Wie die Presse unserer Feinde den Krieg vorbereitet und erzwungen hat [Reprint 2018 ed.] 9783111486604, 9783111119977


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German Pages 25 [28] Year 1919

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Wie die Breffe unferer feinde den Krieg vorbereitet und erzwungen hat
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Wie die Presse unserer Feinde den Krieg vorbereitet und erzwungen hat [Reprint 2018 ed.]
 9783111486604, 9783111119977

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Me die Presse unserer feinde den Krieg vorbereitet und erzwungen hat.

Theodor Schiemann.

Berlin 1919 Druck und Verlag von Georg Reimer.

Proprium est humani generis odisse quem laeseris! Tacitus.

sind es unserem von furchtbaren Schicksalsschlägen ge-

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beugten Volke schuldig, die niederträchtige Verleumdung zurückzuweisen, die uns die Urheberschaft an dem Weltkriege vor­ wirft, den wir in einem Augenblick höchster Gefahr zur Verteidigung von Kaiser und Reich, von Ehre, Leib und Gut, auf uns genommen haben. Wir werfen den Vorwurf, der uns die Schuld zuweist, den wahren Urhebern dieses Krieges zurück an den Kopf und sehen in dem Ausgang dieses Krieges kein Gottesgericht, sondern einen der in der Geschichte der Menschheit nicht seltenen Fälle, da der Triumph der schlechten Sache, der Sieg den Vertretern des Un­ rechts zufällt. Was wir in den letzten drei Monaten erlebt haben, ist vielleicht das schwerste Geschick, das je ein Volk getroffen hat, das sich seiner guten Sache und seines gerechten Willens wohl bewußt war.

Als wir im August 1914 ins Feld zogen, hat keiner

von uns an die Möglichkeit gedacht, daß die Rückkehr unserer sieg­ gewohnten Truppen sich so vollziehen werde, wie es tatsächlich im Dezember 1918 geschah. Zwar nicht besiegt, aber als ob sie besiegt wären, auf Grund des Gebots schadenfroher und nach Rache dürstender, in hundert Schlachten besiegter Feinde, die ein wahn­ sinniges Waffenstillstandsangebot, das von einer kopflosen Re­ gierung gebilligt worden war, ausbeuteten — als wäre es der ver­ diente Lohn ihrer Taten und das demütige Schuldbekenntnis eines zur Erkenntnis seines Unrechts gelangten Volkes. Der General, der verlangte, daß von dem Feinde ein Waffen­ stillstand erbeten werbe, und die Regierung, die sich bereit fand, ihn unter den unmenschlichen Bedingungen abzuschließen, die ihr gestellt wurden, haben bis zur Stunde sich vor dem deutschen Volke

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noch nicht gerechtfertigt. Ungesühnt sind die Taten derjenige«, die das Signal zu jener Nachäffung ruffischer Verirrungen gaben, aus denen die unglaublich lächerliche Organisation der Arbeiter­ und Soldatevräte hervorgegangen ist, die den Keim des schließlichen Zerfalls in sich trägt, undenkbar ist, daß auf die Dauer, wie es die Not des Augenblicks entschuldigen mag, eine Partei das gesamte Regiment des Reichs in'ihre Hand nimmt. Aber das alles sind Tatsachen, die mit der Frage nach dem „Wie?" der Entstehung dieses Krieges nichts zu tun haben. Ohne näher auf die diplo­ matische Sette dieser Frage einzugehen, die vom deutschen Stand­ punkte aus mehr als einmal gründlich geprüft worden ist und wohl Ungeschicklichkeiten und Versäumnisse unsererseits bloßgelegt hat, an keiner Stelle aber einen bösen, zum Kriege treibenden Willen zeigte, während über die den Krieg absichtlich provozierende Haltung der Delcasss, Clsmenceau, Jswolski, Sasonow, Grey und Balfour kein Zweifel mehr bestehen kann, soll hier ein anderes Problem in den Vordergrund gerückt werden, das Verhalten der englischen, französischen und russrschen Presse während des Jahrzehnts, das dem Kriege vorausging. (Site freundliche Presse in diesen drei Staaten hat Deutsch­ land überhaupt nur gehabt, als es nach der Erschöpfungsperiode, die den navoleonischen Kriegen folgte, aller Politik emsagend, den kleinen Interessen des Alltags lebte und nebenher in wissenschaftlicher Arbeit aufzugehen schien. Sobald sich ein poli­ tischer Wille zeigte, ward er als gefährliche Anmaßung bekämpft. England drohte 1853 mit einer Blockade, weil Preußen nicht aktiv am Krimkriege teilnehmen wollte, es ward gegen die Stimme der öffentlichen Meinung 1864 nur durch den Widerspruch der Königin Viktoria bewogen, uns nicht in den Rücken zu fallen, und ähnlich war die Stimmung nach dem 2. September 1870. In Frank­ reich hat die Presse 1840 gegen uns getobt und seit 1870 mit nur geringen Pausen, die vorübergehend die Illusion hervorriefen, daß eine Verständigung von Staat zu Staat und Volk zu Volk sich vorbereite, uns immer Mißtrauen und Feindschaft gezeigt. Die Feindseligkeit der russischen Presse begann mit der Preßfreiheit und hat seit 1878 einen chronischen Charakter angenommen und

5 beibehalten. Sie wurde aber ziemlich gleichgültig hingenommen, weil die politische Haltung des Zaren der entscheidende Faktor war und es so lange blieb, bis die Presse dem Zaren über den Kopf wuchs. Unter Nikolaus II. ist es trotz aller Zensur stets der Fall gewesen. Wir wollen hier jedoch nur hervorheben, was im Zu­ sammenhang mit dem Ursprünge des Weltkrieges steht, der, wie gleich hier mit aller Bestimmtheit erklärt werden soll, überhaupt nicht hätte zustande kommen können, wenn England ihm fern­ geblieben wäre. Die Haltung Englands soll daher in unserer Prüfung mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt werden. Es ist eine wissenschaftlich feststehende Tatsache, daß der Auf­ schwung der deutschen Industrie den ersten Anlaß zur feindseligen Haltung der englischen Presse gab. 1896 ward das Buch von Wilson „Made in Germ an y“ veröffentlicht, das den Engländern die unlieb­ same Tatsache vorführte, daß ihre Industrie vor den besseren deut­ schen Leistungen im Rückstände sei. Parallel lief ein politischer Zwi­ schenfall, der „Jameson Raid“, der den ungerechten Krieg der Eng­ länder gegen die Burenrepubliken einleitete, in Wirklichkett aber ein Beutekrieg um südafrikanische Gold- und Diamantenlager war. Präsident Krüger schlug diesen räuberischen Überfall ab und erhielt darauf ein Glückwunschtelegramm Kaiser Wilhelms, dessen Bekannt­ werden eine namenlose Wut in England wachrief.

Immerhin

sahen die Engländer sich genötigt, ihren Plan, die Selbständigkeit der Burenstaaten zu vernichten, um einige Jahre aufzuschieben. Als er 1899 wieder aufgenommen wurde, im Widerspruch zu den Liberalen Englands — in England ist die in der Opposition stehende Partei stets sehr tugendhaft, wen» die andere auf Beute aus­ geht — und im Widerspruch zur öffentlichen Meinung der ganzen Welt, fand die englische Presse es nützlich, ihrer Entrüstung darüber nur so weit Ausdruck zu geben, als Deutschland dadurch getroffen wurde, obgleich die temperamentvolleren Franzosen sich weit weniger Zwang in ihren antienglischen Empfindungen auferlegt hatten. Man jubelte in Paris über die Erfolge der Buren und spottete über England. „Großbritannien" — schrieb damals Charles Malo im „Journal des Debats" — „ist nur noch eine große militärische

Ohnmacht, ein

schwankendes

Rohr

aus

Simili-

6 Bronze, ein Koloß mit Nickelfüßen", Rußland aber trat an Frankreich und Deutschland mit der vertraulichen Anfrage heran, ob nicht eine Allianz des Kontinents gegen England sich ab­ schließen lasse. Der Gedanke scheiterte am Widerspruch Deutsch­ lands, der Grimm der Engländer aber ging wiederum gegen Deutschland, und noch in währendem Burenkriege ward der erste Köder ausgeworfen, um den Deutschenhaß der Russen für Eng­ land nutzbar zu machen. Sir Rowland Blennerhasset veröffent­ lichte in der „National Review" eine politische Betrachtung, die dahin auslief, daß im 20. Jahrhundert die Leitung der Welt zwi­ schen Angelsachsen und Slawen geteilt werden müsse. Stehe einmal die vereinigte Seemacht Englands und Rußlands den Deutschen gegenüber, so werde Deutschland unter diesem Druck zusammen­ brechen. Da sich die „National Review", wiederum durch Blenner­ hasset, als Organ für den Gedanken erwärmte, daß die Engländer eigentlich Romanen und daher Frankreich stammverwandt seien, fand sich damit als Zukunftsideal der Bund der beiden Staaten, die Deutschland geographisch umschlossen, mit dem seemächtigen England geistig verbunden. In Frankreich wie in Rußland ward dieser Gedanke von der chauvinistischen Presse aufgenommen. Aus Paris ward Herr Cheradame nach Petersburg geschickt, wo er mit der „Nowoje Wremja" und dem „Swet" anknüpfte, und dieser neuen Kombination schloffen sich nun Vertreter der Nationen an, die von einer Weltkatastrophe die Verwirklichung ihrer politischen Zukunftsbilder erhofften: Tschechen, Polen, Ungarn. Unterstützt wurden diese Bestrebungen in England außer von der „National Review" von der „Times" und von ihrem Berliner Korrespondenten Mr. Saunders, von dem der damalige Staatssekretär Freiherr von Richthofen sagte, er habe mehr getan, die deutsch-englischen Be­ ziehungen zu vergiften, als irgendein anderer Mensch. Trotz der seit August 1891 bestehenden französisch-russischen Allianz und der politischen Gegensätze, die England und Frankreich namentlich in Afrika voneinander schieden, bereitete sich eine Annäherung beider Mächte vor, als Deutschland daran ging, eine kampffähige Flotte zu bauen und gleichzeitig Rußland seiner Politik eine Wendung in den fernen Osten gab, die zu einem Konflikt mit dem England ver-

7 Kündeten Japan führen mußte. Der franiösische Minister des Aus­ wärtigen, Theophile Delcasse, vollzog die Schwenkung von dem mit ganz anderer Politik als mit der französischen Revanche be­ schäftigten Rußland zu England hinüber, das sich unter Chamber-lains Führung bereits in antideutschen Kombinationen bewegte. Am 8. April 1904 wurde das allbekannte englischssranzösische Ab­ kommen unterzeichnet, das die Ansprüche Frankreichs beseitigte an denen England Anstoß nahm, und dagegen den Franzosen, im Widerspruch zu internationalen Verträgen, freie Hand in Marokko gab. Dieser englisch-französische Vertrag ist der Ausgangspunkt alles späteren Unheils geworden, denn an ihn knüpfte sich die groß­ artige Agitation eines von Delcasse geleiteten Bundes französischer, englischer und russischer Journalisten, dem sich als kleine Kläffer ein Gefolge tschechischer, polnischer und auch madjarischer Skribenten anschloß. In wie großem Stil diese Agitation, die von vornherein ihre Spitzen gegen Deutschland richtete, gedacht war, zeigte der. Ankauf des „Standard", eines bisher unionistischen Blattes, durch den radikalen Zeitungsunternehmer Pearson für 14 Millionen Mark. Das sollte, wie wir noch sehen werden, der Anfang einer noch weiter führenden Organisation der Feinde Deutschlands werden. Sie hat gleich anfangs nach Amerika hinübergegriffen und natürlich auch die Stimmung in den großen Dominien beeinflußt. Die Wechselwirkung von Presse und öffentlicher Meinung war so stark, daß auch die englischen Staatsmänner in ihren für die Öffent­ lichkeit bestimmten Reden sich ihr nicht entzogen. Am 3. Februar 1905 hielt der Civil Lord der Admiralität, Mr. Arthur Lee, eine gegen Deutschland gerichtete Rede, die mit der Drohung schloß, daß wenn unglücklicherweise der Krieg erklärt werden sollte, unter den bestehenden Verhältnissen die britische Flotte den ersten Schlag führen könne, bevor die andere Partei Zeit finde, in den Zeitungen zu lesen, „daß der Krieg erklärt sei". Das war die Drohung mit einem Überfall und eine Ermutigung des auf Marokko gerichteten Planes Delcasses. Daß Deutschland sich dadurch nicht schrecken ließ, zeigte der Einritt Kaiser Wilhelms in Tanger am 31. März 1905, der in Paris Bestürzung hervorrief. Um Delcasse, gegen den sich die erstarkte öffentliche Meinung der Franzosen richtete, zu

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stützen, kam daraufhin König Eduard nach Paris, wo er den Prä­ sidenten Loubet besuchte und mit Delcasse verhandelte, der, wie aus Bekenntnissen hervorgeht, die auf ihn selbst zurückzuführen sind, auf Unterstützung Englands rechnete, wenn es wegen seiner marokkanischen Politik zu einem Kriege mit Deutschland kommen sollte. Diese Zusagen sind aber bestimmt nur mündliche gewesen, wie es der Praxis der englischen Politik entspricht. „Wir sind" — schreibt Sidney Low in seinem Buch „Über die englische Regierung" — „stolz darauf, ein unlogisches Volk zu sein, und leben unter einem System ungeschriebener Verständigungen" (of tacit understandings), was ebenso von der auswärtigen wie von der innern Politik Englands gilt. Die Folgen der ungeschriebenen Verständigung, die in Paris zwar nicht durch Brief und Siegel, aber durch den entschlossenen Willen zweier geschworenen Feinde Deutschlands gesichert schien, zeigten sich unmittelbar danach an dem Verhalten der englischen Presse: „Times", „Army and Navy Gazette", „Na­ tional Review", und an dem Ton der Reden, die damals die Lords Talbot und Fitzgerald anschlugen. Es war wirklich, als stehe man unmittelbar vor Ausbruch eines Krieges. Wie ernst die Lage war, zeigte sich an der Entschiedenheit des Widerspruchs, den Pressen^ und Jean James in der „Humanite" und Lord Avebury in seinem „Aufruf an zwei Nationen" erhoben. Aber auch der Protest der englischen Kaufmannschaft vermochte die für einen Krieg arbeitenden Stimmen nicht zum Schweigen zu bringen. Dem englischen Chor hatten sich französische und russische Journalisten angeschlossen, und mit Recht rief es in allen friedliebenden Kreisen Sorge hervor, daß dieses Treiben je länger je mehr einen chronischen Charakter annahm. Der heutige Diktator Englands, Lloyd George, sprach sich rückhaltlos dahin aus, daß das Verhalten dieser Presse skrupellos böswillig sei. („A world-wide press which was characterised by the most unscrupulous malignity“, so sagte er im Parlament am 2. April 1906.) Die politischen Besuche König Eduards aber nahmen gleichzeitig immer mehr den Charakter von Agitationsreisen gegen Deutschland an, dessen „Einkreisung" durch eine feind­ selige Verschwörung das nicht zu verkennende Ziel seiner Be­ mühungen war. Die politische Atmosphäre durchtränkte sich immer

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mehr mit giftigem Haß. Wenn damals das Projekt eines Untersee­ tunnels wieder auftauchte, das England und Frankreich wie Teile eines großen Kriegslagers zusammenfassen sollte, wurde das einer­ seits ein neuer Ansporn für die Agitation der Presse, andererseits aber der Anlaß zu ernster Beunruhigung der ruhiger denkenden Patrioten auf beiden Seiten des Kanals. Clemenceau, der besondere Ver­ trauensmann König Eduards, wurde im November 1906 in der Kammer interpelliert und aufgefordert mit Ja oder Nein die Frage zu beantworten, ob England durch eine Militärkonvention an Frankreich gebunden sei. Er sagte jedoch weder ja noch nein und erklärte, daß er in die Falle nicht geraten wolle, die man seinem Patriotismus zu stellen versuchte. Noch aber beherrschte diese Gesinnung nicht die Welt. In Amerika erklärte Präsident Roosevelt: Wir haben für das deutsche Volk und für Kaiser Wilhem die lebhaftesten Gefühle der Freund­ schaft, „the strongest feelings of friendship“, in Frankreich aber veröffentlichte Flourens sein prophetisches Buch „La France conquise“, das die geistige und politische Abhängigkeit Frankreichs von England rückhaltlos bloßlegte und in dem Satz gipfelte, daß Clemen­ ceau der Prokurator Englands sei, der den Auftrag erhalten habe, die Provinz Gallien zu regieren (Charge de gouverner la province des Gaules“). Der Bogen war offenbar überspannt, und es schien sich mit der Gründung eines deutsch-englischen Freundschafts­ komitees in London eine Gegenbewegung vorzubereiten Zu Anfang des Jahres 1907 konnte man glauben, daß eine besonnene Auffassung der Weltlage das Feld behalten werde. Es war leider ein Irrtum. Das offizielle England, dem nicht unberechtigte Bedenken wegen seines japanischen Bündnisses gekommen waren, hatte eine Schwen­ kung vollzogen und sich entschlossen, durch einen Vertrag mit Ruß­ land die Sicherung Indiens zu gewinnen, die es 1902 von seinem Vertrag mit Japan erwartet hatte. Am 31. August 1907 wurde der englisch-russische Vertrag unterzeichnet, in dem Persien geopfert wurde, um die Gewißheit zu erhalten, daß Rußland in Afghanistan und Indien dem englischen Einfluß nicht entgegenwirken werde. Damit war die Voraussetzung zu späteren, weitergehenden Ver­ einbarungen geschaffen, und nach welcher Richtung diese gehen

IO sollten, zeigte wiederum die Presse der drei Ententestaaten.

Im

Januar 1908 kaufte Mr. Pearson die „Times" und damit die Zeitung, die mehr als jede andere das Gebiet der angelsächsischen Welt beherrschte. Pearson besaß aber außer „Standard" und „Times" noch zwei große Zeitungen in Newcastle on Tyne, drei in Birmingham und den „Daily Expreß", die sensationellste und unzuverlässigste Zeitung Englands, während der ältere Zeitungs­ könig, Lord Northcliffe, der ehemalige Mr. Harmsworth, die gleiche aufhetzende Tendenz in seinen Zeitungen: „Daily Mail", „Daily Mirror", „Evening News", „Daily Record and Mail" vertreten ließ. Man hat ganz richtig die Tendenz dieser Zeitungen als ein Ausplündern der Seele der heranwachsenden Jugend bezeichnet. Sie wurde zu Mißtrauen, Mißgunst und Haß erzogen. Es waren die Symptome eines bevorstehenden neuen Vorgehens der im­ perialistischen Politik Englands, wie mit richtiger Witterung sofort von der „Wowoje Wremja" erkannt wurde. Sie hat die Bemühun­ gen der englischen Presse, den damals auftauchenden Konflikt zwischen Österreich und Rußland zu verschärfen, sofort ihrer­ seits mit allen Kräften gefördert. Agitation. Ein freundschaftlicher

Es begann nun eine wüste Brief Kaiser Wilhelms an

Lord Tweedmouth ward in gewissenlosester Weise genannten Preßkonsortien ausgeschlachtet, in der

von den „Nowoje

Wremja" schrieb Herr Wesselitzki über deutsche Landungspläne in Schottland. Der französische Pole Waliszewski rief den Russen zu, daß sie einen Selbstmord begehen, wenn sie sich dem Rufe ent­ zögen, den England und Frankreich an sie richte, um sie zu veran­ lassen, dem drohenden Germanismus die Spitze zu bieten. Der „Golos Moskwy" schwelgte im Ausblick auf die Erfolge, die der zusammengefaßten Energie Englands, Frankreichs, Italiens (!) und Rußlands blühen würden, und als fünftes in diesem antideutschen Bündnis der Zukunft fügte, wiederum die „Nowoje Wremja", durch ihren englischen Korrespondenten, noch Japan hinzu. Es war ein Vorzeichen dessen, was wir schließlich erlebt haben, denn der „Standard", der ebenfalls diese Kampagne for­ derte, fügte hinzu, daß auch Präsident Roosevelt sich das Ziel stelle, für gewisse Möglichkeiten nicht unvorbereitet zu sein.

Im

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Mai aber hielt der Oberst Baden-Powell in Newcastle einen Vor­ trag, der Deutschland als den natürlichen Feind Englands seinen Zuhörern vorführte. Das alles war die geschickt inszenierte Ein­ leitung zu dem Besuch, den König Eduard VII. am 9. Juni 1908 in Reval dem Zaren Nikolaus II. abstattete. Das Programm der Verhandlungen, die hier stattfanden, und die zu vereinbarenden Beschlüsse waren in London in einer Sitzung des Kabinetts von Sir Edward Grey und Asquith festgestellt worden. Daß eine große Staatsaktion bevorstand, ergab sich daraus, daß der König zu seiner gewöhnlichen Begleitung den englischen Botschafter für Petersburg und dessen Vorgänger hinzugezogen hatte und daß Nikolaus II. von vier Staatsministern, darunter von dem Minisierpräfidenten Stolypin, begleitet wurde. Das Novum, das sich aus dieser Zu­ sammenkunft ergab, war eine Verständigung Englands und Ruß­ lands über ihre Balkanpolitik, was nach Lage der Verhältnisse eine Spitze gegen Österreich und indirekt auch gegen Deutschland in sich schloß, zugleich aber infolge der russisch-französischen Allianz diesen letzteren Gegensatz noch besonders schärfte. Die selbstlose Liebe, welche England zu Frankreich trieb, war kritischen Beobachtern natürlich ebensowenig glaubhaft wie die plötzlich aufblühende Freundschaft Englands zu Rußland. In Amerika spottete die „Washington Post" recht schonungslos darüber: Sollte John Bull wirklich lieben, so wäre das Göttern und Menschen ein Schauspiel, wie es noch nie gesehen worden ist. „Aber der „alte Knabe" spielt nur eine ihm kongeniale Rolle. Während er Frankreich umarmt, richtet sich sein Blick auf Deutschland, und er pflegt sorgfältig jede Eifersucht, die er erregen kann. Das vornehmste Ziel, das die Politik Englands bestimmt, ist rivalisierende Seemächte zu ent­ werten. Die Nation will stärker sein als die mögliche Kombination zweier Seemächte, sonst, so fürchtet sie, werde das britische Reich aus den Angeln gehen." Diesen Artikel der „Washington Post" hat kein einziges englisches Blatt wiederzugeben für gut befunden, aber alle Blätter der Entente haben die Reväler Begegnung aufs eifrigste kommentiert. Aus Frankreich haben nicht weniger als 22 Blätter ihre Berichterstatter nach Reval geschickt, am stärksten aber war der Widerhall in Rußland. In Moskau riet der Publizist

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Schewirew, nun nicht länger zu zögern, es sei jetzt undenkbar, daß Deutschland siegen könne, da man England und Frankreich zu Bundesgenossen habe. Als Siegespreis werde Elsaß und Lothringen an Frankreich fallen, Rußland aber seine Grenzen durch Annexion von Schlesien, Königsberg und Danzig abrunden. Endlich werde eine ungeheure Kontribution das ökonomische Übergewicht Deutsch­ lands für immer brechen. Der „Temps" empfahl den Russen die Befestigung von Hangö und den Alandsinseln, und im Juli fanden demonstrativ englische Flottenmanöver in der Nordsee hart an unseren Grenzen statt. Um diese Zeit überraschte die Revolution der Jungtürken die Welt, und in England, das noch vor kurzem nicht Worte genug finden konnte, um die Türkei schlecht zu machen, vollzog sich nun plötzlich ein Übergang zu lauter Türkenbegeisterung, aber im Hinblick auf die veränderte Lage auf dem Balkan fand König Eduard es nützlich, Ende August 1908 in Marienbad mit Clemenceau und Jswolski zusammenzutreffen. Die Balkan­ frage nahm bald darauf einen andern Charakter an, und ein charak­ teristisches Echo der Londoner Stimmung dieser neuen Lage gegen­ über brachte Herr Wesselitzki der „Nowoje Wremja". Serbien war jetzt der „Favorit" der Entente geworden. „Die Lage wird hier (in London) als sehr ernst betrachtet und ein baldiger Zusammenstoß als drohend. Serbien ist vollkommen bereit, einem österreichischen Einfall zu begegnen ... In Kreisen der österreichischen Finanz und der Kaufleute herrscht Panik ... Die Engländer beginnen über Österreich in starken Zorn zu geraten und hegen den Verdacht, daß die neue gewaltige Verstärkung der österreichischen Flotte bestimmt ist, im Kriegsfälle die englischen Handelsverbindungen nach Indien zu unterbrechen. Man nimmt in England an, daß das englische Mittelmeergeschwader mit den Feindseligkeiten beginnen und die österreichischen Schiffe und Arsenale zerstören wird. Übrigens hofft man, daß auch die italienische Flotte sich an diesem Werk be­ teiligen wird ..." Parallel diesen Hetzereien gingen in England die beängstigenden Gerüchte von einer bevorstehenden Invasion, die neben den Leitartikeln der großen Blätter in Zuschriften aus dem Publikum drastischen Ausdruck fanden. So schrieb ein engli­ scher Patriot am 5. Dezember 1908 dem „Standard": „Sir, es ist

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kein Zweifel mehr, daß Deutschland in sehr naheliegender Zeit unsere Weltstellung angreifen will.... Der Ruf, der durch ganz Deutsch­ land geht, lautet: „England delenda est“, und die Stimmung gegen England kann nur mit der verglichen werden, die man bei uns zu Zeiten der Königin Elisabeth gegen Spanien hegte." In dieser englischen Gespensterfurcht lag die eigentliche Gefahr der Lage, und damit haben wir zu rechnen gehabt, bis schließlich im August 1914 die ruchlosen Pläne der englischen Kriegspartei Wirklichkeit wurden. Bis es dahin kam, hat die Kriegspsychose unserer Feinde noch mannigfache Stadien durchgemacht. In Frankreich wurde aus Erwägungen politischer Taktik sogar der „Temps" unwillig über den systematisch feindseligen Ton der englischen Zeitungen Deutschland gegenüber, er wies darauf hin, daß ein europäischer Krieg jetzt nicht französischem Interesse ent­ spreche. Man stand gerade in Verhandlungen mit uns über den Marokkokonflikt und hoffte auf günstigen Ausgang, wie ihn der Vertrag vom 9. Februar 1909 auch tatsächlich brachte. Nicht volle drei Wochen danach verständigte sich Österreich mit der Türkei darüber, daß gegen Evakuierung des Sandjaks Novy Bazar die -Annexion Bosniens und der Herzegowina (die bekanntlich schon 1878 im Prinzip vereinbart war) anerkannt wurde. Der ungeheure Lärm, den deshalb Serbien erhob, obgleich es nicht direkt von dieser Frage berührt wurde, führte aber eine neue schwere Krisis herbei, die wiederum von der Ententepresse systematisch vergiftet wurde. Die „Nowoje Wremja" hatte bereits in ihrem Neujahrs­ artikel erklärt, die Lage Rußlands sei derartig, daß es zwischen zwei Leidenschaften und zwei Gefahren zu wählen habe: der wilden, zerstörenden Revolution und dem Verzweiflungskampf um die Zukunft der slawischen Rasse. Von diesen beiden Übeln sei das zweite das geringere! Es ist mutatis mutandis dasselbe Argument das im August 1914 für den Krieg gegen Deutschland entschied. 1909 hielt man den Krieg noch für die größere Gefahr, und am 25. März erkannte Rußland die Annexion von Bosnien und Herzegowina an, weil ein außerordentlicher Minisierrat, der am 19. in Petersburg tagte, sich gegen den Krieg ausgesprochen hatte. Herr Waliszewski schrieb damals: „Der große Kampf auf Leben



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und Tod ist vertagt, die inneren Verhältnisse in Rußland drängen auf Erhaltung des Friedens." Die Enttäuschung in England und Rußland über diesen Aus­ gang war ungeheuer und führte in Rußland ju einer wahren Orgie von Deutschenhaß, weil man dem Eintreten Deutschlands für Österreich schuld an dem politischen Rückzug Rußlands gab. In England gab es im April wieder eine Flottenpanik und am 16. des Monats eine neue Zusammenkunft zwischen Eduard VII. und Clemenceau in Paris, was nicht nach dem Geschmack der fran­ zösischen Friedensfreunde war. Anatole Leroy Beaulieu ver­ öffentlichte damals eine Abhandlung in der „Revue pol. et parl.", in der er den Nachweis brachte, daß England seit 1904 Urheber aller Wirren gewesen sei, unter denen Europa zu leiden hatte. Die Erregung in England aber nahm nicht ab, sondern steigerte sich. Der „Standard" beschuldigte Deutschland 1905, in der Doggerbank­ affäre eine verdächtige Rolle gespielt zu haben, die Agitation für neue Dreadnoughts wurde wieder aufgenommen, es erschien ein überall aufgeführtes Drama „An Englishman’s Home“, das das furchtbare Schicksal der Engländer für den Fall einer deutschen In­ vasion schilderte, und die „Daily News" vom 2. Juni schrieb, daß es sechs Regeln für einen siegreichen Kampf gebe; halte man sich an die sechste: zuerst losschlagen, so könne man die fünf anderen ver­ gesse». Jetzt habe England die Übermacht zur See, zwei Wochen, vielleicht zwei Tage würden genügen, des Kaisers Seemacht zu vernichten (to wipe the Kaiser’s navy of the face of the waters). Im Laufe desselben Monats erschien in der Wochenschrift „Black and White" ein Artikel: „Die Schrift an der Wand", der in dem Satze gipfelte, daß, da England den Entschluß Deutschlands kenne, die Souveränität der Meere zu gewinnen, es englischerseits ein Selbstmord wäre, wenn es bis 1913 nicht fertig sei zum Kampfe. Wohlverstanden, der eigentliche Grund der englischen Kriegslusi war die Erbitterung darüber, daß die deutsche Handelsflotte je länger je mehr die englische überflügelte. Es ist vom Standpunkt der großen Politik ein Fehler des Norddeutschen Lloyd und der Hamburg-Amerika-Kompanie gewesen, daß sie diese Überlegen­ heit Deutschlands allzu handgreiflich zutage treten ließen. Nament-

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lich daß das „blaue Band" der See aus englischen Händen in deutsche überging, konnte man in London um so weniger verschmerzen, als die Amerikaner für die Überfahrt aus Amerika nach Europa die schnelleren und mit größerem Komfort versehenen deutschen Dampfer sichtlich bevorzugte». In England aber wurde die Anerkennung, die der besseren Leistung Deutschlands zuteil wurde, als das Er­ gebnis einer niederträchtigen deutschen Intrige empfunden. Es war tatsächlich so, eine politisch-historische Legende hatte sich in England zu einem Zerrbild der historischen Wirklichkeit verdichtet, das den Engländern als absolute Wahrheit erschien und sie völlig unfähig machte, jede nicht englische Darstellung der Gegenwart oder der Vergangenheit zu erfassen. Was nicht der nationalen Legende von der „einzigen selbstlosen Macht unter den Nationen" entsprach, wurde und wird noch heute als undenkbar beiseite geschoben. Der Präsident der Universität Columbia, Butler, der später so leidenschaft­ lich gegen Deutschland Partei nahm, hat damals erklärt, daß das größte Hindernis einer Beschränkung der Rüstungen dqs Beharren Englands auf dem Zweimächte-Standard sei, der sich allein gegen Deutschland richte. Es sei der Wahn eines nationalen Schutzes gegen eine gar nicht bestehende Gefahr! Aber solche Argumente prallten von der Kriegspartei in Rußland, England und Frankreich ab. Man konnte zwar zeitweilig eine Entspannung in Westeuropa bemerken, aber die österreichisch-russische Krisis dauerte fort. Nikolaus II. hatte Zusammenkünfte mit dem Präsidenten Fallieres und danach mit Eduard VII. bei Spithead im August, im Oktober mit Viktor Emanuel in Racconigi, wo, wie nachträglich erwiesen wurde, Italien für das Balkanprogramm der Entente gewonnen und damit zum Dreibunde in einen politischen Gegensatz geführt wurde. Wir haben aber kürzlich aus französischem Munde erfahren, daß bereits 1902 Italien von der Entente für den Verrat am Drei­ bunde gewonnen war, was natürlich unter dem Siegel der streng­ sten Verschwiegenheit verschlossen ward. Wenn Italien trotzdem beim Dreibunde blieb, machte die russische Presse doch kein Hehl daraus, daß sie auf den baldigen Anschluß Italiens an die Entente rechne. Es ist höchst charakteristisch, daß die Wahlkampagne, die das Jahr 1910 brachte, in England wiederum Flottenfragen und das



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Verhältnis zu Deutschland betraf und eine neue Flut von Ver­ dächtigungen gegen «ns hervorrief. Einsichtigen Engländern be­ gann dieses Treiben ein Grauen einzuflößen ! Dicey in der „Empire Review" fand es notwendig, in das Getümmel der Wahlreden hineinzurufen: „Sind England und Deutschland Freunde, so ist der Friede Europas gesichert, wenn aber beide Nationen zerfallen, so wird das ein höchst unglücklicher Tag für die gesamte Menschheit sein!" Ein Ausspruch, aus dem sich bei rückschauender Betrachtung ergibt, daß auch nach englischer Auffassung es die Zusagen Englands gewesen sind, die unseren Feinden den Mut gaben, uns den Krieg aufzunötigen. Wie wenig die Kriegstreiber in Frankreich von den Gedanken, die Dicey vertrat, beeinflußt waren, zeigte ein Artikel des „Gaulois", in dem Arthur Meyer, einer jener neugebackenen französischen Feinde Deutschlands, sich folgendermaßen über die kritische Weltlage äußerte: „Wir haben das größte Interesse daran, daß England stärker wird, da.es das notwendige Gegengewicht gegen das starke Deutschland ist, und England zweifellos mit uns sein wird an dem Tage, da der unvermeidliche Kampf losbricht. Damit wir wieder la plus grande France werden, muß England Greater Britain bleiben." Als ob irgendjemand in Deutschland daran gedacht hätte, ein Klein-England zu schaffen! Aber auch das war ein Mittel der Ver­ dächtigung, vor welcher diese „Patrioten" nicht zurückschreckten. Dazwischen gab es, wenn es sich um innere Fragen des fran­ zösischen Lebens handelte, auch in diesen Kreisen lichte Augenblicke, in denen sie Deutschland ihre Anerkennung nicht versagten. Der „Figaro" schrieb damals: „So unangenehm es unserem republi­ kanischen Selbstbewußtsein klingen mag, die Preußen sind freier als wir. Sie haben Rechte, die durch eine Verfassung garantiert sind: Freiheit des Unterrichts, der Presse, Sicherung des Brief­ geheimnisses, Freiheit der Kulte, mit einem Worte: die natürlichen Menschenrechte sind in aller Form durch die Verfassung gesichert und in Preußen unantastbare Realitäten. Und bei uns ...? Nicht wahr, jede Ausführung wäre überflüssig?" Ähnlich sprach sich der „Temps" aus, der die eiserne Faust im Handschuh der Hohenzollern rühmte!

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Wer denkt dabei nicht daran, wie die Verbündeten, die für „Freiheit, Recht und Zivilisation" ins Feld zogen, uns als Boches und Huns beschimpften und nicht genug Worte fanden, um die Rückständigkeit der Deutschen, speziell aber des preußischen Ver­ fassungslebens der englischen und französischen Freiheit gegenüber zu rühmen! Wie sehr wir uns in den erregten Tagen, von denen oben die Rede war, bemüht haben, zu einem guten Verhältnis mit England zu gelangen, hat uns kein Geringerer bezeugt als Mr. Haldane: „Viele hervorragende Deutsche (die waren also damals doch noch vorhanden) habe» sich aufrichtige Mühe gegeben, unseren Standpunkt zu verstehen und zu würdigen, und viele von uns haben sich andrerseits bemüht, den Standpunkt Deutschlands zu verstehen. Es sollte keine Rivalität vorhanden sein. Wir sind zwei große Nationen, denen die Welt ein weites Feld für Industrie und Handel öffnet, und meine Hoffnung geht dahin, daß, wenn wir im Laufe der Zeit mehr von dieser großen Nation wissen werden — groß in Reichtum, in ihrer Organisation, in ihrer glänzenden Wissenschaft und Kunst —, daß wir daun immer mehr einsehen werden, daß wir uns mit ihr zusammentun sollten, um den Fort­ schritt der Welt zu fördern! Ich halte es daher nicht für berechtigt, daß wir Deutschland kritisieren, weil es seine Flotte so organisiert, wie es ihm gut scheint, und Deutschland hat Anspruch auf eine gkoße Flotte, weil es einen großen Handel hat — ganz wie Deutsch­ land keinen Anstoß daran nehmen kann, wenn wir unserseits unser Heer und unsere Flotte vervollkommnen und dafür sorgen, daß sie auf sicherem Fundament ruhen." Das war vortrefflich gesagt und empfunden, aber kurz vor Abschluß der Wahlen am 14. Dezember legte Balfour in chauvi­ nistischer antideutscher Agitation die Flottenfrage seinen Wählern ans Herz, weil, obgleich die englische Flotte niemals stärker gewesen sei als jetzt, den Möglichkeiten der Zukunft vorgebeugt werden müsse. Er rief damit seinen Zuhörern alle die Schrecknisse wieder ins Gedächtnis, die ihnen während der Wahlkampagne so gewissen­ los vorgeführt worden waren. Dieselbe Tendenz verfolgte die „Times", als sie Anfang 1911 wegen der Befestigung Vlissingens Lärm schlug, wobei ihr natürlich „Temps" und „Nowoje Wremja"

als Helfer beisprangen. M. Pichon, der französische Minister des Aus­ wärtigen, entwarf am 14. Januar ein berückendes Bild von der Macht und von den Verbindungen Frankreichs, ein Bild, das bald darauf vom „Standard" durch die indiskrete Mitteilung ergänzt wurde, daß England und Frankreich zu gegenseitiger Unterstützung zu Wasser und zu Lande verpflichtet seien, wenn eine von beiden Mächten von einer europäischen Koalition angegriffen werde. Zu­ gleich teilte der „Standard" mit, daß „military conversations“ stattgefunden hätten. Es war, als wolle Herr Pichon damit Deutschland darauf vorbereiten, daß er im Begriff stehe, sich über das letzte Marokkoabkommen hinwegzusetzen und uns durch Hinweis auf seine Alliierten und Freunde wissen zu lassen, daß er stark genug sei, um Verträge „als einen Fetzen Papier" zu verachten! In der Tat kündigte General Monier am 26. April seinen vertragswidrigen Vormarsch auf Fez an. Es folgte der mit der Entsendung des „Panther" nach Agadir beginnende Konflikt, der durch den Marokko­ vertrag vom 4. November für immer erledigt zu sein schien, und auf den hier nicht weiter eingegangen werden soll. In diesen siebe» Monaten bestand eine wirkliche Kriegsgefahr. Im August und Sep­ tember hatte England alle Vorbereitungen getroffen, um zur Ver­ teidigung des französischen Unrechts uns mit Krieg zu überziehen. Wir haben es der überlegenen staatsmännischen Kunst von KiderlenWaechters zu danken, daß es nicht dazu kam. Aber es soll doch daran erinnert werden, wie maßlos die Feindseligkeit war, die damals in der französischen Presse gegen uns zum Ausdruck kam. Speziell die „France militaire" überschritt in ihrer Insolenz alle Grenzen internationalen Anstandes. Zur Seite standen ihr neue Pamphlete. In einer Broschüre des Obersten Boucher: „La France victorieuse dansla guerre de demain“, die V0M 14. Ok­ tober 1911 datierte, sagt er, daß England entschlossen sei, den Fran­ zosen nach voller Maßgabe seiner Kräfte zu helfen, und in seinem Buche: „L’offensive contre l'Allemagne“ kam er unter Berufung auf Maximilian Harden zum Schluß, daß es nicht eme Stimme in der Welt gebe, welche die deutsche Politik billige, und daß die Fran­ zosen im psychologischen Moment frohen Herzens, unter dem Schwarm ihrer Aviatiker, gegen uns marschieren würden. „Wir

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konnten das nicht besser sagen", rief Oberst Boucher. Das Volk aber werde hinzufügen: „Und das haben sie selbst gesagt!" So können wir den Namen Harden der Reihe derjenigen unserer Feinde anschließen, die, was an ihnen lag, getan haben, um die Schürer des Weltkrieges zu ermutigen. In England fand eine Reaktion anderer Art statt. Am 24. No­ vember erschien ein „Offener Brief über auswärtige Politik. 1904—11", der Herrn Hirst zum Verfasser hatte und mit dem Mute sittlichen Ernstes für eine Verständigung mit Deutschland eintrat. Sir Edward Grey lehnte diese Zumutung mit kühler Entschiedenheit ab, das „Journal de Geneve" aber zog aus den Ereignissen der letzten Jahre den richtigen Schluß, daß jedesmal, wenn ein Krieg mehr oder minder drohend schien, England und Frankreich sich ver­ pflichtet hätten, einander mit ihrer Kriegsmacht zu unterstützen. Diese Tatsachen waren so offensichtlich, daß Lord Rosebery sich gegen Grey wandte und ihm vorwarf, daß er durch Verpflichtungen, deren Natur und Weite unbekannt sei, die aber darum nicht minder bindend wären, als wenn man sie aufgezeichnet hätte, einen Krieg heraufbeschwöre, wie er vor Zeiten Europa verheert hatte, der aber größer sein werde als irgendein Krieg, den England seit dem Sturze Napoleons gekannt habe. Auch das blieb ohne jede Wirkung, ein Schlag ins Wasser. Die Agitation gegen Deutschland dauerte fort; während ein Besuch Lord Haldanes in Berlin vom 8.—11. Februar 1912 leider nicht zu einer Verständigung in der Flotten­ frage führte, deklamierte Churchill, daß die deutsche Flotte ein Luxus, die englische eine Notwendigkeit sei, eine Äußerung, die er in zwei späteren Reden noch übertrumpfte, von denen Lord Beresford erklärte, daß sie eine indirekte Bedrohung und Provokation Deutschlands enthielten. Die französische Revue, die im März in Nancy stattfand, war auf eine Herausforderung angelegt und ebenso die Drohung, die man in Frankreich mit der „creation“ des französische Unterseebootgeschwaders verband. Die „Saturday Review" schrieb unter diesen Eindrücken, daß Frankreich bereits feste Entschlüsse gefaßt habe, und daß man die Stimmung von 1869 und 1870 wiedererkenne. Eine in Besän?on erscheinende Zeitung schrieb damals: „Es ist nicht zu bestreiten, daß die fanatische

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Leidenschaftlichkeit der Massen mit berechneter Absicht provoziert wird. Und das gelingt über Erwarten. Unanständige Rnfer heulten in Vincennes zwei Schritte vom diplomatischen Korps. Unsere Troupiers haben Elsaß-Lothringen wiedererobert, indem sie einen Bajonettangriff gegen die Tribünen richteten. Aeroplane flogen hinüber: sie werden Berlin dynamitieren! Welcher Tag des Ruhmes! ... Die englische Presse befürwortete nun den Abschluß einer förmlichen Allianz mit Frankreich: „Morning Post", „Daily Graphic", „Observer", „Spectator" treten zum Jubel des „Temps" dafür ein. Die mit dem foreign office in Be­ ziehung stehenden Blätter widersprachen zwar. Aber am 22. Juni nahm die Duma die neue russische Flottenvorlage an und am 22. Juli das Unterhaus eine ungeheure Vermehrung der englischen Flotte, nach einer Rede Winsion Churchills, die den Gedanken ver­ trat, daß England der deutschen Flotte zur „Verteidigung des Frie­ dens der Welt" 5 Geschwader entgegensetzen müsse. Es war eine schamlose Heuchelei. Man rief Frieden und dachte dabei nur an Krieg. Die „Nowoje Wremja" illustrierte die Vergrößerung der russi­ schen Flotte durch folgende Erwägungen: „Der Entschluß, im Rücken Deutschlands eine ungeheure Angriffsflotte zu bauen, kann die gespannte Lage Europas rasch zu einer Entscheidung führen. Ein Krieg mit Rußland wird notwendig auch einen Krieg mit England und Frankreich nach sich ziehen." Der „Temps" aber bemerkte dazu: „Die alliierten Mächte wissen fortan, welches im Kriegsfälle die Verwendung dieser wiedererstehenden Flotte sein wird", und der „Standard" ergänzte: „Wie mächtig der Dreibund auch zur See sein mag, die französisch-russische Allianz wird in Mnigen Jahren noch mächtiger sein." Es ist aber zu betonen, daß man in Frankreich und England damals bereits wußte, daß bei einem Kriege gegen Österreich und Deutschland auf Italien als auf einen Feind nicht gerechnet zu werden brauchte, es werde neu­ tral bleiben, bis — nun bis der Tag des Verrats gekommen sei. Lord Roberts erklärte kurzweg, daß der Krieg gegen Deutsch­ land unvermeidlich sei, weil es zu mächtig werde, wozu der treffliche C. P. Trevelyan bemerkte, die Rede Lord Roberts' sei eine teuflische Rede und vertrete die Moral eines Rudels Wölfe!

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Das war die Atmosphäre, die in der Ententepresse überwog, als eine neue serbische Krisis ausbrach, die es im November, speziell am 27. und 28., wahrscheinlich machte, daß ein großer Krieg un­ mittelbar bevorstehe. Die Krisis zog sich aber noch in das neue Jahr hinein, nachdem am 7. Dezember 1912 der Dreibund erneuert worden war, wobei dem Leser überlassen bleibe, sich vorzustellen, mit welchen Gefühlen ihn der Vertreter Italiens unterzeichnet haben mag. Leider brachte das sterbende Jahr dev Tod des Staats­ sekretärs Kiderlen Waechter. Er war in den Tagen, die nun folgten, unersetzlich. begann das Jahr 1913 unter bösen Vorzeichen. DaS Kriegshetzen der englischen und französischen Presse ging weiter, in Petersburg fanden Slawendiners statt, die das Unge­ heuerlichste an bramarbasierenden Drohungen gegen Deutschland und Österreich leisteten. Die „Nowoje Wremja" konnte voller Be­ friedigung feststellen, daß wir der Verständigung mit England nicht um eine« Schritt näher gekommen seien. Delcasss wurde als Botschafter nach Petersburg geschickt, um die französisch-russische Defensiv-Allianz in eine Offensiv- und Defensiv-Allianz umzu­ bilden; die Opposition der englischen Liberalen, die das Programm einer deutsch-engltsch-französischen Freundschaft vertraten, mußte natürlich scheitern, da die englisch-französische Freundschaft nur aus Haß gegen Deutschland geschlossen war. Aber es verdient doch darauf hingewiesen zu werden, daß noch im April 1913 die „Saturday Review" schrieb: Niemand in England dürfe übersehen, daß im französischen Volke der Chauvinismus stetig zunehme, daß die französische Regierung ihn lebendig zu erhalten bemüht sei, und ein TeU der Presse dieses beklage. Der „Golos Moskwy" erklärte, eine Kampagne gegen Österreich werde alle Schwierigkeiten besei­ tigen, und die „Moskowskija Wjedomosti", daß das Auferstehen der slawischen Rasse ein Memento mori für Österreich bedeute. Poincars aber vertraute Clemenceau an, daß die Wiedereinführung der dreijäh­ rigen Dienstpflicht in Frankreich eine Forderung Rußlands sei, das für den Fall der Weigerung mit Kündigung des Allianzvertrages drohe. So wird der Ruf verständlich, den die „Revue des deux mondes" im Juni 1913 formulierte: „En r6sum6 et partout, intellectuellement, materiellement, moralement, militairement, la revancheU“

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Am io. August traf Poincarö t» England ein, und das „Jour­ nal des DLbats" erklärte nach seiner Rückkehr, „mgn habe nach den Londoner Unterredungen starke Gründe, zu hoffen, daß die briti­ schen und französischen Streitkräfte eng verbunden sein würden, um fortzufahren, das Gleichgewicht im Orient und Okzident zu ver­ teidigen. Ja, was man so Gleichgewicht in den Kreisen der Entente nannte! Da nunmehr am 7. Juli die dreijährige Dienst­ pflicht von der französischen Kammer angenommen wurde, fühlte man sich in Paris stark genug, um in Petersburg und London als fordernde, nicht wie bisher als bittende Macht aufzutreten. Am 1. August wurde eine militärische Deputation unter Führung des Generals Joffre nach Rußland geschickt, um sich von dem Stande der militärischen Vorbereitungen Rußlands zu überzeugen, und im Oktober forderte der „Temps" recht kategorisch von England entweder Verstärkung der englischen Flotte um 50 Hyperdread­ noughts oder Einführung der allgemeinen Wehrpflicht. Poincars unternahm eine Agitationsreise durch Frankreich, im Mittelmeer vollzog sich eine französisch-englische Flottenkonzentration, und das Kommando der türkischen Flotte wurde dem englischen Admiral Limpus übertragen. Mit dem neuen Jahr 1914 mehrten sich die Anzeichen, daß die gewaltsame Lösung der Weltspannung von der Entente in kurzer Frist in Angriff genommen werden solle. An Artikel des „Correspondant" brachte den Nachweis, daß zur Zeit der Mission Joffres Rußland genötigt worden sei, den Bau strategischer Bahnen an die deutsche und österreichische Grenze mit allen Mitteln zu be­ treiben. Delcasss wurde vom Zaren durch Verleihung des Andreas­ ordens ausgezeichnet. Der „Temps" aber schrieb, es sei notwendig, daß alle Parteien sich harmonisch darüber verständigten, wie der Schlußakt sein solle („il saut que tous les partis s’accordent harmonieusement ä preparer le risultat final“), d. h. wie der Gedanke der revanche nunmehr praktisch durchzuführen sei. Das entsprach ganz den Plänen, mit denen man sich in Petersburg trug, um durch den Krieg den man vorbereitete, der drohenden Revolution zu ent­ gehen. Der „Eclair" machte darauf aufmerksam, daß der „Temps" das Organ Jswolskis sei (organe autoritaire de l’obeissance pas-

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Rußland hat damals unge­ heure Summen für Beeinflussung der französischen Presse aus­ gegeben, und mit denselben Mitteln arbeitete Frankreich in Peters­ burg und Moskau, was freilich zu einem Ausgleich geführt haben muß, da die russische und ein Teil der englischen Presse den pots de vin ebenso zugänglich war. War die aggressive Tendenz gar zu plump, so spielte England, das auf seine Opposition Rücksichten zu nehmen hatte, den Hemmschuh, die eigentliche Leitung der Gesamt­ aktion aber behielt es fest in Händen. Als König Georg im April 1914 in Parts eintraf, erwartete man von ihm das Versprechen, daß England nicht ohne Frankreich Frieden schließen werde, und nicht, ohne daß der Hauptwunsch (qui nous passionne) erfüllt worden sei. Im Mai erfuhren wir aus der „Nat. Review", daß England ein Marineabkommen mit Rußland angebahnt habe, am 11. Juni erklärte trotzdem Grey zynisch auf die Anfrage von Sir William Bytes, „daß keine unveröffentlichten Vereinbarungen beständen, oder, soviel er wisse, in Angriff genommen werden sollten, welche die Freiheit der Regierung oder des Parlaments einschränken oder behindern! önnte«, darüber zu entscheiden, ob England an einem Kriege teilnehmen solle". Das war, wie die jetzt veröffent­ lichte Korrespondenz zwischen Benckendorff und Sasonow be­ wiesen hat, eine schamlose Lüge; denn die Politik Sir Edward Greys war darauf angelegt, eine politische Lage zu schaffen, die es dem Parlament unmöglich machen sollte, sich dem vorbereiteten Koalitionskriege gegen Deutschland zu entziehen. Man fühlte es wohl und suchte entgegenzuwirken. Am 31. Mai fand eine Kon­ ferenz französischer und deutscher Parlamentarier in Basel statt, die entschieden pazifistische Tendenzen vertrat. Augagneur und Jaures haben an dieser Konferenz teilgenommen, was für Jaures be­ kanntlich zum Verhängnis geworden ist, man hat nützlich ge­ funden, ihn ermorden zu lassen, — für die Politik des Augen­ blicks aber ohne jede Wirkung blieb. Für pazifistische Regungen hatte man in den Reihen der drei verschworenen Staaten kein Ohr. Die schließltche Katastrophe, die den Krieg in ihren Konsequenzen herbeiführte, war die Ermordung Franz Ferdinands am 28. Juni. sive ä tous les ordres de Mr. Iswolski),

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PoincarL ist danach noch schleunig mit seinem damaligen Minister des Auswärtigen Viviani nach Petersburg gefahren. Man ver­ ständigte sich darüber, die Entente durch Heranziehung der Mächte zweiten Ranges zu erweitern. Die „Nowoje Wremja" kündigte an, daß man Deutschland Schach und matt setzen werde. In Frankreich aber veröffentlichte ein Professor Gounard in der „Revue pol. et pari." vom 15. Juni einen Artikel, den er „Deutschland, von Frankreich aus gesehen" betitelte und der an schamloser Verunglimpfung Deutsche lands und zumal Preußens jene sadistische Verrohung vorahnen läßt, die wir bei den Franzosen im Verlauf des Krieges in so ab­ schreckender Form kennengelernt haben. Die Initiative zur Er­ zwingung des Krieges gehört ohne jeden Zweifel der englischen und französischen Presse, geführt wurde die Aktion von einer Koalition geriebener Staatsmänner, unter denen Delcasss und Jswolski die Spezialität der Preßagitation hatten, die in England von Ama­ teuren als höchst einträglicher Sport gepflegt wurde. Das Blut, das dieser Krieg gekostet hat, ist das Werk ihres Treibens. Nicht wir tragen die Schuld, nicht der Deutsche Kaiser oder eine deutsche Militärpartei, sondern der Handels- und Machtneid Englands, die Revanchewut Frankreichs und der Größenwahn der russischen Intelligenz, die Konstantinopel, Wien, Königsberg und Danzig als natürlichen Preis ihres „Sieges" erwartete. Im Februar 1903, als die englische Presse sich in Wutanfällen über das Zusammenwirken der englischen Flotte mit der deutschen vor Venezuela erging, sagte der damalige Premierminister Balfour im Unterhäuser „Im Hinblick auf die Zukunft bin ich voller Unruhe, wenn ich bedenke, wie leicht es ist, das Feuer nationaler Eifersucht zu schüren, und wie schwer es fällt, es wieder zu stillen!" Wir stellen hiermit fest, daß Balfour später einer von denen gewesen ist, die das Feuer internationaler Eifersucht bis zur, Glut­ hitze gesteigert haben. Er stand dabei nicht allein. Die Skrupellosigkeit, mit welcher der Verunglimpfungs- und Verleumduvgsfeldzug im Verlauf des Feldzuges fortgesetzt wurde, spottet jeder Beschreibung. Es wurde dabei die Taktik verfolgt, alles zu unterdrücken, was der

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Wahrheit einen Weg bahnen konnte, und zweitens, als ob die Schrecken die mit jedem Kriege verbunden sind, nicht genügten, teils durch gewissenlose Übertreibungen, teils durch böswillige Erfindungen die Phantasie derjenigen zu vergiften, die ihr Urteil aus der uns feindlichen Presse der Ententestaaten zu schöpfen angewiesen waren. In Rußland, Frankreich, England, Belgien herrschte darin Einmütigkeit. Die Veröffentlichung der uns in die Hände gefallenen Berichte der belgischen Gesandten aus Berlin, die den schlüssigen Beweis für die Kriegsvorbereitungen der Entente brachten, wurden ebenso verschwiegen wie jetzt jene Korre­ spondenz zwischen Benckendorff und Sasonow totgeschwiegen wird. Unübertroffen aber steht die ruchlose Tätigkeit des von Lord Northcliffe geleiteten englischen Propaganda-Ministeriums, dem als französisches Seitenstück die Verleumdungskampagne von Andrs Tardieu in Amerika entspricht. Das alles wird noch deutlicher zutage treten, wenn einmal das Tatsachenmaterial vor uns liegen wird. Eines mag aber schon jetzt hervorgehoben werden, das ist die Vergiftung der Seele unserer Truppen im Heere wie in der Marine durch Flugblätter und Agenten, die nach dem Vorbild der russischen Bolschewisten ihnen vorspiegelten, daß die feind­ lichen Truppen nur ihres Beispiels harrten, um die Waffen nieder­ zulegen, die Fesseln der Disziplin abzustreifen und das Fest einer allgemeinen Verbrüderung zu feiern. Die Meuterei unserer Flotte ist zum großen Teil auf diese Teufeleten zurückzuführen. Es wäre noch viel zu sagen, aber diese Schlußbemerkungen sind nur bestimmt, darauf hinzuweisen, daß, wenn die Presse der Entente, wie wir gesehen haben, den Weltkrieg systematisch vor­ bereitet hat, sie mit den gleichen Mitteln der Unwahrheit und der Täuschung den Kampf während des Krieges fortsetzte. Daß dieser Trug von Erfolg sein konnte, das ist die tragische Schuld, die das deutsche Volk trifft.