass viele seiner Regeln nicht in Gesetzen oder Verordnungen, sondern in Verwaltungsvorschriften niedergelegt sind (vgl. nur Martin Burgi, Verwaltungsorganisationsrecht, in: H.-U. Erichsen / D. Ehlers [Hrsg.], Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Aufl. 2002, § 51 Rn. 2 m.w.N.). 36 Weitere Beispiele finden sich bei Rudolf Salmen, Das Wirtschaftlichkeitsprinzip in der kommunalen Finanz- und Haushaltsplanung, 1980, S. 92 f.; Wolfgang HoffmannRiem, in: W. Hoffmann-Riem / E. Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Effizienz (o. Fn. 6), S. 11 (47); Anne Peters (o. Fn. 7), DÖV 2001, S. 749 (758 f.), mit Rechtsprechungshinweisen zur Vermeidung von Schadensersatz- und Entschädigungsansprüchen als Wirtschaftlichkeitsreserve. 37 Die Entscheidungen im Bereich der Leistungsverwaltung (einschließlich der Rücknahme bzw. des Widerrufs von Geldleistungs-Verwaltungsakten) sind von vornherein stärker mit der finanziellen Grundlage jener Leistungen verknüpft. Das Spektrum reicht hier von der Vergabe von Subventionen „nach Maßgabe des Haushaltsrechts", über die Einbeziehung in Ermessensentscheidungen (vgl. z.B. § 12 SGB V, §§ 15a Abs. 1, 30 BSHG) bis hin zur expliziten Verankerung in Tatbeständen über Pflichtleistungen (vgl. wiederum § 12 SGB V); näher zum Ganzen vgl. Albert v. Mutius (o. Fn. 5), VVDStRL 42 (1983), S. 147 (202 f.); Hans-Jürgen Papier, Wandel der Lehre (o. Fn. 33), in: W. HofTmann-Riem / E. Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Effizienz (o. Fn. 6), S. 235 ff. 38
Vgl. hierzu bereits Hans-Jürgen Papier, Empfehlen sich ergänzende gesetzliche oder untergesetzliche Regelungen der Altlasten, und welchen Inhalt sollen sie haben?, JZ 1994, S. 810(815). 39 Fall nach BVerwG, Urteil vom 22.3.1985 (4 C 73.82), BVerwGE 71, 163 (166); BVerwG, Beschl. vom 20.12.1988 (4 B 211.88), UPR 1989, S. 273.
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(3) In der Gewerbeüberwachung kann es Situationen geben, in denen der Erlass einer Schließungsverfügung wirtschaftlicher ist, als den betreffenden Betrieb per Nebenbestimmung40 zur Duldung kostenintensiver Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen zu verpflichten 41. Diese und andere Beispiele illustrieren bislang weniger die Regel als die Ausnahme. Von einer planmäßigen Integration des Wirtschaftlichkeitsdenkens in die Ermessensausübung kann gegenwärtig keine Rede sein. Anders als im Hinblick auf die zu a) bis c) thematisierten Strukturelemente ist hier, im Bereich des Ermessens, noch keine grundlegende Veränderung in Sicht. Einzelne Gerichtsentscheidungen und neuere wissenschaftliche Abhandlungen deuten zwar in diese Richtung, aber einen anerkannten Bestandteil der Maßstäbe für Verwaltungsentscheidungen bildet das Wirtschaftlichkeitsdenken noch nicht. Die Gründe dafür sind dogmatischer Natur: Neben der bereits erwähnten tradierten Unterscheidung zwischen haushaltsbezogenem Innenrecht und bürgerbezogenem Außenrecht sind zwei angebliche Verbote bis heute wirkmächtig, nämlich das Verbot, die „fiskalischen" Interessen des Staates in die Ermessensausübung einzustellen42 und das Koppelungsverbot, das namentlich im Bereich der Nebenbestimmungen43 sowie beim Aushandeln von Verwaltungsverträgen44 wirkmächtig ist.
40 Zu weiteren Optionen in diesem Zusammenhang vgl. Albert v. Mutius (o. Fn. 5), VVDStRL 42 (1983), S. 147 (200 f.). 41 Vgl. Anne Peters (o. Fn. 7), DÖV 2001, S. 749 (760 f.), in Anlehnung an BVerfG, Beschl. vom 6.10.1987 (1 BvR 1086 u.a. / 82), BVerfGE 77, 84 (110 f.), wo es um die Vereinbarkeit von Verbotsmaßnahmen gegenüber der Arbeitnehmerüberlassung mit Art. 12 GG geht. 42 Vgl. Hans J. Wolf// Otto Bachof/ Rolf Stober, Verwaltungsrecht I, 11. Aufl. 1999, §31 Rn. 52; zurückhaltender hingegen Hartmut Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2002, § 7 Rn. 22. Zu den Hintergründen der Trennung der Staatsleistungen von ihrem finanziellen Hintergrund einschließlich der Trennung von Verwaltungsund Finanzschulden vgl. Paul Kirchhof, Die Steuerung des Verwaltungshandelns durch Haushaltsrecht und Haushaltskontrolle, NVwZ 1983, S. 505 (509 ff. und passim). Vgl. auch § 20 Abs. 2 Satz 1 OBG NRW, wonach Verfügungen nicht lediglich den Zweck haben dürfen, den Ordnungsbehörden „die ihnen obliegende Aufsicht zu erleichtern". 43 Explizit genannt in § 36 Abs. 3 VwVfG; zu den Konsequenzen im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeitsprüfung vgl. Anne Peters (o. Fn. 7), DÖV 2001, S. 749 (759). 44 Vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 16.5.2000 (4 C 4.99), BVerwGE 111, 162 ff., und kritisch hierzu und damit zu Überspannungen beim Umgang mit dem Koppelungsverbot im Bereich der Verwaltungsverträge vgl. Hermann Butzer, Brauchen wir das Koppelungsverbot nach § 56 VwVfG?, DÖV 2002, S. 881 ff.
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I I I . Der verwaltungsrechtliche Grundsatz der Wirtschaftlichkeit Können die skizzierten potenziellen Wirtschaftlichkeitsreserven mit einem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit gesteuert und das Wirtschaftlichkeitsdenken gefördert werden, und welche juristischen Probleme sind hierbei zu lösen?
1. Sinn und Bestand
Die bisherigen Ausführungen lassen sich dahingehend zusammenfassen, dass die Erschließung von Wirtschaftlichkeitsreserven im allgemeinen Verwaltungsrecht vielfach ungeordnet erfolgt und mancher Vorschlag mehr dem Zeitgeist, als einem tragfähigen Konzept entspringt. Unter der Flagge der Rationalität segelt nicht selten das Irrationale, werden bewährte Strukturen allzu bedenkenlos geopfert. Die Überbürokratisierung droht durch eine Überökonomisierung abgelöst zu werden45. In dieser Situation ist es für die Verwaltungsrechtsdogmatik an der Zeit, die ihr gestellte Herausforderung anzunehmen und das Verwaltungsrecht des sozialen Rechtsstaates weiterzuentwickeln, so wie sie auch die Ökologisierung und die Europäisierung erfolgreich mitgestaltet hat. Aufhalten wird sie das Wirtschaftlichkeitsdenken jedenfalls nicht können, dafür ist der finanzielle Druck zu groß und der Denkansatz zu überzeugend. Gibt es nun einen entsprechenden Rechtsgrundsatz, der die Verwaltung schon heute bindet? Das ist zum einen eine Frage der Interpretation der einschlägigen Verfassungsbestimmungen und sodann der einfachrechtlichen Vorschriften in den Haushaltsgesetzen. Diese Vorgaben haben es freilich in jahrzehntelanger Praxis nicht recht geschafft, über das Haushaltsrecht hinaus auch im allgemeinen Verwaltungsrecht wirkmächtig zu werden (vgl. II. 2.). Ich will und kann mich im Rahmen dieses Vortrages daher nicht um die Interpretation dieser jedenfalls primär haushaltsrechtlichen Wirtschaftlichkeitsgrundsätze bemühen, sondern möchte einen anderen Weg gehen, der uns zu ersten Ansätzen in den Verwaltungsgesetzen auf Länderebene46 führt. So gibt es in Sachsen-Anhalt47 und in Berlin 48 seit kurzem Gesetze über die Verwaltungsmodernisierung, die unter anderem die Verpflichtung enthalten, die gesamte Verwaltungstätig45
Terminologie nach Susanne Ast (o. Fn. 15), VerwArch 94 (2003), S. 574 (591). Zur Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen für die Etablierung von Wirtschaftlichkeitsgrundsätzen und darauf bezogene Verfahren vgl. Hans Herbert v. Arnim , Wirtschaftlichkeit (o. Fn. 5), S. 87 ff.; Utz Schliesky , Mehr Wirtschaftlichkeit durch ein zusätzliches Verwaltungsverfahren?, DÖV 1996, S. 109 (112 ff.). 47 § 1 Abs. 2 des Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetzes vom 27.2.2003 (GVB1., S. 40). 48 § 3 Abs. 1 des 3. Gesetzes zur Reform der Berliner Verwaltung vom 17.5.1999 (GVB1., S. 171), zuletzt geändert am 22.7.1999 (GVB1., S. 422 [423]). 46
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keit (also nicht nur den Haushaltsvollzug) „an den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit... neu auszurichten". In Schleswig-Holstein verpflichtet die Gemeindeordnung die Gemeinden nicht nur zu einem wirtschaftlichen Umgang mit ihrem Vermögen, sondern dazu, „eine wirksame und kostengünstige Aufgabenerftlllung sicherzustellen"49. Weitere Ländergesetze mit entsprechendem Inhalt dürften folgen. Die Vorteile, die mit solchen Bestimmungen verbunden sein können, liegen auf der Hand. Sie lauten Planmäßigkeit, Steuerbarkeit50 und Verknüpfung mit dem breiter angelegten Modernisierungsprozess 51. Als Bestandteil des verwaltungsrechtlichen Regelwerks würde der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit in einem ganz anderen Maße die Aufmerksamkeit der Interpreten aus Wissenschaft und Justiz auf sich ziehen als dies bislang der Fall ist. So könnte ein dogmatisches Gesamtkonzept für die Integration von Wirtschaftlichkeit in die einzelnen Elemente des Verwaltungsrechts (Trägerschaft, Organisation, Handlungsformen und vor allem Ermessenslehre52) entstehen53. Dies wäre dann ein verwaltungsspezifisches Konzept von Wirtschaftlichkeit, anstelle der blindwütigen Übernahme privatwirtschaftlicher Ansätze. Vor allem aber würden Wirtschaftlichkeitsklauseln im Verwaltungsrecht eine unentrinnbare Bindung statuieren.
2. Als Handlungsmaßstab
Wie weit reicht diese Bindung, worin besteht der Handlungsmaßstab für die Verwaltung? Die Antworten erschließen sich aus dem Charakter des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes als Verpflichtung zum Einsatz einer Methode54. Diese Methode besteht in der Herstellung einer möglichst optimalen Zweck-Mittel-Relation. Es geht also nicht um die möglichst optimale Verwirklichung eines bestimmten materiellen Belangs55. Die rechtsstaatliche Grundbedingung für den Einsatz jener Methode besteht darin, dass alle zwingenden rechtlichen Vorga-
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Durch § 8 GO SH. Darauf weist auch Günter Püttner , Verwaltungslehre, 3. Aufl. 2000, S. 170, hin. 51 Vgl. auch Wolfgang Hoffmann-Riem , in: W. Hoffmann-Riem / E. SchmidtAßmann (Hrsg.), Effizienz (o. Fn. 6), S. 11 (26). 52 Unter Überwindung der angeblich unüberwindlichen, am Ende zu II. 3. d) skizzierten Verbote. 53 Dies mahnt auch Eberhard Schmidt-Aßmann, Effizienz als Herausforderung (o. Fn. 18), in: W. HofTmann-Riem / E. Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Effizienz (o. Fn. 6), S. 258 ff., an. 54 Vgl. Rudolf Salmen, Wirtschaftlichkeitsprinzip (o. Fn. 36), S. 151 ff.; Hans Herbert v. Arnim , Wirtschaftlichkeit (o. Fn. 5), S. 56. 55 Irrefuhrend daher die Bezeichnung als „Optimierungsgebot" bei Helmuth SchulzeFielitz (o. Fn. 5), VVDStRL 55 (1996), S. 231 (256 ff.). 50
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ben beachtet sein müssen, bevor Wirtschaftlichkeit herzustellen versucht wird. Erst wenn die in der Verfassung, im jeweiligen Fachgesetz und im allgemeinen Verwaltungsrecht enthaltenen Bestimmungen über Organisation56, Verfahren oder den Ermessensrahmen eingehalten sind, ist Raum für das Wirtschaftlichkeitsdenken. Um an die Beispiele aus dem vorherigen Abschnitt anzuknüpfen: Eine Wirtschaftlichkeitsprüfung könnte nur durchgeführt werden im Hinblick auf die Auswahl zwischen Personen, die jeweils Störer sind, oder zwischen Autobahntrassen, die jeweils die Umwelt- und Eigentumsverträglichkeitsprüfung bestanden haben. Unter dieser Prämisse müsste sie dann aber auch durchgeführt werden. Schon an diesen wenigen Bemerkungen wird deutlich, dass es sich um eine sehr anspruchvolle Methode handelt57. Das fängt mit der Ermittlung der zu erwartenden Kosten an58. Obwohl mit der Einführung der Kosten-LeistungsRechnung und des Controlling im reformierten Haushaltsrecht (vgl. II. 1.) mehr Transparenz geschaffen wird 59, bleibt es dabei, dass die meisten Leistungen, die von der Verwaltung bzw. vom Verwaltungsrecht erbracht werden, nicht ohne weiteres quantifizierbar sind. Das verfuhrt zur Überbetonung der wenigen Teilleistungen, die quantifizierbar sind, was man mit der Dominanz des Drittmittelkriteriums im Bereich der Hochschulsteuerung illustrieren kann. Hat man sodann die Kosten einer bestimmten verwaltungsrechtlichen Option ermittelt, beginnt der Vergleich mit anderen Optionen, deren Kosten ebenfalls zumindest geschätzt werden müssen. Erst dann schließt sich die eigentliche Herstellung der Zweck-Mittel-Relation an. Neben der Kostengünstigkeit können innerhalb der jeweiligen Ermessensspielräume weitere Parameter berücksichtigungspflichtig sein, von der Bürgernähe über die Partizipation bis zur Transparenz. Beispiel: Die Eröffnung eines Bürgerbüros als Teil einer Verwaltungsreform steigert eindeutig die Bürgernähe, vielleicht auch die Transparenz des Verwaltungshandelns, sie verursacht aber ebenso eindeutig zusätzliche Kosten. Der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz würde die Verwaltung dazu verpflichten, die Vor- und Nachteile der Realisierung wie des Verzichts auf das Bürgerbüro zu
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Zu finden namentlich in den Art. 83 ff. GG, der jeweiligen Landesverfassung, dem jeweiligen Landesorganisationsgesetz sowie der jeweiligen Gemeindeordnung. 57 Ähnlich Andreas Greifeid, Der Rechnungshof als Wirtschaftsprüfer, 1981, S. 10; Walter Krebs, in: H. H. v. Arnim, Finanzkontrolle (o. Fn. 34), S. 69, hat freilich zu Recht darauf hingewiesen, dass dies kein Grund zur rechtsdogmatischen Resignation sein dürfe. 58 Ebenso Helmuth Schulze-Fielitz (o. Fn. 5), VVDStRL 55 (1996), S. 231 (256). 59 Mit der Verwirklichung der Reformen im Haushaltsrecht, v.a. mit der Einführung der Kosten-Leistungs-Rechnung (vgl. II. 1., und Susanne Ast [o. Fn. 15], VerwArch. 94 [2003], S. 574 [579 ff.]) und dem Controlling (vgl. zu ihm Jürgen Schmidt, Wirtschaftlichkeit [o. Fn. 5], S. 46 f.; Hermann Pünder, Haushaltsrecht [o. Fn. 9], S. 380 ff.) werden die Kosten immerhin besser darstellbar und erkennbar sein.
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benennen und sich für die Realisierung nur dann zu entscheiden, wenn sie tatsächlich einen entsprechenden organisatorischen Mehrwert verspricht. Dass es sich um eine anspruchsvolle Methode handelt, sollte freilich kein Grund zur Resignation, sondern zu tatkräftiger dogmatischer Arbeit sein. Dabei bietet sich m. E. eine Orientierung an dem aus dem Planungsrecht bekannten Abwägungsgebot60 an. Auch dieses zielt auf eine bestimmte Methode (nämlich auf den möglichst optimalen Ausgleich verschiedener Belange; hier wie dort geht es nicht bloß um einen einzelnen Ermessensbelang, aber auch nicht um eine unbedingte materielle Vorgabe). Als Handlungsmaßstab des Verwaltungsrechts betrifft es auf der ersten Stufe den Vorgang der Abwägung und auf der zweiten Stufe das Abwägungsergebnis. Genauso ließe sich auch die Wirtschaftlichkeitsprüfung strukturieren: Vorgang, d. h. Kostenermittlung, Kostenzuordnung, Alternativenvergleich und Ergebnis, d. h. Produkt der Zweck-Mittel-Relation. Gerade auf der Ebene des Vorgangs liegen bislang noch erhebliche Defizite, sowohl in Bezug auf die einzelne Verwaltungsmaßnahme (wenn Wirtschaftlichkeit schlicht überhaupt nicht thematisiert wird) als auch in Bezug auf die Verwaltungspolitik. Dieser obliegt es, Verfahren zu entwickeln und durchzufuhren 61, um die Kosten bestimmter organisatorischer und verfahrensmäßiger Gestaltungen ermitteln zu können. Das können Nutzen-Kosten-62 bzw. Benchmarking-Untersuchungen oder - im Bereich der Aufgabenträgerschaft - Interessenbekundungsverfahren 63 sein. Namentlich über die Verwaltungsvorschriften könnten die dabei gewonnenen Erkenntnisse an die nachgeordneten Stellen weitergegeben werden. Allerdings: Verfahren dieser Art verursachen ihrerseits Kosten und ihre Ausgestaltung muss ebenfalls am Wirtschaftlichkeitsgrundsatz gemessen werden. Auf der Ebene des Ergebnisses schließlich wirkt sich die beschriebene Komplexität dahingehend aus, dass die letztlich gewählte Organisations- bzw. Verfahrensform oder die getroffene Ermessensentscheidung nicht „schlechterdings unvertretbar" sein darf; wie schon im Bereich des haushaltsrechtlichen Wirt-
60 Vgl. Stellv. Werner Hoppe, Das Abwägungsgebot in der Novellierung des Baugesetzbuches, DVB1. 1994, S. 1033; Winfried Brohm , Öffentliches Baurecht, 3. Aufl. 2002, § 13 Rn. 13 ff. 61 Ebenso Eberhard Schmidt-Aßmann, Effizienz als Herausforderung (o. Fn. 18), in: W. Hoffmann-Riem / E. Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Effizienz (o. Fn. 6), S. 245 (258). 62 Vgl. zu ihnen Jürgen Schmidt , Wirtschaftlichkeit (o. Fn. 5), S. 139 ff., und S. 115 ff. (sog. Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen). 63 Zu Recht kritisch Utz Schliesky (o. Fn. 46), DÖV 1996, S. 109 ff. Der Versuch der Einfügung in § 6 HGrG bzw. der Erweiterung des § 7 BHO ist politisch gescheitert. In der gegenwärtigen Fassung verpflichtet § 7 Abs. 2 Satz 2 BHO in geeigneten Fällen zur Durchführung eines Verfahrens, in dem festgestellt werden soll, inwieweit und unter welchen Bedingungen private Lösungen möglich sind.
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schaftlichkeitsgrundsatzes 64 kann ein ganz bestimmtes wirtschaftliches Ergebnis nicht verlangt werden, weil ein solches nicht bestimmbar ist.
3. Als Kontrollmaßstab
Einige letzte Überlegungen zur Kontrolle, d. h. zur Vermeidung bzw. Sanktionierung von Verstößen gegen den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz im Verwaltungsrecht. Wird der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz außerhalb des Haushaltsrechts verankert, stellt sich die Frage nach der Zuständigkeit der Rechnungshofkontrolle bzw. der überörtlichen Rechnungsprüfung bei den Kommunen. Schweift der prüfende Blick der Rechnungshöfe und Prüfanstalten vom Haushaltsvollzug in das allgemeine Verwaltungsrecht hinüber, so ist dies bislang eher ein verstohlener, viel Unsicherheit verratender Blick 65 . Der Zukunft gehört die planmäßige Verzahnung mit der Staats- und Behördenaufsicht 66 sowie die Weiterentwicklung spezifischer Prüfungsinstrumente. Denn natürlich macht es einen Unterschied, ob „nur" der Haushaltsvollzug oder zusätzlich die Aufbauorganisation oder das Verwaltungsverfahren geprüft werden. Mit der endgültigen Anerkennung des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes als Handlungsmaßstab im Verwaltungsrecht erweitert und verändert sich sodann das Wirkungsfeld der Staatsaufsicht. Als Element der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns gehört der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz automatisch zum Prüfprogramm der Rechtsaufsicht. Bei der Kontrolle von Selbstverwaltungsträgern, sei es auf der kommunalen67, sei es auf der Ebene beispielsweise der sozi-
64 OVG Rh.-Pf., Urteil vom 18.9.1979 (7 A 56 / 79), DVB1. 1980, S. 767 (768); OVG Münster, Beschl. vom 26.10.1990 (15 A 1099 / 87), NVwZ-RR 1991, S. 509; BayVGH, Urteil vom 27.5.1992 (4 B 91.190), BayVBl. 1992, S. 628 (630); Anne Peters (o. Fn. 7) DÖV 2001, S. 749 (754); Christoph Gröpl (o. Fn. 33), VerwArch 93 (2002), S. 459 (481). 65 Mit weiterführenden Ansätzen: Christoph Degenhart, Kontrolle der Verwaltung durch Rechnungshöfe, VVDStRL 55 (1996), S. 190 (211 f.); Helmuth Schulze-Fielitz (o. Fn. 5), S. 231 (257 f.). In der Praxis haben die Rechnungshöfe ihre Kontrolltätigkeit seit langem über den Haushaltsbereich hinaus ausgedehnt. 66 Nach § 103 Abs. 2 Ziffer 3 GO NRW kann der Rat einer Gemeinde dem Rechnungsprüfungsamt weitere Aufgaben übertragen, u.a. „die Prüfung der Verwaltung auf Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit". 67 Hier geht es um die verfassungsrechtlich durch Art. 28 Abs. 2 GG gestützte Eigenverantwortlichkeit bei der Wahrnehmung von Selbstverwaltungsaufgaben, die sich auf die Organisation und das Wie bei der inhaltlichen Bestimmung über die Aufgabenwahrnehmung bezieht (vgl. hierzu OVG Münster, Beschl. vom 26.10.1990 [15 A 1099 / 87], NVwZ-RR 1991, S. 509; weiterführend zur Bedeutung des Art. 28 Abs. 2 GG im Zusammenhang mit Wirtschaftlichkeitsprüfüngen vgl. Utz Schliesky [o. Fn. 46]), DÖV 1996, S. 109 [114 f.]).
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alen68 oder der universitären Selbstverwaltung, ist freilich zu berücksichtigen, dass jenen Trägern hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit ihres Verwaltungshandelns die „Einschätzungsprärogative"69 zukommt. Das bedeutet, dass Zuständigkeit und Verantwortung für die Wirtschaftlichkeit von Organisation, Verfahren oder Ermessensausübung in diesen Bereichen grundsätzlich bei dem jeweiligen Selbstverwaltungsträger liegen. Das schließt den Mut zu Experimenten ein. Als KontvoUinstrument kommt eher die selbstverwaltungsfreundliche Beanstandung als die eingriffsintensive Anordnung in Betracht70. Vor dem Verwaltungsgericht kann sodann darüber gestritten werden, ob die gerügte Gemeinde oder Hochschule tatsächlich die Anforderungen des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes missachtet hat. Grundsätzlich keine Rechtsschutzmöglichkeiten sind dagegen den Bürgern eröffnet, weil es ein subjektives Recht auf wirtschaftliches Verwaltungshandeln nicht gibt71. Werden allerdings - wie geschildert (II. 3. d) - im Rahmen des Eingriffsermessens belastende Maßnahmen damit begründet, dass sie aus Sicht der Verwaltung wirtschaftlicher seien, dann muss über die Fehlerfreiheit dieser Ermessensausübung auch vor dem Verwaltungsgericht gestritten werden können. Dabei würde geprüft, ob die Inanspruchnahme eines bestimmten Störers72 oder eines bestimmten Privatgrundstücks für eine Autobahntrasse aus Gründen der Wirtschaftlichkeit rechtswidrig gewesen ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt. Zum Hoffhungsträger 73 für ein durchschlagskräftiges Kontrollsystem taugen die Gerichte im Kontext des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes freilich nicht. Erfolgversprechender und naheliegender erscheinen finanzwirksame Sanktionen74 innerhalb der Verwaltung. 68 Zur diesbezüglichen Bedeutung der Selbstverwaltungsbefügnisse vgl. BSG, Urteil vom 26.8.1983 (8 RK 29 / 82), BSGE 55, 277; ferner BSG, Urteil vom 28.6.2000 (B 6 KA 64 / 98 R), MedR 2001, S. 95 mit Anm. Friedrich E. Schnapp, MedR 2001, S. 269. Darauf weist auch Friedrich E. Schnapp, Der Haushaltsgrundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit - im Sozialrecht und in anderen Rechtsgebieten, Festschrift für Bernd Baron von Maydell, 2002, S. 621 (645) hin. 69
BSGE 55, 277 (279). Vgl. näher Friedrich E. Schnapp, Festschrift für Bernd Baron von Maydell (o. Fn. 68), S. 621 (629 f.). 71 Allg. Auffassung; vgl. Hans Herbert v. Arnim, Wirtschaftlichkeit (o. Fn. 5), S. 98 f.; Anne Peters (o. Fn. 7), DÖV 2001, S. 749 (754); Christoph Gröpl (o. Fn. 33), VerwArch 93 (2002), S. 459 (482 f.). 72 Der „Reiche" könnte sodann behaupten, dass der Einsatz der Wirtschaftlichkeitsmethode illegitim sei, der „Arme" könnte behaupten, dass sie zum Einsatz hätte gelangen müssen. 73 Bzw. zur „Effizienzstimulierung" im Sinne von Wolfgang Hoffmann-Riem, in: W. Hoffmann-Riem / E. Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Effizienz (o. Fn. 6), S. 11 (50). 74 Zur Notwendigkeit dahingehender Überlegungen vgl. auch Eberhard SchmidtAßmann, Effizienz als Herausforderung (o. Fn. 18), in: W. Hoffmann-Riem / E. Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Effizienz (Fn. 6), S. 245 (266 f.). 70
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IV. Fazit Das Wirtschaftlichkeitsdenken hat das Verwaltungsrecht erreicht und es wird sich dort weiter ausbreiten. Die Verwaltungsrechtler sollten dabei nicht jammernd und klagend am Wegesrand stehen. Wenn der spiritus rector aller verwaltungswissenschaftlicher Zünfte, der berühmte C. N. Parkinson, sagt75, dass es nicht Aufgabe des Botanikers sei, Unkraut zu jäten, sondern er sich damit begnüge, über die Schnelligkeit von dessen Wachstum Auskunft geben zu können, so mag das für den Botaniker zutreffen. Zum Aufgabenprofil der modernen VerwaltungsrecAtewissenschaft gehört es sehr wohl, die Analyse der Entwicklung und die Formulierung wohl begründeter Kritik mit dem Anspruch auf Mitund Neugestaltung zu verbinden.
75 Parkinsons Gesetz und andere Studien über die Verwaltung, Econ Taschenbuch, 2. Aufl. 2001, S. 30.
Wirtschaftlichkeit in der Krankenversicherung Von Jef Van Langendonck, Leuven1 Der gute Kollege Fritz Schnapp, den wir heute feiern, auch wenn ihm das vielleicht nicht besonders gefallt (oder doch?), hat nicht nur die Eigenschaft, ein liebenswürdiger Mensch mit einer scharfen Zunge zu sein, sondern auch ein ausgesprochener Gegner der Unbestimmtheit. Er hat immer Wert darauf gelegt, mit klaren Begriffen und Definitionen zu arbeiten, was ihm vielleicht nicht immer die Sympathie derjenigen, deren Aufsätze er aus diesen Gründen kritisiert hat, eingebracht hat. Also muss es ihm oft ein Greuel gewesen sein, wenn er Literatur über mein heutiges Thema, die Wirtschaftlichkeit in der Krankenversicherung, gelesen hat. Denn selten ist über ein Thema in solch nebeliger Terminologie gesprochen, geschrieben und leider auch legisferiert worden wie gerade über dieses. Deshalb soll es den Jubilarfreuen, dass dieses heute endlich klar gemacht wird, und gerade in diesem Beitrag, von welchem ich deswegen hoffe, dass er dem Jubilar gefallen wird. Der Beitrag wird zwei Teile umfassen: Einen kurzen Teil, der dem Begriff der Wirtschaftlichkeit als solchem gewidmet ist (I.). Dieser versucht, eine klare Definition zu erbringen, und er soll zugleich klar machen, warum es so schwierig ist, den Begriff „Wirtschaftlichkeit" in der Krankenversicherung oder im Gesundheitswesen allgemein anzuwenden. Es folgt ein zweiter, längerer Teil, der den üblichen, aber falschen Begriff von Wirtschaftlichkeit in der Krankenversicherung übernimmt und der zeigen wird, zu welchen Irrtümern er in diesem Bereich führt (II.). Das ist charakteristisch für alle Bereiche, in denen mit unklaren Begriffen gearbeitet wird; aber das weiß der Jubilar schon. I. Was „Wirtschaftlichkeit 44 normalerweise bedeuten soll... Den Begriff der Wirtschaftlichkeit kann man definieren, indem man ihn von dem naheliegenden Begriff der Wirksamkeit abgrenzt. Wirksamkeit (efficacy) wird gemessen nach dem (teilweisen) Erreichen oder Nicht-Erreichen eines bestimmten Ziels. Eine Methode oder ein Produkt ist wirksam in dem Umfang, in 1 Mit herzlichem Dank an Herrn Henning Knopp, Universität Hannover, für die sehr notwendige sprachliche Überarbeitung.
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der sie oder es dasjenige erbringt, was man sich davon versprochen hat. Wirtschaftlichkeit (efficiency) ist das Verhältnis zwischen dem Erreichen des Ziels und den dafür eingesetzten Mitteln2. Das Erreichen oder teilweise Erreichen des Ziels hat offensichtlich einen Wert. Dieser Wert soll mit dem Wert der eingesetzten Mittel verglichen werden. Eine Aktivität ist also mehr oder weniger wirtschaftlich, wenn sie mehr oder weniger Mittel einsetzen muss, um ein bestimmtes wertvolles Produkt zu schaffen, oder - umgekehrt gesagt - wenn sie mit Einsatz der gleichen Mittel ein mehr oder weniger wertvolles Produkt erbringt3. Wirtschaftlichkeit ist im Grunde genommen also die Grundregel aller menschlichen Aktivität. Der Mensch will immer so viel wie möglich erreichen. Dafür kann und will er aber nur beschränkte Mittel einsetzen. Auch wenn er aus rein humanitären oder karitativen Gründen handelt, unterliegt seine Aktivität der Grundregel der Wirtschaftlichkeit. Er muss mit den vorhandenen Mittel ein Maximum erreichen, und er darf die vorhandenen Mittel nicht verschwenden, auch nicht, wenn er sie kostenlos bekommen hat. Wirtschaftlichkeit ist nicht leicht auf die Krankenversicherung oder auf das Gesundheitswesen als solches anzuwenden. Was ist, zum Beispiel, das Ziel des Gesundheitswesens, und was ist das Ziel von deren Dienstmagd, der Krankenversicherung? Das ist eine besonders schwierige Frage. Sieht man einmal davon ab, dass die unterschiedlichen Personen und Gruppen im Gesundheitswesen ihre je eigenen Zielbestrebungen haben können, von welchen aus sie die Gesundheitspolitik versuchen zu beeinflussen - was ihnen auch manchmal gelingt - , muss man auf einer mehr grundsätzlichen Ebene feststellen, dass es hier zwei ganz verschiedene und völlig entgegengesetzte Zielsetzungen gibt, welche in unseren Systemen miteinander vermischt und verwoben sind.
Das eine und zugleich das offensichtlichste Ziel des Gesundheitswesens ist die Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung - oder wenigstens einer großen Mehrzahl dieser Bevölkerung. Daneben steht aber ein ganz anderes Ziel, welches in der sozialen Wirklichkeit vielleicht eine viel größere Bedeutung hat, nämlich das Zufriedenstellen der Konsumenten auf dem Gesundheitsmarkt. Da mag komisch klingen, ist es aber nicht. Denn das Gesundheitswesen ist ein Markt, auf welchem Produzenten ihre Leistungen und Produkte dem Publikum präsentieren, und die Krankenversicherung ist ein Finanzierungsmechanismus, der den Konsum auf diesem Markt stimuliert und dadurch auch orientiert.
2 A. Cochrane , Effectiveness and Efficiency: Random Reflections on Health services, London, Nuffield Provincial Hospitals Trust, 1978. 3 Siehe M. R. Gold / J. E. Siegel / L B. Russell / M. C Weinstein feds ), CostEffectiveness in Health and Medicine, New York / Oxford, 1996, 425 p.
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Die beiden vorgenannten Zielsetzungen verstehen sich natürlich wie Wasser und Feuer. Typisches Beispiel für das erstgenannte Ziel (wenn auch nicht in allen Punkten geeignet) ist der britische National Health Service, eine Staatsorganisation, die darauf orientiert ist, der britischen Bevölkerung zwar nicht die bestmögliche Gesundheit - dafür brauchten die Briten besseres Essen - wohl aber die bestmögliche medizinische Versorgung zu garantieren. Typisches Beispiel (mit derselben Einschränkung) für das zweitgenannte Ziel ist die US-amerikanische medizinische Versorgung, die zum größten Teil über die Privatversicherung finanziert wird, auch wenn die Versicherungsprämien hierfür aufgrund von Tarifverträgen hauptsächlich durch die Beschäftigungsunternehmen bezahlt werden. Die Ergebnisse der beiden Systeme sind - das ist hinreichend bekannt spektakulär unterschiedlich: Der britische National Health Service erbringt tatsächlich eine sehr gute medizinische Versorgung für die britische Bevölkerung (und für noch einige zusätzliche Nutzer) und das zu einem sehr niedrigen Preis. Der NHS kostet kaum mehr als sechs Prozent des GNP, und für diesen „Preis" befindet sich Großbritannien - mit einer sehr gemischten Bevölkerung - den weltweiten Gesundheitsstatistiken zufolge in der führenden Gruppe. Dafür „regnet" es aber Klagen und Beschwerden über den Service, der ständig unter Reorganisation ist und als das Sorgenkind der Nation betrachtet wird 4. Die Gesundheitsversorgung in den USA kostet die Nation dagegen fast 15 Prozent des GNP und bringt die USA nur gerade auf Rang 30 in den Gesundheitsstatistiken der Welt, hinter einige Semi-Entwicklungsländer. Technisch aber ist die US-amerikanische Medizin an der Spitze in der Welt, und dieses führt zu einer sehr großen Zufriedenheit bei dem Teil der Bevölkerung, der sich diese Versorgung leisten kann. Unglücklich sind demgegenüber diejenigen Bevölkerungsteile, die keine oder nur eine unzureichende Versicherung haben und infolgedessen auf das Niveau einer Armenmedizin zurückfallen 5. Angesichts dieser Beispiele fragt sich: Welches ist also das richtige Ziel für das Gesundheitswesen? Muss man wählen - zwischen Kosten sparender Rationalisierung oder zufrieden stellender Marktwirkung? Oder kann man irgendeinen Kompromiss zwischen den beiden extremen Auffassungen finden, der beiderseits Genugtuung leistet, ohne die Nachteile von beiden zu kombinieren? Auf diese Frage kann es kaum eine vernünftige Antwort geben. Auf der anderen Seite des Wirtschaftlichkeitsbegriffes, bei dem Wertvergleich zwischen erreichtem Ergebnis und eingesetzten Mitteln, gibt es zudem ein weiteres, noch tiefer liegendes Problem. Angenommen, man weiß, welches 4
S. Curtis / A. Taket, Health & Societies, Changing Perspectives, London / New York / Sydney / Oakland, 1996, p. 124-125. 5 S. Klaw, The Great American Medicine Show, New York, 1975, 315 p.
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Ziel man mit seinem Gesundheitssystem anstrebt und wie viele Mittel dafür eingesetzt werden sollen: Wie bemisst man den Wert des Ergebnisses? Das wäre kein Problem, wenn die Medizin auf eine objektive, wissenschaftliche Grundlage gegründet wäre. Das aber ist sie nur zu einem relativ kleinen Teil, wie ich vor etwa 15 Jahren von einem deutschen Arzt auf einer Tagung des Europäischen Instituts für Soziale Sicherheit in Thessaloniki, Griechenland6, gelernt habe. Und dies wird ständig von den medizinischen Statistiken bestätigt. Wendete die Medizin auf alle Erkrankungen eine wissenschaftliche Technologie an, dann müsste sie in aller Welt - oder wenigstens in der ganzen industrialisierten Welt - ungefähr das gleiche tun und zudem mit gleichen Ergebnissen. So mag es sich vielleicht bei den Juristen, Ingenieuren und Architekten verhalten, nicht aber in der Medizin. Vielmehr ist die Wirkung der Medizin auf die vorhandene Morbidität erstaunlich unterschiedlich: Die Zahlen der chirurgischen Operationen, der Krankenhausaufnahmen, der Dauer der Krankenhausaufenthalte, die Zahl der verschriebenen Arzneimittel und sogar die Häufigkeit bestimmter Diagnosen unterscheiden sich zwischen Ländern und Regionen und reichen von der Hälfte des jeweiligen Durchschnittswertes bis zum Doppelten dieses Wertes und mehr. Die Unterschiede sind oft so stark, dass man glauben könnte, die Mediziner in bestimmten Regionen der Welt seien zum größten Teil entweder verrückt oder korrupt 7. Die wirkliche Erklärung ist natürlich eine ganz andere. Die Medizin wendet nicht einfach nur die medizinische Wissenschaft und Technologie zur Verbesserung der Gesundheit an. Sie hat darüber hinaus eine ganz wichtige Neben- oder vielleicht Hauptfunktion, die darin besteht, den Menschen bei ihrem Umgang mit denjenigen Fragen des Lebens, die sie nicht selbst bewältigen können, beizustehen8. Das gilt insbesondere für die ultimativen Realitäten, wie Krankheit und Tod, mit welchen die Menschen in der Regel nicht alleine zurechtkommen. Es geht aber in ähnlicher Weise auch um durchaus alltägliche Angelegenheiten; z.B. um Probleme bei der Arbeit; um Kinder, die lästig sind und es in der Schule nicht gut machen; um das Geschäft, dem es finanziell nicht gut geht; um das Verhältnis mit dem Partner, das nicht richtig stimmt; um ein unbestimmtes Unwohlgefühl. Wegen aller dieser Angelegenheiten geht man zum Arzt oder zum
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M Arnold , Scientifity and Efficacy in Medical Care, in: European Institute of Social Security, Health Care under Social Security, Proceedings of the Colloquium in Thessaloniki, Oct. 1988, Leuven/Acco, 1989, p. 157-171. 7 R. Duffy / H. Staines , Variance in Practice Emergency Medical Admission Rates, in: H. T. O. Davies / M. Tavakoli / M. Malek, Quality in Health Care, Aldershot / Burlington / Singapore / Sydney, 2001, p. 107; R. G. Evans , The dog in the Night-time: Medical Practice Variations and Health Policy, in: T. F. Andersen / G. Mooney (eds), Challenges of Medical Practice Variations, London, 1990. 8 M. Arnold , loc. cit.
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Apotheker, ist aber weit entfernt davon, mit den objektiv-wissenschaftlichen Techniken der Medizin behandelt zu werden9. Sehr zu recht hat die Weltgesundheitsorganisation alle diese Unwohlgefühle in ihre Definition von „Gesundheit" aufgenommen. Diese Definition läuft darauf hinaus, Gesundheit als ein vollständiges physisches, psychisches und soziales Wohlsein zu begreifen. Und dieses Verständnis eines umfassenden Wohlbefindens ist heute der Gegenstand der Gesundheitspolitik, ein Gegenstand, der so uferlos ist wie die Problematik des menschlichen Zusammenlebens in der Welt. Zugespitzt gesagt, ist danach alles, was das menschliche Wohlbefinden fordert, Teil der Gesundheitspolitik. Wer aber kann da noch ein messbares Ziel von Gesundheitsversorgung erkennen? Hinzu kommt, dass die Medizin, genauso wie die Religion, sehr viel mit Angst zu tun hat. Die Patienten und ihre Familien haben Angst vor der Krankheit, vor den Schmerzen, vor dem Verfall und dem Tod, die Teil des Lebens sind, die sie aber nicht verstehen und nicht bewältigen können. Sie rufen den Arzt, auch wenn sie nicht richtig wissen, was er eigentlich tun soll. Sie hoffen immer auf die Wunderpille, die sie nur zu schlucken hätten, um, wie in den Märchen, alle ihre Probleme zu lösen. Auch wenn sie von der Intervention der Mediziner nichts zu hoffen haben, sogar, wenn die betroffene Person schon tot ist, rufen sie den Arzt, damit sie (sich) sagen können, dass sie „alles nur Mögliche" getan haben. Wo ist hier das „Gesundheits-" Ziel, wonach zu streben ist? Wie soll man messen, wie viel von diesem Ziel erreicht worden ist, und wie soll man eine Zielerreichung mit dem Wert der dafür eingesetzten medizinischen oder sonstigen Mittel vergleichen? Genauso wie die Patienten haben auch die Ärzte Angst. Sie haben Angst davor, dass sie das unausgesprochene Verlangen der Patienten nicht erfüllen können. Sehr konkret haben sie Angst vor der Verantwortlichkeit, vor den Vorwürfen und neuerdings auch vor möglichen gerichtlichen Klagen10. Diese Angst hat an sich nichts Irrationales, denn die ärztliche Tätigkeit hat immer viel mit Unsicherheit zu tun. Diagnosen und Behandlungsweisen enthalten immer einen bestimmten Wahrscheinlichkeitsfaktor 11: Höchstwahrscheinlich geht es um eine einfache Grippe, höchstwahrscheinlich wird das gebrochene Bein sich vollständig erholen. Aber es besteht immer auch die Möglichkeit, dass der Fall atypisch ist, dass sich hinter der einfachen eine schlimmere Diagnose versteckt, dass es Komplikationen gibt. Der Arzt kann dabei „vernünftig" bleiben und nur das tun, was höchstwahrscheinlich „richtig" ist. Wenn er aber Angst hat, dass die Krank9
J. T. Shuval, Social Functions of Medical Practice, San Francisco, 1970, p. 91-109. R. Dingwall , Litigation and the Threat to Medicine, in: J. Gabe / D. Kelleher / E. G. Williams (eds), Challenging Medicine, London, New York, 1994, p. 46-61. 11 R. M. Kaplan / T. G. Aniats / D. L. Frosch , Diagnostic and Treatment Decisions in US Healthcare, in: J. Health Psychol. 9 (1), Jan 2004, p. 29-40. 10
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heit anders verlaufen könnte, und wenn er sich dann mit teuren Untersuchungen, mit präventiven Antibiotika oder mit längerer Beobachtung im Krankenhaus gegen dieses Risiko rückversichern will - handelt er dann irrational? Kann man ihm einen Vorwurf daraus machen, dass er die Gesundheit des Patienten nicht gefährden und jedes denkbare Risiko ausschließen wollte? Schließlich gibt es noch ein weiteres, mehr technisches Problem. Wenn man für das ganze Gesundheitswesen Zielerreichung und Kostenaufwand vergleichen will, benötigt man einen Vergleichspunkt. In der industriellen Produktion kann man die Wirtschaftlichkeit berechnen an Hand von Produktionseinheiten, z.B. die Kosten der Produktion eines einfachen Einfamilienhauses, einer Tonne Stahl, eines Kilo Kaffee, usw. Selbst dabei gibt es Qualitätsunterschiede. Was hingegen soll im Gesundheitswesen die Produktionseinheit sein?12 Der geheilte Mensch? Wann ist er aber „geheilt"? Völlig gesund wird er ohnehin nie sein. Wie bewertet man die ärztliche Behandlung chronischer Krankheiten, die nur stabilisiert, aber nicht geheilt werden? Und was ist mit Patienten, die sterben? Ist die vorausgegangene ärztliche Versorgung in solchen Fällen als Verschwendung ganz abzuschreiben?13 Man kann sehen, dass es keine leichte Sache ist, einen an sich einfachen Begriff wie denjenigen der Wirtschaftlichkeit in einem so besonderen Bereich anzuwenden wie in dem des Gesundheitswesens. Es kann folglich nicht verwundern, dass „Wirtschaftlichkeit" im Gesundheitswesen entweder gar nicht oder meistens falsch verwendet worden ist. I L Was „Wirtschaftlichkeit 64 in der Krankenversicherung bedeutet..., oder: Die sechs Wellen In der Krankenversicherung hat der Begriff „Wirtschaftlichkeit" eine Bedeutung, die historisch bedingt ist und deshalb auch nur so erklärt werden kann. Seit der Hälfte des vorigen Jahrhunderts ist in der Medizin (und deswegen auch in der Krankenversicherung) das Kostenproblem aufgetaucht. Vorher war das nicht so. Noch 1930 konnte in Frankreich eine Gruppe von eminenten Sachverständigen vorausberechnen, dass für die nächsten 50 Jahre, also bis 1980, die Kosten der Krankenversicherung stabil bleiben würden14. Auf solcher Grundla-
12 V. Fuchs, Essays in the Economics of Health and Medical Care, New York, 1972, p. 239. 13 J. Dolan, The measurement of health-related quality of life, in: A. J. Culyer / J. P. Newhouse, Handbook of Health Economics, Amsterdam etc., 2000, p. 1725-1740. 14 Zitiert in: CI Michel , La Consommation Médicale des Français, Paris, La Documentation Française, 1980, p. 139.
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ge war auch die Finanzierung des britischen National Health Service15 begründet. Man wusste zwar, dass die ärztliche Versorgung deutlich teurer werden würde, aber man ging davon aus, dass der bessere Zugang zur Gesundheitsversorgung die allgemeine Gesundheitslage der Bevölkerung so sehr steigern würde, dass dieser Kosteneffekt ausgeglichen werden würde. Erst seit den Nachkriegsjahren hat man in den meisten europäischen Ländern das Problem der Kostensteigerung, später „Kostenexplosion" genannt, kennengelernt. Deutschland erlebte dieses Phänomen - dank einer früh „organisierten" Medizin - etwas später als die anderen europäischen Länder, musste aber seit den 1970er Jahren die Gewichtigkeit dieses Problems ebenfalls anerkennen. In der Krankenversicherung heißt „Wirtschaftlichkeit" seither „Kostenbeherrschung". In diesem halben Jahrhundert von oft hoffnungslosem Kampf gegen den ansteigenden Pegel der medizinischen Kosten kann man sechs „Wellen" unterscheiden, die sich mit unterschiedlicher Stärke und zu unterschiedlichen Zeiten in den verschiedenen europäischen Ländern gezeigt haben. Jedes mal hat man einen bestimmten Faktor als Ursache der Kostensteigerung im Gesundheitsbereich identifiziert und sodann gesetzgeberische Maßnahmen auf diesen Faktor bezogen. Mit wenig Erfolg, wie man weiß: Die Ausgaben wachsen noch immer, und das Problem ist geblieben.
1. Die erste Welle: Die Ärztehonorare
Wenn in den Nachkriegsjahren die Kosten der medizinischen Versorgung zu steigen anfingen, war man in den meisten Ländern, besonders in denen, welche mit indirekten Leistungen und Einzelleistungshonorierung arbeiteten, rasch dabei, die Schuld den Ärzten und Zahnärzten zuzuschieben, die von der Versicherungsfinanzierung ihrer Leistungen dadurch profitiert haben sollten, dass sie ihre Honorare entsprechend erhöht hätten16. Die Franzosen nannten diese Bewegung „l'échelle du perroquet": So, wie ein Papagei den Schnabel auf einer höheren Stufe der Leiter einhakt und dann seine Kralle auf die höhere Stufe setzt, um sodann mit seinem Schnabel wiederum eine höhere Stufe zu erreichen, so schien es damals in den 1950er Jahren in Frankreich mit den Krankenkassen und den Ärzten zu sein. Immer wenn die Kassen die Leistungen erhöhten, machte dies es auch den Ärzten möglich, ihre Honorare zu erhöhen, mit der Folge, dass die Kassen wieder ihre Leistungen anpassen mussten. Aus dieser Impasse konnte man nur auf eine Weise entkommen: Die ärztlichen Gebühren 15
D. G. Gill, The British National Health Service, A Sociologist's Perspective, U.S. Dept. of Health and Human Services, National Institutes of Health, Publication No. 802054, 1980, p. 121. 16 W. Glaser, Paying the doctor, Systems of Remuneration and their Effects, Baltimore / London, 1970, 323 p.
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mussten festgelegt werden, entweder durch Abkommen zwischen Kassen und Ärztevereinigungen (soweit es solche gab) oder unmittelbar durch eine Regierungsverordnung. In vielen Ländern hat diese Politik in den 1960er und 1970er Jahren zu einem langen und oft bitteren Kampf gefuhrt, nicht zuletzt auch in Belgien, wo 1964, im Krisenpunkt eines historischen Streiks, die Mehrheit der Ärzte für einige Zeit das Land verlassen haben - was, nebenbei bemerkt, dem Land und der Gesundheit der Bürger nicht geschadet hat, ganz im Gegenteil. Am Ende haben in Italien (1955), Frankreich (1960), Belgien (1964) und in einigen anderen Ländern die Ärzte und die Kassen bzw. die Regierung Frieden geschlossen und ein System von vereinbarten medizinischen Honoraren festgelegt 17. Bald musste man aber feststellen, dass damit das Problem des Kostenanstiegs nicht gelöst war. Die Steigerung hielt weiter an. Dass kann eigentlich nicht überraschen, wenn man bedenkt, dass einerseits die Ärztehonorare nur einen relativ kleinen Teil der Gesundheitskosten ausmachen und dass andererseits diese Einschränkungen recht einfach zu umgehen sind. Die Ärzte hatten immer die Möglichkeit, falls sie sich mehr Einnahmen wünschten, die Zahl der Leistungen zu erhöhen oder auf teurere Leistungen auszuweichen. In Belgien z.B. war zu beobachten, dass es, seit unterschiedliche Honorare für leichte, normale und schwierige Geburten vorgesehen worden sind, merkwürdig viele „schwierige" und kaum noch „leichte" Geburten gab18. Ungelöst blieben ohnehin das Problem der Krankenhauskosten und das Problem der Arzneimittelpreise. Besonders die Preise der Arzneimittel, wo es die Regierungen mit besonders mächtigen und international aufgestellten Konzernen zu tun hatten, haben sie nirgendwo in den Griff bekommen.
2. Die zweite Welle: Die Kostenbeteiligung der Patienten
Weil man dem Kostenproblem durch eine Regulierung der Ärztehonorare nicht Herr wurde, wendete sich die Gesundheitspolitik im folgenden den Patienten zu. Diese Hinwendung fußte auf der Beobachtung, dass viele Patienten die „kostenlose" medizinische Versorgung, die sie durch die Krankenversicherung bekamen, nur all zu gern „genießen" wollten. Man behauptete sogar, dass Bürgerfrauen, die tagsüber nichts Nützliches zu tun hatten, es bevorzugten, anstatt in der Stadt einen Kaffee zu trinken und Kuchen zu essen, was teuer war und dick machte, auf Kosten der Krankenkasse zum Arzt zu gehen und über ihre Qualen und Quälchen zu schwätzen. Diesem „Überkonsum" sollte ein „Halt!" 17
H. Hatzfeld, Le Grand Tournant de la Médecine Libérale, Paris, 1963. R. Jolie , Wetgeving en medische arbeid. Invloed van de ziekte- en invaliditeitsverzekering in België, in: Acta Hospitalia, 1965, 2, 137-162. 18
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zugerufen werden19. Man wollte also den Patienten einen Teil der Kosten zuschieben, um so zu erreichen, dass diese sich über die Notwendigkeit eines Arztbesuchs Gedanken machten und nur im echten Krankheitsfall ärztliche Leistungen oder Krankenhausleistungen in Anspruch nahmen. Solche Kostenbeteiligungsregelungen (die in Deutschland vergleichsweise am wenigsten eingesetzt wurden) nahmen verschiedene Formen an: Es gab Pauschalzahlungen am Anfang einer Krankheit, oder es wurde eine feste Summe für jede ärztliche Leistung oder ein Prozentsatz des ärztlichen Honorars oder des Preises der Leistung oder des Arzneimittels verlangt, oder es wurden billige Leistungen aus der Versicherung ausgegrenzt („Bagatellfälle"). Diese Gebühren wurden mit ausgesprochener Vorliebe zuerst und zumeist im Bereich der Arzneimittel gefordert, offensichtlich weil hier die größte Ähnlichkeit mit dem Kauf von Waren in einem Geschäft besteht20. Merkwürdigerweise war aber auch die Zahnmedizin ein bevorzugtes Ziel dieser Politik, obwohl hier nicht ernsthaft befurchtet werden konnte, dass die Patienten zum Zahnarzt gingen, bloß um dort ihre Tageszeit zu verbringen. Hier spielte vielmehr noch die alte Auffassung eine Rolle, dass von den Patienten die Zahnpflege und ganz besonders der Zahnersatz oft nicht aus rein medizinischen, sondern auch oder sogar nur aus ästhetischen Gründen angestrebt wurde21. Später wurden in vielen europäischen Ländern Kostenbeteiligungsregelungen auch im Krankenhausbereich eingeführt, oft mit der Begründung, dass der Patient ja auch zu Hause für seine Ernährung und seine Unterkunft zahlen müsse. Kostenbeteiligungen wurden aber auch verlangt für teure medizinische Untersuchungen und Leistungen, wobei hier von „Überkonsum" die Rede war. Die Hoffnung, dass durch solche Maßnahmen der Kostenanstieg abgebremst werden könnte, hat sich sofort als falsch erwiesen. Zwar konnte man die Ausgaben der Versicherung dadurch verringern, dass man die Kosten teilweise durch die Versicherten selber tragen ließ. Doch wurden die Gesamtausgaben dadurch nicht gesenkt. Denn bei der Medizin scheint es sich um eine Art von „umgekehrter Wirtschaft" zu handeln: Billige Arzneimittel und Leistungen, die jeder zahlen kann, werden weniger nachgefragt als teure, weil man letzteren eine viel größere Wirksamkeit zuschreibt. Und vielmals glauben die Patienten (mit oder ohne guten Grund), dass sie als selbstzahlende Privatpatienten besser versorgt würden. 19 P. Zweifel / W. G. Manning, Moral hazard and Consumer Incentives in Health Care, in: A. J. Culyer / J. P. Newhouse, Handbook of Health Economics, Amsterdam etc., 2000, p. 410-459. 20 T. B. Gibson / C. G. McLaughlin / D. G. Smith, Cost-sharing for Prescription Drugs, in: Journal of the American Medical Association, 285 (4) Jan. 2001, p. 421. 21 H. L. Bailit e.A., The Effect of Cost Sharing on the Quality of Dental Care, in: Journal of Dental Education, 48 (11) Nov. 1984, p. 597-605.
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Kostenbeteiligungen der Patienten sind zudem selbst Ursache einer ganzen Reihe von Folgeproblemen, die nicht leicht zu lösen sind22: Sie belasten die Versicherten immer in einem sehr ungleichen Maße. Geringe Kosten, die für Normalverdiener leicht zu tragen sind, erscheinen für die Ärmeren als schwere Lasten. Geringe Kostenbeteiligungen an Arzneimitteln sind gut zu bewältigen für denjenigen, der sie nur selten braucht, werden aber eine schwere Belastung für chronisch Kranke, die sie ein Leben lang ständig benutzen müssen. Infolgedessen hat man in den verschiedenen Ländern allerhand soziale Korrekturen an den Kostenbeteiligungssystemen angebracht, aber man hat wohl nirgendwo ein System gefunden, das wirklich gerecht für alle ist. Hinzu kommt, dass es besonders schwierig ist, im Gesundheitswesen einen „normalen" Konsum zu definieren. Demgemäß kann man auch kaum festlegen, ab welcher Menge von einem „Überkonsum" die Rede sein soll.
3. Dritte Welle: Die Angebotsbeherrschung
Einer der großen Public Health Spezialisten der USA im 20. Jahrhundert, Milton Roemer, im Jahre 1937 einer der Promotoren des nicht erfolgreichen Projektes für eine Gesetzliche Krankenversicherung in den Vereinigten Staaten von Amerika, ist, offensichtlich zu seinem eigenen Erstaunen, Vater eines ganz anderen Gesetzes geworden, genannt „Roemer's Law". Diesem „Gesetz" zufolge schafft im Gesundheitswesen jedes Angebot seine eigene Nachfrage 23. Diese These Roemers basierte auf statistischen Untersuchungen, die ergaben, dass, obwohl in den unterschiedlichen US-amerikanischen Bundesstaaten (erhebliche) Unterschiede in den Ärztezahlen und in der Zahl der Krankenhausbetten bestanden, die Ärzte und auch alle Krankenhäuser etwa gleich ausgelastet waren, so, als hätte sich die Morbidität dem Bettenangebot angepasst. Verallgemeinert man diese Beobachtung, so bedeutet das: Lässt man das Angebot an Ärzten, Krankenhäusern und sonstigen Erbringern medizinischer Leistungen sich frei entwickeln, wird sich die Nachfrage der Patienten nach diesen Leistungen, unterstützt durch das in der Gesetzlichen Krankenversicherung überwiegend praktizierte Sachleistungsprinzip, gleichgerichtet entwickeln; die Ausgaben der Krankenversicherung werden also grenzenlos wachsen.
22 S. Trude, Patient Cost Sharing: how much is too much?, Center for Studying Health System Change, DeC 2003, p. 1-4. 23 J. G. Culis / P. A. West, The Economics of Health, Salisbury, Martin Robertson, 1979, p. 89-95.
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Fast überall wurde der erste Schritt zur Angebotsbeherrschung im Krankenhausbereich gemacht24. Sehr früh schon, noch in der Zeit des „Kalten Krieges", als die Idee einer Zentralverwaltungswirtschaft in den westlichen Ländern nicht gerade populär sein konnte, wurden in allen westeuropäischen Ländern Krankenhauspläne ausgearbeitet, in mehr oder weniger stringenter Form, die es oft nicht zuließen, sogar nicht mit eigenen Mitteln, Krankenhäuser oder Krankenhausabteilungen zu errichten, wenn sie nicht im öffentlichen Krankenhausplan vorgesehen waren. In einer späteren Phase wurden auch die medizinischen Großgeräte in diese Zwangsplanung einbezogen. Ohne nähere Hinterfragung wurde es für die Finanzierbarkeit der Krankenversicherung als bedrohlich angesehen, dass es „zuviele" Betten und Großgeräte gab, auch wenn niemand auf vernünftige Weise sagen konnte, wie hoch eine „normale" Versorgung mit diesen Betten und Geräten hätte sein sollen. Obwohl die Krankenhausplanung nichts ergab - oder hätten Sie geglaubt, dass sie wirksam hätte sein können? - ging man unverdrossen auf dem eingeschlagenen Weg weiter, nämlich mit einer Planung der Zahl niedergelassener Ärzte oder sogar der Zahl der Apotheker (auch wenn man kaum glauben kann, dass die Zahl der verschriebenen Arzneimittel irgendwie mit der Zahl der Apotheker zusammenhängt). Dort, wo die Niederlassungsfreiheit der Ärzte und sonstiger medizinischer Berufe aus rechtlichen Gründen nicht angetastet werden konnte, hat man es stromaufwärts versucht, nämlich mit einer Beschränkung der Zulassung von Studierenden in den medizinischen Fakultäten. Auch das hätte eigentlich als unvereinbar mit der Ausbildungsfreiheit angesehen werden müssen, doch wurde es in vielen Ländern unter dem Druck der bereits zugelassenen Ärzte als Schutz gegen den Konkurrenzdruck akzeptiert. Eine bedeutende Gruppe von Ländern ist auf dem Weg des demokratischen Zentralismus noch weiter gegangen. Sie haben nämlich das Gesundheitswesen oder wenigstens die Krankenhäuser und sonstigen Pflegeinstitutionen nationalisiert. Das historische Beispiel ist, selbstverständlich, der britische National Health Service (1948). Diesem Vorbild ist man gefolgt durch die Schaffung nationaler Gesundheitsdienste in Schweden (progressiv, ab 1940), Italien (1978), Dänemark (1968 bis 1974), Portugal (1979), Spanien (1986) und Griechenland (1983). Deswegen ist das alte Europa jetzt geteilt in zwei Gesundheitsgruppen: Länder mit einem nationalen Gesundheitsdienst und Länder mit traditioneller Krankenversicherung. Alle diese dirigistischen Maßnahmen, von denen man sich im Gesundheitsbereich offensichtlich gute Ergebnisse erhofft hat, auch wenn in allen anderen Politikbereichen zentrale Planung als gefährlich und unproduktiv abgelehnt
24 Für eine Übersicht: Hospital Committee of the European Community, Hospital Services in the E.C., Leuven, H.C.C.E., 1993, 512 p.
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wurde, haben am Ende für das Kostenproblem im Gesundheitswesen keine Lösung ergeben. Ganz im Gegenteil: Seit der Zwangsplanung der Krankenhausinfrastruktur hat man in allen Ländern eine starke Zunahme der Betten und eine ständige Verteuerung der Krankenhausaufenthalte ausgemacht. Und die Beschränkung der Zahl der Studienplätze für Ärzte und Zahnärzte hat einerseits wie es auch gemeint war - die Einkommenslage der Mediziner (noch) verbessert und andererseits - wie es nicht gemeint war - unter dem Gesundheitspersonal die Zahl der ausländisch Diplomierten stark angehoben. Eine Senkung der Kosten im Gesundheitswesen ist jedenfalls nicht erreicht worden.
4. Vierte Welle: Die Budgetierung
Folglich kehrte die Gesundheitspolitik zu den einfachen Grundgegebenheiten zurück, die lauten: Die Wünsche der Patienten sind unendlich. Und: Es gibt nicht genug Geld, um alle diese Wünsche zu befriedigen. Infolgedessen lautete die Schlussfolgerung: Die Krankenversicherung muss, schon aus buchhalterischen Gründen, eine Budgetlinie festlegen, über die hinaus sie in ihren Ausgaben in einem bestimmten Jahr nicht gehen kann25. Dieses Budget sollte möglichst auf Grund einer Vereinbarung unter den Betroffenen festgelegt werden, wobei durchaus nicht von wissenschaftlich begründeten Erwägungen, sondern von einer gegenwärtigen Ausgabenlage ausgegangen und sodann für die Zukunft eine maximale Anstiegsrate festgelegt wird. Eine solche Budgetierung kann sich verstehen als eine bloße Zielsetzung, an der sich die Ausgabenpolitik orientieren soll. Sie kann aber auch eine strikte Ausgabenbegrenzung darstellen, über die nicht hinausgegangen werden kann. Letzteres bedeutet dann nichts anderes, als dass man Kostensteigerungen dadurch abbremst, dass man den wieteren Anstieg einfach verbietet. Deutschland hat sich, entsprechend einem bestimmten preußischen Temperament, schon früh auf diesen Wege begeben. Schon seit alten Zeiten (1931) erfolgt die Ärztehonorierung in der Gesetzlichen Krankenversicherung über eine Gesamtvergütung, die von den Kassen an die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen überwiesen wird, und die dazu bestimmt ist, die Kassen von allen weiteren Honorarzahlungen in der laufenden Abrechnungsperiode zu befreien. Diese Verfahrensweise folgt der alten Idealvorstellung von einer Krankenversicherung, die keine Defizite aufweisen kann. In denjenigen Ländern, die sich für einen öffentlichen Gesundheitsdienst entschieden haben, herrschte das gleiche Ideal: Diese Dienste sollten einen jährlichen Etat für die Krankenpflege haben, und sie sollten genau wissen, wie viel 25 Siehe dazu C. Ham / A. Coulter , The Global Challenge of Health Care Rationing, Buckingham / Philadelphia, 2000, 267 p.
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sie in diesem Bereich ausgaben. In den anderen Ländern hat sich im Laufe der Jahre, besonders seit dem Jahr 1990, ein Bedarf nach einer stärkeren Gesamtbudgetierung der Krankenversicherungskosten herauskristallisiert. Belgien hat ein solches Budget im Jahr 1990 eingeführt und in verschiedenen Änderungsgesetzen in den folgenden Jahren verfeinert. Auch die Niederländer - immer schon keine Freunde der Großzügigkeit - haben im Jahre 1991 ein umfassendes und zwingendes Kranken Versicherungsbudget in Kraft gesetzt. Im nächsten Jahr (1992) ist dann das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) 26 in der Bundesrepublik Deutschland diesem Beispiel gefolgt. Und auch in anderen europäischen Ländern hat sich ähnliches getan27. Aus der Perspektive der Sozialversicherungsträger kann die Budgetierung als eine richtige und offensichtliche Lösung erscheinen. In Wirklichkeit darf man indes nicht außer acht lassen, dass es vorliegend um das Gesundheitswesen geht, das - wie erwähnt - mit menschlicher Angst und mit irrationellen Trieben zu tun hat. Deshalb kann man den Bürgern nicht einfach sagen, dass sie das, was sie fordern, nicht bekommen können, nur weil das Budget nicht reicht. Stattdessen wird das Budget einfach überschritten, und es kommt auch nicht in Frage, diese Budgetüberschreitung im nächsten Jahr durch Budgetkürzung wieder hereinzuwirtschaften. Vielmehr wird argumentiert, das Budget sei von vornherein unzureichend gewesen, weshalb es mindestens um den Betrag der Überschreitung erhöht werden müsse. Dieses Verfahren ist wohl auch alternativlos, denn eine ständige Unterfinanzierung des Gesundheitswesens würde von der Öffentlichkeit nicht akzeptiert. Es hilft auch nicht, wenn die Gesundheitspolitik versucht, die Verantwortlichkeit für die Budgeteinhaltung den Verursachern der Ausgaben zu übertragen, also den Ärzten und Zahnärzten. Verschiedene Länder haben das probiert, aber sehen müssen, wie schwierig es ist, ärztliche Leistungen oder Verordnungen im konkreten Einzelfall als übertrieben oder fehlerhaft einzustufen. Ferner haben sie auch erfahren, dass gerade die Ärzte, die man hier zur Verantwortung ziehen will, die notwendigen Partner sind, mit welchen man die Krankenversicherung auch in der Zukunft betreiben muss. Honorarkürzungen führen hier sofort zum Konflikt und zu neuen Honorarverhandlungen, die möglicherweise doch auf höhere Ausgaben hinauslaufen.
26 K. D. Henke / M. A. Murray / C. Ade, Global budgeting in Germany: Lessons for the United States, in: Health Affairs 13 (4) 1994, p. 22. 27 C. Ham / G. Robert (eds), Reasonable Rationing, International Experience of Priority Setting in Health Care, Maidenhaead / Philadelphia, 2003, 182 p.
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Jef Van Langendonck 5. Fünfte Welle: Die Marktwirkung
Viele Beobachter des Gesundheitswesens meinten, an den Kostensteigerungen sei die schwerfällige Bürokratie der Behörden oder der einzelnen Sozialversicherungsträger schuld. Hätte man die Sache der flexiblen und innovativen Privatwirtschaft anvertraut, wäre es nie so weit gekommen. Dann hätte der Wettbewerb auf dem Markt Inkompetenz bestraft und Effizienz gefordert. Die Systeme hätten bessere Leistungen erbracht und das mit geringeren Kosten. Die Urväter des Neoliberalismus sind bekannterweise Milton Friedman, Begründer der Chicago School, und Friedrich Hayek mit seinem „Kein Verlass auf Vater Staat"28. Diese Bewegung hat einen erheblichen Einfluss auf die Wirtschaftswissenschaft und auch auf die Aktivitäten z.B. der Weltbank und des IMF. Eine begeisterte Anhängerin dieser neoliberalen Politik war Margaret Thatcher, und das schlug sich in dem Reformgesetz „Social Security Act 1986" nieder, der auf Marktwirkung, Privatisierung, mehr Wahlmöglichkeit für die Bürger und überhaupt auf eine Verringerung der Rolle des Staates setzte. Die meisten Änderungen bezogen sich auf die Renten und auf sonstige Geldleistungen der sozialen Sicherheit, doch wurden auch für den National Health Service mit dem „White Paper" von 1986 wichtige Reformen in Aussicht gestellt. Ein „interner Markt" wurde eingeführt: Die größeren Arztpraxen konnten ein eigenes Budget beantragen, mit welchem sie bestimmte Leistungen bei den Krankenhäusern „kaufen" konnten29. Auch die Krankenhäuser bekamen ab 1991 mehr Freiheit und Selbstbestimmungsrechte. Sie konnten ihre Dienstleistungen verkaufen, genau so wie die privaten Krankenhäuser. Man glaubte, dass die Ärzte als Vormund ihrer Patienten besser die Entscheidungen treffen könnten über die Art und die Zahl der Leistungen und dass sie auch besser in der Lage sein würden, die besten und kosteneffizientesten Leistungserbringer auszuwählen30. In den Niederlanden hat man - ähnlich inspiriert - etwa in derselben Zeit einen Reformplan ausgearbeitet, der allerdings, weil man hier - anders als in Großbritannien - bereits eine private Medizin und einen Wettbewerb zwischen Krankenhäusern hatte, auf eine Marktwirkung bei der Verwaltung der Krankenversicherung setzte; man glaubte, dass diese Bürokratie besonders ineffizient sei. Die „Dekker"-Kommission, so genannt nach ihrem Vorsitzenden Wisse Dekker, vorheriger Vorsitzender des Philips-Konzerns, hat Vorschläge ge-
28
M Friedman / R. Friedman, Capitalism and Freedom, Chicago, 1975, 202 p; F. A. Hayek, The Road to Serfdom, Chicago, 1945, 250 p. 29 R. McMaster, The National Health Service, the 'internal market', in: J.B. Davis (ed), The Social Economics of Health Care, London, 2000, p. 113-140. 30 R. Levitt / A. Wall /J. Appleby, The Reorganized National Health Service, Cheltenham, 6 t h ed, 1999, 263 p.
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macht, die den Zuständigkeitsbereich der traditionellen Krankenkassenversicherung einschränken und den der Privatversicherung erweitern sollten31. Diese Vorschläge sind allerdings nur teilweise realisiert worden. Immerhin ist es aber so, dass heute ein erheblicher Teil der Bevölkerung in den Niederländen gegen Krankheitskosten privat versichert ist und dass zum Teil auch die gesetzliche Krankenversicherung nach Wahl des Versicherten durch private Versicherungsgesellschaften getragen werden kann32. Auch in Deutschland ist man diesen Weg gegangen: 1996 ist die Wahlfreiheit der Versicherten zwischen den Krankenkassen eingeführt worden - wobei es ausländische Beobachter am meisten erstaunt hat, dass diese Wahlfreiheit vorher nicht vorhanden war. Von dem Wettbewerb zwischen den Kassen hat man bessere Dienstleistungen, vor allem aber mehr „Wirtschaftlichkeit" in der Verwaltung der Sozialversicherungsträger erwartet. Auch diese stärkere Marktorientierung hat das Grundproblem aber ungelöst gelassen. Die Privatisierung und die Öffnung für den Wettbewerb hat in allen betroffenen Ländern zu einer Gesetzgebungs- und Reglementierungsflut geführt, die bestimmt nicht den Eindruck erweckt hat, dass die Rolle des Staates bei der Steuerung des Gesundheitswesens zurückgedrängt wäre. Zugleich ist das Finanzierungsproblem in allen diesen Ländern (sowie in allen übrigen Ländern) unvermindert geblieben. Und das ist auch kein Wunder. Man weiß - wie bereits erwähnt - schon sehr lange, dass das Gesundheitswesen kein ideales Gebiet für eine gute Wirkung marktwirtschaftlicher Instrumente ist. Diesbezüglich fehlt bei den Konsumenten die Sachkenntnis zur Beurteilung des Wertes der angebotenen Leistungen, wobei es die Medizin den Konsumenten auch nicht leicht macht, indem sie nur sehr ungern Informationen über ihre Praxis in die Öffentlichkeit gibt. Insofern enthielt schon der Eid des Hippokrates als eine wesentliche Forderung, dass die Ärzte das Geheimnis ihres Könnens zu bewahren haben33. Die heutigen Ärzte handeln immer noch so, vielleicht nicht so sehr aus Ehrfurcht vor dem traditionellen Eid, vielleicht auch nicht so sehr wegen der möglichen Konkurrenz jüngerer, neu ausgebildeter Kollegen, sondern eher aus Furcht vor den unvorhersagbaren Reaktionen der Patienten und - neuerdings - auch aus Furcht vor deren möglichen Klagen und Schadensersatzforderungen.
31 M. E. Homan, Prijskaartje Dekker. Analyse van de stelselherziening ziektekostenverzekering, 's Gravenhage, SWOKA, Onderzoeksrapport 72, 1989. 32 J. C. van Es, Background and Development of the Health Care system in the Netherlands; W. P. M. M. van de Ven, A Future for Competitive Health Care in the Netherlands, in: A. F. Casparie / H. E.G. M. Hermans / J. H. P. Paelinck, Competitive Health Care in Europe, 1990, p. 285-328. 33 D. Graham, Revisiting Hippocrates: deoes an oath really matter?, Journal of the American Medical Association 284 (22) Dec. 2000, p. 2841.
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Die britische NHS-Reform hat mit dieser Tatsache gerechnet. Deswegen hat sie die Wahlmöglichkeit nicht den Patienten, sondern den Ärzten gegeben; diese sollten für ihre Patienten eine informierte Entscheidung treffen. Real muss man allerdings feststellen, dass die Hausärzte nicht viel mehr wissen über die Qualität der Krankenhausversorgung als ihre Patienten selbst. Aufgrund ihrer etwas größeren, aber doch immer noch beschränkten Erfahrung können sie vielleicht einiges besser übersehen, besonders im negativen Sinne, z.B. zu welchen Fachärzten und Krankenhäusern ihre Patienten in bestimmten Fällen nicht gehen sollten. Die Art und Zahl der Leistungen, die im Krankenhaus den Patienten geboten oder aufgedrängt werden, können sie aber kaum beeinflussen 34. Noch weniger Erfolg konnte man von den niederländischen und deutschen Reformen erwarten. Sie haben nur etwas mit Wettbewerb auf der Verwaltungsebene zu tun. Doch muss der Einfluss der Krankenkassen auf die medizinische Leistungserbringung als besonders gering eingeschätzt werden. Das hat sich eindeutig gezeigt in den europäischen Ländern, darunter auch Belgien, in welchen es schon immer einefreie Krankenkassen wähl gegeben hat. Und - so muss man fragen - wird dieser Wettbewerb überhaupt die Verwaltungskosten senken? Ganz im Gegenteil. Die Kassen müssen um die Mitgliedschaft der Versicherten werben. Dazu brauchen sie vielleicht Reklame und besonders einen guten Kundendienst, was den Versicherten ja auch durchaus angenehm und nützlich ist. In Belgien jedenfalls lässt sich eindeutig beobachten, dass für die Krankenkassen die Zufriedenheit ihrer Kunden wichtiger war als die Finanzlage der Krankenversicherung. So machen sich die Kassen Freunde mit dem Mammon der Ungerechtigkeit, was dem Vater im Himmel gefallen möge, dem Sozialund Gesundheitsminister aber nicht.
6. Sechste Welle: Die Qualitätsüberprüfung
Und jetzt, wo man schon fast hoffnungslos geworden ist, kommen wir zu der neuesten Entwicklung, die den Kern der Sache darstellt. Denn der Skandal im Gesundheitswesen ist nicht, dass die Ausgaben in diesem Bereich zu schnell ansteigen. Keiner bestreitet, dass der Bedarf an medizinischer Versorgung und Pflege in unserer Gesellschaft stark gestiegen ist und noch mehr zunehmen wird. Niemand kann auch einigermaßen sicher und rational begründet sagen, was die „richtige" Ausgabenquote der Krankenversicherung sein soll. Folglich kann auch niemand belegen, dass das gegenwärtige Niveau dieser Ausgaben zu hoch ist. Der wirkliche Skandal ist, dass in unserer Gesellschaft finanzielle Mit-
34 A. Bowling/ A. Refern, The process of outpatient referral and care: the experience and views of patients, their general practitioners, and specialists, in: British Journal of General Practice 50 (451) Feb. 2000, p. 116-120.
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tel für unnütze, sogar gefährliche und manchmal tödliche medizinische Leistungen verwendet werden35 und dass es zugleich in der medizinischen Versorgung der Bevölkerung immer noch erhebliche Lücken gibt. Das ist inakzeptabel, und daran sollte man so schnell wie möglich etwas ändern. Damit haben die europäischen Länder teilweise auch schon begonnen: Zum einen haben sie, wenn sie nicht schon den Schritt zu einem nationalen Gesundheitsdienst gemacht haben, die Versicherungspflicht weiter ausgedehnt bis auf (fast) die ganze Bevölkerung. Überzeugend ist hier das französische Beispiel der „couverture maladie universelle". Zum anderen haben sie Maßnahmen zur Rationalisierung und zur qualitativen Überwachung der medizinischen Leistungen ergriffen. Hier sind vor allem der britische National Health Service, aber auch die deutsche und die französische Krankenversicherung Vorreiter. Diese Maßnahmen sind sehr wichtig. Sie orientieren sich an unterschiedlichen Einsichten. Die allgemeine Erkenntnis ist die, welche als „evidence-based medicine" gekennzeichnet wird 36. Es gibt zur Zeit viel mehr Informationen über die Praxis der Medizin und über ihre Ergebnisse als je zuvor, und diese Informationen sollte sich die Gesundheitspolitik zunutze machen. Wenn man sicher weiß, dass in bestimmten Fällen bestimmte Leistungen oder Produkte nicht wirksam sind, dann sollten die Kosten hierfür auch nicht von der Krankenversicherung übernommen werden. So haben z.B. die Franzosen große Mengen wenig wirksamer Arzneimittel aus den Listen der gesetzlichen Krankenversicherung gestrichen. Verschiedene Länder haben sich auch von der amerikanischen Praxis des „peer review" inspirieren lassen und Krankenhäuser und Kassenärzte zur Teilnahme an einer Qualitätsüberprüfung durch Qualitätsausschüsse verpflichtet. Ferner werden hier und dort Experimente mit Rationalisierungsmaßnahmen für die medizinischen Praxen durchgeführt, indem die Versicherungsleistungen nach „diagnosis related groups", „patient management categories" oder sonstigen Normierungskriterien bemessen werden37. In einigen Ländern werden auch, dies nach dem Beispiel des britischen „National Institute of Clinical Excellence"38, Institutionen zur Überwachung der Qualität der medizinischen Versorgung eingerichtet.
35
L. Chauveau , Pire que le mal. Enquête sur les erreurs médicales, Paris, 1989,
253 p. 36
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Jef Van Langendonck
Das alles ist gut und lobenswert. Löst es das Problem? Selbstverständlich nicht. Denn es ist und bleibt fraglich, was mit „Qualität" in der Medizin gemeint wird. Teilweise liegt dies in der Perzeption der Patienten, deren subjektive Erfahrungen mit den sie behandelnden Ärzten ganz anders sein können als die Ergebnisse „objektiver" Beurteilungsausschüsse. Teilweise liegt es auch daran, dass die von Beurteilungsausschüssen gemessenen Ergebnisse zur Zeit des medizinischen Handelns in der Zukunft lagen und nicht erkennbar waren. Man sollte die Ärzte nicht in die „defensive medicine" treiben. Denn eine risikofreie Medizin kann es nicht geben, und genauso nicht objektive Normen zu dem medizinisch zulässigen Risiko, wenn das überhaupt messbar wäre. I I I . Resümee Wir finden uns am Ende ziemlich weit entfernt von der Frage der Wirtschaftlichkeit in der Krankenversicherung. Das ist kein Wunder. Wirtschaftlichkeit ist eine Sache von Zahlen und Ziffern. Gesundheit und Gesundheitspflege aber hat mit menschlichem Leben und Sterben zu tun. Wenn es darauf ankommt, Entscheidungen zu treffen, die mit Krankheit und Todesangst zu tun haben, dann spielen die quantitative Daten keine Rolle mehr. Insofern treibt die Medizin immer noch in der Irrationalität, auch wenn sie von vielen „objektiven" Daten umkreist sein mag. Und deshalb kann man im Gesundheitswesen mit Normierung und Rationalisierung wenig erreichen. Hinzu kommt, dass unsere Gesundheitssysteme und Krankenversicherungen ständig zwei verschiedene und gegenläufige Zielsetzungen zugleich anstreben: die Verbesserung der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung und das Zufriedenstellen der Konsumenten auf dem Gesundheitsmarkt. Konzentriert man sich auf das eine Ziel, die Gesundheitsverbesserung, dann wird man unter den Klagen und Beschwerden der Bevölkerung begraben. Richtet man die Gesundheitspolitik auf das andere Ziel hin aus, hört man allüberall den Vorwurf, dass die Mittel der Krankenversicherung verschwendet würden. Es ist fast unmöglich, hier das „Richtige" zu tun. Nach meinem Dafürhalten sollte man sich, was die Kostenbeherrschung anbetrifft, auf die Qualitätsüberwachung konzentrieren. Das Kriterium „Qualität" ist wenigstens insofern unbestritten, als der Konsens besteht, dass die Krankenversicherung nicht für Leistungen, die keinen Nutzen haben, zahlen soll (und ganz bestimmt auch nicht für solche, die für die Gesundheit der Versicherten schädlich sein können). Wenn es gelingt, qualitativ geringwertige Leistungen aus der Krankheitsversorgung auszuklammern, was nicht so einfach ist, dann wird schon eine Ersparnis realisiert, und zwar eine besonders sinnvolle. Alles was die Krankenversicherung dann noch zahlt, wird a priori für wertvolle und nützliche Leistungen verwendet. Und das ist viel mehr, als man heute von unseren Gesundheitssystemen behaupten kann.
Wirtschaftlichkeitsanforderungen an Staat und Verwaltung im Rahmen der Osterweiterung der Europäischen Union (in umweltrechtlicher Perspektive) Von Andrzej Wasilewski,
Kraköw
I. Einleitung: Gemeinschaftsrecht und nationales Recht Das Gemeinschaftsrecht bildet gegenüber den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten eine autonome Rechtsordnung. Das ließ den Europäischen Gerichtshof ein Prinzip des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts 1 formulieren, womit gemeint ist, dass infolge der Entstehung der gemeinschaftlichen Rechtsordnung die Mitgliedstaaten nach Maßgabe der Bestimmungen des Vertrages eine Beschränkung ihrer Souveränitätsrechte hinzunehmen haben. Dieses Vorrangprinzip betrifft die vorrangige Anwendung sowohl des primären als auch des sekundären Gemeinschaftsrechts. Insoweit hat der Europäische Gerichtshof in seiner Rechtsprechung festgestellt, dass gemäß dem Vorrangprinzip die Vertragsbestimmungen und die unmittelbar geltenden Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane in ihrem Verhältnis zum innerstaatlichen Recht der Mitgliedstaaten einerseits zur Folge haben, dass jede zuwiderlaufende Bestimmung des geltenden staatlichen Rechts ohne weiteres unanwendbar wird, andererseits, dass ein wirksames Zustandekommen neuer staatlicher Gesetzgebungsakte insoweit verhindert wird, als diese mit Gemeinschaftsnormen unvereinbar wären2. Auch wenn der Europäische Gerichtshof auf die aus dem Vorrangprinzip resultierenden Beschränkungen vor allem im Hinblick auf die gesetzgebenden Organe der Mitgliedstaaten hingewiesen hat, so ist dieser Vorrang in der Praxis („im Alltag") vor allem für diejenigen Organe von Gewicht, die das Recht anwenden, d.h. für die Organe der öffentlichen Verwaltung und für die Organe der Rechtspflege (Gerichte). Denn der Vorrang des Gemeinschaftsrechts bewirkt, dass Verwaltungsorgane und Gerichte der Mitgliedstaaten, die für die Ausle1 Vgl. EuGH, Urteil vom 15. Juli 1964 - (Rs. 6 / 64 - Costa-ENEL), Slg. 1964, S. 1251. 2 Vgl. EuGH, Urteil vom 9. März 1978 - (Rs. 106 / 77 - Simmenthai II), Slg. 1978, S. 629 (Nr. 17-18).
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gung des innerstaatlichen Rechts und für die Kontrolle seiner Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht zuständig sind, die Verpflichtung haben, die Anwendung jeder innerstaatlichen Norm zu verweigern, wenn sie feststellen, dass diese Norm mit dem Gemeinschaftsrecht nicht im Einklang steht3. Dabei ist es den Verwaltungsorganen, anders als den Gerichten (Art. 234 EGV), allerdings nicht möglich, sich an den Europäischen Gerichtshof zu wenden, um Vorabentscheidungen zu Auslegungsfragen einzuholen. Für die Länder, die der Europäischen Union beitreten wollen, bedeutet demnach das Prinzip des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts eine gewichtige Herausforderung, wenn man bedenkt, dass mit dem Beitritt zur Union die bisher geltenden innerstaatlichen Rechtsordnungen und die darauf beruhende Anwendungspraxis einer gewissen Konfrontation mit dem Gemeinschaftsrecht und dem acquis communautaire unterliegen. Und deswegen lohnt es sich, über den bei diesem Symposium zur Debatte stehenden Wirtschaftlichkeitsbegriff nachzudenken, dessen Probleme ja weder einheitlich noch leicht zu erkennen sind.
I I . Wirtschaftlichkeitserwägungen und Umweltschutz im Widerstreit - eine Bestandsaufnahme des Gemeinschaftsrechts und der EuGH-Rechtsprechung
1. Begriffliche Abgrenzungen
Wirtschaftlichkeit - verstanden als ein unbestimmter Rechtsbegriff, mit dem beurteilt wird, ob die Bedeutung erreichbarer Ziele für das Gemeinwohl den eingesetzten Aufwand an Zeit, Arbeitskraft, Finanzmitteln usw. unter Einschluss etwaiger abträglicher Nebenfolgen - als gerechtfertigt erscheinen lässt und ob die gleichen Ziele nicht auch mit geringerem Aufwand erreicht werden könnten, ist ein Bestandteil des sog. Effizienzmaßstabs, der auf dem Boden der Rechtsstaatlichkeit und auch des Gemeinschaftsrechts als ein im Recht fundierter Grundsatz angesehen wird 4. Wirtschaftlichkeit steht hier neben dem Grundsatz der Nachhaltigkeit, der eine wertende Entscheidung darstellt, die in der Ökonomie als Kosten-Nutzen-Analyse bezeichnet wird, in der Ethik als Übelabwägung und in der Rechtswissenschaft als Beachtung der Grundsätze der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit. Ferner ist Wirtschaftlichkeit 3
Vgl. EuGH, Urteil vom 22. Juni 1989 (Rs. 103 / 88 - Fratelli Costanzo SPA- Commune du Milano), Slg. 1989, S. 1839. 4 Vgl. Eberhard Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee. Grundlagen und Aufgaben der verwaltungsrechtlichen Systembildung, 1998, S. 285 (Rn. 90 bis 93) und dort zitierte Literatur.
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von der Verhältnismäßigkeit abzugrenzen, die die Frage eines schonenden Ausgleichs zwischen Mittel und Zweck betrifft. Zu beachten ist, dass sich Effizienz nicht nur ganz oder gar nicht verwirklichen lässt, sondern durchaus auch graduell in Abhängigkeit von kollidierenden Prinzipien, während Wirtschaftlichkeitskriterien im Einzelfall auf Optimierung hin angelegt sind. Insofern gibt es kein wirkendes und zweifelsfrei zu beurteilendes Wirtschaftlichkeitsgebot, sehr wohl aber ein universales Optimierungsgebot aufgrund des Wirtschaftlichkeitsprinzips 5. Wirtschaftlichkeit ist also ein situationsbezogenes Gebot6. In besonderer Weise ist dies in der Perspektive des gegenwärtigen Umweltrechts sichtbar, dessen Ziele gerade unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Nachhaltigkeitsgrundsatzes verwirklicht werden in einer Art also, die eine harmonische Verwirklichung politischer, wirtschaftlicher und sozialer Aufgaben bei gleichzeitiger Einhaltung des nachhaltigen dauerhaften Gleichgewichts der Natur anstrebt7.
2. Die Bedeutung des Wirtschaftlichkeitsgebots in ausgewählten Gebieten
Für die Anwendung von Wirtschaftlichkeitskriterien im Bereich des Umweltschutzrechts ist allerdings eine gewisse Ambivalenz kennzeichnend, die sich auch im Gemeinschaftsrecht bemerkbar macht und folglich auch in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zum Ausdruck kommt. Diese Ambivalenz soll im folgenden anhand von einigen Beispielen aus verschiedenen Rechtsgebieten (Naturschutzrecht, Abfallrecht, Vergaberecht und Energierecht) veranschaulicht werden. 5 Vgl. Christoph Gröpl, Ökonomisierung von Verwaltung und Verwaltungsrecht, VerwArch 93 (2002), S. 459 (473 f.). 6 Vgl. Friedrich E. Schnapp, Der Haushaltsgrundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit - im Sozialrecht und in anderen Rechtsgebieten, Festschrift filr Bernd Baron von Maydell, 2002, S. 621 (625, 632). 7 Vgl. Wolfgang Kahl, Der Nachhaltigkeitsgrundsatz im System der Prinzipien des Umweltrechts, in: H. Bauer / D. Czybulka / W. Kahl / A. Vosskuhle (Hrsg.), Umwelt, Wirtschaft und Recht, 2002, S. 111 (126 ff.). Nota bene ist dieser Grundsatz verbindlich nicht nur im Gemeinschaftsrecht (vgl. 8. Erwägungsgrund der Präambel zum EUV und Art. 2 Abs. 1 EUV sowie Art. 2, Art. 6 und Art. 174 EGV), sondern auch im polnischen Recht (vgl. insbesondere Art. 5 der Verfassung der Republik Polen vom 2. April 1997 (GBl. RP Nr. 78 Pos. 483, mit Änderungen), die am 17. Oktober 1997 in Kraft getreten ist. Dort heißt es: „Die Republik Polen schützt die Unabhängigkeit und Integrität ihres Territoriums, gewährleistet Freiheiten und Rechte der Menschen und der Bürger sowie die Sicherheit der Staatsbürger, schützt das nationale Erbe und gewährleistet den Umweltschutz, wobei sie sich von dem Prinzip der nachhaltigen Entwicklung leiten lässt". Siehe ferner Art. 1 Abs. 1 des polnischen Umweltschutzrecht-Gesetzes vom 27. April 2001 (GBl. RP Nr. 62 Pos. 627, mit späteren Änderungen), der lautet: "Das Gesetz bestimmt Umweltschutzprinzipien und Gebrauchsbedingungen ihrer Ressourcen unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeitserfordernisse..."
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a) Naturschutzrecht Als ein erstes interessantes Beispiel für die Anwendung von Wirtschaftlichkeitskriterien im Bereich des Umweltschutzes können die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften zum Naturschutz angeführt werden, und zwar die Vorschriften der sog. Vogelschutzrichtlinie8 und der sog. FFH-Richtlinie9 sowie die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bezüglich der Auslegung und Anwendung dieser beiden Richtlinien10. Die Vogelschutzrichtlinie hat die Erhaltung sämtlicher wildlebenden Vogelarten, die im Gebiet der Mitgliedstaaten heimisch sind, auf einem Stand zum Ziel, der insbesondere den ökologischen, wissenschaftlichen und kulturellen Erfordernissen entspricht, wobei aber auch den wirtschaftlichen und freizeitbedingten Erfordernissen Rechnung getragen werden soll (Art. 1). Deshalb verpflichtet die Richtlinie die Mitgliedstaaten, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um für alle unter Artikel 1 fallenden Vogelarten eine ausreichende Vielfalt und eine ausreichende Flächengröße der Lebensräume zu erhalten oder wiederherzustellen, was unter anderem die Einrichtung von Schutzgebieten und die Pflege und ökologisch richtige Gestaltung der Lebensräume in und außerhalb von Schutzgebieten umfasst (Art. 3 Abs. 1, Abs. 2). Insbesondere gilt dies, wenn es um die in Anhang I aufgeführten Vogelarten geht, auf die besondere Schutzmaßnahmen anzuwenden sind (Art. 4 Abs. 1). Soweit die Vorschriften der Richtlinie davon ausgehen, dass ihre Ziele unter Berücksichtigung auch wirtschaftlicher Belange zu verwirklichen sind, so vertritt der Europäische Gerichtshof in seiner Rechtsprechung insoweit den Standpunkt, dass ein Mitgliedstaat nicht nur zur Errichtung besonderer Schutzgebiete verpflichtet ist, sondern dass er sich darüber hinaus bei der Errichtung solcher Schutzgebiete ausschließlich nach ökologischen Gründen zu richten hat. Auf wirtschaftliche oder gesellschaftliche Aspekte soll erst dann Rücksicht zu nehmen sein, wenn es darum geht zu bestimmen, wie einem bestimmten, besonders zu schützenden Gebiet Sicherheit garantiert werden soll11. Ähnlich verhält es sich bei der FFH-Richtlinie, der zufolge die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, besondere Schutzgebiete auszuweisen, die die natürlichen 8 Richtlinie 79 / 409 / EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. 1979 L 103 / 1 mit Änderungen, siehe hierzu: ABl 1997 L 223 / 9). 9 Richtlinie 92 / 43 EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. 1992 L 206 / 7 mit Änderung, siehe: ABl. 1997 L 305 / 45). 10 Vgl.: Hans D. Jarass, Das Bauplanungsrecht unter dem Einfluss des EG-Rechts, Festschrift für Winfried Brohm, 2002, S. 139 ff. 11 Vgl. EuGH, Slg. 1991,1-883 /931, Rn. 21 f.; EuGH, Slg. 1991, 1-3031, Rn. 56 ff. (Rn. 59).
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Lebensraumstypen des Anhang I sowie die Habitate der Arten des Anhang II umfassen. Vogelschutzgebiete und besondere Schutzgebieten bilden das sog. Europäische Ökologische Netz mit der Bezeichnung „Natura 2000" (Art. 3). Auch für die Errichtung eines besonderen Schutzgebietes sind ökologische und nicht etwa wirtschaftliche oder soziale Gründe maßgeblich. Die Errichtung solcher Schutzgebiete nach der FFH-Richtlinie erfolgt im Rahmen einer dreistufigen Prozedur (Art. 4), wobei in der ersten Phase die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, anhand der in Anhang III festgelegten Kriterien eine Liste von Gebieten vorzulegen, in der die in diesen Gebieten vorkommenden natürlichen Lebensraumtypen und die Habitate der einheimischen Arten aufgeführt sind. In der zweiten Phase erstellt die Kommission jeweils im Einvernehmen mit den Mitgliedstaaten aus den Listen der Mitgliedstaaten eine Liste der Gebiete (Objekte) von gemeinschaftlicher Bedeutung. Und in der dritten Phase, d.h. nach Erstellung dieser Liste, sind die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, das als Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung bezeichnete Gebiet als besonderes Schutzgebiet auszuweisen; sie müssen dabei Prioritäten hinsichtlich der Wichtigkeit dieser Gebiete für die Wahrung oder die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes eines natürlichen Lebensraumtyps oder einer Art festlegen, ferner sich an der Kohärenz des Netzes „Natura 2000" orientieren sowie bestimmen, inwieweit diese Gebiete von Schädigung oder Zerstörung bedroht sind. Gemäß Art. 6 der FFH-Richtlinie, deren Bestimmungen auch auf die nach Maßgabe der Vogelschutzrichtlinie errichteten Schutzgebiete Anwendung finden, legen die Mitgliedstaaten die nötigen Erhaltungsmaßnahmen (Bewirtschaftungspläne) fest. Sie sollen in andere, im jeweiligen Mitgliedstaat aufgestellte Entwicklungspläne integriert sein, dies allerdings mit dem Vorbehalt, dass Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, gleichwohl aber geeignet sind, ein solches Gebiet einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich zu beeinträchtigen, eine Prüfling auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen erfordern 12. Im Ergebnis dürfen die zuständigen einzelstaatlichen Behörden solchen Plänen oder Projekten grundsätzlich nur zustimmen, wenn sie festgestellt haben, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird und die Maßnahmen selbst von der Öffentlichkeit akzeptiert sind (Art. 6 Abs. 3). Doch sind Ausnahmen zulässig: Trotz negativer Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung kann ein Plan oder Projekt aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, darunter auch des wirtschaftlichen oder sozialen
12 Vgl. Alexander Schink, Die Verträglichkeitsprüfung nach der Fauna-Flora-HabitatRichtlinie der EG, DÖV 2002, S. 45 ff.
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Interesses, durchgeführt werden. Allerdings ist das dann wiederum nicht vorbehaltlos zulässig (siehe Art. 6 Abs. 4): Der Mitgliedstaat hat in einem solchen Fall alle notwendigen Ausgleichmaßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die globale Kohärenz von Natura 2000 geschützt ist. Außerdem muss er die Europäische Kommission über diese Ausgleichsmaßnahmen unterrichten. Ferner kann der Mitgliedstaat bei denjenigen Gebieten, die einen prioritären natürlichen Lebensraumtyp und / oder eine prioritäre Art einschließen, nur Erwägungen im Zusammenhang mit der Gesundheit der Menschen und der öffentlichen Sicherheit, ferner günstige Auswirkungen für die Umwelt und schließlich auch noch - dies nach Stellungnahme der Kommission - andere zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses geltend machen. Alles in allem bedeutet das, dass im Falle der FFH-Richtlinie grundsätzlich ausschließlich ökologische Gründe über die Aufnahme bestimmter Gebiete in die der Kommission vorzulegende Liste entscheiden sollen (die erste Phase). Könnten nämlich die Mitgliedstaaten frei über die Kriterien für die Aufnahme bestimmter Gebiete in das der Kommission zuzuleitende Verzeichnis verfügen, würde das letztendlich eine einheitliche und wirksame Verwirklichung der Ziele dieser Richtlinie zunichte machen13. Mehr noch: Im Lichte der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind die Vorschriften der FFH-Richtlinie so auszulegen, dass bestimmte Gebiete, die - objektiv gesehen - aus ökologischen Gründen in die Liste, die der Kommission vorzulegen ist, aufgenommen werden sollten, die jedoch aus anderen (z.B. wirtschaftlichen) Gründen gleichwohl nicht auf dieser Gebietsliste auftauchen, wegen ihres ökologischen Werts dennoch zu schützen sind. Folglich soll ein Gebiet, das in der ersten Phase von dem Verzeichnis ausgenommen und der Europäischen Kommission nicht gemeldet worden ist, bei Vorliegen einer faktischen ökologischen Bedeutung noch strengeren Schutzmaßnahmen unterworfen werden können als die in die Liste aufge-
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Vgl. EuGH, Urteil vom 7.11.2000 (Rs. C-371 / 98 - Vorlage des High Court of Justice), Rn. 16 ff. In seiner Entscheidungsbegründung stellte der Europäische Gerichtshof dabei ausdrücklich fest: „Angesichts der Tatsache, dass ein Mitgliedstaat, wenn er die nationale Liste der Gebiete erstellt, nicht genau und im Einzelnen wissen kann, wie die Situation der Habitate in den anderen Mitgliedstaaten ist, kann er nicht von sich aus wegen Anforderungen von Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur oder wegen regionaler und örtlicher Besonderheiten Gebiete ausnehmen, denen auf nationaler Ebene erhebliche ökologische Bedeutung für das Ziel der Erhaltung zukommt, ohne damit die Verwirklichung dieses Ziels auf Gemeinschaftsebene zu gefährden. (...) Könnten die Mitgliedstaaten bei der Auswahl und Abgrenzung der Gebiete, die in die gemäß Art. 4 Abs. 1 der Habitatrichtlinie zu erstellende und der Kommission zuzuleitende Liste aufgenommen werden sollen, den Anforderungen von Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur sowie den regionalen und örtlichen Besonderheiten Rechnung tragen, so hätte die Kommission insbesondere keine Gewissheit, dass sie über ein umfassendes Verzeichnis der als besondere Schutzgebiete in Betracht kommenden Gebiete verfügt, und das Ziel, aus diesen ein kohärentes europäisches ökologisches Netz zu errichten, würde möglicherweise verfehlt." (Rn. 23 und Rn. 24).
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nommenen Gebiete. Denn es erscheint nicht zulässig (selbst in Ausnahmefällen nicht), auf diese Gebiete geminderte Schutzgrundsätze anzuwenden, weil dies der Richtlinie zufolge nur für die aufgelisteten Gebiete vorgesehen ist (vgl. Art. 6 Abs. 4) 14 . Das obige Beispiel zeigt, dass der Auslegung und Anwendung der gemeinschaftlichen Regelungen der Vogelschutz- und der FFH-Richtlinie, die sich auf die Verwirklichung von Zielen des Naturschutzes durch die Errichtung von Schutzgebieten im Rahmen des ökologischen Netzes „Natura 2000" beziehen, der Grundsatz der Priorität ökologischer Gründe zugrunde liegt. Wirtschaftliche Ziele können nur - und auch dies nur in beschränktem Umfang und nur unter Einhaltung bestimmter Prozeduren - verwirklicht werden, soweit dies die Verwirklichung des Hauptzieles, d.h. das Ziel des Naturschutzes, nicht erschwert oder gar zunichte macht. Für jeden Mitgliedstaat (und hier für Legislative, Exekutive und Judikative) ist es daher von grundlegender Bedeutung, im Rahmen des innerstaatlichen Rechts solche Rechtsgrundlagen und solche Verfahren für die Verwirklichung der Ziele des Naturschutzes zu schaffen, die die Wahrung des einschlägigen Gemeinschaftsrechts sicherzustellen vermögen15.
b) Abfallrecht Anders ist es um die Anwendung des Wirtschaftlichkeitskriteriums bezüglich der Abfallproblematik bestellt. Die gemeinschaftsrechtlichen Abfall-Regelungen sind außerordentlich gut ausgebaut; genauso verhält es sich mit der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs 16. Als ein gutes Beispiel kann das ASA-Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 27. Februar 200217 angeführt werden, in dem der Gerichtshof nach Art. 234 EG zu der Vorlagefrage des Österreichischen Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich der Zuläs-
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Vgl. EuGH, Urteil vom 7.12.2000 (Rs. C-374 - Kommission / Französische Republik), Rn. 47: „Die Gebiete, die nicht zu besonderen Schutzgebieten erklärt wurden, obwohl dies erforderlich gewesen wäre, unterliegen somit weiterhin der Regelung des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 der Vogelschutzrichtlinie". 15 Interessante Erwägungen zu den Schwierigkeiten beim Konstruieren von geeigneten Rechtslösungen anhand der Erfahrungen des deutschen Rechts finden sich bei Hans D. Jarass (o. Fn. 10), Festschrift für Winfried Brohm, 2002, S. 139 (147 ff., mit weiteren Nachweisen) sowie bei Martin Gellermann / Matthias Schreiber, Zur „Erheblichkeit" der Beeinträchtigung von Natura-2000-Gebieten und solchen, die es werden wollen, NuR 2003, S. 205 ff. 16
Vgl. z.B. Clemens Weidemann, Abfallrecht: Grundlagen, in: H. W. Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band II - Besonderes Umweltrecht, § 71, S. 799 ff. 17 EuGH, Urteil vom 27. Februar 2002 (Rs. C-6 / 00 - Abfall Service AG / Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie), Slg. 2002,1-1961.
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sigkeit der Verwertung von Abfällen als Bergversatz in einem stillgelegten Salzbergwerk Stellung genommen hat18. Konkret ging es darum, dass die österreichische Gesellschaft Abfall Service AG (ASA) mit Sitz in Graz beabsichtigte, 7.000 Tonnen gefährlicher Abfälle nach Deutschland zu verbringen. Bei den Abfällen handelte es sich um Schlacken und Aschen, die als Rückstände der Abfallverbrennung in einer Abfallbehandlungsanlage entsprechend aufbereitet worden waren und nun in ein ehemaliges Salzbergwerk in Deutschland zur Sicherung von Hohlräumen eingebracht werden sollten (als Bergversatz). Eine solche Lösung wäre finanziell nicht nur für die ASA viel günstiger (billiger) gewesen als die Lagerung, sondern auch für die deutsche Firma, weil diese höhere Kosten für einen anderen, zur Füllung der Hohlräume geeigneten Versatzstoff gespart hätte (es war - nota bene - bekannt, dass diese Firma, im Bereich der Salzförderung tätig, etwa ein Drittel ihres Umsatzes in die Abfalllagerungsbranche investiert hatte)19. Die ASA teilte ihre Absicht dem österreichischen Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie (BMU) mit und stufte in den Notifizierungsunterlagen die Verwendung der zu verbringenden Abfälle als Verwertung nach dem Verfahren R 5 des Anhangs II B der Abfall-Rahmenrichtlinie des Rates 75 / 442 / EWG vom 15 Juli 1975 ein20. Nachdem aber das Ministerium gegen diese Verbringung Einspruch21 mit der Begründung erhob, die beabsichtigte Verbringung stelle keine Verwertung, sondern ein Beseitigungsverfahren dar, und zwar das Beseitigungsverfahren D 12 des Anhangs II A der Richtlinie, erhob die ASA gegen den Bescheid Beschwerde zum Verwaltungsgerichtshof. Dieser legte nach Art. 234 EG dem Europäischen Gerichtshof Fragen zur Auslegung der einschlägigen Vorschriften sowohl der Abfall-Rahmenrichtlinie als auch der Abfallverbringungsverordnung zur Vorabentscheidung vor. Zentral ging es um die Rechtsfrage, ob sich das Verfahren, von dem in Anhang II der Abfall-Rahmenrichtlinie die Rede ist und das in der Lagerung von Abfällen in Hohlräumen besteht, als „Beseitigung" oder als „Verwertung" von Abfällen im Sinne der Definition aus Art. 1 Buchstabe e und Buchstabe f der
18 Vgl. hierzu Thomas Groß, Ökologische Auslegung des europäischen Abfallrechts? - Kritische Anmerkungen zum ASA-Urteil des Europäischen Gerichtshofs, EuR 2003, S. 146 ff. 19 Vgl. Thomas Groß (o. Fn. 18), EuR 2003, S. 146 Fn. 4. 20 Abi. L 194 (mit Änderungen durch Richtlinie 91 / 156 / EWG des Rates vom 18. Mai 1991 [ABl. L 78] und Entscheidung 96 / 350 / EG der Kommission vom 24. Mai 1996 [ABl. L 135]). Anhang II B. betrifft Handlungen zur Abfallverwertung, R. 5 die „Verwertung von anderen nichtorganischen Stoffen". 21 Der Bescheid stützte sich auf Art. 7 Absatz 4a, 5. Gedankenstrich der Abfallverbringungsverordnung des Rates 259 / 93 / EWG vom 1. Februar 1993 (BG1. L 30, S. 1, mit späteren Änderungen: Entscheidung des Rates 98 / 368 / WE vom 18. Mai 1998-Abi. L 165, S. 20).
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Abfall-Rahmenrichtlinie darstellt. In Punkt 2 seines Urteilsspruchs erkannte der Europäische Gerichtshof diesbezüglich: „Die Einbringung von Abfällen in ein stillgelegtes Bergwerk stellt nicht zwingend eine Beseitigung im Sinne des Verfahrens D 12 des Anhangs II A der Richtlinie 75 / 442 / EWG des Rates vom 15. Juli 1975 (...) dar. Diese Einbringung muss je nach Einzelfall (a casu ad casum) beurteilt werden, um festzustellen, ob es sich um eine Beseitigung oder um eine Verwertung im Sinne der Richtlinie handelt. Eine solche Einbringung stellt eine Verwertung dar, wenn ihr Hauptzweck darauf gerichtet ist, dass die Abfälle eine sinnvolle Aufgabe erfüllen können, indem sie andere Materialien ersetzen, die für diese Aufgabe hätten verwendet werden können."
Der Europäische Gerichtshof stellte sich also auf den Standpunkt, dass sich aus Art. 3 Abs. 1 Buchstabe b der Abfall-Rahmenrichtlinie ergibt, dass der Begriff der „Verwertung" sehr weit zu verstehen ist, so dass er alle Fälle erfassen kann, in denen Abfälle als nützliches Material eingesetzt werden können, was letztendlich die Ressourcen der Natur schützt22. In seinem Kommentar zu dieser Entscheidung des Gerichtshofs hat Thomas Groß23 mit Recht vor allem daraufhingewiesen, dass der Standpunkt des Europäischen Gerichtshofs in dieser Sache deutlich beweist, dass ein zentrales Problem des neueren Abfallrechts eben darin liegt, sowohl den ökonomischen als auch den ökologischen Belangen im Umgang mit Abfällen Rechnung tragen zu müssen. Der Hierarchie der Ziele „Vermeidung - Verwertung - Beseitigung" liege in diesem Bereich die ökologische Idee zugrunde, nämlich die Verwirklichung des Ziels „Schutz natürlicher Ressourcen". Zwar hatte der zuständige Generalanwalt Jacobs24 in seinem Schlussantrag die Wichtigkeit einer richtigen Abwägung und Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitskriteriums für die jeweilige Bewertung des Verfahrens der Abfallbehandlung betont, doch sah der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil von einer vertieften Erwägung dieser Frage bedauerlicherweise ab. In einigen Urteilsbesprechungen wurde diesbezüglich darauf hingewiesen, dass Abfälle, deren Anfall durch eine entsprechende Gestaltung der Produktion nicht vermieden werden kann, möglichst nicht in die Deponierung abgegeben, sondern in den Wirtschaftskreislauf zurückgegeben werden sollen. Das entspricht im übrigen der früheren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs 25, der zufolge „Abfall" als Wirtschaftsgut auch Gegenstand des Handelsverkehrs sein kann, was seinerseits zur Folge hat, dass auch der Verkehr mit Abfällen als wirtschaftlich
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Vgl. EuGH, Urteil vom 27. Februar 2002 (Rs. C-6 / 00 - Abfall Service AG / Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie), Slg. 2002,1-1961, Rn. 69. 23 Thomas Groß (o. Fn. 18), EuR 2003, S. 146 (147). 24 Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts, Slg. 2002,1-1963, Rn. 88 25 Vgl. EuGH, Urteil 172/88 in der Rechtssache Inter-Huiles, (Slg. 1983, S. 555). 7 Butzer
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verwertbaren Gütern durch die gemeinschaftsrechtliche Garantie der Handelsfreiheit erfasst ist. Dennoch darf dies, wie Thomas Groß26 mit Recht bemerkt hat, nicht dazu führen, dass der grundsätzliche Unterschied verwischt wird, der aus dem Gesichtspunkt der Verwirklichung von Umweltschutzzielen zwischen einer „Verwertung" und einer „Beseitigung" von Abfällen besteht. Dieser wichtige Unterschied besteht nämlich darin, dass die „Verwertung" von Abfällen im Grunde als ein Element derfreien Marktwirtschaft mit Abfällen betrachtet wird; hierbei würde den Erfordernissen des Umweltschutzes nur im Rahmen der klassischen Regelung des Schutzes vor Gefahren Rechnung getragen werden können. Dagegen ist die „Beseitigung" von Abfällen, weil es sich um ein für die Biosphäre riskantes Verfahren handelt, komplett der Zuständigkeit und der Verantwortlichkeit der öffentlichen Gewalt überlassen, weil nur so gewährleistet werden kann, dass die Abfallbehandlung der vom Standpunkt der Verwirklichung der Umweltschutzziele her gesehen optimalen Technologie der Abfallbeseitigung entspricht27. Insofern ist zu beachten, dass nicht jede „Verwertung" von Abfällen, weil diese sich in erster Linie an den entstehenden Kosten orientiert, als ökologisch günstig angesehen werden muss28. Und wenn auch im gemeinschaftsrechtlichen Abfallrecht dem Verwertungsgrundsatz Priorität gegenüber der Beseitigung von Abfällen eingeräumt wurde, so kann man sich dennoch kaum des Eindrucks erwehren, dass sich dessen Anwendung letztlich auf die Umwelt ungünstig auswirken kann. Der Europäische Gerichtshof hat sich - wie bereits erwähnt - zur Beachtlichkeit des Kriteriums der Wirtschaftlichkeit des jeweiligen Verfahrens der Abfallbehandlung bedauerlicherweise nicht geäußert. Es mag ja sein, dass im primären Gemeinschaftsrecht die Präferenz der Verwirklichung der Umweltschutzziele gegenüber den Wirtschaftzwecken nicht als Generalgrundsatz formuliert 26
Eine von Grund auf andere Situation war vor kurzem Gegenstand des in letzter Zeit erlassenen Urteils des Europäischen Gerichtshofs, in dem es zwar auch um die Frage der Verwertung von Abfällen zur erforderlichen Auffüllung von Stollen, bei den Abfällen aber um die in demselben Grubenbetrieb entstandenen Abfälle in Form von im Bergbau anfallenden Nebengestein und von bei der Erzaufbereitung anfallenden Sandrückstände ging - vgl. EuGH, Urteil vom 11. September 2003 (Rs. C-l 14 / 01 - Avesta Polarit Chrome Oy). 27 Vgl. Martin Beckmann, Zulassung von Anlagen und Tätigkeiten, in: H. W. Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht. Band. II - Besonderes Umweltrecht, § 73, S. 879 ff. 28 Nota bene weist Thomas Groß (o. Fn. 18), EuR 2003, S. 146 (149), in diesem Zusammenhang zutreffend auf die immer wieder aufgedeckten Affären und Skandale hin, die auf die unrichtige Kontrolle der „Abfallverwertung" zurückgehen, so z.B. auf einen im Frühjahr 2002 aufgedeckten Fall, in dem in einem in Belgien hergestellten Tierfutter Beimischungen von aus Irland stammenden pharmazeutischen Abfällen festgestellt wurden.
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wurde. Und auch durch die in Art. 6 EG formulierte sog. Querschnittsklausel, die es gebietet, bei der Planung und Verwirklichung anderer Politiken und Handlungen der Gemeinschaft den Erfordernissen des Umweltschutzes Rechnung zu tragen, wird der Rang des Umweltschutzziels nicht a priori entschieden. Von entscheidender Bedeutung sollte aber in diesem Fall sein, was auch Thomas Groß29 in seiner Urteilsbesprechung zutreffend hervorgehoben hat, dass die hier diskutierten, die Abfallproblematik betreffenden Akte des sekundären Gemeinschaftsrechts ihre Grundlage in Art. 175 EG (früher Art. 130s EGV) haben, auch wenn die ursprüngliche Fassung der Abfall-Rahmenrichtlinie noch auf Grund des Art. 100 in Verbindung mit Art. 235 EGV erlassen wurde. Die Akte gründen sich also auf diejenigen Vorschriften des primären Gemeinschaftsrechts, die ausdrücklich der Verwirklichung der Umweltschutzziele dienen. Diesem Umstand sollte bei der Auslegung der zu analysierenden Vorschriften des sekundären Gemeinschaftsrechts die entscheidende Bedeutung zukommen. Konkret heißt das, dass im Zweifel zu Gunsten von Umweltschutzzielen zu entscheiden ist. Daher rührt dann auch die Schlussfolgerung, dass ein Umgang mit Abfällen, der in Wirklichkeit kein Recycling ist, sondern die strengen Anforderungen des Umweltschutzes zu umgehen sucht, rechtlich gesehen nicht als „Verwertung", sondern als „Beseitigung" einzustufen ist. Deshalb kann eben auch eine Verwendung von Abfällen als Bergversatz nicht einfach als „Verwertung" betrachtet werden. Denn dies würde dazu führen, dass die Umweltanforderungen hinsichtlich der Hohlräume des Salzbergwerks, die in diesem Fall faktisch die Rolle des Abfalllagers spielten, ignoriert werden müssten30. Insgesamt gesehen, ist also ersichtlich, dass auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs den im Bereich der gemeinschaftsrechtlichen Abfallrechts seit langem bekannten Konflikt, der auf die Bemühung um eine gleichzeitige Verwirklichung sowohl ökologischer als auch wirtschaftlicher Ziele zurückgeht, weder eindeutig noch einheitlich zu lösen vermocht hat. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs scheint allerdings - anders als im Naturschutzrecht - darauf hinzuweisen, dass im Geltungsbereich der gemeinschaftsrechtlichen Abfallregelungen der Grundsatz des Vorrangs der Umweltschutzziele ggf. nicht zur Anwendung kommt, wenn er mit dem Wirtschaftlichkeitsprinzip kollidiert 31.
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Vgl. Thomas Groß (o. Fn. 18), EuR 2003, S. 146 (150 ff.). Vgl. Thomas Groß (o. Fn. 18), EuR 2003, S. 146 (152). 31 Hierauf wies bereits das sehr bekannte Urteil in der Rechtssache Dusseldorp (Rs. C-203 / 96), in dem der Europäische Gerichtshof im Zusammenhang mit dem durch das holländische Umweltministerium eingeführten und mit den Grundsätzen der Entsorgungsautarkie begründeten Ausfuhrverbot von Ölfiltern nach Deutschland zu dem Schluss kam, dass dieses Verbot weder auf der Grundlage der Abfall-Rahmenrichtlinie 30
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c) Vergaberecht Nicht weniger interessante Beispiele für die Rolle, die dem Wirtschaftlichkeitsprinzip bei der Verwirklichung von Zielen des Umweltschutzes zufällt, liefern auch die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften und die Rechtsprechung im Bereich des Vergaberechts32. Als ein Paradebeispiel kann in diesem Zusammenhang das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 17. September 2002 in der Rechtssache „Concordia Bus Finnland" angesehen werden33. Gegenstand der Entscheidung war die Auslegung des in Art. 36 Abs. 1 der Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie des Rates 92 / 50 / EWG vom 18. Juni 199234 verwendeten normativen Ausdrucks „wirtschaftlich günstigstes Angebot"35. Die Vorlagefrage war vor dem Hintergrund zu sehen, dass gemäß dieser Richtlinie der Auftraggeber in öffentlichen Aufträgen entweder das Kriterium des niedrigsten Preises oder, wenn der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erfolgt, verschiedene zusätzliche, mit dem konkreten Auftrag verbundene Kriterien zu formulieren hat. In der Richtlinie werden diesbezüglich neben dem Kriterium „Preis" auch zahlreiche andere Kriterien aufgezählt (insbesondere Lieferzeitpunkt, Ausführungsdauer, Betriebskosten, Verpflichtung hinsichtlich der Ersatzteile, Versorgungssicherheit, Ästhetik, Zweckmäßigkeit der Leistung, technischer Wert, Kundendienst und technische Hilfe, Rentabilität, Qualität und eben Preis), die als Grundlage für die Bewertung der Angebote und die Wahl des wirtschaftlich günstigsten Angebots dienen. In der Rechtssache „Concordia Bus Finnland" ging es darum, dass eine Gemeinde, die den Betrieb des innerstädtischen Busverkehrs ausgeschrieben hatte, bei der Bewertung der eingereichten Angebote (unter Berücksichtigung wirtnoch auf der Grundlage der Abfall-Verbringungsverordnung noch auf Grund der sich aus Art. 176 EGV ergebenden Berechtigung der Mitgliedstaaten zur Einfuhrung verstärkter Maßnahmen zum Schutz der Umwelt gerechtfertigt war. Vielmehr lagen in diesem Fall - wie der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung festgestellt hat keinerlei wichtige und überzeugende Gründe für eine solche Beschränkung der Ausfuhrfreiheit vor (Slg. 1998,1-4075, Rn. 35 ff.) 32 Vgl. u.a.: Almut Fischer / Regine Barth, Europäisches Vergaberecht und Umweltschutz. Zur Berücksichtigung von Umweltbelangen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, NVwZ 2002, S. 1184 ff. 33 EuGH, Urteil vom 17. September 2002 (Rs. C-513 / 99 - Concordia Bus Finnland), Slg. 2002,1-07213. Vgl. zu dieser Entscheidung insbesondere: Marc Bungenberg, Die Berücksichtigung des Umweltschutzes bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, NVwZ 2003, S. 314 ff. 34 ABl. 1992 L 209, S. 1. 35 Vgl. auch: Art. 26 der Lieferkoordinierungsrichtlinie des Rates 93 / 36 / EWG vom 14. Juni 1993 (ABl. 1993 r. L 1999, S. 1); Art. 30 der Baukoordinierungsrichtlinie des Rates 93 / 37 / EWG vom 14. Juni 1993 (GBl. 1993 L 199, S. 564; sowie Art. 34 der Sektorenkoordinierungsrichtlinie des Rates 93 / 38 / EWG vom 14. Juni 1993 (GBl. 1991 L 1999, S. 84).
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schaftlicher Vorteile der darin angebotenen Lösungen) zusätzlich berücksichtigt hatte, dass ein Anbieter infolge des Einsatzes von gasbetriebenen Bussen in besonderer Weise Umweltschutzkriterien Rechnung trug, weil er die Grenzwerte der Stickstoffemissionen und des Lärmpegels unterschritt. Im Zusammenhang damit aber stellte sich die Frage, ob der Begriff „wirtschaftlich günstigstes Angebot" auf die Bewertung dieses „wirtschaftlichen Vorteils" für den unmittelbaren Auftraggeber (hier: die Gemeinde) zielt, oder ob es sich um einen „Vorteil" im allgemeinen Sinne, nämlich aus der Sicht des öffentlichen Interesses „Umweltschutz" handelt36. Anders gesagt: Es ging um die Frage, ob unter das Kriterium „wirtschaftlicher Vorteil" auch das Kriterium „Umweltschutz" fallen kann, obwohl die erwähnten Richtlinien weder den Umweltschutz noch die Verpflichtung zur Berücksichtigung von Umweltbelangen direkt erwähnen. In seiner Entscheidung stellte sich der Europäische Gerichtshof auf den Standpunkt, dass bei dieser Frage die Disposition des Art. 6 EG (die sog. Querschnittsklausel) in Verbindung mit Art. 174 EG sowie - derzeit - auch in Verbindung mit Art. 37 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union37 zu berücksichtigen ist, wo auf die Verpflichtung zur Sicherstellung des „hohen Umweltschutzniveaus" und die Verbesserung ihrer Qualität hingewiesen wird. Deshalb dürfe der Auftraggeber bei der Beurteilung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes auch auf das Kriterium „Umweltschutz" Rekurs nehmen. Dabei sei aber stets zu beachten, dass die Umweltschutzkriterien mit dem Gegenstand des Auftrags zusammenhängen müssten und dass dem Auftraggeber nicht etwa eine faktisch uneingeschränkte Entscheidungsfreiheit zuwachsen dürfe. Ferner müssten die Umweltbelange im Leistungsverzeichnis oder in der Bekanntmachung des Auftrags ausdrücklich genannt seien, und bei ihrer Berücksichtigung müssten auch alle wesentlichen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts, vor allem das Diskriminierungsverbot, beachtet werden38. Der Auftraggeber dürfe bei der Beurteilung eines Angebots als das wirtschaftlich günstigste nicht 36 So wurde übrigens dieses Problem aufgefasst in der vor einiger Zeit veröffentlichten „Stellungnahme der Kommission gemäß Artikel 251 Absatz 2 Unterabsatz 3 Buchstabe c) des EG-Vertrags zu den Abänderungen des Europäischen Parlaments an dem gemeinsamen Standpunkt des Rates betreffend den Vorschlag für eine ,Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Koordinierung der Auftragvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste" - K O M / 2001 / 273 vom 4. Juli 2001, S. 21 (GBl. 2001 C 333, S. 12 ff.). 37 Art. 37 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union legt fest: „Ein hohes Umweltschutzniveau und die Verbesserung der Umweltqualität müssen in die Politiken der Union einbezogen und nach dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung sichergestellt werden". 38 Von der Zulässigkeit der Rücksichtnahme auf die Kriterien des Umweltschutzes war übrigens auch in früheren Entscheidungen des EuGH die Rede - vgl. hierzu: Marc Bungenberg (o. Fn. 33), NVwZ 2003, S. 314 (315) und Almut Fischer / Regine Barth (o. Fn. 32), NVwZ 2002, S. 1184 ff.
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nur auf Kriterien rein wirtschaftlicher Natur abstellen. Vielmehr könne eine solche Beurteilung auch unter Berücksichtigung anderer der oben aufgezählten Kriterien, die in der Richtlinie über öffentliche Aufträge genannt sind, vorgenommen werden (unter bestimmten Umständen auch im Hinblick auf das Kriterium der Ästhetik)39.
d) Stromhandel Endlich kann man im Zusammenhang mit dem Wirtschaftlichkeitsthema auch auf zwei bekannte Urteile des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache „Outokumpu Oy" 40 und in der Sache „Preussen-Elektra AG" 41 hinweisen. In der Sache Outukumpu Oy hat der Europäische Gerichtshof zwar entschieden, dass Art. 95 EGV (jetzt Art. 90 EG) eine Verbrauchsteuer verbietet, die „Elektrizität inländischen Ursprungs je nach der Art der Erzeugung mit unterschiedlichen Sätzen belastet, eingeführte Elektrizität dagegen unabhängig von der Art der Erzeugung mit einem einheitlichen Satz belegt, der, auch wenn er unter dem höchsten Satz für Elektrizität inländischen Ursprungs liegt, zu einer höheren Belastung der eingeführten Elektrizität - sei es auch nur in bestimmten Fällen - führt" (Rn. 41). Gleichzeitig hat der Europäische Gerichtshof darauf hingewiesen, dass praktische Schwierigkeiten jedweder Art grundsätzlich nicht geeignet sein können, die Erhebung inländischer Abgaben zu rechtfertigen, durch die aus anderen Mitgliedstaaten stammende Waren diskriminiert werden. In dem Urteil heißt es insoweit: „Aufgrund der besonderen Merkmale der Elektrizität kann es sich zwar als außerordentlich schwierig erweisen, die Art der Erzeugung der eingeführten Elektrizität und damit die für die Erzeugung verwendeten Primärenergiequellen genau zu bestimmen; die fraglichen finnischen Rechtsvorschriften sehen aber noch nicht einmal für den Importeur die Möglichkeit vor, nachzuweisen, dass die von ihm eingeführte Elektrizität auf eine bestimmte Art erzeugt wurde, um den Steuersatz zu erhalten, der für auf dieselbe Art erzeugte Elektrizität inländischen Ursprungs gilt." (Rn. 39).
Dagegen hat der Europäische Gerichtshof in der ebenfalls den Stromhandel betreffenden Rechtssache Preussen-Elektra AG 42 festgestellt, dass „eine Ver39
Am Rande sei auch erwähnt, dass die Kommission in der oben erwähnten Stellungnahme (Fn. 36) den - übrigens im Zusammenhang mit dem einschlägigen Urteil formulierten Vorschlag, ein gesondertes und klar formuliertes Kriterium der Umweltbelange in die Richtlinie aufzunehmen, abgelehnt hat („Diese Abänderung ist überflüssig."). 40 EuGH, Urteil vom 2. April 1998 (C-213 / 96), Slg. 1998, S. 1-01777. 41 EuGH, Urteil vom 13. März 2001 (C-379 / 98), Slg. 2001, S. 1-02099. 42 Im Recht der Bundesrepublik Deutschland ist das aufgrund von § 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Einspeisung von Strom aus erneuerbarer Energie in das öffentliche Netz
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pflichtung zur Abnahme von Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu Mindestpreisen /.../ den Erzeugern dieser Stromart unstreitig einen wirtschaftlichen Vorteil verschafft, indem sie ihnen ohne jedes Risiko höhere Gewinne sichert, als sie ohne eine solche Regelung erzielen könnten" (Rn. 54). Doch liege darin keine Verletzung des Art. 92 EGV (jetzt Art. 87 EG). Insoweit hat der Gerichtshof ausgeführt: „Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes sind jedoch nur solche Vorteile als Beihilfen im Sinne von Art. 92 Abs. 1 EG-Vertrag anzusehen, die unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln gewährt werden. Die in dieser Bestimmung vorgenommene Unterscheidung zwischen staatlichen4 und ,aus staatlichen Mitteln gewährten' Beihilfen bedeutet nämlich nicht, dass alle von einem Staat gewährten Vorteile unabhängig davon Beihilfen darstellen, ob sie aus staatlichen Mitteln finanziert werden; sondern dient nur dazu, in den Beihilfebegriff die unmittelbar vom Staat gewährten Vorteile sowie diejenigen, die über eine vom Staat benannte oder errichtete öffentliche oder private Einrichtung gewährt werden, einzubeziehen." (Rn. 58).
Sodann meinte der Gerichtshof, Art. 92 EG-Vertrag (jetzt: Art. 87 EG) stelle somit ein in sich vollständiges Verbot der von ihm erfassten staatlichen Handlungen dar. Auch Art. 5 EG-Vertrag könne nicht zur Ausdehnung des Anwendungsbereiches des Artikel 92 EGV auf von diesem nicht erfasste staatliche Handlungen herangezogen werden (Rn. 65). Eine Regelung eines Mitgliedstaates, so heißt es weiter, „durch die private Elektrizitätsversorgungsunternehmen verpflichtet werden, den in ihrem Versorgungsgebiet erzeugten Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu Mindestpreisen abzunehmen, die über dem tatsächlichen wirtschaftlichen Wert dieses Stroms liegen, und durch die die sich aus dieser Verpflichtung ergebendenfinanziellen Belastungen zwischen diesen Elektrizitätsversorgungsunternehmen und den privaten Betreibern der vorgelagerten Stromnetze aufgeteilt werden, [stellt] keine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 92 Abs. 1 EGV dar." (Rn. 66). Überdies sei zu berücksichtigen, dass die Nutzung erneuerbarer Energiequellen zur Stromerzeugung, die durch eine Regelung wie eben das geänderte Stromeinspeisungsgesetz gefordert werden solle, dem Umweltschutz diene, da sie zur Verringerung des Emissionen von Treibhausgasen beitrage. Daher gehöre die Nutzung erneuerbarer Energiequellen zu den vorrangigen Zielen, die sich Gemeinschaft und Mitgliedstaaten zur Umsetzung der Verpflichtungen aufgrund des Rahmenabkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderung gesetzt hätten. Diese Politik bezwecke zugleich den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren und Pflanzen. Außerdem müssten die Erfordernisse des Umweltschutzes gemäß Satz 3 des Art. 130r Abs. 2 Unterabsatz 1
vom 7. Dezember 1990 (BGBl. 1990, I, S. 2633) in der Fassung von Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 24. April 1998 (BGBl. 1998,1, S. 730) der Fall.
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EGV (jetzt Art. 174 Abs. 2 Unterabsatz 1 EG) bei der Festlegung und Durchfuhrung anderer Gemeinschaftspolitiken einbezogen werden (vgl. Rn. 73 ff.) 43. Am Rande dieser Begründung hat der Europäische Gerichtshof noch zusätzlich bemerkt, dass es in der Natur der Elektrizität liege, dass sich ihre Herkunft und insbesondere die Energiequelle, aus der sie gewonnen worden sei, nach der Einspeisung in ein Übertragungs- oder Verteilernetz kaum noch bestimmen lasse. Das Gericht verweist dabei auf einen von der Kommission am 31. Mai 2000 vorgelegten Vorschlag für eine Richtlinie 2000 / C 311 E / 22 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen im Elektrizitätsbinnenmarkt 44. In diesem Vorschlag vertritt die Kommission die Auffassung, dass die Einführung eines Systems von Herkunftszertifikaten für Strom aus erneuerbaren Energiequellen, die einer gegenseitigen Anerkennung zugänglich sind, durch die einzelnen Mitgliedstaaten unabdingbar sei, um den Handel mit diesem Strom zuverlässig praktisch möglich zu machen (Rn. 79 und Rn. 80). Dieter H. Scheuing* 5 hat also zutreffend die beiden oben zitierten Urteile des Europäischen Gerichtshofs wie folgt kommentiert: „Damit hat der EuGH zwei diskriminierende mitgliedstaatliche Regelungen zur Förderung von Ökostrom unterschiedlich beurteilt. Dass es in dem einen Fall um Besteuerung und in dem anderen Fall um die Begründung von AufkaufVerpflichtungen zu Mindestpreisen ging, vermag den Unterschied ebenso wenig zu erklären wie die zwischenzeitlich erfolgte Vorlage des Kommissionsvorschlags über Herkunftszertifikate. Vielmehr wird man zu berücksichtigen haben, dass der Generalanwalt Jacobs schon im Fall ,Outukumpu' dem Gerichtshof nahegelegt hatte, wegen der gestiegenen Bedeutung des Umweltschutzes seine bis dahin ergangene Rechtsprechung zu Art. 95 EGV (jetzt Art. 90 EG) zu ändern und von daher die mit der finnischen Ökostromregelung verbundene marginale Diskriminierung ausländischen Ökostroms zu akzeptieren. Mit diesem Vorschlag hat er sich seinerzeit nicht durchsetzten können. Derselbe Generalanwalt hat sodann im Fall ,PreussenElektra' den Gerichtshof dazu aufgefordert, angesichts der inzwischen durch Art. 6 EG noch besonders unterstrichenen Wichtigkeit des Umweltschutzes nunmehr klarzustellen, dass auch direkt diskriminierende Maßnahmen durch Gründe des Umweltschutzes gerechtfertigt werden können; allerdings müsse noch näher geprüft werden, ob der in der deutschen Regelung enthaltene Ausschluss ausländischen Ökostrom aus der Vergünstigung nicht doch zu weit gehe und damit unverhältnismäßig sei. Dieses Mal scheint der EuGH dem Generalanwalt Jacobs mehr Gehör geschenkt zu haben. Zwar hat er in seinem Urteil zum Fall ,PreussenElektra' die angeregte Klarstellung nicht ausdrücklich vor-
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Im Vertrag von Amsterdam erscheint diese Bestimmung in leicht veränderter Form in Art. 6 EG im Ersten Teil - Grundsätze - des Vertrages (Rn. 73 - Rn. 76). 44 ABl. 2000, C 311 E, S. 320. 45 Dieter H. Scheuing, Europäisches Umweltverfassungsrecht im Spiegel der Rechtsprechung des EuGH, in: K. P. Dolde (Hrsg.), Umweltrecht im Wandel. Bilanz und Perspektiven aus Anlass des 25-jährigen Bestehens der Gesellschaft für Umweltrecht (GfU), 2001, S. 129 (157 f.).
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genommen. Im Ergebnis ist er aber sogar noch über die Position des Generalanwalts hinausgegangen, indem er die diskriminierende deutsche Regelung in vollem Umfang gebilligt und somit implizit auch deren Verhältnismäßigkeit bejaht hat."
I I I . Resümee Schon die angeführten Beispiele beweisen, dass dem Wirtschaftlichkeitskriterium auch im oder für den Bereich des Umweltschutzes eine bedeutende Rolle zukommt. Zwar wird „Wirtschaftlichkeit" in den geltenden Vorschriften des Gemeinschaftsrechts (oder in den nationalen Gesetzgebungen der Mitgliedstaaten) nicht immer expressis verbis ausgedrückt, dennoch muss sie im Hinblick darauf, dass die Ziele des Umweltschutzes heutzutage grundsätzlich unter Berücksichtigung des Nachhaltigkeitsgrundsatzes verwirklicht werden - als Bestandteil und zugleich als ein Aspekt des Effizienzmaßstabs - in der Praxis bei der Darstellung und Abwägung verschiedener Belange immer integriert und angewendet werden. In der Praxis von Behörden und Gerichten besteht das Problem darin, dass bei Entscheidungen im Bereich des Umweltschutzes die Funktion des Wirtschaftlichkeitskriteriums unterschiedlich sein kann. Denn bei der Einschätzung der Richtigkeit und Effizienz von Entscheidungen, die der Verwirklichung von Zielen und Aufgaben im Bereich des Umweltschutzes dienen sollen, fällt ihm im Verhältnis zum Nachhaltigkeitskriterium einmal eine gleichrangige oder konkurrierende Funktion (wie z.B. in der Abfallwirtschaft), einmal eine lediglich zweitrangige oder akzessorische Funktion zu (z.B. im Bereich der Verwirklichung der Naturschutzziele). Objektiv gesehen ist so ein gewisser Zustand der Unsicherheit und Veränderbarkeit entstanden: zunächst für den nationalen Gesetzgeber, der, weil das Gemeinschaftsrecht nicht allgemein und rechtsgebietsübergreifend darüber entscheidet, wie das Wirtschaftlichkeitskriterium im Bereich des Umweltschutzes zu handhaben ist, jeweils nationalstaatliche Verfahrenslösungen zu seiner richtigen Einsetzung einführen muss; sodann aber auch für alle Rechtsanwender in den Verwaltungsorganen, deren Aufgabe es ist, die Notwendigkeit der Anwendung des Wirtschaftlichkeitskriteriums im Entscheidungsprozess zu erkennen und einzuschätzen.
Schlusswort Von Friedrich
E. Schnapp, Bochum
Ex abundantia cordis os loquitur. Diese Matthäus-Stelle ist nach Martin Luther nicht zu übersetzen mit: Aus dem Überfluss des Herzens redet der Mund, sondern: Wes das Herz voll ist, des gehet der Mund über. Das heißt gut deutsch geredet. Wollte ich jetzt diesem Motto ungehindert Raum geben, dann kämen Sie alle nicht zu Ihrem wohlverdienten Imbiss. An sich hat ja ein Jubilar bei seinen Schlussworten plein pouvoir, und es mag verlockend sein, sich dieser Gelegenheit zur Selbstdarstellung ausgiebig zu widmen. Ich beschränke mich darauf, das zu tun, was mir am meisten am Herzen liegt - quod mihi cordi est nämlich mich zu bedanken, zumal Sie der Reden genügend vernommen haben. Ich danke Ihnen allen dafür, dass Sie der Einladung gefolgt und hier erschienen sind. Ich betrachte dies als Zeichen der Anerkennung und der Verbundenheit über den Tag hinaus. Ich bedanke mich sodann bei Hermann Butzer, Markus Kaltenborn, Wolfgang Meyer, Christoph Gusovius und Michael Neupert samt ihren Helfern, welche die großen Mühen der Vorbereitung und Organisation dieses Symposiums auf sich genommen haben, zumal in einer Phase besonderer beruflicher Beanspruchung. Mein ganz besonderer Dank gilt - neben den Überbringern der Gruß- und Glückwunschworte, nämlich Frau Prorektorin Ott und dem Präsidenten des Bundessozialgerichts, Herrn von Wulffen - den Referenten des heutigen Tages, vor allem Jef Van Langendonck aus Leuven und Andrzej Wasilewski aus Kraköw. Ebenso herzlicher Dank gebührt meinen Kollegen Edzard Schmidt-Jortzig, Rainer Pitschas und Martin Burgi sowie - last but not least - Otto Ernst Krasney für ihre vorzüglichen Referate bzw. die sachkundige Moderation. Lassen Sie mich Kollegialität einmal übersetzen mit „akademische Freundschaft". Sie hat gewiss etwas zu tun damit, ob eine menschliche und fachliche Gleichgestimmtheit vorhanden ist, sie hat ebenso gewiss nichts zu tun mit einem Duz-Komment, ganz entscheidend jedoch mit dem Respekt vor dem Bemühen des anderen, wichtige Fragen zu stellen und in intellektueller Aufrichtigkeit richtige Antworten zu suchen. Kollegialität zeigt sich auch keineswegs darin, dass man immer einer Meinung wäre - wie langweilig - aber Meinungsverschiedenheiten werden in einer Hygiene der Distanz ausgetragen, in einer akademischen Streitkultur, welche die Achtung des Gegenübers einschließt. Es
Schlusswort
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vollzieht sich nach den Worten von Karl R. Popper etwa so: Wir können beide voneinander lernen, solange wir nicht vergessen, dass es nicht so sehr darauf ankommt, wer am Ende Recht behält, als vielmehr darauf, der objektiven Wahrheit näher zu kommen. Ich bedanke mich für die Worte des Lobes und der Anerkennung. Unwillkürlich denkt man zunächst: „Was habe ich wohl falsch gemacht?" Dann aber weicht das Erschrecken der Eitelkeit, und insgeheim möchte man die freundlichen Übertreibungen und Elogen am liebsten für wahr halten. Ich bedanke mich ferner ganz herzlich bei meinen Doktoranden für ihr Erscheinen sowie bei allen ehemaligen und derzeitigen Mitarbeitern (es gibt da ja eine gewisse Schnittmenge), auch bei denen, die verhindert waren zu kommen. Bei einer Sichtung der Einladungsliste habe ich feststellen können, dass ich problemlos meine Frauenquote erfüllt habe. Damit kein Missverständnis aufkommt: Frauenquote ist der prozentuale Anteil der Mitarbeiterinnen an der Gesamtzahl der Beschäftigten. Schaue ich auf die Positionen, die meine Assistenten und Hilfskräfte mittlerweile erreicht haben, so lässt das in mir die Hoffnung aufkeimen, dass die Zeit, die sie am Lehrstuhl oder am Institut für Sozialrecht verbracht haben, vielleicht doch nicht gänzlich vertan war und ihnen - entgegen einer Behauptung der 68er Generation - keineswegs das Rückgrat gebrochen worden ist. Die Reihe reicht von Professoren und Bundesrichtern über erfolgreiche Anwälte, leitende Beamte, Richter und Wirtschaftsführer bis hinunter zu unseren Nesthäkchen, die das Examen noch vor sich haben. Ihnen allen, meine Damen und Herren, danke ich für Ihre loyale Mitarbeit und dafür, dass Sie Ihren Beitrag zu einem gedeihlichen Betriebsklima geleistet haben und noch leisten. Wir alle wissen, dass so manches ohne unsere Mitarbeiter nicht oder doch nicht so hervorgebracht worden wäre. Und wenn ich Sie, meine Damen und Herren, einmal überobligationsmäßig beansprucht haben sollte - ich verspreche Ihnen: es soll nicht wieder vorkommen. Eingeschlossen in den Dank sind Gabriele Kraemulat und Gisela Marsen, die viele Jahre dafür gesorgt haben, dass aus meinem Dienstzimmer das Gute nach außen drang und das Unangenehme von ihm abgehalten wurde. Mit einer guten Sekretärin ist es wie mit der Gesundheit: Erst wenn sie einem fehlt, weiß man, was man an ihr hat. Mein herzlicher Dank gilt schließlich allen unter Ihnen, die einen Beitrag geleistet haben oder noch leisten werden zur Restaurierung der Kirche in Friedersdorf, wo nach einem Wort unseres ersten Bundespräsidenten, Theodor Heuß, das wahre Preußen begraben liegt. Meine Damen und Herren, man wird im Laufe der Jahre als Wissenschaftler bescheidener, und man verwandelt sich die Einsicht an, die der griechische Sänger und Dichter Xenophanes schon 500 v. Chr. so formuliert hat: Sichere Wahrheit erkannte kein Mensch und wird keiner erkennen Über die Götter und alle die Dinge, von denen ich spreche.
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Friedrich E. Schnapp Sollte einer auch einst die vollkommenste Wahrheit verkünden, Wissen könnt' er das nicht: Es ist alles durchwebt von Vermutung.
Xenophanes hat das allerdings nicht als Aufforderung verstanden, sich der Resignation zu ergeben; denn er schreibt auch: Nicht vom Beginn an enthüllen die Götter den Sterblichen alles. Aber im Laufe der Zeit finden wir, suchend, das Bess're.
Dieses Fortschreiten ist in der Jurisprudenz, wie in anderen Geisteswissenschaften, besonders mühsam. Irrt man sich in den Naturwissenschaften, dann wird das im Normalfall sehr schnell manifest: ein Labor explodiert, ein Patient stirbt oder eine Brücke stürzt ein. In der Rechtswissenschaft passiert nichts dergleichen. Ist man des Irrtums überführt, kann man schweigen, neue Argumente suchen (die das Ganze nicht unbedingt besser werden lassen) oder die gestrigen Irrtümer als Vorstufe einer verfeinerten Erkenntnis von heute ausgeben. Wenn das immer noch nicht hilft, bietet sich als letzte Ausflucht eine ganz besondere Technik an, die sich auch belegen lässt. In einer Untersuchung hatte ich einmal einem älteren Kollegen bescheinigt, die dogmatische Figur, die er einige Zeit zuvor ins Spiel gebracht hatte, habe zu ihrer Zeit ihre Berechtigung gehabt, sie aber mittlerweile verloren. Die Reaktion: Weil ihm offenbar die Argumente ausgegangen waren, formulierte er schlicht: „Friedrich Schnapp hat mich nicht verstanden." Und ein Ministerium, dessen Praktiken ich in einer Publikation als rechtswidrig entlarvt hatte, reagierte so: „Die Ansichten des Verfassers werden hier nicht geteilt. Er ist mit den Besonderheiten des Kassenarztrechts nicht hinlänglich vertraut." Tritt man als Nachwuchswissenschaftler in die Bahn, dann hat man Großes vor, wahre Urwälder will man roden. Am Ende der aktiven Laufbahn muss man dann feststellen, dass man bestenfalls einige Büsche ausgerissen hat. Meine aktive Laufbahn neigt sich dem Ende zu, aber ich muss feststellen, dass ich das Staunen, das Zweifeln - das aristotelische thaumazein - und die Wissbegierde noch nicht verlernt und nicht verloren habe. Das scheint mir die beste Garantie dafür zu sein, dass ich der Wissenschaft noch einige Zeit erhalten bleibe, weiterhin geleitet durch folgenden Wahlspruch: „Nicht: Er hat gesagt, sondern: ich habe erkannt." Wenn ich jetzt meine Dankworte mit einem Satz beschließe, dann belege ich damit, dass wir ohne Zitate nicht auskommen können. In Anlehnung an Friedrich d. Gr. möchte ich sagen: „Ich liebe die Jurisprudenz; ich bemühe mich, gelehrt zu werden, aber ich bin nicht so dünkelhaft und verblendet, dass ich mich für einen Gelehrten halte." Ich danke Ihnen allen. Glückauf!
Der Haushaltsgrundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit - im Sozialrecht und in anderen Rechtsgebieten Von Friedrich
E. Schnapp, Bochum
I. Historisches Der Sozialrechtler „in Reinkultur" meint, den Ursprung des Wirtschaftlichkeitsgebots leicht ausmachen zu können, und verortet das Prinzip in Art. 8 § 2 des Aufbau-Gesetzes von 19341. Dort hieß es: „Das Haushalts- und Rechnungswesen der Versicherungsträger wird einheitlich unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit und Übersichtlichkeit gestaltet." Wer sich ein wenig in der Geschichte bewegt, erinnert sich daran, daß bereits 1689 unter dem Großen Kurfürsten in der Mark Brandenburg ein Haushaltsplan aufgestellt wurde, der den schönen Titel trug: General-Estat aller DomainenEinkünfte und Ausgaben in Seiner Churfürstl. Durchleuchtigkeit Landen2. Denkt man weiter daran, dass sein Enkel, Friedrich Wilhelm I., mit der Oberrechenkammer einen der ersten Rechnungsprüfungshöfe errichtete3, vermutet man den Wirtschaftlichkeitsgedanken eher in Preußen - jedenfalls wenn man sich auf die deutschen Territorien beschränkt. Und so wird man denn auch fündig in der Verordnung für die preußische Generalkontrolle der Finanzen (1817-1823) vom 3. November 18174, in der ihr die Aufgabe zugewiesen ist, im Wege präventiver Kontrolle darüber zu wachen, „daß die Ausgaben auf das Nothwendige beschränkt werden". In dieser Formulierung erscheint der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit in Gestalt des Sparsamkeitsprinzips. Und in der Tat galt seit den Tagen des Absolutismus bis in unsere Zeit hinein der Grundsatz der Sparsam* Erstmals erschienen in: Winfried Boecken / Franz Ruland / Heinz-Dietrich Steinmeyer (Hrsg.), Sozialrecht und Sozialpolitik in Deutschland und Europa, Festschrift für Bernd Baron von Maydell, Neuwied 2002 (Luchierhand), S. 621 - 632; hier erneut abgedruckt mit freundlicher Genehmigung von Wolters Kluwer Deutschland GmbH. 1 RGBl. I S. 577. 2 Klaus Grupp, Haushaltsrecht, in: Norbert Achterberg / Günter Püttner / Thomas Würtenberger (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Band II, 2. Aufl. 2000, § 19 Fn. 8. 3 Klaus Grupp, Die Stellung der Rechnungshöfe in der Bundesrepublik Deutschland unter besonderer Berücksichtigung der historischen Entwicklung der Rechnungsprüfung, 1972, S. 17 ff. 4 PrGS S. 292. 8 Buizer
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keit als maßgebliche Maxime des öffentlichen Haushaltswesens. Aber mittlerweile haben sich verfeinerte Erkenntnisse im Haushaltsrecht und der Wandel in der Auffassung von den Staatsaufgaben Geltung verschafft und zu stehenden Sätzen geführt wie „Es gibt keine Wirtschaftlichkeit an sich" und „Wirtschaftliches Handeln kann gelegentlich teuer, sparsames Handeln kann gelegentlich unwirtschaftlich sein"5. So etwas wie Wirtschaftlichkeit an sich kann es auch nicht geben, ebenso wenig wie Qualität an sich, weil es sich dabei um einen Relationsbegriff handelt, der selbst der Bezugsgrößen entbehrt. Diese Bezugsgrößen sind Kosten und Nutzen, Aufwand und Ertrag, Mittel und Aufgaben. Das Wirtschaftlichkeitsprinzip selbst bietet kein Instrument weder zur Ermittlung dieser Größen noch zur Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit. Blicken wir noch einmal in die Geschichte, so entdecken wir, dass die Deutsche Gemeindeordnung vom 30. 1. 19356 in § 89 Abs. 3 zum ersten Mal eine Unterscheidung machte, wenn dort ein „wirtschaftliches und sparsames Verhalten" angemahnt wurde. Wäre allein Sparsamkeit tatsächlich das Zentralgebot für staatliche Aufgaben, so würde seine Beachtung tendenziell zu einer Reduzierung der Staatstätigkeit auf Null führen 7. Aber der moderne Staat unserer Tage ist nicht mehr der Nachtwächterstaat vergangener Zeiten. Vielmehr greift er über das Medium der Finanztransfers steuernd, lenkend, umverteilend und beeinflussend in das konjunkturelle Geschehen ein und hat sich mit dem Stabilitätsgesetz von 19678 die rechtliche Verantwortung für das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht aufgeladen. Seit den 30er Jahren wurde denn auch zunehmend anerkannt, dass die Gebote der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nicht als gleichbedeutende Verpflichtungen im Sinne einer Ausgabenverringerung verstanden werden können. Im Gegenteil: Vielfach wird die Ansicht vertreten, dass das Sparsamkeitsgebot neben einem richtig gehandhabten Wirtschaftlichkeitsgebot keine eigenständige Bedeutung habe und entbehrlich sei9. 5 Heinrich Siedentopf, Wirtschaftlichkeit in der Öffentlichen Verwaltung, 1969, S. 15; Herbert Fischer-Menshausen , in: Ingo von Münch / Philip Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band 3, 3. Aufl. 1996, Art. 114 Rn. 18; Klaus Vogel , Verfassungsrechtliche Grenzen der öffentlichen Finanzkontrolle, DVB1. 1970, S. 193 (195); Adolf Hüttl , Das Wirtschaftlichkeitsprinzip in der öffentlichen Verwaltung, in: Bundesrechnungshof (Hrsg.), 250 Jahre Rechnungsprüfung, 1964, S. 205 ff.; Helmut Karehnke, Zur Wirtschaftlichkeitsmessung im staatlichen Bereich, DVB1. 1970, S. 949 (950). 6 RGBl. I S. 49 7 Klaus Stern , Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band II, 1980, § 34 III c (S. 438). 8 BGBl. IS. 582. 9 Klaus Grupp , Haushaltsrecht, in Norbert Achterberg / Günter Püttner / Thomas Würtenberger (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Band II, 2000, § 19 Rn. 27; ders .,
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II. Das Prinzip und sein normativer Standort Wenden wir uns näher dem Sozialversicherungsrecht zu, so machen wir zunächst die Beobachtung, dass uns etwa im SGB V (Gesetzliche Krankenversicherung) der Begriff der Wirtschaftlichkeit so häufig begegnet wie in keinem anderen Rechtsgebiet. Dieter Schewe hat sich die Mühe des Zählens gemacht und herausgefunden, dass das Reizwort „wirtschaftlich" 65 mal aufgeführt wird, davon 34 mal in Kombination mit ähnlichen Termini, wobei - so Schewe - nur in einigen Fällen wenigstens begrenzt auf die Vorstellungen des Gesetzgebers geschlossen werden könne10. Wie erklärt sich diese Inflation an Wirtschaftlichkeitsterminologie? In einer Marktwirtschaft ist es nicht erforderlich, das Gesetz der Wirtschaftlichkeit rechtlich zu verankern. Anders verhält es sich im deutschen Gesundheitswesen. Hier haben wir einen vielfältig administrierten „Markt" vor uns. Indikationsverantwortung und Finanzierungslast fallen auseinander; dort, wo Kosten entstehen, gibt es keinen Anreiz zum Sparen, und der Preis versagt als Knappheitsindikator. Folglich muss eine Kostenkontrolle installiert werden. Die Zentralbestimmung für die Versicherungsträger (deren Legaldefinition in § 29 Abs. 1 SGB IV) findet sich in § 69 Abs. 2 SGB IV: „Bei der Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans hat der Versicherungsträger sicherzustellen, dass er die ihm obliegenden Aufgaben unter Berücksichtigung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit erfüllen kann."
Da die Begriffe der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit für sich genommen relativ konturenarm sind, hat man eine Anleihe bei der Betriebswirtschaftslehre genommen und ihr die „Unterelemente" des ökonomischen Prinzips, nämlich das Maximal- und das Minimalprinzip entlehnt: Das Wirtschaftlichkeitsprinzip verlangt entweder, Mittel in gegebener Höhe so einzusetzen, dass sie die bestmögliche Zweck- oder Aufgabenerfüllung bewirken (Maximalprinzip) oder bei festgelegtem Aufgabenumfang so wenig Mittel wie möglich zu verwenden (Minimalprinzip = Grundsatz der Sparsamkeit)11. So einfach das zunächst anmutet, Die „Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit" im Haushaltsrecht, JZ 1982, S. 231 (234); Albert von Mutius, Die Steuerung des Verwaltungshandelns durch Haushaltsrecht und Haushaltskontrolle, VVDStRL 42 (1984), S. 147 (177); Gunnar Folke Schuppert, Die Steuerung des Verwaltungshandelns durch Haushaltsrecht und Haushaltskontrolle, VVDStRL 42 (1984), S. 216 (259). 10 Dieter Schewe, Die Beschwörung des „Wirtschaftlichen" im neuen SGB V - ein Vergleich der 65 Nennungen des „Wirtschaftlichen" und 35 ähnlicher Begriffe, SGb. 1989, S. 410 ff. 11 Franz Cromme, Das Wirtschaftlichkeitsprinzip bei öffentlichen Gebühren und bei der staatlichen Genehmigung privater Entgelte - Zum Ermessens- und Beurteilungsspielraum und zur gerichtlichen Kontrolldichte im Wirtschaftsverwaltungsrecht, DVB1. 2001, S. 757 (759); Hubertus Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratie- und Wirtschaftlichkeitsprinzip, 2000, S. 411 ff.; Klaus Grupp,
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so „anspruchsvoll an Voraussetzungen"12 ist die Handhabung im Einzelfall. Beide Unterprinzipien stellen sich nämlich einmal die Mittel, ein andermal die Aufgaben als feste Größe vor. Das wird aber in der Verwaltungswirklichkeit der öffentlichen Haushalte kaum einmal oder doch nur in Teilbereichen anzutreffen sein. Eine einigermaßen verlässliche Feststellung, ob das Ausgabeverhalten eines Trägers öffentlicher Verwaltung wirtschaftlich ist oder nicht, setzt aber voraus, dass beide Seiten - Mittel und Aufgaben - mit hinreichender Deutlichkeit feststehen, im haushälterischen Idealfall: mathematisierbar sind. Die Gewißheit schwindet in dem Maße, in welchem beide Größen variabel sind13. Am Beginn jeder Wirtschaftlichkeitsprüfung hat also eine Vergewisserung über Aufgaben und Mittel derjenigen haushaltenden Verwaltungseinheiten zu stehen, die dieser Prüfung unterzogen wird. Was in Berlin wirtschaftlich ist, kann in Buxtehude unwirtschaftlich sein14. Das gilt vollends, wenn es sich um verschiedene Arten von Verwaltungsträgern handelt, die in gleicher Weise dem Wirtschaftlichkeitsprinzip unterliegen, aber anderen Gesetzen des Handelns unterworfen sind, andere Aufgaben und unterschiedliche Systeme der Mittelaufbringung haben sowie über andere Finanzvolumina verfügen, wie Universitäten, Rundfünkanstalten, Handwerks- sowie Industrie- und Handelskammern, Sozialversicherungsträger, Kassenärztliche Vereinigungen und Studenten werke. Es kommt hinzu, dass einige dieser Träger teils grundrechtlich, teils institutionell verfassungsgesetzlich umhegt sind, nämlich Rundfunk und Fernsehen durch die Freiheit der Berichterstattung (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG), die Universitäten durch die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG), die Gemeinden schließlich wegen der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG). Das kann in praxi bedeuten, dass Beanstandungen von Kontrollinstanzen, die bei Anlegung der üblichen Effizienzkriterien an sich statthaft wären, aus Gründen des Verfassungsrechts unzulässig sind. So wäre es z.B. mit der Forschungsfreiheit unvereinbar, wollte
Haushaltsrecht, in: Norbert Achterberg / Günter Püttner / Thomas Würtenberger (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Band II, 2000, § 19 Rn. 27; ders., Steuerung des Verwaltungshandelns durch Wirtschaftlichkeitskontrolle, DÖV 1983, S. 661 (662); Gunnar Folke Schuppert, Die Steuerung des Verwaltungshandelns durch Haushaltsrecht und Haushaltskontrolle, VVDStRL 42 (1984), S. 216 (259). 12 Andreas Greifeid, Der Rechnungshof als Wirtschaftlichkeitsprüfer, 1981, S. 10. 13 Walter Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 1984, S. 185. 14 Verfehlt daher der Ansatz des Bundessozialgerichts, wenn es bei der Frage der Entschädigung des Vorstandsvorsitzenden einer Kassenärztlichen Vereinigung einen Vergleich mit Besoldungsgruppen des Beamtenrechts anstellt: BSGE 86, 203 ff.
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man ein naturwissenschaftliches Forschungsprojekt ex post als „ergebnislos" einstufen und die Mittelverwendung als „unwirtschaftlich" qualifizieren 15. Zu Beginn einer Wirtschaftlichkeitsprüfting hat also die Eruierung zu stehen, welches die verfugbaren Mittel und welches die zu erledigenden Aufgaben sind. Den Einstieg dafür - um zum Sozialversicherungsrecht zurückzukehren - bildet der Haushaltsplan (§§ 67 ff. SGB IV), der sich über die Mittel verhält, „die zur Erfüllung der Aufgaben des Versicherungsträgers im Haushaltsjahr voraussichtlich erforderlich sind" (§ 68 Abs. 1 SGB IV). Aufgaben und Mittel sind ihrerseits heteronom vordeterminiert. Das soll hier exemplarisch an Krankenkassen einerseits, Kassenärztlichen Vereinigungen andererseits verdeutlicht werden, um aufzuzeigen, dass der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz unterschiedliche Perspektiven, Einschätzungen und Bewegungsspielräume eröffnet, je nachdem, welcher Instanz die Definitionskompetenz für die Bestimmung von Aufgaben und Mitteln zukommt und in welcher Dichte diese Definition ausfällt 16. Im Bereich der Kassen ist Ausgangsnorm für die Aufgabenermittlung § 31 SGB I, wonach Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen des SGB nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden dürfen, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zulässt. Das bedeutet, dass der Aufgabenbereich der Kassen i.w. bundesgesetzlich festgeschrieben ist. Den Kassen kommt kein Aufgabenfindungsrecht zu. Für den Leistungsbereich bestätigt § 194 Abs. 2 Satz 2 SGB V diese These. Danach darf die Satzung einer Kasse Leistungen nur vorsehen, soweit das SGB V sie zulässt. Völlig anders ist die Situation bei den Kassenärztlichen Vereinigungen. Nach dem Gesetz (§ 75 SGB V) obliegt ihnen die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung und die Gewährleistung für die Einhaltung der gesetzlichen und vertraglichen Erfordernisse; ferner haben sie die Interessen der Vertragsärzte gegenüber den Krankenkassen wahrzunehmen und die Erfüllung der vertragsärztlichen Pflichten zu überwachen. Diese Aufgabenumschreibung ist höchst diffus und vage; vor allem aber: es sind kaum Konturen für eine rechnerische oder sonstige größenmäßige Quantifizierung auszumachen, die es erlaubten, eine Kosten-Nutzen-Relation im Sinne des Wirtschaftlichkeitsgebots herzustellen. Dem Minimierungsgrundsatz kann aber nur entsprochen werden, wenn das Ausmaß der Aufgabenerfüllung hinreichend bestimmt ist. Hier erweist sich, dass das Wirtschaftlichkeitsgebot situationsbedingt ist; es kommt darauf an, wie hinreichend Mittel einerseits, Zwecke andererseits heteronom vordeterminiert 15
Gerrick von Hoyningen-Huene, Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit im Sozialversicherungsrecht, BB 1991, S. 1345 (1347). 16 Eingehend zum folgenden Friedrich E. Schnapp, Rechtsaufsicht und Wirtschaftsaufsicht über kassenärztliche Vereinigungen - ein systemwidriges Steuerungsinstrument?, in: Detlef Merten (Hrsg.), Die Selbstverwaltung im Krankenversicherungsrecht, 1995, S. 27 ff. (bes. S. 33 ff.)
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und wie verlässlich sie feststellbar sind. Zudem gibt es angesichts dieser offenen Normen die Möglichkeit der schlechten, der mäßigen, der guten und der optimalen Aufgabenerfüllung. Wofür soll sich eine Kassenärztliche Vereinigung entscheiden? Ein vergleichbares Bild ergibt sich bei einem Blick auf die verfügbaren Mittel. Für die Kassen gilt insoweit § 21 SGB IV. Nach dieser Vorschrift müssen die Kassen die Beiträge so bemessen, dass sie zusammen mit anderen Einnahmen 1. die gesetzlich vorgeschriebenen und zugelassenen Ausgaben des Versicherungsträgers decken und 2. sicherstellen, dass die gesetzlich vorgesehenen Betriebsmittel und Rücklagen bereitgehalten werden können. Das bedeutet aber, dass die Parameter für die Beitragsbemessung und damit für die verfügbaren Mittel bei den Versicherungsträgern gesetzlich abschließend festgelegt sind. Hier hat also der Gesetzgeber die Definitionskompetenz dafür in Anspruch genommen, welches die verfügbaren Mittel sind. Auch sofern die Beitragssatzhöhe - wie bei den Krankenkassen - durch die Satzung festgelegt wird (§ 194 Abs. 1 Nr. 4 SGB V), ist das lediglich Umsetzung und Nachvollzug vorgegebener wirtschaftlicher Größen. Gänzlich anders ist die Situation bei den Kassenärztlichen Vereinigungen: Die einzige Bestimmung, die sich über die „gegebenen Mittel" (im Sinne des Maximalprinzips) verhält, ist § 81 Abs. 1 Nr. 5 SGB V. Danach muss die Satzung Bestimmungen enthalten über Aufbringung und Verwaltung der Mittel. Inhaltliche Vorgaben über Bemessungsparameter und Verwendungszweck fehlen völlig. Das heißt nichts anderes, als dass der Vertreterversammlung bei der Frage danach, was die „gegebenen Mittel" im Sinne des Maximalprinzips sind und zu welchen Zwecken sie - im Rahmen gesetzlicher Vorgaben - zu verwenden sind, die Definitionskompetenz zukommt. Das erweist sich im Übrigen als systemkonform, wenn man einen Blick auf die Herkunft der Mittel wirft. Die Versicherungsträger führen Versicherung durch, wie der Name bereits sagt. Das heißt, sie ziehen Beiträge ihrer Versicherten ein und verwalten diese gleichsam treuhänderisch, um mit ihnen auf der anderen Seite die Versicherungsleistungen bestreiten zu können. Wiederum anders die Kassenärztlichen Vereinigungen: Sie führen keine Versicherung durch, erheben also keine Beiträge, um Sozialleistungen erbringen zu können, sie treten überhaupt nicht in Kontakt zu den Versicherten. Vielmehr resultiert das Beitragsaufkommen aus Honoraren, die den Ärzten endgültig als eigene zustehen. Suchte man nach einer Kurzformel, so könnte man sagen, dass die Versicherungsträger Fremdmittel verwalten, die Kassenärztlichen Vereinigungen dagegen Eigenmittel.
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I I I . Das Wirtschaftlichkeitsgebot im Kontrollgefiige Juristische Brisanz erlangt das Wirtschaftlichkeitsgebot dadurch, dass es seine normative Wirksamkeit erst in einem Kontrollgefiige entfaltet. Für die wirtschaftende Stelle stellt es eine Verhaltens- oder Bindungsnorm dar, für Rechnungsprüfiings- und Aufsichtsbehörden eine Kontrollnorm. Da aufsichtsbehördliche Maßnahmen wie beispielsweise die Beanstandung von Haushaltsansätzen ihrerseits zur gerichtlichen Kontrolle gestellt werden können, erlangt der Grundsatz aber ebenso Bedeutung für die Nachprüfung dieser Maßnahmen durch die Rechtsprechung. Ein Problem dabei ist das der so genannten „Kontrolldichte". In der Rechtswissenschaft ist die Chiffre für die damit verbundenen rechtsdogmatischen Probleme der unbestimmte Rechtsbegriff. Als Paradebeispiele werden etwa angeführt 17: Tagesanbruch, Geeignetheit, öffentliches Interesse, Zuverlässigkeit, dienstliches Bedürfnis, schädliche Umwelteinwirkungen und eben auch Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit18. Die Ausweisung der Kategorie des unbestimmten Rechtsbegriffs und dessen Handhabung durch die Rechtsprechung leben von zwei Voraussetzungen, die sich bei näherer Betrachtung als Unterstellungen erweisen. Die erste Voraussetzung ist, dass es auch bestimmte Rechtsbegriffe gibt. Diese Annahme ist aber nicht nur von der Rechtstheorie widerlegt19, sie hält auch der Nachprüfung am praktischen Beispiel nicht stand. So wird man zum Beweis dafür, dass es auch bestimmte Begriffe gibt, vermutlich auf Termin- und Fristbestimmungen verweisen. Nach einer Formulierung von Ernst Forsthoff denkt der Rechtsanwender bei der Gesetzesauslegung den Rechtssatz „in der ihm innewohnenden Logik bis zu einer konkreteren Aussage" weiter20. Man versuche das einmal mit der Vorschrift des § 87 Abs. 1 SGG, wonach die Klage „binnen eines Monats" nach Zustellung oder Bekanntgabe zu erheben ist. Wann beginnt und vor allem wann endet die Monatsfrist? Nach 28, 29, 30 oder 31 Tagen? Erst mit Hilfe einer Verweisungskette, die von § 202 SGG über § 222 17
Hartmut Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2000, § 7 Rn. 28; Fritz Ossenbühl, in: Hans-Uwe Erichsen (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 1998, § 10 Rn. 23 m.w.N.; Dieter Schmalz, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 1998, S. 67 Rn. 111. 18 Wolfgang Kahl, Die Staatsaufsicht, 2000, S. 326. 19 Otto Bachof Ermessen und Sprachgebrauch II, JZ 1956, S. 590 f.; Hans J. Hansen, Fachliche Weisung und materielles Gesetz, 1971, S. 238; Hans Heinrich Kupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 217 ff.; Reinhold Zippelius, Einführung in die juristische Methodenlehre, 1971, S. 55 f.; Wolfgang Hoffmann-Riem, Beharrung oder Innovation - Zur Bindungswirkung verfassungsrechtlicher Entscheidungen, Der Staat 13 (1974), S. 335 (347) m.w.N.; Heinrich Wilhelm Kruse, Steuerrecht I, Allgemeiner Teil, 3. Aufl. 1973, S. 83: „scheinbar bestimmte Begriffe". 20 Ernst Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Band 1,10. Aufl. 1973, S. 86.
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ZPO zu den §§187 und 188 BGB fuhrt, gelangen wir zu einer etwas präziseren Berechnungsanleitung. Gleichwohl ist das Gesetz aus sich heraus noch nicht sicher zu handhaben, denn in den Kommentaren finden sich vielseitige Erläuterungen, die gelegentlich verzeichnen „a.A. ...". Es kommt hinzu, dass Fristberechnungen nicht als l'art pour Tart vorgenommen werden, sondern im Verbund mit Vorschriften z.B. über die Zustellung, wobei problematisch sein mag, ob „die mit einem Mann in wilder Ehe zusammenlebende Frau" als „Hausgenosse" i.S.v. § 11 Abs. 1 VwZG (Ersatzzustellung) anzusehen ist21. Ein erstes Fazit daraus ist, dass es keine zwei voneinander abgeschlossenen Kategorien „bestimmter" und „unbestimmter Rechtsbegriff 4 gibt. Vielmehr bewegen sich alle rechtlichen Termini auf einer Skala, die von relativer Bestimmtheit bis zu hoher Vagheit reichen22. Hinzu kommt, dass sich ein Rechtsfindungsvorgang nicht in der Auslegung eines einzigen juristischen Ausdrucks erschöpft, der Rechtsfinder es vielmehr mit einem ineinander verwobenen Komplex von Rechtsvorschriften zu tun hat23, dem oft atypische und „pathologische" Lebenssachverhalte erst zugeordnet werden müssen. Das kann indes an dieser Stelle auf sich beruhen, da es nahezu einhellige Meinung ist, dass der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit einem unbestimmten Rechtsbegriff in der uns geläufigen Terminologie darstellt. Bei dieser Erscheinung kommt allerdings ein anderes Problem ins Spiel, das unter dem Etikett „(gerichtliche) Überprüfbarkeit unbestimmter Rechtsbegriffe" firmiert. Die Auffassungen insbesondere der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit und der herrschenden Meinung in der Literatur, welche für eine volle gerichtliche Überprüfung plädieren24, gehen unausgesprochen von dem Ideal der „einzig richtigen Entscheidung" aus. Das klingt zunächst plausibel. Auf unser Thema angewandt: Die Mittelverwendung durch einen Verwaltungsträger kann nur wirtschaftlich oder unwirtschaftlich sein - tertium non datur. Nur: Wo ein KontrollgefÜge mit verschiedenen Institutionen, die denselben Rechtsbegriff
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Dazu LG Köln, ZZP 71, S. 308. Walter Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 1984, S. 75; Hartmut Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2000, § 7 Rn. 29. 23 Karl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 314 f. 24 Siehe die Nachweise bei Hartmut Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2000, § 7 (passim); Fritz Ossenbühl, in: Hans-Uwe Erichsen (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, § 10 Rn. 27; siehe zur gerichtlichen Uberprüfling des Prinzips der Wirtschaftlichkeit auch Franz Cromme, Das Wirtschaftlichkeitsprinzip bei öffentlichen Gebühren und bei der staatlichen Genehmigung privater Entgelte - Zum Ermessens- und Beurteilungsspielraum und zur gerichtlichen Kontrolldichte im Wirtschaftsverwaltungsrecht-, DVB1. 2001, S. 757 (760 ff.). 22
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auf denselben Sachverhalt anzuwenden haben, wird die Formel von der einzig richtigen Entscheidung bedeutungslos25. Angesichts des Umstandes, dass die in gesetzlichen Vorschriften verwandten Ausdrücke einen mehr oder minder hohen Grad an Vagheit aufweisen 26, sind zwei Aspekte auseinanderzuhalten: Die Frage, welche „Anwendungsbreite" (Extension)27 ein im Gesetz vorzufindender Terminus eröffnet, ist nicht identisch mit derjenigen, ob eine Kontrollinstanz befügt ist, die Anwendung dieses Begriffs durch den Rechtsanwender „an der Front" nachzuprüfen und dessen Entscheidung durch eine eigene, abweichende Entscheidung zu ersetzen 2*. Die Frage nach der „richtigen" Entscheidung mündet ein in die nach der Zuständigkeit für die letztverbindliche Entscheidung29: Was zunächst als Sachfrage erscheint, ist letzten Endes ein Kompetenzproblem. Beanspruchen Kontrollinstanzen diese Kompetenz für sich, so erscheint die Formel vom unbestimmten Rechtsbegriff, der nur eine richtige Entscheidung erlaube, als dogmatische Abbreviatur für diesen Umstand. Der „unbestimmte Rechtsbegriff 4 ist nur als polemischer Begriff verstehbar30 und erweist sich als „fromme Lebenslüge der Verwaltungsgerichtsbarkeit"31. Dass Gerichte die Letztendscheidungsbefugnis für sich reklamieren, ist freilich ebenso erklärbar: Art. 19 Abs. 4 GG ist auf einen effektiven Individualrechtsschutz angelegt, und insbesondere in Bereichen, die grundrechtsempfindlich sind, erscheint eine gerichtliche Kontrolle gerade wegen der Unbestimmtheit der unbestimmten Rechtsbegriffe angezeigt. Diese Konstellation, die auf den Individualrechtsschutz des Bürgers gegen die Verwaltung mit Hilfe der Gerichte angelegt ist, fehlt allerdings völlig, wenn eine Aufsichtsbehörde einen unbestimmten Rechtsbegriff als Kontrollmaßstab zu handhaben hat. Aufsichtsbehörden sind keine Rechtsschutzinstanzen, weder für Selbstverwaltungskörperschaften noch für Bürger. Bei Trägern von Selbstverwaltung geht es - kehrt 25 Hans Julius Wolff/Otto Bachof / Rolf Stober, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl. 1974, §31 c4 5(S. 194) m.w.N. 26 Vagheit (Unbestimmtheit) ist nicht zu verwechseln mit Mehrdeutigkeit. Richtig Rüdiger Klein, Die Kongruenz des verwaltungsrechtlichen Ermessensbereichs und des Bereichs rechtlicher Mehrdeutigkeit, AöR 82 (1957), S. 75 ff.; Theodor Ickler, Die Disziplinierung der Sprache, 1997, S. 45 m.w.N. 27 Dazu Maximilian Herberger / Dieter Simon, Wissenschaftstheorie für Juristen, 1980, S. 237 ff. 28 Walter Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 1984, S. 97. 29 Vgl. Hans-Uwe Erichsen, Unbestimmter Rechtsbegriff und Beurteilungsspielraum, VerwArch 63 (1972), S. 337 (342 f.); Fritz Ossenbühl, Vom unbestimmten Gesetzesbegriff zur letztverbindlichen Verwaltungsentscheidung, DVB1. 1974, S. 309 (310); Friedrich E. Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 178 m.w.N. 30 Walter Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtssetzung, 1969, S. 135. 31 Hans Meyer, Die Kodifikation des Verwaltungsverfahrens und die Sanktion für Verfahrensfehler, NVwZ 1986, S. 513 (521).
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man den juristischen Begriff von Selbstverwaltung hervor - um Freiheit von staatlicher Ingerenz. Daher endet die Kontroll- und Ersetzungskompetenz der Aufsichtsbehörden früher als die der Gerichte32. In zutreffender Einschätzung dieser Zusammenhänge hat das Bundessozialgericht ausgeführt: „Schon die sachbedingten Schwierigkeiten einer Erfolgskontrolle fordern, dass dem einzelnen Versicherungsträger bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit einer Maßnahme ein Beurteilungsspielraum in Gestalt einer ,Einschätzungsprärogative4 verbleiben muss. Dieses ,Vorrecht' des Versicherungsträgers wird durch das ihm zustehende Selbstverwaltungsrecht noch verstärkt. Der Grundsatz maßvoller Ausübung der Rechtsaufsicht verlangt bei der Handhabung derart unbestimmter Rechtsbegriffe wie derjenigen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, dass der Verwaltung im allgemeinen ein gehöriger Bewertungsspielraum' verbleibt".33 Damit bewegt es sich auf einer Linie, die im Kommunalrecht schon seit geraumer Zeit als Gemeingut gilt. 34
IV. Die „doppelte Gesetzesbindung44 der Aufsichtsbehörde Beanstandet eine Aufsichtsbehörde den Haushaltsansatz oder ein sonstiges ausgabenwirksames Verhalten eines Sozialversicherungsträgers, so hat sie es nicht in erster Linie mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot zu tun; denn zuvor bedarf sie eines Eingriffstitels. Dieser findet sich für den Haushaltsplan oder einzelne Ansätze in den §§ 70-71 a SGB IV, für sonstige Betätigungen in den §§ 87 f. SGB IV. Die Einflussmöglichkeiten der Aufsichtsbehörden sind bei der Haushaltskontrolle nicht gleichförmig ausgestaltet, sondern - je nach Versicherungssparte - abgestuft geregelt. Der geringsten Einwirkung unterliegen die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung: Diese haben der Aufsichtsbehörde den Haushaltsplan auf Verlangen lediglich vorzulegen. Einen Genehmigungsvorbehalt oder eine Beanstandungsbefugnis sieht das Gesetz nicht vor. Gleichwohl wird der Aufsichtsbehörde von der Literatur der Rückgriff auf die allgemeinen Aufsichtsvorschriften in den §§ 87 ff. SGB IV eingeräumt35. Das ergibt wenig 32 Herwig Schirmer / Horst Kater / Fred Schneider , Aufsicht in der Sozialversicherung, Loseblattsammlung, Stand 1994, 220, S. 4; Friedrich E. Schnapp, Probleme der Selbstverwaltung, Bitburger Gespräche, Jahrbuch 1996, S. 33 (44 f.). 33 BSGE71, 108(110). 34 Siehe etwa Jürgen Salzwedel, Staatsaufsicht in der Verwaltung, VVDStRL 22 (1965), S. 206 (237 ff.); Friedrich E. Schnapp, Die Ersatzvornahme in der Kommunalaufsicht, 1972, S. 51 ff. 35 Ludwig Bergner, Kommentar zur Rentenversicherung, SGB VI, Stand 1. Januar 1990, § 70 Rn. 7; Wilfried Gleitze, in: Wilfried Gleitze / Peter Krause / Bernd von Maydell / Detlef Merten, GK-SGB IV, § 70 Rdnr. 8, 23; Karl Hauck, Sozialgesetzbuch IV, Stand 1. Juni 2000, K § 70 Rn. 21; Kurt Jahn, Sozialgesetzbuch IV, Stand 1. Februar 1993, § 70 Rn. 4. Teilweise wird auch danach unterschieden, ob die haushaltsrechtliche Beanstandung innerhalb der Frist erfolgt ist oder nicht. Das Problem soll hier nicht ver-
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Sinn: Die Einwirkungsmöglichkeiten der Aufsichtsbehörde auf den Haushaltsplan sind in den §§70 ff. SGB IV spezialgesetzlich geregelt - einschließlich der Maßstäbe und Mittel. So ist bei einigen Haushalten ein Genehmigungsvorbehalt vorgeschaltet, andere wiederum unterliegen nur der Beanstandung, bei anderen schließlich ist eine ersatzweise Etatisierungsbefugnis vorgesehen. Soll das kein Zufall sein, so wird man diese Konfiguration auf eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers für eine abgestufte und auch limitierte Einwirkung der Aufsichtsbehörde im Bereich des Haushaltswesens zurückführen müssen. Diese Differenzierung würde durch einen Rückgriff auf die allgemeinen Aufsichtsvorschriften wieder eingeebnet; denn diese sehen nicht nur den Verpflichtungsbescheid, sondern auch Mittel der Verwaltungsvollstreckung vor, zu denen die Ersatzvornahme gehört. Diese ist im Haushaltswesen aber nur gegenüber den Trägern der Rentenversicherung und den landwirtschaftlichen Alterskassen in § 70 Abs. 3 SGB IV vorgesehen. Was den Aufsichtsmaßstab anbelangt, so haben wir hier, wie nicht selten im Sozialversicherungsrecht, eine Fehlleistung des Gesetzgebers zu registrieren, wobei der Verstoß gegen elementare Prinzipien der Logik auch durch subtile Interpretationen der Kommentarliteratur 36 nicht aus der Welt geschaffen werden kann: Der Haushaltsplan der Rentenversicherungsträger kann von der Aufsichtsbehörde beanstandet werden, soweit gegen Gesetz oder sonstiges maßgebendes Recht verstoßen oder die Leistungsfähigkeit des Versicherungsträgers gefährdet wird. In der Kranken- und der Pflege Versicherung dagegen wird das Beanstandungsrecht ausgelöst, soweit gegen Gesetz oder sonstiges Recht verstoßen wird, insbesondere soweit37 dadurch (?) die Leistungsfähigkeit des Versicherungsträgers gefährdet wird. Das ist ein logisches Unding. Wenn denn Sprache noch einen Sinn geben soll: „Insbesondere" kennzeichnet einen Unteroder Beispielsfall und bedeutet, dass die nachfolgende Aufzählung nicht abtieft werden. Zur Frage selbst siehe ferner BSGE 56, 45 (53), BSG SozR 2400 § 70 Nr. 1; Alois Kröninger, Das Recht zur Beanstandung des Haushaltsplanes nach § 70 Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung, Die Krankenversicherung 1977, 256 ff.; Pappai, Gemeinsame Vorschrift für die Sozialversicherung, Die Krankenversicherung 1977, S. 36 (40); Gerd Binder, Das Aufsichtsrecht nach § 70 Sozialgesetzbuch IV, DRV 1982, S. 297 (303 f.). 36 Vgl. etwa Karl Hauck, in: ders., Sozialgesetzbuch IV, Stand: 1. April 2000, § 70 SGB IV Rn. 20 sowie Kurt Maier, in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Band 1, Stand: 1. März 2001, § 70 SGB IV Rn. 8, denen zufolge durch die gewählte Formulierung für die Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte eine gegenüber Kranken- und Pflegeversicherung weitergehende Beanstandungsmöglichkeit zum Ausdruck gebracht werden soll; siehe auch Rüdiger Neumann-Duesberg, Haushalts- und Rechnungswesen in der Sozialversicherung, BKK 1977, S. 277
(282).
37 Wenn die Formulierung ernst gemeint ist, setzt also eine Beanstandung die vorherige Ermittlung voraus, wie weit der Rechtsverstoß die Gefährdung der Leistungsfähigkeit bewirkt.
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schließend ist. „Oder" dagegen zieht als disjunktive Konjunktion auf ein aliud (wie etwa § 71a Abs. 3 SGB V erkennen lässt). „Gefährdung der Leistungsfähigkeit" kann nicht beides zugleich sein, nämlich ein Unterfall des Rechtsverstoßes und ein weiterer Beanstandungsgrund. Der praktischen Rechtsanwendung tut diese legislatorische Schlamperei freilich keinen Abbruch: Da die Gefährdung der Leistungsfähigkeit im Gesetz genannt ist, darf sie bei einer Beanstandung als Aufsichtsmaßstab zugrunde gelegt werden. Hat die der Aufsicht unterliegende Körperschaft etwas „ins Werk gesetzt", das nach Ansicht der Aufsichtsbehörde gegen maßstabbildendes Recht verstößt, also rechtswidrig ist38, dann kann diese nach vorheriger Beratung39 „den Versicherungsträger verpflichten, die Rechtsverletzung zu beheben" (§ 89 Abs. 1 Satz 2 SGB IV) 40 . Dem entspricht im Arsenal der kommunalrechtlichen Aufsichtsmittel die Beanstandung. Kommt der Versicherungsträger dem Aufhebungsverlangen nicht nach, so kann die Aufsicht zur (ersatzweisen41) Aufhebung schreiten. Die Struktur des Rechtsgewinnungsprozesses ist bei dieser Konfiguration eher einfach, da hier ein Rechtsakt (Beschluss, Satzungsbestimmung, Verwaltungsakt, rechtsgeschäftliche Willenserklärung) vorhanden ist, der sich anhand der Dichotomie rechtmäßig/rechtswidrig beurteilen lässt - tertium non datur. Schwieriger ist die Situation, wenn der Versicherungsträger das Recht durch Unterlassen verletzt. Dann bekommt der Verpflichtungsbescheid - um im Bild des Kommunalrechts zu bleiben - die Gestalt einer Anordnung. Ein dahingehendes Verlangen der Aufsichtsbehörde setzt voraus, dass die beaufsichtigte Körperschaft eine ihr kraft Gesetzes obliegende Verpflichtung nicht erfüllt 42. Nun ergibt sich die „praktisch wichtigste Problematik der Staatsaufsicht" 43 daraus, dass manche der an die Selbstverwaltungskörperschaften gerichteten Vor38 Eine Legaldefinition der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes enthält § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X. Vgl. dazu Friedrich E. Schnapp, Rücknahme von Verwaltungsakten, SGb. 1993, 1 (2). 39 Zu den Anforderungen an die Intensität der Beratung siehe BSGE 67, 78 (83 f.); Winfried Funk, Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Aufsichtsrecht, VSSR 1990, S. 261 (266 f.). 40 Als solche Rechtsverletzung kommt etwa der Verstoß gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit in Betracht, denn die Berücksichtigung dieses Prinzips ist als Rechtsgebot ausgestaltet (§ 69 Abs. 2 SGB IV). 41 Zur Frage der Abgrenzung von unmittelbarem Zwang und Ersatzvornahme im Vollstreckungsrecht siehe Hartmut Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2000, §20 Rn. 18m.w.N. 42 Gerhard Baier, in: Dieter Krauskopf (Hrsg.), Soziale Krankenversicherung / Pflegeversicherung, 3. Aufl. 1989, § 89 SGB IV, Rn. 2; Friedrich E. Schnapp, Die Ersatzvornahme in der Kommunalaufsicht als Verwaltungsakt, DÖV 1979, S. 659 (660). 43 So Jürgen Salzwedel, Staatsaufsicht in der Verwaltung, VVDStRL 22 (1965), S. 206 (237).
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Schriften dem Wortlaut nach positiv formulierte Pflichten enthalten, sich aber gleichwohl nicht dazu eignen, der Körperschaft ein ganz bestimmtes Verhalten im Aufsichtswege abzuverlangen, und zwar aus folgendem Grunde: Die Anordnung schafft kein neues Recht, der Versicherungsträger ist nicht erst aufgrund ihrer verpflichtet zu handeln, sondern schon aus dem Gesetz. Die Anordnung setzt die gesetzliche Verpflichtung bereits voraus. Deshalb und dabei muss die angesonnene Verpflichtung im Gesetz derart ausgestaltet sein, dass die beaufsichtigte Körperschaft schon aus diesem selbst muss ersehen können, wozu sie im Einzelnen verpflichtet ist, damit sie sich entsprechend verhalten kann. Das ist hier nicht anders als sonst in der staatlichen Eingriffsverwaltung: Konkrete verpflichtende Akte der vollziehenden Gewalt müssen durch Gesetz derart zugelassen sein, dass die Voraussetzungen für den eingreifenden Akt tatbestandsmäßig normiert sind44. Auch für die Staatsaufsicht gilt, „dass der Beaufsichtigte ohnehin schon weiß oder doch zu wissen rechtlich in der Lage ist, was rechtlich von ihm verlangt ist"45. Nun ist zwar das Gebot der wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung kein unverbindlicher Programmsatz, gleichwohl weist es keinen unmittelbar realisierbaren Gehalt in der Weise auf, dass es die Verpflichtung speichern würde, gleichsam eine administrative Punktlandung auf einem ziffernmäßig festgelegten Betrag zu absolvieren. Das gilt jedenfalls dort, wo die Zweck-Mittel-Relation sich nicht mehr eindeutig isolieren lässt. Wo Zwecke und Mittel sich nicht in ein rein monetäres Verhältnis bringen lassen, erweist sich die Suche nach der „einzig richtigen Entscheidung" als Illusion46. Deshalb ist hier eine Art „Umkehrinterpretation" 47 vorzunehmen, mit welcher die positive sprachliche Formulierung auf ihren negativen Aussagegehalt zurückgeführt wird. Das gilt insbesondere dort, wo die fachliche Autonomie von Selbstverwaltungskörperschaften ins Spiel kommt48. Dabei gibt es drei Grundkonstellationen49: Ent44 BayVGH DVB1. 1955, S. 253 ff.; Hans Julius Wolff in: ders. / Otto Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl. 1974, § 30 III b 2 (S. 184 f.); Hartmut Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2000, § 6 Rn. 12 a. E. (S. 112); Maximilian Wallerath, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 1992, S. 121. Siehe bereits die Andeutung bei Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, 2. Band, 2. Aufl. 1917, S. 720. 45 Martin Bullinger, Staatsaufsicht in der Wirtschaft, VVDStRL 22 (1965), S. 264 (291). 46 Vgl. auch Helmuth Schulze-Fielitz, Kontrolle der Verwaltung durch Rechnungshöfe, VVDStRL 55 (1996), S. 231 (256) m.w.N. in Fn. 140. 47 So Jürgen Salzwedel, Staatsaufsicht in der Verwaltung, VVDStRL 22 (1965), S. 206 (237). 48 Zum folgenden siehe BVerwGE 74, 58 (62); Hans-Heinrich Trute, Die Forschung zwischen grundrechtlicher Freiheit und staatlicher Institutionalisierung, 1994, S. 479 f.; Wolfgang Hoffmann-Riem, Finanzierung und Finanzkontrolle der Landesmedienanstalten, 1993, S. 146; Wolfgang Böning, Finanzkontrolle im repräsentativ-demokratischen System, in: ders. / Hans Herbert von Arnim / Ernst Heuer / Albert von Mutius (Hrsg.), Finanzkontrolle im repräsentativ-demokratischen System, 1990, S. 39 (43 f.); Görg Ha-
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weder das überprüfte Verhalten fällt in den Bereich der fachlichen Autonomie. Dann ist es der Beanstandung weitgehend entzogen. Oder es handelt sich um reine Verwaltungsroutine, die zudem noch zahlenmäßig zu fixieren ist. Dann ist die Handlungsweise voll überprüfbar. Zwischen den Polen bewegt sich eine Vertretbarkeitsprüfung. Hier ist der Bereich der soeben angesprochenen Umkehrinterpretation. Es können nur offenbar unwirtschaftliche Entscheidungen gerügt werden. Das entspricht der gefestigten Auffassung im Kommunalrecht, wonach der Aufsichtsbehörde die Befugnis einzuschreiten grundsätzlich erst dann eröffnet ist, wenn gemeindliche Maßnahmen „mit den Grundsätzen vernünftiger Wirtschaft schlechterdings unvereinbar" sind50.
V. Grenzen des „Bewertungsspielraums 44? Da nun die Grundsätze vernünftiger Wirtschaft nicht so offen auf der Hand liegen und die Einhaltung des ökonomischen Prinzips „hinsichtlich der Art, des Umfangs und der Qualität der ... Aufgabenerfüllung in aller Regel objektiv nicht meßbar ist" 51 , fragt es sich, wo der vom Bundessozialgericht angesprochene „gehörige Bewertungsspielraum" seine Schranken findet, mit deren Hilfe ein unkontrolliertes Abgleiten in subjektive Beliebigkeit verhindert werden kann. Einleuchtend und systemkonform erscheint mir hier die Rechtsprechungslinie des OVG Münster: Die Aufsichtsbehörde kann von einem Verstoß gegen den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz ausgehen, wenn die Entscheidung unter keinem Gesichtspunkt vertretbar erscheint. Das ist der Fall, wenn es für die inkriminierte Maßnahme an zureichenden Gründen fehlt. Die Art, wie dieses letztere Merkmal entfaltet wird, weist einen Anklang an die so genannte „Neue Formel" des Bundesverfassungsgerichts auf: Je mehr Haushaltsmittel für die getroffene Maßnahme im Vergleich zu einer anderen Aufgabenlösung aufzuwenden sind, „desto gewichtiger und überzeugender müssen die Gründe hierfür sein"52. Dies bedeutet, dass der wirtschaftenden Verwaltungseinheit eine Art Darlegungslast aufgebürdet wird: Sie muss nachvollziehbare Gründe dafür vorbringen können, verkate , Prüfungsfreie Räume, in: Heinz Günter Zavelberg (Hrsg.), Die Kontrolle der Staatsfinanzen: Geschichte und Gegenwart 1714-1989, Festschrift zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen General-Rechen-Kammer, 1989, S. 197 (213). 49 Vgl. Helmuth Schulze-Fielitz , Kontrolle der Verwaltung durch Rechnungshöfe, VVDStRL 55 (1996), S. 231 (262) m.w.N. 50 So OVG Rheinland-Pfalz AS 3, 47 (50); 13, 412 (414); ebenso Rudolf Salmen, Das Wirtschaftlichkeitsprinzip in der kommunalen Finanz- und Haushaltsplanung, 1980, S. 148 ff.; Edzard Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, 1982, S. 222 (Rn. 663); Otfried Seewald , Gemeinderecht, in: Udo Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 1995, S. 123 (Rn. 308). 51 OVG NW, NVwZ-RR 1991, S. 509. 52 Ebd., S. 510.
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warum sie diese und nicht eine andere Entscheidung getroffen hat. Am fiktiven Beispiel verdeutlicht: Eine Kassenärztliche Vereinigung wird keine überzeugenden Gründe dafür angeben können, warum sie den Auftrag vergeben hat, die Wasserhähne im Verwaltungsgebäude zu vergolden, wohl jedoch dafür, dass sie sich dazu entschlossen hat, die Büros mit Kommunikationsmitteln nach dem neuesten Stand der Technik auszustatten. Und schließlich: Die erwähnte Relationalität des Wirtschaftlichkeitsbegriffes, seine Situationsbezogenheit und mangelnde Mathematisierbarkeit führen dazu, dass es eine gewisse „Bandbreite" von Entscheidungsmöglichkeiten gibt, die gleichermaßen vom ökonomischen Prinzip abgedeckt sind. Das bringt es zugleich mit sich, dass aus dem Arsenal der Aufsichtsmittel in aller Regel nur die Beanstandung gegenüber bereits getroffenen Maßnahmen zum Zuge kommen kann. Dagegen sind kaum Fallgestaltungen denkbar, in denen eine Anordnung am Platze wäre; denn der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verlangt keine administrative Punktlandung.