Die Presse und die internationale Verständigung 9783486740653, 9783486740646


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Vorwort
DIE PRESSE UND DIE INTERNATIONALE VERSTÄNDIGUNG
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Die Presse und die internationale Verständigung
 9783486740653, 9783486740646

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ARTHUR BÖNINGER

DIE PRESSE UND DIE

INTERNATIONALE VERSTÄNDIGUNG

DRUCK VON R. OLDENBOURG • MÖNCHEN 1911

Vorwort. Auf den nachfolgenden Seiten h a b e ich v e r s u c h t , die Unzuträglichkeiten, U n v o l l k o m m e n h e i t e n und Schwierigkeiten, die dem Pressewesen a n h a f t e n , auf ihre G r ü n d e und tieferen Z u s a m m e n h ä n g e hin zu u n t e r s u c h e n und Mittel und Wege, die zur Abhilfe geeignet erscheinen, zu erörtern. Der a u f m e r k s a m e Leser wird hoffentlich a n e r k e n n e n , d a ß sich der Verfasser, der von der kulturellen B e d e u t u n g der Presse d u r c h a u s ü b e r z e u g t ist, von billigen Anklagen und oberflächlichen Anschuldigungen f e r n g e h a l t e n h a t . Die A u s f ü h r u n g e n w u r d e n niedergeschrieben bei Gelegenheit der letzten J a h r e s v e r s a m m l u n g des deutschenglischen Verständigungskomitees. Sie waren b e s t i m m t zur B e g r ü n d u n g eines Antrages, den der Verfasser damals erfolgreich einbrachte, d a h i n g e h e n d , m a n möge an der geeigneten Regierungsstelle vorschlagen, in eine spezielle P r ü f u n g und B e h a n d l u n g der Pressefrage einzutreten. Duisburg,

Januar

1911.

Arthur Böninger.

i*

Von allen Faktoren, die das Verhältnis der Völker untereinander bestimmen, hat die Presse zweifellos die größte Bedeutung. Und zwar wächst diese Bedeutung von J a h r zu J a h r , einmal, weil die Macht und der Einfluß der Presse überhaupt zunehmen, und sodann, weil die internationalen Beziehungen immer vielseitigere und engere werden. Aber trotz mancher Anzeichen, die darauf hindeuten, daß die Bedeutung der Presse allmählich richtiger eingeschätzt wird, leben wir in bezug auf diese äußerst wichtige Lebensfunktion der Völker, sogar in unseren hochentwickelten Kulturstaaten, bis zu einem gewissen Grade in Unkenntnis. Das Publikum steht unter dem Einfluß tausender, ihm selbst verschleierter und daher um so gefährlicherer Zufälligkeiten. — Millionen sonst urteilsfähiger Leute tappen gerade hier mit ihrem Urteil über wichtige Zusammenhänge häufig im Dunkeln, oder sie können in dem fortwährend wechselnden Riesendurcheinander vielfach nicht bestimmen, ob es hell oder dunkel ist oder wo die Beleuchtung herkommt. Wenn man die Presse in ihrer Gesamtheit nimmt, so stellt sie sich dar als ein wildes Chaos von allem Möglichen und Unmöglichen, Beschriebenem und Unbeschreiblichem. Die Weltpresse als Ganzes ist noch wild: es könnte einem bisweilen fast so vorkommen, als wenn die ursprüngliche Wildheit der Urvölker — sonst, sei es zum Schaden, sei es zum Nutzen des Individuums, so vielfach durch die nivellierende Kultur gebändigt und verdrängt — hier 2

wieder gewaltsam in anderer Form in Erscheinung trete und ihren Einfluß auf die Geschicke der Menschheit von neuem geltend machen wollte. Les extrêmes se touchent. Auf der einen Seite die großen Vorteile, welche uns die Presse vor Augen f ü h r t : das glänzend organisierte Nachrichtenwesen, weitreichende Belehrung über die ungeheuren Fortschritte auf dem Gebiete der Technik und Wissenschaft, Vermittlung von wertvollen Kenntnissen über die ganze Erde, Zusammenfassung wichtigster Interessen und Bestrebungen, materieller, politischer, ideeller Art, opferfreudiger Kampf für das als richtig Erkannte, Verteidigung von ungerecht Behandelten. So stellt sie sich dar als mächtiger Förderer der Kultur und des Fortschritts, als unerschöpfliche Quelle notwendiger und nützlicher Kenntnisse und Anregungen. Auf der anderen Seite die teils mit Absicht, teils aus eigener Täuschung hervorgerufene Irreleitung der Geister, die ins Publikum getragenen nicht wünschenswerten Suggestionen, die Erzeugung von Argwohn und Feindschaft zwischen Gruppen von Menschen, die berufen sind, an gemeinsamen Aufgaben oder in gemeinschaftlichem Wettbewerb, jeder f ü r seinen Teil, zu arbeiten, Verschärfung a n s t a t t Milderung in Wirklichkeit höchst überflüssiger Verbitterung, ja gelegentlich vollständige Verhetzung ganzer Nationen. Hier zeigt sich die Presse als etwas höchst Gefährliches, Beängstigendes, als ein Damoklesschwert, das über der ruhigen Entwicklung der Kulturnationen schwebt. Es kommt nun f ü r diese Betrachtungen in erster Linie auf die internationalen politischen Wirkungen der Presse an, und deshalb soll jetzt nicht auf das komplizierte Thema des Zusammenhangs von allgemeiner Kultur und innerer und äußerer Politik eingegangen werden; freilich wird bei einer späteren Behandlung des Problems: auf welche Weise ein Einfluß auf die Presse möglich ist, sich dieser Zusammenhang nur zu bald aufdrängen.

Wenn die Presse oder ein Teil derselben gelegentlich zu maßlos wird, nach Form oder Inhalt als anfechtbar erkannt oder wenn post festum es Tausenden klar wird, d a ß vieles falsch und schädlich war, was sie gelesen usw., dann spricht man von »Auswüchsen der Presse«, von »Hetzereien«, von »anständiger« und »nicht anständiger« Presse usw. Es ist sicherlich richtig und nötig, daß dieser Unterschied gemacht wird, und der mit Verantwortungs- und Pflichtgefühl begabte Teil der Presse wird das mit Recht verlangen — aber, vom praktischen Gesichtspunkt aus betrachtet, nützt es verhältnismäßig wenig; denn, wenn die Feststellung wirksam wird, liegt das Kind meistens tief unten im Brunnen; und auch in Fällen, wo keine Auswüchse und Hetzereien vorliegen, wurden häufig schlimme Folgen hervorgebracht. Diese Folgen müssen also doch wohl nicht nur auf die anfechtbaren, verhältnismäßig plumpen Methoden, anstößigen Manieren und Schimpfereien zurückzuführen sein, sondern vielfach mit dem innersten W e s e n d e r P r e s s e zusammenhängen. Ich sage z u s a m m e n h ä n g e n oder H a n d i n Hand gehen; ich sage nicht etwa d a r a u s u n b e d i n g t f o l g e r n , denn sonst m ü ß t e ja jede Hoffnung auf eine Vervollkommnung der Presseverhältnisse aufhören, und man könnte sich vorstellen, daß ein Zeitpunkt einträte, wo das Publikum oder, sagen wir richtiger, das V o l k zu der Erkenntnis käme, daß trotz der großen Leistungen, trotz der Notwendigkeit und der Vorteile bei der Presse die Nachteile und die Gefahren überwiegen und daß der Volkswille dann auf radikale Änderungen drängen würde. »Not t u t mehr als Weisheit!« (Voltaire.) Aber so hoffnungslos liegt die Sache nicht. Denkt man sich tiefer in die Materie hinein, so wird man auch ohne zu viel Optimismus zu der Ansicht kommen, daß trotz des Zusammenhanges zwischen dem Wesen der 2*

Presse und allerlei üblen Begleiterscheinungen es nicht ausgeschlossen ist, nach und nach bessere Zustände zu schaffen. Da man sich die Presse nicht gesondert von der allgemeinen kulturellen Entwicklung vorstellen kann, da die erstere vielmehr einen Teil der letzteren bildet und zwischen Presse und Kultur eine wechselseitige Wirkung besteht, so ergibt sich von selbst, daß ein Idealzustand auch nur dann eintreten kann, wenn unsere menschliche Kultur jenen Idealzustand erreicht haben wird. Dies wird ja nun noch einige J a h r e dauern! Mit anderen Worten: Wenn jemand glauben sollte, es könne gelingen, an Stelle der jetzigen Presse mit allen ihren Vorzügen und allen ihren Übelständen eine Presse hervorzuzaubern, bei der n u r Gutes vorhanden und alles Schlechte verschwunden sei, so wäre das ein Traum. Wer sagen würde, daß er Bestrebungen und Versuche zur Erreichung jenes Zustandes oder auch nur von etwas Ähnlichem betriebe, würde sich mit Recht dem Vorwurf utopischer Ideen aussetzen. Und es sollte jeder, welcher irgend etwas erreichen will, vorsichtig sein, nicht den Eindruck des Utopischen hervorzubringen. Wenn Bestrebungen als utopisch von anderen empfunden werden, so ist es schwer, den nötigen Rückhalt zu finden. Man darf überzeugt sein, daß es keine Utopie ist, sondern diesseits der Möglichkeitsgrenze liegt, in absehbarer Zeit eine wesentliche Besserung der Presseverhältnisse zu erzielen. Zwar wird dieses von Vielen Leuten — deren Zahl sich indes im Laufe der J a h r e beträchtlich vermindert hat — nicht geglaubt und sogar f ü r Unsinn gehalten. Kurz abschweifend hier einige mehr allgemeine Bemerkungen: So vorsichtig man auch den Anschein der Utopie vermeiden muß, so wenig sollte man sich doch, auf dem Wege des als richtig Erkannten fortzuschreiten,

dadurch abschrecken lassen, daß einem von allen Ecken »Sie Phantast« oder »Sie Utopist« entgegenschallt! Was heute Wirklichkeit ist, bestand zuerst großenteils nur in der Vorstellung einzelner. Es werden derartige Vorwürfe — oder sagen wir Kritiken — in einwandfreier und nicht einwandfreier Form gerade bei Bestrebungen dieser Art manchen entgegengehalten, welche sich ehrlich und einsichtsvoll bemühen mitzuhelfen. Es ist gut, mit einer gewissen Skepsis an Dinge heranzugehen; aber gegenüber zu stark vorgefaßten Meinungen ist es allerdings schwer, wenn nicht unmöglich, einen gemeinsamen Boden zu erfolgreicher Arbeit zu finden. J e n e den Fortschritt erschwerenden Elemente sollten lieber, sofern sie überhaupt den Willen zur Mitarbeit haben, ihr Urteil durch Befassen mit der Materie zu vertiefen suchen. Ich meine, daß diejenigen, welche manchen, der sich ähnlichen Bestrebungen widmet, leichthin »Utopist« oder »Phantast« nennen oder wegwerfend sagen: »Ach, was Sie da machen, ist ja doch alles Unsinn«, daß d i e s e Leute in Wirklichkeit s e l b s t die Utopisten oder Phantasten sind. Denn s i e d e n k e n n u r an praktisch nicht Erreichbares, an Phantastisches und verstehen nicht, daß die anderen mit einem allerdings in der Ferne liegenden Ziel nur Schritt f ü r Schritt weiterzukommen und jede Möglichkeit auszunützen versuchen. So z. B. kann die Erreichung eines idealen Freundschaftszustandes zwischen Völkern auch nur eines Erdteils bis auf weiteres doch nur ein phantastischer Gedanke sein, und zwar schon aus dem Grund, weil d i e s e m Ideal das auf starkem und teilweise berechtigtem Gefühl beruhende, letzthin offenbar steigende a n d e r e Ideal des Nationalismus (im besseren Sinne gebraucht), des Nationalgefühls, entgegensteht. Nur unter einer Voraussetzung wäre eine Vereinigung dieser Ideale möglich, daß nämlich Menschen kein Unrecht mehr täten (wenn sie anders die Macht dazu haben) und daß überhaupt



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immer nur e i n e Ansicht darüber bestände, w a s recht ist; denn das nationalistische Prinzip, dem nach Möglichkeit Macht verliehen wird — »right or wrong my country« — : beruht auf dem Ideal des Nationalgefühls, es steht aber im Widerspruch mit dem Ideal der vollkommenen Gerechtigkeit und daher Freundschaft unter den Nationen, so daß sich hier zwei Ideale bekämpfen. Aus diesem Grunde nun aber zu sagen: Da die Erreichung eines so schönen Zieles, wie garantierte Freundschaft, also undenkbar ist, deshalb ist es auch zweckloser Unsinn, sich Bestrebungen nach dieser Richtung hinzugeben; das ist der Fehler, welcher von vielen gemacht wird. Hierin ist auch ein Teil des Grundes f ü r den Mangel an Verständnis zu suchen, welcher in diesen Dingen noch vielfach herrscht. Um nun wieder auf die Presse im speziellen zurückzukommen, so sollte man also wohl berechtigt sein, eine Gesundung und Vervollkommnung der Natur der Presse und eine Besserung — vielleicht ist dieses etwas pädagogisch klingende Wort erlaubt — für nicht utopisch, sondern p r a k t i s c h m ö g l i c h zu halten. Dabei möchte ich auf die vorhin gemachte Unterscheidung der zwei Arten von Übelständen zurückgreifen. Den anfechtbaren, mehräußerenMethoden, Auswüchsen usw., welche eben nicht als unbedingt zum Wesen der Presse gehörig zu betrachten sind, stehen gegenüber solche, wobei das W e s e n , die N a t u r der modernen Presse zweifellos mitspricht. Wenn auch natürlich die Verhältnisse viel zu kompliziert liegen, als daß diese schematische Unterscheidung genau richtig oder durchführbar wäre, so dürfte es doch zweckmäßig sein, an diesem Gedankengang zunächst einmal festzuhalten. Denn es ist wohl von vornherein einleuchtend, daß die Lösung des Problems bezüglich des zweiten Teils die erheblich größeren Schwierigkeiten bietet.



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Anderseits erscheinen die Schwierigkeiten, die der erste Teil (Bekämpfung der Ungehörigkeiten, Taktlosigkeiten usw.) in sich birgt, wenn man sie genauer zu untersuchen beginnt, als eine verhältnismäßig leichte Sache. Das ist in gewisser Beziehung ein Lichtblick. Aber es ist besser, sich keinen Illusionen hinzugeben; eben nur r e l a t i v kann von leicht die Rede sein, im übrigen gibt es auch bei d e r Nuß noch genug zu knacken. Gleich hierbei sollte indes betont werden, daß die Bearbeitung dieses Teils (1) der Frage allein schon von enormer Bedeutung wäre. Überhaupt denkt man bei Beurteilung der Presseverhältnisse im allgemeinen immer nur an diese eine Seite der Frage. Mit anderen Worten: Wenn sich Stimmen und Mahnungen gegen die Schädlichkeiten der Presse erheben, so wird hauptsächlich angenommen, daß sie zurückzuführen seien auf unverzeihliche Unkenntnis, Unfähigkeit, Verlogenheit, Böswilligkeit, schlechte Informationen, schlechten Ton u. dgl.; es wird aber nicht daran gedacht, daß in v i e l e n Fällen dieses alles nicht vorzuliegen b r a u c h t , daß vielmehr Unkenntnis und Mißverständnisse bei der jetzigen Natur der Presse geradezu selbstverständlich und unausbleiblich sind, daß viele Preßorgane gar nicht, wenigstens nicht zeitig, in der Lage sind, dies und jenes richtig zu kennen und zu beurteilen, aber doch gezwungen sind, sich zu äußern und die Sache zu »bringen« — oder daß z. B. ein Zeitungsschreiber oder ein Korrespondent (»Gewährsmann«) oder ein Nachrichtenbeeinflusser (Hintermann) die Richtigkeit oder die Halbrichtigkeit eines Gerüchtes im Interesse dessen, was ihm am Herzen liegt, glaubt riskieren zu müssen. Auch die aus Solidarität ganzer Gruppen von Interessen vielfach hervorgehenden unerfreulichen Polemiken sind eben nicht ohne weiteres zu vermeiden, denn sie liegen in der Natur der Sache.



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Es kann auch sein, daß eine bestinformierte Zeitung, welche ganz bona fide Ober eine Angelegenheit schreibt, die ihr Land betrifft, sich durchaus keiner Unrichtigkeit bewußt ist, sondern sich nur verpflichtet fühlt, bis zum äußersten ihrem Standpunkt Ausdruck zu geben, und d a ß dies nach dem innersten Gefühl einer anderen Nation von dieser als grobes Unrecht und Feindseligkeit empfunden wird. Nicht nur »right or wrong my country« kommt hier in Frage, sondern die Beurteilung darüber, ob recht und richtig, wird durch die Zugehörigkeit zu einer Nationalität a priori derartig beeinflußt, daß jeder positiv und fest davon überzeugt ist, seine Seite sei im Recht. Dem Staatsmanne ist dieser Umstand genügend b e k a n n t , und er benutzt gerade d i e s in seinem Sinne — ein wichtiger Punkt, auf den später zurückzukommen sein wird. Es ist kaum nötig, weitere Beispiele von dem, was die Wirklichkeit, die Natur der Presse fortwährend und immer wieder mit sich bringt, anzuführen, um zu zeigen, welchen Mannigfaltigkeiten und welchem Heer von Schwierigkeiten man hier (bei Fall 2) gegenübersteht. Diese Verhältnisse erschöpfend oder überhaupt gründlich, ich möchte sagen, wissenschaftlich zu behandeln, ist hier nicht der Platz; das ist überhaupt nicht von heute auf morgen möglich; dennoch ist nötig, daß über die Angelegenheit gedacht und diskutiert wird, wenn es gelingen soll, eine Änderung in diesen enorm schwierigen Verhältnissen herbeizuführen. Es gehört diese Vorarbeit, diese Aufklärungsarbeit vor das richtige Forum. Wenn man diesen Schwierigkeiten zu Leibe gehen will, so wird es, mit einem Wort, von elementarer Wichtigkeit sein, sich eingehend an kompetenten Stellen mit der Presse zu befassen; zu berücksichtigen, wie diese geartet ist, wie sie historisch entstanden, seit der kleinen »Gazzetta« in Venedig oder den römischen Nachrichtentafeln oder gar noch früheren

— 13 — primitiveren Bekanntmachungen bis zu unserer heutigen Weltpresse. Klarheit über alles dieses zu gewinnen bzw. an den richtigen Stellen zu vermitteln, ist logischerweise Grundbedingung dafür, einen Einfluß zu gewinnen. Das Gegenteil wäre ungefähr so viel, als wenn ein Arzt einen Patienten behandeln wollte, ohne vorher eine Diagnose gestellt zu haben. Wenn man einem Menschen einen Rat geben, ihm in schwieriger Lage helfen, ihn erziehen und bessern will, so muß man herausfinden und berücksichtigen, in welcher Lage er sich befindet, welchen Bildungsgang er durchgemacht hat, wie sein Charakter geartet und welchen Einflüssen er ausgesetzt ist. In ähnlicher Weise ist auch bei der Presse zu bedenken, daß ein richtiges Verstehen erstes Erfordernis ist. Vielfach muß ja Theoretisches dem Praktischen vorausgehen, die Erkenntnis dem Handeln. Zunächst wird es der Einsicht einzelner, der Einsicht von Gelehrten und Experten bedürfen. Weitere Kreise, politisch tätige Leute, werden auch an die Arbeit gehen müssen. Das g r o ß e P u b l i k u m , auch das intelligentere, ist aus sich selbst heraus zurzeit kaum in der Lage, sich einen Begriff, eine Vorstellung davon zu machen, was die Presse eigentlich ist. Daß dies nicht so einfach ist, zeigt sich schon in der Schwierigkeit einer präzisen Erklärung des Begriffes. Bei näherer Betrachtung ergibt sich, daß eine eigentliche Definition der »Presse«, kurz gefaßt, tatsächlich kaum möglich ist. Ein englisches Kinderrätsel lautet: »Was ist das?« »Black and white and red all over« (wobei der Witz im Gleichklang von read and red liegt). Die Antwort ist: »newspaper«. Anders herum gefragt: »Was ist Zeitung?« würde die Antwort »schwarz, weiß, rot« nicht ganz stimmen. Es k o m m t nun auch weniger darauf an, sich an eine Definition zu klammern, als vielmehr darauf, daß man sich 3



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klar wird über das, was bei den gesamten Verhältnissen charakteristisch und typisch ist Manchem legte ich schon die Frage vor: »Worin besteht das Wesen der Presse?« »Was ist die Presse?« Jemand antwortete: »Die Presse sind die Zeitungen«. Die Erklärung genügt nicht, weil viel zu äußerlich; Zeitungen sind allerdings Preßorgane, aber sie decken sich natürlich keineswegs mit »Presse«. Ein anderer sagte: »Die Presse ist der Teil der Literatur, der sich mit den Tagesereignissen befaßt«. Auch das trifft nicht zu. Es wäre überhaupt zur Diskussion zu stellen, ob die ganze Presse zur Literatur gehört. Die Presse entspricht nicht dem, was man sich gemeiniglich unter Literatur vorstellt. Zwar erscheint ein Teil der Literatur i n bzw. d u r c h die Presse, und es sind manche Literaten in der Presse tätig und maßgebend, aber es handelt sich bei der Presse um alle möglichen anderen Gebiete, so z. B. um den wichtigen, teils telegraphisch, teils durch Agenturen übermittelten Teil, der im wesentlichen mit Literatur nichts zu tun hat. Auch dürfte bei einer Erklärung der sehr innige Zusammenhang mit geschäftlichen Interessen, mit Verleger- (Unternehmer-) Gewinn usw. nicht übergangen werden, wofür wieder das Anzeigenwesen so bedeutungsvoll ist. Dieses und der Nachrichtendienst gehen gelegentlich auch ineinander über, insofern als eine gewisse Art polemischer Mitteilungen durch Anzeigenreklame ausposaunt wird. Illustrationen zu diesen Verhältnissen könnten zahlreich beigebracht werden. Ganz besonders wichtige Beziehungen liegen vor zwischen Presse und Börse. Das ist für sich allein ein so großes Gebiet, daß hier nur daraufhingewiesen werden kann. Die Wichtigkeit ergibt sich ja schon aus dem Zusammenhang einerseits zwischen Börse und Politik 1 ) und deren wechsell

) Man spricht ja auch von der Börse als von der »politischen Wetterwarte«.



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seitiger Beeinflussung, anderseits zwischen Börse und Welthandel und Hochfinanz. Bei Überlegung dieser Verhältnisse wird man natürlich sogleich auf die Wichtigkeit des J u d e n t u m s f ü r die Presse hingeleitet. Selbstverständlich kann auch darüber hier nicht auf nähere Betrachtungen oder irgendwelche Kritiken eingegangen werden. Man macht sich übrigens auch hierin wohl vielfach die Kritik zu leicht, nimmt manches als feststehend an und urteilt zu schroff, während noch wenig Klarheit herrscht und die Verhältnisse in Wirklichkeit außerordentlich kompliziert liegen. Es sollen hier keine Wortspiele gemacht werden, sonst läge es nahe zu sagen: Könnte man nur schon mal a n s t a t t des Wesens der Presse das Unwesen erfassen, so brauchte man überhaupt weniger Wesens davon zu machen; doch da liegt eben der Hase im Pfeffer. Wenn nun hier auf die (selbstverständliche) Notwendigkeit eines gründlichen Studiums dieser Dinge hingedeutet und der Unterschied gemacht wurde zwischen den Schwierigkeiten, die gewissermaßen klar zutage liegen und daher v e r h ä l t n i s m ä ß i g leicht bekämpft werden können, und den schwerer faßbaren, mehr unterirdischen Wirkungen, so sollte ein solches Studium und die Vorarbeiten dazu doch keineswegs einer möglichst baldigen praktischen Inangriffnahme von Versuchen zu ihrer Bekämpfung im Wege stehen. Im Gegenteil, es müßte alles getan werden, was möglich ist, nur muß es mit richtiger Überlegung, unter Berücksichtigung der psychologischen Gesichtspunkte und der tatsächlichen Zusammenhänge geschehen. Es kann hier nur heißen, »das eine tun und das andere nicht lassen«. — In zunehmendem Maße hat sich mit der steigenden Bedeutung der Presse die Abwehr und Bekämpfung von Mißständen als bedeutungsvolles Problem ergeben, und die Zahl derer hat sich vermehrt, welche die Zeichen der Zeit verstehen. 3*



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Es sind deshalb auch manche Versuche in der Absicht, zu bessern, mit verschiedenen Mitteln gemacht worden. Opfer aller Art sind nicht gescheut worden, denen moralisches Verdienst und Wert nicht abzusprechen ist; aber es kann wohl anderseits nicht geleugnet werden, daß ein unverhältnismäßiger Teil des Aufwandes umsonst w a r ; daß viel Zeit, Energie und Kosten vergeblich verbraucht, viel Pulver unnütz verpufft ist. Dabei ist zu bedenken, daß Mißerfolge späteren Erfolg erschweren, weil sie Mitarbeiter abschrecken und entmutigen. Auch nur annähernd zu besprechen, was in jüngster Zeit und früher in Wort und T a t geschehen ist, würde ein Buch füllen. Es wäre an manche wohlmeinende, kluge und treffende Äußerungen bei verschiedensten Gelegenheiten zu erinnern, ausgehend von hervorragenden Männern, auf deren Unterstützung wohl zu rechnen und auch viel zu geben sein dürfte, so an die interessanten Ausführungen des amerikanischen Botschafters Hill — kurz nach seinem Erscheinen in Berlin, an die treffenden Mahnworte des verantwortlichen Leiters der englischen äußern Politik, Sir Edward Greys, die er an den letzten Pressekongreß in London richtete und an viele andere. Sicherlich hat der Kaiser die Übelstände empfunden, wenn er, wie berichtet wurde, seinerzeit einmal von »Preßbengeln« sprach. Zweifellos hat er nicht damit sagen wollen, daß diese »Bengels« — und wo gäbe es keine »Bengels« — unbedingt zur Natur der Presse gehörten. Solche Worte richten sich eben gegen die schlechten Manieren, Hetzereien, Taktlosigkeiten u. dgl. und befassen sich mit dem erzieherischen Teil der Arbeit. Dankbar zu begrüßen sind auch die Worte und Kundgebungen seitens der Herren Präsidenten und führender Persönlichkeiten der Freundschaftskomitees in Deutschland und England bei kürzlichen und früheren Anlässen. Gern wird man Worte, wie die des Herrn Professor Sieper,



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in seiner Ansprache an die englischen Munizipalvertreter in München und des Freiherrn von W ü r t z b u r g an die englischen Journalisten unterschreiben. Aufklärend, überbrückend, versöhnend wirkten auch die Berufsbesuche von Land zu Land. Trotz entgegenstehender Ansicht derer, die eben z u v i e l verlangen, sind solche mit manchen Opfern herbeigeführte Veranstaltungen wertvoll. Durch persönliche Begegnungen werden natürlich Differenzen nicht ohne weiteres beseitigt, aber es stellt sich leichter heraus, ob denn tatsächlich so weitgehende Differenzen vorliegen. Das weiß jeder K a u f m a n n ! Natürlich kann auch hier durch Mangel an T a k t oder wenn egoistische Motive zugrunde liegen, mehr geschadet als genützt werden. Es sei auch des Versuchs »Potentia« erwähnt. Man darf sich kaum wundern, daß Unternehmungen dieser und ähnlicher Art, die als praktischer Anfang zu groß gedacht waren, der erhoffte Erfolg nicht beschieden war. Die Skepsis gegen diese ideal gedachten, enorm kostspieligen Experimente erwies sich auch bald als richtig. Auch Ansätze der Art, wie sie innerhalb unserer Vereinigung selbst bzw. seitens einzelner Teilnehmer derselben und auch wohl außerhalb gemacht wurden, wirken sicherlich aufklärend und können einen recht günstigen Einfluß ausüben. Es gehören dahin belehrende Vorträge und Schriften, ferner Einrichtungen zur Beobachtung der Presse in Verbindung mit Richtigstellungen, Herausgabe und Anbringung von Korrespondenzen, und zwar event. in mehreren Ländern. Auch dürften, i n p r a k t i s c h e r F o r m a u s g e f ü h r t , die zweisprachigen Zeitungen zu begrüßen sein. Diese Dinge sind (wie ja auch die verschiedenen Austauschbesuche) deshalb nützlich, weil eine Hauptschwierigkeit darin besteht, daß das Publikum eines Landes sowohl über Tatsächliches als über Stimmungen im anderen Lande nicht orientiert ist. Wie viele Engländer erfahren denn, wie in Wirklichkeit in



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Deutschland argumentiert w i r d ? welche Gefühle eigentlich im deutschen Volke vorhanden s i n d ? — ebenso umgekehrt! Gegenseitige Sprachkenntnis ist ein immerhin wichtiger Faktor, welcher zur gerechten Beurteilung beiträgt. W a s eröffnet sich hier f ü r ein Hinterland der Presseeinflüsse, und welche Stimmungswirkungen h a t die Tatsache, d a ß Deutsche durchweg mehr Englisch verstehen als Engländer D e u t s c h ? Man sieht hier wieder den Zusammenhang zwischen Presse und allgemeiner Kultur. Alles das und manches andere ist, wie gesagt, nicht zu unterschätzen; es zu unterlassen, w e i l e s n i c h t g e n ü g t , wäre so viel, wie wenn ein Rettungsboot sich weigerte, ins stürmische Meer hinauszufahren, weil es keine Aussicht hat, a 11 e in Gefahr Befindlichen zu retten, während es doch schon ein Glück wäre, wenn die R e t t u n g auch n u r von 10 a n s t a t t 100 gelänge. In speziell politischen Kreisen empfindet man — es ist kein Wunder — mehr und mehr die Notwendigkeit, gewisse Presseeinflüsse zu bekämpfen, die sich an vielen Stellen übermächtig gegen deutsche Interessen geltend machen. Hier wäre hinzuweisen auf die Äußerungen des Abgeordneten Bassermann im Reichstage, worin er den Wunsch nach Errichtung von Preßagenturen seitens der Regierung ausdrückt, oder auf eine ähnliche Anregung seitens des Legationsrates a. D. Hermann vom R a t h . Wenn auch solche Pläne wohl nicht von der Hand zu weisen sind und vielleicht einmal zur Ausführung gelangen könnten, so m ü ß t e doch eingehend geprüft werden, ob auf diesem Wege allein zum Ziel zu gelangen ist. Es ist sehr zu überlegen, ob die Regierung einer Großmacht — zunächst e i n e r — in d i e s e r d i r e k t e n W e i s e sich an der Modellierung der öffentlichen Meinung beteiligen sollte, und auf die Dauer wirksam beteiligen k a n n ! Jedenfalls müßten bei derartigen Preßagenturen in irgendeiner Weise Kautelen gegen gewisse Möglichkeiten ge-



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schaffen werden, und diese Kautelen könnten vielleicht die Regierungen selbst in peinliche Lage bringen und gelegentlich Störungen usw. verursachen. (Eine immerhin verwandte Idee sind die mancherorts in K r a f t befindlichen Zeitungssubventionen.) Zu den Vorschlägen bzw. Mitteln, welche bessernd wirken sollen, gehört auch die gelegentlich schon übliche Art, daß der Verfasser eines Artikels diesen mit seinem Namen zeichnet, so daß also die Anonymität der Presse abgeschwächt wird. Die Anonymität bietet gewiß unter Umständen Gefahren, da sie das Verantwortlichkeitsgefühl einschränkt. Bei näherer Betrachtung hat aber auch diese Sache ihre zwei Seiten. Bei v o r h a n d e n e m Verantwortlichkeitsgefühl hat die Anonymität auch Vorteile. Es kommt bei der Namenszeichnung doch sehr auf den Namen und die Autorität desselben an. Ungünstige Wirkungen, z. B. durch Eitelkeit gewisser Schreiber hervorgebracht, entstehen wieder mehr bei der nicht anonymen Art. Diese Dinge sollen hier nur kurz berührt werden, ebenso wie z. B. der Gedanke, daß eine parteilose Presse das Wünschenswerte sei. Ob selbst bei rein innerpolitischen Verhältnissen eine wirklich parteilose Presse tatsächlich denkbar ist, bleibe dahingestellt. Sie ist aber schon als Begriff eigentlich i n t e r n a t i o n a l unmöglich. Daß anderseits mit Gewaltmaßregeln nichts auszurichten ist, leuchtet ein. Man soll vorsichtig sein, auf geistigem Gebiet das freie Kräftespiel und das Recht der anständigen Kritik zu unterbinden. Nur keine Herabdrückung, sondern Hebung der Presse. Man treibt sonst nur, wie sich eine englische Zeitung ausdrückte, die Gefahren unter die Erde! Methoden, die allenfalls im Kriege anwendbar, vielleicht teilweise und zeitweise wirksam sein mögen, sind im Frieden für unsere kulturell hochentwickelten Verhältnisse unwirksam und unausführbar. Verwerflich ist fernerhin alles, was nach Zensur aussieht, wie überhaupt alle Maßregeln, die sich gegen die



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Preßfreiheit richten; auch die russische Zensur und sonstige in Rußland noch mögliche Methoden dürften wohl ganz andere Wirkungen haben, als geglaubt wird. Alles Derartige würde als reaktionär empfunden werden, daher wieder um so stärkere Reaktion nach der entgegengesetzten Seite hervorrufen, weil die Kräfte, die allem im üblichen Sinne Reaktionären entgegenstehen, in der ganzen Kulturwelt sicherlich mehr und mehr überwiegen. Würde wirklich z. B . Deutschland oder Preußen gesetzliche Maßnahmen gegen die Preßfreiheit vornehmen — woran übrigens wohl nicht zu denken! — sie würden nicht einmal innerpolitisch den gehofften Erfolg haben, wieviel weniger international, schon weil gar nicht daran zu denken ist, daß England, Frankreich ähnliche Maßnahmen auch nur versuchen könnten. An derartiges zu glauben, wäre ein Phantom. Gegen geistige Einflüsse und Zustände kann nur mit geistigen Waffen gekämpft werden. Reglementierung geistiger Strömungen hat meistens den entgegengesetzten Erfolg, als beabsichtigt. Mit Konfiszierung, Unterdrückung von Schriften ist h e u t z u t a g e nichts mehr auszurichten. Gerade jetzt, wo an der Strafprozeßreform gearbeitet wird, sollten Erwägungen dieser Art nicht außer acht gelassen werden. Wie könnte man es auch für möglich halten, etwas von solch Riesendimensionen wie die Presse, wo natürlich alle menschlichen Eigenschaften, auch Schwächen und Fehler (Eitelkeit, Ruhmsucht, Rachsucht, Haß, Gewinnsucht, Hinterlist, Raffiniertheit und . . . Dummheit), in jedem Grade mitspielen — durch Bestimmungen und Gesetze ohne weiteres zu bekämpfen! Wer dieses Gebiet betreten will, darf nicht befangen oder durch Weltfremdheit eingeengt sein 1 ). ) Wenig angebracht erscheint die aus bestimmten Gründen vorgebrachte Idee eines Zolles auf ausländische Zeitungen. l



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Eine besondere Betrachtung gerade in diesem Zusammenhange verdienen die Witzblätter. Es ist keine Frage, daß in bezug auf Geschmacksbildung gerade bei diesem Teil der Literatur wie überhaupt bei dem Illustrationswesen manches geschehen sollte, aber man soll doch nicht vergessen, daß hier mit besonderem Maße gemessen werden muß. Dem Sarkasmus kann eigentlich nur mit gleicher Waffe zu Leibe gegangen werden; derselbe h a t auch seine innere Berechtigung, weil er in dem natürlichen Wunsch eines großen Teils der Menschheit, wenn auch verborgen, liegt. Wenn der Sarkasmus auch wohl gelegentlich über die Stränge schlägt, so ist seine erlösende, befreiende K r a f t , so ist der Humor bis zur Groteske, doch auch ein Glück f ü r die Menschheit 1 ). — Über diese Dinge ist schon so manches Treffende geschrieben worden, daß es hier nur darauf a n k o m m t , auf den Punkt hinzuweisen. Bei späterer Behandlung wird es aber sicherlich nötig sein, mit einer gewissen Philosophie an denselben heranzugehen und zu bedenken, ob nicht auch bei dem Wunsch nach Dezenz übers Ziel hinausgeschossen werden kann. Die letzte Wirkung ist dann in vielen Fällen eine entgegengesetzte. Die Naturen sind verschieden, und der Natürlichkeit muß Rechnung getragen werden. Kurz erwähnt sei hier eine spezielle Anregung, womit ein alter Herr, welcher viele J a h r e in diplomatischen Diensten war, glaubte, vielleicht zu einigen Reformen gelangen zu können. Mit diesem Herrn hatte ich mich häufig über derartige Themata unterhalten, als er eines Tages sagte: »Die natürlichste Stelle, von welcher aus in maßgebender, unparteiischer und loyaler Weise wirklich Einfluß auf die Presse ausgeübt werden k a n n , . ist der Haag. Hier ist ein Zusammengehen der Regierungen Manche Geschmacksverirrung wird übrigens deshalb vom Publikum hingenommen, weil dieses in der betreffenden Veröffentlichung (um einen Ausdruck Kants zu gebrauchen) ein »Heil durch die Öffentlichkeit« erblickt.



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bereits vorhanden, und einem unter dieser Stelle eventuell neu zu errichtenden Preßbureau o. dgl. würde die Autorität nicht versagt werden können.« Diese Idee hat etwas außerordentlich Bestechendes, und es ist nicht zu bezweifeln, daß ein großer Teil der Arbeit dort auf diese Weise geleistet werden kann (zum T e i l ist es ja wohl schon der Fall), aber ganze Arbeit kann dort kaum vollbracht werden. Bei den heutigen Verhältnissen wenigstens würde diese Stelle überall da versagen, wo die Leiter der Politik sich wegen der Notwendigkeit des Augenblicks genötigt sehen, offen oder versteckt sich g e r a d e d e r M e t h o d e n der Publizität zu bedienen, welche auf die Dauer zu bekämpfen eben das Ziel sein muß. Dieser Vorschlag würde sich auch hauptsächlich nur auf direkte Beeinflussung und Aufklärung der öffentlichen Meinung, auf Erleichterung zeitiger maßgeblicher Berichtigungen und Dementierungen erstrecken können, sowie auf alles, was d i r e k t mit dem täglichen Nachrichtendienst zu tun hat, kaum aber auf die weitgehenden, wichtigen indirekten Wirkungen, Stimmungseinflüsse aller Art usw. Es muß also wohl jeder, wenn er die jetzigen Zustände und alle die auf aktueller Notwendigkeit beruhenden Versuche einer Besserung überblickt, unbedingt zu der Überzeugung kommen, es ist ein arges Tappen im Dunkeln; es fehlt an Klarheit, an Klarstellung und an zielbewußter Arbeit, an einer Strategie. D a s G a n z e m u ß a l s P r o b l e m e r s t g e n a u e r g e f a ß t w e r d e n ! Der Feind muß erst genauer gefunden und erkannt werden (wobei ich mit Feind natürlich nicht die Presse meine, sondern das zu Bekämpfende, welches sich aus Abstraktem und Konkretem z u s a m m e n s e t z t ) . Auf die Dauer kann etwas Ernstliches nur erreicht werden, wenn das Problem in umfassenderer Weise als ein internationales angefaßt wird. Erfolg ist nur zu erwarten, wenn das Verständnis für die Notwendigkeit von

— 23 — Ä n d e r u n g e n Allgemeingut der intellektuellen Kreise der verschiedenen L ä n d e r wird. Diese G e s i c h t s p u n k t e sollten niemand veranlassen, sich aus n a t i o n a l e m Interesse etwa abschrecken zu lassen, n a t i o n a l u n d international sind eben keineswegs i m m e r Gegensätze, es ist z. B. auch grundfalsch, gegensätzlich von n a t i o n a l e m und internationalem Handel zu sprechen in der Weise, wie es häufig geschieht. Das ist eine ganz schiefe A r t der Gegenüberstellung. Jedenfalls e n t s t e h t beispielsweise beim Handelsaustausch gerade durch den i n t e r n a t i o n a l e n Teil — als E x p o r t — der n a t i o n a l e Gewinn. Aber dieser P u n k t , der freilich in enger Beziehung zum T h e m a steht, soll hier n u r e r w ä h n t werden. Internationale Gesichtspunkte gaben ja auch zur G r ü n d u n g der P o t e n t i a die Veranlassung. Alle diese Möglichkeiten n u n , diese Bedenken und Selbstverständlichkeiten müssen sich zu der Überzeugung verdichten, d a ß es irgendwo zu einem wirklichen A n f a n g möglichst bald k o m m e n m u ß . Die Pressefrage ist in der Zeit und f ü r die Zeit, in der w i r leben, wie f ü r s p ä t e r e Zeiten zu einer solchen W i c h tigkeit f ü r die W o h l f a h r t der Völker geworden und birgt, wenn dies nicht bald in v o l l e r e m U m f a n g e noch zeitig e r k a n n t wird, solche G e f a h r e n in sich, d a ß die g e e i g n e t e n I n s t a n z e n im n a t i o n a 1 e n Int e r e s s e w i e in d e m d e r internationalen B e z i e h u n g e n sich h i e r m i t als mit einer dasLeben derNation berührenden Frage anders als bisher werden befassen müssen. Wohl sind die m a n n i g f a c h s t e n Beziehungen zwischen Regierungsstellen und Presse v o r h a n d e n . Bald u n t e r s t ü t z t m a n sich, bald arbeitet man gegeneinander. Wohl sind sich die Leiter der Regierungsorgane, jedenfalls viele, individuell der Wichtigkeit dieser Dinge vollauf b e w u ß t

— 24 — und vielleicht verhältnismäßig gut informiert über die einschlägigen Verhältnisse. Aber prinzipiell, dauernd, ist diese so wichtige Materie noch außerhalb des Arbeitsfeldes der Regierungen, und seitens dieser ist das Problem eigentlich noch gar nicht gestellt. Vielleicht wird es einmal dahin kommen, daß den Regierungen die Behandlung dieser Frage als selbstverständliche Pflicht erscheint 1 ). Als S c h r i t t in der Richtung des Staatseinflusses sind immerhin die aus dem Gefühl der Notwendigkeit geschaffenen Lehrstühle für Journalistik anzusehen. Man hat empfunden, daß in das wilde Chaos der Presse Formen gebracht werden müssen. Hier kann auch eine gute Bearbeitung des Bodens erfolgen, aber es ist kein genügend direkter Weg zum Ziel, zumal im Hinblick auf die internationale Seite der Sache und der sich daraus ergebenden Gesichtspunkte. Indes sind hier gewissermaßen Laboratorien, wo in ruhiger, von Tageslärm ungestörter Arbeit wichtige Vorarbeiten stattfinden, wo Material gesammelt, Verständnis verbreitet werden könnte. Wenn man sich dies in erweiterter Form und in verschiedenen Ländern ausgebildet denkt, so würde es zweifellos großen kulturellen Wert haben. Die Regierungen würden — solange sie nicht direkt zum Gegenteil gezwungen sind — gut tun, und dies wird geradezu Bedingung für den Erfolg sein, daß sie sorgfältig alles vermeiden, was nach einer reglementierenden Art der Behandlung aussieht. Eine Solche würde schon ein psychologischer Fehler sein, denn es triebe naturgemäß von vornherein einen großen Teil der Presse in eine gewisse Opposition. Man würde, und zwar wohl nicht mit Unrecht, für die Unabhängigkeit und Freiheit der Presse *) Das steht nicht etwa in Widerspruch mit den Bedenken gegen Reglementierung, Maßregeln gegen Preßfreiheit oder zu errichtende Preßagenturen (bei welchen es ja Übrigens sehr darauf ankommt, wie eine solche Idee ausgeführt wird).



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fürchten. Eine Besserung ist eben n u r m i t H i l f e der Presse selbst möglich. Immer mächtiger müssen die Einflüsse innerhalb der Presse selbst in allen Ländern werden, welche an Reformen und Fortschritt mitarbeiten und die Einsicht von der Wichtigkeit derselben verbreiten helfen. Es darf kein Gegeneinanderarbeiten der Regierung und eines großen, vielleicht überwiegenden Teils der Presse herauskommen, sondern nur ein Gegeneinanderarbeiten aller guten, ruhigen, noblen Einflüsse, ob innerhalb oder außerhalb der Presse, gegen schädliche Einflüsse. Die Regierung muß bei Behandlung dieser Dinge ganz besonders über den Parteien und über allen Richtungen stehen. Das muß und kann sie bei diesem als Kulturfrage aufzufassenden Problem auch in Staaten, wo die Regierung aus den Parteien hervorgeht: »Take up the position of royalty« würde es für die Zentralstelle heißen, welche sich dieser Frage widmet. Eine andere Stelle als die oberste Staatsstelle bzw. die unter dieser arbeitende Regierung, die solche Garantien bieten und vollste Objektivität und Freiheit von persönlichen Motiven und Eitelkeit gewährleisten kann, ist schwer zu entdecken — sei es in der Monarchie, sei es in der Republik. A n und für sich liegt es nahe, daß gewisse bereits bestehende Organisationen (Gesellschaften, Verbände) die Preßfrage mit in ihren Wirkungskreis hineinziehen. Es sollte und wird wohl auch dahin kommen, daß dies mehr als bisher geschieht. Indes auch dabei wird es sich mehr um eine u n t e r s t ü t z e n d e Arbeit handeln, denn alle bestehenden Organisationen sind zusammengefaßte Bestrebungen mit einem bereits vorliegenden bestimmten Ziel und haben daher ihre bestimmte geistige Richtung. Sie können unmöglich aus ihrer Tendenz hinaus. Hierbei ist in erster Linie an die Friedensgesellschaft zu denken. Diese weitverbreitete Liga wird sicherlich



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ihren wachsenden Einfluß im Sinne des Fortschritts der Presse geltend machen. Gerade im Hinblick auf die internationale Wichtigkeit kann sie sich unmöglich von diesem Gebiet fernhalten. Es bieten sich dieser leistungsfähigen und großartig organisierten Gruppe von Befürwortern besserer Völkerbeziehungen in erster Linie die Möglichkeiten, Gutes zu wirken. Der gute Wille ist h i e r sicherlich zu finden. Aber die eigentliche Instanz, Zentralstelle oder wie man es nennen will, welche die Weltpressefrage zu ihrer eigensten Domäne macht, kann die Friedensliga nicht sein. Sie ist als solche nicht neutral — nicht frei von bestimmter Tendenz. Wenn auch noch so viele ihrer Mitglieder eine weitherzige und freie Auffassung haben, die Friedensgesellschaft a l s s o l c h e repräsentiert — und das auch wohl in vollster Absicht — der Allgemeinheit gegenüber das spezifisch pazifistische Prinzip. Obwohl es sich dabei um sehr edle und jedenfalls auch teils praktische Absichten handelt, so steht der »Pazifismus« dennoch mit den Ideen, mit den Gefühlen breiter Schichten noch im Widerspruch. Deshalb würde es f ü r die Friedensliga kaum möglich sein, eine genügend a l l g e m e i n e Wirkung auszuüben. Wohl aber ist, wie schon gesagt, die Mitwirkung der Friedensgesellschaft und ihrer Mitglieder dringend wünschenswert. Auch andere Organisationen sind vorhanden, die zu helfen vermöchten. Als Kind der Neuzeit sollte der H a n s a b u n d schon in seiner Jugend dahin gebracht werden, an solch wichtigen Fragen zu arbeiten. Er umfaßt ja so vielseitige Elemente, d a ß er doch sicherlich Interesse dafür haben muß. Sein älterer Antipode, der Bund der Landwirte, fühlte weder Neigung noch Beruf, nach dieser Richtung zu arbeiten. Hier wäre also Gelegenheit f ü r den Hansabund, praktisch Lorbeeren zu erringen.



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Da ist noch eine andere, viel mächtigere Organisation. Wie sehr könnte sie auf die Presseverhältnisse günstige, veredelnde, reformierende Einflüsse ausüben — wenn sie nicht trotz ihrer gewaltigen Bedeutung eben nur einen Teil der Geister in allen Ländern beherrschte; ich meine die größte Organisation, welche auf der Erde, wenigstens soweit die weiße Rasse in Frage kommt, existiert, und welche durch die unsichtbarsten, aber stärksten Ketten zusammengehalten wird, die katholische Kirche. Die Notwendigkeit, zu bessern, wird von ihren Führern natürlich auch erkannt, und manche Ansätze sind schon gemacht worden, aber die Grenze des Erreichbaren liegt dort immer bei der katholischen Weltanschauung, also kann von einem ganz allgemeinen Einfluß hier kaum die Rede sein. Mehrere in der Entstehung begriffene Verbände, welche auf internationalem und anderem Hintergrund aufgebaut sind, sollten alle die Frage berücksichtigen. Die Notwendigkeit ist übrigens schon, wenn auch wieder von speziellen Gesichtspunkten aus, hin und wieder — z. B. in den Generalsynoden — erwähnt bzw. betont worden. Die neuerlichen Bestrebungen, welche auf staatsbürgerliche Erziehung hinarbeiten, hätten ebenfalls Grund, die Pressefrage mit in den Bereich ihrer Aufgaben aufzunehmen. Die Beziehungen liegen auf der Hand. So weitverzweigt und kompliziert die Gründe auch sein mögen, die die Unzulänglichkeiten im Pressewesen bestimmen, an Änderungen grundlegender Art im Laufe der Zeit braucht also nicht verzweifelt zu werden; aber auch schon durch eine Besserung in den F o r m e n , M a n i e r e n würde sehr viel genützt werden, vor allem auch durch den Kampf gegen das g e h ä s s i g e Persönlichwerden. Schon die Verbreitung von Merkblättern mit kurzer, aber möglichst erschöpfender Belehrung über die Frage



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»Wozu ist die Presse da?« wäre vorteilhaft, nicht bloß zur Beachtung f ü r die Presse, sondern auch f ü r das Publikum. Es handelt sich eben um Gegenseitigkeit zwischen Presse und öffentlicher Meinung. An alle diese Dinge muß in gründlichster Weise herangegangen werden. Was ist öffentliche Meinung? Wie kommt sie zustande? Ist sie bloß das, was sich mehr oder weniger laut bemerkbar m a c h t ? Oder gibt es nicht eine öffentliche Meinung, von der man nichts sieht noch hört, die aber doch — gerade in ihrer Ruhe — wichtig i s t ? Macht die Presse die öffentliche Meinung? Oder beeinflußt die öffentliche Meinung die Presse? Sie beeinflussen sich gegenseitig. Ebensogut wie die Presse die öffentliche Meinung »fabriziert«, r i c h t e t s i c h d i e Presse a n d e r s e i t s nach der ö f f e n t l i c h e n Mein u n g . Ist dieser Zustand wünschenswert? Oder leidet die Objektivität des Urteils d a r u n t e r ? Und wie ist das ziffernmäßige Verhältnis von Preßorganen dieser oder jener Richtung zur Zahl der L e s e r gleicher Richtung? Wie weit darf die subjektive Darstellung gehen? Kann man den Begriff »Anstand« hier normieren? Inwieweit könnte es anders sein als j e t z t ? Es kommen da momentane (eventuell vermeintliche) Notwendigkeiten in Frage. Eine Zeitung will sich dem Publikum mundgerecht machen. Der Korrespondent will seinem Auftraggeber etwas »sein«. »Some believe, they must air their opinion«, drückte sich ein englischer Kenner der Presseverhältnisse einmal aus. Die Sensation bringt einen ersten Vorteil. Die Sensationslust (die passive, also die des Publikums) wird benutzt. Man wird nicht ohne weiteres die »geschickte Art zu bringen« verurteilen können. Es kommen in Frage: die Fähigkeit, Suggestion auszuüben; die Benutzung gewisser menschlicher Eigenschaften und politischer Strömungen. Alles das ist bis zu einem gewissen Grade un-



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vermeidlich und vielleicht auch berechtigt. Stimmungsmomente sind, wie speziell bei der Witzpresse, so auch bei der allgemeinen Presse von maßgebendem Einfluß. Die Stimmungen sind häufig vergleichbar mit Ebbe und Flut, sie steigen und fallen, wenn auch nicht immer regelmäßig, ohne daß der Grund gerade immer erkennbar ist. Das Publikum verlangt instinktiv danach, daß ihm Interessantes geboten wird. Daran ist nichts zu ändern, und es wäre auch bedauerlich, wenn es anders sein würde. Es ist nicht wünschenswert, daß aus dem grauen Alltagsleben noch die Färbungen genommen werden, wonach die menschliche Natur verlangt. Nur keinen Stumpfsinn! Ein sehr wichtiger Umstand, welcher in allererster Linie berücksichtigt werden muß, ist der, daß vieles, sehr vieles, was als natürlich notwendig, als auf inneren Gesetzen beruhend, was als historisch begründet erscheint, in Wirklichkeit, wenn man der Sache auf den Grund gehen kann, ganz oder zum größten Teil nichts ist als » M a c h e«. Nur andeutungsweise kann das hier erwähnt werden, ohne auf Belege einzugehen, die sehr zahlreich vorliegen. Auf einen P u n k t kann ich mir freilich nicht versagen, hier einzugehen. Es betrifft das Verhältnis zwischen Deutschland und England. Es handelt sich um das ewige Gerede, die so weit verbreitete Idee, welche sich geradezu zu einem Dogma ausgewachsen hat, daß nämlich ein Grund, ja eine Notwendigkeit für einen Weltzusammenstoß vorliege, weil Deutschland und England Rivalen auf dem Weltmarkt sind. Bestritten und widerlegt ist diese grundverkehrte Annahme durch englische Handelsminister und eine ganze Reihe anderer Autoritäten. Ein Irrglaube scheint sich leider auch herauszubilden in bezug auf das Verhältnis der slavischen Völker gegenüber dem germanischen Deutschland. Auch hier erscheint vielen Leuten ein Zusammenstoß unvermeidlich. Bei all diesen Dingen liegt sicherlich enorm viel Mache zugrunde, womit



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aber nicht gesagt ist, daß diese Mache nicht auch den unheilvollsten Einfluß haben könnte, und daß, wenn ein Unglück geschehen ist, nachträglich der Beweis von innerer Notwendigkeit vorzuliegen scheint 1 ). Auch Wirkungen, die Gutes hervorgebracht haben, sind zum großen Teil auf Mache oder sagen wir hier lieber Geschicklichkeit zurückzuführen. — Man muß bei der Zeitungslektüre an die Wirkung denken. Diese ist relativ. Es kommt auf den Leser an! — Im ganzen sind die Leser ziemlich kritiklos, lesen etwas d a n n gern und lassen sich dann auch leichter beeinflussen — wenn sie schon von vornherein im Sinne der Leitung von der Sache überzeugt sind. Wie ein bekannter Engländer sagte, bezeichnen Leute häufig dieselben Sachen mit verschiedenen Namen, und die öffentliche Meinung ist oft mehr durch ein Wort (a name) als durch die Sache selbst begründet. »Wo Begriffe fehlen, da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.« Man denke z. B. nur an politische Wendungen, Schlagwörter und Bezeichnungen, wie »liberal« und andere, wo Wort und Begriff sich keineswegs immer decken. Wären die L e s e r durchweg fortgeschrittener in der Lese f ä h i g k e i t und Auffassung, also gewissermaßen immunisiert gegen die Wirkung, so wären Preßmethoden auch weniger verhängnisvoll, und gewisse nachteilige Einflüsse gewännen nicht so leicht Oberwasser. Also eine Aufklärungsarbeit gegenüber dem Publikum ist am Platze. Die Autorität des gedruckten Wortes müßte abgeschwächt werden. Mangel an politischer Reife, an Aufklärung, an Aufklärungsfähigkeit, das sind Dinge, die, wie überall, auch hier Reformen im Wege stehen. Sie zu überwinden, gelingt nur schrittweise. Es handelt sich besonders um l

) Manche Russen sind jetzt, vermutlich, der Ansicht, daß der Russisch-Japanische Krieg — trotz des langen Antagonismus — nicht innerlich notwendig war.



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einen K a m p f gegen die Halbbildung. Die Halbbildung ist es, welche so manchen unerwünschten Erscheinungen in unserem modernen Leben zu g r ü n d e liegt 1 ). Die Halbb i l d u n g h ä n g t mit a n d e r e m , was unserer Zeit charakteristisch ist, wieder eng z u s a m m e n : Schnellebigkeit und » N e r v o s i t ä t der Zeit«. Das ist f ü r sich allein ein zu großes K a p i t e l , als d a ß es hier besprochen werden könnte. Es gilt a u c h n u r , auf Z u s a m m e n h ä n g e a u f m e r k s a m zu machen. Allerlei äußerliche Dinge spielen mit, wobei schon in verschiedenen Landesteilen, erst recht in verschiedenen L ä n d e r n verschiedene Sitten, verschiedene T e m p e r a m e n t e in Frage k o m m e n . Ein hierbei besonders zu behandelndes Kapitel wird sich in vergleichender Weise mit dem bei den verschiedenen Völkern verschieden ausgebildeten Sinne f ü r F o r m e n befassen müssen. Es soll aber ausdrücklich das umfangreiche Gebiet der speziellen Vergleiche meritorischer und sonstiger Art hier vermieden werden. Alles das wird zu berücksichtigen und dabei nicht zu schematisieren sein, z. B. die Art des Zeitungsvert r i e b s : in Deutschland die zahlreichen A b o n n e m e n t s zu billigen Preisen, die vielen Ausgaben usw., in anderen L ä n d e r n m e h r das Ausschreien der Zeitungen mit teils schon sensationellen Zusätzen, P l a k a t e n etc. Es ist klar, d a ß die Presse selbst die Erziehung des P u b l i k u m s v e r m i t t e l n und bewirken m u ß , und d a ß eben das ganze das Preßproblem betreffende Gebiet — wie in anderem Z u s a m m e n h a n g schon dargetan — nur mit Hilfe der Presse erobert werden k a n n . Das ist psychologisch naheliegend. Man denke z. B. n u r d a r a n , d a ß die Presse von Korrespondenzbureaus oder Einzelpersonen n u r das a b n i m m t , was ihr p a ß t . Der verschiedene Grad der Unabhängigkeit der Presse spielt hier eine Rolle. Es m u ß hier zurückgegriffen werden auf die Bemerkung, d a ß der S t a a t s m a n n , der offizielle oder nicht offizielle l

) A little knowledge is a dangerous thing! (Shakespeare.)

— 32 — Beeinflusser der Politik, s e l b s t die Presse benutzt. Das geschieht auf direktem Wege, aber auch auf Umwegen. Gerade der Mann der Presse sollte unabhängig sein, unabhängig nach jeder Richtung. Er sollte nach gewissenhaftester Prüfung der objektiven Richtigkeit rücksichtslos aber in anständiger Form und Gesinnung seine Meinung äußern. — Wenn man Überzeugungen zu unterdrücken die Presse oder überhaupt Staatsbürger zwingt, so zerstört man die für eine gesunde Entwicklung w e r t v o l l s t e n Gefühle — nämlich die: freiwilligen Gefühle. (Man lese Madame de Staël, Humboldt u. a.) Es kann von der Presse nicht verlangt werden, daß sie ein Verfechten ihrer Ideen, eine Agitation f ü r bestimmte Wünsche aufgeben soll und schließlich wird man ihr auch überlassen müssen, sich ihren eigenen Feldzugsplan zu machen. Aber man wird wohl vom Standpunkt der Allgemeinheit aus Gegenmittel anwenden dürfen, auch prophylaktischer Art. Wie das Völkerrecht im Kriege, so muß auch eine Rechtsanschauung bezüglich der Preßmethoden und -mittel sich herausbilden. Dazu eben muß das ganze Gebiet erst genauer gekannt werden. Daß der wertvollste Teil der Presse f ü r einen Fortschritt der Gesamtverhältnisse zu haben ist, darf man ruhig annehmen. Gibt es nicht einen Einblick in die innerhalb der Presse vorhandenen geistigen Einflüsse, wenn man Stimmen ernster Leute des Faches liest, wie z. B. die beherzigenswerten Worte im Vermächtnis des Leiters der »Frankfurter Zeitung«, Leopold Sonnemann. Manches andere Wort von Männern der verschiedensten politischen Richtung könnte hier angeführt werden. Ein Beleg dafür ist es auch, wenn man sieht, wie die Presse wohlgemeinte Mahnungen a u f n i m m t und doch wohl zeitweise beherzigt, wie die, welche z. B. seinerzeit der Reichskanzler im Zusammenhang mit der slavischen Preßhetze gegen Deutschland im Reichstag der Presse zurief.

— 33 — Aber es hat eben trotzdem nicht den Anschein, als ob die Presse, die Weltpresse, dieses schwer zu durchdringende Chaos, ganz aus sich selbst heraus, allein, zu einem gemeinsamen Aufsteigen gelangen werde. Es bedarf zunächst eines über allen Verschiedenheiten der Anschauungen, der Sitten und der Stimmungen stehenden Gesamtwillens, eines zusammenfassenden höheren Machtfaktors, um dieses Produkt der allgemeinen Kulturentwicklung den erhöhten Anforderungen der steigenden Kultur gemäß vollkommener zu gestalten. Zu einer ad hoc zu schaffenden Organisation gehört der Gesamtwille und die Gesamtbeteiligung der Nation. Darin aber l i e g t , daß derartiges ohne die Staatsregierung wirksam nicht Zustandekommen kann. Dem Staat allein stehen die Mittel zur Verfügung, System in eine so gewaltige Arbeit zu bringen. Nun wird mancher, der in den Hauptpunkten mit diesen Darlegungen übereinstimmt, dennoch fragen: was sollen die ausführenden staatlichen Organe, die Regierungen denn eigentlich t u n ? Was kann da überhaupt positiv Nützliches geschehen? Diese Zeilen bezwecken, die Überzeugung zu fördern, daß eben tatsächlich etwas Positives getan werden k a n n und deshalb getan werden m u ß ! Dem gegenüber erhebt sich vielfach der Einwand, die hier zu überwindenden Schwierigkeiten seien so große, daß »doch alles nichts nützt« schon wegen der Unmöglichkeit, die nötigen riesigen Geldmittel aufzubringen; solange die Interessen sich widersprächen, solange die Menschen so seien wie jetzt, würden sie sich bekämpfen, es sei alles Machtfrage usw. Daran ist natürlich vieles richtig. Aber es liegen eben falsche Schlußfolgerungen zugrunde, und wichtiges wird übersehen. Aus den Einwendungen klingt immer wieder das zaghafte Gefühl heraus, derartige Bemühungen beruhten auf utopischen Ideen gutmeinender aber unpraktischer Weltverbesserer.

— 34 — Die Beantwortung der Frage, was geschehen kann, wird sich naturgemäß im einzelnen erst später ergeben, nachdem man sich entschlossen hat, überhaupt ans Werk zu gehen. 1 ) Ein Anfang könnte gemacht werden, indem seitens der Reichsregierung eine besondere Kommission berufen würde. In dieser hätten unter Führung der Regierung zu Wort zu kommen: erstens die Presse selbst (Verleger, Redakteure, Fachpresse, Telegraphenagenturen usw.), sodann juristische Sachverständige, Gelehrte, welche die Lehrstühle für Journalistik innehaben und überhaupt sich wissenschaftlich mit diesem Gebiet befassen, ferner Handel, Industrie und Landwirtschaft (Nationalökonomie, Handelskammern usw.), zweckmäßigerweise auch Lehrer des Völker- und Staatsrechts, sowie Vertreter der Post und Telegraphie, die ja auch am Nachrichtenwesen beteiligt interessiert sind. Es muß eine Gruppe sehr gediegener Leute sein, die durch ihre Zusammensetzung die Gewähr für ernste und gründliche Tätigkeit bietet. Daß jedes Parteiinteresse ausgeschaltet wird, dagegen muß die Regierung Schutzmaßregeln treffen. Was alles zum Arbeitsfeld dieser Kommission gehört, ergibt sich eigentlich schon aus obigen Ausführungen: Sie muß die tieferen Gründe, die ursächlichen Zusammenhänge der verschiedenen Erscheinungen suchen, auf jede Weise, auch mit Hilfe von Statistik usw. klarlegen; sie muß. die Möglichkeiten prüfen, auf welche Art Verständnis verbreitet und die Aufklärungsarbeit getan werden kann, — sowohl bei dem gebildeten Publikum als auch dem Manne *) Zu gestehen, daß man bei einer so schwierigen Frage selbst noch über wesentliche Punkte im unklaren ist, braucht man sich nicht zu scheuen. In Wirklichkeit gibt es dabei so viel zu tun, daß es sonderbar vorkommt, zu sagen: man solle lieber n i c h t s tun, weil man nicht weiß, womit man anfangen soll.

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des Volkes, der nicht über die gleiche Beurteilungsmöglichkeit verfügt, aber in entsprechend richtiger Weise ebensogut aufklärbar ist. Eingehend ist zu untersuchen, ob und wie eine Belehrung bereits in der Schule beginnen sollte und wie ferner andere und höhere Lehranstalten, im besonderen die Universitäten, in stärkerem Maße mithelfen könnten, speziell auch durch Heranbildung von Kräften, die später der Presse angehören. 1 ) Eine große Vorarbeit wäre auf g e s e t z g e b e r i s c h e m Gebiete zu leisten. Es wurde schon auf einige höhere Gesichtspunkte hingewiesen, die dabei nicht außer acht gelassen werden dürfen. Manche die Presse direkt und indirekt berührende Bestimmungen sind sehr reformbedürftig; auch die Preßgesetze (in Deutschland und anderen Ländern) selbst. Man braucht n u r an die großartige Einrichtung wie »Sitzredakteur« zu denken, den Berichtigungsparagraphen oder die Freizügigkeit. Nicht immer sind Befürchtungen über Rechtlosigkeit der Presse unbegründet — selbst in Fällen, wo der Richter kaum anders urteilen kann, als er tut. 8 ) Die Begriffe : »persönliches Interesse«, »öffentliches Interesse«, »Schutz berechtigter Interessen« müssen anders normiert werden in Verbindung mit Paragraphen über »üble Nachrede«, »Wahrheitsbeweis«, »Zeugniszwang« usw., auch das Schweigerecht bzw. die Schweigepflicht wäre genauer und ausgiebiger zu bestimmen. ') Es ist nicht einzusehen, warum der Staat — die Allgemeinheit — nicht berechtigt sein sollte, von einem Pressemann eine gewisse Art Befähigungsnachweis zu verlangen. Es wird doch sonst verlangt, daß im bürgerlichen Leben jeder, von dem allgemeine Interessen abhängen, die notwendigen Eigenschaften nachweist. Warum das bei der Presse gerade nicht so ist, — darüber wird man sich später vielleicht einmal wundern. Es ist eben zu bedenken, daß die Pressemitarbeiter alle Stufen und Klassen umfassen, von Königen herunter bis zu den verlorensten Existenzen I a ) Das beweist, daß innere Widersprüche vorliegen.

— 36 — Als einfach logische Folge der modernen Entwicklung wird den Nationen die Notwendigkeit mehr und mehr aufgezwungen werden, die Gesichtspunkte der internationalen Politik auch auf die gesetzlichen Verhältnisse der Presse mehr zu abertragen. Es wäre auch zu prüfen, inwieweit Rat und Einfluß einzelner Berufskreise der guten Sache nutzbar gemacht werden können. Ich denke in erster Linie an den Kaufmann, den Kaufmann im besten und weitesten Sinne. Man müßte untersuchen, was die bestehenden Vertretungen und Organe des Handels, der Industrie und Landwirtschaft sowie der Verwaltung 1 ) zu tun vermöchten. Man denke sich ein Netz verantwortlicher Stellen, durch welche sowohl von Fall zu Fall, als auch laufend zuverlässige Informationen über schwebende wirtschaftliche und handelspolitische Dinge gesammelt und verbreitet würden. Dadurch könnte manchen unkontrollierbaren, tendenziösen und unwahren Nachrichten zeitig erfolgreich entgegengetreten werden, sowie auch der so häufigen irritierenden Verletzung der guten Form. Die Beweggründe für manches Vorgehen wären leichter ersichtlich; eine zeitigere, wirksamere Scheidung zwischen berechtigten und nicht berechtigten Manövern und Behauptungen, zwischen Spreu und Weizen, wäre die Folge. An Verschleierungen, Entstellungen hat die loyal arbeitende wirkliche Tüchtigkeit und Leistungsfähigkeit kein Interesse — sie setzt sich auch ohne solche Mittel durch. Vorteil davon haben höchstens die, welche »im Trüben fischen«, welche die Kunst besitzen, durch künstlich erzeugte Stimmungen zum Nachteil Anderer eigenen Vorteil zu erzielen. Vorläufig fehlt es dem großen Publikum und auch den verantwortlichen Stellen noch in hohem Maße an der nötigen Orientierungs m ö g l i c h k e i t . Im Ausland etwa die Konsulate in Anlehnung an bestehende Einrichtungen.

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Die Arbeit wäre sowohl negativer (dementierender, berichtigender) als auch positiver (anregender) Art. Es fehlen noch manche notwendige Brücken! Daß z. B. in Ländern mit so intensiven wirtschaftlichen Beziehungen, wie Deutschland und England, gerade auf dem Gebiete des Handels doch eigentlich noch keine Organe bestehen, die in systematischer Weise beobachten, richtigstellen, über die gegenseitigen Verhältnisse sich in ernster Art unterrichten und — zum Nutzen beider Teile — neue Möglichkeiten finden, ist geradezu unglaublich. Auch f ü r den Handel kommen wichtige Stimmungsmomente in Betracht, und zwar sowohl als Ursache wie als Wirkung. Schon darin zeigt sich der enge Zusammenhang mit den Presseeinflüssen. In dem Maße, in welchem ein Land vom anderen k a u f t wird es diesem wertvoll, notwendig und bei ihm beliebt. Die durch Export gegenüber dem Ausland errungene günstige Position ist anderseits aber geeignet, Neid und unfreundliche Stimmung hervorzubringen. Immer sehen wir W e c h s e l w i r k u n g e n : Der Handel verbindet die Nationen zu friedlichen Beziehungen. Diese sind dann wieder Voraussetzung f ü r ein Gedeihen des Handels. Anderseits entstehen durch den Handelsverkehr immer wieder neue Reibungsflächen zwischen den Konkurrenten. Die heutige Weltwirtschaft verlangt nach besseren Hilfsmitteln, um Ausgleiche zu ermöglichen. Es gilt, das gemeinsame Interesse und nicht das Trennende zu betonen. Wir sehen daher auch (in mehreren Ländern) die teils erfolgreichen, teils vergeblichen sporadischen Bemühungen zur Gründung gemeinsamer Handelskammern, spezieller Wirtschaftsvereine, und die früher erwähnten, gelegentlich als dringend nötig empfundenen Verständigungsversuche vielerlei Art. Es würde über den Rahmen dieser Zeilen hinausgehen, auch nur die Andeutungen darüber zu vervollständigen,

— 38 — was alles zu geschehen hätte, um aus den Kinderschuhen herauszukommen. Gerade auch in diesen Dingen wird das Publikum viel zu sehr unter dem Banne von Schlagwörtern gehalten. So hat sich die Irrlehre, daß der Vorteil des Einen immer der Nachteil des Andern sein m ü s s e , schon mancherorts stark eingenistet; ebenso ganz verkehrte Ansichten über Konkurrenz auf dem Weltmarkt usw. Um die Skizzierung etwas zu vervollständigen, so würde dann eine oberste Instanz zu schaffen sein, sei es, daß die Kommission zu einer solchen ausgebildet wird, sei es, daß an Hand der durch diese gewonnenen Erfahrungen unabhängig davon eine Zentralstelle entsteht, deren Tätigkeit sich aus den Kommissionsarbeiten ergibt. Ob dann die Kommission sich auflöst, oder ob sie als beratende Stelle zu einer permanenten Einrichtung wird, gehört zu den sich erst später ergebenden Fragen. Beim Ausbau einer derartigen Organisation werden auch Fragen wie die folgenden zu entscheiden sein: »Ist es besser, die Arbeit zu zentralisieren oder möglichst individuell und vielgestaltig zu organisieren?« »Wie wird am zweckmäßigsten die richtige Fühlung mit und unter den Bundesstaaten hergestellt?« »Welche Ministerien, Ressorts werden dabei beteiligt sein und wie?« Durchaus cura posterior sind auch die späteren Kosten; sie wären zunächst minimal im Verhältnis zur Wichtigkeit der Sache und stellten gewissermaßen eine Versicherungsprämie gegen die Gefahr eines Weltbrandes durch Stimmungsursachen dar. 1 ) Zeitig wäre auch in Erwägung zu ziehen, ob die gesamte Materie als ein P u n k t zur gemeinsamen Besprechung l

) Fernerstehende könnten glauben, durch das Preßbureau des Auswärtigen Amtes, durch den Reichsanzeiger, die Norddeutsche Allgemeine Zeitung, offiziöse und inspirierte Presse sei alles Nötige schon gegeben; das ist natürlich keineswegs der Fall, wenn es sich dabei auch um wichtige Einrichtungen handelt, die teils als Ausgangspunkt dienen könnten.



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seitens der Mächte auf das Programm der Haager Konferenz gesetzt werden sollte 1 ) — oder wie sonst in geeigneter Form die Anregung zu einem analogen Vorgehen anderer Staaten gegeben werden könnte (sofern eine solche nicht schon von anderer Seite ausgehen sollte). Es ist anzunehmen, daß andere Staaten ähnlich verfahren, und daß dann durch einen weiteren Schritt die verschiedenen Stellen miteinander in Verbindung treten würden. Damit wäre der Weg für bedeutende Reformen des internationalen politischen Nachrichtenwesens und neue Möglichkeiten zu gesundem Meinungsaustausch und zur Verständigung eröffnet. Die schon angedeutete, im Wesen der Presse liegende Schwierigkeit darf nicht unterschätzt werden, ich meine die Tatsache, daß Staatsmänner und Regierung sich selbst mitunter der Presse und ihrer Methoden bedienen, insoweit also selbst einen Teil der Presse ausmachen. Man würde aber allmählich dahin kommen, diese und damit auch die diplomatischen Methoden überhaupt etwas zu modifizieren und zu modernisieren. Denn das Kräfteverhältnis würde dadurch nicht geändert, da es kein Nachteil für einen einzelnen, sondern nur ein Gewinn für alle gleichmäßig wäre. Der Klügere »macht es« nach wie vor natürlich doch, demnach hat der, welcher sich dafür hält, keine Veranlassung, gegen Verbesserung der Methoden und Sitten zu sein, es läge sonst ein Armutszeugnis darin. Wenn dann eine Regierung einem anderen Lande also etwas in den Weg legen will, so muß sie wenigstens Farbe bekennen. Es würde sich dann herausstellen, ob der maßgebende Teil der Nation mit der feindlichen Tendenz einverstanden ist. Häufiger könnte eine Portion *) Der Einrichtung eines wirksamen internationalen Preßbureaus unter Beteiligung der Regierungen — wovon oben die Rede war — hätte ebenfalls eine Erörterung auf der Haager Konferenz vorauszugehen.

— 40 — Druckerschwärze auf ihren wahren Wert festgelegt werden, und früher würden sich die Nebel lichten. Um kurz e i n Beispiel zu konstruieren, sei einmal angenommen: In mehreren Ländern bildet sich aus tatsächlichem oder vermeintlichem Interessengegensatz ein immer stärkerer Presseeinfluß mit der Spitze gegen Deutschland heraus. Die Suggestion wird immer stärker, bis die Kritik schließlich zu einer Art feindlichen Gefühlssache herabsinkt. Dann sitzen schließlich alle im Glashaus; alle werfen mit Steinen, daher das störende Geklirr, welches der Würde der Presse nicht entspricht. . . . Nicht immer ist es den Regierungen dann noch möglich, die nötigen Korrekturen zu machen, bisweilen mag ihnen die feindliche Volksstimmung als ein Hebel der eigenen feindlichen Politik erscheinen. In den meisten Fällen beruhen solche Methoden auf einem Verkennen der wahren Interessen des eigenen Landes und bringen nur gegenseitige Nachteile. Es ist keine falsche Sentimentalität, zu verlangen, daß aus ethischen Gesichtspunkten solche künstliche unfreundliche Stimmungen unter Nationen nachlassen und daß die Weltpresse nur der Wahrheit dient. Also mehr Licht ! Das Verantwortlichkeitsgefühl, welches vielleicht doch mehr, als von Pessimisten angenommen, latent vorhanden ist, muß gestärkt werden. Vielfach ruft man jetzt nach den »Kulturträgern«. Hier hat der Staat es in der Hand, deren Mitarbeit f ü r einen wichtigen Fortschritt zu gewinnen. Wenn in geeigneter Weise vorgegangen wird, dürfte die Gegenliebe im ganzen Lande nicht ausbleiben!