Wie die Science Fiction Deutschland eroberte : Erinnerungen an die miterlebte Vergangenheit der Zukunft 9783940679208

Bericht über den Einzug der Science Fiction in der Bundesrepublik Deutschland in den 1950er Jahren, insbesondere über Le

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German Pages [225] Year 2008

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Wie die Science Fiction Deutschland eroberte : Erinnerungen an die miterlebte Vergangenheit der Zukunft
 9783940679208

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Heinz J. Galle

Wie die Science Fiction Deutschland eroberte Erinnerungen an die miterlebte Vergangenheit der Zukunft

Herausgegeben von Dieter von Reeken

Dieter von Reeken • Lüneburg

Titelbildgestaltung: Collage von Dieter von Reekcn unter Verwendung zweier Fotos aus dem Archiv Heinz J. Galle

Copyright © 2008 für Satz und Gestaltung by Dieter von Reeken, Lüneburg Herausgeber der DvR-Buchreihe: Dieter von Reeken, Brüder-Grimm-Straße 10, 21337 Lüneburg www.dieter-von-reeken.de

Druck und Verarbeitung: Schaltungsdienst Lange oHG, Berlin 1. Auflage 2008

ISBN 978-3-940679-20-8

Inhaltsverzeichnis Vorwort und editorische Hinweise............................................................ 8

Einleitung: Memoirenliteratur............................................................ 11 1. Vom Zukunftsroman zur Science Fiction ................................... Science Fiction ist in der Gegenwart angekommen ......................... Was bedeutet der Terminus „Science Fiction“?............................... Schon vor 1945 gab es Science Fiction in Deutschland .................. Die Zeit von 1945-1949 ...................................................................... Das erste Jahrzehnt: Der Weltraum lockt..........................................

15 15 16 19 21 24

2. Die SF-Fans und ihre Welt ............................................................. 27 Der erste deutsche Science-Fiction-Club .......................................... 27 Vom Wesen und Unwesen der SF-Conventions .............................. 35 Links - da wo das Herz sitzt................................................................ 38 Mit „Transgalaxis“ durch die Bücherwelt........................................... 40

3. Vormarsch auf schmaler und breiter Basis ............ 49 Jakob Bleymehl und die „Sammlung Antares“ .................................. 49 Paul Alfred Müller alias Freder van Holk alias Lok Myler ............. 52 Aus der Welt von morgen.................................................................... 54 4. Science Fiction in den Leihbüchereien von 1948—1975 .......... Weltraumfahrt für 50 Pfennige........................................................... Paul-Feldmann-Verlag ........................................................................ Gebrüder-Zimmermann-Verlag......................................................... Bewin-Verlag ........................................................................................ Reihenbuch-Verlag...............................................................................

57 57 58 61 61 62 5

Autoren dieses Genres ......................................................................... 63 Leihbücher als Sammelobjekte........................................................... 65 Das Ende der Klarsichthüllen ............................................................ 68 5. Das SF-Taschenbuch beginnt seinen Siegeszug........................ 69 Bären-Bücher.......................................................................................... 69 Die Bunte Reihe ................................................................................... 69 rororo-Taschenbücher......................................................................... 70 Taschen-Junior-Bücherei .................................................................... 71 Berliner Taschenbücher ...................................................................... 72 UTO-Zukunftsromane ........................................................................ 74 AWA-Taschenbücher .......................................................................... 75 Utopische Taschenbücher................................................................... 75 Ullstein-Verlag...................................................................................... 76 Walter-Lehning-Verlag ....................................................................... 77 Wilhelm-Heyne-Verlag ....................................................................... 79 Fischer-Verlag..................................................................................... 125 Erich-Pabel-Verlag ............................................................................ 127 Arthur-Moewig-Verlag...................................................................... 127 Wilhelm-Goldmann-Verlag............................................................... 129 Und was es sonst noch gab................................................................ 130 Tabelle: Taschenbuchreihen mit SF-Titeln (1948-1970) ............. 131

6. Verwelkte Blüten und Schwanengesang? ................................ Anabis. Ein Amateurmagazin auf dem Weg zur Professionalität ... Planet-Magazin - 6...7...8... aus .............................................. Reif fällt auf die Blütenpracht...........................................................

132 132 135 138

7. Das Haus mit den bunten Fenstern ......................................... Science Fiction als Kunstobjekt ........................................................ Table-Top-Fotos................................................................................. Weltliteratur fiir eine Deutsche Mark.............................................. Die Abenteuer des Kapitän Rob ...................................................... Ein Bild sagt mehr als tausend Worte..............................................

141 141 143 146 148 149

8. Die SF-Filme der 1950er und 1960er Jahre ............................. Ein Blick über den großen Teich...................................................... Die SF-Filme der 1950er Jahre ........................................................ Das Buch zum Science-Fiction-Film ................................................ Rettung durch 3-D-Elfekt? ................................................................ Der SF-Film und sein Echo in der Öffentlichkeit........................... Amerikanische und britische SF-Filme der 1960er Jahre..............

155 155 160 164 169 172 174

6

Tabelle: SF-Filme aus denjahren 1950-1970 (Auswahl) ............. 176 Wissenschaftliche Phantastik (UdSSR, ÖSSR, DDR) ................... 181 Nicht zuletzt: Die Raumpatrouille Orion........................................ 186 9. Die UFOs und die Science Fiction ............................................ Das UFO-Phänomen - eine Massenpsychose? .............................. Bücher-Varianten ............................................................................... UFO-Filme ......................................................................................... UFOs im Gewand des Heftromans .................................................. UFOs im Bild ..................................................................................... Ufologie - im Reich der Gläubigen und Scharlatane ...................

189 189 191 194 200 203 206

Bildteil .................................................................................................. 81-124

Quellen- und Literaturverzeichnis ......................................................... 210 Personenregister ....................................................................................... 217 Abbildungsnachweis................................................................................. 223

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Vorwort und editorische Hinweise ach seinem dreibändigen Standardwerk Volksbücher und Heftro­ mane (2005/2006) und dem Almanach Zwischen Tecumseh und Doktor Fu Man Chu (2007) legt Heinz J. Galle nun ein weiteres Buch vor, das sich vor allem mit dem Einzug der Science Fiction in Literatur, Kunst, Film und Freizeitgestaltung („SF-Fandom“) in der Zeit nach 1945 in Westdeutschland befasst. (Eine Zwischenbemerkung für „interessierte Laien“: „SF“ ist die Abkürzung für „Science Fiction“ und wird im weite­ ren Textverlauf der Einfachheit halber überwiegend statt des ausgeschrie­ benen Begriffs verwendet.) Einige Themenbereiche sind schon in den genannten Büchern in un­ terschiedlicher Breite und Tiefe behandelt worden; das vorliegende Buch, das gleichzeitig auch ein Erinnerungsbuch ist, soll einige „weiße Flecke“ im breiten Themenspektrum abdecken und mehr oder weniger bekannte Themen aus teilweise verändertem Blickwinkel vertiefen und ergänzen. So kann dieser persönlich geprägte Bericht über die miterlebte „Ver­ gangenheit der Zukunft“ den eindrucksvollen Darstellungen von Wolf­ gang Both, Hans-Peter Neumann und Klaus Scheffler über die Entwick­ lung in der SBZ/DDR (Berichte aus der Parailelwelt, 1998) und von Rai­ ner Eisfeld über die Entwicklung in Westdeutschland (Die Zukunft in der Tasche, 2007) sowie den Biografien von Heiko Langhans über Walter Ernsting (Clark Darlton. Der Mann, der die Zukunft brachte, 2000) und Karl-Herbert Scheer (Karl-Herbert Scheer. Konstrukteur der Zukunft, 2001) und dem von Kurt Kobler herausgegebenen lunfbändigen Sam­ melwerk Kommandosache K H. Scheer (2006-2008) an die Seite gestellt werden. Soweit sich Abbildungen nicht auf der gleichen oder der gegenüber liegenden Seite befinden (viele Fotos und die Farbbilder sind aus techni-

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sehen Gründen in einem gesonderten Bildteil zusammengefasst worden), wird auf sie mit einem Pfeil in eckigen Klammern (z. B. [-+ Abb. auf S. 100]) hingewiesen. Die zahlreichen Abbildungen stammen aus dem Ar­ chiv des Verfassers und werden großenteils als Bildzitate verwendet. Die Urheber- und sonstigen Rechte liegen bei den im Abbildungsnachweis aufgeführten natürlichen oder juristischen Personen oder deren Rechts­ nachfolgern. Die benutzte und weiterführende Literatur wird im Quellen- und Literaturverzeichnis aufgeführt. Die Fundstellen werden jeweils unmittel­ bar im Zusammenhang mit den ziüerten Texten oder Abbildungen ge­ nannt. Dabei werden, ebenso wie im Quellen- und Literaturverzeichnis, Zeitschriften-, Reihen- und Serienbezeichnungen in KAPITÄLCHEN, (evtl. Untertitel zusätzlich in einfachen Klammern), Buch-, Kurzgeschichten-, Artikel- und Filmtitel in Kursivschrift und Hervorhebungen (soweit nicht in zitierten Texten enthaltener Fett- oder Kursivdruck unverändert über­ nommen wird) in gesperrter Schrift gesetzt. Das Personenregister am Schluss des Buches bezieht sich auch auf die Abbildungstexte. Als Herausgeber dieses nostalgischen Erinnerungsbuches wünsche ich Ihnen beim Lesen und Blättern mindestens ebenso viel Anregung und Freude, wie ich sie bei der Zusammenstellung von Text und Bild empfun­ den habe. Dieter von Reeken

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Der Verfasser um 2005 in seinem Heim in Leverkusen

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Einleitung

Memoirenliteratur m 22. Oktober 1936 trafen sich neun Science-Fiction-Begeisterte in Philadelphia (USA). Darunter befanden sich u. a. Donald Allen Wollheim, Frederik Pohl und David Kyle. Sie begründeten damit die Tradition der Science-Fiction-Conventions. Auf diese Zeit ging Kyle 40 Jahre später in seinen Büchern A Pictonal History of Science Fiction (1976) und The Illustrated Book oi Science Fiction Ideas and Dreams (1977) ein. Frederik Pohl (*1919) veröffentlichte seine Erinnerungen an die frü­ hen Jahre der SF und des amerikanischen Fandoms 1978 unter dem Titel The Way the Future Was. Er schildert darin das Leben und Treiben je­ ner New Yorker Fangruppe, die später die SF-Literatur so nachhaltig befruchten sollte. Mit Danton Knight (1922-2002) betrat ein weiterer Autor diese literarische Seitenbühne und schrieb mit The Futurians (1977) ebenfalls einen Beitrag zu dieser Art von SF-Memoirenliteratur. Es ist die Geschichte einer kleinen Gruppe von SF-Fans, die ebenfalls ihren Weg in diesem Genre der Literatur machten. Besonders erfolgreich gestalteten sich dabei die Karrieren der Mitglieder Isaac Asimov, James Blish, Cyril M. Kombluth, Josephine Judith Merril und Robert Augustine Ward Lowndes. In Deutschland wurde die Bezeichnung „Science Fiction“ erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs langsam zu einem Begriff Im Schlepptau der Science Fiction entstand, wie in Amerika, ein Fandom (also eine Fan­ gemeinde), aus deren Mitte ebenfalls Autoren, Redakteure, Herausgeber, Agenten und Übersetzer hervorgingen; doch dazu später mehr. Von den jugendlichen Enthusiasten, die in den 1950er Jahren mit Begeisterung SF lasen und sich kommunikativ betätigten, weilen allerdings heute leider schon viele nicht mehr unter uns.

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Das vorliegende Thema behandelte teilweise schon Manfred Nagl in seinem 1972 erschienenden Werk Science Fiction in Deutschland. Mit dessen damaliger Einstellung der Science Fiction gegenüber gehe ich allerdings nicht immer konform. Leser aus den neuen Bundesländern werden ihre einschlägigen Ju­ genderinnerungen vermissen. Die Aufarbeitung der DDR-Verlage sollte aber in den Händen der Bewohner der ehemaligen DDR verbleiben, sie verfugen über das dazu notwendige Wissen. Zum Teil hat ja auch schon in der Vergangenheit die Aufarbeitung begonnen; ich erinnere nur an Dieter Spillers Katalog der DDR-Unterhaltungsliteratur (1995), an HansPeter Neumanns Die große illustrierte Bibliographie der Science Fiction in der DDR (2002) und an die Berichte aus der Parallelwelt von Wolf­ gang Both, Hans-Peter Neumann und Klaus Scheffler (1998). Eine besondere Stellung im Reigen dieser Erinnerungsbücher nehmen die Autorenportraits ein, die in größerer Zahl über Schriftsteller wie KarlHerbert Scheer oder Walter Ernsting erschienen. Auch sie sollen hier nicht im Mittelpunkt stehen; das ist, wie Moustache der Kneipenwirt im Film Irma la Douce (1963) so schön sagt, „wieder eine ganz andere Ge­ schichte“. Ende 2007 erschien im Verlag Dieter von Reeken ein grundlegender deutscher Beitrag zu dieser Form von Sekundärliteratur: Die Zukunft in der Tasche, so lautet der Titel; er stammt aus der Feder Professor Dr. Rainer Eisfelds, der als Heranwachsender, wie ich selbst, zu den eifrigen SF-Fans der ersten Stunde zählte. Mit dem vorliegenden Buch möchte ich einen weiteren Baustein zu diesem „Haus der Erinnerungen“ beitragen. In vorliegenden Fall soll allerdings ein etwas anders strukturierter Rückblick auf die Pionierzeit der Science Fiction und auf ihre Leser und Fans gegeben werden. Es wird deutlich gemacht, dass sich hinter dem Begriff „Science Fiction“ mehr verbirgt als nur Unterhaltungsliteratur. Die Gedankengänge der SFAutoren befruchteten auch Filmregisseure, Spielwarenfabrikanten, Sam­ melbilderproduzenten, Comiczeichner, Werbeagenturen, in toto - unser heutiges Leben. Als Zeitgenosse und engagierter Leser will ich nicht die Fiktion auf­ rechterhalten, objektiv zu sein. Dieses Buch wurde auch nicht mit dem dem Anspruch geschrieben, alles besser zu wissen oder eine allgemeingül­ tige Meinung zu vertreten - nein, dies ist eine rein subjektive Remi­ niszenz auf die Jugendzeit der SF-Bewegung. Der eine oder andere Leser und SF-Fan wird seinen Lieblingsautor oder sein Lieblingsbuch vermis­ sen; nun, hier wird auch nicht der Versuch unternommen, Vollständig­ 12

keil anzustreben. Im Vordergrund steht eine nostalgische Rückschau auf gut zwei Jahrzehnte SF-Geschichte. Es soll dabei nicht gebeckmessert werden; einschlägige Erfahrungen haben gezeigt, dass Kitsch oder Schund durch die Zeit geadelt werden und die Öffentlichkeit sie darauf­ hin mit Wohlwollen betrachtet. Es ist mir bewusst, dass ich auf einem Seil balanciere, denn es wird angestrebt, dass das Buch sowohl die SF-Fans als auch Außenstehende anspricht. Das Buch muss auch nicht von vorn bis hinten in einem Zuge durchgelesen werde; es ist so aufgebaut, dass man beliebig darin blättern und sich fesüesen oder die Auswahl nach bestimmten Themen treffen kann. Also liebe Leserinnen und Leser, gehen Sie mit mir auf eine Zeitreise 50 Jahre zurück in die Vergangenheit.

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Der Mensch im Weltraum trift« Fahrt «n den Wettanravm ist schon imm« der Traum der M»n»chh« &s »er uhi«n di« fcduliang unmöglich xu Win aber grolle, umwallende Ent­ deckungen brachten an* an dte Schwelte der Grenxe de» >nt«rpta*>etori»*»vgte Veit»uMje»«tlMhaf»«n tru«i.huui ieerpeihot •«*!>« Nachdruck :u«tt> evstug»*«*»« na» mit Erlaubnis gsi'oit«’ Erfällungwrt und G»'>cht»»tcnd Manch«« Vertrieb far die Sct>«e>« iüuih,»»!« s.sm-huh«*, 8a»«» •», Postfach. V*ila«ou» $*,.1*1).

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Campbell [-♦ Abb. auf S. 100] aufgefallen, aber nicht nur die Übersetze­ rin fiel mir damals auf, auch der Künstler, der das Titelbild gezeichnet hatte: Angegeben wurde ein Herbert Bruck (1921-1995), signiert war es mit der Abkürzung ,JB“. Das Stichwort „ANDROMEDA“ ist schon gefallen: Im September 1955 war die Startnummer dieses Fanzines herausgekommen. Ein hektogra­ fiertes geklammertes Heft im Format DIN A 4 mit einem Umfang von lediglich 12 Seiten. Im Laufe der Jahre mauserte es sich zu einer interes­ santen Zeitschrift, die das Sprachrohr, wenigstens für einen Teil, der SFFans darstellte. Gleich bei den ersten 12 Ausgaben von ANDROMEDA fielen die eleganten Linien der Titelbilder eines Zeichners auf, der mit „Spiceo“ signierte; es war der schon genannte heute allgemein bekannte Künstler Johnny Bruck, der als SFCD-Mitglied mit Nummer 133 ausge­ wiesen wurde. Groß anzuerkennen ist, dass Johnny Bruck die Titelillus­ trationen für ANDROMEDA, wie mir Walter Ernsting in einem Brief vom 30.10.1956 mitteilte, kostenlos lieferte.

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Aui ORION

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Nicht ohne Stolz druckte WE in der vierten Ausgabe von ANDROME­ DA einen Brief Wernher von Brauns ab: „An die Mitglieder des SFCD. Sic haben sich dem Gedanken der Weltraum­ fahrt ebenso verschrieben wie wir Ingenieure und Wissenschaftler, deren Aufgabe es ist, die notwendigen technischen Voraussetzungen hierfür zu schaffen. Jede technische Neuschöpfung ist ein Produkt der Phantasie, und die Aufgabe des Ingenieurs besteht darin, den Gedankenflug seiner Phantasie mit den harten Realitäten der Naturgesetze und der technischen Möglichkei­ ten in Einklang zu bringen. Helfen Sic uns Technikern der Weltraumfahrt, die populär-wissenschaftlichen Veröffentlichungen über die Zukunft der Welt­ raumfahrt von offensichtlichem Unsinn zu reinigen. Wenn Ihnen dieses ge­ lingt, können Sic einen wertvollen Beitrag für die Verwirklichung des Fluges zu anderen Himmelskörpern leisten:“ (Braun, Wernher von: An die Mitglieder des S. F. C. D., in: ANDROMEDA. Ruppichteroth: SFCD, 1956, Nr. 4, S. 14)

Zu jener Zeit glaubte man noch, dass es zwischen Raumfahrt und Science Fiction Querverbindungen gebe. Dass sich beide Gebiete gegen-

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Anstecknadeln mit den Emblemen des SFCD und der von 1959 bis 1964 bestehenden Dachorganisation Eurotopia

seitig befruchten, dieser Glaube beruhte auch darauf, dass damals eigent­ lich die Mitglieder beider Gruppen in der Öffentlichkeit als Spinner abge­ tan wurden. Im amerikanischen Fandom werden immer wieder Beispiele präsentiert, die zeigen sollten, dass die SF einen Einfluss auf die Verwirk­ lichung der Raumfahrt durch die Popularisierung dieser Idee gehabt ha­ be, dass beispielsweise auch viele Techniker durch die während der Ju­ gendzeit verschlungenen SF-Romane zu ihren späteren Berufen angeregt worden seien. Auf den Seiten von ANDROMEDA starteten einige SF-Fans eine Kar­ riere als Schriftsteller, einige wandten sich der Wissenschaft zu. Der da­ mals 17-jährige Jürgen vom Scheidt, heute als Psychologe und Sachbuch­ autor tätig (z. B. Zeittafel zur Psychologie von Intelligenz, Hochbegabung und Kreativität', München: Ahitera, 2004) war in ANDROMEDA Nr. 6 mit der SF-Story ... denn sie bewegt sich nicht vertreten. Jesco Baron von Puttkamer (*1933), heutiger bekannter NASA-Mitarbeiter, präsentierte mit Simultanzeit in ANDROMEDA Nr. 12 ebenfalls eine SF-Story, die er zusammen mit seinem Bruder Bogislav von Puttkamer verfasst hatte. Jürgen Grasmück (1940-2007), der später SF-Romane unter dem Pseu­ donym ,Jay Grams“ verfasste und bis zu seinem Tod unter dem Deckna­ men „Dan Shocker“ als Spezialist für Gruselstories tätig war, trat 1956 mit der SF-Story Atomkrieg auf dem Mars (ANDROMEDA Nr. 6) auf 34

Vom Wesen und Unwesen der SF-Conventions Da die Keimzelle der SF-Bewegung in Amerika liegt, stammt von dort auch die Idee eines jährlichen überregionalen Treffens der SF-Fans, schlicht SF-Con, später von den Amerikanern in aller Bescheidenheit Welt-Con genannt. Folgende Regularien haben sich inzwischen eingebürgert: Man muss im Vorhinein seinen Con-Obolus überweisen, das Meeting findet am Wochenende in einem großen Hotel statt. Die erste Hürde ist die Regist­ rierung vor Ort, was bedeutet, dass man Schlange steht, um seine Anwe­ senheit nachzuweisen. Danach läuft das übliche Programm ab, das man in einer eigens dafür gedruckten Programmzeitschrift schon vorab stu­ diert hat. Unerlässlich sind folgende Programmpunkte: Podiumsgesprä­ che, Filmvorführungen, die „Hugo“-Zeremonie (das feierliche Verteilen der Preise in Form von Raketen an die ausgezeichneten Autoren, Heraus­ geber usw.) und die Kostümshow (immer wieder ein Höhepunkt, beson­ ders für Außenstehende wie Journalisten und Fernsehreporter). Dazu gehört auch der Büchersaal, in dem man sich mit altem und neuem Lese­ stoff eindecken kann. Man kann sich auch die jeweils zahlreichen Vorträ­ ge zu Gemüte führen. Da Amerika „etwas größer“ ist als Deutschland kommen auch mehr Fans bei diesen Meetings zusammen. Beim WeltCon 1980 in Bostoner Sheraton-Hotel waren es 5919 registrierte SFFans. Unser erster Con in Bayrischzell war da etwas kleiner; dort trafen sich zwischen dem 1. und 3. September 1956 am Fuße des Wendelsteins 57 SF-Missionare. WE hatte in ANDROMEDA Nr. 5 als ersten Programm­ punkt die Besteigung des Wendelsteins genannt. Nach dem Studium der Preise, die er in ANDROMEDA nannte (Übernachtung 2,50 DM, Vollpen­ sion 5,00 DM), möchte man heute sofort in eine Zeitmaschine steigen. Auch ich machte mich auf den Weg. Vor Ort angekommen war es etwas schwierig, das „Gasthaus Kyriss“ zu linden. Als ich eine junge Frau nach dem „saiäns likschn con“ fragte, wies sie mir freundlich den Weg: „Die Herren vom Anglerverein sitzen dort oben in dem kleinen Haus.“ Science Fiction hatte in ihr die Assoziation zu Fischen geweckt. Es war uns versprochen worden, dass die Hautevolee anwesend sein werde; tatsächlich waren Walter Ernsting, Karl-Herbert Scheer, Wolf Detlef Rohr, Heinz Bingenheimer, Ernst H. Richter und Hans Peter Weißfeld am Con-Ort. [-♦ Abb. auf S. 81 ff.] Noch mehr imponierten mir jedoch zwei SF-Fans, die mit dem Fahrrad angereist waren, einer aus Wuppertal und der andere aus Salzburg. Wir bestiegen den Wendelstein,

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ließen einen Film von Rudolf Nebel (über eine Raketenfahrt zum Mond) über uns ergehen und marschierten am nächsten Tag ins Dorf, um uns dort an dem Spielfilm Der Tag, an dem die Erde Stillstand zu erfreuen. Im Jahre 1950 war im DVA-Verlag, Stuttgart, ein Buch mit dem Titel Die Reichweite des menschlichen Geistes herausgekommen. Verlasst hatte es Professor Joseph B. Rhine. Im parapsychologischen Labor der Duke-Universität hatte er 1937 die ESP-Karten (ESP Cards for Testing Extra Sensory Perception) entwickelt und damit die Möglichkeit des Ge­ dankenlesens mittels Statistik (Wahrscheinlichkeitsrechnung) erkundet. Die Vorgehensweise ist folgende: Der Experimentator betrachtet die Symbole auf einer Karte, die Testperson versucht seine Gedanken zu lesen und hält das Ergebnis auf einem Formular fest. Ist die Trefferquote höher als es nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung sein müsste, dann soll dies dafür sprechen, dass Telepathie im Spiel ist. In jenen Septembertagen des Jahres 1956 lernte auch ich Gedanken­ lesen, jedenfalls versuchte ich es. Julian Parr stand vor uns im Saal des Gasthauses und blickte angestrengt auf eine dieser Karten; meine Treffer­ quote war miserabel. Aber ich bin ganz stolz darauf, dass ich dieses Kar­ tenspiel [-♦ Abb. auf S. 37] noch immer besitze. Das Thema Parapsycho­ logie beschäftigte die SF-Fans weiterhin; innerhalb des SFCD war ein Parapsychologischer Arbeitskreis gegründet worden. Jesco von Puttkamer, der Leiter dieses Arbeitskreises, teilte den Fans im Januar 1958 mit: „Zur Zeit liegen mir an erster Stelle die Versuche von Herrn B. aus Goslar vor, die er mit seinem 12jährigen Bruder Axel B. durchfuhrte ... Sie zeitigen ein ganz sensationelles Ergebnis ... Es scheint, daß wir dem ersten Esper im SFCD auf der Spur sind.“ (Puttkamer, Jesco von, in: BLICK IN DIE ZUKUNKr/ ANDROMEDA. Augsburg: Science Fiction Club Deutschland, 1958, Nr. 14)

Man hat nie wieder etwas von diesem „Esper“ gehört, aber wer A. E. van Vogts Mutantenroman Sian gelesen hat, weiß wohl warum: Der Ho­ mo sapiens ist nicht vom Homo Superior begeistert, und so ist anzuneh­ men, dass Axel B. inzwischen unerkannt unter uns weilt und seine Fähig­ keiten der Umwelt verschweigt ... War das Zusammentreffen der SF-Freunde in Bayrischzell noch ein echter Urlaubs-Con, so hatte der Club für den „offiziellen“ ersten deut­ schen SF-Konvent in Bad Homburg (14.-19. September 1957) schon ein umfangreicheres Programmangebot zusammengestellt. Jetzt bot man den Teilnehmern bereits ca. 15 Programmpunkte an [-» Abb. auf S. 84] und kam damit den Veranstaltern in Amerika oder England schon etwas nä­ her. Die Teilnehmerzahl stieg von 57 (Bayrischzell) auf 184 Besucher.

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Die Mitglieder der Gruppen Hannover und Braunschweig machten sich gemeinsam auf den Weg nach Bad Homburg. In Bad Homburg kam es zu einem Eklat. Man zerstritt sich. Von Homburg aus reisten drei Gruppierungen ab: Die treuen SFCDMitglieder des WE, die Fans, die Heinz Bingenheimer um sich geschart hatte, und die Gruppe der Ahnungslosen, die überhaupt nicht begriffen hatten, was passierte und entsetzt waren, wie ihre Elite sich um die Pfrün­ de balgte. Kein Ruhmesblatt für die angeblich so weltoffenen Mitglieder des SFCD waren die ständigen Streitigkeiten zwischen den kommerziell und den idealistisch orientierten Gruppen im Verein. So kam es im Januar 1958 zu einer Spaltung des SFCD. Die Gruppe um WE und W. D. Rohr gründete den Science Fiction Club Europa, der aber ein Wirklichkeit ein neuer Gewerbebetrieb war, desen „Mit­ glieder“ (oder besser Kunden) nun regelmäßig eine professionell gedruck­ te Zeitschrift im Kleinformat zugesandt bekamen, die sich BLICK IN DIE ZUKUNFT nannte [-♦ Abb. auf S. 85], aber die ANDROMEDA-Zählung weiteriuhrte. Als Geschäftsführer, Herausgeber und Chefredakteur fun­ gierte W. D. Rohr. Dass er an der Verbesserung der Finanzen interessiert war, verrät schon der Hinweis im Impressum: Eine Werbeseite in BLICK IN DIE ZUKUNFT kostete 180,00 DM. Man brach zu neuen Ufern auf, der Präsident Walter Ernsting sandte den Mitgliedern eine Weihnachts­ karte und kündigte die professionell gedruckte Version des neuen Mittei­ lungsblattes Blick in die Zukunft / Andromeda Nr. 14 an. [- Abb. auf S. 85] Wie das alles endete (nämlich nicht gut), schildert Rainer Eisfeld als Zeitzeuge ausführlich und eindrucksvoll in seinem schon eingangs ge­ nannten spannend zu lesenden Buch Die Zukunft in der Tasche, so dass ich hier nicht weiter darauf eingehen werde. Nach dem ersten SFCD-Urlaubs-Con und dem ersten „offiziellen“ SFCD-Con 1957 in Bad Homburg folgten noch viele Treffen dieser Art, so z. B. vom 28. Februar bis 1. März 1959 in Hannover [-» Abb. auf S. 86ff], im August des gleichen Jahres in Unterwössen [-♦ Abb. auf S. 89] und 1961 noch einmal in Bad Homburg [-» Abb. auf S. 90-94]. Es fehlte hier im Reigen als Steigerung nur noch ein Welt-Con. Tatsächlich wurde der „28lh World Science Fiction Convention“ nach Deutschland, nämlich als „Hei-Con“ nach Heidelberg, vergeben. [-» Abb. auf S. 95f.] Zwischen dem 21. und 24. August 1970 versammelten sich dort gut 600 SF-Fans aus 15 Ländern. Der Besucher-Zuspruch war dem Ergebnis angemessen, Ablauf und Programmpunkte unterschieden

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sich nur minimal von vorherigen World-Cons. Als Lokalkolorit wurden den ausländischen Besuchern eine Bootspartie auf dem Neckar und ein Bayerischer Abend mit Blasmusik in der Stadthalle offeriert. Höhepunkt der Veranstaltung war das „Hugo-Banquet“ [-» Abb. auf S. 95f.] im Kö­ nigssaal des Heidelberger Schlosses. Bei der repräsentativen Verteilung der Aluminium-Raketen an neun SF-Schriftsteller fungierte John Brun­ ner als Maître de plaisir und vergab die Literaturpreise an Autoren wie Donald A. Wollheim [-»Abb. aufS. 101] und John W. Campbell. Für die Mitglieder des SFCD hätte damals eigentlich das Gebot gel­ ten müssen: „Spiel’ nicht mit den Schmuddelkindem“, sprich: Haltet euch von Reporter und Fernsehkameras fern, denn für diese Mitmen­ schen seid ihr Spinner, Träumer usw. Als Kronzeuge für die Einstufung der SF-Fans als Freaks diente den Medien immer wieder die unvermeidli­ che Kostümshow der jeweiligen Veranstaltung. Prompt waren die zum Hei-Con veröffentlichten Zeitungsberichte alle mit Bildern dieser Parade verkleideter Damen und Herren (fast alle aus Amerika und Großbritan­ nien) geschmückt. [-* Abb. auf S. 96, 101] In den Kommentaren war von einem skurrilen Treffen die Rede, von einem Aufmarsch von Gestalten, die aus einem Gruselkabinett stammen könnten. Ein anderer Zeitungs­ mann registrierte als erwähnenswert, dass es auf dieser Veranstaltung einen Kräuterschnaps gebe, der sich „Vurguzz“ nannte. Dankbar nahm ein Reporter auch den Satz des Redners Dieter Hasseiblatts auf, der sich zu dem World-Con wie folgt äußerte: „Es ist zwar überall so, daß einer spinnt - aber hier spinnen alle.“ Der Science-Fiction-Club Deutschland (SFCD) e. V. existiert übrigens noch heute, also seit mehr als 50 Jahren. Die Mitgliederzahl liegt gegen­ wärtig bei etwa 300; die „hohe Zeit“ von 1957/58 konnte nach vielen Turbulenzen (siehe dazu Die Zukunft in der Tasche) allerdings nie wieder erreicht werden.

Links - da wo das Herz sitzt Ende der 1960er Jahre, in einer Zeit, in der selbst gut verdienende Fuß­ ballspieler wie Paul Breitner mit der Mao-Bibel posierten, waren die An­ hänger von Mao und Ho Chi Minh auch im Fandom vertreten. Das Phänomen der Linkslastigkeit junger Menschen ist und war na­ türlich nicht nur deutschlandbezogen, junge Amerikaner, die später als SF-Autoren berühmt wurden, bezeichneten sich in den 1930er Jahren als Kommunisten und protestierten gegen das kapitalistische System. Zu diesen „Revolutionären“ gehörten u. a. auch Isaac Asimov, James Blish,

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Cyril M. Kombluth, Judith Merril, Frederik Pohl und Donald Wollheim. Im Laufe der Jahre mauserten sie sich aber alle zu cleveren Autoren, die stets das Ohr am Puls der Zeit hatten. Anfang der 1970er probten auch deutsche SF-Fans den Aufstand. Ein damals 21-jähriger Fan, heute arrivierter SF-Autor, war der Meinung, dass eine geisteskranke Gesell­ schaft wie die unsere in eine Heilanstalt gehöre, aber diese Anstalten ja leider auch nur Integrationsinstrumente seien. Aus der „Sturm-und-Drang-Zeit“ von Ronald M. Hahn und Hans Joachim Alpers stammt z. B. der autobiografisch geprägte Schlüsselroman Die Schundklaubande, der 1978 unter dem gemeinsamen Pseudonym „Daniel Herbst“ als Jugendbuch im Enßlin-Verlag, Reutlingen, erschien. [-♦ Abb. auf S. 40] Neben so genannten „Big Name Fans“ wie Franz Rottensteiner als Dr. Grottensteiner, Peter Skodzik als Herr Skodzikowski aus der Lehninggasse sowie Heinz Jürgen Ehrig als Heini Ehrlich, der größte Sammler von Schundheften, hatte auch ich die zweifelhafte Ehre, zusammen mit Herrn Uwe Anton in der Firma „Gift & Galle“ als Kopf der „Schundklaubande“ zu fungieren ... Aus meiner Zeit als Mitarbeiter des literarischen Fanzines ROBOT ist mir auch Frank Rainer Scheck noch gut in Erinnerung. Er legte sich in jener Zeit mit der SF-Literatur-Ikone Stanislaw Lern an. In seinem im Arbeiterkulturverlag, Essen-Holsterhausen, veröffentlichten Essay Stanis­ law Lern, ein moderner Revisionist warf er dem polnischen Autor laut einem undatierten einseitigen Werbeblatt des Verlages vor, dass in seinen Werken das „zutiefst revisionistische Gepräge seiner Ideologie und seiner politisch-theoretischen Vorstellungen“ zu Tage trete. Der polnische Schriftsteller äußerte sich in einem Interview einige Jahre später zu diesem Thema: „DH: Herr Lein, kann Literatur, wobei ich jetzt Science-Fiction-Literatur als Unterabteilung der Literatur ansehen möchte, kann Literatur die Welt verän­ dern, die Gesellschaft verändern? Lern: Ganz gewiß nicht... DH: Aber Sie wissen, daß gerade in der Generation jüngerer Autoren im Westen, möglicherweise auch im Osten, ... Literatur von vielen mit der Am­ bition, mit dem Anspruch gemacht wird, die Welt und die Gesellschaft zu verändern. Wie sieht es mit Ihrer Erfahrung aus? Lern: Ich würde sagen, daß diese Hoffnung eine der schönsten ist, die einem Schriftsteller vorschweben kann. ...“ (Interview des Hrsg. Franz Rottensteiner mit Stanislaw Lern, in: QüARBER MERKUR. Ortmann [Österreich]: Eigenverlag Franz Rottensteiner, 1978, Nr. 48)

Radikal in ihren Ansichten zu diesem Thema war da schon die 39

Daniel Herbst

Die Schundklaubande Krimi ohne Pistolea

Links: Daniel Herbst: Die Schundklaubande. Reutlingen: Enßlin & Laiblin, 1978 Rechts: Heinz Bingenheimer (Hrsg.): Katalog der deutschsprachigen utopisch-phan­ tastischen Literatur aus liinf Jahrhunderten. 1460-1960. Friedrichsdorf/1 aunus: Transgalaxis (Heinz Bingenheimer), 1959

Schriftstellerin Karin Struck (1947-2006), ehemaliges SDS-Mitglied so­ wie ehemaliges Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei: „Diese ... Linken kriegen ein Leuchten in die Augen, wenn sie nur das Wort ,Arbeiter1 hören“, so beschimpfte sie die linksromantischen Vorbeter und Mitläufer der Protestgeneration, die zur Arbeiterklasse, für die sie zu kämpfen vorgaben, kaum ein anderes Verhältnis hatten als kleine Mäd­ chen zu ihren Puppen, die sie verhätscheln und verzärteln, die sie aber je nach Gusto wieder beiseite legen. Im Jahr 2000 hatte ich in Mülheim bei einem Treffen „uralter“ SFFans ein Aha!-Erlebnis: Als ich einen dieser ehemaligen zornigen Männer auf seine damalige politische Ausrichtung ansprach, erklärte er mir la­ chend diese Phase als Jugendsünde; was ich richtig gemein fand, entzog er mir doch damit meine ganze so schön vorbereitete Argumentation!

Mit „Transgalaxis“ durch die Bücherwelt Am 1. Oktober 1957 gründete Heinz Bingenheimer (1922-1964) in Friedrichsdorf/Taunus das Spezialversandgeschäft „Transgalaxis. Eine 40

Buchgemeinschaft der Freunde utopischer Literatur“ (so auch der Titel und Untertitel der Hauszeitschrift). Heute, nach über 50 Jahren, existiert diese Versandbuchhandlung (www.transgalaxis.de) immer noch; sie wird inzwischen vom Sohn Rolf Bingenheimer betrieben. Heinz Bingenheimer (SFCD-Mitglied Nr. 63) war mit seinem Buch­ versand in eine Lücke gestoßen; für den SFCD und seine Mitglieder war dieses Spezialgeschäft ideal, um auf dem Laufenden zu bleiben, zu wis­ sen, was gerade auf dem Markt an neuen Romane erschienen war. Die enge Verbindung von „Transgalaxis“ mit dem SFCD war wiederum ide­ al für den Inhaber dieses Versandhauses. Durch das Studium der kleinen TRANSGALAXIS-Mitteilungsblätter lässt sich der Boom der SF-Literatur gut verfolgen. Sie stellen ein wertvol­ les Nachschlagewerk dar, aus dem man ersehen kann, wie die SFLiteratur an Stärke und Breite gewann, wie immer mehr renommierte Verlage auf dieses neue Literaturfeld setzten. Die etwa zweimonatlich erscheinenden TG-Ausgaben im Format DIN A 5 [-* Abb. auf S. 43] informierten fast lückenlos über die einschlägigen Neuerscheinungen. „Transgalaxis“ bot aber auch Remittendenexemplare an; die vier niveau­ vollen, lür eine größere Akzeptanz noch zu früh gestarteten SF-Bücher des Düsseldorfer Rauch-Verlags wurden beispielsweise auf den Seiten von TRANSGALAXIS im Jahre 1958 für je 4,80 DM angeboten. Gegen Ende des Jahres 1958 erfuhren die Leser von „Henry Bings“ (so lautete das Pseudonym für Heinz Bingenheimer), dass 12 Ver­ lage regelmäßig SF veröffentlichten und 14 Unternehmen in größeren Abständen einschlägige Literatur in den Handel brachten. Monatlich erschienen 25-35 Titel mit steigender Tendenz. Dies war die „goldene Zeit“ der deutschen SF-Literatur, es herrschte Aulbruchstimmung. Die Euphorie verblasste jedoch schnell, als 1960 auf der Buchmesse in Frank­ furt lediglich sieben Neuerscheinungen auf dem SF-Sektor anzutreffen waren. Auf der Buchmesse 1966 behaupteten die SF-Verleger zwar, dass die Auflagenzahlen steigen würden, an den Ständen sah man jedoch nicht all zuviel davon. In der TRANSGALAXIS Nr. 4. veröffentliche Heinz Bingenheimer das Ergebnis einer Umfrage nach dem besten deutschen SF-Autor. Mit wei­ tem Abstand lag Karl-Herbert Scheer vorn; die Geschäftsleitung erlaubte sich, Herrn Scheer zur Erinnerung an diesen einmaligen Erfolg eine „10schüssige Schnellfeuerpistole Modell Walther PP-22 lfb“ zu überreichen. Eine wirklich sinnige Gabe! Was dem heutigen Leser dieser TRANSGALAXIS-Ausgaben auflallt, sind die vielen in diesen frühen Publikationen veröffentlichten Kurzge41

schichten eines „William C. Voltz“. Willi Voltz (1938-1984), der spätere Autor, Herausgeber und Redakteur der PERRY-RHODAN-Serie, verdiente sich hier seine ersten Sporen als künftiger erfolgreicher Schriftsteller. Dass die Zeiten für angehende Autoren noch paradiesisch waren, verrät ein Angebot, das Jürgen Grasmück alias ,Jay Grams“ in TRANSGALAXIS Nr. 17 machte: ,Jürgen Grasmück empfiehlt sich als Lektor und Korrektor. Er prüft und korrigiert Manuskripte jeder Art von Nachwuchsautoren und Privaten. Hono­ rar inklusive ausführliche Beurteilung, Korrektur und Bewertungsauszug DM 25,- pro Arbeitsmanuskript bis 350 000 Anschläge.“ (Grasmück, Jürgen, in: TRANSGALAXIS. Friedrichsdorf/Ts.: Transgalaxis [Heinz Bingenheimer], 1960, Nr. 17, S. 3)

In TRANSGALAXIS Nr. 8 stellte Bingenheimer die Frage: „Soll eine dreijährige Arbeit umsonst sein?“ So lange hatte er bereits an seinem Projekt „Katalog“ gearbeitet, aber die Vorbestellungen reichten nicht aus, um das Projekt angehen zu können. Schließlich wagte er es aber doch und brachte in eigener Regie und auf eigenes Risiko gegen Ende des Jahres 1959 den Katalog der deutschsprachigen utopisch-phantastischen Literatur aus fünfJahrhunderten. 1460-1960 in einer Auflage von 5000 Exemplaren heraus. [-* Abb. auf S. 40] Es war immerhin die erste deut­ sche Bibliografie, die zum Thema Science-Fiction-Literatur veröffentlicht wurde. Lange Zeit war der Katalog für mich und viele andere die einzige Informationsquelle auf diesem Sektor. Im Jahr 1960 begann das Ringen um die Veröffentlichung des SFRomans Star Maker (1937) des Briten William Olaf Stapledon (18861950), eines Werkes, das uns schon damals als Nonplusultra der SFLiteratur vorgestellt wurde. In Reclams Science Fiction Führer heißt es hierzu u.a.: „Star Maker gilt in dieser Hinsicht als jede Grenze sprengendes Schaubild der vielfältigsten Lebensformen im Kosmos und als Entwurf eines universellen Systems der Philosophie.“ (Alpers, Hans-Joachim / Fuchs, Werner / Hahn, Ronald M.: Reclams Science Fiction Führer. Stuttgart: Philipp Rcclam jun., 1982, S. 391)

Dem Weiß-Verlag in Berlin war das Manuskript mit etwa 1 Million Anschlägen angeblich zu umfangreich. Zwei Jahre später verzichtete auch der Goldmann-Verlag auf die Herausgabe dieses Titels. Heinz Bin­ genheimer entschloss sich 1963 trotz des hohen Rechte-Honorars, das Projekt in die eigenen Hände zu nehmen. Erst zwei Jahre später waren die Verhandlungen um die Rechte zum Abschluss gekommen. Jedoch 42

Die Hauszeitschrift 1RANSGAIAXIS (Eine Buchgemeinschaft der Freunde utopischer Literatur), Friedrichsdorf?Ts.: Transgalaxis (Heinz Bingcnheimcr, später Rolf Bingenheimer), erscheint seit 1957.

erst 1966 gelangte das Buch endlich zu den Subskribenten, zu denen na­ türlich auch ich zählte. Es erschien im Selbstverlag, von Wolfgang Thadewald und Thomas Schlück, der es auch übersetzt hatte, „für ,Trans­ galaxis1 herausgegeben“, in einer Auflage von 620 Exemplaren als Ty­ poskript, broschiert und mit einem Umläng von 251 Seiten. [-» Abb. auf S. 44], Sechs Jahre hatten die engagierten Bemühungen Heinz Bingenheimers um die Herausgabe dieses anspruchsvollen und nicht leicht lesbaren SF-Romans gedauert. Um so tragischer war es, dass er selbst die Veröf­ fentlichung nicht mehr miterleben durfte: Er starb 1964.

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stapledon

_ star maker

t Links: Olaf Stapledon: Star Maker. Hannover: Selbstverlag, für Transgalaxis heraus­ gegeben von Thomas Schluck und Wolfgang Thadcwald, 1966 Rechts: Ray Bradbury: Der illustrierte Mann. Zürich: Diogenes, 1962

Stapledons Star Maker erschien uns damals als die ideale Antwort auf die Frage, wie die Religion mit der neuen Sicht auf die Weite des Kosmos vereint werden könnte. Wer versucht, sich die Ausdehnung des Weltalls vorzustellen und da­ bei berücksichtigt, dass es zahlreiche Planeten geben soll, unter denen eine unbestimmte Anzahl Voraussetzungen für organisches Leben bietet, dem kann der Alleinvertretungsanspruch der irdischen Weltreligionen nur absurd vorkommen. Olaf Stapledons Star Maker gab mit seiner spek­ takulären Vision über die Entstehung des Universums und das Wirken seines Schöpfers eine Antwort auf diese religiöse Frage. Die Idee einer Verbindung zwischen Religion und SF-Literatur war in den 1960er Jahren unter den amerikanischen Autoren en vogue. Eine paradoxe und überraschend virulent gewordene Vorstellung, die in der Öffentlichkeit auf einen nicht geringen Widerstand stieß. James B. Blish (1921-1975) war mit seinem 1958 veröffentlichen Werk A Case of Cons­ cience (dt. Der Gewissensfall, 1973) einer dieser Pioniere, die die Religion in die SF-Literatur einbezogen. Walter M. Miller (1923-1996) folgte ihm 1960 mit A Canticle for Leibowitz (dt. Lobgesang aufLeibowitz 1971).

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Aus heutiger Sicht kurios wirkt die PERRY-RHODAN-Vorankündigung in TRANSGALAXIS Nr. 20. Dort hieß es, die Serie solle voraussichtlich am 1. Juli 1961 starten und sich im Aulbaustil an die SüN-KOH-Abenteuer anlehnen, allerdings mehr auf der phantastischen Ebene angesiedelt sein. Heinz Bingenheimer machte uns damals auch auf zwei SF-Anthologien aufmerksam, die es verdienen, in einem Atemzug mit der legendä­ ren Rauch-Anthologie Überwindung von Raum und Zeit genannt zu werden: Der Schweizer Diogenes-Verlag brachte zu Beginn der 1960er Jahre diverse Anthologien heraus, die jeweils unter einem bestimmten Motto wie „Gespenster“, „Morde“, „Mehr Morde“, „Panik“ oder „Spione“ standen. Im Kreis dieser wie alle Diogenes-Bände hervorragend ausgestatteten Anthologien (Ganzleinen, Schutzumschlag, Fadenheftung) erschienen 1962 auch die Bände Roboter. Erzählungen aus der Welt von morgen und der durch einen roten Faden verbundene Erzählungszyklus Der il­ lustrierte Mann von Ray Bradbury (*1920), in den USA 1951 erschienen als The lllustrated Man [-»Abb. auf S. 44J. Aus den TRANSGALAXIS-Nachrichten erfuhren wir auch, das Jesco von Puttkamer in Amerika bei der NASA eingetrolTen war. Optimistisch, wie er immer war, prognostizierte er, dass spätestens 1968 die Amerika­ ner auf dem Mond sein würden. In der TRANSGALAXIS-Weihnachtsausgabe Nr. 23 des Jahres 1961 teilte Heinz Bingenheimer mit, dass er kürzlich eine „kleine Herzkaram­ bolage“ gehabt habe und es dadurch zu Verzögerungen bei den Ausliefe­ rungen kommen könnte. Es ärgere ihn, schrieb er, wenn die Arbeit nicht so flott vorwärts gehe, wie er es möchte. Die Sache würde sich aber schon wieder geben. Auf der Titelseite der 29. Ausgabe von TRANSGALAXIS erging sich der Herausgeber in düsteren Voraussagen: „Im Dezember und Januar hatte ich zwei schwere Herzanfälle zu überstehen und bin z. Zt. Rekonvaleszent. Kein Arzt kann für eine befristete Heilung der Angina pectoris garantieren — es können also künftig Pannen eintreten - seien Sie bitte für diesen Fall nicht ungehalten ... Sollte eines Tages eine Liquidati­ on TG’s durch Infarkt mit negativem Ausgang erforderlich werden, erfahren Sie es durch eine Nachricht, für die ich dann nicht mehr verantwortlich zeichne.“ (Bingenheimer, Heinz, in: TRANSGALAXIS. Fricdrichsdorf/Ts.: Transgalaxis [Heinz Bingenheimer], 1963, Nr. 29, S. 1)

Ein Jahr später entschuldigte er sich noch einmal: „Für die Verspätung von TG 36 habe ich mich zu entschuldigen. Ich war in Kur ... ich lag daraufhin wieder flach und beginne jetzt eine neue Erholungs­ zeit mit gemäßigtem Arbeitstempo - nun es wird trotzdem weiterhin alles klar

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gehen - noch hält die Pumpe etwas aus.“ (Bingenheimer, Heinz, in: TRANSGAIAX1S. Friedrichsdorf/Ts.: Transgalaxis [Heinz Bingenheimer], 1964, Nr. 36, Umschlagseite 4)

Auf dem Titelblatt der folgenden Ausgabe Nr. 37 (1964) stand dann: „Liebe TG-Mitglieder! Dies ist nun das erste TG, das ohne meinen Mann zusammengestellt wurde ..." (Bingenheimer, Margarete, in: TRANSGALAXIS. Friedrichsdorf/Ts.: Transgalaxis [Heinz Bingenheimer], 1964, Nr. 37, Um­ schlagseite 1)

Wir TG-Mitglieder waren geschockt - hatte sich „unser“ Herr Bin­ genheimer zuviel zugemutet? Neben dem Versandgeschäft mit über 1000 Kunden hatte er ja auch zeitweise eine Agentur geleitet, war als Überset­ zer tätig gewesen, trieb diverse Buchprojekte voran, hatte sich als Heraus­ geber betätigt und schließlich als „Henry Bings“ mit Welten im Brand auch noch einen SF-Roman geschrieben. Heinz Bingenheimer hatte sich stets für die SF-Literatur und deren Förderung engagiert. Zu seinen diversen Projekten gehörte z. B. auch das SFCD-Jahrbuch Nr. 1, das zum Weihnachtsfest 1956 erschien: Die frem­ den Sterne [-* Abb. S. 100] (No World of their Own, USA, 1955) von Poul Anderson (1926-2001). Es handelte sich um eine episch sehr breit angelegte Sozialstudie eines fremden Imperiums. Der Leihbuchverlag Bewin, Menden, war dafür über seinen Schatten gesprungen und hatte für den SFCD eine Leinenausgabe mit Schutzumschlag und Fadenhef­ tung produziert. Ein Jahr später gab Herr Bingenheimer, ebenfalls im Bewin-Verlag, die Anthologie Lockende Zukunft heraus. Es war die erste deutsche SFAnthologie. Auswahl, Zusammenstellung, Bearbeitung sowie die Einlei­ tung, alles erledigte „Bings“. Fast sämtliche deutschen SF-Autoren sowie SF-Fans, die hofften, einst in deren Fußstapfen treten zu können, waren vertreten. Der Anthologie lag eine Check-List bei, nach deren Auswer­ tung Wolfgang Jeschke mit seiner Kurzgeschichte Der Türmer zum Sie­ ger erklärt wurde. In all den Jahren pflegte ich einen regen Briefverkehr mit Herbert Häußler (1912-1973), einem SF-Fan in der DDR. Als ich ihm schrieb, dass „Transgalaxis“ Bücher verramschte, die in der DDR erschienen waren, reagierte er wütend. In seiner Heimatstadt Reichenbach gehörten derartige Bücher zur Bückware: Unbekannte Käufer bekamen in der Buchhandlung sinngemäß zu hören: „Den Titel haben wir nicht.“ Bei dem Verkäufer bekannten oder mit ihm befreundeten Kunden bückte er sich und holte das gewünschte Buch unter dem Ladentisch hervor. 46

Herr Häußler beneidete mich darum, dass mir ständig eine große Anzahl SF-Bücher zugänglich war. Als ich ihm das Thema „Reizüberllutung“ näher bringen wollte, konnte er mir nicht folgen. Dem Hinweis, dass wir SF-Fans einst über jedes der wenigen Bücher diskutieren konn­ ten und nun bei der Fülle der Titel kaum noch einen Fan träfen, der das gleiche Werk gelesen hatte, stand er verständnislos gegenüber. Nein - an diesem für ihn paradiesischen Zustand konnte er nichts Negatives entde­ cken. Quintessenz: Ohne das Fandom hätte „Transgalaxis“ nicht entstehen können, aber ohne „Transgalaxis“ wären die schnellen Fortschritte auf dem Gebiet der SF-Buch-Literatur in Deutschland auch kaum denkbar. Fakt ist, das „Transgalaxis“ die Entwicklung der SF in Deutschland ge­ fördert hat; die ca. 1000 Abnehmer, die Heinz Bingenheimer an sich gebunden hatte, stellten beispielsweise für die Leihbuch-Verleger einen interessanten Abnehmerkreis dar. „Bings“ konnte bei diesen Unterneh­ men auch Sonderausgaben durchsetzen, die auf besserem Papier ge­ druckt und in Leinen gebunden waren.

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Antares-Nachrichten

Herbst 1966 In der SAMMLUNG ANTARES s Keudrucka verschollener und vergesse­ ner Utopien und Zukunftsromane und Cuxiosa der pnantasti3chan Litera­ tur mit BChwarzem Druck euf feinem satinierten Panier.Format DIN A 5, Lumbeck-Binband mit Leinenrücken mit starkem Pappband ..sind seit 1964 24 Bände erschienen. -Wo es möglich 1st. «erden die alten Titel­ blätter und Illustraticnan. reproduziert und bolgegeben. __ Im September 1966 erschienen die beiden folgenden Bände s Bd. 25 < B 1 e y m e b I. , Jakob s » Der Stern der Weisen'• - Bin uto­ pischer Bericht vom Planeten Atairon"/Erstdruck/ 181S. IMtio.75 Bd. 26 tDesfontaines, Abbe(Pontenelle?)s Der Neue Gulliver,oder Die Reise John Gullivers,Sphnes des Oapitain Lemuel Gulliver,- nach den Ineula Babilary und Hübet, den Ineuln der Philosophen,dar Aerzte.der Prasser und Säufer, und nach der Letaliaponlschen InauL."" - Nachdruck der da mbnrger Ausgabe von 1731. Mit den Reprodukti­ onen des Titelblattes und des Ti4elkupfers./331S./ DM 17.~Als unveränderte Neuauflage wird lm Nov. 1966 erscheinen 1 Bd. iStBleymehl ,Jakob : ""B e i t r ä g e zur Gew schichte und Bibliographie der utopischen und phantastischen Literatur ". Tell I I Morgendämci3rang/-/GotteaBtaat und Tausendjähriges Reich / Utopia/-/ Eutopia/-/ Dyetopia/ALaputa und Ealnibarbl/-/ Robinson und Felsenburg/—/D. dalos,Ikaros und Kapitän Nemo/ Ad ABtra/-/Zukünftiges,Zeitrelaen/-/utoplsobar Arohipelafos und Selige Inseln/-/Dya Ha Sore, Elfenbeinturm und hangri La/-/ Muspilll und Ragnarök/-/ Wae wäre,wenn.... Homo superior.... Teil II i a)Ohronologie/-/ Bibliographie/-/ oJSekundär-Literatur 352 Seiten s IM : 19.8O Einige Kritiken nach dorl. Auflage des Buohes : Prof. I.F. Clarke ,MA.,University o Strathclyde(Glasgow ) > "" I strongly recommend Beiträge zur Geschichte und Bibliographie der utopischen und phantastischen Literatur“ to all who are inte­ rested in the const derable'number of utopias,imaginary voyages,taw les of the future,and other fantasies that exist In European fiction. Herr Jakob Bleymehl has done collectors and students a great ser­ vice in compiling thi3 bibliography,elnoe it liste for the first time a large number of rare and hitherto unnoted works. I am very grateful to him for the time he has given to his bibliography; and I am sure that all who use it will find it of great value to them.."" Donald H. Tuck, Lindisfarne/ Tasmania : ""I thank you very much for your book on Gorman utopian literatui e and know it will be a very handy background reference••••" Herr Heinz Galla, Leverkusen i ...»"endlich liegt ein neuer deutschsprachiger Katalog vor der sich mit der utopisch-phantastischen Literatur seit Erfindung der Buch-

Das vonjakob Bleymehl mit großem Einsatz an Geld, Geduld und Arbeitskraft betrie­ bene Projekt der SAMMLUNG ANTARES (hier die S. I der ANTARES-NACHRICHTEN vom Herbst 1966) fand leider zu wenig Widerhall. Der Verfasser gehörte zu den weni­ gen Abonnenten, dafür aber auch heute zu den wenigen Besitzern der in Kleinstaufla­ gen hergestellten Bände.

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Kapitel 3

Vormarsch auf schmaler und breiter Basis ie SF-Fans starteten optimistisch in die 1960er Jahre, der Wettlauf der Systeme im Weltraum zeitigte Erfolge, ständig überboten sich die Russen und Amerikaner bei der Eroberung des erdnahen Bereiches, Hunde und Affen bevölkerten die Umlaufbahn, die ersten Astronauten/ Kosmonauten umkreisten die Erde. All dies beflügelte Autoren und Ver­ leger, die Science-Fiction-Literatur wurde hofiert, renommierte Verleger wie Wilhelm Goldmann in München stiegen ins Geschäft mit der SFLiteratur ein. Professionelle und halbprofessionelle Magazine unterstütz­ ten die SF-Bewegung, das Fernsehen entdeckte die SF als interessantes Thema, vom Film ganz zu schweigen. Selbst rückwärts gewandte Projek­ te wie Jakob Bleymehls SAMMLUNG ANTARES versuchten Fuß zu fassen.

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Jakob Bleymehl und die „Sammlung Antares“ „Projekt Classica“ - unter diesem Namen stellte uns Heinz Bingenheimer 1964 Jakob Bleymehls Projekt vor. Im weiterer Verlauf musste der Her­ ausgeber den Titel „Projekt Classica“ in SAMMLUNG ANTARES ändern, da der S.-Fischer-Verlag bereits eine gleichnamige Reihe im Programm hatte. Für einen winzigen Kreis von Interessenten, genauer gesagt lür fünf Sammler, hatte Herr Bleymehl Kopien von uralten, längst verschollenen Utopien angefertigt. Ihm schwebte vor, sein Projekt nun auf eine breitere Basis zu stellen; bei einem Abnehmerkreis von 30-50 Sammlern würde es sich für ihn amortisieren. Durch diesen Aufruf Bingenheimers erfuhr ich von dem Vorhaben und wandte mich umgehend an die angegebene Adresse. Die so genann­ ten klassischen Utopien hatten mich schon immer fasziniert. Schon 1962 hatte ich eine Umfrage unter Sammlern durchgeführt. Dabei kristallisier49

te sich eine Rangliste antiker SF heraus. Einen Spitzenplatz nahm Percy Gregs (1836-1889) Marsroman Jenseits des Zodiakus. Der Bericht einer Reise nach dem Mars (1882) ein. (Dies äußerst seltene Werk ist übrigens 2008 in der DvR-Buchreihe von Dieter von Reeken zum ersten Mal wie­ der veröffentlicht worden.) Aber auch Werke wie Bilder aus der Zukunft (1878) von Kurd Laßwitz (1848 -1910) oder Hermann Faulhabers (1842?) Das Goldene Zeitalter der Zukunft (1896) wurden als Titel genannt, die man gern wieder aufgelegt sehen würde. Zwischen 1964 und 1969 entspann sich ein reger Briefwechsel zwi­ schen Jakob Bleymehl im saarländischen Fürth und mir. Herr Bleymehl sammelte bereits seit vierjahrzehnlen klassische Utopien. Er stand mit 400 Antiquaren aus 13 Ländern in Kontakt und durchforschte deren Kataloge nach einschlägigen Werken. Der Gesundheitszustand des Sammlers war schlecht; obwohl erst 55 Jahre alt, war Jakob Bleymehl bereits Invalide, litt an Herzschwäche und hatte auch Jahre später einen Herzinfarkt. Er setzte all seine Hoffnung auf das Projekt SAMMLUNG ANTARES und glaubte, damit auch zu seinem Lebensunterhalt etwas bei­ steuern zu können. Im Juni 1964 startete die SAMMLUNG ANTARES in der „Offizin Bleymehl“. Die Bände erschienen im Umdruckverfahren im Format DIN A 5, gelumbeckt in starker Pappe eingebunden. Herr Bley­ mehl hatte große Pläne; ihm schwebte als Endziel die stolze Zahl von 100 Bänden vor. Als Band 1 kam 1964 Daniel Gottlieb Gebhard Mehrings ( 1759-1829) DasJahr 2500 der der Traum Alradi's ( 1794) heraus. Noch im gleichen Jahr veröffentlichte die Offizin Bleymehl als Bd. 2 Der fliegende Mensch aus der Feder des Franzosen Nicolas-Edmonde Rétif de La Bretonne (1734-1806). Sein fliegender Mensch entdeckt die Australischen Inseln. Der Herausgeber warb für sein Projekt mit den AntareS-NaCHRICHTEN [-► Abb. auf S. 48], hektografierten Blättern, die zwischen 1965 und 1967 erschienen. In ihnen stellte er jeweils die kommenden Ausga­ ben vor. Zu den Abonnenten der SAMMLUNG ANTARES zählten u.a. der bekannte Wissenschaftsjournalist und SF-Experte Willy Ley, Professor I. F. Clarke von der Universität Glasgow, Professor H.J. Stammer, Erlan­ gen, sowie Professor Karl Krejci-Graf, Frankfurt. Das Problem der Abon­ nenten beschäftigte Jakob Bleymehl die ganzen Jahre über; es waren und blieben einfach zu wenig Abnehmer. Dazu kamen die üblichen Probleme derartiger Unternehmen, insbesondere die schlechte Zahlungsmoral der Abnehmer. Die meisten Exemplare verkaufte er von Bd. 18, Beiträge zur Geschichte und Bibliographie der utopischen und phantastischen Litera­ tur (1965). Dieser von ihm verfasste Band umfasste 352 Seiten, enthielt 50

Vorwort »•r V«rt»aa»r h«t «lea *1» l«lten«oh*ftMcha» U««r uní 5a«el»» «toplaohar on